Krieg und Kunst: Die Visualisierung englischer Herrschaftsansprüche in Frankreich (1422-1453) 9783110578966, 9783110576306

The English occupiers of France in the late phase of the Hundred Years War based their claims to the French crown not on

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German Pages 414 [416] Year 2018

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage
2. „Roy de France à bon droit, et d’Angleterre ainsi comme on le voit.“1 Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI.
3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater. Die Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Frankreich
Zusammenfassung
Katalog der Handschriften
Anhang
Literaturverzeichnis
Datenbanken
Abstract
Personenregister
Recommend Papers

Krieg und Kunst: Die Visualisierung englischer Herrschaftsansprüche in Frankreich (1422-1453)
 9783110578966, 9783110576306

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Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London Publications of the German Historical Institute London

Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London Herausgegeben von Andreas Gestrich Band 81

Publications of the German Historical Institute London Edited by Andreas Gestrich Volume 81

Julia Crispin

Krieg und Kunst Die Visualisierung englischer Herrschaftsansprüche in Frankreich (1422–1453)

ISBN 978-3-11-057630-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-057896-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-057650-4 ISSN 2192-0257 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston Titelbild: John Talbot übergibt das Shrewsbury Book an Marguerite d’Anjou (Widmungsminiatur: London, British Library, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v) Druck und Bindung: Hubert & www.degruyter.com

Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage . . . . . . . . . . . . 23 1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1. Vita und kulturelles Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2. Bedford als Stifter, Auftraggeber und Besitzer von Kunst . . . 1.1.3. Die illuminierten Handschriften des Herzogs von Bedford .

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1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1. Vita und kulturelles Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2. Beauchamp als Stifter und Auftraggeber von Kunst . . . . . . . 1.2.3. Die Handschriften Richard Beauchamps . . . . . . . . . . . . . . . .

48 50 57 61

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1. Vita und kulturelles Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2. Talbot als Stifter und Besitzer von Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3. Die Handschriften John Talbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 65 71 72

1.4. Sir John Fastolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1. Vita und kulturelles Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2. Fastolf als Stifter, Auftraggeber und Besitzer von Kunst . . . . 1.4.3. Die Handschriften John Fastolfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 76 86 92

2. „Roy de France à bon droit, et d’Angleterre ainsi comme on le voit.“ Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild . . . 2.1.1. Ein französisches Gedicht und seine Illustration . . . . . . . . . 2.1.2. Die Übertragung des Gedichts ins Englische . . . . . . . . . . . . . 2.1.3. Heinrichs Ahnentafel im Shrewsbury Book . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4. Die Konstruktion einer Genealogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5. Die Adaption ‚französischer‘ Motive und Traditionen . . . . . 2.1.6. ‚Englische‘ Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7. Die bildliche Unterstützung durch weltliche Machthaber . . . 2.1.8. Die Nutzung und das Publikum der genealogischen ­Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien und Einzügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Zwei folgenschwere Todesfälle und ihre Inszenierung . . . . . 2.2.2. Militärische Aufmärsche Bedfords in den 1420er Jahren . . . 2.2.3. Die Krönungsexpedition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 97 102 103 104 107 114 115 116 120 122 126 129

VI  Inhalt 2.2.4. Exkurs: Inszenierungen der Doppelmonarchie in London . 139 2.2.5. Der Aufmarsch Talbots bei der Schlacht von Castillon 1453 . 144 2.2.6. Das Publikum der Einzüge, Aufmärsche und Zeremonien . 145 2.2.7. Entwicklungen in der Nutzung politischer Bilder . . . . . . . . . 146 2.3. Herrschaftsansprüche in der Normandie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Die Normandie in Bedfords Benediktionale . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Die Normandie im Shrewsbury Book . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3. Kunst als Ausdrucksmittel eines Partikularinteresses? . . . . .

148 150 151 153

2.4. Zusammenfassung: Kunst als Mittel zur Repräsentation der ­herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater. Die Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Frankreich . . . . . . . . . . 155 3.1. „Pour ce quil estoit celluy qui representoit la personne du roy de France et d’Angleterre“. Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1. Die Inszenierung des Regenten in Zeremonien und Einzügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Die Darstellung des Herzogs und der Herzogin von Bedford in ihren Stundenbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Der Herzog von Bedford als Ordensgründer . . . . . . . . . . . . . 3.1.4. Der Herzog von Bedford als weiser Fürst? . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5. Zwischenfazit zu Bedfords Selbstdarstellung . . . . . . . . . . . . . 3.2. „Vostre humble servant“. Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute ­Heinrichs VI. in Lancastrian France . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Richard Beauchamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. John Talbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. John Fastolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4. Zwischenfazit zur Selbstdarstellung Beauchamps, Talbots und Fastolfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. „To exhorte sture and lerne þe Kyng“. Die Repräsentanten der ­englischen Krone in Frankreich in beratender, belehrender und ­erziehender Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Richard Beauchamps Selbstrepräsentation als Tutor Heinrichs VI.? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2. John Talbots Shrewbury Book . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3. Instruktive Geschenke des Herzogs und der Herzogin von Bedford an Heinrich VI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4. John Fastolfs Selbstdarstellung als Berater? . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5. Zwischenfazit zur Selbstdarstellung als Berater, Lehrer und Erzieher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . 212

Inhalt  VII

3.4.1. „In the name of Almyghti God and Saynt George“. Der heilige Georg in Lancastrian France . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3.4.2. Himmlische Bezugsfiguren in den Stundenbüchern als politisch genutzte Bilder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3.4.3. Guy von Warwick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3.5. Zusammenfassung: Die Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Katalog der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Kat. 1: Das Foyle Breviary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Kat. 2: Die Bedford Hours and Psalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Kat. 3: Die Bedford Hours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Kat. 4: Das Salisbury Breviary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Kat. 5: Das verlorene Benediktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Kat. 6: Die Foyle Hours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Kat. 7a–b: Der Pèlerinage de l’âme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Kat. 8a–e: Die naturwissenschaftlichen Handschriften John of Bedfords . 269 Kat. 9: Die Beauchamp Psalter and Hours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Kat. 10a–b: Die Handschriftenadaptionen Richard Beauchamps . . . . . 276 Kat. 11: Das Decamerone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Kat. 12: Die Gebetsrolle Henry Beauchamps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Kat. 13: Das Shrewsbury Book . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Kat. 15: Das Stundenbuch eines Gefolgsmannes des Herzogs von Bedford . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Kat. 16a–b: Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux und die Épître d’Othéa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Kat. 17a–c: Weitere in England entstandene Profanhandschriften John Fastolfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Kat. 18a–d: Die Stundenbücher englischer Offiziere in Lancastrian France . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

VIII  Inhalt Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Abbildungsnachweise und Bildrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Vorwort Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2015/16 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde. Ich möchte an dieser Stelle all jenen, die an seiner Entstehung beteiligt waren und mir während meiner Forschungstätigkeit zur Seite gestanden haben, herzlich danken. An erster Stelle ist mein Betreuer Martin Kintzinger (Universität Münster, ­Historisches Seminar) zu nennen, der die Arbeit mit Enthusiasmus und Zuversicht begleitet hat. Für seine uneingeschränkte fachliche und persönliche Unterstützung sowie zahlreiche wertvolle Ratschläge und Denkanstöße bin ich ihm sehr verbunden. Eva-Bettina Krems (Universität Münster, Institut für Kunstgeschichte) hat freundlicherweise das Zweitgutachten übernommen. Hanno Wijsman (Paris, Institut de recherche et d’histoire des textes) hat nicht nur als Drittgutachter fungiert, sondern mit vielfältigen hilfreichen Hinweisen auch zur Entstehung der ­Arbeit beigetragen. Für die Aufnahme meines Buches in die Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London und die Gewährung der Druckbeihilfe möchte ich mich bei dem Reihenherausgeber Andreas Gestrich und dem wissenschaftlichen Beirat des DHI London bedanken. Markus Mößlang gilt mein besonderer Dank für seine kompetente, geduldige und freundliche Unterstützung bei der Drucklegung. Die Studienstiftung des deutschen Volkes förderte die Arbeit mit einem großzügigen Promotionsstipendium, und meine Forschungstätigkeit in Großbritannien wurde durch Stipendien des DHI London und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ermöglicht. Die British Archaeological Association gewährte mir ein Stipendium für ihre Jahrestagung in Canterbury. Die Forschungsaufenthalte im Ausland gehörten für mich zu den schönsten und bereicherndsten Seiten des Promovierens, und ich bin den Mitarbeitern zahlreicher Forschungsinstitute, Bibliotheken, Archive und Museen zu herzlichem Dank für das großzügige Bereitstellen von Quellen und die vielfältige Hilfe bei meiner Recherche verpflichtet. Hervorheben möchte ich folgende Institutionen: Bibliothèque nationale de France (Paris), Bodleian Library (Oxford), British ­Library (London), Catharijneconvent Museum (Utrecht), Courtauld Institute of Art (London), DHI London, DHI Paris, Fitzwilliam Museum (Cambridge), Institute of Historical Research (London), Institut de recherche et d’histoire des textes (Paris), Lambeth Palace Library (London), Magdalen College (Oxford), Scottish Catholic Archives, Columba House (Edinburgh), University Library (Cambridge). Mein Forschungsprojekt hat von Beginn an in höchstem Maße von der vielfältigen Unterstützung durch meine Freunde und Fachkollegen profitiert. Ohne sie wäre mein Buch in seiner jetzigen Form nicht denkbar, und ich möchte ihnen ­allen für unzählige anregende Gespräche danken. An erster Stelle möchte ich meine Freunde und Kollegen vom Historischen Seminar in Münster nennen, insbesondere Nils Bock, Manuela Brück, Marcel Bubert, Jan Clauß, Torben Gebhardt, https://doi.org/10.1515/9783110578966-202

X  Vorwort Torsten Hiltmann, ­Tobias Hoffmann, Elmar Hofman, Georg Jostkleigrewe, Christian Scholl, Sita Steckel, Thomas Tippach, Bastian Walter-Bogedain, Gesa Wilangowski und Elise Wintz. Maßgeblich zum Gelingen der Arbeit haben auch meine Freunde und Kollegen in England beigetragen: Besonders herzlich möchte ich mich bei Jenny Stratford bedanken, die das Entstehen meines Buches fast von Beginn an mit größter fachlicher Expertise, wertvollen praktischen Ratschlägen und Freundschaft begleitet hat. Während meines Aufenthaltes als Gastdoktorandin am Courtauld Institute of Art in London hat Susie Nash mich fachlich betreut und mir zahlreiche wertvolle Kontakte vermittelt. Für inspirierende Diskussionen und eine wundervolle Zeit in England und darüber hinaus danke ich außerdem Matthew Champion, Alexander Collins, Nina Heydemann, Deidre Jackson, Chris Jones, Anna Koopstra, Cornelia Linde, Alina Peczek, Maud Pérez-Simon, Catherine Reynolds, Miranda Stanyon, Catherine Yvard und Milan Žonca sowie meinen Kommilitonen am Courtauld Institute, meinen Mitstipendiaten am DHI London und den Teilnehmern des ­Medieval History Seminar 2013. Für die mentale Unterstützung und motivierende Pausengespräche im für mich schwierigsten Abschnitt der Promotion – der Schreibphase – danke ich meinen Wegbegleiterinnen aus Köln, Anina Baum, Lisa Bosbach, Jee-Hae Kim und Corinna Kühn. Für ausschlaggebende Gespräche zum richtigen Zeitpunkt bin ich Christine Beese, Maria Galen und Barbara Sielhorst dankbar. Meine Liebe zum englischen Spätmittelalter und zur interdisziplinären Arbeit teile ich mit Antje Fehrmann, deren Dissertation zu den Grabmälern der Lancaster mich inspiriert hat und die mich von Beginn an in meinem Vorhaben bestärkt hat. Mein größter Dank gilt meiner Mutter Doris Schreiner, die meine Ausbildung mit all ihren Umwegen vorbehaltlos, geduldig und ermutigend in jeder erdenklichen Form unterstützt hat. Ihr widme ich dieses Buch. Zum Abschluss danke ich meinem Mann David Crispin – für alles. Bochum und Köln, im März 2018

Einleitung The pee-degre doth hit specifie, The figure, lo, of the genelagye, How that God list for her purchace Thurgh his power and benigne grace, An heir of peas by just successioun, This ffigure makith clere demonstracioun […] On þe othir part byhold & ye may se How this Herry in þe eight degre Is to Seint Lowys sone & very heir; To put awey all doute and dispair, God hath for vs so graciously provided, To make al oon that first was devided, That this Herry stonding in the lyne, Thurgh Goddis hond & purviaunce devyne, Is iustly borne, to voide all variaunce, For to be kyng of Englond & of Fraunce.1

Mit diesen Worten brachte der Benediktinermönch John Lydgate im Jahre 1426 die zentrale politische Botschaft der Machthaber im unter englischer Besatzung stehenden Frankreich auf den Punkt: Heinrich VI. von Lancaster2, der am 6. Dezember 1421 geborene Sohn Heinrichs V. und Catherines de Valois, sei gottgesandter und unbestrittener Nachfahre Ludwigs des Heiligen und damit rechtmäßiger König von England und Frankreich. Dies werde dem Empfänger des Textes anhand einer „figure […] of the genelagye“ – eines Bildes seiner Ahnen – gezeigt und verständlich gemacht. Dass die englischen Ansprüche auf den französischen Thron keineswegs unbestritten waren, sondern im Gegenteil maßgeblich zu einer der verheerendsten und langwierigsten Abfolgen kriegerischer Auseinandersetzungen des europäischen Spätmittelalters mit beitrugen, steht außer Frage. Lydgates Worte spiegeln lediglich die Sichtweise der aktuellen politischen Verhältnisse, um deren Vermittlung man sich von englischer Seite aus gegenüber einer breiten Öffentlichkeit bemühte, sei es auf militärischem oder diplomatischem Wege oder eben durch den Einsatz von politische Vorstellungen kommunizierenden Bildern – durch die gezielte politische Nutzung von Kunst.3 1

Lydgate, Secular Poems, S. 617. Anmerkung zur Wahl der Namensformen: Während die Namen von Königen durchgängig eingedeutscht wurden, wurde ansonsten die in der jeweiligen Landessprache übliche Benennung verwendet. 3 Wenn in der vorliegenden Studie von ‚Kunst‘ die Rede ist, wird nicht im modernen Sinne von einem Produkt oder einer Aktivität um seiner bzw. ihrer selbst willen ausgegangen, sondern Wim Blockmans folgend von funktionsgebundenen „cultural products and performances“, Blockmans, Splendour of Burgundy, S. 17. Für den hier behandelten Zeitraum ist eine klare Trennung zwischen Handwerk, Kunsthandwerk und Kunst noch nicht möglich. Genauso werden ‚Kunstpatronage‘ und ‚mäzenatische Tätigkeit‘ hier als zweckgebundene Maßnahmen verstanden, die in erster Linie soziale, politische und ökonomische oder aber religiöse Ziele verfolgen, und nicht die uneigennützige Förderung von Kunst und Künstlern. Vgl. hierzu bspw. ebd., S. 17 f., 21–23; ders., Feeling of Being Oneself, S. 3; Carqué, Stil und Erinnerung, S. 371–383; Kamp, Memoria und Selbstdarstellung, bes. S. 209, 228–252. 2

https://doi.org/10.1515/9783110578966-001

2  Einleitung Die Nutzung von Kunst zur Visualisierung und Inszenierung politischer Vorstellungen und Ansprüche spielte im europäischen Spätmittelalter eine wichtige Rolle. Prominente Beispiele aus dem direkten kulturellen Umfeld der politischen Machthaber in Lancastrian France4 finden sich unter den Kunstaufträgen und spektakulär ausgestatteten Großereignissen des französischen Königshofes und des burgundischen Hofes. Kunst wurde zu ephemeren Zwecken, beispielsweise im Rahmen von Einzügen, Zeremonien und militärischen Aufmärschen, angefertigt, oder war dazu vorgesehen, längerfristig genutzt zu werden, sei es in Form repräsentativer Bau- und Bildwerke, Gemälde und Tapisserien oder aber als Gebrauchs­ gegenstände, wie Prunkgeschirr und -textilien sowie illuminierte Handschriften. Als politisches Mittel konnte Kunst zunächst der allgemeinen Zurschaustellung von Finanzkraft und Prestige und damit implizit der Repräsentation von Macht dienen. Von besonderem Interesse jedoch ist die Nutzung von Kunstwerken zur Verbildlichung konkreter politischer Ansprüche. Hierbei lassen sich zwei unterschiedliche Zielsetzungen feststellen, die sich keinesfalls gegenseitig ausschlossen: Zum einen diente Kunst der Darstellung der Positionierung des Auftraggebers5 oder der Auftraggeber gegenüber weitreichenden, zum Teil reichsübergreifenden Machtverhältnissen – wie im eingangs angesprochenen Beispiel der Visualisierung der Ansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone. Zum anderen ließ sich anhand von Kunst der Status einzelner Akteure oder Familien sowie deren Rolle im politischen Geschehen inszenieren. Wie die englischen Machthaber in Lancastrian France Kunst nutzten, um politische Vorstellungen und Ansprüche zum Ausdruck zu bringen, ist Thema des vorliegenden Buches. Es wird gefragt, in welcher Form sie Kunstwerke und allgemein Bilder instrumentalisierten, um politische Botschaften zu vermitteln, welche Inhalte konkret kommuniziert wurden und welcher Motive sie sich bedienten. Ebenso ist zu fragen, welche aktuellen politischen Faktoren jeweils eine Rolle spiel-

4

Der Begriff Lancastrian France wird in der englischsprachigen Forschung für die zwischen ca. 1415 und 1453 zeitweise unter englischer Herrschaft stehenden Teile Nordfrankreichs benutzt und entspricht dem Terminus France Anglaise in der französischsprachigen Forschung. Es handelt sich dabei weniger um eine geografische Bezeichnung als vielmehr um ein politisches Konstrukt, dessen Form und Ausdehnung durch die politischen Entwicklungen bedingten Wandlungen unterlegen war. Da keine gängige deutschsprachige Entsprechung existiert, wird der Begriff auch in der vorliegenden Studie verwendet. Vgl. Murphy, War, Government and Commerce; Keen, End of the Hundred Years War; Bautier, Réflexions sur la „France Anglaise“; Contamine, La „France Anglaise“. 5 Im Folgenden wird die Bezeichnung ‚Auftraggeber‘ verwendet, wenn es um Personen geht, die Neuanfertigungen von Handschriften bzw. Modifizierungen bestehender Handschriften oder die Produktion von Kunstwerken anderer Gattungen veranlassten. Die Bezeichnung wird als Synonym des in der englischsprachigen Forschung genutzten Begriffs ‚patron‘ verstanden. Der Begriff ‚Mäzen‘ wird als vorwiegend auf die Antike und die Moderne angewandter Terminus, der die uneigennützige Förderung von Künstlern oder Autoren suggeriert, nur in Ausnahmefällen verwendet. Zur Problematik des Begriffs siehe Mollat, ‚Mäzen, Mäzenatentum‘; Carqué, Stil und Erinnerung, S. 380 f.; Kamp, Memoria und Selbstdarstellung, bes. S. 243–252. Zur Begrifflichkeit in der englischsprachigen Forschung siehe Harris, Book Production, passim.

Einleitung  3

ten, inwieweit sich durch die politischen Entwicklungen bedingte Umbrüche in den vermittelten Inhalten und den zum Einsatz gebrachten Bildern greifen lassen und welcher Rezipientenkreis jeweils adressiert wurde. Einführung in den Zeitkontext: Der politische Schauplatz Die Geschichte der englischen Herrschaft über weite Teile Frankreichs und der Normandie im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts lässt sich aus Sicht der englischen Machthaber als bekanntlich gescheiterter Versuch beschreiben, Stabilität und Kontinuität in einer an politischen Schwankungen, Umbrüchen und Konfliktpotential reichen Zeit zu etablieren.6 Den Hintergrund bildete der sogenannte Hundertjährige Krieg, also die kriegerischen Auseinandersetzungen um die französische Krone und französische Territorien, die, unterbrochen von Perioden des Friedens, bereits seit 1337 andauerten und in welche neben England und Frankreich zahlreiche weitere europäische Mächte involviert waren.7 Nach einer 26-jährigen Friedensphase hatte der kurz zuvor zum englischen König gekrönte Heinrich V. aus dem Hause Lancaster, einer Nebenlinie der Plantagenet, im Jahr 1415 den Krieg in Frankreich wieder aufgenommen und konnte bis 1420 in einer Reihe aufsehenerregender militärischer Aktionen weite Teile Nordfrankreichs einnehmen. Die militärischen Erfolge der Engländer bildeten zusammen mit der zunehmenden Regierungsunfähigkeit des französischen Königs Karls VI. von Valois und dem bereits seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen dem Herzog von Burgund, Philippe le Bon, und dem Dauphin, welcher den Engländern den burgundischen Herzog als mächtigen Bündnispartner in die Arme trieb, die Voraussetzungen für den Vertragsschluss von Troyes am 21. Mai 1420. Bei diesem wurde die Eheschließung zwischen Heinrich V. und der Tochter Karls VI., Catherine de Valois, beschlossen, Heinrich als Nachfolger des französischen Königs deklariert und als 6

Die Trennung in Frankreich und die Normandie wird bewusst vorgenommen, da das Herzogtum Normandie zwar einerseits einen Teil des französischen Königreiches bildete und als solches verstanden wurde, ihm aber andererseits bereits seit dem Hochmittelalter eine hervorgehobene Rolle in der englischen Politik zukam, die sich insb. seit Heinrich V. in einer gesonderten politischen Behandlung ausdrückte. Siehe hierzu Curry, Lancastrian Normandy, bes. S. 235–239, 252; Allmand, Lancastrian Normandy; Rowe, Grand Conseil, S. 208, 215–220. 7 Zur Problematik des Begriffs ‚Hundertjähriger Krieg‘ siehe Curry, Hundred Years War, S. 3  f., die zurecht darauf verweist, dass die Bezeichnung ein zusammenhängendes Unternehmen suggeriert, die Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich im 14. und 15. Jh. jedoch aus mehreren Phasen kriegerischer Konflikte bestanden, die von längeren Friedensperioden unterbrochen waren und deren jeweilige Zielsetzung sich im Laufe der Zeit entsprechend der wechselnden Protagonisten und historischen Umstände mehrfach änderte. Curry schlägt eine Einteilung des Krieges in drei, jeweils aus mehreren kleineren Konflikten bestehenden Phasen vor, von denen sie die dritte, für die vorliegende Studie relevante Phase mit der Wiederaufnahme der militärischen Unternehmungen in Frankreich im Jahr 1415 unter Heinrich V. ansetzt. Aus der umfangreichen Literatur zum Hundertjährigen Krieg sei hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur auf einige nach wie vor maßgebliche Standardwerke verwiesen: Contamine, Guerre de cent ans; Allmand, Hundred Years War sowie in jüngerer Zeit Curry, Hundred Years War mit einem Forschungsüberblick auf S. 20–27; dies., Battle of Agincourt; Ehlers, Geschichte Frankreichs, S. 306–349.

4  Einleitung Regent von Frankreich eingesetzt sowie der Dauphin enterbt und damit von der Thronfolge ausgeschlossen.8 Nur gut zwei Jahre später kam es zu tiefgreifenden Umwälzungen im politischen Machtgefüge: Mit dem Tod Heinrichs V. am 31. August 1422 und dem Ableben Karls VI. nur wenige Wochen später, am 21. Oktober, wurde der nur zehn Monate alte Sohn Heinrichs V. und Catherines de Valois, Heinrich VI., zum König von England und – entsprechend dem Vertrag von Troyes – von Frankreich. Die Regentschaft und insbesondere die Regierungsgeschäfte in Frankreich übernahm an seiner statt der älteste Bruder seines Vaters, John, der Herzog von Bedford.9 In der Regierung Englands spielte der mächtige Kronrat, dem unter anderem der hocheinflussreiche Bischof von Winchester, Henry Beaufort, und Richard Beauchamp, der Graf von Warwick, angehörten, fortan eine wichtige Rolle. Zudem wurde Humphrey, der Herzog von Gloucester und jüngere Bruder Bedfords, für die Dauer der Abwesenheit seines Bruders zum Protektor des Reiches ernannt.10 Die folgenden Jahre zeichneten sich trotz dieser schwierigen Ausgangslage zunächst durch weitere militärische Erfolge auf englischer Seite sowie die relativ ­erfolgreiche Etablierung der englischen Herrschaft in Frankreich mit Paris als ­Regierungszentrum aus, begünstigt durch die Stärkung der Allianz mit Burgund infolge der Eheschließung Bedfords mit Anne, der Schwester des burgundischen Herzogs, im Juni 1423.11 Erst gegen Ende der Dekade geriet die militärische Vormachtstellung der Engländer in Nordfrankreich ins Wanken. Hierzu trugen zum einen militärische Vorstöße des Dauphins, zum anderen eine Reihe von Faktoren, die das Verhältnis zu Burgund belasteten, mit bei, etwa der sich zuspitzende Konflikt zwischen dem burgundischen Herzog und Humphrey of Gloucester um Territorien in den burgundischen Niederlanden.12  8 Zu

den militärischen Unternehmungen Heinrichs V. in Frankreich siehe Allmand, Henry V the Soldier; ders., Lancastrian Normandy, S. 2–23; Curry, Agincourt. A New History; dies., Battle of Agincourt; Dockray, Henry V, S. 125–181. Zur Etablierung der englischen Verwaltung unter Heinrich V. siehe zuletzt Murphy, War, Government and Commerce. Zum Vertrag von Troyes siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 19–49, 270 f.; Autrand, Charles VI, S. 577–591; Curry, Two Kingdoms, One King; Schnerb, Armagnacs et Bourguignons, S. 212– 216; Leguai, La „France Bourguignonne“; Warner, Anglo-French Dual Monarchy. Zum Vertragstext siehe die Edition Cosneau (Hrsg.), Les grands traités, S. 100–115.  9 Zum Regentschaftsantritt Bedfords siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 6  f.; Keen, England in the Later Middle Ages, S. 380–383; Leguai, La „France Bourguignonne“, S. 46–48. 10 Zu Gloucesters Protektorat siehe Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 9–29; Petrina, Duke of Gloucester, S. 105–127; Griffiths, Henry VI, S. 28–38, 68–94; Watts, Henry VI, S. 111–122. 11 Zur englischen Regierung in Frankreich unter Bedford siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 24–36; Curry, Hundred Years War, S. 89–96; Grondeux, Présence anglaise; Schnerb, Armagnacs et Bourguignons, S. 212–270; insb. zu Paris zuletzt Favier, Bourgeois de Paris, S. 195– 204; ders., Les Anglais à Paris. Zur anglo-burgundischen Allianz siehe Armstrong, La double monarchie; Leguai, La „France Bourguignonne“; Thompson, Régime Anglo-Bourguignon; ders., Paris Under English Rule; Warner, Anglo-French Dual Monarchy. Insb. zum Vertrag von Amiens und zur Eheschließung Bedfords und Annes von Burgund siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 7 f.; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 27 f., 31. 12 Zum Konflikt zwischen Gloucester und Philippe le Bon siehe etwa Vale, English Gascony, S. 98–113; Griffiths, Henry VI, S. 28–50, 70–106 und passim; Warner, Anglo-French Dual Monarchy, S. 121–129.

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Zunehmende militärische Verluste, nicht zuletzt die gescheiterte Belagerung von Orléans 1428/29, bei welcher mit John Talbot, dem Grafen von Shrewsbury, einer der wichtigsten Kommandeure des englischen Militärs in französische Gefangenschaft geriet, führten zur weitgehenden Beschränkung der englischen Macht auf Nordfrankreich und die Gascogne und zur Verlagerung ihres herrschaftlichen Zentrums von Paris nach Rouen.13 Zur gleichen Zeit – am 16. Juli 1429 – ließ sich der Dauphin in Reims zum französischen König Karl VII. krönen.14 Die Schwierigkeiten, mit der sich die englische Regierung in Frankreich konfrontiert sah und die mit nachlassendem Rückhalt in England einhergingen, waren zweifelsohne ausschlaggebend bei der Entscheidung, auch den eigenen Thronprätendenten schnellstmöglich nicht nur zum englischen, sondern auch zum französischen ­König krönen zu lassen und damit die Rechtmäßigkeit seiner herrschaftlichen Ansprüche gegenüber der englischen wie auch der französischen Bevölkerung sichtbar zu machen. Am 6. November fand die Krönung Heinrichs VI. zum englischen König in Westminster statt, im April des folgenden Jahres setzte der königliche Hof auf den Kontinent über. Nach einem circa fünfzehn Monate währenden Aufenthalt in Rouen zog Heinrich nach Paris weiter, wo er als gerade Neunjähriger am 16. Dezember in der Kathedrale Notre-Dame von Henry Beaufort zum französischen König gekrönt wurde.15 Auch die derart gestaltete Inszenierung des Königtums Heinrichs konnte dem Niedergang der englischen Herrschaft in Frankreich jedoch nicht nachhaltig entgegenwirken: Innerer Zwist und weitere militärische Niederlagen auf englischer Seite in den 1430er Jahren gingen mit der zunehmenden Annäherung zwischen Karl VII. und Burgund einher, die im Friedensschluss von Arras im Herbst 1435 mündete. Die Engländer verloren damit ihren mächtigsten Verbündeten, nur wenige Tage später verstarb der Regent John of Bedford.16 Der Verlust Burgunds als Bündnispartner bedeutete eine deutliche Einschränkung des englischen Machtund Einflussbereichs auf dem Kontinent. Im Jahr 1436 eroberte Karl VII. mit Unterstützung des burgundischen Herzogs Paris und konnte in den folgenden Jahren weite Teile der unter englischer Besatzung stehenden Gebiete wieder unter seine 13 Zu

den militärischen Verlusten der Engländer in den späten 1420ern und zur Verlagerung des englischen Machtzentrums nach Rouen siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 32–36; Cailleux, La présence anglaise; Massey, Lancastrian Rouen. Insb. zur Belagerung von Orléans siehe Pollard, John Talbot, S. 13–18; Contamine, Guerre de cent ans, S. 90–97. 14 Zur Krönung Karls VII. siehe etwa Jackson, Vive le roi!, S. 34–40, 76–79. 15 Zu den Krönungen Heinrichs VI. siehe jüngst Lebigue, L’ordo du sacre d’Henri VI; Grummitt, Henry VI, S. 74–80; Wolffe, Henry the Sixth, S. 49–63; Curry, Coronation Expedition; Allmand und Styles, Coronations of Henry VI; Thompson, Paris Under English Rule, S. 199– 205; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 192–201. 16 Zu den militärischen Verlusten der Engländer in den frühen 1430er Jahren siehe Vale, English Gascony, S. 98–113; Griffiths, Henry VI, S. 191–216; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 36–40. Zur Annäherung zwischen Burgund und Karl VII. und zum Vertrag von Arras siehe Armstrong, La double monarchie, S. 371–373; Thompson, Régime Anglo-Bourguignon, S. 53 f.; Dickinson, Congress of Arras; Keen, England in the Later Middle Ages, S. 388–394; Vaughan, Philip the Good, S. 99–107; den Sammelband Clauzel et al. (Hrsg.), Arras, bes. den Beitrag Allmand, Traité d’Arras.

6  Einleitung Herrschaft bringen. Überdies fehlte es an einem dem Herzog von Bedford in An­ sehen und politischem Geschick vergleichbaren Nachfolger für die Regierung der englischen Besitzungen in Frankreich, so dass es in den 1430er und 1440er Jahren zu wiederholten Wechseln im Oberkommando in Lancastrian France kam.17 Die Probleme in der Aufrechterhaltung der Herrschaft auf dem Kontinent wurden durch die zunehmenden innerenglischen Konflikte zwischen den Häusern York und Lancaster sowie die allmählich sichtbar werdenden Defizite der politischen Fähigkeiten Heinrichs VI. intensiviert.18 Am 22. Mai 1444 kam es zum für die englische Seite vergleichsweise ungünstigen Vertragsschluss von Tours zwischen Heinrich und Karl VII., in dem neben einem Waffenstillstand und Gebietsabtretungen an den Valois-König die Eheschließung zwischen Heinrich und der Tochter Renés d’Anjou, Marguerite, verabredet wurde.19 Tatsächlich umgesetzt wurde am 23. April des folgenden Jahres lediglich letzteres. In den späten 1440er Jahren gelang Karl VII. die Rückeroberung der Normandie, wobei der Verlust von Rouen im Oktober 1449 die englischen Besatzer besonders hart traf.20 Zwar gelang es den Engländern zu Beginn der 1450er Jahre, kurzfristig Gebiete in der Gascogne wieder unter ihre Herrschaft zu bringen. Auch diese Erfolge waren jedoch nicht von Dauer, so dass sie sich im Sommer 1453 nach einer letzten großen Niederlage bei Castillon zum Rückzug auf die Insel gezwungen sahen.21 Einführung in den Zeitkontext: Die Kunstproduktion in Lancastrian France Die nordfranzösische Kunstproduktion der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde stark von den politischen Geschehnissen der Zeit geprägt: Die andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen wirkten sich deutlich auf die kulturellen und ökonomischen Bedingungen aus, mit denen sich die Künstler wie auch ihre Kundschaft konfrontiert sahen. Die wiederholten Machtwechsel führten zu abrupten Abbrüchen bestehender und gleichzeitig zur Etablierung neuer PatronageVerhältnisse, außerdem zu Umsiedlungen von Künstlern und ganzen Werkstätten.22 Zu einer hohen Künstlermobilität und einem intensiven kulturellen Aus17 Zu

den militärischen Entwicklungen in den späten 1430ern und 1440ern siehe Baume, Opérations militaires anglaises; Vale, English Gascony, S. 114–132; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 40–49; Contamine, Guerre de cent ans, S. 102–105. 18 Zur Regierung Heinrichs VI. in den 1440ern und frühen 1450ern siehe vor allem Griffiths, Henry VI, S. 231–712; Grummitt, Henry VI, S. 88–94; Watts, Henry VI, S. 123–298. Zum beginnenden Konflikt zwischen den Häusern York und Lancaster siehe ebd., S. 275–294; Hicks, Wars of the Roses, S. 49–92; Carpenter, Wars of the Roses, S. 87–115. 19 Zum Vertrag von Tours siehe Keen, England in the Later Middle Ages, S. 395–399; Ramsay, Lancaster and York, Bd. 2, S. 58–61; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 278–283. 20 Zur Rückeroberung der Normandie durch Karl VII. siehe Griffiths, Henry VI, S. 494–550; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 46–49; Curry, Loss of Lancastrian Normandy; Pollard, John Talbot, S. 62 f. 21 Zu den letzten Jahren des Krieges und dem Rückzug der Engländer siehe Vale, English Gascony, S. 114–153; Curry, Hundred Years War, S. 99–104; Contamine, Guerre de cent ans, S. 105–109; Keen, End of the Hundred Years War. 22 Wenn in dieser Arbeit von ‚Werkstätten‘ die Rede ist, so werden darunter Richard und Mary Rouse folgend im selben Stil ausgebildete, kollaborierende, aber nicht zwangsweise am glei-

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tausch trugen darüber hinaus die zahlreichen diplomatischen Kontakte und dynastischen Bindungen zwischen den Höfen bei. Während Paris – Sitz des französischen Königshofes und Wirkungsstätte namhafter Auftraggeber wie der Herzöge von Burgund und Berry – um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 15. Jahrhunderts noch eines der wichtigsten und einflussreichsten Kunstzentren Europas gewesen war, verschlechterte sich die Situation für die lokale Kunstproduktion in den 1410er Jahren erheblich, nicht zuletzt aufgrund des Bürgerkrieges zwischen den Armagnacs und den Bourguignons und des wiederentflammten Krieges mit England.23 Abwanderungen von Auftraggebern, insbesondere des französischen Königshofes, und Künstlern führten zur Entstehung neuer Kunstzentren, beispielsweise in Bourges, Amiens, Tours und Rouen.24 Völlig an Bedeutung verlor Paris jedoch nicht, und mit der Etablierung der englischen Regierung in Frankreich mit Paris als Zentrum im Jahr 1422 konnten sich die Kunstproduktion und der Handel mit Luxusgütern bis zu einem gewissen Grad erholen. Man passte sich den neuen politischen Gegebenheiten an, und Künstlerverbünde oder einzelne Künstler, die zuvor für französische Auftraggeber tätig gewesen waren, arbeiteten nun stattdessen für die Engländer. Als prominentestes Beispiel seien die sogenannten Bedford-Illuminatoren angeführt; bei diesen handelte es sich um eine Gruppe von Buchmalern, deren Stil sich bereits im vorherigen Jahrzehnt in Paris fassen lässt und die nun aufwendige liturgische Handschriften für den englischen Regenten illuminierten.25 Die Verlagerung des administrativen Zentrums der Engländer im Herbst 1429 von Paris nach Rouen und die weitgehende Beschränkung der englischen Macht chen Ort tätige (Buch-)Maler verstanden, die von einem Buchhändler oder libraire koordiniert wurden. Moderne Künstlerwerkstätten im Sinne komplexer, einem Meister unterstehender und unter einem Dach tätiger Personenverbünde lassen sich für das spätmittelalterliche Frankreich noch nicht nachweisen, Rouse und Rouse, Manuscripts and their Makers, Bd. 1, passim. Siehe hierzu auch jüngst Stratford, Sobieski Hours, S. 187 f., 203. 23 Zur Pariser Kunstproduktion zu Beginn des 15. Jh.s siehe etwa Taburet-Delahaye (Hrsg.), Paris 1400; Meiss, French Painting; Rouse und Rouse, Manuscripts and their Makers, Bd. 1, S. 285–302; Châtelet, L’âge d’or, bes. S. 11–183; ders., Commandes artistiques parisiennes; Sterling, Peinture médiévale, S. 251–418; König, Bedford Hours, S. 9–77; Clark, Spitz Master, S. 54–91 sowie verschiedene Beiträge in den Sammelbänden Hofmann und Zöhl (Hrsg.), Quand la peinture était dans les livres; Croenen und Ainsworth (Hrsg.), Patrons, Authors and Workshops, bes. Fianu, Métiers et espace. Zum Bürgerkrieg zwischen den Armagnacs und Bourguignons siehe Schnerb, Armagnacs et Bourguignons. 24 Zur Entstehung neuer französischer Kunstzentren siehe Avril und Reynaud (Hrsg.), Manuscrits à peintures; Plummer, Last Flowering; Bousmanne und Delcourt (Hrsg.), Miniatures flamandes; Nash, Between France and Flanders; Reynolds, English Patrons; dies., Les Angloys; dies., Definitions and Identitites. 25 Zur Pariser Kunstproduktion unter englischer Besatzung siehe Clark, Spitz Master, S. 91–93 und jüngst ders., Art in a Time of War. Insb. zum Bedford-Stil siehe ebd., S. 257–267 sowie jüngst Stratford, Sobieski Hours, bes. S. 179 f., 182, 203–209; außerdem Taburet-Delahaye (Hrsg.), Paris 1400, S. 342–373; Avril und Reynaud (Hrsg.), Manuscrits à peintures, bes. S. 17–29; Plummer, Last Flowering, bes. S. 1–29; Sterling, Peinture médiévale, S. 419–460; Rabel und Stirnemann, Très Riches Heures; Reynolds, Les Angloys; dies., Salisbury Breviary; dies., Definitions and Identities; König, Bedford Hours, S. 78–88; Villela-Petit, Bréviaire de Châteauroux, bes. S. 47–71; Spencer, Salisbury Breviary.

8  Einleitung auf die Normandie in den folgenden Jahren wirkte sich erneut auf die französische Kunstproduktion aus, wobei die Künstler den machtpolitischen Entwicklungen auf unterschiedliche Art und Weise begegneten: Ein Teil der Pariser Künstler begleitete seine englischen beziehungsweise im Dienste der Engländer stehenden französischen Auftraggeber in die Normandie, während andere in Paris blieben.26 Zugleich etablierten sich in Rouen, das nun als politisches Zentrum von Lancastrian France trotz andauernder kriegerischer Konflikte einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr, neue Werkstätten und kooperierende Künstlerverbünde, etwa die sogenannten Talbot-Illuminatoren, die in den folgenden zwei Dekaden vorwiegend für den Grafen von Shrewsbury, aber auch für andere englische Auftraggeber, tätig waren.27 Ähnliche Entwicklungen lassen sich in der Jahrhundertmitte beobachten: Während einige Künstler nach dem Rückzug der englischen Besatzer aus Frankreich vor Ort blieben und sich den ‚neuen‘ Machthabern zuwandten, siedelten andere im Gefolge ihrer englischen Auftraggeber auf die Insel über, beispielsweise der sogenannte Fastolf Meister, der sich wahrscheinlich in der Mitte des 15. Jahrhunderts in London etablieren konnte.28 Fragestellung und methodischer Zugang In der vorliegenden, fachübergreifend zwischen Kunstgeschichte und politischer Kulturgeschichte angesiedelten Untersuchung wird danach gefragt, wie die englischen Machthaber in Frankreich und der Normandie zwischen circa 1420 und der Mitte des 15. Jahrhunderts Kunst und Bilder nutzten, um politische Vorstellungen und Ansprüche zu vermitteln. Der interdisziplinäre Zugang ist dabei ­bewusst gewählt: Anhand einer zielorientierten Analyse der erhaltenen oder re26 Als

Beispiel für Letzteres sei der sogenannte Meister von Dunois genannt, ein im Bedford-Stil ausgebildeter Künstler, der ein Stundenbuch für Jean d’Orléans, den Grafen von Dunois, illuminierte. Vgl. jüngst Clark, Art in a Time of War, passim; Châtelet, Heures de Dunois; Reynolds, Definitions and Identities; Avril und Reynaud (Hrsg.), Manuscrits à peintures, S. 36– 38. 27 Zur Rouennaiser Kunstproduktion im 15. Jh. siehe diverse Beiträge zum Sammelband Stratford (Hrsg.), Medieval Art at Rouen; Lardin und Benoit, Les élites artisanales, S. 288–290, 294–304; Avril, La Normandie; Reynolds, English Patrons; Plummer, Last Flowering, passim; Crispin, French Book Illumination. Insb. zu den Talbot-Illuminatoren siehe neben den genannten Titeln Reynolds, Talbot Master; dies., Salisbury Breviary, S. 211–231; Avril, Régime des princes; Hedeman, Role of the Visual, S. 100–104. 28 Zum künstlerischen Transfer zwischen England und Frankreich, insb. in der Buchmalerei, siehe Meale, Patrons, Buyers and Owners; Alexander, Foreign Illuminators. Zum Fastolf Meister siehe jüngst Stratford, Sobieski Hours, bes. S. 181, 208–210 sowie Clark, Art in a Time of War, bes. S. 278–282; außerdem Wüstefeld, Prayer Roll, bes. S. 240–246, mit einem Überblick zur bisherigen Forschung; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249–251; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 53–55, Nr. 670, 695, 696; Plummer, Last Flowering, S. 1 f., 15. Der Stil der Talbot-Illuminatoren ist hingegen auch nach dem Rückzug der Engländer in Rouen nachweisbar, vgl. hierzu Rabel, Artiste et clientèle; Avril, Régime des princes. Übergreifend zum Kulturtransfer zwischen Frankreich und England im Spätmittelalter und darüber hinausgehend siehe etwa die Sammelbände Arn (Hrsg.), Charles d’Orléans in England; Genet und Ruggiu (Hrsg.), Les idées passent-elles la Manche?; Genet, L’influence française. Zur kunsthistorischen Nutzung des Begriffs ‚Kulturtransfer‘ siehe Gramaccini und Schurr, Kunst und Kulturtransfer sowie die dortigen Literaturverweise.

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konstruierbaren kunsthandwerklichen Erzeugnisse zum einen und der zeitgenössischen Schriftquellen zur Kunstnutzung zum anderen soll ein Beitrag zur Erforschung der politischen und kulturellen Geschichte der englisch besetzten Teile Frankreichs und der Beziehung zwischen England und dem europäischen Festland im späten Mittelalter geleistet werden. Methodisch verortet sich die Arbeit in einer Reihe jüngerer kulturhistorischer Studien zur politischen – propagandistischen – Nutzung von Kunstwerken und Bildern sowie deren Rezeption im westeuropäischen Spätmittelalter. Genannt seien Antje Fehrmanns 2008 erschienene Dissertation, in der sie die Selbstdarstellung der Lancaster mittels ihrer Grabmäler und Grabkapellen im Kontext des Konkurrenzverhältnisses zum Valois-Hof untersucht, sowie Anja Rathmann-Lutz’ 2010 veröffentlichte Arbeit zur Instrumentalisierung von ‚Images‘ Ludwigs des Heiligen im Rahmen der dynastischen Konflikte des 14. und 15. Jahrhunderts.29 Für die politische Nutzung von Kunst auf burgundischer Seite sei außerdem exemplarisch auf Simona Slaničkas 2002 publizierte Dissertation zur visuellen Politik des burgundischen Herzogs Jean sans Peur verwiesen, welche die öffentlichkeitswirksame Zurschaustellung heraldischer Zeichen thematisiert.30 Wenngleich Kunstwerke und Luxusgüter einen großen Teil des der vorliegenden Untersuchung zugrundeliegenden Quellenmaterials ausmachen, wird ‚Kultur‘ ausdrücklich nicht als sektoraler, auf Kunst, Literatur und Musik oder aber materielle Erzeugnisse des Menschen im Allgemeinen beschränkter Gegenstandsbereich verstanden, sondern Barbara Stollberg-Rilinger und anderen Vertretern der jüngeren Kulturgeschichte folgend als „Gesamtheit der symbolischen Hervorbringungen – von der Sprache über die Institutionen und Alltagspraktiken bis zur 29 Fehrmann,

Grab und Krone; Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen. Krieg der Zeichen. Methodisch einschlägig für die vorliegende Untersuchung sind zudem zahlreiche grundlegenden Studien zur symbolischen Kommunikation im Mittelalter, z. B. die Sammelbände Althoff (Hrsg.), Formen und Funktionen; Schreiner und Signori (Hrsg.), Bilder, Texte, Rituale; Freigang und Schmitt (Hrsg.), Hofkultur in Frankreich; Althoff und Siep, Symbolische Kommunikation. Siehe außerdem Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, Ritual, Symbol; dies., Symbolische Kommunikation. Zur Kunstpatronage und insb. zur politischen Instrumentalisierung von Bildern im Spätmittelalter existieren zahlreiche übergreifende Arbeiten und Einzelstudien, siehe etwa zu Burgund Kamp, Memoria und Selbstdarstellung; Wijsman, Luxury Bound; ders., Patterns in Patronage; ders., Book Collections and their Use; Paravicini, Die zwölf „Magnificences“ Karls des Kühnen; die Beiträge in Blockmans und Janse (Hrsg.), Showing Status; Blockmans et al. (Hrsg.), Staging the Court. Zu französischen Auftraggebern vgl. Autrand, Jean de Berry, S. 393–485; Carqué, Stil und Erinnerung, bes. S. 416–459; Ferguson O’Meara, Monarchy and Consent; Leistenschneider, Saint-Denis; Hedeman, Royal Image; Kintzinger, Beatus Vir; ders., Symbolique du sacre, S. 94–111; ders., Der weiße Reiter, bes. S. 331–353. Zum Forschungsstand vgl. auch Freigang und Schmitt, Hofkultur in Frankreich, Einleitung. An vergleichbaren Arbeiten zur englischen Seite siehe bspw. Reynolds, Les Angloys; McKenna, Dual Monarchy; Gaunt, Visual Propaganda; Danbury, Artistic Propaganda; Ailes, Heraldry in Medieval England; Crane, Performance of Self, bes., S. 107–139 sowie zahlreiche Beiträge in den in der Reihe Harlaxton Medieval Studies erschienen Sammelbänden Cherry und Payne (Hrsg.), Signs and Symbols; Stratford (Hrsg.), Lancastrian Court; Rogers (Hrsg.), England in the Fifteenth Century; Williams (Hrsg.), England in the Fifteenth Century.

30 Slanička,

10  Einleitung Wissenschaft“.31 Auch im Verständnis von ‚politischer Kulturgeschichte‘ oder ‚Kul­turgeschichte des Politischen‘ folge ich Stollberg-Rilinger und gehe von einer grundsätzlichen Verschränkung von zeitgenössischen Macht- und Herrschaftsstrukturen zum einen und von deren Darstellung und Wahrnehmung zum anderen aus. Politische Inszenierungen und Bilder lassen sich demnach bei aller intentionellen oder unbewussten Formung ‚tatsächlicher‘ Machtstrukturen nicht völlig diesen lösen, sondern wurzeln in ihnen und bedingen sie zugleich, Form und Inhalt stehen im Wechselverhältnis zueinander.32 So gründete die Vorstellung des rechtmäßigen Königs von Frankreich – um ein Beispiel aus dem Untersuchungskontext heranzuziehen – sowohl auf englischer als auch auf französischer Seite in der politischen Realität, nämlich zum einen der Existenz des entsprechenden Stammbaums, zum anderen dem militärisch und diplomatisch Erreichten und Möglichen. Die Vermittlung und Durchsetzung dieser Vorstellung trug zur Modifizierung der realen politischen Verhältnisse bei, was wiederum zu neuen Bildern führte. Eben diese Verschränkung von historischer Realität und ihrer Vorstellung und Vermittlung wird in der vorliegenden Studie in den Blick genommen, und es wird untersucht, welche Bilder man jeweils zu welchem politischen Zweck kommunizierte, worin diese gründeten und was man damit jeweils bewirkte. Insbesondere Letzteres kann allerdings nur in den wenigsten Fällen präzise erfasst werden, da sich die konkrete Wirkung politischer Bilder kaum beziehungsweise nur sehr selten von der Wirkung anderweitiger politischer Maßnahmen trennen lässt. Der aus der Frühen Neuzeit stammende, lange vorwiegend mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts verbundene und in diesem Zusammenhang negativ belegte Terminus ‚Propaganda‘ beziehungsweise die Bezeichnung der im Fokus der vorliegenden Arbeit stehenden Medien als ‚propagandistisch‘ werden hier als funktionale Arbeitsbegriffe verstanden. Ihre Anwendbarkeit in der mediävistischen Forschung unter bestimmten Voraussetzungen wurde beispielsweise von Karel Hruza postuliert und forschungsgeschichtlich aufgearbeitet. Demnach lassen sich Kommunikationsformen als Propaganda bezeichnen, die auf den politischen, sozialen oder religiösen Bereich abzielen, deren Vermittlung vorwiegend über ‚öffentliche‘ Kommunikationskanäle erfolgt und deren Publikum aus einer Gruppe von Personen besteht, die zu einer bestimmten Handlung oder Denkweise bewegt werden sollen.33 Nicht zuletzt, weil alternative Termini fehlen, finden die Begriffe 31 Siehe

hierzu verschiedene Beiträge zum Tagungsband Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Kulturgeschichte des Politischen, bes. die Einführung dies., Kulturgeschichte des Politischen. Einleitung, hier S. 10 f.; Walz, Begriff der Kultur; Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 9–20; dies., Symbolische Kommunikation, S. 490 f. 32 Vgl. Göhler, Symbolische Politik; Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte des Politischen. Einleitung, S. 15–21 mit weiteren Hinweisen zur Forschung. 33 Vgl. Hruza, Propaganda, bes. S. 9–22, 24  f. Zum Begriff ‚Propaganda‘ und seiner Anwendung in der Forschung zum Spätmittelalter siehe auch Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 17–19; Studt, Geplante Öffentlichkeiten, bes. S. 203–214; Gaunt, Visual Propaganda; Contamine, Propagande de guerre, bes. S. 6–13. Mit Propaganda im Kontext des Hundertjährigen Krieges beschäftigen sich bspw. ebd., S. 17–27; McKenna, Dual Monarchy; Dan-

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‚Propaganda‘ und ‚propagandistisch‘ auch in der vorliegenden Untersuchung Anwendung, wenn es um Formen und (Bild-)Medien der persuasiven Vermittlung politischer Botschaften gegenüber einem begrenzten Rezipientenkreis oder aber einer breiteren Öffentlichkeit geht. Dass auch der Begriff ‚Öffentlichkeit‘ in seiner Anwendbarkeit auf die Vormoderne mit einer Reihe gesellschaftlich und medial bedingter Voraussetzungen verknüpft ist, versteht sich von selbst und wurde bereits häufig und umfassend diskutiert, etwa von Peter von Moos in einer Reihe einschlägiger Studien oder von Bernd Thum, der die mittelalterliche Öffentlichkeit als situativ, dynamisch und okkasionell definiert.34 So wird auch hier nicht von einer klar umrissenen ‚Öffentlichkeit‘ ausgegangen, gegenüber der die hier untersuchten politischen Botschaften jeweils kommuniziert wurden, sondern von einem wandelbaren, immer nur aus einem Teil der Gesellschaft bestehenden und von Fall zu Fall neu zu definierenden Rezipientenkreis – einer „Pluralität von Öffentlichkeiten“35. Zudem ist, wie bereits von Peter von Moos betont, ein klare Differenzierung zwischen dem ‚öffentlichen‘ und dem ‚privaten‘ Bereich im heutigen Sinne für das Mittelalter nicht möglich; wenn also, beispielswiese im Rahmen familiärer Interaktion oder religiöser Andacht, von ‚privaten‘ Handlungen und Kontexten die Rede ist, wird immer auch ein gewisser Anteil an Öffentlichkeit mitgedacht.36 Nimmt man die Geschichte der politischen Propaganda in ihrer Gesamtheit in den Blick, so fällt der gewählte Untersuchungszeitraum in die Frühphase eines hochinteressanten Wandlungsprozesses in Bezug auf ihre Wahrnehmung und Reflexion. Daran, dass Propaganda als politische Handlungsoption zu allen Zeiten und damit auch während des gesamten Mittelalters existierte, besteht kein Zweifel, theoretisch reflektiert und als valides politisches Mittel wahrgenommen und empfohlen wurde sie im Mittelalter jedoch nicht. Dies ist vor allem damit zu erklären, dass die Bestätigung durch das Volk in der mittelalterlichen Herrschaftsbury, Artistic

Propaganda; Taylor, War, Propaganda and Diplomacy; Lewis, War Propaganda and Historiography; Verger, Théorie politique sowie jüngst Bellis, Hundred Years War; Rohr, True Lies and Strange Mirrors. 34 Vgl. den Sammelband Melville und von Moos (Hrsg.), Das Öffentliche und das Private, insb. den einleitenden Beitrag von Moos, Das Öffentliche und das Private; ders., „Öffentlich“ und „privat“; Thum, Öffentlichkeit und Kommunikation, hier S. 70–72. Siehe außerdem mit umfassenden Hinweisen zur Forschung Hruza, Propaganda, bes. S. 19–25; Schenk, Zeremoniell und Politik, bes. S. 59–65; Carqué, Stil und Erinnerung, bes. S. 393–398, 416– 418, 441–459; verschiedene Beiträge in Althoff (Hrsg.), Formen und Funktionen; ders., Demonstration und Inszenierung, S. 229–233 sowie zuletzt den Sammelband Kintzinger und Schneidmüller (Hrsg.), Politische Öffentlichkeit, bes. Kintzinger und Schneidmüller, Politische Öffentlichkeit – Einführung, bes. S. 11–13; Oschema, Öffentlichkeit des Politischen; Mierau, Öffentlichkeit und Gemeinwohl, bes. S. 243–250; außerdem Boucheron und Offenstadt (Hrsg.), L’espace public. Beispielhaft zur englischsprachigen Forschung siehe Coleman, Public Reading; Symes, A Common Stage, S. 127–130 und jüngst Connell, Popular Opinion, S. 1–47. 35 Kintzinger und Schneidmüller, Politische Öffentlichkeit – Einführung, S. 12. 36 Vgl. von Moos, Das Öffentliche und das Private; ders., „Öffentlich“ und „privat“. Vgl. zur Frage der Privatheit im Mittelalter außerdem Duffy, Marking the Hours, S. 53–64; Wieck, Time Sanctified, passim; De Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168–198.

12  Einleitung begründung keine Rolle spielte – Herrschaft legitimierte sich durch Gott, Tradition und militärischen Erfolg.37 Im Spätmittelalter gewann die Meinung des Volkes und damit die Notwendigkeit, diese zu lenken, an Bedeutung, wie etwa Klaus Oschema am Beispiel des spätmittelalterlichen Frankreich nachgezeichnet hat: Für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts können zahlreiche Bemühungen nachgewiesen werden, die Gesellschaft auf allen Ebenen – das heißt sowohl Herrschaftseliten als auch die breite Masse – anzusprechen und ihr beispielsweise durch Aushänge oder öffentliche Bekanntmachungen politische Inhalte zu vermitteln. Zwar lässt sich nach wie vor keine theoretische Reflexion dieser Praxis als anerkanntes Mittel der Herrschaftsausübung greifen – etwa in zeitgenössischen politischen Traktaten –, man war sich der Macht des Volkes und der Gefahr, die dieses für den Herrscher darstellen konnte, aber offensichtlich bewusst und bemühte sich darum, politische Vorstellungen in einer bestimmten Form zu kommunizieren.38 Vergleichbar stellt sich die Lage auch für die unter der Herrschaft der Lancaster stehenden Teile Frankreichs dar: Auch hier hatten die politischen Machthaber historische Ereignisse, welche die Bedrohung der herrschenden Elite durch die Bevölkerung vor Augen führten, etwa den Bauernaufstand in England im Jahr 1380 oder den armagnakisch-burgundischen Bürgerkrieg, in deutlicher Erinnerung. Dementsprechend lassen sich nicht nur zahlreiche Maßnahmen der öffentlichkeitswirksamen Visualisierung politischer Botschaften auf Seiten der Vertreter der englischen Krone greifen, auch die Reaktion der Bevölkerung auf eben diese Maßnahmen und damit ihre Rolle innerhalb derartiger Inszenierungen wird in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung thematisiert, beispielsweise durch den anonymen Autor des Journal d’un Bourgeois de Paris und Thomas Walsingham.39 Durch eine Analyse der in der zeitgenössischen Historiografie nachweisbaren Bildpropaganda der Machthaber in Lancastrian France zum einen und ihrer Rezeption zum anderen soll also nicht zuletzt ein Beitrag zur systematischen Erforschung politischer Kommunikation und der Wahrnehmung, Funktion und Form von Öffentlichkeiten im späten Mittelalter geleistet werden. Im Detail wird es um folgende Fragen gehen: Es wird untersucht, in welcher Form die Engländer in Frankreich Kunst instrumentalisierten, um makropolitische Vorstellungen und Ansprüche zu visualisieren, welche Inhalte jeweils vermittelt werden sollten und welcher Themen, Traditionen und Motive sie sich hierfür

37 Siehe

hierzu Oschema, Öffentlichkeit des Politischen, bes. S. 69 f.; Guenée, L’opinion publique; außerdem die Angaben oben, Anm. 34. Übergreifend zur Geschichte der Propaganda siehe zuletzt den Ausstellungskatalog Welch, Propaganda, bes. S. 4 f. 38 Oschema, Öffentlichkeit des Politischen. Siehe auch weitere Beiträge in Kintzinger und Schneidmüller (Hrsg.), Politische Öffentlichkeit; Offenstadt, Faire la paix, bes. S. 230–253. 39 Journal d’un Bourgeois de Paris; Walsingham, Historia Anglicana. Zum Bourgeois de Paris siehe Tuetey, Journal d’un Bourgeois de Paris, Introduction; Beaune, Journal d’un Bourgeois de Paris, Introduction; Curry, Battle of Agincourt, S. 175–178, insb. zur Rolle der Bevölkerung Guenée, L’opinion publique, S. 11 f. und passim; Oschema, Öffentlichkeit des Politischen, S. 73–79. Zu Thomas Walsingham siehe Curry, Battle of Agincourt, S. 48.

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bedienten.40 Im Einzelnen ist dabei zunächst zu diskutieren, wer für die Konzeption der Aufträge verantwortlich war. Des Weiteren wird gefragt, an wen sich die bildmedial kommunizierten Botschaften jeweils richteten, beziehungsweise richten sollten. Grundlegend ist die Frage nach den Auswirkungen des Krieges und der politischen Umstände – das heißt die Etablierung der englischen Regierung in Frankreich mit Paris als Zentrum in den 1420er Jahren, der Rückzug in die Normandie um die Dekadenwende und schließlich der Bruch mit Burgund und die zunehmenden Gebietsverluste in den 1430ern und 1440ern – auf die jeweiligen Darstellungen. Einen Schwerpunkt der Untersuchung bildet die Frage, inwieweit man spezifisch ‚englische‘ oder mit dem Hause Lancaster in Verbindung stehende Bilder und Traditionen aufwendete. Zugleich wird analysiert, welche lokalen französischen oder normannischen Elemente, beziehungsweise welche explizit auf das französische Königshaus verweisenden Motive und Themen man in das politische Bildprogramm einfließen ließ und auf welche Weise man diese verschiedenen Bilder miteinander kombinierte.41 Dies ist von besonderem Interesse bei der Visualisierung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone: Hier wird gefragt, welche mit dem französischen Königtum verknüpften Zeichen man zur Inszenierung Heinrichs als König von Frankreich nutzte, und auf welche mit dem Hause Valois oder den Kapetingern in Verbindung stehenden Traditionen, Legenden und Vorbilder – etwa bestimmte Heilige – man zurückgriff. Gleichzeitig wird untersucht, inwieweit man vorwiegend in England gebräuchliche oder sogar erst unter den Lancaster-Herrschern etablierte Motive zum Einsatz brachte, und auf welche Weise das spezifische Argument des Herrschaftsanspruchs Heinrichs VI. – die Abstammung vom englischen und vom französischen Königshaus – visuell umgesetzt wurde. Zudem ist zu fragen, inwieweit anhand von figurativen Szenen oder Kombinationen heraldischer Zeichen jeweils aktuelle – tatsächliche oder angestrebte – Machtkonstellationen dargestellt wurden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Bildmitteln, die zur Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Lancastrian France, also zur Selbstpositionierung im politischen Gefüge der Zeit und zur Visualisierung ihres jeweiligen Status, eingesetzt wurden. Es wird analysiert, inwieweit einzelne Akteure etwa mittels narrativer Darstellungen in Buchillustrationen, heraldischer Zeichen, die zur Dekoration von Kunstwerken oder in öffentlichkeitswirksamen Zeremonien eingesetzt wurden, oder schlicht anhand kostspieliger Aufträge, eine bestimmte politische Rolle 40 Zur

zeitgenössischen propagandistischen Nutzung von Kunst auf französischer Seite siehe etwa verschiedene Arbeiten Lawrence Bryants, Marigold Norbyes und Anne Hedemans sowie Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 220–237; Beaune, Naissance, passim. 41 Die Bezeichnung als ‚englisch‘ oder ‚französisch‘ meint hier nicht die Herkunft oder nationale Zugehörigkeit bestimmter Vorbilder, Traditionen und Motive, sondern bezieht sich auf ihre vorwiegende Verehrung bzw. Nutzung. Übergreifend zur Frage der nationalen Identität im Kontext des Hundertjährigen Krieges siehe zuletzt Green, National Identities mit weiteren Literaturverweisen sowie Curry, War, Peace and National Identity, S. 149–151.

14  Einleitung und Prestige zu vermitteln versuchten. Insbesondere wird untersucht, welche Motive und Traditionen man aufwendete, um Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen oder seine Beziehung zum Königshaus und damit einhergehend seine Stellung in Lancastrian France zu visualisieren. Auch hier ist die Instrumentalisierung bestimmter Vorbilder und Heiliger von hervorgehobenem Interesse. Ebenso ist in diesem Zusammenhang danach zu fragen, inwiefern man sich französische Auftraggeber zum Vorbild nahm, und inwieweit es zu einer gegenseitigen Bezugnahme der englischen Auftraggeber untereinander kam. Der Untersuchungszeitraum von circa 1420 bis circa 1450 hebt sich gegenüber früheren Phasen der kriegerischen Konflikte zwischen England und Frankreich ab, da man sich nun um eine auf Dauer angelegte Etablierung der englischen Regierung in Frankreich bemühte, mit der die Einrichtung und Aufrechterhaltung administrativer Strukturen und die langfristige Niederlassung der Engländer einherging.42 Dadurch wurden überhaupt erst die Voraussetzungen für eine Ausei­ nandersetzung mit der nordfranzösischen Kunstproduktion und ihren Bildmitteln seitens der Engländer geschaffen. Im Fokus der Arbeit stehen dementsprechend die Personen, die längerfristig im Auftrag der englischen Regierung in Frankreich tätig waren und die dortige Kunstproduktion nutzten, das heißt Kunst für sich oder andere in Auftrag gaben, erwarben oder anderweitig akquirierten.43 Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Inhabern hochrangiger herrschaftlicher und militärischer Positionen zu, welche die politischen Entwicklungen und Ereignisse in Lancastrian France nicht nur miterlebten, sondern in vielen Fällen entscheidend mitgestalteten, und darüber hinaus häufig vorbildhaft auf Mitglieder ihres Hofes oder ihre militärischen Gefolgsleute wirkten. An erster Stelle ist der für seine mäzenatische Tätigkeit bekannte Herzog von Bedford zu nennen, der von 1422 bis zu seinem Tod im Jahr 1435 die Regentschaft für seinen unmündigen Neffen Heinrich VI. in Frankreich ausübte und zum Teil vor, insbesondere aber während dieser Zeit eine umfangreiche Sammlung illuminierter Handschriften aufbaute, von denen einige erhalten sind und andere durch Inventare erschlossen werden können. Bedford war überdies als Bauherr tätig. Weitere maßgebliche Akteure in den militärischen Auseinandersetzungen wie auch im diplomatischen Austausch mit französischen Machthabern in der letzten Phase des Hundertjährigen Krieges waren Richard Beauchamp, der Graf von Warwick, und John Talbot, der Graf von Shrewsbury. Sie kooperierten eng mit dem Regenten sowie untereinander, und auch in kunstpolitischer Hinsicht lässt sich ihre Zusammenarbeit greifen. Während ihrer langjährigen Aufenthalte in Frankreich und der 42 Vgl.

Allmand, Lancastrian Normandy, S. 50. Zur Ansiedlung der Engländer siehe auch MasLand Settlement; ders., Lancastrian Rouen. 43 Auftraggeber, deren politische Aktivität sich weitgehend auf England beschränkte und deren Handschriftenaufträge in erster Linie dort zu verorten sind, wie bspw. Humphrey of Gloucester, können nur am Rande berücksichtigt werden. Zur Handschriftenpatronage Gloucesters, die vor allem in jüngerer Zeit vielfach Gegenstand der Forschung war, siehe Petrina, Duke of Gloucester; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists; Genet, Bibliothèques des princes, S. 138–141; Rundle, Habits of Manuscript-Collecting; Sammut, Unfredo Duca di Gloucester. sey,

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Normandie gaben sie illuminierte Handschriften in Auftrag, die für die vorliegende Untersuchung von Interesse sind. Ebenfalls analysiert werden die Aufträge Sir John Fastolfs, des Vorstehers des Haushaltes Bedfords, der seinen sozialen Status durch den Krieg mit Frankreich erheblich verbessern konnte und dies nicht zuletzt in Form prestigeträchtiger Kunstaufträge zum Ausdruck brachte. Exkursartig soll schließlich eine Reihe illuminierter Gebetbücher, die für weniger hochrangige Vertreter der englischen Krone in Lancastrian France angefertigt wurden, in den Blick genommen werden. Quellengrundlage Die Quellengrundlage dieser Studie bilden zum einen erhaltene oder anhand von Kopien oder Beschreibungen zumindest in Teilen rekonstruierbare Kunstwerke, zum anderen zeitgenössische Schriftzeugnisse zur Nutzung von Bildern im politischen Kontext. Bei den Kunstwerken, die im Zentrum der Untersuchung stehen, handelt es sich in erster Linie um illuminierte Handschriften. Die Fokussierung auf die Buchmalerei hat zunächst praktische Gründe: Illuminierte Bücher stellen den bei weitem größten Teil des erhaltenen Bestandes der in Lancastrian France für englische Auftraggeber angefertigten Kunstwerke dar. Darüber hinaus bieten sie eine ganze Reihe von Anhaltspunkten zur Erörterung der Frage nach der bildlichen Inszenierung politischer Vorstellungen. So waren die Möglichkeiten der Visualisierung durch figurative und narrative Darstellungen, Portraits und heraldische Zeichen wie Wappen, Bilddevisen und Motti in der Buchmalerei besonders vielfältig und konnten durch die Verbindung von Bild und Text eine weitere Differenzierung erfahren.44 Außerdem waren die Werke in der Regel portabel und damit geeignet zur Mitnahme auf Reisen und militärische Expeditionen, zur ­flexiblen Nutzung für private wie auch öffentlich-repräsentative Zwecke oder als Geschenke im diplomatischen Verkehr.45 Illuminierte Handschriften reichen allerdings nicht aus, um ein auch nur annähernd umfassendes Bild der englischen Kunstpatronage im besetzten Frankreich zu zeichnen. Ergänzend werden daher Werke anderer Gattungen, wie der Architektur und Skulptur sowie der Textil- und Goldschmiedekunst, herangezogen, die zwar nicht erhalten sind, aber anhand von Schriftquellen rekonstruiert werden können. Zudem werden nicht nur originär für englische Auftraggeber angefertigte Handschriften in den Blick genommen, sondern auch umgenutzte und adaptierte Werke – also solche, die ursprünglich für französische Besitzer oder ander44 Zum

Begriff ‚Portrait‘ und seiner Anwendbarkeit im Spätmittelalter siehe Beyer, Porträt, S. 23–57. Zum Gebrauch von heraldischen Symbolen im Spätmittelalter siehe Slanička, Krieg der Zeichen, S. 11–42; Coss und Keen (Hrsg.), Heraldry, Pageantry and Social Display; insb. in illuminierten Handschriften Hablot, La devise; ders., La „mise en signes“ du livre princier. Einen Überblick über die Anfertigung und Nutzung von Handschriften im spätmittelalterlichen England bieten die Sammelbände Hellinga und Trapp (Hrsg.), History of the Book in Britain, 1400–1557; Griffiths und Pearsall (Hrsg.), Book Production. 45 Zur Anwendbarkeit der Begriffe ‚privat‘ und ‚öffentlich‘ im Mittelalter vgl. die Angaben oben, Anm. 36.

16  Einleitung weitige Zielbestimmungen angefertigt worden waren und dann – vollendet oder unvollendet – ihren Weg in englischen Besitz fanden, wo sie erweitert oder verändert wurden, um sie ihrem neuen Zweck und Verwendungsumfeld anzupassen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die im Fokus der Studie stehende Zurschaustellung politischer Vorstellungen und Ansprüche natürlich in den seltensten Fällen die einzige und häufig keinesfalls die wichtigste Funktion spätmittelalterlicher Kunstwerke darstellte. Sie reihte sich vielmehr in eine Vielfalt unterschiedlicher Zwecke ein, die die Objekte in sich vereinten und die sich im Verlaufe ihrer Verwendung ändern konnten. Religiöse Funktionen waren dabei von zentraler Bedeutung, wie sich auch in dem der Untersuchung zugrunde liegenden Werkskorpus widerspiegelt: Liturgische und der privaten Andacht dienende Handschriften bilden den Großteil der erhaltenen Kunstwerke, und ihr vorwiegend religiöser Verwendungskontext ist bei der Frage nach ihrer Nutzung zu politischen Zwecken stets mit zu berücksichtigen. Andere Handschriften wiederum dienten in erster Linie der Erziehung, Bildung oder Unterhaltung ihrer Nutzer; ebenso wenig zu unterschätzen ist der Aspekt des Erfreuens an schönen und prachtvollen Kunstwerken und – insbesondere bei vorwiegend privat genutzten Objekten – die Funktion der Selbstvergewisserung. Die Analyse der relevanten Werke im Detail erfolgt in einem gesonderten Katalogteil. Hierbei wird es weniger um Stilkritik oder eine möglichst vollständige Rekonstruktion ihrer Entstehungsgeschichte und Provenienz gehen, sondern vor allem um ihre Ikonografie – und hier in erster Linie um möglicherweise politisch konnotierte Bilder. Bei Kunstwerken, deren ursprüngliche Anfertigung vor die Zeit der Besatzung datiert werden kann, die währenddessen jedoch ihren Weg in die Hände der Engländer fanden, werden die entsprechenden Erweiterungen und Modifizierungen zu berücksichtigen sein. Gerade mittelalterliche Handschriften wurden allerdings häufig – und oft bereits kurz nach ihrer Anfertigung – umgebunden, erweitert oder anderweitig verändert, und häufig ist es schwierig, die einzelnen Arbeitskampagnen voneinander zu trennen oder präzise zu datieren. Eine zielorientierte Diskussion des kodikologischen und stilistischen Befundes zur möglichst genauen chronologischen und geografischen Einordnung der Werke ist daher insbesondere zur Feststellung der in englischem Auftrag angefertigten Bestandteile unumgänglich. Die illustrative Ausstattung der Handschriften kann weder im Falle von Neuanfertigungen noch von Adaptionen losgelöst von den enthaltenen Texten betrachtet werden. Die jeweilige Textwahl wird daher eine Rolle in der Werksanalyse spielen, insbesondere bei Abweichungen vom im untersuchten Zeitraum Üblichen oder bei Auffälligkeiten im Hinblick auf den politischen und militärischen Kontext. Ebenfalls in Augenschein genommen werden die in profanen Codices häufig enthaltenen Widmungstexte, Prologe und Nachschriften, die oftmals Rückschlüsse auf die Intention der Auftraggeber zulassen. Eines der wichtigsten spätmittelalterlichen Verwendungsfelder von kunsthandwerklichen Erzeugnissen und politisch aufgeladenen Bildern waren öffentlichkeitswirksame Inszenierungen wie Zeremonien, Einzüge und militärische Aufmär-

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sche.46 Man verwendete festliche Dekorationen, bestehend aus zuweilen spektakulär bemalten Holzkonstruktionen und Stoffbespannungen, war in heraldisch verzierte Livréen gekleidet und trug Banner und Standarten zur Schau. Bilder wurden darüber hinaus in den die Zeremonien begleitenden Tableaux vivants und Schauspielen genutzt, und politisch konnotierte Motive kamen in Form kunstvoll verzierter Speisen in Festmählern zum Einsatz. Diese bereits untereinander höchst heterogenen ‚Werke‘ unterscheiden sich zunächst einmal in ihrer Form und ihrem vorrangigen Zweck diametral von den illuminierten Prachthandschriften und weiteren zwar verlorenen, aber zumindest ursprünglich auf Dauer angelegten Kunstwerken. Vor allem aber waren sie lediglich für eine temporäre Nutzung vorgesehen und sind dementsprechend nur in Ausnahmefällen erhalten. Rückschlüsse auf ihre Gestaltung und Verwendung müssen daher in erster Linie aus zeitgenössischen Beschreibungen gezogen werden; von besonderem Quellenwert ist die englische, französische und burgundische Historiografie der Zeit. Ihre Auswertung hinsichtlich der Nutzung von Kunst zur Repräsentation politischer Ansprüche in Lancastrian France und zur Rezeption der Werke stellt daher – neben der Diskussion der erhaltenen Kunstwerke – den zweiten Schwerpunkt der vorliegenden Studie dar. Ausführliche Beschreibungen bieten die den englischen Besatzern gegenüber, zumindest bis zum Ende der anglo-burgundischen Allianz in der Mitte der 1430er Jahre, vergleichsweise positiv eingestellten burgundischen Chronisten. Für die Zeit von 1400 bis 1444 ist die umfangreiche Chronik des aus dem Ponthieu stammenden Enguerrand de Monstrelet besonders aufschlussreich.47 Sie diente einer Reihe späterer burgundischer Geschichtswerke als Vorlage: Zu nennen sind die Croniques et Anchiennes Istories de la Grant Bretaigne Jean de Wavrins, der seit 1415 fast durchgängig im Dienst der Burgunder oder ihrer englischen Verbündeten stand. Zwar orientierte sich Wavrin für den Zeitraum bis 1444 an den Ausführungen Monstrelets, durch seine Fokussierung auf englische Belange bietet er jedoch auch bereits für diese Zeit interessante zusätzliche Details. Unabhängiger und gekennzeichnet durch eine große Nähe zum Zeitgeschehen ist Wavrins Berichterstattung zur letzten Dekade des Hundertjährigen Krieges.48 Ebenfalls von 46 Zum

Forschungsfeld der Zurschaustellung politisch aufgeladener Bilder in öffentlichkeitswirksamen Zeremonien siehe etwa Althoff (Hrsg.), Formen und Funktionen; Althoff und Siep, Symbolische Kommunikation; Kintzinger, Der weiße Reiter. Insb. zum Reich existieren zahlreiche Untersuchungen, siehe beispielhaft Althoff, Demonstration und Inszenierung; Schenk, Zeremoniell und Politik; Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Zu England, Frankreich und Burgund siehe bspw. Paravicini, Die zwölf „Magnificences“ Karls des Kühnen; Eichberger, Illustrierte Festzüge; Franke, Feste, Turniere und städtische Einzüge; Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 319–359; Beaune, Naissance, passim; Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony; ders., Paris and London; verschiedene Beiträge in Blockmans et al. (Hrsg.), Staging the Court; jüngst Weigert, French Visual Culture, bes. S. 5–8. 47 Monstrelet, Chroniques. Zum Autor und seinem Werk siehe Wijsman, Monstrelet’s Chronique; Vielliard, ‚Monstrelet, Enguerran(d) de; Curry, Battle of Agincourt, S. 9–22, 135–140. 48 Wavrin, Recueil, für den hier behandelten Zeitraum Bd. 5, Buch I bis Bd. 6, Buch III. Zum Autor und seinem Verhältnis zu Monstrelets Chronik siehe Hardy, Jehan de Waurin, Introduction, S. cxxxiii–ccx; Curry, Battle of Agincourt, S. 9–22, 135–140; Meyer-Hamme, Ge-

18  Einleitung Relevanz für die Zeit ab 1444 ist die Chronik des aus dem Hennegau stammenden Mathieu d’Escouchy, der nach eigener Aussage Monstrelet fortsetzte.49 Für die Zeit von etwa 1420 bis zur Mitte der 1430er Jahre sind darüber hinaus die Notizen Clément de Fauquembergues und die Darstellung des bereits genannten anonymen Autors des Journal d’un Bourgeois de Paris aufschlussreich. Der picardische Kleriker Fauquembergue führte zwischen 1417 und 1435 die Register des Pariser Parlement und ergänzte diese durch umfangreiche, tagebuchartige Randnotizen zu aktuellen Ereignissen.50 Der Bourgeois de Paris beschreibt in chronikähnlicher Form die Ereignisse in und um Paris in den Jahren 1405 bis 1449, wobei den militärischen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich eine besondere Rolle zukommt.51 Zu den Ereignissen im englisch besetzten Rouen sei ferner die Chronique normande Pierre Cochons angeführt. ­Cochon – nicht zu verwechseln mit dem in prominenter Position am Prozess um Jeanne d’Arc beteiligten, gleichnamigen Bischof von Beauvais – war als apostolischer Notar in Rouen tätig.52 Weiterhin bieten einige im Umfeld Karls VII. entstandene Geschichtswerke Hinweise zur Instrumentalisierung politisch konnotierter Bilder durch die englischen Besatzer. Von diesen sei die Chronik Jean Chartiers, eines Mönchs von Saint-Denis und seit 1437 Historiograf des Valois-Königs, genannt.53 Vor allem bezüglich der Krönungsexpedition ist daneben eine Reihe englischer historiografischer Darstellungen beachtenswert, etwa verschiedene Fortsetzungen der englischen Brut Chronicles und der in der Londoner Guildhall Library aufbewahrte Bericht eines anonymen Autors.54 Neben den historiografischen Zeugnissen bieschichtsbewusstsein im Spätmittelalter, S. 111–117, 129–139; Visser-Fuchs, Warwick and Wavrin, S. 162–309. Insb. zu Wavrins Verhältnis zu den Engländern, ebd., S. 172–175. 49 D’Escouchy, Chronique. Zum Autor und zum Bezug zu Monstrelet siehe de Beaucourt, Chronique de Mathieu d’Escouchy, Introduction; Bourgain, ‚Escouchy, Mathieu d’‘. 50 Zum Autor siehe Bourgain, ‚Fauquembergue, Clément de‘. 51 Zu Autor und Werk siehe Tuetey, Journal d’un Bourgeois de Paris, Introduction; Beaune, Journal d’un Bourgeois de Paris, Introduction; Autrand, ‚Journal d’un bourgois de Paris‘; Curry, Battle of Agincourt, S. 175–178. 52 Cochon, Chronique. Zu Cochon siehe de Beaurepaire, Pierre Cochon, Introduction; Lardin, Pierre Cochon; Curry, Battle of Agincourt, S. 112. 53 Chartier, Charles VII. Zu Autor und Werk siehe Vallet de Viriville, Jean Chartier, Notice; Fossier, ‚Chartier, Jean‘. Für die Frühphase der englischen Herrschaft in Frankreich ist darüber hinaus die Chronik über die Herrschaft Karls VI. des sogenannten Mönchs von Saint-Denis aufschlussreich: Chronique du Religieux de Saint-Denys. Es handelt sich um ein Werk mehrerer Autoren; die für die vorliegende Studie relevanten Ereignisse – die Begräbniszüge Heinrichs V. und Karls VI. – beschreibt ein Nachfolger des von Bernard Guenée als Michel Pintoin identifizierten Autors. Vgl. Guenée, Chronique du Religieux de Saint-Denis, passim; ders., L’opinion publique, z. B. S. 12; ders., Michel Pintoin. Siehe zu dieser Chronik außerdem Curry, Battle of Agincourt, S. 99–101 sowie jüngst Rohr, True Lies and Strange Mirrors, S. 52–61. 54 Brut Chronicles, bes. die Fortsetzungen, S. 394–439, 456–533. Siehe hierzu knapp Brie, Brut, Preface; Curry, Battle of Agincourt, S. 89–93; Meale, Patrons, Buyers and Owners, passim. Der in der Londoner Guildhall Library aufbewahrte Bericht wurde von Bernard Guenée und Françoise Lehoux ediert: Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 62–70. Siehe übergreifend zur englischen Chronistik zum Hundertjährigen Krieg jüngst Bellis, Hundred Years War, S. 51–95.

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ten Testamente, Inventare und Briefe sowie städtisches, kirchliches und die englische Regierung Frankreichs betreffendes Verwaltungsschrifttum hilfreiche Hinweise. Der Fokus der Analyse der Kunstwerke wie auch der schriftlich überlieferten Nutzung von Kunst liegt auf Werken, die in Frankreich und in der Normandie – den vorwiegenden politischen Schauplätzen – produziert wurden, und dort durchgeführten kunstpolitischen Maßnahmen. Gerade die Durchsetzung der herrschaftlichen Ansprüche des Hauses Lancaster auf dem Kontinent war jedoch ein Unterfangen, das die englische Bevölkerung und politisch einflussreiche Akteure in England selbst in nicht unerheblichem Maße betraf. Man trug daher wiederholt Sorge, die Rechtmäßigkeit dieser Ansprüche auch gegenüber dem englischen Publikum visuell deutlich zu machen. Die entsprechenden Maßnahmen werden vergleichend in Augenschein genommen. Forschungsstand Die Zeit der englischen Herrschaft in Frankreich wird in der historischen Forschung seit langem intensiv hinsichtlich ihrer politischen wie auch sozial- und militärhistorischen Entwicklungen diskutiert.55 Es kann also auf umfangreiche, grundlegende Untersuchungen zur Spätphase des Hundertjährigen Krieges und zum politischen Verhältnis zwischen England, Frankreich und Burgund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückgegriffen werden. Exemplarisch genannt seien hier die zahlreichen einschlägigen Arbeiten Christopher Allmands und Anne Currys.56 Des Weiteren sind geschichtswissenschaftliche Studien zur Regierung Heinrichs VI. von Interesse, etwa die 2015 publizierte Biografie David Grummitts oder die noch immer maßgebliche, 1981 erschienene Monografie Ralph Griffiths’ zum dritten Lancaster-König.57 Zu einigen der im Blickpunkt der Arbeit stehenden Vertreter der englischen Regierung in Frankreich liegen darüber hinaus monografische Untersuchungen mit Schwerpunkt auf ihrem politischen Werdegang vor. Die intensivste wissenschaftliche Bearbeitung erfuhr seiner politischen Bedeutung entsprechend John of Bedford.58 Doch auch zum Grafen von Shrewsbury, John Talbot, liegt mit der Monografie Anthony Pollards eine umfassende Untersuchung vor, die auf Talbots Tätigkeit in Frankreich fokussiert.59 Ebenfalls – wenn auch in geringerem Umfang – wurden die Entwicklungen im besetzten Frankreich von kunsthistorischer Seite in den Blick genommen. Zentral 55 Der

Forschungsstand zu den im Fokus der Untersuchung stehenden Akteuren und den einzelnen Kunstwerken wird in den jeweiligen Unterkapiteln von Teil 1 und den Werksanalysen im Katalog behandelt. 56 Allmand, Hundred Years War, bes. S. 32–36; Curry, Hundred Years War, bes. S. 82–104. Ebenfalls zu nennen sind Contamine, Guerre de cent ans, S. 81–109; Vale, English Gascony, S. 69– 153; Keen, End of the Hundred Years War. 57 Grummitt, Henry VI; Griffiths, Henry VI. Siehe auch die Monografien Watts, Henry VI; Wolffe, Henry the Sixth. 58 Siehe vor allem Stratford, Bedford Inventories, bes. S. 3–20; außerdem Williams, My Lord of Bedford. 59 Pollard, John Talbot.

20  Einleitung sind die übergreifenden stilkritischen Arbeiten Catherine Reynolds’ und François Avrils zur französischen und normannischen Buchmalerei für englische Auftraggeber.60 Der Großteil der relevanten Handschriften wurde kodikologisch sowie in Bezug auf den Textinhalt und die malerische Ausstattung erfasst und analysiert, wobei Umfang und Intensität der jeweiligen Bearbeitung erheblich schwanken: Während zu den außergewöhnlich reich ausgestatteten Prachthandschriften, wie den Bedfords zeitweiligem Besitz zuzuweisenden Bedford Hours oder dem im Auftrag John Talbots kompilierten Shrewsbury Book, eine sehr große Anzahl Studien vorliegt, wurden andere, weniger aufwendige Handschriften kaum bearbeitet.61 Dies trifft beispielsweise auf eine Reihe kleinerer Stundenbücher oder auch auf Bedfords wissenschaftliche Handschriften zu. Monografisch hinsichtlich ihrer mäzenatischen Tätigkeit untersucht wurden bisher lediglich zwei der hier im Fokus stehenden Akteure, nämlich der Herzog von Bedford in der einschlägigen 1993 erschienenen Studie Jenny Stratfords und der Graf von Warwick, mit dem sich Alexandra Sinclair befasste.62 Umfassende, über einzelne Auftraggeber hinausgehende Untersuchungen zur englischen Kunstpatronage in Lancastrian France existieren bisher nicht, wenn man von einigen kürzeren Aufsätzen von Catherine Reynolds absieht.63 Der maßgebliche Grund hierfür liegt zweifelsohne in der generell weitverbreiteten Wahrnehmung der Zeit der englischen Besatzung Frankreichs und insbesondere von Paris als Periode des Niedergangs, als „profonde césure dans la production artistique“ – vor allem im Vergleich zur als künstlerische Blütezeit gefeierten Zeit um 1400.64 Übergreifende Arbeiten, die mittels interdisziplinärer Ansätze die Felder der politischen Geschichte und der Kunstgeschichte miteinander verknüpfen und deren Fokus auf der Nutzung von Kunst zu politischen Zwecken liegt, beschränken sich ebenfalls auf kurze Studien. Zwar spielt die Frage nach der Instrumentalisierung von Bildern zur Propagierung der Ansprüche Heinrichs VI. auf die Krone Frankreichs eine untergeordnete Rolle in einer ganzen Reihe historischer und kunsthistorischer Darstellungen, zur Leitfrage erhoben wird sie jedoch lediglich 60 Genannt

seien Reynolds, English Patrons; dies., Shrewsbury Book; dies., Les Angloys; dies., Salisbury Breviary; dies., Definitions and Identities; die Beiträge Avrils zum Katalog Avril und Reynaud (Hrsg.), Manuscrits à peintures. Siehe auch Stratford, Sobieski Hours; Taburet-Delahaye (Hrsg.), Paris 1400, S. 342–373; Plummer, Last Flowering, bes. S. 1–29; Sterling, Peinture médiévale, S. 419–460. 61 Beispielhaft zu den Bedford Hours siehe Spencer, Bedford Hours; Backhouse, Reappraisal; König, Bedford Hours. Zum Shrewsbury Book siehe etwa Reynolds, Shrewsbury Book; die Beiträge zur Sektion Networks of Texts, Book Producers, and Readers. The Case of the Shrewsbury Book (British Library MS Royal 15 E. VI) in Hedeman und Fresco (Hrsg.), Collections in Context, S. 97–188. 62 Stratford, Bedford Inventories; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 1–49. Zu Bedford siehe außerdem Stratford, Bedford as Patron; dies., Manuscripts; Reynolds, Salisbury Breviary, S. 43– 57. Zu Beauchamp siehe Crispin, Kunst als Medium; in Kürze dies., Politische Botschaften. 63 Reynolds, English Patrons; dies., Les Angloys. 64 Avril und Reynaud, Manuscrits à peintures, Introduction, S. 11. Siehe auch jüngst Clark, Art in a Time of War, S. 4–11; außerdem Rouse und Rouse, Manuscripts and their Makers, Bd. 1, S. 302.

Einleitung  21

in zwei knappen, aber nach wie vor maßgeblichen Aufsätzen aus den Jahren 1933 und 1965: Benedicta Rowes Studie King Henry VI’s Claim to France in Picture and Poem und John McKennas Henry VI of England and the Dual Monarchy: Aspects of Royal Political Propaganda, 1422–1432. Beide Arbeiten fokussieren auf die Nutzung genealogischer Tafeln Heinrichs zur Propagierung seines Rechts auf die französische Krone. McKenna befasst sich daneben kursorisch mit dem Einsatz politisch wirksamer Bilder in Festen und Zeremonien.65 Lückenhaft und zumeist beschränkt auf den Aussagewert einzelner Werke ist auch die bisherige Forschung zur Nutzung von Kunst und Bildern zur Selbstpositionierung einzelner Akteure im politischen Kontext der englischen Besatzung Frankreichs und der Normandie. Eine wichtige Ausnahme bildet auch hier der Regent Bedford, dessen bildliche Selbstdarstellung in den Arbeiten Jenny Stratfords und Janet Backhouses Studien zu den Bedford Hours thematisiert wird. John Talbots Selbstinszenierung mittels illuminierter Prachthandschriften wiederum wurde anhand des prominentesten seiner Aufträge, des oben genannten Shrewsbury Book, verschiedentlich von der Forschung in den Blick genommen. Aufbau Nicht zuletzt aus dem überaus heterogenen Forschungsstand zu den im Fokus der Untersuchung stehenden Auftraggebern und ihren Kunstwerken ergibt sich der Aufbau des vorliegenden Buches: So werden im ersten Kapitel zunächst die Werdegänge der einzelnen Akteure mit Schwerpunkt auf ihren Stiftungen und ihrer mäzenatischen Tätigkeit dargelegt; hieran schließt jeweils ein knapper Überblick über die Handschriften, die ihrer Nutzung zugewiesen werden können, an. Detaillierte Analysen der erhaltenen und rekonstruierbaren Werke und Werksgruppen finden sich in einem eigenständigen Katalogteil im Anhang. Dieser umfasst außerdem Abbildungen der diskutierten Werke sowie sämtliche jeweils relevanten Quellenzitate. Während für die Werksanalysen zwar vereinzelt auf gründliche Vorarbeit in der bestehenden Forschung zurückgegriffen werden kann, ist der überwiegende Teil der Handschriften bisher kaum oder nur unzureichend bearbeitet worden und erfordert daher eine vergleichsweise umfassende grundlegende Aufarbeitung. Die Erörterung und Aufarbeitung der Kunstpatronage der in Lancastrian France tätigen englischen Auftraggeber im ersten Kapitel und im Katalog stellt die Basis für die Diskussion der politischen Nutzung von Kunst und Bildmitteln dar, mit der sich die Kapitel 2 und 3 befassen; in diesen wird jeweils auf die einschlägigen Abschnitte des ersten Kapitels und des Katalogs verwiesen. Das zweite Kapi65 Siehe

außerdem Griffiths, Henry VI, S. 217–228; Contamine, La „France Anglaise“, bes. S. 24– 28; Thompson, Paris Under English Rule, S. 179–205; Gaunt, Visual Propaganda. Während die vorliegende Studie in erster Linie auf kunstpolitische Maßnahmen der Engländer in Lancastrian France abzielt, beschäftigen sich Elisabeth Danbury in einem Aufsatz zu illuminierten Urkunden und Antje Fehrmann in ihrer genannten Dissertation zu den Lancaster-Grabmälern vor allem mit im gleichen Zeitraum in England entstandenen Werken, die der Inszenierung der Ansprüche Heinrichs dienten.

22  Einleitung tel ist kunstpolitischen Maßnahmen gewidmet, welche die Propagierung übergreifender politischer Interessen der englischen Machthaber in Frankreich zum Ziel haben, wobei in erster Linie an den herrschaftlichen Anspruch Heinrichs VI. auf die französische Krone zu denken ist. Daneben wird nach der Zurschaustellung der englischen Ansprüche auf die Normandie gefragt. Mit der mikropolitischen Nutzung von Kunst und Bildern zur Visualisierung der Rolle einzelner Akteure und ihrer Selbstpositionierung im machtpolitischen Gefüge vor dem Hintergrund des Krieges befasst sich das dritte Kapitel.

1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Im Folgenden sollen die für vorliegende Untersuchung relevanten Akteure vorgestellt werden, also die Personen, die im Auftrag der englischen Krone in Frankreich tätig waren und dort Kunst in Auftrag gaben oder anderweitig in ihren Besitz brachten und zur Repräsentation politischer Ideen und Ansprüche nutzten. Dabei wird es weniger um umfassende Rekonstruktionen ihrer politischen Karrieren und militärischen Zuständigkeiten im Einzelnen gehen als um zielgerichtete Darstellungen der jeweiligen Werdegänge vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen im englisch besetzten Frankreich sowie der mäzenatischen Tätigkeit der betreffenden Personen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Veranlassung von beziehungsweise der Beteiligung an Maßnahmen zur Durchsetzung des herrschaftlichen Anspruchs Heinrichs VI. gewidmet, wobei neben militärischen Aktionen und diplomatischen Zuständigkeiten vor allem das Mitwirken an öffentlichen Inszenierungen von Bedeutung ist. Im Hinblick auf die Selbstdarstellung individueller Auftraggeber wird auf die politischen Positionen und höfischen, administrativen oder militärischen Ämter fokussiert, um deren Sichtbarmachung und öffentlichkeitswirksame Darstellung sich die jeweiligen Auftraggeber offenbar bemühten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den vielfältigen Beziehungen zwischen den hier untersuchten ­Akteuren, die durch die hierarchischen Verhältnisse in den militärischen und administrativen Strukturen in Lancastrian France ebenso geprägt wurden wie durch politische Allianzen, militärische Kooperationen oder familiäre und freundschaftliche Bindungen. Es ist zu fragen, inwiefern derartige Beziehungen jeweils zu ­einer Orientierung in Bezug auf durch Kunst(-handwerk) vermittelte Inhalte führten. Im Anschluss an die Erörterung der jeweiligen politischen Werdegänge werden die religiösen Stiftungen und die mäzenatische Tätigkeit der relevanten Akteure untersucht, wobei es zunächst vor allem um architektonische und bildhauerische Werke sowie Textil- und Goldschmiedekunst gehen wird. Zwar haben sich weder die kostbaren Schenkungen an französische religiöse Institutionen noch die im Auftrag der Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich errichteten Bildund Bauwerke erhalten, anhand zeitgenössischer Schriftquellen lassen sie sich jedoch bis zu einem gewissen Grad rekonstruieren. Sie bieten Hinweise auf die gezielte Bezugnahme auf französische Kultstätten und Erinnerungsorte sowie die Verehrung spezifisch ‚französischer‘ Heiliger und damit implizit auf die Aneignung und Umnutzung französischer Traditionen im Zuge der Etablierung der englischen Herrschaft in Frankreich, zugleich aber auf die Beibehaltung und Förderung spezifisch ‚englischer‘ Traditionen. Den Abschluss der Unterkapitel bildet jeweils eine Zusammenfassung der Handschriftenpatronage der Akteure, wobei sowohl Werke, die auf ihre Veranlassung angefertigt wurden, als auch solche, die aus zweiter Hand in ihren Besitz gelangten, zur Sprache kommen. Eine detaillierte Erörterung der Handschriften findet https://doi.org/10.1515/9783110578966-002

24  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage sich im Katalog im Anhang. In diesem werden nicht nur Handschriften aus dem Besitz der im vorliegenden Kapitel besprochenen, maßgeblich für die Durchsetzung der Regierung Heinrichs VI. verantwortlichen Machthaber berücksichtigt, sondern auch die Aufträge weniger hochrangiger Mitglieder der englischen Armee in Frankreich.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich John of Lancaster, der Herzog von Bedford und dritte Sohn Heinrichs IV., spielte nicht nur für die politischen Geschicke der Engländer in Frankreich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine zentrale Rolle, sondern hebt sich auch als Auftraggeber und Nutzer von Kunst und Architektur in vielerlei Hinsicht gegenüber anderen englischen Mäzenen ab. Etwa ein Dutzend für Bedford oder seine Ehefrau Anne angefertigte oder adaptierte illuminierte Handschriften ist erhalten, ein wesentlich umfangreicherer Bestand als für jeden anderen englischen Auftraggeber in Frankreich im späten Mittelalter. Auch sind zahlreiche weitere, ehemals im Besitz des Herzogs befindliche Bücher zwar nicht erhalten, aber anhand zeitgenössischer Schriftquellen nachweisbar. Schenkt man den Aufzeichnungen des sogenannten Bourgeois de Paris Glauben, war der Herzog darüber hinaus der einzige Engländer, der als Bauherr in Lancastrian France tätig war.1 Daneben sind anhand von Inventaren und Rechnungen Aufträge für und der Besitz von Luxusgütern wie Textilien und Prunkgeschirr greifbar, und es liegt eine Reihe historiografischer Hinweise auf die Instrumentalisierung von Bildern in Zeremonien und militärischen Aufmärschen vor. Dem verhältnismäßig großen Bestand erhaltener Kunstwerke und seiner politischen Bedeutung entsprechend war John of Bedford bereits vielfach Gegenstand der kulturhistorischen Forschung. Die mit Abstand umfassendste und für die vorliegende Arbeit überaus einschlägige Untersuchung ist die 1993 publizierte Edition der Bedford Inventories von Jenny Stratford. Der gründlichen, eine Fülle an zusätzlichem Quellenmaterial berücksichtigenden Auswertung dieser im Zusammenhang mit der Vollstreckung des Testaments Bedfords posthum entstandenen Inventarkompilationen ist eine ausführliche Einführung zu seiner Vita und seiner Tätigkeit als Auftraggeber und Sammler von Kunst vorangestellt.2 Bereits in den frühen 1930er Jahren beschäftigte sich Benedicta Rowe mehrfach mit Bedfords Maßnahmen zur Ausübung und Festigung der englischen Herr1 2

Bourgois de Paris, a. 1436, 696, S. 320, zitiert unten, Kap. 1.1.2, Anm. 72. Stratford, Bedford Inventories. Zur Vita Bedfords siehe außerdem dies., John, Duke of Bedford; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 70–72. Die Inventare des herzoglichen Besitzes wurden vermutlich auf Veranlassung des Erzbischofs von Canterbury, John Kemp, zwischen 1447 und 1449 angefertigt. Es handelt sich um drei Kompilationen von Inventarlisten und älteren Verträgen, die heute in den National Archives in Kew aufbewahrt werden. Siehe hierzu ebd., S. 156–160.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  25

schaft in der Normandie und erarbeitete eine Fülle zeitgenössischer Dokumente zur englischen Verwaltung Frankreichs. Prägend für die nach wie vor prävalente Einschätzung der Regierung Bedfords als französische, insbesondere normannische Elemente eher adaptierend und für sich nutzend als unterdrückend ist etwa ein Aufsatz Rowes zu den normannischen Ständen unter Bedford. Rowes selbstauferlegtes Anliegen, das Bild der englischen Herrschaft in ein gegenüber älteren tendenziösen französischen Darstellungen positiveres Licht zu rücken, führt bisweilen jedoch zu einer Verzerrung in die entgegengesetzte Richtung.3 Die einzige ausführliche monografische Arbeit zum politischen und militärischen Werdegang des Herzogs stellt der ebenfalls bisweilen tendenziöse, auf die Persönlichkeit Bedfords und seiner Zeitgenossen fokussierende, 1963 erschienene Band von Ethel Carleton Williams dar.4 Abgesehen von den genannten Bedford Inventories existieren bislang keine übergreifenden Arbeiten zu Bedford mit kunsthistorischem Schwerpunkt. Allerdings sind eine Reihe gattungsspezifischer Studien zu nennen, die für die formulierten Fragen relevant sind. Auch hier ist an erster Stelle Jenny Stratford anzuführen, deren ebenfalls 1993 erschienene knappe Studie zur Patronage des Herzogs im englisch besetzten Rouen die bisher einzige Untersuchung zu seinen dortigen religiösen Stiftungen und architektonischen Aufträgen darstellt.5 Einige wenige Kunstwerke aus Bedfords Besitz wurden darüber hinaus monografisch behandelt. Die mit Abstand umfassendste stilkritische Bearbeitung erfuhren die heute in der British Library aufbewahrten sogenannten Bedford Hours, die für Bedford und seine Ehefrau in den 1420er Jahren in Paris erweitert wurden – eines der aufwendigsten Werke der spätmittelalterlichen Buchmalerei.6 Obgleich die wissenschaftliche Erarbeitung der Kunstpatronage des Herzogs von Bedford im Gegensatz zu anderen englischen Mäzenen des Spätmittelalters recht weit fortgeschritten ist, bestehen nach wie vor Forschungslücken. Dies trifft etwa auf die profanen Handschriften in Bedfords Besitz zu, von denen immerhin sechs im Original oder in zeitgenössischer Kopie erhalten sind.7 Was Aufwand und Qualität der Illuminationen angeht, stehen sie den liturgischen Büchern um einiges nach, sie geben jedoch Hinweise auf mögliche ‚wissenschaftliche‘8 Interessen des Herzogs sowie auf seine Repräsentation als gebildeter, die Ansammlung 3 4 5

6 7

8

Rowe, Estates of Normandy, hier S. 551; außerdem dies., Grand Conseil. Rowe bezieht sich in ihrer Kritik in erster Linie auf de Beaurepaire, États de Normandie. Williams, My Lord of Bedford. Siehe außerdem den populärwissenschaftlichen Aufsatz Myers, A Vous Entier. Stratford, Bedford as Patron. Zur Kunstpatronage Bedfords siehe auch dies., Manuscripts sowie jüngst dies., Sobieski Hours, S. 204 f. und passim; außerdem Barber, Books and Patronage; Reynolds, Salisbury Breviary, S. 43–57; Arminjon, L’orfèvrerie, S. 129–133. London, BL, Add. MS 18850. Eine wichtige Ausnahme bilden hier die gründlichen Studien Frédéric Duvals zu einem lateinischen und einem französischen Exemplar des Pèlerinage de l’âme in Bedfords Besitz, Duval, Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2010); ders., Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2011); ders., Traduction latine. Zum Begriff und seiner Anwendbarkeit auf die Vormoderne siehe Rexroth, Gelehrtenmilieus der Vormoderne, passim.

26  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage und Verbreitung von Wissen fördernder Herrscher – Aspekte, die zwar nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen, jedoch im Rahmen seiner politischen Selbstdarstellung gestreift werden sollen. Es ist bekannt, dass Bedford im Zuge seiner Machtübernahme die umfangreiche königliche französische Büchersammlung an sich brachte, ein Umstand, der in der Forschung zwar wiederholt angerissen wurde, dessen Implikationen bezüglich einer möglichen kunstpolitischen Programmatik des Herzogs jedoch bisher weitestgehend unbeachtet blieb. Die Nutzung der Bibliothek durch den Regenten im Ganzen stellt daher einen Schwerpunkt der vorliegenden Studie dar. Einige bisher wenig beachtete Anhaltspunkte zur Bildpolitik des Herzogs finden sich in der zeitgenössische Historiografie, in welcher er wegen seiner bedeutenden politischen Position viel Raum einnimmt. Insbesondere die Schilderungen von Zeremonien und militärischen Aufmärschen durch die Geschichtsschreiber bieten eine Reihe von Hinweisen zur möglichen Nutzung von Kunst zur Visualisierung politischer Ansprüche der Lancaster-Dynastie wie auch zur Darstellung des Regenten selbst im politischen Geschehen. Auch sie sollen daher hier in den Blick genommen werden.

1.1.1. Vita und kulturelles Umfeld John of Lancaster wurde am 20. Juni 1389 als dritter Sohn Henry Bolingbrokes, des späteren Heinrich IV., geboren.9 Wie seinen Geschwistern kam ihm eine vergleichsweise umfassende Bildung zu, er konnte Englisch und Französisch schreiben und lesen und lernte mit spätestens acht Jahren Latein.10 Bereits kurz nach der Machtübernahme seines Vaters im Jahr 1399 begann er Ländereien, Ämter und andere Einnahmequellen anzuhäufen. 1402 wurde er in den Hosenbandorden aufgenommen, und in den folgenden Jahren übernahm er erste militärische und diplomatische Aufgaben, die sich allerdings noch weitgehend auf den Norden Englands beschränkten.11 Der Regierungsantritt seines Bruders Heinrich V. im Jahr 1413 bedeutete einen Wendepunkt für John of Lancaster. 1414 erhob Heinrich ihn zum Herzog von Bedford und Grafen von Kendal, worauf weitere äußerst einträgliche Titel folgten. Während der englischen Invasion in die Normandie im Jahr 1415 fungierte Bedford als Statthalter des Königs in England, eine Tätigkeit, die er erneut während  9 Inwieweit

die Familie seiner Mutter, Mary de Bohun, in deren Auftrag mehrere illuminierte Handschriften entstanden, Einfluss auf Bedfords spätere Patronage hatte, ist unklar, konkrete Hinweise hierauf liegen nicht vor. Zu den Handschriften im Besitz der Familie de Bohun siehe zahlreiche Studien Lucy Freeman Sandlers, z. B. Sandler, Lichtenthal Psalter, bes. S. 11–28; dies., Lancastrian Heraldry, mit weiteren Literaturhinweisen. Zur Patronage Heinrichs V. siehe jüngst Vale, Henry V, S. 204–239, insb. zu Heinrichs Buchbesitz ebd., S. 223–227. Zur Kindheit und Jugend Bedfords siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 3; Williams, My Lord of Bedford, S. 1–10. 10 Zur Ausbildung Bedfords und seiner Brüder siehe McFarlane, Nobility, S. 244; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 146; Stratford, Bedford Inventories, S. 3. 11 Vgl. ebd., S. 3  f.; Williams, My Lord of Bedford, S. 11–25.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  27

der militärischen Kampagnen Heinrichs in Frankreich von 1417 bis 1419 ausführte.12 Im August 1416 gewann er vor Harfleur eine für die englischen Geschicke bedeutsame Seeschlacht gegen eine französisch-genuesische Flotte.13 Zu längeren Aufenthalten Bedfords in Frankreich kam es ab dem Jahr 1420. So war er beim Abschluss des folgenreichen Vertrags von Troyes im Mai dieses Jahres zugegen und nahm in der Folge an verschiedenen militärischen Aktionen Heinrichs V. und seiner burgundischen Verbündeten auf dem Festland teil, etwa der erfolgreichen Belagerung von Melun, die den Engländern den Weg nach Paris öffnete. Bedford wirkte bei dem prunkvollen Einzug Heinrichs und Karls VI. in ­Paris mit und verbrachte Weihnachten und Silvester mit seinem Bruder im Louvre.14 Im März 1421 änderte sich Bedfords Position im dynastischen Gefüge des Hauses Lancaster schlagartig: Durch den Tod seines älteren Bruders Thomas of Lancaster, des Herzogs von Clarence, wurde er zum Erben der englischen Krone und deren Ansprüche auf den französischen Thron.15 Dies blieb er mit Ausnahme des Zeitraums zwischen der Geburt seines Neffen im Dezember 1421 und dem Tod Heinrichs V. gut acht Monate später bis an sein Lebensende, eine Tatsache, die für die Einschätzung seiner kunstpolitischen Maßnahmen zur Durchsetzung der englischen Ansprüche in Frankreich zu berücksichtigen ist. Die historiografisch überlieferten Verfügungen Heinrichs V. bezüglich der Verantwortlichkeiten Bedfords nach seinem Tod im August 1422 zeugen von der immensen Bedeutung des burgundischen Herzogs Philippe le Bon für die englische Politik in Frankreich: Bedford sollte diesem die Regierung von Frankreich anbieten und nur selbst regieren, falls der Burgunder ablehne.16 Die Entscheidung, dass nicht der burgundische Herzog, sondern Bedford die Regierungsgeschäfte übernehmen würde, war offenbar recht schnell getroffen worden. Knapp drei Wochen 12 Zu

Bedfords Werdegang zwischen 1413 und 1420 siehe ebd., S. 26–49; Stratford, Bedford Inventories, S. 4–6. Zu den militärischen Unternehmungen der Engländer in Frankreich unter Heinrich V. siehe Allmand, Henry V the Soldier; ders., Lancastrian Normandy, S. 2–23; Curry, Agincourt. A New History; dies., Battle of Agincourt; Dockray, Henry V, S. 125–181. 13 Siehe hierzu auch Allmand, Lancastrian Normandy, S. 7. 14 Vgl. Stratford, Bedford Inventories, S. 5  f.; Curry, Two Kingdoms, One King, S. 29–31. Zum Vertrag von Troyes siehe ebd.; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 19–49, 270 f.; Autrand, Charles  VI, S. 577–591; Leguai, La „France Bourguignonne“; Dockray, Henry V, S. 183–209; Warner, Anglo-French Dual Monarchy. 15 Der Text des Vertrags von Troyes spricht allgemein von „le Roy Henry et de ses hoirs“ und nicht explizit von seinen Leibeserben, siehe die Edition Cosneau (Hrsg.), Les grands traités, S. 100–115, hier S. 104 f., Art. 6. Vgl. hierzu außerdem Curry, Two Kingdoms, One King, S. 30 f., 36. 16 Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 267, S. 109  f.; Wavrin, Recueil, 1399–1422, Bd. 5, Buch II, Kap. 29, S. 422. Weder im 1421 aufgesetzten Testament noch in den 1422, wenige Tage vor seinem Tod aufgesetzten Testamentnachträgen finden sich diesbezügliche Angaben, siehe die Edition der vermutlich nur wenige Jahre nach Heinrichs Tod entstandenen Abschrift der betreffenden Texte: Last Will of Henry V. Zu Heinrichs testamentarischen Verfügungen siehe jüngst Vale, Henry V, S. 240–259. Zur Übernahme der Regentschaft vgl. Stratford, Bedford Inventories, S. 6; Rowe, Grand Conseil, S. 208 f., 215 f.; Keen, England in the Later Middle Ages, S. 380–383; Leguai, La „France Bourguignonne“, S. 46–48; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 26 f., 127 f.; Grummitt, Henry VI, S. 52–57.

28  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage nach dem Tod Karls VI. im Oktober 1422 in Paris wohnte Bedford bereits als einziger Hochadliger der Begräbniszeremonie des französischen Königs bei, eine Rolle, die zum Teil ausführlich von den zeitgenössischen Historiografen thematisiert wurde und die für die vorliegende Untersuchung von großem Interesse ist.17 Wenige Tage nach dem Begräbniszug ließ Bedford das Pariser Parlement einberufen, wo er das Festhalten an der Politik Heinrichs V. verkündete und Heinrich VI. sowie sich selbst in seiner Funktion als Regent die Treue schwören ließ.18 Die für die englischen Unternehmungen auf dem Kontinent maßgebliche Al­ lianz mit Burgund wurde durch bereits im Jahr 1419 begonnene und kurz nach dem Tod Heinrichs V. intensivierte Verhandlungen über eine Ehe zwischen John of Bedford und Anne, der Schwester des burgundischen Herzogs, bekräftigt.19 Eng im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen stehen die Ereignisse nach dem Tod Karls VI. im Oktober 1422. Bedford, der burgundische Herzog und der Herzog der Bretagne waren durch das Pariser Parlement zu den Vollstreckern des Testaments Karls VI. ernannt worden, was weitreichende Folgen für Bedfords Kunstsammlung haben sollte: Im Auftrag der Testamentsvollstrecker wurden die königlichen Sammlungen geschätzt, inventarisiert und zum Teil verkauft, um die Schulden des Verstorbenen zu bezahlen und die Trauerfeierlichkeiten zu finanzieren.20 Im Rahmen dessen ließ Bedford im April 1424 die zu diesem Zeitpunkt in der Bibliothek des Louvre befindlichen 843 Handschriften des französischen Königs auflisten und schätzen. Der bei dieser Gelegenheit auf 2 323 Pariser Livres und vier Sous festgesetzte Gesamtwert wurde wiederholt als vergleichsweise niedrig bezeichnet, und es ist denkbar, dass der Regent vorhatte, die Bücher selbst zu erwerben, und die Schätzung dementsprechend zu seinen Gunsten beeinflusste.21 17 Vgl. Grandeau, Obsèques

de Charles VI, S. 136–158; Stratford, Bedford Inventories, S. 7; AuCharles VI, S. 592–600; Kintzinger, Sakrale Repräsentation, S. 31 f. Siehe folgende historiografische Darstellungen: Bourgois de Paris, a. 1422, 362–370, S. 178–180; Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 256, S. 486 f.; Chronique du Religieux de Saint-Denys, Buch XLIII, Kap. 5, S. 489–495; Le Fèvre, Chronique, Kap. 128, S. 69; Chartier, Charles VII, Kap. 1–2, S. 5–14. Ausführlich hierzu siehe unten, Kap. 2.2.1 und 3.1.1. 18 Die Ereignisse im Parlement sind bei Fauquembergue, a. 1422, Bd. 2, S. 72–75 überliefert. 19 Vgl. Stratford, Bedford Inventories, S. 7. Allgemein zur Entwicklung der englisch-burgundischen Allianz siehe Armstrong, La double monarchie, hier bes. S. 345 f.; außerdem Thompson, Paris Under English Rule; ders., Régime Anglo-Bourguignon; Leguai, La „France Bourguignonne“; Schnerb, Armagnacs et Bourguignons, S. 177–290; Warner, Anglo-French Dual Monarchy. 20 Siehe hierzu Stratford, Bedford Inventories, S. 95  f., 124–126; Grandeau, Obsèques de Charles  VI, S. 145–186; Kopp, Der König und die Bücher, S. 69 f. Zum Testament Karls VI. und Bedfords Ernennung zum Testamentsvollstrecker siehe auch die ausführlichen Darlegungen Fauquembergues, a. 1422, Bd. 2, S. 59–62, bes. S. 60. 21 Das von Bedford in Auftrag gegebene Inventar ist nicht erhalten, kann aber anhand von Kopien erschlossen werden und wurde mehrfach ediert, z. B. von Douët d’Arcq (Hrsg.), Inventaire, hier S. 1 f., 214 f. Hierzu und zu weiteren Editionen siehe Kopp, Der König und die Bücher, S. 123–125; Stratford, Bedford Inventories, S. 95. Der Vorschlag, dass Bedford die Schätzung zu seinen Gunsten beeinflusste, wurde bereits 1867 von Douët d’Arcq, Inventaire, Préface, S. xlii, basierend auf Vergleichen zu einer für Jean de Berry im Jahr 1416 angefertigten Buchliste, vorgebracht. Weitere Aufträge des Regenten zur Erstellung von Inventaren von ­Luxusgütern sind in der Historiografie überliefert, allerdings im konkreten Zusammenhang trand,

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  29

Ebenfalls möglich ist jedoch, dass weitere, nicht dokumentierte Vergütungen erfolgten oder mittels der kostbaren Handschriften Ausgaben des Herzogs im Krieg kompensiert werden sollten, wie es für andere Objekte aus der königlichen Sammlung überliefert ist. Außerdem überließ man Bedford vermutlich im Hinblick auf seine Eheschließung mit der Schwester des burgundischen Herzogs einen beträchtlichen Teil der königlichen Sammlung.22 Die Ehe wurde weniger als zwei Monate nach dem Tod Karls VI., im Dezember 1422, vertraglich festgelegt und im Mai 1423 in Amiens geschlossen, kurz nach dem Vertragsschluss der Herzöge von Bedford, Burgund und der Bretagne zur gegenseitigen Unterstützung.23 Spätestens im Juni 1425 befand sich die Louvre-Bibliothek offiziell im Besitz des Regenten und wurde als Einheit der Verantwortung von Garnier de Saint-Yon unterstellt, der bereits unter Karl VI. das Amt des Hüters der Louvre-Handschriften innegehabt hatte.24 Zu Beginn des Jahres 1423, und damit nur wenige Monate nach Antritt der Regentschaft, ist zudem die erste kunstpolitische Maßnahme Bedfords zur Propagierung der Ansprüche seines Neffen greifbar: Er beauftragte den Notar Laurence Calot mit der Verfassung eines französischen Gedichts über den Anspruch Heinrichs auf die französische Krone. Überdies wurde Calot im Januar 1423 für die Anfertigung nicht erhaltener genealogischer Tafeln Heinrichs bezahlt, die zusammen mit dem Gedicht in oder an der Kathedrale von Paris und vermutlich weiteren öffentlich zugänglichen Plätzen im Norden Frankreichs aufgehängt wurden.25 Zwar war theoretisch durch den drei Jahre zuvor geschlossenen Vertrag von kriegerischer Auseinandersetzungen. Siehe etwa Fauquembergue, a. 1425, Bd. 2, S. 171 und 174 zu Bedfords diesbezüglicher Aufforderung an den Stadtrat von Rouen und Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 4, S. 140 f. zur Erstellung von Inventaren nach der erfolgreichen Belagerung von Meulan. 22 Siehe hierzu Stratford, Bedford Inventories, S. 125. 23 Zum Freundschaftsvertrag von Amiens siehe ebd., S. 7  f.; Williams, My Lord of Bedford, S. 97–102; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 27 f., 31; Griffiths, Henry VI, S. 178 f.; Warner, Anglo-French Dual Monarchy. Zu den Ereignissen liegen ausführliche zeitgenössische Darstellungen vor, etwa Fauquembergue, a. 1423, Bd. 2, S. 94–97 (Vidimus des Vertrags); Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 7, S. 147–151. 24 Douët d’Arcq (Hrsg.), Inventaire, S. 214  f.: „Le vendredi xxiie jour de juin, l’an milccccxxv, très haut & puissant prince & mon très redoubté seigneur, monseigneur Jehan, régent le royaume de France, duc de Bedford, demoure content de tous les livres cy dessus designéz & spécifiez, montant par prisée à la somme de deux mil trois cens vingt & trois livres, quatre solz parisis; lesquels il a receus de Garnyer de Sainct-Yon, jadis garde desdis livres, & en a quicté & deschargié ledit Garnyer. […] Despuis la quictance & descharge dessusdictes, mondit seigneur le Régent a baillé en garde tous les livres en ce présent papier escript & désignez, lequel Garnyer sera tenus & obligé de lui en rendre compte bon & loyal.“ Zu Garnier de Saint-Yon siehe Delisle, Recherche sur la librairie, S. 21 f. Zur Louvre-Bibliothek unter Bedford siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 8, 95 f., 124–126; Kopp, Der König und die Bücher, S. 69–71, 123–125; Genet, L’influence française, S. 87  f.; Meale, Patrons, Buyers and Owners, S. 204; Douët d’Arcq, Inventaire, Préface, passim; Avril, Librairie de Charles V, S. 118 f. 25 Siehe hierzu Rowe, Henry’s Claim to France; McKenna, Dual Monarchy, S. 151–154; Griffiths, Henry VI, S. 217–219; Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 286–289. Calots Tätigkeit für die Engländer ist mehrfach überliefert: Longnon (Hrsg.), Paris pendant la domination anglaise, passim.

30  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Troyes der Anspruch Heinrichs V. und seiner Nachfahren auf den französischen Thron geregelt worden, in der Praxis befand man es aber offenbar für nötig, die Legitimität des beim Tod seines Vaters nur wenige Monate alten Heinrich VI. anhand derartiger Mittel gegenüber seinen französischen Untertanen zu verdeutlichen. Das Jahr 1424 brachte eine Reihe positiver Entwicklungen für den Regenten: Im Juni gewährte ihm der Grand Conseil unter Befürwortung des burgundischen Herzogs erstmalig französische Ländereien, namentlich das Herzogtum Anjou und die Grafschaft Maine – Gebiete, die zwar noch unter der Kontrolle des Dauphins standen, jedoch im Verlaufe der folgenden Monate teilweise erobert werden konnten.26 Bedford selbst konnte in diesem Zusammenhang großen militärischen Ruhm für sich verbuchen und gewann im August eine wichtige Schlacht gegen den Dauphin und seine Verbündeten bei Verneuil. Bei dieser Gelegenheit nahm er Jean II., den Herzog von Alençon, gefangen. Das äußerst umfangreiche Lösegeld wurde zu großen Teilen in Kunst- und Luxusgütern ausgezahlt und trug, wie in den von Jenny Stratford untersuchten Inventaren ersichtlich wird, erneut zur Bereicherung der Sammlung Bedfords bei.27 In den gleichen Zeitraum fallen die ersten Schritte zur Gründung eines studium generale in Caen, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Initiative des Regenten zurückgehen: Spätestens zu Beginn des Jahres 1424 wurde die Bitte an Papst Martin V. gerichtet, die Einrichtung eines studium generale in der Kirchenprovinz von Rouen zu gewähren, am 31. März desselben Jahres erteilte der Papst die Gründungslizenz.28 In die Tat umgesetzt wurde das Vorhaben jedoch zunächst nicht. Erst im Januar 1432 sollte es zur Unterzeichnung der Gründungsurkunde durch Heinrich VI. kommen.29 26 Vgl.

Allmand, Lancastrian Normandy, S. 28–31; Williams, My Lord of Bedford, S. 111–117; Curry, Hundred Years War, S. 95; Stratford, Bedford Inventories, S. 9, 11. 27 Ebd., S. 8  f., 55–96, 104. Die erste Hälfte der in Bedfords Inventaren anhand der Beschreibungen des Alençon-Wappens nachweisbaren Auslösung wurde ab September 1426 in Form von Juwelen, Geschirr, Gewändern und Textilien ausgezahlt. Die Schlacht von Verneuil und Bedfords Rolle in dieser werden ausführlich von Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 29, S. 107–122 beschrieben. 28 Die Bitte an den Papst ist überliefert: Denifle und Châtelain (Hrsg.), Chartularium Universitatis Parisiensis, Bd. 4, Nr. 2239, S. 432: „Item dignetur sanctitas vestra concedere et dare ­licentiam et facultatem alicui prelato aut persone ecclesiastice erigendi generale studium in facultate artium jurisque civilis in quacunque civitate, bona villa seu loco notabili in provincia Rothomagensi, de quo placuerit et videbitur illustrissimo principi domino regenti, cum prerogativis, libertatibus et privilegiis illis et similibus quibus gaudet et utitur Universitatis studii Parisiensis“. Zu den von Bedford unternommenen Schritten zur Gründung eines studium generale in Caen und den politischen Implikationen dessen siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 81–121. Siehe außerdem Lyse Roys monografische Studie zur Universität Caen im 15. und 16. Jh., Roy, L’université de Caen, bes. S. 25–50. 29 Die Verzögerung erklärt sich sicherlich zum einem durch den Widerstand der Pariser Universität und das Fehlen der finanziellen Mittel, zum anderen durch die veränderte politische Lage: Die militärischen Vorstöße der Engländer nach Süden öffneten den Weg zu den Universitäten von Angers und Orléans, wo im Gegensatz zu Paris ebenfalls Zivilrecht gelehrt wurde, und machten damit die Gründung des studium generale in Caen weitgehend unnötig. Vgl. ebd., S. 26–28; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 107 f.; Verger, University of Paris, S. 207 f., 220.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  31

Ebenfalls vermutlich in den 1420er Jahren, vielleicht im Zusammenhang mit seiner Eheschließung, gründete Bedford allem Anschein nach einen Ritterorden, dessen Form und Zweck jedoch aufgrund der spärlichen Quellenlage nicht präzise bestimmt werden können. Der Name des Ordens, Ordensstatuten oder Mitgliederlisten sind nicht überliefert, und auch der Ordenspatron ist unbekannt.30 Finanzielle Engpässe bei der Aufrechterhaltung der englischen Regierung in Frankreich und der Eroberung neuer Gebiete führten Bedford im Dezember 1425 nach England, wo er sich um Geld und militärische Unterstützung für die Unternehmungen in Frankreich bemühte und bis März 1427 blieb. Während dieses Aufenthaltes schlug der Herzog den mittlerweile fünfjährigen Heinrich VI. zum Ritter.31 Ein weiterer Grund für die Reise nach England war der sich zuspitzende Konflikt zwischen Bedfords jüngerem Bruder Humphrey of Gloucester, der als Protektor Heinrichs VI. und Verwalter von dessen Erbe fungierte, und Henry Beaufort, dem einflussreichen Bischof von Winchester, bei welchem Bedford vermittelnd eingriff.32 Gloucester war außerdem bereits seit einigen Jahren in Aus­ einandersetzungen um territoriale Ansprüche mit dem Herzog von Burgund verwickelt – eine weitere Angelegenheit, die das wiederholte Intervenieren Bedfords erforderte und mit dazu beitrug, dass sich das Verhältnis zwischen ihm und dem burgundischen Herzog gegen Ende der Dekade abzukühlen begann.33 Die Regierungsjahre Bedfords bis etwa 1428 werden gemeinhin als die erfolgreichste Zeit seiner Regentschaft angesehen: Militärisch waren die Engländer auf dem Vormarsch und konnten zunehmend mehr nordfranzösische Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. Seine geschickte Nutzung lokaler administrativer Strukturen und die auf Befriedung und wirtschaftliche Konsolidierung ausgerichtete Regierung mithilfe vorwiegend französischer und normannischer Institutionen und Amtsträger wurden bereits angesprochen.34 In dieser für Paris und die Norman30 Stratford,

Bedford Inventories, S. 101–103. Griffiths, Henry VI, S. 72–82; Stratford, Bedford Inventories, S. 9 f. 32 Zu den Auseinandersetzungen zwischen Bedford, Beaufort und Gloucester siehe Grummitt, Henry VI, S. 57–62; Petrina, Duke of Gloucester, S. 117–127, 132–135; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 30–71; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 134–166, 191–252; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 253–260. 33 Zur Entwicklung der anglo-burgundischen Allianz siehe jüngst Lobanov, Philip the Good; außerdem Thompson, Paris Under English Rule, passim; ders., Régime Anglo-Bourguignon; Leguai, La „France Bourguignonne“; Armstrong, La double monarchie. 34 Übergreifend zur englischen Herrschaft in Paris siehe zuletzt Favier, Bourgeois de Paris, S. 195–204; außerdem ders, Les Anglais à Paris; Thompson, Paris Under English Rule; Grondeux, Présence anglaise; Allmand, Lancastrian Normandy, passim; ders., The English and the Church; Kintzinger, Auftrag der Jungfrau, bes. S. 71–74; Lewis, La „France Anglaise“, S. 31–35. Insb. zur englischen Herrschaft in Rouen siehe Cailleux, La présence anglaise. Bedford setzte in seiner Bemühung um die Nutzung und Aufrechterhaltung lokaler administrativer Strukturen die Politik seines Bruders Heinrich V. fort, vgl. hierzu zuletzt Murphy, War, Government and Commerce. Dafür, dass die Regierung Bedfords auch seitens weiter Teile der französischen Bevölkerung als erträglich empfunden wurde, spricht ihre verhältnismäßig positive Darstellung durch eine Reihe französischer Chronisten, die den englischen Besatzern ansonsten keineswegs wohlgesinnt waren, etwa Basin, Charles VII, Buch II, Kap. 2, S. 88 und Buch III, Kap. 1, S. 196. 31 Vgl.

32  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage die – den Umständen entsprechend – friedlichen Zeit konnte sich auch der durch den Bürgerkrieg und die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Franzosen in Paris weitgehend zum Erliegen gekommene Handel mit Luxusgütern bis zu einem gewissen Grad erholen, und Bedford erwarb in Paris einige seiner prestigeträchtigsten illuminierten Handschriften.35 In den ausgehenden 1420er Jahren wendete sich das englische Kriegsglück, wobei die vielfach diskutierte, gescheiterte Belagerung von Orléans in den Jahren 1428/29 und die damit korrelierenden personellen und finanziellen Verluste sicherlich einen besonders harten Schlag für Bedford und seine Regierung darstellten. Die zunehmenden militärischen Niederlagen, die Beschränkung der englischen Macht auf die Normandie und die damit einhergehende Verlagerung des administrativen und kulturellen Zentrums der Engländer brachten den Umzug des herzoglichen Haushaltes nach Rouen im Oktober 1429 mit sich.36 Um die umfangreichen Besitztümer Bedfords, unter anderem die aus der Sammlung Karls VI. stammenden Luxusgüter, unterzubringen, wurde eine Reihe von Umbauten an seinen Hauptresidenzen in der normannischen Hauptstadt, dem königlichen Schloss im Westen und dem Herrensitz Joyeux Repos im Nordosten der Stadt, vorgenommen.37 Die um die Dekadenwende zunehmend virulenten Schwierigkeiten der englischen Regierung, die eroberten französischen Gebiete nicht nur militärisch zu behaupten, sondern die Notwendigkeit und Legitimität der englischen Herrschaft in Frankreich auch gegenüber der Bevölkerung sichtbar zu machen, zeigt sich unter anderem darin, dass der Regent sich mehrfach und mit Nachdruck für die möglichst baldige Krönung des siebenjährigen Heinrich VI. in Frankreich einsetzte, so dass die dortigen Magnaten die Gelegenheit bekämen, ihm die Treue zu schwören. Offenbar war ihm Heinrichs Krönung zum französischen König, insbesondere angesichts des frisch gekrönten Karl VII., eine dringende Angelegenheit. Am 6. November 1429 fand die Krönung zum König von England in Westminster statt, am 23. April des folgenden Jahres landete Heinrich in Calais.38 Seine Ankunft wurde auf Veranlassung des Regenten in der Kathedrale von Rouen mit 35 Zum

Pariser Kunstmarkt in den 1420ern und 1430ern siehe jüngst Clark, Art in a Time of War; ders., Spitz Master, S. 91–93; außerdem Taburet-Delahaye (Hrsg.), Paris 1400; Avril und Reynaud (Hrsg.), Manuscrits à peintures, bes. S. 17–29; Rouse und Rouse, Manuscripts and their Makers, Bd. 1, S. 285–302; Plummer, Last Flowering, bes. S. 1–29; Reynolds, Les Angloys; dies., English Patrons; dies., Salisbury Breviary. 36 Zu den militärischen Verlusten der Engländer in den späten 1420ern siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 31–36; Cailleux, La présence anglaise; Massey, Lancastrian Rouen. 37 Vgl. Stratford, Bedford Inventories, S. 15, 112  f.; dies., Bedford as Patron, S. 99 f. 38 Zur Krönung in Westminster siehe jüngst Grummitt, Henry VI, S. 75–77; außerdem Griffiths, Henry VI, S. 189  f.; Wolffe, Henry the Sixth, S. 49–51. Zur Krönungsexpedition Heinrichs nach Frankreich siehe jüngst Bourassa, Royal Entries; außerdem Wolffe, Henry the Sixth, S. 51–63; Bryant, Paris and London, bes. S. 72–78; Curry, Coronation Expedition; Thompson, Paris Under English Rule, S. 199–205; Griffiths, Henry VI, S. 90–93; Grummitt, Henry VI, S. 77–80; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 191–213; Allmand und Styles, Coronations of Henry VI.; Lebigue, L’ordo du sacre d’Henri VI. Zu Bedfords Bemühungen, die Krönungen voranzutreiben siehe unten, Kap. 2.2.3.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  33

einer Messe sowie durch einen feierlichen Umzug Bedfords und seiner Frau durch die Stadt zelebriert. Pierre Cochon bemerkt in seiner Chronique normand den großen Aufwand, den der Regent angesichts der Landung Heinrichs auf dem Kontinent betrieb, „actendu que le roy estoit encore si loing comme Kalès“.39 Im Juli reiste Heinrich weiter nach Rouen, wo er circa 15 Monate lang verweilte, bevor im November 1431 nach der Eroberung von Louviers der Weg für die Weiterreise des königlichen Hofes nach Paris geebnet war. Am 16. Dezember fand Heinrichs Krönung zum französischen König durch Kardinal Beaufort statt, und nur wenige Wochen später kehrte er nach England zurück.40 Während eines Zwischenstopps in Rouen im Januar 1432 unterzeichnete Heinrich, wie bereits angesprochen, die Urkunde über die bereits acht Jahre zuvor, auf Bedfords Initiative angeregte Gründung eines studium generale in Caen.41 Explizit wird im betreffenden Dokument dargelegt, dass die Gründung auf Rat und mit Zustimmung seines Onkels, des Herzogs von Bedford, stattgefunden habe, wobei auch ohne diesen Beleg die Vermutung, dass ein politisch bedeutsamer Entschluss dieser Art eher auf den Regenten als auf seinen zehnjährigen Neffen zurückging, nahe läge.42 Erneut kam es jedoch zu Verzögerungen, zu denen die vom burgundischen Herzog unterstützte Opposition der Stadt und Universität Paris mit beitrug. Erst in den Jahren 1436/37, also nach dem Tod des Regenten, sollte die drastisch veränderte politische Situation – die Eroberung von Paris durch Karl VII., mit welcher die Pariser Universität für die normannische Nation nicht mehr zugänglich war – dazu führen, dass tatsächlich Lehrende angestellt und Studenten in Caen aufgenommen wurden.43

39 Cochon, Chronique, S. 310: „L’an

dessus dit .cccc. .xxx., le jour Saint-Marc, furent les feus fais, à Rouen, comme à la Saint-Jehan, pour les nouvellez qui vindrent à Rouen que le roy d’Engleterre, qui n’avoit que .ix. ans estoit descendu à Kalès. Et fu le regent et sa femme par les rues à veoir qui faisoit joie. Et sonna l’en les cloches de tous les moustiers. Et estoie moult esmerveillié que l’en faisoit telle solemnité, actendu que le roy estoit encore si loing comme Kalès.“ Zu Cochon siehe Lardin, Pierre Cochon; Curry, Battle of Agincourt, S. 112. 40 Die Frage danach, ob die Krönung ursprünglich für Paris oder Reims vorgesehen war und welche Faktoren eine Rolle bei der Entscheidung zugunsten von Paris spielten, ist von Curry, Coronation Expedition diskutiert worden und soll hier nicht vertieft werden. Es ist jedoch denkbar, dass die Hoffnung, Reims, den traditionellen Krönungsort der französischen Könige, zurückzuerobern, mit zum ausgedehnten Aufenthalt in Rouen beitrug. 41 Zur Wiederbelebungen der Bemühungen um die anglo-normannische Universitätsgründung mögen die politischen Entwicklungen, insb. militärische Verluste seitens der Engländer in den späten 1420ern und die zunehmende Beschränkung der englischen Vormachtstellung auf die Normandie, mit beigetragen haben. Die Urkunde ist als Vidimus aus dem Jahr 1446 überliefert und wurde mehrfach ediert: Fournier (Hrsg.), Les statuts et privilèges des universités françaises, Bd. 3, S. 145–147; Bénet (Hrsg.), L’université de Caen, Bd. 1, D1, S. 1–4. Siehe hierzu auch Allmand, Lancastrian Normandy, S. 108 f.; Roy, L’université de Caen, S. 28–31. 42 Bénet (Hrsg.), L’université de Caen, Bd. 1, D1, S. 2: „consilioque et assensu precarissimi nostri patrui Johannis, prefatum regnum nostrum Francie gubernantis et regentis ducisque Bedfordie“. 43 Zudem führte der Bruch mit Burgund dazu, dass auch die burgundischen Universitäten für die Studenten der englisch besetzten Normandie an Attraktivität verloren. Vgl. Allmand, Lancastrian Normandy, S. 108–111; Roy, L’université de Caen, S. 31–50.

34  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Es ist bekannt, dass die zunehmenden militärischen Schwierigkeiten der Aufrechterhaltung der englischen Regierung in Frankreich mit einer Verschlechterung des Verhältnisses der Engländer zu Philippe le Bon und dessen Annäherung an Karl VII. einhergingen. Die Bemühungen, den bei weitem wichtigsten Verbündeten zu halten, zeigen sich in der Zuweisung zahlreicher Ämter und Ländereien an den burgundischen Herzog, allen voran den Posten des Lieutenant von Paris, sowie der bedeutenden Rolle, die Bedford dem Bruder seiner Ehefrau Anne in seinem im Juni 1429 in Corbeil aufgesetzten ersten Testament zugestand: Im Falle des kinderlosen Todes des Paares würde Philippe le Bon an die Stelle des Erben rücken.44 Im Rahmen der Krönungsexpedition zeigte sich das Auseinanderdriften der Engländer und des burgundischen Herzogs besonders augenfällig daran, dass dieser weder dem königlichen Hof in Rouen seine Aufwartung machte noch der Krönung in Paris beiwohnte.45 Zudem sind für die frühen 1430er Jahre mehrere Fälle von Austritten burgundischer Mitglieder aus dem Ritterorden Bedfords überliefert, die ebenfalls von der Abkühlung des Verhältnisses zeugen.46 Der Tod Annes de Bourgogne am 14. November 1432 und mehr noch die bereits am 20. April des folgenden Jahres stattfindende Hochzeit Bedfords mit Jacquetta, der Nichte Louis’ de Luxembourg, des Bischofs von Thérouanne und wichtigen Parteigängers der Engländer, sind seit langem als zusätzliche Katalysatoren des Zusammenbruchs der englisch-burgundischen Allianz erkannt worden.47 Zum einen fiel Anne nun als einflussreiche Vermittlerin zwischen ihrem Bruder und ihrem Ehemann weg, zum anderen war die Wahl der Braut mit einer Reihe weiterer Probleme behaftet, da Jacquettas Vater, Pierre I. de Luxembourg, bereits seit einiger Zeit in Erb- und Lehensstreitigkeiten mit dem Herzog von Burgund verwickelt war und überdies als dessen Vasall seine Erlaubnis zu dieser Eheschließung hätte einholen müssen. Versuche in den folgenden Jahren, auf di­ plomatischem Wege eine Einigung zwischen Burgund und Bedford zu erwirken, scheiterten weitestgehend, und die politischen Entwicklungen, insbesondere die wiederholten Friedensangebote Karls VII., machten England als Bündnispartner zunehmend uninteressant für Burgund.48 44 Siehe

hierzu Stratford, Bedford Inventories, S. 15 und Appendix Nr. 7, S. 386–388; ArmLa double monarchie, bes. S. 352, 361–363, 366–374. 45 Vgl. Curry, Coronation Expedition, S. 41, 45; Armstrong, La double monarchie, S. 368. 46 Siehe hierzu ausführlich ebd., S. 367; Stratford, Bedford Inventories, S. 101. 47 Ebd., S. 8, 18, 116; Armstrong, La double monarchie, S. 369–371; Rowe, Grand Conseil, S. 222 f. Annes Bedeutung für die freundschaftliche Beziehung zwischen ihrem Ehemann und ihrem Bruder sowie ihr möglicher Einfluss auf Bedfords politisches Handeln wurden bereits mehrfach diskutiert, siehe z. B. Stratford, Bedford Inventories, S. 7 f., 15, 17, 21 f., 103; Williams, My Lord of Bedford, S. 221  f. Beides wurde außerdem bereits von einer Reihe zeitgenössischer Chronisten hervorgehoben, etwa Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 9, S. 499, Kap. 128, S. 610 und Kap. 136, S. 614; Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 10, S. 35; Basin, Charles VII, Buch II, Kap. 2, S. 88. Louis de Luxembourg hatte den Posten des Kanzlers von Frankreich inne. Zu Jacquetta siehe Diaz Pascual, Jacquetta of Luxembourg. 48 Zu den vor allem auf die Vermittlungsversuche Henry Beauforts zurückgehenden diplomatischen Verhandlungen zwischen England und Burgund siehe Harriss, Cardinal Beaufort, S. 224–252. Zur Annäherung zwischen Burgund und Karl VII. siehe Armstrong, La double strong,

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  35

Diesem Prozess und den militärischen Verlusten auf dem Kontinent konnte auch die zweifache Krönung Heinrichs VI. und der damit zum Ausdruck gebrachte Herrschaftsanspruch keinen nachhaltigen Einhalt gebieten. Bereits im Juni 1433 sah der Herzog von Bedford sich gezwungen, nach England zurückzukehren, um sich gegen Vorwürfe bezüglich seiner Regentschaft in Frankreich zur Wehr zu setzen und um im Parlament finanzielle und personelle Unterstützung zur Aufrechterhaltung der Regierung der französischen Besitzungen zu erbitten. Über die Verhandlungen im Parlament geben die Rotuli Parliamentorum und die Akten des Privy Council Auskunft.49 Ausführlich wird etwa eine im Juni 1434 vor dem königlichen Rat gehaltene Rede Bedfords wiedergegeben, in welcher er auf die erfolgreiche Widerlegung der gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen verweist und – unter Bezugnahme auf seine eigenen Mühen und die Errungenschaften Heinrichs V. – die Dringlichkeit darlegt, Frankreich zu halten und die nötigen Finanzen bereitzustellen.50 Des Weiteren empfiehlt Bedford sich höchstpersönlich für das Oberkommando von Calais wie auch weiteren Gebieten und führt seine Expertise und Erfahrung an.51 Bereits wenige Wochen später, im Juli 1434, trat der Herzog seine letzte Reise über den Ärmelkanal an, und im folgenden Jahr verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend.52 Die letzten Lebensmonate Bedfords fallen mit dem Kongress von Arras zusammen, der im endgültigen Zusammenbruch der anglo-burgundischen Allianz und dem für die Engländer fatalen Friedensschluss zwischen Burgund und Karl VII. resultierte.53 Am 14. September 1435, eine Woche vor Vertragsabschluss, verstarb John of Bedford im Schloss von Rouen.

1.1.2. Bedford als Stifter, Auftraggeber und Besitzer von Kunst Hinsichtlich der Stiftungen und des Kunstbesitzes John of Bedfords sind vor ­allem seine zwei im Original beziehungsweise in zeitgenössischer Abschrift erhaltenen Testamente aufschlussreich. Sie wurden von Jenny Stratford ediert und mit monarchie, S. 371–373; Dickinson, Congress of Arras, S. 53–77; Keen, England in the Later Middle Ages, S. 388–394; Allmand, Traité d’Arras. 49 Zu den militärischen Aktionen und Verlusten der frühen 1430er siehe ebd., S. 104–108; ders., Lancastrian Normandy, S. 36–40; Brill, English Preparations, S. 223–247; Griffiths, Henry  VI, S. 191–216; Grummitt, Henry VI, S. 88–94. Zu Bedfords Ersuchen um Verstärkung und die Anschuldigungen gegen ihn im Parlament im Juli 1433 siehe die Editionen Rot. Parl., Bd. 4, Tempore Henrici R. V., S. 420, Nr. 10; PPC, Bd. 4, S. 222–229. Zu den Parlamentsverhandlungen siehe außerdem Stratford, Bedford Inventories, S. 18 f. 50 PPC, Bd. 4, S. 222–229. 51 Ebd., S. 227  f. 52 Zu den letzten Lebensmonaten Bedfords siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 19–22. 53 Zum Vertrag von Arras siehe Dickinson, Congress of Arras; Vale, Fastolf ’s „Report“ of 1435; Brill, English Preparations; Ehlers, Geschichte Frankreichs, S. 330–334; Vaughan, Philip the Good, S. 99–107; Thompson, Régime Anglo-Bourguignon, S. 53 f.; Warner, Anglo-French Dual Monarchy, passim; den Sammelband Clauzel et al. (Hrsg.), Arras, bes. den Beitrag Allmand, Traité d’Arras.

36  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Blick auf ihre problematische Vollstreckung ausgewertet.54 Das erste Testament wurde am 14. Juni 1429 in Anwesenheit des burgundischen Herzogs in Corbeil unterschrieben und gesiegelt. Der ansonsten knapp gehaltene Text enthält ausführliche Verfügungen zur Beisetzung Bedfords:55 Diese sollte in Waltham Abbey erfolgen, sollte er in England sterben, im Falle seines Ablebens in Frankreich hingegen in der Kathedrale Notre-Dame in Amiens, in einer von ihm zu Ehren Gottes, der Jungfrau Maria, der heiligen Anna und Johannes des Täufers gestifteten Kapelle.56 Überdies werden Schenkungen von unter anderem mit seiner Wurzeldevise und seinem Wappen verzierten liturgischen Textilien und Goldschmiedewerken an die beiden Institutionen angewiesen, außerdem sollte jede der beiden Kirchen zwei nicht genauer spezifizierte Messbücher und einen hochwertigen vergoldeten Silberkelch zur Verwendung bei der täglichen Seelenmesse erhalten.57 Von Interesse ist darüber hinaus ein Eintrag zu einem mit Edelsteinen verzierten, goldenen Kreuz Ludwigs des Heiligen, welches Bedford seinem Neffen Heinrich VI. vermachte und das im Zusammenhang mit weiteren politisch konnotierten Schenkungen des Herzogs an Heinrich diskutiert werden soll.58 Im zweiten Testament, das am 10. September 1435, also nur wenige Tage vor Bedfords Tod, im Schloss von Rouen aufgesetzt wurde, wird das Kreuz nicht aufgeführt, und auch im Übrigen enthält der als Vidimus vom 9. November des gleichen Jahres in den Akten der Kathedrale von Rouen erhaltene Text nur wenige Angaben zur Vererbung oder Stiftung einzelner Objekte.59 Relativ ausführlich sind auch hier die Verfügungen zur Beisetzung Bedfords: Im Falle des Versterbens in der Normandie war die Kathedrale von Rouen vorgesehen, in der Picardie die 54 Stratford,

Bedford Inventories, bes. S. 21–54. Für die langwierige Vollstreckung des Testaments, die in Frankreich dadurch verkompliziert wurde, dass zahlreiche ehemals im Besitz des Regenten befindliche Ländereien und Güter wieder in der Hand des Dauphins waren, war je eine Exekutorengruppe für Frankreich und England ernannt worden. In Frankreich waren Louis de Luxembourg sowie die Mitglieder des herzoglichen Haushaltes John Fastolf und Andrew Ogard ernannt worden, in England die Kardinäle Henry Beaufort und John Kemp sowie der Schatzmeister von England, Lord Cromwell, der Schatzmeister von Calais, Richard Buckland, und Bedfords Receiver-General in England, Robert Whittingham. Als Supervisor wurde Heinrich VI. ernannt. Ausführlich zur Vollstreckung der Testamente und zum Verbleib einzelner Güter siehe ebd., S. 11–13, 21–54, 94–96; dies., Manuscripts, S. 98–108. 55 Siehe die Edition Stratford, Bedford Inventories, Appendix Nr. 7, S. 386–389. Der Text ist im Original in den Archives départementales de la Côte-d’Or in Dijon erhalten, B 309. 56 Stratford, Bedford Inventories, Appendix Nr. 7, S. 387: „Item, se nous trespassons deça la mer, nous voulons nostre corps estre enterré en l’eglise Nostre Dame d’Amiens, en une chapelle que ylec avons ordonné estre fondee en l’onneur et reverence de Dieu, Nostre Dame, saint Jean Baptiste et saincte Anne. Item, et se nous trespassons dela la mer ou royaume d’Angleterre, nous voulons estre enterrez en l’abbayee de Waltham.“ 57 Ebd.: „Item, nous laissons, oultre ce que dit est, a chacune desdictes deux eglises […] deux messeelz et un calice d’argent doré des meilleurs que ayons pour servir a dire cotidiennement messes es chapelles qui par nous seront fondees es dictes eglises ou la ou nostre corps sera enterré.“ 58 Siehe unten, Kap. 3.3.3. 59 Rouen, ADSM, G 3573. Der Text ist in Stratford, Bedford Inventories, Appendix Nr. 12, S. 393–398 ediert. Siehe ebd. und de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 370–375 zu weiteren Abschriften.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  37

Kathedrale von Thérouanne statt Amiens – letzteres befand sich mittlerweile in französischer Hand – und in England, wie bereits 1429, Waltham Abbey.60 Übereinstimmungen einzelner Textpassagen mit dem Testament von 1429 und die Tatsache, dass einige der aufgeführten der Kathedrale von Rouen zu vermachenden Güter im Herbst 1435 gar nicht in Frankreich verfügbar waren, lassen Stratford folgend annehmen, dass das zweite Testament in Eile aufgesetzt und in Teilen ohne Überprüfung vom Vorgänger übernommen wurde. Auch ist davon auszugehen, dass weitere schriftliche oder mündliche Angaben gemacht wurden, die allerdings nicht erhalten sind. Hierfür spricht nicht zuletzt die Knappheit des Texts im Allgemeinen und das Fehlen von Verfügungen bezüglich der Herzogin.61 Überdies fehlen jegliche Hinweise auf die Partizipation des Regenten an der Konzeption und Gestaltung seines Grabmals in der Kathedrale Notre-Dame von Rouen, wo er am 30. September 1435 beigesetzt wurde. Antje Fehrmann vermutet, dass Louis de Luxembourg, der Onkel seiner Gemahlin Jacquetta und Bischof von Thérouanne, entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Grabmals nahm. Louis gehörte zu den Testamentsvollstreckern Bedfords und hatte als Kanzler von Frankreich eine einflussreiche Position in Lancastrian France inne.62 Das Grabmal wurde zwar im 16. Jahrhundert stark beschädigt und im 18. Jahrhundert endgültig zerstört, die ursprüngliche Position und bis zu einem gewissen Grad auch die Gestaltung können jedoch anhand zeitgenössischer Schriftquellen und frühneuzeitlicher Beschreibungen rekonstruiert werden: Demnach wurde Bedford in prominenter Lage zwischen den Rundpfeilern an der Nordseite des Hochchores, in unmittelbarer Nähe weiterer königlicher Gräber, bestattet.63 Aller Wahrschein60 Stratford,

Bedford Inventories, Appendix Nr. 12, S. 394: „Item, sepulturam suam elegit videlicet, in casu quo ipsum decedere contigerit in partibus Normannie, in ecclesia Beate Marie Rothomagensis, et si in Picardia, in ecclesia Beate Marie de Morineto, et casu quo decederet in regno Anglie, in abbacia seu monasterio de Waltham, Londoniensis diocesis.“ 61 Fraglich ist zudem, wie viel Einfluss der schwerkranke Herzog auf die Details des wenige Tage vor seinem Tod aufgesetzten Texts nahm. Vgl. ebd., S. 24 f. 62 Vgl. Fehrmann, Grab und Krone, S. 232; de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 344; Diaz Pascual, Jacquetta of Luxembourg, S. 71 f. 63 In den Registern des Kapitels der Kathedrale ist zum 30. 9. 1435 die Beisetzung Bedfords verzeichnet: „in hac Rothomagensi ecclesia, in choro in sinistra parte subtus feretrum sancti Synerii, prope pedes regis Henrici, fuit inhumatus deffunctus, inclite memorie, dominus Johannes dux Bedfordie“. Zitiert nach de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 376. Am 18. 2. 1437 wurden Steinmetze mit der Arbeit am herzoglichen Grabmal beauftragt: „Item (domini) ­ordinaverunt quod lathomi qui debent situare et edificare in ecclesia ista, intra pillaria chori, tumbam seu sepulturam, inclite memorie, Johannis ducis Bedfordie, regentis regnum Francie, hoc faciant, vocatis tamen secum magistris procuratore et lathomis fabrice, qui habeant servare ne lathomia ecclesie per hoc dampnificetur sed in sua integritate conservetur, et eciam quod per eosdem advisetur quo loco feretrum antiquum existens in loco quo dicta sepultura debet situari ponetur et situabitur.“ Zitiert nach ebd. Am 20. 4. 1437 wird die Errichtung eines Altars beim Grabmal, um Messen für den verstorbenen Herzog zu feiern, angeordnet: „Item, fuerunt dati commissarii domini et magistri R. Barberii et P. de Clinchamp, dicte Rothom. ecclesie magistri operis seu fabrice ejusdem, Guillelmus de Gardinis et J. Pinchon, vocatis ­secum operariis dicte ecclesie, pro disposicione altaris pro celebrando missam dicti domini regentis in futuro, et de hoc, cum consilio predictorum operariorum, ordinando utilius quam fieri poterit et honestius.“ Zitiert nach ebd., S. 377.

38  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage lichkeit nach bestand das Grabmal, ähnlich dem heute im Louvre aufbewahrten Grabmal Annes de Bourgogne und der französischen Königsgräber, aus einer schwarzen Marmortumba und einem Gisant aus weißem Marmor.64 Während die Orientierung an französischen königlichen Vorbildern hinsichtlich der Wahl des Materials und der stilistischen Gestaltung des Grabmals vermutlich auf die Testamentsvollstrecker zurückgeht, ist für die Wahl der Kathedrale von Rouen als Bestattungsort die Initiative des Herzogs selbst anzunehmen.65 Die Kathedrale war eine der prestigeträchtigsten Grablegen, die den Engländern zum Zeitpunkt von Bedfords Tod auf französischem Boden zur Verfügung standen, und Bedford selbst war durch zahlreiche Stiftungen und seine hiermit verbundene Aufnahme als Säkularkanoniker in das Kathedralkapitel im Jahr 1430 eng in dessen religiöses Leben involviert. Überdies konnte hier ein Bezug zu englischen wie auch französischen Königsgräbern hergestellt werden: Neben Grabmälern normannischer Herzöge beherbergte die Kathedrale Gräber von Mitgliedern des Hauses Anjou-Plantagenet sowie die Herzgräber von Richard Löwenherz und Karl V.66 Abgesehen von den Testamenten geben eine Reihe weiterer zeitgenössischer Schriftquellen Hinweise auf im Auftrag oder mit Zustimmung Bedfords getätigte Stiftungen und Schenkungen von Luxusgütern an französische Institutionen, insbesondere in Paris und Rouen. In Paris wurden offenbar in erster Linie die religiösen Einrichtungen, die bereits unter den Valois von besonderer Bedeutung gewesen waren, wie die Sainte-Chapelle und die königliche Grablege Saint-Denis, begünstigt, und auch in Bedfords öffentlicher Devotionspraxis ist die hervorgehobene Bedeutung beider Institutionen in mehreren Fällen bezeugt.67 Beispielhaft ist eine großzügige Schenkung kostbarer liturgischer Gewänder und Wandbehänge an Saint-Denis wenige Tage vor dem zweijährigem Todestag Karls VI., am 16. Oktober 1424, zu nennen. Die reich mit Fleurs-de-Lis und den von Karl V. und Karl VI. verwendeten gekrönten Initialen KK verzierten Textilien entstammten höchstwahrscheinlich der in Bedfords Besitz übergegangenen französischen königlichen Sammlung und sollten im Rahmen von Messen zum Gedenken des verstorbenen Königs verwendet werden.68 Als verantwortlich für die Schenkung 64 Ausführlich

zur Frage der ursprünglichen Gestaltung des Grabmals, zu welchem außerdem eine im 17. Jh. reproduzierte, mit heraldischen Zeichen Bedfords, der Lancaster und des Hosenbandordens verzierte Gedenktafel gehörte, siehe Fehrmann, Grab und Krone, S. 233–235; Stratford, Bedford Inventories, S. 31 f.; dies, Bedford as Patron, S. 103 f.; de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 351 f., 355 f. Das Grabmal Annes wurde nach Bedfords Tod im Auftrag des burgundischen Herzogs angefertigt, vgl. Smith, Tomb of Anne of Burgundy, bes. S. 40 f. 65 Zur stilistischen und materialikonografischen Orientierung an französischen Grabmälern siehe Fehrmann, Grab und Krone, S. 234 f. 66 Ebd., S. 234. Zu Bedfords Ernennung zum Kanoniker der Kathedrale von Rouen und seiner Bindung an diese siehe Allmand, The English and the Church, bes. S. 291 f. 67 Zu den Stiftungen und Schenkungen sowie zu den entsprechenden Quellenverweisen im Einzelnen siehe Thompson, Monseigneur Saint Denis, S. 19, 26; Grandeau, Obsèques de Charles VI, S. 156 f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 80–82. 68 Siehe ebd., S. 80  f. zu Quellenangaben und zur Frage der Identifizierung des Sets mit Stücken aus den Inventaren Karls V.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  39

werden zwar die Verwalter der Bestattung und der Exequien des verstorbenen ­Königs und nicht explizit Bedford genannt, da er jedoch zu den Testamentsvollstreckern Karls VI. gehörte, kann seine ausdrückliche Zustimmung angenommen werden. Bei der Untersuchung der mit Bedford in Zusammenhang zu bringenden bildhauerischen Aufträge in Paris stellt sich die Lage ähnlich dar: In den meisten Fällen kann seine Involvierung in mehr oder weniger großem Ausmaß zwar vermutet, aber nicht bewiesen werden. Dies trifft etwa auf die mögliche Beteiligung an der Konzeption des Grabmals Karls VI. zu.69 Ein vergleichbares Problem ergibt sich bei der Schenkung eines kostbaren dreiteiligen Goldschmiedestücks an das Kapitel der Kathedrale Notre-Dame in Paris im September 1422, kurz nach dem Tod Heinrichs V. Dieses stellte im oberen Teil die Trinität und in der Mitte Heinrich V. und seine Ehefrau Catherine de Valois dar, die durch den heiligen Georg und den heiligen Dionysius, die Patrone Englands und Frankreichs, empfohlen wurden.70 Eine gezielte Auftragserteilung Bedfords anlässlich des Todes seines Bruders kann, wie Stratford feststellt, aufgrund der sehr kurzen Zeitspanne zwischen Heinrichs Tod im August und der bereits im September erfolgten Stiftung ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher ist, dass ursprünglich ein anderer Empfänger als die Kathedrale oder sogar eine private Nutzung angedacht waren. Überdies besteht die Möglichkeit, dass nicht Bedford, sondern Heinrich selbst hinter dem Auftrag gestanden hatte, und dass Bedford mit der Schenkung lediglich die Wünsche seines verstorbenen Bruders ausführte.71 Etwas anders gestaltet sich die Lage bei Bedfords ebenfalls zerstörten architektonischen Aufträgen in Paris. Durch die Worte des Bourgeois de Paris aus dem Jahr 1436 wissen wir, dass der Regent sich zumindest im Vergleich zu seinen Landsleuten als Bauherr hervortat und „ständig baute, wo auch immer er war“.72 Zwar scheint auch Bedford die Errichtung repräsentativer Neubauten kein besonderes Anliegen gewesen zu sein, und bei seinen anhand schriftlicher Hinweise nachzuzeichnenden Pariser Bauaufträgen handelt es sich in erster Linie um An69 Siehe

hierzu ebd., S. 113; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 232–234. Geschenk wurde am 10. 9. 1422 in Empfang genommen: Paris, AN, LL, 215, S. 381, zitiert nach Grassoreille, Histoire politique du chapitre de Notre-Dame, S. 42, Anm. 1: „Dominus dux de Bethfort, germanus regis Anglie nuper deffuncti, hodie tradidit domino cantori et aliis dominis presentibus unum pulcrum jocale aureum oblongum, subtus quadratum, desuper rotundum in cujus superiori parte sunt intra paveillionem unum Deus pater tenens crucifixum cum columba et desuptus sunt ymagines sanctorum Dyonisii et Georgii ac regis et regine Anglie optime hismaldate, ponderis quatuor marcarum quinque unciarum et septem sterlingorum.“ Siehe hierzu auch Thompson, Monseigneur Saint Denis, S. 19; Stratford, Bedford Inventories, S. 115. 71 Ebd., S. 116. 72 Bourgeois de Paris, a. 1436, 696, S. 320: „les Angloys furent moult long temps gouverneurs de Paris, mais je cuide en ma conscience que oncques nulz ne fist semer ne blé ne advoyne, ne faire une cheminée en hostel qui y fust, ce ne fut le regent duc de Bedfort, lequel faisoit touzjours maçonner, en quelque païs qu’il fust, et estoit sa nature toute contraire aux Angloys car il ne vouloit avoir guerre à quelque personne, et les Angloys, de leur droicte nature, veullent touzjours guerreer leurs voisins sans cause, par quoy ilz meurent tous mauvaisement“. 70 Das

40  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage und Umbauten an bereits bestehenden Residenzen.73 Zumindest im Falle des im Osten der Stadt, im Gebiet der heutigen Place des Vosges gelegenen Hôtel des Tournelles, welches er ab Oktober 1422 als Hauptresidenz nutzte, scheinen diese Umbauten jedoch über rein funktionale Maßnahmen hinausgegangen zu sein. Das im 14. Jahrhundert erbaute und im 16. Jahrhundert zerstörte Hôtel hatte sich zuvor im Besitz der Herzöge Jean de Berry und Louis d’Orléans befunden, ab 1407 wurde es von der französischen Königin bewohnt.74 Seine Übertragung an Bedford erfolgte mit Zustimmung des burgundischen Herzogs und des Grand Conseil und stand – wie der Transfer der französischen königlichen Bibliothek – in engem Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Eheschließung zwischen Bedford und Anne de Bourgogne. Anlässlich seiner Hochzeit begann der Regent im Juni 1423 mit den Umbaumaßnahmen, unter anderem ließ er eine Galerie – die sogenannte Galerie des Courges – errichten, die mit seinem Wappen und seinen Devisen sowie dem Wappen seiner Ehefrau ausgeschmückt wurde.75 Zwischen 1425 und 1428 veranlasste er die Umgestaltung und Erweiterung der ausgedehnten Gartenanlagen. Bei seinen Umbauten und Erweiterungen orientierte Bedford sich allem Anschein nach an französischen und englischen königlichen Residenzen, aber auch an Hesdin, dem Sitz des burgundischen Herzogs. Die hervorgehobene repräsentative Bedeutung des Hôtel des Tournelles gegenüber anderen Residenzen des Regenten in Paris zeigt sich nicht zuletzt in der Rolle, die es bei wichtigen politischen und insbesondere diplomatischen Anlässen spielte. So wurde es zum Empfang hochrangiger Gesandter und der Vertreter des Pariser Parlement genutzt und diente zudem der Versammlung des königlichen Rates unter Bedford. Darüber hinaus bewohnte Heinrich VI. das Hôtel während seines kurzen Aufenthaltes in Paris Ende des Jahres 1431, und es ist anzunehmen, dass zu diesem Zweck erneute Umbauten vorgenommen wurden.76 Neben dem Hôtel des Tournelles gelangten sechs weitere Pariser Residenzen durch Beschlagnahmung beziehungsweise anstelle von Lösegeld, in Form königlicher Zuwendungen oder durch Kauf zeitweise in den Besitz des Regenten. Über Umbauten an diesen Hôtels ist kaum etwas bekannt, obwohl zumindest in einigen Fällen von Baumaßnahmen auszugehen ist.77 Hierbei scheint es sich jedoch 73 Zur

Bautätigkeit Bedfords in Paris siehe Reynolds, Les Angloys, S. 37 f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 109–112. 74 Zum Hôtel des Tournelles siehe ebd., S. 109–111; Thompson, Paris Under English Rule, S. 138 f.; Reynolds, Les Angloys, S. 37; Williams, My Lord of Bedford, S. 104 f.; Sauval, Histoire et recherches, Bd. 2, S. 281. Das Hôtel wird als Hauptresidenz Bedfords mehrfach von zeitgenössischen Chronisten genannt, z. B. Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 7, S. 496 und Kap. 160, S. 596; Fauquembergue, a. 1422, Bd. 2, S. 79; a. 1425, Bd. 2, S. 158 f.; a. 1432, Bd. 3, S. 36 f., 64 f.; a. 1433, Bd. 3, S. 80 f. 75 Zu den von Bedford verwendeten heraldischen Zeichen siehe unten, Kap. 1.1.3. 76 Vgl. Stratford, Bedford Inventories, S. 111. 77 Neben dem Hôtel des Tournelles verfügte Bedford über das Hôtel de Bourbon und das Hôtel d’Alençon in der Nähe des Louvre, das Hôtel de la Grande, das Hôtel de la Petite Rivière und das Hôtel de Clisson im Gebiet der heutigen Archives nationales und das Hôtel d’Aligré am linken Seine-Ufer. Siehe hierzu ebd., S. 111 f. und die dortigen Literaturverweise; Thompson, Paris Under English Rule, S. 138–142. Zu den Übertragungen von Immobilien an Bedford im

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  41

in erster Linie um rein funktionale, auf praktische Aspekte wie Bewohnbarkeit und Befestigung abzielende Eingriffe gehandelt zu haben und weniger um Umbauten aus ästhetischen oder repräsentativen Gründen. Auch in Rouen sind religiöse Stiftungen sowie Kunst- und Bauaufträge Bedfords anhand zeitgenössischer Schriftquellen greifbar, erhalten haben sich jedoch – wie in Paris – weder das von ihm gestiftete liturgische Gerät noch seine architektonischen Aufträge.78 In besonderem Maße bedachte er offenbar den Karmeliterorden und die Kathedrale Notre-Dame mit Stiftungen und Zuwendungen: Bereits für die 1420er Jahre kann Bedfords finanzielle Unterstützung der Rouennaiser Karmeliter nachgewiesen werden. Die Klostergemeinschaft war im vorigen Jahrhundert vom Umland Rouens in die Stadt umgesiedelt, hatte dort Gebäude aufgekauft, Neu- und Umbauten in Angriff genommen und sich dabei hoch verschuldet. 1428 erwarb der Herzog den Zehnt von Sierville zum Zweck der finanziellen Entlastung der Karmeliter. In der betreffenden Urkunde vom 27. Mai wird er wegen seiner großzügigen Zuwendungen und des Umstands, dass der Konvent bisher keinen Gründer gehabt habe, zu seinem „fondeur principal et premier“ ernannt.79 Derselben Urkunde ist zu entnehmen, dass das Geld unter anderem zur Erweiterung der Klosterkirche genutzt werden sollte und dass die Mönche des Konvents bis in alle Ewigkeiten Messen und Anniversarien für Bedford und seine Ehefrau Anne, „leurs propres fondeurs“, feiern sollten.80 Ferner wurde die Anfertigung von knienden Stifterfiguren veranlasst: „et si pourront icellui Monsr le Einzelnen siehe Paris, AN, JJ, 174, 330 und 172, 487, ediert bei Longnon (Hrsg.), Paris pendant la domination anglaise, S. 43–45, Nr. XXIV und S. 135–137, Nr. LXVII. Instandsetzungen bestehender Strukturen im Auftrag Bedfords lassen sich anhand von Zahlungsbelegen auch andernorts nachweisen und sind angesichts der Verheerungen des Krieges kaum überraschend. Im Dezember 1423 veranlasste er etwa die Bezahlung von Reparaturen am „boullevert de Honfleur“, Rouen, ADSM, 100 J 35, Nr. 20. Im Juni 1425 gab er den Auftrag zur Vergütung von Erneuerungsarbeiten an der Burg von Harfleur und im folgenden Oktober ließ er Erkundigungen über die genaue Verwendung des Geldes einholen, Rouen, ADSM, 100 J 35, Nr. 12 und 13. 78 Die Stiftungen in Rouen lassen sich aufgrund des umfangreichen erhaltenen Bestandes zeitgenössischer Schriftquellen, insb. der Akten des Kathedralkapitels, gut nachzeichnen. Der Großteil der betreffenden Dokumente befindet sich heute in den Archives départementales de Seine-Maritime, Série G, Clergé seculiér. Bedfords religiöse Stiftungen wurden bereits 1873 von dem Rouennaiser Archivar Charles de Robillard de Beaurepaire untersucht, der zahlreiche Dokumente in Auszügen publizierte: de Beaurepaire, Fondations pieuses. Siehe auch Stratford, Bedford Inventories, S. 35–37, 144 f.; dies., Bedford as Patron. Die gute Quellen­ lage erklärt sich unter anderem dadurch, dass das Kapitel offenbar Probleme hatte, die Güter, die der Herzog ihm vermacht hatte, auch tatsächlich an sich zu bringen, und daher in den 1440ern zahlreiche Abschriften diesbezüglicher Urkunden und Verträge anfertigen ließ, um seine Ansprüche zu untermauern, sowie Briefe an die Verantwortlichen verfasste, die sich erhalten haben: Rouen, ADSM, G 3573. Zu den Anstrengungen des Kapitels siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 37–39. 79 Rouen, ADSM, G 3573, Nr. 2. Eine Abschrift der Urkunde ist bei de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 358–363 ediert. Zu Bedfords Stiftungen an die Karmeliter siehe auch ebd., S. 345 f.; Stratford, Bedford as Patron, S. 102 f.; dies., Bedford Inventories, S. 35, 113; Cailleux, Trois paroisses de Rouen, S. 126–128. 80 Rouen, ADSM, G 3573, Nr. 2.

42  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage r­ egent et notre très redoubtée et honorée dame sa femme et compaigne, s’il leur plaist, faire mettre aux deux costez de la dicte eglise du Carme les ymages de leurs deux personnes contrepans à genoulx, et dessoubz eulx leurs armes et les ymages eslevez“.81 Ob mit der Anfertigung der Skulpturen jemals begonnen wurde, ist unklar, Hinweise auf ihre Aufstellung liegen jedenfalls nicht vor. Neben der Übertragung des Zehnts von Sierville ist eine Reihe weiterer Zuwendungen Bedfords an die Karmeliter aus der zweiten Hälfte der 1420er Jahre überliefert. Um die Dekadenwende nahmen diese jedoch deutlich ab, und der Herzog konzentrierte sich stattdessen auf die Rouennaiser Kathedrale.82 Besonders drastisch zeigt sich diese Schwerpunktverlagerung in dem Umstand, dass er den Karmelitern den Zehnt von Sierville Ende des Jahres 1430 entzog und stattdessen dem Kathedralkapitel zukommen ließ.83 Für die späten 1420er und frühen 1430er Jahre sind zahlreiche weitere Stiftungen und Zuwendungen Bedfords an NotreDame dokumentiert.84 Am 20. Oktober 1430, dem Festtag des heiligen Romanus, des Stadtpatrons von Rouen, wurde der Herzog aufgrund seiner großzügigen Förderung als Säkularkanoniker in das Kapitel aufgenommen. Die aufwendige Zeremonie und die mit der Aufnahme im Zusammenhang stehende Schenkung Bedfords von mit Fleurs-de-Lis verzierten liturgischen Gewändern und einem kostbaren Goldkelch mit zugehöriger Patene ist detailliert in den Registres Capitulaires überliefert.85 Neben dem Karmeliterorden und der Kathedrale ist der Rouennaiser Cölestinerorden, der auf dem Gelände von Joyeux Repos, der herzoglichen Hauptresidenz im Nordosten der Stadt, untergebracht war, mit Bedfords Patronage in Zusammenhang gebracht worden.86 Das zuvor Chantereine genannte Anwesen war 1429/30 von Bedford und Anne aufgekauft und in den folgenden Jahren um anliegende Ländereien, Gärten und Bauten erweitert worden.87 Tatsächlich lassen sich jedoch keine Stiftungen einzelner Gebäude oder vergleichbare Zuwendungen 81 Ebd. 82 Zu

weiteren Stiftungen Bedfords an die Karmeliter in den Jahren 1425 bis 1430 siehe ebd., Nr. 1, 5, 6, 7, 9; G 2090, passim; G 2125, fol. 70r. 83 ADSM, G 3573, Nr. 8, 11. Siehe hierzu auch de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 346, 367– 369; Stratford, Bedford as Patron, S. 103. 84 Zu Bedfords Stiftungen und seiner aktiven Involvierung in die Belange des Kathedralkapitels siehe etwa Rouen, ADSM, G 2090; G 2125; G 2134; G 2167. Hierzu auch Stratford, Bedford as Patron, S. 103; dies., Bedford Inventories, S. 35–37, 116; de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 346 f., 384–386; Collette und Bourdon, Histoire de la Maîtrise de Rouen, S. 22. 85 Rouen, ADSM, G 2126, fol. 60v–61r, 77v, hier 61r: „et infra missarum solennia misit in revestiarium unam capellam munitam fronterio, dosserio, mappa parata, duabus cortinis, lecturno, xvijtem cappis, casula, dalmatica, tunica, tribus albis, tribus amictis, duabus stolis, tribus manipulis, quinque albis pro pueris altaris, que quidem capella est de taffetas rubeo, seminato floribus lilii de auro de sipra, cum quodam auriculari ejusdem coloris; et etiam dedit unum calicem de auro ponderis duarum marcharum cum septem unciis vel eocirca, in cujus patena est unum capud figuratum quasi quedam Veronica.“ 86 De Beaurepaires Vermutung, dass Bedford den Cölestinern eine Kapelle auf dem Gelände von Joyeux Repos errichten ließ, kann nicht verifiziert werden, de Beaurepaire, Fondations pieuses, S. 343; ders., Célestins de Rouen, S. 1 f. 87 Siehe hierzu Stratford, Bedford as Patron, bes. S. 101  f.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  43

an die Cölestiner zu Bedfords Lebzeiten nachweisen, erst 1446 übergab Heinrich VI. dem Orden das Gelände in seiner Funktion als Erbe seines Onkels und ließ sich selbst urkundlich als Klostergründer darstellen.88 Bedford hingegen hatte das Anwesen als vorwiegenden Wohnsitz genutzt und zahlreiche Neu- und Umbauten vornehmen sowie aufwendige Gartenanlagen und Wasserspiele errichten lassen, die allerdings nicht erhalten sind und auch nur in sehr beschränktem Umfang rekonstruiert werden können, da zeitgenössische Quellen weitgehend fehlen.89 Etwas besser stellt sich die Überlieferungslage zum königlichen Schloss im Nordwesten der Stadt dar: Erhaltene Rechnungen belegen zahlreiche Baumaßnahmen, insbesondere im Rahmen des Rückzugs der Engländer nach Rouen und kurz darauf.90 So wurde im Juni 1429, wenige Monate vor dem Umzug des herzoglichen Hofes, der Maurer Binot Manseul für Arbeiten am Schloss bezahlt, die unter anderem die Erweiterung der Treppen zu einer Kammer für „plusieurs des biens et ustencilles de la chappelle de monseigneur le Regent“ umfassten.91 Es ist gut möglich, dass zu den Gütern und Utensilien der Kapelle auch liturgische Bücher gehörten. Im April 1433 wurden Arbeiten an einer Reihe von Fenstern – unter anderem denen der „librairie“ – vorgenommen.92 Sowohl die Eingriffe und Umbauten am königlichen Schloss als auch die in weniger großem Umfang nachweisbaren sonstigen Baumaßnahmen Bedfords in Rouen scheinen allerdings – wie bereits in Paris – in erster Linie auf Funktionalität, Bewohnbarkeit und Verteidigung ausgerichtet gewesen zu sein, vielfach handelte es sich um Reparaturen. Keiner der architektonischen Aufträge Bedfords aus Rouen ist erhalten und zeitgenössische Hinweise zu Gestaltung und Bauschmuck fehlen.93 Ebenso verhält es sich mit den im Auftrag Bedfords in Rouen entstandenen Werken der Bildhauerei, Malerei, Goldschmiede- und Textilkunst. Zwar können 88 Nach

Bedfords Tod wurde Joyeux Repos zunächst von Louis de Luxembourg bewohnt, bevor es in Heinrichs Besitz überging. Die Bedeutung der Cölestiner für die politischen Machthaber von Rouen zeigt sich darin, dass Karl VII. sie unmittelbar nach seiner Rückeroberung von Rouen im Jahr 1449 zu fördern begann und sich ab 1451 selbst als Gründer ihres Klosters bezeichnen ließ. Siehe hierzu knapp ebd., S. 102 und Anm. 35. 89 Vgl. ebd., S. 102. 90 Siehe hierzu ausführlich ebd., S. 99  f.; Lardin, Le Château de Rouen, bes. S. 57–61. Einige Dokumente wurden von Le Cacheux (Hrsg.), Rouen publiziert, etwa Nr. LXIV, LXVI, CIV, CV, CXIX, CXXXII. 91 Paris, BNF, 26052, Nr. 1111, zitiert nach ebd., Nr. LXIV, S. 152–154, hier 153. Siehe hierzu auch Lardin, Le Château de Rouen, S. 57–61. 92 Paris, BNF, Collection des Quittances, ohne genauere Angaben, zitiert nach Le Cacheux (Hrsg.), Rouen, Nr. CXIX, S. 257 f.: „Gontier d’Oessel, huchier, demourant a Rouen, lequel congnut avoir eu et receu […] la somme de vingt livres tournois, qui deubz lui estoient pour les parties d’ouvrages de sondit mestier par lui faittes ou chastel de Rouen cy aprés desclairées, c’est assavoir douze cassis a mettre toille mis et assiz, huit en plusieurs bees de fenestres estans en la librairie dudit chastel et quatre en la chambre ou est de present logié monsieur le gouvernant regent de France duc de Bedford; item ung huis et troiz fenestres pour la chambre de secret de mondit seigneur le regent“. Siehe hierzu auch Lardin, Le Château de Rouen, S. 60. 93 Hierzu und zu weiteren Baumaßnahmen in Rouen siehe Stratford, Bedford as Patron, S. 98– 113.

44  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage dem Besitz des Regenten anhand der von Stratford erschlossenen Inventare Goldschmiedearbeiten und Stickereien zugewiesen werden, und in den Fällen, in denen Verzierungen mit der Wurzeldevise angeführt werden, ist anzunehmen, dass sie entweder seinem Auftrag entstammten oder für ihn adaptiert wurden.94 Ferner liegen zeitgenössische Rechnungen über Aufträge des Herzogs vor: So quittierte etwa der Rouennaiser Goldschmied Jean Vasse im November 1431 die Bezahlung eines für Bedford angefertigten „drageeur d’argent veré et esmaillé“.95 Weder der Drageoir noch andere in den Quellen genannte Objekte können jedoch mit erhaltenen Werken in Zusammenhang gebracht werden, und detaillierte Beschreibungen der Aufträge oder Angaben zu ihrem jeweils intendierten Zweck fehlen. Wie in Paris bilden auch in Rouen in erster Linie illuminierte Handschriften die materiellen Zeugnisse der herzoglichen Kunstpatronage.

1.1.3. Die illuminierten Handschriften des Herzogs von ­Bedford Von den erhaltenen, John of Bedfords Besitz zuzuschreibenden illuminierten Handschriften können zwei in die Zeit vor seiner Ernennung zum Regenten im Jahr 1422 datiert werden; hierbei handelt es sich zugleich um die einzigen nicht in Frankreich, sondern in England geschriebenen und illuminierten Exemplare. Sie wurden vermutlich zum Großteil von der Werkstatt Herman Scheerres, die bis in die frühen 1420ern Jahre in London nachweisbar ist, illuminiert. Während das sogenannte Foyle Breviary (Kat. 1) aus stilistischen Gründen um 1410 datiert wird, kann für die wesentlich aufwendiger ausgestatteten Bedford Psalter and Hours (Kat. 2) (Abb. 1) eine Datierung zwischen 1414 und 1422 vermutet werden.96 Beide Handschriften sind mit Bedfords Wappen – einem von den Wappen Englands und Frankreichs gevierten Schild mit einem fünflätzigen Turnierkragen im Schildhaupt, mit zwei Hermelinlätzen rechts und drei Fleur-de-Lis-Lätzen links – ausgestattet. Die Psalter-Stundenbuch-Kombination zeigt zudem als erstes erhaltenes Werk des Herzogs seine Wappenträger, die gekrönte Lancaster-Antilope mit Bed-

94 Ebd.,

S. 140 f. und dies., Bedford Inventories, passim. ADSM, Fonds Danquin, ohne genauere Angabe, zitiert nach Le Cacheux (Hrsg.), Rouen, Nr. XCVIII, S. 222 f.: „Jehan Vasse, orfevre demourant a Rouen, lequel de sa bonne volonté congnut avoir eu et receu de tres hault et puissant prince monseigneur le duc de Bedford par la main de maistre Gilles de Ferieres, secretaire et garde des privez coffres dudit seigneur, la somme de quarante sept livres dix solz tournois qui deue lui estoit par marchié fait pour la vente et delivrance de ung drageeur d’argent veré et esmaillé pesant cinq mars par lui baillé et delivré audit maistre Gilles“. 96 Foyle Breviary: London, BL, Add. MS 74755 (Pergament, 387 fol., ca. 144 x 97 mm). Siehe hierzu Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, bes. S. 345–351. Bedford Hours and Psalter: London, BL, Add. MS 42131 (Pergament, 240 fol., ca. 450 x 275 mm). Siehe hierzu Catalogue of Additions to the Manuscripts in the British Museum, Add. MS 42131, S. 202– 206; Turner, Bedford Hours and Psalter; Stratford, Manuscripts, S. 342; dies., Bedford Inventories, S. 108; Wright, Author Portraits; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 54, S. 166–171; Fisher, Portraits in the Bedford Psalter Hours.

95 Rouen,

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  45

fords Turnierkragen um den Hals, den Adler mit ausgestreckten Flügeln und das sogenannte Yale.97 Die zweifelsohne berühmteste Handschrift aus dem Besitz des Herzogs ist ein Stundenbuch nach dem Brauch von Paris, die sogenannten Bedford Hours (Kat. 3) (Abb. 2–5; Farbabb. 1–3).98 Der Großteil ihrer mehrstufigen Ausstattung wird ­einer nach dem prestigeträchtigen Stundenbuch als Bedford-Illuminatoren bezeichneten Gruppe Pariser Buchmaler zugeschrieben. Das Werk war vermutlich in den 1410er Jahren für einen bis dato nicht eindeutig identifizierten französischen Besitzer illuminiert worden. Im Jahr 1423 gelangte es aller Wahrscheinlichkeit nach in den Besitz des Herzogs und der Herzogin von Bedford, wo es um eine Reihe personalisierter Bestandteile erweitert wurde, von denen hier vor allem die Portraitseiten Bedfords und Annes in Anbetung ihrer Schutzpatrone, der Heiligen Georg und Anna, interessieren. Die Zusätze sind reich mit den heraldischen Zeichen des herzoglichen Paares verziert, wobei Bedfords Adler nun eine Krone um den Hals trägt und die goldene Wurzeldevise, die er offenbar seit Antritt der Regentschaft verwendete, hier zum ersten Mal zu sehen ist. Des Weiteren führte das Paar seit seiner Eheschließung aufeinander abgestimmte Motti: Anstelle von „pour souffrir“ nutzte Bedford nun „a vous entier“, worauf Anne de Bourgogne mit „j’en suis contente“ antwortete.99 Ein schriftlicher Eintrag in den Bedford Hours selbst informiert darüber, dass sie dem jungen König Heinrich VI. im Jahr 1430 als Weihnachtsgeschenk übergeben wurden. Auch in diesem Zusammenhang nahm man höchstwahrscheinlich eine Reihe von Eingriffen vor, wobei die Hinzufügung eines illuminierten Gedichts über die Ursprungslegende der französischen Lilie von besonderem Interesse ist. Noch wesentlich aufwendiger ausgestattet als die Bedford Hours ist das sogenannte Salisbury Breviary, ein unvollendetes Breviarium nach dem Brauch von

97 Zu

Bedfords heraldischen Zeichen siehe Hablot, La devise, Bd. 1, S. 330–335; Stratford, Bedford Inventories, S. 97–100; Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 63. 98 London, BL, Add. MS 18850 (Pergament, 289 fol., ca. 260 x 185 mm). Zu den Bedford Hours siehe vor allem Spencer, Bedford Hours; Backhouse, Reappraisal; dies., Bedford Hours; König und Stratford, Stundenbuch des Herzogs von Bedford; König, Bedford Hours; Mc­ Kendrick, Bedford Hours; Reynolds, Definitions and Identities, passim. Der liturgische ‚Brauch‘ oder ‚Usus‘ von Stundenbüchern variierte von Region zu Region und kann Hinweise auf ihren Auftraggeber bzw. ihren Bestimmungsort geben. Feststellbar ist er anhand lokaler Besonderheiten in den zum Standardrepertoire der Gebetbücher gehörenden Texten, wie dem Kalender, dem Marienoffizium, der Litanei und dem Totenoffizium, wobei Abweichungen keine Seltenheit waren und bestimmte Bräuche, etwa der Brauch von Rom oder der Brauch von Paris, auch überregional auftraten. Vgl. hierzu und zu Problemen der regionalen Verortung von Stundenbüchern anhand des Brauchs Mirwald-Jakobi, Das mittelalterliche Buch, S. 104 f.; Wieck, Time Sanctified, S. 149–152; Lewis, Devotional Images sowie jüngst am Bespiel von Paris Clark, Art in a Time of War, S. 209–255. Stundenbücher, die für englische Nutzer angefertigt wurden, richteten sich nach dem liturgischen Brauch von Sarum bzw. Salisbury. 99 Zum Wechsel der von Bedford verwendeten heraldischen Zeichen mit Beginn der Regentschaft und seiner Eheschließung im folgenden Jahr siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 97–100.

46  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Sarum, also englischer Liturgie (Kat. 4) (Abb. 6–8; Farbabb. 4).100 Wie das Stundenbuch wurde es von der in Paris tätigen Bedford-Werkstatt illuminiert, wobei der ikonografische Befund wie auch der personalisierte Kalender den Herzog als ursprünglichen Besitzer der Handschrift ausweisen und für eine Anfertigung ab 1423 sprechen. Das Breviarium ist reich mit seinem Wappen und seinen Devisen ausgestattet und enthält eine Reihe von Portraits des Herzogs und seiner ersten Ehefrau, Anne. Auch die zweite Herzogin, Jacquetta de Luxembourg, ist heraldisch vertreten, das deutliche Übergewicht der heraldischen Zeichen John of Bedfords sowie Einträge im Kalender, die seine Familie betreffen, sprechen allerdings für ihn als alleinigen Besitzer der Handschrift. Vermutlich anlässlich des Todes des Herzogs im Jahr 1435 wurde die malerische Ausstattung zunächst unvollendet niedergelegt. Die Bedford-Illuminatoren scheinen ihre Arbeit jedoch in zwei weiteren Kampagnen in den 1440er und 1460er Jahren fortgeführt zu haben, und wahrscheinlich orientierte man sich auch in diesen späteren Ausstattungsphasen an einem komplexen, in Bedfords Kapelle konzipierten ikonografischen Programm, auf das der Herzog möglichweise persönlich Einfluss genommen hatte. Bedfords Besitz lässt sich eine dritte kostbar ausgestattete liturgische Handschrift zuweisen, diese wurde jedoch im Jahr 1871 bei einem Brand zerstört, und für ihre Auswertung muss auf Beschreibungen und Rekonstruktionen aus dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen werden (Kat. 5).101 Es handelt sich um ein Benediktionale nach englischem Brauch, dessen Illumination abermals – vorsichtig – der Pariser Bedford-Werkstatt zugeschrieben wird. Den Beschreibungen zufolge war das Werk reich mit den persönlichen und heraldischen Zeichen Bedfords und Annes ausgestattet; vermutlich wurde es nach ihrer Eheschließung im Jahr 1423 begonnen, allerdings nicht zu ihren Lebzeiten fertiggestellt, sondern in späteren Kampagnen fortgeführt und modifiziert. Besonders interessant für die hier verfolgten Fragen ist eine mehrfach reproduzierte, wahrscheinlich dem ursprünglichen Bestand zuzurechnende Initiale, die den Herzog bei der Präsentation der Passionsreliquien in der Sainte-Chapelle in Paris zeigt. Als letzte liturgische Handschrift, die sich mit Bedford in Zusammenhang bringen lässt, seien die sogenannten Foyle Hours angeführt, ein kleines, vermutlich in den späten 1420ern und um 1430 in Paris angefertigtes Stundenbuch nach dem Brauch von Sarum (Kat. 6).102 Die Ausstattung des heute stark beschädigten Gebetsbuches ist wesentlich schlichter als die der drei Pariser Prachthandschriften – höchstwahrscheinlich handelt es sich um ein täglich verwendeten Medium der privaten Andacht. Von großem Interesse ist ein für den Herzog persönlich ver100 Paris,

BNF, MS lat. 17294 (Pergament, 711 fol., ca. 255 x 175 mm). Zum Salisbury Breviary siehe vor allem Reynolds, Salisbury Breviary; dies., Definitions and Identities, bes. S. 443– 446; Leroquais, Bréviaires manuscrits, MS lat. 17294; Spencer, Salisbury Breviary. 101 Zum verlorenen Benediktionale siehe vor allem Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers. 102 London, BL, Add. MS 74754 (Pergament, 396 fol., ca. 136 x 90 mm). Zu den Foyle Hours siehe Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours; Bosanquet, Prayer-Book.

1.1. John of Lancaster, Herzog von Bedford und Regent von Frankreich  47

fasstes Gebet, in dem er Gott um Beistand bei seiner Tätigkeit als Regent bittet und ihn um Nachkommen für sich und seine Ehefrau Anne anfleht. Neben den vier für Bedford angefertigten oder adaptierten liturgischen Werken können seinem Besitz sechs profane Handschriften zugeordnet werden. Zum Großteil wurden diese bisher vergleichsweise wenig erforscht, was sicherlich unter anderem der Tatsache geschuldet ist, dass sie den Aufwand und die Qualität ihrer malerischen Ausstattung betreffend weit hinter den liturgischen Prachthandschriften zurückstehen, beziehungsweise in zwei Fällen kaum Aussagen zur Ausstattung möglich sind, da die Originale nicht erhalten sind. Auch heraldische oder politisch konnotierte Bilder spielen bei den Profanhandschriften des Herzogs eine geringere Rolle als in den liturgischen Werken. Ein genauerer Blick auf die philosophischen, medizinischen und naturwissenschaftlichen Bücher Bedfords, insbesondere ihre Prologe, lohnt sich aber dennoch, nicht zuletzt hinsichtlich der Frage nach seiner Selbstdarstellung als Regent von Frankreich mittels seiner Bibliothek. Bei den erhaltenen oder rekonstruierbaren Profanhandschriften handelt sich zum einen um Abschriften und Übersetzungen von Werken, die am französischen Hof kursierten, zum anderen um eigenständige Kompilationen, verfasst von französischen Mitgliedern des herzoglichen Hofes. Großes Interesse hegte er offenbar am von Guillaume Deguileville im 14. Jahrhundert verfassten Pèlerinage de l’âme, einem französischen Gedicht philosophischen Inhalts. Vor 1427 beauftragte der Herzog Jean de Galope mit einer Übersetzung des Textes in lateinische Prosa (Kat. 7a). Daneben besaß er das Werk – ebenfalls übertragen von de Galope – in französischer Prosaform (Kat. 7b). Letztere ist mit Bodleian MS Douce 305 lediglich als im Jahr 1436 in Lille fertiggestellte Kopie auf Papier überliefert (Abb. 11, 12; Farbabb. 8).103 Bei der lateinischen Version ist ungewiss, ob in der im Londoner Lambeth Palace aufbewahrten Handschrift MS 326, deren Illumination stilistisch in die Pariser Buchmalerei des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts verortet wird, der originale Auftrag oder eine zeitnahe Abschrift vorliegt (Abb. 10; Farbabb. 6, 7).104 Sie kann anhand ihrer heraldischen Ausstattung mit dem Herzog in Zusammenhang gebracht werden, sein Wappen wurde jedoch fehlerhaft dargestellt. Es liegen enge ikonografische Überschneidungen zwischen den beiden erhaltenen Handschriften vor, das ikonografische Programm von MS Douce 305 ist jedoch wesentlich umfangreicher, und es ist davon auszugehen, dass auch das Original reich illustrativ ausgestattet war. Für die vorliegende Studie ist vor allem die in beiden Versionen auftretende Widmungsminiatur, die die Übergabe des Werkes an den Regenten zeigt, aufschlussreich. 103 Oxford,

Bodleian Library, MS Douce 305 (Papier, 92 Blatt, ca. 279 x 222 mm). Zur Handschrift und zur Übertragung siehe zuletzt ausführlich Duval, Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2010) und ders., Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2011); außerdem Madan (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 4, MS Douce 305, S. 587. 104 London, Lambeth Palace Library, MS 326 (Pergament, 146 fol., ca. 273 x 216 mm). Zur Handschrift siehe James und Jenkins, Library of Lambeth Palace, S. 427–431; Duval, Traduction latine, S. 188 f.; Camille, Guillaume de Deguileville’s ‚Pèlerinages‘, S. 269 f., 369; Stratford, Pilgrimage of the Soul, S. 60–63; dies., Manuscripts, S. 348; Avril, Liber peregrinationis animae, S. 355.

48  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Eine ausdrückliche Auftragserteilung durch John of Bedford wird auch in den Prologen von vier der fünf nachweisbaren, für ihn angefertigten Werke naturwissenschaftlichen Inhalts proklamiert. Hier ist zunächst der nur spärlich illustrierte Livre du Jugement des Estoilles, eine im Jahr 1430 von Guillaume Harnoys angefertigte französische Übersetzung eines ursprünglich arabischen Werkes über die Astrologie aus dem elften Jahrhundert, zu nennen (Kat. 8a).105 Weiterhin verfasste der ab 1425 als Leibarzt für den Regenten tätige Roland von Lissabon zwei Werke in dessen Auftrag, nämlich einen in Rouen illustrierten Traktat über die Physio­ gnomie (Kat. 8b) (Farbabb. 9) und eine nur in Kopie überlieferte arithmetische Abhandlung (Kat. 8c) (Abb. 13).106 Überdies beauftragte Bedford seinen Hofchi­ rurgen Jean Tourtier mit einer Abschrift der Chirurgia Guy de Chauliacs, die ebenfalls nicht im Original erhalten ist (Kat. 8e).107 Keine der genannten naturwissenschaftlichen Schriften enthält heraldische Zeichen des Herzogs, in den Jahren 1429/30 fertigte Tourtier ihm zu Ehren jedoch noch einen weiteren Text an, und zwar eine Abschrift der französischen Übersetzung der Aphorismen des Hippokrates (Kat. 8d) (Farbabb. 10).108 Eine Auftragserteilung durch den Regenten selbst wird in dieser zwar nicht proklamiert, dafür ist die in Rouen illuminierte Handschrift mit Darstellungen der Namenspatrone sowie den Bilddevisen und Motti des Herzogs und der Herzogin Anne ausgestattet. Wenngleich Bedfords profane Werke bezüglich ihres ikonografischen Programmes keinesfalls mit Prachthandschriften wie den Bedford Hours oder dem Salisbury Breviary mithalten können, so sind sie doch in anderer Hinsicht aussagekräftig: Sie ermöglichen Rückschlüsse auf die ‚wissenschaftlichen‘ Interessen Bedfords, auf seine Expertise in bestimmten Bereichen und damit implizit auf seine Selbstdarstellung als gebildeter, an der Sammlung und Verbreitung von Wissen interessierter Herrscher.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick Die Bedeutung Richard Beauchamps, des 13. Grafen von Warwick, für die friedlichen wie auch die kriegerischen Kontakte zwischen England und Frankreich in der letzten Phase des Hundertjährigen Krieges zeigt sich in vielerlei Hinsicht. Als 105 Paris,

BNF, MS fr. 1352 (Pergament, 276 fol.). da Ajuda, MS BA 52-XIII-18 (Pergament, 216 fol., ca. 350 x 250 mm). Eine Kopie der Arithmetik findet sich in New York, Columbia University Library, Plimpton MS 173. Zu Rolands Handschriften siehe knapp Stratford, Bedford Inventories, S. 122. 107 Eine Kopie findet sich in Bristol, Central Library, Reference Library, MS 10. Siehe hierzu knapp Mathews, City Reference Library Bristol, S. 69 f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 122, Anm. 78. 108 Paris, BNF, MS fr. 24246 (Pergament, 192 fol, ca. 325 x 250 mm). Siehe Lafeuille, Amphorismes Ypocras, bes. S. 30 f., 137 f.; Delisle, Cabinet des manuscripts, Bd. 3, S. 313 f., Nr. 2; Stratford, Bedford Inventories, S. 100–103, 122. 106 Physiognomie: Lissabon, Biblioteca

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  49

einer der wichtigsten Parteigänger des Hauses Lancaster in den 1410er bis 1430er Jahren bekleidete er zum einen hochrangige militärische Ämter in England und Lancastrian France, zum anderen nahm er seit der Regierungsübernahme Heinrichs V. – oft in leitender Position – an wichtigen diplomatischen Missionen teil und agierte bei Verhandlungen mit Frankreich und Burgund als Übersetzer. Als Tutor Heinrichs VI. und Mitglied des Kronrats partizipierte er zudem in exponierter Stellung an Zeremonien und politischen Spektakeln – etwa der französischen Krönung des jungen Königs – und war direkt in politische Prozesse der Entscheidungsfindung auf höchster Ebene involviert. Mit dem Auftrag oder dem Besitz des Grafen kann eine Reihe illuminierter Handschriften in Verbindung gebracht werden, von denen allerdings keine die künstlerische Qualität und den Aufwand oder auch den Umfang an politisch konnotierter Ausstattung der Handschriften Bedfords erreicht – zumindest insoweit dies anhand des überlieferten Materials festgestellt werden kann. Für die vorliegende Untersuchung sind sie aber dennoch aussagekräftig, bieten sie doch Hinweise auf die gegenseitige kulturelle und bisweilen kunstpolitische Orientierung der Engländer in Frankreich untereinander. Vor allem aber scheinen die Kunstaufträge Beauchamps nicht selten als Bindeglieder in den kulturellen Strömungen über den Kanal hinweg fungiert zu haben, insbesondere im Transfer politischer Vorstellungen und Ansprüche von Lancastrian France nach England. Zwar wurde bisher weder der politische Werdegang Beauchamps noch seine Kunstpatronage umfassend monografisch untersucht, zu beidem liegt jedoch eine Reihe kürzerer Studien und Teiluntersuchungen vor, auf die hier zurückgegriffen werden kann. Einschlägig ist die 2003 von Alexandra Sinclair vorgelegte kommentierte Faksimile-Edition des sogenannten Beauchamp Pageant, einer Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Serie von 55 mit kurzen Texten versehenen Federzeichnungen des Lebens und der Taten des Grafen, der eine vergleichsweise ausführliche Einführung zur Vita und zum mäzenatischen Wirken Beauchamps vorangestellt ist.109 Relevant sind darüber hinaus einige gattungsspezifische Studien zur politischen Selbstdarstellung des Grafen beziehungsweise der Familie Beauchamp anhand von Kunstwerken, Stiftungen und literarischen Aufträgen. Hier sei der 2005 erschienene Aufsatz von Yin Liu Richard Beauchamp and the Uses of Romance ge109 London, BL, Cotton

MS Julius E. IV, art. 6. (Pergament, 28 fol., ca. 278 x 240 mm). Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 25–49. Der Beauchamp Pageant kann mit einiger Sicherheit in die 1480er Jahre datiert und dem Auftrag Anne Beauchamps, der Tochter Richard Beauchamps und Ehefrau des einflussreichen Magnaten Richard Neville, zugeschrieben werden und diente vermutlich der propagandistischen Instrumentalisierung Richard Beauchamps als Idealbild des erfolgreichen und dem Hause Lancaster gegenüber loyalen Ritters im Kontext der ausklingenden Rosenkriege. Siehe hierzu ebd., S. 13–24; Sanna, Tra immagini e parole; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 137, S. 355–359; dies., Caxton Master, S. 55–66; Lowry, John Rous, S. 337 f. Zur Vita Beauchamps siehe außerdem die umfassenden Lexikonartikel Carpenter, Richard Beauchamp, S. 592–595; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 378–382 sowie Sinclair, Beauchamp Earls of Warwick, bes. S. 81–149; Sanna, Tra immagini e parole, S. 15–31; Griffiths, Henry VI, passim; McFarlane, Nobility, bes. S. 187–201.

50  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage nannt, außerdem die Arbeiten von John Frankis zur politischen Instrumentalisierung Guys von Warwick und von Richard Marks zur Grabkapelle Beauchamps in Saint Mary in Warwick.110 Ein Schwerpunkt der bisherigen Forschung zur mäzenatischen Tätigkeit Beauchamps liegt auf den in seinem Auftrag entstandenen, ausschließlich in England nachweisbaren Bauten und bildhauerischen Werken, insbesondere seiner reich mit politisch konnotierten Bildern ausgestalteten Grabkapelle. Mit der Errichtung dieser wurde allerdings erst nach seinem Tod begonnen, und die ikonografische Konzeption der Ausstattung, vor allem des Grabmals und der prunkvollen Glasmalerei, wird den Kindern und Testamentsvollstreckern des Grafen, insbesondere seiner Tochter Anne, zugeschrieben.111 Eine Reihe literaturwissenschaftlicher Studien behandelt überdies zumindest am Rande die literarischen Aufträge Beauchamps und ist damit einschlägig für seine Handschriftenpatronage im Allgemeinen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um anglistische Arbeiten zu in seinem Auftrag tätigen Dichtern, etwa Margaret Connollys Monografie zu John Shirley und Derek Pearsall Band zu John Lydgate.112

1.2.1. Vita und kulturelles Umfeld Die Vita und der politische Werdegang Richard Beauchamps können aufgrund einer großen Anzahl zeitgenössischer Schriftquellen verhältnismäßig gut nachgezeichnet werden.113 Der im Jahr 1382 geborene Sohn Thomas Beauchamps zeigte sich bereits früh als loyaler Anhänger des Hauses Lancaster. Im Sommer 1399 unterstützte er Henry Bolingbroke of Lancaster bei der Usurpation des englischen Throns und wurde im Zuge von dessen Krönung zu König Heinrich IV. zum ­Ritter geschlagen. Vier Jahre später wurde er zum Mitglied des Hosenbandordens ernannt. Seine Loyalität gegenüber der Lancaster-Dynastie zahlte sich insbesondere seit dem Regierungsantritt Heinrichs V. im Jahr 1413 und der Wiederaufnahme der militärischen Unternehmungen der Engländer auf dem Kontinent 110 Liu, Uses

of Romance; Frankis, Taste and Patronage; Marks, Beauchamp Chapel. Zur politischen Nutzung von Kunst siehe außerdem Crispin, Kunst als Medium; in Kürze dies., Politische Botschaften. 111 Mit der Bautätigkeit Beauchamps beschäftigten sich etwa Darracott, Great Malvern Priory; Marks, Beauchamp Chapel; Monckton, Beauchamp Chapel. Zur Grabkapelle und zum Grabmal siehe neben den beiden letztgenannten Lindley, Gilt-bronze Effigies, S. 120–123; ders., Effigy of Richard Beauchamp; McGee Morganstern, Gothic Tombs, S. 133–141, 192– 194; Munby, Funeral Car. 112 Connolly, John Shirley, bes. S. 14–26, 114–116; Pearsall, John Lydgate, bes. S. 126, 161–196. Zur Handschriftenpatronage Beauchamps und den Dichtern in seinem Haushalt siehe auch Lowry, John Rous, bes. S. 331–333; MacCracken, Earl of Warwick’s Virelai, bes. S. 599, 604; Crispin, Kunst als Medium, S. 13–18; in Kürze dies., Politische Botschaften. 113 Teile der folgenden Ausführungen zu Richard Beauchamp wurden bereits in ähnlicher Form publiziert, bzw. werden in Kürze veröffentlicht, vgl. ebd. Zum Werdegang Beauchamps bis zum Tod Heinrichs V. siehe Carpenter, Richard Beauchamp, S. 592 f.; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 25–39; dies., Beauchamp Earls of Warwick, S. 81–115; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 378–381.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  51

aus: Als enger Vertrauter des Königs wurde er 1414 zum Captain von Calais ernannt, einem der einflussreichsten und prestigeträchtigsten Ämter in Lancastrian France. Die folgenden Jahre verbrachte er vorwiegend auf dem Kontinent, wo er mit zahlreichen diplomatischen Missionen betraut wurde. Er gehörte der englischen Gesandtschaft auf dem Konstanzer Konzil an und war an den Vorverhandlungen zum Vertrag von Troyes beteiligt.114 Eine maßgebliche Rolle als Vermittler nahm er auch beim Abschluss des folgenschweren Vertrags ein.115 Mit Beauchamps frühen Aufenthalten auf dem Kontinent verbindet sich einer der wenigen für ihn nachweisbaren Fälle der Nutzung von Bildern zur politischen Selbstdarstellung: In der Mitte der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts richtete er ein dreitägiges Turnier bei Guînes in der Nähe von Calais aus, welches detailliert im Ende der 1460er Jahre für Sir John Paston angefertigten Grete Boke sowie im oben angesprochenen Beauchamp Pageant beschrieben wird. Den Berichten nach nahm Beauchamp inkognito am Turnier teil und trug jeden Tag ein anderes Wappen seiner Vorgänger im Amt des Grafen von Warwick zur Schau, bevor er im Anschluss an den letzten Zweikampf seine Identität enthüllte.116 Mit dem Tod Heinrichs V. im August 1422 nahm Beauchamps Einfluss keineswegs ab. Er war zum Testamentsvollstrecker des Königs ernannt worden und im Dezember desselben Jahres wurde er in den Kronrat des wenige Monate alten Heinrich VI. aufgenommen.117 Vor allem aber hatte Heinrich V. dem Chronisten Jean de Wavrin zufolge kurz vor seinem Tod verfügt, dass sein Sohn nach seinem Ableben der Obhut des Grafen von Warwick anvertraut und von diesem beschützt, geleitet und belehrt werden solle.118 In den folgenden Jahren bekleidete Beauchamp zahlreiche hochrangige militärische Ämter in Lancastrian France, insbesondere in der Normandie, und setzte sich für die Durchsetzung der Ansprüche des jungen Königs auf die französische Krone und die Etablierung einer dauerhaften Herr-

114 Beauchamps

Beteiligungen an Gesandschaften auf den Kontinent in der zweiten Dekade des 15. Jh.s werden mehrfach von Jean de Wavrin beschrieben, etwa Wavrin, Recueil, 1399–1422, Bd. 5, Buch I, Kap. 1, 22, 24, 25 und 30. Vgl. zur englischen Gesandschaft in Konstanz Brandmüller, Konzil von Konstanz, S. 144–146. 115 Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 31, 36. Zum Vertrag von Troyes siehe oben, Kap. 1.1.1, Anm. 14. 116 London, BL, Lansdowne MS 285, fol. 16r–17v; London, BL, Cotton MS Julius E. IV, art. 6, fol. 14v–16r. Siehe hierzu MacCracken, Earl of Warwick’s Virelai, S. 599–604; Lester, ‚Grete Boke‘, bes. S. 98–102; Liu, Uses of Romances; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 11 f., 106–113. 117 Zur Ernennung zum Testamentsvollstrecker und Mitglied des Rats des minderjährigen ­Königs siehe ebd., S. 38; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 380; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 593; Strong und Strong, Last Will, S. 86. 118 Die auf seinem Sterbebett vorgebrachte Bitte des Königs ist in wörtlicher Rede wiedergegeben, Wavrin, Recueil, 1399–1422, Bd. 5, Buch II, Kap. 29, S. 422–430, hier 423: „Et vous, beau cousin de Warewic, je voeil que vous soyez son maistre, et demourez tout coy avec luy pour le conduire et aprendre en tel estat quil apartient, car je ny scaroye mieulz pourveir.“ Zur Ernennung Beauchamps zum Tutor Heinrichs VI. siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 42; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 50 f.; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 21 f.; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 381; Griffiths, Henry VI, S. 51–60; außerdem jüngst Grummitt, Henry VI, S. 83–86.

52  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage schaft der Engländer in Frankreich ein.119 Dabei arbeitete er eng mit dem Herzog von Bedford und John Talbot, dem Grafen von Shrewsbury, der seit 1425 mit Beauchamps ältester Tochter Margaret vermählt war, zusammen.120 Spätestens im Januar 1423 wurde der Graf von Warwick zum Captain von Rouen ernannt, und Ende 1425 wurde er für die Dauer der Abwesenheit des Regenten mit dem Amt des Lieutenant von Frankreich und der Normandie betraut, „for to kepe & garde both in werre and peace vn-to þe comyng of þe Duke of Bedforde again oute of England in-to Fraunce“.121 In der zweiten Hälfte der Dekade beteiligte er sich maßgeblich an zahlreichen militärischen Aktionen in der Normandie. Dass Beauchamp und Bedford nicht nur bei der militärischen Durchsetzung und der administrativen Etablierung der Lancaster-Herrschaft in Frankreich, sondern auch bei der öffentlichen Bewerbung dieser eng kooperierten, zeigt sich an folgendem Beispiel: Zu Beginn des Jahres 1423 hatte der Regent, wie oben angesprochen, den im Dienst der Engländer stehenden Notar Laurence Calot ein Gedicht über den Anspruch Heinrichs VI. auf die französische Krone verfassen lassen, welches aller Wahrscheinlichkeit nach vervielfältigt und zusammen mit genealogischen Tafeln Heinrichs öffentlich in Nordfrankreich aufgehängt wurde.122 Im Jahr 1426 übertrug John Lydgate Calots Text im Auftrag Beauchamps vom Französischen ins Englische.123 Offenbar machte eine zunehmende Unzufriedenheit in England über den mit erheblichen Steuerbelastungen verbundenen Krieg in Frankreich es in den Augen des Auftraggebers, beziehungsweise des Kronrates, erforderlich, die Rechtmäßigkeit der Doppelmonarchie nicht nur gegenüber der französischen, sondern auch der englischen Öffentlichkeit zu propagieren. Verpflichtungen in der Verwaltung seiner englischen Ländereien und innerenglische politische Auseinandersetzungen erforderten neben Beauchamps Tätigkeit in Frankreich und der Normandie die regelmäßige, zum Teil mit längeren Aufenthalten verbundene Rückkehr auf die Insel, zum Beispiel ab März 1428.124 Am 1. Juni des gleichen Jahres wurde er offiziell zum persönlichen Gouverneur und Tutor Heinrichs VI. ernannt, eine Aufgabe, für die er in den Augen der Zeitgenossen offenbar als besonders geeignet galt: Bereits im Zusammenhang mit der Ver119 Zu

Beauchamps Werdegang und seinen Ämtern in den 1420ern siehe Carpenter, Richard Beauchamp, S. 593 f.; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 38–40; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 380 f. 120 Zur Eheschließung John Talbots und Margaret Beauchamps siehe Frankis, Taste and Patronage, S. 88; Pollard, John Talbot, S. 8, 11. Zur militärischen Kooperation Talbots und Beauchamps in den 1420ern und 30ern siehe etwa ebd., S. 8, 11, 17 f., 40 f., 114 f. mit Quellenangaben; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 159; Taylor, Treatise Cycle, S. 148–150; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 41 f. 121 Brut Chronicles, S. 441. Siehe hierzu auch Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 39; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594. 122 Siehe hierzu Rowe, Henry’s Claim to France; Griffiths, Henry VI, S. 217–219; McKenna, Dual Monarchy, S. 150–154. 123 Siehe die Edition von Henry MacCracken: Lydgate, Secular Poems, S. 613–622. 124 Siehe hierzu im Einzelnen Carpenter, Richard Beauchamp, S. 593  f.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  53

fügung Heinrichs V., seinen Sohn nach seinem Tod der Obhut Beauchamps zu übergeben, hatte einer der Verfasser der Brut Chronicles ihn als „best-nurturet man of Englond“ bezeichnet.125 Die Aufgaben Beauchamps als Tutor umfassten laut den Akten des Privy Council aus dem Jahr 1428: [to] have þe nurture of þe Kyngis persone, in þe whiche it is þought furst and afore al þyng necessarie þat þe seid Erle do his devoir and diligence to exhorte sture and lerne þe Kyng to love worship and drede God and generally norysshe hym and drawe to vertues and to eschewyng of vices by weyes and menes covenable suche as his eage shal mow lykly comprehende leiying ­before hym mirrours and examples of tymes passed […] to teche þe Kyng and make hym to be taught nurture lettrure langage and oþer manere of cunnyng as his age shal suffre hym to mow comprehende suche as it fitteth so grete a prince to be lerned of.126

Falls der König ihm nicht gehorche oder sich weigere zu lernen, so die Aufzeichnungen des Privy Council weiterhin, habe Beauchamp die Autorität, ihn zu züchtigen.127 Ferner solle er beim Verdacht von „mysgovernance“ – nach Rücksprache mit Bedford beziehungsweise, im Falle von dessen Abwesenheit, mit Gloucester, den „lordes of þe Kyngis blood“ und dem Rat – schädliche Personen aus dem Umfeld des Königs entfernen.128 Im Falle drohender Gefahren – „pestilence or aventure“ – solle Beauchamp den König an einen Ort seiner Wahl in Sicherheit bringen.129 Die durch den Privy Council verbrieften Möglichkeiten der Einflussnahme auf Heinrich VI. und seine Regierung waren also beträchtlich. Die Position als Tutor Heinrichs brachte überdies Beauchamps Gegenwart bei der Krönung des jungen Königs in exponierter Stellung mit sich: Am 6. November 1429 trug er ihn persönlich nach Westminster Abbey zu seiner Krönung zum englischen König durch den Kardinal und Bischof von Winchester Henry Beaufort und im April des folgenden Jahres nahm er an der Krönungsexpedition nach 125 Brut

Chronicles, S. 563 f.: „And to Richard, Erle of Warrewik, was commyttit þe kepyng of hym, for-as-much he was countet and hold þe best-nurturet man of Englond“. Der mittel­ englische Begriff „nurture“ kann neben guter Erziehung auch Bildung im Allgemeinen bezeichnen, siehe hierzu auch Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 42, Anm. 70; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 83. Andere zeitgenössische Historiografen geben in der Regel Beauchamps ritterliche Qualitäten als Grund für seine Ernennung zum Tutor des Königs an, vgl. etwa Le Fèvre, Chronique, Kap. 127, S. 68: „Les trois estas d’Angleterre ordonnèrent, premièrement, au gouvernement de la personne de leur roy, ung sage et vaillant conte nommé Richart de Beaucamp, conte de Warwic“. 126 PPC, Bd. 3, S. 298–300. Eine ähnliche Formulierung findet sich im Calendar of Patent Rolls, den Regesten der Verwaltungsakten der englischen Kanzlei, CPR, Henry VI., Bd. 1: 1422– 1429, S. 491 f. 127 PPC, Bd. 3, S. 300: „Item þe seid Erle shal have auctorite and power to chastise þe Kyng after his good advis and discrecion whan þe Kyng trepasseth or doth amys on þat oo behalve or strangeth hym to lerne or to do þat þe seid Erle shal bidden hym do on þat oþer behalve.“ 128 Ebd.: „Item where as þe seid Erle shal have in his discrecion eny persone suspect of mysgo­ vernance and not behoveful nor expedient to be aboute þe Kyngis persone except þe greet officers he shal mow put hem from excercise and occupacion of þe Kyngis service til þat he shal mow have speche with my lord of Bed[ford] if he be in þis land or in his absence with my lord of Glouc[ester] and my lordes of þe Kyngis blood and of his consail“. 129 Ebd.: „Item where as eny sodeyn or unavised caas as of pestilence or aventure shal require þe Kyng remoevyng þe seid Erle shal mowe remoeve his persone to what place þat shal be þought unto hym necessarie and behoveful.“

54  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Frankreich teil.130 Bei der an die französische Krönung in Paris anschließenden Sitzung des Parlement am 21. Dezember 1431, bei welcher englische und französische Adlige und Vertreter der Stadt Paris dem frisch gekrönten König ihren Treueeid leisteten, fungierte Beauchamp als Übersetzer Heinrichs VI., der den Ausführungen Clément de Fauquembergues zufolge selbst nur Englisch sprach.131 Während des Frankreich-Aufenthaltes Heinrichs VI. war Beauchamp maßgeblich an einer Reihe militärischer Unternehmungen zur Sicherung nordfranzösischer Gebiete gegen die zunehmend erfolgreichen Truppen Karls VII. beteiligt. In diesem Zusammenhang konnte er im Sommer 1431 Poton de Xaintrailles gefangen nehmen, einen wichtigen französischen Kommandeur, der nach der englischen Niederlage von Orléans im Sommer 1429 Beauchamps Schwiegersohn John Talbot gefangen genommen, diesen aber noch im selben Jahr an Karl VII. verkauft hatte. Die intensiven Verhandlungen um den Austausch der hochkarätigen Gefangenen und die Höhe des jeweiligen Lösegeldes zogen sich noch bis 1433 hin.132 Während eines Großteils dieser Zeit lebte Talbots Ehefrau Margaret Beauchamp im Haushalt ihres Vaters in Rouen, leitete diesen für ihn und empfing distinguierte Gäste, wie den englischen König.133 Wenn auch die Ämter, die Beauchamp im Dienste der Lancaster bekleidete, vermutlich nur in Maßen finanziell einträglich waren, so ging doch mit seinem zunehmenden politischen Einfluss auch die stetige Vergrößerung seines Wohlstandes und seiner Ländereien einher: Bereits beim Tod seines Vaters im Jahr 1401 hatte er umfangreiche Ländereien, insbesondere in Warwickshire und Worcestershire geerbt, mit dem Tod seiner Mutter im Jahr 1407 und über seine erste Ehefrau Elizabeth Berkeley wie auch seine zweite Ehefrau Isabel Despencer konnte er seine Besitztümer in England maßgeblich erweitern. In den 1430er Jah130 Die

Festivitäten und Zeremonien um die Krönung in Westminster und Beauchamps Rolle in diesen sind ausführlich in Gregory’s Chronicle, S. 165–168 beschrieben. Siehe hierzu auch Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 43; Griffiths, Henry VI, S. 189 f.; Wolffe, Henry the Sixth, S. 49–51. Zu Beauchamps Beteiligung an der Krönungsexpedition nach Frankreich siehe ebd., S. 51–63; Bryant, Paris and London, bes. S. 72–78; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 44 f.; Curry, Coronation Expedition, passim; Thompson, Paris Under English Rule, S. 199– 205; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 191–213; Griffiths, Henry VI, S. 90–93. 131 Fauquembergue, a. 1431, Bd. 3, S. 26–29, hier 29: „Et après le serement fait par les dessusdis, le Roy dist en anglois, et fist dire par ledit conte de Warwich que le Roy les garderoit et maintendroit. Et en après fist dire que s’aucuns vouloient faire hommage au Roy, ilz y seroient receuz.“ 132 Zu Beauchamps militärischen Aktivitäten während der Krönungsexpedition siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 43 f. Zu Talbots Gefangenschaft und Beauchamps Bemühungen um seine Freilassung siehe ebd., S. 44; Pollard, John Talbot, S. 17 f., 114 f.; Collins, Dispute over Patay, S. 126 f. 133 Zum Haushalt Beauchamps während Heinrichs Aufenthalt in Frankreich und Margaret Beauchamps Position in diesem siehe Connolly, John Shirley, S. 115; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 43 f.; dies., Beauchamp Earls of Warwick, S. 125–127. Die Quellenlage zum Haushalt des Grafen während dieser Zeit ist ungewöhnlich gut, da sich für den Zeitraum von März 1430 bis März 1432 ein Haushaltsbuch erhalten hat, vgl. Cronne und Hilton, Beauchamp Household Book, insb. zu Margarets Rolle im Haushalt ihres Vaters ebd., S. 212 f.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  55

ren war er vermutlich einer der drei wohlhabendsten Magnaten Englands.134 Sein politisches Ansehen und sein Status zeigen sich darüber hinaus in der Verheiratung seines Sohnes und seiner Tochter, Henry und Anne, mit den Kindern des mächtigen Grafen von Salisbury, Cecily und Richard Neville, im Jahr 1434. Die von Cecily Neville in die Ehe mit Henry, dem Haupterben Richard Beauchamps, eingebrachte Mitgift identifiziert Kenneth McFarlane als die höchste Mitgift in England vor dem 16. Jahrhundert.135 In den Jahren 1432 und 1434 wurden Beauchamps Rechte und Pflichten als Tutor Heinrichs auf seine Bitte hin erneuert und, abgesehen von leichten Abwandlungen, bestätigt. Die in den Akten des Privy Council vom 29. November 1432 überlieferten Abmachungen legten einen größeren Schwerpunkt als bis dato auf Beauchamps Befugnisse, schlechte Einflüsse vom König fern zu halten, beziehungsweise die Personen, die sein Gespräch suchten, stärker zu kontrollieren: Heinrich sei von bestimmten Personen, die über „divers matiers not behovefull“ zu ihm gesprochen hätten, vom Lernen abgehalten worden, weshalb gewährleistet werden müsse, dass von nun an Beauchamp selbst, einer der „vier Ritter“, womit vermutlich hochrangige Mitglieder des Council gemeint sind, oder eine von Beauchamp persönlich beauftragte Person jeglichen Unterredungen des Königs beiwohnten.136 Beauchamps Ersuchen um die Revision seiner Verantwortlichkeiten als Tutor Heinrichs wurde mit dem zunehmenden und seitens des Bedford-Lagers unerwünschten Einfluss Humphreys of Gloucester in Verbindung gebracht.137 Gloucester hatte durch seine bereits angesprochenen Auseinandersetzungen mit Philippe le Bon bereits in den 1420er Jahren für Konfliktpotential gesorgt und dadurch die 134 Zum

Besitz der Familie Beauchamps und der zunehmenden Erweiterung seiner Ländereien siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 25–27, 38; Hicks, Kingmaker, S. 27–29, 53–56; ders., Beauchamp Trust; Ross, Estates and Finances; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 382; McFarlane, Nobility, S. 187–201; Monckton, Beauchamp Chapel, S. 25, 29; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 592–594. 135 McFarlane, Nobility, S. 201. Siehe zur Verbindung zwischen den Beauchamps und den Nevilles auch Hicks, Kingmaker, S. 22–29; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594; Payne, The Beauchamps and the Nevilles, hier S. 219. Zu Henry Beauchamp siehe Carpenter, Henry Beauchamp; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 383 f.; Hicks, Kingmaker, S. 26–33, 53 f.; ders., Between Majorities, S. 31–33; van der Velden, Prayer Roll, S. 523–526. 136 PPC, Bd. 4, S. 132–137, hier S. 135  f.: „Item, for as muche as the saide Erle hath knouleche that in speche þat hath be had unto the [K’] at part and in prive, not heryng the saide Erle nor enny of the knyghtis set aboute his persone, nor assigned by þe saide Erle, he hath be sturred by some frome his lernyng and spoken to of divers matiers not behovefull, the saide Erle doubtyng þe harme þat myght fall to þe Kyng and þinconvenientis þt myght ensue of suche speche at part yf it were suffred, desireth þat in alle speche to be had with þe Kyng he or oon of þe iiij. knyghtis or some persone to be assigned by þe saide Erle be present and prive to it.“ Zudem erbat der Graf Unterstützung bei der Züchtigung des mittlerweile zehnjährigen Königs, die in Beauchamps Augen offenbar immer häufiger vonnöten war und gleichzeitig immer unwilliger vom König entgegen genommen wurde, ebd., S. 134 f. Zur Erneuerung des Tutorenamtes siehe Orme, From Childhood to Chivalry, S. 31, 43; Griffiths, Henry VI, S. 59 f.; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 45. 137 Ebd. Zu Gloucesters Einfluss auf die Erziehung Heinrichs siehe außerdem Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 57–68.

56  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage anglo-burgundische Allianz in Gefahr gebracht. Bereits zu diesem Zeitpunkt und erneut in den 1430er Jahren, in den innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem einflussreichen Kardinal Beaufort und Gloucester um die Autorität im englischen Kronrat, kann Beauchamp fest im politischen Lager Bedfords und Beauforts verortet werden.138 Auf außenpolitischer Ebene brachten die Entwicklungen der Mitte der 1430er – der Tod des Herzogs von Bedford im September 1435 und der Zusammenbruch des anglo-burgundischen Bündnisses – jedoch die Kooperation Beauchamps und Gloucesters mit sich: Im August 1436 beteiligte sich der Graf an einer militärischen Expedition Gloucesters nach Calais und Flandern gegen den burgundischen Herzog.139 Dass der mittlerweile weit über Fünfzigjährige hiervon abgesehen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geneigt war, sich im Dienste der Lancasters zu verbiegen – weder als Tutor Heinrichs VI. noch im Krieg auf dem Kontinent –, zeigt sich an seiner im Mai 1436 vorgebrachten Bitte, von seinen Pflichten als Tutor entbunden zu werden und sich auf seine englischen Ländereien zurückziehen zu dürfen.140 Diesem Wunsch kam man allerdings nur zum Teil nach: Zwar konnte er sein Tutorenamt aufgeben, im folgenden Jahr wurde er jedoch als militärischer Oberbefehlshaber von Lancastrian France erneut auf den Kontinent geschickt, „forto be lieftenaunt and gouernour in the Kynges name, with strenght of all þe partyes and landes þat the King hath byyonde the see, as in Fraunce, Normandy, and Gascoyne.“141 Im Spätsommer 1437 trat Beauchamp seine letzte Reise nach Frankreich an. Eine Rechnung über die dekorative Ausstattung des Schiffes, mit dem der Haushalt des Grafen nach Frankreich übersetzte, wurde im 18. Jahrhundert von William Dugdale, einem mit der Geschichte Warwickshires befassten Antiquar, transkribiert und führt die von Beauchamp verwendeten heraldischen Zeichen auf: 138 Zu

den Auseinandersetzungen zwischen Bedford, Beaufort und Gloucester siehe oben, Kap. 1.1.1, Anm. 32. Bereits vor dem Tod Heinrichs V. war Beauchamp über mehrere Jahre in Streitereien mit James Berkeley um das Erbe der Berkeley-Ländereien, auf das er über seine erste Ehefrau Elizabeth Berkeley Ansprüche erhob, verwickelt, wobei Gloucester zugunsten seines Kontrahenten agierte, vgl. Carpenter, Richard Beauchamp, S.  593; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 37, 39. 139 Ebd., S. 46; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 262  f.; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 381. 140 CPR, Henry VI., Bd. 2: 1429–1436, S. 589 zum 19. 5. 1436: „Discharge, by advice of the council, of Richard, earl of Warwick and Albemarle, from his duties about the king’s person, at his own request.“ Siehe hierzu auch Griffiths, Henry VI, S. 60; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 46; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594. 141 Brut Chronicles, S. 471  f. Die Verhandlungen zwischen Beauchamp und dem König über das von ihm nur widerwillig angenommene Amt sind überliefert und wurden im 18. respektive 19. Jh. von Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 408–411 und Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 1, S. lxvi–lxxi ediert. Sie beinhalten neben dem Verweis des Grafen auf seine trotz geringer Entlohnung langjährige und treue Tätigkeit für das Haus Lancaster und einer Beschwerde über die ausstehenden Schulden des Königs für seine Dienste Forderungen bezüglich der Ausstattung seiner Grabkapelle in Saint Mary in Warwick. Siehe hierzu auch die umfangreichen unpublizierten Notizen Dugdales in der Bodleian Library in Oxford, Dugdale MS 6.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  57

Genannt werden die Bilddevisen Beauchamps – der sogenannte ragged staff, ein Baumstamm oder Ast, dessen Zweige bis auf die Stümpfe abgebrochen sind, und der Bär – und der von der Familie seiner zweiten Ehefrau Isabel Despencer geführte Greif sowie Beauchamps Farben, rot, weiß und rostrot, in unterschiedlichen Kombinationen, sowie das Kreuz des heiligen Georg.142 Am 30. April 1439 verstarb Beauchamp im Schloss von Rouen.143

1.2.2. Beauchamp als Stifter und Auftraggeber von Kunst Nach seinem Tod wurde der Körper des verstorbenen Grafen von Warwick zunächst in der Kathedrale von Rouen aufgebahrt, wo Louis de Luxembourg am 31. August die Trauerfeier abhielt. Anschließend geleitete Isabel Despencer ihren Gatten nach England, wo sie selbst bereits zwei Monate später starb. Beauchamps Testament, das er kurz vor seiner letzten Überfahrt nach Frankreich im August 1437 hatte aufsetzen lassen, gibt zu seinem Begräbnis lediglich folgende Hinweise: First, I will, that […] my Body be enterred within the Church Collegiate of our Lady in Warrwick, where I will, that in such Place as I have devised (which is known well) there be made a Chappell of our Lady, well, faire, and goodly built, within the middle of which Chappell I will, that my Tombe be made; and in the mean time my Body to be laide in a clean Chest afore the Altar, that is on the right Hand of my Lord Father’s Tombes, till the Time that the said Chappell and Tombe for me be made, and then my Body to be taken up, laid therein.144

Gemäß seinem letzten Willen wurde er am 3. Oktober – zunächst provisorisch – in einem schlichten steinernen Sarg im Chor von Saint Mary beigesetzt.145 Die Grundsteinlegung zum Bau seiner weitgehend erhaltenen prachtvollen Grabka142 Dugdale

(Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 408: „the state and the lustre of whose equipage in that journey may in some sort be discerned by his Painter’s bill, which I have here, from the Original transcribed […] ‚Thes be the parcels that Will Seburgh Citizen and Peyntour of London hath delivered in the monthe of Juyll the xv yeer of the reign of Kyng Harry the sixt, to John Ray, Taillour, of the same Citee, for the use and stuff of my Lord of Warwyk. Ferst, CCCC Pencels bete with the Raggidde staffe of silver […]. Item, for the peynting of two Paveys for my Lord, the one with a Gryfon stondying in my Lordis Colours rede, white and russet […] the other Pavys peyntid with blak and a Raggid staffe bete with silver occupying all the felde […]. Item, for a grete Stremour for the Ship of xl. yerdis lenght, and viii. yerdis in brede, with a grete Bere and Gryfon holding a Raggid staffe, poudrid full of raggid staves; and for a grete Crosse of S. George, for the lymnyng and portraying […]. Item, xviii. Standardis of worsted, entretailled with the Bere and a Cheyne‘“. Zahlreiche weitere Ausstattungsstücke werden als mit dem ragged staff und den Farben des Grafen verziert aufgeführt. Der Bär und der ragged staff wurden bereits von Beauchamps Vorgängern verwendet, von ihm aber erstmalig kombiniert, siehe Smith, The Bear and the Ragged Staff, S. 217; van der Velden, Prayer Roll, S. 529–537. Zu Dugdale siehe Madan et al. (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 2, MSS Dugdale, S. 1068, 1070, 1076. 143 Zu den letzten Lebensmonaten siehe ebd., S. 525; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 47; dies., Beauchamp Earls of Warwick, S. 133 f.; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 381 f. 144 Eine Abschrift des Testaments befindet sich in TNA in Kew, PROB 11/1, fol. 146r–147v (alte Foliierung). 1729 wurde das Testament zu großen Teilen von Thomas Hearne ediert: Historia vitae et regni Ricardi II, S. 240–249, hier S. 240 f. 145 Zur Begräbniszeremonie Beauchamps, zu der kaum zeitgenössische Hinweise vorliegen, siehe knapp Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 47 f.; Munby, Funeral Car, S. 283–285.

58  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage pelle südlich des Chors mit dem Grabmal im Zentrum erfolgte jedoch erst im Jahr 1443, und erst 1462 konnten die Arbeiten an Kapelle und Grabmal abgeschlossen werden. Als Hauptverantwortliche für die Gestaltung der reich mit den Devisen des Grafen von Warwick und Isabel Despencers verzierten Grablege wird Beauchamps Tochter Anne angenommen. Hierfür spricht insbesondere der Fokus auf die Familie ihres Ehemanns im Bildprogramm des Grabmals.146 Eine gewisse Beteiligung an der über Jahrzehnte währenden Konzeption der Grablege wird jedoch auch Beauchamp selbst zugesprochen. So führt Richard Marks die Wahl der Heiligen, die im fragmentarisch erhaltenen dreiteiligen Ostfenster dargestellt sind, auf den Grafen von Warwick zurück; hierbei handelt es sich um die Heiligen Thomas von Canterbury und Alban sowie die vor allem bei Parteigängern der Lancaster beliebten Heiligen John von Bridlington und Winifred von Shrewsbury (Farbabb. 40).147 Hierfür spricht auch ein Hinweis in seinem Testament, in dem er ebenfalls eine hervorgehobene Verehrung der genannten Heiligen an den Tag legte: I will, that my foresaid Executors of my last Will, ordayne foure Images of gold, everich of them of the Weight of twenty pounds of Gold, to be made after my Similtude or Figure with myn Armes, holding an Ancre between his Hands so figured, and then to be offered and delivered in my Name […] att the Shrine in the Church of St. Albon […] another of them in likewise at the Shrine of the Cathedrall Church in Canterbury; the third of them in like forme at Bridlington; and the fourth of them at the Shrine in the Church of St. Wenefride in Shrewsbury.148

Der enorme Materialwert der nicht erhaltenen Stiftungen mag als zusätzlicher Hinweis auf den hohen Stellenwert, den die vier Heiligen in Beauchamps religiöser Praxis einnahmen, gewertet werden.149 Für die besondere Verehrung Thomas Beckets und Albans sprechen weitere Hinweise: So nimmt Thomas eine prominente Rolle in Beauchamps testamentarischen Verfügungen bezüglich der in der Grabkapelle zu feiernden Gedenkmessen ein, und bereits für 1417/18 ist eine Stiftung kostbaren Tafelgeschirrs durch Beauchamp an den Schrein des Heiligen überliefert.150 Auch an die Abtei von St Alban’s sind weitere Stiftungen und Zuwendungen des Grafen und seiner ersten Ehefrau Elizabeth bezeugt.151 146 Zur

Grabkapelle siehe unten, Kap. 3.2.1 sowie Marks, Beauchamp Chapel; Monckton, Beauchamp Chapel; Lindley, Gilt-bronze Effigies, S. 120–123; ders., Effigy of Richard Beauchamp; McGee Morganstern, Gothic Tombs, S. 133–141, 192–194; Munby, Richard Beauchamp’s Funeral Car; Crispin, Kunst als Medium, S. 8–12. Zur Rolle Anne Beauchamps in der Konzeptualisierung siehe etwa Marks, Beauchamp Chapel, S. 173–182. 147 Ebd., S. 169–171, 173  f.; außerdem White, Stained Glass of the Beauchamp Chapel, S. 138–142. 148 Historia vitae et regni Ricardi II, S. 246  f. Bisher nicht geklärt werden konnte der Hinweis auf den Anker, den die Statuen jeweils in ihren Händen halten sollten. Dieses Attribut ist sonst nicht für Beauchamp oder Personen seines familiären Umfeldes nachweisbar. 149 Siehe zu dieser Stiftung auch Marks, Beauchamp Chapel, S. 169–171; McFarlane, Nobility, S. 200. 150 Zur Messstiftung siehe Historia vitae et regni Ricardi II, S. 241; zur Geschirrstiftung Sinclair, Beauchamp Earls of Warwick, S. 286  f., 309, Anm. 79 mit Quellenangaben. 151 Siehe hierzu ebd., S. 123; dies., Beauchamp Pageant, S. 42 mit Quellenangaben. Bei den verstorbenen Personen, für welche der Graf von Warwick vorwiegend Seelenmessen stiftete, handelte es sich, wie Sinclair herausgestellt hat, in erster Linie um Ritter, insb. Mitglieder des Hosenbandordens, ebd., S. 48.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  59

Die neben den Gaben an die Schreine der vier ‚Lancaster-Heiligen‘ im Testament angewiesenen Stiftungen betreffen die in Saint Mary zu feiernden Messen, überdies die Schenkung von „myne [Beauchamp’s] Image of Gold and of our Lady“ an die Kirche, vermutlich eine Darstellung des Stifters in Anbetung der Gottesmutter.152 Auch bei den sonstigen aufgeführten Institutionen, die mit Zuwendungen bedacht werden, handelt es sich ausschließlich um englische Kirchen und Kapellen, die jeweils mit der Familie Beauchamps oder seiner Ehefrauen im Zusammenhang stehen, wie Elmley Castle, der Sitz der Familie Beauchamp, und die Abtei von Tewkesbury, das religiöse Zentrum der Despencer. Darüber hinaus wird die Errichtung eines Marmorgrabmals für Elizabeth Berkeley in der Abtei von Kingswood angewiesen.153 Von besonderer Dringlichkeit scheint Beauchamp der zügige Abschluss der Ausstattung einer Chantry Chapel bei Guy’s Cliff, etwa eine Meile nördlich von Warwick, sowie die Errichtung beziehungsweise Vollendung des zugehörigen Kapellen- und Wohnbaus gewesen zu sein.154 Der dort verehrte Guy galt als sagenhafter Ahne der Grafen von Warwick; der Legende nach hatte er im 10. Jahrhundert unter dem angelsächsischen König Æthelstan die Tochter des Grafen von Warwick geheiratet und zahlreiche Heldentaten vollbracht.155 Im Jahr 1422 hatte der Graf das Gelände, auf dem sich die mutmaßliche Einsiedlerhöhle Guys befand, erworben. Bereits im folgenden Jahr erhielt er die Lizenz zur Errichtung einer mit zwei Priestern ausgestatteten Chantry Chapel an dieser Stelle, und man begann vermutlich mit den Bauarbeiten.156 Diese kamen jedoch allem Anschein nach ins Stocken, und Beauchamp sah sich veranlasst, in seinem Testament auf den Abschluss der Einrichtung der Chantry Chapel und die Erbauung der zugehörigen Gebäude „in all haste after my Decease“ und noch vor dem Ableben der Testamentsvollstrecker selbst zu pochen. Zum Bau der Kapelle gibt der Graf, ähnlich dem Wortlaut zur Errichtung seiner Grabkapelle, an, dass sie erbaut werde solle „as [he has] devised“.157 Im Gegensatz zur Grabkapelle in Saint Mary ist die Chantry Chapel von 152 Historia

vitae et regni Ricardi II, S. 241–243, hier S. 243. Neben den Stiftungen wird eine Reihe von Gold- und Silberschmiedewerken aufgeführt, die der Graf seiner Ehefrau Isabel und seinem Sohn Henry vermachte, ebd., S. 243, 246. Siehe hierzu auch knapp McFarlane, Nobility, S. 200. Der Begriff ‚Image‘ wurde im Spätmittelalter für jegliche Bildform, unabhängig von Material, Form, Größe und Bildthema verwendet, vgl. Marks, Image and Devotion, bes. S. 18 f. 153 Historia vitae et regni Ricardi II, S. 242  f. Zur Stiftung an Tewkesbury Abbey siehe außerdem knapp Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594; Cronne und Hilton, Beauchamp Household Book, S. 212; Hicks, Kingmaker, S. 60–62. 154 Der Begriff ‚Chantry Chapel‘ bezeichnet eine Kapelle zur Feier von Seelenmessen. Siehe hierzu ausführlich Fehrmann, Grab und Krone, bes. S. 22–26; dies., Politics and Posterity. 155 Zur im 13. Jh. entstandenen Legende Guys siehe van der Velden, Prayer Roll, S. 531  f.; Mason, Legends, S. 31–33; Frankis, Taste and Patronage, bes. S. 83–88 mit weiteren Literaturhinweisen. 156 Ebd., S. 85–87; Goodall, Guy’s Cliffe, bes. S. 306; Hicks, Beauchamp Trust, S. 139–143; Pevsner und Wedgwood, Warwickshire, S. 301  f. Siehe hierzu auch John Lelands Reisebericht aus dem 16. Jh.: Leland, Itinerary, Bd. 2, S. 45 f. 157 Historia vitae et regni Ricardi II, S. 243  f.: „Also I will, that in all haste after my Decease, […] all the Remnants of livehood, which faileth yet from my Chanteries att Guycliff, be assigned, delivered and made sure to my said Chanteries and Priests there for ever more, and that this

60  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Guy’s Cliff allerdings nicht erhalten, und es liegen kaum dokumentarische Hinweise auf ihre Gestaltung vor.158 Außerdem muss „devised“ wie im Falle der Grabkapelle auch hier nicht zwangsweise auf einen detaillierten seitens des Grafen ausgearbeiteten architektonischen Plan verweisen, sondern kann genauso als ein lediglich in seinen Grundzügen festgelegtes Vorhaben verstanden werden. Die Beurteilung und Auswertung der Bautätigkeit Beauchamps stellt sich auch ansonsten problematisch dar. Zwar können anhand zeitgenössischer Dokumente, etwa dem Reisebericht William Worcesters aus dem Jahr 1479, eine Reihe von vorwiegend in den Warwick-Ländereien zu verortenden Bauprojekten des Grafen nachgewiesen werden, diese sind allerdings zum Großteil zerstört, und Hinweise zur Gestalt der Bauten oder einem eventuell politisch konnotierten Bildprogramm fehlen weitestgehend.159 Wie im Falle seiner Stiftungen kann Beauchamps Tätigkeit als Bauherr zudem lediglich für seine Ländereien und die Ländereien seiner Ehefrauen in England, nicht aber in Lancastrian France nachgewiesen werden. Interesse für die Förderung des Kultes um Guy lässt sich auch in Beauchamps familiärem Umfeld, nicht zuletzt anhand der hier zu verortenden Handschriftenaufträge, feststellen:160 Um 1425 übertrug John Lydgate im Auftrag von Beauchamps Tochter Margaret „the lyf of þat moste worþy knyght Guy of Warwike of whos bloode shee is lyneally descendid“ in englische Versform, als Vorlage diente dem Dichter laut eigener Aussage die lateinische Chronik Gerards von Cornwall.161 Der Auftrag steht in zeitlicher Nähe zur Eheschließung Margarets mit be even as the said Executors of my last Will will answer afore God; And also I will, that the Chappel of Guycliff, and dwelling Houses for my Priests there, be built and made sufficiently, that is to say, Chappell as I have devised, and the Housing for my Priestes there, as they may reasonably and holsomly and goodly dwell therein.“ 158 Nach Lelands Reisebericht war die von Beauchamp errichtete Kapelle mit einer beeindruckend großen Statue Guys – einem „ymage of E. Guido great lyke a giant“ – ausgestattet, Leland, Itinerary, Bd. 2, S. 46. Diese kann Goodall, Guy’s Cliffe, S. 307 folgend allerdings nicht der Patronage Beauchamps zugewiesen werden. 159 William Worcester listet Neubauten und Umbauten in Worcestershire, Staffordshire, Berkshire, Northampton und Warwickshire auf, seine Informationen bezieht er eigenen Angaben zufolge von John Brewster, dem Receiver-General des Grafen von Warwick, vgl. Worcestre, Itineraries, S. 218. Zu Beauchamp als Bauherr siehe auch Monckton, Beauchamp Chapel, S. 29; Crispin, Kunst als Medium, S. 12 f.; Carpenter, Richard Beauchamp, S. 594 f.; McFarlane, Nobility, S. 196  f.; Hicks, Kingmaker, S. 55–59. Neben eigenständig veranlassten Neuund Umbauten trat Beauchamp, zum Teil zusammen mit seinen Ehefrauen, als (Mit-)Förderer weiterer Bauprojekte in seinen Ländereien auf, bspw. in Great Malvern Priory, siehe hierzu Darracott, Great Malvern Priory, S. vii, 2–6. 160 Dies wurde einschlägig von Frankis, Taste and Patronage untersucht. Siehe außerdem van der Velden, Prayer Roll, S. 532–535; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 10  f., 14 f., 39; Hicks, Kingmaker, S. 58 f.; ders., Beauchamp Trust, S. 139–143; Liu, Uses of Romance. 161 Siehe etwa die zeitnahe Abschrift London, BL, Harley MS 7333, fol. 33r–35v, hier 33r: „Here nowe begynneþe an abstracte oute of þe cronicles in latyn made by Gyrarde Cornubyence […] & translated in to Englisshe be Lydegate […] at the requeste of margarete Countas of Shrowesbury Ladye Talbot fournyvale and lysle of the lyf of þat moste worþy knyght Guy of Warwike of whos bloode shee is lyneally descendid.“ Der Text ist in Lydgate, Secular Poems, S. 516–538 ediert. Siehe zum Auftrag außerdem Connolly, John Shirley, S. 115, 172 f.; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 15; Frankis, Taste and Patronage, S. 88; Pearsall, John Lydgate, S. 71, 167 f. Zur Datierung siehe ebd., S. 167.

1.2. Richard Beauchamp, Graf von Warwick  61

John Talbot, der die Legende Guys von Warwick seinerseits in französischer Prosaform im sogenannten Shrewsbury Book, einer für Marguerite d’Anjou kompilierten Sammlung französischer Heldenlieder, Chroniken und Traktate, mit aufnehmen ließ (Kat. 13).162 Die Bedeutung Guys für die Familie Beauchamp lässt sich darüber hinaus anhand einer Reihe von Kunstobjekten, die sich zumindest zeitweilig in ihrem Besitz befanden, ablesen: So können für Warwick Castle Bildteppiche, die die Legende des Helden darstellen, nachgewiesen werden.163 Außerdem hinterließ Thomas Beauchamp seinem Sohn Richard das mutmaßliche Schwert und Kettenhemd Guys sowie ein nicht sicher zu identifizierendes Bildwerk, „wrought with the Armes and Story of Guy of Warwick“.164 Neben Guy von Warwick spielte die Figur des Schwanenritters eine wichtige Rolle in der Tradition der Familie Beauchamp. Seine Devise, der Schwan, war seit der Eheschließung zwischen Guy Beauchamp I. und Alice de Tosny, einer Nachfahrin des legendären Ritters, Anfang des 14. Jahrhunderts Bestandteil ihres heraldischen Repertoires. Sie trat beispielsweise in den Hosenbandordenstafeln Thomas und Richard Beauchamps auf, und Thomas vererbte seinem Sohn neben den aufgeführten, mit Guy in Zusammenhang stehenden Memorabilia einen „Cup of the Swan“.165 Nach Richards Tod wurde die Schwanendevise im ikonografischen Programm seiner Grabkapelle verwendet. Mit ihm selbst lassen sich jedoch keine Aufträge oder Stiftungen in Zusammenhang bringen, die auf eine besondere Verehrung des Schwanenritters verweisen.

1.2.3. Die Handschriften Richard Beauchamps Im Gegensatz zum Herzog von Bedford und zum im Anschluss vorzustellenden Grafen von Shrewsbury sind im Falle Richard Beauchamps auch nach Beginn der französischen Herrschaft Heinrichs VI. und seiner Etablierung in administrativen und militärischen Ämtern in Lancastrian France weiterhin Handschriftenaufträge in England nachzuweisen. Entsprechend seiner vergleichsweise starken Involvie162 London,

BL, Royal MS 15 E. VI. Siehe außerdem unten, Kap. 3.4.3 sowie Frankis, Taste and Patronage, bes. S. 84. 163 Vgl. Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 14, Anm. 59; McKendrick, Tapestries, S. 51. 164 Das Testament Thomas Beauchamps ist nicht erhalten, wurde aber von Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 403 zusammengefasst: „To Richard his son and heir his benediction, and these particulars, viz. a Bed of silk embroydered with Bears, and his Armes, with all that belong’d thereto. A ….. [sic] wrought with the Armes and Story of Guy of Warwick; his sword, harness, and Ragges staves likewise. And moreover appointed, that the Sword and coate of Maile, sometime belonging to the famous Guy, with his Cup of the Swan […] should be and remain to his said son“. Um was für ein Objekt es sich handelte, konnte Dugdale selbst offenbar nicht entziffern und ließ die betreffende Stelle frei. Van der Velden, Prayer Roll, S. 532, bes. Anm. 39 nimmt an, dass es sich um einen Bildteppich handelte. Siehe zu Thomas Beauchamps Testament außerdem McFarlane, Nobility, S. 187 f., Anm. 4; Liu, Uses of Romance, S. 271 und passim. 165 Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 403. Zur Verehrung des Schwanenritters in der Familie Beauchamp siehe Mason, Legends, S. 26–28; Taylor, Treatise Cycle, S. 149 f.; Wagner, Swan Badge, bes. S. 127–129 sowie Tafeln xxxvi, b und d; Liu, Uses of Romance, S. 271; Crane, Performance of Self, S. 116.

62  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage rung in innenpolitische Belange als Mitglied des Kronrats und Tutor des jungen Königs und parallel zum festgestellten Schwerpunkt seiner religiösen Stiftungen in England scheint für ihn auch die englische Buchproduktion nach wie vor eine Rolle gespielt zu haben. So geht man heute davon aus, dass er als Auftraggeber hinter den Beauchamp Psalter and Hours stand – einem in London, in den frühen 1430er Jahren illuminierten Gebetbuch nach englischem Brauch (Kat. 9) (Farbabb. 11).166 Vermutlich war das Buch als Geschenk für seinen Sohn Henry gedacht und für die Verwendung im privaten Umfeld vorgesehen. Anhand von zeitgenössischen Zeugnissen kann zudem die zum Teil längerfristige Beschäftigung von englischen Dichtern und Autoren nachgezeichnet werden.167 Neben dem bereits mehrfach angesprochenen John Lydgate sei John Shirley genannt, der von 1403 bis in die späten 1420er in Beauchamps Gefolge, teilweise explizit als dessen Sekretär, nachweisbar ist.168 Von Interesse ist darüber hinaus ein Hinweis im Reisebericht Worcesters von 1479, in welchem an zwei Stellen ein Master John Brewster als Autor einer Chronik und Gefolgsmann des Grafen aufgeführt wird. Mit Referenz auf den „lib[er] Magistri Brewster“ werden historische Begebenheiten von der Antike bis ins Spätmittelalter aufgeführt.169 Die Ereignisse, an denen Beauchamp maßgeblich beteiligt war, etwa die Vorverhandlungen von Troyes, werden besonders ausführlich geschildert, und es ist denkbar, dass Beauchamp selbst der Auftraggeber dieser nicht erhaltenen Chronik war. Dafür, dass der Graf von Warwick Interesse für eine Vielfalt unterschiedlicher Textgattungen hegte und über eine nicht unbeträchtliche Büchersammlung verfügte, sprechen nicht nur seine originären Aufträge, sondern auch die für ihn nachweisbaren Adaptionen älterer englischer wie auch französischer Hand­schrif­ ten:170 So besaß er eine im späten 14. Jahrhundert fertiggestellte Sammlung von Gedichten Froissarts (Kat. 10a).171 Daneben nannte er eine illustrierte Kompilation 166 New

York, PML, MS M. 893 (Pergament, 261 fol., ca. 271 x 185 mm). Siehe Bovey, Psalter and Hours of Henry Beauchamp; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 88, S. 248–251; van der Velden, Prayer Roll, S. 536, 539–541; Alexander, William Abell, S. 166–169, 172; Warner, Illuminated Manuscripts, Nr. 18, S. 64–68; Marks und Morgan, English Manuscript Painting, S. 114–117; Crispin, Kunst als Medium, S. 17 f.; in Kürze dies., Politische Botschaften. 167 Siehe hierzu in Kürze ebd. 168 Zu Shirley siehe Connolly, John Shirley, hier S. 14–26, 114–116; Sinclair, Beauchamp Earls of Warwick, S. 288; Green Firth, Textual Communities, S. 30–32. Eine in der British Library aufbewahrte Kompilation von Gedichten und Prosatexten Shirleys enthält ein möglicherweise der Autorschaft Beauchamps zuzuweisendes, als „balade made of Isabelle, countasse of Warrand Lady Despencer, by Richard Beauchamp Eorlle of Warrewyk“ bezeichnetes Gedicht, London, BL, Add. MS 16165, fol. 245v–246v. Zur Handschrift und der Frage der Autorschaft vgl. Connolly, John Shirley, S. 27–51; MacCracken, Earl of Warwick’s Virelai, S. 604–607. 169 Worcestre, Itineraries, S. 208–218, hier S. 208, 210. 170 Mit der Bibliothek des Grafen von Warwick befassten sich Frankis, Taste and Patronage, S. 89 f.; Connolly, John Shirley, S. 114–116; Payne, The Beauchamps and the Nevilles, S. 220 f.; Lowry, John Rous, S. 331. 171 Paris, BNF, MS fr. 831 (Pergament, 202 fol.). Zur Handschrift siehe zuletzt Croenen, Figg und Taylor, Authorship sowie knapp Catalogue des manuscrits français, Bd. 1, S. 92, Nr. 831; Connolly, John Shirley, S. 115.

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury  63

von drei vermutlich im Auftrag seines Schwiegervaters Thomas Berkeley ins Mittelenglische übersetzten Texten – der Predigt Defensio Curatorum, der Weltchronik Polychronicon und dem Dialogus inter militem et clericum – sein eigen (Kat. 10b).172 Aufschlüsse über Beauchamps literarisches Interesse gibt außerdem ein Exemplar der im Jahr 1414 von Laurent de Premierfait angefertigten französischen Übersetzung des Decamerone von Giovanni Boccaccio (Kat. 11) (Abb. 14).173 Die Abschrift war vermutlich im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts in seinem Auftrag in der Normandie angefertigt und mit einem umfangreichen illustrativen Programm ausgestattet worden. Zu einem unbekannten Zeitpunkt schenkte er sie dem Herzog von Gloucester und begründete damit möglicherweise die Verbreitung des Werkes in England. Zum Abschluss sei mit der sogenannten Prayer Roll of Henry Beauchamp eine Handschrift genannt, die zwar nicht dem Auftrag oder Besitz Richard Beauchamps selbst, wohl aber seinem familiären Umfeld zugewiesen werden kann und Einblicke in die kulturelle Orientierung der in Frankreich tätigen Vertreter der englischen Krone untereinander gibt (Kat. 12) (Abb. 15, 16; Farbabb. 12).174 Die Illumination der sicherlich vorwiegend im privaten Umfeld genutzten Gebetsrolle wird dem Rouennaiser Werk des Fastolf Meisters zugeschrieben und nach 1439 datiert.175 Bilddevisen und die namentliche Benennung ihres Nutzers als „Henricus“ machen Henry Beauchamp als Besitzer der Gebetsrolle wahrscheinlich. Besonders interessant ist eine Reihe textlicher Parallelen zu Stundenbüchern aus dem Besitz des mit Henrys Halbschwester Margaret verheirateten Grafen von Shrewsbury (Kat. 14a, 14c).176 Diese Parallelen weisen auf einen engen Austausch der beiden Familien in Bezug auf ihre Devotionspraxis und die Wahl von Gebetstexten.

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury Eine der schillerndsten Persönlichkeiten der letzten Phase des sogenannten Hundertjährigen Krieges ist ohne Zweifel John Talbot, der Graf von Shrewsbury, der im Juli 1453 in Castillon sein – zumindest den Worten einiger zeitgenössischer 172 London,

BL, Add. MS 24194 (Pergament, 264 fol., ca. 419 x 280 mm). Siehe Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 19, S. 82 f.; Hanna, Thomas Berkeley, S. 911; Connolly, John Shirley, S. 114; Crispin, Kunst als Medium, S. 16 f. 173 Paris, BNF, MS fr. 12421 (Pergament, 452 fol., ca. 292 x 225 mm). Siehe Branca (Hrsg.), Boccaccio visualizzato, Bd. 3, S. 230–235; Croenen, Figg und Taylor, Authorship, S. 14; Petrina, Duke of Gloucester, S. 188; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 42; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 122; Farnham, Discovery of the Decameron, S. 132 f. 174 Utrecht, Catharijneconvent Museum, MS ABM h4a (Pergament, ca. 1435 x 125 mm). Siehe zur Handschrift van der Velden, Prayer Roll; Wüstefeld, Prayer Roll; dies., Middeleeuwse boeken, S. 176 f.; Korteweg, Splendour, S. 166–170. 175 Zum Fastolf Meister siehe unten, Kap. 1.4, bes. Anm. 229, außerdem Kat. 15 und 16a. 176 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950; Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1. Siehe außerdem unten, Kap. 3.2.2.

64  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Historiografen zufolge – ruhmreiches und spektakuläres Ende fand.177 Talbot ist zugleich einer der Akteure der militärischen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich, bei deren Beurteilung die der französischen und die der englischen Seite zugeneigte Geschichtsschreibung besonders weit auseinander klaffen. Während etwa Jean de Wavrin ihn in seinen Croniques et Anchiennes Istories de la Grant Bretaigne als weisesten und tapfersten Ritter Englands bezeichnet und sein militärisches Geschick feiert, berichtet Thomas Basin, der Chronist Karls VII., dass Talbot sich eher von Vermessenheit und Tollkühnheit habe leiten lassen als von Tapferkeit, sein Name habe Angst und Schrecken verbreitet.178 Die Furcht, die der Graf von Shrewsbury der französischen Bevölkerung wie auch der Armee eingeflößt habe, betont auch der Bourgeois de Paris in einem Tagebucheintrag zum Jahr 1441. Gleichzeitig bringt er hier die in den Augen der Zeitgenossen immense Bedeutung, die Talbot während der letzten zwei Dekaden des Krieges für die englische Armee in Frankreich hatte, zum Ausdruck: „si n’y avoit que ung seul cappitaine d’Angleterre, nommé Tallebot, qui faisoit visaige et tenoit pié encontre le roy [de France] et sa puissance, et pour vray il sembloit au semblant qu’ilz monstroient que moult le doubtassent, car touzjours [les Français] eslongnoient de lui xx ou xxx lieues, et il chevauchoit parmy France plus hardiement qu’ilz ne faisoient.“179 Neben seiner tragenden Rolle in den militärischen Auseinandersetzungen mit Frankreich war Talbot jedoch auch an einer Reihe diplomatischer Unterfangen in prominenter Position beteiligt. Hervorzuheben ist seine Teilnahme an der Eskorte Marguerites d’Anjou von Rouen nach England zu ihrer Vermählung mit dem englischen König im Jahr 1445. Bei dieser Gelegenheit überreichte er ihr das bereits angesprochene und für die vorliegende Arbeit überaus aufschlussreiche Shrewsbury Book, eine reich illuminierte Kompilation französischer Heldenlieder, Chroniken und Traktate (Kat. 13). Neben diesem Werk sind drei weitere Rouennaiser Handschriften erhalten, die sich mit dem Auftrag oder dem Besitz John Talbots und seiner zweiten Ehefrau Margaret Beauchamps verbinden lassen. Für die Bewertung der englischen Kunstnutzung während der Zeit der englischen Herrschaft in der Normandie in den 1430er und 1440er Jahren ist er damit von höchstem Interesse. 177 Siehe

etwa den Monstrelet-Kontinuator: Monstrelet, Chronicles, Buch III, Kap. 65, S. 224; d’Escouchy, Chronique, Kap. 92, S. 34–43; Wavrin, Recueil, 1447–1471, Bd. 6, Buch III, Kap. 3, S. 243–247; Basin, Charles VII, Buch V, Kap. 7, S. 194–202; le Bouvier, Charles VII, S. 389 f. 178 Wavrin, Recueil 1422–1431, Bd. 5, Buch IV, Kap. 12, S. 288: „de la venue duquel [Talbot] furent les Anglois moult joyeulz, ce fut raison, car on le tenoit pour ce tempz estre le plus sage et vaillant chevallier du royaulme dAngleterre.“ Ebd. 1447–1471, Bd. 6, Buch III, Kap. 1, S. 239: „ung moult vaillant chevallier d’Angleterre nomme messire Jehan de Thalbot moult renomme en armes“. Basin, Charles VII, Buch V, Kap. 6, S. 190 und hier Kap. 7, S. 196: „Verum idem Talbot, qui audacia et inconsulta temeritate pocius quam fortitudine pene semper in hostes irruere et fundere eos atque in fugam agere consueverat, existimans eciam tunc Francos, sui nominis presencia deterritos, pocius de fuga quam de defensione cogitare“. 179 Journal d’un Bourgois de Paris, a. 1441, 798, S. 358  f. Zur Reputation Talbots in der zeitgenössischen und frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung siehe Pollard, John Talbot, S. 1–5.

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury  65

Zur Vita John Talbots, insbesondere seinen Funktionen innerhalb der militärischen und administrativen Strukturen der englischen Besatzung Frankreichs, legte Anthony Pollard im Jahr 1983 eine umfassende Monografie vor. Diese stellt nach wie vor die maßgebliche Untersuchung des politischen Werdegangs des Grafen dar, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit ab 1435 liegt.180 Der Studie Pollards gingen zwei biografische Arbeiten zu John Talbot voraus, die in der Forschung jedoch aus nachvollziehbaren Gründen wenig Beachtung finden und auch für die vorliegende Untersuchung nur einschränkt relevant sind: Reginald Brills im Jahr 1966 an der Princeton University eingereichte militärhistorische Dissertation wurde nie veröffentlicht; die Arbeit, die noch auf der Annahme fußt, dass Talbot bereits im Jahr 1444 verstarb, fokussiert auf seine militärischen Ruhmestaten im Dienste der Lancaster in der englisch besetzten Normandie.181 Im Jahr 1981 legte Hugh Talbot eine populärwissenschaftliche Darstellung des Lebens und Wirkens des Grafen von Shrewsbury – seines mutmaßlichen Ahnen – vor.182 Es existiert keine übergreifende Untersuchung zu den Kunstaufträgen oder der Stiftertätigkeit Talbots, in verschiedenen Aufsätzen, insbesondere zum intensiv beforschten Shrewsbury Book, wird dieser Aspekt jedoch zur Sprache gebracht.183 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch Ann Claxtons umfassende Untersuchung der sogenannten Devonshire Hunts, einem Set von vier, heute im Victoria & Albert Museum aufbewahrten Tapisserien mit Jagddarstellungen. Wenngleich Claxtons Identifizierung Talbots und Margaret Beauchamps als Auftraggeber der Tapisserien nicht überzeugt, sind doch ihre allgemeinen Überlegungen zur Patronage des Paares von Interesse.184

1.3.1. Vita und kulturelles Umfeld Im Mai 1420 ist John Talbot, der um 1387 geborene zweite Sohn von Richard Talbot und Ankaret Le Strange, erstmalig in Frankreich nachweisbar. Zu diesem Zeitpunkt konnte er bereits eine Reihe militärischer Erfolge in Wales und Irland 180 Pollard,

John Talbot. Neben der zeitgenössischen Chronistik stützt Pollard sich vor allem auf die in verhältnismäßig großem Umfang erhaltenen Schriftzeugnisse der englischen Chambres des Comptes in Paris und Rouen. Hierzu zählen insb. Auflistungen von Bewaffneten, Aufzeichnungen über die Verleihungen von Ämtern und Ländereien sowie Belege über die Bezahlung von Truppen, Ausrüstung und Dienstleistungen. Die Quellen werden heute vor allem in der Bibliothèque nationale de France, den Archives nationales, den Archives départementales de Seine-Maritime und der British Library aufbewahrt und erlauben eine recht detaillierte, wenn auch auf kriegerische Aspekte fokussierende Annäherung an Talbots Werdegang in Frankreich. Zu Talbots Werdegang in Lancastrian France siehe außerdem Allmand, Lancastrian Normandy, passim; Griffiths, Henry VI, passim; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 11, S. 698–704; Collins, Dispute over Patay, bes. S. 115–128, 134–136. 181 Siehe Brill, An English Captain. 182 Siehe Talbot, The English Achilles. 183 Siehe etwa Reynolds, Shrewsbury Book; Duffy, Marking the Hours, S. 67–80. 184 Claxton, Sign of the Dog, bes. S. 138–172. Zur Abschreibung der Tapisserien siehe unten, Kap. 1.3.2, Anm. 219. Zu Talbots Stiftungen siehe auch de Beaurepaire, Derniers mélanges, S. 46–48; Collins, Dispute over Patay, S. 134; Le Cacheux, Rouen, Introduction; Pollard, Talbot, John.

66  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage im Dienst der Lancaster für sich verbuchen und hatte mehrere einträgliche Titel und Ländereien geerbt, die im Jahr 1422 deutlich erweitert wurden und ihn zu einem der wohlhabendsten Adligen Englands machten.185 Vermutlich wohnte er sowohl der Besiegelung des Vertrags von Troyes als auch der Hochzeit Heinrichs V. und Catherines de Valois bei, ohne jedoch maßgeblich mitzuwirken. Involviert war er hingegen in die Vorbereitungen zur Krönung Catherines im Februar 1421 in London.186 Die aktive Beteiligung an den militärischen Erfolgen der Engländer in den frühen 1420er Jahren, wie den Belagerungen von Melun von Juli bis November 1420 und Meaux von November 1421 bis Mai 1422, trug zur Etablierung seines Rufes als fähiger Krieger bei; 1424 wurde Talbot während eines längeren Aufenthaltes in England zum Mitglied des Hosenbandordens ernannt.187 Ebenfalls im Rahmen dieses Aufenthaltes heiratete er, vermutlich im September 1425, in zweiter Ehe Margaret, die älteste Tochter Richard Beauchamps. Die Eheschließung und die enge Bindung an Beauchamp steigerten Talbots Einfluss und Prestige erneut und wirkten sich, wie noch zu zeigen sein wird, auch auf seine Kunstaufträge aus.188 Bindungen, die über die militärische Zusammenarbeit hinausgingen, bestanden auch zum Herzog von Bedford: In einem Brief an John Talbot und seinen gleichnamigen Sohn aus dem Jahr 1428 über die Verleihung französischer Ländereien wird letzterer als Patenkind des Regenten bezeichnet.189 Im März 1427 kehrte Talbot auf den Kontinent zurück, wo er Beauchamp im für die Engländer erfolgreich verlaufenden militärischen Konflikt mit der Bretagne zur Seite gestellt wurde. Bereits im September des gleichen Jahres wurde er vom Herzog von Bedford anstelle John Fastolfs als Gouverneur von Maine und dem Anjou eingesetzt. In diesem Amt erlangte er in den folgenden Monaten mit der Sicherung Maines einen seiner größten militärischen Erfolge.190 Eine Führungsposition hatte Talbot auch beim Angriff auf Orléans im Sommer 1428 inne, dem die bis zum Frühsommer des folgenden Jahres währende Belagerung der Stadt, die durch den Angriff der von Jeanne d’Arc angeführten Franzosen zuguns185 Mit

dem Tod der Ehefrau seines älteren Bruders Gilbert im Jahr 1422 erbte John Talbot Ländereien in Gloucester, Hereford und Shropshire, über den zweiten Ehemann seiner Mutter, Thomas Neville, Lord Furnival, dem Vater von Talbots erster Ehefrau Maud, erbte er 1407 den Titel und die Ländereien des Lord Furnival. Zur Jugend und den Besitzungen Talbots siehe Pollard, John Talbot, S. 7–10. 186 Vgl. ebd., S. 9  f. 187 Vgl. ebd., S. 9  f., 123, Anm. 5; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 11, S. 700. Zum Englandaufenthalt Talbots siehe Pollard, John Talbot, S. 10 f. 188 Zur Eheschließung mit Margaret und zu Verbindungen zwischen Talbot und Beauchamp siehe ebd., S. 8, 11; ders., Talbot, John, S. 704; Frankis, Taste and Patronage, S. 88; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109; Claxton, Sign of the Dog, S. 143 f.; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 159. 189 Paris, AN, JJ 174, 112 zum 5. 2. 1428: „notre treschier […] cousin Jehan Sire de Talbot […] et a Jehan son filz filleul de notre treschier […] oncle Jehan Regent notre Royaume de France duc de Bedford“. Siehe hierzu auch Harriss, Cardinal Beaufort, S. 159. Zu Talbots Verhältnis zu Bedford siehe Collins, Order of the Garter, S. 249. 190 Vgl. ders., Dispute over Patay, S. 117  f.; Pollard, John Talbot, S. 11–13. Siehe ebd. zu den Verleihungen im Einzelnen.

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury  67

ten dieser beendet wurde, folgte.191 Neben den Ereignissen bei Orléans im Allgemeinen nimmt gerade die Zersplitterung der englischen Armee nach ihrer Niederlage im Juni 1429 und der Streit zwischen Talbot und Fastolf bei Patay über das weitere militärstrategische Vorgehen viel Raum in der zeitgenössischen Historiografie ein.192 Hugh Collins begründet den Konflikt, der in der Aufteilung der englischen Truppen, Talbots Marsch gegen die Franzosen und seiner Gefangennahme durch Poton de Xaintrailles sowie der Flucht Fastolfs und seinem daraus resultierenden zeitweiligen Ausschluss aus dem Hosenbandorden resultierte, mit einem unterschiedlichen Verständnis des Ritterideals und der Werte des Hosenbandordens, dessen Bedeutung für Talbot noch anzusprechen sein wird.193 Die Relevanz, die Talbot zu diesem Zeitpunkt auch von französischer Seite bereits ­beigemessen wurde, zeigt sich unter anderem in dem Umstand, dass Karl VII. Xaintrailles den hochrangigen Gefangenen noch im selben Jahr abkaufte. Erst im Frühling 1433 kam Talbot nach umfassenden Lösegeldzahlungen und intensiven, langwierigen Bemühungen seines Schwiegervaters Richard Beauchamp wieder frei und begab sich, nach einem kurzen Aufenthalt in England, zurück ins Kriegsgeschehen auf dem Kontinent.194 Die zunehmenden Rückschläge der Engländer in den 1430er und 1440er Jahren gingen paradoxerweise mit einem weiteren Anwachsen des militärischen Erfolges und Ruhmes Talbots einher, so dass er im Mai 1434 zum Lieutenant-General der Île-de-France und im Juni zum Lieutenant-General des Gebietes zwischen Seine, Oise und Somme ernannt wurde.195 Die Zeit zwischen seiner Gefangenschaft und dem für die Engländer schicksalhaften Herbst 1435 verbrachte er in erster Linie mit der Verteidigung der nördlichen und östlichen Front der Normandie und vor allem von Paris, auf welches sich die englischen Anstrengungen seit dem Verlust zahlreicher Städte an die Franzosen seit den späten 1420er Jahren konzentrierten. Der Tod Bedfords und der Vertrag von Arras im September 1435 sowie der Verlust von Paris im darauffolgenden Jahr zog, wie bereits mehrfach angesprochen, die weitgehende Beschränkung des englischen Herrschaftsbereiches auf die Normandie nach sich. Für Talbot bedeutete dies, dass er sich auf die Sicherung 191 Vgl. ebd., S. 13–16. Zu

den Ereignissen in den Jahren 1428/29 siehe auch Griffiths, Henry VI, S. 188–190; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 32–36; Contamine, Guerre de cent ans, S. 90–97. 192 Besonders beachtenswert ist der Augenzeugenbericht Jean de Wavrins, der dem Gefolge Fastolfs angehörte, Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch IV, Kap. 5–14, S. 244–311, zum Konflikt zwischen Talbot und Fastolf Kap. 13, S. 302–304 und 14, S. 306. Zur chronikalen Überlieferung zu den Auseinandersetzungen bei Orléans und dem Streit Talbots und Fastolfs siehe außerdem die Darstellungen bei Le Fèvre, Chronique, Kap. 159, S. 143–145; Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 61, S. 554; Brut Chronicles, S. 435, 450; Basin, Charles VII, Buch II, Kap. 12, S. 141–143. Siehe hierzu auch Pollard, John Talbot, S. 16 f.; Taylor, Ideals of Knighthood, S. 147 f.; Collins, Dispute over Patay, S. 119–121. 193 Vgl. ebd., bes. S. 135  f. Hierzu auch Pollard, John Talbot, S. 123. 194 Vgl. ebd., S. 17  f. Zur Gefangenschaft Talbots, über die im Einzelnen nichts bekannt ist, siehe Collins, Dispute over Patay, S. 126 f. 195 Vgl. Pollard, John Talbot, S. 18–21. Siehe außerdem Vale, Fastolf ’s „Report“ of 1435, S. 82  f.; Brill, English Preparations, S. 223–247; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 245–249, 314, 320.

68  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage der nun im Brennpunkt der Auseinandersetzung stehenden östlichen Normandie und damit vor allem Rouen konzentrierte – und dies mit relativ großem Erfolg.196 Zu Beginn des Jahres 1436 wurde er zum Captain von Rouen und Caudebec ernannt – ersteren Posten hatte zuvor der Regent Bedford innegehabt – und im Mai desselben Jahres zum Marschall von Frankreich.197 Nennenswerte (Rück-)Eroberungen in den folgenden Jahren trugen erneut zu seinem militärischen Ruhm bei; Pollard geht auf Basis dieser Erfolge sowie der Größe der Truppen und des persönlichen Gefolges davon aus, dass Talbot zwischen 1435 und der Mitte der 1440er der wichtigste englische Kommandeur in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich war.198 Im Jahr 1441 betraute man ihn mit dem vorrangigen Kommando über die englische Armee in der Normandie, 1442 erhielt er die Grafschaft von Shrewsbury.199 Zu Talbots einflussreichen militärischen Positionen in der dritten und vierten Dekade des 15. Jahrhunderts trugen neben seinem kriegerischen Geschick enge persönliche Bindungen zu den Personen bei, die nach dem Tod Bedfords das Amt des Gouverneurs und Lieutenant-General der Normandie – und damit die höchste administrative Position in der englisch besetzten Normandie – innehatten. Dies war von 1436 bis 1437 und erneut ab 1440 Richard Plantagenet, der Herzog von York, der beispielsweise für die Empfehlung Talbots zur Ernennung zum Marschall von Frankreich verantwortlich gewesen war. Im Jahr 1444 fungierte Talbot als Taufpate für den Sohn und die Tochter des Herzogs in der Kathedrale von Rouen.200 Von 1437 bis zu seinem Tod im Jahr 1439 wiederum bekleidete der Waffengefährte und Schwiegervater Talbots, Richard Beauchamp, das Amt.201 196 Zur

Umorientierung der englischen Armee und Talbots Rolle in diesen Entwicklungen siehe ausführlich Pollard, John Talbot, S. 21–51; außerdem Griffiths, Henry VI, S. 191–216; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 36–40; Baume, Opérations militaires anglaises. Zum Aufbau der englischen Armee und Verwaltung in der Normandie siehe ebd.; Curry, English Armies; dies., Loss of Lancastrian Normandy; dies., Military Organization; dies., Service féodal en Normandie. Talbots militärische Erfolge nach seiner Freilassung werden ausführlich von den Zeitgenossen thematisiert, siehe etwa Journal d’un Bourgois de Paris, a. 1441, 798, S. 358 f.; Basin, Charles VII, Buch III, Kap. 14, S. 263 und passim; Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 157, S. 627; Wavrin, Recueil, 1431–1447, Bd. 5, Buch V, Kap. 12, S. 43–46; Chronicles of London, S. 135–144. 197 Zu Talbots militärischen Positionen siehe Pollard, John Talbot, S. 22, 36–38. 198 Zur Zusammensetzung von Talbots Truppen und seinem persönlichen Gefolge siehe ebd., S. 68–101, hier 68. 199 Zur Verleihung der prestigeträchtigen Grafschaft siehe ebd., S. 8, 59; zum Verlauf der militärischen Karriere Talbots in den 1440ern ebd., S. 41–67. 200 Rouen, ADSM, G 2130, Eintrag zum 18. 5. und zum 22. 9. 1444. Zu Verbindungen zum Herzog von York siehe Pollard, John Talbot, S. 38–42, 58, 81 f. mit Quellenangaben. 201 Nach dem Tod Beauchamps wurde eine Art Übergangsregierung unter dem Herzog von Somerset installiert, in welcher Talbot einige seiner Ämter und Einkünfte entzogen wurden. Mit der erneuten Ernennung des Herzogs von York zum Gouverneur und Lieutenant-General der Normandie erhielt Talbot diese zurück. Zum sich zuspitzenden Konflikt zwischen den Häusern Lancaster und York in den 1450ern siehe Watts, Henry VI, S. 260–362; Hicks, Wars of the Roses, S. 59–163; Carpenter, Wars of the Roses, S. 116–155; Pollard, Wars of the Roses, S. 23–29. Insb. zu Talbots Position in diesem siehe ders., John Talbot, S. 133 f.; Keen, England in the Later Middle Ages, S. 436–447.

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury  69

In den 1440er Jahren gewann Talbot zunehmend an politischem Gewicht und nahm an wichtigen diplomatischen Verhandlungen und Gesandtschaften teil: Neben der Beteiligung an den Vorverhandlungen zum Friedensvertrag von Tours im April 1444 ist hier vor allem seine bereits einleitend angesprochene maßgebliche Rolle im Empfang Marguerites d’Anjou zu nennen.202 Der Graf von Shrewsbury und seine Ehefrau gehörten der detailliert vom Chronisten Mathieu d’Escouchy beschriebenen Eskorte an, die die französische Prinzessin zu Beginn des Jahres 1445 in Nancy in Empfang nahm, um sie nach England zu ihrer Vermählung mit dem englischen König Heinrich VI. zu geleiten.203 Nach einem zweijährigen Aufenthalt in England kehrte Talbot in die Normandie zurück und konnte an der Seite des Grafen von Somerset Erfolge in den militärischen Auseinandersetzungen mit der Bretagne erzielen.204 Eben diese Auseinandersetzungen führten jedoch auch zu einem der größten und nachhaltigsten Rückschläge der Engländer auf dem Kontinent: Nach der Eroberung von Fougères durch Talbot und Somerset im Frühling 1449 wendete sich der Herzog der Bretagne hilfesuchend an den französischen König Karl VII., der daraufhin im Juli in die Normandie einfiel und diese in den folgenden Monaten wieder weitestgehend unter französische Kontrolle bringen konnte. Im Oktober 1449 fiel Rouen an die Franzosen, und Talbot musste als prominente Geisel dem prunkvollen Einzug Karls VII. in die Stadt beiwohnen und ihm öffentlich den Treueeid leisten – ein Ereignis, das umfassend von den Historiografen der Zeit thematisiert wurde.205 Besonders ausführlich gehen erwartungsgemäß die im Dienste Karls VII. stehenden Historiografen wie Gilles le Bouvier und Jean Chartier auf den Einzug ein, zumindest ersterer wohnte dem Ereignis sehr wahrscheinlich als Augenzeuge bei. Neben einer Beschreibung der beteiligten Personen und ihrer Ausstattung wird die Route durch die Stadt, der freudige Empfang durch die Bürger und die festliche Dekoration zu Ehren des Königs dargelegt: Neben der Fleur-de-Lis spielte vor allem das weiße Kreuz eine große Rolle in der politischen Bildsprache des Einzugs, das von Karl VII. seit 1429 zunehmend als politisches Symbol eingesetzt wurde und das die Bevölkerung Rouens nun offenbar ihrerseits nutzte, um ihre Loyalität gegenüber Karl zur Schau zu stellen.206 Talbot und die anderen englischen Geiseln betrachteten das Spektakel den genannten Chronisten zufolge an 202 Zu

den Verhandlungen zum Vertrag von Tours siehe ebd., S. 395–399; Pollard, John Talbot, S. 61; Ramsay, Lancaster and York, Bd. 2, S. 58–61; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 278– 283; Griffiths, Henry VI, S. 482–490. 203 D’Escouchy, Chronique, Kap. 12, S. 85–89. Zur Eskorte vgl. Pollard, John Talbot, S. 61; Ramsay, Lancaster and York, Bd. 2, S. 63 f.; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109 f. 204 Vgl. Pollard, John Talbot, S. 61–65. Zum Aufenthalt in England und Irland von 1445 bis 1447 siehe ebd. 205 Zu den letzten Jahren der englischen Herrschaft in der Normandie siehe ebd., S. 62  f.; Curry, Loss of Lancastrian Normandy. 206 Vgl. die Darstellungen bei le Bouvier, Charles VII, S. 323–328; Chartier, Charles VII, Kap. 207, S. 154 und Kap. 209, S. 160–172; Monstrelet, Chronicles, Buch III, Kap. 25, S. 170–173; d’Escouchy, Chronique, Kap. 37, S. 228–244; Wavrin, Recueil, 1447–1471, Bd. 6, Buch II, Kap. 9, S. 144 f. Zur Verwendung des weißen Kreuzes durch Karl VII. siehe Beaune, Naissance, S. 81, 118, 194–206, 234.

70  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage exponierter Stelle von einem Fenster bei der Kirche Notre-Dame – „moult pensifs et marris en leur cœur“.207 Welch geringe Bedeutung Talbot einem dem französischen König geleisteten Eid beimaß, zeigte sich bereits zwei Jahre später: Nachdem er im Juli 1450 freigelassen wurde, begab er sich nach einer auf eigenen Wunsch unternommenen Pilgerreise nach Rom und einem Aufenthalt in England im März 1452 zurück nach Frankreich, um – entgegen seines Versprechens gegenüber Karl VII., keinen Krieg mehr gegen Frankreich zu führen – als mittlerweile weit über Sechzigjähriger ein letztes Mal zu den Waffen zu greifen. Zunächst mit der Verteidigung von Calais betraut, fiel er im Herbst des gleichen Jahres in die im Jahr zuvor von Karl VII. eroberte Gascogne ein.208 Kurz zuvor, am 1. September 1452, hatte er sein Testament aufsetzen lassen.209 Am 17. Juli des folgenden Jahres starb er bei dem Versuch, das von den Franzosen belagerte Castillon bei Bordeaux zu befreien, der letzten großen Schlacht des Hundertjährigen Krieges. Von dem Eindruck, den Talbots letzter Einsatz im Dienste der Lancaster bei den Zeitgenossen hinterließ, zeugen zahlreiche Beschreibungen der Schlacht in den Chroniken. Hiervon ist die um 1465 verfasste Darstellung Mathieu d’Escouchys besonders aufschlussreich: Detailliert berichtet der Autor über die Verhandlungen und Auseinandersetzungen im Vorfeld, die Vorbereitungen und den Marsch Talbots und seiner Truppen auf das Schlachtfeld sowie das demonstrative Aufrichten seiner Standarte.210 Bildreich geht er auf Talbots Tod und die anschließende Konfusion im französischen wie auch englischen Lager über die Identifizierung der zerfetzten Leiche ein, die letztendlich anhand eines fehlenden Backenzahns durch Talbots Herold erfolgte.211 207 Chartier,

Charles VII, Kap. 209, S. 170. Siehe auch le Bouvier, Charles VII, S. 327; Monstrelet, Chronicles, Buch III, Kap. 25, S. 172. 208 Zur Pilgerreise und dem Aufenthalt Talbots in England siehe Pollard, John Talbot, S. 66  f., 131–135 mit weiteren Literaturhinweisen. Zu Talbots Aktivitäten in der Gascogne und dem Ende der englischen Herrschaft dort siehe ebd., S. 134–138; Vale, English Gascony, S. 141– 153. Zur Gefangenschaft Talbots siehe auch Curry, Loss of Lancastrian Normandy, S. 44. 209 Ein Probatum des Testaments aus Lambeth vom 18. 1. 1453 ist erhalten in London, Lambeth Palace Library, Register Stafford and Kemp, fol. 311v–312v. Dieses wurde 1904 von Gilbert H. F. Vane mit einigen kleineren Fehlern ediert: Will of John Talbot, S. 372–378. 210 D’Escouchy, Chronique, Kap. 92, S. 34–40, zum Aufrichten der Standarte S. 40: „Talbot […] marcha tousjours en approchant icellui parc, à l’entrée fist porter son estenddart, et le mettre et pozer à ung des esteaux dont la barrierre d’icellui parc se fermoit“. Siehe außerdem die Darstellungen der Schlacht beim Monstrelet-Kontinuator Monstrelet, Chronicles, Buch III, Kap. 65, S. 224–226; Wavrin, Recueil, 1447–1471, Bd. 6, Buch III, Kap. 3, S. 243–247; le Bouvier, Charles VII, S. 389 f.; Basin, Charles VII, Buch V, Kap. 7, S. 194–202; Chartier, Charles VII, Kap. 260, S. 1–9. 211 D’Escouchy, Chronique, Kap. 92, S. 41–43, zur Identifizierung Talbots durch seinen Herold S. 42 f.: „Auquel herault de Talbot fut demandé, se il véoit son maistre, se il le recongnoisteroit; […] il se mist à genoulx et dit que incontinent en saveroit la verité; et lors lui boutta l’un des dois de sa main destre en la bouche, pour querir au costé senestre ung dent maceler qu’il savoit de certain qu’il avoit perdu, lequel il trouva ainsy comme il entendoit; et incontinent qu’il ot trouvé, lui estant à genoulx comme dit est, le baisa en la bouche, disant ces mos: ‚Monseigneur mon maistre, monseigneur mon maistre, ce estes-vous! je prie à Dieu qui vous pardoinst vos meffais. J’ay esté vostre officier d’armes xl ans ou plus, il est temps que je le vous rende,‘ en faisant piteux cris et lamentacions et en rendant l’eaue par les yeux très

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury  71

1.3.2. Talbot als Stifter und Besitzer von Kunst Wie im Falle Richard Beauchamps liegen auch zu John Talbot keine Inventare oder vergleichbare Dokumente vor, die es erlauben würden, seine Luxus- und Kunstgüter auch nur annähernd zu rekonstruieren, schlaglichtartig sind aber dennoch Aussagen zu seinen Stiftungen und Aufträgen möglich. Dass der Graf von Shrewsbury über die Mittel verfügte, auch teure Kunstwerke in Auftrag zu geben, steht außer Frage, und nicht zuletzt das außergewöhnlich reich ausgestattete Shrewsbury Book belegt, dass er dies auch tat.212 Während weder schriftliche Hinweise noch Objekte erhalten sind, die auf den Erwerb oder die Stiftung von kunsthandwerklichen Erzeugnissen in Paris schließen ließen, ist beides für die Rouennaiser Zeit nachweisbar. So stiftete Talbot etwa der Kirche Saint-Sépulcre in Rouen am 22. Dezember 1444 eine Reihe liturgischer Textilien, unter anderem „deux paremens d’autel […], semez de jartiers pers“, die am Festtag des heiligen Georg verwendet werden sollten.213 Der heilige Georg spielt auch in Talbots testamentarischen Verfügungen zu seinem Begräbnis eine wichtige Rolle: So nennt er als präferierten Ort seiner Beisetzung die Pfarrkirche St Alkmund’s in Whitchurch, Shropshire: „on the Right syde of the Chauncell where y wolle be bylte and made a Chapelle of oure Lady & Seynt George for me at my Coste and charge“.214 Zugleich stiftete er der Kirche Gedenkmessen für sich, seine Ehefrau und ihre gemeinsamen Kinder, seine Vorfahren und Wohltäter.215 Als alternativen Bestattungsort nennt Talbot die von seipiteusement. Et lors devesti sa cotte d’armes, et le mist sus sondit maistre.“ Seine Informationen bezieht d’Escouchy laut eigener Aussage von zahlreichen Teilnehmern der Schlacht, ebd., S. 41: „Et me fut certiffié par heraulx et officiers d’armes, et pluseurs seigneurs et gentilzhommes, que à icelle heure et pour ce jour morrurent aveuc ledit seigneur de Talbot iiii mille hommes, ou plus“. Zum Tod Talbots siehe außerdem Pollard, John Talbot, S. 1, 136– 138; ders., Talbot, John, S. 703. 212 Pollard stellt auf Basis der überlieferten Einnahmen und Ausgaben des Grafen heraus, dass dieser neben seiner militärischen Tätigkeit vor allem als Kaufmann aktiv war, mehrere Schiffe besaß und mit Salz, Wolle und Tuch handelte, jedoch kaum in Land investierte oder als Bauherr tätig war, Pollard, John Talbot, S. 102–121. Hierzu auch Claxton, Sign of the Dog, S. 171 f. 213 Rouen, ADSM, G 9336: „par devocion nous ayons donne a lesglise du sépulcre pour honneur et Reverence de Dieu et de mons saint george […] une chapelle fournie de chasuble tunique dalmatique […] deux chappes et deux paremens dautel autrement nommez contre-autielz. de drap de damas blanc, semez de jartiers pers […]. vestemens aournemens et paremens dessus diz, en tant que donne en y avon. Nous lavons fait en propos intencion et volonte qui soient gardez et usez pour la decoracion et service dicelle esglise et non dautre especialment a la feste de mondit sieur saint george“. Das Dokument wurde verschiedentlich ediert, u. a. von Le Cacheux (Hrsg.), Rouen, S. 378 f. Siehe zur Stiftung auch de Beaurepaire, Derniers mélanges, S. 46–48; de la Quérière, Saint-Sépulcre, S. 10, 20 f.; Pollard, John Talbot, S. 124; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111; Collins, Dispute over Patay, S. 134. Neben dieser Stiftung lassen sich Zuwendungen an die Madeleines von Rouen in den Jahren 1442 und 1449 feststellen, Rouen, ADSM, Hospices Civils de Rouen, A10 und A 11. 214 London, Lambeth Palace Library, Register Stafford and Kemp, fol. 311v. Die Kapelle wurde vermutlich nie errichtet, siehe hierzu: Will of John Talbot, S. 373, Anm. 1. Siehe auch Pollard, John Talbot, S. 124; ders., Talbot, John, S. 704. 215 London, Lambeth Palace Library, Register Stafford and Kemp, fol. 311v: „Also y wolle and ordeyn that there be a Colege founded in the seide churche to the value of xl li […] by yere

72  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage nem Schwiegervater Richard Beauchamp in Warwick errichtete Grabkapelle, in welcher dieser auch selbst beigesetzt worden war, allerdings nur, falls er bis zum Zeitpunkt seines Todes den Titel des Grafen von Warwick geerbt haben würde.216 Das enge Verhältnis zu Margaret und ihrer Familie zeigt sich noch in einer Reihe weiterer Verfügungen: Zum einen wird sie als erste Testamentsvollstreckerin genannt, und den gemeinsamen Kindern wird eine deutliche Präferenz gegenüber Talbots Nachwuchs aus erster Ehe eingeräumt.217 Zum anderen wird Margaret der Großteil der aufgeführten beweglichen Güter vermacht, darunter zwei von vier Schiffen, von denen eines bezeichnenderweise auch Margarete heißt, sowie mit den Devisen des Paares – dem Talbot Hund und dem Beauchamp ragged staff – verziertes Silbergeschirr: „alle suche Vessell of Sylver as byn maked with myne Armes and hers togedere or with the dogge or with the ragged staf“.218 Dies ist die einzige Erwähnung von Kunst im Testament. Weder das genannte Silbergeschirr noch die der Kirche Saint-Sépulcre gestifteten Textilien sind erhalten, und auch sonst sind abgesehen von Talbots illuminierten Handschriften keine mit seinem Auftrag oder seinem Besitz in Verbindung zu bringenden Kunstwerke überliefert.219 Auch hier stellen also die Prachthandschriften die primäre Quelle zur Beurteilung der Nutzung von Kunst durch den Grafen von Shrewsbury und seine Ehefrau dar.

1.3.3. Die Handschriften John Talbots Was die Frage nach der politischen Nutzung von Kunst im Kontext der letzten Jahre des Hundertjährigen Krieges angeht, ist das bereits mehrfach genannte Shrewsbury Book, eine Sammlung französischer Traktate, Chroniken, Legenden over the value of the personage of the seide churche. And that the seide Personage and other chirches goo to the Fundacion of the seide Colege to pray for me and my wyf and alle oure Childeryn Auncestours and alle oure goode doers“. 216 Ebd.: „or els to be beried in the Colege of Warre[wick] in the Newe Chapelle there the whiche Richarde late Erle of Warre[wick] my fader in lawe late let make and ordeyn. In case that eny tyme hereaftre y may attayne to the name and lordeship of Warewik as right wolle.“ 217 Ebd., fol. 312r und passim. Die drei gemeinsamen Söhne mit Margaret, John, Louis und Humphrey, werden mehrfach bedacht, ersterer wird darüber hinaus zum Aufseher über die Testamentsvollstreckung ernannt. Die Kinder aus erster Ehe werden nur zum Teil genannt. Talbots ältester Sohn, der lediglich als Sohn und Erbe bezeichnet wird, wird angewiesen, die Vollstreckung nicht zu behindern, ebd., fol. 312v. 218 Ebd. Zu Talbots heraldischen Emblemen siehe de Birch, Catalogue of Seals, Bd. 3, S. 572  f. 219 Ann Claxton schreibt einen Teil der heute im Victoria & Albert Museum aufbewahrten Devonshire Tapisserien der Patronage Talbots und seiner Ehefrau Margaret zu. Ihre Deutung basiert zum einen auf Hinweisen zur Provenienz: Die Tapisserien gelangten im 19. Jh. aus Hardwick Hall in Derbyshire, welches in den 1590ern von der Gräfin von Shrewsbury errichtet worden war, in das Victoria & Albert Museum. Es ist also möglich, dass sie sich im späten 16. Jh. im Besitz der Familie befanden. Zum anderen liest Claxton die Buchstaben auf dem Gewand einer adligen Dame, die auf der Tapisserie, die eine Bären- und Eberjagd zeigt, dargestellt ist, als das Motto des Grafen von Shrewsbury „mon seul desir“, Claxton, Sign of the Dog, hier S. 148 f. Wahrscheinlicher ist jedoch Woolley, Devonshire Hunting Tapestries, S. 58 folgend eine Deutung der Buchstaben als „moult le desire“. Siehe ebd. zur Bedeutung des Mottos und ebd., S. 21–23 zur Provenienz der Tapisserien.

1.3. John Talbot, Graf von Shrewsbury  73

und Chansons de geste, deren Ausstattung in die Rouennaiser Buchmalerei der späten 1430er und 1440er verortet wird, von herausragendem Interesse (Kat. 13) (Abb. 17–22; Farbabb. 13–18).220 Kompiliert wurde die Handschrift 1444/45 im Auftrag des Grafen von Shrewsbury als Geschenk für Marguerite d’Anjou, anlässlich ihrer Vermählung mit Heinrich VI. Ein Großteil der Texte war jedoch höchstwahrscheinlich bereits vor der Bekanntmachung der Eheschließung für andere Zwecke angefertigt oder begonnen worden und musste überhastet für die Schenkung adaptiert werden. Als Gesamtwerk datiert das Shrewsbury Book damit mehr als eine Dekade nach der Entstehung der Pariser Prachthandschriften Bedfords, also in eine Zeit, aus der ansonsten keine für englische Auftraggeber in Frankreich angefertigten Handschriften von vergleichbar aufwendiger Ausstattung erhalten sind. Auch hinsichtlich der beinhalteten Texte und der Ikonografie weicht die Kompilation deutlich von allen hier erörterten Handschriften ab, ein Aspekt, auf den bei der Frage nach der Repräsentativität für die englische Kunstpatronage in Lancastrian France zurückzukommen sein wird. Von größter Bedeutung für die vorliegende Arbeit ist die prachtvolle, reich ­heraldisch verzierte Widmungsdoppelseite der Kompilation. Sie zeigt links eine Illustration der Übergabe des Buches durch den Grafen an Marguerite sowie eine höchst aufschlussreiche Widmungsinschrift und rechts eine Ahnentafel Heinrichs VI. in Form einer abstrahierten Fleur-de-Lis. Daneben ist eine Reihe der in unterschiedlichem Umfang illuminierten Texte von Interesse, etwa die Legende Guy de Warrewik, die Chroniques de Normandie, Christine de Pizans Livre des Fais d’Armes et de Chevalerie, Alain Chartiers Bréviaire de Nobles und die Statuten des Hosenbandordens. Neben dem Shrewsbury Book können der Patronage John Talbots beziehungsweise Talbots und seiner Ehefrau Margaret Beauchamps drei weitere illuminierte Handschriften zugewiesen werden, deren illustrative Ausstattung in die Rouennaiser Buchmalerei der1430er bis 1440er Jahre verortet und zum Großteil sogar den gleichen Künstlergruppen zugeschrieben wird: die im Fitzwilliam Museum in Cambridge aufbewahrten sogenannten Hours of John Talbot (Kat. 14a) (Abb. 23, 24; Farbabb. 19, 20) und Hours of Margaret Beauchamp (Kat. 14b) (Farbabb. 21– 25) sowie ein weiteres derzeit in der University of Aberdeen aufbewahrtes Stundenbuch Talbots (Kat. 14c) (Farbabb. 26–29).221 Nicht nur im Hinblick auf die 220 London,

BL, Royal MS 15 E. VI (Pergament, 440 fol., ca. 475 x 335 mm). Siehe zur Handschrift Reynolds, Shrewsbury Book; Frankis, Taste and Patronage; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 177–179; Merisalo, Codice Miscellaneo sowie die Beiträge in Hedeman und Fresco (Hrsg.), Collections in Context, S. 97–188. 221 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950 (Talbot Hours) (Pergament, 144 fol., ca. 275 x 110 mm); Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950 (Beauchamp Hours) (Pergament, 102 fol., ca. 220 x 110 mm); Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1 (Pergament, 121 fol., ca. 224 x 90 mm). Zu den Handschriften siehe Payne und Backhouse, Books of Hours; James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83 und 84, S. 218–238; Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 441–453; Ker, ­Medieval Manuscripts, Bd. 2, S. 113–118; Crispin, French Book Illumination sowie knapp Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113; dies., English Patrons, S. 305 f.

74  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage malerische Ausführung bestehen enge Zusammenhänge zwischen den drei Werken, sondern auch bezüglich der beinhalteten Gebetstexte und der Ikonografie ihrer Illustrationen. Es ist daher anzunehmen, dass sie zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen waren. Von großem Interesse sind ferner die fast identisch gestalteten Widmungsseiten, die jeweils den Graf und die Gräfin von Shrewsbury im Gebet an die Jungfrau Maria, flankiert von ihren Schutzheiligen Georg und Margareta zeigen. Alle drei Stundenbücher umfassen das Standardtextrepertoire des für englische Nutzer üblichen Brauchs von Sarum, sie wurden jedoch in zum Teil mehreren Kampagnen um zusätzliche, wahrscheinlich auf Wunsch der Auftraggeber eingefügte Texte erweitert. Die Cambridger Talbot Hours weisen hier einen besonders interessanten Befund auf: Ihre Erweiterungen und Modifikationen lassen eine ganze Reihe von Rückschlüssen auf die Devotionspraxis des Grafen von Shrewsbury und die Adaption lokaler Brauche während seiner Stationierung im Norden Frankreichs zu.

1.4. Sir John Fastolf Fragt man nach der Instrumentalisierung politisch aufgeladener Bilder zur Propagierung der englischen Ansprüche auf die französische Krone, zeigt sich im Fall von Sir John Fastolf, der von 1422 bis 1435 als Maître d’Hôtel des Regenten Bedford fungierte, ein besonders großer Abstand zwischen schriftlichen Zeugnissen über seine Sicht der aktuellen politischen Situation und Bildquellen oder Hinweisen auf diese: Während eine ganze Reihe von Schriftquellen überliefert ist, in denen er sich bisweilen sehr explizit zu den internationalen politischen Entwicklungen äußert und sich für den Krieg in Frankreich ausspricht, spielt der Anspruch Heinrichs VI. in den erhaltenen oder rekonstruierbaren Kunstwerken Fastolfs keine Rolle. Aufschlussreich für die vorliegende Studie sind sie jedoch hinsichtlich seiner Positionierung im innerenglischen Machtgefüge und der Darstellung seines sozialen Status’. Umfassende monografische Studien, wie sie für den Herzog von Bedford und den Grafen von Shrewsbury aufgeführt wurden, existieren für John Fastolf bisher nicht. Dank seiner vergleichsweise wichtigen Rolle in den militärischen Auseinandersetzungen mit Frankreich und seiner prominenten Position im Haushalt des Regenten findet er jedoch Berücksichtigung in etlichen Überblicksdarstellungen, die zur Skizzierung seines Werdegangs herangezogen werden können.222 Im Blick der Forschung standen darüber hinaus einige Einzelaspekte seiner Karriere in Lancastrian France: Hierzu zählt etwa seine berüchtigte, bereits von den zeitgenössischen Historiografen ausführlich thematisierte ‚Flucht‘ nach der gescheiterten Belagerung von Orléans 1428/29 und der anschließenden Niederlage gegen 222 Eine Ausnahme

bildet die 1982 an der Universität Oxford vorgelegte, unpublizierte Dissertation von Anthony Smith, die allerdings auf Fastolfs Werdegang in England in den 1440ern und 1450ern fokussiert, Smith, John Fastolf.

1.4. Sir John Fastolf  75

französische Truppen bei Patay, bei welcher John Talbot und weitere hochrangige englische Kommandeure gefangen genommen wurden.223 Kontrovers diskutiert wurde zudem seine Stellungnahme zur politischen Situation im Vorfeld des Vertragsschlusses von Arras im Jahr 1435.224 Der Schwerpunkt der bisherigen geschichtswissenschaftlichen Forschung zu Fastolf liegt jedoch auf seinem Wirken in England nach seiner Rückkehr aus Frankreich im Jahr 1439 – und hier insbesondere auf den Erweiterungen und der Verwaltung seiner Ländereien in East Anglia in den 1440er und 1450er Jahren sowie seiner Verwicklung in zahlreiche Streitigkeiten um Grundbesitz, Güter und Geld.225 Ein Grund hierfür liegt zweifelsohne in der für diese Periode ausnehmend guten Quellenlage; Charles Armstrong betont zurecht „Fastolf ’s exceptional concern with documentation which could support his own claims.“226 So sind zum einen verhältnismäßig viele Schriftzeugnisse aus der Hand seines Sekretärs William Worcester überliefert, aus denen Fastolfs Bemühungen ersichtlich werden, ihm seiner Ansicht nach zustehende Güter, Gelder und Wertgegenstände an sich zu bringen.227 Zum anderen haben sich aus dem Umfeld der Familie John Pastons, eines entfernten Verwandten Fastolfs, der als Verwalter für ihn tätig war, eine große Anzahl diesbezüglicher Briefe und administrativer Dokumente erhalten.228 Wenn auch der Fokus des vorliegenden Buches auf Fastolfs Tätigkeit in 223 Siehe

hierzu Collins, Dispute over Patay mit weiteren Quellen- und Literaturhinweisen. 224 Siehe Vale, Fastolf ’s „Report“ of 1435, zum Forschungsdiskurs bes. S. 78  f., 81; Brill, English Preparations. Der Text ist in Lambeth Palace Library, MS 506 erhalten und wurde von Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 575–585 ediert. 225 Genannt seien die Studien Kenneth B. McFarlanes und die hieran anschließenden Arbeiten von Anthony Smith, Jonathan Rose und Colin Richmond: McFarlane, Investments; ders., William Worcester; Smith, John Fastolf; ders., Litigation and Politics; ders., „The Greatest Man of that Age“; Rose, Wills; Richmond, Paston Family. First Phase, S. 206–258; ders., Paston Family. Fastolf ’s Will; ders., Fastolf, Suffolk and the Pastons; ders., Once Again. Fastolf ’s Will; ders., Fastolf and the Land Market. 226 Armstrong, Law of Arms, S. 126. 227 Zu William Worcester und seinen Texterzeugnissen siehe McFarlane, William Worcester; Scrope, Castle Combe, S. 192–198; Allmand und Keen, History, S. 93 f.; Harvey, Worcestre Itineraries, Introduction, S. ix–xviii; Wakelin, Humanism, S. 93–125; Hughes, Stephen Scrope, S. 131–133. 228 Der umfangreiche Dokumentbestand, der heute vor allem in der British Library und im Magdalen College in Oxford aufbewahrt wird, wurde mehrfach mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen ediert, wenn auch keinesfalls vollständig. 1872–1875 brachte James Gairdner eine 6-bändige, die Jahre 1422–1509 umfassende Edition heraus, die 1910 überarbeitet erneut herausgegeben wurde: The Paston Letters. Letztere, dreibändige Edition wird hier verwendet. 1971–1976 edierte Norman Davis die Briefe des 15. Jh.s erneut in einer 2-bändigen Ausgabe und legte einen Schwerpunkt auf die Frage der Schreiber. 2004 wurde seine Edition erneut in überarbeiteter Form aufgelegt, diese zweite Edition wird hier verwendet: Paston Letters and Papers. 2005 wurde sie um einen dritten, bisher ungedruckte Dokumente berücksichtigenden, von Richard Beadle und Colin Richmond herausgegebenen Band erweitert. Dennoch ist ein beträchtlicher Teil des umfangreichen Bestandes nach wie vor unpubliziert, siehe hierzu Thorpe, Writing and Reading, S. 65–80. Einführend zum Dokumentbestand und zur Paston Familie siehe Richmond, Paston Family. First Phase; ders., Paston Family. Fastolf ’s Will; Davis, Paston Letters and Papers, Bd. 1, Introduction, S. xxiv–xxxix.

76  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Frankreich liegt, sollen die genannten Quellen dennoch Berücksichtigung finden, da sie Hinweise auf Kunstwerke in seinem Besitz liefern können. Kunsthistorische Arbeiten zu Fastolfs mäzenatischer Tätigkeit existieren bisher nicht, wenngleich seine illuminierten Handschriften in übergreifenden Studien zur Buchmalerei sowie Untersuchungen zum sogenannten Fastolf Meister Erwähnung finden. Bei diesem handelt es sich nach gegenwärtiger Forschungsmeinung um einem Buchmaler, der zunächst in Paris und dann für die englischen Besatzer in Nordfrankreich tätig war, wo er gelegentlich mit den Talbot-Illuminatoren zusammenarbeitete, in den 1440er Jahren jedoch nach England übersiedelte und eine Werkstatt in London etablieren konnte, welcher Aufträge Fastolfs zugewiesen werden. Auch das mutmaßliche Œuvre des Fastolf Meisters ist bislang nur in Ansätzen untersucht worden und stellt sich überaus heterogen dar.229 Einschlägig für die vorliegende Arbeit sind ferner eine Reihe jüngerer Studien, die sich den Handschriften Fastolfs mit einem literaturhistorischen Ansatz nähern, insbesondere Richard Beadles 2008 erschienener Aufsatz Sir John Fastolf ’s French Books und Deborah Thorpes 2011 in York vorgelegte, unpublizierte Dissertation zu den Autoren und Schreibern in Fastolfs Umfeld.230

1.4.1. Vita und kulturelles Umfeld Der im Jahr 1380 in Norfolk als Sohn Sir John Fastolfs of Caister-on-Sea geborene und im Vergleich zu den bisher besprochenen Akteuren aus verhältnismäßig bescheidenen familiären Verhältnissen stammende John Fastolf stellt das Paradebeispiel eines Kriegsgewinners dar.231 Aufgewachsen im Haushalt des Herzogs von Norfolk und als Knappe tätig unter dem Herzog von Clarence, Thomas of Lancaster, heiratete er im Jahr 1409 die Tochter Lord Robert Tiptofts und Witwe Stephen Scropes of Bolton, Millicent, und konnte durch diese Ehe seine Besitzungen erheblich erweitern. Schon zu Beginn der Regierungszeit Heinrichs V. war er an wichtigen militärischen Kampagnen in Frankreich beteiligt, und 1415 nahm er 229 Wie

beim Großteil der bisher genannten unter einem Notnamen gebündelten Werksgruppen kann vermutlich auch hier eher von einer Gruppe kooperierender Buchmaler als einer Einzelperson ausgegangen werden. Zum dem Fastolf Meister zugeschriebenen Œuvre siehe Wüstefeld, Prayer Roll, bes. S. 240–246, mit einem Überblick zur bisherigen Forschung, sowie jüngst Clark, Art in a Time of War, bes. S. 278–282; jüngst Stratford, Sobieski Hours, bes. S. 181, 208–210; außerdem Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249–251; ders., Foreign Illuminators, S. 49, 52; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 53–55, Nr. 670, 695, 696; Plummer, Last Flowering, S. 1 f., 15.; außerdem knapp Avril, La Normandie, S. 169; Backhouse, Books of Hours, S. 30 f.; König, Stundenbuch Vat. lat. 14935, S. 244 f. Die Bezeichnung ‚Fastolf Meister‘ wurde 1952 von Otto Pächt geprägt, siehe Notes and News (o.A.), S. 1. 230 Beadle, Fastolf ’s French Books; Thorpe, Writing and Reading. 231 Zum Werdegang Fastolfs siehe Smith, John Fastolf; Harriss, Fastolf, Sir John; Allmand, Lancastrian Normandy, passim; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 292 f.; Scrope, Castle Combe, S. 170–175; Griffiths, Henry VI, passim; die populärwissenschaftliche Darstellung Bennett, Six Medieval Men and Women, S. 30–68; Thorpe, Writing and Reading, S. 1–6, mit umfangreichen Literaturhinweisen.

1.4. Sir John Fastolf  77

an der Schlacht von Agincourt teil, worauf er zum Ritter geschlagen und mit einer Reihe französischer Ländereien und militärisch-administrativer Ämter entlohnt wurde.232 Ein maßgeblicher Sprung in Fastolfs Karriere vollzog sich mit dem Regentschaftsantritt des Herzogs von Bedford im Jahr 1422: Er wurde mit dem Posten des Maître d’Hôtel des herzoglichen Haushalts betraut und gehörte damit fortan dem engsten Umkreis des Regenten an. In den folgenden Jahren erhielt er hochrangige militärische Positionen, etwa das Amt des Lieutenant der Normandie.233 Jean de Wavrin, der zeitweise dem Gefolge Fastolfs angehörte, betont wiederholt das große Vertrauen, das Bedford dem Vorsteher seines Haushaltes entgegenbrachte, und bezeichnet Fastolf als einen der „gens du regent“.234 Im Sommer 1424 nahm Fastolf an der erfolgreichen Schlacht von Verneuil teil. Dies verschaffte ihm nicht nur erhebliche finanzielle Gewinne, sondern führte auch zu seiner Erhebung zum Gouverneur von Maine und dem Anjou und brachte ihm eine Reihe weiterer prestigeträchtiger Titel und Ländereien ein. 1426 wurde er zum Ritter des Hosenbandordens geschlagen.235 In den späten 1420er Jahren geriet Fastolfs bis dato steiler Aufstieg ins Stocken: Aufstände in Maine im September 1427, derer er nicht Herr werden konnte, führten zu seiner Ersetzung durch John Talbot im Amt des Gouverneur von Maine und dem Anjou. Wie bereits ausgeführt, zeigte Talbot sich in der Sicherung Maines erfolgreicher als Fastolf, und im Jahr 1428 gelang es den Engländern, ihr Herrschaftsgebiet Richtung Süden auszudehnen und wichtige Stützpunkte an der Loire einzunehmen.236 Ein weitgehendes Ende gesetzt wurde dieser Erfolgsstrecke, wie bereits angesprochen, durch die langwierige und letztendlich gescheiterte Belagerung von Orléans, der eine Reihe von Ereignissen folgte, die Fastolf eine prominente, allerdings keinesfalls glanzvolle Rolle in der zeitgenössischen Chronistik bescherten: Nach der Niederlage von Orléans zog John Talbot mit einem Teil der englischen Armee nach Norden, um dort Fastolf, der während der Belagerung vorwiegend im Haushalt des Regenten in Paris tätig gewesen war, mit Verstärkung zu treffen. Im Disput um das weitere strategische Vorgehen konnte sich der Graf von Shrewsbury durchsetzen, der – im Gegensatz zu Fastolf – das Festhalten an den eroberten Gebieten an der Loire anstelle des Rückzugs und der Sicherung des englischen Herrschaftsgebiets im Norden und Nordosten propagierte. Beim 232 Zur

Jugend Fastolfs und seiner Karriere unter Heinrich IV. und Heinrich V. siehe Harriss, Fastolf, Sir John, S. 134; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 292; Collins, Dispute over Patay, S. 115; Thorpe, Writing and Reading, S. 1–3. Zu Millicent Tiptoft siehe Scrope, Castle Combe, S. 262–264. 233 Vgl. Harriss, Fastolf, Sir John, S.  134; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 293; ­ cFarlane, Investments, S. 186; Thorpe, Writing and Reading, S. 3 und Anm. 14. M 234 Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 4, S. 11; außerdem ebd., Buch IV, Kap. 7, S. 254; Kap. 10, S. 284 f.; Kap. 14, S. 306. Siehe hierzu Visser-Fuchs, Warwick and Wavrin, S. 172–175. 235 Vgl. Allmand und Armstrong, English Suits, S. 292  f.; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 29 f., 61; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 134; Collins, Dispute over Patay, S. 115. 236 Ebd., S. 117  f.; Pollard, John Talbot, S. 12. Siehe oben, Kap. 1.3.1.

78  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage a­ nschließenden Überfall durch die französische Armee bei Patay wurde Talbot gefangen genommen, während Fastolf – Monstrelet zufolge ohne vorher einen einzigen Hieb getan zu haben – entkommen konnte.237 Dieses nicht nur von Monstrelet, sondern auch verschiedenen weiteren Historiografen als hochgradig unehrenhaft bewertete Verhalten stieß offenbar nicht zuletzt beim Regenten Bedford auf Verärgerung und führte zu Fastolfs zeitweiligem Ausschluss aus dem Hosenbandorden. Besonders detailliert sind die Ausführungen Wavrins, der als Gefolgsmann Fastolfs nicht nur dem Konflikt zwischen Talbot und Fastolf beiwohnte, sondern auch mit letzterem floh und die Reaktion des Regenten bei seiner Ankunft in Paris miterlebte.238 Zwar nahm das Verhältnis zwischen Fastolf und Bedford allem Anschein nach keinen größeren Schaden, sein Ruf aber war nachhaltig angekratzt, wie sich in den 1430er Jahren zeigt, als er wiederholt der Unehrenhaftigkeit bezichtigt wurde: Beispiele hierfür finden sich etwa in den Akten des Pariser Parlement zu einem von 1432 bis 1434 ausgetragenen, von Christopher Allmand und Charles Armstrong aufgearbeiteten Rechtsstreit zwischen Fastolf und seinem Receiver-General Thomas Overton, in welchem Overton sich gegen den Vorwurf der Unstimmigkeiten in seiner Buchführung und der Unterschlagung zur Wehr zu setzen hatte; im Rahmen seiner Verteidigung bezeichnete er Fastolf mit Verweis auf Patay als „chevalier fuitif“.239 Gleichzeitig aber zeigen Fastolfs in den Akten des Parlement 237 Monstrelet,

Chroniques, Buch II, Kap. 61, S. 331 f.: „et estoient leurs gens [les Anglais] moult esbahis et effraés, et leurs ennemis au contraire estoient moult enorguellis et resvigurés. Pour quoy il [Fastolf] conseilloit que ilz se retrayssent […] et qu’ilz ne combatissent point leurs ennemis si en haste, jusques ad ce que ilz fussent mieulx rasseurés […]. Lesquelles remonstrances ne furent point bien agréables à aulcuns des capitaines, et par espécial à messire Jehan de Tallebot, et dist que se ses ennemis venoient, qu’il les combateroit. Et par ce que, comme dit est, ledit Fastocq s’en fuy de la bataille sans cop férir“. Zur gescheiterten Belagerung von Orléans siehe Griffiths, Henry VI, S. 188–190; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 32–36; Contamine, Guerre de cent ans, S. 90–97. Insb. zur Auseinandersetzung zwischen Talbot und Fastolf, Talbots Gefangennahme und Fastolf Flucht sowie den unterschiedlichen Darstellungen in der zeitgenössischen Historiografie siehe Collins, Dispute over Patay, bes. S. 118–128, 134–136; außerdem Pollard, John Talbot, S. 16 f.; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 134; Taylor, Ideals of Knighthood, S. 147 f. 238 Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 13  f., S. 294–311, zur Augenzeugenschaft Wavrins ebd., Kap. 13, S. 303 f.; zur Reaktion des Regenten und zum Auschluss aus dem Hosenbandorden ebd., Kap. 14, S. 306: „Jehan Fastre […] vint a Paris devers le regent son maistre, duquel il fut grandement reprochies, et pour ceste cause lui fist oster lordre de la Jaretiere quil portoit, mais aprez, tant en partie pour le raport des remoustrances dessusdites quil avoit fait par plusieurs fois a ses compaignons comme par autres plusieurs excusations raisonnables quil fist tres bien approuvees, luy fut par sentence de proces ladite Jaretiere rendue“. Hierzu auch Visser-Fuchs, Warwick and Wavrin, S. 172 f.; Siehe neben Wavrin und Monstrelet die Darstellungen bei Le Fèvre, Chronique, Kap. 159, S. 143–145; Basin, Charles VII, Buch II, Kap. 12, S. 141–143; Fauquembergue, a. 1429, Bd. 2, S. 312 f. Zur Reaktion Bedfords siehe Collins, Dispute over Patay, S. 124 f., 128 f. 239 Vgl. Allmand und Armstrong (Hrsg.), English Suits, S. 231–268, hier zitiert aus einer Akte vom 11. 2. 1435, ebd., S. 264: „Et a voulu chargier Overton ledit Fastolf d’estre chevalier fuitif, qui est la plus [?grant] charge qu’on puist dire d’un chevalier“. Zu Overton siehe ebd., S. 300 f. Der Konflikt ist auch überliefert bei Fauquembergue, a. 1432, Bd. 3, S. 59; a. 1433, Bd. 3, S. 98 f.; a. 1434, Bd. 3, S. 140. Talbot beschuldigte Fastolf nach seiner Freilassung 1433

1.4. Sir John Fastolf  79

überlieferte Rechtfertigungsbemühungen und seine Anstrengungen, wieder in den Hosenbandorden aufgenommen zu werden, wie sehr ihm daran gelegen war, seinen Ruf wiederherzustellen, und welch hohen Stellenwert der Ritterorden für ihn hatte, wie Hugh Collins herausstellen konnte.240 Fastolfs großes Interesse an Regierungsentscheidungen auf höchster Ebene und sein Bedürfnis, aktiv an diesen teilzuhaben, zeigt sich besonders drastisch im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen in Arras im September 1435, zu denen sich ein ausführlicher Report seinerseits erhalten hat.241 In diesem spricht er sich explizit gegen einen Friedensschluss mit Karl VII. zu dessen als „unryghtfulle demaundes and peticions“ deklarierten Konditionen aus – „that he [Henry] shulde renounce and disclayme hys title and name yn the corowne and royaume of Fraunce entierlye for evyr“ – und äußert sich umfassend zum weiteren politischen und militärstrategischen Vorgehen. Seine Instruktionen wurden dem Rat Heinrichs VI. in Frankreich vorgelegt und anschließend „by agreement of the […] Regent and hys grete counselle“ in Schriftform an die englischen Gesandten in Arras geschickt.242 Fastolf begründet seine Haltung zum einem damit, dass im Falle der Annahme des Friedensangebotes durch Heinrich der Eindruck entstehen könne, dass weder er noch seine Vorgänger jemals das Recht auf die Krone Frankreichs gehabt hätten, und damit alle Kriege und Eroberungen zu nichts als ebenfalls der Unehrenhaftigkeit, siehe die Darstellung bei Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch IV, Kap. 14, S. 306. Vgl. dazu Pollard, John Talbot, S. 123; Collins, Dispute over Patay, S. 125–127, 129 f. Zum Verhältnis zwischen Fastolf und Bedford siehe ebd., S. 125, 128 f.; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 134. 240 Collins, Dispute over Patay. Entsprechende Bemühungen Fastolfs sind ebenfalls in den Akten des Pariser Parlement überliefert, bspw. Allmand und Armstrong (Hrsg.), English Suits, S. 244, zum 16. 3. 1433: „Messire Jehan Fastol dit qu’il a bien servy le roy et pour le bien de lui le roy luy a baillié Jarretiere, et doit moult entendre a garder son honneur que Overton a blasmé sans cause“. Ebd., S. 263 f., zum 11. 2. 1435: „Messire Jehan Fastolf dit que Overton […] a fait propose[r] plusieurs choses contre son honneur injurieusement. Et pour ce lui convient dire aucunes choses pour son honneur conserver. Et dit qu’il est noble, de haulte et noble lignee, et de[s] son jeune aage s’est appliqué au service du roy, et en armes, en pais d’Angleterre et Yrlande [et] ou voyage de Jherusalem; et depuis, par sa vaillance, fu conquise la ville de Soubise et print le capitaine, sire de Helly; et a la venue du roy regent fu le premier qui, en descendant, sailly en la mer jusques a la ceinture, et lui donna le roy la premiere maison qu’il vist en France, et fu capitaine a Harfleu aprés le departement du duc d’Excestre, et en champ vainquy cil qu’il lui offry gaige de bataille en la ville de Calais, et de tout son temps a esté reputé saige, vaillant et preux“. Erst im Jahr 1442 wurde Fastolf wieder in den Hosenbandorden aufgenommen, vgl. Collins, Dispute over Patay, S. 114, 129–131. 241 Der in London, Lambeth Palace Library, MS 506 erhaltene Text wurde von Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 575–585 ediert. Mit Fastolfs Stellungnahme beschäftigen sich Brill, English Preparations; Vale, Fastolf ’s „Report“ of 1435; außerdem knapp Allmand, Lancastrian Normandy, S. 191; Ehlers, Geschichte Frankreichs, S. 333, 343; Dickinson, Congress of Arras, passim. Allgemein zu den Verhandlungen von Arras siehe neben den genannten Studien Vaughan, Philip the Good, S. 99–107; Thompson, Régime Anglo-Bourguignon, S. 53 f.; Warner, Anglo-French Dual Monarchy, passim; den Sammelband Clauzel et al. (Hrsg.), Arras, bes. den Beitrag Allmand, Traité d’Arras. 242 Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 575. Zur englischen Gesandtschaft siehe Dickinson, Congress of Arras, S. 20–52.

80  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage „usurpacion and tirannie“ degradiert würden.243 Zum anderen habe die Gegenpartei bereits eine ganze Reihe früherer Verträge gebrochen, und es sei kaum damit zu rechnen, dass sie sich diesmal an die Vereinbarungen hielten. Explizit verweist er unter anderem auf den als „tretie of pees finalle“ bezeichneten Vertrag von Troyes unter Heinrichs Vater sowie den Freundschaftsvertrag von Amiens zwischen Bedford und den Herzögen von Burgund und der Bretagne im Jahr 1423.244 Neben militärstrategischen Maßnahmen äußert sich Fastolf auch zum bündnispolitischen und wirtschaftlichen Taktieren: So solle Heinrich sich mit Venedig und Genua verbünden, um die englische Seemacht zu stärken und zugleich die Abnahme des englischen Wollexports zu sichern, Flandern hingegen solle von der englischen Wolle abgeschnitten werden, so dass dem burgundischen Herzog „goode and finaunce to susteyne his werre“ fehlten.245 Dass der Herzog von Burgund bereits zu Beginn der Verhandlungen von Arras und nicht erst nach seinem ‚offizi­ ellen‘ Friedensschluss mit Karl VII. explizit als Verräter und keinesfalls mehr als potentieller Bündnispartner angesehen wurde, zeigt sich deutlich in Fastolfs I­nstruktionen zu einer Reihe unter burgundischer Herrschaft stehender Gebiete: Durch diese solle man einen verheerenden Kriegszug führen: brennyng and distruynge alle the lande as thei pas, bothe hous, corne, veignes, and alle treis that beren fruyte for mannys sustenaunce, and alle bestaile that may not be dryven, to be distroiede; […] For it is thoughte that the traitours and rebellis must nedis have anothere manere of werre, and more sharpe and more cruelle werre than a naturelle and anoien ennemye; or els be liklines in proces of tyme no manere of man, ner tounes, ner countries shalle rekenene shame to be traitours nere to rebelle causeles ayens theire souvereyn lorde and ligeaunce.246

Abschließend spricht sich Fastolf dafür aus, den Anteil englischer Berater in militärischen Angelegenheiten in der englischen Regierung Frankreichs zu erhöhen und den seiner Ansicht nach vorherrschenden „Frenshe counseile“ zu reduzieren.247 Die Instruktion zur radikalen Kriegsführung gegenüber ehemals englisch beherrschten Gebieten beziehungsweise mit den Engländern verbündeten und von diesen abgefallenen Parteien als abschreckendes Beispiel für potentielle Rebellen sowie die Anweisung, französisches Personal in Lancastrian France durch Engländer zu ersetzen, unterscheiden sich deutlich von der mit Bedford in Verbindung 243 Stevenson

(Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 576: „it is thought […] that if the king shulde take the said offre in the manere and wise as it is offred hym be his said adversaries, that it myghte be said, noised, and demede in all Christian londis where it shuld be spoken of, that not here the king nor his noble progenitours had, nor have, no righte in the corone of Fraunce, and that alle there werres and conquest hathe be but usurpacion and tirannie.“ 244 Ebd., S. 576  f. Weiterhin solle man keinesfalls zustimmen, die Normandie lediglich als Lehen zu halten, da man dann in ständiger Angst leben müsse, sie ganz zu verlieren, wie es auch schon Heinrichs Vorgängern passiert sei, ebd., S. 577 f. 245 Ebd., S. 583  f. Zu den vorgeschlagenen militärstrategischen Maßnahmen siehe ausführlich ebd., S. 579–585. Siehe hierzu auch Vale, Fastolf ’s „Report“ of 1435, S. 79–82; Brill, English Preparations, S. 216–222. 246 Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 580. Ähnlich auch ebd., S. 581. 247 Ebd., S. 585: „Item, that the king ordeine in this lande sufficient counseiles of Englisshe menne, expert and knowyng them in the werre, and that the werre may be counceiled and gouverned bi speciallie, and not it to be demened so moche be the Frenshe counseile as hit hathe be done herebefore.“ Siehe hierzu auch Pollard, John Talbot, S. 42.

1.4. Sir John Fastolf  81

gebrachten milden Regierungsweise.248 Und auch mit dem Tod des Regenten nur wenige Tage nach dem Aufsetzen der Anweisungen war die friedensorientierte Fraktion der englischen Regierung in Frankreich offenbar einflussreich genug, dass Fastolfs Instruktionen nicht in die Tat umgesetzt wurden.249 Dennoch bietet der Report interessante Hinweise auf Fastolfs Rolle im politischen Gefüge der englischen Regierung und seine Selbstwahrnehmung: Offensichtlich stand es ihm als „knyght, baron […] and graunt maister of the famouse and grete housold of the Regent of the royaume of Fraunce“ zu, sich derartig radikal zu grundlegenden politischen Entscheidungen gegenüber dem Rat Heinrichs VI. zu äußern, und er konnte zumindest damit rechnen, gehört zu werden.250 Hier zeigt sich deutlich, welch großen Sprung er in Bezug auf seinen sozialen Status und sein politisches Gewicht seit Beginn seiner Tätigkeit in Lancastrian France und insbesondere durch seine prominente Position im Haushalt des Regenten vollzogen hatte.251 Nach Bedfords Tod am 14. September 1435 schloss Fastolf sich Richard Plantagenet, dem zunehmend an Einfluss gewinnenden Herzog von York, als Berater an. Im Mai 1436 wurde dieser zum Lieutenant von Frankreich ernannt, ein Amt, das er zunächst bis November 1439 innehatte und das im Juli 1440 erneuert wurde. Auch im sich in den folgenden Jahren zuspitzenden Konflikt mit Vertretern des Hauses Lancaster, wie dem Herzog von Somerset, bezog Fastolf Partei für den Herzog von York.252 Der Tod des Regenten stellte nicht nur eine tiefgreifende Zäsur im Werdegang Fastolfs dar, sondern brachte auch eine langwierige und arbeitsintensive Aufgabe für den ehemalige Maître d’Hôtel mit sich: Er war zu einem der Testamentsvollstrecker Bedfords in Frankreich ernannt worden, eine Pflicht, die erheblich durch die zunehmenden Verluste in Lancastrian France verkompliziert wurde, führten diese doch dazu, dass sich zahlreiche im Testament verhandelte Güter und Ländereien nicht mehr im Zugriffsbereich der Engländer befanden. Auch bei Fastolfs Tod im Jahr 1459 war die Vollstreckung des Testaments noch nicht abgeschlossen.253 Es ist anzunehmen, dass Fastolf im Rahmen seiner Aufgabe als Testamentsvollstrecker einen Teil der Besitztümer Bedfords an sich brachte, sei es durch Kauf oder als 248 Siehe

hierzu oben, Kap. 1.1.1. Fastolf ’s „Report“ of 1435, S. 82. 250 Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 575. 251 Die Bedeutung der Anstellung bei Bedford für Fastolfs sozialen Aufstieg betonen auch McFarlane, Investments, S. 186; Collins, Dispute over Patay, S. 131. 252 Zu Fastolfs Verhältnis zu York siehe Smith, John Fastolf, passim; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 293; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 135. Zum Konflikt zwischen York und Somerset sowie Fastolfs Involvierung siehe außerdem Smith, Litigation and Politics, S. 69 f.; Griffiths, Sense of Dynasty, S. 88–94; Vale, English Gascony, S. 119–142; 459–550 und passim; Carpenter, Wars of the Roses, S. 98–115. Übergreifend zum Herzog von York siehe Johnson, Richard of York; Pollard, Wars of the Roses, passim; Hicks, Wars of the Roses, passim; Watts, Henry VI, S. 266–362. 253 Zur Involvierung Fastolfs in die Vollstreckung von Bedfords Testament siehe McFarlane, William Worcester, S. 201–203; Stratford, Bedford Inventories, bes. S. 21, 34 f., 39 f., 49–53, 401, 403, mit Quellenverweisen. 249 Vgl. Vale,

82  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Ausgleich ausstehender Schulden des Regenten. Eindeutig nachgewiesen werden kann dies jedoch für kein Einzelstück.254 Wie sich der Verlauf des Krieges von den großen militärischen Erfolgen Heinrichs V. über die Etablierung der englischen Regierung in Frankreich ab 1422 bis zu den zunehmenden Verlusten ab den 1430er Jahren auf die Situation einzelner Akteure auswirken konnte, zeigt sich im Falle Fastolfs besonders deutlich in seinem Grundbesitz und seinen Investitionen in Ländereien. Während er bereits zur Zeit Heinrichs V. eine Reihe einträglicher französischer Titel erhalten und in den 1420er Jahren noch intensiv in sowohl englische als auch französische Ländereien investiert hatte, bemühte er sich in den 1430ern darum, seine französischen Besitzungen, die durch die Kriegszerstörungen immer weniger finanziellen Profit einbrachten oder sich wegen der Vorstöße Karls VII. nicht mehr im englischen Zugriffsbereich befanden, zu verkaufen und fokussierte seine Investitionen stattdessen auf East Anglia.255 Dabei stellte er sich, wie Christopher Allmand betont, vergleichsweise geschickt an: Trotz erheblicher Verluste in seinen französischen Ländereien, profitierte er – anders als viele seiner Landsleute – deutlich vom Krieg mit Frankreich und konnte seine finanzielle Situation und seinen sozialen Status maßgeblich verbessern.256 Im Jahr 1439 kehrte Fastolf als fast Sechzigjähriger endgültig nach England zurück, um sich auf die Verwaltung und Erweiterung seiner dortigen Ländereien zu konzentrieren. Hier bezog er zunächst ein Anwesen in Southwark, also in unmittelbarer Nähe des politischen Geschehens in London, und ließ gleichzeitig seinen Hauptsitz in Caister, in welchem er ab 1454 vorwiegend residierte, um- und ausbauen.257 An den politischen Entwicklungen in Frankreich nahm Fastolf weiterhin rege teil: So schickte er William Worcester, der seit 1438 als Diener und Sekretär für ihn tätig war, wiederholt in die Normandie, um dort an seiner statt die Vollstreckung von Bedfords Testament voranzutreiben.258 Überdies sind mehrere Briefe Worcesters an Fastolf erhalten, in denen er ihn über politisch relevante Ereignisse in Frankreich auf dem Laufenden hält.259 Vor allem aber sind weitere 254 Vgl.

ebd., S. 52. wurde einschlägig von McFarlane, Investments untersucht. Siehe außerdem zuletzt Rose, Wills; Smith, John Fastolf, S. 9 f.; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 293; Richmond, Paston Family. First Phase, S. 206–258. Zum Erwerb von Ländereien in den 1420ern siehe McFarlane, Investments, S. 184–186; zu Fastolfs Ländereien und Titeln in Frankreich ebd., S. 187–189. Zu seinem Besitz in England Smith, John Fastolf, S. 1–101; ders., „The Greatest Man of that Age“; ders., Litigation and Politics; Thorpe, Writing and Reading, S. 7–18, 343 f.; Richmond, Fastolf and the Land Market. 256 Vgl. Allmand, Lancastrian Normandy, S. 74  f. Ähnlich Smith, John Fastolf, S. 1; Thompson, Régime Anglo-Bourguignon, S. 55 f. 257 Zum Umzug nach England und zum Ausbau von Caister siehe Hawkyard, Caister Castle; Scrope, Castle Combe, S. 184 f.; McFarlane, William Worcester, S. 200; ders., Investments, S. 186; Rose, Wills; Smith, John Fastolf; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 43. 258 Vgl. ebd., S. 266; McFarlane, William Worcester, S. 199  f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 34. 259 Siehe bspw. Paston Letters and Papers, Bd. 2, Nr. 883, S. 531  f.; Nr. 884, S. 533 f. Zu Fastolfs Interesse an den Entwicklungen in Frankreich siehe auch Thorpe, Writing and Reading, S. 315–330. 255 Dies

1.4. Sir John Fastolf  83

Äußerungen Fastolfs überliefert, in denen er die englische Regierung in Frankreich, insbesondere die von William de la Pole, dem Herzog von Suffolk, forcierten Bemühungen um einen Friedensschluss, kritisiert.260 Von Interesse ist hierbei vor allem das Boke of Noblesse, ein höchstwahrscheinlich kurz nach 1450 von William Worcester verfasster, fürstenspiegelartiger Traktat, der in den 1470er Jahren in leicht modifizierter Form Eduard IV. gewidmet wurde.261 In diesem wird zum einen allgemein dargelegt, was einen fähigen Herrscher ausmache und wie sich ein solcher zu verhalten habe. Zum anderen aber wird nachdrücklich der Verlust Frankreichs und der Normandie beklagt und detailliert erörtert, aus welchen Gründen es hierzu gekommen sei und mit welchen Mitteln der König die ihm rechtmäßig zustehenden Gebiete wieder zurück erlangen könne. Ein deutlicher Schwerpunkt der Beschreibung vorbildhafter Herrscher aus der Vergangenheit liegt auf Heinrich V. und seinen Brüdern, insbesondere dem Herzog von Bedford, dem mehrere eigene Kapitel gewidmet sind und der auch sonst häufig Erwähnung findet.262 Die Vermutung, dass Fastolf maßgeblichen Einfluss auf die Erstellung des Textes genommen haben könnte und hier zumindest zu großen Teilen seine Sichtweise auf die politischen Verhältnisse zum Ausdruck kommt, beruht auf folgenden Hinweisen: An zwei Stellen wird er explizit als „myne autor“ bezeichnet beziehungsweise als Informant genannt, an zwei weiteren Stellen wird auf ihn als „myne autor“ Bezug genommen.263 Außerdem nutzte der Verfasser des Boke of 260 Vgl. Allmand,

Lancastrian Normandy, S. 208 f.; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 135. Zu Fastolfs Konflikt mit Suffolk siehe auch Smith, John Fastolf, S. 126–168 und passim; ders., Litigation and Politics, S. 63–73; Richmond, Paston Family. First Phase, S. 232–237; ders., Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 81–90. Allgemein zur friedensorientierten Politik Suffolks siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 259–264, 278–280; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 98–129. 261 Der Text wurde 1860 von John Gough Nichols basierend auf London, BL, Royal MS 18 B. XXII ediert. Die Datierung des ursprünglichen Textes auf den Beginn der 1450er ergibt sich aus der Tatsache, dass sämtliche angesprochenen historischen Ereignisse vor 1451 datieren und ein Schwerpunkt auf Ereignissen aus dem Jahr 1450 liegt. Auf die Überarbeitung des ursprünglichen Textes wird in der Datierung der hier besprochenen Version im Kolophon hingewiesen, Boke of Noblesse, S. 85: „Here endyth thys Epistle, undre correccion, the .xv. day of June, the yeere of Crist .Mliiijclxxv., and of the noble Reyne of kyng Edward the .iiijthe. the. xvne.“ Zum Boke of Noblesse siehe die Einleitung zur Edition Nichols, Boke of Noblesse, Introduction, S. lv–lvi; McFarlane, William Worcester, S. 210–215; Allmand und Keen, History; Allmand, France-Angleterre; Wakelin, Humanism, S. 93–125; Hughes, Stephen Scrope, S. 131 f., 135–146; Genet, La Normandie, S. 278 f.; Thorpe, Writing and Reading, S. 60 f., 319, mit weiteren Literaturhinweisen. 262 Siehe bspw. Boke of Noblesse, S. 15–20, 31–33, 43–48. 263 Im Zusammenhang mit der Belagerung von Harfleur zitiert der Verfasser Fastolfs Anweisungen zur Nachtwache, Boke of Noblesse, S. 16: „and as for wache and ward yn the wynter nyghtys I herd the seyd ser Johan Fastolfe sey that every man kepyng the scout wache had a masty hound at a lyes, to berke and warne“. An anderer Stelle wird eine Äußerung Fastolfs zu den Vorteilen des vernünftigen, besonnenen Ritters gegenüber dem tollkühnen Ritter wiedergegeben, ebd., S. 64 f., zitiert unten, Kap. 3.4.1, Anm. 228. Im Zusammenhang mit der Erziehung junger Fürsten wird Fastolfs Hinweis, dass Heinrich IV. an seinem Hof ausländische Fürstensöhne habe ausbilden lassen, referiert, ebd., S. 77: „And, [as myne autor seyd me,] the chevalrous knight [fyrst] Henry duke of Lancastre, which is named a chief auctour

84  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Noblesse Fastolfs Bücher und Unterlagen als Vorlage, wie er im Rahmen einer Anekdote über eine Rebellion in Paris beschreibt.264 Im Zusammenhang mit seinen Empfehlungen zur Optimierung der Herrschaftsführung und der militärischen Verwaltung verweist er überdies auf die vorbildhaften, 1424 in Caen durch den Herzog von Bedford erlassenen Statuten über die Kriegsführung – „that remayned yn the kepyng of ser Johan Fastolfe for grate autoritee“.265 Worcester hatte als Sekretär Fastolfs fraglos Zugang zu dessen Papieren und kann als Schreiber einer ganzen Reihe seiner Briefe identifiziert werden.266 Es ist demnach gut möglich, dass Fastolf nicht nur dort, wo er eigens als Quelle genannt wird, für die vermittelten Informationen verantwortlich war, sondern auch ansonsten aktiven Einfluss auf die Gestaltung des Boke of Noblesse nahm. In der vorliegenden Untersuchung ist das Boke of Noblesse insbesondere für die Selbstdarstellung Fastolfs von Interesse und soll hinsichtlich dessen an späterer Stelle aufgegriffen werden. Daneben liefert es Hinweise auf seine Haltung gegenüber den internationalen politischen Entwicklungen, insbesondere in den 1440er Jahren: Einleitend wird „the right grete outragious and most grevous losse of the Royaume of Fraunce, Ducheeȝ of Normandie, of Gascoyne, and Guyen, and also the noble Counte of Mayne and the Erledom of Pontife“ beklagt und eine erneute Eroberung propagiert – „for [the king’s] verray right and true title in the inheritaunce of the saide Reaume of Fraunce and Duche of Normandie“.267 Die Rückeroberung sei kriegerisch durchzusetzen, falls sie auf friedlichem Wege nicht möglich sei.268 Mehrfach wird der Vertragsschluss von Tours im Jahr 1444 beklagt, bei welchem insbesondere auf Betreiben des Herzogs von Suffolk ein Waffenstillstand zwischen Heinrich VI. und Karl VII. geschlossen und die Eheschließung Heinrichs mit Marguerite d’Anjou verabredet worden war. Dieser sei für die englische Seite ungünstig gewesen und im Übrigen von französischer Seite in den folgenden Jahren mehrfach gebrochen worden.269 and foundour in law of armes, had sent to hym frome princes and lordis of straunge regions, […] her children, yong knightis, to be doctrined, lerned, and broughte up in his noble court in scole of armes and for to see noblesse, curtesie, and worship“. Siehe außerdem ebd., S. 68. 264 Ebd.: „Hyt ys to remembre thys caase of rebellyon of Parys felle in abcence of Herry .vte. kyng beyng in England wyth hys queene. And bethoute noote of vaynglory, yff I do wryte of myne autor I fynde by hys bokes of hys purveours how yn every castelle, forteresse, and cyte or towne he wolde hafe grete providence“. Zur prominenten Rolle Fastolfs siehe auch Allmand, France-Angleterre, S. 110  f.; Wakelin, Humanism, S. 112–114; Nichols, Boke of Noblesse, Introduction, S. i, v, x–xii, xiv, l. Nichols verweist zudem darauf, dass anschließend an den Traktat zwei Briefe, von denen einer mit Sicherheit und einer mit großer Wahrscheinlichkeit an Fastolf gerichtet war, eingebunden sind, ebd., S. lvi–lviii. 265 Boke of Noblesse, S. 31. 266 Vgl. Thorpe, Writing and Reading, bes. S. 58–64, 280–290, mit weiteren Literaturhinweisen. 267 Boke of Noblesse, S. 1–3. Ausführlich zu den Ansprüchen auf die Gebiete Normandie, Gascogne, Guyenne, Anjou und Maine siehe auch ebd., S. 22–25. Zum polemischen Charakter des Boke of Noblesse siehe McFarlane, William Worcester, S. 210–215; Allmand und Keen, History, S. 97–102; Thorpe, Writing and Reading, S. 60 f., 319. 268 Boke of Noblesse, S. 25. 269 Ebd., S. 4  f., 25 f.

1.4. Sir John Fastolf  85

Scharf kritisiert der Verfasser die militärische Administration in Lancastrian France in der jüngeren Vergangenheit, die fehlende Disziplin der englischen Armee und vor allem Unregelmäßigkeiten und Ausfälle in der Entlohnung der Soldaten. Wären diese nur angemessen bezahlt worden, hätten sie keine Veranlassung gehabt, sich mit „pillage, extorcion and rapyn uppon the countreis“ über Wasser zu halten.270 Diese Grausamkeiten wiederum hätten erst dazu geführt, dass sich die französische Bevölkerung vom englischen König abgewandt habe.271 Als leuchten­ des Gegenbeispiel werden die Herrschaften Heinrichs V. und seiner Brüder, insbesondere Bedfords, genannt.272 Auch in seinen den Traktat abschließenden Instruktionen zur guten Herrschaftsführung legt der Autor einen deutlichen Schwerpunkt darauf, wie wichtig die gerechte und regelmäßige Entlohnung der Soldaten sei – „how a prince, be he made regent, governoure, or duke, chieveteyne, lieutenaunt, capetaine, conestable, or marchalle, make alwaie just paiment to her soudeours, for eschewing of gret inconvenientis might falle“.273 Darüber hinaus habe der König sicherzustellen, dass Darlehen an seine Leihgeber zurückgezahlt würden und insbesondere diejenigen Personen, die bei der Eroberung geholfen hätten, und die, die durch den Krieg ihre Ländereien und Güter verloren hätten, angemessen entlohnt würden.274 Dass gerade dieser Punkt so viel Raum einnimmt, überrascht kaum, und es ist anzunehmen, dass hier ein persönliches Anliegen Fastolfs zum Ausdruck kam, verbrachte er doch auch sonst einen beeindruckend großen Teil seiner letzten ­Lebensjahre damit, mutmaßliche Schulden und ausstehende Zahlungen einzutreiben.275 Der Streit um Fastolfs Besitztümer zog sich auch nach seinem Tod am 5. November 1459 noch Jahre hin, insbesondere im Rahmen der Vollstreckung seines letzten Willens.276 Ein großer Teil der in diesem Zusammenhang angefertigten Dokumentation ist erhalten und bietet schlaglichtartig Hinweise auf seine im Folgenden zu diskutierenden Stiftungen und seinen Kunstbesitz. 270 Ebd.,

S. 31. Siehe außerdem ebd., S. 4, 29–31, 76–78. S. 73. Insb. im Vergleich zu Fastolfs Report von 1435 wirkt die Haltung gegenüber der abtrünnigen Bevölkerung hier vergleichsweise milde. Ob dies auf einen Sinneswandel im hohen Alter oder eher Unterschiede in der Intention hinter den jeweiligen Texten zurückzuführen ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. 272 Ebd., S. 31–33, 43–48. Siehe hierzu auch Allmand und Keen, History, S. 97  f.; Allmand, France-Angleterre, S. 110 f.; Wakelin, Humanism, S. 118–120. 273 Boke of Noblesse, S. 71–74, hier S. 71. Zu den im Traktat enthaltenen Instruktionen siehe Allmand und Keen, History, S. 98–105; Hughes, Educating the Aristocracy, S. 26–28. 274 Boke of Noblesse, S. 80  f.: „And therefore, to voide this inconvenient, righte noble king, withe the discrete avise of youre noble lordis, let youre riche tresours be spradde and put abrode […], among youre true subgettis, and inespecialle to the helpe and avauncement of youre conquest, and to the relief of youre indigent and nedie peple. And inespecialle to tho that have lost theire londis, livelode, and goode in the werres, so that the saide tresoure may be put forthe, and late it be set in money to the remedie and socoure of this gret importunyte and necessite, and to the defens of youre roiaume“. 275 Vgl. McFarlane, Investments, S. 176  f.; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 134; Stratford, Bedford Inventories, S. 34. 276 Vgl. Harriss, Fastolf, Sir John, S. 135. 271 Ebd.,

86  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage

1.4.2. Fastolf als Stifter, Auftraggeber und Besitzer von Kunst Am 14. Juni 1459 ließ John Fastolf sein Testament aufsetzen, und wenige Tage vor seinem Tod, am 3. November, erfolgte eine erneute Verkündung seines letzten Willens in inhaltlich leicht modifizierter mündlicher Form, die zeitnah von John Paston verschriftlicht wurde.277 Das Testament gibt Auskunft zu einer vergleichsweise großen Anzahl religiöser Stiftungen, die, abgesehen von zwei Ausnahmen, nur Institutionen in Fastolfs Heimat Norfolk betreffen. Französische Einrichtungen spielen überhaupt keine Rolle, und die einzigen nicht im direkten Umfeld seines Familiensitzes befindlichen Institutionen, die testamentarisch berücksichtigt wurden, sind die Kirche Saint Olave’s in Southwark, wo er lange Jahre gewohnt hatte, und die Ordenskapelle des Hosenbandordens in Windsor Castle, der er eine jährliche Seelenmesse stiftete.278 Besonders ausführlich sind die Verfügungen zur Gründung eines Colleges für einen Prior und sechs Mönche des Benediktinerordens in Caister. Dass diese Gründung Fastolf ein besonderes Anliegen war, zeigt sich bereits an verschiedenen Versuchen zu seinen Lebzeiten, die entsprechende Lizenz zu erlangen; zur Durchführung kam es jedoch nie.279 Außerdem sollte die Benediktinerabtei Saint 277 Eine

Abschrift der Version vom 14. 6. 1459 ist in Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 65 erhalten und wurde von Richmond, Once Again. Fastolf’s Will, S. 119–130 publiziert. Die Schriftfassung von Anfang November ist in mehreren Abschriften erhalten und publiziert, etwa London, BL, Paston MSS, ediert in The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 332, S. 445–460 und BL, Add. MS 22927, ediert in Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 54, S. 87–91. Unterschiede gegenüber der Version vom 14. 6. betreffen vor allem die Rolle Pastons und sind daher hier von untergeordneter Relevanz. Siehe hierzu Davis’ Kommentar zur Edition von BL, Add. MS 22927 ebd., S. 87 sowie Rose, Founding of Magdalen College, S. 100. Im Folgenden wird Fastolf Paper 65, die vollständigste Fassung des Testaments, nach Richmond, Once Again. Fastolf’s Will, S. 119– 130 zitiert. Zu Fastolfs Testament und den Komplikationen seiner Vollstreckung siehe The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 334, S. 464–467; Rose, Wills; Richmond, Paston Family. Fastolf’s Will; ders., Once Again. Fastolf’s Will; McFarlane, Investments; ders., William Worcester, S. 201 f. 278 Zur Stiftung an die Ordenskapelle siehe Richmond, Once Again. Fastolf ’s Will, S. 125: „I wole and ordeyne that it be provided be myn executoures that a reward or a yefte be mad to the Chapel of Seynt George of the Castell of Wyndesore and to the College of the Collegiens of the same for to have my soule to be recomendid a mong hem with an anniversarie to be kept yearly and perpetuelly“. Bereits in einem 1452, also mehrere Jahre vor der Testamentaufsetzung, erlassenen Memorandum verfügte Fastolf über die Stiftung: Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 47, zitiert nach dems., Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 75: „Item that my seid lordis and frendis my feffees as wele as myn excecutours or attornes purveye that I may be remembrid to be praied fore in the College of Seynt Goorge at wyndessore by a special obite to be kepte ones in the yere yerely to be contynued for a certayne somme to be accordid with the dene and brethir chanonns of the same college etc“. Zum Memorandum siehe ebd., S. 74– 78. Zu Verfügungen bezüglich Saint Olave’s siehe ders., Once Again. Fastolf ’s Will, S. 125. 279 Siehe ebd., S. 119–124 sowie zuletzt ausführlich Rose, Wills, bes. S. 303–308. Zahlreiche weitere zu Lebzeiten Fastolfs und posthum datierende Dokumente, die die Gründung des College, mit deren Durchführung John Paston betraut war, betreffen, wurden ediert, siehe etwa The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 301, 337; Bd. 2, Nr. 461, 471, 488, 525, 550; Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 60, 61, 252, 253, 344; Bd. 2, Nr. 570, 603, 885, 894, 895, 901, 914; Bd. 3, Nr. 947, 948, 1049. Im Jahr 1470 wurden die verbliebenen, ursprünglich für die Collegegründung intendierten Mittel auf Betreiben William Waynfletes, eines der Testamentsvollstrecker Fastolfs, für Magdalen College in Oxford aufgewendet. Siehe hierzu Rose, Founding of Mag-

1.4. Sir John Fastolf  87

Benet bei Holme liturgische Textilien sowie nicht genauer spezifizierte Heiligenreliquien zur Ausstattung von Fastolfs dortiger, auf seine Veranlassung errichteter Grabkapelle erhalten. Diese ist, wie der Großteil der Abtei, leider zerstört, und auch Hinweise zur Gestaltung des Grabmals oder der Kapelle liegen nicht vor.280 Einem in die frühen 1470er Jahre datierenden, die Schenkung betreffenden Brief William Worcesters an den Bischof von Norwich ist jedoch zu entnehmen, dass Fastolf aufgrund seiner „singuler affeccion […] to the monastery of Seint Benettis“ hohe Kosten für Umbauten an der Südseite des Chors der genannten Kapelle aufgewandt habe.281 Zu nennen sind weiterhin folgende testamentarischen Verfügungen: Auf dem Grabmal von Fastolfs Vater in Saint Nicholas in Yarmouth war ein marmorner Sockel sowie „a flat figure after the facione of an armed man“ zu errichten. Am Sockel sollte eine Gedenktafel aus Messing angebracht und das Gesamtensemble mit den Wappen Fastolfs, seines Vaters und seiner Ahnen verziert werden.282 In ähnlicher Form war die Skulptur einer Edeldame auf einem Marmorsockel auf dem Grabmal seiner Mutter in der Pfarrkirche von Attleborough zu errichten. Diese war ebenfalls mit einer Messingtafel sowie den Wappen der drei Ehemänner der Verstorbenen auszustatten.283 dalen College, S. 100–103; Richmond, Paston Family. Fastolf ’s Will, bes. S. 55–68; ders., Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 78–81; Scrope, Castle Combe, S. 187 f. 280 Richmond, Once Again. Fastolf’s Will, S. 124: „Item I wole and ordeyne that if any reliques of seyntes and also siche ornamentys for the chirche that I have left as wel vestementes garle­ mentes of sylk or velewet of myn robes and my gownes that parcel of hem be yoven to the seid monastery chirche of seynt Benet where I shal be beryed to remayne for ornamentis of the chapel there by me late bylded“. Das Testament verzeichnet neben den hier genannten eine Reihe weitere Stiftungen an Saint Benet, siehe ebd., S. 121 f. Siehe außerdem Paston Letters and Papers, Bd. 2, Nr. 727, 892, 906, 914. Zur Grabkapelle und zu Fastolfs Bestattung siehe auch knapp Richmond, Paston Family. Fastolf’s Will, S. 68–74; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 135. 281 Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 84, ediert in Paston Letters and Papers, Bd. 3, Nr. 1049, S. 186: „hit may be made openly to be vndrestand […], howe the seid Ser John Fastolff, for a singuler affeccion hadde to the monastery of Seint Benettis Holme […] hathe doo greet cost in bildyng of the south side of the quire of the seid chirche, callid the newe jle, to the summe of iiijc lvj li.; and also in reliquis of seintis and in vestimentis of silke and other oramentis for her chirche by hym yeven to the value abough the summe of clx li.“ Worcester geht darüber hinaus auf weitere finanzielle Zuwendungen Fastolfs an die Abtei sowie einige nach seinem Tod erfolgte Stiftungen in seinem Namen ein, ebd., S. 186 f. 282 Richmond, Once Again. Fastolf ’s Will, S. 125  f.: „Item I wole that a convenient ston of marbul and a flat figure after the facione of an armed man be mad and graven in the seid ston of latyn in memoriall of my Fadir John Fastolf squire to be leyd upon his tumbe in the Chapelle of seynt Nicholas in the parische chirche of Jernemuthe and with iiij skochonys of armes of hym and his auncetrie with a scripture a bowte the ston makyng mencione of the yeer and the day of his obyte“. 283 Ebd., S. 126: „Item I wole in sembelable maner a marbul ston of a convenient mesure be ordeyned and mad to be leyd upon the tumbe of dam Marye my modir in the chapell of the chaunterye foundid in the parysche chirche of Attilburghe and that a figure of latyn graven aftir the resemblaunce of a gentilwoman with her mantell with a scripture of laton be mad on the seid ston with iiij skochones of armes of her and her iij husbondes […] and her auncetrye in the seyde tumbe and the day and yeer of here obyte to be wretyn abowte“. Sowohl Saint Nicholas in Yarmouth als auch die Pfarrkirche in Attleborough wurden mit weiteren Stiftungen bedacht, siehe ebd., S. 123–125.

88  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Im Zusammenhang mit Fastolfs Investitionen in Ländereien in East Anglia in den 1430er Jahren ist eine ganze Reihe von Bau- und Umbauprojekten überliefert, Hinweise auf die Gestaltung der Bauten oder sogar ikonografische Details liegen jedoch nur in wenigen Fällen vor. Eine Ausnahme stellt die Hauptresidenz Caister dar, von welcher der Turm teilweise erhalten ist: Über einem Erkerfenster ließ Fastolf offenbar ein Relief seines von zwei Engeln gehaltenen und von einem Hosenband eingefassten Wappens anbringen; bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine der Türen George Poulett Scrope zufolge mit dem Wappen von Fastolfs Ehefrau Millicent Tiptoft sowie Fastolfs Motto „me faunt fare“ geziert.284 Alasdair Hawkyard stellt in seiner umfassenden Studie zu Caister heraus, dass man sich in den unter Fastolf vorgenommenen Baumaßnahmen bis zu einem gewissen Grad an Bauaufträgen der Lancaster orientierte und überdies für den Umbau eigens Material aus Frankreich und der Normandie importiert wurde.285 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich im Falle John Fastolfs ungewöhnlich viele Dokumente, insbesondere Inventarlisten und Briefe, erhalten haben, die seinen Besitz zu seinen Lebzeiten wie auch Streitigkeiten um einzelne Güter nach seinem Tod betreffen. Hinweise finden sich etwa zu Gold- und Silberschmiedewerken, Tapisserien und anderweitigen Einrichtungstextilien sowie Büchern. Es ist ­jedoch festzuhalten, dass die erhaltenen Quellen lediglich die Rekonstruktion eines fragmentarischen Bildes der Luxusgüter Fastolfs gestatten, ihr Schwerpunkt liegt auf der Ausstattung von Caister, über den Inhalt der anderen englischen und vor allem der französischen Residenzen Fastolfs ist wenig bekannt. Bereits zu seinen Lebzeiten wurden wiederholt Inventare von Fastolfs Garderobe in Caister angefertigt, die neben Kleidung und Einrichtungstextilien auch Geschirr und liturgisches Gerät verzeichneten. Erhalten ist eine umfangreiche, auf das Jahr 1448 datierte, im Magdalen College in Oxford aufbewahrte Liste,286 ­außerdem ein kurz vor Fastolfs Tod angefertigtes, heute verlorenes, aber im Jahr 1827 von Thomas Amyot publiziertes Inventar. Dieses entspricht in weiten Teilen der Liste von 1448, ist allerdings etwas knapper gehalten und unterscheidet sich insofern von dieser, als dass eine 1448 noch aufgeführte Bücherliste fehlt.287 Ver284 Zur

Verzierung des Turms von Caister siehe die aus dem Jahr 1852 stammende Beschreibung von Scrope, Castle Combe, S. 169, 184. Siehe außerdem Collins, Dispute over Patay, S. 132, der darüber hinaus auf ein Buntglasfenster mit Fastolfs vom Hosenband eingefassten Wappen in der Kirche Pulham Saint Mary in Norfolk verweist. Zu weiteren Bau- und Umbauprojekten Fastolfs in England siehe Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 96; Bennett, Six Medieval Men and Women, S. 63–66 ohne Quellenangaben. 285 Vgl. Hawkyard, Caister Castle, bes. S. 43–50. 286 Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 43. Die Quelle wurde bisher nicht vollständig ediert, allerdings umfassend untersucht und in Teilen publiziert von Beadle, Fastolf ’s French Books; Hawkyard, Caister Castle, S. 56–63; McFarlane, Investments, S. 189 f.; Thorpe, Writing and Reading, S. 262 f., 352. Es handelt sich um eine schmale Handschrift, die auf fol. 1v– 17v das Inventar enthält. Die Datierung befindet sich auf fol. 1v: „Memorandum that the laste day of October the xxvij yere of kyng Henr the sixte Sir John Fastolf knyght hathe lefte in his wardrobe at Castre the stuff of clothe and other harnoys“. 287 Amyot (Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 252–279. Die Edition basiert auf einer Abschrift des 18. Jh.s, sie wurde in The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 336, S. 475–

1.4. Sir John Fastolf  89

mutlich sehr kurz nach Fastolfs Tod fertigte man ein heute in der British Library aufbewahrtes, nach Aufbewahrungsorten sortiertes Inventar von Fastolfs Goldund Silbergeschirr an, das neben Gewichtsangaben auch knappe Hinweise zur Dekoration enthält.288 In den gleichen Zeitraum datiert Norman Davis eine ebenfalls in der British Library aufbewahrte kurze Liste vergoldeter Heiligensta­ tuen.289 Von Relevanz ist darüber hinaus eine am 6. Juni 1462 von John Paston angefertigte, unter anderem Goldschmiedewerke und Tapisserien umfassende „remembrauns of the goodes that somtyme were Ser John Fastolffes […] aftir such examinacions and wrytingges as he [Paston] can fynd“.290 Des Weiteren sind einige aufschlussreiche kürzere, von William Worcester im Rahmen der Testamentsvollstreckung in den 1460er und 1470er Jahren erstellte Güterlisten erhalten.291 Nicht zuletzt machen die Inventare und Briefe deutlich, welch immense Reichtümer Fastolf während seiner Karriere in Frankreich angehäuft hatte. So befand sich beispielsweise ein Kettenanhänger mit einem großen Diamanten auf einer weißen Rose, dessen Wert mit 4 000 Mark beziffert wird, für einige Zeit in seinem Besitz.292 Laut Kenneth McFarlane handelt es sich um das wertvollste Schmuck490 erneut gedruckt und auf 1459 datiert. Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 96 f., 99 hält wegen der Ähnlichkeiten zu Fastolf Paper 43 eine etwas frühere Datierung für wahrscheinlich. Zum Amyot-Inventar siehe außerdem McFarlane, Investments, S. 189; Scrope, Castle Combe, S. 186 f. 288 London, BL, Add. Ch. 17247, publiziert von Amyot (Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 238–251 und The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 335, S. 467–475. Siehe ebd., S. 467 zur Datierung. 289 London, BL, Add. MS 27446, fol. 118v, ediert in Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 87, S. 159. 290 London, BL, Add. MS 39848, fol. 50r–53r, ediert in Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 107–110, hier S. 107. 291 Genannt seien Oxford, Magdalen College, Fastolf Papers 70.1, 79, 87. Fastolf Paper 70.1 datiert Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 100 f. zufolge um 1470. Zu Fastolf Paper 79, einer Auflistung von Gütern, die Worcester nach Fastolfs Tod erhalten hatte und die in einer eisernen Truhe in der Schatzkammer von Saint Paul’s in London aufbewahrt wurden, siehe knapp McFarlane, Investments, S. 190; Stratford, Bedford Inventories, S. 52. Fastolf Paper 87 wurde z. B. in Paston Letters and Papers, Bd. 2, Nr. 906, S. 572–577 ediert und nach 1465 datiert. Zu weiteren Inventarfragmenten siehe McFarlane, Investments, S. 190. Zu Worcesters Rolle in Fastolfs Testamentsvollstreckung siehe ders., William Worcester, S. 101–103; Richmond, Paston Family. Fastolf ’s Will, passim. 292 Der Kettenanhänger wurde Fastolf im Dezember 1452 zusammen mit zwei weiteren Schmuckstücken anstelle ausstehender Entlohnung vom Herzog von York übereignet, The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 184, S. 249: „a nowche of gold with a greet poynted diamant sette up on a roose enameled white; a nowche of gold in facion of a ragged staf, with ij. ymages of man and woman garnysshed with a ruby, a diamande, and a greet peerle; and a floure of gold, garnysshed with ij. rubyes, a diamande, and iij. hanging peerles“. Im Juli 1461 quittierte Eduard IV., der Sohn des Herzogs von York, den Rückerhalt der beiden erstgenannten Schmuckstücke, „which were leyd to plegge by oure [Edward’s] fader, whom Crist assoyle, to Sir John Fastolff, knyght“, zitiert nach Paston Letters and Papers, Bd. 2, Nr. 640, S. 243 f. Auch nachdem sie an Eduard IV. zurückgegangen war, führte man die Rose mehrfach in den Auflistungen von Fastolfs Besitz auf, siehe etwa ebd., Bd. 1, Nr. 64, S. 108; Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 79. In einem im Jahr 1466 vermutlich von Worcester erstellten Inventar wird darauf verwiesen, dass der Anhänger angeblich 4 000 Mark gekostet habe, The Paston Letters, Bd. 3, Nr. 979, S. 439 f.: „Item, dictus Johannes Paston cepit consimili modo de

90  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage stück, das im 15. Jahrhundert in England außerhalb der königlichen Schatzkammer nachgewiesen werden kann.293 Ob dies zutrifft, sei dahingestellt, in jedem Fall zeigt sich, welch großen finanziellen Gewinn Fastolf seine von Worcester als „große Mühen und Qualen“ bezeichneten Dienste „für den König in Frankreich und danach in England“ eingebracht hatten.294 Wenn auch Hinweise auf die Gestaltung der gelisteten Kunstwerke in der Regel sehr knapp gehalten sind, können doch unter Vorbehalt einige wenige Aussagen zu ikonografischen Schwerpunkten gemacht werden: So fällt zunächst eine vergleichsweise große Anzahl an liturgischem Gerät, das mit Johannes dem Täufer in Zusammenhang steht, ins Auge. Unter den acht vergoldeten Statuen in der in der British Library aufbewahrten Auflistung stellt die des Täufers die schwerste Figur dar.295 Daneben besaß Fastolf zwei Kreuzigungsgruppen mit der Gottesmutter und dem Heiligen – eine vergoldet und eine mit Fleurs-de-Lis verziert – sowie ­einen Finger des Täufers im Wert von 40 Pfund.296 Einige Gegenstände verweisen auf Fastolfs bereits angesprochene Mitgliedschaft im Hosenbandorden beziehungsweise auf seine Verehrung des heiligen Georg: Vermutlich im Jahr 1433 machte er der Gilde des heiligen Georg in Norwich einen eine Armreliquie des Heiligen beinhaltenden vergoldeten Silberengel zum Geschenk.297 Überdies sind im Inventar seiner Garderobe in Caister „j Blewe Hoode of the Garter […], j. pece Willelmo Worcestre certa notabilia monilia et jocalia auri cum lapidibus preciosis garnizata, videlicet unum monile ditissimum vocata Anglice a White Rose [Herv. in der Edition] nuper domini ducis Eborum cum magno precioso lapide vocato a poynted dyamant [Herv. in der Edition], qui in prima empcione constabat, ut dicitur, iiijor ml. marcarum, ac alia duo jocalia nuper dicti domini ducis tradita in plegio quando dictus Johannes Fastolf obligatus fuit pro dicto duce in tribus milibus libris executoribus cardinalis Anglie super certis denariis prestitis dicto duci, et unde idem, dominus dux debebat dicto Johanni Fastolf in denariis prestitis CCCClxvj li. xiij s. iiij d.“ 293 McFarlane, Investments, S. 190. 294 The Paston Letters, Bd. 3, Nr. 979, S. 440: „Et predicta tria jocalia per assensum dicti domini ducis sub sigillo armorum in scriptis tradita assignata fuerunt dicto Johanni Fastolf ut bona sua propria ad vendendum et disponendum in recompensacione debiti sui et aliis magnis laboribus et vexacionibus dicti militis pro dicto duce sustentatis et habitis dum modo locum tenens pro Rege fuit in Francia, ac postea in Anglia.“ 295 Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 87, S. 159: „Item, an jmage of Sent Jon Baptist gilthe wyth þe lamb lviij vnc. vz iiij li. x vnc.“ 296 Die beiden Kruzifixe werden im von Amyot publizierten Inventar als Ausstattung der Kapelle von Caister aufgeführt, Amyot (Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 277: „Item j. Crosse of sylver and gylt, with oure Lady and Seynt Iohn. […] Item, j. Crucyfyxe, thereon withe oure Lady and Seynt Iohn enamelyd, and full of flour delys.“ Daneben wird für die Kapelle ein Altarbehang mit einer Darstellung der Trinität gelistet, ebd., S. 276. Der Finger des Täufers wird in der 1470 von Worcester erstellten Auflistung genannt, Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 70.1: „Item delyvered to […] Sir William Yelverton a Fynger of seynt John the baptist“. 297 Das Geschenk wird in einem Inventar der im Jahr 1442 in der Kathedrale von Norwich aufbewahrten Besitztümer der Gilde gelistet, Hudson und Tingey (Hrsg.), Records of the City of Norwich, Bd. 2, Nr. cccclxvii, S. 399: „First, in the Cathedral Church of the Holy Trinity of Norwich among the relics there, an Angel of silver and gilt bearing the arm of St George, of the gift of John Fastolf, knight.“ Siehe ebd., Anm. 2 zur Datierung des Geschenks; außerdem Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 110, Anm. 30.

1.4. Sir John Fastolf  91

of Seynt George leveray for j hode“ sowie „j. cote armour of whyte silke of Seynt George“ verzeichnet.298 Auch für die Verehrung der beiden ‚französischen‘ Heiligen Dionysius und Ludwig IX. gibt es Hinweise in den Inventaren, es scheint sich allerdings jeweils um Einzelfälle zu handeln: So enthält die genannte Liste von Goldstatuen an vorletzter Stelle „an jmage off Sent Denys gilthe“ und in seiner 1462 erstellten „Erinnerung“ an Fastolfs Güter führt Paston „a ryng of Sent Lowes wyth a ston therin“ auf.299 Betrachtet man Fastolfs Zeit in Frankreich, ist vor allem eine Tapisserie, die in mehreren Auflistungen der Ausstattung von Caister aufgeführt wird, von Interesse: Das Inventar von 1448 nennt unter den Arrastapisserien und -wandbehängen „a clothe of the sege of Faleys for the westside in the neder halle“.300 Erneut aufgeführt wird der Wandbehang der Belagerung von Falaise im von Amyot publizierten Inventar.301 1462 listet Paston die Tapisserie in seiner „Erinnerung“ unter „Aras“, wobei es sich hier um eine der wenigen Tapisserien handelt, die er explizit inhaltlich beschreibt, was dafür sprechen könnte, dass sie besonders prominent positioniert war oder ansonsten auffiel.302 Die Belagerung von Falaise im Jahr 1418 war einer der wichtigen Erfolge Heinrichs V. während seiner militärischen Kampagnen in die Normandie, an denen Fastolf selbst teilgenommen hatte. Es würde nicht verwundern, wenn Fastolf, der bis ins hohe Alter immer wieder auf seine großen Mühen im Dienste der Lancaster in Frankreich pochte, ihrer Inszenierung eine hervorgehobene Position eingeräumt hätte.303 Aufschlüsse über Fastolfs Tätigkeit in Frankreich gibt darüber hinaus eine Kette mit einem mit Juwelen verzierten Anhänger aus Gold in Form einer Wurzel. Sie wird sowohl in Pastons „Erinnerung“ als auch in einem von Worcester erstellten Inventar des Inhalts einer Schmucktruhe Fastolfs in Saint Paul’s genannt.304 Strat298 Amyot

(Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 255 f. Statue des hl. Dionysius siehe Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 87, S. 159. Zum Ring Ludwigs des Heiligen ebd., Nr. 64, S. 108. 300 Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 43, fol. 4v. 301 Amyot (Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 258: „Item, j Clothe, for the nether hall […] Item, j Clothe of the sege of Faleys for the west side of the halle.“ 302 Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 108  f.: „Item, viij costers of aras, wherof somme grete and somme smalle, wherof on is of the sege of Phalist“. Hawkyard, Caister Castle, S. 60 und ihm folgend Richmond, Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 90–93 lesen ‚Phalist‘ als ‚Falerii‘ und deuten die Darstellung als Belagerung von Falerii durch Furius Camillus im 4. Jh. v. Chr. Insb. im Vergleich zur Schreibweise in den beiden erstgenannten Quellen scheint die Lesart ‚Falaise‘ jedoch naheliegender. 303 Auch abgesehen hiervon weisen Fastolfs Tapisserien und Wandbehänge neben religiösen Darstellungen, höfischen Szenen und Jagdszenen einen für einen Mann in seiner Position kaum verwunderlichen Schwerpunkt auf kriegerischen Themen auf, wie die Sichtung der genannten Inventare zeigt. Zu Fastolfs Tapisserien siehe knapp McKendrick, Tapestries, S. 51. Zu Fastolfs Betonung seiner mühevollen Dienste siehe unten, Kap. 3.2.3, Anm. 119. 304 Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 108: „Item, a box of blak leder, a nowche of gold after the facion of a rote, wyth a gret safer and a gret perle set therin.“ Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 79: „Item in dicta cista extitit unum aliud nobile jocale vocatum a roott ad modum radicis unius arboris de auro fabricat’ in qua fuit scituatus unus magnus lapis preciosus vocatus a saphyr“. 299 Zur

92  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage ford folgend handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Ordenskette des vom Herzog von Bedford gegründeten Ritterordens, dessen Mitglied Fastolf sicherlich war, bestehend aus alternierenden S-förmigen Gliedern und Wurzeln mit einem auf einer Wurzel hockenden Adler als Anhänger.305 Für eine große Anzahl der in den Inventaren genannten Prunkgeschirrstücke und Textilien wird heraldische Dekoration erwähnt. Besonders häufig tritt das Wappen Fastolfs auf, zum Teil in Kombination mit dem Wappen seiner Ehefrau Millicent Tiptoft. Vielfach wird auch die Verzierung mit Fastolfs Wappen „me faunt fere“ beziehungsweise „fare“ genannt.306 Es fällt auf, dass Wappen und Motto häufig in Kombination mit Rosen erscheinen, im Rahmen der Verzierung von zwei unter den liturgischen Textilien in Caister aufgeführten Taschen ist ­außerdem von einer Stickerei „with white rosys after his devyce“ die Rede.307 In einigen Fällen wird die Rose als „dowble rose“ beschrieben, wobei unklar ist, ob hiermit eine zweiblütige oder eine zweifarbige Rose gemeint ist.308 Es ist in denkbar, dass Fastolf die Rose – möglicherweise die Doppelrose – als persönliches Symbol verwendete; ob er, wie in der hier angeführten Stickerei, vorwiegend die weiße Rose nutzte oder die ebenfalls in den Inventaren zusammen mit seinem Wappen auftretende rote Rose, bleibt jedoch fraglich.309

1.4.3. Die Handschriften John Fastolfs Mit John Fastolfs Besitz oder Auftrag lassen sich unter Vorbehalt vier erhaltene illuminierte Handschriften in Verbindung bringen. Dank der vergleichsweise guten Quellenlage zur Verwaltung seiner Güter in den letzten Jahren seines Lebens und nach seinem Tod können zudem Aussagen zu weiteren, nicht erhaltenen Büchern in seinem Besitz gemacht werden. Beschreibungen des Inhalts der in den Inventaren aufgeführten Bücher sind zwar – wie generell in derartigen Auflistun305 Vgl. Stratford,

Bedford Inventories, S. 52, 103; dies., Manuscripts, S. 349. Vgl. die vermutliche Darstellung der Ordenskette in Bedfords Abschrift der Aphorismen des Hippokrates, Paris, BNF, MS fr. 24246, fol. 5r. (Farbabb. 10). 306 Siehe insb. die Inventare: The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 335, S. 467–475; Amyot (Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 252–279. 307 Ebd., S. 255. 308 Ebd., S. 274 und The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 335, S. 469. Weitere Kombinationen von Rosen mit Fastolfs heraldischen Zeichen finden sich bei Amyot (Hrsg.), Effects Formerly Belonging to Sir John Fastolfe, S. 256, 259. 309 Die Kombination des Wappens mit roten Rosen findet sich etwa in The Paston Letters, Bd. 1, Nr. 335, S. 469: „Item, j. spice plate, well gilt like a double rose, my maister helmet in the myddes, with rede roses of my maisters armes“. Grundsätzlich wurden im Spätmittelalter sowohl rote als auch weiße Rosen häufig als Devisen oder einfach Dekorationselemente verwendet. Als vorwiegende Symbole der Häuser Lancaster und York etablierten sie sich jedoch erst rückwirkend mit der Machtergreifung Heinrichs VII. Selbst wenn sich also Fastolfs Präferenz für die rote oder die weiße Rose ausmachen ließe, könnte man daraus nicht auf eine Parteinahme für eines der Häuser in der frühen Phase der sog. Rosenkriege schließen. Zur Etablierung der Rosen unter Heinrich VII. vgl. Chrimes, Lancastrians, Yorkists, and Henry VII, S. xii–xiv; Pollard, Wars of the Roses, S. 7–9; Hicks, Wars of the Roses, S. 12 f.; Ailes, Heraldry in Medieval England, S. 101 f.

1.4. Sir John Fastolf  93

gen – knapp gehalten oder fehlen völlig, und auch Angaben zur illustrativen Ausstattung der Handschriften liegen nicht vor. Die zeitgenössischen Quellen können dennoch zur Verdichtung des Bildes der Büchersammlung John Fastolfs beitragen und gestatten einen Einblick in seine Tätigkeit als Auftraggeber von Neuverfassungen und Übersetzungen von Profantexten. Von den erhaltenen Werken sei mit Harley MS 1251 zunächst ein kleines, aber reich illustriertes Stundenbuch angeführt, bei dem John Fastolf als Auftraggeber oder Besitzer nur vermutet werden kann, eindeutige für seine Person sprechende inschriftliche oder heraldische Hinweise liegen nicht vor (Kat. 15) (Farbabb. 30– 33).310 Die Handschrift wurde zwischen circa 1435 und 1450 in Rouen für einen englischen Nutzer angefertigt und vermutlich bereits wenig später mehrfach erweitert. Die enthaltenen Gebetstexte wie auch die Miniaturen weisen auf eine besondere Verehrung des Besitzers für Johannes den Täufer und die Trinität, außerdem werden verschiedentlich Bezüge zum Herzog von Bedford hergestellt. Letzteres macht das Werk für die vorliegende Untersuchung besonders aufschlussreich. Das insbesondere in kunsthistorischen Kreisen berühmteste Werk in Fastolfs Besitz, das darüber hinaus mit großer Sicherheit für ihn persönlich angefertigt worden war, ist MS Laud Misc. 570 in der Bodleian Library in Oxford, eine Kombination des Livre des Quatre Vertus Cardinaux und der Épître d’Othéa Christine de Pizans (Kat. 16a) (Abb. 25; Farbabb. 34).311 Die Handschrift wurde an zahlreichen Stellen mit Fastolfs Motto „Me fault faire“ versehen, auf der letzten Seite tritt sein Motto in Kombination mit dem des Hosenbandordens auf. Das Werk wurde in London im Jahr 1450 fertiggestellt, und die qualitativ äußerst hochwertige malerische Ausstattung wird dem sogenannten Fastolf Meister zugewiesen, einem anonymen französischen Buchmaler, der höchstwahrscheinlich in Fastolfs Gefolge nach England übergesiedelt war und dessen Notname auf die hier besprochene Handschrift zurückgeht. Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux und die Épître d’Othéa standen Fastolf nicht nur in ihrer französischen Fassung zur Verfügung, er besaß beide Texte auch in englischer Übersetzung – ebenfalls in Kombination (Kat. 16b).312 Die Übersetzungen, von denen lediglich der Prolog überliefert ist, waren bereits kurz nach Fastolfs Rückkehr nach England im Jahr 1439 von seinem Stiefsohn Stephen Scrope für ihn angefertigt worden. Es ist gut möglich, dass man sich sowohl für die französischsprachige als auch für die englische Handschrift an Büchern orientierte, die Fastolf aus Frankreich mitgebracht hatte. 310 London,

BL, Harley MS 1251 (Pergament, 186 fol., ca. 85 x 55 mm). Siehe zur Handschrift Catalogue of Harleian Manuscripts, Nr. 1251; knapp Stratford, Bedford Inventories, S. 99, Anm. 7; Harris, Book Production, S. 180 f., 196, Anm. 103; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249 f. 311 Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570 (Pergament, 93 fol., 268 x 194 mm). Zur Handschrift siehe Coxe (Hrsg.), Bodleian Library, Laudian Manuscripts, Nr. 570; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 54 f., Nr. 695; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 36–41; Bühler, John Fastolf ’s Manuscripts; ders., Epistle of Othea, Introduction; Tuve, Virtues and Vices; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97–99. 312 Siehe hierzu ebd., S. 98; Bühler, Epistle of Othea, Introduction, S. xvi–xviii; ders., John Fastolf ’s Manuscripts.

94  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage Im Jahr 1450 übertrug Scrope ein weiteres Werk für seinen Stiefvater ins Englische, nämlich die am Hof Karls VI. verfassten Dits Moraulx des Philosophes (Kat. 17a).313 Die Widmungshandschrift ist erhalten, und ihr Prolog bietet Hinweise auf den Zweck ihrer Anfertigung. Auch William Worcester, Fastolfs Sekretär, betätigte sich als Übersetzer: In ausdrücklichem Auftrag seines Herrn fertigte er eine leider nicht im Original erhaltene Übertragung von Ciceros De Senectute vom Französischen ins Englische an (Kat. 17b).314 Als letzte der bekannten erhaltenen Handschriften aus Fastolfs Besitz sei MS Bodley 179, eine medizinische Kompilation von Texten des Aldobrandinus von Siena in französischer Sprache angeführt (Kat. 17c) (Abb. 26).315 Auch dieses Werk entstand in der Mitte des 15. Jahrhunderts in England; die verantwortlichen französischen Schreiber und Buchmaler waren wahrscheinlich – wie der Fastolf Meister – im Gefolge John Fastolfs oder anderer in ihre Heimat zurückkehrender Engländer auf die Insel übergesiedelt. Die oben angesprochenen Inventare der Güter Fastolfs in East Anglia liefern zudem eine ganze Reihe weiterer Hinweise auf Bücher in seinem Besitz: Von besonderem Interesse ist das bereits genannte, auf Oktober 1448 datierte Inventar seiner Garderobe in Caister, das heute im Magdalen College aufbewahrt wird und in jüngerer Zeit umfassend von Richard Beadle hinsichtlich der hier gelisteten 19 „Frenshe bookes“ untersucht wurde.316 Diese wurden „in the stewe hous“, vermutlich einem kleinen beheizten Raum, der vielleicht an ein Studierzimmer angrenzte, aufbewahrt. Die Liste umfasst neben einer Bibel mehrere Chroniken und historiografische Werke, Romane und Heldenlieder, häufig auf klassischen Werken basierende Handbücher zur Kriegsführung, zur Verwaltung und zum Rechtswesen, ethische Schriften, mehrere naturwissenschaftliche Bücher sowie die ­Meditationes des heiligen Bernhard.317 313 Oxford,

Bodleian Library, MS Bodley 943 (Pergament, 107 fol., ca. 227 x 178 mm). Siehe hierzu Madan et al. (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 2, Bodleian MS 943; Ross, Alexander Historiatus, S. 7 f.; Alexander, William Abell, S. 167; Bühler, Dicts and Sayings of the Philosophers, Introduction, bes. S. xx. 314 Siehe Warner, Epistle of Othea, Introduction, S. xxx, xlvi; Hughes, Stephen Scrope, bes. S. 131; ders., Educating the Aristocracy, S. 26–28. 315 Oxford, Bodleian Library, MS Bodley 179 (Pergament, 194 fol., ca. 295 x 219 mm). Siehe hierzu knapp Madan und Craster (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 1, Bodleian MS 179; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 53, Nr. 676; Thorpe, Writing and Reading, S. 283–287. 316 Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 43, fol. 10r. Vgl. Beadle, Fastolf ’s French Books. Siehe auch Thorpe, Writing and Reading, S. 262 f., 277 f., 352; Hawkyard, Caister Castle, S. 60–62; Richmond, Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 93 f.; Hughes, Stephen Scrope, S. 130. Siehe oben, Kap. 1.4.2, bes. Anm. 286. 317 Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 43, fol. 10r: „My maister is chambre and the with draughte with the stewe house […] In the stewe hous [Herv. im Original] of Frenshe bookes the bible the cronycles of France the Cronicles of Titus levius a booke of Jullius cesar les propretes dez choses Petrus de crescensis liber Almagesti liber Geomancie cum iiij aliis astronomie liber de Roy Artour et Romaunce la Rose cronicles Danglele Veges de larte de chevalerie Institutes of Justien Emperer Brute in ryme liber Etiques liber de Sentence Joseph problemata Aristotilis Vice et Vertues liber de Cronykes de grant Bretayn in ryme meditacions saynt Bernard“.

1.4. Sir John Fastolf  95

Leider ist nicht zu klären, ob sich die Bezeichnung „Französisch“ auf die Sprache oder die Herkunft der Handschriften bezieht, ebenso ist unklar, warum nur französische Bücher und keine englischen oder lateinischen Handschriften genannt werden. Dass Fastolf diese ebenfalls besaß, ist nicht zuletzt aus John Pastons Erwähnung von „bokes Frenshe, Latyn, and Englyssh remayning in the chambre of the seid Fastolff“ im Inventar aus dem Jahr 1462 ersichtlich.318 Dennoch bietet die Liste überaus interessante Hinweise zu Fastolf als Buchsammler: So lässt sich zunächst ein Schwerpunkt auf klassischen und naturwissenschaftlichen Werken feststellen. Viele der aufgeführten Texte können, wie Beadle betont, ansonsten nicht in englischen Sammlungen der Zeit festgestellt werden, auch nicht in der Bibliothek des humanistisch interessierten Humphrey of Gloucester. Fast alle identifizierbaren Werke lassen sich jedoch in den Sammlungen französischer und burgundischer Sammler nachweisen, viele wurden im Auftrag Karls V. verfasst oder ins Französische übertragen.319 Es ist daher gut möglich, dass Fastolf die Bücher während seiner Zeit in Frankreich in Auftrag gab oder erwarb, sich also entweder selbst mit den in diesem Zeitraum an den dortigen Höfen populären Texten befasste oder sich an der Sammlung Bedfords, die schließlich die französische königliche Bibliothek umfasste und zu der Fastolf mit Sicherheit Zugang hatte, orientierte. Sollte dies der Fall gewesen sein, stellt sich weiterhin die Frage, ob die Handschriften illustriert waren – Hinweise hierauf fehlen im Inventar von 1448. Wie Beadle jedoch herausstellt, weisen erhaltene Exemplare von mehr als der Hälfte der aufgeführten Texte häufig umfangreiche illustrative Programme auf, es ist also denkbar, dass auch Fastolfs Handschriften zumindest zum Teil illuminiert waren.320 Darüber hinaus ist natürlich möglich, dass es sich bei den gelisteten „Frenshe bookes“ um Handschriften aus der Louvre-Bibliothek handelte, die Fastolf dem Regenten abkaufte, als Geschenk erhielt oder aber im Rahmen seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker Bedfords an sich brachte.321 Die erörterten Inventare und die im Original erhaltenen oder in Teilen rekon­ struierbaren Handschriften verdeutlichen, dass Fastolf in jedem Fall nach seiner Rückkehr nach England, wahrscheinlich auch schon vorher, über eine umfassende Büchersammlung verfügte, deren Zusammenstellung in beträchtlichem Maße 318 Paston

Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 109. Übergreifend zu dokumentarischen Hinweisen auf Bücher in Fastolfs Besitz siehe Thorpe, Writing and Reading, S. 262–265. 319 Etwa ein Drittel der gelisteten Werke geht vermutlich auf Neuverfassungs- oder Übersetzungsaufträge Karls V. zurück, siehe hierzu Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 99 f., 101–107. 320 Ebd., S. 101–106. Für eine vergleichsweise aufwendige illustrative Ausstattung spricht auch, dass zwei der 1448 gelisteten Handschriften höchstwahrscheinlich mit zwei im Jahr 1470 im Rahmen der Testamentsvollstreckung Fastolfs von William Worcester aufgeführten, sehr wertvollen Büchern identisch sind: Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 70.1: „Item the said sir William Yeluerton had of the said ser Thomas a boke clepyt Josephus .v. li. and a byble .xxi. li. .vi. s. .viii. d. of Wyrcestre.“ Siehe hierzu Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 100 f.; McFarlane, William Worcester, S. 205; Thorpe, Writing and Reading, S. 264 f. 321 Vgl. auch ebd., S. 262; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 101, 105; Stratford, Bedford Inventories, S. 51–53; Hughes, Stephen Scrope, S. 129 f.; Warner, Epistle of Othea, Introduction, S. xxxvf.

96  1. Die Akteure: Politische Werdegänge und Kunstpatronage von seiner langjährigen Tätigkeit in Frankreich geprägt war. Dass er daneben ein Interesse an der Übertragung von französischer Literatur ins Englische hatte, zeigen die beiden Übersetzungen Stephen Scropes für seinen Stiefvater.322 Überdies veranlasste Fastolf vielleicht auch die Anfertigung neuer Texte, ein mögliches Beispiel hierfür ist das kurz nach 1450 von William Worcester verfasste Boke of Noblesse, auf dessen inhaltliche Gestaltung Fastolf, wie ausgeführt, vermutlich aktiven Einfluss nahm.323

322 Umfassend

zu den Erzeugnissen der Schreiber und Autoren in Fastolfs Umfeld, ihrer Beziehung zu Fastolf und ihrer Kooperation untereinander siehe Thorpe, Writing and Reading. Thorpe berücksichtigt nicht nur literarische, sondern auch administrative Texte und legt ­einen Schwerpunkt auf den Prozess der Textproduktion und -verbreitung sowie die Nutzung der Texte. Siehe außerdem McFarlane William Worcester; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97–101; Hughes, Stephen Scrope; Wakelin, Humanism, S. 93–125. 323 Siehe oben, Kap. 1.4.1. McFarlane, William Worcester, S. 208–210 äußert darüber hinaus die Vermutung, dass Worcester eine Biografie Fastolfs erstellte oder dies zumindest vorhatte, die sogenannten Acta Domini Johannis Fastolf. Er nimmt an, dass in der Textsammlung Add. MS 28206 in der British Library vorbereitende Notizen zu dieser erhalten seien. Hierbei handelt es sich jedoch in erster Linie um Briefe und Belege über den Transfer von Ländereien, die vor allem die Familien Tiptoft und Scrope betreffen, und weniger um Informationen, die für eine Biografie Fastolfs geeignet wären. Zudem stammen die Texte fast ausschließlich aus der Zeit nach Fastolfs Rückkehr nach England, seine Karriere in Frankreich spielt nahezu keine Rolle. Zur Handschrift siehe Catalogue of Additions to the Manuscripts in the British Museum, Add. MS 28206, S. 443 f.

2. „Roy de France à bon droit, et d’Angleterre ainsi comme on le voit.“1 Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Vorrangige Ziele der politischen Instrumentalisierung von Kunstwerken durch die englischen Machthaber in Lancastrian France waren die Durchsetzung der Ansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone und französische Territorien sowie die sichtbare Etablierung seiner Herrschaft. Medien und intendierte Empfänger variierten dabei erheblich: So kamen großformatige Bilder im Rahmen von Einzügen, militärischen Aufmärschen, Festen und Zeremonien zum Einsatz; ebenso propagierte man Heinrichs Anspruch mittels öffentlich aufgehängter illustrierter Plakate und anhand illuminierter Buchgeschenke – man kombinierte Bilder also mit Texten. Die politische Botschaft richtete sich folglich zum Teil an große, bisweilen sehr heterogene Gruppen, etwa die Bevölkerung einer Stadt oder die gegnerische oder verbündete Armee, zum Teil an elitäre Kreise wie das höfische Umfeld der Empfänger kostbarer Buchgeschenke oder an politische Kontrahenten oder Bündnispartner in diplomatischen Verhandlungen. Inhaltlich-ikonografisch hingegen lassen sich eine Reihe von Konstanten ausmachen, die während des gesamten Zeitraums der englischen Herrschaft in Frankreich greifbar sind: Neben bestimmten heraldischen Bildern und Symbolen spielte etwa das Motiv der zweifachen Krönung sowie die bildlich in Szene gesetzte Abstammung Heinrichs von den englischen und französischen Königen eine große Rolle. Ferner wurden bestimmte Heilige besonders häufig zur sichtbaren Unterstützung und Begründung seiner Ansprüche ins Feld geführt. Hierbei machte man sich spezifisch ‚englische‘ Motive zunutze, vor allem aber griff man ‚französische‘ Bilder, Muster und Traditionen auf und setzte sie bildwirksam ein, ging es doch in erster Linie um die Inszenierung Heinrichs als rechtmäßigen Erben der Krone Frankreichs. Welche Rolle gerade derartige Motive und Themen spielten und auf welche Weise sie adaptiert und modifiziert wurden, stellt einen Schwerpunkt der folgenden Ausführungen dar.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild 2.1.1. Ein französisches Gedicht und seine Illustration Nur wenige Monate nach Übernahme der Regierungsgeschäfte in Frankreich in Vertretung Heinrichs VI. lässt sich die erste kunstpolitische Maßnahme John of Lancasters, des Herzogs von Bedford, zur Verdeutlichung der Ansprüche seines 1

Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414.

https://doi.org/10.1515/9783110578966-003

98  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Neffen greifen: Im Jahr 1423 beauftragte er den im Dienste der Engländer stehenden Sekretär Laurence Calot mit der Abfassung eines Gedichtes über den Anspruch Heinrichs auf die französische Krone sowie mit der Anfertigung von genealogischen Tafeln, auf welchen Heinrichs Vorgänger als Könige von Frankreich und England dargestellt werden sollten.2 Das Autograph und die Ahnentafeln Calots sind nicht erhalten; im Jahr 1426 übersetzte John Lydgate das Gedicht jedoch im Auftrag des Grafen von Warwick, Richard Beauchamp, ins Englische. Diese Übersetzung soll im Folgenden zunächst zur Rekonstruktion des Auftrags des Regenten herangezogen werden, bevor sie im Anschluss als kunstpolitische Maßnahme Beauchamps zur Sprache gebracht werden wird. Im Prolog und im Epilog zur Übersetzung informiert Lydgate nicht nur über Beauchamps Auftrag, sondern auch über die Umstände der Entstehung der Vorlage: Die politische Situation und „wrongfull claymes“ hätten erfordert, Heinrichs Ansprüche auf die Kronen Englands und Frankreichs zu verdeutlichen; Bedford sei der erste gewesen, der sich dieser Angelegenheit klug und gewissenhaft angenommen und den Schreiber Calot, der für „wysdom and science“ bekannt gewesen sei, mit dem Verfassen des Textes beauftragt habe.3 2

Der Auftrag zur Anfertigung der Tafeln geht aus einem Eintrag im Journal du Trésor für den 9. 1. 1423 hervor: „Magister Laurentius Caloti, notarius et secretarius Regis, pro denariis sibi traditis per litteras dicti domini de mandato, datas v die huius mensis, signatas ut supra, J. Milet, pro convertendo in confectione quarundam tabularum, quas oneratus est facere fieri de genealogia quorumdam regum Francie et Anglie, predecessorum dicti domini Regis, per litteram dicti Calot datam ista die, xxx l. tur., val. xxiiij l. par.“, zitiert nach Ritter (Hrsg.), Extraits du Journal du Trésor, S. 473 f. Siehe hierzu und im Folgenden bereits Benedicta Rowes 1933 erschienene, nach wie vor einschlägige Studie zur Nutzung von Bildern und Texten zur Verdeutlichung der Ansprüche Heinrichs VI., Rowe, Henry’s Claim to France. Zu Bedfords Auftrag an Calot siehe weiterhin McKenna, Dual Monarchy, S. 151–154; Griffiths, Henry VI, S. 217–219; Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 286–289; Curry, Two Kingdoms, One King, S. 33 f.; Contamine, La „France Anglaise“, S. 26 f. Calot hatte schon im Dienst Karls VI. gestanden und führte seine Karriere unter den englischen Besatzern fort, vgl. zu Quellenbelegen Longnon (Hrsg.), Paris pendant la domination Anglaise, S. 271–277 und passim. 3 Lydgate, Secular Poems, S. 613–615: „Here begynneth a remembraunce of a peedeugre how that the kyng of Englond, Henry the Sext, is truly borne heir vnto the Corone of Fraunce by lynyall successioun, als wele on his ffader side, Henry the Fifth, whom God assoill, as by Ka­ teryne queen of Englond, his modir, whom God assoile; made by Lydygate Iohn the monke of Bury, at Parys, by þe instaunce of my Lord of Warrewyk. […] To sette the ligne where hit shulde be, / And where hit aught iustly to abide, / Wrongfull claymes for to set aside, / I meved was shortly in sentement / By precept first and commaundement / Of the nobly prince and manly man, / Which is so knyghtly & so moche can, / My lord of Warrewyk, so prudent and wise […]. And to put his title in remembraunce, / Whiche that he hath to Inglond and to Fraunce […] My lord of Bedford, of Fraunce þe regent, / Was the first that did his entent, / By grete advys and ful hy prudence, / Thurugh his labour & his diligence, / That made serche in cronycle full notable, / By the clerk which he knew moste able, / Renomed of wysdom and science, / Worthie eke of fame and of credence. / And I […] began to taken hede / Vnto the Frenssh compiled by Laurence, / In substaunce filowyng the substaunce / Of his writyng and compilacioun. / All be þat I in my translacioun“. Im Anschluss an die Übersetzung geht Lydgate erneut auf Calots Werk und Beauchamps Übersetzungsauftrag ein, ebd., S. 620 f. Lydgate schließt mit detaillierten Angaben zum Zeitpunkt, zu dem er seine Übersetzung aufnahm, dem 20. 7. 1426, ebd., S. 621 f.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  99

Benedicta Rowe identifiziert zudem ein im Jahr 1909 von Mary Floran in der Revue des études historiques ediertes, nicht genauer bezeichnetes Dokument aus der Sammlung Beaulaincourt-Marles im Schloss Beauvoir als Abschrift des französischen Gedichtes.4 In der vermutlichen französischen Vorlage wie auch in Lydgates Übersetzung wird zunächst die Zwietracht zwischen England und Frankreich beklagt und das Leid des Krieges geschildert. Als Urheber allen Übels wird der Dauphin ausgemacht, der schließlich bereits durch den grausamen Mord an Jean sans Peur seine Schlechtigkeit unter Beweis gestellt und dadurch sämtliche herrschaftlichen Ansprüche verspielt habe.5 Der Herr habe jedoch in der Person Heinrichs VI. einen „heritier convegnable pour la couronne“ bereitgestellt. Dies zeige die beiliegende genealogische Darstellung: „Et qu’il [Henri] soit vray, veez, je vous supplie, / Ceste figure de genealogie“.6 Die Genealogie zeige darüber hinaus Heinrichs Anspruch auf die Kronen Frankreichs und Englands, der durch seine Abstammung von Ludwig dem Heiligen in achter Generation untermauert wird: „Par elle [la figure] on voit comme nostre Roy ist / De la lignée du bon Roy Saint Loys […] Et si voit-on par vraye congnoissance / Qu’en direct point de la ligne de France, / De deux costés et en huitiesme lieu, / Henri si est par la grace de Dieu / Filz Saint Loys, Roy de France à bon droit, / Et d’Angleterre ainsi comme on le voit.“7 Anschließend wird der wenige Jahre zuvor geschlossene Vertrag von Troyes erörtert und damit neben dem Willen Gottes die Autorität aller Beteiligten ins Feld geführt. Weiterhin wird die Eheschließung zwischen Heinrich V. und Catherine de Valois dargelegt, aus der Heinrich VI. hervorging.8 An dieser Stelle enthält die Übersetzung Lydgates abweichend vom in der ­Revue des études historiques edierten französischen Gedicht einen kurzen zusätzlichen Abschnitt, der die Qualitäten Heinrichs V. preist. Ferner verweist Lydgate abweichend vom französischen Text ein zweites Mal auf Heinrichs Abstammung von Ludwig dem Heiligen und die Herrschaftsansprüche, die daraus resultierten.9 Die letzten Zeilen des französischen Gedichtes und der Lydgate-Übersetzung stimmen wieder miteinander überein: Das unzeitige, kurz aufeinanderfolgende Able4 5

6 7 8

9

Rowe, Henry’s Claim to France, S. 78, 83–87; Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 412–415. Ebd., S. 414: „Le doulx Jhésus […] voiant la grant discorde / D’entre les Roix de France et d’Angleterre, / Et le peril des âmes pour leur gherre, / Voyant d’aultre part la division / En ce royaume et tel destruction / De foy faulsée ainsi malvaisement / Par le Daulphin, qui tant horriblement / Fit détrenchier sans crainte de vergongne / A Monstereau Jehan duc de Bourgongne […] Celui Daulphin ait tant fait à reprendre, / Que lui meismes se est inhabilité / De succéder à toutte dignité, / Comme en lettres signées de sa main / Et de son scel seellées, plus à plain / Pœut à chacun clerement apparoir“; resp. Lydgate, Secular Poems, S. 615 f. Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414; resp. Lydgate, Secular Poems, S. 616 f. Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414; resp. Lydgate, Secular Poems, S. 617. Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414 f.; resp. Lydgate, Secular Poems, S. 617– 619. Zum Vertrag von Troyes siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 19–49, 270 f.; Autrand, Charles VI, S. 577–591; Curry, Two Kingdoms, One King; dies., Hundred Years War, S. 89–94; Leguai, La „France Bourguignonne“; Dockray, Henry V, S. 183–209; Warner, Anglo-French Dual Monarchy. Lydgate, Secular Poems, S. 619.

100  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. ben Karls VI. und Heinrichs V. wird beklagt und abschließend der Wunsch nach Erfolg und Gottes Segen für die Regierung Heinrichs VI. zum Ausdruck gebracht.10 Es stellt sich zunächst die Frage, wie die das Gedicht begleitende „figure de genealogie“ aussah. Leider ist nicht nur Bedfords ursprünglicher Auftrag verloren, sondern auch im Falle von Lydgates Übersetzung ist keine genealogische Illustration erhalten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche ursprünglich existierte, wie weiter unten darzulegen sein wird. Zu den von Bedford in Auftrag gegebenen Tafeln gibt Lydgate lediglich an, dass Calot sich in besonderem Maße geeignet habe, eine realitätsgetreue Ahnentafel Heinrichs zu zeichnen, die seine direkte Abstammung von Ludwig dem Heiligen zeige.11 Es ist jedoch eine Reihe genealogischer Tafeln englischer und französischer Provenienz aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts erhalten, die vermutlich auf Bedfords Auftrag basieren und Hinweise auf die verlorenen Tafeln Calots liefern können. Genannt sei zunächst die aufwendig illustrierte Ahnentafel Heinrichs im Shrewsbury Book (Kat. 13), dem fürstlichen, 1444/45 kompilierten Buchgeschenk John Talbots an Marguerite d’Anjou (Farbabb. 14), der an späterer Stelle noch ein eigenes Kapitel gewidmet wird.12 Neben ihr sind zwei weitaus weniger elaborierte Beispiele von Genealogien in englischen Handschriften erhalten: Eine vermutlich um 1440 datierende Tintenskizze in der University Library in Cambridge (Abb. 29) sowie eine etwas später datierende, letzterer inhaltlich und formal ähnelnde Skizze in der British Library, die den Abschluss zu einer Abschrift von Ranulf Hidgens Polychronicon bildet.13 Während die Medaillons der Vorfahren Heinrichs im Shrewsbury Book auf Französisch beschriftet wurden, verfasste man die Erläuterungen in den englischen Handschriften auf Latein, und auch formal-stilistisch liegen mehr als deutliche Unterschiede vor. So enthalten die Medaillons im Shrewsbury Book detaillierte Bildnisse der königlichen Vorfahren, die jeweils von erläuternden Schriftrollen begleitet und von Wandbehängen hinterfangen werden, die mit dem französischen oder englischen Wappen geziert sind. Die beiden Skizzen hingegen weisen keine Dekoration auf, die schlichten Medaillons enthalten hier lediglich Text. Inhaltlich stimmen die drei Exemplare jedoch überein, und es ist denkbar, dass ihnen allen direkt oder indirekt die verlorenen Tafeln Calots als Vorlage zugrunde gelegen haben, die, wie noch auszuführen sein wird, höchstwahrscheinlich vervielfacht und öffentlich aufgehängt wurden.14 10 Document

relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 415; resp. Lydgate, Secular Poems, S. 619 f. S. 620: „To drawen oute a true peedegrue, / Lyneally descending even adoun / From Seint Lowys, most famous of renoun […] Of Frensshe-men oonly þere was oon […] Which by name callid is Laurence / Calet“. 12 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 3r. Siehe unten, Kap. 2.1.3. 13 Cambridge, University Library, MS Ll.V.20, fol. 34r; London, BL, Add. MS 39236, fol. 147v. Siehe hierzu McKenna, Dual Monarchy, S. 152; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 116, Anm. 49; Catalogue of Manuscripts in Cambridge University Library, Nr. 2218, S. 101–103. 14 Bereits Rowe, Henry’s Claim to France, S. 80 schlägt vor, dass es sich bei der Fleur-de-Lis-Tafel im Shrewsbury Book um eine Kopie nach Bedfords Auftrag handelt. 11 Ebd.,

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  101

Abb. 29: Cambridge, University Library, MS Ll.V.20, fol. 34r

102  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI.

2.1.2. Die Übertragung des Gedichts ins Englische Nur drei Jahre nach der Anfertigung des propagandistischen Textes und der ­Ahnentafeln Heinrichs durch Laurence Calot entschloss man sich dazu, die Ansprüche des jungen Königs nicht nur auf den englischen, sondern auch auf den französischen Thron auch gegenüber dem englischen Publikum zum Ausdruck zu bringen. 1426 fertigte John Lydgate, der zuvor bereits mehrfach für hochrangige englische Patrone tätig gewesen war, im Auftrag Richard Beauchamps in Paris die genannte Übersetzung der „remembraunce of a peedeugre how that the kyng of Englond, Henry the Sext, is truly borne heir vnto the Corone of Fraunce by lynyall successioun“ ins Englische an.15 Lydgate beginnt seinen Prolog mit der Lobpreisung des Auftraggebers und bezeichnet ihn als „nobly prince and manly man, / Which is so knyghtly & so moche can, / My lord of Warrewyk, so prudent & wise“, bevor er sich dem seiner Arbeit als Vorlage dienenden Auftrag Bedfords an Calot zuwendet.16 Der Dichter beteuert, sich in seiner Übersetzung gewissenhaft an Calots Vorlage gehalten zu haben: „In substaunce filowyng the substaunce / Of his writyng and compilacioun. / All be þat I in my translacioun […] Yit shal I folow my maistre douteles, / Calot, and be not recheles / Liche his writyng my stiel to direct“.17 Der Inhalt des Gedichtes wurde bereits erörtert: Es geht um den Krieg zwischen England und Frankreich, die Untaten des Dauphins und Heinrichs Abstammung von Ludwig dem Heiligen über die französische und englische Linie, die ihn zum gottgesandten „rightfull heir“ beider Reiche mache. Wie in der in der Revue des études historiques edierten französischen Vorlage folgt die Darlegung der Abmachungen von Troyes und der Eheschließung zwischen Heinrich V. und Catherine de Valois.18 Hier fügt Lydgate eine Laudatio auf den 1422 verstorbenen König ein und beschreibt dessen Erfolge in der Vereinigung der Kronen Frankreichs und Englands. Er habe danach gestrebt „thurgh his besy peyne, / Iustly to bring worthi reames twayn / Vndir oo crowne by desceynt of lyne; / For which he may among þe Worthie Nyne / Truly be set & reconed for oon“.19 Mit besonderem Verweis auf seinen erfolgreichen Vater wird, ebenfalls abweichend von Calots Vorlage, ein zweites Mal die Abstammung Heinrichs VI. dargelegt: „From Seint Lowys in the righte lyne, / I sey, of him [Henry V] and of Kateryne, / Doun in 15 Lydgate,

Secular Poems, S. 613–622, hier S. 613. Siehe das Zitat oben, Anm. 3. Die der Edition Henry MacCrackens zugrunde liegende Handschrift, London, BL, Harley MS 7333, fol. 31r– 32v, wird in das zweite oder dritte Viertel des 15. Jh.s datiert und dem ebenfalls für Beauchamp tätigen John Shirley oder seinem Umfeld zugeschrieben, siehe hierzu den Eintrag im Catalogue of Illuminated Manuscripts der British Library. Zu Beauchamps Auftrag an Lydgate siehe Crispin, Kunst als Medium, S. 14 f.; in Kürze dies., Politische Botschaften; Rowe, Henry’s Claim to France; McKenna, Dual Monarchy, S. 153 f. Zur Verbindung zwischen Beauchamp und Lydgate siehe Pearsall, John Lydgate, S. 126, 160–196. 16 Lydgate, Secular Poems, S. 614. 17 Ebd., S. 615. 18 Ebd., S. 615–619; resp. Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414  f. 19 Lydgate, Secular Poems, S. 619.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  103

ordre by corious lyneall, / Descendid is from þe stok riall / Of Seint Lowis, who can vndirstond, / Henry the Sext, borne in Engelond, / For to possede by enheritaunce / Crownes two of Englond & of Fraunce, / By true title, as ye haue hard toforne“.20 Abschließend kehrt Lydgate wieder zur französischen Vorlage zurück und beklagt wie Calot den Tod Karls VI. und Heinrichs V., bevor er mit guten Wünschen für den jungen König schließt.21 Wie im Falle des Auftrags durch den Regenten sind auch von der durch Beauchamp veranlassten Übersetzung weder das Autograph noch zeitgenössische, mit Illustrationen ausgestattete Kopien erhalten.22 Ob Lydgates Text ebenfalls mittels genealogischer Tafeln illustriert war, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, es spricht jedoch einiges dafür. Entsprechend der französischen Vorlage wird der Leser auch in Lydgates Übersetzung verschiedentlich aufgefordert, eine „portratur of þe pedegre“ oder „genelagye“ zu betrachten: „That we may se with euery circumstaunce / Direct the lyne of England and of Fraunce. / On þe othir part byhold & ye may se / How this Herry in þe eight degre / Is to Seint Lowys sone & very heir“.23 Es ist natürlich denkbar, dass es sich lediglich um aus der Übersetzung resultierende Überbleibsel ohne eigentlichen Zweck handelt. Dem ist jedoch entgegenzusetzen, dass Lydgate schon im Prolog – und damit außerhalb der Übersetzung – sein Anliegen zum Ausdruck bringt, dass die Darlegung des Anspruchs Heinrichs auf die Kronen beider Länder nicht nur gelesen, sondern auch „gesehen“ werde, „þat shall hit sene or rede“.24 Demnach war anscheinend auch Beauchamps Auftrag von einer illustrierten Ahnentafel des jungen Königs begleitet, die inhaltlich weitgehend den genannten vermutlichen Kopien entsprach.

2.1.3. Heinrichs Ahnentafel im Shrewsbury Book Die spektakulärste und eindrücklichste der vermuteten Kopien oder vielmehr Derivate der Ahnentafel Calots ist zweifelsohne die Genealogie Heinrichs VI. im Shrewsbury Book (Kat. 13) (Farbabb. 14). Zusammen mit Widmungsminiatur und Widmungstext bildet sie die einleitende Doppelseite der reich illuminierten Prachthandschrift, die John Talbot Marguerite d’Anjou anlässlich ihrer Eheschließung mit dem englischen König zum Geschenk machte und höchstwahrscheinlich im März 1445 in Rouen überreichte.25 Die Kernelemente der englischen Argumentation – Heinrichs Anspruch auf zwei Kronen über zwei vorgeblich direkte Herkunftsstränge und seine Abstammung von Ludwig dem Heiligen in achter Generation – wird hier en détail in Form einer abstrahierten Fleur-de-Lis verbild20 Ebd.

21 Ebd.,

S. 619 f. ; resp. Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 415. den folgenden Überlegungen siehe in Kürze Crispin, Politische Botschaften. 23 Lydgate, Secular Poems, S. 617. 24 Ebd., S. 615. 25 Zur genealogischen Tafel des Shrewsbury Book siehe Rowe, Henry’s Claim to France, S. 80  f.; Hedeman, Role of the Visual, S. 111–113. 22 Zu

104  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. licht: Der linke Zweig der Genealogie illustriert mittels Medaillons, die jeweils halbfigurige, anhand von Schriftrollen identifizierbare Bildnisse seiner Vorfahren enthalten, Heinrichs Abstammung von der französischen, der rechte von der englischen Königslinie, während im Mittelblatt auf seine Herkunft von Ludwig dem Heiligen fokussiert wird. Im Blütenboden ist Heinrich VI. dargestellt; Engel, die sich vom französischen und englischen Familienzweig zu ihm herab neigen, sind im Begriff, ihn mit zwei Kronen zu krönen. Zwei Adlige, die anhand ihrer Wappen identifiziert werden können, stützen die Lilie. Es handelt sich um Humphrey of Gloucester, den Onkel des Königs, rechts, und Richard of York, der zum Zeitpunkt der Schenkung der Kompilation Gouverneur der Normandie und damit der politisch hochrangigste Amtsträger in Lancastrian France war, auf der linken – französischen – Seite. Die Schlüsselfunktion Ludwigs IX. wird neben seiner prominenten Positionierung an der Spitze des Mittelblattes dadurch betont, dass bei sämtlichen dargestellten Personen neben ihrem Namen und Titel auch ihr Abstammungsgrad von Ludwig in den begleitenden Schriftrollen angegeben ist. Darauf, dass eben die Veranschaulichung der Herkunft Heinrichs vom illustren Heiligen der vorrangige Zweck der Darstellung war, weist auch ihre Beschreibung in der Widmungsinschrift auf der gegenüberliegenden Seite: Laut dieser zeige die Stammtafel der Prinzessin deutlich, dass der König im achten Grad vom „bon roy saint louys“ abstamme. Während die Richtigkeit dieser Angaben mehrfach beteuert wird, werden weitere Details der Darstellung in der Widmungsinschrift nicht thematisiert.26

2.1.4. Die Konstruktion einer Genealogie Wie in der vermuteten Abschrift des Gedichts Laurence Calots und in John Lydgates Übersetzung wird auch in den drei erhaltenen bildlichen Darstellungen – der Ahnentafel im Shrewsbury Book (Farbabb. 14) sowie den lateinisch beschrifteten Skizzen in der University Library Cambridge (Abb. 29) und der British Library – die vorgeblich geradlinige Abstammung Heinrichs VI. von den französischen und englischen Königen gezeigt. Besonderes Gewicht liegt auch hier auf seiner Herkunft von Ludwig dem Heiligen in achter Generation, die jeweils prominent im Zentrum dargestellt wird.27 Genau wie im Shrewsbury Book wird auch in den 26 London, BL, Royal

MS 15 E. VI, fol. 2v: „Ou livre a vue figure. / Geneaulogie nommee / Par la quelle est tres bien prouvee / Verite demonstrant a plain / Que le roy nostre souverain / Le vostre affye que dieux gart. / Est venu de si noble part. / Comme du bon roy saint louys. / Si estes vous certain en suys. / Par celle hystoire veoir pourrez / De quel et quantiesme degrez. / Le roy nostre dit souverain / Est descendu il est certain / Cest en luitiesme degre.“ 27 Der in allen drei Versionen als „direkte Linie“ bezeichnete Mittelzweig beginnt mit Ludwig IX., dem Heiligen, es folgen sein Sohn Philipp III. und sein Enkel Philipp IV. Darunter sind von links nach rechts dessen Söhne und Nachfolger Ludwig X., Philipp V. und Karl IV. sowie seine Tochter Isabella, die mit Eduard II. von England verheiratet wurde, aufgereiht. Der linke Zweig beginnt mit dem Stammvater des Hauses Valois, Charles, es folgen die ValoisKönige Philipp VI., Johann II., Karl V. und Karl VI. sowie dessen Tochter Catherine. Der rechte Zweig setzt bei Eduard I. ein, es folgt Eduard II., als dessen Ehefrau Isabella per Schriftrolle

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  105

beiden Skizzen neben dem Namen und Rang der jeweils bezeichneten Person ihr Abstammungsgrad angegeben.28 Über die Hervorhebung Ludwigs hinaus fallen zwei modifizierende Maßnahmen auf, mittels derer Geschichte zugunsten Heinrichs ‚geformt‘ wird und – um die Worte Gert Melvilles in seiner einschlägigen Studie zu spätmittelalterlichen Genealogiekonstruktionen aufzugreifen – der „Rückgriff auf eine vergangene Entwicklung, die es in der gewünschten Art gar nicht gab“, ermöglicht wird.29 So fehlt zum einen der Dauphin beziehungsweise Karl VII. An seiner Stelle ist seine Schwester Catherine de Valois, die Tochter Karls VI. und Mutter Heinrichs VI., dargestellt. Diese Unterschlagung ist aus englischer Sicht zwingend, leitet sich Heinrichs Position als alternativloser Erbe der französischen Krone doch vor allem aus der Enterbung des Dauphins im Zuge des Vertragsschlusses von Troyes und seiner auch von Calot beschriebenen „inhabilité“, jeglichen Würden nachzufolgen, ab.30 Während der politische Kontrahent also in Calots Text noch aktiv diskreditiert wird, geht man in der Illustration einen Schritt weiter und ignoriert ihn völlig, womit die Gleichmäßigkeit der bildlichen Darstellung gewahrt wird. Ebenfalls zugunsten Heinrichs VI. verformt werden Umbrüche und Problemstellen in seiner Ahnenreihe. So wird zum Beispiel die Tatsache, dass sein Großvater Heinrich IV. von Lancaster den englischen Thron im Jahr 1399 usurpiert kenntlich gemacht wird. Mit dem hierauf folgenden Eduard III. wird sie ebenfalls per Schriftrolle verbunden und als seine Mutter gekennzeichnet. Es folgen ein doppelt besetztes Medaillon mit Edward of Woodstock und John of Gaunt, dem Stammvater der Lancaster-Dynastie, sowie ein ebenfalls geteiltes Medaillon mit Richard II. und Heinrich IV. Auf der gleichen Höhe wie Catherine de Valois schließlich befindet sind das Medaillon Heinrichs V., die beiden Medaillons werden durch Schriftrollen, die ihren Verwandtschaftsgrad und ihre Ehe angeben, verbunden. Den Abschluss bildet das Medaillon Heinrichs VI. 28 Zudem wird jeweils anhand verbindender Schriftrollen bzw. Leisten angegeben, in welchem Verwandtschaftsgrad die französischen und englischen Nachfahren Ludwigs zueinander stehen, was den Eindruck der Gleichmäßigkeit optisch verstärkt. 29 Melville, Vorfahren und Vorgänger, hier S. 224 beschäftigt sich anhand der herrschaftlichen Ansprüche des burgundischen Herzogs auf Brabant mit der Konstruktion von Geschichte mittels genealogischer Darstellungen. Grundlegend zu mittelalterlichen Genealogiekonstruktionen in Text- und Bildform siehe außerdem ders., Geschichte in graphischer Gestalt; Guenée, Généalogies entre l’histoire et la politique, bes. S. 466; Spiegel, Genealogy, S. 103–110 sowie jüngst Kintzinger, Successio, S. 231–251; Andenna und Melville (Hrsg.), Idoneität – Genealogie – Legitimation, hierin besonders die Beiträge Melville, Technik genealogischer Konstruktionen; Norbye, Graphische Darstellung und Legitimität. Insb. zu im Umfeld der Valois entstandenen Genealogien siehe dies., Genealogies in Medieval France; dies., Genealogies and Dynastic Awareness; Lewis, War Propaganda and Historiography, S. 11; Taylor, War, Propaganda and Diplomacy, S. 38; Klapisch-Zuber, L’ombre des ancêtres, bes. S. 159–185, 251–269. Vgl. außerdem zum Beispiel der englischen Könige des 14. Jh.s knapp Reitemeier, Die englischen Könige, S. 707–710. 30 Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414, zitiert oben, Kap. 2.1.1, Anm. 5. Eine weitere Maßnahme des Regenten zur Diffamierung des Dauphins ist Williams, My Lord of Bedford, S. 175 und McKenna, Dual Monarchy, S. 156 folgend für das Jahr 1429 greifbar: Er ließ zur Unterhaltung der Burgunder in Paris ein Schauspiel des Mordes an Jean sans Peur aufführen, in dem die Armagnaken und der Dauphin sehr negativ dargestellt werden. Leider geben weder McKenna noch Williams an, aus welcher Quelle sie diese Information beziehen. Zur Unterschlagung des Dauphins siehe auch Pérez-Simon, Mise en roman, S. 508 f.

106  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. hatte und sein Cousin und Vorgänger Richard II. Plantagenet kurz darauf auf mysteriöse Art und Weise verstarb, hier ganz harmonisch dargestellt: Sowohl Heinrich IV. und Richard II. als auch ihre Väter, John of Gaunt und Edward of Woodstock, die Söhne Eduards III., teilen sich jeweils ein Medaillon – ein Umstand, der erst auf den zweiten Blick auffällt. Die gleichförmige Darstellung erstreckt sich im Falle des Shrewsbury Book auch auf die begleitenden Schriftrollen: Sowohl Richard II. als auch Heinrich IV. werden als „Roy dangleterre filz S. Louys ou VIe degre“ bezeichnet. Auf diese Weise wird die junge Lancaster-Dynastie fließend in die englische Königslinie der Plantagenet eingeflochten und Kontinuität suggeriert. Einigkeit wird auch durch die schlichte inschriftliche Bezeichnung des Zweiges als „Ligne dangleterre“ vorgegeben. Die mit Charles de Valois einsetzende dynastische Linie der Valois auf der gegenüberliegenden Seite hingegen, die in einem ganz ähnlichen Verwandtschaftsverhältnis zu ihren kapetingischen Vorgängern im Mittelzweig stehen wie die Lancaster zu den Plantagenet, wird so isoliert wie nur möglich dargestellt. Sie wird inschriftlich zur „ligne colatteralle“ degradiert und deutlich von der „Directe ligne de France“ im Zentrum geschieden, hier wird der Bruch in der Thronfolge im Jahr 1328 betont.31 Die formende Darstellung von Genealogien zur Vermittlung eines bestimmten politisch nutzbaren Geschichtsbildes hat im Spätmittelalter keinen Seltenheitswert. Melville stellt zwei Grundbedingungen heraus, welche vielfach die Basis ­dynastischer Ansprüche bildeten und denen man sich in genealogischen Kon­ struktionen soweit wie möglich anzunähern versuchte: Die Vorfahren sollten zum einen ungebrochen aufeinander folgen, zum anderen „in jenen herrschaftlichen Würden, Ämtern und Leistungen vorgestellt werden […], die Relevanz für die gegenwärtigen Ansprüche besaßen“.32 Sowohl die möglichst bruchlose Ahnenfolge als auch einen als Vorbild einsetzbaren Vorgänger, namentlich Ludwig den Heiligen, versuchte man auch anhand der Ahnentafel Heinrichs VI. zu vermitteln. Die Genealogie suggeriert Kontinuität und wird somit zum „publizistisch einsetzbaren Gegengewicht […] gegenüber dem unmittelbaren Eindruck von politischer Neuerung und Wechselhaftigkeit“.33 Diese Wechselhaftigkeit wird im hier besprochenen Fall in dem der Genealogie zur Seite gestellten Text, der die politischen Unruhen der Zeit – den Krieg zwischen England und Frankreich, die Untaten des Dauphins und das kurz aufeinanderfolgende Ableben Heinrichs V. und Karls VI. – behandelt, ausführlich dargelegt. 31 Zitiert

nach London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 3r. Die Bezeichnungen der drei Zweige wie auch die Betitelungen der einzelnen Personen entsprechen inhaltlich den Angaben in Cambridge, University Library, MS Ll.V.20, fol. 34r und London, BL, Add. MS 39236, fol. 147v. Zum zeitgenössischen Diskurs zur französischen Thronfolge von englischer und französischer Seite siehe jüngst Kintzinger, Successio; außerdem ders., Auftrag der Jungfrau, S. 64–67; ders., Sakrale Repräsentation; Taylor, Salic Law; ders., War, Propaganda and Diplomacy; ­Lewis, War Propaganda and Historiography; Miramon, Aux origines de la noblesse, S. 173–210; Guenée, Le roi, ses parents. 32 Melville, Vorfahren und Vorgänger, bes. S. 216–221, hier S. 220  f. 33 Ebd., bes. S. 216–224, hier S. 224.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  107

2.1.5. Die Adaption ‚französischer‘ Motive und Traditionen Die Fleur-de-Lis im Shrewsbury Book Fragt man nach der Nutzbarmachung spezifisch französischer Motive, fällt bei der Ahnentafel des Shrewsbury Book (Kat. 13) der überaus plakative Einsatz des prominentesten aller französischen Herrschaftszeichen – der Fleur-de-Lis – ins Auge: Sie bildet nicht nur die Folie zur Genealogie Heinrichs, sondern wird zudem als flächendeckendes Dekorationselement eingesetzt (Farbabb. 14). Es ist möglich, wenn auch nicht zu belegen, dass sie auch in den Illustrationen der Aufträge Bedfords und Beauchamps eine Rolle spielte. Welche Rolle die Fleur-de-Lis hiervon abgesehen in der politischen Propaganda der Engländer in Lancastrian France spielte, soll in der Diskussion der Instrumentalisierung von Bildern in ­Zeremonien und Einzügen zur Sprache gebracht werden.34 Die Instrumentalisierung Ludwigs des Heiligen Den drei hier besprochenen Aufträgen, also dem von Laurence Calot in Bedfords Auftrag verfassten, von genealogischen Tafeln begleiteten französischen Gedicht, der vermutlich ebenfalls illustrierten Übersetzung dessen durch John Lydgate und der Ahnentafel im Shrewsbury Book, ist die zentrale Rolle Ludwigs des Heiligen gemeinsam. Der heilige König war in spätmittelalterlichen französischen Bildund Textprogrammen zur Herrschaftslegitimation von großer Bedeutung, wenn auch Ausmaß und inhaltliche Schwerpunkte seiner Verehrung und politischen Instrumentalisierung Schwankungen unterworfen waren, wie Anja RathmannLutz in einer umfassenden Untersuchung dargelegt hat.35 Von den vielfältigen Formen und inhaltlichen Ausrichtungen der Stilisierung des Heiligen zum vorbildhaft wirkenden Stammvater der Valois-Dynastie ist eine in die Regierungszeit Karls VI. zu verortende Argumentationsstrategie von Interesse: In seinem 1395 verfassten Epistre au Roi Richart bringt Philippe de Mézières seinen Wunsch nach Frieden in Frankreich und nach einem neuen Kreuzzug gegen die Türken zum Ausdruck und führt in diesem Zusammenhang Ludwig den Heiligen als Vorbild an. Vor allem aber bezeichnet er ihn mehrfach als Stamm­ vater sowohl Karls VI. als auch Richards II., deren Dynastien durch die Heirat zwischen Richard und Karls Tochter Isabella endlich wieder vereint würden.36 Die 34 Zur

Fleur-de-Lis, ihrer Herkunft und ihrer politischen Nutzung siehe Beaune, Naissance, S. 238–263; Spiegel und Hindman, Chronique abrégée, S. 385–393; Châtillon, Lilia crescunt sowie nach wie vor Rowe, Notes on the Clovis Miniature, S. 56–60. Insb. zur Nutzung der Fleur-de-Lis durch die Engländer siehe Ailes, Heraldry in Medieval England, S. 89–94. 35 Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen. Die Studie ist für die im Folgenden referierten Ausführungen grundlegend. Siehe zur Verehrung Ludwigs auch Beaune, Naissance, S. 126–164; Gaposchkin, Making of Saint Louis, bes. S. 197–243; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 63–91; Allirot, Filles de roy de France. 36 De Mézières, Letter to King Richard II, etwa S. 121: „Et combien que ce soient ii. royaumes, toutefois ce n’est que une maison, dont les ii. rois sont issus et d’un pere et une mere, c’est assavoir du tres vaillant roy saint Loys.“ Außerdem ebd., S. 86, 93, 102, 143–145. Siehe hierzu auch Coopland, Letter to King Richard II, Introduction, S. xxxii; Frońska, Epistre au Roi Richart, S. 394 f.; Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 228; Keen, The Wilton Diptych, S. 191–193.

108  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. erstmalige Darstellung Ludwigs als Ahnherr der englischen Könige stammt also nicht von englischer, sondern französischer Seite, wenn sie auch hier keineswegs der Propagierung des englischen Anspruchs auf den französischen Thron diente, sondern im Kontext des Vorschlags eines gemeinsamen Kreuzzugs vorgebracht wurde. Verbunden sind die jeweiligen Anliegen zumindest durch ein vorgebliches Ziel, nämlich den Frieden zwischen England und Frankreich. Der Brief Philippe de Mézières’ ist in der Royal Manuscripts Collection der British Library erhalten und kann bereits 1535 im Besitz des Hauses Tudor nachgewiesen werden.37 Es ist also denkbar, dass er nach der Absetzung Richards II. in englischem königlichem Besitz blieb und sich damit in Bedfords direktem Zugriffsbereich befand. Ebenso gut möglich ist jedoch, dass der Regent sich an Beispielen der Instrumentalisierung Ludwigs als vorbildhaft wirkendem Ahnen der Valois-Könige orientierte. Entsprechende bildliche oder textliche Produkte waren in seinem Umfeld zahlreich vorhanden. Bemerkenswerterweise lassen sich im näheren zeitlichen Vorfeld der englischen Herrschaft in Frankreich kaum Maßnahmen zur politischen Instrumentalisierung Ludwigs des Heiligen seitens der Valois feststellen. Zwar war er von großer Bedeutung für Louis de Guyenne, der mit dem Tod seines älteren Bruders im Jahr 1401 zum Dauphin wurde und in dessen Besitz sich einige illuminierte Handschriften befanden, in denen die Verehrung des heiligen Königs viel Raum einnimmt: So besaß er einen Psalter, in dem der Heilige als sein Schutzpatron dargestellt wird und ihn der Gottesmutter empfiehlt; weiterhin nimmt Ludwig IX. im sogenannten Bréviaire de Châteauroux eine prominente Rolle unter den aufgeführten Heiligen ein.38 Zudem wird in beiden Handschriften, ebenso wie in den Bedford Hours (Kat. 3), die möglicherweise ebenfalls ursprünglich für Louis de Guyenne angefertigt worden waren, der Festtag des Heiligen hervorgehoben.39 1408 veranlasste der Dauphin eine illuminierte Abschrift der von Guillaume de Nangis verfassten Viten Ludwigs des Heiligen, in der dessen instruierende, belehrende Rolle betont wird.40 In allen diesen Handschriften ist die Funktion Ludwigs IX. als herrschaftslegitimierender Stammvater der Valois-Dynastie allerdings höchstens zweitrangig relevant.41 MS 20 B. VI. Siehe zur Provenienz knapp Frońska, Epistre au Roi Richart, S. 395. 38 Die Ludwigsverehrung des Dauphins Louis de Guyenne wird hier nach Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 230–233 referiert. Der Psalter London, BL, Cotton MS Domitian A. XVII zeigt auf fol. 50r die Empfehlung des jungen Königs durch Ludwig den Heiligen an die Gottesmutter. Das vermutlich für Louis de Guyenne angefertigte Breviarium befindet sich in Châteauroux, Bibliothèque Municipale, MS 2. Der heilige König ist zu Beginn seines Offiziums im Sanctorale (fol. 298v) und im Kreise weiterer Heiligen in der Allerheiligenminiatur (fol. 357v) dargestellt, vgl. Villela-Petit, Bréviaire de Châteauroux. 39 Zu Louis de Guyenne als Besitzer der Bedford Hours siehe Rabel und Stirnemann, Très Riches Heures, S. 534–537. 40 London, BL, Royal MS 13 B. III. Siehe hierzu Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 232. Zu Guillaume de Nangis’ im 13. Jh. verfassten Viten Ludwigs des Heiligen siehe auch Lewis, Royal Succession, S. 140. 41 Vgl. Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 232  f. 37 London, BL, Royal

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  109

Auf englischer Seite wiederum spielte Ludwig der Heilige, wie Rathmann-Lutz herausstellt, seit der Wiederaufnahme der Ansprüche auf den französischen Thron unter Eduard III. zwar eine Rolle, gegenüber spezifisch ‚englischen‘ Heiligen war seine Bedeutung jedoch deutlich untergeordnet.42 In den legitimatorischen Maßnahmen Richards II. und der ersten beiden Lancaster-Könige flaute das Interesse fast völlig ab, und man konzentrierte sich noch stärker auf englische Heilige, wie Eduard den Bekenner oder den Märtyrerkönig Edmund sowie – insbesondere seit Heinrich V. – den ‚anglisierten‘ heiligen Georg.43 Erst mit der Etablierung der englischen Herrschaft in Frankreich nach dem Tod Karls VI. gewann Ludwig der Heilige als Legitimationsfigur im politischen Bild- und Textprogramm an Bedeutung. Dies zeigt sich nicht nur am Werk Calots, sondern auch anhand einer Reihe weiterer, noch zu besprechender Beispiele.44 Die Nutzung des französischen Heiligen anstelle seines Ersetzens durch englische Äquivalente fügt sich in das generell für Bedfords Regentschaft konstatierte Bild des Bemühens um eine verhältnismäßig friedensorientierte Regierung und des Adaptierens lokaler administrativer und personeller Strukturen.45 Wenn John Lydgates im Auftrag Richard Beauchamps angefertigte Übersetzung ins Englische auch – soweit feststellbar – inhaltlich und die zum Einsatz gebrachten legitimatorischen Mittel und Argumentationsmuster betreffend in weiten Teilen mit dem Auftrag des Regenten übereinstimmt, so fallen doch einige wenige Abweichungen ins Auge. Zu nennen ist zunächst der größere Schwerpunkt auf den Qualitäten und kriegerischen Leistungen Heinrichs V. Daneben ist eine weitere, erst auf den zweiten Blick feststellbare Modifizierung gegenüber der Vorlage Calots aufschlussreich, die Details der Abstammung Heinrichs VI. von Ludwig dem Heiligen betrifft: Während Calot lediglich angibt, dass die textbegleitende Abbildung verdeutliche, dass Heinrich „de la lignée de bon Roy Saint Loys“ sei, führt Lydgate dies weiter aus.46 Ihm zufolge ist zu sehen, „that [Henry] stondith in þe veray ligne, / As ye may se, as descendid is / Of the stok and blode of Seint Lowys“ – Heinrich stamme vom „Blut“ Ludwigs des Heiligen ab.47 Damit wendet Lydgate sich explizit gegen die Vorstellung, dass das Blut nur in agnatischer Linie weitergegeben werde, und Heinrich wird gleichsam zum ‚Prince du Sang de Saint

42 Vgl.

ebd., S. 158–167. ebd., S. 281–285. Zur Heiligenverehrung unter Richard II., Heinrich IV. und Heinrich V. siehe Good, Saint George in Medieval England, S. 73–83; Mitchell, Cult of Saints; Allmand, Les saints anglais; Marek, Körper des Königs, S. 152–159; Curry, Lancastrian Normandy, S. 241, 250; Reitemeier, Die englischen Könige, S. 705–707. Auch mit Catherine de Valois kann keine politische Instrumentalisierung des französischen Königs in Verbindung gebracht werden, Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 285. 44 Nach dem Rückzug der Engländer aus Frankreich kam es mit der Verlagerung des politischen Schwerpunktes auch zu einem deutlichen Nachlassen des Interesses an Ludwig dem Heiligen, ebd., S. 286–293. 45 Siehe oben, Kap. 1.1, bes. Anm. 3 und Kap. 1.1.1, bes. Anm. 34. 46 Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414. 47 Lydgate, Secular Poems, S. 617.

43 Vgl.

110  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Louis‘ gemacht.48 Zumindest in Textform geht man hier in der Rezeption und Umformung französischer Legitimationsmittel noch weiter als im Falle von Bedfords Auftrag. Orientierung an der Reorganisation der französischen Königsgrablege? Neben Ludwig dem Heiligen und der Fleur-de-Lis machten die englischen Besatzer sich eine weitere in unmittelbarem Zusammenhang mit der französischen Krone stehende Tradition zur Visualisierung ihrer Ansprüche zunutze und stellten dadurch eine zusätzliche Verbindung zu dem heiligen König her: In den frühen 1260er Jahren wurden tiefgreifende Umgestaltungsmaßnahmen in der französischen Königsgrablege in Saint-Denis vorgenommen, bei welcher bis dato unsystematisch in der Kirche verteilte karolingische und kapetingische Herrschergräber in den Chor umgelegt wurden.49 Man legte zwei parallele Reihen von jeweils acht Grabmälern zwischen dem Hauptaltar und dem Trinitätsaltar an, auf die Südseite platzierte man in chronologischer Reihenfolge die Tumben eines merowingischen Königs und sieben karolingischer Könige, unter denen auch der fränkische Maior Domus Karl Martell aufgenommen wurde; auf der Nordseite wurden acht Grabmäler kapetingischer Herrscher angelegt. Die Grabmäler wurden formal und stilistisch einheitlich gestaltet und mit bemalten steinernen Gisants der Bestatteten geziert. Das Zentrum bildete die Tumba Ludwigs VIII., flankiert von seinem Vater Philipp II., nördlich, und einem für seinen Sohn Ludwig IX. vorgesehenen Platz, südlich. Das Grabmal Ludwigs VIII. befand sich ebenso wie das Philipps vermutlich bereits seit 1234 an dieser Stelle, durch die Umlegungen der älteren Grablegen wurde es zum für aller Auge sichtbaren Zielpunkt der zwei Ahnenreihen und vereinte diese harmonisch.50 Veranlasst wurden die Umbaumaßnahmen, glaubt 48 Noch deutlicher wird Lydgate im Roundel for the Coronation of

Henry VI, in dem er Heinrich als Blut der Hll. Eduard und Ludwig bezeichnet, ebd., S. 622: „Reioice, ye reames of Englond & of Fraunce, / A braunche þat sprang oute of the floure-de-lys, / Blode of Seint Edward and Seint Lowys, / God hath this day sent in gouernaunce.“ Das Roundel ist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übersetzung nach Calot überliefert: In BL, Harley MS 7333, der zeitgenössischen oder annähernd zeitgenössischen Abschrift der Übersetzung, folgt es auf diese, fol. 32v. Zu den Prinzen vom Geblüt Ludwigs des Heiligen siehe Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 237–246; Allirot, Filles de roy de France. Leider beschränkt sich Allirots Studie auf das 13. und 14. Jh., und sie befasst sich fast ausschließlich mit der französischen Perspektive. Der Begriff ‚prince du sang‘ wurde im 14. und 15. Jh. sowohl in Frankreich als auch in England verwendet und war keineswegs auf die Nachfahren Ludwigs des Heiligen beschränkt, sondern bezeichnete in der Regel nah mit dem König verwandte, an der Regierung beteiligte Fürsten. Siehe hierzu und zur politischen Instrumentalisierung des Begriffs Miramon, Aux origines de la noblesse, bes. S. 161, 173–210; außerdem Jackson, Peers of France, S. 28 f., 33–35; ders., Vive le Roi!, S. 155–163; Guenée, Le roi, ses parents; Carqué, Stil und Erinnerung, S. 439, 562; Beaune, Naissance, S. 220 f.; jüngst Kintzinger, Successio, S. 250 f.; ders., Sakrale Repräsentation, S. 28 f. Zur Bedeutung des königlichen Blutes in England siehe Griffiths, The Crown. 49 Siehe hierzu und im Folgenden Lewis, Royal Succession, S. 116–122; Leistenschneider, SaintDenis, bes. S. 16 f., 31–60 mit weiteren Lieraturhinweisen; außerdem Guenée, Généalogies entre l’histoire et la politique, S. 465 f. Zu Saint-Denis siehe Beaune, Naissance, S. 83–125; zahlreiche Beiträge in der Bernard Guenée gewidmeten Festschrift Autrand et al. (Hrsg.), Saint-Denis et la Royaute. 50 Vgl. Lewis, Royal Succession, S. 116  f.; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 39–52.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  111

man Guillaume de Nangis’ Angaben in seiner Weltchronik, von Ludwig IX. und dem Abt von Saint-Denis, Mathieu de Vendôme.51 Bereits zwei Jahrzehnte nach der Umgestaltungskampagne verfasste de Nangis das Chronicon abbreviatum regum Francorum, eine Art Handbuch zur königlichen Grablege, in dem „selon la forme d’un arbre de la generacion des dis roys“ die einzelnen Herrscher aufgeführt und knappe Angaben zu ihrer Abstammung und ihren Nachkommen sowie nennenswerten Ereignissen ihrer Regierungszeit gemacht werden.52 Nur kurze Zeit später übersetzte der Autor die ursprünglich auf Latein verfasste Chronik selbst ins Französische, was zur schnellen Verbreitung des Textes beitrug. Zahlreiche, zum Teil mit gezeichneten Genealogien illustrierte Abschriften und Kontinuationen der Chronique abrégée des 13. bis 15. Jahrhunderts sind erhalten, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass der Text auch dem Herzog von Bedford bekannt war, vermutlich bereits, bevor er die französische königliche Bibliothek an sich brachte.53 Ein Beispiel für die Verbreitung des Textes in Lancastrian France findet sich etwa in einer Kompilation, die im Jahr 1436 für den in englischem Dienst stehenden Normannen Robert Jolivet, Abt von Mont-Saint-Michel, angefertigt wurde.54 Die unvollendete Handschrift, die ursprünglich mit 19 Miniaturen ausgestattet werden sollte, enthält neben französischen und normannischen Chroniken, dem Vertrag von Troyes und anderen Texten eine Abschrift der Chronique abrégée und direkt daran anschließend eine Beschreibung der Genealogie Heinrichs VI. in Textform. Hierbei handelt es sich um die ‚modifizierte‘ Fassung der genealogischen Darstellung, in der Karl VII. ignoriert wird, die dionysische Tradition und die unter Bedford etablierte Genealogiekonstruktion werden also in direkten Zusammenhang miteinander gestellt.55 51 De

Nangis, Chronique latine, Bd. 1, S. 232 f., a. 1267: „Apud Sanctum Dionysium in Francia facta est regum Francorum in monasterio illo per diversa loca quiescentium, per sanctum regem Franciæ Ludovicum et Mathæum abbatem illius monasterii, simul adjuncta translatio; et qui erant tam reges quam reginæ de genere Magni Karoli descendentes simul in dextera parte monasterii per duos pedes et dimidium super terram cælatis imaginibus elevati positi sunt, et alii procedentes de genere regis Hugonis Capucii in sinistra.“ Zu Guillaume de Nangis und seiner Weltchronik siehe Lewis, Royal Succession, S. 116; Le Goff, Ludwig der Heilige, S. 306–314; Spiegel, Chronicle Tradition of Saint-Denis, S. 98–108. Zur Frage der Auftraggeber der Umbauten ausführlich Leistenschneider, Saint-Denis, S. 35–38, 57–60. 52 Siehe hierzu Lewis, Royal Succession, S. 116–122; Spiegel und Hindman, Chronique abrégée, S. 382–385; Spiegel, Chronicle Tradition of Saint-Denis, S. 98–108; Guyot-Bachy, Chronique abrégée; Moranvillé, Texte latin de la chronique abrégée; Delisle, Guillaume de Nangis, S. 56–86. Hier zitiert nach ebd., S. 56. 53 Zur Verbreitung des Textes und seinen Erweiterungen siehe Spiegel und Hindman, Chronique abrégée; Guyot-Bachy, Chronique abrégée, S. 39–46; Labory, Généalogie des rois de France. Zum Auftreten genealogischer Illustrationen in den Exemplaren der Chronique abrégée siehe Moranvillé, Texte latin de la chronique abrégée, S. 655. 54 Paris, BNF, MS fr. 10468. Siehe hierzu Labory, Généalogie des rois de France; zu Jolivet und zur Datierung bes. ebd., S. 521, 526 f. 55 Zum Inhalt der Kompilation im Detail siehe ebd., S. 522  f.; zum propagandistischen Charakter des Textes ebd., S. 523–527. Der Text befindet sich auf fol. 105r–110v und ist transkribiert ebd., S. 527–536.

112  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Es spricht somit einiges dafür, dass auch die englischen Besatzer sich an der dynastischen Inszenierung der französischen Könige orientierten und sie für sich nutzten. Zwar sind die Translation der königlichen Gebeine in Saint-Denis und die Anfertigung genealogischer Tafeln Heinrichs VI. natürlich weder in ihrer konkreten politischen Zielsetzung noch ihrer Form miteinander vergleichbar, ganz zu schweigen vom Aufwand ihrer Ausführung. Dennoch lassen sich Parallelen bezüglich des zugrunde liegenden Konzeptes feststellen: In beiden Fällen werden zwei dynastische Stränge zusammengeführt und auf diese Weise der Anspruch des gegenwärtigen Herrschers zweifach legitimiert und sichtbar gemacht; in beiden Fällen bemüht man sich darum, den Eindruck von Gleichmäßigkeit zu vermitteln, indem die Ahnenreihen nicht nur formal-stilistisch weitgehend gleichförmig gestaltet werden, sondern auch jeweils exakt die gleiche Anzahl an Ahnen aufgeführt wird. Zu diesem Zweck greift man auch auf nicht-königliche Vorfahren zurück, wie im Falle Ludwigs VIII. auf Karl Martell und im Falle Heinrichs VI. auf Charles de Valois, John of Gaunt und Edward of Woodstock. Die Visualisierung der geradlinigen Abstammung des englischen Königs wird, wie bereits angesprochen, auch von John Lydgate als einer der Beweggründe hinter dem Auftrag zur Anfertigung der Genealogie genannt.56 Geht man weiterhin davon aus, dass auch die zur Erläuterung der Grablege intendierte Chronique abrégée den englischen Auftraggebern bekannt war, läge zudem ein formal dem Auftrag Bedfords wesentlich näher stehendes Medium vor, nämlich der von gezeichneten Genealogien begleitete Text de Nangis’. Abschließend sei auf einen letzten Aspekt verwiesen: Wenn auch Ludwig IX. nicht mit letzter Sicherheit als Initiator der Umbauten von Saint-Denis festgestellt werden kann, so wurde er in jedem Fall als solcher tradiert. Möglicherweise machte eben dieser Aspekt – die illustre Patronage hinter der Neuinszenierung der französischen Königsgrablege – einen besonderen Reiz für die an Ludwig interessierten englischen Auftraggeber aus und trug zusätzlich zu ihrer konzeptionellen Adaption bei. Orientierung am Reditus regni? Anne D. Hedeman schlägt vor, dass man sich bei der Konstruktion der Ahnentafeln Heinrichs VI. ein weiteres dynastisches Konzept aus dem Umfeld Ludwigs IX. zum Vorbild genommen und dieses umgearbeitet habe, nämlich die Idee des ­Reditus regni Francorum ad stirpem Karoli.57 Dabei handelt es sich um die Vorstellung, dass die Dynastie der Kapetinger für sieben Generationen in Frankreich herrschen werde, bevor die Königswürde wieder an das Geschlecht Karls des Großen zurückgegeben würde. Dies trat mit der Eheschließung des siebten Kapetin56 Lydgate,

Secular Poems, S. 620: „To drawen oute a true peedegrue, / Lyneally descending even adoun / From Seint Lowys, most famous of renoun“. 57 Vgl. Hedeman, Role of the Visual, S. 112  f. Zum Reditus regni siehe grundlegend Werner, ­Reditus regni; Spiegel, Reditus Regni; außerdem Guenée, Généalogies entre l’histoire et la politique, S. 465 f.; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 55–57; Klapisch-Zuber, L’ombre des ancêtres, S. 166–174 sowie jüngst Norbye, Graphische Darstellung und Legitimität.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  113

gers, Philipps II., und der Karolinger-Nachfahrin Isabella vom Hennegau sowie der Thronbesteigung des aus dieser Ehe hervorgegangenen Ludwigs VIII. im Jahr 1223 ein und war, der Legende nach, Hugo Capet vor seinem eigenen Regierungsantritt vom heiligen Walarich prophezeit worden. Vincent von Beauvais machte die Vorstellung des Reditus regni Mitte des 13. Jahrhunderts in seinem unter der Ägide Ludwigs IX. verfassten Speculum historiale am französischen Hof populär, griff hierfür jedoch, wie Karl Ferdinand Werner gezeigt hat, auf flandrische Vorlagen des späten 12. Jahrhunderts zurück, die ihrerseits auf früheren Quellen basierten.58 Die Idee der „Rückkehr“ des französischen Königtums zur Familie der Karolinger in der Person Ludwigs VIII. fand bereits kurz nach ihrer Formulierung durch Vincent von Beauvais weite Verbreitung und erhielt unter anderem Eingang in die Grandes Chroniques de France.59 Wie bei den Umgestaltungsmaßnahmen der französischen Königsgrablege war auch bei der Propagierung des Reditus regni die dynastische Legitimation der Herrschaft Ludwigs IX. mit Sicherheit vorrangiges Ziel. Bei letzterem ging es jedoch weniger um die harmonische Vereinigung von zwei gleichwertigen dynastischen Strängen und deren kombinierte Nutzung zur Herrschaftslegitimierung als vielmehr darum, die kapetingische Dynastie durch die Zusammenführung mit der wesentlich prestigeträchtigeren karolingischen Dynastie aufzuwerten. Hier liegt ein maßgeblicher Unterschied zum 1423 seitens der Engländer konzipierten dynastischen Schema vor, in dem – wie in Saint-Denis – die Betonung von zwei zumindest optisch gleichwertig dargestellten Ahnenreihen im Vordergrund stand. Während im Falle des Reditus regni-Konzeptes die Krone durch die Geburt Ludwigs VIII. zu den Nachkommen Karls des Großen ‚zurückkehrte‘, gestaltet sich die Situation im englischen Fall etwas anders: Die Lancaster-Dynastie betrachtete sich ohnehin als vom hier in Szene gesetzten Vorfahren Ludwig dem Heiligen abstammend, durch die Eheschließung Heinrichs V. und Catherines de Valois und die Geburt Heinrichs VI. wurde ihr hieraus resultierender Herrschaftsanspruch lediglich verdoppelt. Hedeman stellt weiterhin fest, dass Heinrich VI. ebenso viele Generationen von Ludwig IX. trennen wie Ludwig VIII. von Hugo Capet, und es ist denkbar, dass man sich an diesem Abstammungsgrad orientierte.60 Während diese Abstammung jedoch im englischen Fall inszeniert und betont wurde, ging es beim Reditus regni keinesfalls um ein Hervorheben Hugo Capets als vorbildhaften Vorfahren, sondern, Werner folgend, vielmehr um die ‚Neutralisierung‘ der Abstammung von den durch den Vorwurf der Usurpation belasteten Kapetingern und die Rückkehr zur ‚legitimen Dynastie‘.61

58 Werner,

Reditus regni, bes. S. 205. Verbreitung des Reditus regni-Konzeptes im 13. Jh. siehe ebd., S. 203–205, 224 f.; außerdem ausführlich Spiegel, Reditus Regni; Lewis, Royal Succession, S. 113–115. 60 Hedeman, Role of the Visual, S. 113. 61 Werner, Reditus regni, S. 224  f. 59 Zur

114  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI.

2.1.6. ‚Englische‘ Argumente Nach der Diskussion der Adaption französischer Motive und Traditionen zur Inszenierung des englischen Anspruchs auf die französische Krone soll nun danach gefragt werden, inwieweit sich spezifisch ‚englische‘ Strategien in den untersuchten Aufträgen ausmachen lassen. Die Antwort hierauf scheint auf der Hand zu liegen: Eines der zentralen und sich deutlich von der zeitgenössischen französischen Sicht- und Darstellungsweise unterscheidenden Argumente für den herrschaftlichen Anspruch Heinrichs VI. war seine Herkunft von Ludwig dem Heiligen in direkter – weiblicher – Linie. So wird die Schlüsselfunktion seiner Mutter Catherine und seiner Urururgroßmutter Isabella, ihrerseits Urenkelin Ludwigs IX., auch in allen erhaltenen genealogischen Illustrationen hervorgehoben. Catherine ersetzt ihren Bruder, den enterbten Dauphin, Isabella bildet das Bindeglied zwischen den Nachfahren Ludwigs und der englischen Linie. Geht man jedoch davon aus, dass Bedford sich in der Konzeptualisierung der Genealogie Heinrichs VI. die Reorganisation der Grablege von Saint-Denis und möglicherweise auch die diese erläuternde Chronique abrégée zum Vorbild genommen haben könnte, erinnert die hier zum Ausdruck gebrachte Sichtweise der politischen Verhältnisse nicht nur inhaltlich – durch die Instrumentalisierung Ludwigs des Heiligen und der beiden französischen Prinzessinnen –, sondern auch strukturell an französische Legitimationsmuster: Ludwig IX. hatte seine Abstammung von Karl dem Großen über seine Großmutter, die Karolinger-Nachfahrin Isabella vom Hennegau, in Szene setzen lassen. Dies griffen die Engländer gerne zur Proklamierung der Ansprüche Heinrichs in weiblicher Linie auf. Noch William Shakespeare ließ den Erzbischof von Canterbury die legitimatorischen Maßnahmen Ludwigs des Heiligen zur Verdeutlichung seiner karolingischen Abstammung über seine Großmutter und das seines Erachtens ambivalente Verhältnis der Franzosen zur Lex Salica zum Hauptargument seiner Rechtfertigung des Einfalls Heinrichs V. in Frankreich erheben.62 In einer fiktiven Rede des Erzbischofs, welche die englische Argumentation des Jahres 1415 und damit lange vor der Eheschließung zwischen Heinrich V. und Catherine de Valois widerspiegeln soll, beschränkt sich der Anspruch des englischen Königs „from the female“ allerdings noch auf die Abstammung von Isabella, der Ehe62 Shakespeare, King

Henry V, 1.2., Z. 77–95. Zur Frage, wie man den Widerspruch zwischen der karolingischen Abstammung und dem Ausschluss der weiblichen Thronsukzession im 14. und 15. Jh. auf französischer Seite handhabte, siehe Allirot, Filles de roy de France, bes. S. 44–50, 437–510; Guenée, Généalogies entre l’histoire et la politique, S. 465 f.; Taylor, Salic Law, bes. S. 369; ders., War, Propaganda and Diplomacy, S. 83 und passim; Lewis, War Propaganda and Historiography; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 113–116; Beaune, Naissance, S. 264–279. Dass die Lex Salica auch von englischer Seite nicht durchgängig einheitlich gehandhabt wurde, zeigt bspw. ein Erlass Eduards III. nach dem Tod seines Sohnes Edward of Woodstock, in dem er Frauen zugunsten seines Enkels, des späteren Richard II., von der Thronfolge auszuschließen versuchte. Siehe hierzu und zur Etablierung der sowohl männlichen als auch weiblichen Thronfolge unter den Lancaster Miramon, Aux origines de la noblesse, S. 184–188. Übergreifend zum zeitgenössischen politischen Diskurs vor dem Hintergrund des Hundertjährigen Krieges siehe oben, Kap. 2.1.4, Anm. 31.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  115

frau Eduards II.; die Valois werden noch als Usurpatoren dargestellt. Dies ändert sich durch den Vertrag von Troyes, die Eheschließung Heinrichs V. und die Geburt Heinrichs VI.: Die Valois-Herkunft wird nun gewissermaßen als zusätzliches, wenn auch der Abstammung über Isabella untergeordnetes, legitimatorisches Mittel hinzugezogen, die doppelte Legitimität Heinrichs VI. wird zum tragenden und bildlich wie textlich in Szene gesetzten Argument für seine herrschaftlichen Ansprüche. Ein weiteres Motiv beschränkt sich aus nachvollziehbaren Gründen auf die politische Bildsprache der englischen Besatzer Frankreichs, und hier insbesondere auf die Person Heinrichs VI.: Es handelt sich um die zweifache Krönung. Diese wird im von Laurence Calot verfassten Gedicht noch nicht explizit formuliert, John Lydgate spricht 1426 jedoch bereits davon, dass Heinrich „Crownes two of Englond & of Fraunce“ geerbt habe.63 Im Shrewsbury Book (Kat. 13) schließlich wird die doppelte Krönung Heinrichs bildlich dargestellt und visuell mit seinen Ahnenreihen in Verbindung gebracht: Von den Medaillons seiner Eltern Catherine und Heinrich V. beugt sich je ein Engel zu ihm herab, um ihm eine goldene Krone aufs Haupt zu setzen (Abb. 18). Es ist möglich, wenn auch nicht zu beweisen, dass das Motiv der zwei Kronen in den die Gedichte Calots und Lydgates begleitenden Tafeln noch nicht zum Einsatz kam, sondern sich erst nach den tatsächlichen Krönungen Heinrichs im November 1429 und im Dezember 1431 etablierte. Zumindest als Bestandteil von Bildprogrammen festlicher Inszenierungen ist es vorher nicht greifbar, wie noch dargelegt werden wird.64

2.1.7. Die bildliche Unterstützung durch weltliche Machthaber Das Recht Heinrichs VI. auf die Kronen Englands und Frankreich wird erwartungsgemäß in allen erhaltenen oder rekonstruierbaren, textlichen oder bildlichen Darstellungen seiner Genealogie zunächst einmal als Gottes Wille beschrieben. „Par œuvre divine“ habe Gott Calot zufolge mit Heinrich einen „heritier convegnable“ des herrschaftlichen Anspruchs auf beide Reiche bereitgestellt.65 In der Ahnentafel des Shrewsbury Book kommt der göttliche Wille visuell anhand der Krönung durch die zwei Engel zum Ausdruck (Abb. 18). Zusätzlich werden, wie bereits angesprochen, im Gedicht Calots wie auch in der Übersetzung Lydgates die vertraglichen Abmachungen von Troyes und damit implizit die an diesem maßgeblich beteiligten Parteien – neben Heinrich V. und Karl VI. der einflussreiche burgundische Herzog – als Fürsprecher des zum Aus63 Lydgate,

Secular Poems, S. 619. unten, Kap. 2.2.3, 2.2.4, 2.2.7. 65 Document relatif à l’entrée du roi d’Angleterre, S. 414: „Jhesus […] Nous a pourveu d’heritier convegnable / Pour la couronne […]. Et q’uil soit vray, veez, je vous supplie, / Ceste figure de genealogie; / Vous y verrés que par œuvre divine / Dieu nous pouvoit de sa grace bénigne / D’ung hoir de paix“. Ähnlich formuliert Lydgate, Secular Poems, S. 616: „God […] By purveaunce, which þat is devyne, / Provided hath of his hye grace / For reames two large to compasse / a rightfull heir“. 64 Siehe

116  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. druck gebrachten Herrschaftsanspruchs ins Feld geführt. In den 1420er Jahren, dem Entstehungszeitraum der beiden Aufträge, ließ sich der mit den Engländern verbündete Herzog von Burgund sicherlich noch für solche Zwecke einspannen, zum Zeitpunkt der Anfertigung des Shrewsbury Book, fast eine Dekade nach dem für das anglo-burgundische Verhältnis verheerenden Vertragsschluss von Arras, stellte sich die politische Situation allerdings völlig anders dar: Philippe le Bon stand als Unterstützer des englischen Anspruchs auf den französischen Thron schon lange nicht mehr zur Verfügung, weder in der Praxis noch in der öffentlichen Darstellung. Auch im Shrewsbury Book führte man jedoch namhafte Referenzen ins Feld, nämlich Richard of York und Humphrey of Gloucester (Farbabb. 14): Ersterer war ein Vertrauter des Grafen von Shrewsbury und hatte zum Zeitpunkt der Schenkung der Handschrift mit dem Amt des Gouverneur der Normandie die einflussreichste Position in Lancastrian France inne. In der Ahnentafel Heinrichs stützt er bildlich die linke – französische – Seite des Stammbaums. Den Gegenpart auf englischer Seite bildet der letzte überlebende Onkel des Königs, Humphrey of Gloucester. Beide vertraten im zeitgenössischen, innerenglischen Diskurs darüber, ob die kriegerischen Bemühungen um die französische Krone fortzusetzen seien, oder ob Frieden mit Frankreich die sinnvollere – weil realistischere – Lösung sei, die erste Position.66

2.1.8. Die Nutzung und das Publikum der genealogischen Darstellungen Bisher wurden die im Zuge der Durchsetzung der englischen Herrschaft in Frankreich entstandenen illustrierten Stammtafeln Heinrichs VI. sowie die mit ihnen in engem Zusammenhang stehenden propagandistischen Texte untersucht, beziehungsweise soweit wie möglich rekonstruiert, und danach befragt, welcher legimatorischen Mittel man sich bediente. Im Folgenden wird danach gefragt, wie die Werke konkret genutzt wurden und welches Publikum jeweils intendiert war. Zu Bedfords Auftrags an Calot im Jahr 1423 bietet folgende im Trésor des Chartes überlieferte Anekdote interessante Anhaltspunkte: Im Jahr 1425 musste sich der Reimser Kanoniker Regnault Quiéret in Paris dafür verantworten, eine in der Kathedrale Notre-Dame angebrachte hölzerne Tafel, auf der die englische und französische Abstammung Heinrichs VI. dargestellt war, sowie ein ebenfalls auf dieser angebrachtes Gedicht über den grausamen Mord an Jean sans Peur im Zuge einer hitzigen Diskussion mit einem Pariser Kaplan über den dargestellten Inhalt 66 Zur

Position Gloucesters und Yorks siehe Taylor, Treatise Cycle, S. 147 f. Hierzu und allg. zum Konflikt zwischen der friedens- und der kriegsorientierten Partei innerhalb der englischen Regierung in den 1440ern siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 45–47, 241–283; Grummitt, Henry VI, S. 100–107, 114–124; Griffiths, Sense of Dynasty, S. 88–94; ders., Henry VI, S. 275–294, 459–520, 666–679; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 105–129; Vale, English Gascony, S. 114–142.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  117

mit Hilfe eines Messers beschädigt zu haben.67 Da man entschied, dass Quiéret jung, unwissend und generell arm an Verstand sei, fiel seine Strafe milde aus: Er musste die beschädigte Tafel lediglich ersetzen, und zwar durch zwei neue ­„ähnlich bemerkenswerte oder noch schönere“ Exemplare. Zudem sollte er Sorge ­tragen, dass diese in der Échevinage und in der Kathedrale von Reims „en lieu publique“ aufgehängt würden.68 Es ist gut möglich, dass es sich bei den genannten Tafeln um die von Calot im Auftrag Bedfords angefertigte genealogische Tafel und das zugehörige Gedicht beziehungsweise um zeitnahe Kopien handelt. In diesem Fall wäre erstens zu schließen, dass der Text gemeinsam mit der Illustration zur Schau gestellt wurde, dass er also zumindest von den Kanonikern der Kathedrale gesehen und gegebenenfalls gelesen werden sollte. Zweitens wurde die Tafel offenbar vervielfältigt und auch an weiteren öffentlich zugänglichen und öffentlichkeitswirksamen Plätzen aufgehängt und damit unter der französischen Bevölkerung verbreitet.69 Während sich der Auftrag Bedfords in erster Linie an ein französischsprachiges Publikum richtete, zielte die auf Veranlassung Richard Beauchamps angefertigte Übersetzung ganz offenkundig auf einen englischen Empfängerkreis ab. Es ist 67 Die

Begebenheit ist in Akten der Kathedrale von Paris vom 3. 6. 1427 überliefert, Paris, AN, JJ 173, fol. 329r–v, hier 329r: „Henry par la grace de dieu Roy de france et dangleterre savoir faisons a tous ceux presents et avenir nous avons receu humble supplicacion de Regnault Quieret chanoine de leglise de Reims contenant comme depuis an et demi a ou environ ledit quieret estant en un retrait devant le chapitre de ladite eglise trouva une table de bois sur quoy estoit cole un parchemin et painte notre genealogie et descendance tant du coste de france comme de celle dangleterre avec certains vers escrips en ladicte table faisant mencion de la mort cruelle de feu notre treschier et tresame cousin Jehan duc de bourgogne devant trespasse et il soit ainsi que en regardant et lisant icellui tableau ledit Quieret et ung chappellain de ladicte eglise nomme Pierre Bourreclot present eurent ensemble contempt et debat de ladite escripture disant icellui quieret que iceulx vers ne devoient point estre mis en ladicte table et ledit chappellain disoit au contraire en eulx courroucant et eschaufant lun comme lautre et telement se courrouca ledit Quieret quil tira en chaude colle son coustel et […] hastement frappa sur iceulx vers et les effaca et du trait dicellui coustel dessira une partie de notre dicte genealogie“. Siehe hierzu auch Vallet de Viriville, Histoire de Charles VII, S. 345. Der Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem Auftrag Bedfords an Calot wurde erstmalig festgestellt von Rowe, Henry’s Claim to France, S. 82. 68 Paris, AN, JJ 173, fol. 329r: „Humblement que sestendu quil navoit onques entencion de frapper ne touchier par deplaisance a notre dicte genealogie […] et pour contemplacion de ses parens et amis […] et aussi quil est jeune ignorant et povre de sens et que en tous autre cas il a este et est de bonne vie renome sanz avoir este atteint daucun autre villain cas ou reprouche Nous lui veuillons impartir notre grace pour quoi nous les choses dessusdictes considerees voulant preserver misericorde et rigueur de juistice avons audit quieret au cas dessusdict quicte remis et pardonne […] et imposons […] que ledit quieret sera tenu de fere faire deux tableaux notables semblables ou plus beaux que nestoit ledit tableau ainsi efface et dessire lesquels seroient mis et atachiez a crampons de fer cestassavoir lun en ladicte ville de Reims et lautre en leschevinage de ladicte ville en lieu publique et apparant a la discrecion cellui de ladicte eglise de ceulx dudit chapitre et cellui dudit eschevinage a la discrecion desdits eschevins“. 69 Zur Problematik, herauszustellen, wen öffentlich aufgehängte Darstellungen dieser Art erreichen sollten und konnten, siehe etwa Hruza, Propaganda, S. 17–21; knapp Contamine, Propagande de guerre, S. 9. Siehe außerdem Carqué, Stil und Erinnerung, S. 416–418, 441–459 zum Beispiel Karls V. und Studt, Geplante Öffentlichkeiten zur päpstlichen Kreuzzugspropaganda des 15. Jh.s.

118  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. nicht auszuschließen, dass der Regent auch hier zu den treibenden Kräften gehörte; seine Bemühungen, Heinrichs Ansprüche auf den französischen Thron gegenüber dem englischen Parlament zu bewerben, sind in mehreren Fällen belegt.70 Der Graf von Warwick wird zwar als alleiniger Auftraggeber genannt, es ist jedoch anzunehmen, dass er zumindest in Absprache mit dem Kronrat, dessen Mitglied er seit 1422 war, vielleicht auch auf Veranlassung durch diesen oder eben Bedford, agierte. In jedem Fall trug Beauchamp entscheidend zum Prozess des Transfers der programmatischen Bild-Text-Kombination nach England und den Modifizierungen für das neue Publikum bei.71 Der Grund für den Auftrag mag in der zunehmenden Unzufriedenheit jener englischen Bevölkerung über die große Steuerbelastung, die der Krieg in Frankreich mit sich brachte, gelegen haben. Die intendierte Zielgruppe der illustrierten Übersetzung war wahrscheinlich der Teil der englischen Gesellschaft, der an Entscheidungen bezüglich der Erhebung von Steuern und der Verteilung dieser beteiligt war, also die politischen Entscheidungsträger im Parlament und Mitglieder des Kronrates, sofern diese nicht selbst zur Veranlassung des Auftrags mit beigetragen hatten.72 Vermutlich konnte ein beträchtlicher Teil des intendierten Rezipientenkreises zwar lesen, verstand allerdings kein Französisch, was die Übertragung des Textes ins Englische nötig machte. Außerdem hielt man es offenbar für zielführend, neben den bereits von Calot vorgebrachten Argumenten – Heinrichs VI. königliche Abstammung, den vorgeblich durch den Dauphin verschuldeten Leiden des Krieges und den Abmachungen von Troyes – auch die Erfolge und ritterlichen Qualitäten Heinrichs V. ins Feld zu führen, um den englischen Ansprüchen auf die französische Krone Gewicht zu verleihen und deren Durchsetzung zu propagieren. Es liegt auf der Hand, dass man mit dem in England schon zu seinen Lebzeiten populären und insbesondere für seine militärischen Erfolge in Frankreich bewunderten König eine englische Öffentlichkeit eher überzeugen konnte als die kriegsmüden französischen Untertanen.73 Zeitgenössische Hinweise dazu, wie der Text und die vermutete Illustration in England tatsächlich verwendet wurden, liegen, im Gegensatz zu Bedfords Auftrag, nicht vor; anscheinend wurde jedoch zumindest der Text bereits relativ früh kopiert.74 Zudem erfreuten sich Lydgates Werke schon zu seinen Lebzeiten generell großer Popularität in England, es ist also denkbar, dass auch der Übersetzungsauftrag weit rezipiert wurde.75 70 Siehe

hierzu oben, Kap. 1.1.1 sowie Stratford, Bedford Inventories, S. 17–19 mit weiteren Quellenbelegen. 71 Hierzu und zu Beauchamps Beitrag zum kulturellen Transfer zwischen England und Frankreich siehe in Kürze Crispin, Politische Botschaften. 72 Zu den Einnahmen und Ausgaben der englischen Regierung in den 1420ern und 1430ern sowie zur Belastung Englands durch die kriegerischen Unternehmungen in Frankreich siehe etwa Griffiths, Henry VI, S. 108–127, 180; Bryant, Paris and London, S. 78 f. 73 Zur Reputation Heinrichs V. in England und Frankreich im 15. Jh. siehe Dockray, Henry V, S. 13–43; Allmand, Henry V the Soldier, S. 117 f. und zuletzt Taylor, Flower of Chivalry. 74 Siehe zur Verbreitung der Werke Lydgates oben, Kap. 2.1.2, Anm. 15. 75 Siehe hierzu Pearsall, John Lydgate, S. 1  f.; McKenna, Dual Monarchy, S. 154 f.; Meale, Patrons, Buyers and Owners, S. 218; Genet, L’influence française, S. 84 f.

2.1. Die Darstellung der Genealogie Heinrichs VI. in Text und Bild  119

Im Falle der genealogischen Tafel im Shrewsbury Book ist die Frage nach der intendierten Nutzung und dem Empfängerkreis nicht von der Verwendung des Buches als Ganzes zu trennen. Der komplexe Befund, den die Handschrift durch ihre vielfältigen Funktionen und die jeweils davon abhängige Zusammensetzung der Rezipienten darbietet, wird noch mehrfach zur Sprache kommen, beispielsweise im Rahmen der Diskussionen der Selbstpositionierung Talbots im politischen Kontext und der Nutzung französischer Prachthandschriften zu erzieherisch-instruierenden Zwecken.76 Im Folgenden soll jedoch vor allem auf eine Funktion fokussiert werden, nämlich die der Vermittlung der herrschaftlichen Ansprüche des englischen Königs in Frankreich. Relevant ist dabei zum einen die Frage, inwieweit sich den veränderten politischen Umständen geschuldete inhaltliche Abweichungen des Auftrags Talbots gegenüber den genealogischen Darstellungen der 1420er Jahre ausmachen lassen, zum anderen ist von Interesse, an welches spezifische Publikum der Graf von Shrewsbury seine politische Botschaft richtete. Gerade im Vergleich zu den in der erfolgreichsten Phase der englischen Herrschaft über Frankreich entstandenen Aufträgen Bedfords und Beauchamps fällt zunächst die Diskrepanz zwischen dem zum Ausdruck gebrachten Anspruch und den politischen und militärischen Möglichkeiten seiner Durchsetzung auf: Zu ­einer Zeit, in der man in England der Fortsetzung der militärischen Unternehmungen in Frankreich und der Normandie aus mehreren Gründen – genannt seien der militärische Vormarsch Karls VII., Widerstände in der Normandie und die immer deutlicher werdenden Defizite des eigenen Monarchen – zunehmend kritisch gegenüberstand, pocht Talbot erneut auf die Durchsetzung der Ansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone. Anhand des an Marguerite d’Anjou gerichteten Widmungstextes bringt er seinen Wunsch nach der Herrschaft Heinrichs und Marguerites über beide Reiche wie auch seine Hoffnung darauf zum Ausdruck, dass ihre Ehe von einem Erben gesegnet werde, der nach ihnen an die Regierung käme.77 Begründet werden die Ansprüche des jungen Königs durch seine illustre Abstammung, die in der gegenüberliegenden Genealogie bildhaft in Szene gesetzt werden. Mit der bildlich wie auch textlich erschöpfenden Darlegung der Herkunft von Ludwig dem Heiligen sowie der vorgeblichen Kontinuität beider dynastischen ­Linien scheint die Ahnentafel auf den ersten Blick einfach dem bereits etablierten Argumentationsmuster zu folgen, das zwei Dekaden zuvor unter Bedford entwickelt worden war. Dass es sich jedoch nicht einfach um die Tradierung eines bildlichen Topos – die unreflektierte Wiederholung eines seit langem nicht mehr realisierbaren Anspruchs – handelt, zeigt die prominente Darstellung Richards of York und Humphreys of Gloucester.78 Ihre Inszenierung als im wörtlichen Sinne 76 Siehe

unten, Kap. 3.2.2, 3.3.2 und Kat. 13. BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v, zitiert in Kat. 13, Anm. 176. 78 Zur Instrumentalisierung Gloucesters und Yorks und der durch Talbot vermittelten politischen Botschaft siehe Taylor, Treatise Cycle, S. 146–148; Hedeman, Role of the Visual, S. 106 f., 113. 77 London,

120  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. ‚tragende‘ Verbündete des Auftraggebers im Bemühen um die Fortsetzung oder sogar Intensivierung der militärischen Unternehmungen auf dem Festland zur Durchsetzung der englischen Ansprüche stellt gewissermaßen eine Anpassung des Bildprogramms Bedfords an die aktuellen politischen Umstände dar. Von Bedeutung ist die Instrumentalisierung Yorks und Gloucesters auch in Bezug auf die intendierten Rezipienten der Handschrift: Das prestigeträchtige Buchgeschenk war aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ausschließlich für die Augen der französischen Prinzessin gedacht; die hier vermittelte Propaganda richtete sich überdies an ihren zukünftigen Ehemann und ihr zukünftiges Umfeld, den englischen Königshof, und damit an eine Vielzahl einflussreicher politischer Akteure. Diesen gegenüber wurde mittels der Handschrift nicht nur die Legitimität der Ansprüche Heinrichs und die Notwendigkeit ihrer Durchsetzung propagiert, sondern darüber hinaus betont, dass hierfür trotz des nachlassenden Enthusiasmus’ für den Krieg in Frankreich und der zunehmenden Dominanz der friedensorientierten Fraktion in der englischen Regierung nach wie vor namhafte Unterstützer zur Verfügung standen.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien und Einzügen Eines der wichtigsten Einsatzgebiete von politisch konnotierter Kunst war ihre Nutzung in öffentlichen Veranstaltungen wie Einzügen, militärischen Aufmärschen, Festen und zeremoniellen Akten, etwa Begräbnissen und Krönungen.79 Der Begriff ‚Kunst‘ wird hier bewusst weit gefasst und bezeichnet neben bemalten Schilden, Standarten und Bannern, Holzkonstruktionen und Draperien, die zur Schmückung von Straßen, Gebäuden und Plätzen oder zur Ausstattung von Mysterienspielen und Tableaux vivants verwendet wurden, auch kunstvoll motivisch verzierte Speisen.80 Da es sich hierbei in der Regel um zu ephemeren Zwecken 79 Zentral

für die vorliegende Studie sind die Arbeiten Lawrence Bryants zu Zeremonien, Einzügen und Umzügen in spätmittelalterlichen Städten, Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony; ders., Paris and London. Ebenfalls einschlägig: Thompson, Paris Under English Rule, S. 179– 205; McKenna, Dual Monarchy, S. 156–162; Reynolds, Les Angloys, S. 37–48; Gaunt, Visual Propaganda; Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 289 f. Übergreifend zur politisch wirksamen Nutzung von Bildern in Zeremonien und Einzügen im Mittelalter siehe den Sammelband Althoff (Hrsg.), Formen und Funktionen, bes. den Beitrag Paravicini, Die zwölf „Magnificences“ Karls des Kühnen; Althoff und Siep, Symbolische Kommunikation; Althoff, Demonstration und Inszenierung; Kintzinger, Der weiße Reiter; Eichberger, Illustrierte Festzüge; Stollberg-Rilinger, Des Kaiser alte Kleider; Franke, Feste, Turniere und städtische Einzüge; Blockmans et al. (Hrsg.), Staging the Court. Zu spätmittelalterlichen Banketten als künstlerische Inszenierungen siehe jüngst Normore, Feast for the Eyes; zu öffentlichkeitswirksamen Schauspielen jüngst Weigert, French Visual Culture. 80 Ein weiteres Einsatzgebiet bildlicher Darstellungen zur Propagierung des Anspruchs Heinrichs auf die französische Krone, das in der vorliegenden Studie aus Platzgründen nicht im Detail analysiert werden kann, waren königliche Siegel und Münzen. Hiermit beschäftigt sich vor allem McKenna, Dual Monarchy, S. 145–151 und stellt heraus, dass man sich bis zur

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  121

angefertigte Werke handelt, sind sie nur in Ausnahmefällen erhalten, und ihre Rekonstruktion im Detail gestaltet sich oft schwierig. Hinweise, insbesondere zur Nutzung der Objekte, bietet jedoch die zeitgenössische Historiografie, wenn man auch nach minutiösen Beschreibungen einzelner Werke vergeblich sucht. Ein weiteres, in Teilen mit der Überlieferungslage zusammenhängendes Pro­ blem, das sich vielleicht in besonderem Maße bei der Auswertung der bisweilen ausführlich geschilderten Entrées des englischen Königs oder des Regenten in die nordfranzösischen Städte, jedoch auch bei Begräbnis- und Krönungsritualen, stellt, ist die Schwierigkeit, die hinter den jeweiligen Inszenierungen stehenden Verantwortlichen eindeutig auszumachen. Im Falle der Prunkeinzüge liegt der Schwerpunkt der Historiografen häufig weniger auf der Aufmachung des einziehenden Herrschers und seines Gefolges als auf dem Empfang durch die Repräsentanten der Stadt, deren Kleidung, der Dekoration der Straßen und der aufgeführten Mysterienspiele und Tableaux vivants. Es kann vermutet werden, dass die Vertreter der Stadt und nicht die englischen Besatzer für die Konzeption großer Teile der jeweiligen Spektakel verantwortlich waren. Im Falle der Begräbnis- und Krönungsrituale wiederum ist vor allem die Rolle der beteiligten Kleriker mit zu berücksichtigen. Klar festzustellen sind die jeweiligen Zuständigkeiten jedoch nur selten, und in jedem Fall ist es lohnenswert, die Ereignisse in ihrer Vollständigkeit und nicht nur hinsichtlich der mutmaßlich seitens der Engländer ausgerichteten Bestandteile in die Untersuchung miteinzubeziehen. Dies ist zum einen darin begründet, dass die Städte beziehungsweise die Vertreter der Kirche ein Interesse daran hatten, sich die englischen Machthaber gewogen zu machen, und daher Bilder und Repräsentationsmuster verwendeten, die deren Vorstellungen entgegenkamen. Zum anderen ist anzunehmen, dass im Vorfeld Absprachen zwischen beiden Parteien über die groben Linien der Veranstaltung wie auch einzelne Darbietungen stattfanden.81 Wie Lawrence Bryant in einschlägigen Arbeiten zu königlichen Einzügen in Paris herausgestellt hat, handelte es sich dabei weniger um starre, einseitig beHerrschaftsübernahme Bedfords an Valois-Vorlagen orientierte, bereits zwei Wochen nach Beginn der Regentschaft jedoch neue Münzen geprägt wurden, in denen man die Doppelmonarchie mittels der Kombination des englischen und des französischen Wappens zum Ausdruck brachte. Hierbei orientierte man sich an burgundischen, anlässlich der Union zwischen Burgund und Flandern im Jahr 1387 geprägten Münzen. Zusätzlich nahm man sich jedoch Münzen aus der Zeit Karls VI., auf denen die Verkündigung dargestellt war, zum Vorbild und adaptierte diese, indem der Engel Gabriel auf der Seite des englischen und die Jungfrau Maria auf der Seite des französischen Wappens platziert wurden. Dadurch wurde aus der Verkündigung der Geburt Christi an Maria gleichsam die Verkündigung der Ankunft des Erlösers – Heinrichs VI. – an Frankreich. Siehe außerdem Grummitt, Henry VI, S. 64; Wolffe, Henry the Sixth, S. 53. Auch bei der Konzeption des Siegels Heinrichs VI. orientierte man sich an der französischen Ikonografie und formte sie für die eigenen politischen Zwecke um, vgl. hierzu Bedos-Rezak, Idéologie royale, S. 493–495, 506–508. 81 Zur Frage der Zuständigkeiten siehe Thompson, Paris Under English Rule, S. 179–205, 244– 246; Curry, Coronation Expedition, S. 49; Bryant, Paris and London, S. 65–69, 73, 75–77. Übergreifend zu Absprachen im Vorfeld von Inszenierungen siehe jüngst Althoff und Basu (Hrsg.), Rituale der Amtseinsetzung, z. B. S. 9 f.

122  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. stimmte Rituale als vielmehr um wandelbare, flexible und in hohem Maße von zeitgenössischem Geschehen beeinflusste Zusammenspiele der königlichen und der städtischen Partei. Man wendete eine Vielzahl politischer Bilder und Medien an, die sich nicht zwangsweise zu einer eindeutigen politischen Botschaft oder Strategie zusammenschlossen, sondern häufig – nicht zuletzt wegen der großen Zahl beteiligter Akteure – disparat waren.82 Vergleichbar stellt sich die Lage bei Inszenierungen von Begräbnissen und Krönungen dar, wobei hier der Anteil der Verantwortung des politisch einflussreichen Kreises um den König selbst und dessen Vertreter für Ablauf und bildmediale Ausstattung sicherlich höher eingeschätzt werden kann als im Falle der Entrées.

2.2.1. Zwei folgenschwere Todesfälle und ihre Inszenierung Königliche Begräbnisse und Krönungen boten als Ereignisse, die politische Zäsuren markierten, in besonderem Maße Anlass und Möglichkeit, politische Vorstellungen und Ansprüche zukunftsweisend für eine breite Öffentlichkeit zu inszenieren. Im ‚Idealfall‘, das heißt im Falle der Verfügbarkeit eines volljährigen und vom Großteil der politischen Entscheidungsträger akzeptierten Nachfolgers beim Tod des vorangegangenen Herrschers, folgten das Ableben des alten und die Krönung des neuen Königs in der Regel recht zügig aufeinander und standen in direktem inhaltlichen und performativen Zusammenhang.83 Auf die Todesfälle von Königen, die für die vorliegende Untersuchung relevant sind, trifft keine dieser Voraussetzungen zu: Beim Ableben Heinrichs V. am 31. August 1422 war sein Sohn und Nachfolger noch kein Jahr alt, beim Tod Karls VI. am 21. Oktober 1422 standen sich zwei potentielle Nachfolger aus völlig gegensätzlichen politischen Lagern gegenüber, die Krönung beider erfolgte erst mit einem zeitlichen Abstand von sieben beziehungsweise acht Jahren. Wie die Repräsentanten der englischen Krone, die mit der Etablierung und Stabilisierung der englischen Regierung in Frankreich betraut waren, diese prekäre politische Situation im Rahmen der Begräbnisse der verstorbenen Könige inszenierten und welcher Bilder sie sich dabei bedienten, soll im Folgenden dargelegt werden. Das Begräbnis Heinrichs V. Die Prozession, in welcher der Leichnam Heinrichs V. nach seinem Tod im Schloss Vincennes über Saint-Denis, Paris und Rouen sowie zahlreiche weitere französi82 Vgl. Bryant, Paris

and London, S. 65–69. Zur Verwendung des Begriffs ‚entrée‘ im Spätmittelalter für sowohl den Einzug als auch den Empfang siehe ders., Medieval Entry Ceremony, S. 34; außerdem den Sammelband Bryant (Hrsg.), Parisian Royal Entry Ceremony. Zur Frage des Empfängerkreises von Ritualen im Mittelalter siehe Althoff, Veränderbarkeit von Ritualen; Althoff und Siep, Symbolische Kommunikation, bes. S. 407. 83 Siehe hierzu Kantorowicz, The King’s Two Bodies, S. 409–419; Giesey, Royal Funeral Ceremony; den Sammelband Giesey (Hrsg.), Rulership in France, bes. ders., Corpus Mysticum Regni; ders., Presidents of Parlement; ders., Inaugural Aspects; Kintzinger, Sakrale Repräsentation. Zu den Arbeiten Kantorowicz’ und Gieseys und deren forschungsgeschichtlicher Wirkung siehe jüngst Brown, French Royal Funeral Ceremony.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  123

sche und englische Stationen nach London transportiert wurde, um letztendlich in Westminster beigesetzt zu werden, beeindruckte in ihrem Aufwand und ihrer Pracht eine ganze Reihe von Chronisten und veranlasste sie zu ausführlichen ­Beschreibungen.84 In der Chronique du Religieux de Saint-Denys wird detailliert beschrieben, wie Heinrichs Leichnam vorbereitet und in einem mit schwarzen Draperien verhängten, von zahlreichen Lampen und Kerzen erleuchteten Wagen von den Testamentsvollstreckern Heinrichs, von denen der Herzog von Bedford als der älteste seiner Brüder eigens aufgeführt wird, nach Saint-Denis geleitet wurde.85 Dort habe man ihn die ganze Nacht im Chor auf einem ebenfalls mit schwarzen Tüchern verhängten Katafalk aufgebahrt, während die Mönche für seine Seele beteten. Die Gestaltung des Leichenwagens, in welchem der König anschließend durch Frankreich transportiert und an einzelnen Stationen aufgebahrt wurde, sowie seiner Effigies wird beispielsweise von Enguerrand de Monstrelet, dem englischen Chronisten Thomas Walsingham und in den Brut Chronicles beschrieben: Auf dem königlichen Sarg, der in einem von vier Pferden gezogenen, offenen Wagen stand, habe sich laut Monstrelet eine „semblance et représentacion“ des Königs auf Leder befunden.86 Auch Walsingham und der Verfasser der Brut Chronicles 84 Vgl.

von französischer und burgundischer Seite die Chronique du Religieux de Saint-Denys, Buch XLIII, Kap. 3, S. 480–484; Chartier, Charles VII, Kap. 1, S. 6–8; Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 264, S. 113–116; Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch II, Kap. 29, S. 426–428; Cochon, Chronique, S. 288–290 und von englischer Seite Brut Chronicles, S. 430, 493 f.; Walsingham, Historia Anglicana, Bd. 2, S. 345 f.; Vita et Gesta Henrici Quinti, S. 336–338. Zur Begräbniszeremonie Heinrichs V. siehe jüngst Vale, Henry V, bes. S. 246–248; außerdem Fehrmann, Grab und Krone, S. 128–131; Allmand, Henry  V, S. 174–178; St. John Hope, Chantry Chapel, S. 129–145. 85 Bevor der Leichnam weiter transportiert wurde, stifteten die Testamentsvollstrecker dem Konvent kostbare liturgische Gewänder, Silbergeschirr und Geld, Chronique du Religieux de Saint-Denys, Buch XLIII, Kap. 3, S. 482–484: „migravit dictus rex Henricus a seculo in etate quadraginta annorum vel eo circa. […] Consequenter positum fuit dictum corpus in quodam curru pannis nigris cooperto, et ductum ad ecclesiam beati Dyonisii in Francia. In cujus quidem currus duabus partibus, scilicet ante et retro, erant due lampades in toto itinere ardentes […]. Erantque ducente thede et quinquaginta cerei continue ardentes. Dictum corpus associabant dux de Bethford, ejus frater senior, et quamplures alii domini, ejus excecutores, in habitibus doloris et meroris. […] In choro [ecclesie beati Dyonisii] erat locus artificiatus cum quatuor lignis pannis nigris circumquaque ornatus. In quo quidem loco stetit corpus per noctem, ibique ab aliquibus dictorum religiosorum psalteria et multa suffragia pro ejus anima ad Dominum erogabantur.“ 86 Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 264, S. 113  f.: „Or dirons du fait du feu roy anglois. Assavoir est que les seigneurs de son sang le mirent sur ung chariot que menoient quatre grans chevaulx. Et avoient fait sa semblance et représentacion de cuir boulu, moult gentilment, portant en son chef couronne d’or moult précieuse, et tenoit en sa main dextre ung ceptre et verge royale, et en la senestre portoit une pomme d’or. Et gisoit en ung lit sur ledit chariot, le visaige vers le ciel. Duquel lit, le couvertoir estoit de drap de soie vermeil batu à or. Et avec ce, portoit-on en hault, en passant parmy les bonnes villes, par dessus le chariot, ung moult riche drap de soye, en la manière qu’on l’a acoustumé de porter sur le corps de Jhésucrist au jour du Saint Sacrement.“ Vgl. hierzu auch Fehrmann, Grab und Krone, S. 129 f. Zur Funktion der Effigies siehe Kantorowicz, The King’s Two Bodies, S. 419–437 und jüngst Brown, French Royal Funeral Ceremony; Marek, Körper des Königs; dies., Politik des Heiligen Königs; dies., Drei Körper des Königs.

124  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. verweisen auf die Ähnlichkeit des „ymage“ zum Verstorbenen in Bezug auf Statur und Gesicht.87 Die Effigies habe einen purpurnen Mantel mit Hermelinbesatz und eine goldene Krone getragen, Zepter und Sphaira gehalten und zum Himmel geschaut. Sie sei Walsingham zufolge so positioniert worden, dass jeder Einzelne sie habe sehen können. Der von einem Baldachin überdachte Wagen und die Pferde seien mit den Wappen Englands und Frankreichs, des heiligen Eduards und des heiligen Edmunds verziert gewesen. Der Rouennaiser Notar Pierre Cochon nennt für die Aufbahrung in Rouen zudem die Banner der Gottesmutter und der Trinität sowie die Standarte des heiligen Georg zu Füßen des Königs.88 Auch bei dem Teil der Prozession, der in England stattfand, verwendete man allem Anschein nach, abgesehen vom französischen Wappen, welches wiederum bereits unter Eduard III. in das englische Wappen integriert worden war, keine spezifisch französischen Motive. Stattdessen wurde hier das Wappen König Artus’ prominent in die Prozession integriert.89 Es stellt sich die Frage, wer für die aufwendige und komplexe, eine Vielzahl von Stationen, Veranstaltungen und hochrangige Personen involvierende Inszenierung des Begräbnisses Heinrichs V. verantwortlich war. Bezüglich der Beisetzung seines Leichnams in Westminster Abbey erwähnen die Brut Chronicles, dass man ein auf Kosten der Königin Catherine de Valois angefertigtes „rial ymage like to him-self, of siluer & gylt“ auf den Sarg gelegt habe.90 Es ist möglich, dass Catherine 87 Walsingham,

Historia Anglicana, Bd. 2, S. 345 f.: „Cujus Regis mortui apparatus si scire libeat, talis erat. Superposita namque fuerat cistæ, in qua corpus ejus habebatur, quædam imago staturæ et faciei Regis mortui simillima, chlamyde purpurea satis longa et larga, cum furrura de ermyn induta, sceptrum in una manu, et pila rotunda aurea, cum cruce infixa, in altera; corona aurea in capite, super capellum regium, et sandaliis regiis in pedibus, impositis. Et taliter elevatur in curru, ut a singulis videri potuisset, ut per hoc mœror et dolor accresceret, et ejus amici et subditi pro ejus anima Dominum tenerius exorarent. Fertur etiam mille torticios magnos per venerabiles personas circa ejus corpus delatos, et pannos aureos et sericos pro eodem oblatos.“ Brut Chronicles, S. 493: „þan was þe body enbawmed & cered, & laid in A rial chare, & an ymage like unto him was leyd vpon þe corps, open, with diuerse baners & horse couered rychely with Armes of Englond & Fraunce, and also tholde Armes of seynt Edwardes, seynt Edmond, & oþer“. 88 Cochon, Chronique, S. 289  f.: „Et […] parti de la dicte eglise [Saint-Ouen] en .j. litiere branlante, tout à pié portée de nobles barons au chastel de la ville. Et là avoit, au devant de la biere, deux banieres, l’une de la Trinité, et l’autre de Notre Dame, avec son estendart, et, bas, as piés, la baniere Sainct George avec la baniere de ses armes escartelléez de France et d’Angleterre“. Zur Vita und zum Œuvre Cochons siehe de Beaurepaire, Pierre Cochon, Introduction, hier S. xi–xix; Lardin, Pierre Cochon; Curry, Battle of Agincourt, S. 112. 89 Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 264, S. 115: „le premier cheval des quatre qui menoient son dit chariot ouquel le roy estoit, avoit un colier où estoient paintes les anciennes armes d’Angleterre. Au colier du second cheval estoient paintes les armes de France et d’Angleterre escartelées de liépars, lesquelles lui mesmes portoit en son vivant. Au colier du tiers cheval estoient paintes pleinement, sans différence nulle, les armes de France, que portoit, quant il vivoit en ce monde, ce noble et très puissant roy Artus, que nul ne povoit vaincre, lesquelles armes estoient ung escu d’azur à trois couronnes d’or.“ 90 Brut Chronicles, S. 493  f.: „And þe vijte day of Nouembre after, þe corps was brought to London with gret reuerence & solempnice, & had to Westmynster, wher he now lietħ: it was worshipfully buried; & after, was leyd on his tumbe A rial ymage like to him-self, of siluer & gylt, which was made at þe cost of Quene Katerine.“

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  125

auch an der Konzeption der in Frankreich durchgeführten Prozession beteiligt war, da sie allerdings erst in Rouen überhaupt dazu stieß, ist ein großer Anteil ihrerseits unwahrscheinlich. Zu vermuten ist eher, dass die Vollstrecker des königlichen Testaments, die den Zug von Vincennes an begleiteten, hinter der Planung und bildmedialen Gestaltung der Prozession standen, und es ist denkbar, dass unter diesen der Herzog von Bedford eine exponierte Rolle einnahm. Bedford wird von den Chronisten mehrfach als Begleiter seines verstorbenen Bruders hervorgehoben und blieb offenbar auch während der Überführung des Leichnams nach England an seiner Seite. Als frisch ernannter Regent von Frankreich anstelle seines Neffen hatte er darüber hinaus mit Sicherheit eine Schlüsselfunktion in Entscheidungen inne, die den Trauerzug seines Bruders betrafen. Durch seine zeitweise Aufbahrung inmitten der königlichen Grablege von Saint-Denis wird Heinrich V., der zwar vertraglich als Erbe Karls VI. eingesetzt worden war, allerdings dieses Erbe nie antreten konnte, weil er vor dem ValoisKönig verstarb, zumindest symbolisch mit der Linie der französischen Könige in Verbindung gebracht. Dass er jedoch zu Lebzeiten Karls VI. nicht als König von Frankreich, sondern – gemäß dem Vertrag von Troyes – als „Roy d’Angleterre, héritier de France“ verstanden und als solcher dargestellt wurde, steht außer Frage und wird auch durch die Inszenierung seiner Begräbnisprozession nicht angefochten.91 Es liegen keine Hinweise auf die Instrumentalisierung der Fleur-de-Lis als Herrschaftssymbol vor, ebenso wenig nutzte man ‚französische‘ Heilige, wie Ludwig IX. oder Dionysius, zur vorzeitigen Herleitung oder Legitimierung eines herrschaftlichen Anspruchs. Das Begräbnis Karls VI. Die Begräbniszeremonie Karls VI., der nur wenige Wochen nach Heinrich V. am 21. Oktober 1422 im Hôtel Saint-Pol verstarb, scheint auf den ersten Blick für die vorliegende Untersuchung wenig relevant zu sein. Der ausführlich in der zeit­ genössischen Chronistik beschriebene Begräbniszug durch Paris, seine Aufbahrungen an Stationen, die für die französischen Könige bedeutsam waren, etwa Notre-Dame und Saint-Denis, und die reiche Dekoration des Leichenwagens mit Fleurs-de-Lis entsprechen weitestgehend dem für französische Könige üblichen Procedere.92 91 Zitiert

nach der Edition von Cosneau (Hrsg.), Les grands traités, S. 100–115, hier S. 110, Art. 22: „Item, est accordé que nous, durant nostre vie, nommerons, appellerons et escrirons nostredit filz, le Roy Henry, en langue françoise par ceste manière: ‚nostre très chier fils, Henry, Roy d’Angleterre, héritier de France‘“. 92 Siehe etwa die Darstellungen bei Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 269, S. 120–124; Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1422, 361–371, S. 177–181; Chronique du Religieux de SaintDenys, Buch XLIII, Kap. 5, S. 488–498; Chartier, Charles VII, Kap. 2, S. 8–14. Zum Tod und Begräbnis Karls VI. sowie zur Problematik der Thronsukzession siehe Giesey, Royal Funeral Ceremony, passim; ders., Presidents of Parlement, S. 26 f.; Grandeau, Obsèques de Charles VI., bes. S. 136–157; Autrand, Charles VI, S. 595–600; Kintzinger, Sakrale Repräsentation, S. 23– 26, 28–32, 38 f.; ders., Symbolique du Sacre; Schnerb, Armagnacs et Bourguignons, S. 230– 236.

126  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Für die Inszenierung des englischen Herrschaftsanspruchs sind die Feierlichkeiten und ihre historiografische Überlieferung aber dennoch aussagekräftig, insbesondere, wenn man die Darstellung des Regenten Bedford betrachtet. So betonen zahlreiche Chronisten die hervorgehobene Rolle des Herzogs in der Begräbniszeremonie. Ihnen zufolge habe dieser eine exponierte Position im Trauerzug eingenommen, sei als einziger direkt neben dem Leichenwagen gegangen und habe – zum Leidwesen des französischen Volkes – das Schwert des Königs von Frankreich vor sich her getragen, während nicht ein einziger Prince du Sang de France anwesend gewesen sei.93 Bedfords Selbstdarstellung als Regent von Frankreich wird im dritten Teil des Buches noch detaillierter zur Sprache gebracht werden; hier interessiert vor allem seine Inszenierung als ‚Herrschaftsinstrument‘ Heinrichs VI. Vermutlich sehr bewusst fokussierte man in der öffentlichen Zeremonie weniger auf den noch nicht einmal einjährigen englischen König als legitimen Nachfolger des verstorbenen Valois-Herrschers, sondern stellte stattdessen den an seiner Stelle agierenden – erwachsenen und politisch erfahrenen – Onkel ins Rampenlicht. Auf diese Weise wurde die Rechtmäßigkeit der Nachfolge Heinrichs VI. keineswegs in Frage gestellt, sondern impliziert, während der unsicheren politischen ­Situation und vor allem der Bedrohung durch einen zwar umstrittenen, aber ­zumindest erwachsenen Kontrahenten, den Dauphin, mit Bedford ein fähiger Staatsmann entgegengestellt wurde. Auch hier stellt sich die Problematik, die für die Konzeption der Zeremonie Verantwortlichen im Einzelnen auszumachen. Zwar ist nicht zuletzt aufgrund der prominenten Rolle Bedfords durchaus denkbar, dass die Engländer, insbesondere der Regent selbst, an der Konzeption der Feierlichkeiten beteiligt gewesen waren. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass Bedford zu einem der Vollstrecker des Testaments des verstorbenen Königs ernannt worden war.94 Dass weitere Akteure, etwa Mitglieder des Hofes Karls VI. und Vertreter von Notre-Dame und SaintDenis, mitwirkten, ist jedoch ebenfalls möglich.95

2.2.2. Militärische Aufmärsche Bedfords in den 1420er Jahren Der Herzog von Bedford bemühte sich zügig darum, die herrschaftlichen Ansprüche seines Neffen öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen – dies wurde bereits anhand des nur wenige Monate nach Beginn seiner Regentschaft bei Laurence Calot in Auftrag gegebenen, in Paris zur Schau gestellten illustrierten Gedichts deutlich. Daneben sind in den 1420ern Jahren mindestens drei Gelegenheiten 93 Siehe

z. B. Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1422, 362, S. 178, zitiert unten, Kap. 3.1.1, Anm. 5. Siehe außerdem Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 269, S. 120–124; Wavrin, Recueil, 1399–1422, Bd. 5, Buch II, Kap. 30, S. 430 f.; Chronique du Religieux de Saint-Denys, Buch XLIII, Kap. 5, S. 488–498; Chartier, Charles VII, Kap. 2, S. 8–14. Zur exponierten Rolle Bedfords siehe Autrand, Charles VI, S. 596–598; Kintzinger, Sakrale Repräsentation, S. 31 f.; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 231–234, 248; Giesey, Royal Funeral Ceremony, S. 91–104. 94 Vgl. ebd., S. 72  f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 113. 95 Siehe hierzu Grandeau, Obsèques de Charles VI.; Kintzinger, Sakrale Repräsentation, S. 26.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  127

­anhand historiografischer Zeugnisse greifbar, bei denen der Regent politisch aufgeladene Bilder im Rahmen von Schlachten und militärischen Aufmärschen zum Einsatz brachte. Besonders aufschlussreich ist der Bericht Jean de Wavrins über die Eroberung der westlich von Paris gelegenen Festung von Ivry im August 1424. Die Eroberung stand im Zusammenhang mit der Schlacht bei Verneuil gegen den Dauphin und seine Verbündeten, einem der größten militärischen Erfolge des Herzogs. Laut eigener Aussage wohnte Wavrin diesen militärischen Unternehmungen als Gefolgsmann des Grafen von Salisbury als Augenzeuge bei. Der Herzog sei an der Spitze seiner Truppen auf die Festung zugeritten, sein Mantel sei mit einem großen weißen Kreuz geziert gewesen, in beziehungsweise auf dem sich ein weiteres rotes Kreuz befunden habe. Auf die Nachfrage Wavrins, warum Bedford das weiße Kreuz trage, hätten die Engländer dem Chronisten geantwortet, dass die Kreuze für die beiden Königreiche stünden und niemand außer Bedford dazu berechtigt sei, sie in dieser Form zu tragen, „pour ce quil estoit celluy qui representoit la personne du roy de France et d’Angleterre, et ces deux croix estoient la signifiance desdis deux royaulmes.“96 Die Ausführungen Wavrins machen zum einen deutlich, welch große Bedeutung die Inszenierung des zweifachen Herrschaftsanspruchs für den Herzog von Bedford auch im konkreten Kontext militärischer Unternehmungen einnahm und welche Bilder hierfür zum Einsatz kamen – in diesem Fall die Kombination aus dem weißen und dem kleineren roten Kreuz. Zum anderen wird klar, dass Bedford nicht als einer von verschiedenen Vertretern englischer Interessen auf dem Kontinent wahrgenommen wurde, sondern als der einzige galt, der „die Person des Königs von Frankreich und England“ in dieser Form repräsentieren konnte. Problematisch gestaltet sich die Klärung der Frage, welches Publikum mit der Inszenierung angesprochen werden sollte und wie die ‚Lesbarkeit‘ des verwendeten Bildmaterials gesteuert werden konnte: Wenn wir dem Bericht Wavrins Glauben schenken, verstanden zwar die am Zug beteiligten Engländer die zur Schau gestellten Kreuze in diesem Zusammenhang als Symbole der zwei Reiche und des herrschaftlichen Anspruchs auf diese. Wavrin aber musste nach ihrer Bedeutung fragen – die Symbolik des weißen Kreuzes in diesem Kontext war ihm also offenbar unklar, obwohl er selbst den englischen Truppen angehörte und bereits seit mindestens zehn Jahren im Dienste der Engländer oder der eng mit diesen verbündeten Burgunder stand und an zahlreichen Schlachten teilgenommen hat96 Wavrin,

Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 28, S. 101: „Tout ce voyage le duc de Bethforth, chevaulchant devant ses battailles, avoit vestu une robe de drap de veloux asur, et pardessus avoit une grande croix blance, par deseure laquele avoit une croix vermeille; et moy acteur de ceste euvre, quy lors estoie audit voyage en la compaignie du conte de Salisbery, demanday a aulcuns Anglois a quel cause ledit duc de Betfort portoit la croix blance, et il me fut respondu que cestoit a cause des deux royaulmes, et que au duc de Bethfort regent apartenoit les porter, et a nul autre, pour ce quil estoit celluy qui representoit la personne du roy de France et d’Angleterre, et ces deux croix estoient la signifiance desdis deux royaulmes.“

128  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. te.97 Damit stellt sich die Frage, ob die französischen Zeugen des Geschehens die durch die Kreuze zum Ausdruck gebrachte Botschaft überhaupt verstanden. Das rote Kreuz stand aller Wahrscheinlichkeit nach für das Banner des heiligen Georg und der englischen Armee und war als solches sowohl den an der Schlacht beteiligten Engländern als auch Franzosen bekannt. Das weiße Kreuz hingegen ist sonst nicht im politischen Bildprogramm des Regenten oder anderer Vertreter der englischen Krone in Lancastrian France festzustellen, es spielte jedoch als Symbol des heiligen Michael seit längerem eine Rolle im Bildrepertoire der französischen Monarchie. Unter dem Dauphin und späteren Karl VII. intensivierte sich seine Verwendung, insbesondere als Zeichen der französischen Armee, erheblich und verdrängte, wie Colette Beaune herausstellt, bis zu einem gewissen Grad die Oriflamme. Der heilige Michael, Schutzpatron von Bourges, habe sich im Verlaufe der militärischen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich zum symbolischen Gegenspieler des heiligen Georg, zum „saint Georges français“, entwickelt, sein weißes Kreuz wurde zur direkten Antwort auf das rote Kreuz Georgs.98 Sollte der Regent das weiße Kreuz in ähnlicher Form wie der Dauphin verwendet haben, so lassen sich unter Vorbehalt zwei Rückschlüsse ziehen: Die englische Seite bediente sich nicht nur französischer Herrschaftssymbole, die seit langem etabliert waren und intensiv verwendet wurden, wie etwa der Fleur-deLis; offenbar griff man zugleich auf ‚aktuelle‘ Motive zurück, die dem politischen Kontrahenten zuzurechnen waren. Zum zweiten ist davon auszugehen, dass die gegnerischen Truppen die von Bedford zur Schau gestellten Bildzeichen sehr wohl ‚lesen‘ konnten und ihre Verwendung als Affront verstanden. Es ist jedoch festzuhalten, dass hier ein Einzelfall in der Überlieferung vorliegt. Weder die Instru97 Zu

Wavrins Vita und politischer Positionierung siehe Visser-Fuchs, Warwick and Wavrin, S. 162–309; Hardy, Introduction, S. xvii–xlvii; Curry, Battle of Agincourt, S. 138 f. Die Möglichkeit, dass Wavrin die Kreuze sehr wohl beide einordnen konnte und seine vorgebliche Unkenntnis als Stilmittel einsetzte, um ihre Bedeutung hervorzuheben, ist ebenfalls in Betracht zu ziehen. Dies ändert aber nichts an Wavrins Quellenwert hinsichtlich der Nutzung politischer Bilder durch den Regenten. 98 Vgl. Beaune, Naissance, S. 200. Zur Intensivierung der Michaelsverehrung unter dem Dauphin siehe ebd., S. 188 f., 194–206; Bedos-Rezak, Idéologie royale, S. 504–506; Mérindol, Saint Michel, S. 529–535. Zum zunehmenden Einsatz des weißen Kreuzes siehe Beaune, Naissance, S. 81, 118, 200 f., 205; Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 325–327. Reynolds, Les Angloys, S. 48 vermutet mit Verweis auf Wavrin, dass Bedford die Kreuze der Hll. Georg und Andreas kombiniert und damit die Allianz mit Burgund zum Ausdruck gebracht habe. Sollte das weiße Kreuz jedoch tatsächlich in der weitverbreiteten, aus zwei diagonal gestellten Balken bestehenden Form, die mit dem burgundischen Schutzpatron in Verbindung gebracht wird, verwendet worden sein, wäre davon auszugehen, dass Wavrin – immerhin selbst Burgunder – es als solches erkannt hätte. Ferner widerspricht diese Deutung den Angaben des Chronisten, dass durch die Kreuze die Herrschaft über England und Frankreich verdeutlicht werden sollte. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist, dass Bedford die Robe des Hosenbandordens, einen blauen Mantel mit dem Symbol des Ordens, dem von einem Hosenband eingeschlossenen Banner des hl. Georg – dem roten Kreuz auf silbernem Grund –, trug. In diesem Fall wäre jedoch zu erwarten, dass Wavrin das Banner des hl. Georg explizit benennt, wie er es an zahlreichen anderen Stellen tut, anstatt es kompliziert zu umschreiben. Siehe etwa Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 28, S. 103. Zudem lässt Wavrins Beschreibung keinen Zweifel an der Kreuzform der fraglichen Elemente.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  129

mentalisierung des weißen Kreuzes noch die vergleichbare Nutzung anderer, in erster Linie auf den Dauphin verweisender Bildzeichen ist ansonsten im politischen Bildprogramm der englischen Besatzer nachweisbar. In ‚herkömmlicher‘ Form ließ der Regent den herrschaftlichen Anspruch auf die zwei Königreiche Wavrin zufolge bereits kurze Zeit später zur Schau stellen: Nach der erfolgreichen Eroberung der Festung von Ivry habe er dort das blaue, mit drei goldenen Fleurs-de-Lis gezierte Banner von Frankreich und das silberne, mit einem roten Kreuz versehene Banner des heiligen Georg aufstellen lassen, dann das Banner des heiligen Eduard und darauf das geviertelte Wappen Frankreichs und Englands, „en signifiance de la possession des deux royaulmes conjoincts“. Abschließend habe er sein eigenes Banner aufrichten lassen, sämtliche Banner seien von renommierten Rittern getragen worden.99 Dass das Banner des heiligen Georg zum Standardprogramm der seitens der Engländer im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen zur Schau gestellten ­heraldischen Zeichen gehörte, zeigt sich darüber hinaus in der von Monstrelet beschriebenen Schlacht zwischen dem Regenten und dem Dauphin im Spätsommer 1429 bei Montépilloy, östlich von Senlis, wo es ebenfalls mit dem französischen und englischen königlichen Wappen kombiniert wurde.100 Die Bedeutung des Heiligen für die englische Armee ist bekannt und drückt sich nicht zuletzt in dem vielfach in der zeitgenössischen Chronistik beschriebenen englischen Schlachtruf aus.101

2.2.3. Die Krönungsexpedition Den Höhepunkt der Instrumentalisierung von Kunst in öffentlichkeitswirksamen Zeremonien und der Zurschaustellung politisch aufgeladener Bilder zur Visualisierung der Herrschaftsansprüche Heinrichs VI. in Frankreich stellt zweifelsohne die Krönungsexpedition von April 1430 bis Januar 1432 dar. Dies kommt nicht zuletzt in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Ausdruck, die die zentralen Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und auf die sich die folgenden Ausführungen in weiten Teilen stützen.102 Anlass und Auslöser zur ge 99 Ebd.: „il [le duc] fist desployer la baniere de France dazur a trois fleurs de lis dor […]; puis fist

desploier la baniere de Saint George a champ dargent, a une grande croix de geulle; puis fist il desployer la baniere Saint Edouard, dazur a une croix ancree dor, a chincq mailles de meismes; puis fist desploier la baniere esquartelee de France et d’Angleterre, en signifiance de la possession des deux royaulmes conjoincts; et aprez fut desploiee la baniere du duc de Bethfort ­regent; toutes lesqueles banieres furent baillies a porter a chevalliers de grant renommee.“ 100 Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 66, S. 345: „Et ledit régent, à tout sa seigneurie et aultres nobles, estoient assez près desdiz archiers, en une seule bataille, où il y avoit entre aultres enseignes deux bannières, l’une de France et l’aultre d’Angleterre, et si estoit avec ycelles l’estendart de Saint George.“ 101 Siehe hierzu beispielhaft Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 17, S. 67; Kap. 29, S. 112 und d’Escouchy, Chronique, Kap. 92, S. 39. 102 An einschlägigen Arbeiten sind zu nennen Bryant, Paris and London, bes. S. 72–78; Curry, Coronation Expedition; Thompson, Paris Under English Rule, S. 199–205; Grummitt, Henry  VI, S. 75–80; Griffiths, Henry VI, S. 90–93; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 191–213; Allmand und Styles, Coronations of Henry VI; Wolffe, Henry the Sixth, S. 51–63. Siehe außerdem jüngst Bourassa, Royal Entries.

130  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. planten französischen Krönung des bei Reiseantritt siebenjährigen Heinrich bildeten vor allem der militärische Vormarsch und die im Juli 1429 vollzogene Krönung Karls VII. Die Bemühungen des Regenten Bedford um eine zügige Reise Heinrichs nach Frankreich zum Zweck seiner Krönung zum französischen König und zum Empfang des Treueschwurs durch französische Magnaten sind bereits in den Protokollen des Privy Council vom 15. April 1429 in Westminster überliefert.103 Erneut bat der Herzog in einer Mitteilung vom 16. Juli darum, dass Heinrich „en tout possible celerite“ nach Paris kommen solle, und verwies auf die kurz zuvor durchgeführte Krönung des Dauphins in Reims und dessen von Bedford und dem ­Herzog von Burgund erfolgreich abgewehrten Versuch, unmittelbar nach seiner Krönung in Paris einzuziehen. Überdies machte Bedford darauf aufmerksam, dass er den König bereits zweimal um eine möglichst zügige Anreise gebeten habe.104 Am 6. November 1429 fand die Krönung zum König von England – bereits unter Verwendung französischer zeremonieller Elemente – in Westminster statt, am 23. April des folgenden Jahres, dem Festtag des heiligen Georg, landete Heinrich in Calais und begab sich von hier aus mitsamt seinem Gefolge nach Rouen.105 Der Einzug in Rouen Für den Einzug Heinrichs VI. im Juli 1430 in Rouen sind die Ausführungen Pierre Cochons von besonderem Interesse.106 Auch hier liegt der Schwerpunkt der Darstellung des Chronisten weniger auf der Ausstattung des einziehenden Königs und seines Gefolges als vielmehr auf dem Empfang durch die Bürger und der Dekoration der Stadt. So beschreibt er zunächst die Verzierung der Porte Cauchoise mit Draperien, die mit den Wappen Englands und Frankreichs sowie dem Banner des heiligen Georg geschmückt gewesen seien.107 Darüber hinaus nennt er zwei auf dem zweiten Stadttor platzierte Statuen von gehörnten Antilopen mit einer Krone und einer Kette um den Hals – der Devise der Lancaster. Bei diesen hätten sich zwei Leoparden oder Löwen – die Wappentiere der englischen Könige – befunden, zwischen deren Füßen das Stadtwappen von Rouen sowie weitere Wappen zu ­sehen gewesen seien.108 103 PPC, Bd. 3, S. 322  f. 104 Rymer (Hrsg.), Foedera,

Bd. 4, S. 150: „et aujourduy (xvi de ce Mois) [le Dauphin] doit arriver a Reins, ou semblablement on lui fera ouverture pour demain, ou l’un dit se faire Sacrer. Item, que incontinent apres son Sacre, il a entention de venir devant Paris, et a esperance d’y avoir Entre; mais, a la grace de nostre Seigneur, il aura resistence par le moyen de, nos Seigneurs, le Regent, & de Bourgogne […] Et supplient au Roy, treshumblement, qui lui plaise avancer sa Venue pardeca en tout possible celerite; car, s’il eust pleu a Dieu que plus tost y feust venu, ainsi que ja, par deux fois, lui avoit este supplie par Ambassadeurs et Messagers“. 105 Zur Krönung in Westminster siehe jüngst Grummitt, Henry VI, S. 75–77; außerdem Wolffe, Henry the Sixth, S. 49–51; Griffiths, Henry VI, S. 189 f. Zur Vorbereitung der Expedition siehe Curry, Coronation Expedition, S. 29–53; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 192–201. 106 Cochon, Chronique, S. 312  f. 107 Ebd., S. 312  f.: „Et y avoit à la porte Cauchoise draps où estoient les armes de France et d’Angleterre, la baniere Saint-George, et estoient sur le bosclevert de devant et à à l’entrée de la .jre. porte.“ 108 Ebd., S. 313: „Et sur la seconde porte […] estoient figurées .ij. grans bestes nommées antelopes; et avoient .ij. cornes, .j. couronne, et chascun une caine au col. Et auprès d’eulx estoient

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  131

Es wurde bereits erwähnt, dass Hinweise darauf, wer die prunkvollen könig­ lichen Entrées jeweils inhaltlich konzipierte und wer für ihre Ausstattung und Finanzierung verantwortlich war, nur in wenigen Fällen vorliegen. Eine solche Ausnahme stellt Cochons Schilderung von Heinrichs Einzug in Rouen dar: Im Zuge der Beschreibung der Kleidung der Bürger Rouens kritisiert er, dass Heinrich ­ihnen keine Livreen zur Verfügung gestellt habe, sondern ihnen habe auftragen lassen, diese selbst zu besorgen.109 Dies verdeutlicht zum einen, dass die Stadt Rouen finanziell für nicht unerhebliche Teile des Einzugs aufzukommen hatte. Zum anderen aber geht hieraus hervor, dass die Engländer bewusst Einfluss auf die Zeremonie und ihre Ausstattung nahmen und dass man eigentlich von ihnen erwartete, dass sie einen größeren finanziellen Beitrag leisteten. Wer das dekorative Programm letztendlich verantwortete, ist unklar. Vermutlich waren sowohl Vertreter der Stadt als auch Repräsentanten der englischen Krone beteiligt, die es im administrativen Hauptsitz der Engländer in Frankreich zahlreich gab. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass es sich bei dem vorliegenden Fall um den einzigen königlichen Einzug in Lancastrian France handelt, für den nicht nur allgemein englische Herrschaftssymbole beschrieben werden, sondern ein Motiv, das explizit auf die Lancaster-Dynastie verweist: die gekrönte und angekettete Antilope. Dies muss jedoch keineswegs gegen die Konzeption der medialen Ausstattung durch die Rouennaiser sprechen. Schließlich hatten diese Interesse daran, sich die englischen Machthaber gewogen zu halten, war doch die normannische Hauptstadt im Juli 1430 noch fest in deren Hand. Der Einzug in Paris Der Weg Heinrichs VI. nach Paris, zur Krönung zum französischen König, war im November 1431 und damit erst 15 Monate nach seiner Ankunft in Rouen ge­ ebnet. Der Einzug des königlichen Hofstaates am 2. Dezember in die Stadt, vor allem aber der Empfang durch diese, veranlasste etliche französische, englische und burgundische Chronisten zu ausführlichen Schilderungen, so etwa den Bourgeois de Paris, einen der Verfasser der Brut Chronicles und Enguerrand de Monstrelet.110 ou deulx lions ou deulx liepards, je ne soy lequel; et, entre les piés, estoient les armes de la ville et autres armes que je ne congnois.“ Die Lancaster-Antilope spielt auch eine wichtige Rolle im Einzug Heinrichs in London nach seiner Krönung zum französischen König, siehe etwa Gregory’s Chronicle, S. 173; Chronicles of London, S. 100. 109 Cochon, Chronique, S. 312: „et vindrent les bourgois de Rouen contre lui, à robes de livrée perses et chapperons de vermeil. Mès le roy ne leur avoit pas donné celle livrée; mès l’en leur avoit fet commandement qu’ilz les feissent faire.“ 110 Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 584–591, S. 274–276; Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 1–4; Brut Chronicles, S. 458–461. Für den Einzug in Paris 1431 sind darüber hinaus die Ausführungen von Chartier, Charles VII, Kap. 74, S. 130 f. und die von Bernard Guenée und Françoise Lehoux edierten Quellenexzerpte – Beschlüsse des Pariser Parlement und der in der Londoner Guildhall Library aufbewahrte Bericht eines zeitgenössischen anonymen Autors – von Interesse, Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 59–70. Die von Kristin Bourassa jüngst untersuchte zeitgenössische Beschreibung des Einzugs in Paris in der Handschrift MS Letter Book K in den London Metropolitan Archives, Archives of the Corporation of London konnte leider nicht rechtzeitig zur Drucklegung

132  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Wie in Rouen war auch hier die Kombination englischer und französischer heraldischer Elemente grundlegender Bestandteil der Dekoration architektonischer Wegmarken und der Ausstattung der begleitenden Inszenierungen. So beschreibt der Brut-Chronist die Aufführung einer Hirschjagd bei Saints-Innocents, bei welcher die Jagdhunde mit dem Wappen Englands und Frankreichs geschmückt ­gewesen seien.111 Erwartungsgemäß spielte die goldene Fleur-de-Lis auf blauem Grund auch im Übrigen eine große Rolle: Beispielsweise hielten hochrangige Vertreter der Stadt ab dem Eintritt des Königs durch die Porte Saint-Denis und während seines gesamten Zuges durch die Stadt einen großen azurblauen, von goldenen Lilien übersäten Baldachin über ihn.112 Hiervon abgesehen lag bei dem Einzug in Paris der Schwerpunkt des durch die Stadt veranstalteten Programms auf Paris und dessen Selbstinszenierung und ­weniger auf allgemein französischen oder gar englischen Elementen. Tatsächlich lässt sich die tragende Rolle der Pariser in der Ausrichtung des Einzugs auch anhand zeitgenössischer dokumentarischer Quellen nachvollziehen: Wie Guy L. Thompson anhand erhaltener Rechnungen herausstellen konnte, waren Vertreter der Stadt für die Bezahlung des Großteils der Inszenierungen und Dekorationen verantwortlich.113 Direkt bei Heinrichs Eintritt durch die Porte Saint-Denis wurde er von dem dort zur Schau gestellten Stadtwappen begrüßt. Der exorbitante Umfang des Wappens, das aus einem silbernen Schiff vor rotem Hintergrund unter einem azurblauen, mit Fleurs-de-Lis übersäten Schildhaupt bestand, ist mehrfach historiografisch überliefert: Laut dem Bourgeois de Paris habe das Wappen konsultiert werden. Siehe hierzu Bourassa, Royal Entries, S. 486–490. Die Pariser Einzüge, insb. der Einzug Heinrichs VI. im Rahmen der Krönungszeremonie, waren auch ansonsten mehrfach Gegenstand der Forschung, siehe bspw. Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony, bes. S. 105–109, 126 f., 158 f., 180 f.; ders., Paris and London, bes. S. 72–78; ders., Medieval Entry Ceremony; Thompson, Paris Under English Rule, S. 193, 199–204; Allmand und Styles, Coronations of Henry VI, S. 31 f.; Curry, Coronation Expedition, S. 48 f.; McKenna, Dual Monarchy, S. 159 f.; Reynolds, English Patrons, S. 40 f.; Klapisch-Zuber, L’ombre des ancêtres, S. 257–260; Kipling, Enter the King, S. 85–99. 111 Brut Chronicles, S. 460: „And so comyng to the founteyn of Seint Innocentȝ, there was made a hegge of grene holme-busshes; and þerout stert an hert, and houndes rennyng after hym, couered in þe armes of England and Fraunce.“ Siehe hierzu auch Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony, S. 175 f. 112 Siehe z. B. Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 586–591, S. 274–276, hier 586, S. 274: „Item, à l’entrée de la ville par dedens estoit le prevost des marchans et les eschevins, tous rangés et vestuz de vermeil, chascun ung chappel en sa teste, et aussi tost que le roy entra dedens la ville ilz lui mirent ung grant ciel d’azur sur la teste, semé de fleurs de lis d’or, et le porterent sur lui les iiii eschevins“. Siehe außerdem Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 3 f.; Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 66. Ebd. beschreibt außerdem ein reich mit Fleurs-de-Lis verziertes Tabernakel bei der Brücke von Saint-Denis. Zur Verwendung der Fleur-de-Lis in Einzügen in die Stadt Paris im Spätmittelalter siehe Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony, S. 105–107. 113 Vgl. Thompson, Paris Under English Rule, S. 201–204, 244–246. Siehe hierzu auch Curry, Coronation Expedition, S. 49 und Anm. 112; Bryant, Paris and London, S. 65–69, 73, 75–77. Die Besprechungen im Parlement im Vorfeld des Einzugs Heinrichs sind z. T. überliefert, siehe hierzu die Beschlüsse des Parlement vom 13. 6. 1430 und vom 5. 11. 1431, Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 59–62.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  133

die gesamte Architektur eingenommen, nach Monstrelet sei es so groß gewesen, dass sechs Personen, nämlich Repräsentanten des Bischofs, der Universität, der Bürger und der Sergeants, im nachgebauten Schiff Platz gehabt hätten.114 Der anonyme Autor eines Berichts, der in der Londoner Guildhall Library aufbewahrt wird, spricht sogar von zwölf Personen, welche die drei Stände der Stadt repräsentierten.115 Der Brut-Chronist gibt zudem an, dass diese Personen im vollständig ausgestatteten und mit Silberfolie überzogenen Schiff gestanden hätten.116 Demselben Autor zufolge erhielt der junge König im weiteren Verlauf des Einzugs überdies einen wilden Hirsch als Geschenk, der ebenfalls mit dem Wappen der Stadt verziert gewesen sei.117 Zentral im Empfangszeremoniell der Stadt war die Aufführung der Legende des heiligen Dionysius, des Patrons der Stadt Paris und Frankreichs, an der Porte Saint-Denis. Seine Inszenierung ist vermutlich in erster Linie als Bestandteil der Selbstdarstellung der Stadt zu verstehen, Monstrelet weist im Rahmen seiner Beschreibung der Darbietung jedoch auch darauf hin, dass der Heilige von englischer Seite in besonderem Maße verehrt wurde.118 Beispiele hierfür finden sich in einer Reihe überlieferter Stiftungen und Kunstaufträge, etwa der Schenkung eines 114 Journal

d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 585, S. 274: „Item, le dimenche ensuivant, premier jour des Advens, vint ledit roy à Paris par la porte Sainct-Denis, laquelle porte devers les champs avoit les armes de la ville, c’est assavoir, ung escu si grant qu’il couvroit toute la maçonnerie de la porte, et estoit à moitié de rouge et le dessus d’azur semé de fleurs de lis, et au travers de l’escu avoit une neuf d’argent, grande comme pour trois hommes.“ Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 3: „Et quant le roy vint à l’entrée de la porte Saint-Denis, les armes de la ville y estoient si grandes qu’en la nef d’ycelles avoit six hommes, l’un en guise d’évesque, le second l’Université, et le tiers les bourgois, et les trois autres estoient comme sergans.“ Siehe hierzu auch Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony, S. 126; ders., Medieval Entry Ceremony, S. 50 f.; ders., Paris and London, S. 77, 84. Zum Schwerpunkt auf der Selbstdarstellung der Stadt siehe Thompson, Paris Under English Rule, S. 203. 115 Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 65  f.: „Et en la bastide Saint Denis, au dessus du pont leveiz d’icelle, avoit un grant escu des armes de la dicte ville, contenant tout le front de la maçonnerie d’icelle. Ouquel escu, comme il appartient, avoit une nef d’argent envoillee, laquelle estoit si grande que en icelle avoit xii personnages en trois estas, distingans ses estas de la dicte ville“. 116 Brut Chronicles, S. 459: „And at comyng to þe gate of Seint Denys of Parys, there was afore the fronte of the gate þe armes of the towne in gowles, a chieff of asure, with the flourdelice of gold in asure; and also þer was a verrey shippe, with alle the appurtenaunceȝ þerto belongyng, couered with siluer foyle, and certeyne persones standing þerin.“ Einzig Chartier spricht bei der Beschreibung der Verzierung der Porte Saint-Denis nicht vom Stadtwappen, sondern vom Wappen des Königs, Chartier, Charles VII, Kap. 74, S. 130: „Au hault de la bastille de la porte Saint-Denis, par laquelle il entra, fut fait ung grant escu armoyé des armes dudit roy, et plussieurs autres paintures et histoires en louant sa venue.“ 117 Brut Chronicles, S. 460: „And after was presented to þe Kyng a wylde hert, trapped with the armes of the towne.“ 118 Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 4: „Et sur la porte fut jouée la légende de Saint Denis; et fut voulentiers veue des Anglois.“ Diese Inszenierung wird auch beschrieben bei Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 590, S. 275 f.; Brut Chronicles, S. 459; Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 67 f. Siehe hierzu Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony, S. 158 f.; ders., Paris and London, S. 77; Beaune, Naissance, S. 111; Thompson, Monseigneur Saint Denis, S. 19.

134  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Goldschmiedestücks durch den Herzog von Bedford an die Pariser Kathedrale im September 1422, welches die Empfehlung Heinrichs V. und Catherines de Valois an die Trinität durch die Heiligen Georg und Dionysius zeigt.119 Derartige Kombinationen finden sich, wie noch anzusprechen sein wird, auch anderweitig. Eine Fokussierung auf Dionysius als Einzelfigur oder erst recht die Modifizierung bestimmter Verehrungstraditionen im Sinne einer ‚Umnutzung‘ des Heiligen als Symbol der Ansprüche Heinrichs VI., wie sie für Ludwig den Heiligen festgestellt werden konnte, kann hier jedoch nicht konstatiert werden. Es ist vielmehr Thompson zuzustimmen, demzufolge Dionysius nicht als Symbol der Doppelmonarchie fungiert habe, sondern lediglich als „symbol of the ‚French‘ component of the […] dual monarchy of Henry VI“.120 Eine gleichwertige Inszenierung der Heiligen Dionysius und Georg kann für die Darbietungen in Paris nicht festgestellt werden, doch wurde auch der heilige Georg in weniger aufwendiger Art und Weise in die Zeremonie integriert: Bei Saint-Sépulcre sei der König von Kanonikern der Kirche empfangen worden, die ihm Reliquien des Heiligen zur Verehrung dargeboten hätten.121 Neben der Selbstdarstellung der Stadt Paris kam jedoch auch der englische Souveränitäts- und Herrschaftsanspruch zum Ausdruck: Zunächst sei erwähnt, dass der englische König auf einem weißen Pferd einreitend beschrieben wird. Der anonyme Autor des Guildhall Library Berichts stellt diese Information sämtlichen anderen Angaben zu seinem Einzug voran und betont damit ihre Relevanz.122 Dem gleichen Zeugnis zufolge trug einer der vier Knappen, die vor Heinrich einmarschierten und die königlichen Insignien trugen, einen gekrönten Helm, nach Bryant ein Novum bei den königlichen Einzügen in Paris und als Verweis auf die englische Eroberung zu verstehen.123 Möglicherweise symbolischen Wert hat auch das Datum des Einzugs, der erste Adventssonntag, an dem auch schon der erfolg-

119 Siehe

oben, Kap. 1.1.2. Allgemein zur Verehrung des hl. Dionysius siehe Thompson, Monseigneur Saint Denis, S. 15–19, 25 f.; Beaune, Naissance, S. 83–125. Beaune erwähnt zudem, dass ebenfalls um 1422 genealogische Darstellungen kursierten, in denen die beiden Heiligen Heinrich VI. der Jungfrau präsentiert hätten, ohne jedoch konkrete Quellen zu benennen, vgl. ebd., S. 111. 120 Thompson, Monseigneur Saint Denis, S. 19. 121 Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 68: „Et, a l’endroit de l’esglise du Sepulcre, estoient les seigneurs de la dite esglise, tous revestus, qui avoient apperté les bras de Monsieur saint George a la porte d’icelle esglise; et a l’endroit d’icelle esglise, au trevars d’icelle rue, estoit tendu un ciel de drap d’or frangié, qui contenoit bien x toises; et la feu ledit bras saint George baillié a basier au dit seigneur, qui le baisa moult humblement.“ 122 Ebd., S. 63: „Le dit jour, a heure de xi heures devant midi, se party le dit roy de la ville de Saint Denis en France, et en venant vers icelle bonne ville rencontra l’evesque de Paris qui lui estoit alé au devant. Et estoit le dit roy monté sur une hacquené blanche, vestu d’une robe de drap d’or azur et un chapperon de drap noir ouquel avoit un fermail au bout de la cornette.“ Siehe hierzu Allmand und Styles, Coronations of Henry VI, S. 32. Zur Symbolik des weißen Pferdes siehe Kintzinger, Der weiße Reiter, bes. S. 334–339. 123 Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 63: „Et aussi y avoit quatre escuiers, dont le deux portoient ses manteaulx et chappeaulx, et le tiers une espee, et le quart son tymbre couronné.“ Vgl. Bryant, Medieval Entry Ceremony, S. 45 f., 48.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  135

reiche Eroberer Heinrich V. elf Jahre zuvor nach dem Vertragsschluss von Troyes zusammen mit Karl VI. in die Stadt eingezogen war.124 Abgesehen hiervon ist der einzige ausdrücklich englische politische Ansprüche verdeutlichende Bestandteil der Darbietungen ein Tableau vivant eines Lit de Justice, das bei dem Châtelet aufgeführt wurde. Gleichzeitig handelt es sich um die einzige Aufführung, die, wie Thompson anhand der überlieferten Rechnungen feststellen konnte, nicht von Vertretern der Stadt ausgerichtet und finanziert wurde; er vermutet wegen des Standorts – das Châtelet war Sitz des königlichen Stadtvogts –, dass die Prévôté hinter der Inszenierung stand.125 Das Tableau ­vivant zeigte die Krönung Heinrichs VI. mit zwei reich verzierten, über seinem Kopf hängenden Kronen, flankiert von anhand ihrer Wappenröcke identifizierbaren Grands Seigneurs Englands und Frankreichs, die ihm nach den Berichten der Chronisten die Wappen beider Länder überreichten. Hierbei handelt es sich um die erste dokumentarisch greifbare Inszenierung der Doppelmonarchie mittels des Motivs der zweifachen Krönung. Die Darbietung fand auf einem hohen, reich verzierten und mit Tapisserien geschmückten Gerüst statt, hinter und über dem Heinrich verkörpernden Schauspieler befanden sich kostbare Draperien mit den Wappen Frankreichs und Englands.126 Sie wird in leicht abgewandelter Form im Londoner Guildhall Library Bericht, vom Bourgeois de Paris, von Monstrelet und vom Brut-Chronisten beschrieben: Während letzterer für die englische Seite Bedford, Gloucester, Beaufort sowie „many oþer lordes of England“ und für die französische Seite den Herzog von Burgund und „alle the other lordes of Fraunce“ nennt, gibt Monstrelet für die englische Seite Bedford und die Grafen von Warwick und Salisbury sowie für die französische den Herzog von Burgund und den Grafen von Nevers an.127 Im 124 Hier

ist jedoch die Rolle zu bedenken, die die militärischen Umstände spielten: Der lange Aufenthalt in Rouen vor der Weiterreise nach Paris zur Krönung war vermutlich eher durch die Hoffnung bedingt, Reims zu befreien, um die Krönung dort vorzunehmen, als durch den Wunsch, am gleichen Tag wie Heinrich V. in Paris einzureiten. Siehe hierzu Curry, Coronation Expedition, S. 38–44. 125 Vgl. Thompson, Paris Under English Rule, S. 201–204, 244–246, bes. 202; außerdem Curry, Coronation Expedition, S. 49 und Anm. 112. 126 Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 68: „A l’encontre du Chastellet de Paris, avoit haulx escarfaulx, moult richement aornez et tenduz de moult riche tappisserie; et la estoit un enfant, representant la personne du roy, assiz en un faudestuer; et derrier et au dessus de lui avoit un ciel et dossier de satin armoyé des armes de France et d’Angleterre“. Siehe hierzu Bryant, Parisian Royal Entry Ceremony, S. 180 f.; ders., Paris and London, S. 77. 127 Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 4: „Et à l’entrée de la porte de Chastelet avoit encore ung eschafault sur lequel avoit en personnage ung petit enfant en samblance du roy, vestu de fleurs de lis, deux couronnes sur son chief. Et à son costé dextre estoit, en personnage, le duc de Bourgongne et le conte de Nevers, qui lui présentoient l’escu de France. Et au costé senestre, le duc de Bethfort, son oncle, et les contes de Warwich et de Salsebéry, qui lui présentoient l’escu d’Angleterre.“ Brut Chronicles, S. 460: „and vpon the right hande, knelyng, my Lord of Bedford, my Lord of Gloucestre, my Lord Cardynall, and many oþer lordes of England, iche man after his degre, armed with his cote of armes vpon hym; and then the Duke of Burgoyne, knelyng on the lifte hande, offeryng vp the armes of Fraunce, and alle the other lordes of Fraunce in theire degre, knelyng, and offeryng vp their armes; and dyuers

136  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Guildhall Library Bericht werden für Frankreich der Herzog von Burgund, der Graf von Nevers und Rethel, der Bischof von Thérouanne, Louis de Luxembourg, sowie „plusieurs autres seigneurs notables“ aufgeführt und auf englischer Seite Bedford, York, Beaufort, Warwick und eine Reihe weiterer hochrangiger Amtsinhaber.128 Der Bourgeois de Paris schließlich fasst die englischen Herren unter „les grans signeurs d’Angleterre“ zusammen und nennt auf französischer Seite „les grans signeurs de France, comme Anjou, Berry, Bourgongne“.129 Der Vergleich der Ausführungen der drei Chronisten legt die Vermutung nahe, dass die beiden Gruppen jeweils mindestens sechs oder sieben Personen repräsentierten und dass der Herzog von Burgund sowie der Herzog von Bedford in jedem Fall Teil der Aufführung waren. Dies ist angesichts ihrer tragenden politischen Funktionen in Lancastrian France wenig verwunderlich. Die Tatsache, dass der burgundische Herzog Heinrichs Ansprüche auf die französische Krone zum Zeitpunkt seines Einzuges in Paris kaum noch vorbehaltlos unterstützte und dass sich die Distanz zwischen den Engländern und ihrem wichtigsten Bündnispartner zunehmend vergrößerte, wird hier offenbar überspielt. Tatsächlich machte Philippe le Bon dem englischen König weder seine Aufwartung während des 15-monatigen Aufenthaltes Heinrichs in Rouen, noch wohnte er seiner Krönung zum französischen König bei.130 Während also im oben besprochenen Falle der Konstruktion der Genealogien Heinrichs VI. seine Vergangenheit umgeformt und scriptures made, þat all they requyre the Kyng of rightwisnesse.“ Interessanterweise beschreibt der englische Chronist die englischen Lords zur Rechten und die französischen Lords zur Linken des Königs, während die beiden französischen Autoren die Anordnung genau anders herum darstellen. Es ist möglich, dass hier eine bewusste Verzerrung der Realität zugunsten der Darstellung der eigenen Landsleute auf der – höherrangigen – rechten Seite durch eine der beiden Parteien vorgenommen werden sollte. 128 Guenée und Lehoux (Hrsg.), Entrées royales françaises, S. 68: „Et dessus lui, deux couronnes en air, et audit costé destre estoit representé, par figures, Monseigneur le duc de Bourgogne, les contes de Nevers et de Rethel, freres, l’evesque de Therouenne, chancelier de France, Messire Johan de Luxembeurg et plusieurs autres seigneurs notables, en nombre competent, selon la place, tous armez et couvers de leurs cotes d’armes; et tous par contenance tendoient a soustenir l’escu et couronne de France; et de l’autre costé estoient representez par figure Monseigneur le duc de Bedford, Monseigneur le cardinal, Monseigneur le duc de York, les contes de Warwik, de Stafford, de Salisbury, de Mortaing et plusieurs autres seigneurs notables, en nombre competent selon la place, tous armez et vestus de leur cotes d’armes; et tous par contenance tenoient a soustenir lesdiz deux escus couronnez.“ Der Autor benannte den Bischof von Thérouanne vermutlich irrtümlich als Jean und geht fälschlicherweise davon aus, dass zwei unterschiedliche Personen die Grafschaften von Nevers und Rethel innehatten. 129 Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 591, S. 276: „Là avoit ung enfant du grant du roy et de son aage, vestu en estat royal, housse vermeille et chapperon fourré, deux couronnes pendans, qui estoient tres riches à veoir à ung chascun, sur sa teste, à son costé dextre estoit tout le sanc de France, c’est assavoir, tous les grans signeurs de France, c’est assavoir, tous les grans signeurs de France, comme Anjou, Berry, Bourgongne, etc., et ung pou loing de eulx estoient les clercs et après les bourgoys, et à senestre estoient tous les grans signeurs d’Angleterre, qui tous faisoient maniere de donner conseil au jeune roy, bon et loyal, et chascun avoit vestu sa cotte de ses armes“. 130 Zum Verhältnis zwischen England und Burgund zum Zeitpunkt der Krönung siehe oben, Kap. 1.1.1 sowie Curry, Coronation Expedition, S. 41–45.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  137

zugunsten seiner politischen Ansprüche zurecht gerückt wird, geschieht hier das Gleiche mit der aktuellen politischen Situation: Man spiegelt die Unterstützung des burgundischen Herzogs durch seine Aufnahme in das Tableau vivant vor, obwohl man sich ihrer im Jahr 1431 längst nicht mehr sicher sein konnte. Auffällig ist darüber hinaus ein weiterer, die Auswahl der Dargestellten betreffender Aspekt: Der Bourgeois de Paris nennt „Berry“ als einen der auf französischer Seite beteiligten Grands Seigneurs, das Herzogtum Berry hatte jedoch seit dem Jahr 1417 Heinrichs Kontrahent Karl VII. inne. Bei aller Tendenz zur Verzerrung der politischen Realitäten ist doch mehr als abwegig, dass dieser hier als Anhänger und Unterstützer Heinrichs dargestellt werden sollte.131 Das Journal d’un Bourgeois de Paris kann als relativ verlässliche Quelle gelten, und es ist unwahrscheinlich, dass sich sein Autor bei einem so wichtigen Herzogtum wie Berry irrte.132 Geht man also davon aus, dass seinem Bericht hier zu trauen ist, so stellt sich die Frage, warum der Herzog von Berry in dieser Form in das Schauspiel ­integriert wurde. Denkbar ist, dass hier lediglich auf allgemein hochrangige englische und französische Titel, unabhängig von ihren aktuellen Inhabern, rekurriert wurde und diese durch die entsprechenden Wappen repräsentiert wurden. Möglich ist jedoch ebenso, dass hier etwas zum Ausdruck gebracht werden sollte, was im Vertrag von Troyes verabredet und im illustrierten Gedicht Calots erneut zur Sprache gebracht wurde, nämlich die Aberkennung sämtlicher Titel und herrschaftlicher Ansprüche des Dauphins aufgrund seiner zahlreichen mutmaßlichen Missetaten und damit implizit auch seines Anspruchs auf das Herzogtum von Berry. Ob man eine personelle Alternative für das Amt im Auge hatte oder sogar eine bestimmte Person dargestellt wurde, geht leider nicht aus den Ausführungen des Chronisten hervor. In jedem Fall jedoch zeigt seine Darstellung wie auch die Beschreibung in den Brut Chronicles und bei Monstrelet das übergreifende politische Ziel der Inszenierung, nämlich die Visualisierung nicht nur des Anspruchs Heinrichs VI. auf die Kronen beider Länder, sondern auch der Befürwortung und Unterstützung dieses Anspruchs durch die politischen Entscheidungsträger Englands und Frankreichs. Die Krönung Heinrichs in Paris Zwei Wochen nach seiner Ankunft in Paris, kurz nach seinem zehnten Geburtstag am sechsten Dezember 1421, begab Heinrich VI. sich vom königlichen Palast zur Kathedrale Notre-Dame, wo er von Kardinal Henry Beaufort gekrönt wurde; der Tag endete mit einem Bankett. In den folgenden Tagen fand ein Turnier und eine Sitzung des Parlement statt, bei welcher englische und französische Adlige dem König den Treueeid leisteten und ihm ihre Ehrerbietung erwiesen. Bereits kurz 131 Knapp

zu Karl VII. als Herzog von Berry siehe Müller, Karl VII., S. 325. Glaubwürdigkeit des Bourgeois de Paris siehe Beaune, Journal d’un bourgeois de Paris, Introduction, S. 13–26, bes. S. 14. Ähnlich stellt sich die Lage bezüglich des ebenfalls vom Bourgeois de Paris aufgeführten Herzogs von Anjou dar. Dieses Amt hatte zur Zeit der Krönung Heinrichs Louis III. d’Anjou inne, der auf französischer Seite stand und Heinrichs Ansprüche sicherlich nicht unterstützte.

132 Zur

138  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. darauf machten sich Heinrich und sein Gefolge auf die Heimreise nach England.133 Einige Chronisten behandeln die Feierlichkeiten um die Krönung; bezeichnenderweise sind die Berichte hierzu allerdings wesentlich knapper gehalten als die bisweilen ausführlichen Schilderungen des zwei Wochen zurückliegenden Entrées. Die spärliche Berichterstattung entspricht dem generell durch die Chronisten vermittelten Eindruck, dass sich die Engländer, was Großzügigkeit, Aufwand und Pracht anging, nicht unbedingt übernahmen.134 So beklagt der Bourgeois de Paris, dass Heinrichs Hof sich nur für kurze Zeit in Paris aufgehalten habe und die abgehaltenen Turniere klein gewesen seien, vor allem aber merkt er an, dass die Goldschmiede und Schmuckhandwerker kaum von der Anwesenheit des Hofes profitiert hätten: „maintes foys on a veu à Paris enfans de bourgoys, que quant ilz se marioient, tous mestiers, comme orfebvres, orbateurs, brief gens de tous joieux mestiers en amendoient plus que ilz n’ont fait du sacre du roy et de ses joustes et de tous ses Angloys“.135 Zudem sei das Essen des Krönungsmahls ungenießbar gewesen, und zwar, weil nicht die Franzosen, sondern die Engländer es zubereitet hätten.136 Offenbar erwartete man eine großzügigere Förderung der lokalen Handwerker und Künstler als es tatsächlich gab. Auch was das Krönungsritual selbst betrifft, scheinen die Pariser – hier insbesondere die Kanoniker der Kathedrale Notre-Dame – eine weniger große Rolle gespielt und weniger Einfluss genommen zu haben, als sie möglicherweise gewollt hätten. Monstrelet berichtet über Unstimmigkeiten zwischen Heinrichs englischen Gefolgsleuten und den Kanonikern; ferner teilt er mit, dass der Bischof von Paris ungehalten darüber gewesen sei, dass nicht er, sondern Kardinal Beaufort die Krönung durchgeführt und die Krönungsmesse gesungen habe.137 Man habe 133 Zur

französischen Krönung siehe zuletzt ausführlich Lebigue, L’ordo du sacre d’Henri VI. Siehe außerdem Curry, Coronation Expedition, S. 49 f.; Allmand und Styles, Coronations of Henry VI, S. 32 f.; Wolffe, Henry the Sixth, S. 61–63; McKenna, Dual Monarchy, S. 158; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 212 f. Über die Sitzung des Parlement am 21. 12. berichtet der dort als Protokollführer tätige Clément de Fauquembergue, a. 1431, Bd. 3, S. 26–29. 134 Siehe etwa Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 4–6; Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 592–597, S. 277–279; Chartier, Charles VII, Kap. 74, S. 130 f. Zur historiografischen Überlieferung zur Krönungszeremonie siehe auch Allmand und Styles, Coronations of Henry VI, S. 32. 135 Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 596, S. 279: „Item, vray est que ledit roy ne fut à Paris que jusques à l’endemain de Noel. Ilz firent unes petites joustes l’endemain de son sacre; mais, pour certain, maintes foys on a veu à Paris enfans de bourgoys, que quant ilz se marioient, tous mestiers, comme orfebvres, orbateurs, brief gens de tous joieux mestiers en amendoient plus que ilz n’ont fait du sacre du roy et de ses joustes et de tous ses Angloys“. Siehe hierzu Favier, Bourgeois de Paris, S. 196 f.; Reynolds, Les Angloys, S. 40 f. 136 Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1431, 594, S. 278: „Item, ilz furent si mal servis que personne nulle ne s’en louoit, car le plus de la viande, especialment pour le commun, estoit cuide des le jeudi de devant, qui moult sembloit estrange chose aux Françoys, car les Anglois estoient chefz de la besongne“. 137 Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 5: „Et fut ledit roy sacré par le cardinal de Wincestre, qui chanta la messe. Dont l’évesque de Paris ne fut point bien content, et dist qu’à lui appertenoit à faire ycelui office. Et quand ce vint à l’offertoire, ledit roy offri pain et vin, ainsi qu’il est acoustumé de faire en tel cas. Lequel vin estoit en ung grand pot d’argent doré, lequel pot fut reprins et osté de ladite église par les officiers du roy, dont grandement des-

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  139

zwar alle üblicherweise zu einer Krönung gehörigen Riten ausgeführt, allerdings eher „nach englischem als nach französischem Brauch“.138 Jean Chartier schildert als einziger den Krönungsakt selbst, und hier wird besonders deutlich, dass man der Pariser Krönung Heinrichs eine individuelle Note verlieh: Man habe, so Chartier, zwei Kronen verwendet, von denen dem König die eine durch den Kardinal auf den Kopf gesetzt worden sei, während man die andere nahe bei ihm, für jeden sichtbar, präsentiert habe, „en signiffiance du royaulme d’Angleterre“.139 Bildwirksam zum Ausdruck gebracht wurde Heinrichs ‚neue‘ Rolle als gekrönter König von Frankreich bereits im unmittelbaren Anschluss an die Krönungszeremonie, nämlich im Rahmen des Krönungsmahls, das, wie erwähnt, von englischer Seite ausgerichtet wurde: Von den vier bei Tisch präsentierten Entremets stellte das erste dem Bericht Monstrelets zufolge die Gottesmutter mit einem gekrönten jungen König dar, beim zweiten handelte es sich um eine gekrönte goldene Fleur-de-Lis, die von zwei Engeln gehalten wurde.140 Die Fleur-de-Lis wurde also nicht einfach nur zur dekorativen Zwecken eingesetzt, sondern an die Stelle des französischen Königs, in diesem Fall Heinrichs, gesetzt.141

2.2.4. Exkurs: Inszenierungen der Doppelmonarchie in ­London Die Instrumentalisierung spezifisch französischer Bilder – insbesondere der Fleurde-Lis, aber auch französischer Heiliger – hatte sich zum Zeitpunkt der Krönungen Heinrichs VI. bereits fest im englischen Gebrauch etabliert. Dies zeigt sich nicht nur in den bisher besprochenen Verwendungskontexten in Frankreich, sondern auch in den entsprechenden Zeremonien in England: der Krönung in Westminster zum englischen König und dem an die Pariser Krönung anschließenden Einzug in London. Mehr noch, die historiografischen Beschreibungen der jeweiligen Bildprogramme erwecken den Eindruck, als habe man sich zumindest zum pleut aux chanoines d’ycelle église, pour tant qu’ilz disoient ce appartenir à eulx de droit.“ Siehe hierzu vor allem zuletzt Lebigue, L’ordo du sacre d’Henri VI, S. 323–360; außerdem Allmand und Styles, Coronations of Henry VI, S. 32 f.; Wolffe, Henry the Sixth, S. 61. 138 Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 5: „Si furent faites en ycelui jour toutes les besongnes appartenans audit sacre, le plus en suivant les coustumes d’Angleterre que de France.“ 139 Chartier, Charles VII, Kap. 74, S. 131: „et solempnellement devant tout ledit peuple fut ledit roy Henry couronné à roy de France par ledit cardinal. Et avoit pour l’eure deux couronnes, dont l’une lui fut mise sur la teste par ledit cardinal, et l’autre estoit tenue emprès lui en manière que ung chacun la povoit bien veoir, en signiffiance du royaulme d’Angleterre.“ 140 Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 109, S. 6: „Auquel disner furent présentés par devant la table quatre entremès. Est assavoir, le premier d’une ymage de Nostre-Dame et ung petit roy couronné emprès; le second fut une fleur de lis d’or couronnée, tenue de deux angles“. Bei Entremets oder Sotelties handelt es sich komplexe Darstellungen, die aus Aufführungen, Dekorationselementen und kunstvoll aufbereiteten Speisen bestanden und zwischen den Gängen zeremoniell strukturierter Bankette präsentiert wurden, vgl. Franke, Feste, Turniere und städtische Einzüge, S. 67–70; außerdem jüngst Normore, Feast for the Eyes, S. 17, 21–43. 141 Zur Fleur-de-Lis als bildhaft inszeniertes Symbol des französischen Königs siehe Beaune, Naissance, S. 255–263; Spiegel und Hindman, Chronique abrégée, S. 385–393.

140  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Teil um eine ausgeglichene Verwendung englischer und französischer Motive bemüht. Dies kommt schon bei dem in Gregory’s Chronicle und von John Lydgate beschriebenen Krönungsmahl in Westminster zum Ausdruck: Der erste Gang habe unter anderem eine Crèmespeise, in welcher ein goldener, eine Fleur-de-Lis haltender Leopard gesessen habe, sowie ein ebenfalls mit Fleurs-de-Lis ausgestattetes frittiertes Gericht beinhaltet; als zweiten Gang habe man unter anderem eine Art Gelee mit einer gekrönten, goldenen Antilope und ein als „Flampayne“ bezeichnetes Gericht serviert, welches mit Leoparden und goldenen Fleurs-de-Lis verziert gewesen sei.142 Noch aussagekräftiger sind die Ausführungen der Chronisten zu den Sotelties oder Entremets zwischen den Gängen: In der ersten Darbietung hätten die beiden jeweils anhand ihrer Wappen erkennbaren heiligen Könige Eduard und Ludwig den jungen König vorgeführt, begleitet von einer erläuternden Inschrift, die ihn als „branche borne of hyr blode“ und Erbe der Fleur-de-Lis kenntlich gemacht habe.143 Im zweiten Sotelty sei Heinrich begleitet von seinem verstorbenen Vater und Kaiser Sigismund, jeweils die Robe des Hosenbandordens tragend, vorgeführt worden, sein Anspruch wurde somit gewissermaßen durch die Autorität der beiden vorbildhaften Herrscher untermauert.144 Im dritten Sotelty zog man ­offenbar die Konsequenz aus den beiden vorherigen Darbietungen, der Visuali­ sierung von Heinrichs rechtmäßiger und gottgewollter Abstammung von den beiden königlichen Linien und der weltlichen Unterstützung dessen durch Heinrich V. und Sigismund: Dargestellt gewesen sei die Gottesmutter mit dem Christuskind, welches in jeder Hand eine Krone gehalten habe, im Schoß. Die beiden seien von den knienden Heiligen Georg und Dionysius flankiert gewesen, die den jungen König präsentierten, der durch eine Inschrift als „borne by d ­ yscent 142 Gregory’s

Chronicle, S. 169: „The fyrste that come yn was […] Custarde ryalle with a lybarde of golde sette there ynne holdyng a flowredelys. Frytoure like a son, a floure de lysse there yn. […] The secunde coursse unto the kynge syttynge in the halle. […] leche whythe an antloppe crownyde there yn, and schynynge as golde. Flampayne pouderyde with lybardys and flowredelyssys of golde.“ Siehe hierzu und im Folgenden die ähnliche Darstellung bei Lydgate, Secular Poems, S. 623 f. Zur Krönung Heinrichs zum englischen König vgl. auch Rathmann-Lutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 289 f.; McKenna, Dual Monarchy, S. 157 f.; Griffiths, Henry  VI, S. 189 f.; Wolffe, Henry the Sixth, S. 49–51. 143 Gregory’s Chronicle, S. 169: „Ande a sotelte, Synt Edwarde and Synt Lewys armyd in hyr cotys of armys, bryngyng thys yong kyng, Harry the vj, in fygure y-armyde by twyne hem two, in hys cote of armys, whythe thys reson: ‚Loo here ben ij kyngys ryght profytabylle and ryght goode, / Holy Synt Edwarde and Synt Lowys. / Also the branche borne of hyr blode, / Lyvynge a monge Crystyn moste soverayne of pryse, / Enherytoure to the flowredelysse. / God graunte he may thoroughe grace of Cryste Jesu / The vjte Harry to raygne, and be as wyse, / And hym resemble in kynghode and vertu.‘.“ 144 Ebd., S. 169  f.: „And a sotellete, The Emperoure and Kynge Harry the vte in mantellys of garterys, bryngyng yn Kyng Harry the vjte yn the same sute, whythe thys reson imperyalle: ‚Ayens myscreaunts the Emperoure Segysmounde / Hathe shewyde hys myghte which is imperyalle / Sythe Harry soo nobylle and worthy knyghte / In Crystys cause yn actys mercyalle. / Cheryschynge the Chyrche, the Lollers hadde a valle / To geve ensampylle to kynges that shulde shewe hyr ryght. / And to thys branche in specyalle / Whylys he dothe raygne to plese God, and drede hys myght eternalle.‘.“

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  141

and tytylle of ryght justely to raygne in Ingelond and yn Fraunce“ bezeichnet wurde.145 Man verwies also hier auf die zweifache Krönung, charakterisierte diese durch die Madonna mit Kind als gottgewollt und gottgegeben und führte mit Georg und Dionysius die obersten ‚Nationalheiligen‘ Englands und Frankreichs als Heinrichs Fürsprecher ins Feld. Besonders spektakulär wurde die Abstammung Heinrichs VI. vom heiligen Eduard und dem heiligen Ludwig und damit der englischen und französischen Königslinie bei seiner Rückkehr nach London, anschließend an die Pariser Krönung, visuell zum Ausdruck gebracht: Der König passierte Gregory’s Chronicle zufolge zunächst London Bridge, wo ein schwerttragender Gigant in einem Turm dargestellt gewesen sei, der von zwei Antilopen, dem Wappentier der Lancaster, die das englische und das französische Wappen zur Schau stellten, flankiert wurde. Sodann habe er sich nach Cheapside begeben, wo nach übereinstimmender Aussage etlicher Chronisten folgende Inszenierung aufgeführt worden sein soll:146 Bei Cheapside Cross hatte man offenbar ein jaspisgrünes königliches Schloss errichtet, in welchem zwei grüne Bäume standen, die Heinrichs Abstammung von den beiden königlichen Linien mittels Darstellungen der jeweiligen Herrscher aufzeigten. Diese seien anhand ihrer Wappen erkennbar und mit Leoparden beziehungsweise Fleurs-de-Lis verziert gewesen, die englische Seite habe mit dem heiligen König Eduard eingesetzt, die französische mit dem heiligen Ludwig.147 Ähnlich wie in den oben besprochenen Genealogien kleineren Maßstabs ging es auch hier vordergründig um die Visualisierung der erblich legitimierten herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. auf die Kronen beider Reiche. Offenbar kam es jedoch zu einer Schwerpunktverlagerung, die durch den veränderten Rezipientenkreis – die Bevölkerung der Stadt London und die Teilnehmer der königlichen Entrée – bedingt war: Anstelle auf die Abstammung von Ludwig dem Heiligen zu fokussieren, gewährte man hier der Herkunft von Eduard und Ludwig gleich viel Raum. 145 Ebd.,

S. 170: „A sotelte, Owre Lady syttynge, and hyr Chylde in hyr lappe, holdyng in every honde a crowne, Syn Gorge knelyng on that one syde and Synt Denys in that othyr syde, and they ij presentyng the kynge to owre Lady whythe thys reson: ‚O blessyd lady, Crystys modyr dyre, / And Syn Gorge callyd hyr owne knyght; / Hooly Syn Denys, O martyr, moste entere, / To the here vjte Harry we present to the in youre syghte. / Shechythe youre grace on hym, / Thys tendyr and whythe vertu hym avaunce, / Borne by dyscent and tytylle of ryght / Justely to raygne in Ingelonde and yn Fraunce.‘.“ 146 Ebd., S. 173: „And whenne the kynge come to Londyn Brygge there was made a towre, and there yn stondynge a gyaunte welle arayde and welle be-sene, whythe a swerde holdynge uppe on hye […]. And on every syde of hym stode an antiloppe, that one holdynge the armys of Ingelond and that othyr the armys of Fraunce.“ 147 Ebd., S. 174  f.: „And soo rode he forthe unto the Crosse in Cheppe. There stode a ryalle castelle of jasper grene, and there yn ij grene treys stondyng uppe ryght, shewyng the ryght tytyllys of the Kyng of Inglond and of Fraunce, convaying fro Synt Edwarde and Synt Lowys be kyngys unto the tyme of Kyng Harry the vjte, every kynge stondynge whythe hys cote armowre, sum lyberdys and sum flouredelysse“. Ähnlich auch Chronicles of London, S. 110 f.; Brut Chronicles, S. 463 f. Zu Heinrichs Einzug in London 1432 vgl. jüngst Bourassa, Royal Entries; außerdem McKenna, Dual Monarchy, S. 160–162; Bryant, Paris and London, S. 78– 85; Kipling, Enter the King, S. 143–169.

142  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Eine zunehmende Verdichtung der Instrumentalisierung sowohl englischer als auch französischer Symbole und Heiliger zur Verdeutlichung der Ansprüche auf die französische Krone lässt sich – um den Bogen zurück zur Inszenierung des verstorbenen Vorgängers Heinrichs VI. in England zu spannen – auch in der Repräsentation Heinrichs V. anhand seiner Grabkapelle in Westminster Abbey nachvollziehen. Diese wurde zwischen 1436 und 1450 errichtet, vermutlich hauptverantwortlich von Henry Beaufort konzipiert und hinsichtlich ihrer Funktion als politisches Repräsentationsmittel und ihrer Rolle im kulturellen Transfer zwischen Frankreich und England von Antje Fehrmann untersucht.148 Die zweistöckige, im Scheiteljoch des Chorumgangs von Westminster Abbey errichtete Chantry Chapel wird an ihrer östlichen Wand von sieben großen Nischen geziert, von denen die beiden äußeren Skulpturen des heiligen Georg und des heiligen Dionysius enthalten; es folgen die englischen Könige Edmund und Eduard der Bekenner sowie die Figuren der Verkündigung.149 Von Interesse sind zudem die Krönungsreliefs an der Süd- und der Nordwand der Kapelle, bei denen es sich vermutlich um Darstellungen spezifischer Momente aus dem englischen beziehungsweise dem französischen Krönungsritus handelt. Fehrmann deutet das Relief auf der Südseite als Ehrung des Königs nach seiner englischen Krönung mit der flachen Bügelkrone des heiligen Eduard und das nördliche als das Stützen der Krone durch geistliche und weltliche Adlige nach der französischen Krönung, identifizierbar unter anderem anhand des mit Fleurs-de-Lis verzierten Pluviale einer Assistenzfigur (Abb. 30). Sie verweist zurecht auf die ikonografischen Ähnlichkeiten zwischen letzterer Darstellung und der Illumination des coronam sustenare, der Akklamation des französischen Königs, im Livre du Sacre des Rois de France, einer im Jahr 1365 im Auftrag Karls V. angefertigten Neufassung des französischen Krönungsordo, die sich als Teil der Louvre-Bibliothek spätestens 1425 im Besitz Bedfords befand.150 Nach dessen Tod im Jahr 1435 ging der Großteil seiner Bücher zumindest zeitweise in den Besitz Kardinal Beauforts über, der seit 1438 die Vollstreckung von Bedfords Testament in England leitete, wie Jenny Stratford in ihrer Analyse der anlässlich der 148 Vgl. Fehrmann, Grab

und Krone, bes. S. 119–229. Siehe außerdem Allmand, Henry V, S. 178– 182; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 323 f.; St. John Hope, Chantry Chapel, S. 144–183. Neben Beaufort übte Humphrey of Gloucester vermutlich einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung des Grabmals aus, und es ist möglich, dass auch Heinrich VI., der während der Ausführung volljährig wurde, Anteil nahm. Vgl. Fehrmann, Grab und Krone, S. 222–229; Allmand, Henry V, S. 180. Zu den testamentarischen Verfügungen Heinrichs V. selbst zu seiner Grablege siehe ebd., S. 178–182; Vale, Henry V, S. 240–259; Fehrmann, Grab und Krone, S. 124 f., 133– 136, 221–225 sowie die Edition seines Testaments: Last Will of Henry V, S. 89–102. 149 Zum Begriff Chantry Chapel siehe Fehrmann, Politics and Posterity; dies., Grab und Krone, S. 21–26. 150 Ebd., S. 198  f. Der reich illuminierte Livre du Sacre befindet sich in der British Library, Cotton MS Tiberius B. VIII (Pergament, eingebunden in ein Pontifikale aus dem 12. Jh., fol. 35–80, ca. 290 x 210 mm), hier fol. 59v. Zur Handschrift siehe das von Carra Ferguson O’Meara edierte kommentierte Faksimile, Ferguson O’Meara, Monarchy and Consent; außerdem zuletzt Frońska, Livre du Sacre sowie verschiedene Arbeiten Martin Kintzingers, z. B. Kintzinger, Beatus Vir, S. 455–460; ders., Symbolique du Sacre, bes. S. 94–106; ders., Coronam sustenare, S. 55–63. Zum Akklamations- und Huldigungsakt coronam sustenare siehe ebd., bes. S. 58–63.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  143

Abb. 30: London, Westminster Abbey, Henry V Chapel, Innenansicht, Nordseite

Testamentsvollstreckung angefertigten Inventare des Besitzes des Regenten aufzeigt.151 Es ist also denkbar, dass Beaufort sich bei der Konzeption der Grabkapelle Heinrichs V. am Livre du Sacre orientierte. Darüber hinaus sind die Reliefs reich mit der Antilope und dem Schwan, den heraldischen Symbolen der Lancaster und der Bohun, der Familie der Mutter Heinrichs V., sowie dem englischen Leoparden und der französischen Lilie verziert. Hier wird also in wesentlich größerem Maß von explizit französischen Motiven und Heiligen Gebrauch gemacht als noch bei der eigentlichen Begräbniszeremonie. 151 Stratford,

Bedford Inventories, S. 44–49, 53, 95 f.; zur Quellenstelle ebd., S. 226, C 95. Siehe auch Harriss, Cardinal Beaufort, S. 363–366.

144  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI.

2.2.5. Der Aufmarsch Talbots bei der Schlacht von Castillon 1453 Für die 1430er Jahre und die folgende Dekade liegen keine historiografischen Hinweise zur Nutzung politisch konnotierter Bilder in öffentlichen Veranstaltungen und militärischen Aufmärschen durch die Engländer vor, wobei außer Frage steht, dass sie diese dennoch zum Einsatz brachten. Erst für die letzte große Schlacht des sogenannten Hundertjährigen Krieges im Juli 1453 bei Castillon sind wieder Hinweise greifbar: Eine ganze Reihe zeitgenössischer Chronisten befasste sich mit den militärischen Auseinandersetzungen im Vorfeld, dem erfolglosen Versuch John Talbots, die von den Franzosen belagerte Stadt zu entsetzen, sowie den Bannern und Standarten, die hierbei zum Einsatz kamen. So beschreibt Jean de Wavrin die zwanzig Banner und zahlreichen Standarten, die die Engländer in die Schlacht trugen: „et avoient Anglois vingt bannieres desploiees, tant du roy comme de saint George, de la Trinite et dudit Thalboth avec plusieurs estandars scientement pourpensez“.152 Auch Jean Chartier, Parteigänger und Chronist Karls VII., nennt die Banner des englischen Königs, des heiligen ­Georg, der Trinität und des Grafen von Shrewsbury. Er beschreibt die Standarten, die die Engländer mit sich führten, detaillierter und – kaum überraschend – deutlich abwertender als Wavrin als „plusieurs estendars sciemment malicieusement pourpensez et inventez, chargez d’inscriptions et devises injurieuses, au mespris et desdain des bon François qui soustenoient le fidèle party de leur roy légitime“.153 Man nutzte die Standarten hier also nicht nur, um sich selbst durch politische Bilder zu repräsentieren, sondern ebenso, um den Gegner anhand von Inschriften und Illustrationen zu diskreditieren. Es handelt sich um die einzige militärische Unternehmung Talbots, zu der seine Nutzung von Bildern zu propagandistischen Zwecken im Detail in der zeitgenössischen Historiografie beschrieben wird, obwohl er sehr wahrscheinlich auch zu anderen Gelegenheiten bemalte Banner oder Standarten mit in die Schlacht führen ließ. Welchen symbolischen Wert die Zurschaustellung von Bannern auch in umgekehrter Richtung hatte, zeigt sich daran, dass die meisten Chronisten die Niederlage der Engländer in einem Atemzug mit der Niederschlagung ihrer Banner nennen. Chartier zufolge seien die Banner demonstrativ durch die siegreichen Franzosen umgedreht worden.154 152 Wavrin,

Recueil, 1447–1471, Bd. 6, Buch III, Kap. 3, S. 246. Sehr ähnlich ist die Darstellung beim Kontinuator Monstrelets, wobei dieser von 8 statt von 20 Bannern spricht: Monstrelet, Chronicles, Buch III, Kap. 65, S. 225. 153 Chartier, Charles VII, Kap. 260, S. 5: „Quand ces Anglois arrivèrent, ils avoient huict bannières desployées, tant du roy d’Angleterre que de Sainct-George, de la Trinité, et dudit Talbot, avecques plusieurs estendars sciemment malicieusement pourpensez et inventez, chargez d’inscriptions et devises injurieuses, au mespris et desdain des bon François qui soustenoient le fidèle party de leur roy légitime.“ Siehe hierzu auch Reynolds, Les Angloys, S. 47 f. 154 Chartier, Charles VII, Kap. 260, S. 6: „lesquelles troupes auxiliaires […] firent tant, à l’ayde de Dieu et par leur prouesse, que les Anglois tournèrent enfin le dos, et qu’ils furent mis en fuite et deffaits. Et lors toutes leurs bannières furent abatues et renversées par iceulx“. Siehe außerdem Monstrelet, Chronicles, Buch III, Kap. 65, S. 225; Wavrin, Recueil, 1447–1471, Bd. 6, Buch III, Kap. 3, S. 246. Zur Symbolik des Banners in der militärischen Praxis des Hundertjährigen Krieges siehe Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 333–347.

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  145

Die chronikalen Darstellungen der Schlacht bei Castillon weisen im Vergleich zu den Beschreibungen der in den Schlachten der 1420er Jahre genutzten Banner und der Bilder, die in den Zeremonien der Krönungsexpedition zum Einsatz gebracht wurden, einen bemerkenswerten Aspekt auf: Die Engländer scheinen sich nun wieder auf die Verwendung übergreifender, nicht national konnotierter ­Symbole, beispielsweise der Trinität, und spezifisch englischer Bildmittel, wie des Wappens des englischen Königs und Talbots und des Banners des heiligen Georg, beschränkt zu haben. Von der Nutzung explizit französischer Bilder zur Inszenierung des herrschaftlichen Anspruchs auf die französische Krone ist hingegen nicht mehr die Rede.

2.2.6. Das Publikum der Einzüge, Aufmärsche und Zeremo­nien Die Frage danach, für welches Publikum die öffentlich inszenierten Einzüge, Aufmärsche und Zeremonien im Einzelnen intendiert waren und wen die hier vermittelte Propaganda tatsächlich erreichte, ist schwer zu beantworten und hängt eng mit der Frage nach den jeweils konzeptionell Verantwortlichen zusammen.155 Fraglos ist der potentielle Empfängerkreis der hier untersuchten Inszenierungen wesentlich größer als etwa im Falle kostbarer, auf den höfischen Umkreis beschränkter Buchgeschenke oder liturgisch genutzter Prachthandschriften. „Jeder“, so beispielsweise Thomas Walsingham in seiner Beschreibung des Begräbniszuges Heinrichs V., habe den herrschaftlich aufgebahrten Verstorbenen sehen können sollen.156 Dass schon aus praktischen Gründen jeweils nur ein Teil der anwesenden Gesellschaft das Dargebotene auch tatsächlich mit eigenen Augen sah, versteht sich von selbst, zumindest aber war die öffentliche Zurschaustellung keineswegs nur für die Augen der gesellschaftlichen Elite bestimmt. Das Publikum setzte sich abhängig vom Darbietungskontext unterschiedlich zusammen: Im Falle militärischer Aufmärsche etwa ist davon auszugehen, dass es in erster Linie aus der Bevölkerung der eroberten oder zu erobernden Städte und Festungen und den Soldaten der gegnerischen, aber auch der eigenen und eventuellen verbündeten Armeen bestand. Ein besonders großer Empfängerkreis wurde bei den aufwendigen, sich oft über einen großen geografischen Raum erstreckenden königlichen Begräbniszügen erreicht, wobei der Schwerpunkt der Inszenierungen in den herrschaftsrelevanten Städten lag. An die Bevölkerung dieser Städte, insbesondere Paris, Rouen und London, richteten sich auch die königlichen Entrées, an einen kleineren Teil derselben Gruppe zeremonielle Handlungen, wie die königlichen Begräbnismessen und Krönungen. Wie für die illustrierten Genealogie-Konstruktionen Heinrichs VI. konnte auch für die in Zeremonien und Einzügen zum Einsatz gebrachten politischen Bilder festgestellt werden, dass man das verwendete Motivrepertoire in gewissem Um155 Siehe

hierzu Thompson, Paris Under English Rule, S. 196. Historia Anglicana, Bd. 2, S. 345 f., zitiert oben, Kap. 2.2.1, Anm. 87.

156 Walsingham,

146  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. fang dem jeweiligen Empfängerkreis anpasste: So spielte in den Festivitäten in London im Rahmen der Krönungen Heinrichs VI. seine Abstammung vom englischen König Eduard eine ebenso große Rolle wie seine Herkunft von Ludwig dem Heiligen bei der Darstellung seiner herrschaftlichen Ansprüche, während man in Lancastrian France auf letzteren fokussierte; zudem wurde in London größeres Gewicht auf Heinrich V. gelegt. Wenn auch in öffentlich inszenierten Einzügen und Zeremonien wesentlich breitere gesellschaftliche Schichten erreicht wurden als in anderen hier untersuchten Einsatzgebieten von Kunst(-handwerk), so ist dennoch davon auszugehen, dass die vorrangig intendierten Rezipienten politisch einflussreiche Akteure waren, das heißt adlige Magnaten, hochrangige Vertreter der Städte und der Kirche oder die Anführer der gegnerischen und verbündeten Armeen. Unter diesem Gesichtspunkt mag das Fehlen sämtlicher Seigneurs du Sang de France beim Begräbniszug Karls VI. nicht nur für die diesen Umstand anprangernden französischen und burgundischen Chronisten ein Grund zur Klage gewesen sein, sondern auch für die englischen Besatzer und den hier als fähigen Regenten repräsentierten Herzog von Bedford. Weiterhin ist davon auszugehen, dass es sich bei keiner der hier untersuchten öffentlichen Inszenierungen, am wenigsten bei königlichen Entrées, um einseitig durch die englischen Machthaber konzeptualisierte und bildwirksam zum Ausdruck gebrachte politische Propaganda handelte: An der Konzeption und Durchführung waren jeweils eine ganze Reihe häufig nicht eindeutig festzustellender Akteure mit unterschiedlichen Interessen beteiligt; die Engländer waren nicht nur Vermittler, sondern auch Empfänger der prachtvollen Inszenierungen.

2.2.7. Entwicklungen in der Nutzung politischer Bilder Betrachtet man die Nutzung politisch aufgeladener Bilder in Zeremonien, Einzügen und Aufmärschen in Lancastrian France in ihrer Entwicklung, so lässt sich eine Reihe von Kontinuitäten und Brüchen feststellen. Bei der Inszenierung des Begräbnisses Heinrichs V. im September 1422 – und damit noch zu Lebzeiten ­eines seitens der Engländer als König von Frankreich akzeptierten Valois-Herrschers – verwendete man weder in England noch in Lancastrian France spezifisch französische Motive zur Repräsentation des Verstorbenen, abgesehen von dem ohnehin bereits seit 1340 ins englische Wappen integrierten französischen Wappen. Heinrich wurde durch seine temporäre Aufbahrung in Saint-Denis zwar mit der französischen Königsdynastie in Verbindung gebracht, aber eben nicht als integraler Teil derselben dargestellt. Bereits im Rahmen der Beisetzung Heinrichs zeigt sich jedoch die wichtige Rolle des Herzogs von Bedford im Machtgefüge des englisch besetzten Frankreich. Deutlicher noch wird seine Funktion als Regent und damit als ausführendes Herrschaftsorgan des Königs von Frankreich beim Begräbnis Karls VI. Für eine Fokussierung auf Bedford in der Inszenierung der Beisetzung Karls entschied man sich zweifelsohne vor allem aufgrund der offenkundigen Unfähigkeit Heinrichs VI. zur praktischen Regierung – als fähiger Herr-

2.2. Der englische Herrschaftsanspruch im Bildprogramm von Zeremonien  147

scher eines krisengebeutelten Reiches ließ sich der nur wenige Monate alte Thronfolger schlecht darstellen. Das ab dem Tod Karls VI. beanspruchte Recht auf die französische Krone zeigt sich im Verlaufe der 1420er Jahre vor allem in den im Rahmen militärischer Einzüge zum Einsatz gebrachten heraldischen Bildern: Man verwendete nun das französische Wappen neben dem englischen; eine weitere wichtige Rolle spielte das Banner des heiligen Georg als Symbol der militärischen Macht der Engländer in Frankreich. Eine Zäsur in der Entwicklung der Nutzung politischer Bilder markieren die Krönungen Heinrichs zum englischen und französischen König: So wird er im Bildprogramm des Einzugs in Paris und der Krönungszeremonie ausdrücklich mit der Fleur-de-Lis, dem wichtigsten Herrschaftssymbol der französischen Könige, in Verbindung gebracht, beim an die Zeremonie anschließenden Krönungsmahl wird die Lilie sogar an die Stelle des gekrönten Königs gestellt und dieser und die Fleur-de-Lis gewissermaßen gleichgesetzt. Hier kommt die transpersonale Vorstellung des französischen Königsamtes – der zwei Körper des Königs – zum Ausdruck.157 Hinzu tritt nun das Motiv der zweifachen Krönung und der bildhaft inszenierten Unterstützung der ‚Doppelmonarchie‘ durch einflussreiche Potentaten, besonders eindrücklich dargestellt im Tableau vivant des Lit de Justice im Rahmen des Pariser Einzugs im Dezember 1431, das von einer Vielzahl zeitgenössischer Autoren beschrieben wird. Die rasche Etablierung des Bildes der zweifachen Krönung wie auch spezifisch französischer Motive und Traditionen, etwa der Fleur-de-Lis und der Abstammung von Ludwig dem Heiligen, ist nicht nur im Bildprogramm in Lancastrian France zu konstatieren. Sie zeigt sich ebenfalls in den die Krönungsfestivitäten begleitenden Darbietungen und Dekorationen in England sowie im exkursartig beleuchteten, in den folgenden zwei Dekaden errichteten Grabmal Heinrichs V. in Westminster Abbey. Während man im 1431 aufgeführten Lit de Justice zur bildhaften Stützung der Doppelmonarchie noch auf englische Magnaten auf der einen und französische und burgundische Magnaten auf der anderen Seite rekurrieren konnte, zeigt ein vergleichender Blick auf die genealogische Tafel im Shrewsbury Book, dass das Motiv der doppelten Krönung zwar auch Mitte der 1440er Jahre noch Verwendung fand, man sich aber nun auf englische Machthaber als bildlich inszenierte Stützen beschränkte. Darauf, dass bereits im Jahr 1431 die politische Realität deutlich anders aussah als im Lit de Justice vorgegeben, wurde hingewiesen. Zu einer weiteren Modifizierung des politischen Bildrepertoires scheint es im Verlaufe der auf die Krönungsexpedition folgenden zwei Dekaden gekommen zu sein – parallel zu den zunehmenden Verlusten der englischen Besatzer in Frankreich und ihres letztendlichen Rückzugs im Jahr 1453: Im Rahmen des Auf157 Zur

transpersonalen Herrschaftsvorstellung siehe Kintzinger, Sakrale Repräsentation, S. 32– 39; ders., Zwei Frauen des Königs, S. 377–380 mit Literaturhinweisen; Guéry, Le roi est Dieu; Bloch, Rois thaumaturges, S. 186–260; Giesey, Royal Funeral Ceremony, passim; ders., Corpus Mysticum Regni; ders., Two Bodies; Kantorowicz, The King’s Two Bodies, bes. S. 193– 172. Insb. zur Fleur-de-Lis als Statthalter des Königs von Frankreich siehe Beaune, Naissance, S. 255–263; Spiegel und Hindman, Chronique abrégée, S. 385–393.

148  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. marschs Talbots zur Schlacht von Castillon wird auf spezifisch französische Motive beziehungsweise die bildhafte Inszenierung des englischen Anspruchs auf den französischen Thron verzichtet, die Rede ist nur noch von nicht national konnotierten und englischen heraldischen Bildern. Dies mag ein durch die Überlieferung bedingter Zufall sein. Ebenfalls möglich ist jedoch, dass im Jahr 1453 selbst John Talbot, der 1445, zum Zeitpunkt der Schenkung des Shrewsbury Book, noch so ausdrücklich Heinrichs Recht auf die französische Krone propagiert hatte, zumindest bezüglich dieses ehrgeizigen Anspruchs die politischen Realitäten und Möglichkeiten akzeptierte und sich mit weniger begnügte – in diesem Fall den letztlich erfolglosen Versuch der Sicherung der seit dem 12. Jahrhundert unter englischer Herrschaft befindlichen Gascogne.

2.3. Herrschaftsansprüche in der Normandie Während bisher die Visualisierung der herrschaftlichen Ansprüche der Lancaster auf die französische Krone ‚als Ganze‘ im Vordergrund der Analyse standen, soll im Folgenden auf die bildmediale Inszenierung des englischen Anspruchs auf die Normandie fokussiert werden. Diese wurde zwar als französisches Herzogtum fraglos mitgedacht, wenn man den Herrschaftsanspruch Heinrichs VI. auf Frankreich darstellte, nahm jedoch in der zeitgenössischen Perspektive der Engländer eine Sonderrolle ein.158 Der besondere Stellenwert der Normandie für die Engländer erklärt sich zum einen aus historischen, zum anderen aus praktischen Gründen: Von der Eroberung Englands durch Wilhelm I. im Jahr 1066 bis zu ihrer Einnahme durch Philipp II. von Frankreich zu Beginn des 13. Jahrhunderts war der König von England, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, zugleich der Herzog der Normandie und als solcher zwar nominell Vasall des französischen Königs, in der Praxis aber weitestgehend unabhängig von diesem. An der Wiederherstellung dieser Machtverhältnisse war bereits Eduard III. gelegen, und durch die Eroberungen Heinrichs V. wurden sie Realität. Die Normandie war also schon aus Tradition eng mit der englischen Krone verbunden.159 Die militärstrategischen Vorteile, die sie für die englischen Besatzer bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele in Frankreich mit sich brachte, liegen auf der Hand. Auch praktisch stellte die Normandie die französische Region dar, in der sich die englische Regierung am besten und 158 Zur

Sonderrolle der Normandie in der englischen Perspektive und im politischen Gefüge des englisch beherrschten Nordens von Frankreich siehe die einschlägigen Untersuchungen Bossuat, Parlement de Paris; Allmand, Lancastrian Normandy; Curry, Lancastrian Normandy; dies., Hundred Years War, passim; jüngst dies., L’occupation anglaise de la Normandie; außerdem die Sammelbände Curry und Bates (Hrsg.), England and Normandy; Bouet und Gazeau (Hrsg.), La Normandie et l’Angleterre. 159 Vgl. Allmand, Hundred Years War, S. 7–12; ders., Lancastrian Normandy, S. 1. Zur Eroberung der Normandie durch Heinrich V. siehe ebd., S. 2–23; ders., Henry V the Soldier; Curry, Hundred Years War, S. 82–89, bes. S. 86 f.; Dockray, Henry V, S. 139–181; Murphy, War, ­Go­vernment and Commerce.

2.3. Herrschaftsansprüche in der Normandie  149

langfristigsten etablieren konnte: Von der Eroberung durch Heinrich V. bis in die späten 1440er Jahre stand sie fast durchgängig unter englischer Herrschaft und bildete lange Jahre ihren Mittel- und militärischen Ausgangpunkt auf dem Kontinent. Der ambivalente Status der Normandie in der englischen Politik – spätestens seit den Vorverhandlungen zum Vertrag von Troyes – wurde von der Forschung bereits verschiedentlich betont:160 Mit der Erhebung des Anspruchs auf die französische Krone verpflichtete Heinrich V. sich zugleich, die faktisch unter englischer Herrschaft stehende Normandie der Krone wieder zu unterstellen, sobald die ­Eroberung Frankreichs abgeschlossen sein würde – war die Normandie doch französisches Herzogtum und als solches abhängig von zentralen französischen Herrschaftsinstitutionen wie dem Pariser Parlement. Bereits in den 1420er Jahren und damit lange vor dem Verlust von Paris im Jahr 1436 lässt sich jedoch beobachten, dass die englische Regierung unter Bedford die Eigenständigkeit normannischer Institutionen nicht nur nicht unterband, sondern sogar förderte. In Konkurrenz zum Pariser Parlement etwa trat der an Bedeutung und Einfluss gewinnende Conseil de Rouen, und Ämter wie das des Seneschalls der Normandie und das des Gouverneur der Normandie wurden (wieder) geschaffen. Zudem wurde eine von Paris weitgehend unabhängige Finanzverwaltung etabliert.161 Tatsächlich wird in einem vor 1435 datierenden, am Hof des burgundischen Herzogs verfassten ­Memorandum beklagt, dass die Engländer sich nie ernsthaft bemüht hätten, die Normandie zu integrieren: „elle est gouvernée séparément en fait de justice et de recepte de finances et en tous Estas séparément du royaulme et de la Couronne comme il se faisoit au temps du Roy d’Angleterre“.162 Dass die Normandie bereits erobert war und damit de facto von den Engländern regiert und verwaltet werden konnte, weite Teile Frankreichs hingegen noch 160 Siehe

hierzu und im Folgenden vor allem Allmand, Lancastrian Normandy, S. 1–23, 126 f.; außerdem Curry, Lancastrian Normandy, S. 235–237. 161 Zur Sonderbehandlung der Normandie während der Regentschaft Bedfords siehe ebd., S. 238, 258; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 22–40, 122–151. Im Detail zur Erschaffung und Entwicklung einzelner Institutionen und Ämter siehe Bossuat, Le Parlement de Paris; Rowe, Estates of Normandy; dies., Grand Conseil. Zur Durchsetzung der englischen Herrschaft in der Normandie im Allgemeinen siehe außerdem Curry, Loss of Lancastrian Normandy; dies., Service féodal en Normandie, dies., L’occupation anglaise de la Normandie; Massey, Land Settlement; ders., Lancastrian Rouen. 162 Zitiert nach Bossuat, Parlement de Paris, S. 34–36, hier S. 35. Vgl. dazu Curry, Lancastrian Normandy, S. 238. Zudem kommt der besondere Stellenwert in einer von Monstrelet überlieferten Episode zum Ausdruck: Demzufolge hielt Heinrich V. seinen Bruder John of Bedford auf seinem Totenbett dazu an, niemals in Verhandlungen mit dem Dauphin zu treten, falls dieser sich ihm nicht mit dem Angebot näherte, auf die Normandie zu verzichten: Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 267, S. 109 f.: „icellui roy sentant qu’il estoit moult traveillé de maladie, fist venir autour de son lit son frère le duc de Bethfort […]. Et après dist à son frère. ‚Jehan, beau frère! je vous prie sur toute la loiauté que vous avez eue à moy, […] que tant que vous vivrez, ne souffrerez à faire traictié avec nostre adversaire Charles de Valois, ne autre, pour chose qui vous adviengne, que la duchié de Normendie ne nous demeure franchement.“ Siehe hierzu auch Allmand, Lancastrian Normandy, S. 127; Bossuat, Parlement de Paris, S. 20 f.

150  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. unter der Herrschaft des Dauphins und damit außerhalb ihrer Reichweite standen, war zweifelsohne ein wichtiger Grund für diese Partikularentwicklungen. Ferner trug die ausgeführte traditionelle Bindung zwischen der englischen Krone und der Normandie zu ihrem Sonderstatus bei. Die bis ins 11. Jahrhundert zurückreichende Tradition der englischen Ansprüche auf die Normandie spielte auch in zeitgenössischen politischen und historiografischen Texten, in denen sie Jean-Philippe Genet zufolge vergleichsweise viel Raum einnimmt, eine Rolle.163 Noch in der Jahrhundertmitte betont William Worcester im Boke of Noblesse, dass der englische König das „first auncien right“ auf das Herzogtum inne habe.164 Ob und auf welche Weise der Sonderstatus der Normandie auch in den Kunstwerken zum Ausdruck gebracht wurde, die für englische Auftraggeber in Lancastrian France angefertigt wurden, soll im Folgenden untersucht werden.

2.3.1. Die Normandie in Bedfords Benediktionale Das im Jahr 1871 bei einem Brand in der Bibliothek des Hôtel de Ville in Paris zerstörte Benediktionale des Herzogs von Bedford, das anhand von Reproduktionen und Beschreibungen in Teilen rekonstruiert und den Pariser Bedford-Illuminatoren zugeschrieben werden konnte, bietet Hinweise auf den Stellenwert der Normandie für die Engländer (Kat. 5). Auf Folio 93v war es offenbar mit einer aufwendigen historisierten Initiale Eduards des Bekenners ausgestattet, zu der zwar keine Bildquellen, wohl aber ausführliche Beschreibungen vorliegen, namentlich vom Direktor der Royal Library of Windsor, Richard Holmes, und dem französischen Sammler Ambroise Firmin Didot.165 Catherine Reynolds und Jenny Stratford datieren die Darstellung unter Vorbehalt auf um 1430.166 Holmes beschrieb die Miniatur in der Initiale im Jahr 1861 als eine Art per­ spektivische Landkarte der Normandie und Südenglands, auf der neben Rouen, Calais, Honfleur, Dover und „Quinzebort“ – vermutlich Cinque Ports oder Windsor – der von Schiffen befahrene Kanal und „a splendid Gothic tower for London“ zu sehen gewesen seien.167 In der Architektur sei der Heilige einmal thronend und einmal auf seinem Totenbett dargestellt gewesen.168 Noch genauere Angaben machte Didot: „Au bas, Édouard le Confesseur […], assis sur son trône et revêtu de son manteau, mi-parti de fleurs de lis et de léopards, est entouré d’évêques et de jurisconsultes; dans la partie supérieure, on le voit étendu sur son lit de mort, 163 Genet,

La Normandie. Siehe außerdem Curry, Lancastrian Normandy, S. 243–247; knapp Allmand, Lancastrian Normandy, S. 242. 164 Boke of Noblesse, S. 22. Siehe hierzu auch Genet, La Normandie, S. 278  f. 165 Brief Richard Holmes’ an Frederic Madden vom 8. 4. 1861, London, BL, Egerton MS 2847, fol. 182r, gedruckt bei Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 72; Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 291 f.; Didot, Missel de Jacques Juvénal, S. 11 f., 48. 166 Vgl. Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 68. 167 Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 291  f. Siehe hierzu auch Vallet de Viriville, Pontifical, S. 480; Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 68. 168 Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 291  f. und ders. in seinem Brief an Frederic Madden: London, BL, Egerton MS 2847, fol. 182r.

2.3. Herrschaftsansprüche in der Normandie  151

où un prêtre lui ferme les yeux, tandis que son âme, conduite par deux anges, s’élève vers l’Éternel.“169 Der in England äußerst beliebte angelsächsische König führte also das im 15. Jahrhundert gebräuchliche englische Wappen mit der französischen Fleur-de-Lis und dem englischen Leoparden und wird hier mit dem Herrschaftsgebiet der Engländer zur Zeit der Regentschaft Bedfords in Zusammenhang gebracht. Dabei beschränkte man sich für Frankreich allem Anschein nach auf die Besitzungen im Norden und damit in etwa auf das Gebiet der Normandie. Es ist möglich, dass hier der Sonderstatus inszeniert werden sollte, den die Normandie in der englischen Perspektive einnahm. Das englisch-französische Wappen, das den Herrschaftsanspruch auf die französische Krone verdeutlichte, erinnert jedoch daran, dass die Normandie lediglich ein Teil des Gesamtreiches war. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Beschränkung auf die Normandie aus rein praktischen Gründen erfolgte: Selbst in einer sehr großen Zierinitiale wäre es schwierig gewesen, ganz Frankreich kartografisch darzustellen. Wahrscheinlicher ist, dass Nordfrankreich als pars pro toto abgebildet wurde – genauso wie man sich auch für England auf den Süden beschränkte.

2.3.2. Die Normandie im Shrewsbury Book Wenngleich es im Shrewsbury Book John Talbots in erster Linie um die Verdeutlichung der Ansprüche Heinrichs VI. auf den französischen Thron und die Selbstpositionierung des Auftraggebers im internationalen politischen Gefüge geht, spielt auch die Normandie eine zumindest untergeordnete Rolle (Kat. 13): Die Kompilation beinhaltet mit den Chroniques de Normandie eine Prosa-Adaption des im 12. Jahrhundert im Auftrag Heinrichs II. entstandenen Roman de Rou et des Ducs de Normandie (fol. 363r–401r).170 Ihre Einbindung in das kostbare Geschenk an Marguerite d’Anjou ist in zweierlei Hinsicht aufschlussreich: Zunächst wird durch die Verwendung des Auftrags Heinrichs II., der Outi Merisalo zufolge Teil des legitimatorischen Programms dessen zur Stärkung seiner Herrschaft gebildet hatte, möglicherweise zumindest implizit auf die Abstammung des jungen Lancaster-Königs von der PlantagenetDynastie verwiesen.171 Dadurch würde hier zusätzlich zur Herkunft Heinrichs VI. von der französischen Königslinie, auf die im Shrewsbury Book ansonsten fokussiert wird, die englische Abstammung inszeniert – sozusagen zur Abrundung des Anspruchs auf die Kronen beider Länder. Wesentlich direkter ist jedoch der Verweis auf die weit zurückreichenden Ansprüche der englischen Könige auf die Normandie; so setzt die Erzählung mit Aubert, dem legendären ersten Herzog der Normandie aus der Zeit Karls des Großen, ein und beschreibt die Taten der nor169 Didot,

Missel de Jacques Juvénal, S. 48. knapp Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 178, Nr. 12; Merisalo, Codice Miscellaneo, S. 456. 171 Ebd. Siehe auch Bates, Rise and Fall of Normandy, S. 30–34. 170 Siehe

152  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. mannischen Herzöge bis ins frühe 12. Jahrhundert, wobei die Eroberung Englands durch Wilhelm I. im Jahr 1066 besonders viel Raum einnimmt. Überaus anschaulich wird dynastische Kontinuität in der einleitenden halbseitigen Miniatur in Szene gesetzt, welche die Zeugung des Sohnes Auberts zeigt – „comme ledit duc engendra en sa femme Robert le dyable“ (Abb. 22).172 Die Durchsetzung oder Aufrechterhaltung der Ansprüche auf die Normandie war zum Zeitpunkt der Schenkung in der Mitte der 1440er Jahre zweifelsohne wesentlich realistischer als die Durchsetzung des Anspruchs auf die französische Krone, hatten doch die Engländer im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Karl VII. während der letzten anderthalb Dekaden einen Großteil ihrer Eroberungen auf dem Festland wieder verloren. Darüber hinaus hatte Heinrich VI. den Franzosen im Rahmen der Friedensvertrags von Tours im April 1444 – zumindest theoretisch – Le Mans und Maine überlassen, womit sich der englische Machtbereich auf die Normandie beschränkte.173 Ob jedoch durch die Inklusion der Chroniques de Normandie in die Kompilation eine dergestalte Einschätzung der aktuellen politischen Situation zum Ausdruck gebracht werden sollte, ist eher fraglich. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der Auftraggeber Talbot innerhalb der englischen Regierung der Fraktion zugerechnet werden kann, die die Ansicht vertrat, dass man die militärischen Maßnahmen in Frankreich fortsetzen und den Anspruch auf die französische Krone aufrechterhalten solle. Zudem dominiert die Inszenierung eben dieses Anspruchs ansonsten die Kompilation, insbesondere die eigens anlässlich der Schenkung angefertigten Bestandteile. Zu diesen wiederum zählt das im Shrewsbury Book eingebundene Exemplar der Chroniques de Normandie vermutlich eher nicht, wie die im Katalog ausgeführten kodikologischen Hinweise annehmen lassen. Wahrscheinlicher ist, dass es ursprünglich zu einem anderen Zweck angefertigt worden war und zur Verfügung stand, als man nach der Verabredung über die Eheschließung zwischen Heinrich VI. und Marguerite d’Anjou im Frühling 1444 in Eile mit der Kompilation der Handschrift begann. Scheinbar entschloss man sich relativ spontan, die Chronik mit aufzunehmen, und verwendete vergleichsweise wenig Aufwand auf ihre Adaption.174 Im Gesamtkonzept der prestigeträchtigen und politisch reich auf­ geladenen Schenkung kam den Chroniques de Normandie nur eine bescheidene Rolle zu – sofern man von einem übergreifenden Konzept angesichts der Hast der Kompilation überhaupt sprechen kann. Dies spricht jedoch mitnichten für eine völlig willkürliche Auswahl, vielmehr fügte sie sich als Baustein in die vor allem auf der Widmungsdoppelseite des Shrewsbury Book eindrücklich propagierte Botschaft der Herrschaftsansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone ein (Farbabb. 13, 14; Abb. 17, 18). 172 London,

BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 363r. Lancastrian Normandy, S. 46–48; Griffiths, Henry VI, S. 495 f. 174 Im Gegensatz zu zahlreichen weiteren im Shrewsbury Book enthaltenen Texten verzichtete man hier darauf, durch die nachträglichen Einfügungen der Figur im Wappenrock John Talbots sowie seiner und Marguerites Wappenstandarte eine Verbindung zum Auftraggeber und zur Empfängerin des Buchgeschenkes herzustellen. 173 Vgl. Allmand,

2.4. Zusammenfassung: Kunst als Mittel zur Repräsentation  153

2.3.3. Kunst als Ausdrucksmittel eines Partikularinteresses? Resümierend lässt sich festhalten, dass die Normandie in der bildlichen Darstellung der herrschaftlichen Ansprüche der Engländer in Lancastrian France eine eher untergeordnete Rolle spielte. Im Gegensatz zu allen anderen französischen Regionen wird die Normandie zwar eigenständig bildlich thematisiert, allerdings vergleichsweise selten und explizit als Teil des gesamten Reiches. Auch die Beschränkung der englischen Macht auf die Normandie in den 1430er und 1440er Jahren führte – soweit dies anhand der wenigen erhaltenen Werke festgestellt werden kann – nicht dazu, dass man sich nun auf das Herzogtum und den Anspruch der englischen Könige auf dieses konzentriert und entsprechende übergreifende Strategien entwickelt hätte. Die Normandie wurde offenbar weiterhin in erster Linie als französisches Herzogtum wahrgenommen und war als solches ohnehin inbegriffen im Herrschaftsanspruch auf die französische Krone, der durch Kunst und Bilder zum Ausdruck gebracht wurde.

2.4. Zusammenfassung: Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. Die Nutzung von Kunst und Bildern zur Darstellung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. auf die Krone Frankreichs kann für eine ganze Reihe von Kommunikationszusammenhängen nachgewiesen werden: Die englischen Machthaber vermittelten ihre Sichtweise der politischen Verhältnisse gegenüber der englischen und der französischen Bevölkerung, militärischen Gegnern und Bündnispartnern sowie politisch einflussreichen Akteuren in den eigenen Reihen und auf dem Festland. Dies geschah im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen, Einzügen, Zeremonien und Festen, der öffentlichen oder teilöffentlichen Zurschaustellung von Bildern und dem höfischen Geschenkaustausch. Vorrangiges Ziel der bildlich zum Ausdruck gebrachten Propaganda war von Beginn der Etablierung der englischen Regierung in den frühen 1420er Jahren bis zu ihrem Ende in der Jahrhundertmitte das Recht Heinrichs VI. auf die französische Krone, während partikulare politische Interessen wie Ansprüche auf einzelne Regionen, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle spielten. Einen wichtigen motivischen Schwerpunkt stellte die Genealogie Heinrichs VI. dar, anhand derer sein Erbrecht auf die Kronen beider Länder über seine englische und seine französische Herkunftslinie veranschaulicht wurde. Man bildete seine Ahnenreihe jedoch nicht einfach nur ab, sondern modellierte sie gemäß der aktuellen politischen Zielsetzung – durch Auslassungen, wie im Falle Karls VII., Kaschierungen von Brüchen und Diskontinuitäten sowie insbesondere die Betonung einzelner Vorfahren. Dies betraf die Valois-Prinzessinnen Isabella und Catherine, über die sich Heinrichs Anspruch schließlich begründete, und vor allem den französischen König Ludwig IX. Dabei orientierte man sich nicht nur inhaltlich an Frankreich, sondern auch konzeptuell, wie der Vergleich des genealogischen Konstrukts Heinrichs VI. zur von Ludwig IX. und Mathieu de Vendôme in

154  2. Kunst als Mittel zur Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. den frühen 1260er Jahren veranlassten Reorganisationskampagne der französischen Grablege in Saint-Denis zeigte. Während man sich im Rahmen des Begräbnisses Heinrichs V., abgesehen vom englisch-französischen Wappen, noch auf englische heraldische Zeichen, etwa das Banner des heiligen Georg, konzentrierte, kam im Verlauf der 1420er Jahre die Fleur-de-Lis hinzu, die häufig in Kombination mit dem englischen Leopardenwappen Verwendung fand. Im Rahmen der Krönungszeremonie 1431 brachte man sie überdies nicht einfach als Attribut, sondern ausdrücklich als Stellvertreter Heinrichs VI. bildwirksam zum Einsatz. Ebenfalls eine Rolle spielte die Antilope, das Wappentier der Lancaster. Aus der zweifachen Ahnenreihe Heinrichs VI. ergibt sich darüber hinaus ein weiterer motivischer Schwerpunkt der englischen Bildpropaganda in Frankreich, der mit Heinrichs Pariser Krönung greifbar wird: das Motiv der zwei Kronen beziehungsweise der Doppelkrönung als Symbol der Doppelmonarchie. Als weltliche Stützen des Herrschaftsanspruchs Heinrichs inszenierte man zeitgenössische Machthaber wie den Herzog von Bedford selbst, außerdem – zumindest bis zum endgültigen Bruch mit Burgund – den mächtigen burgundischen Herzog, Philippe le Bon. An deren Stelle traten nach 1435 Richard of York und Humphrey of Gloucester. Ebenso rekurrierte man auf Heinrich V., den erfolgreichen Vorgänger Heinrichs VI., der durch seine militärischen Unternehmungen die englische Herrschaft in Frankreich überhaupt erst ermöglicht hatte. Eine größere Rolle als in Lancastrian France spielte er jedoch in den politischen Inszenierungen in England. An himmlischen Interzessoren instrumentalisierte man neben Ludwig IX. die heiligen englischen Könige Eduard und in geringerem Umfang Edmund, wobei Ludwig in Darstellungen, die sich an die französische Bevölkerung richteten, deutlich dominierte, während er in England häufig das gleichwertige Pendant zu Eduard bildete. Große Bedeutung kam darüber hinaus dem heiligen Georg zu, der nicht selten in Kombination mit dem französischen Nationalheiligen Dionysius auftrat. Durch die Kombinationen von Georg und Dionysius sowie von Eduard und Ludwig versah man Heinrichs Ansprüche gewissermaßen beidseitig mit himmlischer Unterstützung. In zumindest einem Fall – Bedfords Aufmarsch bei Ivry im Jahr 1424 – ist zudem denkbar, dass der Regent sich durch die Verwendung des weißen Kreuzes der Unterstützung des heiligen Michael versichern beziehungsweise dessen Unterstützung zum Ausdruck bringen wollte, und dass er sich damit ein Symbol zunutze machte, das vorwiegend vom Dauphin, dem aktuellen politischen Kontrahenten, verwendet wurde – auch hier in Kombination mit dem englischen Äquivalent, dem Georgskreuz. Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, auf welche Weise die englischen Besatzer ihre Perspektive der politischen Gegebenheiten, das dynastisch bedingte Recht Heinrichs VI. auf die Kronen Englands und Frankreichs, visualisierten: Sie griffen spezifisch französische Traditionen und Motive auf und adaptierten sie für ihre politischen Zwecke, indem sie sie mit englischen Bildern kombinierten und damit ein visuelles Programm entwickelten, in dem vor allem das Zweifache des Herrschaftsanspruchs Heinrichs VI. zum Tragen kam.

3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater. Die Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Frankreich Während im vorangegangenen Kapitel gezeigt worden ist, in welcher Form die ­Repräsentanten der englischen Krone in Lancastrian France Kunst zum Einsatz brachten, um die herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone zu vermitteln, wird im Folgenden analysiert, wie sie jeweils ihre eigene Rolle innerhalb der englischen Frankreichpolitik inszeniert sehen wollten und welcher Bildmittel sie sich hierzu bedienten. Dass die Investition in illuminierte Prachthandschriften auch unabhängig von den jeweils visualisierten Inhalten der Selbstdarstellung und der Prestigemehrung ihrer Auftraggeber und/oder Besitzer diente, steht außer Frage: Als bisweilen überaus kostspielige Statussymbole brachten sie Finanzkraft und damit implizit Macht zum Ausdruck. Religiöse Werke konnten dazu beitragen, ihren Nutzer als gottesfürchtig darzustellen, Profanhandschriften zeichneten ihren Besitzer und insbesondere Auftraggeber als belesen oder gar besonders gebildet aus. Überdies konnte man durch den Besitz wertvoller Büchersammlungen sichtbare Parallelen zu vorbildhaften Mäzenen, etwa dem französischen König und den Herzögen von Burgund und Berry, ziehen und sich in deren Tradition stellen.1 In diesem Kapitel soll es allerdings weniger um illuminierte Handschriften als Statussymbole gehen als um ihre Nutzung zur Vermittlung spezifischer Bilder und Inhalte, wie die Position und Funktion ihres Besitzers im internationalen politischen Geschehen, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe beziehungsweise die Anknüpfung an einzelne Personen oder die Verehrung spezifischer Heiliger und die Förderung bestimmter Traditionen. Wie in Kapitel 2 werden die Buchillustrationen nicht als isolierte Bildwerke, sondern als Bestandteil der jeweiligen Handschrift und im Zusammenhang mit den hierin enthaltenen Texten betrachtet und ausgewertet. Zeitgenössische schriftliche Hinweise auf den Auftrag oder Besitz nicht erhaltener Kunstwerke, auf Stiftungen und die Nutzung von Bildern in politischen Zeremonien und höfischen Ritualen werden auch hier ergänzend hinzugezogen. In einem ersten Schritt soll untersucht werden, wie die im Auftrag der Lancaster-Dynastie in Frankreich tätigen Akteure ihre Rolle im politischen Gefüge darstellen ließen und wie sie ihre Position innerhalb der politischen Maßnahmen zur Durchsetzung der Herrschaft Heinrichs VI. jeweils zum Ausdruck gebracht sehen wollten. Im Anschluss wird in den Blick genommen, inwiefern sie sich als Erzieher, Lehrer oder Ratgeber des Herrschers repräsentierten; Züge dessen sind insbesondere bei der Selbstbeschreibung hochrangiger Vertreter der englischen Krone 1

Zu Prachthandschriften als Statussymbolen vgl. Harris, Book Production; Meale, Patrons, Buyers and Owners; Wijsman, Northern Renaissance?, bes. S. 280–286; ders., Book Collections and their Use, passim. Allgemein zur Selbstdarstellung durch Kunstwerke und Bilder im Spätmittelalter vgl. beispielhaft die Sammelbände Blockmans et al. (Hrsg.), Staging the Court; Blockmans und Janse (Hrsg.), Showing Status; Crane, Performance of Self, bes. S. 107–139.

https://doi.org/10.1515/9783110578966-004

156  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater feststellbar. Abschließend wird danach gefragt, welche Heiligen und sonstige Bezugsfiguren einen besonderen Stellenwert in den Kunstaufträgen und möglicherweise auch der Selbstdarstellung der Engländer innehatten und welche Funktion sie jeweils erfüllten.

3.1. „Pour ce quil estoit celluy qui representoit la personne du roy de France et d’Angleterre“.2 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs Als Sammler und Auftraggeber von Kunst hebt sich John of Lancaster, der Herzog von Bedford, deutlich von seinen Landsleuten im besetzten Frankreich ab: Er ist der einzige englische Fürst, für den im Untersuchungszeitraum architektonische oder bildhauerische Aufträge auf französischem Boden nachgewiesen werden können, und auch hinsichtlich des Umfangs seiner Stiftungen an religiöse Institutionen in Frankreich sticht er hervor. Überdies nimmt er eine Sonderrolle als Handschriftensammler ein: So lassen sich mit Bedford wesentlich mehr originäre Aufträge und Adaptionen als mit allen anderen im Fokus der Untersuchung stehenden Akteuren in Verbindung bringen, vor allem aber konnte er mit der Akquisition der Louvre-Bibliothek als Buchbesitzer einen in Lancastrian France einzigartigen Rang einnehmen. Auch als Vertreter der englischen Krone in Frankreich nimmt der Herzog von Bedford zweifelsohne eine Sonderrolle ein. So hatte er nicht nur bis zu seinem Tod im Jahr 1435 das mit Abstand wichtigste politische Amt innerhalb der englischen Regierung Frankreichs inne, sondern war als ältester überlebender Bruder Heinrichs V. zugleich während seiner gesamten Regentschaft potentieller Erbe der englischen Krone und sämtlicher hiermit in Verbindung stehender herrschaftlicher Ansprüche. Im vergangenen Kapitel wurde dargelegt, welcher kunstpolitischen Maßnahmen sich der Herzog zur Durchsetzung und Sicherung der Herrschaftsansprüche seines Neffen bediente. Im Folgenden soll untersucht werden, auf welche Weise er seine eigene politische Funktion innerhalb dessen inszenieren ließ und inwiefern sich seine Rolle von denen anderer hochrangiger Repräsentanten der englischen Krone in Lancastrian France abhob.

3.1.1. Die Inszenierung des Regenten in Zeremonien und Einzügen Der Herzog von Bedford in der Funeralzeremonie Karls VI. Als aufschlussreich für die Selbstinszenierung des Herzogs von Bedford als Stellvertreter des Königs von England und Frankreich stellen sich abermals die zeitgenössischen Berichte der französischen, burgundischen und englischen Chronisten dar. Von besonderer Aussagekraft ist ein Ereignis, das zugleich den Beginn seiner 2

Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 28, S. 101.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  157

Regentschaft markiert: Der Begräbniszug und die Beisetzung des französischen Königs Karl VI. im November 1422.3 Die Schwierigkeiten der politischen Situa­ tion, mit der sich der Herzog konfrontiert sah, stehen außer Frage: Bedford hatte innerhalb kürzester Zeit die Regierungsgeschäfte in Frankreich aufzunehmen und dem letzten Willen seines verstorbenen Bruders gemäß die Herrschaft des einjährigen Thronfolgers Heinrich VI. gegenüber dem Pariser Parlement und der französischen Bevölkerung durchzusetzen – und dies im Angesicht der fortbestehenden Ansprüche des Dauphins und gleichzeitiger Widerstände in England.4 Die schwache Rückendeckung der englischen Regierung durch den französischen Adel überrascht wenig und zeigt sich deutlich im Begräbniszug Karls VI., dem, glaubt man den Chronisten, kein einziger Prince du Sang de France beiwohnte. Stattdessen fokussierte die Inszenierung auf die Person des Herzogs von Bedford. Besonders ausführlich berichten der anonyme Autor des Journal d’un Bourgeois de Paris und der burgundische Chronist Enguerrand de Monstrelet über den Begräbniszug: Ersterer betont die Abwesenheit der Princes du Sang nicht weniger als dreimal und beschreibt, wie Bedford ganz allein hinter dem Sarg einherschritt, das Schwert des Königs von Frankreich vor sich her trug und damit das laute Murren des französischen Volkes auf sich zog.5 Auch Monstrelet beklagt das Fehlen der Prinzen von Geblüt: „Après […] aloit le duc de Bethford, anglois, qui estoit régent de France. Et n’estoit icellui corps acompaigné de nul des princes de son sang, sinon du duc de Bethfort. Laquelle chose estoit moult piteable à veoir, actendu la grant puissance et prospérité en quoy ce noble roi Charles avoit esté veu durant son règne“.6 Hervorgehoben wird die prominente Rolle Bedfords ferner von den französischen Chronisten Jean Chartier und in der Chronique du Religieux de Saint-Denys.7 3

4

5

6 7

Zu Bedfords Rolle beim Begräbniszug Karls VI. siehe Grandeau, Obsèques de Charles VI, S. 143–156; Autrand, Charles VI, S. 596–598; Kintzinger, Sakrale Repräsentation, S. 31 f.; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 231–234, 248; Schnerb, Armagnacs et Bourguignons, S. 230–233; Giesey, Royal Funeral Ceremony, bes. S. 91–104. Zum politischen Hintergrund der Herrschaftsübernahme Bedfords siehe ebd., S. 91–98; Stratford, Bedford Inventories, S. 6; Keen, England in the Later Middle Ages, S. 380–383; Leguai, La „France Bourguignonne“, S. 46–48; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 26  f.; außerdem jüngst Grummitt, Henry VI, S. 52–57. Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1422, 362, S. 178: „Item, il fut ordonné à Sainct-Paul, comme à tel prince appartenoit, et y mist on, tant pour l’ordonnance comme pour attendre aucun des signeurs du sanc de France pour le compaigner à mettre en terre; car il fut à SainctPaul depuis le jour de son trespassement devantdit jusques au xie jour de novembre ensuivant, jour Sainct Martin. Mais oncques n’y ot à le campaigner cellui jour nul du sanc de France quant il fut porté à Nostre-Dame de Paris ne en terre, ne nul signeur que ung duc d’Engleterre, nommé le duc de Betefort“. Ebd., 368, S. 180: „Ainsi fut porté, et estoit après le corps tout seul le duc de Bedfort, frere de feu le roy Henry d’Angleterre, qui tout seul faisoit le deul, ne quelque homme du sang de France n’y avoit.“ Ebd., 370, S. 180: „Item, le duc de Bedfort, au revenir, fist porter l’espée du roy de France davant luy, comme regent, dont le peuple murmuroit fort“. Monstrelet, Chroniques, Buch I, Kap. 269, S. 120–124, hier S. 121 f. Chartier, Charles VII, Kap. 2, S. 10; Chronique du Religieux de Saint-Denys, Buch XLIII, Kap. 5, S. 490–492. Siehe außerdem die knappe Darstellung bei Wavrin, Recueil, 1399–1422, Bd. 5, Buch II, Kap. 30, S. 430 f.

158  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Das mehrfache Betonen des Fehlens der Princes du Sang spricht dafür, dass die Inszenierung des Begräbniszuges und damit des Übergangs zur neuen Regierung in dieser Form in gewisser Hinsicht eine Notlösung darstellte und dass den mit der Konzeptualisierung des Spektakels Betrauten eigentlich an der Teilnahme französischer Fürsten gelegen war, um deren Unterstützung der Bedford-Regierung symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Neben der überlieferten Kritik der Zeitgenossen weist hierauf auch die Tatsache, dass die Zeremonie – höchstwahrscheinlich in der Hoffnung auf die Teilnahme des burgundischen Herzogs, des einflussreichsten französischen Adligen – mehrfach verschoben wurde.8 Unter den gegebenen Voraussetzungen entschied man sich für die deutliche Hervorhebung des Regenten in der Funeralzeremonie des verstorbenen Königs und setzte diese mit sehr genau kalkulierter Wirkung ein: Wie bereits dargelegt, verzichtete man vermutlich bewusst darauf, die Rechtmäßigkeit der Thronsukzession Heinrichs VI. in den Vordergrund der Inszenierung zu stellen, und fokussierte stattdessen auf den Herzog von Bedford als ausführendes Organ der Herrschaft des Lancaster-Königs.9 Vor dem Hintergrund der politischen Unruhen – bedingt nicht nur durch den Herrscherwechsel, sondern auch die zahlreichen kriegerischen Konflikte – hielt man es wohl für sinnvoller, nicht den zur praktischen Regierung noch auf Jahre ungeeigneten König ins Rampenlicht zu rücken, sondern seinen politisch und militärisch erfahrenen Onkel. Bildhaft zum Ausdruck gebracht wurde Bedfords Rolle als explizit handlungsfähiger Stellvertreter des Königs durch das ostentative Tragen des königlichen Schwertes. Bedfords prominente Rolle in den Begräbnisfeierlichkeiten wurde anscheinend auch künstlerisch visualisiert, und zwar im ikonografischen Programm des heute zerstörten Grabmals Karls VI. Reproduktionen des Monuments lassen darauf schließen, dass die skulpierte Trauerprozession, die seine Basis zierte, von der Figur des Regenten angeführt wurde. Eine Beteiligung Bedfords an der Konzeption des Grabmals wie auch des tatsächlichen Trauerzuges ist nicht auszuschließen, war er doch maßgeblich an der Vollstreckung des Testaments des verstorbenen Königs beteiligt.10 Bedford als Vertreter des Königs bei der Präsentation des Wahren Kreuzes Konkrete Hinweise auf die Selbstdarstellung Bedfords als Stellvertreter des französischen Königs liefern zwei Ereignisse aus dem Jahr 1424, also der Zeit, in der  8 Vgl. Giesey, Royal Funeral Ceremony, S. 69  f., 101.  9 Siehe oben, Kap. 2.2.1. 10 Zu Bedfords Beteiligung an der Konzeption des Grabmals

siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 113; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 232–234. Fürstliches, wenn nicht gar königliches Gebaren legte der Regent, folgt man den zeitgenössischen Historiografen, bereits kurz nach der Etablierung seiner Herrschaft in maßgebliche politische Zeremonien begleitenden Festlichkeiten an den Tag. Monstrelet, Chroniques, Buch II, Kap. 7, S. 147 etwa berichtet, dass Bedford anlässlich des Treffens mit dem Herzog von Burgund und dem Herzog der Bretagne in Amiens im April 1423, bei welchem die gegenseitige Unterstützung der drei Herzöge vertraglich besiegelt wurde, ein „königliches Mahl“ ausgerichtet habe. Der Bourgeois de Paris wiederum beschreibt die prachtvolle Aufmachung Bedfords und Annes de Bourgogne sowie ihrer Begleitung beim Einzug in Paris anschließend an ihre Eheschließung im Mai des gleichen Jahres, Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1423, 379, S. 185.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  159

er sich auf der Höhe seines machtpolitischen und militärischen Erfolges befand. An Karfreitag, dem 21. April, präsentierte der im Pariser Palais logierende Herzog dem Volk im Rahmen seines Besuchs der Sainte-Chapelle das Wahre Kreuz – ein Akt, der, wie Clément de Fauquembergue berichtet, üblicherweise den Königen von Frankreich vorbehalten war.11 Zusätzliche Details liefert die Abschrift eines nicht erhaltenen Strafregisters des Pariser Parlement aus dem 16. Jahrhundert, in welcher Bedford nicht wie üblich als Regent, sondern als „le roy en habit royal“ bezeichnet wird.12 Auguste Vallet de Viriville brachte überdies 1866 eine Miniatur in Bedfords Benediktionale – die Darstellung des Fests der Passionsreliquien in der SainteChapelle in der Initiale D auf Folio 83v – mit dem historischen Ereignis in Verbindung (Kat. 5).13 Die Initiale der 1871 verbrannten Prachthandschrift gehört zu den Illustrationen, die durch Reproduktionen überliefert sind (Farbabb. 5). Zwar zeigt die Miniatur nicht den Moment des tatsächlichen Präsentierens des Wahren Kreuzes durch Bedford, es ist jedoch in Erwägung zu ziehen, dass zumindest ein Abschnitt derselben Zeremonie wiedergegeben wird: Der anhand seiner Wurzeldevise identifizierbare Herzog ist in der Heiligen Kapelle in Anbetung der geöffneten grande châsse, in der die Passionsreliquien aufbewahrt wurden, dargestellt.14 Leider lassen sich zumindest in den Reproduktionen keine politisch konnotierten Hinweise finden, und eine ausdrücklich königliche Aufmachung des Herzogs oder ein königliches Gebaren ist nicht feststellbar. Als autonomer Beleg für die betonte Selbstdarstellung als Stellvertreter des französischen Königs kann die Illumination daher nur bedingt dienen. Expliziter sind hier die Berichte der zeitgenössischen Historiografen, die die zeremonielle Handlung Bedfords als dem französischen König vorbehalten bezeichnen: Es wird deutlich, dass Bedford seine Funktion als Regent nicht auf die Ausführung militärischer und administrativer Zuständigkeiten beschränkt sah, sondern auch Wert darauf legte, seine Rolle als Stellvertreter des Königs in Form ritu­ eller, öffentlichkeitswirksam inszenierter Handlungen zum Ausdruck zu bringen. 11 Fauquembergue,

a. 1424, Bd. 2, S. 128: „Venredi, xxje jour d’avril, le duc de Bedford, qui s’estoit venu logier ou Palais, monstra au peuple la vraye crois, ainsi que ont acoustumé de faire les roys de France audit jour de Saint Venredi.“ Siehe hierzu auch Thompson, Paris Under English Rule, S. 184, 191 f. 12 Paris, BNF, MS Dupuy 250, fol. 141v, referiert nach Thompson, Paris Under English Rule, S. 191. 13 Vallet de Viriville, Pontifical dit de Poitiers, S. 447  f. Siehe hierzu Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 65 f., 68 f.; Sterling, Peinture médiévale, S. 452; Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 291 f. 14 Stratford und Reynolds verweisen zurecht darauf, dass die Illumination nicht zwangsweise die spezielle Zeremonie im Jahr 1424 darstellen muss, sondern ebenso als Ausdruck von Bedfords und Annes auch ansonsten feststellbarer Verehrung der Sainte-Chapelle und der dort aufbewahrten Reliquien gesehen werden kann. So nahm das Herzogpaar bspw. an der Prozession der Kanoniker der Kapelle anlässlich des Dornenkronenfestes am 11. 8. 1423 teil, überdies sind religiöse Stiftungen an die Sainte-Chapelle überliefert, vgl. Stratford und Reyn ­ olds, Pontifical de Poitiers, S. 65 f.; Stratford, Manuscripts, S. 344 f.

160  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Die Inszenierung des Regenten beim Aufmarsch vor Ivry Besonders anschaulich zeigt sich die Inszenierung des Regenten im bereits angesprochenen Bericht Jean de Wavrins über die Eroberung der Festung von Ivry im August 1424. Wavrin zufolge ritt der in der Schlacht erfolgreiche Regent an der Spitze seiner Truppen auf die Festung zu, dabei habe er einen Mantel getragen, der mit einem großen weißen und einem kleinen roten Kreuz verziert gewesen sei. Der Chronist berichtet, dass er sich selbst nach der Bedeutung insbesondere des Zurschaustellens des weißen Kreuzes erkundigt und daraufhin von den Engländern erfahren habe, dass der Grund hierfür die zwei Reiche seien. Es sei dem Regenten Bedford – „et a nul autre“ – vorbehalten, die Kreuze zu tragen, denn er sei es, der die Person des Königs von Frankreich und England repräsentiere, und die zwei Kreuze symbolisierten die zwei Reiche.15 Die beschriebene Episode zeigt zunächst, in welcher Form Bedford, zumindest im militärischen Kontext des triumphalen Aufmarsches, Bilder verwendete, um seine Funktion als Stellvertreter des Königs von England und Frankreich zu inszenieren: Bei den beiden Kreuzen handelte es sich, wie bereits dargelegt, vermutlich um das rote Kreuz des heiligen Georg – das prominenteste Zeichen der englischen Armee – und das weiße Kreuz des heiligen Michael, das insbesondere unter dem Dauphin und späteren Karl VII. als wichtigstes Zeichen der französischen Armee etabliert wurde.16 Darüber hinaus aber wird die Exklusivität der Position des Herzogs von Bedford deutlich: Er und niemand sonst wurde zum Zeitpunkt des Aufmarsches bei Ivry – zumindest seitens der englischen Teilnehmer des Einzugs – als berechtigt angesehen, seine Rolle im politischen Geschehen in dieser Form zu inszenieren, „pour ce quil estoit celluy qui representoit la personne du roy de France et d’Angleterre“.17

3.1.2. Die Darstellung des Herzogs und der Herzogin von Bedford in ihren Stundenbüchern Sucht man nach bildlichen Darstellungen des Herzogs von Bedford in seiner ‚offiziellen‘ politischen Funktion, so rückt sein vermutlich anlässlich der Eheschließung mit Anne de Bourgogne angefertigtes ganzseitiges Portrait in den prachtvollen Bedford Hours ins Blickfeld, wenngleich von einem offiziellen Herrscherbildnis schon allein wegen des Gebetbuchskontextes und des entsprechend eingeschränkten Rezipientenkreises kaum die Rede sein kann (Kat. 3) (Farbabb. 1).18 Der offiziöse Charakter der Darstellung ist dennoch unverkennbar: Der Herzog ist in ein prachtvolles Gewand gekleidet, im Gebet an den heiligen Georg 15 Wavrin,

Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 28, S. 101, zitiert oben, Kap. 2.2.2, Anm. 96. Beaune, Naissance, passim; Bedos-Rezak, Idéologie royale, S. 504–506; Mérindol, Saint Michel, S. 529–535; Good, Saint George in Medieval England, S. 73–86; Collins, Order of the Garter, S. 20–24. 17 Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 28, S. 101. 18 London, BL, Add. MS 18850, fol. 256v. Zu den Portraits Bedfords und Annes in den Bedford Hours siehe Backhouse, Reappraisal, S. 60–62; Spencer, Bedford Hours, S. 496; König, Bed16 Siehe

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  161

in einer Kapelle dargestellt, die gesamte Seite ist überbordend mit den heraldischen Bildern Bedfords verziert: seinem Wappen und seinen Wappentieren Adler und Yale, seinen Farben, seinem Motto „a vous entier“ und seiner Wurzeldevise. Daneben spielt das rote Kreuz auf weißem Grund, das Banner des heiligen Georg und zugleich Zeichen der englischen Armee, deren Oberkommando der Regent in Frankreich innehatte, eine Rolle. Im Buntglas der Kapellenfenster wiederum ist das englische Wappen abgebildet und verweist abermals auf Bedfords herrschaftliche Funktion als Vertreter der englischen Krone. Das Portrait der Herzogin Anne auf Folio 257v wirkt zunächst etwas weniger ‚offiziell‘ als die Darstellung ihres Ehemannes (Farbabb. 2). Auch sie wird prachtvoll gekleidet in einer Kapelle im Gebet an ihre Namenspatronin gezeigt, ihr Motto, ihr Wappen, die heraldischen Farben Bedfords und ihre Devise, der fruchttragende Eibenzweig, zieren die Einrichtung der Kapelle und die Bordüre. Die heilige Anna ist, wie im Spätmittelalter häufig, als Anna Selbdritt, in Kombination mit Maria und Christus, dargestellt. Die Familie der Heiligen wird auch in den Randminiaturen des Stundenbuchs betont, die der Vorlage der Legenda Aurea folgend ihre drei Ehemänner und zwei weiteren Töchter zeigen.19 Die Hervorhebung der Nachkommen Annas mag der Konvention der Zeit entsprechen, sie gewinnt jedoch an Relevanz, wenn man das persönlich für Bedford verfasste Gebet in den Foyle Hours hinzuzieht, einem kleinen, vermutlich der alltäglichen privaten Andacht dienenden Stundenbuch, das in den späten 1420er Jahren für den Herzog angefertigt oder adaptiert wurde (Kat. 6). Das in der ersten Person, vielleicht von Bedfords Beichtvater verfasste, an Gott gerichtete Gebet wird von einer mit dem Wappen des Regenten gezierten Initiale eingeleitet.20 Es nennt zwar nicht den Herzog, wohl aber Anne namentlich, darüber hinaus werden seine Verantwortlichkeiten als Regent angesprochen: Zunächst werden eine Reihe alttestamentarischer Fälle aufgeführt, in denen der Herr unfruchtbaren Frauen, etwa Sarah und Rebecca, zur Empfängnis verhalf. Es folgt eine kurze Aufzählung biblischer Figuren, denen Gott zu militärischen Siegen und politischem Erfolg verhalf.21 Daran anschließend dankt der Betende Gott dafür, einer königlichen Familie anzugehören und mit der Regierung eines großen Volkes betraut worden zu sein. Er erbittet Beistand zur gerechten und gottgefälligen Ausführung seiner Regierung, den Sieg über seine Feinde ohne weiteres Blutvergießen und eine friedliche Herrschaft in den Teilen des Königreiches, deren Führung Gott ford Hours, S. 124; Stratford, Bedford Inventories, S. 101–103, 120–122, passim; Collins, ­ rder of the Garter, S. 248; MacGregor, Cult of Saint George, S. 71–74. O 19 Legenda Aurea, S. 521. Zur Ikonografie der Anna Selbdritt siehe Emminghaus, ‚Anna Selbdritt‘. 20 London, BL, Add. MS 74754, fol. 385v–391v. Zur Handschrift siehe vor allem Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, hier S. 345. Zur Transkription und Übersetzung siehe ebd., S. 358–362. 21 Siehe ebd., S. 358  f. Zur Frage der Anwendbarkeit des Begriffs ‚Privatheit‘ im Mittelalter siehe den Sammelband Melville und von Moos (Hrsg.), Das Öffentliche und das Private, insb. den einleitenden Beitrag von Moos, Das Öffentliche und das Private; ders., „Öffentlich“ und „privat“; Duffy, Marking the Hours, S. 53–64; Wieck, Time Sanctified, passim; De Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168–198.

162  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater ihm anvertraut habe.22 Daraufhin erfleht er göttliches Wohlwollen für sich selbst und seine Ehefrau Anne und bringt ausdrücklich den Wunsch nach Nachkommen zum Ausdruck: „Semper vero in tua gracia me et ancillam tuam Annam thori unius vinculo in nomine tuo michi coniunctam fovere digneris ac prolem tibi“.23 Neben der Bitte um göttlichen Beistand bei der Regierung Frankreichs – einem offenkundig auf Bedfords politische Rolle fokussierenden Anliegen – stellt der Wunsch nach Erben einen deutlichen Schwerpunkt des Gebets dar.24 Der vermutlich in der zweiten Hälfte der 1420er Jahre dringlicher werdende Wunsch nach Nachkommen entspricht der stilistischen Datierung in diesen Zeitraum.25 Vor diesem Hintergrund wiederum erscheint auch eine gezielte Hervorhebung des Familiären im Bedford Hours-Portrait Annes denkbar; Jenny Stratford interpretiert die Zweigdevise der Herzogin entsprechend als fruchtbaren Zweig und damit als Ausdruck der Hoffnung auf Nachwuchs.26 Das Portraits Annes als private, auf persönliche Interessen fokussierende Darstellung zu interpretieren, die im Gegensatz zur Miniatur Bedfords steht, welche dessen öffentlich-politische Funktion inszeniert, wäre jedoch verfehlt: Schließlich stellte der Wunsch nach einem Erben gerade im Falle der Ehe des Regenten von Lancastrian France und der Schwester des burgundischen Herzogs keinesfalls eine private, sondern eine hochgradig ­politische Angelegenheit dar, insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass Bedford während seiner gesamten Regentschaft potentieller Erbe Heinrichs VI. war.

3.1.3. Der Herzog von Bedford als Ordensgründer Während bisher auf die Nutzung von Kunst zur visuellen Zurschaustellung der politischen Position des Regenten beziehungsweise des Regentenpaares fokussiert wurde, soll im Folgenden die öffentlichkeitswirksame Sichtbarmachung personeller Bindungen zu Akteuren in Bedfords politischem Umfeld in den Blick genommen werden. Anknüpfungspunkte hierzu bietet der höchstwahrscheinlich von Bedford gegründete Ritterorden, ein Herrschaftsinstrument, das durch die Herstellung oder Stärkung von Beziehungen zu Parteigängern oder potentiellen Bündnispartnern mittels ihrer Aufnahme in den Orden einerseits konkreten diplomati22 Stratford

und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, S. 359: „et in domo regia servorum tuorum me nasci fecisti. ac populum magnum michi commisisti regendum pro quibus gratias ago tue divine maiestati. […] si hoc est tue placitum voluntati ut sine humani sanguinis effusione iustitia de hostibus habita huius regni partes quod me regere voluisti in pace firmentur.“ 23 Ebd. 24 Zu den Schwerpunkten des Gebetes siehe ebd., S. 354  f. 25 Reynolds und Stratford weisen darüber hinaus darauf hin, dass bei den Gebeten auf fol. 129r– 156v ungewöhnlicherweise der hl. Ethelbert unter den Bekennern und die hl. Brigida unter den weiblichen Heiligen aufgeführt werden. Dies könnte mit der Stiftung eines brigittinischen Doppelklosters bei Syon durch Heinrich V., deren Etablierung Bedford ab Februar 1427 aktiv förderte, im Zusammenhang stehen und eine Datierung ab 1427 unterstützen, ebd., S. 353 f., 356. Zu Heinrichs Stiftung siehe jüngst Vale, Henry V, S. 252 f. 26 Stratford, Manuscripts, S. 343. Vgl. hierzu Kat. 3, Anm. 19.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  163

schen Zwecken diente und andererseits schon an sich als politisches Statussymbol fungierte: Durch die Gründung einer derartigen Institution stellte sich der Regent in die Tradition charismatischer Gründer säkularer Orden des 14. und 15. Jahrhunderts, wie beispielsweise Eduards III., des Gründers des Hosenbandordens.27 Die Ordensgründung durch den Regenten lässt sich vermutlich in die 1420er Jahre datieren. Die Bindung politischer Parteigänger und Bündnispartner kann als vorrangiger Zweck angenommen werden; es sind sowohl englische als auch burgundische und italienische Mitglieder nachweisbar. Abgesehen hiervon lässt die Überlieferungssituation jedoch nur wenige Hinweise auf Form und Umfang des Ordens, die Umstände der Gründung sowie die konkrete Zielsetzung zu, und auch der Ordenspatron ist unklar. Jenny Stratford folgend handelte es sich vermutlich weniger um eine stark institutionalisierte Einrichtung als vielmehr um einen vergleichsweise lockeren Verbund von Bedford politisch Nahestehenden, die sich ihm eidlich verpflichteten und mit einem Ordensabzeichen ausgestattet wurden.28 Hierbei handelte es sich wahrscheinlich um eine Kette, die aus abwechselnd dem Buchstaben S – entsprechend der seit John of Gaunt gebräuchlichen Lancaster-Kette – und der goldenen Wurzeldevise Bedfords bestand und an der ein goldener Wurzel-Anhänger angebracht war.29 Nachgewiesen werden kann sie im Besitz John Fastolfs, der als Maître d’Hôtel des Regenten mit großer Sicherheit dessen Orden angehörte. Sowohl in der im Jahr 1462 von John Paston erstellten „remembrauns of the goodes that somtyme were Ser John Fastolffes“ als auch im von William Worcester aufgesetzten Inventar des Inhalts einer Schmucktruhe Fastolfs wird eine Kette mit einem mit Juwelen verzierten goldenen Wurzelanhänger aufgeführt.30 In Kombination mit den Initialen Bedfords und Annes war die Ordenskette anscheinend im zerstörten Benediktionale des Herzogs abgebildet, wie dem Brief Sir Richard Holmes’ an Sir Frederic Madden aus dem Jahr 1861 – zehn Jahre vor der Vernichtung des Buches bei einem Brand – und der den Text begleitenden Skizze zu entnehmen ist (Kat. 5) (Abb. 9).31 27 Zu

Bedfords Orden siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 101–103; Hablot, La devise, Bd. 1, S. 334 f. Zu spätmittelalterlichen königlichen Ordensgründungen allg. siehe Keen, Chi­ valry; Vale, War and Chivalry; Boulton, Knights of the Crown. Insb. zum Hosenbandorden siehe ebd., S. 96–167; Begent und Chesshyre (Hrsg.), Order of the Garter, S. 9–18, passim; Ormrod, For Arthur and St George; Collins, Order of the Garter. 28 Stratford, Bedford Inventories, S. 101. Siehe ebd., S. 101  f. zur Frage des Ordenspatrons bzw. der Ordenspatrone und zum möglichen Zusammenhang mit der Eheschließung. Schriftliche Hinweise zu Bedfords Orden liegen vor allem in Erwähnungen von Austritten von burgundischen Mitgliedern aus den frühen 1430ern vor, siehe ebd., S. 101; Armstrong, La double monarchie, S. 367. 29 Zur Ordenskette Bedfords siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 102  f.; Hablot, La devise, Bd. 1, S. 334 f. Zur Lancaster-Kette siehe ebd., S. 317 f., 324, 327, 338; Egan, Collar, S. 206. 30 Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 108, zitiert oben, Kap. 1.4.2, Anm. 304; Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 79, zitiert oben, Kap. 1.4.2, Anm. 304. Siehe außerdem unten, Kap. 3.2.3 sowie Stratford, Bedford Inventories, S. 52, 103; dies., Manuscripts, S. 349. 31 London, BL, Egerton MS 2847, fol. 181r–v. Siehe Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 63.

164  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Der Anhänger von Bedfords eigener Kette scheint zusätzlich mit einem auf der Wurzel sitzenden Adler verziert gewesen zu sein. Zeitgenössische Darstellungen dessen finden sich in der dem Besitz des Regenten zuzurechnenden Übersetzung der Aphorismen des Hippokrates, in der das Schmuckstück in der unteren rechten Ecke der Randdekoration von Folio 5r in Form eines das Motto Bedfords einfassenden Medaillons dargestellt ist (Kat. 8d) (Farbabb. 10).32 Zudem ist eine solche Kette am Hals des Regenten in seinen Portraits in den Bedford Hours (Kat. 3) (Abb. 2) und in der lateinischen Übersetzung des Pèlerinage de l’âme (Kat. 7a) (Farbabb. 6) abgebildet. Die Ordenskette mit dem goldenen Wurzelanhänger diente also, ähnlich wie die Ordenskette des im Jahr 1430 durch Philippe le Bon gegründeten Ordens vom Goldenen Vlies, zunächst der sichtbaren Kennzeichnung politischer Allianzen und der Auszeichnung des Gefolges und damit implizit der Zurschaustellung machtpolitischer Strukturen.33 Ihre Darstellung im Bedford Hours-Portrait des Regenten, dessen offiziöser Charakter bereits betont wurde, zeigt darüber hinaus, welch große Bedeutung der Ritterorden in der Inszenierung seiner politischen Selbstdarstellung einnahm.

3.1.4. Der Herzog von Bedford als weiser Fürst? Zum Abschluss der Analyse der kunstpolitischen Maßnahmen des Herzogs von Bedford zur Inszenierung seiner Rolle in Lancastrian France soll nicht die Instrumentalisierung spezifischer Bilder oder einzelner Kunstwerke im Mittelpunkt stehen, sondern die Nutzung seiner Handschriftensammlung als Ganzer. Es ist zu fragen, inwieweit Bedford sich durch seine Sammlung um die Selbstdarstellung als weiser, die Mehrung und Verbreitung von Wissen fördernder Fürst bemühte, und inwiefern dies letztlich politisch motiviert war.34 Bedford und die Louvre-Bibliothek Den mit Abstand größten Teil der Handschriftensammlung des Regenten machte, wie bereits mehrfach angesprochen, die nach ihrem Aufbewahrungsort als Louvre32 Paris,

BNF, MS fr. 24246, fol. 5r. Orden vom Goldenen Vlies siehe etwa den grundlegenden Aufsatz Melville, Rituelle Ostentation; jüngst ders., Le „mystère“ mit Literaturverweisen; Vale, War and Chivalry, bes. S. 32–62; Schnerb, L’état bourguignon, S. 295–304; verschiedene Beiträge im Sammelband Blockmans et al. (Hrsg.), Staging the Court. Zur Verleihung von Ordensabzeichen als politisches Mittel vgl. auch Chattaway, Order of the Golden Tree am Beispiel der Verleihung des Ordens vom Goldenen Baum durch den burgundischen Herzog Philippe le Hardi im Jahr 1403. 34 Zur Förderung und Aneignung von Wissen als symbolisches Kapital siehe übergreifend Kintzinger, Wissen wird Macht, bes. S. 30–37, 176–188. Zu den Buchsammlungen und zur Handschriftenpatronage der Mitglieder der englischen Königsfamilie im Spätmittelalter vgl. Stratford, Early Royal Collections; ähnl. dies., Royal Library in England; in jüngerer Zeit mit weiterführenden Literaturhinweisen McKendrick et al. (Hrsg.), Royal Manuscripts; Genet, ­Bibliothèques des princes. Zur Nutzung spätmittelalterlicher Bibliotheken vgl. auch Wijsman, Book Collections and their Use am Beispiel der Sammlung der burgundischen Herzöge. 33 Zum

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  165

Bibliothek bezeichnete umfangreiche Sammlung der französischen Könige aus, die er nach dem Tod Karls VI. im Oktober 1422 in seinen Besitz brachte.35 Zusammen mit weiteren Testamentsvollstreckern des verstorbenen Königs war Bedford maßgeblich in die langwierige Schätzung, Inventarisierung und den teilweisen Verkauf der königlichen Schätze involviert. Im Rahmen dessen hatte er im April 1424 die im Palais du Louvre befindlichen 843 Handschriften inventarisieren und auf einen Gesamtwert von 2 323 Pariser Livres und vier Sous schätzen lassen. Spätestens im Sommer des Folgejahres kann die Sammlung im Besitz des Regenten nachgewiesen werden: Am 22. Juni 1425 ließ er sie der Obhut des Hüters der Louvre-Bibliothek, Garnier de Saint-Yon, unterstellen, in welcher sie sich bereits seit 1418 befunden hatte.36 Die Tatsache, dass Bedford die Louvre-Bibliothek vergleichsweise zügig und am Stück akquirierte, weist darauf, dass ihr Besitz ihm ein dringliches Anliegen gewesen sein muss. Hierfür spricht auch, dass der burgundische Herzog – seinerseits einer der Testamentsvollstrecker Karls VI. und zumindest in späteren Jahren als Sammler und Auftraggeber kostbarer Handschriften bekannt – offenbar selbst zunächst keine oder nur wenige der Bücher direkt an sich brachte.37 Bemerkenswert ist darüber hinaus der Umstand, dass Bedford die Bibliothek in ihrer Vollständigkeit im Palais du Louvre deponieren ließ – dem Palast der französischen Könige, in dem sie bereits unter Karl V. aufbewahrt worden war.38 Die Gründe hierfür mögen praktischer und logistischer Art gewesen sein: Man sparte sich den Transport der Handschriften, vielleicht fehlte es auch an günstig gelegenen Alternativen für die Aufbewahrung einer so umfangreichen Büchersammlung. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Bedford die Bibliothek ausdrücklich als französische königliche Sammlung bewahren wollte, um sich als ihr Besitzer in die Tradition der französischen Könige zu stellen, als deren Vertreter er nun fungierte. Hinweise darauf, die Sammlung seinem Neffen Heinrich zu vermachen, der sich als Nachfolger Karls VI. angeboten hätte, gibt es nicht; stattdessen hielt der Herzog selbst an der Bibliothek und dem Prestige, den ihr Besitz mit sich brachte, fest. Im 35 Zur

Louvre-Bibliothek in Bedfords Besitz siehe oben, Kap. 1.1.1 sowie Stratford, Bedford Inventories, S. 8, 95 f., 124–126; Kopp, Der König und die Bücher, S. 69–71, 123–125; Genet, L’influence française, S. 87 f.; Meale, Patrons, Buyers and Owners, S. 204; Douët d’Arcq, Inventaire, Préface, passim; Avril, Librairie de Charles V, S. 118 f. 36 Zu Bedfords Beteiligung an der Inventarisierung der Güter Karls VI. siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 95 f., 124–126; Kopp, Der König und die Bücher, S. 69 f.; Grandeau, Obsèques de Charles VI, S. 145–186; Leistenschneider, Saint-Denis, S. 232. Die von Bedford in Auftrag gegebene Auflistung und Schätzung der königlichen Bibliothek ist nicht erhalten, kann aber anhand von Kopien erschlossen werden, siehe die Edition Douët d’Arcq (Hrsg.), Inventaire, S. 214 f., zitiert oben, Kap. 1.1.1, Anm. 24. 37 Zum burgundischen Herzog als Handschriftensammler siehe etwa die umfassende Studie Wijsman, Luxury Bound, S. 219–255, passim; ders., Bibliothèques princières; ders., Book Collections and their Use, bes. S. 86–91; Paviot, Mentions de livres; Blockmans, Manuscript Acquisition by the Burgundian Court; Doutrepont, Ducs de Bourgogne, passim. 38 Zur Louvre-Bibliothek unter Karl V. und Karl VI. siehe jüngst Kopp, Der König und die Bücher; außerdem Tesnière, La librairie du Louvre; dies., Les décades de Tite-Live; Autrand, Charles V, S. 713–750; Avril, Librairie de Charles V; Douët d’Arcq, Inventaire, Préface.

166  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Herbst 1429 brachte man die Handschriften im Rahmen des Umzugs des herzoglichen Hofes nach Rouen und deponierte sie vermutlich im königlichen Schloss, einem der zwei Rouennaiser Hauptresidenzen Bedfords.39 Darüber hinausgehende Hinweise zur Nutzung der königlichen Bibliothek als Ganzer liegen weder für die Zeit der Regentschaft Bedfords in Paris noch für die Rouennaiser Jahre vor, anhand erhaltener Werke aus der Sammlung können jedoch Rückschlüsse gezogen werden: So lassen sich im Besitz des als Buchsammler bekannten Humphrey of Gloucester mindestens zwei ursprünglich zur LouvreBibliothek gehörige Handschriften nachweisen, von denen er eine mit Sicherheit, die zweite wahrscheinlich von seinem Bruder, John of Bedford, als Geschenk erhalten hatte.40 Bei ersterer handelt es sich um eine aufwendig illuminierte Abschrift der Histoire Romaine von Titus Livius in französischer Übersetzung von Pierre Bersuire.41 Bei der zweiten Handschrift handelt es sich um den heute in der British Library aufbewahrten Songe du Vergier, einen im Auftrag Karls V. angefertigten politischen Traktat über das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Macht. Er kann höchstwahrscheinlich mit dem im Louvre-Inventar von 1424 gelisteten „Songe du Vergier, très bien escript en françois […] bien historié & enluminé“ identifiziert werden.42 Des Weiteren konnten zwei französische Übersetzungen aristotelischer Schriften von Nicole Oresme aus dem Besitz des burgundischen Herzogs mit Einträgen im Louvre-Inventar von 1424 identifiziert 39 Dass

das Rouennaiser Schloss über eine librairie verfügte, kann aus einem zeitgenössischen Beleg über Bauarbeiten an ihren Fenstern im Jahr 1433 geschlossen werden. Siehe Le Cacheux (Hrsg.), Rouen, Nr. CXIX, S. 257 f., zitiert oben, Kap. 1.1.2, Anm. 92. Zum Umzug des herzoglichen Haushaltes nach Rouen und dortigen Baumaßnahmen siehe Stratford, Bedford as Patron; dies., Bedford Inventories, S. 14 f., 96, 112 f.; Williams, My Lord of Bedford, S. 183. 40 Zu Gloucester als Buchsammler siehe Petrina, Duke of Gloucester; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists; Sammut, Unfredo Duca di Gloucester; Wijsman, Luxury Bound, S. 226–232; Rundle, Habits of Manuscript-Collecting; Genet, Bibliothèques des princes, S. 138–141; Taylor, English Writings, passim. 41 Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève, MS 777. Gloucester hatte die Handschrift einer Notiz auf fol. 433v zufolge im Jahr 1427 geschenkt bekommen: „Cest livre fut envoyé des parties de France et donné par Mons. le regent le royaume, duc de Bedfort, à Mons. le duc de Gloucestre, son beau-frère, l’an mil quatre cens vingt sept.“ Zum Eintrag im von Bedford in Auftrag gegebenen Inventar siehe Douët-d’Arcq (Hrsg.), Inventaire, S.  60, Nr.  200. Zur Schenkung siehe außerdem McKendrick, European Heritage, S. 45; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 122; Tesnière, Les décades de Tite-Live; Avril, Librairie de Charles V, S. 108. Übergreifend zu Handschriften, die möglicherweise über Bedford von der Louvre-Bibliothek in den Besitz Gloucesters kamen, siehe Petrina, Duke of Gloucester, S. 95, 118, 165 f.; Taylor, English Writings, S. 73 f. 42 London, BL, Royal MS 19 C. IV. Zum Inventareintrag siehe Douët-d’Arcq (Hrsg.), Inventaire, S. 49, Nr. 165: „Item. Le Songe du Vergier, très bien escript en françois de lettre de forme, à deux coulombes, bien historié & enluminé. Commt ou iie fo. ‚en nom Charles tu es,‘ & ou derrenier ‚auctoriséz qu’il est devant‘. Et est signé CHARLES.“ Zum Werk und zur Handschrift siehe Kopp, Der König und die Bücher, passim; Schnerb-Lièvre, Somnium Viridarii, Bd. 1, Introduction, S. xlvii–li; dies., Le Songe du Vergier, Bd. 1, Introduction, S. xix–lxxiv; Stratford, Illustration of the Songe du Vergier; Avril, Librairie de Charles V, S. 107; Frońska, Le Songe du Vergier. Die Handschrift befand sich nach einer heute nicht mehr lesbaren Notiz am Ende zeitweise in Gloucesters Besitz, vgl. ebd., S. 393.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  167

werden.43 Es ist denkbar, dass auch diese als Geschenke von Bedford an den burgundischen Herzog, seinen Schwager und Bündnispartner, gelangten. Aufträge zu wissenschaftlichen und philosophischen Handschriften Aufschlussreich für die Nutzung der Louvre-Bibliothek und Bedfords Selbstdarstellung als um die Förderung und Verbreitung von Wissenschaft bemühter Fürst sind auch seine wahrscheinlich in Rouen angefertigten, bislang wenig erforschten naturwissenschaftlichen Handschriften.44 Von diesen sind drei erhalten, und zwei weitere können anhand von Kopien rekonstruiert werden. So übersetzte Guillaume Harnoys im Jahr 1430 einen ursprünglich arabischen, im 11. Jahrhundert verfassten astrologischen Traktat „im Auftrag und auf Veranlassung des […] Regenten“ aus dem Lateinischen ins Französische (Kat. 8a).45 Des Weiteren fertigte Roland von Lissabon, Bedfords Leibarzt, zwei Handschriften für den Herzog an, von denen eine im Original erhalten ist, nämlich ein heute in der Biblioteca da Ajuda in Lissabon aufbewahrter illuminierter Traktat über die Physiognomie (Kat. 8b) (Farbabb. 9).46 Glaubt man den Angaben des Autors im Prolog, hatte Bedford ihn ausdrücklich darum gebeten, „totam scientiam phisonomie“ in einem Buch zu vereinen.47 Das Werk fokussiert auf den Einfluss der Planeten auf den menschlichen Körper, eine Thematik, die sich, wie die astrologische Medizin im Allgemeinen, im Spätmittelalter großer Beliebtheit erfreute und zu der Roland in der LouvreBibliothek zahlreiche Vorlagen finden konnte, da auch Karl V. sehr interessiert daran gewesen war.48 Beim zweiten von Roland kompilierten Text handelt es sich um einen Traktat über die Arithmetik, dessen Original zwar verloren ist, Text und Prolog können allerdings anhand von Kopien weitestgehend rekonstruiert werden (Kat. 8c).49 Wie in der Physiognomie proklamiert der Verfasser auch im Prolog der Arithmetik, den Auftrag zu ihrer Kompilation von Bedford selbst erhalten zu haben: Die43 Es

handelt sich um Les Politiques et les Économiques in Brüssel, Bibliothèque Royale, MS 2904, und um Les Éthiques in Den Haag, Museum Meermanno, MS 10 D 1. Zu den Einträgen im Louvre-Inventar siehe Douët-d’Arcq (Hrsg.), Inventaire, S. 44, Nr. 147 und 148; außerdem Kopp, Der König und die Bücher, S. 197; Kintzinger, Beatus Vir, S. 454; Avril, Librairie de Charles  V, S. 118 f. 44 Zu Bedfords Profanhandschriften siehe knapp Stratford, Bedford Inventories, S. 122  f.; dies., Manuscripts, S. 346–349; Genet, L’influence française, S. 88; ders., Bibliothèques des princes, S. 138–142; Barber, Books and Patronage, S. 310–312. 45 Paris, BNF, MS fr. 1352 (Livre du Jugement des Estoilles), Kolophon, fol. 274r, im Original zitiert unten, Kat. 8a–e, Anm. 101. 46 Lissabon, Biblioteca da Ajuda, MS BA 52-XIII-18. Zur Handschrift siehe knapp Stratford, Bedford Inventories, S. 122. Zu Roland von Lissabon siehe Charmasson, Technique divinatoire, bes. S. 177 f.; Wickersheimer, Médecins en France, Bd. 2, S. 723 f. 47 Lissabon, Biblioteca da Ajuda, MS BA 52-XIII-18, fol. 1r, zitiert unten, Kat. 8a–e, Anm. 105. 48 Vgl. Kopp, Der König und die Bücher, S. 55, 160–171; Kintzinger, Phisicien de Monseigneur de Bourgoingne, S. 105–108. 49 Der Prolog ist in New York, Columbia University Library, Plimpton MS 173, fol. 1r–2r und in Cambridge, University Library, MS Mm.I.44, S. 427 f. überliefert und wird hier nach der dem Original näher stehenden New Yorker Kopie zitiert. Zur Handschrift siehe knapp Smith, Rara Arithmetica, S. 446 f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 123, Anm. 79.

168  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater ser habe ihn ersucht, „das praktische und theoretische Wissen zur Kunst der Arithmetik unter Rückgriff auf alte und neue Vorlagen in einem Band zu sammeln“.50 Auch hier ist gut möglich, dass Roland auf die Bestände der LouvreBibliothek zurückgreifen konnte. Daneben lobt der Autor die Regierung Bedfords und deren positive Auswirkungen auf England, Frankreich und die Normandie; besonders ausführlich geht er auf die herausragenden Verdienste des Regenten um die Wissenschaft und die Universität Paris ein.51 Insbesondere das Studium der Philosophie und der Mathematik habe durch die Maßnahmen des Regenten profitiert: Bedford habe die notleidende Philosophie aus dem Staub erhoben; erst im Angesicht seiner Gunst sei die Mathematik mit unverschleiertem Antlitz emporgestiegen und habe sich wieder an die Universität gewagt, nachdem sie zuvor zu Schaden gekommen sei.52 Bei großen Teilen des Gesagten handelt es sich zweifelsohne um standardisierte Floskeln oder auch Übertreibungen, mit denen Roland sich der Gunst seines Herrn versichern wollte.53 Dass der Regent sich jedoch tatsächlich in einem gewissen Rahmen um die Förderung des studium Parisiense bemühte, ist keineswegs auszuschließen, gehörte doch der Schutz und die Bevorzugung der Universität – der ältesten Tochter des Königs – zu seinen Aufgaben als Regent von Frankreich.54 Das vergleichsweise gute Verhältnis zwischen der Pariser 50 New

York, Columbia University Library, Plimpton MS 173, fol. 1v: „Ob hanc rem vestre placuit celsitudini mihi quamvis indigno ac insufficienti precipere et mandare ut et partem speculatiuam et practicam ipsius artis arismetice in uno volumine redigerem colligendo dicta et antiquorum et modernorum.“ Dass spätmittelalterliche Fürsten sich derartige komplexe Sachverhalte nicht im Original, sondern mittels Florilegien und selektiver Übersetzungen aneigneten, entspricht der gängigen Praxis, vgl. Kintzinger, Liberty and Limit. 51 New York, Columbia University Library, Plimpton MS 173, fol. 1r–v: „In vobis inclitissime princeps sub cuius felici ducatu tota feliciter accrescit francia […] Caritas intus ardet. Pietas foris nitet. Sciencia vero radiat utrobique. […] Exultet […] francia. iubilet anglia. gaudeat normania. […] Talia certe meretur vestre roridus pietatis affectus ut sub vestri regiminis ­umbra scitientes [sic] aquas scientiarum hauriant. cuius securitate plenaria. huius affectus gloriosissimi magnitudinem ad hac nobile studium parisiense iam accurrentes ubilibet sic predicant. puto quoque vociferancium sonos in omnem mundi distantiam insonare. ad ­vestram celsitudinem defessi labore studii fluunt consulaturi“. 52 Ebd., fol. 1v: „De puluere philosophiam erigitis que lugere solebat in sua mendicitatis inopia. Iam mathesis ad vestre serenitatis aspectum facie reuelata consurgit quam actenus obduxerat verecundie pallio. sua angustia macerata enim latere malebat tenuis et pudica ac relegata et exulata quam parisiense studium sine saluo conductu subito introire. Ad vos igitur secura venit. Leta remeavit cum non ad peregrina sed ad propria videat se vocari.“ Zur Universität Paris während des armagnakisch-burgundischen Bürgerkriegs siehe Verger, University of Paris, bes. S. 205 f. 53 Die Fokussierung Rolands auf die Belange der Universität von Paris erklärt sich zweifelsohne auch durch seine berufliche Bindung an diese, vgl. Charmasson, Technique divinatoire, bes. S. 177 f.; Wickersheimer, Médecins en France, Bd. 2, S. 723 f. 54 Dieses Verständnis zeigt sich etwa in der Rede, die Nicolas Midi an Heinrich VI. bei dessen Einzug in Paris im Dezember 1431 richtete, Denifle und Châtelain (Hrsg.), Chartularium Universitatis Parisiensis, Bd. 4, Nr. 2399, S. 532: „item quia ipse [Henricus VI] est pater, patronus et tutor singulareque refugium dicte Universitatis, que est dicti domini nostri regis filia primogenita, in cujus absentia fuit quasi orphana et vidua, non habens singularem et specialem protectorem in suis agendis“. Siehe hierzu und allgemein zum Verhältnis der Universität Paris zum französischen König im Spätmittelalter Verger, University of Paris; ders., „Ribaudaille“ ou „Fille du roy“; Verger und Vulliez, Crise et mutations, S. 121–125; Ehlers, Paris, bes. S. 88 f.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  169

Universität und dem Bedford-Regime ist belegt.55 In diesem Kontext sei auch auf Bedfords Initiativen zur Gründung eines studium generale in Caen, in der Kirchenprovinz von Rouen, erinnert.56 Neben Roland von Lissabon war auch Jean Tourtier zugleich als Hofchirurg und Autor beziehungsweise Übersetzer für den Regenten tätig. Ihm können zumindest zwei Werke zugewiesen werden: Zum einen eine nur in Kopie überlieferte Abschrift der Chirurgia Guy de Chauliacs aus dem 14. Jahrhundert, die den Worten des Autors zufolge im Auftrag des Herzogs von Bedford angefertigt worden war (Kat. 8e).57 Zum anderen eine illuminierte Übersetzung der Aphorismen des Hippokrates ins Französische, die im Jahr 1430 in Rouen fertiggestellt wurde und bei der es sich um die einzige naturwissenschaftliche Handschrift handelt, die anhand heraldischer Zeichen und Miniaturen ihrer Namenspatrone für den Herzog und die Herzogin von Bedford personalisiert wurde (Kat. 8d).58 Aufschlussreich sind die Angaben Tourtiers im Kolophon, in dem er nicht nur über seine eigene Ausbildung in Paris informiert, sondern überdies auf drei am Hof Bedfords tätige Mediziner – die in Paris graduierten Leibärzte Raoul Palnin und Roland von Lissabon sowie den in Oxford ausgebildeten Jean Maior – verweist und diese um die Korrektur und Verbesserung seines Textes bittet.59 Ob Tourtier tatsächlich an Eingriffen in seinen Text gelegen war, sei dahin gestellt, in jedem Fall bietet er Einblicke in das Gelehrtenmilieu am Hof des Regenten, der offensichtlich eine Reihe englischer und französischer Gelehrter um sich versammelte, die sich untereinander austauschten und miteinander kooperierten.60 Als Vorlagen dienten ihnen vermutlich nicht zuletzt die im Besitz des Regenten verfügbaren Handschriften. Abschließend soll ein Blick auf das einzige Werk philosophischen Inhalts geworfen werden, das sich mit Bedfords Besitz in Verbindung bringen lässt – die zweifache Übertragung des Mitte des 14. Jahrhunderts von Guillaume Deguileville verfassten Pèlerinage de l’âme durch Jean de Galope. Allem Anschein nach betraute 55 Zum Verhältnis

zwischen der Universität und den englischen Besatzern siehe Verger, University of Paris, S. 205–209, 213–217. 56 Siehe hierzu oben, Kap. 1.1.1 sowie Allmand, Lancastrian Normandy, S. 81–121; Roy, L’université de Caen, bes. S. 25–50; Bossuat, Parlement de Paris, S. 32 f. 57 Eine Kopie der Handschrift ist in Bristol, Central Library, Reference Library MS 10 erhalten, fol. 16r, zitiert nach Mathews, City Reference Library Bristol, S. 69: „Inuentarium seu collectarium in parte cirurgie ali medicine compilatum et completum. Anno Domini Millesimo Tricentesimo sexagesimo tercio. Per Guidonem de Caulhiaco cirurgicum magistrum in medicina […] Quodquid inuentarium seu collectarium fecit scribi et taliter ordinari. venerabilis vir Magister Johannes Tourtier Magister in cirurgia. Ad requestam altissimi excellentissimjque et potentis principis Domini Johannis ducis de Bedford“. Zur Handschrift siehe knapp ebd., S. 69 f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 122, Anm. 78. 58 Paris, BNF, MS fr. 24246. Zur Handschrift siehe Lafeuille, Amphorismes Ypocras, bes. S. 30  f., 137 f.; Delisle, Cabinet des manuscripts, Bd. 3, S. 313 f., Nr. 2; Stratford, Manuscripts, S. 349; dies., Bedford Inventories, S. 100–103, 122. Zu Jean Tourtier siehe Wickersheimer, Médecins en France, Bd. 2, S. 495. 59 Paris, BNF, MS fr. 24246, fol. 191r, zitiert unten, Kat. 8a–e, Anm. 117. 60 Zum Gelehrtenkreis am spätmittelalterlichen Fürstenhof vgl. am Beispiel des Hofes Karls V. Kintzinger, Liberty and Limit, S. 219–223.

170  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater der Regent de Galope zum einen mit einer um 1427 fertiggestellten Übersetzung des französischen Gedichtes in lateinische Prosa – ob es sich bei MS 326 in der Londoner Lambeth Palace Library, deren Illumination in die Pariser Buchmalerei des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts verortet werden kann, um die Widmungshandschrift oder eine zeitnahe Kopie dieser handelt, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden (Kat. 7a).61 Zum anderen fertigte de Galope eine als Kopie in der Bodleian Library überlieferte Übertragung des Textes in französische Prosa für ihn an (Kat. 7b).62 Die illustrative Ausstattung der Kopie mit etwa fünfzig Miniaturen sowie ihre ikonografische und bildkompositionelle Nähe zur Handschrift in der Lambeth Palace Library lassen vermuten, dass auch das ­Original der französischen Prosa-Version reich illuminiert war, der Text also von hervorgehobener Bedeutung für den Regenten war. Hierfür spricht ebenfalls, dass der Herzog zumindest die Übertragung in lateinische Prosa eigens veranlasst hatte. Der Text, so de Galope im Prolog der lateinischen Übersetzung, sollte nicht nur auf französisch, sondern auch in anderen Sprachen verfügbar gemacht werden, Bedfords Interesse an seiner Verbreitung war also offensichtlich erheblich.63 Schließlich sei auf einen ikonografischen Aspekt verwiesen, der für die Selbstdarstellung Bedfords als Buchsammler und -auftraggeber von Interesse ist: Wie Michael Camille in seiner 1984 vorgelegten Dissertation zu den illuminierten Fassungen des Pèlerinage de l’âme herausstellen konnte, handelt es sich bei der vom Herzog von Bedford in Auftrag gegebenen lateinischen Übersetzung des Textes um die erste, die mit einer Widmungsminiatur ausgestattet wurde (Farbabb. 6).64 Darüber hinaus verweist Camille auf Parallelen zwischen den Dedikationsminiaturen des Regenten und vergleichbaren Darstellungen Karls V. und Jeans de Berry. Ob hier tatsächlich eine konkrete Orientierung an den französischen Buchsammlern vorliegt, oder man schlicht der Konvention der Zeit entsprach, ist nicht zu klären. Auffällig ist jedoch, dass Bedford – gesetzt den Fall, dass er selbst und nicht Jean de Galope für diese Modifikation verantwortlich war – offenbar so großen Wert darauf legte, als Auftraggeber der Übersetzung des philosophischen Textes inszeniert zu werden, dass er mit der bislang verbreiteten Bildtradition brach. 61 Für

August 1427 ist die ausstehende Entlohnung des Schreibers Jean Thomas für „ung livre en latin intitulé le Pélerinage de l’ame, en prose“ überliefert, de Laborde (Hrsg.), Les ducs de Bourgogne, Bd. 3, S. 488, Nr. 7397. Siehe zur Handschrift James und Jenkins, Library of Lambeth Palace, S. 427–431; Duval, Traduction latine, bes. S. 188 f.; Camille, Guillaume de Deguileville’s ‚Pèlerinages‘, S. 269 f., 369; Stratford, Pilgrimage of the Soul, S. 60–63; dies., Manuscripts, S. 348; Avril, Liber peregrinationis animae, S. 355; McKendrick, European Heritage, S. 53; Frońska, Le Livre doré, S. 157. 62 Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305. Die Abschrift wurde einem Eintrag auf fol. 81r zufolge im Jahr 1436 von G. de Pacy aus Lille angefertigt, zitiert in Kat. 7a–b, Anm. 97. Siehe Duval, Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2010); ders., Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2011); Madan (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 4, MS Douce 305, S. 587. 63 London, Lambeth Palace Library, MS 326, fol. 1v, zitiert in Kat. 7a–b, Anm. 91. Siehe hierzu zuletzt ausführlich Duval, Traduction latine, bes. S. 186 f., 193. 64 London, Lambeth Palace Library, MS 326, fol. 1r. Camille, Guillaume de Deguileville’s ‚Pèlerinages‘, S. 269.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  171

Die Ausführungen zur Louvre-Bibliothek und zu Bedfords Profanhandschriften bieten eine Reihe von Anhaltspunkten zur Darstellung des Herzogs als ein an den Wissenschaften interessierter und um deren Förderung und Verbreitung bemühter Fürst: Der Besitz der Bibliothek der Valois-Könige stellte zunächst einmal ein wichtiges repräsentatives Mittel dar, das sich in die Selbstdarstellung Bedfords als Vertreter des französischen Königs fügt. Er schuf damit zudem einen konkreten Bezug zwischen sich selbst und dem „weisen König“ Karl V., der die Sammlung begründet hatte.65 Dabei diente die Bibliothek dem Regenten aber nicht einfach als statisches Prestigesymbol, sondern – wie seinen Vorgängern – als flexibles, in Umfang und Zusammenstellung wandelbares politisches Instrument:66 Er nutzte sie als Repositorium für luxuriöse Buchgeschenke im diplomatischen Verkehr, die ihrerseits zur Inszenierung des Schenkenden als gebildet beitrugen. Zugleich fungierte sie als Quelle für Wissen – für die Herstellung von Abschriften, Übersetzungen, Übertragungen und Neukompilationen – und wurde dadurch kontinuierlich erweitert. Der Erwerb der Louvre-Bibliothek mag ferner als Hinweis darauf gewertet werden, dass der Regent selbst an Buchwissen interessiert war. Genauso sprechen die von Roland von Lissabon skizzierte Unterstützung der Universität Paris und die Initiativen zur Gründung des studium generale in Caen für ein Interesse an der Förderung und Vermittlung von Wissen. Auch die erhaltenen oder rekonstruierbaren, für Bedford selbst angefertigten philosophischen, mathematischen und medizinischen Handschriften, bei denen in fünf von sieben Fällen eine Auftragserteilung durch den Regenten proklamiert wird, weisen auf ein Interesse an der Erforschung und Verbreitung der jeweiligen Wissenschaften. Inwieweit Bedford persönlich jedoch am Erwerb von Wissen um seiner selbst willen interessiert war und sich auch aktiv damit befassen konnte, ist nicht zu klären. Über die Angaben innerhalb der Profanhandschriften hinausgehende, zeitgenössische Hinweise auf „eine große Liebe für das Studium und die Wissenschaft“, wie sie etwa von Christine de Pizan für Karl V. bezeugt wurde, liegen für den Regenten nicht vor.67 Es ist nicht auszuschließen, dass seine wissenschaftsfördernden Maßnahmen letztlich vor allem politisch motiviert waren, fügten sie sich doch in das Ideal eines Fürsten seines Standes. Durch die Selbstdarstellung als gebildeter, die Verbreitung von Wissen begünstigender Herrscher stellte er sich in die Tradition bibliophiler Fürsten seiner Zeit, nicht zuletzt die der Könige von Frankreich, als deren Stellvertreter er aus englischer Sicht fungierte.

65 Zu

Karl V. als am Erwerb von Wissen interessierten Herrscher siehe Kintzinger, Beatus Vir, bes. S. 449–455; ders., Liberty and Limit, bes. S. 204–216, 220–224; Autrand, Charles V, S. 713– 750; Kopp, Der König und die Bücher, passim. 66 Vanina Kopp betont den ständigen Wandel, dem die Bibliothek Karls V. durch kontinuierliche Ein- und Ausgänge unterworfen war, ebd., z. B. S. 52 f. 67 Christine de Pizan, Le livre des fais, Kap. XII, S. 26: „Ne dirons-nous encore de la sagece du roy Charles la grant amour qu’il avoit à l’estude et à science“.

172  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater

3.1.5. Zwischenfazit zu Bedfords Selbstdarstellung Folgende inhaltlichen Schwerpunkte können für die Darstellung der politischen Rolle John of Bedfords innerhalb der englischen Regierung Frankreichs festgehalten werden: Grundlegend ist seine Repräsentation als Stellvertreter und ausführendes Organ des Königs von Frankreich und England. Dies zeigt sich im Verweis auf seine praktischen, das heißt administrativen und insbesondere militärischen Zuständigkeiten, etwa beim historiografisch überlieferten ostentativen Tragen des zeremoniellen Schwertes beim Begräbniszug Karls VI. und im herrschaftlichen Charakter des Portraits in den Bedford Hours. Dass der Herzog seine Stellvertreterrolle nicht auf administrative und militärische Aufgaben beschränkt sehen wollte, sondern auch Wert auf das Aufzeigen ihrer religiös-rituellen Ebene legte, kommt insbesondere in dem von Fauquembergue und durch die Kopie des Strafregisters des Pariser Parlement überlieferten, eigentlich dem König von Frankreich vorbehaltenen Präsentieren des Wahren Kreuzes in der Sainte-Chapelle zum Ausdruck. Exklusivität der Rolle Bedfords als Vertreter des Königs wiederum suggeriert der Bericht Wavrins zur Nutzung des weißen und des roten Kreuzes beim Aufmarsch vor Ivry, wobei sich die diesbezüglichen Ausführungen des Chronisten nicht auf die Darstellungsabsichten des Regenten, sondern die Wahrnehmung durch die Zeitgenossen beziehen. In die Tradition der französischen Könige stellte sich der Regent darüber hinaus durch die Akquise und Nutzung der Louvre-Bibliothek. Möglicherweise lassen sich auch seine Aufträge zu naturwissenschaftlichen und philosophischen Handschriften sowie weitere Maßnahmen zur Förderung der Wissenschaften und Lehre als Orientierung an den französischen Königen interpretieren. Ebenso gut möglich ist jedoch, dass Bedford hier dem allgemein gängigen Ideal des gebildeten, an der Verbreitung von Wissen interessierten Fürsten entsprechen wollte, das sich keineswegs auf den französischen König beschränkte, sondern auch mit anderen französischen und englischen politisch einflussreichen Akteuren in Verbindung gebracht werden kann, etwa Jean de Berry, Philippe le Bon und Humphrey of Gloucester.68 Insbesondere im Bedford Hours-Portrait zeigt sich die Bedeutung des von Bedford gegründeten Ritterordens als Bestandteil seiner Selbstbeschreibung. Beachtenswert, wenn auch keinesfalls dem Regenten vorbehalten, ist ferner die bildwirksame Nutzung der Ordenskette als Abzeichen: So stellte die Verleihung der Kette zunächst einen Teil eines diplomatischen Akts dar – nämlich den symbolträchtigen Bestandteil der Ernennung von Ordensmitgliedern und mithin der Erschaffung diplomatischer Bindungen; gleichzeitig jedoch kann die Kette als Me­ dium der Visualisierung dieser Bindungen und damit der Zurschaustellung bereits bestehender Machtstrukturen gesehen werden. Es ist denkbar, dass durch die Portrait-Kombination in den Bedford Hours der Wunsch nach Nachkommen und damit dynastischer Kontinuität des Herzogpaares zum Ausdruck gebracht werden sollte, dies ist jedoch keinesfalls gesichert. Der 68 Zum

Idealbild des weisen Fürsten siehe Kintzinger, Liberty and Limit.

3.1 Der Herzog von Bedford als Stellvertreter des Königs  173

vergleichende Blick auf das persönliche Gebet in den Foyle Hours stützt lediglich die ohnehin naheliegende Vermutung, dass ein solcher Wunsch bestand, der Gebetstext selbst diente an dieser Stelle sicherlich kaum der öffentlich-politischen Zurschaustellung der Position und Aspiration des Regenten, schon allein aufgrund der vorwiegend privat-devotionalen Nutzung des Gebetbuches. Dies leitet über zur Frage nach dem Publikum der einzelnen Werke und öffentlichen Inszenierungen – und damit zur Frage danach, inwieweit überhaupt eine ‚öffentliche‘ Rezeption der von Bedford kommunizierten Bilder intendiert war. Wie im Falle der Maßnahmen zur Visualisierung der Herrschaftsansprüche seines Neffen lässt sich dies auch hier kaum eindeutig beantworten. Erneut kann festgehalten werden, dass der jeweilige Rezipientenkreis stark divergierte und nur bis zu einem gewissen Grad kontrollierbar war. So beschränkte sich die Sichtbarkeit der Portraits in den Bedford Hours zunächst auf das höfische Umfeld des Herzogs und der Herzogin und ab Weihnachten 1430 auf den engeren Umkreis Heinrichs VI. Die exzeptionelle Pracht der Handschrift lässt zwar eine über den Zweck der privaten Andacht hinausgehende Verwendung annehmen, und es ist zu vermuten, dass man das prestigeträchtige Buch im höfischen Umfeld zeigte, damit beschränkte sich der Rezipientenkreis aber nach wie vor auf eine vergleichsweise kleine, elitäre Gruppe.69 Ein wesentlich größeres Publikum erreichte das von den Mitgliedern des Ritterordens zur Schau getragene Ordensabzeichen, die Kette mit dem goldenen Wurzelanhänger. Diese wurde wahrscheinlich bei öffentlichen Veranstaltungen getragen; als visuelles Zeichen der personellen Bindung zwischen Bedford und den Ordensmitgliedern war sie zudem nicht auf den Handlungsraum des Regenten beschränkt, sondern erstreckte sich über die jeweiligen Handlungsräume ihrer Träger bis nach Burgund und Italien. Dabei diente sie natürlich nicht nur der politischen Repräsentation des Regenten, sondern ebenso der jeweiligen Ordensmitglieder. Wieder anders gestaltete sich der Rezipientenkreis der im Rahmen von Zeremonien und militärischen Aufmärschen bildlich vermittelten Botschaften: Während sich die Inszenierung von Bedfords politischer Rolle beim Begräbniszug Karls VI. oder der österlichen Präsentation der Passionsreliquien in der SainteChapelle in erster Linie an die Pariser Öffentlichkeit und die dortigen Machthaber richtete, wurde seine Aufmachung im Rahmen militärischer Einzüge, wie 1424 bei Ivry, von den eigenen, verbündeten und gegnerischen Soldaten sowie der eroberten Bevölkerung gesehen. Wie bereits in Bezug auf die bildliche Inszenierung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs kein übergreifendes Programm festgestellt werden konnte, lassen sich auch für die Darstellung der Rolle des Herzogs von Bedford im politischen Gefüge lediglich einzelne Maßnahmen und keine bildpolitische Strategie nachweisen. Explizite Hinweise auf eine Inszenierung des Regenten als Erbe und potentieller Nachfolger seines Neffen Heinrich VI. können nicht ausgemacht werden, 69 Zur

Sichtbarkeit heraldisch verzierter, der privaten Andacht dienender Gebetbücher vgl. Hablot, La „mise en signes“, bes. S. 34.

174  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Bedfords inszenierter Herrschaftsanspruch scheint nicht über die temporäre Vertretung des Königs für den Zeitraum seiner Minderjährigkeit hinausgegangen zu sein. Selbst im zeremoniellen Zeigen des Wahren Kreuzes in der Sainte-Chapelle führte er letztendlich lediglich seine Funktion als Stellvertreter aus – wenn auch zweifelsohne nicht eben bescheiden, sondern mit Sinn für Pracht und öffentlichkeitswirksame Spektakel.

3.2. „Vostre humble servant“.70 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France Im Folgenden soll untersucht werden, ob und auf welche Weise Gefolgsleute Heinrichs VI., die mit der Durchsetzung der Lancaster-Herrschaft in Frankreich betraut waren, Bilder nutzten, um ihre jeweilige Position in der englischen Frankreich­ politik zum Ausdruck zu bringen, beziehungsweise welche übergreifenden Muster abgelesen werden können. Der öffentlichkeitswirksame Einsatz von Bildern ist anhand erhaltener Werke oder Schriftquellen für die Personen nachweisbar, die maßgebliche politische Positionen bekleideten und bereits im Kontext der Visualisierung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. in den Blick genommen wurden: Richard Beauchamp, John Talbot und John Fastolf.

3.2.1. Richard Beauchamp Bereits mehrfach wurde die politische Bedeutung Richard Beauchamps, des Grafen von Warwick, angesprochen, sowohl in Bezug auf die Durchsetzung und Ausführung der Lancaster-Herrschaft in Frankreich als auch auch seinen Einfluss im direkten Umfeld Heinrichs VI. Als enger Gefolgsmann Heinrichs V. wurde er nach dessen Tod 1422 zum Tutor des jungen Thronerben und Mitglied des Kronrates ernannt und in den folgenden Jahren mit einer ganzen Reihe verantwortungsvoller diplomatischer Missionen und militärischer Posten betraut. Darüber hinaus war er in exponierter Stellung in wichtige politische Zeremonien wie die beiden Krönungen Heinrichs involviert. Der Pas d’Armes bei Guînes Aufschlussreich für seine Selbstdarstellung anhand von Bildern in öffentlichkeitswirksamen Zeremonien ist der von Beauchamp ausgerichtete Pas d’Armes bei Guînes, südlich von Calais, in der Mitte der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt seiner Karriere.71 Die detaillierteste Beschreibung des Turniers liegt in dem in den späten 1460er Jahren von William Ebesham 70 Widmungsinschrift

des Shrewsbury Book, London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v. Turnier siehe vor allem Liu, Uses of Romance; außerdem Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 11 f., 106–113; Marks, Beauchamp Chapel, S. 164. Die Datierung des Pas d’Armes ist umstritten und schwankt zwischen Januar 1413 und Dezember 1415.

71 Zum

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  175

für John Paston kompilierten sogenannten Grete Boke vor.72 Vergleichsweise viel Raum nimmt das Turnier auch im in den 1480er Jahren entstandenen Beauchamp Pageant ein.73 Dem Bericht Ebeshams zufolge hatte der Graf von Warwick bei Guînes einen Pavillon errichten lassen und einen Herold ausgesandt, um drei französische Ritter, „borne Gentilman of name and Armes withoute Reproche with[in] the Reem of ffraunce“, zum Zweikampf mit einem englischen Ritter herauszufordern.74 Die drei von Herold ausgehändigten Briefe hätten detaillierte Informationen zur jeweiligen Form des Zweikampfes und dem jeweiligen Pseu­ donym der englischen Ritter beinhaltet und seien mit unterschiedlichen Wappen versiegelt gewesen: Das erste sei „Siluir with the maunchet of Goules“, das zweite „Siluyr with twey barris of Goules“ und das dritte „quarterly golde & goules borduredd with siluyr and azure verrid“ gewesen.75 Drei französische Ritter – Gerard de Herbaumes, Hue de Lannoy und Colart de Fiennes – seien der Aufforderung nachgekommen und hätten sich, ebenfalls unter Verwendung von Pseudonymen, an drei aufeinanderfolgenden Tagen zum Kampf gestellt. Sie alle seien besiegt worden, und im Anschluss an den dritten Zweikampf sei enthüllt worden, dass es sich bei den vorgeblich drei englischen Rittern um nur eine Person, nämlich ­Richard Beauchamp, gehandelt habe. Dieser habe die französischen Ritter anschließend reich beschenkt und ein fürstliches Mahl ausgerichtet, bei welchem die von ihm im Turnier verwendeten Wappen, die den auf den Siegeln der Briefe gezeigten Wappen entsprachen, präsentiert worden seien. Alle zur Schau gestellten heraldischen Bilder können mit Wappen identifiziert werden, die von Beauchamps namhaften Vorfahren – den de Tosnys, den Mau­ duits of Hanslope und den FitzJohn FitzGeoffreys – verwendet wurden. Der Graf von Warwick nutzte das Turnier also zunächst, um seine illustre Abstammungs­ linie zu inszenieren.76 Dass er selbst seine Identität erst am dritten Tag, durch die Zurschaustellung seines eigenen Wappens und das Zeigen seines Gesichts, zu erkennen gab, machte seinen Auftritt und damit seine Selbstinszenierung, wie Yin Liu zurecht hervorhebt, umso spektakulärer.77 Darüber hinaus konnte er sich gegenüber den Teilnehmern und Zuschauern des Turniers zugleich als fähiger Krieger 72 London, BL, Lansdowne

MS 285. Der betreffende Text befindet sich auf fol. 16r–17v und trägt die Überschrift „The challenge of an Auncestre of therle of Warrewik“. Siehe hierzu Liu, Uses of Romances, S. 273–282; Lester, ‚Grete Boke‘, bes. S. 98–102; MacCracken, Earl of Warwick’s Virelai, S. 599–604. Der Text wurde ebd., S. 601–603 ediert. Zur Quelle siehe außerdem Catalogue of Lansdowne Manuscripts, Nr. 285, S. 99; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 290; Meale, Patrons, Buyers and Owners, S. 219 f. 73 London, BL, Cotton MS Julius E. IV, art. 6, fol. 14v–16r. Siehe Alexandra Sinclairs FaksimileEdition der Handschrift: Beauchamp Pageant, S. 106–113. Zu weiteren Quellen siehe Liu, Uses of Romance, S. 274 f. 74 London, BL, Lansdowne MS 285, fol. 16r. 75 Ebd., fol. 16r–v. 76 Siehe hierzu im Detail Sinclairs Anmerkungen in Beauchamp Pageant, S. 108, 111; Liu, Uses of Romances, S. 277 f. mit Anm. 32. 77 Ebd., S. 276  f. Zum Topos des seine Identität verhüllenden Helden in mittelalterlichen Ritterromanen siehe auch Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 12; Crane, Performance of Self, S. 125– 139.

176  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater und – durch die großzügige Beschenkung und Bewirtung der besiegten Franzosen – generöser, in den höfischen Gepflogenheiten versierter Ritter präsentieren. Er bewarb damit sowohl seine militärischen als auch seine höfisch-diplomatischen Fähigkeiten gegenüber der französischen und englischen Aristokratie. Diese Fähigkeiten sollten ihm als loyalem Gefolgsmann des wenige Monate später zum englischen König gekrönten Heinrich V. bei dessen Unternehmungen in Frankreich in den folgenden Jahren und hieran anschließend als hochrangiges Mitglied der Regierung Heinrichs VI. zu großem Ruhm verhelfen. Beauchamps Grablege in Warwick als Medium der Selbstdarstellung? Abgesehen von den bei Guînes genutzten Bildern sind zwar mehrere mit Beauchamps Auftrag in Verbindung zu bringende Kunstwerke erhalten oder rekon­ struierbar, es existieren jedoch keine Hinweise auf eine Instrumentalisierung dieser zur Visualisierung seiner Position innerhalb des politischen Geschehens auf dem Kontinent. Mit dem sogenannten Beauchamp Pageant liegt eine illuminierte Handschrift vor, die seine politische Rolle überaus anschaulich in Wort und Bild zum Ausdruck bringt, ihre Anfertigung wird allerdings dem Auftrag seiner mit Richard Neville verheirateten Tochter Anne zugewiesen und in die 1480er Jahre und damit in den politischen Kontext der ausklingenden Rosenkriege, verortet.78 Etwas komplizierter stellt sich die Frage nach der treibenden Kraft hinter der Gestaltung der Grabkapelle des Grafen in Saint Mary in Warwick dar: Die Grundsteinlegung erfolgte vier Jahre nach seinem Tod im Jahr 1443, und im Jahr 1462 wurden die Bauarbeiten an Kapelle und Grabmal abgeschlossen.79 Architektur und Ausstattung sind reich mit dem Beauchamp-Bär und dem ragged staff sowie dem Despencer-Greif verziert, daneben spielt der Schwan, vermutlich ein Hinweis auf die legendäre Abstammung der Beauchamps vom sagenhaften hochmittelalterlichen Schwanenritter, eine Rolle.80 Das Grabmal, bestehend aus einer Tumba, einer Grabplatte aus Purbeck-Marmor sowie einer Liegefigur des Verstorbenen aus vergoldeter Bronze, wurde zwischen 1447 und 1457 errichtet und wird von einem Gerüst, das mit den Wappen der Familie Beauchamp und nahestehen78 Zum

Beauchamp Pageant siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 13–24; Sanna, Tra immagini e parole; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 137, S. 355–359; dies., Caxton Master, S. 55–66; Lowry, John Rous, S. 337 f. 79 Zur Grabkapelle und ihrer umfassenden Forschungsgeschichte siehe etwa Marks, Beauchamp Chapel; Monckton, Beauchamp Chapel; Lindley, Gilt-bronze Effigies, S. 120–123; ders., Effigy of Richard Beauchamp; McGee Morganstern, Gothic Tombs, S. 133–141, 192– 194; Munby, Funeral Car. Siehe außerdem den detaillierten Touristenführer zur Kapelle Brindley, Collegiate Church of St Mary. Die folgenden Ausführungen wurden bereits in ähnlicher Form in Crispin, Kunst als Medium, S. 8–13 publiziert. Die Baugeschichte kann anhand von im Jahr 1730 von William Dugdale publizierten Verträgen mit Künstlern und Architekten weitgehend rekonstruiert werden, Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 445–447. 80 Zur Bedeutung des Schwanenritters für die Beauchamps siehe Mason, Legends, S. 26–28; Taylor, Treatise Cycle, S. 149  f.; Wagner, Swan Badge, bes. S. 127–129; Liu, Uses of Romance, S. 271; Crane, Performance of Self, S. 116.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  177

der Familien verziert ist, überfangen.81 Eine zweireihige, um die Grabplatte verlaufende Inschrift beschreibt, wie Beauchamp nach seinem Tod von Rouen nach Warwick überführt worden war und dort zunächst provisorisch bestattet wurde, um seinem Testament gemäß nach Fertigstellung der Kapelle „by him devised in his lief“ in dieser beigesetzt zu werden.82 14 Nischen mit Pleurants aus vergoldeter Bronze gliedern die Tumba, die Trauernden können anhand von beigegebenen Wappen als die fünf Kinder Beauchamps und deren Ehepartner sowie die Schwiegereltern seines Sohnes Henry und seiner Tochter Anne, der Graf von Salisbury und dessen Ehefrau, identifiziert werden. Aufschlussreich ist auch die leider schlecht erhaltene und bezüglich ihres ursprünglichen ikonografischen Programms nur in Teilen rekonstruierbare Glasmalerei der Kapelle, insbesondere das dreiteilige Ostfenster. Hier waren offenbar ehemals der Graf, begleitet von seinen zwei Ehefrauen und fünf Kindern, in Anbetung einer Kreuzigung Christi sowie sein Motto „Louey Spencer tant que vivray“ dargestellt, außerdem die im englischen Spätmittelalter sehr populären Heiligen Thomas von Canterbury und Alban, sowie die vor allem von den Angehörigen und Anhängern des Hauses Lancaster verehrten Heiligen John von Bridlington und Winifred von Shrewsbury, jeweils hinterfangen von einem dekorativen Muster aus Bären und ragged staves (Farbabb. 40).83 Es ist nicht eindeutig zu klären, ob und inwieweit Beauchamp selbst Angaben zur Gestaltung seiner Grablege gemacht hatte, die über die vagen Verfügungen in seinem Testament zur Verortung des provisorischen Sargs wie auch des Grabmals „in der Mitte der Kapelle“ und den Hinweis, dass diese „gut, schön und ordentlich gebaut“ sein solle, hinausgingen.84 Die Inschrift auf der Grabplatte, dass er die Kapelle „zu seinen Lebzeiten erdacht“ habe, lässt annehmen, dass er zumindest an den Grundzügen beteiligt gewesen war. Die Fertigstellung der Kapelle ­erstreckte sich jedoch über fast 20 Jahre, und gerade die Glasmalerei und die ­heraldischen und figurativen Bestandteile des Grabmals wurden zum Großteil erst mehr als eine Dekade nach Beauchamps Tod hergestellt. In der Forschung herrscht heute weitgehende Einigkeit über die Zuschreibung weiter Teile der iko81 Zum

Grabmal siehe Lindley, Gilt-bronze Effigies, S. 120–123; ders., Effigy of Richard Beauchamp; Munby, Funeral Car, S. 279–284; McGee Morganstern, Gothic Tombs, S. 133–141, 192–194. 82 Auszüge der Grabinschrift: „The which body [Beauchamp’s] with grete deliberacon and ful worshipful conduit bi see and by lond was broght to Warrewik the III day of October the yer above seide [1439] and was leide with ful soleime exequies in a feir chest made of stone in this churche afore the west dore of this chapel according to his last wille and testament therin to reste til this chaple by him devised in his lief were made. Al the whuch chapel founded on the rooch and alle membres therof his executors dede fully make and aparaille by the same auctorite the dide translate fful worshipfully the seide body into the voute aboveseide.“ Zur vollständigen Transkription der Inschrift siehe Brindley, Collegiate Church of St Mary, S. 6 f. 83 Zur Glasmalerei siehe vor allem ebd., S. 7  f.; Marks, Beauchamp Chapel, S. 169–174; ders., Thomas Becket; White, Stained Glass of the Beauchamp Chapel. Insb. zur Verehrung der vier Heiligen siehe ebd., S. 140 f.; Marks, Beauchamp Chapel, S. 169–171. 84 Historia vitae et regni Ricardi II, S. 240  f.: „there be made a Chappell of our Lady, well, faire, and goodly built, within the middle of which Chappell I will, that my Tombe be made“.

178  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater nografischen Gestaltung der Kapelle an Beauchamps Tochter Anne als Hauptverantwortliche – nicht zuletzt wegen der prominenten Inszenierung der Familie ihres Ehemanns Richard Neville im Bildprogramm der Tumba und der Dominanz der heraldischen Zeichen ihrer Mutter Isabel Despencer gegenüber jenen der ersten Ehefrau Beauchamps, Elizabeth Berkeley.85 Wie Richard Marks jedoch überzeugend herausstellt, handelt es sich bei dem Ensemble der Grablege keineswegs um ein einheitlich konzeptualisiertes Gesamtkunstwerk, sondern um das komplexe Ergebnis eines langwierigen Prozesses, auf den die sich wandelnden politischen Rahmenbedingungen ebenso einwirkten wie die unterschiedlichen Repräsentationsstrategien der jeweils Verantwortlichen.86 Laut Marks gehen die im Ostfenster abgebildeten Heiligen, die Beauchamp als Anhänger der Lancaster ausweisen, auf den Wunsch des Grafen zurück.87 Gestützt wird diese Vermutung durch testamentarisch von Beauchamp verfügte Stiftungen kostbarer Bildwerke an die Kultstätten der Heiligen in St. Albans, Canterbury, Shrewsbury und Bridlington.88 Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Heiligendarstellungen in Beauchamps Grabkapelle auf seinen ausdrücklichen Wunsch zurückgehen, weist dies lediglich auf seine Nähe zum kulturellen Umfeld der Lancaster, eine gezielte politische Selbstrepräsentation als deren Diener im besetzten Frankreich lässt sich kaum ablesen. Die wenigen überlieferten Hinweise auf eine Nutzung von Kunst und Bildern zur Selbstdarstellung betreffen vielmehr die Erhöhung familiärer Traditionen des Grafen und insbesondere der Grafschaft Warwick. So bedachte er neben Saint Mary in Warwick, der Grablege seines Vaters und Großvaters, weitere religiöse Institutionen in den Ländereien seiner Familie und der Familie seiner zweiten Ehefrau, Isabel Despencer, mit Stiftungen, etwa die Chantry Chapel in Elmley Castle 85 In

den von Dugdale zitierten Verträgen mit den beteiligten Künstlern werden als Auftraggeber für die einzelnen Arbeitsschritte die Testamentsvollstrecker Beauchamps genannt, Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 445–447. Es handelt sich um eine Gruppe von sieben, vorwiegend aus dem lokalen Umfeld stammenden Personen, die Beauchamps letzten Willen seinem Testament zufolge „joyntly togeather to the oversight and assent of [his] Wife“ ausführen sollten, Historia vitae et regni Ricardi II, S. 248. Vgl. zur Testamentsvollstreckung auch Hicks, Kingmaker, S. 32–36; ders., Beauchamp Trust; Marks, Beauchamp Chapel, S. 164, 174–176; Lowry, John Rous, S. 332 f. Isabel Despencer überlebte ihren Ehemann nur um wenige Monate, es ist also davon auszugehen, dass die Verantwortung über die Ausführung der Arbeiten an seine Kinder übertragen wurde. Die Dominanz der Nevilles im Bildprogramm des Grabmals wiederum spricht für Henry oder Anne, ersterer verstarb allerdings bereits 1446, also vor dem Beginn der Arbeit am Grabmal, was Anne als Hauptverantwortliche zurücklässt, vgl. hierzu etwa Marks, Beauchamp Chapel, S. 173–182; Monckton, Beauchamp Chapel, S. 38–41; McGee Morganstern, Gothic Tombs, S.  136 f.; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 5. Allgemein zur Kunstpatronage Annes siehe ebd., S. 13–24; Lowry, John Rous, S. 337 f.; Ross, Rous Roll, Introduction, S. xiv–xviii; Scott, Caxton Master, S. 61– 65; Payne, The Beauchamps and the Nevilles. 86 Marks, Beauchamp Chapel, bes. S. 181  f. 87 Ebd., S. 169–171, 173  f. Hierzu auch White, Stained Glass of the Beauchamp Chapel, S. 138– 142. 88 Historia vitae et regni Ricardi II, S. 246  f., zitiert oben, Kap. 1.2.2. Zur Stiftung siehe Marks, Beauchamp Chapel, S. 169–171; McFarlane, Nobility, S. 200.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  179

und die Abtei von Tewkesbury.89 Überdies lassen sich verschiedene Maßnahmen zur Förderung des Kults um Guy von Warwick, den legendären Ahnherren der Familie Beauchamp, nachweisen, die noch zur Sprache kommen werden.90

3.2.2. John Talbot Besonders gut lässt sich die bildliche Selbstinszenierung im politischen Gefüge der englischen Herrschaft in Frankreich im Falle John Talbots greifen. Vom Abschluss des Vertrags von Troyes im Jahr 1422 bis zu seinem Tod in der letzten großen Schlacht des Hundertjährigen Krieges im Juli 1453 in Castillon verbrachte Talbot den bei weitem größten Teil seiner Zeit in Lancastrian France und entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einem der erfolgreichsten und renommiertesten militärischen Kommandeure auf englischer Seite. Auch der Schwerpunkt seiner mäzenatischen Tätigkeit lag im besetzten Frankreich, insbesondere der Normandie. Mit dem 1445 in Rouen in seinem Auftrag für Marguerite d’Anjou kompilierten Shrewsbury Book ist eine illuminierte Handschrift erhalten, die gleich eine ganze Reihe hochinteressanter Anhaltspunkte zu seiner Selbstdarstellung im internationalen politischen Kontext bietet und daher für die vorliegende Frage zentral ist (Kat. 13). Der Graf und die Gräfin von Shrewsbury beim Empfang der Prinzessin Marguerite d’Anjou Das Shrewsbury Book wurde der französischen Prinzessin Marguerite d’Anjou vermutlich im März 1445 in Rouen überreicht. Die Übergabe des prestigeträchtigen Geschenks steht damit in engem Zusammenhang mit einem zeremoniellen Ereignis, an dem Talbot und seine Ehefrau Margaret Beauchamp in prominenter Posi­ tion teilnahmen, nämlich dem prunkvollen Empfang der Prinzessin in der normannischen Hauptstadt. Ausführlich beschrieben wird das Ereignis von Mathieu d’Escouchy, der auf die beteiligten Akteure und ihre Kleidung wie auch die vom König gesendeten Brautgeschenke, unter anderem ein prachtvolles Ross, dem ein reich geschmückter Wagen folgte, eingeht.91 Auf dem Wagen standen dem Chronisten zufolge die Gräfinnen von Suffolk, Shrewsbury und Salisbury, die den Hofstaat der Königin bildeten; flankiert wurde der Wagen vom Herzog von York und vom Grafen von Shrewsbury, während der Graf von Suffolk ihm als Repräsentant König Heinrichs VI. voranritt.92 Die hervorgehobene Rolle Talbots und seiner Ehe89 Zu

Beauchamps Stiftungen und entsprechenden Literaturverweisen siehe oben, Kap. 1.2.2. oben, Kap. 1.2.2 und unten, Kap. 3.4.3. 91 D’Escouchy, Chronique, Kap. 12, S. 85–88. Zur Teilnahme Talbots und Margaret Beauchamps am Empfang und der Eskorte Marguerites siehe Pollard, John Talbot, S. 61; Ramsay, Lancaster and York, Bd. 2, S. 63 f.; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 110–112. 92 D’Escouchy, Chronique, Kap. 12, S. 89: „Auquel [chariot] estoient la dessusdicte comtesse de Suffort, lesdictes dames de Talbot et de Salsbery […]. Et au plus près d’icellui chariot estoit ledit duc d’Yorcq d’ung costé, et le seigneur de Talbot de l’autre, tenans manière comme se la Royne eust esté dedens. Et ledit comte de Suffort alloit chevaulchant devant ledit chariot, ­representant la personne du Roy d’Engleterre“. 90 Siehe

180  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater frau beim Empfang der französischen Prinzessin wird deutlich: Sie waren den einflussreichsten englischen Machthabern der Zeit gleichgestellt, lediglich Suffolk, der die Eheschließung und den damit in Verbindung stehenden Friedensschluss maßgeblich forciert hatte, nahm eine prominentere Position ein.93 Auch an der Eskorte der Prinzessin von Rouen nach England war das Ehepaar Talbot laut d’Escouchy beteiligt, zuvor jedoch verbrachten sie das Osterfest mit ihr in Rouen, und es ist anzunehmen, dass hier die Schenkung des Shrewsbury Book erfolgte.94 Talbots politische Selbstpositionierung im Shrewsbury Book Bereits unabhängig von den textlich und bildlich vermittelten Inhalten stellte das Shrewsbury Book sicherlich ein hochwirksames Mittel der politischen Selbstrepräsentation dar.95 Hierfür sprechen der Umfang und die Größe von circa 47,5 x 33,5 Zentimetern sowie der Aufwand der malerischen Ausstattung. All dies war zweifelsohne mit hohen Kosten verbunden und brachte die Finanzkraft und damit implizit den Einfluss des Schenkenden zum Ausdruck. Die Kompilation der Handschrift erfolgte sehr wahrscheinlich in großer Eile; vermutlich nur ein Teil der ausgewählten Texte und ihrer dekorativen Ausstattung war überhaupt gezielt zum Zweck der Schenkung angefertigt worden, während etliche Texte ursprünglich für andere Zwecke produziert worden waren und erst anlässlich der Schenkung mit mehr oder weniger großem Aufwand adaptiert wurden.96 Allein die Tatsache, dass man sie auswählte und in das prunkvolle Buchgeschenk integrierte, macht die betreffenden Texte jedoch interessant für die vorliegende Frage, wurden sie doch dadurch zum Bestandteil von Talbots politischer Botschaft. Abermals ist die Widmungsdoppelseite besonders aufschlussreich (Farbabb. 13, 14): In der Widmungsminiatur wird die Übergabe des Buches durch den Grafen von Shrewsbury an die junge Königin gezeigt (Abb. 17).97 Er kniet, gewandet in einen prachtvollen roten, mit dem Symbol des Hosenbandordens verzierten Umhang und begleitet von dem weißen Talbot-Hund, vor dem von Höflingen umgebenen königlichen Paar und reicht Marguerite das Buch.98 Um den Hals trägt er die Kette der Parteigänger der Lancaster. Die Architektur, in der die Szene ange93 Zur

politischen Position Suffolks in den 1440ern siehe Carpenter, Wars of the Roses, S. 94– 115; Watts, Henry VI, S. 216–254; Vale, English Gascony, S. 114–136; Griffiths, Henry VI, S. 275–294, 443–550; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 45–47, 259–264, 278–280. 94 D’Escouchy, Chronique, Kap. 12, S. 90. Die Reise nach England und der Empfang in London werden zudem detailliert beschrieben in den Brut Chronicles, S. 488 f. 95 Zum Shrewsbury Book und den politischen Umständen seiner Schenkung siehe vor allem Rey­ nolds, Shrewsbury Book; Taylor, Treatise Cycle; Hedeman, Role of the Visual; Fresco, Livre des fais d’armes; Pérez-Simon, Mise en roman, S. 500–513, 597–601; Frankis, Taste and Patronage. 96 Vgl. Reynolds, Shrewsbury Book, S. 110, 113  f.; Pérez-Simon, Mise en roman, S. 503–505. 97 Bossy, Arms and the Bride, S. 241–244 stellt fest, dass Talbot hier die Position einnimmt, die üblicherweise von Autoren oder Übersetzern in Widmungshandschriften bekleidet wird. Hierdurch werde nicht nur seine Rolle als Diener des königlichen Paares, sondern auch als inhaltlicher Planer und Kompilator des Geschenkes betont. 98 Üblicherweise ist der zeremonielle Mantel der Ordensmitglieder blau, siehe Begent und Chesshyre (Hrsg.), Order of the Garter, S. 148 f. Warum Talbot einen roten Umhang trägt, konnte bisher nicht geklärt werden.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  181

siedelt ist, wie auch die Bordürendekoration dieser und der gegenüberliegenden Seite sind reich mit den heraldischen Symbolen Englands und Frankreichs, der englischen Armee und des Hosenbandordens sowie der Grafschaft Anjou verziert. Auf die Empfängerin der Handschrift verweisen neben den in ungewöhnlich großer Zahl auf der Doppelseite auftretenden Margeriten ihr prominent positioniertes Wappen.99 Es findet sich in der Bordürendekoration von Folio 2v unterhalb des Widmungstextes und in der äußeren Bordüre von Folio 3r, hier in Form eines von der Lancaster-Antilope getragenen Banners, um dessen Stange eine Schriftrolle mit dem Lancaster-Motto „Dieu est mon droit“ gewickelt ist.100 Zudem sind mehrere in der Kompilation enthaltene Texte mit heraldischen Hinweisen auf sowohl den Schenkenden als auch die Empfängerin des kostbaren Buches ausgestattet: Zum Teil im Zuge der ursprünglichen Anfertigung der Texte, zum Teil nachträglich fügte man die Wappenstandarte des Grafen von Shrewsbury sowie eine seinen Wappenrock tragende Figur, die eine Standarte mit dem Wappen Marguerites d’Anjou hält, in die floralen Bordüren ein. Hiermit war vermutlich der Graf selbst gemeint (Farbabb. 15, 16; Abb. 19).101 Seine Rolle als Gefolgsmann und Unterstützer der zukünftigen Königin von England und Frankreich wird somit in der gesamten Handschrift bildhaft inszeniert. Sein eigenes Wappen tritt überdies medaillonartig von einem Hosenband eingefasst auf dem unteren Seitenrand der Widmungsseite auf.102 Es befindet sich links von einer Schriftrolle mit einem Gedicht, in welchem Talbots Motto „Mon seul desir“ integriert wurde und welches das Anliegen des Grafen, dem Königspaar bis zu seinem Tod treu zu dienen, abermals deutlich macht.103  99 Margeriten

gehören zwar zum üblichen dekorativen Fundus der nordfranzösischen Bordürenmalerei der Zeit, ihre auf der Widmungsdoppelseite und auch anderweitig in der Kompilation feststellbare Häufung weist jedoch auf ihre Deutung als Symbol der Prinzessin. Zu ihrer Verwendung von Margeriten als persönliches Symbol siehe Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109 und die dortigen Anmerkungen. Hedeman, Role of the Visual, S. 109 zieht in Erwägung, dass die Margeriten nicht nur auf Marguerite d’Anjou, sondern auch auf Margaret Beauchamp verweisen sollten und dadurch das Ehepaar Talbot neben dem Königspaar inszeniert werden sollte. Hiergegen spricht jedoch, dass Margaret Beauchamp ansonsten überhaupt keine Rolle im dekorativen und heraldischen Programm der Kompilation spielt. Es ist vielmehr Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109 folgend zu vermuten, dass Margaret, die wie beschrieben eine große Rolle in der Eskorte der französischen Prinzessin spielte, ein eigenes Geschenk für diese hatte. 100 Zur Nutzung des Mottos „Dieu est mon droit“ durch die englischen Könige siehe Hablot, La devise, Bd. 1, S. 338, Bd. 2, S. 638. 101 Hierfür spricht der Umstand, dass die Figur Rüstung und Langschwert trägt. Für diesen Hinweis danke ich Torsten Hiltmann. Siehe zur Einfügung der Bannerträger Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113. 102 Die hier auftretende Form des Wappens unterscheidet sich von der ansonsten von Talbot verwendeten Form insofern, als dass man sich hier auf einen gevierten Schild mit einem goldenen Löwen auf blauem Grund im ersten und vierten Feld und einem goldenen Löwen auf rotem Grund im zweiten und dritten Feld sowie das aufgelegte Beauchamp-Wappen beschränkte. Üblich ist die wesentlich komplexere, z. B. in den Stundenbüchern Talbots auftretende Variante. Warum man sich hier für die schlichte Wappenvariante entschied, ist unklar. 103 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v: „Mon seul desir / Au Roy et vous / E[s]t bien servir / Jusqu’au mourir / Ce sachent tous / Mon seul desir / Au Roy et vous.“

182  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Besonders anschaulich wird die Intention des Grafen in der Widmungsinschrift zum Ausdruck gebracht: Nach dieser sollte die Schenkung zunächst zum Ehr­ gewinn Talbots „in Frankreich, in England und weiteren Ländern“ beitragen.104 Daneben sollte die Kompilation der Prinzessin die Zeit vertreiben und ihr helfen, das Französische nicht zu vergessen, sie über die großen Taten vergangener Helden informieren und dadurch zu gutem Betragen inspirieren. Wie bereits diskutiert, nimmt der Graf von Shrewsbury darüber hinaus auf die aktuelle politische Situation Bezug und propagiert die Ansprüche Heinrichs VI. auf die französische Krone über seine Abstammung von Ludwig IX.105 Abschließend äußert er den Wunsch, dass das junge Königspaar seine beiden Reiche lange, erfolgreich, „en paix et en trasquilite“ regiere und dem König der Sieg über seine Feinde beschert werde.106 Sich selbst bezeichnet der Graf als „demütigen Diener“ der Prinzessin.107 Höchstwahrscheinlich bezog er diese Rolle nicht nur auf seine in der Widmungsinschrift in Worte gefassten Dienste – die Unterhaltung, Information und Inspiration Marguerites –, sondern spielte auch auf seine Funktion in der Umsetzung der formulierten politischen Ansprüche an, also seine Unterstützung des königlichen Paares in administrativen und militärischen Belangen in Lancastrian France. Diese Annahme wird durch die einleitende Miniatur des vorletzten Textes der Kompilation, Christine de Pizans Livre des Fais d’Armes et de Chevalerie (Folia 405r–438v), gestützt, in der die Erhebung Talbots in ein militärisches Amt dargestellt wird (Farbabb. 17):108 Der englische König sitzt auf einem von hochrangigen Adligen flankierten Thron und reicht dem zu seiner Linken knienden Grafen ein Schwert. Von rechts nähert sich Talbots anhand des Wimpels mit dem weißen Talbot-Hund identifizierbares militärisches Gefolge in voller Rüstung. Von links nähern sich weitere Höflinge, von denen der vorderste eine Schriftrolle – vermutlich die die Amtserhebung dokumentierende Urkunde – in der Hand hält. Welches Amt gemeint ist, konnte bislang nicht geklärt werden, eventuell handelt es sich um die Verleihung der Grafschaft von Shrewsbury oder die Erhebung zum Marschall von Frankreich.109 In jedem Fall liegt hier ein wichtiger Anhaltspunkt 104 Ebd.,

zitiert in Kat. 13, Anm. 173. Mit der Widmungsinschrift beschäftigen sich bspw. Rey­ Shrewsbury Book, S. 111 f.; Hedeman, Role of the Visual, S. 106–110; Taylor, Time of an Anthology, S. 121 f. 105 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v, die relevanten Stellen der Widmungsinschrift sind in Kat. 13, Anm. 173–175 zitiert. Siehe außerdem oben, Kap. 2.1.3, 2.1.4, 2.1.7 und unten, Kap. 3.3.2. 106 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v, zitiert in Kat. 13, Anm. 176. 107 Ebd.: „Le livre sans regard avoir / Si non sans plus au bon vouloir / Du conte vostre humble servant. / Que j’ai nomme ycy devant“. 108 Siehe hierzu Taylor, Treatise Cycle, bes. S. 137, 141  f.; Fresco, Livre des fais d’armes; Bossy, Arms and the Bride; Teague, Book of War. 109 Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 142 vermuten, dass Talbots Erhebung zum Connétable von Frankreich dargestellt wird, es ist jedoch nicht belegt, dass er dieses Amt jemals innehatte. Pollard, John Talbot, S. xi hält aufgrund des Schwertes die nur drei Jahre zurückliegende Verleihung der Grafschaft von Shrewsbury für wahrscheinlich. Reynolds, Shrewsbury Book, S. 110 und Bossy, Arms and the Bride, S. 251 hingegen nehmen an, dass die Erhebung zum Marschall von Frankreich gezeigt wird. Vgl. hierzu auch Fresco, Livre des fais d’armes, S. 161–165. nolds,

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  183

zur Selbstpositionierung Talbots im politischen Gefüge vor: Er zeigt sich als einer der Anführer der englischen Armee – als Diener des englischen Königs in kriegerischen Belangen. Der militärische Charakter seiner Funktion wird nicht nur durch sein zum Krieg gerüstetes Gefolge, sondern auch durch die Verbindung zum Text, einem praxisorientierten Traktat über das Rittertum, die Kriegsführung und das Kriegsrecht, verdeutlicht. Es fällt auf, dass Hinweise auf Marguerite d’Anjou in der Ausstattung der Fais d’Armes fehlen, und auch auf die Hinzufügung Talbots als Bannerträger der Prinzessin in der Bordürendekoration wurde hier verzichtet. Stattdessen fokussiert die Darstellung auf das Verhältnis zwischen dem Grafen von Shrewsbury und Heinrich VI.: Zum Dank für seine Dienste beziehungsweise in Erwartung weiterer Dienste erhält der Graf Amt und Schwert. Es ist denkbar, dass das Exemplar der Fais d’Armes ursprünglich für Talbot selbst oder sogar als Geschenk für Heinrich VI. vorgesehen gewesen war, im Zuge der Zusammenstellung des Brautgeschenks jedoch stattdessen in die Kompilation integriert wurde. Die Fokussierung auf den König stützt die Annahme, dass Marguerite nicht als alleinige Adressatin der durch das Buchgeschenk vermittelten Botschaften vorgesehen war, sondern dass ihr höfisches Umfeld und mit Sicherheit ihr Ehemann Heinrich ebenfalls angesprochen werden sollten und wurden.110 Der deutlich kriegerische Schwerpunkt der Textauswahl des Shrewsbury Book wurde bereits mehrfach festgestellt. In diesem Zusammenhang wurde außerdem der widersprüchliche Charakter der Kompilation in Bezug auf die Haltung des Auftraggebers zur Fortsetzung oder Beendigung der kriegerischen Unternehmungen in Frankreich hervorgehoben:111 Auf der einen Seite steht eine Fokussierung auf Traktate zur Kriegspraxis, auf der anderen Seite wird in der Widmungsinschrift der Wunsch nach einer friedlichen Regierung Englands und Frankreichs proklamiert. Nicht nur der militärpraktische Schwerpunkt der Handschrift, sondern auch die kriegerische Reputation und der Werdegang Talbots, für den kriegerische Konflikte bis ins hohe Alter zum Alltag gehörten, sprechen jedoch gegen die Annahme, dass eine zeitnahe friedliche Beilegung der Auseinandersetzungen in Frankreich dem Grafen von Shrewsbury ein besonders dringliches Anliegen gewesen wäre. Nicht zuletzt propagierte er mittels der Widmungsdoppelseite des Shrewsbury Book die Durchsetzung der Ansprüche Heinrichs VI. auf die französi110 Mit

der Frage des intendierten Empfängerkreises beschäftigen sich ebd., S. 165 f.; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111 f.; Hedeman, Role of the Visual, S. 106–113; Taylor, Treatise Cycle, S. 143–146; Taylor, Time of an Anthology. Betrachtet man Christine de Pizans Text und seine Bedeutung für den Grafen von Shrewsbury, ist noch ein weiterer Umstand beachtenswert: In einem Vergleich der erhaltenen illuminierten Handschriften der Fais d’Armes konnte Karen Fresco herausarbeiten, dass die einleitende Miniatur üblicherweise die Übergabe des Textes durch die Autorin darstellt; die Tatsache, dass im Falle des Shrewsbury Book Talbot dargestellt wird, ist demnach bemerkenswert. Offenbar legte der Graf hier besonderen Wert darauf, einen direkten Bezug zwischen seiner Person und dem Traktat herzustellen, Fresco, Livre des fais d’armes, S. 152–157 und Appendix II. 111 Siehe etwa ebd., S. 165  f.; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111–113; Taylor, Treatise Cycle, S. 146 f.; Payne, Shrewsbury Book, S. 182.

184  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater sche Krone noch zu einem Zeitpunkt, zu dem Karl VII. bereits seit langem die deutliche militärische Oberhand hatte. Er positionierte sich damit für eine Politik, die einen enormen militärischen Aufwand auf englischer Seite erforderte, ganz im Gegensatz etwa zum Grafen von Suffolk, der maßgeblich den Friedensschluss von Tours forciert und sich mit wesentlich weniger als der französischen Krone für Heinrich VI. zufrieden gegeben hatte.112 Darüber hinaus sei an die Inszenierung Gloucesters und Yorks als bildliche Stützen der Genealogie Heinrichs und damit seiner herrschaftlichen Ansprüche erinnert:113 Auch mit der bildlichen Instrumentalisierung der beiden Adligen stellte Talbot sich im innerenglischen Zwist über die Frage der Beilegung oder Intensivierung der militärischen Maßnahmen in Frankreich auf die Seite der Befürworter des Krieges. Die Selbstdarstellung Talbots in seinen Bildnissen im Shrewsbury Book und in seinen Stundenbüchern im Vergleich Im Folgenden sollen die Ansatzpunkte, die das Shrewsbury Book für die Selbstdarstellung John Talbots in Lancastrian France bietet, mit weiteren überlieferten zeitgenössischen Bildern des Grafen verglichen werden. Weder in der Fais d’ArmesMiniatur noch in der Widmungsminiatur des Shrewsbury Book ist Talbot selbst in Rüstung abgebildet; in ersterer trägt er stattdessen ein prächtiges pelzgesäumtes Gewand wie die Höflinge Heinrichs VI., in letzterer einen mit dem Symbol des Hosenbandordens verzierten Umhang. Darin weichen die beiden Abbildungen nicht nur von den Darstellungen Talbots als gerüsteter Bannerträger Marguerites ab, sondern auch von den Bildnissen des Grafen, die sich in den Stundenbüchern Talbots und seiner Ehefrau erhalten haben (Kat. 14a–c): In den Widmungsminiaturen der beiden Cambridger Stundenbücher wie auch in der Aberdeener Handschrift zeigt er sich in Rüstung und Wappenrock, in den Hours of Margaret Beauchamp – dem kleineren der beiden Cambridger Stundenbücher – liegt ihm z­ udem sein Helm zu Knien (Farbabb. 19, 21, 26).114 Die Cambridger Talbot Hours enthalten mit einer Miniatur, die eine nachträglich eingefügte Memoria des heiligen Ursinus von Bourges einleitet, ein weiteres Portrait Talbots (Folio 82r) (Farbabb. 20; Abb. 23). Auch hier trägt er Rüstung und Wappenrock und präsentiert sich somit als bereit für die Schlacht.115 Dass sich die Funktion und das intendierte Wirkungsumfeld des Shrewsbury Book und der drei Stundenbücher deutlich unterscheiden, steht außer Frage. Ersteres war für den höfischen Kreis um den König und die Königin von England 112 Zu

den verschiedenen innerenglischen Positionen zum Krieg mit Frankreich in den 1440ern siehe Vale, English Gascony, S. 114–132; Griffiths, Henry VI, S. 275–294, 443–520; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 241–267, passim; Carpenter, Wars of the Roses, S. 98–115; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 105–129. 113 Siehe oben, Kap. 2.1.7 und 2.1.8. 114 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950 (Talbot Hours), fol. 7v; MS 41-1950 (Beauchamp Hours), fol. 2v; Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 4v. 115 Zur Bedeutung des Wappenrocks und den mit dessen Anlegen verbundenen Pflichten siehe Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 350–359, bes. S. 351.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  185

und Frankreich gedacht und sollte vermutlich auch über diesen hinausgehend von politischen Machthabern im Umfeld des königlichen Paares gesehen werden, etwa bei der Übergabe in Rouen. Es war ein Medium der Unterhaltung und In­ struktion, vor allem jedoch der politischen Propaganda. Die Stundenbücher hingegen dienten der privaten Andacht, und die in ihnen enthaltenen Bilder waren in erster Linie für Talbot und seine Ehefrau sichtbar. Darüber hinaus waren sie vermutlich für sein engeres familiäres Umfeld und möglicherweise auch seinen Haushalt und ihm nahestehende militärische Gefolgsleute zugänglich.116 Sie sind daher vor allem für Talbots Selbstdarstellung gegenüber seinem familiären Umfeld aufschlussreich: Allem Anschein nach legte er hier einen gegenüber dem Shrewsbury Book stärkeren Fokus auf seine alltäglichen Verpflichtungen als aktiv am Kampfgeschehen beteiligter Soldat. Welch großen Einfluss die alltägliche Gegenwärtigkeit des Krieges auf seine Stundenbücher und seine religiöse Praxis im Allgemeinen hatte, zeigt sich insbesondere in den nachträglichen Hinzufügungen liturgischer Texte mit kriegerischen Schwerpunkten in den Cambridger Talbot Hours, wie beispielsweise dem englischen Kriegsgebet auf Folio 107v. In diesem ersucht der Betende Christus und den heiligen Georg um Sieg über seine Feinde und Erfolg in der Schlacht und bittet den heiligen Christopher um eine sichere Rückkehr nach England.117 Das Shrewsbury Book hingegen fokussiert weniger auf Talbots Rolle als einfacher Krieger als auf seine Funktion als Anführer von Soldaten, als Teilnehmer an politischen Entscheidungsprozessen auf Regierungsebene und als Autorität in militärisch-strategischen Belangen. Vordergründig bezeichnet er sich in der Widmungsinschrift und dem sein Motto aufnehmenden Gedicht als „humble servant“ des königlichen Paares und der englischen Regierung. Seine Bildnisse in der Widmungsminiatur, der einleitenden Miniatur der Fais d’Armes und insbesondere seine in der gesamten Kompilation auftretenden Darstellungen als Bannerträger Marguerites sowie nicht zuletzt seine prominente Position in der Eskorte der französischen Prinzessin weisen jedoch darauf, dass er seine Rolle in der Durchsetzung und Unterstützung der englischen Herrschaft keineswegs als bescheiden oder demütig, sondern als maßgeblich begriff und entsprechend in Form von Bildern und Zeremonien vermitteln ließ. 116 Hierfür

sprechen unter anderem textliche Analogien zu Gebetbüchern im Besitz von Talbots Schwager Henry Beauchamp, wie van der Velden, Prayer Roll, S. 539–541 herausstellen konnte. Siehe hierzu Kat. 12. Zur Sichtbarkeit heraldisch verzierter, der privaten Andacht dienender Gebetbücher vgl. Hablot, La „mise en signes“, bes. S. 34. 117 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 107v, zitiert unten, Kat. 14a–c, Anm. 228. Siehe hierzu Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 445; James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83, S. 224 f.; Duffy, Marking the Hours, S. 77–80. Die Selbstdarstellung als Krieger im Kontext privater Gebetbücher und damit die Betonung der engen Verflechtung der religiösen Praxis und des kriegerischen Alltags beschränkte sich keineswegs auf den Grafen von Shrewsbury. Sie lässt sich auch im Falle der Kommandeure William Oldhall und Thomas Hoo beobachten, die sich in ihren Stundenbüchern ebenfalls in Rüstung und Wappenrock darstellen ließen: London, BL, Harley MS 2900, fol. 55r; Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 192r. Vgl. unten, Kap. 3.4.1 und Kat. 18a–d.

186  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater

3.2.3. John Fastolf Während sowohl der Herzog von Bedford als auch die Grafen von Warwick und Shrewsbury seit Beginn der 1420er Jahre den Großteil ihres Lebens der Durchsetzung und Etablierung der Herrschaft Heinrichs VI. auf dem Kontinent widmeten und auch dort verstarben, stellt sich die Lage im Fall Sir John Fastolfs etwas anders dar. Im Jahr 1439, vier Jahre nach dem Tod des Regenten Bedford, dessen Haushalt er als Maître d’Hôtel vorgestanden hatte, kehrte Fastolf als fast 60-jähriger Kriegsveteran aus Frankreich zurück und verbrachte die letzten zwei Dekaden seines Lebens mit der Verwaltung seiner Güter und Ländereien in England. Zeitgenössische Hinweise auf Fastolfs Stiftungen, Kunst- und Bauaufträge stammen fast ausschließlich aus diesem Zeitraum, und auch der umfangreiche Bestand schriftlicher Quellen zu Luxusgütern in seinem Besitz datiert aus der Zeit nach seiner Rückkehr. So fehlen zwar Anhaltspunkte zur bildmedialen Selbstdarstellung Fastolfs während seiner Zeit in Lancastrian France, aussagekräftig für die vorliegende Arbeit sind die nach 1439 greifbaren Dokumente und Kunstwerke aber dennoch: Sie bieten Hinweise auf die Darstellung seiner Rolle als heimgekehrter Kriegsheld und seines verbesserten sozialen Status’ im Kontext lokaler und innerenglischer Zwiste in den 1440ern und 1450ern und geben somit über die retrospektive Inszenierung von Fastolfs militärischen Erfolgen in Frankreich Aufschluss. Verschiedene zeitgenössische Schriftquellen zeugen von Fastolfs Haltung gegenüber den kriegerischen Unternehmungen in Frankreich, und es besteht wenig Zweifel daran, dass er, ebenso wie Talbot, zu den Befürwortern der Fortsetzung des Krieges zählte. Erinnert sei an Fastolfs Stellungnahme zu den Friedensverhandlungen in Arras im September 1435 und an seine vermutliche Mitwirkung am kurz nach 1450 von William Worcester verfassten Boke of Noblesse und die hierin implizierte Kritik an der friedensorientierten Politik des Herzogs von Suffolk.118 Dass Fastolf seine eigene Rolle im Krieg in Frankreich als maßgeblich wahrnahm, geht zudem aus verschiedenen Briefen aus den 1450er Jahren hervor.119 118 Zu

Fastolfs Report von 1435 siehe oben, Kap. 1.4.1 sowie Brill, English Preparations; Vale, Fastolf ’s „Report“ of 1435; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 191; Dickinson, Congress of Arras, passim. Der Text wurde in Stevenson (Hrsg.), Letters and Papers, Bd. 2, Teil 2, S. 575– 585 ediert. Zum Boke of Noblesse siehe oben, Kap. 1.4.1 sowie Nichols, Boke of Noblesse, Introduction, S. lv–lvi; McFarlane, William Worcester, S. 210–215; Allmand und Keen, History; Allmand, France-Angleterre; Wakelin, Humanism, S. 93–125; Hughes, Stephen Scrope, S. 131 f., 135–146. Zu Fastolfs Kritik an der Politik der 1440er und zum Konflikt mit Suffolk siehe Allmand, Lancastrian Normandy, S. 208 f.; Smith, John Fastolf, S. 126–168; ders., Litigation and Politics, S. 63–73; Richmond, Paston Family. First Phase, S. 232–237; ders., Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 81–90. 119 Vgl. etwa den Brief vom 18. 11. 1456 an einen seiner Verwalter im Rahmen seiner Bemühungen um die Gründung des Colleges in Caister, Paston Letters and Papers, Bd. 2, Nr. 570, S. 168 f.: „I write now to remembre yow agayn to meve my lordes of Caunterbury and Wynchestre for the licence to be opteyned […] in recompence of my longe seruise contynued and doon vn-to the Kyng and to his noble fader, whom God assoile, and neuere yette guerdoonned or rewardid. And now sithe I haue ordeyned to make the Kyng foundour and euere to be praied for, and for his right noble progenitours, hise fader and vncles, me thinketh I shuld nought be denyed of my desire, but the rather to be remembrid and spedde.“ Ein

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  187

Die Inszenierung von Fastolfs Karriere im Wandteppich der Belagerung von Falaise Fastolfs schriftlich bezeugte Selbstwahrnehmung als Akteur, der in exponierter Stellung in der englischen Herrschaft in Frankreich zur Zeit Heinrichs V. und unter der Ägide des Herzogs von Bedford, in ihrer erfolgreichsten Phase, involviert war, lässt sich lediglich in einem einzigen Fall bildlich fassen und dies auch lediglich unter Vorbehalt: Offenbar besaß er einen Wandbehang, auf dem die erfolgreiche Belagerung von Falaise im Jahr 1418 unter Heinrich V. dargestellt war. Fastolf selbst hatte an den militärischen Unternehmungen des englischen Königs ab 1415 in der Normandie teilgenommen, und es ist nicht auszuschließen, dass er auch in Falaise zugegen gewesen war.120 Der Wandbehang wird in drei Inventaren der Ausstattung von Caister aufgeführt und schmückte die Westseite der „unteren Halle“ des Familiensitzes. Dies und die Tatsache, dass John Paston ihn noch im Jahr 1462 in seiner „Erinnerung“ als eines von wenigen Ausstattungsstücken eigens inhaltlich beschreibt, können dafür sprechen, dass er besonders auffällig war oder eine prominente Position einnahm.121 Es ist denkbar, dass Fastolf hier den militärischen Erfolg des Lancaster-Königs in Frankreich und vielleicht auch seine eigene Beteiligung an diesem inszenieren wollte. Die Zurschaustellung von Wohlstand und die Inszenierung familiärer Tradition Auch unabhängig von konkreten bildlichen Darstellungen brachte Fastolf seinen immensen sozialen Aufstieg und den finanziellen Gewinn durch seinen Dienst am Haus Lancaster in maßgeblicher Position ostentativ zum Ausdruck. So lässt sich anhand der Inventare seiner Anwesen ein umfangreicher Bestand an häufig aufwendig heraldisch verzierten Luxusgütern, wie Möbeln, Tapisserien und Prunkgeschirr, nachweisen.122 Sein Reichtum zeigt sich darüber hinaus in seiner kostbaren Handschriftensammlung, vor allem der reich ausgestatteten, im Jahr 1450 ferweiteres Beispiel, in dem Fastolf auf seine langjährigen Dienste für das Haus Lancaster verweist, findet sich in seinem Memorandum von 1452, in dem er sich als treuer Gefolgsmann des Königs beschreibt: Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 47, zitiert nach Richmond, Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 74: „the kynges trewe ligeman soo beynge and contynuyng sithe I hadde age of discrecion norischid and broughte forthe in the courtys and werrys of hym and the pryncys of blessid memorye his noble progenitours“. Siehe hierzu auch Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97; Thorpe, Writing and Reading, S. 275. 120 Zur Beteiligung Fastolfs an den militärischen Unternehmungen Heinrichs V. in Frankreich Harriss, Fastolf, Sir John, S. 134; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 292; Collins, Dispute over Patay, S. 115; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97. Zur Falaise-Tapisserie siehe oben, Kap. 1.4.2. 121 Der Wandbehang wird im Inventar von 1448, im von Amyot publizierten Inventar und in der „Erinnerung“ Pastons genannt: Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 43, fol. 4v: „a clothe of the sege of Faleys for the westside in the neder halle.“ Amyot (Hrsg.), Effects formerly belonging to Sir John Fastolfe, S. 257 f.: „Item, j Clothe, for the nether hall […] Item, j Clothe of the sege of Faleys for the west side of the halle.“ Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 108 f.: „Item, viij costers of aras, wherof somme grete and somme smalle, wherof on is of the sege of Phalist“. 122 Siehe hierzu übergreifend Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97, 100; Thorpe, Writing and Reading, S. 274–278; McFarlane, Investments, S. 191–196; Allmand, Lancastrian Normandy, S. 74 f.; Thompson, Régime Anglo-Bourguignon, S. 55 f.

188  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater tiggestellten Kombination aus dem Livre des Quatre Vertus Cardinaux und Christine de Pizans Épître d’Othéa. Zu nennen sind überdies Fastolfs prestigeträchtige Bauprojekte in England, insbesondere die umfassenden Um- und Ausbaumaßnahmen an seinem Familiensitz in Caister, bei denen er sich Alasdair Hawkyard zufolge stilistisch an Bauaufträgen der Lancaster orientierte und eigens aus Frankreich und der Normandie importierter Materialen bediente.123 Von Interesse hinsichtlich der Inszenierung seiner familiären Tradition und damit implizit seiner Selbstdarstellung sind ferner folgende testamentarische Verfügungen: In seinem im Juni 1459 und erneut im November des gleichen Jahres aufgesetzten letzten Willen veranlasste er die nachträgliche Errichtung von Grabplatten für die Gräber seiner bereits seit langem verstorbenen Eltern in Saint ­Nicholas in Yarmouth und in der Pfarrkirche von Attleborough. Die mit der Figur eines Ritters beziehungsweise einer Edeldame verzierten Platten waren jeweils zusammen mit Gedenktafeln aus Messing und dem Wappen Fastolfs, seiner Eltern und Ahnen an den Beisetzungsorten anzubringen.124 Offenbar war Fastolf nicht nur an der Zurschaustellung seines Wohlstands, sondern auch an der rückwirkenden Inszenierung seiner Familientradition und einer Erhöhung dieser gelegen. Sein Statuswechsel von einem Ritter von eher bescheidenem familiärem Hintergrund zum einflussreichen Mitglied der politischen Elite wurde gewissermaßen auf seine Familie übertragen und durch die repräsentativen Grabmäler bildlich zum Ausdruck gebracht.125 Die bildmediale Inszenierung der Beziehung zum Herzog von Bedford Nachdem bisher auf Fastolfs infolge der englischen Herrschaft und des Krieges in Frankreich verbesserten Status im Allgemeinen fokussiert wurde, soll es nun um seine konkrete Positionierung im politischen Gefüge, insbesondere seine Beziehung zu einflussreichen Machthabern in seinem Umfeld, gehen. Von besonderem Interesse ist hier der Herzog von Bedford, dessen Haushalt Fastolf von 1422 bis 1435 als Maître d’Hôtel vorstand und der als oberster Kommandeur des englischen Herrschaftsbereichs in Frankreich zugleich sein militärischer Gefolgsherr war. Im Rahmen der Diskussion des von Bedford gegründeten Ritterordens wurde bereits darauf hingewiesen, dass das vermutliche Abzeichen der Ordensmitglieder, ein aus einer goldenen, mit Juwelen verzierten Wurzel bestehender Ketten­ 123 Hawkyard, Caister

Castle, bes. S. 43–50. Zur Bautätigkeit Fastolfs und seinen Investitionen in Ländereien siehe außerdem Rose, Wills; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 96; Bennett, Six Medieval Men and Women, S. 63–66; Collins, Dispute over Patay, S. 132; McFarlane, Investments, S. 191–196. 124 Richmond, Once Again. Fastolf ’s Will, S. 125  f., zitiert oben, Kap. 1.4.2, Anm. 282, 283. 125 Auch seine religiösen Stiftungen richteten sich in erster Linie an Institutionen in den Ländereien seiner Familie; so bemühte er sich um die Gründung eines Benediktiner-College in Caister, bedachte die Benediktinerabtei Saint Benet bei Holme mit einer Reihe von Zuwendungen und traf Vorkehrungen zur Errichtung seiner Grabkapelle in der Abteikirche. Zu Fastolfs Stiftungen siehe oben, Kap. 1.4.2 sowie zuletzt ausführlich Rose, Wills, bes. S. 303–308; ders., Founding of Magdalen College, S. 98–103; Richmond, Once Again. Fastolf’s Will, S. 119–124; ders., Paston Family. Fastolf’s Will, bes. S. 55–74; ders., Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 78–80.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  189

anhänger, anhand von Inventaren in Fastolfs Besitz nachgewiesen werden kann.126 Wie Bedford durch die Ernennung von Ordensmitgliedern und die Ausstattung dieser mit der Ordenskette machtpolitische Strukturen symbolisch zum Ausdruck brachte, stellte natürlich auch umgekehrt Fastolf als Ordensmitglied durch das Tragen der Kette seine Zugehörigkeit zum Regenten zur Schau. Er präsentierte sich sichtbar als Bedfords Gefolgsmann. Eindrücklicher noch kommt die Bedeutung des Herzogs für Fastolf in dem in der British Library aufbewahrten, vermutlich für Letzteren angefertigten Stundenbuch Harley MS 1251 zum Ausdruck (Kat. 15).127 Das kleine, aber reich ausgestattete Gebetbuch nach dem Brauch von Sarum wurde wahrscheinlich in den 1430er oder 1440er Jahren in Rouen illuminiert und anschließend in mehreren Kampagnen modifiziert. Entweder der ursprünglichen Anfertigung oder einer frühen Erweiterungskampagne kann die einleitende Miniatur des Totenoffiziums auf Folio 148r zugerechnet werden, die offenbar die Totenmesse des Herzogs von Bedford zeigt (Farbabb. 32): Der Sarg des Verstorbenen ist in einem Kirchenchor, unter dessen Obergaden Schilde mit dem Wappen des Herzogs angebracht sind, dargestellt. Ein anlässlich seines Todes umgedrehter Wappenschild ist zusätzlich über dem Sarg abgebildet. Die Bedeutung des Regenten für den Nutzer der Handschrift wurde durch nachträgliche Eingriffe noch verstärkt: Man verzeichnete den Tod Bedfords mit „Obiit Johannes dux bethford m.iiii.xxxv“ auf Folio 12v des Kalenders und fügte seine Bilddevise, den auf einer Wurzel sitzenden Adler mit einer Krone um den Hals, in die Bordürendekoration derselben Seite sowie der das Totenoffizium einleitenden Seite ein. Offensichtlich trug der Besitzer der Handschrift wiederholt Sorge, seine Nähe zum Regenten und die Bedeutung von dessen Tod bildlich in seinem Gebetbuch zum Ausdruck zu bringen. Nimmt man Fastolf als Besitzer der Handschrift an, könnte die nachträgliche Einfügung des Adlers auf der Wurzel noch eine weitere Bedeutungsebene implizieren: Als Symbol des von Bedford gegründeten Ritterordens verdeutlichte sie möglicherweise nicht nur die Bindung an den Regenten, sondern verwies überdies gezielt auf Fastolfs Mitgliedschaft im Orden.128 Fastolfs Profanhandschriften Wie im Falle Bedfords lohnt sich auch im Kontext der Selbstdarstellung seines langjährigen Maître d’Hôtel ein Blick auf seine vergleichsweise umfassende Buchsammlung als Ganze. Drei erhaltene, heute in der Bodleian Library in Oxford 126 Siehe

hierzu oben, Kap. 1.4.2 und 3.1.3. BL, Harley MS 1251. Zur Handschrift siehe knapp Catalogue of Harleian Manuscripts, Nr. 1251; Stratford, Bedford Inventories, S. 99, Anm. 7; Harris, Book Production, S. 180 f., 196, Anm. 103; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249 f. 128 Nach Bedfords Tod schloss Fastolf sich relativ zügig Richard Plantagenet, dem Herzog von York, als Berater an, vgl. Smith, John Fastolf, passim; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 293; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 135. Diese Verbindung ist allerdings in seinen Kunstwerken nicht greifbar.

127 London,

190  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater aufbewahrte Profanhandschriften können mittels heraldischer oder inschriftlicher Hinweise mit dem Besitz oder Auftrag Fastolfs verbunden werden, etwa zwei Dutzend weitere Handschriften sind anhand von zeitgenössischen Schriftquellen nachweisbar. Bei den erhaltenen Werken handelt es sich erstens um eine Kompilation von Textexzerpten des Aldobrandinus von Siena in französischer Übersetzung, ein höchstwahrscheinlich in England unter Mitarbeit französischer Schreiber und ­Illuminatoren angefertigtes medizinisches Werk, das mit Fastolfs Wappen verziert ist (Kat. 17c).129 Beim zweiten Werk handelt es sich um die Dicts and Sayings of the Philosophers, eine 1450 verfasste illustrierte Übersetzung der Dits Moraulx des Philosophes Guillaume de Tignonvilles durch Fastolfs Stiefsohn Stephen Scrope (Kat. 17a). Tignonvilles am Hof Karls V. angefertigte Übertragung eines ursprünglich arabischen Textes war im nördlichen Frankreich der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts weit verbreitet.130 Die dritte und aufwendigste der drei Handschriften ist die reich mit Fastolfs Motto verzierte Kombination aus dem Livre des Quatre Vertus Cardinaux und Christine de Pizans Épître d’Othéa (Kat. 16a).131 Fastolf besaß die Kombination dieser beiden Werke in einem Band außerdem in einer um 1440 datierenden und ebenfalls aus der Hand Scropes stammenden englischen Übersetzung (Kat. 16b). Zwar ist die Widmungshandschrift nicht erhalten, der Prolog des von Scrope als Book of Knyghthode bezeichneten Bandes ist jedoch überliefert und verweist auf den Zweck der Übersetzung: Fastolf könne sich nun, im fortgeschrittenen Alter, zwar nicht mehr aktiv ritterlich betätigen, wie er es viele Jahre seines Lebens in Frankreich und der Normandie getan habe, mithilfe des Book of Knyghthode könne er sich jedoch auf geistiger Ebene mit dem Rittertum befassen – „in contemplacion of morall wysdome and exercisyng gostly werkyys“.132 Sowohl dem französischen als auch dem englischen Exemplar der Épître d’Othéa diente der Text der von Christine de Pizan für Jean de Berry angefertigten Widmungshandschrift als Vorlage, wie jeweils den Prologen zu entneh129 Oxford, Bodleian

Library, MS Bodley 179. Siehe knapp Madan und Craster (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 1, Bodleian MS 179; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 53, Nr. 676; Thorpe, Writing and Reading, S. 283–287. 130 Oxford, Bodleian Library, MS Bodley 943. Es ist möglich, dass es sich hierbei nicht um die originale Widmungshandschrift, sondern eine zeitnahe Kopie handelt. Siehe Madan et al. (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 2, Bodleian MS 943; Ross, Alexander Historiatus, S. 7 f.; Alexander, William Abell, S. 167; Hughes, Stephen Scrope, passim; Bühler, Dicts and Sayings of the Philosophers, Introduction. Zur Verbreitung der Dits Moraulx in Nordfrankreich siehe jüngst Cahn, Compendium of Ancient Wisdom. 131 Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570. Siehe zur Handschrift Coxe (Hrsg.), Bodleian Library, Laudian Manuscripts, Nr. 570; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 54 f., Nr. 695; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 36–41; Bühler, John Fastolf ’s Manuscripts; ders., Epistle of Othea, Introduction; Tuve, Virtues and Vices; Hughes, Stephen Scrope, passim; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97–99; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 241 f.; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249–251. 132 Epistle of Othea, Appendix A, S. 121, zitiert unten, Kat. 16a–b, Anm. 270 und 271. Zu Scropes Übersetzung siehe Bühler, Epistle of Othea, Introduction, S. xvi–xviii; ders., John Fastolf ’s Manuscripts; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  191

men ist.133 Das Gleiche trifft auf die Widmungsminiatur von MS Laud Misc. 570 zu, die die Übergabe des Werkes durch Christine an de Berry zeigt (Farbabb. 34), vielleicht auch auf weitere Teile der Illumination.134 Neben Scrope war auch William Worcester als Übersetzer für seinen Gefolgsherrn Fastolf tätig und übertrug in seinem Auftrag Ciceros De Senectute ins Englische, ein Wunsch, der zweifelsohne mit Fastolfs fortgeschrittenem Alter in Verbindung gebracht werden kann (Kat. 17b).135 Überdies lässt sich mit Worcester ein Auftrag Fastolfs zur Anfertigung eines neuen Textes in Verbindung bringen, namentlich das kurz nach 1450 verfasste Boke of Noblesse. Fastolfs Einfluss auf dessen Inhalt wurde bereits herausgestellt, und es ist nicht auszuschließen, dass auch der Auftrag hierzu von ihm ausging.136 Abgesehen von den genannten für John Fastolf angefertigten oder adaptierten Handschriften lassen sich eine Reihe weiterer Texte anhand von Inventaren seinem Besitz zuweisen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein auf Oktober 1448 datiertes Inventar der Garderobe Fastolfs in seiner Hauptresidenz Caister, in welchem 19 „Frenshe bookes“ aufgeführt werden. Den Schwerpunkt bilden historiografische, philosophische und naturwissenschaftliche Werke, Romane und Heldenlieder sowie praktische Abhandlungen zum Kriegswesen und zur Verwaltung, die oft auf klassischen Werken basieren.137 Richard Beadle stellt heraus, dass einige der gelisteten Werke höchst ungewöhnlich für einen spätmittelalterlichen englischen Buchbesitzer von Fastolfs sozialem Rang, jedoch in den Bibliotheken namhafter französischer Buchsammler des späten 14. und 15. Jahrhunderts, etwa der burgundischen Herzöge und der französischen Könige, bereits nachweisbar sind.138 133 Oxford, Bodleian

Library, MS Laud Misc. 570, fol. 24r–v ; resp. Epistle of Othea, Appendix A, S. 122 f., zitiert unten, Kat. 16a–b, Anm. 266 und 273. 134 Vgl. hierzu Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 264  f.; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98; Tuve, Virtues and Vices; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 36–38. 135 Im Jahr 1473 beschenkte Worcester den Bischof von Winchester mit der „im Auftrag und auf Wunsch […] John Fastolfs“ angefertigten englischen Übersetzung, die 8 Jahre später erstmalig von William Caxton gedruckt und auf Basis dessen ediert wurde: Crotch (Hrsg.), Prologues and Epilogues of William Caxton, Nr. IX, Tullius of Olde Age, S. 41. Siehe Warner, Epistle of Othea, Introduction, S. xxx, xlvi; Hughes, Stephen Scrope, bes. S. 131; ders., Educating the Aristocracy, S. 26–28. Eine literarische Beschäftigung mit dem Älterwerden und Sterben lässt sich auch bei anderen Auftraggebern fortgeschrittenen Alters beobachten, etwa bei Lodewijk van Gruuthuse, der eine Übersetzung der Consolatio philosophiae des Boethius ins Niederländische, also genau wie Fastolf in seine Muttersprache, veranlasste, vgl. hierzu Wijsman, Luxury Bound, S. 356–369; de Vreese, Gruutehusehandschrift. 136 Zu Fastolfs Einflussnahme auf das Boke of Noblesse siehe oben, Kap. 1.4.1 sowie Allmand, France-Angleterre, S. 110 f.; Wakelin, Humanism, S. 112–114; Nichols, Boke of Noblesse, Introduction, S. i, v, x–xii, xiv, l. 137 Oxford, Magdalen College, Fastolf Paper 43, fol. 10r, zitiert oben, Kap. 1.4.3, Anm. 317. Zur Bücherliste im Inventar von 1448 siehe oben, Kap. 1.4.3 sowie ausführlich Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 99–107; Thorpe, Writing and Reading, S. 262 f., 277 f., 352; Richmond, ­Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 93 f. Aus einem 1462 erstellten Inventar John Pastons ist bekannt, dass Fastolf „bokes Frenshe, Latyn, and Englyssh“ besaß, siehe Paston Letters and Papers, Bd. 1, Nr. 64, S. 109. 138 Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 102–107.

192  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Fastolf besaß demnach nicht nur eine vergleichsweise umfangreiche Handschriftensammlung, sondern auch eine, die in nicht unbeträchtlichem Maße durch seine langjährige Tätigkeit in Frankreich und die dortigen Vorbilder und Möglichkeiten geprägt war. So ist Beadle folgend der Schwerpunkt der Bücherliste von 1448 auf Werken klassischer Autoren vermutlich dem Einfluss französischer Sammler geschuldet.139 Hierin fügt sich auch der Auftrag zur Übersetzung von Ciceros De Senectute ein. Ein Interesse an philosophischem Gedankengut wird darüber hinaus nicht nur durch das Inventar, sondern auch die Übersetzung der Dicts and Sayings of the Philosophers suggeriert, zumindest wenn man davon ausgeht, dass Scrope sich in seiner Widmung nach den Vorlieben seines Stiefvaters richtete. Auch in dem Umstand, dass der zeitliche Schwerpunkt der Sammeltätigkeit Fastolfs nach seinem militärischen Dienst in Frankreich zu verorten ist, sind Parallelen zu vorbildhaften Buchsammlern auf dem Kontinent zu erkennen: So akquirierte Philippe le Bon einen beträchtlichen Teil seiner Sammlung erst nach seinem fünfzigsten Lebensjahr; auch eine ganze Reihe weiterer burgundischer Bibliophiler der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts konzentrierte sich in besonderem Maße nach Beendigung ihrer militärischen Karriere – also gewissermaßen im Ruhestand – auf den Erwerb und die Lektüre ritterlicher, philosophischer, historischer und devotionaler Texte.140 Die Tatsache, dass die französische Kombination des Livre des Quatre Vertus Cardinaux und der Épître d’Othéa nicht nur Fastolfs aufwendigste und am reichsten heraldisch ausgestattete Handschrift ist – sein Motto „Me fault faire“ tritt nicht weniger als dreiundzwanzig mal in der Bordürendekoration auf –, sondern er zusätzlich eine Übersetzung der Texte veranlasste, um sich „auf geistiger Ebene mit dem Rittertum zu befassen“, macht zudem ein besonderes Interesse an den beiden Werken – vielleicht an moralisch-ritterlichen Texten im Allgemeinen – sehr wahrscheinlich.141 Diese Annahme erhält umso mehr Gewicht, wenn man von seiner Mitwirkung beim oder gar seinem Auftrag zum Boke of Noblesse ausgeht. Aus dem Inventar von 1448 geht nicht hervor, ob es sich bei den gelisteten Handschriften um originäre Aufträge Fastolfs oder Akquisitionen ‚gebrauchter‘ Bücher handelt. Denkbar ist zweifelsohne beides, und sowohl bezüglich der Provenienz von Handschriften aus zweiter Hand als auch im Hinblick auf mögliche Vorlagen für auf Fastolfs Veranlassung angefertigte Abschriften muss die LouvreBibliothek als maßgebliche Quelle vermutet werden.142 Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass Fastolf einen Teil der Werke über französische Sammler im Umfeld des Regenten kennenlernte, die Louvre-Bibliothek war allerdings sicherlich besonders präsent für Bedfords Maître d’Hôtel, und er hatte höchstwahr139 Ebd. 140 Vgl.

zu Philippe le Bon Wijsman, Luxury Bound, S. 232–238, 254 f., 509 f. Allg. zur verstärkten Sammeltätigkeit burgundischer Auftraggeber im Alter vgl. ebd., S. 509–529. 141 Epistle of Othea, Appendix A, S. 121, zitiert oben, Anm. 271. 142 Siehe hierzu auch Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97; Thorpe, Writing and Reading, S. 262 f.

3.2 Die Selbstdarstellung der Gefolgsleute Heinrichs VI. in Lancastrian France  193

scheinlich persönlichen Zugang zur Sammlung. Des Weiteren war er zu einem der Testamentsvollstrecker des Herzogs in Frankreich ernannt worden, und es ist gut möglich, dass er im Rahmen dessen einige Handschriften erwarb.143 Ebenfalls vorstellbar ist, dass Fastolf Handschriften von Bedford geschenkt bekam, wie es für Humphrey of Gloucester und den Herzog von Burgund nachgewiesen werden konnte. Die Louvre-Bibliothek rückt auch ins Blickfeld, wenn man die Handschriften betrachtet, die für Fastolf angefertigt wurden: So war die französische Vorlage zu Scropes Dicts and Sayings of the Philosophers für Karl VI. kompiliert worden, und es spricht nichts dagegen, dass sie auch nach dem Erwerb der königlichen Bibliothek durch Bedford Teil dieses Bestandes blieb. Auch Jean de Berrys Épître d’Othéa befand sich zeitweise in der Louvre-Bibliothek, und vielleicht brachte Fastolf die Widmungshandschrift selbst oder eine vergleichsweise originalgetreue illuminierte Abschrift dieser in seinen Besitz und nahm sie mit nach England, wo sie sowohl Scrope für seine Übersetzung als auch den Illuminatoren von MS Laud Misc. 570 als Vorlage zur Verfügung stand.144 Die Aneignung einzelner Handschriften aus dem Besitz des Regenten beziehungsweise die Nutzung seiner Bibliothek als Vorlage war vermutlich nicht nur praktisch – durch Fastolfs Zugang zur Sammlung als Maître d’Hôtel – begründet, zumindest bis zu einem gewissen Grad orientierte er sich wahrscheinlich gezielt an Bedford als vorbildhaftem Buchsammler. Ebenfalls als Ausdruck einer Orientierung an Bedford kann die Veranlassung von Übertragungen französischer Werke ins Englische und das Bemühen um die Verbreitung der jeweiligen Themen gedeutet werden. Hiermit soll keineswegs postuliert werden, dass Fastolf sich in seiner Tätigkeit als Sammler und Auftraggeber von Handschriften ausschließlich den Regenten zum Vorbild genommen hätte, sondern vielmehr, dass er sich wie Bedford in die Tradition französischer, burgundischer und englischer Bibliophiler stellte – eine exponierte Rolle neben Bedford nahm für ihn möglicherweise Jean de Berry ein.145 Damit präsentierte er sich nicht nur als wohlhabend und politisch einflussreich, sondern zugleich als gebildet und an der Verbreitung von Wissen interessiert – Eigenschaften, die er sich während seiner langjährigen Tätigkeit in Lancastrian France angeeignet hatte und die seine Selbstdarstellung insbesondere nach seiner Rückkehr nach England maßgeblich prägten.

143 Zur Verwicklung

Fastolfs in die Vollstreckung des Testaments des Regenten siehe Stratford, Bedford Inventories, bes. S. 21, 34 f., 39 f., 49–53, 401, 403 mit Quellenverweisen; McFarlane, William Worcester, S. 201–203. 144 Zur zeitweisen Zugehörigkeit der Widmungshandschrift des Herzogs von Berry zur LouvreBibliothek vgl. Tuve, Virtues and Vices, S. 281; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 39. 145 Zu Fastolfs möglichen Vorbildern als Buchsammler, insb. zu Bedford, siehe Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98 f. mit weiteren Literaturhinweisen; Hughes, Stephen Scrope, S. 130–146; Wakelin, Humanism, S. 96. Übergreifend zur Orientierung englischer Handschriftensammler an französischen Vorbildern siehe Genet, L’influence française, S. 88 f.; Meale, Patrons, Buyers and Owners, S. 208.

194  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater

3.2.4. Zwischenfazit zur Selbstdarstellung Beauchamps, ­Talbots und Fastolfs Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass die Vertreter der englischen Krone in Frankreich, die mit der administrativen und militärischen Durchsetzung der Herrschaftsansprüche der Lancaster betraut waren, Luxusgüter und Bilder auf unterschiedliche Weise zur Inszenierung ihrer jeweiligen Position einsetzten. Im Falle Richard Beauchamps, des Grafen von Warwick, ist vor allem der von ihm vor dem Hintergrund der militärischen Unternehmungen Heinrichs V. auf dem Kontinent in der Mitte der 1410er Jahre ausgerichtete Pas d’Armes bei Guînes von Interesse. Zu einem frühen Zeitpunkt seiner Karriere und noch vor der Konstituierung der englischen Regierung in Frankreich und der Normandie konnte er sich hier bildwirksam als fähiger Krieger und in der Kunst der höfischen Umgangsformen versierter Ritter präsentieren – Eigenschaften, die sicherlich zu seiner Ausstattung mit hochrangigen militärischen und diplomatischen Ämtern in den 1420er und 1430er Jahren beitrugen. In seiner Selbstdarstellung im Turnier wie auch in sonstigen Kunstaufträgen und Stiftungen lässt sich ein Schwerpunkt auf der Inszenierung seiner Familie und der Grafschaft Warwick feststellen. Bei der Frage nach der Selbstdarstellung John Talbots, des Grafen von Shrewsbury, ist das Shrewsbury Book, das er im Frühling 1445 der künftigen Ehefrau Heinrichs VI. zum Geschenk machte, überaus aufschlussreich. Zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Engländer weite Teile ihrer einstigen Eroberungen bereits wieder an Karl VII. verloren hatten und viele Mitglieder der englischen Regierung – nicht zuletzt Heinrich VI. selbst – für einen Friedensschluss mit Karl zu weiteren Konzessionen bereit waren, präsentierte er sich als Befürworter der Fortsetzung des Krieges zur Durchsetzung der Herrschaft der Lancaster in Frankreich. Innerhalb dieser Herrschaft wies er sich selbst die Rolle des „ergebenen Dieners“ des königlichen Paares zu – textlich durch die Widmungsinschrift und bildlich durch die auf zahlreichen Seiten eingefügte Figur des Bannerträgers der Königin, die Widmungsminiatur und die Darstellung der Annahme eines militärischen Amtes in der einleitenden Miniatur des Livre des Fais d’Armes. Vor allem die beiden letztgenannten Bilder zeugen von einem immensen Selbstbewusstsein: Talbot zeigt sich nicht als einfacher Krieger, sondern als militärischer Anführer und Inhaber hochrangiger Positionen – als einflussreiches, hochgeschätztes und mit Entscheidungsgewalten ausgestattetes Mitglied der englischen Regierung. Eine ähnliche Selbstinszenierung kommt auch in seiner prominenten Positionierung im historiografisch überlieferten Empfang Marguerites d’Anjou zum Ausdruck. In den in seinen Stundenbüchern erhaltenen Portraits hingegen fokussiert Talbot auf seine Rolle als einfacher, zum Krieg gerüsteter Soldat. Die unterschiedliche Darstellung ist vermutlich dem deutlich vom Shrewsbury Book abweichenden Zweck der Stundenbücher – der privaten Andacht – und dem damit einhergehenden abweichenden Rezipientenkreis geschuldet. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt hier auf Talbots militärischem Alltag und weniger auf exzeptionellen, öffentlichkeitswirksamen höfischen Zeremonien; sie richtete sich nicht an den königlichen Hof, sondern an sein familiäres Umfeld.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  195

Für Sir John Fastolf schließlich kann festgehalten werden, dass sich Maßnahmen zur politischen Selbstdarstellung in erster Linie für die Zeit nach seiner Rückkehr nach England greifen lassen und vor allem auf die Zurschaustellung seines sozialen Aufstiegs und seiner deutlich verbesserten finanziellen Situation als Resultat seiner Karriere in Lancastrian France abzielten. Nachweisbare Aufträge zu Kunstwerken und repräsentativen Bauprojekten datieren zum Großteil in den Zeitraum nach 1439 und richteten sich höchstwahrscheinlich vorwiegend an seine Parteigänger und Kontrahenten in lokalen und innerenglischen politischen Auseinandersetzungen. Dabei beschränkte Fastolf sich nicht auf die Inszenierung seiner Person, sondern bemühte sich wie Richard Beauchamp um eine Aufwertung seiner Familie und seines Familiensitzes, etwa durch die nachträgliche Anfertigung der Grabmäler seiner Eltern und repräsentative Baumaßnahmen an seiner Residenz Caister. Wenngleich sich Fastolfs Selbstdarstellung anhand von prestigeträchtigen Kunstaufträgen und der Investition in Luxusgüter vorwiegend nach 1439 greifen lässt, wurden ihre Grundlagen doch bereits während seiner Tätigkeit in Frankreich und der Normandie gelegt: Hier begann er, seine umfangreichen Sammlungen aufzubauen und brachte überdies französische und normannische Schreiber und Illuminatoren mit nach England. Daneben prägte Fastolfs Karriere in Lancastrian France seine Selbstinszenierung in inhaltlicher Hinsicht: Erinnert sei zunächst an den vermuteten Verweis auf seine Teilnahme an den militärischen Erfolgen Heinrichs V. mittels der Tapisserie der Belagerung von Falaise. Insbesondere aber kommt die Bindung zum Herzog von Bedford in einzelnen Werken, beispielsweise im Stundenbuch Harley MS 1251 oder im dokumentarisch belegten Kettenanhänger mit der goldenen Wurzel, wie auch in Fastolfs Handschriftensammlung im Ganzen zum Ausdruck. Damit instrumentalisierte er seine politische und militärische Karriere in der erfolgreichsten Phase der englischen Besatzung Frankreichs im Kontext der zunehmenden innerenglischen Konflikte der Mitte des 15. Jahrhunderts.

3.3. „To exhorte sture and lerne þe Kyng“.146 Die ­Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich in beratender, belehrender und erziehender Funktion Am 1. Juni 1428 übertrug der Privy Council Richard Beauchamp, dem Grafen von Warwick, eine gleichermaßen ehrenvolle wie nervenaufreibende Aufgabe: Man ernannte ihn zum persönlichen Gouverneur und Tutor des sechsjährigen Königs, Heinrich VI.147 Damit entsprach man dem letzten Willen Heinrichs V., der seinen Sohn auf seinem Sterbebett der Obhut seines Waffengefährten anvertraut hatte, um ihn anzuleiten und zu belehren. 146 Auszug

aus den Akten des Privy Council aus dem Jahr 1428 zur Ernennung Richard Beauchamps zum Tutor Heinrichs VI., PPC, Bd. 3, S. 299. 147 Ebd., S. 298–300. Zur Ernennung Beauchamps siehe oben, Kap. 1.2.1 sowie in Kürze Crispin, Politische Botschaften; Grummitt, Henry VI, S. 83–86; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 42, 45; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 50 f.; Croenen, Figg und Taylor, Authorship, S. 23; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 21 f., 31, 43; Griffiths, Henry VI, S. 51–60.

196  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Das Prestige, das das Amt des persönlichen Ratgebers, Lehrers und Erziehers des Königs mit sich brachte, liegt auf der Hand: Schon die Ernennung setzte voraus und machte zugleich deutlich, dass man hochgeschätzt war, sich in relevanten Bereichen ausgezeichnet hatte und von Hause aus bereits über einen hohen sozialen Status verfügte, der nun noch gesteigert wurde. Der in der Regel bereits bestehende politische Einfluss wurde durch den institutionalisierten Zugriff auf den König noch verstärkt. Es wundert daher kaum, dass sich politische Akteure immer wieder um ein Mitwirken an der Formung, Instruktion und Beratung des Herrschers bemühten und dies auch bekannt gemacht sehen wollten, beispielsweise durch die prominente Nennung in von ihnen in Auftrag gegebenen Fürstenspiegeln.148 Im Folgenden soll übergreifend untersucht werden, inwieweit Elemente einer Selbstdarstellung als Erzieher oder Berater mittels Kunstwerken für die Mitglieder der englischen Regierung in Frankreich nachgewiesen werden kann.

3.3.1. Richard Beauchamps Selbstrepräsentation als Tutor Heinrichs VI.? Richard Beauchamp nimmt naturgemäß eine Sonderrolle in Bezug auf die vorliegende Fragestellung ein: Seine zunächst inoffizielle und ab 1428 offizielle Funktion als Tutor Heinrichs VI. ist von größter Bedeutung in allen zeitgenössischen oder annähernd zeitgenössischen schriftlichen und bildlichen Darstellungen des Grafen. Die Tatsache, dass Heinrich V. selbst ihn zum Tutor seines Sohnes auserkoren hatte, trug zweifelsohne maßgeblich zum Ansehen dieses Amtes bei. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern Beauchamp selbst an der Gestaltung und Vermittlung seines Bildes als Erzieher des Königs mitwirkte. Dass er von seinen Zeitgenossen als in hohem Maße für das prestigeträchtige Amt geeignet wahrgenommen wurde, geht bereits aus der historiografischen Überlieferung zu seiner Verpflichtung durch Heinrich V. hervor: So bezeichnet ihn einer der Verfasser der Brut Chronicles als den gebildetsten beziehungsweise am besten erzogenen Mann in England, während Jean de Wavrin die angeblichen letzten Worte Heinrichs V. an Richard Beauchamp in wörtlicher Rede wiedergibt: „Et vous, beau cousin de Warewic, je voeil que vous soyez son maistre, et demourez tout coy avec luy pour le conduire et aprendre en tel estat quil apartient, car je ny scaroye mieulz pourveir.“149 Die Akten zu seiner offiziellen Ernennung zum Tutor des Kö148 Vgl.

etwa die Nennung Gloucesters in der von Titus Livius Frulovisi im Jahr 1436 in seinem Auftrag für Heinrich VI. verfassten Vita Heinrichs V., Titus Livius, Vita, S. 1 f. Zur vergleichsweise gut erforschten Fürstenerziehung im spätmittelalterlichen England siehe etwa Grass­ nick, Ratgeber des Königs; Orme, From Childhood to Chivalry; Hughes, Educating the ­Aristocracy; Reitemeier, Adels- und Prinzenerziehung in England; Grummitt, Henry VI, S. 81–88. Aus dem weiten Forschungsfeld zur Fürstenerziehung im Spätmittelalter sei darüber hinaus beispielhaft verwiesen auf Paravicini und Wettlaufer (Hrsg.), Erziehung und Bildung bei Hofe; Senellaert, Les arts de gouverner; Kintzinger, Wissen wird Macht, S. 176–184 sowie am Beispiel des Reichs zuletzt Deutschländer, Dienen lernen, bes. S. 11– 103; Müsegades, Fürstliche Erziehung. 149 Wavrin, Recueil, 1399–1422, Bd. 5, Buch II, Kap. 29, S. 423; Brut Chronicles, S. 563  f., zitiert oben, Kap. 1.2.1, Anm. 125. Im Testament Heinrichs V. findet sich die Verfügung nicht, siehe die Edition: Last Will of Henry V.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  197

nigs durch den Privy Council im Jahr 1428 informieren über Beauchamps Aufgaben: Er solle den König ermahnen, leiten und belehren, Gott zu lieben, zu verehren und zu fürchten. Weiterhin solle er ihn allgemein bilden und erziehen und ihm auf eine seinem Alter angemessene Art und Weise Tugenden vermitteln und ihm helfen, Laster zu meiden, „leiying before hym mirrours and examples of tymes passed“.150 Möglicherweise benutzte er zu diesem Zweck – der Instruktion anhand von „Vorbildern und Beispielen vergangener Zeiten“ – bebilderte Bücher oder machte diese dem König gar zum Geschenk, es haben sich jedoch keine solchen Werke erhalten. Es ist anzunehmen, dass Beauchamps Zuständigkeit weniger in der Durchführung des eigentlichen Unterrichts als vielmehr in der Leitung der Erziehung und Ausbildung Heinrichs lag.151 Hierfür sprechen schon allein die zahlreichen sonstigen Verpflichtungen, die ihm als Mitglied des königlichen Rats und Inhaber hochrangiger militärischer und administrativer Ämter in Lancastrian France zukamen und deretwegen er sich häufig gar nicht im Umfeld des Königs aufhielt. In seiner Funktion als Tutor trat er jedoch im Rahmen wichtiger zeremonieller Ereignisse in Erscheinung: So trug er Heinrich Gregory’s Chronicle zufolge persönlich zu dessen Krönung in Westminster Abbey im November 1429.152 Im folgenden Jahr nahm er an der Krönungsexpedition Heinrichs nach Frankreich teil und fungierte bei der an die Krönung in Paris anschließenden Sitzung des Parlement als Übersetzer für den König.153 Möglicherweise im Rahmen der Pariser Krönung schenkte Beauchamp Heinrich eine kleine goldverzierte Rüstung, die als Hinweis auf seine Zuständigkeit für dessen ritterliche Ausbildung gewertet werden kann.154 Darüber hinausgehend lässt sich die lehrende oder erziehende Komponente seines Amtes jedoch nicht in der Überlieferung zu den Krönungen Heinrichs greifen. Auch in der Darstellung Beauchamps in der sogenannten Rous Roll, der vermutlich im Auftrag seiner Tochter Anne in den 1480er Jahren entstandenen illustrierten Chronik der Grafschaft Warwick, heißt es zu seiner Rolle als Tutor lediglich: „Thys lord was maister to kyng herre the syxt in hys tender age and with the helpe of the 150 PPC,

Bd. 3, S. 299, zitiert oben, Kap. 1.2.1. Siehe auch CPR, Henry VI., Bd. 1: 1422–1429, S. 491 f. In den Jahren 1432 und 1434 wurde Beauchamps Verpflichtung erneuert und auf seine Bitte hin angepasst, PPC, Bd. 4, S. 132–136. Im Mai 1436 wurde Beauchamp auf sein Ersuchen von seinen Pflichten als Tutor entbunden, CPR, Henry VI., Bd. 2: 1429–1436, S. 589. Siehe im Detail oben, Kap. 1.2.1 sowie Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 45 f.; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 31, 43; Griffiths, Henry VI, S. 59 f. 151 Allgemein zu dieser Praxis vgl. Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 42; Orme, From Childhood to Chivalry, bes. S. 17, 21 f., 31, 43; Grassnick, Ratgeber des Königs; Hughes, Educating the Aristocracy. 152 Gregory’s Chronicle, S. 165: „And my Lorde of Warwyke bare the kynge to chyrche“. Zur Krönung in Westminster und Beauchamps Beteiligung an dieser siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 43; Griffiths, Henry VI, S. 189 f.; Wolffe, Henry the Sixth, S. 49–51. 153 Zu Beauchamps Involvierung in die Krönungsexpedition siehe Bryant, Paris and London, bes. S. 72–78; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 44 f.; Curry, Coronation Expedition, passim; Thompson, Paris Under English Rule, S. 199–205; Harriss, Cardinal Beaufort, S. 191–213; Griffiths, Henry VI, S. 90–93; Wolffe, Henry the Sixth, S. 51–63. Beauchamps Tätigkeit als Übersetzer ist bei Fauquembergue, a. 1431, Bd. 3, S. 29 überliefert, siehe oben, Kap. 1.2.1, Anm. 131. 154 Pauli, Geschichte von England, S. 263, Anm. 1 nach einem im Tower of London aufbewahrten „Autographenbuch“: „Item a lytel harneys that the Erle of Warwyk made for the king er that he went ouer the see garnysshed with gold.“

198  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater

Abb. 27: Rous Roll, Nr. 50 (Edition Courthope)

land crownyd hym twies at Westmystre as for kyng of England and at paris for kyng of fraunce“.155 Die begleitende Illustration fokussiert auf seine Rolle als Träger des Königs bei den beiden Krönungen (Abb. 27). Im ebenfalls unter Annes Ägide entstandenen Beauchamp Pageant finden sich zwei Referenzen auf Beauchamps Amt: Auf Folio 23r wird die Erhebung des Grafen zum „Maister“ Heinrichs VI. „gemäß dem letzten Willen Heinrichs V. und mit Genehmigung des gesamten Parlaments“ gezeigt.156 Die Federzeichnung zeigt Beauchamp mit dem König auf dem Arm und 155 London,

BL, Add. MS 48976, Nr. 50, zitiert nach Rous Roll (Ed. Ross) (o.S.). Zur Rous Roll siehe Ross, Rous Roll, Introduction; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 138; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 3–11. 156 London, BL, Cotton MS Julius E. IV, art. 6, fol. 23r, zitiert nach der Faksimile-Edition Beauchamp Pageant, S. 140: „Here shewes howe accordyng to the last wille of Kyng Henry the vth Erle Richard, by the auctorite of the hole parleament, was maister to Kyng Henry the vjth,

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  199

Abb. 28: London, BL, Cotton MS Julius E. IV, art. 6, fol. 23r

umgeben von den Ratsmitgliedern; hier wird also seine politische Rolle als Vertreter der Interessen Heinrichs im englischen Parlament hervorgehoben (Abb. 28). Ledigand so he contynowed til the yong kyng was xvj yere of age, and then first by his greet labour he was discharged.“ Zum Beauchamp Pageant siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 13–24; Sanna, Tra immagini e parole; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 137, S. 355–359; dies., Caxton Master, S. 55–66; Lowry, John Rous, S. 337 f.

200  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater lich in einem Fall wird die erzieherische Komponente des Tutorenamtes angesprochen: Im begleitenden Text zur Darstellung der Krönung Heinrichs VI. in Saint-Denis ist zu lesen, dass der Graf „the rule of his noble persone“ habe und es im ganzen Königreich England niemanden gebe, der Beauchamp in Bezug auf seine „habilite of grace and true feithfulnesse to vertuously norisshe & governe [the king’s] noble persone accordyng to his Roial astate“ gewachsen sei.157 Sowohl der Beauchamp Pageant als auch die Rous Roll datieren jedoch lange nach dem Tod des Grafen und eignen sich schon allein aus diesem Grund nicht als Quellen für seine Selbstdarstellung als Erzieher des Königs. Sie sind vielmehr in den Kontext der kunstpolitischen Maßnahmen Anne Beauchamps zur Inszenierung ihrer Familie vor dem Hintergrund der ausklingenden Rosenkriege zu verorten.158 In den von Richard Beauchamp selbst in Auftrag gegebenen Kunstwerken oder seiner visuellen Selbstinszenierung in Form öffentlichkeitswirksamer Zeremonien ist seine Rolle als Lehrer und Erzieher des Königs, wenn man von der Schenkung der Rüstung absieht, nicht greifbar. Dies mag daran liegen, dass er es nicht für nötig befand, seinen sicherlich ohnehin wohlbekannten Posten bildlich zur Schau zu stellen. Ebenfalls jedoch kann das Fehlen der entsprechenden Werke und Hinweise in der Überlieferungssituation begründet sein. So lässt sich die Kunstpatronage des Grafen von Warwick im Allgemeinen wesentlich schlechter anhand erhaltener Werke greifen als etwa die seines Schwiegersohns und Waffengefährten John Talbot, der im Folgenden untersucht werden wird.

3.3.2. John Talbots Shrewsbury Book Eine zentrale Zweckbestimmung des in seinen Funktionen überaus vielschichtigen Shrewsbury Book ist die Instruktion und positive Beeinflussung seiner Empfängerin, der fünfzehnjährigen Prinzessin Marguerite d’Anjou (Kat. 13).159 Hierüber informiert uns der Schenkende der Handschrift, John Talbot, in der Widmungsinschrift: Marguerite solle die erinnerungswürdigen Geschichten großer Fürsten im ihr vorliegenden Buch betrachten; diese handelten von mehr als tausend Jahre zurückliegenden großen Taten, die sie sich zu Gemüte führen solle, um sich an 157 Beauchamp

Pageant, S. 144: „Here shewes howe Kyng Henry was after crowned kyng of Fraunce at Seynt Denys besides Parys. Of the which coronacion in Fraunce and also the said erle to have the rule of his noble persone unto he were of the age of xvj yeres, it was the will and ordenaunce of Almyghty God […] shewed by revelacion unto Dam Emme Rawhton, recluse at All Halowes in Northgate Strete of York, and she said that thorowe the Reame of Englond was no persone lorde ne other like to hym in habilite of grace and true feithfulnesse to vertuously norisshe and governe his noble persone accordyng to his roial astate.“ Zur Vision Emma Raughtons siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 10 f. 158 Zur Kunstpatronage Anne Beauchamps siehe ebd., S. 13–24; Lowry, John Rous, S. 337  f.; Ross, Rous Roll, Introduction, S. xiv–xviii; Scott, Caxton Master, S. 61–65; Payne, The Beauchamps and the Nevilles. 159 Mit diesem Aspekt des Shrewsbury Book beschäftigten sich bspw. Pérez-Simon, Mise en ­Roman, bes. S. 500–513; Bossy, Arms and the Bride; Taylor, Time of an Anthology; Taylor, Treatise Cycle.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  201

deren „chevalerie“ zu erfreuen, selbst zu gutem Betragen bewegt zu werden und davon letztlich zu profitieren.160 Tatsächlich besteht die Kompilation zu mehr als der Hälfte aus Erzählungen vergangener Heldentaten in Vers- oder Prosaform: Den Anfang bildet der vermutlich eigens zum Zweck der Schenkung angefertigte Roman d’Alexandre, es folgen die drei zusammenhängenden Chansons de geste Karls des Großen sowie die Chansons Ogiers von Dänemark und der vier Söhne des Aymon.161 Hieran schließt mit der Prosaerzählung Pontus et la belle Sidoine, dem nach dem Alexanderroman am zweitreichsten mit Illustrationen ausgestatteten Text der Kompilation, eine Darstellung mit explizit christlichem Schwerpunkt an. Der Textbeginn führt den vorbildhaften Charakter der Erzählung erneut vor Augen: „Compter vous vueil vne noble hystoire dont len pourroit assez de bien et dexemplaire a prendre“.162 Es folgen die in das Umfeld der Familie von Talbots Ehefrau Margaret Beauchamp zu verortende Legende des englischen Helden Guy von Warwick und die Prosa­ erzählung Heraud d’Ardenne; den Abschluss bildet die Sage des Schwanenritters. Den zweiten Teil der Kompilation bilden Traktate und Instruktionen, unterbrochen von den Chroniques de Normandie und gefolgt von den Statuten des Hosenbandordens. Es handelt sich zunächst um den im 14. Jahrhundert von Honoré Bouvet verfassten Arbre des Batailles, einen Traktat über den Krieg und das Kriegsrecht. Hieran schließt der Régime des Princes an, eine französische Übersetzung des um 1280 von Gilles de Rome für den Dauphin und späteren König Philipp IV. verfassten und ihm gewidmeten Fürstenspiegels De Regimine Principum. Hinzu kommen der kurz nach 1415 von Alain Chartier verfasste Bréviaire des Nobles, eine Anleitung zum edlen Verhalten in Gedichtform, sowie Christine de Pizans Livre des Fais d’Armes et de Chevalerie, ein Traktat über das Rittertum und die Kriegskunst.163 Vermutlich war keiner der vier Texte zum Zweck der Schen160 London,

BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v, zitiert unten, Kat. 13, Anm. 173. Zur Nutzung von Heldenerzählungen in der Fürstenerziehung siehe auch Orme, From Childhood to Chivalry, S. 81–86. 161 Ausführlicher zu den einzelnen Werken und zur Frage, welche Texte eigens für Marguerite angefertigt wurden und welche man erst anlässlich der Schenkung adaptierte, siehe Kat. 13. Die Romane und Chansons de geste befinden sich auf den folgenden Seiten: Roman d’Alexandre (fol. 5r–24v); drei Chansons de geste Karls des Großen (fol. 25r–85v); Chanson d’Ogier (fol. 86r–154v); Quatre fils d’Aymon (fol. 155r–206r); Pontus et la belle Sidoine (fol. 207r–226v); Guy de Warrewik (fol. 227r–266r); Heraud d’Ardenne (fol. 266v–272r); Chanson de Chevalier au Cygne (fol. 272r–292r). 162 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 207r. Siehe hierzu auch Pérez-Simon, Mise en Roman, S. 505 f.; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 160–164; de Crécy, Ponthus et Sidoine, Introduction, S. lxxxiii–xcii. 163 Die Texte befinden sich auf den folgenden Seiten: L’Arbre des Batailles (fol. 293r–325v); Régime des Princes (fol. 327r–361r); Chroniques de Normandie (fol. 363r–401r); Bréviaire des Nobles (fol. 403r–404v); Livre des Fais d’Armes et de Chevalerie (fol. 405r–438v); Statuten des Hosenbandordens (fol. 439r–440v). Siehe Craig Taylors einschlägige Untersuchung des Traktats- und Instruktionsteils des Shrewsbury Book, Taylor, Treatise Cycle. Übergreifend zur Nutzung politischer Traktate in der Fürstenerziehung siehe ders., Ideals of Knighthood, passim; ders., War, Propaganda and Diplomacy, S. 80–83; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 86–98, 182–191; Senellaert, Les arts de gouverner, passim; Saygin, Gloucester and the Ita­ lian Humanists, S. 57–97.

202  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater kung angefertigt worden, und man machte sich auch nicht die Mühe, die Texte für sie zu adaptieren, indem man heraldische Dekorationen hinzufügte. Lediglich der Livre des Fais d’Armes enthält überhaupt zeithistorische Referenzen, nämlich die Darstellung des anhand seiner Bilddevise identifizierbaren Grafen von Shrewsbury in der einleitenden Miniatur (Farbabb. 17). Dennoch wählte man die Texte für Marguerite aus und gab ihnen damit eine neue Zweckbestimmung – die der Instruktion, Belehrung und Erziehung der jungen Königin. Die Entscheidung, den Régime des Princes in die Kompilation aufzunehmen, erscheint naheliegend, denn der Text erfreute sich im spätmittelalterlichen England und Frankreich größter Popularität.164 Neben Ratschlägen zur Regierung und Haushaltsführung enthält er konkrete Angaben zur Kindererziehung und zum angemessenen Verhalten und Benehmen der Inhaber bestimmter Rollen, unter anderem der Königin.165 Der Bréviaire des Nobles hingegen gibt dem Leser beziehungsweise der Leserin allgemein gehaltene Anweisungen zum edlen Verhalten an die Hand. Er wird von einem kurzen Gedicht abgeschlossen, in dem die Leser aufgefordert werden, die genannten „matinez“ zu verinnerlichen, um ein nobles Leben zu führen, ähnlich der Anweisung in der Widmungsinschrift, sich von den im Shrewsbury Book enthaltenen Texten zu guten Taten inspirieren zu lassen.166 Die Bezeichnung der zur wahren Nobilität führenden Richtlinien als „matinez“ lässt an die Vorgaben in Stundenbüchern, bestimmte Gebete zu bestimmten Tageszeiten zu sprechen, denken. Auch ansonsten erinnert der Bréviaire des Nobles in seinem Aufbau, den knappen Anweisungen und nicht zuletzt natürlich durch seinen Titel an Stundenbücher oder Breviarien.167 Während letztere dem Nutzer beziehungsweise der Nutzerin als Gedächtnisstützen für die wichtigsten Gebete des Tages, deren Texte ihm oder ihr prinzipiell bekannt waren, dienten, rief der Bréviaire des Nobles die Grundzüge des ritterlichen und edelmütigen Verhaltens in Erinnerung. Während weder der Régime des Princes und der Bréviaire des Nobles noch die zuvor aufgeführten Heldenlieder und -romane als Bestandteile einer für eine fünfzehnjährige Prinzessin vorgesehenen Kompilation Anlass zur Verwunderung bieten, wurden die Wahl des Arbre des Batailles und des Livre des Fais d’Armes – zwei praxisorientierte Traktate über das Kriegsrecht und die Kriegsführung – von der Forschung bereits häufig als außergewöhnlich bezeichnet. Unter den verschiedenen Ansätzen, Talbots Entscheidung, die Texte in sein Buchgeschenk 164 Vgl. Taylor, Treatise

Cycle, S. 135 f., 140; Briggs, De Regimine Principum; ders., De Regimine Principum in England; Senellart, Les arts de gouverner, S. 180–205; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 93 f., 96, 107. 165 Siehe die französische Übersetzung Henri de Gauchis, Li Livres du Gouvernement des Rois, Buch II, Kap. 1 und 2, S. 145–231. Zur Rolle der Königin im Werk siehe auch l’HermiteLeclercq, De regimine principum. 166 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 404v: „Voz matinez recordez / Nobles hommes en ce liure / Quant vous seres descordez / Voz matinez recordez / Vos fais ensembles accordez / Se noblement voulez viure / Voz matinez recordez / Nobles hommes en ce liure.“ 167 Dies bemerken bspw. Fresco, Livre des fais d’armes, S. 167–169; Taylor, Treatise Cycle, S. 137 f.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  203

zu integrieren, zu deuten, überzeugen vor allem Craig Taylors Überlegungen: Taylor stellt heraus, dass insbesondere der Livre des Fais d’Armes im Jahr 1445 in England noch weitestgehend unbekannt war und dass Talbot durch seine Inklusion auf sein Interesse an aktuellen Entwicklungen in der französischen Kriegstechnik und -strategie und vor allem seine Expertise in dieser aufmerksam machen konnte.168 Zu einer Zeit, in der die Franzosen die militärische Oberhand hatten, trug er mittels des Shrewsbury Book zum Transfer ihres kriegspraktischen und -theoretischen Wissens nach England bei und präsentierte sich zugleich als Autorität auf diesem Gebiet, bedingt durch seine langjährige Erfahrung im Krieg mit Frankreich. Auf Talbots Selbstinszenierung als maßgebliche Stütze der Durchsetzung und Aufrechterhaltung der englischen Regierung in Frankreich mittels der Handschrift wurde bereits hingewiesen. Durch die Einbeziehung der beiden Kriegstraktate zeigte er überdies, dass er selbst auf dem aktuellen Stand des Kriegswissens war, und bot sich zugleich als möglicher Berater in militärischen Belangen an. Ebenfalls verschiedentlich in der Forschung diskutiert wurde die Frage, inwieweit der vergleichsweise martialische Schwerpunkt der Kompilation als für ein junges Mädchen unangemessen wahrgenommen worden sein könnte. Für eine Unangemessenheit spricht sich etwa Catherine Reynolds aus, wohingegen Karen Fresco das nachweisbare Interesse spätmittelalterlicher adliger Frauen an der Kriegsführung betont – ein Beispiel hierfür sei nicht zuletzt die Verfasserin des Livre des Fais d’Armes, Christine de Pizan, selbst.169 Wenngleich es natürlich eine Vielzahl adliger Frauen gab, die sich für Politik und Kriegsführung interessieren und auch über die entsprechenden Handschriften verfügten, so kommen hier vermutlich vor allem die persönlichen Vorlieben des Grafen von Shrewsbury zum Ausdruck.170 Zudem sei daran erinnert, dass sich das Shrewsbury Book höchstwahrscheinlich nicht ausschließlich an Marguerite, sondern auch an ihr höfisches und familiäres Umfeld, insbesondere ihren Ehemann Heinrich VI., richtete. 168 Vgl.

ebd., bes. S. 134, 139–146, 150; außerdem ders., English Writings. Diese Argumentation überzeugt weit mehr als etwa der Vorschlag von Bossy, Arms and the Bride, S. 241, der Graf von Shrewsbury habe in seinem Geschenk an eine Frau auch ein von einer Frau verfasstes Werk unterbringen wollen. Zu dieser Diskussion siehe auch Teague, Book of War; Fresco, Livre des fais d’armes. 169 Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 165  f. Siehe hierzu auch Taylor, Ideals of Knighthood, S. 100 f.; Bell, Medieval Women Book Owners; Michalove, Women as Book Collectors, bes. S. 66–68; Teague, Book of War. Zum Alter der Prinzessin ist anzumerken, dass der ursprüngliche Empfänger des Livre des Fais d’Armes – Louis de Guyenne, für den der Text vermutlich im Jahr 1410 von seinem Schwiegervater Jean sans Peur in Auftrag gegeben worden war – zu diesem Zeitpunkt noch jünger als Marguerite gewesen war. Vgl. zum Auftrag von Jean sans Peur Villela-Petit, Bréviaire de Châteauroux, S. 26–37, bes. S. 37; Teague, Book of War, S. 26–32; Willard, Christine de Pizan, S. 173–193; Willard und Willard, Book of Deeds of Arms, Introduction, S. 3–8. Zu Christine de Pizan und ihrem Œuvre siehe Willard, Christine de Pizan. 170 Übergreifend zu Bibliotheken spätmittelalterlicher adliger Frauen siehe den Sammelband Legaré (Hrsg.), Livres et lectures de femmes, hier bspw. Schnerb, Marguerite de Brécourt, S. 214; Beaune und Lequain, Marie de Berry, S. 50–53.

204  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater In diesem Zusammenhang schlagen Andrew Taylor und einige andere vor, dass die Kompilation nicht nur die Erziehung und Instruktion des frischvermählten Königspaares zum Zweck hatte, sondern auch zur Erziehung ihrer ungeborenen Kinder, insbesondere des potentiellen Thronfolgers, genutzt werden sollte.171 Taylor geht sogar soweit, die Kompilation hinsichtlich ihrer Textauswahl und vor allem -anordnung als für Marguerites Sohn intendierten „complete educational cycle“ zu beschreiben.172 Ob gerade die Reihenfolge der Texte so stringent konzipiert war, wie Taylor vermutet, sei dahin gestellt – Fehler im zeitgenössischen Inhaltsverzeichnis und den Reklamanten sprechen dagegen.173 Es ist jedoch sehr gut möglich, dass Talbot den Nachwuchs des königlichen Paares mitbedachte, als er das kostbare Geschenk veranlasste, und dass er nicht nur Marguerite auf ihre Rolle als Königin von England und Frankreich vorbereiten, sondern auch Heinrich VI. und seine Nachfolger unterweisen wollte – und zwar explizit mit Bezug auf die französische Seite ihres Königtums. Gerade die Tatsache, dass ausschließlich französische Texte eingebunden wurden, stützt die Vermutung, dass die Kompilation nicht zuletzt dazu dienen sollte, dem englischen König die Sprache und Kultur seiner jenseits des Kanals gelegenen Besitzungen näherzubringen. Sowohl hinsichtlich der enthaltenen Texte als auch seiner reichen Ausstattung sticht das Shrewsbury Book deutlich unter den im Rahmen der vorliegenden Studie untersuchten Handschriften hervor. Es haben sich keine für englische Auftrag­ geber in Lancastrian France oder auch Personen aus ihrem kulturellen Umfeld angefertigte Werke erhalten, die in Umfang, Aufwand und Textzusammenstellung mit dem Buchgeschenk für Marguerite d’Anjou vergleichbar sind. Dass solche ehemals existierten und Talbot diese kannte, ist jedoch möglich, außerdem ist davon auszugehen, dass er sich in dem grundsätzlichen Anliegen, an der Erziehung, Belehrung und Beratung der jungen Königin und vielleicht auch ihrer Kinder teilzuhaben, Personen in seinem Umfeld zum Vorbild nahm. In erster Linie ist an seinen Schwiegervater Richard Beauchamp zu denken, der als Tutor Heinrichs VI. sicherlich besonders prominent war und zu dem Talbot nachgewiesenermaßen ein enges Verhältnis hatte. Eine Parallele zu diesem stellte er etwa durch die Inklusion der Legende des Guy von Warwick in die Kompilation her. Eventuell ist auch die Wahl des Chanson de Chevalier au Cygne, einem weiteren legendären Ahnen der Beauchamps, als Hinweis auf den Grafen von Warwick zu deuten, wobei sich der Schwanenritter im Spätmittelalter allgemein großer Beliebtheit erfreute. Im 171 Taylor,

Time of an Anthology, passim. Siehe hierzu auch Dunn, Margaret of Anjou, S. 39 f.; Bossy, Arms and the Bride, S. 241–249. Zur Verwendung von Handschriften zur Erziehung ihrer Kinder bzw. Patenkinder durch adlige Buchbesitzerinnen vgl. Wijsman, Femmes, livres et éducation am Beispiel Margarets von York, Margarethes von Österreich und Margarethes von Parma. 172 Taylor, Time of an Anthology, hier S. 132. 173 Zudem fehlen einige einschlägige Traktate über das Regieren und das Königtum, die man in einem ‚vollständigen‘ Ausbildungsprogramm der Zeit erwarten würde, wie Taylor, Treatise Cycle, S. 145 f. bemerkt.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  205

Großen und Ganzen spielte die verwandtschaftliche Beziehung Talbots zum verstorbenen Grafen von Warwick zwar eine Rolle in seiner Selbstdarstellung als Ratgeber und Erzieher Marguerites, der Schwerpunkt lag jedoch auf seinen eigenen Errungenschaften und seiner hieraus resultierenden hohen Position in der englischen Regierung Frankreichs sowie seiner Expertise in ritterlichen und militärischen Belangen.

3.3.3. Instruktive Geschenke des Herzogs und der Herzogin von Bedford an Heinrich VI. Dass hochrangige Mitglieder der königlichen Familie sich als Erzieher oder Berater junger Fürsten oder Fürstinnen gerierten und sich darum bemühten, an ihrer Ausbildung teilzuhaben, ist keinesfalls ungewöhnlich. Zu denken ist etwa an den burgundischen Herzog Jean sans Peur, der Christine de Pizan mit der Anfertigung des Livre des Fais d’Armes für den Dauphin Louis de Guyenne beauftragte, oder an Humphrey of Gloucester, der Titus Livius Frulovisi im Jahr 1436 mit der Verfassung der Vita Henrici Quinti für seinen Neffen Heinrich VI. betraute.174 Für den Herzog und die Herzogin von Bedford sind zwar keine vergleichbaren Aufträge überliefert, einigen Geschenken des Paares an Heinrich VI. können jedoch zumindest untergeordnet erzieherische oder instruierende Funktionen zugesprochen werden. Hierzu zählen die bereits mehrfach angesprochenen reich illustrierten Bedford Hours, die vermutlich in der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts für einen französischen Nutzer – vielleicht den 1415 verstorbenen Louis de Guyenne – angefertigt worden waren, wahrscheinlich anlässlich der Eheschließung Bedfords und Annes de Bourgogne im Jahr 1423 in den Besitz des Paares gelangten und im Dezember 1430 Heinrich VI. überreicht wurden (Kat. 3). Die Schenkung der prachtvollen Handschrift an den jungen König durch die Herzogin von Bedford „mit Zustimmung und auf herzlichen Wunsch ihres Ehemannes“ zu Weihnachten 1430 wurde auf der Vorderseite des Portraits des Regenten von John Somerset, Heinrichs Leibarzt, festgehalten.175 Anlässlich der Schenkung an Heinrich VI. wurde die Handschrift anscheinend umgestaltet und erweitert: Folgt man Eberhard König, wurden bei dieser Gelegenheit auf allen bestehenden Seiten am unteren Seitenrand kostbare gold-blaue, zumeist zweizeilige Erläuterungen der in den Bordürenmedaillons dargestellten 174 Zum Auftrag Jeans sans Peur an Christine de Pizan siehe die Angaben in Kap. 3.3.2, Anm. 169

und unten, Kat. 13. In der Vita Henrici Quinti werden die Erfolge des zweiten LancasterKönigs in Frankreich als gottgewollt dargestellt und instrumentalisiert, um ein Fortsetzen der militärischen Maßnahmen auf dem Kontinent zu propagieren. Siehe die Edition Titus Livius, Vita. Zum Auftrag vgl. Sammut, Unfredo Duca di Gloucester, S. 17–22; Fehrmann, Grab und Krone, S. 226; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 69–80. Übergreifend zu Gloucesters Bemühungen um eine Beeinflussung Heinrichs siehe ebd., S. 57–136; Petrina, Duke of Gloucester, bes. S. 127–132. 175 London, BL, Add. MS 18850, fol. 256r, zitiert in Kat. 3, Anm. 21. Zur Schenkung siehe Backhouse, Bedford Hours, S. 59–61; dies., Reappraisal, S. 55–59; König, Bedford Hours, S. 85–88.

206  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater christlichen Szenen eingefügt.176 Offenbar hielt man es für nötig, dem jungen König die Medaillons zu erklären; die Handschrift diente Heinrich damit nicht mehr nur als Gebetbuch, sondern zusätzlich gewissermaßen als religiöses Lehrwerk. In derselben Kampagne erweiterte man die Handschrift höchstwahrscheinlich um eine Reihe von Seiten, zu denen ein heute am Ende des Buchblocks eingebundenes Bifolio zählt, das ein von einer ganzseitigen Miniatur eingeleitetes französisches Gedicht über die Legende der Fleur-de-Lis enthält (Folio 288–289) (Farbabb. 3; Abb. 5).177 Die lateinische Vorlage des Gedichts war im 13. Jahrhundert im Umfeld der Abtei von Joyenval von Guillaume de Nangis verfasst worden und verknüpft die Legende darüber, wie die drei Lilien zum Herrschaftszeichen der französischen Könige wurden, mit der Abteigründung.178 Dem Text zufolge war der Frankenkönig Chlodwig in Auseinandersetzungen mit den Goten verwickelt gewesen, weswegen seine christliche Ehefrau Chlothilde zusammen mit einem Eremiten im Tal von Joyenval für ihn gebetet habe. Der Herr habe daraufhin über den Eremiten ein Wappen mit drei goldenen Lilien auf blauem Grund an Chlothilde gesandt, die es wiederum dem Frankenkönig überbracht habe. Dieser sei daraufhin siegreich in der Schlacht gewesen und vom christlichen Glauben überzeugt worden, habe die Abtei von Joyenval gegründet und sei nach Reims zur Salbung durch den heiligen Remigius weitergezogen.179 Der Text wurde am Hof Karls V. ins Französische übersetzt und fand dort weite Verbreitung; große Popularität erlangte die Legende außerdem am burgundischen Hof.180 Dass Bedford und Anne sie als Bestandteil eines Geschenks auswählten, verwundert also keineswegs, ihr Auftreten in einem Stundenbuch ist allerdings ungewöhnlich. Die ganzseitige, dem Text vorangestellte Miniatur legt einen deutlichen Schwerpunkt auf den Weg des Fleur-de-Lis-Wappens zum Frankenkönig (Farbabb. 3): Es 176 Für

eine nachträgliche Einfügung sprechen stilistische Hinweise und die Tatsache, dass die Ein- und Zweizeiler zum Teil ungeschickt unter die Bordüre gezwängt wurden. Ferner liegen zum Teil vermutlich auf Missverständnissen der Medaillons beruhende inhaltliche Fehler in den Erläuterungen vor. Ausführlich zu den im Zusammenhang der Schenkung vorgenommenen Eingriffen siehe ebd., S. 57–62, 85–88, 126–128. 177 Ebenfalls hinzugefügt wurden vermutlich fol. 13r–18v. Die Handschrift wurde nachträglich umgebunden und die ursprüngliche Position der zusätzlichen Folia kann nicht mehr bestimmt werden. Zur stilistischen Verortung der Folia um 1430 siehe ebd., S. 57–62, 85–88, 126–128; Spencer, Bedford Hours, S. 497; Sterling, Peinture médiévale, S. 421, 427–434; McKendrick, Bedford Hours, S. 398 f. 178 Zum Gedicht, seinen Vorlagen und seiner Tradition siehe Châtillon, Lilia crescunt; Bossuat, Poème latin; Spiegel und Hindman, Chronique abrégée, bes. S. 390–392; Bloch, Rois thaumaturges, S. 224–234; Rowe, Notes on the Clovis Miniature, S. 56–60; Beaune, Naissance, S. 56 f., 252–263. Die Legende wurde auch von John Lydgate in seiner ‚Ballade to King Henry VI.‘ aufgegriffen, siehe Lydgate, Secular Poems, S. 625 f. 179 London, BL, Add. MS 18850, fol. 289r–v, transkribiert in Gough, Rich Illuminated Missal, S. 18. 180 Zur Übersetzung des Gedichts am Hof Karls V. und seiner Popularität am burgundischen Hof siehe Spiegel und Hindman, Chronique abrégée, bes. S. 392 f.; Beaune, Naissance, S. 253–255, 260–262; Bossuat, Poème latin, passim; Backhouse, Reappraisal, S. 59 f.; Rowe, Notes on the Clovis Miniature, S. 56–61; Bloch, Rois thaumaturges, S. 232–234. Siehe auch Kintzinger, Symbolique du Sacre, S. 107 f.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  207

ist zu sehen, wie Gott einen Engel zum Eremiten schickt, dieser Chlothilde das Wappen gibt und sie es dem zur Schlacht gerüsteten Chlodwig überreicht. In der Erläuterung der Darstellung unter der Miniatur heißt es entsprechend: „Wie unser Herr durch seinen Engel die drei goldenen Lilien auf einem blauen Schild zu König Chlodwig schickt“.181 Die tatsächliche Schlacht, die Salbung Chlodwigs und die Abteigründung wurden in die Medaillons in der Bordürendekoration der Textseiten ausgelagert. Durch die Erweiterung der Handschrift um die Fleur-de-Lis-Legende, die nicht nur reich illustriert wurde, sondern deren Illustrationen darüber hinaus mittels zusätzlicher Zeilen am unteren Seitenrand erklärt wurden, erhielt das Geschenk abermals eine zusätzliche Funktion; mittels ihres kostbaren Buchgeschenks instruierten der Herzog und die Herzogin von Bedford Heinrich VI. über die Ursprünge des französischen – und damit seines eigenen – Königtums und dessen prominentesten Herrschaftszeichens. Diese Modifizierung wirkt umso programmatischer, wenn man bedenkt, dass Heinrich zum Zeitpunkt der Geschenkübergabe in Rouen weilte und darauf wartete, nach Paris zu seiner Krönung weiter­ reisen zu können und somit das besagte französische Königtum auch sichtbar anzunehmen. Welch wichtige Rolle die Fleur-de-Lis als Zeichen Heinrichs VI. in der die Pariser Krönung begleitenden Bildpropaganda spielte, wurde bereits dargelegt.182 Die Bedford Hours dienten damit nicht mehr nur als Medium der religiösen Andacht, der Repräsentation der Besitzer beziehungsweise der Schenkenden und der Vermittlung religiösen Wissens, sondern zusätzlich als Mittel der politischen Instruktion – der Vorbereitung Heinrichs auf seine Rolle als König von Frankreich. Versuche, seinem Neffen wichtige Traditionen des französischen Königtums mittels kostbarer Geschenke nahezubringen, können möglicherweise auch hinter weiteren Maßnahmen des Regenten vermutet werden: So verfügte er in seinem ersten, am 14. Juni 1429 aufgesetzten Testament, dass Heinrich ein mit Edelsteinen verziertes goldenes Kreuz, das aus der Sammlung Jean d’Alençons stammte und angeblich dem heiligen Ludwig gehört hatte, erben sollte. Das Kreuz sollte auf einem Fuß aus vergoldetem Silber angebracht werden, der „bien et joliement“ mit seiner Wurzeldevise zu verzieren war.183 181 London,

BL, Add. MS 18850, fol. 288v: „Comment nostre seigneur par son ange envoya lez troys fleurs de lis dor en un escu dascur au roy clouys.“ 182 Siehe oben, Kap. 2.2.3, 2.2.4 und 2.2.7. Übergreifend zur englischen Nutzung der Fleur-deLis siehe Ailes, Heraldry in Medieval England, S. 89–94. 183 Das Testament wurde von Stratford, Bedford Inventories, Appendix Nr. 7, S. 386–389 ediert, hier S. 387: „Item, nous laissons a mondit seigneur le roy, la croix d’or garnie de balais et saphirs qui fu a saint Loys, laquele nous avons eue de Jehan d’Alençon, et voulons que en icelle nosdicts executeurs facent faire un pié d’argent doré pesant huit marcs d’argent et qu’il soit bien et joliement ouvré a la devise de racines.“ In Bedfords zweitem, am 10. 9. 1435 aufgesetzten Testament wird das Kreuz nicht mehr aufgeführt, es gelangte aber dennoch in Heinrichs Besitz, wie einem 1445 erstellten Inventar seiner Güter zu entnehmen ist. In diesem wird es als „unam crucem auri, que fuit sancti Lodowici de Francia, garnizatam cum uno grosso baleo et viij baleis minoribus, viij saphiris et xij esmeraldis“ bezeichnet. Zitiert nach ebd., S. 388 f., Anm. 8.

208  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Ebenfalls möglich ist, dass Bedford seinem Neffen den heute in der British Library befindlichen sogenannten Psalter of Henry VI zum Geschenk machte, wobei festzuhalten ist, dass der Herzog als vorübergehender Besitzer der illuminierten Handschrift lediglich vermutet, aber nicht nachgewiesen werden kann.184 Der Kern des Psalters war in der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts in Paris, höchstwahrscheinlich für Louis de Guyenne, angefertigt worden. Um 1420 fand eine erste und um 1430 vermutlich eine zweite Erweiterungskampagne statt.185 Bei letzterer nahm man offenbar Eingriffe an einer Reihe bestehender Miniaturen eines jungen Königs bei liturgischen Handlungen beziehungsweise in Anbetung Christi oder der Gottesmutter vor: Man übermalte das den Wappenrock des Königs zierende französische Wappen mit dem englischen und adaptierte den Psalter somit für den englischen König.186 Als Beispiel sei Folio 50r genannt, das den König in Anbetung der Jungfrau, präsentiert durch Ludwig den Heiligen, zeigt (Farbabb. 41). Es ist vorgeschlagen worden, dass Heinrich VI. den Psalter von seiner Mutter Catherine de Valois, der Schwester Louis’ de Guyenne, als Geschenk erhalten hatte.187 Ebenfalls möglich ist jedoch, dass die Handschrift nach dem Tod Louis’ zunächst in die Louvre-Bibliothek und von dieser in den Besitz Bedfords überging.188 In diesem Fall wäre zu vermuten, dass der Regent die Modifizierung des Psalters veranlasste und ihn seinem Neffen während seines 15-monatigen Aufenthalts in Rouen vor seiner Pariser Krönung schenkte, wie im Falle der Bedford Hours. Leider liegen weder schriftliche Hinweise noch heraldische Additionen vor, die eine solche Vermutung belegen könnten. Zwar ist auf zwei der betroffenen Seiten ein Adler in der Bordüre abgebildet, allerdings nicht, wie sonst in Bedfords heraldischem Programm üblich, in Kombination mit Wurzel und Krone. Dennoch ist denkbar, dass Bedford für die Adaption verantwortlich war. In diesem Falle ließen sich bereits zwei äußerst prestigeträchtige Buchgeschenke des Herzogspaares mit Heinrichs Aufenthalt in Rouen im Vorfeld seiner Krönung zum französischen König verbinden. Eine beachtenswerte politische Komponente erhielte die Schenkung weiterhin durch die Miniatur der Empfehlung des jungen Königs durch Ludwig den Heiligen. Hierdurch wird eine bildliche Verbindung zwischen Heinrich und seinem heiligen Vorfahren hergestellt und auf seinen Anspruch auf die französische Krone als rechtmäßiger Erbe Ludwigs IX. angespielt. Zwar ist die ursprüngliche Wahl des Heiligen sicherlich auf den mutmaßlichen Erstempfänger der Handschrift, 184 London,

BL, Cotton MS Domitian A. XVII (Pergament, 288 fol., ca. 205 x 150 mm). Die Handschrift ist vollständig digitalisiert im Digitised Manuscripts Catalogue der British Library einsehbar. 185 Vgl. McKendrick, Psalter of Henry VI, S. 396; Backhouse, Psalter of Henry VI; RathmannLutz, „Images“ Ludwigs des Heiligen, S. 230–232, 291; Reynolds, English Patrons, S. 304; McKenna, Dual Monarchy, S. 158; Durrieu, Souvenirs historiques, S. 7–11. 186 London, BL, Cotton MS Domitian A. XVII, fol. 13r, 50r, 75r, 98r. 187 Vgl. McKendrick, Psalter of Henry VI, S. 396; Backhouse, Psalter of Henry VI, S. 329  f., 336; Durrieu, Souvenirs historiques, S. 7–9. 188 Zur Übernahme der Louvre-Bibliothek durch Bedford siehe oben, Kap. 1.1.1 und 3.1.4.

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  209

Louis de Guyenne, zurückzuführen, eine Adaption und Modifizierung der Darstellung durch Bedford würde jedoch keinesfalls verwundern, ist doch die gezielte Nutzung und Umnutzung französischer Bilder und Traditionen auch ansonsten für die kunstpolitischen Maßnahmen des Regenten zur Durchsetzung der Herrschaft seines Neffen feststellbar. Die Instrumentalisierung des heiligen Ludwig spielte dabei, wie im zweiten Kapitel diskutiert, eine maßgebliche Rolle. Während sich die bisher zur Sprache gebrachten Beispiele der propagandistischen Nutzung der Tradition des heiligen Ludwig jedoch an jeweils unterschiedlich zu definierende Öffentlichkeiten richteten, diente der Psalter vermutlich dazu, Heinrich selbst mit der Tradition des Heiligen vertraut zu machen, ihm seine Verbindung zu Ludwig bildhaft vor Augen zu führen und ihn somit auf seine herrschaftlichen Ansprüche und Verpflichtungen aufmerksam zu machen.

3.3.4. John Fastolfs Selbstdarstellung als Berater? Abschließend soll ein Blick auf Sir John Fastolf geworfen werden. In seinem Besitz können zwar keine der Erziehung, Belehrung oder Beratung junger Fürsten oder Fürstinnen dienenden Prachthandschriften nachgewiesen werden, mit dem kurz nach 1450 von William Worcester verfassten Boke of Noblesse ist jedoch ein Text überliefert, mittels dessen Fastolf möglicherweise zumindest implizit auf seine Qualitäten als Berater in kriegerischen Belangen hinweisen wollte. Hierbei handelt es sich um einen fürstenspiegelartigen Traktat, der in den 1470er Jahren Eduard IV. gewidmet wurde, in großen Teilen jedoch vermutlich bereits in den frühen 1450er Jahren in Reaktion auf die Verluste Heinrichs VI. in Frankreich verfasst worden war.189 Enthalten sind zum einen allgemein gehaltene Passagen zum Regieren, zur Kriegsführung und zum ritterlichen Verhalten unter Bezugnahme auf klassische Beispiele, aber auch Vorbilder aus der jüngeren Vergangenheit, wie Heinrich V. und John of Bedford. Zum anderen wird die konkrete politische Situation thematisiert: Die militärischen Verluste und die Niederlage im Krieg gegen Frankreich werden analysiert und die Dringlichkeit der Rückeroberung der französischen Besitzungen dargelegt. Im Boke of Noblesse wird wiederholt angemerkt, dass der Herrscher sich gegenüber „prudent avise and sure conceile“ aufgeschlossen zeigen solle, um eine gute Regierung zu gewährleisten. Besonders wertvoll sei die Beratung durch Männer hohen Alters, sowohl in Bezug auf zivile Belange als auch auf die Führung der 189 Zum

Boke of Noblesse siehe oben, Kap. 1.4.1, 3.2.3 und unten, Kap. 3.4.1 sowie Nichols, Boke of Noblesse, Introduction, S. lv–lvi; McFarlane, William Worcester, S. 210–215; Allmand, France-Angleterre; Wakelin, Humanism, S. 93–125; Hughes, Stephen Scrope, S. 131 f., 135– 146; Thorpe, Writing and Reading, S. 60 f., 134–137, 319 mit weiteren Literaturhinweisen; Allmand und Keen, History. Während der letzten Jahre des Krieges und im dritten Viertel des 15. Jh.s entstanden etliche politische Traktate, mittels derer versucht wurde, die Verluste in Frankreich zu erklären und Einfluss auf das politische Handeln der Machthaber zu nehmen. Vgl. hierzu ebd.; Hughes, Stephen Scrope, S. 129–146; Taylor, English Writings, passim; ders., War, Propaganda and Diplomacy, S. 83–86; Wakelin, Humanism, passim; Genet, L’influence française, S. 85–90.

210  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Armee im Krieg.190 Als Beispiel hierfür wird der römische Konsul Cato genannt, der seine Karriere als Krieger und Ritter begonnen, in den folgenden Jahren verschiedene hochrangige Ämter im In- und Ausland innegehabt habe und „in his gret auncien age“ zum Konsul ernannt worden sei, um Rom als Berater zu dienen. Als solcher habe er den jungen Rittern empfohlen, in den Krieg gegen Karthago zu ziehen.191 Auf John Fastolfs vermutliche Mitwirkung an der inhaltlichen Gestaltung des Boke of Noblesse wurde hingewiesen, vielleicht war sogar er es, der William Worcester mit dem Verfassen des Textes betraute. Denkbar ist überdies, dass als Empfänger der ersten Fassung des Textes Heinrich VI. vorgesehen gewesen war – dass er vielleicht sogar eine Handschrift geschenkt bekam – und dass man ihn mittels des Traktats zu einer Wiederaufnahme der kriegerischen Bemühungen in Frankreich bewegen wollte. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre der wiederholte Verweis auf den hohen Wert der Beratung des Herrschers durch alte, im Krieg wie auch in der Verwaltung erfahrene Männer von besonderem Interesse: Möglicherweise nutzte Fastolf, der bei der Anfertigung bereits über siebzig war, das Boke of Noblesse nicht nur, um sein Mitwirken an der englischen Herrschaft in Frankreich unter der Ägide Heinrichs V. und Bedfords aufzuzeigen, sondern auch, um sich selbst als weiser, im Krieg mit Frankreich erfahrener Berater darzustellen und seine Expertise für weitere militärische Unterfangen anzubieten.

3.3.5. Zwischenfazit zur Selbstdarstellung als Berater, Lehrer und Erzieher Das Bild, das die Untersuchung der Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich hinsichtlich einer möglichen Selbstdarstellung als Erzieher, Lehrer oder Ratgeber ergibt, ist vergleichsweise disparat. Während sich für Richard Beauchamp, der als einziger mit einer offiziellen Erzieherfunktion betraut war, keine entsprechenden Maßnahmen nachweisen lassen, sind sie für Bedford, Talbot und Fastolf in unterschiedlich starkem Maße greifbar. So zeigt der Blick auf das Shrewsbury Book, dass dieses neben der Visualisierung des Anspruchs Heinrichs VI. auf die französische Krone und der Inszenierung der Position John Tal190 Boke

of Noblesse, hier S. 63: „And he that wolle have prudent avise and sure conceile must doo by counceile of men of gret age, aswelle in counceile of civile causes as in conduct of armees and oostis of men of armes in werre, for the defence of the comon publique.“ 191 Ebd., S. 61: „This chapitre declarithe how many gret offices of highe dignite Caton was called and auctorised for his gret manhode and wisdom, and how he in his age couraged the yong knightis to goo to feelde to venquisshe Cartage or he died. Also the noble senatoure of Rome Caton, that was so manlie, prudent, and of holsom counceile, whiche in his yong daies occupied the office of a knight in exersising armes, anothir season he occupied the office of tribune as a chief juge among the Romayns, another season was a legat as an ambassatoure into ferre contreis, yet anothir tyme in his gret auncien age, that he might not gretlie laboure, was made consul of Rome to sit stille and avise the weies and meenys how the Romayns might alway be puissaunt to resist ayenst Cartage“. Siehe auch ebd., S. 63 f. Gemeint ist vermutlich Marcus Porcius Cato, gen. Cato der Ältere (gest. 149 v.Chr.).

3.3 Die Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich  211

bots in Lancastrian France auch der Erziehung und Instruktion des jungen Königspaares sowie vermutlich dessen Nachwuchses dienen sollte. Ferner nutzte der Graf von Shrewsbury das kostbare Buchgeschenk, um sich selbst als potentiellen Berater in militärischen Belangen im Krieg mit Frankreich zu präsentieren. Für John Fastolf wiederum haben sich zwar keine Kunstwerke erhalten, denen eine erziehende oder belehrende Funktion zugesprochen werden kann, es ist jedoch denkbar, dass er das Boke of Noblesse als für Heinrich VI. intendierten Fürstenspiegel in Auftrag gegeben hatte und sich hiermit implizit als Experte für den vergangenen und zukünftigen Krieg mit Frankreich darstellen ließ. Auch die Bedford Hours fungierten nicht nur als Gebetbuch und repräsentatives Statussymbol, sondern untergeordnet auch zur Instruktion Heinrichs VI. über die christlichen Inhalte des Buches sowie das französische Königtum und dessen wichtigstes Bild, die Fleur-de-Lis. Zur Erweiterung der Handschrift um die entsprechenden Seiten und Einträge kam es offenbar anlässlich der Schenkung an Heinrich kurz vor seiner Pariser Krönung, das Geschenk trug damit zu seiner Vorbereitung auf die Rolle als französischer König bei. Ein ähnliches Ziel verfolgte Bedford möglicherweise auch mit der Schenkung des Psalter of Henry VI mit dem Bild Ludwigs des Heiligen und des englischen Königs sowie der Vererbung des Ludwigskreuzes, wobei der Herzog in ersterem Fall als Schenkender nur vermutet werden kann. Beide Werke brachten dem jungen König seinen heiligen Vorfahren näher und führten ihm damit seine herrschaftlichen Rechte und Pflichten in Frankreich bildhaft vor Augen. Durch die Selbstdarstellung als Erzieher, Lehrer oder Ratgeber des amtierenden oder zukünftigen Königs und/oder seiner Königin konnte man nicht nur die ­eigenen Qualitäten, Erfahrungen und Kenntnisse, die einen zu einer solchen Rolle befähigten, zum Ausdruck bringen, sondern vermittelte zugleich eine bereits bestehende hohe gesellschaftliche Position, denn nur eine solche gestattete es überhaupt, Einfluss auf den Herrscher zu nehmen. Überdies trug man durch die Beteiligung an der Erziehung und Formung des Königs zu einem guten Herrscher im Optimalfall zur Stärkung seiner Herrschaft mit bei. Die diskutierten Geschenke mit beratenden oder belehrenden Funktionen waren damit ein indirektes Mittel zur Herrschaftsdurchsetzung und reihen sich als solche auch in die im zweiten Kapitel untersuchten Maßnahmen zur Visualisierung der Ansprüche Heinrichs VI. in Frankreich durch die Vertreter der englischen Krone ein. Dass die zur Sprache gebrachten Handschriften den letztgenannten Zweck letztendlich nur bedingt erfüllten, ist bekannt. Zwar zeigte sich Marguerite d’Anjou als engagierte militärische Anführerin in den sogenannten Rosenkriegen, ­inwieweit das Shrewsbury Book sie hierzu inspirierte und befähigte, ist jedoch nicht zu klären.192 Die Versuche, Heinrich VI. das französische Königtum näherzubringen und ihn auf seine Rolle als französischer König vorzubereiten, waren letztlich nicht von Erfolg gekrönt, wie das in den Dekaden nach seiner Doppel192 Zu

Marguerites Engagement in den Rosenkriegen siehe Dunn, Queen at War; Griffiths, Henry VI, passim.

212  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater krönung zu beobachtende mangelnde Interesse an seinem französischen Herrschaftsbereich und der Durchsetzung seiner Herrschaftsansprüche in Frankreich deutlich zeigt.193

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich Nimmt man die bisher behandelten erhaltenen Werke sowie die im Rahmen politischer Inszenierungen instrumentalisierten Bilder in ihrer Gesamtheit in den Blick, fällt auf, dass bestimmte Heilige, aber auch weltliche Autoritäten, immer wieder eine Rolle in den Kunstaufträgen und Stiftungen der Engländer in Frankreich spielten. Die Auftraggeber versicherten sich dadurch nicht nur der diesseitigen und jenseitigen Unterstützung der betreffenden Heiligen, sondern brachten die Bedeutung, die die jeweiligen Bezugsfiguren und Traditionen für die eigene Person innehatten, auch visuell zum Ausdruck, indem sie eine sichtbare Bindung zu diesen herstellten. Im folgenden abschließenden Kapitel soll übergreifend danach gefragt werden, welche Figuren von besonderer Bedeutung für die politisch einflussreichen Akteure in Lancastrian France waren, was man durch ihre Indienstnahme vermitteln wollte und in welcher Form dies jeweils geschah.

3.4.1. „In the name of Almyghti God and Saynt George“.194 Der heilige Georg in Lancastrian France Von herausragender Bedeutung für die englischen Besatzer in Frankreich war zweifelsohne der heilige Georg. Der Kult um den Drachentöter, einen der populärsten Heiligen im spätmittelalterlichen Europa, beschränkte sich freilich nicht auf England und die Engländer, ihm kam jedoch eine besondere Bedeutung für die englische Armee im Hundertjährigen Krieg zu. Der spätantike, eventuell aus Kappadokien stammende Märtyrer erfreute sich seit dem 12. Jahrhundert zunehmender Verehrung in England. Als Patron des von Eduard III. in der Mitte des 14. Jahrhunderts gegründeten Hosenbandordens entwickelte er sich zum wichtigsten englischen ‚National‘-Heiligen neben Eduard dem Bekenner.195 Erneuten Aufschwung erfuhr der Georgskult unter Heinrich V., die Bedeutung des Heiligen für die englische Armee unter dem zweiten Lancaster-König in Frankreich klingt 193 Zur

Frankreichpolitik Heinrichs VI. ab den 1430ern siehe ebd., S. 231–712; Carpenter, Wars of the Roses, S. 87–129; Hicks, Wars of the Roses, S. 49–120. 194 Laut den englischen Brut Chronicles rief Heinrich V. mit diesen Worten den hl. Georg bei der Schlacht von Agincourt an, Brut Chronicles, S. 378: „The morow aros, þe day gan spryng, and þe King, be gode avis, lette arme his bataile and wyngeȝ, and charged euery man to kepe hym hoole togadir […] And þanne he sayde with an hygh voyce: ‚In þe name of Almyȝti God and Saynt George, avaunt banarer! and Saynt George, þis day þyn help!‘“. 195 Übergreifend zur Georgsverehrung vgl. Wetzig, Sankt Georg; Braunfels, ‚Georg‘; Braunfels-Esche, Sankt Georg. Zur Georgsverehrung in England siehe Good, Saint George in Medieval England; Allmand, Les saints anglais; MacGregor, Cult of Saint George; Beaune, Naissance, S. 199–202.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  213

in zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen der kriegerischen Unternehmungen Heinrichs an.196 Die Rolle, die dem Heiligen im Bildprogramm von Zeremonien und militärischen Aufmärschen zukam, die die öffentlichkeitswirksame Visualisierung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. in Lancastrian France zum Ziel hatten, wurde bereits dargelegt. Der heilige Georg stellte – oft in Kombination mit dem heiligen Dionysius – während des gesamten Zeitraums der englischen Besatzung Frankreichs eine entscheidende Komponente der entsprechenden Inszenierungen dar, ebenso wie sein Banner, das rote Kreuz auf weißem beziehungsweise silbernem Grund, das wichtigste Symbol der militärischen Macht der Engländer auf dem Kontinent war.197 Aber auch in Werken, die weniger die Zurschaustellung übergreifender politischer Ansprüche zum Ziel hatten als vielmehr der bildlichen ­Repräsentation einzelner Mitglieder der englischen Regierung in Frankreich oder auch devotionalen und damit nicht in erster Linie öffentlich-repräsentativen Zwecken dienten, spielten der heilige Georg und das Georgskreuz eine wichtige Rolle. So ist beispielsweise für Richard Beauchamp überliefert, dass das Schiff, mit dem er im Sommer 1437 ein letztes Mal von England nach Frankreich übersetzte, nicht nur mit seinen eigenen Bilddevisen und denen seiner Ehefrau bemalt war, sondern auch mit einem „grete Crosse of S. George“.198 Der heilige Georg und die englische Armee in Frankreich In den Stifterportraits der für die Engländer angefertigten Gebetbücher wurde vielfach nicht auf den eigentlichen Namenspatron als persönlichen Schutzheiligen zurückgegriffen, sondern auf Georg: So wurden die Bedford Hours anlässlich der Eheschließung John of Bedfords und Annes um Memoriae der heiligen Anna und des heiligen Georg und nicht etwa Johannes’ des Täufers oder des Evangelisten erweitert (Kat. 3). In der einleitenden Miniatur zeigt sich der Herzog in Anbetung Georgs, der hier ungewöhnlicherweise nicht als Drachentöter, sondern als Mitglied des Hosenbandordens dargestellt ist und von einem seinen Wimpel tragenden Krieger begleitet wird. Medaillons mit Szenen aus dem Martyrium des Heiligen zieren die Bordüre der Seite (Farbabb. 1).199 196 Vgl.

beispielhaft Brut Chronicles, S. 378 f. Zu den militärischen Unternehmungen Heinrichs V. in Frankreich und deren zeitgenössischer Darstellung siehe die zahlreichen Arbeiten Anne Currys, insb. Curry, Battle of Agincourt. Zur Rezeption der Schlacht von Agincourt siehe jüngst dies., Agincourt. Zur Förderung des Georgskults unter Heinrich V. siehe Good, Saint George in Medieval England, S. 82–84, 95–97; Allmand, Les saints anglais, S. 753 f.; Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 319–322, 327 f., 334–336, 350–352; Catto, Religious Change under Henry V, S. 107 f. 197 Siehe hierzu oben, Kap. 2.2. 198 Dies ist einer von Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 408 transkribierten Rechnung zu entnehmen, zitiert oben, Kap. 1.2.1, Anm. 142. 199 London, BL, Add. MS 18850, fol. 256v. Zum Portrait Bedfords siehe auch oben, Kap. 3.1.2. Auch das zweite Stundenbuch, das mit dem Herzog in Verbindung gebracht werden kann, die weit weniger umfangreichen und aufwendig gestalteten, der privaten Andacht dienenden Foyle Hours and Psalter (London, BL, Add. MS 74754) enthalten zusätzliche Gebete an den hl. Georg. Siehe hierzu Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, S. 351–354; B ­ osanquet, Prayer-Book, S. 150, 152 f.

214  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Als persönlicher Schutzheiliger fungierte Georg auch für John Talbot, den Grafen von Shrewsbury, wie bildhaft in allen drei dem Besitz Talbots und seiner Ehefrau zuzuweisenden Stundenbüchern zum Ausdruck kommt (Kat. 14a–c): Die einleitenden Widmungsminiaturen zeigen jeweils den zur Schlacht gerüsteten, seinen Wappenrock tragenden Grafen und seine Ehefrau Margaret Beauchamp in Anbetung der Jungfrau. Talbot wird der Gottesmutter vom ebenfalls in Rüstung dargestellten heiligen Georg empfohlen (Farbabb. 19, 21, 26).200 Die Bedeutung, die der Heilige für den Grafen von Shrewsbury im kriegerischen Alltag innehatte, zeigt sich darüber hinaus in den höchstwahrscheinlich auf Wunsch des Auftraggebers nachträglich hinzugefügten Gebetstexten der Cambridger Talbot Hours (Kat. 14a): So fleht der Betende Georg im englischen Kriegsgebet auf Folio 107v um Macht über seine Gegner im Kampf an.201 Den Abschluss der Handschrift wiederum bildet ein lateinisches Gebet an den Drachentöter, in welchem dessen Qualitäten als Soldat gerühmt werden und er als „spes anglorum“ sowie „lux et decus bellatorum“ angesprochen wird.202 Talbots persönliche Bindung an den heiligen Georg wird hier visuell in der das Gebet einleitenden Initiale S zum Ausdruck gebracht: Sein Name tritt dreifach in der die Initiale zierenden Federzeichnung auf (Folio 135v) (Abb. 24). Daneben sei daran erinnert, dass Talbot dem Heiligen auch in seinen testamentarischen Verfügungen zu seiner Grablege eine besondere Rolle zugestand: Als Ort seiner Beisetzung bestimmte er eine auf seine Kosten zu errichtende „Chapelle of oure Lady and Seynt George“ in der Pfarrkirche St Alkmund’s in Whitchurch, Shropshire.203 Auch Sir William Oldhall trug Sorge, den heiligen Georg in besonderer Weise in seinem Gebetbuch hervorzuheben (Kat. 18a): Er wählte die einleitende Miniatur einer Memoria des Heiligen für sein Stifterportrait aus und zeigt sich hier mit Schwert, Rüstung und Wappenrock, in Anbetung des den Drachen bezwingenden Heiligen (Farbabb. 35).204 Wenn auch etwas weniger exponiert, so lässt sich die Verehrung, die die Vertreter der englischen Krone dem heiligen Märtyrer entgegenbrachten, in fast allen anderen im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Gebetbüchern bildlich greifen: Beispielsweise umfassen das vermutlich dem Besitz Sir John Fastolfs zuzuweisende Stundenbuch Harley MS 1251 in der 200 Cambridge,

Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 7v; MS 41-1950, fol. 2v; Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 4v. Siehe hierzu MacGregor, Cult of Saint George, S. 74–76. 201 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 107v, zitiert unten, Kat. 14a–c, Anm. 228. Zu den Erweiterungen der Handschrift siehe Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 445; James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83, S. 224 f.; Duffy, Marking the Hours, S. 77–80; Rudolf, Middle English Devotional Prayer. 202 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 135v, zitiert unten, Kat. 14a–c, Anm. 229. 203 London, Lambeth Palace Library, Register Stafford and Kemp, fol. 311v. Siehe hierzu oben, Kap. 1.3.2 sowie Will of John Talbot, S. 373, Anm. 1; Pollard, John Talbot, S. 124; ders., Talbot, John, S. 704. Zu Talbots Georgsverehrung siehe auch Collins, Dispute over Patay, S. 134. 204 London, BL, Harley MS 2900, fol. 55r. Siehe knapp Backhouse, Books of Hours, S. 73, 76; Catalogue of Harleian Manuscripts, Nr. 2900. Zusätzliche, nicht illuminierte, vermutlich auch hier auf Wunsch des Auftraggebers hinzugefügte Gebete zu Beginn des Buchblocks (fol. 1–4) richten sich ebenfalls unter anderem an den hl. Georg (fol. 1v).

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  215

British Library (Kat. 15), die Hoo Hours in der Royal Irish Academy in Dublin (Kat. 18c) und die Porter Hours in der Pierpont Morgan Library in New York (Kat. 18b) ebenfalls mit Miniaturen ausgestattete Gebete an den heiligen Georg.205 Im Gegensatz zu den Gebetbüchern Bedfords, Talbots und Oldhalls wird in den genannten Handschriften zwar keine exklusive Bindung zwischen dem Nutzer des Buches und Georg durch die direkte bildliche Kombination von Betendem und Heiligem evoziert, eine gewisse Bedeutung kommt ihm aber dennoch zu. In seiner umfassenden Untersuchung zum Kult des heiligen Georg im mittelalterlichen England konnte Jonathan Good herausstellen, dass der Drachentöter es zwar nicht zum populärsten Heiligen der Gesamtheit der englischen Bevölkerung brachte, wohl aber zum beliebtesten Militärheiligen und zum wichtigsten Heiligen der englischen Armee – „St. George was prescribed for all levels of the English army, both knights and foot-soldiers.“206 Diese grundsätzliche Relevanz Georgs ist in unterschiedlich starker Ausprägung auch in allen hier in Augenschein genommenen Werken greifbar.207 Deutlich zeigt sich darüber hinaus die explizit militärische Prägung der jeweiligen Bilder und der oft kriegerische Kontext seiner Verehrung, etwa in den Darstellungen Talbots und Oldhalls als zur Schlacht gerüstete Krieger mit Schwert, Rüstung und Wappenrock, im Begleiter des heiligen Georg im Portrait in den Bedford Hours und in den Kriegsgebeten in den Cambridger Talbot Hours.208 Dies weist zum einen auf den fraglos vorrangigen Zweck der Gebetbücher beziehungsweise der devotionalen Handlung, im Rahmen derer sie verwendet wurden, und dieser hatte zunächst einmal wenig mit der öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung zu tun: Man erbat sich himmlischen Beistand im irdischen Tagesgeschäft, und dies war für alle im Auftrag der englischen Krone in Frankreich tätigen Akteure maßgeblich vom Krieg und von der Notwendigkeit der militärischen Durchsetzung und Aufrechterhaltung der englischen Herrschaft geprägt. Der Militärheilige fungierte dabei als Schutzpatron und Helfer beziehungsweise als Interzessor in der Vermittlung des jeweiligen Gebets gegenüber Christus und der Gottesmutter und wurde als solcher bildlich dargestellt. Zum zweiten kann dem heiligen Georg eine identitätsstiftende Funktion zugeschrieben werden. Durch die bildliche Bezugnahme auf den Heiligen, der mehr als jeder andere mit dem Erfolg der englischen Armee auf dem Kontinent in Verbindung gebracht wurde, visualisierte man seine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe. Zugleich stellte man sich als aktiv an der Durchsetzung der englischen Herrschaft 205 London,

BL, Harley MS 1251, fol. 45r; Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 41v; New York, PML, MS M. 105, fol. 40r. 206 Good, Saint George in Medieval England, bes. S. 95–121, hier S. 121. 207 Hierbei ist zu bedenken, dass erstens nur ein geringer Prozentsatz der für die englischen Auftraggeber im besetzten Frankreich angefertigten Stundenbücher erhalten ist und sich zweitens zweifelsohne lediglich ein Bruchteil der englischen Armee illuminierte Gebetbücher leisten konnte. 208 Durch das Tragen von Wappenrock und Rüstung signalisieren Talbot und Oldhall ihre Bereitschaft zum Kampf nach den Regeln des ritterlichen Verhaltenskodex, vgl. Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 350–359.

216  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater in Frankreich beteiligt dar. Besonders plakativ zeigt sich diese Verbindung in der Nutzung des Georgskreuzes durch die englische Armee: Das rote Kreuz auf weißem Grund repräsentierte die englische Militärmacht.209 Eindrücklich zum Ausdruck bringen konnte man seine Rolle als Anhänger Georgs und englischer Krieger aber auch mittels der gemeinsamen Darstellung in illuminierten Gebetbüchern. Zwar muss, wie bereits mehrfach betont, im Falle der in erster Linie der privaten Andacht dienenden Stundenbücher davon ausgegangen werden, dass der jeweilige Rezipientenkreis der durch die Gebetbücher vermittelten Bilder begrenzt war, es ist jedoch anzunehmen, dass die mitunter hochwertig ausgestatteten Werke zumindest im familiären oder engeren höfischen Umfeld und gegenüber Waffen­ gefährten gezeigt wurden. Der heilige Georg als Patron des Hosenbandordens Während bisher auf den heiligen Georg als Schutzheiligen der englischen Armee in ihrer Gesamtheit fokussiert wurde, soll im Folgenden seine Funktion als Patron des Hosenbandordens in den Blick genommen werden – ein Aspekt, der zwangsläufig nur für einen elitären Teil der englischen Armee eine Rolle spielte, nämlich die Mitglieder des Ordens. Während John of Bedford und Richard Beauchamp bereits sehr kurz nach der Regierungsübernahme der Lancaster zu Rittern des Hosenbandordens geschlagen worden waren, resultierten die Erhebungen John Talbots und John Fastolfs nicht zuletzt aus ihren Errungenschaften in Lancastrian France unter Bedfords Regentschaft: Talbot wurde im Jahr 1424 aufgenommen und Fastolf im Jahr 1426.210 Die immense Wertschätzung, die alle vier Ritter dem Hosenbandorden und zugleich dem heiligen Georg in seiner Funktion als Ordenspatron entgegen brachten, zeigt sich zunächst in einer ganzen Reihe von religiösen Stiftungen in England und Frankreich. Eine der wenigen dokumentierten Stiftungen Richard Beauchamps erging an die Minoritenklöster in Aylesbury, Dunstable und Warwick und sollte für Messen zugunsten kürzlich in der Schlacht verstorbener Ritter des Hosenbandordens aufgewendet werden.211 John Fastolf hingegen konzentrierte sich auf sein ­eigenes Seelenheil: Im Jahr 1452 wies er seine Gefolgsleute an, dem College von Saint George in Windsor, der Ordenskapelle des Hosenbandordens, eine bestimmte Summe zur Finanzierung eines „special obite to be kepte ones in the yere“ zukommen zu lassen.212 In seinem 1459 aufgesetzten Testament verfügte er erneut über die Stiftung einer jährlichen Seelenmesse an die Kapelle und das College von 209 Zur

Nutzung und Symbolik des Georgskreuzes durch die englische Armee siehe ebd., S. 325– 327, 336; Good, Saint George in Medieval England, passim; Beaune, Naissance, S. 199–202. 210 Vgl. Begent und Chesshyre (Hrsg.), Order of the Garter, S. 311 f. Zum Hosenbandor­ den siehe ebd., bes. S. 9–18; Boulton, Knights of the Crown, S. 96–167; Collins, Order of the Garter; Ormrod, For Arthur and St George; Prietzel, Hosenband und Halbmond, bes. S. 124–126, 133 f. Zum hl. Georg als Ordenspatron siehe MacGregor, Cult of Saint George. 211 Siehe Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 48  f.; dies., Beauchamp Earls of Warwick, S. 278 f. mit Quellenhinweisen. 212 Richmond, Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 75, zitiert oben, Kap. 1.4.2, Anm. 278.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  217

Saint George.213 Eine besonders großzügige Stiftung an die Ordenskapelle in Windsor ist für den Herzog von Bedford überliefert: Im Dezember 1421 bedachte er die Kapelle mit den Spiritualien der zur normannischen Abtei Le Bec gehörenden Priorei von Ogbourne, die mit umfangreichen Einkünften und Präbenden verbunden waren. Die Stiftung erfolgte ausdrücklich zu Ehren des heiligen Georg und des Hosenbandordens und hatte Gebete für den Herzog selbst und seine Vorfahren zum Zweck.214 John Talbot wiederum stiftete der Kirche Saint-Sépulcre in Rouen im Dezember 1444 zwei mit dem Symbol des Ordens, dem blauen Schnallenband mit dem Motto „Honi soit qui mal y pense“, verzierte Altarbehänge, die „especialment a la feste de mondit sieur saint george“ genutzt werden sollten.215 Bildliche Bezugnahmen auf den Hosenbandorden finden sich auch in den Handschriften der Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich: Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der heilige Georg im Portrait des Regenten in den Bedford Hours nicht wie üblich als Drachentöter, sondern als Mitglied des Ritterordens, gewandet in den blauen Ordensmantel mit dem Ordenssymbol, dargestellt ist (Kat. 3) (Farbabb. 1). Die Exzeptionalität der Darstellung betont einmal mehr die große Bedeutung, die der Orden und der Heilige in seiner Funktion als dessen Patron für den Herzog von Bedford innehatten.216 Gleich mehrfach wird im auf Veranlassung John Talbots kompilierten Shrewsbury Book auf den Hosenbandorden Bezug genommen (Kat. 13): So präsentiert sich der Graf von Shrewsbury in der die Übergabe der Handschrift an Marguerite d’Anjou zeigenden Widmungsminiatur in einem prachtvollen roten Gewand, das reich mit blauen Hosenbändern verziert ist, und es ist nicht auszuschließen, dass er bei der tatsächlichen, sicherlich prunkvoll inszenierten Schenkung ähnlich gewandet war (Farbabb. 13; Abb. 17).217 Das Hosenband fasst zudem das am unteren Rand derselben Seite dargestellte Wappen des Grafen medaillonartig ein und tritt in ähnlicher Funktion dreimal auf der gegenüberliegenden Seite auf: Als Einfassung des Wappens und der gekrönten Initiale Marguerites rechts und links der Darstellung Heinrichs VI. in der genealogischen Tafel und als Einfassung des Georgskreuzes am Anfang der englischen Abstammungslinie Heinrichs (Farbabb. 14). Letzteres Medaillon bildet das Gegenstück zum französischen 213 Richmond, Once

Again. Fastolf ’s Will, S. 125, zitiert oben, Kap. 1.4.2, Anm. 278. Zur Stiftung an die Ordenskapelle siehe ders., Fastolf, Suffolk and the Pastons, S. 74–78; ders., Paston Family. Fastolf ’s Will, S. 192; Collins, Dispute over Patay, S. 132. 214 Die Stiftung wurde von Heinrich V. kurz vor seinem Tod und erneut im Namen Heinrichs VI. im Jahr 1429 bestätigt. Vgl. Stratford, Bedford Inventories, S. 114; Dalton (Hrsg.), Manuscripts of St George’s Chapel, S. 15; Morgan, English Lands, S. 128–131. Zur Bestätigung durch Heinrich V. im Jahr 1422 siehe CPR, Henry V., Bd. 2: 1416–1422, S. 441 f. 215 Rouen, ADSM, G 9336, vgl. das Zitat oben, Kap. 1.3.2, Anm. 213. Siehe Pollard, John Talbot, S. 124; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111; Collins, Dispute over Patay, S. 134. 216 Zur Bedeutung des Hosenbandordens in den Bedford Hours siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 114; Backhouse, Bedford Hours, S. 37 f.; Spencer, Bedford Hours, S. 496; Good, Saint George in Medieval England, S. 83 f.; Rowe, Notes on the Clovis Miniature, S. 61–65. 217 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v. Zur Präsenz des Hosenbandordens im Shrewsbury Book siehe Taylor, Treatise Cycle, S. 148 f.; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 171 f.; Dunn, Margaret of Anjou, bes. S. 39 f., 44–47; Collins, Order of the Garter, S. 249 f.

218  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Fleur-de-Lis-Wappen zu Beginn der französischen Abstammungslinie. Talbot stellt also zum einen eine sichtbare Bindung zwischen sich selbst und dem Orden, zum anderen zwischen der Prinzessin und dem Orden her und weist ihn überdies explizit der englischen Seite Heinrichs VI. zu.218 Den Abschluss der prestigeträchtigen Kompilation bilden die Statuten des Hosenbandordens. Sie werden von einer Miniatur eingeleitet, die eine Versammlung der Ritter des Hosenbandordens – vermutlich die Gründungsmitglieder – in der Georgskapelle in Windsor, in Anbetung des Ordenspatrons zeigt (Farbabb. 18).219 Es wurde bereits dargelegt, dass die Statuten wahrscheinlich nicht eigens zum Zweck der Schenkung angefertigt, sondern erst anlässlich der Übergabe an die französische Prinzessin adaptiert wurden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie hierfür ausgewählt wurden, man sich also offenbar ausdrücklich darum bemühte, der jungen Königin die Bedeutung des Ordens und seine Werte im Einzelnen zu vermitteln. Die sicherlich bewusst vorgenommene prominente Positionierung der Ordensstatuten am Ende des Buches unterstreicht ihre Signifikanz für den Schenkenden umso mehr. Zahlreiche Hinweise auf eine besondere Wertschätzung des Hosenbandordens und seiner Ideale sind für John Fastolf greifbar. Dies kann sicherlich nicht zuletzt mit der in diesem Fall guten Quellenlage begründet werden und ist einschlägig von Hugh Collins untersucht worden.220 Eindrücklich visualisiert wird Fastolfs Bindung zum Orden in der kostbarsten und aufwendigsten seiner illuminierten Handschriften, der Kombination des Livre des Quatre Vertus Cardinaux und der Épître d’Othéa Christine de Pizans (Kat. 16a): Auf der letzten Seite befindet sich eine Federzeichnung der Initiale M, die Fastolfs Motto „Me fault faire“ einleitet und in der eine Schriftrolle mit dem Ordensmotto eingearbeitet wurde (Abb. 25).221 Weiterhin sind zumindest zwei Fälle belegt, in denen Fastolf im Rahmen seiner zahlreichen Umbaumaßnahmen in East Anglia repräsentative Gebäude wie seine Hauptresidenz in Caister und die Kirche Pulham Saint Mary in Norfolk mit seinem von einem Hosenband eingefassten Wappen ausstatten ließ.222 Daneben lassen sich anhand erhaltener Inventare seiner Güter mehrere zeremonielle Gewänder des Ritterordens in seinem Besitz nachweisen, und für das Jahr 1433 ist die Schenkung einer Georgs­ reliquie an die Gilde des heiligen Georg in Norwich durch Fastolf belegt.223 218 Zur

Verbindung zwischen Marguerite und dem Hosenbandorden siehe Dunn, Margaret of Anjou. 219 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 439r–440v. Vgl. Alexander, Painting and Manuscript Illumination, S. 151; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111. 220 Collins, Dispute over Patay; ders., Order of the Garter, passim. 221 Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570, fol. 93r. 222 In Caister ließ er ein Relief seines von zwei Engeln gehaltenen Wappens über einem Erkerfenster des in Teilen erhaltenen Turms anbringen. In Pulham Saint Mary wurde das Wappen in die Buntglasfenster eingelassen. Vgl. hierzu Scrope, Castle Combe, S. 169, 184; Collins, Dispute over Patay, S. 132. 223 Die Gewänder werden bei Amyot (Hrsg.), Effects formerly belonging to Sir John Fastolfe, S. 255 f. aufgeführt. Das Geschenk an die Norwicher Gilde wird in einem Inventar der Gilde gelistet, Hudson und Tingey (Hrsg.), Records of the City of Norwich, Bd. 2, Nr. cccclxvii, S. 399, zitiert oben, Kap. 1.4.2, Anm. 297. Siehe dort auch ausführlicher hierzu. Vgl. außerdem Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 110, Anm. 30.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  219

Inwieweit John Fastolf die Werte des Hosenbandordens tatsächlich verinnerlicht hatte, disputierte man bereits zu seinem Lebzeiten, und zwar anlässlich seiner ‚Flucht‘ vor den übermächtigen französischen Truppen bei Patay im Jahr 1429. Bei dieser Gelegenheit wurden John Talbot und weitere hochrangige englische Kommandeure gefangen genommen, Fastolf und sein Gefolge entkamen jedoch frühzeitig, und er musste sich in den folgenden Jahren wiederholt gegen den Vorwurf der Feigheit und Unehrenhaftigkeit zur Wehr setzen.224 Vor allem aber wurde er, wie der Augenzeuge Jean de Wavrin berichtet, vom äußerst verärgerten Herzog von Bedford aus dem Hosenbandorden ausgeschlossen und es erforderte „plusieurs excusations raisonnables“, bis er dreizehn Jahre später wieder aufgenommen wurde.225 Die Episode und die anschließenden Dispute zeigen zunächst, dass Fastolfs Flucht von den Zeitgenossen als hochgradig unritterlich wahrgenommen wurde. Zugleich aber weist der Aufwand, den er auf seine Verteidigung betrieb, beispielsweise im Rahmen eines langwierigen Rechtsstreits mit seinem Receiver-General Thomas Overton, darauf, dass ihm die Wiederherstellung seiner Ritterehre und seine Mitgliedschaft im Hosenbandorden äußerst wichtig waren, wie Collins ­herausstellt.226 Noch im kurz nach 1450 von William Worcester verfassten Boke of Noblesse findet sich eine Passage zu den Voraussetzungen zur Erhebung eines Ritters in den Hosenbandorden. Demnach zeichneten sich die Mitglieder des Ordens unter anderem dadurch aus, dass sie, wie groß ihre Bedrängnis in der Schlacht oder der Belagerung auch sei, stets die Attacke vorantrieben „withe the formost in example of good corage gyvyng to alle theire felouship“. Dass sich einer von ­ihnen von Schlachten oder ritterlichen Taten zurückgezogen hätte oder geflohen sei, habe man hingegen noch nie zu Gesicht bekommen.227 Fastolfs Einfluss auf das Boke of Noblesse wurde bereits angesprochen, und es ist denkbar, dass er auch hier gezielt Einfluss nahm, um seine mutmaßliche Flucht mehr als zwanzig Jahre nach den Ereignissen bei Patay zu kaschieren. 224 Ausführlicher

hierzu siehe oben, Kap. 1.4.1 sowie Collins, Dispute over Patay; Pollard, John Talbot, S. 16 f., 123; Taylor, Ideals of Knighthood, S. 147 f.; Allmand und Armstrong (Hrsg.), English Suits, S. 231–268. 225 Wavrin gehörte dem Gefolge Fastolfs an und erlebte daher sowohl die Flucht als auch die Zurechtweisung durch den Regenten selbst mit. Wavrin, Recueil, 1422–1431, Bd. 5, Buch III, Kap. 13 f., S. 294–311, zur Reaktion des Regenten und zum Ausschluss aus dem Hosenbandorden ebd., Kap. 14, S. 306, zitiert oben, Kap. 1.4.1, Anm. 238. 226 Collins, Dispute over Patay, S. 129–132, 134–136. Ausführlich zum Streit mit Overton, der anhand von Akten des Pariser Parlement nachvollzogen werden kann, vgl. Allmand und Armstrong (Hrsg.), English Suits, S. 231–268. 227 Boke of Noblesse, S. 46: „For what cause the knightys of the order and felouship of saint George was ordeigned. […] Whiche for gret prowesse and here manlynesse approved in armes was founded for her gret labouris in werre and vaillaunt dedis of armes […] ought be put in memorialle, that in what distresse of bataile or siege that they have ben yn for the righte title in the crowne of Fraunce they alway avaunsid hem forthe withe the formost in example of good corage gyvyng to alle theire felouship, to opteyne the overhande of here entreprise. He allas! sethe that none suche were never sene withdrawers or fleers frome ­batailes or dedis of worship, but rather vigorouslie foryeting theymsilfe“. Hierzu und im Folgenden Collins, Dispute over Patay, S. 131 f.; Allmand und Keen, History, S. 100–104.

220  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Von Relevanz ist in diesem Zusammenhang eine weitere Stelle des Boke of ­ oblesse, in welcher der Autor ausdrücklich auf Fastolf als Referenz verweist. Dieser N habe ihm mitgeteilt, dass es unter den jungen Rittern und Adligen zwei verschiedene Sorten Männer gebe: „one ys a manlye man called, another ys an hardye man; but he seyd the manly man ys more to be commended, more then the hardy man“.228 Letzterer zeichne sich dadurch aus, dass er waghalsig und ohne sich vorher zu beraten auf das Schlachtfeld presche, nur knapp entkäme und seine Gefolgschaft zerstört zurücklasse. Der „manly man“ hingegen gehe diskret und taktisch geschickt vor und trage daher nicht nur den Sieg davon, sondern rette auch sich selbst und sein Gefolge.229 Es ist sehr gut möglich, dass auch hier eine Anspielung auf die Niederlage von Patay vorliegt, der schließlich eine historiografisch überlieferte Auseinandersetzung Fastolfs und Talbots über das militärische Vorgehen nach den Verlusten von Orléans vorangegangen war: Während Fastolf sich dafür ausgesprochen hatte, sich auf die Sicherung der eroberten Gebiete im Norden und Nordosten Frankreichs zu konzentrieren, hatte Talbot die aggressivere und gewagtere militärische Strategie des Festhaltens an den Gebiete an der Loire propagiert – und sich damit durchgesetzt. Allem Anschein nach beschäftigten John Fastolf die Ereignisse bei Patay auch noch Jahre, nachdem er wieder in den Hosenbandorden aufgenommen worden war, und er trug wiederholt Sorge, seinen Ruf als Ordensritter wiederherzustellen. Die untersuchten Handschriften wie auch die schriftlich bezeugten Stiftungen, Schenkungen und Kunstwerke im Besitz der in Lancastrian France tätigen Ritter des Hosenbandordens verdeutlichen die Bedeutung, die sie ihrer Mitgliedschaft beimaßen. Der Umstand, dass die drei illuminierten Handschriften, in denen die Rolle ihres jeweiligen Besitzers beziehungsweise Auftraggebers als Ordensmitglied besonders betont wird – die Bedford Hours, das Shrewsbury Book und die Oxforder Épître d’Othéa –, zu den aufwendigsten und wertvollsten Handschriften ihrer Zeit zählen, lässt annehmen, dass sie nicht zuletzt der öffentlichen Repräsentation des betreffenden Nutzers dienten. Eine wichtige Komponente dessen stellte offenkundig die Zugehörigkeit zum Orden dar. Durch die Inszenierung der Ordenszugehörigkeit verpflichtete man sich zunächst sichtbar den Idealen des Ordens – man stellte dessen Werte als seine eigenen dar.230 Auch darüber hinausgehend hatte die bildliche Darstellung der Mit228 Boke

of Noblesse, S. 64 f.: „Hyt ys to remembre that I hafe herd myne autor Fastolfe sey, whan he had yong knyghtys and nobles at hys solasse, how that there be twey maner condicions of manly men, and one ys a manlye man called, another ys an hardye man“. 229 Ebd., S. 65: „for the hardy man that sodenly, bethout discrecion of gode avysement, avauncyth hym yn the felde to be halde courageouse, and wyth grete aventur he scapyth, voydith the felde allone, but he levyth hys felyshyp destrussed. And the manly man, ys policie ys that, or he avaunce hym and hys felyshyp at skirmysshe or sodeyn racountre, he wille so discretely avaunce hym that he wille entend to hafe the ovyr hand of hys adversarye, and safe hymsylf and hys felyshyp.“ 230 Eine zunehmende Bedeutung des Hosenbandordens für seine Mitglieder kann im gleichen Zeitraum auch innerhalb Englands anhand von Stiftungen an die Ordenskapelle in Windsor und der vermehrten Nutzung des Ordenssymbols festgestellt werden. Siehe hierzu Collins, Order of the Garter.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  221

gliedschaft zweifelsohne eine identitätsstiftende Funktion: Man stellte sich als Teil eines in höchstem Maße angesehenen Personenkreises dar, der nicht nur die zum Zeitpunkt der eigenen Mitgliedschaft zugehörigen Ordensritter umfasste, sondern auch namhafte verstorbene Mitglieder, etwa den Ordensgründer Eduard III., implizierte. Die visuelle Bezugnahme auf den Hosenbandorden und den heiligen Georg in seiner Funktion als Ordenspatron zur Selbstpositionierung in einer bestimmten Personengruppe ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit der oben angesprochenen Selbstdarstellung als Teil der englischen Armee in Frankreich. Der Kreis, in dem man sich positionierte, war jedoch ungleich ausgewählter.

3.4.2. Himmlische Bezugsfiguren in den Stundenbüchern als politisch genutzte Bilder? Die für englische Auftraggeber in Lancastrian France angefertigten Stundenbücher beinhalten eine ganze Reihe devotionaler Bilder und Texte, die von der Herkunft ihrer Nutzer, aber auch ihren vorwiegenden Aufenthaltsorten auf dem Kontinent zeugen. Nicht nur dem heiligen Georg, sondern auch etlichen weiteren, schwerpunktmäßig in England verehrten Heiligen kam eine besondere Bedeutung in der devotionalen Praxis der in Frankreich stationierten Offiziere zu, genauso sind aber auch Adaptionen französischer oder normannischer Bräuche feststellbar. Im Folgenden sollen die für englische Nutzer in Frankreich angefertigten Gebetbücher noch einmal übergreifend in den Blick genommen werden, und es soll herausgestellt werden, welchen national konnotierten Heiligen eine besondere Rolle zukam. In einem zweiten Schritt wird danach gefragt, inwieweit sich hieraus eine Instrumentalisierung der betreffenden Figuren zur politischen Selbstdarstellung ablesen lässt. Der Schwerpunkt der Analyse wird dabei auf den Gebetstexten und Illustrationen liegen, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf Wunsch des Käufers zum standardisierten Kerntext hinzugefügt wurden.231 Der Großteil der untersuchten Gebetbücher enthält illuminierte Memoriae englischer Heiliger.232 Neben dem heiligen Georg spielt der im Spätmittelalter ­äußerst populäre Thomas Becket eine besondere Rolle: Von Miniaturen eingeleitete Memoriae des heiligen Erzbischofs von Canterbury finden sich im vermutlich für 231 Sämtliche

für englische Nutzer angefertigten Gebetbücher folgen dem Brauch von Sarum, der die Textauswahl in weiten Teilen bestimmenden englischen Liturgie, und beinhalten schon aus diesem Grund zahlreiche Bezüge zu ‚englischen‘ Heiligen, insb. im Kalender und in der Litanei. Hier werden vor allem die Elemente in den Blick genommen, bei denen es sich um Abweichungen vom Standard handelt. Zum Brauch von Sarum siehe MirwaldJakobi, Das mittelalterliche Buch, S. 104 f.; Wieck, Time Sanctified, S. 149–152. Zum Standardprogramm eines Stundenbuches siehe ebd., S. 45–148; ders., Painted Prayers; Harthan, Books of Hours, S. 11–19; Lewis, Devotional Images, S. 29 f. Übergreifend zu auf Wunsch des Auftraggebers hinzugefügten Gebetstexten siehe ebd., S. 101–123; Duffy, Marking the Hours, S. 67–96; Watson, Playfair Hours, S. 30, 39 f., 76; de Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168–198. 232 Bei Memoriae oder Suffragien handelt es sich um kurze Gebete an Heilige. Sie gehörten zum Standardprogramm von Stundenbüchern, Umfang und Auswahl konnten jedoch erheblich variieren, vgl. Wieck, Time Sanctified, S. 111–148; ders., Painted Prayers, S. 109–116.

222  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater Fastolf angefertigten Stundenbuch Harley MS 1251 (Kat. 15), in den Oldhall Hours (Kat. 18a) (Farbabb. 37) und den Porter Hours (Kat. 18b).233 William Oldhalls Stundenbuch beinhaltet überdies eine illuminierte Memoria der Londoner Heiligen Ethelburga von Barking.234 Vergleichsweise viele Zusätze und Modifikationen, die wiederum auf eine Adaption lokaler Bräuche in Frankreich weisen, finden sich in den Cambridger Talbot Hours (Kat. 14a): So entfernte man hier eigens Teile des ursprünglichen Textes, um Memoriae der Rouennaiser Heiligen Mellon und Romanus einzufügen.235 Außerdem fügte man drei mit Miniaturen ausgestattete Memoriae auf bisher un- oder nur teilbeschriebenen Seiten ein, die den Stil der Schrift und der Illumination betreffend deutlich vom Kernbestand abweichen. Hierbei handelt es sich um Memoriae der Heiligen Ursinus von Bourges (Farbabb. 20; Abb. 23), Sebastian und Hildevert von Meaux.236 Eine illuminierte Memoria des Letztgenannten findet sich auch im für Thomas Hoo angefertigten Stundenbuch (Kat. 18c) (Farbabb. 38).237 Deutliche stilistische Unterschiede zum Rest der Illumination sprechen in beiden Handschriften für auf Wunsch des Auftraggebers eingefügte Zusätze. Von den genannten Modifikationen ist die Memoria des heiligen Ursinus in den Talbot Hours von besonderem Interesse: Die begleitende Miniatur zeigt nicht nur den heiligen Bischof, sondern auch John Talbot, identifizierbar anhand seines Wappenrocks und des ihn begleitenden Talbot-Hundes, und seine Ehefrau; die beiden sind im Gebet an den Heiligen dargestellt. Hier wird also nicht einfach nur die besondere Verehrung, die das Paar dem Bischof von Bourges entgegenbrachte, gezeigt, sondern darüber hinaus eine sichtbare Verbindung zwischen dem Nutzer des Buches und der himmlischen Bezugsfigur hergestellt. Der heilige Ursinus war Schutzpatron des normannischen Lisieux, einer Stadt, in der die Familie Talbots Ländereien besaß, und offenbar hatte sich die Verehrung des Heiligen in der Zeit, in der Talbot in der Normandie stationiert war, zu einem so wichtigen Bestandteil seiner religiösen Praxis entwickelt, dass er dies auch bildlich inszeniert sehen wollte.238 233 London, BL, Harley

MS 1251, fol. 49r; Harley MS 2900, fol. 56v; New York, PML, MS M. 105, fol. 46r. Zum hl. Thomas Becket siehe Farmer, ‚Thomas Becket‘; Wieck, Painted Prayers, S. 112; ders. Time Sanctified, S. 116. Hinzufügungen nicht illuminierter Gebete an Thomas Becket finden sich in den Foyle Hours (London, BL, Add. 74754) und zu Beginn der Oldhall Hours (London, BL, Harley MS 2900). 234 London, Harley MS 2900, fol. 68v. Ethelburga findet sich auch unter den Heiligen, an die sich die Zusatzgebete zu Beginn des Buchblocks richten. 235 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 67v (Mellon), fol. 68r (Romanus). Zu nachträglichen Einfügungen in die Handschrift siehe Duffy, Marking the Hours, S. 74–76; James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83, S. 231 f.; Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 442–444. Zu den französischen Elementen der Handschrift siehe auch Lewis, Devotional Images, S. 47. 236 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 34v (Sebastian), fol. 35v (Hildevert), fol. 82r (Ursinus). 237 Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 200v. 238 Zur Verehrung des hl. Ursinus siehe Clark, Art in a Time of War, S. 213  f.; insb. zu Talbots Verehrung des Heiligen Duffy, Marking the Hours, S. 75 f.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  223

Eine besonders umfangreiche Sektion illuminierter Memoriae enthält das New Yorker Gebetbuch William Porters.239 Neben den bereits genannten Gebeten an Georg und Thomas Becket umfasst sie von Miniaturen eingeleitete Memoriae zahlreicher teils äußerst beliebter und teils weniger bekannter englischer beziehungsweise ‚anglisierter‘ Heiliger. In weniger großem Umfang sind französische und normannische Heilige vertreten, beispielsweise Wandregisel von Fontanelle (Folio 61r).240 Das Stundenbuch ist an vielen Stellen mit dem Wappen des Besitzers und seiner Ehefrau verziert. Außerdem tritt Porters Motto „Aultre ne veul mes“ mehr als zwanzig mal in der Bordürendekoration der aufwendig illustrierten Handschrift auf, in einigen Fällen findet es sich in der Bordürenverzierung der Seiten mit den Miniaturen der genannten englisch oder französisch konnotierten Heiligen.241 Es stellt sich die Frage, ob hier – wie im Falle des heiligen Ursinus von Bourges in den Talbot Hours – nicht nur auf eine besondere Verehrung der genannten Heiligen geschlossen werden kann, sondern darüber hinausgehend gezielte Maßnahmen zur Visualisierung der Verbindung zwischen William Porter und den jeweiligen Heiligen mittels der Ausstattung der entsprechenden Seiten mit seinem Motto abzulesen sind. Gegen eine solche Annahme spricht allerdings zum einen die Häufigkeit, in der das Motto in der Handschrift zu finden ist, zum anderen die oft beliebig anmutende Seitenwahl. Des Weiteren kann die vermutlich nur wenige Augenblicke in Anspruch nehmende, fast fließbandartige Einfügung des Mottos in die Bordürendekoration in ihrem Aufwand kaum mit der Anfertigung eines Stifterportraits oder auch komplexer Federzeichnungen, wie im Fall der kombinierten Devisen John Fastolfs und des Hosenbandordens in der Épître d’Othéa (Kat. 16a), verglichen werden. Wahrscheinlicher ist daher, dass Porter zwar ungewöhnlich großen Einfluss auf die Gestaltung des Stundenbuchs nahm und individuelle devotionale Wünsche einbrachte, sich jedoch nicht zwangsweise darum bemühte, konkrete visuelle Bezüge zwischen sich selbst und bestimmten englischen oder französischen Heiligen herzustellen. Bereits mehrfach wurde auf den vorrangigen Zweck und Empfängerkreis illuminierter Stundenbücher hingewiesen: Sie dienten vor allem der Devotion im 239 New

York, PML, MS M. 105, fol. 22r–84v. Das Stundenbuch konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht im Original konsultiert werden und ist nur in Teilen in digitaler Form zugänglich, siehe den Online-Katalog Images from Medieval and Renaissance Manuscripts der Pierpont Morgan Library. Eine gründliche Untersuchung der Handschrift steht bisher aus. Siehe die knappen Einträge Plummer, Last Flowering, S. 15 f.; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 242–244; Wieck, Painted Prayers, Nr. 87, S. 112. 240 Weiterhin zu nennen sind Eduard der Bekenner (fol. 41r), Julian von Le Mans (fol. 43r), Richard von Chichester (fol. 44r), Hadrian von Canterbury (fol. 49r), Dunstan (fol. 50r), John von Beverley (fol. 51r), John von Bridlington (fol. 52r), William von York (fol. 53r), Cuthbert von Lindisfarne (fol. 54r), Leonhard von Limoges (fol. 55r), Erkenwald von London (fol. 57r), Alban (fol. 58r), Quintinus von Amiens (fol. 64r), Maurus von Glanfeuil (fol. 65r), Winifred (fol. 73r), Etheldreda (fol. 74r), Radegundis von Poitiers (fol. 75r), Edith (fol. 78r), Frideswida von Oxford (fol. 80r) und Genoveva von Paris (fol. 82r). 241 Zum Auftreten der Wappen und des Mottos im Einzelnen siehe unten, Kat. 18a–d, Anm. 302.

224  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater privaten beziehungsweise familiären Umfeld. Damit konnten sie zwar in begrenztem Umfang der Selbstdarstellung dienen, und gerade im Falle kostbar ­illustrierter Handschriften ist immer anzunehmen, dass sie auch gezeigt wurden und nicht zuletzt als Statussymbol fungierten; zur aufwendigen Visualisierung öffentlich-politischer Positionen wurden sie jedoch in der Regel kaum verwendet. Auch der hier dargelegte Befund zeigt, dass die für englische Auftraggeber in Lancastrian France angefertigten illuminierten Stundenbücher zwar aufschlussreiche Hinweise auf die religiösen Praxis ihrer Nutzer, durch ihre Herkunft ­bedingte Vorlieben wie auch Adaptionen französischer und normannischer Bräuche während ihres Aufenthaltes auf dem Kontinent liefern können, gezielte politische Instrumentalisierungen bestimmter Heiliger sind allerdings nur in Ausnahmefällen feststellbar. Mit den im vorangegangenen Kapitel diskutierten Darstellungen der Stundenbuchbesitzer in Anbetung des heiligen Georg ist hier lediglich das Bild Talbots und seiner Ehefrau in Anbetung des heiligen Ursinus in den Talbot Hours vergleichbar – ob die Darstellung weitreichende politische Ziele bezweckte, ist indes fraglich. Zwar enthalten auch die übrigen hier vorgestellten Stundenbücher Portraits ihrer Besitzer oder Darstellungen ihrer Wappen, sie werden allerdings, wie im Falle der Porter Hours und der Fitzralph Hours (Kat. 18d), mit der Gottesmutter oder, wie in Harley MS 1251 und in den Hoo Hours (Farbabb. 39), mit der Trinität kombiniert, also universalen Objekten der religiösen Verehrung.242

3.4.3. Guy von Warwick Nachdem bisher die für die Engländer in Lancastrian France besonders bedeutsamen himmlischen Bezugsfiguren analysiert wurden, soll es mit dem insbesondere von Richard Beauchamp und John Talbot verehrten Guy von Warwick zum Abschluss des Kapitels um einen profanen Helden gehen. Es handelt sich um den mythischen Ahnherren der Grafen von Warwick aus dem 10. Jahrhundert, dessen legendäre Heldentaten um 1210 zu Pergament gebracht worden waren und der ab dem späten 13. Jahrhundert zunehmend als Vorfahre der Grafen inszeniert wurde.243 Ein Jahrhundert später hatte sich diese Vorstellung weitestgehend etabliert, und im Familienbesitz der Beauchamps – Inhaber der Grafschaft von Warwick seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts – können etliche mit Guy in Zusammenhang stehende Erbstücke nachgewiesen werden. So vermachte Thomas Beauchamp seinem Sohn und Nachfolger Richard testamentarisch ein mit dem Wappen und der Legende des heldenhaften Vorfahren verziertes Bildwerk sowie „the Sword and coate of Maile, sometime belonging to the famous 242 New

York, PML, MS M. 105, fol. 84v–85r; Privatslg., Fitzralph Hours, fol. 42v–43r; London, BL, Harley MS 1251, fol. 40v–41r; Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 192r. 243 Zu den Ursprüngen der Legende Guys von Warwick und der Etablierung seines Kultes siehe Frankis, Taste and Patronage, bes. S. 83–88 mit weiteren Literaturhinweisen; van der Velden, Prayer Roll, S. 531  f.; Mason, Legends, bes. S. 31–36; Goodall, Guy’s Cliffe, S. 304–306; Richmond, Guy of Warwick, S. 7–106.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  225

Guy“.244 Warwick Castle, der Familiensitz der Grafen, war mit Tapisserien, auf denen die Legende Guys dargestellt war, ausgestattet.245 Unter Richard Beauchamp erfuhr der Kult um den legendären Ahnherren erneuten Aufschwung, wie sich erstmalig in der Überlieferung zum Pas d’Armes bei Guînes zeigt.246 In ihrer Studie zum Turnier verweist Yin Liu auf eine möglicherweise bewusst von Beauchamp evozierte Parallele zu Guy:247 Dieser war den überlieferten Textfassungen seiner Legende zufolge als Pilger verkleidet durch ­Europa gereist und hatte inkognito diverse Heldentaten vollbracht, nachdem er zuvor realisiert hatte, dass er bis dato für seinen eigenen Ruhm und nicht zu Ehren Gottes gekämpft hatte. Erst bei seiner Rückkehr in die Grafschaft hätte er seine wahre Identität als Graf von Warwick enthüllt und infolge dessen umso mehr Ruhm für sich verbuchen können. Es ist möglich, dass Beauchamp durch die Verhüllung seiner Identität während des Turniers und die krönende Enthüllung derselben zum Turnierabschluss einen Bezug zu seinem Ahnherren herstellen wollte, wenn auch die verhüllte Identität des Helden zweifelsohne keinen Seltenheitswert hat, sondern einen Topos des mittelalterlichen Ritterromans darstellt.248 Eine noch deutlichere visuelle Referenz auf Guy konnte der Graf jedoch durch die Zurschaustellung seines eigenen Wappens herstellen, in welchem er – anders als noch sein Vater Thomas – das Beauchamp-Wappen mit dem mutmaßlichen Wappen Guys kombinierte.249 Der legendäre Ahnherr stellte also nun einen integralen bildlichen Bestandteil der visuellen Selbstdarstellung des Grafen im Kampf und in Turnieren dar. Ebenfalls relevant ist die Stiftung einer Chantry Chapel bei Guy’s Cliff, dem bei Warwick gelegenen Ort, an dem man die Einsiedlerhöhle des Helden vermutete. Im Jahr 1422 erwarb Richard Beauchamp das betreffende Gelände, und bereits 244 Das

Testament Thomas Beauchamps wurde von Dugdale (Hrsg.), Antiquities of Warwickshire, Bd. 1, S. 403 zusammengefasst, zitiert oben, Kap. 1.2.2, Anm. 164. Es ist unklar, um was für ein Objekt es sich bei dem Bildwerk handelt; van der Velden, Prayer Roll, S. 532, bes. Anm. 39. Zum Kult um Guy im späten 14. Jh. siehe Goodall, Guy’s Cliffe, S. 304–306; Frankis, Taste and Patronage, S. 83 f., 86; Liu, Uses of Romance, S. 271–273; Richmond, Guy of Warwick, S. 91 f. 245 Vgl. McKendrick, Tapestries, S. 51; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 14, Anm. 59. 246 Übergreifend zur Verehrung Guys durch Richard Beauchamp siehe ebd., passim; Frankis, Taste and Patronage, S. 84–90; Hicks, Kingmaker, 56–59; Richmond, Guy of Warwick, S. 107 f., 118–123; Liu, Uses of Romance, S. 271–273. 247 Vgl. ebd., S. 276  f. Zum Turnier bei Guînes siehe außerdem oben, Kap. 3.2.1 sowie Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 11 f., 106–113; Marks, Beauchamp Chapel, S. 164. 248 Vgl. hierzu Liu, Uses of Romances, S. 276  f.; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 163 f.; Crane, Performance of Self, S. 125–139. 249 Richard Beauchamp führte ein geviertes Wappen mit dem Beauchamp-Wappen im zweiten und dritten Feld und mit dem Guy zugewiesenen Wappen, bei dem es sich tatsächlich um das Wappen der Grafen von Newburgh handelte, im ersten und vierten Feld. Eine Abbildung findet sich bspw. im Stundenbuch seines Schwiegersohns John Talbot in Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 7v (Kat. 14a) (Farbabb. 19). Siehe außerdem die Darstellungen der Wappenröcke Thomas Beauchamps und Richard Beauchamps in der Rous Roll, Nr. 48 und 50 (Abb. 27). Zum Wappen Beauchamps siehe auch Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 64, 112.

226  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater im folgenden Jahr erwirkte er eine Lizenz zur Einrichtung einer mit zwei Priestern ausgestatteten Kapelle.250 Dem in den 1480er Jahren unter seiner Tochter Anne als Kaplan in der besagten Chantry Chapel tätigen John Rous zufolge war der Anlass für die Gründung der Wunsch nach einem männlichen Erben: „he made certen there a fore was uncerten at Gybclif a chauntre of ij prystis that God wold send hym Eyre male“.251 Offenbar stand die Stiftung im Zusammenhang mit der Eheschließung mit Isabel Despencer im selben Jahr. Die Bauarbeiten an der Kapelle und den zugehörigen Wohnbauten begannen vermutlich recht zügig, waren jedoch im Jahr 1439, als Beauchamp sein Testament aufsetzen ließ, offensichtlich noch nicht abgeschlossen, weswegen er in diesem auf die zeitnahe Fertigstellung der „Chappel of Guycliff, and dwelling Houses for [his] Priests there“ pochte.252 Leider sind weder die Gebäude noch ihre Ausstattung erhalten, und auch zeitgenössische Hinweise zu ihrer Gestaltung liegen nicht vor. Die Förderung des Kults um Guy von Warwick wurde nicht nur von Richard Beauchamp selbst betrieben, sondern auch von seinen Kindern. Hier ist insbesondere auf seine älteste Tochter Margaret zu verweisen, die vermutlich im September 1425 John Talbot heiratete.253 Zur gleichen Zeit beauftragte sie John Lydgate mit der Übertragung der lateinischen Vita Guys von Gerard von Cornwall ins Englische. Im Prolog der Übersetzung wird eigens auf ihre Abstammung vom „moste worþy knyght Guy of Warwike“ hingewiesen.254 250 Zur

Stiftung siehe oben, Kap. 1.2.2 sowie Frankis, Taste and Patronage, S. 85–87; Goodall, Guy’s Cliffe, S. 305 f., 308–315; Hicks, Beauchamp Trust, S. 139–143; Pevsner und Wedgwood, Warwickshire, S. 301  f. Zum Begriff ‚Chantry Chapel‘ siehe Fehrmann, Grab und Krone, bes. S. 22–26; dies., Politics and Posterity. 251 London, BL, Add. MS 48976, Nr. 50. Die sogenannte Rous Roll, eine illustrierte Chronik der Wohltäter und Grafen von Warwick, ist in zwei zeitgenössischen Versionen erhalten, der hier zitierten englischsprachigen sog. Yorkist Rous Roll (London, BL, Add. MS 48976) und der lateinischen sogenannten Lancastrian Rous Roll (London, College of Arms, MS Warwick Roll). Erstere ist wesentlich besser erhalten und wurde 1859 von William Courthope ediert, diese Edition wiederum wurde 1980 von Charles Ross überarbeitet und, erweitert um eine ausführliche Einleitung, erneut publiziert. Die lateinische Rous Roll wurde im 18. Jh. von William Dugdale kopiert, Oxford, Bodleian Library, Dugdale MS 14, zu Richard Beauchamp siehe S. 57. Bezüglich der hier relevanten Stellen liegen keine nennenswerten inhaltlichen Unterschiede vor. Siehe zu beiden Versionen, ihrem Verfasser und seinen Angaben zu Beauchamps Stiftung Ross, Rous Roll, Introduction, bes. S. vii–viii, xiii; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 138; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 3, 10–14; van der Velden, Prayer Roll, S. 533–535; Mason, Legends, S. 25, 35–37. 252 Historia vitae et regni Ricardi II, S. 243  f., zitiert oben, Kap. 1.2.2, Anm. 157. 253 Zur Förderung des Guy-Kultes unter Beauchamps Töchtern siehe Sinclair, Beauchamp ­Pageant, S.  10 f., 14 f., 39; Frankis, Taste and Patronage, passim; van der Velden, Prayer Roll, S. 532–535; Hicks, Beauchamp Trust, S. 139–143; Liu, Uses of Romance, passim; Richmond, Guy of Warwick, S. 118–134. 254 Eine zeitnahe Abschrift der Übersetzung Lydgates ist in London, BL, Harley MS 7333, fol. 33r–35v erhalten. Angaben zum Übersetzungsauftrag und zur Vorlage finden sich auf fol. 33r, zitiert oben, Kat. 1.2.2, Anm. 161. Der Text wurde in Lydgate, Secular Poems, S. 516– 538 ediert. Siehe zu Margarets Auftrag auch Connolly, John Shirley, S. 115, 172 f.; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 15; Frankis, Taste and Patronage, S. 88; Pearsall, John Lydgate, S. 71, 167 f., zur Datierung ebd., S. 167; Richmond, Guy of Warwick, S. 123–127.

3.4. Helden und Heilige der Engländer in Frankreich  227

In französischer Prosaform ist die Legende Guys von Warwick überdies im Shrewsbury Book enthalten (Kat. 13).255 Der Text geht auf ein anglo-normannisches Gedicht zurück, und anhand von inhaltlichen Modifizierungen konnte John Frankis herausstellen, dass die Übertragung von der anglo-normannischen Vers- in die mittelfranzösische Prosaform nicht vor den 1420er Jahren erfolgte.256 Aufschlussreich im Guy de Warrewik im Shrewsbury Book ist die in der anglo-normannischen Fassung noch nicht auftretende Angabe, dass sich Guys Einsiedlerhöhle „nicht sehr weit“ von Warwick entfernt befunden habe.257 Es ist möglich, dass das nun auftretende Interesse an der lokalen Verortung der Höhle mit der kurz zuvor dort gegründeten Chantry Chapel und der damit verbundenen Belebung des Kults um den legendären Ahnen der Grafen von Warwick in Verbindung steht. Bekannt war Guys legendäre Behausung zwar auch vorher schon, allerdings als abgelegene Landmarke im Umland der Stadt wohl von eher untergeordneter Bedeutung.258 Die genaue Datierung der im Shrewsbury Book aufgenommenen französischen Prosaübertragung ist nicht zu ermitteln, es ist jedoch denkbar, dass sie – wie Lydgates Text – im Zusammenhang mit der Eheschließung Margaret Beauchamps und John Talbots steht. Ebenfalls unklar ist, wer den Auftrag zur Übertragung der anglo-normannischen Versform in den französischen Prosatext veranlasste, ein Mitglied der Familie Beauchamp ist jedoch naheliegend. Denkbar ist sowohl ein Auftrag durch Richard Beauchamp als auch durch seine Tochter Margaret; in beiden Fällen hätte Talbot als Schwiegersohn und Waffengefährte beziehungsweise Ehemann für die Kompilation seines prestigeträchtigen Geschenks an Marguerite d’Anjou ohne Weiteres Zugriff auf den originalen Text nehmen können. Ebenfalls nicht auszuschließen ist eine Auftragserteilung durch John Talbot selbst.259 In jedem Fall kann die Entscheidung, eine Abschrift des mittelfranzösischen Guy de Warrewik in die Kompilation für Marguerite d’Anjou einbinden zu lassen, auf den Grafen von Shrewsbury zurückgeführt werden. Als Mittel zur Selbstdarstellung fungierte das Shrewsbury Book damit für ihn nicht nur, um seine Position in Lancastrian France und seine Rolle als Ritter des Hosenbandordens zum Ausdruck zu bringen, sondern verwies darüber hinaus auf die illustre Abstammung der hochangesehenen Familie seiner Ehefrau. Betrachtet man die Hinweise zur Förderung des Kults um Guy von Warwick in ihrer Gesamtheit, so kann zwar nicht unbedingt eine übergreifende Kampagne 255 London,

BL, Royal MS 15 E. VI., fol. 227r–266r. Siehe hierzu Ward, Catalogue of Romances, S. 487–489; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 135, 136; Frankis, Taste and Patronage. 256 Vgl. ebd., bes. S. 84. Zum anglo-normannischen Text und seiner Übertragung ins Mittelfranzösische siehe Conlon (Hrsg.), Rommant de Guy de Warwik, S. 16–26, 33–40; Ward, Catalogue of Romances, S. 487–489; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 135,136; Richmond, Guy of Warwick, S. 37–48, 76–91, 122  f. 257 Zitiert nach Frankis, Taste and Patronage, S. 84: „et s’en va grant erre vers la cité de Warwik, sy y vint en pou d’eure a ce que l’ermitage ne n’estoit gairez loing.“ 258 Zum Standort und zum Kult vor Beauchamps Stiftung siehe ebd., S. 85; Goodall, Guy’s Cliffe, S. 304 f. 259 Zur Frage des Auftraggebers vgl. Frankis, Taste and Patronage, S. 88  f.

228  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater ausgemacht werden, zumindest aber eine Reihe zusammenhängender Maßnahmen. Als hauptsächlicher Initiator ist Richard Beauchamp zu benennen, der vor allem mit seiner Stiftung bei Guy’s Cliff in den 1420er Jahren einen entscheidenden Anstoß zur Intensivierung der lokalen Verehrung des Ritters, aber auch seiner über die Grafschaft von Warwick hinausgehenden Inszenierung als Ahnherr der Beauchamps gab. Zu letzterem trug Beauchamp selbst mit bei, indem er das Guy von Warwick zugeschriebene Wappen mit dem Wappen der Beauchamps kombinierte und ihn damit zu einem sichtbaren Bestandteil seiner Selbstdarstellungen in Turnieren und Schlachten machte. Ein wichtiger Grund für die Bezugnahme auf den legendären Ahnherren ist sicherlich nicht zuletzt in seinen ritterlichen Qualitäten zu sehen, die ihn zu einem bestens geeigneten Vorbild für Beauchamps Selbstinszenierung in England und auf dem Kontinent machten. Zugleich betonte er durch die Instrumentalisierung Guys seine Familientradition – dieser dynastische Aspekt gewinnt an Gewicht, wenn man den von Rous überlieferten Anlass zur Stiftung bei Guy’s Cliff bedenkt, nämlich den Wunsch nach einem Stammhalter. Die in Beauchamps familiärem Umfeld – vielleicht auf sein Betreiben – bereits in den 1420er Jahren entstandenen Übertragungen der Legende Guys von Warwick ins Englische und ins Französische machten den Text einem größeren Empfängerkreis in England und Frankreich zugänglich und unterstrichen zugleich die Verbindung Guys zu den Grafen von Warwick des 15. Jahrhunderts. Zwei Dekaden später ist ein konkreter und zumindest in Teilen politisch motivierter Fall der Vermittlung der Legende gegenüber neuen Rezipienten greifbar: Durch die Inklusion des mittelfranzösischen Guy de Warrewik in sein Buchgeschenk an Marguerite d’Anjou verwies Talbot auf seine eigene Bindung an die Beauchamps und inszenierte sich somit als Teil einer der angesehensten Familien seiner Zeit.

3.5. Zusammenfassung: Die Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Frankreich Auf Basis der Untersuchung der Selbstdarstellung der Vertreter der englischen Krone im besetzten Frankreich können sowohl gewisse wiederholt auftretende Muster identifiziert als auch deutliche Unterschiede in der jeweiligen Schwerpunktsetzung der Akteure ausgemacht werden. So dominiert in den vom Herzog von Bedford zum Einsatz gebrachten Bildern seine Rolle als Stellvertreter Heinrichs VI. als König von England und vor allem Frankreich. Durch prachtvolle Kunstwerke wie die Bedford Hours sowie im Rahmen öffentlicher Zeremonien brachte er seine Funktion als ausführendes Organ der Herrschaft seines Neffen in administrativen und militärischen Belangen, aber auch religiösen Ritualen zum Ausdruck. Hierbei stellte die Exklusivität seiner Rolle als Vertreter des Königs ­einen wichtigen Faktor dar. Festzuhalten ist jedoch ebenfalls, dass sich keine Hinweise auf eine Darstellung als potentieller Erbe seines Neffen feststellen lassen – Bedfords Selbstinszenierung beschränkte sich auf die temporäre Vertretung Heinrichs für den Zeitraum seiner Minderjährigkeit.

3.5. Zusammenfassung: Die Selbstdarstellung englischer Auftraggeber in Frankreich  229

Neben der Nutzung illuminierter Prachthandschriften und der Zurschaustellung von Bildern in Zeremonien und militärischen Aufmärschen können zwei weitere, weniger offenkundige Maßnahmen zur Visualisierung der politischen Position des Regenten Bedford herausgestellt werden: So bildete der höchstwahrscheinlich von ihm gegründete Ritterorden nicht nur ein diplomatisches Mittel, mit dem der Herzog Parteigänger und potentielle Bündnispartner an sich binden konnte, sondern – durch die Verleihung der repräsentativen Ordenskette – zugleich ein Medium, mit dem er diese Bindungen und die damit einhergehende politische Macht zur Schau stellen konnte. Zudem stellte er sich durch die Ordensgründung in die Tradition angesehener Fürsten des späten Mittelalters. Das Gleiche erreichte er durch den Erwerb, die Erweiterung und die Nutzung der Louvre-Bibliothek, wobei hier der konkrete Bezug zu den französischen Königen, als deren Stellvertreter er aus englischer Sicht fungierte, wahrscheinlich von hervorgehobener Relevanz war. Prägend für die lediglich in Ansätzen greifbare Selbstinszenierung Richard Beauchamps war die Betonung familiärer Traditionen, insbesondere der Grafschaft Warwick. Überdies ist mit dem Turnier bei Guînes eine Begebenheit überliefert, bei der er sich bereits vor der Zeit der englischen Herrschaft in Frankreich als höfisch und diplomatisch versierter Ritter wie auch fähiger Krieger präsentieren und damit die Grundlagen für seine Erhebung in hochrangige militärische und administrative Ämter in Lancastrian France legen konnte. Im Falle John Fastolfs hingegen können vor allem für die Zeit nach seiner Tätigkeit in Frankreich Maßnahmen zur Selbstinszenierung durch Kunst und Bilder nachgewiesen werden: Durch umfangreiche Investitionen in Luxusgüter und Bauprojekte bemühte er sich um die Zurschaustellung seines sozialen Aufstiegs durch seine Karriere im besetzten Frankreich und hob insbesondere seine Bindung an den Regenten Bedford hervor. Für John Talbot schließlich hat sich mit dem Shrewsbury Book eine illuminierte Handschrift erhalten, die einen besonders detaillierten Einblick in die Inszenierung seiner politischen Rolle gewährt. Mittels der Handschrift bezog er zum einen Stellung zur zeitgenössischen innerenglischen Debatte um das politische Vorgehen in Frankreich und zeigte sich als Befürworter der Fortführung der kriegerischen Unternehmungen. Zum anderen nutzte er das Shrewsbury Book zur Darstellung seiner eigenen Rolle in der militärischen Durchsetzung wie auch der administrativen Aufrechterhaltung der englischen Regierung in Frankreich als maßgeblich – eine Selbstwahrnehmung, die in Ansätzen auch beim Empfang Marguerites d’Anjou in Rouen zum Ausdruck kam – und verwies auf seine Expertise für zukünftige militärische Unternehmungen. Neben der Beratung in konkreten militärischen Belangen lassen sich wiederholt Ansätze eines weiteren, diesem nahe stehenden Bildes in den untersuchten Kunstwerken und schriftlich nachgewiesenen Schenkungen greifen, nämlich das des Erziehers und Lehrers des Königs beziehungsweise des königlichen Paares. So sollte das Shrewsbury Book nicht zuletzt der Information, Instruktion und positiven Beeinflussung seiner Adressatin Marguerite d’Anjou dienen. Aber auch mit

230  3. Stellvertreter und ergebene Diener, Krieger und Berater der Schenkung der Bedford Hours bezweckte man vermutlich zumindest untergeordnet die Vermittlung von religiösem und vor allem politischem Wissen über das französische Königtum gegenüber ihrem Empfänger Heinrich VI. Auch für die mit dem heiligen Ludwig in Zusammenhang stehenden Geschenke Bedfords an seinen Neffen liegt der Verweis auf französische Traditionen und damit implizit auf Heinrichs Rechte und Verpflichtungen als König von Frankreich nahe. Abschließend wurden heilige und profane Bezugsfiguren, die besonders wichtig für die Vertreter der englischen Krone in Frankreich waren, übergreifend in den Blick genommen und hinsichtlich ihrer jeweiligen Funktion in der politischen Selbstdarstellung untersucht. Für den heiligen Georg, der eine besondere Rolle spielte, können zwei ‚Zuständigkeitsbereiche‘ herausgestellt werden: Als wichtigster Heiliger der englischen Armee nahm er vergleichsweise viel Raum als himmlischer Interzessor und persönlicher Schutzheiliger in den illuminierten Gebetbüchern und religiösen Stiftungen aller untersuchten – zwangsläufig in hohem Maße mit militärischen Belangen befassten – englischen Auftraggeber ein. Zugleich kam ihm eine identitätsstiftende Funktion zu: Durch die gemeinsame bildliche Darstellung mit dem Militärheiligen stellten sich die jeweiligen Nutzer sichtbar als Mitglieder der englischen Armee dar und inszenierten damit ihre Beteiligung an der Durchsetzung der Ansprüche der Lancaster in Frankreich. Ebenfalls identitätsstiftend, aber bezogen auf eine wesentlich kleinere Personengruppe, wirkte der Heilige als Patron des Hosenbandordens. Für die untersuchten Ordensmitglieder können nicht nur etliche im Zusammenhang mit dem Ritterorden stehende Stiftungen nachwiesen werden, sondern auch visuelle Referenzen auf den Orden, sein Symbol und den heiligen Georg in seiner Funktion als Ordenspatron. Die Zugehörigkeit zur prestigeträchtigen Institution stellte demnach einen zentralen Bestandteil in der bildlichen Selbstdarstellung ihrer Mitglieder dar. Mit Guy von Warwick, dem legendären Ahnen der Grafen von Warwick, wurde zum Abschluss ein profaner Held untersucht, dessen Verehrung und politische Indienstnahme für Richard Beauchamp und John Talbot zu fassen ist. So bemühte sich Beauchamp nicht nur um die Wiederbelebung des lokalen Kults um seinen mythischen Vorfahren in der Grafschaft Warwick, sondern machte ihn auch zu einem zentralen Bestandteil seiner Selbstdarstellung auf dem Kontinent: Durch die heraldische Bezugnahme auf Guy beim Pas d’Armes bei Guînes konnte Beauchamp seine weit zurückreichende Familientradition betonen und zugleich eine Parallele zwischen sich selbst und dem vorbildhaften angelsächsischen Ritter herstellen. Sein Schwiegersohn Talbot wiederum griff die Legende auf, integrierte sie in sein Buchgeschenk an Marguerite d’Anjou und trug somit seinerseits zu ihrer Verbreitung über die Grenzen der Grafschaft hinaus bei. Vor allem aber konnte er hierdurch seine Verbindung zur hochangesehenen Familie Beauchamp aufzeigen und an deren Tradition teilhaben.

Zusammenfassung „To sette the ligne where hit shulde be / And where hit aught iustly to abide“1 – so beschreibt der bereits zu Beginn dieser Arbeit zitierte John Lydgate den Zweck des illustrierten Gedichts über die herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. von Lancaster in Frankreich: „Die Linie“ – gemeint ist die Abstammungslinie des jungen Königs – solle so gezeigt werden, wie sie sein und rechtmäßig bleiben sollte. „Wrongfull claymes for to set aside“, fährt Lydgate fort und meint damit die Herrschaftsansprüche Karls VII. von Valois. Losgelöst vom konkreten Kontext berühren Lydgates Aussagen einen allgemeinen Befund, der nicht nur für die hier in den Blick genommenen Bilder und Texte gilt: In den verschiedensten Epochen und historischen Situationen existierten neben der jeweils eigenen Wahrnehmung und Deutung derzeitiger oder vergangener politischer Gegebenheiten auch solche Sichtweisen, die von dieser abwichen oder ihr sogar direkt widersprachen. Dies machte es umso zwingender, dass man den eigenen Vorstellungen und Ansprüchen öffentlichkeitswirksam Geltung verschaffte und damit zu ihrer Durchsetzung beitrug. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie dies im spezifischen Fall der Repräsentanten der Lancaster im besetzten Frankreich zwischen 1422 und 1453 geschah. Fokussiert wurde auf die politische Instrumentalisierung von Bildern und Kunstwerken. Die Ergebnisse der Untersuchung werden im Folgenden resümiert, wobei an dieser Stelle noch einmal abschließend festgehalten werden soll, dass hier nur ein lückenhaftes Bild nachgezeichnet werden kann. Eine vollständige Rekonstruktion sämtlicher mäzenatischer und bildpropagandistischer Maßnahmen in all ihren Facetten ist aufgrund der fragmentarischen Überlieferungssituation nicht möglich. Das vorrangige Ziel der Engländer in Frankreich seit dem Tod des Valois-Königs Karl VI. war die Durchsetzung und dauerhafte Etablierung der Herrschaft des englischen Königs Heinrichs VI. und seiner Nachfahren. Die Legitimität dieses Anspruchs begründete man mit seiner Abstammung vom kapetingischen Königsgeschlecht in weiblicher Linie – über seine Urururgroßmutter Isabella und seine Mutter Catherine – sowie den vertraglichen Abmachungen zwischen seinem Vater Heinrich V. und seinem Großvater Karl VI. im Jahr 1420 in Troyes, die die Ent­ erbung seines Kontrahenten, des Dauphins Karl (VII.) von Valois, umfassten. Geltung verschaffte man sich in erster Linie mit militärischen und diplomatischen Mitteln, in nicht unbeträchtlichem Maße brachte man jedoch auch politisch konnotierte Bilder zum Einsatz, um Heinrichs Ansprüche zu visualisieren und damit zugleich zu ihrer Durchsetzung beizutragen. Nachgewiesen werden kann letzteres für die Akteure, die auch sonst hervorgehobene Positionen in der englischen Regierung in Frankreich innehatten: An erste Stelle ist John of Lancaster, der Herzog von Bedford und von 1422 bis 1435 Regent von Frankreich in Vertretung seines minderjährigen Neffen, zu nennen. Weiterhin 1

Lydgate, Secular Poems, S. 614, aus dem Prolog zur Übersetzung des Gedichts Laurence Calots.

https://doi.org/10.1515/9783110578966-005

232  Zusammenfassung können für den Grafen von Warwick, Richard Beauchamp, kunstpolitische Maßnahmen festgestellt werden, die vor allem auf die Vermittlung der Ansprüche Heinrichs gegenüber englischen Rezipienten in den 1420er Jahren abzielten. Für die letzte Dekade des Krieges ist das Wirken John Talbots, des Grafen von Shrewsbury, von besonderem Interesse. Die genannten Akteure trugen zudem Sorge, ihre eigene Rolle innerhalb der englischen Herrschaft in Frankreich und ihre Beteiligung an der Durchsetzung der herrschaftlichen Ansprüche bildlich zum Ausdruck zu bringen. Dies kann auch für weitere Repräsentanten der englischen Krone in Frankreich nachgewiesen werden, namentlich John Fastolf und einige Mitglieder der englischen Armee. Die Medien, mittels derer man politische Bilder zur Schau stellte, variierten erheblich und hingen von der Situation ab, in der sie jeweils zum Einsatz gebracht wurden: So nutzte man in militärischen Aufmärschen und Turnieren bemalte Schilde, Banner, Standarten und Livreen, in festlichen Einzügen und Zeremonien verwendete man bemalte Holzkonstruktionen und Draperien, und im Rahmen von Festmählern präsentierte man motivisch verzierte Speisen. Raum für komplexere Darstellungen boten illuminierte Handschriften, die im höfischen, fami­ liären oder militärischen Umfeld gezeigt oder verschenkt wurden, oder öffentlich aufgehängte Tafelgemälde, wie die schriftlich bezeugten Ahnentafeln Heinrichs VI. Anhand zeitgenössischer Schriftquellen können ferner ikonografisch aufschlussreiche Goldschmiedewerke und Wandbehänge sowie heraldisch dekorierte, nicht erhaltene Bauwerke und kunsthandwerkliche Erzeugnisse wie Prunkgeschirr und -textilien nachgewiesen werden. Ein Schwerpunkt der Studie lag auf den zum Einsatz gebrachten Motiven, und hier insbesondere auf der Frage, inwieweit man spezifisch französische Symbole und Traditionen aufgriff und wo man an vorwiegend in England verwendeten Bildern festhielt. Daneben wurde untersucht, ob sich in der Nutzung politisch aufgeladener Bilder mit den historischen Entwicklungen, insbesondere dem Verlauf des Krieges, in Zusammenhang stehende Zäsuren feststellen lassen. Ein zen­ trales Motiv in der politischen Bildpropaganda, das sich fast während des gesamten Untersuchungszeitraums fassen lässt, ist die Genealogie Heinrichs VI. Erstmalig ist sie im Jahr 1423 in Paris im Auftrag Bedfords an Laurence Calot, ein von einer Ahnentafel Heinrichs begleitetes Gedicht über seine Herrschaftsansprüche zu verfassen, greifbar; nur drei Jahre später wurde sie im Auftrag Beauchamps dem englischen Publikum zugänglich gemacht. In den folgenden Dekaden zirkulierte die Genealogie sowohl in Frankreich als auch in England in illuminierten Handschriften und öffentlichkeitswirksamen Inszenierungen. Sie zeigt die Abstammung Heinrichs von Ludwig dem Heiligen über die englische und die französische Linie, wobei die Darstellung gemäß der englischen Perspektive der politischen Verhältnisse geformt wurde, indem man Brüche in der englischen Linie kaschierte und Zäsuren in der Valois-Linie betonte. Während man Heinrichs Kontrahenten Karl von Valois entsprechend dem Vertrag von Troyes ignorierte, nahm man die französischen Prinzessinnen Catherine und Isabella als dynastische Verbindungen seiner Erbansprüche über die weibliche Linie auf. Die englische und französische

Zusammenfassung  233

Ahnenreihe Heinrichs VI. begründet ein weiteres Bild, das erstmalig in den Darbietungen im Rahmen der Krönungszeremonie in Paris im Jahr 1431 greifbar ist und sich in der genealogischen Tafel des Shrewsbury Book erhalten hat: Hierbei handelt es sich um das Motiv der Doppelkrönung als Hinweis auf die Vereinigung der zwei Reiche unter seiner Herrschaft. Ludwig der Heilige spielte auch abgesehen von seiner zentralen Position im genealogischen Konstrukt eine wichtige Rolle im politischen Bildrepertoire, wobei man ihn in England häufig mit dem heiligen Eduard kombinierte, indem man Heinrich VI. flankiert von seinen beiden königlichen Vorgängern zeigte. Während man also gegenüber der französischen Öffentlichkeit auf Heinrichs Anspruch auf die französische Krone fokussierte, bemühte man sich in England um die beidseitige Absicherung des jungen Königs. Genauso fungierten auch die Nationalheiligen Georg und Dionysius häufig gemeinsam als himmlische Interzessoren. Ersterer hatte darüber hinaus als Einzelfigur große Bedeutung: Als wichtigster Heiliger der englischen Armee, deren Erfolge es letztendlich überhaupt erst möglich gemacht hatten, herrschaftliche Ansprüche in Frankreich zu stellen, ist der heilige Georg während des gesamten Untersuchungszeitraums prominent im politischen Bildprogramm vertreten. Neben den genannten Heiligen figuriert eine Reihe weltlicher Autoritäten in den die englischen Ansprüche zur Geltung bringenden Bildern, wobei sich die Abhängigkeit der jeweiligen Darstellung vom historischen Kontext hier besonders deutlich zeigt. So inszenierte man im Tableau vivant des Lit de Justice im Rahmen des Einzugs Heinrichs in Paris 1431 die Herzöge von Bedford und Burgund als maßgebliche Stützen der Herrschaft des jungen Königs, obwohl das Bündnis mit Philippe le Bon bereits zu diesem Zeitpunkt erste Risse aufwies; man gab die politischen Umstände also – wie in der genealogischen Konstruktion – leicht verformt wieder. In dem in der Mitte der 1440er Jahre angefertigten Shrewsbury Book hingegen fungieren mit Humphrey of Gloucester und Richard of York einflussreiche Befürworter der Fortsetzung des Krieges als Stützen der Ansprüche des LancasterKönigs. In England spielte darüber hinaus Heinrich V. als vorbildhaft wirkender Vorgänger, der mit seinen militärischen Erfolgen und seinem diplomatischen Geschick in Frankreich die Basis für die Herrschaft seines Sohnes gelegt hatte, eine große Rolle. Die historischen Entwicklungen kommen überdies in den heraldischen Bildern zum Ausdruck: Während man sich beim Begräbniszug Heinrichs V. im September 1422 – also vor dem Tod des von englischer Seite als König von Frankreich akzeptierten Karls VI. – noch auf das englische Wappen, den heiligen Georg und sein Zeichen sowie nicht national konnotierte Symbole beschränkte, verwendete man ab etwa der Mitte der 1420er Jahre das englische und das französische Wappen in Kombination. Zudem wurde die Fleur-de-Lis ins Motivrepertoire der Engländer aufgenommen, zum Teil als Pendant zum englischen Leoparden. Ihren Höhepunkt fand die Instrumentalisierung der französischen Lilie und damit die Aneignung des wichtigsten Symbols des französischen Königtums bei der Pariser Krönung Heinrichs, bei welcher sie nicht nur als sein Attribut, sondern an seiner

234  Zusammenfassung statt in den Darbietungen, die die Krönungszeremonie begleiteten, eingesetzt wurde. Noch in den 1440er Jahren spielte die Fleur-de-Lis und die Kombination des englischen und des französischen Wappens eine wichtige Rolle im englischen Bildprogramm, erst gegen Ende des Krieges scheint man sich wieder auf englische beziehungsweise übergreifende Bildmittel beschränkt zu haben. Nimmt man die von den englischen Machthabern in Lancastrian France zum Einsatz gebrachten Bilder in ihrer Gesamtheit in den Blick, so zeigt sich, welch wichtige Stellung französischen – insbesondere mit dem französischen Königtum in Verbindung stehenden – Motiven und Traditionen zukam. Man griff diese auf, kombinierte sie mit englischen Bildern und formte sie den eigenen politischen Zielen gemäß um. Außerdem orientierte man sich in der Konzeption der Genealogie Heinrichs vermutlich an der Reorganisation der französischen Königsgrablege in Saint Denis im 13. Jahrhundert. Damit adaptierte man nicht nur französische Motive, sondern auch kunstpolitische Strategien in gewissem Umfang und unterzog sie einer Umnutzung. Es ist allerdings festzuhalten, dass die Adaption französischer Bildmittel seitens der Engländer vermutlich keineswegs als eine Aneignung von Fremdelementen wahrgenommen wurde, schließlich betrachtete man den Lancaster-König als legitimen Nachfolger Karls VI. und damit als rechtmäßigen Nutzer der entsprechenden Zeichen und Bilder. Resümiert man die Selbstdarstellung der untersuchten Akteure im politischen Geschehen Frankreichs, so spielt wie schon in den Darstellungen, die auf die Repräsentation der herrschaftlichen Ansprüche der Lancaster abzielten, der heilige Georg eine wesentliche Rolle. Durch die bildliche Bezugnahme auf den Heiligen stellte man sich als Mitglied der englischen Armee und somit als an der Durchsetzung der Herrschaft des englischen Königs beteiligt dar. Die herausragende Stellung des heiligen Georg macht deutlich, wie prägend der Krieg für die Engländer in Frankreich war. Identitätsstiftend fungierte der Heilige darüber hinaus als ­Patron des Hosenbandordens: Durch die visuelle Bezugnahme auf den prestigeträchtigen englischen Orden und seinen Patron hob man seine eigene Position als Ordensritter hervor, stellte sich als Teil einer hochangesehenen Elite dar und ­beschrieb die Ideale des Ordens als die eigenen. Sieht man vom heiligen Georg als gemeinsamem Nenner ab, divergieren die Darstellungen der Repräsentanten der englischen Krone erheblich, sofern sie sich anhand erhaltener Werke oder schriftlicher Hinweise greifen lassen. Als prägend für die Repräsentation John of Bedfords etwa kann seine exklusive Stellung als Vertreter Heinrichs VI. als König von England und Frankreich in militärischen und administrativen wie auch religiös-zeremoniellen Belangen ausgemacht werden. Außerdem bemühten er und seine Ehefrau Anne sich offenbar darum, seinem Neffen das französische Königtum und dessen Traditionen wie den heiligen Ludwig und die Fleur-de-Lis näherzubringen und ihn somit auf seine Rolle als König von Frankreich vorzubereiten. Durch die Gründung eines mehrfach visuell greifbaren Ritterordens stellte Bedford sich in die Tradition fürstlicher Ordensgründer des Spätmittelalters und brachte politische Macht zum Ausdruck. Ebenfalls an fürstliche Vorbilder, möglicherweise insbesondere an die Valois-Könige,

Zusammenfassung  235

konnte er durch den Aufbau seiner umfangreichen Bibliothek anknüpfen, die ihn überdies als gebildet und belesen auswies. Die Selbstinszenierung Richard Beauchamps lässt sich nur in Ansätzen fassen und zeichnet sich vor allem durch die Betonung familiärer, insbesondere die Grafschaft Warwick und Guy, den legendären Ahnen der Beauchamps, betreffender Traditionen aus. Zudem präsentierte er sich bereits vor der Zeit der englischen Besatzung Frankreichs als gewandter Krieger und in höfischen Gepflogenheiten versierter Ritter – Eigenschaften, die zweifelsohne zu seiner Ausstattung mit prestigeträchtigen Ämtern in Lancastrian France beitrugen. Für John Fastolf wiederum können Maßnahmen zur bildlichen Selbstdarstellung als Gefolgsmann des Regenten Bedford und als vielseitig interessierter Buchsammler festgestellt werden. Des Weiteren brachte er seine Karriere in Frankreich nach seiner Rückkehr durch die Investition in ostentative Bauwerke und Luxusgüter zum Ausdruck. Mit dem für die vorliegenden Fragen einschlägigen Shrewsbury Book stellt sich die Überlieferungslage zur bildmedialen Selbstdarstellung John Talbots besonders gut dar. Er zeigte sich als hochrangiger Diener des Lancaster-Königs und seiner Königin und präsentierte sich als maßgeblich an der militärischen Durchsetzung und administrativen Aufrechterhaltung der englischen Regierung in Frankreich beteiligt. Zugleich nutzte er die prestigeträchtige Handschrift, um die Fortsetzung der kriegerischen Unternehmungen zu bewerben und seine Expertise in militärischen Belangen zu inszenieren. Bevor diese Untersuchung mit einem Ausblick auf mögliche Ansatzpunkte für weitere Forschungen abgeschlossen wird, soll die Frage nach den Rezipienten, an die sich die durch Kunstwerke und bildwirksame Inszenierungen kommunizierte Botschaften jeweils richteten oder vielmehr richten sollten, noch einmal übergreifend gestellt werden. Hierbei zeigt sich zum einen, dass weder für die Vermittlung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. noch hinsichtlich der Selbstdarstellung einzelner Akteure ein klar umrissener Adressatenkreis ausgemacht werden kann, vielmehr muss von Fall zu Fall untersucht werden, wer im Einzelnen erreicht werden sollte. Zum anderen wird deutlich, dass das jeweils intendierte und das tatsächlich erreichte Publikum nicht immer übereinstimmten und dass der Effekt der politischen Inszenierungen auf die Rezipienten nur begrenzt kontrollierbar war. Im Falle von militärischen Aufmärschen und prunkvollen Einzügen ist von ­einer besonders großen Öffentlichkeit auszugehen, die sich aus den eigenen, verbündeten und gegnerischen Truppen beziehungsweise der Bevölkerung der Stadt zusammensetzte, wobei vermutlich vorwiegend, aber nicht ausschließlich politisch einflussreiche Machthaber, wie adlige Magnaten, militärische Anführer und hochrangige Vertreter der Städte adressiert werden sollten. Von dem von Bedford in Auftrag gegebenen Tafelgemälde der Genealogie des englischen Königs wissen wir, dass es an den Kathedralen von Paris und Reims sowie in der Reimser Échevinage „an einem öffentlichen Ort“ zur Schau gestellt werden sollte.2 Die Effigies 2

Paris, AN, JJ 173, fol. 329r, zitiert oben, Kap. 2.1.8, Anm. 68.

236  Zusammenfassung Heinrichs V. wurde dem Chronisten Thomas Walsingham zufolge bei seinem Begräbniszug so aufgebahrt, dass „jeder Einzelne“ sie habe sehen können.3 Der Bourgeois de Paris thematisiert nicht nur die politischen Inszenierungen seitens der englischen Machthaber, sondern auch die Reaktion der Bevölkerung auf diese.4 Wenngleich also die Beeinflussung und Steuerung der öffentlichen Meinung in den politiktheoretischen Traktaten der Zeit noch nicht als gängige Herrschaftsmittel reflektiert wurden, spielte das Ansprechen der Öffentlichkeit und ihre ­Reaktion – die politische Kommunikation zwischen dem Herrscher und den ­Beherrschten – in der Praxis doch bereits eine nicht unerhebliche Rolle. Festzuhalten ist ferner, dass politische Propaganda abhängig vom Vorwissen des jeweiligen Empfängers auf unterschiedliche Arten wahrgenommen wurde: So wurde, um das Beispiel der öffentlich aufgehängten genealogischen Tafeln Heinrichs VI. wieder aufzugreifen, den Rezipienten, die das die Genealogie begleitende Gedicht lesen konnten oder denen es vorgelesen wurde, eine wesentlich differenziertere politische Botschaft vermittelt als jenen, die lediglich die Illustration betrachteten. Verstanden wurde die grundsätzliche Botschaft – Heinrichs in seiner Abstammung begründeter Herrschaftsanspruch – aber zweifelsohne auch ohne den erläuternden Text. Völlig anders als bei öffentlichen Inszenierungen gestaltete sich der Rezipientenkreis im Falle illuminierter Handschriften beziehungsweise kostbarer Luxusgüter im Allgemeinen. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass Gebetbücher, die vornehmlich der privaten Andacht dienten, zwar gezeigt wurden, allerdings in einem auf den familiären oder engeren höfischen Kreis ihrer Nutzer beschränkten Umfeld. Der politischen Propaganda dienten sie höchstens untergeordnet, ihre Funktion war in erster Linie religiös. Auch bei den hier in den Blick genommenen profanen Handschriften spielten Aspekte wie Bildung, Belehrung, Unterhaltung, Selbstvergewisserung oder auch einfach die Freude an ästhetisch ansprechenden Objekten oft eine größere Rolle als politische Kommunikation, gegenseitig ausschließen mussten sich diese Funktionen jedoch nicht. Im Falle kostbarer, aufwendig ausgestatteter Prachthandschriften, wie des Shrewsbury Book oder der Bedford Hours, war das intendierte und tatsächliche Publikum fraglos größer, beschränkte sich aber nach wie vor auf das höfische Umfeld des Besitzers. Während viele Handschriften in erster Linie zum Eigengebrauch in Auftrag gegeben wurden, dienten andere nachweislich als Geschenke im diplomatischen Verkehr, was ihren Rezipientenkreis erheblich erweitern konnte. Ein großer Teil der untersuchten Handschriften wie auch sonstiger künstlerischer Erzeugnisse wurde zudem mehrfach modifiziert und umgenutzt, womit sich ihr Verwendungsumfeld und damit der Kreis der Personen, die die dargestellten Bilder sahen, ändern konnte. Welche politische Wirkung die zur Schau gestellten Bilder letztendlich erzielten, ist im Einzelnen nicht zu klären. Dass die Visualisierung der herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI. in Frankreich im Endeffekt nicht zu deren Durchset3 4

Walsingham, Historia Anglicana, Bd. 2, S. 345, zitiert oben, Kap. 2.2.1, Anm. 87. Etwa Journal d’un Bourgeois de Paris, a. 1422, 362, S. 178, zitiert oben, Kap. 3.1.1, Anm. 5.

Zusammenfassung  237

zung führte, steht außer Frage. Ob die kunstpolitischen Maßnahmen zwischenzeitlich auf bestimmte Gruppen oder einzelne Akteure überzeugend wirkten, bleibt ebenso ungewiss wie die Frage danach, welchen konkreten Effekt die Selbstinszenierung der Repräsentanten der englischen Krone letztlich hatte. Etliche Forschungsfelder, die an die hier verfolgten Fragen angrenzen, konnten lediglich angerissen werden und müssen an anderer Stelle vertieft werden. So verspricht beispielsweise eine umfassende stilkritische Analyse der abgesehen vom Shrewsbury Book bislang wenig erforschten, den Talbot-Illuminatoren zugeschriebenen Werke wichtige Einblicke in die Rouennaiser Kunstproduktion des 15. Jahrhunderts. Das Gleiche gilt für das überaus disparate, gegenwärtig dem sogenannten Fastolf Meister zugeschriebene Œuvre, dessen kritische Auswertung ferner eine Vertiefung des Wissensstandes zum künstlerischen Transfer zwischen England und Frankreich um die Jahrhundertmitte erwarten lässt. Von den besprochenen Auftraggebern lässt insbesondere eine weitere Beschäftigung mit John Fastolf neue Hinweise auf seine politische Rolle wie auch seine mäzenatische Tätigkeit vermuten. Der umfangreiche, lediglich in Auszügen publizierte Bestand zeitgenössischer Schriftquellen aus Fastolfs Umfeld ist zwar in Teilen erforscht und auch im Rahmen der vorliegenden übergreifenden Untersuchung berücksichtigt worden, gerade zu seiner Zeit in Lancastrian France steht eine umfassende Auswertung jedoch noch aus.5 Für englische Auftraggeber in Frankreich produzierte Stundenbücher machen den größten Teil der untersuchten Kunstwerke aus, ihre wissenschaftliche Bearbeitung beschränkt sich jedoch in der Regel auf knappe Katalogeinträge oder kursorische Erwähnungen in Überblicksdarstellungen. Auch hier wurde auf eine umfassende Auswertung aller erhaltenen, für die Engländer in Frankreich angefertigten Gebetbücher verzichtet und stattdessen auf die für machtpolitische Aspekte relevanten Anhaltspunkte fokussiert. Eine systematische Sichtung des nachweisbaren Bestandes aus religionsgeschichtlicher Perspektive lässt Rückschlüsse auf die Auswirkungen des Krieges auf die persönliche Frömmigkeit der Nutzer vermuten – gerade im Vergleich zu zeitgleich für französische und normannische Nutzer in Frankreich sowie für englische Nutzer in England angefertigten Stundenbüchern. Überdies sind Hinweise zum kulturellen Transfer zwischen England und Frankreich in Bezug auf lokale Kulte und Liturgien zu erwarten. Im vorliegenden Buch wurde der Schwerpunkt auf die Visualisierung politischer Vorstellungen im besetzten Frankreich gelegt, während vergleichbare Maßnahmen, die innerhalb des Untersuchungszeitraums in England zu beobachten sind, lediglich gestreift wurden. Zwar liegen mit der umfassenden Untersuchung der Lancaster-Grabmäler von Antje Fehrmann und verschiedenen Arbeiten zu königlichen Entrées und Zeremonien in London eine Reihe einschlägiger Spezialstudien vor, eine übergreifende Analyse der politischen Nutzung von Kunstwerken und Bildern durch die Parteigänger der Lancaster in England im Vorfeld der soge5

Weiterführende Erkenntnisse lässt etwa eine gründliche Auswertung der sog. Fastolf Papers in Oxford, Magdalen College, vermuten.

238  Zusammenfassung nannten Rosenkriege fehlt jedoch.6 Ähnlich verhält es sich mit dem Forschungsstand zur politischen Instrumentalisierung von Kunst seitens der Kontrahenten der Engländer in Frankreich, der Parteigänger Karls VII. von Valois. Während die französische Kunstproduktion des 14. und 15. Jahrhunderts wie auch bildwirksame Zeremonien und Rituale im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Frankreich im Allgemeinen vergleichsweise gut erforscht sind, scheinen die kunstpolitischen Maßnahmen Karls VII. und seiner Anhänger bisher wenig Beachtung gefunden zu haben. Dies fällt umso mehr ins Auge, wenn man bedenkt, welch große Bedeutung dem Valois-König in den von den Engländern in Lancastrian France zum Einsatz gebrachten Bildern sowohl explizit als auch implizit zukam.

6

Fehrmann, Grab und Krone.

Katalog der Handschriften Im Folgenden werden die im Auftrag der Engländer in Frankreich angefertigten oder zeitweise ihrem Besitz zuzuweisenden Handschriften im Detail analysiert. Dabei soll es weniger um die vollständige Erschließung des kodikologischen und stilistischen Befundes der teilweise mehrfach modifizierten, umgebundenen und erweiterten Handschriften gehen als um die Ausstattungskampagnen, die auf Veranlassung der Repräsentanten der englischen Krone erfolgten. Beleuchtet werden sollen vor allem für die vorliegenden Fragen relevante inhaltliche Aspekte, das heißt in erster Linie ikonografische, aber auch textliche Auffälligkeiten. Es wird darum gehen, aufzuzeigen, welche spezifisch französischen Bilder man sich zunutze machte und inwieweit man an eigenen Traditionen festhielt – welche Motive man zum Einsatz brachte, um seine Haltung gegenüber den politischen Entwicklungen und die eigene Verortung in diesen zu illustrieren. Ein beträchtlicher Teil der untersuchten Handschriften ist bislang nur unzureichend von der Forschung in den Blick genommen worden; zu zahlreichen Werken existieren lediglich kurze Einträge in Bibliothekskatalogen oder kursorische Erwähnungen in kunsthistorischen Überblicksdarstellungen. Gerade in diesen Fällen soll die folgende Werksanalyse nicht nur die Basis für die Diskussion übergreifender Fragen im vorliegenden Buch bieten, sondern darüber hinausgehend als eigenständiges Kompendium für zukünftige Forscher, die sich unter anderen Gesichtspunkten mit den hier besprochenen Handschriften beschäftigen, dienen.

Kat. 1: Das Foyle Breviary Das erste für John of Bedford angefertigte Buch englischer Herkunft, das nach seinem letzten Besitzer benannte Foyle Breviary, ist erst seit seinem Ankauf durch die British Library im Jahr 2000 öffentlich zugängig. Seine wissenschaftliche Erarbeitung beschränkt sich weitgehend auf die umfassende 2007 publizierte gemeinsame Studie Jenny Stratfords und Catherine Reynolds’.1 Stratford und Reynolds schreiben das Breviarium unter Vorbehalt der in London tätigen Werkstatt Herman Scheerres zu, datieren es jedoch aus stilistischen Gründen bereits um 1410.2 Das Werk ist im Vergleich zu anderen erhaltenen liturgischen Handschriften des Herzogs relativ klein und bescheiden ausgestattet; es weist starke Beschädigungen auf und wurde nachträglich umgebunden. Bedfords Wappen tritt an zwei Stellen in der Bordürendekoration in der vor seiner Erhebung in den Herzogstand verwendeten Form auf und scheint in beiden Fällen zur ursprünglichen Ausgestaltung zu gehören: Auf Folio 227r, zu Beginn des Sanctorale, und auf Folio 180r in 1

London, BL, Add. MS 74755 (Pergament, 387 fol., ca. 144 x 97 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3 und unten, Kat. 4. Siehe Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, bes. S. 345–351. Zur Provenienz siehe ebd., S. 345, 350 f. Siehe außerdem Stratford, Bedford Inventories, S. 108. 2 Vgl. Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, S. 345, 348  f.

https://doi.org/10.1515/9783110578966-006

240  Katalog der Handschriften Zusammenhang mit dem durch eine Initiale der heiligen Dreifaltigkeit eingeleiteten Psalm 110 (Vulg. 109). Die im Kontext des sonstigen illustrativen Programms des Buches ungewöhnliche Hervorhebung des Psalms 110 durch eine historisierte Initiale erklären Stratford und Reynolds überzeugend durch den hohen Stellenwert, den die im Psalmbeginn – „Dixit dominus domino meo sede a dextris meis“ – thematisierte Trinität in der Devotionspraxis Bedfords einnahm. Hinweise hierauf finden sich auch in einer Reihe späterer, für den Herzog angefertigter Werke, etwa dem Goldschmiedestück, das er 1422 der Pariser Kathedrale schenkte.3 Über die genannten Elemente hinausgehend enthält das Breviarium keine auf die Person des Herzogs verweisenden textlichen oder dekorativen Bestandteile, es ist jedoch denkbar, dass diese ursprünglich existierten.

Kat. 2: Die Bedford Hours and Psalter Die sogenannten Bedford Hours and Psalter wurden sehr wahrscheinlich zu Teilen von der bis in die frühen 1420er Jahre in London nachweisbaren, hochangesehenen Werkstatt Herman Scheerres illuminiert.4 Die Psalter-Stundenbuch-Kombination ist bisher vor allem hinsichtlich ihrer aufwendigen Bordürendekoration mit knapp dreihundert Portraitköpfen und Halbfiguren von beispielsweise Richard II., Mitgliedern der Lancaster-Dynastie und zeitgenössischen Dichtern in den Blick genommen worden.5 Zurecht verweist Kathleen Scott auf die auf öffentliche Wirkung ausgerichtete fürstliche Dekoration des prachtvollen Werkes und die zahlreichen vermutlich vom Auftraggeber intendierten Bezüge zur königlichen Familie; bereits dieser frühe Auftrag Bedfords veranschauliche „the patronage and the taste of a royal prince“.6 Es handelt sich überdies um das früheste erhaltene Werk aus Bedfords Besitz, in dem die von ihm genutzten heraldischen Zeichen en détail zum Ausdruck gebracht werden. Die ursprüngliche Anfertigung für den Herzog kann aus der Inschrift „I commende me un to ȝow. I pray god saue þe Duke of Bedford“ auf Folio 21r und dem 3

Vgl. ebd., S. 348. Zum Auftreten der Trinität in Bedfords Devotionspraxis siehe oben, Kap. 1.1.2 und unten, Kat. 4, 6, 7. 4 London, BL, Add. MS 42131 (Pergament, 240 fol., ca. 450 x 275 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3. Die Handschrift ist vollständig digitalisiert im Digitised Manuscripts Catalogue der British Library einsehbar. Siehe außerdem Catalogue of Additions to the Manuscripts in the British Museum, Add. MS 42131, S. 202–206; Turner, Bedford Hours and Psalter; Marks und Morgan, English Manuscript Painting, S. 104–107; Stratford, Manuscripts, S. 342; dies., Bedford Inventories, S. 108; Wright, Author Portraits; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 54, S. 166–171; Fisher, Portraits in the Bedford Psalter Hours. Der vermutlich aus Köln stammende Meister Herman Scheerre wird, wenn auch nur bei seinem Vornamen, an zwei Stellen in der ornamentalen Zeilenfüllung genannt: Auf fol. 124r in der untersten Zeile: „herman ȝour meke servant“; auf fol. 232v, Z. 5: „I am herman ȝoure owne seruant“. Neben Bedford war er für weitere hochrangige Auftraggeber, wie den Erzbischof Henry Chichele, Charles d’Orléans und Angehörige des englischen Königshauses tätig. 5 Siehe etwa Wright, Author Portraits; Fisher, Portraits in the Bedford Psalter Hours. 6 Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 54, S. 167.

Kat. 2: Die Bedford Hours and Psalter  241

Abb. 1: London, BL, Add. MS 42131, fol. 73r, Detail

Auftreten seines Wappens, seiner Wappentiere und seines Mottos „pour souffrir“ in der Bordürendekoration von Folio 73r geschlossen werden – beides sehr wahrscheinlich Bestandteile der ursprünglichen Ausführung. Die Bezeichnung Bedfords als Herzog liefert einen Terminus post quem zur Datierung der Handschrift nach der Erhebung in der Herzogstand im Jahr 1414. Als Terminus ante quem wird gemeinhin die Ernennung zum Regenten im Jahr 1422 angesehen, mit welcher Bedford die Wurzeldevise übernahm und diese Eingang in das dekorative Programm seiner Kunstwerke fand.7 Darüber hinaus scheint mit der Eheschließung mit Anne de Bourgogne im darauf folgenden Jahr ein Wechsel seines Mottos von „pour souffrir“ zu „a vous entier“, dem das Motto der Herzogin „j’en suis contente“ antwortet, einhergegangen zu sein. Bedfords Wappen ist prominent mittig auf dem rechten Seitenrand dargestellt. Bei den abgebildeten Wappenträgern handelt es sich zum einen um den goldenen Lancaster-Löwen, hier allerdings mit  7 Zur

Datierung, die von der stilistischen Einordnung in Scheerres Werk gestützt wird, siehe Catalogue of Additions to the Manuscripts in the British Museum, Add. MS 42131, S. 202– 206; Turner, Bedford Hours and Psalter, S. 265–267; Stratford, Bedford Inventories, S. 108; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 54, S. 166, 170; Fisher, Portraits in the Bedford Psalter Hours, S. 239. Bei der Wurzeldevise handelt es sich um das wichtigste und am häufigsten verwendete heraldische Zeichen des Herzogs. Sie wird in seinen Testamenten erwähnt und tritt jeweils als goldenes, reich verzweigtes Wurzelwerk ohne Baumstamm in zahlreichen Kunstwerken auf.

242  Katalog der Handschriften Bedfords Turnierkragen um den Hals, gekrönt und nicht wie üblicherweise steigend, sondern stehend, zum anderen die von Bedford persönlich verwendeten Träger, den Adler mit ausgestreckten Flügeln und das Yale, ein antilopenähnliches, schwarzes oder dunkelbraunes Fabelwesen mit einem nach vorn und einem nach hinten gerichteten Horn, Hauern und einem Löwenschwanz (Abb. 1).8

Kat. 3: Die Bedford Hours Mit den sogenannten Bedford Hours befindet sich die prominenteste und vor allem von kunsthistorischer Seite am intensivsten erforschte Pariser Handschrift aus dem Besitz des Herzogs und der Herzogin von Bedford heute in der British Library. Es handelt es sich um ein ungewöhnlich reich illuminiertes Stundenbuch nach dem Brauch von Paris.9 Neben 38 ganzseitigen Miniaturen ist es mit über 1 200 Randmedaillons ausgestattet, die zum Großteil im inhaltlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Texten stehen.10 Eine detaillierte Beschreibung der Handschrift wurde bereits im späten 18. Jahrhundert vom englischen Antiquar Richard Gough publiziert. Im Jahr 1965 legte Eleanor Spencer eine bis heute einflussreiche Studie zu den Miniaturen und den beteiligten Künstlern vor, der 1981 eine ebenfalls einschlägige „Neubewertung“ der Bedford Hours durch Janet Backhouse folgte. Im Jahr 2006 erschien eine von Jenny Stratford und Eberhard König kommentierte Faksimile-Ausgabe, und 2007 legte König eine umfassende stilkritische Monografie vor.11 Überdies war die Gruppe namentlich nicht bekannter Pariser Buchmaler, welcher der Großteil der Miniaturen zugeschrieben wird und für die sich der Name ‚Bedford-Werkstatt‘, ‚Bedford-Meister‘ oder ‚Bedford-Illuminatoren‘ etabliert hat – letztere Bezeichnung erscheint am sinnvollsten und wird im Folgenden verwendet –, mehrfach Gegenstand kunsthistorischer Arbeiten, etwa von Charles Sterling, Patricia Stirnemann, Claudia Rabel, Catherine Reynolds sowie jüngst Gregory Clark und Jenny Stratford.12  8 Zu

den von Bedford verwendeten heraldischen Zeichen siehe Hablot, La devise, Bd. 1, S. 330– 335; Stratford, Bedford Inventories, S. 97–100; insb. zum Yale Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 63. Zum Wappen siehe außerdem oben, Kap. 1.1.3.  9 Zum liturgischen ‚Brauch‘ siehe oben, Kap. 1.1.3, Anm. 98. 10 London, BL, Add. MS 18850 (Pergament, 289 fol., ca. 260 x 185 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 2.1.5, 3.1.2, 3.1.3, 3.3.3, 3.4.1 und unten, Kat. 6, 12, 18a–d. Die Handschrift ist vollständig digitalisiert im Digitised Manuscripts Catalogue der British Library einsehbar. 11 Gough, Rich Illuminated Missal; Spencer, Bedford Hours; Backhouse, Reappraisal; König und Stratford, Stundenbuch des Herzogs von Bedford; König, Bedford Hours. Siehe außerdem Backhouse, Bedford Hours. 12 Sterling, Peinture médiévale, S. 419–460, bes. 419–434; Rabel und Stirnemann, Très Riches Heures; Reynolds, Salisbury Breviary; dies., Bedford Master, mit weiterführenden Literaturhinweisen auf S. 627; dies., Definitions and Identities; Clark, Art in a Time of War, bes. S. 257– 267; Stratford, Sobieski Hours, bes. S. 203–209. Siehe auch dies., Manuscripts, S. 343 f.; dies., Bedford Inventories, S. 120–122 und passim; Villela-Petit, Bréviaire de Châteauroux, bes. S. 47–71; Rowe, Notes on the Clovis Miniature; Spencer, Salisbury Breviary; Avril, Maître de Bedford; McKendrick, Bedford Hours; speziell zu den Medaillons Emmerson, Apocalypse

Kat. 3: Die Bedford Hours  243

Der Kern der Handschrift – ein zwar äußerst kostbar ausgestattetes, inhaltlich aber dem verbreiteten Standard der Pariser Liturgie entsprechendes, nicht personalisiertes Stundenbuch mit vorangestelltem Kalender – war höchstwahrscheinlich in der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts von den genannten Pariser BedfordIlluminatoren für einen bisher nicht sicher identifizierten französischen Auftraggeber illuminiert worden.13 Claudia Rabels und Patricia Stirnemanns auf stilistischen Vergleichen basierender Vorschlag, dass die Handschrift ursprünglich für Louis de Guyenne, den im Jahr 1415 verstorbenen Dauphin, intendiert gewesen sei, lässt sich zwar nicht belegen, hat aber einiges für sich. In der zweiten Hälfte der Dekade legten die Illuminatoren die Arbeit offenbar unvollendet nieder.14 Wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Eheschließung Bedfords und Annes im Jahr 1423 ging das Werk in den Besitz des Paares über und wurde bei dieser Gelegenheit um eine Reihe ‚persönlicher‘ Texte und Miniaturen erweitert, und zwar anscheinend von denselben Buchmalern, die schon für die ursprüngliche Kampagne verantwortlich gewesen waren. Im Rahmen dieser Erweiterung scheint ein zusätzlicher Binio mit Gebeten an den heiligen Georg und die heilige Anna eingefügt worden zu sein, denen ganzseitige, stilistisch von der Illumination des bestehenden Stundenbuchkerns leicht abweichende Miniaturen mit Portraits Bedfords und Annes in Anbetung der Heiligen vorangestellt sind (Folia 256–259) (Farbabb. 1, 2; Abb. 2). Zum selben Zeitpunkt wurden wahrscheinlich die Wappen und Devisen des Herzogpaares auf den bereits bestehenden Folia 23v, 94v, 207v und 255v hinzugefügt (Abb. 3).15 Cycle. Der Umfang und Aufwand des Werkes lässt vermuten, dass eine ganze Reihe im selben Stil ausgebildeter, miteinander kollaborierender Illuminatoren beteiligt waren, die von einem Buchhändler oder libraire koordiniert wurden. Zu dieser in Paris im Spätmittelalter verbreiteten Praxis siehe Rouse und Rouse, Manuscripts and their Makers, Bd. 1, passim sowie jüngst Stratford, Sobieski Hours, S. 187 f., 203. 13 Die stilistische Zuschreibung der Bedford Hours wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Ich folge in meinen Ausführungen vor allem den stilkritischen Untersuchungen Reynolds, Definitions and Identities und König, Bedford Hours. Weitgehend einig ist sich die kunsthistorische Forschung in der stilistischen Verortung des Großteils der Miniaturen in die 1410er Jahre, siehe bspw. Rabel und Stirnemann, Très Riches Heures, S. 375; Reynolds, Très Riches Heures, S. 440; König, Bedford Hours, S. 61, 126 und passim; McKendrick, Bedford Hours, S. 398 f. 14 Rabel und Stirnemann, Très Riches Heures, S. 534–537. Zu Louis de Guyenne siehe Villela-Petit, Bréviaire de Châteauroux; Taburet-Delahaye (Hrsg.), Paris 1400, S. 140–145. 15 Backhouse geht davon aus, dass die gesamte Handschrift für den Herzog von Bedford und seine Ehefrau zwischen 1419/20 und 1423 angefertigt wurde, Backhouse, Reappraisal, S. 47 f., 63 f.; dies., Bedford Hours, S. 56–59. Hiergegen sprechen jedoch kodikologische Aspekte und stilistische Unterschiede, der für Bedford ansonsten nicht nachweisbare Brauch von Paris sowie Hinweise auf die nachträgliche Einfügung der Wappen des Herzogpaares und der Schriftrollen. Zur Erweiterung in den 1420er Jahren vgl. Spencer, Bedford Hours, S. 496–498; Stratford, Manuscripts, S. 343  f.; dies., Bedford Inventories, S. 120 f.; König, Bedford Hours, S. 54– 62, 78 f., 128; McKendrick, Bedford Hours, S. 398. Die Datierung der Portraitseiten um 1423 wird durch die Houppelande und die Hörnerhaube Annes gestützt, vgl. van Buren, Illuminating Fashion, S. 144. Die Weitergabe bzw. der Weiterverkauf ‚gebrauchter‘ Bücher war im Spätmittelter keinesfalls ungewöhnlich, sondern machte eine beträchtlichen Teil des Buchhandels aus, siehe hierzu Harris, Book Production, S. 171 f.

244  Katalog der Handschriften

Abb. 2: London, BL, Add. MS 18850, fol. 256v, Detail

Die Portraitseite des Herzogs zeigt ihn kostbar gewandet in einer Kapelle, mit zum Gebet erhobenen Händen vor dem heiligen Georg, dem Schutzpatron des Hosenbandordens, kniend (Folio 256v) (Farbabb. 1; Abb. 2). Entgegen der üblichen Darstellungsweise präsentiert sich der Heilige nicht als Drachentöter, sondern im Ornat des Ritterordens.16 Die Miniatur ist reich mit heraldischen Bildern Englands und John of Bedfords, des Heiligen und des Hosenbandordens verziert: Das rote Kreuz auf weißem Grund, das die Rüstung Georgs und den Wimpel, den die hinter ihm stehende Person trägt, ziert, steht für den Heiligen selbst, den Orden und natürlich die englische Armee. In den Fensterscheiben der Kapelle im Hintergrund ist das englische Wappen abgebildet. Die Bordüre ist mit Medaillons, die das Martyrium des Heiligen zeigen, mit Bedfords Wappen und seinen bereits in den Bedford Psalter and Hours (Kat. 2) verwendeten Wappentieren, dem Adler und dem Yale, geschmückt.17 Im Gegensatz zur englischen Handschrift trägt der Adler nun jedoch eine Krone um den Hals, und die Bordüre ist großzügig mit der goldenen 16 Backhouse

zufolge handelt es sich um die einzige Darstellung Georgs in dieser Form, BackReappraisal, S. 60 f.; dies., Books of Hours, S. 5. Zur Tracht der Mitglieder des Hosenbandordens siehe Boulton, Knights of the Crown, S. 161–164; Begent und Chesshyre (Hrsg.), Order of the Garter, S. 148 f. 17 Die Deutung der Darstellungen in den Medaillons als Szenen aus dem Leben des hl. Georg ist nicht unumstritten und beruht vor allem auf dem Vergleich zur Portraitseite der Herzogin, house,

Kat. 3: Die Bedford Hours  245

Abb. 3: London, BL, Add. MS 18850, fol. 207v

Wurzeldevise verziert, die Bedford seit Beginn seiner Regentschaft führte. Weiterhin finden sich in der Bordüre Schriftrollen in blau, weiß und rot, den heraldischen Farben des Herzogs. Die Schriftrollen tragen sein Motto, welches seit der Eheschließung mit Anne de Bourgogne nicht mehr „pour souffrir“ sondern „a vous entier“ lautete – im Zusammenspiel mit dem Motto Annes „j’en suis contente“.18 Bedfords Farben, sein Motto und die Wurzeldevise treten darüber ­hinaus in den die Kapellenausstattung schmückenden Textilien auf. Auch die Herzogin wird in einer Kapelle, im Gebet an ihre Namenspatronin, die heilige Anna, gezeigt (Folio 257v) (Farbabb. 2). Die Darstellung der Heiligen als auf welcher die Medaillons Szenen aus dem Leben der hl. Anna zeigen, siehe hierzu Backhouse, Reappraisal, S. 61  f. 18 Zum Wechsel der von Bedford verwendeten heraldischen Zeichen 1422/23 siehe Stratford, Bedford Inventories, S. 97–100.

246  Katalog der Handschriften Anna Selbdritt entspricht dem im Spätmittelalter weitverbreiteten Bildtypus. Analog zur Portraitseite des Herzogs befindet sich das Wappen der Herzogin unter der Miniatur und wird von ihrer Zweigdevise, höchstwahrscheinlich einem Eibenzweig, und Schriftrollen in den heraldischen Farben Bedfords, die hier das Motto Annes tragen, gerahmt. Bilddevise und Motto zieren ferner das Mobiliar der Kapelle.19 Die Randminiaturen zeigen der Vorlage der Legenda Aurea folgend die drei Ehemänner der Heiligen und ihre zwei weiteren Töchter neben der Gottesmutter.20 Im Dezember 1430 schließlich wechselten die Bedford Hours erneut den Besitzer, worüber uns ein Eintrag in der Handschrift selbst informiert, der zugleich einen der wenigen zeitgenössischen schriftlichen Hinweise zur Verwendung von Kunstwerken durch Bedford und Anne darstellt: Auf Folio 256r, und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Portrait Bedfords auf dem Verso desselben Blattes, notierte John Somerset, der Leibarzt Heinrichs VI., dass die Herzogin dem jungen König das „reich geschmückte Stundenbuch […] mit Zustimmung und auf herzlichen Wunsch ihres Ehemannes“ zu Weihnachten 1430 geschenkt habe.21 Im Zusammenhang hiermit wurde die Handschrift offenbar erneut umgestaltet, und zwar von den bereits für die früheren Kampagnen verantwortlichen Bedford-Illuminatoren sowie einer Reihe zusätzlich hinzugezogener Pariser Buchmaler. Eberhard König legt überzeugend dar, dass anlässlich der Schenkung auf allen bereits bestehenden Seiten zumeist zweizeilige Erläuterungen in gold und blau zu den in den Bordüren dargestellten Medaillons hinzugefügt wurden.22 Außerdem erhielt die Handschrift allem Anschein nach erneut zusätzliche Seiten: Hierzu zählen drei, heute zwischen Kalender und Evangelienexzerpten eingebundene Bifolia (Folia 13–18) sowie ein einzelnes, heute am Ende der Handschrift eingebundenes Bifolio (Folia 288–289), welches möglicherweise ehemals ein Quaternio zusammen mit ersteren bildete.23 Die Seiten der heutigen Folia 13 bis 18 wurden zum Teil freigelassen und zum Teil mit ganzseitigen, im Stundenbuchkontext ungewöhnlichen Genesis-Darstellungen und einer im 16. Jahrhundert teils übermalten Kombination aus den Wappen und Devisen des Herzogpaares 19 Dies.,

Manuscripts, S. 342 f. deutet die Zweigdevise als fruchtbaren oder fruchttragenden Zweig. Spencer, Bedford Hours, S. 496, Anm. 4 und Backhouse, Bedford Hours, S. 37 identifizieren den Zweig als Eibenzweig und damit als Symbol der Trauer, gegebenenfalls um den verstorbenen Vater. 20 Legenda Aurea, S. 521. 21 London, BL, Add. MS 18850, fol. 256r: „Memorandum quod xxiiii die mensis Decembris scilicet in vigilia / nativitatis Christi anno domini Millesimo CCCC°XXX°. […] illustris principissa / Coniux […] Ducis Bedfordie / […] dicto serenissimo / Regnorum Regi presentem ornatissimum librum […] nimium ex dicti domini mariti sui consensu et / voluntate cordiali […] donavit.“ Zur Schenkung siehe Backhouse, Bedford Hours, S. 59–61; König, Bedford Hours, S. 85–88. 22 Ausführlich hierzu sowie zu weiteren Eingriffen siehe ebd., S. 54–62, 85–88, 126, 128. 23 Zur Erweiterung von 1430 und der stilistischen Zuschreibung der betreffenden Seiten an die Bedford-Illuminatoren und den sogenannten Meister der Münchner Legenda Aurea siehe ebd.; Spencer, Bedford Hours, S. 497; Sterling, Peinture médiévale, S. 421, 427–434; McKendrick, Bedford Hours, S. 398  f.; Rowe, Notes on the Clovis Miniature. Auch die auf fol. 288v dargestellte Kleidung entspricht van Buren zufolge der Mode um 1430, vgl. van Buren, Illuminating Fashion, S. 150.

Kat. 3: Die Bedford Hours  247

Abb. 4: London, BL, Add. MS 18850, fol. 15r

ausgestaltet (Folio 15r) (Abb. 4). Das am Ende der Handschrift eingebundene Bifolio beinhaltet ein in diesem Zusammenhang ebenfalls ungewöhnliches und für die vorliegende Untersuchung überaus aufschlussreiches von einer ganzseitigen Miniatur eingeleitetes, zweiseitiges Gedicht über die Legende der Fleur-de-Lis (Farbabb. 3; Abb. 5). Die ursprüngliche Position der Seiten kann ebenso wie die des um 1423 eingebundenen Binio nicht eindeutig bestimmt werden.24 24 Im

16. Jh. befand sich die Handschrift offenbar im Besitz Heinrichs II. von Frankreich und Caterinas de’ Medici, und die Wappen und Devisen Bedfords und Annes auf fol. 15r wurden übermalt. Zur Provenienz siehe London, BL, Digitised Manuscripts Catalogue, Add. MS 18850; Munby, Connoisseurs and Medieval Miniatures, S. 2–13. Als Richard Gough die Handschrift im Jahr 1794 beschrieb, befanden sich die Seiten mit den Genesis-Miniaturen und dem Wappenbaum sowie die Seiten mit der Fleur-de-Lis-Legende an derselben Position wie heute, die Seiten mit den Portraits des Herzogpaares und den Gebeten an die Hll. Georg und Anna schlossen jedoch direkt an die Genesis-Miniaturen an, Gough, Rich Illuminated Missal,

248  Katalog der Handschriften

Abb. 5: London, BL, Add. MS 18850, fol. 289r

Ob es sich bei dem Transfer der Handschrift anlässlich der Eheschließung im Jahr 1423 um ein Geschenk von Bedford für Anne oder umgekehrt oder von einer weiteren Person für einen von beiden oder beide gehandelt hat, ist viel diskutiert, allerdings bisher nicht überzeugend geklärt worden und kann auch an dieser Stelle nicht beantwortet werden.25 Die Möglichkeit, dass das HerzogS. 8, 10, 81. Bereits zwischen 1430 und diesem Zeitpunkt hatte also offenbar zumindest eine Umbindung stattgefunden. Zu Überlegungen zur ursprünglichen Bindung siehe König, Bedford Hours, S. 80–88. 25 Vor allem die ältere Forschung vermutet, dass es sich um ein Geschenk des burgundischen Herzogs gehandelt habe, siehe Rowe, Notes on the Clovis Miniature, S. 57 f.; Spencer, Bedford Hours, S. 496; Backhouse, Reappraisal, S. 63; dies., Bedford Hours, S. 56; Sterling, Peinture médiévale, S. 419, 431, 434.

Kat. 4: Das Salisbury Breviary  249

paar selbst gar nicht aktiv in die Adaption der Handschrift involviert war, ist bei den Überlegungen zur politischen Instrumentalisierung von Kunstwerken durch den Regenten zu berücksichtigen, mit Sicherheit kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Erweiterung im Auftrag einer Person erfolgte, die den Engländern politisch nahestand. Die Tatsache, dass Somerset Anne in seiner Notiz von 1430 als die Schenkende bezeichnet, belegt, dass sie zumindest anteilig als Besitzerin der Handschrift galt.26 Die Präsenz der heraldischen Zeichen Bedfords, die in ihrem Umfang der der Herzogin entsprechen, und die Fokussierung auf Bedfords politische Stellung wiederum machen den Regenten entweder als Mitbesitzer oder als Auftraggeber der Erweiterung von 1423 – möglicherweise beides – wahrscheinlich. Geht man weiterhin davon aus, dass die Handschrift anlässlich des Rouen-Aufenthaltes Heinrichs VI. im Jahr 1430 in der hier dargelegten Art und Weise erneut umgestaltet wurde, so kann zumindest für die Hinzufügung der Zweizeiler und die Einbindung der GenesisMiniaturen und der Fleur-de-Lis-Legende eine aktive Mitsprache des Herzogpaares vermutet werden.

Kat. 4: Das Salisbury Breviary Das mit Abstand umfangreichste und am reichsten illustrierte mit dem Besitz John of Bedfords in Zusammenhang zu bringende Werk ist – selbst in seinem unvollendeten Zustand – das sogenannte Salisbury Breviary, ein abermals von den Bedford-Illuminatoren für den Regenten ausgestattetes Breviarium nach dem Brauch von Sarum, also englischer Liturgie.27 Ungeachtet seiner aufwendigen Ausstattung wurde ihm bislang im Vergleich zu den Bedford Hours (Kat. 3) nur wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet. Eine wichtige Ausnahme bildet die bis heute maßgebliche, im Jahr 1986 am Courtauld Institute of Art vorgelegte Dissertation Catherine Reynolds’, in welcher sie die Handschrift umfassend stilkritisch untersucht, unter anderem auf Basis einer Analyse der Bordürendekoration einordet und die bis dato angenommene Datierung revidiert.28 Diese zwar unpublizierte, aber dennoch einflussreiche Arbeit bildet zugleich die gründlichste Studie zu den Bedford-Illuminatoren, Teile der Ergebnisse wurden in Form von Aufsätzen veröffentlicht.29 Von Bedeutung für die Beschäftigung mit Bedfords Breviarium ist darüber hinaus Victor Leroquais’ detaillierte Beschreibung der Handschrift und ihrer Miniaturen im Rahmen der Katalogisierung der französi26 Stratford,

Bedford Inventories, S. 120 hält eine Erweiterung für Anne wahrscheinlicher als für Bedford. 27 Paris, BNF, MS lat. 17294 (Pergament, 711 fol., ca. 255 x 175 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3 und unten, Kat. 6. Die Handschrift ist vollständig digitalisiert bei Gallica einsehbar. Zum liturgischen ‚Brauch‘ oder ‚Usus‘ von Gebetbüchern siehe oben, Kap. 1.1.3, Anm. 98. 28 Reynolds, Salisbury Breviary. Ich danke Catherine Reynolds für den Einblick in ihre Dissertation wie auch ihre großzügigen Kommentare und Hinweise. 29 Vgl. vor allem Reynolds, Definitions and Identities, bes. S. 443–446.

250  Katalog der Handschriften schen Handschriftenbestände der Bibliothèque nationale de France aus dem Jahr 1934 und eine 1966 von Eleanor Spencer vorgelegte Studie.30 Das Salisbury Breviary kann anhand seiner heraldischen Ausstattung und durch Einträge im vorangestellten Kalender eindeutig Bedfords ursprünglichem Besitz zugewiesen werden. Portraits und heraldische Zeichen Annes weisen auf die Eheschließung 1423 als Terminus post quem für die Anfertigung.31 Das Buch fasst in seinem jetzigen Zustand 711 Folia und beinhaltet einen Kalender, Temporale und Sanctorale sowie ein unvollständiges Commune sanctorum, der Kalender war ursprünglich zwischen Temporale und Sanctorale eingebunden.32 Die Ausstattung umfasst selbst im unvollendeten Zustand 46 große, zweispaltige Miniaturen, hunderte einspaltige Miniaturen und große Initialen, unzählige kleine Initialen mit Halbfiguren und über 4 300 Miniaturen in den Bordüren. Geplant war offenbar ursprünglich, jede Seite mit vier, im inhaltlichen Zusammenhang zum jeweiligen Text stehenden Randminiaturen zu versehen, es existieren Vorbereitungen für über 1 500 weitere Randminiaturen.33 Während die Schreiber ihr Werk fertigstellen konnten, mussten die Illuminatoren ihre Arbeit an der Handschrift scheinbar abrupt abbrechen, vermutlich bedingt durch den Tod des Auftraggebers und die damit einhergehende Unklarheit hinsichtlich der Bezahlung.34 Die Annahme, dass die Handschrift für den Herzog von Bedford begonnen wurde, beruht auf einer Vielzahl von Wappen und Devisen, die von der Forschung zum integralen Bestandteil der Illumination gezählt werden, sowie einer Reihe von mehr oder minder eindeutig zu identifizierenden Portraits des Regenten.35 Auf Folio 283v sind Bedford und Anne im Gebet dargestellt (Farbabb. 4). 30 Leroquais,

Bréviaires manuscrits, MS lat. 17294; Spencer, Salisbury Breviary. Zu nennen sind auch die Einzelaspekte betreffenden Aufsätze Pearce, Liturgy and Image; Dockray-Miller, St Edith Cycle. Siehe außerdem Reynolds, Breviary of John, Duke of Bedford; dies., Bedford Master; Avril, Bréviaire de Bedford; Sterling, Peinture médiévale, S. 435–449; Stratford, Manuscripts, S. 345 f. 31 Paris, BNF, MS lat. 17294, fol. 2v. Zur Datierung im Detail siehe Spencer, Salisbury Breviary, S. 607 f.; Reynolds, Definitions and Identities, S. 443; dies., Salisbury Breviary, S. 14, 44; Leroquais, Bréviaires manuscrits, MS lat. 17294, S. 271  f., 275 f. 32 Dies ist an der Reklamante auf fol. 374v ersichtlich. Spencer, Salisbury Breviary, S. 607 und Reynolds, Salisbury Breviary, S. 24 vermuten aufgrund von Hinweisen in der Bindung und den Reklamanten, dass auch ein Psalter geplant und begonnen worden war. 33 Zur ausgeführten Dekoration und dem ursprünglich intendierten Umfang siehe ebd., S. 30– 42; Avril, Bréviaire de Bedford; Leroquais, Bréviaires manuscrits, MS lat. 17294, S. 276–347. 34 Zur Zuschreibung des Textes an zwei Schreiber siehe Spencer, Salisbury Breviary, S. 607. 35 Zu Bedfords Präsenz in der Handschrift siehe ebd., S. 607  f.; Reynolds, Salisbury Breviary, S. 43 f., 64–123; Stratford, Manuscripts, S. 346. Auf folgenden Folia sind Wappen und/oder Devisen Bedfords abgebildet: 8r, 106r, 212v, 228v, 242r+v, 243r, 255r+v, 261r+v, 283r+v, 375r, 387v, 404r+v, 518r. Auf vier Folia hält der auf der goldenen Wurzel sitzende Adler Bedfords eine Schriftrolle mit Motto im Schnabel: fol. 242 („a souy“), 255 („a souhait“), 261 („a ssouuy“) und 518 („a ssouuy“), jeweils beidseitig. Keines dieser Motti ist ansonsten für Bedford nachweisbar, und bisher konnte nicht geklärt werden, von wem sie verwendet wurden. Auch Anne de Bourgogne und Jacquetta de Luxembourg können nicht mit den Motti in Verbindung gebracht werden, erstere verwendete „j’en suis contente“, letztere „sur tous autres“, vgl. Diaz Pascual, Jacquetta of Luxembourg, S. 87; Stratford, Bedford Inventories, S. 97–100. Ein ­Zusammenhang mit dem Motto der Lancaster „Sovereyne“ ist ebenfalls unwahrscheinlich.

Kat. 4: Das Salisbury Breviary  251

Abb. 6: Paris, BNF, MS lat. 17294, fol. 518r, Detail

Der Herzog wurde in die große Miniatur des letzten Abendmahls integriert, ­wohingegen seine Gemahlin in der Bordürenminiatur neben ihm gezeigt wird. Die Wandbehänge hinter ihnen sind mit Bedfords Wurzeldevise verziert, Wurzeln fassen auch die zwei unteren Bordürenmedaillons. Denkbar ist außerdem, dass es sich bei der Halbfigur eines kostbar gewandeten Betenden in der Initiale auf Folio 243r um Bedford handelt. Auf der gleichen Seite ist eine große Miniatur der Apokalypse dargestellt, in der Johannes, der Autor der Apokalypse und Namens­ patron des Herzogs, eine prominente Stellung einnimmt, daneben tritt die ­Wurzeldevise in der Bordüre auf.36 Ein zweites klar zu identifizierendes Portrait der ersten Herzogin, Anne de Bourgogne, findet sich auf Folio 518r in der Initiale A, die den Text zur heiligen Anna einleitet (Abb. 6). Der Wandbehang hinter der dargestellten Dame ist mit zahlreichen N-Initialen geschmückt, die in Verbindung mit der Initiale A ein Buchstabenspiel auf den Vornamen der Herzogin ergeben. Auf der beigegebenen Schriftrolle ist der Textbeginn eines Gebets an die heilige Anna zu lesen, die Seite ist mit Bedfords Devisen – dem Adler mit einer Krone um den Hals und der goldenen Wurzel – und seinem Wappen geziert.37 Annes Wappen tritt an keiner Stelle im Buch auf, allerdings spielt die heilige Anna eine relativ große Rolle in der I­ konografie der Handschrift.38 Darauf, dass die Illumination auch Durrieu, Souvenirs historiques, S. 17 und ihm folgend Hablot, La devise, Bd. 1, S. 332 führen „a souhait“ als nach seiner Eheschließung mit Jacquetta geführtes Motto Bedfords an. 36 Diese Identifizierung wurde von Leroquais, Bréviaires manuscrits, MS lat. 17294, S. 303 und Spencer, Salisbury Breviary, S. 608 vorgeschlagen. Fraglich hingegen ist die ebd. vorgeschlagene Identifizierung des vor einem Altar knienden, in Rückenansicht wiedergegeben Mannes mit Tonsur in den großen Miniaturen des Festes des hl. Andreas auf fol. 375r und des Festes der hll. Reliquien auf fol. 497r. Hiergegen spricht nicht zuletzt die Tonsur, die sonst nicht für den Herzog nachgewiesen werden kann. 37 Das Gebet beginnt mit dem Text „Ave mater Anna plena melle canna“. Das Buchstabenspiel wurde zuerst von Spencer, Salisbury Breviary, S. 608 bemerkt. Zu Hinweisen auf Anne siehe ebd.; Stratford, Manuscripts, S. 346. 38 Siehe etwa die Miniaturen zu Anna und Joachim auf fol. 386v und 566v, wobei letztere vermutlich nach Bedfords Tod datiert, vgl. Reynolds, Definitions and Identities, S. 445 und Anm. 17.

252  Katalog der Handschriften

Abb. 7: Paris, BNF, MS lat. 17294, fol. 106r, Detail

während des kurzen Zeitraums zwischen der Heirat Bedfords mit Jacquetta de Luxembourg und seinem Tod fortgeführt wurde, weist die Kombination ihres Wappens mit dem Wappen und den Bilddevisen Bedfords auf Folio 106r (Abb. 7). Es ist gut möglich, dass bei zahlreichen weiteren Portraits und Halb­ figuren in Initialen und Miniaturen Darstellungen des Herzogs und einer seiner Herzoginnen angedacht waren, im Einzelnen nachzuweisen ist dies aber nicht.39 Aufschlussreich sind darüber hinaus die Miniaturen des Pfingstfestes auf Folia 270v (Abb. 8) und des Fests des heiligen Nikolaus auf 381r. Auf ersterer ist in der oberen Hälfte die Trinität und darunter, beschienen von den Strahlen des heiligen Geistes, ein Meer mit drei Schiffen, von denen das mittlere von drei Fahnen mit Georgskreuzen geziert wird, zu sehen. Das Fest des heiligen Nikolaus wird von einer Miniatur des heiligen Bischofs, der einen Säugling tauft, eingeleitet. Die Kapelle, in der die Szene stattfindet, ist mit einem blauen Wandbehang mit Fleursde-Lis geschmückt. Spencer folgend ist diese Miniatur möglicherweise als Hinweis auf Heinrich VI., der am 6. Dezember 1421, dem Tag des heiligen Nikolaus, geboren wurde und dessen Geburt im Kalender des Salisbury Breviary verzeichnet ist, zu deuten.40 Im Gegensatz zu den Bedford Hours, die wie oben ausgeführt vermutlich gemeinsamer Besitz Bedfords und Annes waren, gehörte das Salisbury Breviary dem Regenten persönlich. Darauf lässt zum einen das Übergewicht auf ihn weisender persönlicher und heraldischer Referenzen schließen, zum anderen Vermerke im Kalender: In diesem sind sein eigener Geburtstag am 21. Juni, die Geburts- und Todestage seiner Geschwister, einiger Vorfahren und Angehöriger der LancasterDynastie sowie, wie erwähnt, die Geburt seines Neffen Heinrichs VI. am 6. Dezember eingetragen. Der einzige ‚nicht-englische‘ Eintrag ist der Todestag Karls VI. 39 Vgl.

Stratford, Manuscripts, S. 346. Zu Jacquettas Wappen zur Zeit ihrer Ehe mit Bedford siehe dies., Bedford Inventories, S. 103. 40 Spencer, Salisbury Breviary, S. 608.

Kat. 4: Das Salisbury Breviary  253

Abb. 8: Paris, BNF, MS lat. 17294, fol. 270v

am 21. Oktober, die Herzoginnen oder deren Familienmitglieder sind indes nicht verzeichnet.41 Während die ältere Forschung noch davon ausging, dass die illustrative Ausgestaltung der Handschrift vollständig zu Lebzeiten des Regenten zu datieren sei, konnte Catherine Reynolds in ihrer stilkritischen Analyse der Illumination und durch den Vergleich dieser zu datierten Handschriften überzeugend herausstellen, dass nur ein Teil der Ausstattung vor 1435 verortet werden kann.42 Diese erste Aus41 Siehe

hierzu Stratford, Manuscripts, S. 345 f.; Leroquais, Bréviaires manuscrits, MS lat. 17294, S. 271 f. 42 Vgl. Reynolds, Salisbury Breviary. Reynolds stellt die Bedeutung des Bordürenstils zur Einordnung der Handschrift heraus, ebd., S. 16 und passim. Avril, Bréviaire de Bedford, S. 24 hingegen geht Spencer, Salisbury Breviary, S. 607 und passim folgend davon aus, dass die Arbeit 1435 vollständig abgebrochen wurde. Sterling, Peinture médiévale, S. 436 vermutet, dass die Arbeit bereits kurz nach der Hochzeit Bedfords und Jacquettas niedergelegt wurde,

254  Katalog der Handschriften stattungskampagne, welche die oben angesprochenen möglichen Portraits sowie die Seiten mit den Wappen und Devisen Bedfords, die Trinitätsminiatur und die Miniatur des heiligen Nikolaus umfasste, wurde vermutlich 1435 mit dem Tod des Herzogs abgebrochen. Wie abrupt die Arbeit niedergelegt wurde, zeigt sich besonders deutlich an einer Reihe halbfertiggestellter Wappen und Devisen des Regenten.43 Gegen 1440 nahmen die Illuminatoren Reynolds zufolge die Arbeit wieder auf und führten sie in mehreren Schritten fort, um sie um 1460 erneut niederzulegen. Eine dritte und letzte Ausstattungskampagne datiert Reynolds in die Mitte der 1460er Jahre.44 Anhand von Kontinuitäten und Überschneidungen der beteiligten Miniaturen- und Bordürenmaler zeigt sie auf, dass auch die zweite und dritte Ausstattungskampagne den Pariser Bedford-Illuminatoren zugeschrieben werden kann und kann damit das Bestehen dieser Künstlerkollaboration über mehrere Dekaden – auch nach dem Rückzug der Engländer – aufzeigen.45 Nicht geklärt werden kann hingegen die Frage, in wessen Auftrag der Künstlerverbund die Arbeit an der Handschrift wieder aufnahm, da Hinweise auf spätere Besitzer, wie Wappen oder Devisen, fehlen. Es wird davon ausgegangen, dass die Illuminatoren sich in der Anfertigung der sowohl zu Bedfords Lebzeiten als auch nach seinem Tod entstandenen Miniaturen an einem unter seiner Ägide – vielleicht durch ein Mitglied seiner Kapelle – erdachten Bildprogramm orientierten.46 Spencer stellt fest, dass den französischen Buchmalern, insbesondere bei Miniaturen zu mit englischen Heiligen befassten Texten, einige Fehler unterliefen, die möglicherweise darauf zurückzuführen sind, dass sie mit diesen nicht vertraut waren.47 Eindeutige Hinweise darauf, dass Bedford selbst auf die Konzeptualisierung des umfassenden und aufwendigen ikonografischen Programms Einfluss nahm, liegen nicht vor, nicht zuletzt angesichts des hohen Kostenaufwandes ist eine gewisse Teilnahme jedoch anzunehmen. weil das Buch kein eindeutig mit Jacquetta in Verbindung zu bringendes Portrait enthält. Folgende ­Lagen bzw. Folia werden von Reynolds in die erste Kampagne datiert: Fol. 8–111 (L. 2–14), Bifol. 209/212 (L. 27), Bifol. 225/228 (L. 29), Fol. 239–246 (L. 31), Fol. 255–278 (L. 33–35), Bifol. 282/283 (L. 36), Bifol. 375/382 und 376/381 (L. 48), Bifol. 386/387 (L. 49), Bifol. 401/404 (L. 51), Bifol. 518/521 (L. 66). Diese Seiten umfassen die ersten dreizehn Lagen des Temporale sowie eine Reihe weiterer in diesem verteilten Bifolia, außerdem fünf Bifolia im Sanctorale. 43 Siehe etwa Paris, BNF, MS lat. 17294, fol. 375r, 404r und v. 44 Im Einzelnen hierzu siehe Reynolds, Definitions and Identities, S. 445  f. und ausführlich dies, Salisbury Breviary. 45 Ebd.; dies., Definitions and Identities, S. 446. Zur stilistischen Zuschreibung an die BedfordIlluminatoren, zur Händescheidung und zu Vergleichswerken siehe auch Sterling, Peinture médiévale, S. 436–440, 444–449; Avril, Bréviaire de Bedford, S. 24 und Spencer, Salisbury Bre­ viary, S. 608–612. 46 Siehe hierzu ebd., S. 608; Pearce, Liturgy and Image, S. 33; Reynolds, Salisbury Breviary, S. 352–368. 47 In welcher Form die Anweisungen erfolgten, ist unklar, ebd., S. 357–365 geht von einem zusätzlichen Schriftstück, auf dem die jeweiligen Themen mit kurzen Beschreibungen aufgelistet waren, aus. Spencer, Salisbury Breviary, S. 608, 611 verweist auf Randnotizen innerhalb des Buches auf fol. 343r–350v, die jedoch anhand der Reproduktion nicht nachvollzogen werden konnten.

Kat. 4: Das Salisbury Breviary  255

Denkbar ist eine Involvierung am ehesten in Bezug auf die Einbeziehung spezifischer Heiliger oder die direkt mit persönlichen und heraldischen Elementen des Regenten in Verbindung stehenden Miniaturen, wie die der Apokalypse, der heiligen Anna und der Trinität.48 Abschließend soll auf die Frage des ursprünglich intendierten Zwecks der Handschrift eingegangen werden. Dass der Wunsch nach Zurschaustellung von Pracht und Reichtum einen maßgeblichen Beweggrund für den aufwendigen Auftrag durch den Regenten bildete, steht außer Frage. Strittiger hingegen ist, ob und wie das Buch liturgisch genutzt werden sollte. Mary Dockray-Miller vertritt die Ansicht, dass die Handschrift zu groß und unhandlich sei, um tatsächlich praktisch in der Messe genutzt zu werden, und geht davon aus, dass sie lediglich der Verherrlichung ihres Auftraggebers dienen sollte.49 Das Format der Handschrift von circa 25,5 x 17,5 Zentimetern ist jedoch weder im Vergleich zu weiteren in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandenen Pariser Breviarien noch zu Breviarien für den englischen Gebrauch besonders bemerkenswert. Was den außergewöhnlich großen Umfang von über 700 Folia angeht, ist der Annahme Spencers zu folgen, dass das Salisbury Breviary ursprünglich in zwei Einheiten gebunden werden sollte – auch dies ist anderweitig nachweisbar.50 Seine praktische Handhabung während der Messe würde damit deutlich erleichtert. Denkbar ist, dass Bedford die prachtvoll ausgestattete Handschrift zu besonderen Gelegenheiten zu verwenden gedachte und für den alltäglichen Gebrauch weniger aufwendige Exemplare nutzte, etwa das noch in England angefertigte Foyle Breviary (Kat. 1). Dockray-Miller nimmt weiterhin an, dass die Entscheidung des Regenten zugunsten des englischen Brauchs anstelle der Pariser Liturgie ein Hinweis darauf sei, dass Bedford von den Kirchen in Lancastrian France verlangte, die englische Liturgie anzuwenden. Es handle sich bei dem Auftrag demnach um einen Ausdruck des politischen Programms Bedfords, den eroberten Gebieten neben der englischen Herrschaft auch die englische Liturgie und Kultur überzustülpen.51 Dies steht jedoch im Widerspruch zu seinem ansonsten feststellbaren politischen Vorgehen, das sich vor allem durch die Adaption und Nutzbarmachung vorgegebener politischer und administrativer Strukturen auszeichnete.52 Auch im Übri48 Dockray-Miller,

St Edith Cycle, S. 49–53 beschäftigt sich am Beispiel der Miniaturen zur hl. Edith im Sanctorale mit den Illustrationen der Texte zu englischen Heiligen und versucht, aus der Ikonografie der Miniaturen ein politisches Programm Bedfords abzuleiten. Die Minia­ turen werden allerdings von Reynolds, Salisbury Breviary, S. 272–296 überzeugend in die 1460er Jahre datiert, und es ist wenig wahrscheinlich, dass die Buchmaler sich zu diesem Zeitpunkt noch darum bemühten, die Handschrift als Instrument politischer Selbstdarstellung des vor 30 Jahren verstorbenen Herzogs zu gestalten. Wenn überhaupt, lässt der relativ große Umfang von Miniaturen zur hl. Edith auf eine Vorliebe des Herzogs für die Heilige schließen. 49 Dockray-Miller, St Edith Cycle, S. 48  f. 50 Zu weiteren Hinweise hierauf siehe Spencer, Salisbury Breviary, S. 607. Weitere Beispiele zweibändiger Breviarien nach dem Brauch von Sarum sind Harley MS 1797 und Harley MS 1798 in der British Library. 51 Vgl. Dockray-Miller, St Edith Cycle, S. 49. 52 Insb. zu Bedfords Kooperation mit der lokalen Kirche siehe Allmand, The English and the Church.

256  Katalog der Handschriften gen weist nichts darauf hin, dass der Herzog sich darum bemühte, der französischen und normannischen Bevölkerung englische liturgische Bräuche aufzuzwingen. Im September 1425 und erneut im Oktober 1427 gewährte Papst Martin V. Bedford auf dessen Ersuchen zwar das Privileg, in seiner privaten Andacht wie auch beim Feiern von Messen in seiner Kapelle die Sarum Liturgie anwenden zu dürfen.53 Hieraus lassen sich jedoch keine über das höfische Umfeld des Regenten hinausgehenden Verfügungen ableiten.

Kat. 5: Das verlorene Benediktionale Neben den Bedford Hours (Kat. 3) und dem Salisbury Breviary (Kat. 4) gab der Herzog ein drittes aufwendig ausgestattetes Buch bei den Bedford-Illuminatoren in Auftrag, und zwar ein Benediktionale in der in England gebräuchlichen Version Johannes Peckhams aus dem 13. Jahrhundert. Im Jahr 1871 wurde das Buch bei einem Brand in der Bibliothek des Hôtel de Ville in Paris zerstört; anhand von Reproduktionen und Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert konnte es jedoch in Teilen rekonstruiert werden. Auch hier ist die umfassendste Aufarbeitung des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials von Jenny Stratford und Catherine Reynolds geleistet worden; auf ihren 1989 publizierten Artikel stützt sich der Großteil der folgenden Ausführungen.54 Das sowohl in den Beschreibungen des 19. Jahrhunderts als auch in der jüngeren Literatur zumeist als Pontifical de Poitiers bezeichnete Messbuch ging im Mai 1861 von der Sammlung Soltykoff in den Besitz der Bibliothek des Hôtel de Ville über.55 Nur kurz zuvor war die bis dato dem Auftrag Jacques Jouvenel des Ursins zugerechnete Handschrift vom Direktor der Royal Library Windsor, Richard Holmes, anhand von Wappen und Devisen als ursprünglicher Auftrag des Herzogs von Bedford erkannt worden. In einem enthusiastischen Brief vom 18. April 1861 an Sir Frederic Madden, den Handschriftenkonservator des British Museum, berichtet er – zunächst unter dem Siegel der Verschwiegenheit – von seiner Entdeckung und dem Vorhaben, das Buch für die englische Sammlung zu kaufen: „considering the immense importance it would be to our collection to have another so grand and magnificent a book belonging to so famous a man“.56 Holmes’ Unmut 53 Vgl. Calendar

of Papal Registers, Bd. 7, 1417–1431, S. 384 f. zu 1425, S. 527 zu 1427. Siehe hierzu auch Stratford, Bedford Inventories, S. 66 f. 54 Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers. Siehe außerdem Stratford, Bedford Inventories, S. 94, 120, 122; dies., Manuscripts, S. 344 f.; Reynolds, Salisbury Breviary, S. 155–170; Sterling, Peinture médiévale, S. 451–454. Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 2.3.1, 3.1.1, 3.1.3. 55 Zur Provenienz siehe ebd., S. 451  f.; Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 61–63, 78. Stratford und Reynolds stellen heraus, dass es sich bei dem für Bedford angefertigten Teil der Handschrift nicht um ein Pontifikale, sondern ein Benediktionale handelte, also um ein für die bischöfliche und nicht die päpstliche Messfeier bestimmtes Buch, ebd., S. 64. 56 London, BL, Egerton MS 2847, fol. 180r–183v, hier 182v. Der Brief wurde von Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 72 ediert.

Kat. 5: Das verlorene Benediktionale  257

darüber, dass die Franzosen in der knapp zwei Wochen später stattfindenden Soltykoff-Auktion das Rennen um die Handschrift machten und dass diese in ihrem Besitz zehn Jahre später auch noch verbrannte, ist leicht vorstellbar. Vor ihrer Zerstörung im Jahr 1871 wurde die Handschrift jedoch mehrfach ­relativ detailliert beschrieben: Neben dem genannten Brief ist ein auf Mai 1861 datierter Bericht seines direkten Konkurrenten auf französischer Seite, Ambroise Firmin Didot, zu nennen, den Holmes wiederum im September des gleichen ­Jahres in einer anonymen Rezension in der Literary Gazette zu ergänzen und vor ­allem hinsichtlich des ursprünglichen Auftraggebers zu korrigieren für nötig erachtete.57 Aufschlussreich ist darüber hinaus die ausführliche Beschreibung von Auguste Vallet de Viriville aus dem Jahr 1866.58 Holmes’ Brief an Madden enthält neben der Beschreibung eine Skizze von Bedfords Devisen in der Bordürendekoration und stellt damit eine wichtige Bildquelle zur Rekonstruktion der Handschrift dar (Folio 181v) (Abb. 9). Des Weiteren sei hier auf eine im Musée de Cluny befindliche, auf 1837 datierte Reproduktion von Folio 83v in Gouache verwiesen (Farbabb. 5).59 Ferner seien die Reproduktion mehrerer Initialen und Seitenausschnitte durch Alexandre und Edmond du Sommerard in ihrem im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts erschienenen Werk zur mittelalterlichen Kunst in Paris genannt. Außerdem bietet die drei Reproduktionen beinhaltende Edition spätmittelalterlicher Dokumente zu Paris von Adrien Le Roux de Lincy und Lazare Tisserand aus dem Jahr 1866 Hinweise.60 Den Beschreibungen des 19. Jahrhunderts zufolge umfasste die Handschrift 227 Folia, maß etwa 50 x 34 Zentimeter und war mit zwei ganzseitigen Miniaturen auf Folio 135v und 136r sowie 138 historisierten Initialen illustriert.61 Offenbar wurde das Werk nach der Eheschließung Bedfords und Annes begonnen, wie 57 Holmes, Soltikoff

Pontifical, S. 291; Didot, Missel de Jacques Juvénal. Ausführlich zur Auktion siehe Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 61, 73, Anm. 7, 8. 58 Vgl. Vallet de Viriville, Pontifical. 59 Paris, Musée de Cluny, CL. 22847 (Gouache auf Pergament). Diese Reproduktion wird gemeinhin als die dem Original am nächsten kommende angesehen, siehe etwa Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 61 f.; Sterling, Peinture médiévale, S. 452. 60 Siehe du Sommerard, Arts au moyen âge, Atlas, Kap. VIII, Farbtafel II (fol. 135v), Farbtafel III (von links nach rechts: fol. 96v, 55r, 90r); Album, série 7, Farbtafel XI, Mitte (fol. 83v); Album, série 8, Farbtafel XXII (fol. 136r), XXIV.2 (fol. 65v), XXIV.3 (fol. 54r). Zu den erläuternden Texten siehe du Sommerard, Arts au moyen âge, Bd. 5, S. 142–176, bes. S. 144 f., 158 f., 164. Die Edition Le Roux de Lincys und Tisserands umfasst die Initialen auf fol. 24v, 55r und 83v, ­allerdings mit abweichenden Folioangaben: Offenbar wurde die Handschrift zweimal foliert, zunächst zu Beginn des 19. Jh.s und ein weiteres Mal nach ihrem Erwerb durch das Hôtel de Ville. Sowohl in Beschreibungen des 19. Jh.s als auch in der jüngeren Literatur ist die ältere Foliierung gängig, lediglich Le Roux de Lincy und Tisserand sowie in Anlehnung an diese Sterling weichen hiervon ab und folgen der zweiten Foliierung, Le Roux de Lincy und Tisserand (Hrsg.), Paris et ses historiens, Farbtafeln gegenüber von S. 586 (entspr. 24v), 197 (entspr. 55r), 537 (entspr. 83v); Sterling, Peinture médiévale, passim. Siehe hierzu Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 78. 61 Vgl. London, BL, Egerton MS 2847, fol. 181r; Didot, Missel de Jacques Juvénal, S. 10–13; Vallet de Viriville, Pontifical, S. 471. Siehe hierzu auch Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 78 f. und passim.

258  Katalog der Handschriften

Abb. 9: London, BL, Egerton MS 2847, fol. 181v

aus der Verzierung mit den Motti, Initialen und Devisen beider Ehepartner geschlossen werden kann, allerdings nicht zu ihren Lebzeiten fertiggestellt. Von den in der Handschrift enthaltenen Texten kann wegen des englischen Brauchs das Benediktionale mit Bedford in Verbindung gebracht werden (Folia 22–116). Dieses enthielt laut Vallet de Viriville auch den Großteil der heraldischen Zeichen Bedfords und Annes.62 Alle weiteren in der Handschrift in ihrer im 19. Jahrhun62 Das

Benediktionale war allem Anschein nach reicher illuminiert als der Rest der Handschrift, abgesehen von den beiden ganzseitigen Miniaturen werden alle Illustrationen von den Autoren des 19. Jh.s für diesen Teil angegeben, Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 292; Vallet de Viriville, Pontifical, S. 473. Vallet de Viriville listet die auftretenden Devisen und Motti im Einzelnen auf, siehe ebd., S. 472–476, 479.

Kat. 5: Das verlorene Benediktionale  259

dert vorliegenden Form enthaltenen Texte wurden entweder nach Bedfords Lebzeiten angefügt oder es liegen keine ausreichenden Informationen vor, um sie zu verorten.63 Von besonderem Interesse ist die Initiale D auf Folio 83v, die gleichzeitig die am häufigsten reproduzierte und beschriebene Miniatur der Handschrift darstellt. Gezeigt wird das Fest der Passionsreliquien in der Sainte-Chapelle: Die grande châsse, welche die Reliquien enthält, ist geöffnet, bei dem vor ihr knienden Mann, der die Hände zu Gebet erhoben hat, handelt es sich anscheinend um den Regenten, wie seine in allen erhaltenen Reproduktionen in der oberen und unteren linken Ecke abgebildete Wurzeldevise vermuten lässt (Farbabb. 5).64 Während Holmes, Vallet de Viriville und Sterling aufgrund der prominenten Rolle der Palastkapelle der Ansicht waren, dass Bedford die Handschrift für den Gebrauch in der Sainte-Chapelle vorgesehen hatte, vermuten Stratford und Reynolds eine geplante Nutzung in der Kapelle des herzoglichen Hofes.65 Für diese weist Stratford anhand ihrer Auswertung der nach Bedfords Tod erstellten Inventare auch ansonsten eine aufwendige Ausstattung mit liturgischen Gewändern, Geschirr und Handschriften nach.66 Des Weiteren wurde ihm im September 1425 von Papst Martin V. im Zuge der Erlaubnis, in seiner Kapelle die englische Liturgie anwenden zu dürfen, das Privileg eingeräumt, selbst einen Bischof für die Feier der Messe in seiner Kapelle auszuwählen. Es ist somit gut möglich, dass der Auftrag zum Benediktionale hiermit im Zusammenhang stand.67 Neben der Darstellung der Sainte-Chapelle ist die Initiale Eduards des Bekenners auf Folio 93v, zu der zwar keine Bildquellen vorliegen, die aber mehrfach beschrieben wurde, von Interesse.68 Der heilige englische König wurde hier allem 63 Nach

Bedfords Tod blieb die Handschrift offenbar in Paris und ging entweder im Zuge der Konfiszierungen seiner Güter nach der Vertreibung der Engländer 1436 oder über Umwege in den 1440er Jahren in den Besitz Jacques Jouvenels des Ursins über, der von 1449 bis zu seinem Tod im Jahr 1457 das Amt des Bischofs von Poitiers innehatte. In dieser Zeit wurde sie unter anderem um die beiden ganzseitigen Miniaturen erweitert, und die Wappen wurden ersetzt. Erneut umgestaltet wurde die Handschrift im späteren 15. Jh. im Besitz des Bischofs von Evreux, Raoul du Fou, der wiederum Jacques Jouvenels Wappen übermalen ließ. Siehe zu den Erweiterungskampagnen Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 61–64, 66– 71. Zu den enthaltenen Texten im Einzelnen siehe ebd., S. 78 f.; Vallet de Viriville, Pontifical, S. 472–474. 64 Siehe Paris, Musée de Cluny, CL. 22847; außerdem du Sommerard, Arts au moyen âge, Album, série 7, Farbtafel XI, Mitte; Le Roux de Lincy und Tisserand (Hrsg.), Paris et ses historiens, Farbtafel gegenüber S. 537. Zur Identifizierung des Betenden siehe Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 65  f., 68 f.; Sterling, Peinture médiévale, S. 452; Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 291 f.; Vallet de Viriville, Pontifical, S. 477 f. 65 Ebd., S. 478  f.; Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 292; Sterling, Peinture médiévale, S. 452; Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 65  f. 66 Stratford, Bedford Inventories, S. 65–67, 93–95, 122 und passim. Bedfords Kapelle existierte als informeller Teil seines Haushaltes vermutlich bereits seit Beginn des 15. Jh.s, 1409 wurde sie formell eingerichtet. 67 Calendar of Papal Registers, Bd. 7, 1417–1431, S. 388 zu 1425. Bestätigt im Oktober 1427, ebd., S. 528. Siehe hierzu auch Stratford, Bedford Inventories, S. 67. 68 Siehe die Beschreibungen London, BL, Egerton MS 2847, fol. 182r; Didot, Missel de Jacques Juvénal, S. 11 f., 48; Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 291 f.; Vallet de Viriville, Pontifical,

260  Katalog der Handschriften Anschein nach mit den von den Engländern zur Zeit Bedfords beherrschten, in Form einer Landkarte dargestellten Gebieten – England und Nordfrankreich – in Zusammenhang gebracht. Ferner verwiesen nicht nur Holmes und Vallet de Viriville, sondern auch bereits Didot, der noch von Jacques Jouvenel des Ursins als ursprünglichem Auftraggeber ausgegangen war, auf die zahlreichen spezifisch englischen Heiligen, die in der Illumination der Handschrift eine Rolle spielten, etwa Edmund, Dunstan und Thomas von Canterbury. Holmes betonte darüber hinaus die prominente Position der englischen Heiligen in der Handschrift.69 Von Vallet de Viriville wissen wir, dass die heraldischen Attribute Bedfords und seiner ersten Ehefrau „en très-grand nombre“ in der Handschrift auftraten, er führte die Wurzel, den Adler, die Antilope – das Lancaster-Wappentier – und Bedfords heraldische Farben blau, weiß und rot, außerdem die „double palme, avec fruits“ Annes de Bourgogne und die seit 1423 geführten Motti des Herzogs und der Herzogin „A vous entier“ und „J’en suis contente“ an.70 Insoweit ähnelte die heraldische Dekoration des Benediktionale offenbar der Ausstattung der Bedford Hours. Darüber hinaus nannte er die durch einen Liebesknoten verbundenen Initialen des Paares, Y und A. Didot beschrieb die Initialen ebenfalls, ohne sie zuordnen zu können, ihm zufolge traten sie „suspendues par une chaîne au bec de l’aigle brun“ unter anderem auf Folio 93 auf, also in direktem Zusammenhang mit der Initiale Eduards des Bekenners.71 In mehreren anderen Fällen trug der Adler nach Didot das Wappen des späteren Besitzers der Handschrift, Jacques Jouvenel, mit welchem Bedfords Wappen offenbar übermalt worden war – sehr ähnliche Darstellungen finden sich im Salisbury Breviary, etwa auf Folio 106r (Abb. 7).72 Weitere Parallelen zum Salisbury Breviary finden sich in der von Didot beschriebenen Darstellung des Adlers mit einer Krone um den Körper beziehungsweise des Adlers mit einer Schriftrolle mit Motto im Schnabel.73 Eine sonst nicht nachweisbare Kombination der heraldischen und persönlichen Zeichen Bedfords und Annes, bestehend aus der goldenen Wurzel, den miteinander verbundenen Initialen des Paares und der Schriftrolle mit Bedfords Motto, ist durch die angesprochene Zeichnung in Holmes’ Brief an Frederic Madden überliefert (Abb. 9). Schwieriger noch als die Ikonografie ist der stilistische Befund der verbrannten Handschrift zu beurteilen. Catherine Reynolds hat den vorsichtigen Versuch unternommen, anhand der zur Verfügung stehenden Schrift- und Bildquellen die überlieferten Initialen im Einzelnen stilistisch zuzuordnen und zu diesem Zweck S. 480. Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 68 datieren die Darstellung unter Vorbehalt um 1430. 69 Holmes, Soltikoff Pontifical, S. 292; Didot, Missel de Jacques Juvénal, S. 4; Vallet de Viriville, Pontifical, S. 480. 70 Vgl. ebd., S. 475  f. Zur Heraldik des Benediktionale siehe auch London, BL, Egerton MS 2847, fol. 181r; Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 78. 71 Didot, Missel de Jacques Juvénal, S. 10. 72 Ebd., S. 9. Zu Jacques Jouvenel und den Umgestaltungskampagnen unter ihm und seinem Nachfolger Raoul du Fou siehe oben, Anm. 63. 73 Didot, Missel de Jacques Juvénal, S. 10. Siehe z. B. fol. 242r, 255r, 261v im Salisbury Breviary.

Kat. 6: Die Foyle Hours  261

Vergleiche zu den erhaltenen, aller Wahrscheinlichkeit nach von der BedfordWerkstatt angefertigten Arbeiten sowie weiteren zeitlich und regional nahestehenden Illuminationen angestellt.74 Reynolds folgend ist zu vermuten, dass der Großteil der Handschrift von den Pariser Bedford-Illuminatoren ausgestattet wurde, wobei der Künstlerverbund wie im Falle des Salisbury Breviary in mehreren Kampagnen, über einen Zeitraum von mehreren Dekaden mit der Ausführung der Illustrationen beschäftigt gewesen zu sein scheint.75 Offenbar wurde die malerische Ausstattung des Benediktionale zwar unter Bedford geplant und begonnen, aber nicht vollendet und stattdessen im Auftrag späterer Besitzer fortgeführt. Die Ausführung der für die vorliegende Untersuchung besonders relevanten Initiale der Sainte-Chapelle auf Folio 83v wie auch die Darstellung Eduards des Bekenners auf Folio 93v wird von Reynolds unter Vorbehalt zu Lebzeiten John of Bedfords datiert.76

Kat. 6: Die Foyle Hours Vermutlich kurz vor dem Rückzug der Engländer nach Rouen ging ein kleines in Paris angefertigtes Stundenbuch für den Brauch von Sarum in den Besitz des Herzogs von Bedford über. Es handelt sich hierbei um die sogenannten Foyle Hours, die zusammen mit dem Foyle Breviary (Kat. 1) im Jahr 2000 von der Bri­ tish Library aufgekauft wurden.77 Wie im Falle des Breviariums beschränkt sich die wissenschaftliche Bearbeitung der Handschrift weitgehend auf die 2007 publizierte Studie Jenny Stratfords und Catherine Reynolds’. Genannt sei überdies eine kurze Beschreibung der Handschrift durch Eustace Bosanquet, in dessen Besitz sie sich von 1914 bis 1940 befand, aus dem Jahr 1933.78 Der Erhaltungszustand des Stundenbuchs ist sehr schlecht, was seine Aussagekraft erheblich einschränkt. Es wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1914 umgebunden, der vermutlich zum ursprünglichen Bestand gehörende Kalender ist verloren und zahlreiche Folia, insbesondere die illuminierten Seiten, wurden ganz oder in Teilen herausgeschnitten. Des Weiteren weist die Handschrift Wasserschäden und mutwillige Beschädigungen der heraldischen Aus74 Vgl.

Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 68–71, 79. Siehe hierzu auch StratBedford Inventories, S. 67, 94. 75 Bei den für Jacques Jouvenel des Ursins und Raoul du Fou angefertigten Teilen vermutet Reynolds die Kooperation mit weiteren Künstlern, Stratford und Reynolds, Pontifical de Poitiers, S. 69 f. 76 Ebd., S. 68. Sterling, Peinture médiévale, S. 452–454 hingegen vermutet den Maître de Saint Jérôme als Maler der Sainte-Chapelle-Initiale. 77 London, BL, Add. MS 74754 (Pergament, 396 fol., ca. 136 x 90 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.2. 78 Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours; Bosanquet, Prayer-Book. Zur Provenienz siehe Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, S. 345, 357 f. Die Handschriftennummer wurde hier irrtümlich als Add. MS 75754 angegeben. John St. Hope identifizierte das Buch im Jahr 1915 anhand der Devisen als Besitz John of Bedfords, siehe ebd., S. 352. ford,

262  Katalog der Handschriften stattung auf.79 Bei den ganz oder in Teilen erhaltenen Texten der Handschrift handelt es sich um die im 15. Jahrhundert üblichen Kerntexte eines PsalterStundenbuches. Abgeschlossen wird die Handschrift von zwei zusätzlichen Gebeten, wovon das erste offenbar für den Regenten persönlich verfasst wurde (Folia 385v–391v), beim zweiten handelt es sich um ein im 15. Jahrhundert populäres, Augustinus zugeschriebenes Gebet an Christus (Folia 392r–395v).80 Die in das Marienoffizium eingefügten Gebetstexte betreffen unter anderem den heiligen Georg und Thomas Becket; von den zwischen Stundenbuch und Psalter eingefügten Gebeten (Folia 129r–156v) richtet sich das erste an die Trinität und weitere unter anderem an die Märtyrer Edmund, Oswald, Eduard und Georg.81 Von der ursprünglichen malerischen Ausstattung der Handschrift ist mit fünf Seiten, die mit historisierten Initialen und Bordüren verziert sind, nur ein Bruchteil erhalten. Anzuführen ist Folio 201r im Psalter, welches mit einer Psalm 39 (Vulg. 38) einleitenden Initiale König Davids und der Wurzeldevise des Regenten in der unteren rechten Ecke verziert ist. Ein zusätzlicher Psalm auf Folio 369r wird von einer Initiale eingeleitet, die Bedfords stark beschädigtes Wappen enthält, das Gleiche trifft auf den Beginn des für Bedford persönlich verfassten Gebetes auf Folio 385v zu. Das Augustinus zugeschriebene Gebet an Christus wird auf Folio 392r durch eine Christus als Schmerzensmann darstellende Initiale eingeleitet, zudem tritt auch hier Bedfords Wurzeldevise in der oberen und unteren rechten Ecke der Bordürendekoration auf. Reynolds und Stratford schreiben die Illumination der Initialen wie auch die Bordüren durch Vergleiche mit dem Salisbury Breviary (Kat. 4) und den Bedford Hours (Kat. 3) – aufgrund des Erhaltungszustandes unter Vorbehalt – der Bedford-Werkstatt zu und datieren sie in die späten 1420er Jahre oder um 1430.82 79 Während

sich die Handschrift im Besitz Bosanquets befand, unternahm der Kanoniker Christopher Wordsworth den Versuch, die ursprüngliche Bindung zu rekonstruieren, und fügte im Zuge dessen Papierblätter anstelle der herausgeschnittenen Folia ein, auf welchen er seine Vermutungen zu den Fehlstellen vermerkte. Siehe hierzu und zur Bindung ebd., S. 351 f.; ­ osanquet, Prayer-Book, S. 150, 152. Abgesehen von der Non wurden alle einleitenden Seiten B der Gebetsstunden des Marienoffiziums herausgeschnitten, dies betrifft fol. 20, 38, 41, 42, 44, 47, 54, 64, ebenso wie die einleitende Seite der Bußpsalmen (fol. 73) und des Totenoffiziums (fol. 89). Ebenfalls komplett herausgeschnitten wurden fol. 128, 157, 183, 217, 234, 255, 274 und 295. In einigen Fällen wurden die Seiten unsauber herausgeschnitten, und auf den schmalen Kanten sind Reste der Bordürendekoration zu erkennen, z. B. auf fol. 20, 44 und 73. 80 Zu den Texten im Einzelnen und zur Liturgie siehe ebd., S. 150, 152  f.; Stratford und Rey­ nolds, Foyle Breviary and Hours, S. 351–354. Die Gestaltung der beiden Zusatzgebete unterscheidet sich insofern stilistisch vom Rest der Handschrift, als dass sich die Dekoration mit Initialen und Randbordüren auf die jeweils einleitende Seite beschränkt, auf die ansonsten zahlreich verwendeten einzeiligen rot-blauen und blau-goldenen Initialen innerhalb der Texte wurde hier verzichtet. 81 Auch die ausführliche Litanei nach dem Brauch von Sarum (fol. 355v–368v) richtet sich an eine Vielzahl englischer Heiliger, unter anderem Dunstan, Etheldreda, Wulfran, Cuthbert, Athelwold, Wilibrord und Oswald. 82 Die Miniaturen und Dekorationselemente in den beiden Prachthandschriften sind wesentlich kostenintensiver, aufwendiger und detailreicher, jedoch in Bezug auf diverse Einzelelemente, Komposition und Stil vergleichbar. Siehe hierzu im Detail ebd., S. 351, 355 f.

Kat. 6: Die Foyle Hours  263

Aufschlussreich für die vorliegende Arbeit ist das vielleicht durch seinen Beichtvater für den Regenten persönlich verfasste Zusatzgebet, welches nicht nur seine jenseitigen, sondern auch diesseitige Interessen zum Ausdruck bringt (Folia 385v– 391v).83 Bedford bittet um Beistand bei der Ausführung seiner Regierung und um Nachwuchs für sich und seine Ehefrau Anne. Es ist denkbar, dass der ursprüngliche Auftrag zur Anfertigung der Handschrift nicht durch den Regenten erfolgte, sondern dass er ein bereits weitgehend vorgefertigtes, aber noch nicht gebundenen Stundenbuch für sich adaptieren ließ. Diese Vermutung basiert auf einer Analyse der Bordürendekoration: Während die Wurzeldevise des Regenten auf Folio 392r, also im heute am Ende der Handschrift eingebundenen zusätzlichen Gebet an Christus, zum ursprünglichen Bestandteil der Dekoration zu gehören scheint, wurde die Devise auf Folio 201r offenbar nachträglich über die bereits bestehende Bordüre gemalt.84 Möglicherweise waren die Standardtexte des Stundenbuches bereits fertiggestellt, und in Bedfords Auftrag fügte man lediglich die beiden Gebete am Ende hinzu und erweiterte den bestehenden Teil mit seinen Wappen und Devisen sowie gegebenenfalls einer Widmungsminiatur. Bei den Foyle Hours handelte es sich im Gegensatz zu den bisher besprochenen Handschriften vermutlich um einen regelmäßigen Gebrauchsgegenstand – ein Hilfsmittel zur täglichen Andacht. Auch die geringe Größe spricht für den alltäglichen privaten Gebrauch, das Buch konnte ohne weiteres umher getragen werden.85 Die Handschrift weist keine Hinweise auf einen Besitzer vor Bedford auf, und auch wenn die Möglichkeit, dass sie wie die Bedford Hours aus zweiter Hand in seinen Besitz überging, nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, ist dies schon allein aufgrund der stilistischen Datierung in die späten 1420er Jahre wenig wahrscheinlich. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Werkstatt eine kleine Anzahl vorgefertigter, aber noch ungebundener Stundenbücher für ihre englischen Kunden auf Vorrat herstellte und diese nur noch um heraldische Embleme und gegebenenfalls zusätzliche Gebete erweitert wurden, bevor sie gebunden wurden. Dieses Vorgehen ist für das 15. Jahrhundert auch in anderen Fällen belegt und kann überdies für weitere im Kontext der vorliegenden Arbeit besprochene Werke vermutet werden.86 83 Reynolds

und Stratford ziehen aufgrund der Qualität des Lateins in Erwägung, dass das Gebet im Auftrag des Regenten von seinem Beichtvater verfasst wurde, siehe hierzu im Einzelnen ebd., S. 354. Das Gebet wurde ebd., S. 358–362 ediert und übersetzt. In Auszügen oben, Kap. 3.1.2 mit Anm. 22 zitiert. 84 Dies ist auf dem Verso des Blattes erkennbar, auf dem die ursprüngliche Bordüre durchscheint, zudem wurde die Wurzel etwas ungeschickt in die Ecke gezwängt. Auch stilistisch sind Unterschiede zwischen der Ausführung der Wurzel auf den beiden Seiten erkennbar, insb. was die Farbmodellierung anbetrifft. 85 Siehe hierzu auch Stratford und Reynolds, Foyle Breviary and Hours, S. 358; Bosanquet, Prayer-Book, S. 150, 154. 86 Siehe die Ausführungen zu John Talbots Stundenbüchern (Kat. 14a–c) und zu Harley MS 1251 (Kat. 15). Zu dieser Praxis siehe außerdem de Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168– 198; Watson, Playfair Hours, S. 30, 39 f., 76; Lewis, Devotional Images, S. 29 f.

264  Katalog der Handschriften

Kat. 7a–b: Der Pèlerinage de l’âme Mit einer lateinischen Übersetzung von Guillaume Deguilevilles Pèlerinage de l’âme durch Jean de Galope kann dem Auftrag Bedfords ein während der Zeit der Pariser Regentschaft angefertigter philosophischer Traktat zugeordnet werden (Kat. 7a).87 Dieses Werk ist problematisch, da bisher nicht geklärt werden konnte, ob es sich bei der in der Londoner Lambeth Palace Library aufbewahrten Version des Textes, MS 326, um die originale Widmungshandschrift oder lediglich eine zeitnahe Kopie handelt.88 Verkompliziert wird der Befund zusätzlich durch die Abschrift einer französischen, Bedford gewidmeten Prosafassung des Pèlerinage in der Bodleian Library in Oxford aus dem Jahr 1436, MS Douce 305 (Kat. 7b).89 Mit der Handschrift in Lambeth Palace liegt eine lateinische Prosaversion des Textes Deguilevilles vor, deren textliche und dekorative Gestaltung in die Pariser Buchproduktion des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts verortet werden kann. Die vier fast ganzseitigen Miniaturen werden relativ einhellig dem sogenannten Meister des Harvard Hannibal zugerechnet, der von der zweiten Dekade des 15. Jahrhunderts bis etwa 1440 vorwiegend in Paris tätig war.90 Der Regent Bedford wird im Prolog des Übersetzers Jean de Galope nicht nur als Empfänger, sondern explizit auch als Auftraggeber der Übertragung vom Französischen ins Lateinische genannt.91 Bei der Übersetzung des Pèlerinage de l’âme handelt es sich 87 Hier

auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.3, 3.1.4. De Galope war zuvor bereits für Heinrich V. tätig gewesen. Das im 14. Jh. verfasste französische Gedicht war im 15. Jh. sehr beliebt in Frankreich und England, es existiert als mittelenglische Übersetzung in zahlreichen handschriftlichen Versionen und frühen Drucken. Siehe zuletzt Duval, Traduction latine; außerdem Camille, Guillaume de Deguileville’s ‚Pèlerinages‘, bes. S. 269 f., 369; Stratford, Manuscripts, S. 348. Allgemein zum Pèlerinage de l’âme siehe jüngst die Beiträge in Bassano et al. (Hrsg.), Pèlerinage de l’âme. Zu de Galope siehe Duval, Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2010), S. 395–401. 88 London, Lambeth Palace Library, MS 326 (Pergament, 146 fol., ca. 273 x 216 mm). Siehe zur Handschrift James und Jenkins, Library of Lambeth Palace, S. 427–431; Duval, Traduction latine, S. 188 f.; Camille, Guillaume de Deguileville’s ‚Pèlerinages‘, S. 269 f., 369; Stratford, Pilgrimage of the Soul, S. 60–63; dies., Manuscripts, S. 348; Avril, Liber peregrinationis animae, S. 355. 89 Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305 (Papier, 92 Blatt, ca. 279 x 222 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.4. Siehe zur Handschrift Madan (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 4, MS Douce 305, S. 587. Umfassend zu de Galopes Übertragung des Pèlerinage de l’âme in französische Prosa siehe zuletzt Duval, Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2010); ders., Mise en prose du pèlerinage de l’âme (2011). 90 Siehe hierzu McKendrick, European Heritage, S. 53; Frońska, Le Livre doré, S. 157; Rey­ nolds, Master of the Harvard Hannibal, S. 689. 91 Daneben informiert de Galope über die Entstehungsumstände des Textes Guillaume Deguilevilles. London, Lambeth Palace Library, MS 326, fol. 1r–2r: „Prohemium actoris in libro peregrinacionis anime Illustrissimo et potenti principi ac domino precipuo .Johanni filio patruoque regis regenti regnum francie et duci bedfordie. Johannes galopes dictus le galoys decanus ecclesie collegiate beate ludovici de salceya in dyocesi ebroicensis et comitatu haricurie. Generosissime ac inclite princeps! […] Gloriam percipere poteritis cum intellectu sano comprehendetis veram sapienciam in libro peregrinationis anime contentam […] a vero Religioso bone memorie damno guillelmo priore tempore suo monasterij karoli loci in francia ordinis cisterciensis verbis gallicis composito quem de vestri [sic] precepto stilo satis leui in latinum

Kat. 7a–b: Der Pèlerinage de l’âme  265

um den einzigen Auftrag Bedfords, zu dem ein Preis überliefert ist, wenn dieser auch nicht das Gesamtwerk, sondern lediglich die Arbeit des Schreibers umfasst: Im August 1427 verzeichnete der in Paris ansässige Schreiber Jean Thomas die ausstehende Entlohnung „pour [sa] paine et salaire d’avoir escript en parchemin, par l’ordonnance et commandement de MS le régent le royaume de France, duc de Bedford, ung livre en latin intitulé le Pélerinage de l’ame, en prose, lequel ­contient xij cayers de parchemin“.92 Dieser Text liefert zugleich einen Terminus ante quem für die Anfertigung der Übersetzung durch Jean de Galope. Drei der vier den Text des Pèlerinage begleitenden Miniaturen in Lambeth Palace MS 326 illustrieren nicht seinen Inhalt, sondern seine Entstehung und seine Weitergabe an den Regenten. Den Anfang bildet die Widmungsminiatur auf Folio 1r, welche die Übergabe der Übersetzung an John of Bedford darstellt (Farbabb. 6). Der Regent sitzt, flankiert von zwei Höflingen, auf einem von einem Baldachin bekrönten Thron und nimmt die Handschrift von einem knienden Kleriker, vermutlich Jean de Galope, entgegen. Er trägt eine Kette, bei der es sich höchstwahrscheinlich um eine Variante des Abzeichens seines Ritterordens handelt: Die Kettenglieder bestehen aus Wurzeln und goldenen S-Initialen und als Anhänger ist ein Adler zu erkennen.93 Der Baldachin ist mit dem Wappen den Herzogs geschmückt, wobei der Illuminator den Fehler gemacht hat, das erste und vierte Feld des quadrierten Wappens, entgegen der für Bedford ansonsten üblichen Form, nicht als ‚France moderne‘, sondern ‚France ancienne‘ darzustellen. Darauf, dass der Regent dennoch gemeint ist, verweisen der reich mit goldenen Wurzeln und der Zweigdevise Annes de Bourgogne verzierte Wandbehang sowie der unmittelbar auf die Miniatur folgende Prologtext. Der Prolog des Autors, Guillaume Deguileville, wird auf Folio 2v von einer ­Illustration eines Schreibers in seiner Schreibstube eingeleitet (Farbabb. 7), dem eigentlichen Textbeginn auf Folio 4v ist eine Miniatur des träumenden Autors in seiner Schreibstube vorangestellt (Abb. 10). Die vierte Miniatur der Handschrift bildet den Abschluss des Pèlerinage und ist einem hierauf folgenden Psalter vorangestellt, sie zeigt einen Mönch in Anbetung der Trinität – eine Darstellung, die auf den Wunsch des Auftraggebers zurück gehen kann.94 Für die einführend angesprochene Möglichkeit, dass es sich bei Lambeth Palace MS 326 nicht um die originale Widmungshandschrift, sondern um eine zeitnahe Kopie dieser handelt, spricht vor allem der genannte Fehler im Wappen des Reredegi. Ut omnis lingua non solum gallica sed quelibet latine subdita sapienciam siciens eius fonte suo sacietur. […] Itaque excellentissime et fortis princeps considerans huius sapiencie dignitatem et eius intellectus utilitatem Ego Johannes prefattus [sic] vester humilis capellanus hunc librum peregrinacionis anime mandatis vestris parere cupiens. breviter de gallico in latinum redigere curavi quem librum vestre inclite donacioni presento Ad bonum vestri [sic]“. 92 Siehe hierzu Duval, Traduction latine, S. 183; Stratford, Bedford Inventories, S. 123 und Anm. 82. Der Zahlungsbeleg wird nach de Laborde (Hrsg.), Les ducs de Bourgogne, Bd. 3, S. 488, Nr. 7397 zitiert. Thomas verzeichnete außerdem die Anfertigung eines weiteren, vermutlich nicht erhaltenen Textes namens Le vif tablel de la confession für Bedford, ebd., Nr. 7398. 93 Siehe zur Ordenskette oben, Kap. 1.4.2, bes. Anm. 304 und Kap. 3.1.3. 94 Der Pèlerinage de l’âme umfasst fol. 1r–82r, der Psalter fol. 82v–98v.

266  Katalog der Handschriften

Abb. 10: London, Lambeth Palace Library, MS 326, fol. 4v

genten in der Widmungsminiatur.95 Es mutet wenig wahrscheinlich an, dass ­einem direkt in den Auftrag des Regenten involvierten Maler ein solcher Fehler unterlaufen sein könnte, undenkbar ist es jedoch nicht. Einen weiteren Anlass zur Identifizierung der Londoner Handschrift als Kopie kann die genannte Quelle von 1427 bieten. Jean Thomas gibt an, dass das von ihm im Auftrag Bedfords geschriebene Buch „xij cayers“, also zwölf Lagen, umfasse, die Handschrift in Lambeth Palace besteht allerdings aus 18 Lagen. Es ist jedoch möglich, dass Jean Thomas lediglich für die ersten zwölf Lagen der Handschrift, die den Text des Pèlerinage und den anschließenden Psalter umfassen, verantwortlich war, und dass die 95 Diesen

Fehler stellt auch Jenny Stratford fest und deutet die Handschrift dementsprechend in Stratford, Manuscripts, S. 348 unter Vorbehalt als Kopie. In dies., Pilgrimage of the Soul, S. 60 tendiert sie zur Deutung als Original. Hierin folgt ihr zuletzt z. B. Frońska, Le Livre doré, S. 157.

Kat. 7a–b: Der Pèlerinage de l’âme  267

hierauf folgenden, nicht illuminierten Gebete in einer späteren Kampagne hinzugebunden oder von einem anderen Schreiber zu Pergament gebracht wurden.96 Eindeutig zu klären ist die Frage danach, ob es sich bei Lambeth Palace MS 326 zumindest im Kern um die originale Widmungshandschrift oder lediglich eine leicht fehlerhafte Kopie handelt, letztendlich also nicht. Dass es sich bei der Oxforder Handschrift MS Douce 305 nicht um die Widmungshandschrift, sondern eine Abschrift handeln muss, ist schon aus dem Kolophon ersichtlich, in welchem G. de Pacy aus Lille notiert, die Niederschrift des Textes am 23. März 1436, also nach Bedfords Tod, abgeschlossen zu haben.97 Es handelt sich um eine französische Prosafassung des Pèlerinage de l’âme auf Papier. Die Qualität der Ausführung ist vergleichsweise bescheiden; von Interesse sind indes zum einen der Widmungstext, zum anderen die Ausstattung der Handschrift mit über fünfzig Miniaturen. Der Prolog entspricht inhaltlich in weiten Teilen dem von Lambeth Palace MS 326, ein Auftrag durch den Regenten wird hier jedoch nicht proklamiert. Jean de Galope, der auch für die Verfassung der französischen Prosa verantwortlich gewesen war, teilt lediglich mit, den Text von Guillaume de Deguileville „de rimes en proze“ übertragen zu haben.98 Der Text enthält keine Hinweise auf die lateinische Übersetzung de Galopes, ebenso wenig wie in jener Bezug auf die französische Prosaübertragung genommen wird. Welcher Auftrag als erstes entstand, ist nicht zu rekonstruieren.99 96 Zur Bindung siehe James und Jenkins, Library of Lambeth Palace, S. 427–431. 97 Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305, fol. 1r–81r, hier fol. 81r: „Le venredi xxiije iour de mars fu ce livre cy escript fine et acompli lan mil iiijc et xxxv avant pasques [St.v.] par moy G

de pacy escolastre et chanoine de leglise saint pierre de lille a la louenge de dieu et de la glorieuze vierge marie.“ 98 Überdies wird der Prolog hier durch die vorangestellte Erklärung eingeleitet, dass es sich um den „Prolog des Verfassers der Prosaversion des Pèlerinage de l’âme“ handle, welchem „das Buch dieses Pèlerinage in Reimform von Guillaume, Prior von Chaalis, als Vorlage diente“, Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305, fol. 1r, vorangestellte Erklärung: „Cest le prologue du composeur en proze du pelerinaige de lame. en ensievant le livre dycelluy pelerinaige fait en rime par damp guillaume prieur de chaaliz“ ; ebd., fol. 1r–v, Prolog: „A tres excellent et puissant prince […] jehan filz et oncle de roy regent leur roiaulme de france duc de bedford jehan galloppez dit le galois doijen de leglise collegial monseigneur saint loys de la sausoie ou diocheze devreux et en la conte et seigneurie de harcourt honneur force et acroissement de charite Tresnoble et puissant prinche la gloire des seigneurs qui saigement veullent [durchgestrichenes Wort] eux et leurs subges gouvernez est de querir le sens de la parolle divine ­lequel trouvent celuy qui le tient est a honnourez comme il soit ainsi que honneur est deue a vertu non même seullement moralle mais intellectualle icelle gloire pourres vous avoir par entendre et comprendre la sapience contenue ou livre en proze du pelerinaige de lame qui par avant en rime tres serieuzement fut compoze par vray religieux de bonne memoire dan guillaume prieur en son tamps de Abaye de chaalis de lordre de chistiaux car par lentendement et congnoissance de la matiere diceluy vous aures congnoissance que dieu est createur seigneur des seigneurs et prince des princes et ossi sarez vous que vous estes mortel […] Et donques tresexcellent et puissant prince considerant la dignite de la sapience dessudicte et le grant pourffit qui en peut ensievir de la congnoistre et ouvrer selonc elle pour votre humble chappellain ay trampoze de rimes en proze le livre dicelui pelerinaige de lame pour esclarchier et entendre la matiere la contenue en [?] parolles lesquel ie vous presente au bien de vous“. 99 Camilles nicht begründeter Annahme, dass die französische Prosafassung auf der lateinischen Übersetzung basiere und es sich demnach um eine Rückübersetzung handle, ist nicht zu folgen, Camille, Guillaume de Deguileville’s ‚Pèlerinages‘, S. 369.

268  Katalog der Handschriften

Abb. 11: Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305, fol. 1r, Detail

Abb. 12: Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305, fol. 3r, Detail

Wenngleich die vermutlich in Lille angefertigte Oxforder Handschrift, was die Qualität ihrer malerischen Ausstattung angeht, weit hinter anderen Bedfords Besitz zuzurechnenden Handschriften zurücksteht und sicherlich auch stilistisch wenig mit der aller Wahrscheinlichkeit nach in Paris oder Rouen angefertigten Vorlage gemein hat, so ist ihr dekoratives Programm dennoch schon aufgrund seines Umfangs beachtenswert. Der Text ist mit etwa fünfzig querrechteckigen, kolorierten Tintenzeichnungen illustriert, hierzu zählen drei ikonografisch weitgehend mit Lambeth Palace MS 326 übereinstimmende Illustrationen am Text­ anfang, die Übergabe der Handschrift durch Jean de Galope an Bedford (Folio 1r) (Abb. 11), der Autor in seiner Schreibstube an seinem Schreibpult (Folio 1v) (Farbabb. 8) und in seinem Bett (Folio 3r) (Abb. 12). In der Widmungsminiatur

Kat. 8a–e: Die naturwissenschaftlichen Handschriften John of Bedfords  269

der Oxforder Fassung wird zwar auf heraldische Zeichen des verstorbenen Regenten im Gegensatz zur Londoner Handschrift verzichtet, große Überschneidungen sind jedoch in der Bildkomposition aller genannten Darstellungen sowie in zahlreichen Details, etwa dem mit Büchern übersäten Beistelltisch in der Miniatur des Autors an seinem Schreibpult, festzustellen – trotz des unterschiedlichen Bildformats und des daraus resultierenden Bildausschnitts. Es ist daher denkbar, dass die nicht erhaltene Widmungshandschrift der französischen Prosafassung de Galopes der lateinischen Handschrift auch stilistisch nahestand – möglicherweise sogar von den gleichen Künstlern angefertigt wurde.100 Mit ziemlicher Sicherheit ist davon auszugehen, dass die verlorene Handschrift reich illustriert war, schließlich ist kaum vorstellbar, dass die für MS Douce 305 verantwortlichen, ansonsten verhältnismäßig schnell und unsorgfältig arbeitenden Kopisten ihre Abschrift um zusätzliche, eigens erdachte Illustrationen erweiterten. John of Bedford besaß also zwei Versionen des Pèlerinage de l’âme, eine lateinische und eine französische Prosafassung. Erstere wurde auf seinen ausdrücklichen Wunsch angefertigt und kann möglicherweise mit MS 326 in Lambeth Palace ­Library identifiziert werden, letztere ist nicht erhalten, war aber aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem umfassenden Miniaturenzyklus ausgestattet, von dessen Umfang und Ikonografie die Oxforder Handschrift MS Douce 305 einen Eindruck gibt.

Kat. 8a–e: Die naturwissenschaftlichen Handschriften John of Bedfords Mit Bedfords Besitz lassen sich fünf Handschriften naturwissenschaftlichen Inhalts verbinden – vier von diesen werden in ihren Prologen explizit als Aufträge des Herzogs ausgewiesen. So erfolgte etwa die Anfertigung des Livre du Jugement des Estoilles (Kat. 8a), einer französische Übersetzung des zunächst ins Altkasti­ lische und dann ins Lateinische übertragenen arabischen astrologischen Werkes von Abu l-Hasan ‘Ali ibn Abi l-Rijal aus dem elften Jahrhundert, durch Guillaume Harnoys im Jahr 1430 dem Verfasser zufolge „par le commandement et ordonnance de […] le Regent“.101 Ein gezieltes Interesse Bedfords an diesem Werk wäre wenig überraschend, waren doch sowohl astrologische Abhandlungen als auch 100 Eine

weitere in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s angefertigte Kopie der verlorenen französischen Widmungshandschrift findet sich in Paris, BNF, MS fr. 602. 101 Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.4. Die Übersetzung ist in Paris, BNF, MS fr. 1352 (Pergament, 276 fol.) überliefert, hier Kolophon, fol. 274r: „Ci fine le livre du jugement des estoilles qui fist albolhazen haly le filz abenragel. lequel a este escript en lan mil quatre cens et trente. par le commandement et ordonnance de treshault excellent et puissant prince monseigneur le Regent le Royaume de France Duc de Bedford. par moy guillaume harnoys.“ Der Übersetzungsprozess wird ausführlich im Prolog der Handschrift dargelegt, ebd., fol. 3r. Die Dekoration des Werkes beschränkt sich auf bescheidene ornamental verzierte Initialen und Federzeichnungen. Die Handschrift ist vollständig digitalisiert bei Gallica einsehbar.

270  Katalog der Handschriften Werke arabischen Ursprungs an den westeuropäischen Höfen des späten Mittel­ alters äußerst beliebt.102 Aufwendiger ausgestattet als die kaum verzierte Handschrift Guillaume Harnoys’ ist ein in der Biblioteca da Ajuda in Lissabon befindlicher Traktat über die Physiognomie von Roland von Lissabon (Kat. 8b).103 Der Autor hatte von 1422 bis 1424 an der medizinischen Fakultät der Universität Paris studiert und anschließend dort Karriere gemacht, zudem bekleidete er mehrere geistliche Ämter und war seit etwa 1425 als Leibarzt Bedfords am herzoglichen Hof tätig.104 In seinem Prolog nennt er den Regenten nicht nur als Rezipienten, sondern gibt ­außerdem an, von jenem den Auftrag erhalten zu haben, „sämtliches Wissen zur Physiognomie in einem Band zu sammeln“.105 Der Schwerpunkt des Werkes liegt auf der astrologischen Medizin; neben der Physiognomie behandelt Roland den Einfluss der Planeten auf den menschlichen Körper und den Zusammenhang zwischen menschlichen Charakterzügen und den Tierkreiszeichen. Illustriert wird dies in einer die Handschrift einleitenden halbseitigen Miniatur des Zodiak, deren Illumination sich stilistisch in die Rouennaiser Malerei des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts verorten lässt und eine Datierung des Werkes ab 1425 stützt (Folio 1r) (Farbabb. 9).106 Ein zweites dem Herzog von Bedford gewidmetes Werk Rolands von Lissabon ist zwar nicht erhalten, anhand von Kopien ist der Text, ein arithmetischer Traktat, jedoch weitgehend rekonstruierbar (Kat. 8c). Eine Kopie auf Papier befindet sich in der Rare Book and Manuscript Library der Columbia University, New York.107 Diese abgesehen von Rubrizierungen unverzierte Handschrift wurde von 102 Zur

Popularität der Astrologie im Spätmittelalter siehe z. B. Kopp, Der König und die Bücher, S. 160–171; Kintzinger, Phisicien de Monseigneur de Bourgoingne, S. 105–108. 103 Lissabon, Biblioteca da Ajuda, MS BA 52-XIII-18 (Pergament, 216 fol., ca. 350 x 250 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.4. Die Handschrift ist vollständig digitalisiert im Katalog biblioteca nacional digital der Biblioteca Nacional de Portugal einsehbar. 104 Von November 1424 bis 1441/42 war Roland Maître-Régent der medizinischen Fakultät, zwischen 1427 und 1430 wurde er dreimal zum Dekan gewählt. Vermutlich drei Jahre nach dem Tod Bedfords trat er in den Dienst Philippes le Bon ein. Zur Biografie und zum Werk Rolands von Lissabon und weiterführenden Literaturhinweisen siehe Charmasson, Technique divinatoire, bes. S. 177 f.; Wickersheimer, Médecins en France, Bd. 2, S. 723 f. 105 Lissabon, Biblioteca da Ajuda, MS BA 52-XIII-18, fol. 1r: „Illustrissimo ac serenissimo principi metuendissimo domino domino Johanni patruo domini nostri regis Francie. Gubernanti ac regenti regnum Francie Rolandus scriptoris vestre celsitudinis phisicus ulixbonensis se ipsum ex debito iuramenti. Inclitissime princeps michi dum mandatum daretis colligendi totam scientiam phisonomie in uno volumine.“ 106 Die Dekoration umfasst neben der Eingangsminiatur eine Vollbordüre auf derselben Seite, Teilbordüren zu Beginn neuer Kapitel und ornamental verzierte Initialen. Ich danke Luís Campos Ribeiro (Instituto de Estudos Medievais, Universidade Nova de Lisboa), der die Handschrift im Rahmen eines Forschungsprojektes zu illuminierten wissenschaftlichen Handschriften des Spätmittelalters untersucht hat, für seine die stilistische Einordnung betreffenden Hinweise. Zur stilistischen Verortung siehe auch Stratford, Bedford Inventories, S. 122. 107 New York, Columbia University Library, Plimpton MS 173. Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.4. Zur Handschrift siehe Smith, Rara Arithmetica, S. 446 f. Ich danke der verantwortlichen Kuratorin, Consuelo W. Dutschke, für ihre freundliche Hilfe bei der Erschlie-

Kat. 8a–e: Die naturwissenschaftlichen Handschriften John of Bedfords  271

Charles S. Peirce im Jahr 1894 in einem Brief an ihren Besitzer George A. Plimpton als die originale Widmungshandschrift bezeichnet und auf 1424 datiert, nachdem er sie auf dessen Bitte hin untersucht hatte: „It was composed at the command of John of Lancaster […], and doubtless in 1424, since his edicts restoring the privileges of the University were issued August 1423, and it was no doubt at that time that the command to write this much needed arithmetic was issued.“108 Peirce wiederholte und differenzierte seine Datierung kurz darauf in einem Zeitungsartikel: „It is evident from the words of the dedication that the work must have been completed before the great battle of Ivry, Aug. 14, 1424.“109 Seine Angaben zur expliziten Auftragserteilung durch den Regenten basieren vermutlich auf Rolands Angaben im den Prolog einleitenden Widmungstext, welcher dem der Lissabonner Physiognomie fast wörtlich entspricht.110 Was die Datierung der Handschrift anbetrifft, ist der Text allerdings keineswegs so eindeutig, wie Peirces Angaben vermuten lassen. Zwar geht Roland in seinem Prolog auf Bedfords Verdienste um die Wissenschaft, insbesondere die Philosophie und die Mathematik an der Universität Paris, ein, selbst wenn man jedoch die Edikte Bedfords von August 1423 als Anlass zur Entstehung der Handschrift annimmt, spricht nichts gegen eine spätere Anfertigung. Konkrete historische Ereignisse, wie die Schlacht von Ivry im August 1424, werden im Prolog nicht angesprochen, Rolands Lobpreisung der Regierung Bedfords ist zwar enthusiastisch, letztendlich jedoch sehr allgemein gehalten. Schriftliche, buchimmanente Hinweise auf eine Datierung in das Jahr 1424 liegen auch ansonsten nicht vor. Hinzu kommt, dass Roland, wie oben ausgeführt, vermutlich erst im Jahr 1425 in den Dienst des Herzogs trat, eine Datierung der originalen Widmungshandschrift nach diesem Zeitpunkt ist also wahrscheinlicher. Gegen die Annahme, dass es sich bei dem New Yorker Werk um eben diese originale Widmungshandschrift handelt, sprechen folgende Argumente: Neben dem stilistischen Befund, der mit keiner der erhaltenen Handschriften Bedfords vergleichbar ist und für eine Datierung in die Mitte des 15. Jahrhunderts spricht, weist der Text Lücken auf, die möglichweise auf Probleme des Kopisten, die Vorlage zu entziffern, zurückgeführt werden können.111 Überdies ist die Initiale, die ßung der Handschrift, die nicht vor Ort eingesehen werden konnte und nur zu einem geringen Anteil reproduziert ist, sowie für die großzügige Bereitstellung unpublizierter Forschung zur Handschrift aus dem 19. Jh. Eine neuzeitliche Abschrift des Prologs findet sich außerdem in Cambridge, University Library, MS Mm.I.44, S. 427 f. 108 New York, Columbia University Library, MS Coll/Plimpton, Brief vom 5. 4. 1894. 109 Eine Fotografie des Zeitungsartikels mit dem Titel Mathematics Their Theme ist in den Unterlagen der Columbia University Library zu MS Plimpton 173 erhalten, Angaben zur Datierung des Artikels oder zur Zeitung fehlen jedoch. Smith, Rara Arithmetica, S. 446 datiert die ursprüngliche Handschrift ebenfalls auf 1424. 110 New York, Columbia University Library, Plimpton MS 173, fol. 1r: „Illustrissimo ac serenissimo principi metuendissimo domino domino Johanni patruo domini nostri Regis Francie et anglie regenti Regnum Francie. duci bethfordie Rollandus scriptoris vestre celsitudinis phisicus ulysbonensis se ipsum ex debito iuramenti.“ 111 Für den Hinweis auf die Textlücken danke ich Consuelo W. Dutschke. Peirce stellte diese Lücken ebenfalls fest, erklärte sie aber wenig überzeugend mit der Vermutung, dass neben

272  Katalog der Handschriften den Prolog auf Folio 1r einleitet, nicht ausgeführt worden. Es ist denkbar, dass im für Bedford ausgeführten Original an dieser Stelle sein Wappen oder eine mit dem Herzog in Zusammenhang stehende narrative Darstellung eingefügt war, die in der Kopie nicht mehr nötig war (Abb. 13). Im Gegensatz zu den Werken Rolands von Lissabon ist die im Folgenden vorzustellende Handschrift großzügig mit heraldischen Zeichen des Regenten und seiner Ehefrau Anne ausgestattet: Es handelt sich um eine Abschrift der französischen Übersetzung der von Galen kommentierten Aphorismen des Hippokrates (Kat. 8d). Diese wurde, wie dem Prolog und dem Kolophon zu entnehmen ist, im Jahr 1429 in Rouen von Bedfords Hofchirurg, Jean Tourtier, „en lonneur et en la reverence“ des Regenten begonnen und, zumindest was den Text angeht, im Fe­ bruar des folgenden Jahres abgeschlossen.112 Eine explizite Auftragserteilung durch Bedford wird hier, anders als bei den Werken Rolands, nicht proklamiert. Die Handschrift ist mit neun historisierten Initialen, die jeweils neue Text­ abschnitte einleiten, verhältnismäßig reich ausgestattet und kann stilistisch in die Rouennaiser Malerei des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts verortet werden.113 Vier der historisierten Initialen zeigen Johannes den Täufer und vier weitere die heilige Anna, die Namenspatrone des Herzogs und der Herzogin von Bedford.114 Die mit Initialen ausgestatteten Seiten sind darüber hinaus mit Vollbordüren verziert, in welche die Bilddevisen Bedfords, die goldene Wurzel, der gekrönte Adler und das Yale, eingefügt wurden. Zwei Seiten, Folia 1r und 5r, enthalten zusätzlich Medaillons mit den Motti Bedfords und Annes, „a vous entier“ und „j’en suis contente“. Das herzogliche Motto wird von der Lancaster-Kette mit Adler-AnhänRoland, dem Autor des Textes, ein weiterer Schreiber an der Anfertigung des Textes beteiligt gewesen sei, der einen Entwurf Rolands vorliegen hatte, einige Wörter nicht lesen konnte und hier Rücksprache mit dem Autor halten wollte, MS Coll/Plimpton, Brief vom 5. 4. 1894. Dutschke geht unter Vorbehalt von einem Schreiber aus und verortet die Entstehung der Abschrift in England. Stratford, Bedford Inventories, S. 123, Anm. 79 und Smith, Rara Arithmetica, S. 447 halten die New Yorker Handschrift ebenfalls für eine Kopie. 112 Paris, BNF, MS fr. 24246 (Pergament, 192 fol., ca. 325 x 250 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.3. Die Handschrift ist vollständig digitalisiert bei Gallica einsehbar. Prolog, fol. 1r: „In nomine patris et filii et spiritus sancti En lonneur et en la reverence de tres hault tresexcellent et puissant prince. Monseigneur le Regent le Royaulme de France Jehan duc de Bedford. ceste coppie a este faicte. De par venerable et discrete personne. maistre. Jehan tourtier. son cirurgien. Licencie et approuve en lestude a paris. Et fu commencie a Rouen. lan degrace mil.cccc.vint neuf [St.v.]“. Kolophon, fol. 191r: „Ainsi finee […] le mercredi premier jour de fevrier mil cccc xxix [St.v.]“. Zur Handschrift siehe Lafeuille, Amphorismes Ypocras, bes. S. 30 f., 137 f.; außerdem Delisle, Cabinet des manuscripts, Bd. 3, S. 313 f., Nr. 2; Stratford, Manuscripts, S. 349; dies., Bedford Inventories, S. 100–103, 122. Zu Jean Tourtier siehe Wickersheimer, Médecins en France, Bd. 2, S. 495. 113 Für einen relativ hohen Kostenaufwand sprechen auch die großzügige Anlage der Seiten, die Qualität des Pergaments und der Illumination. Es scheinen zumindest zwei Buchmaler oder Werkstätten beteiligt gewesen zu sein. Folgende Initialen können in das Umfeld der TalbotIlluminatoren verortet werden: fol. Br, 51r, 76r, 107v, 171r, unter Vorbehalt 142v. Eine weitere stilistisch zusammenhängende Gruppe bilden die Initialen auf fol. 1r, 5r, 26r. Zu den TalbotIlluminatoren siehe unten, Kat. 13, bes. Anm. 167 und Kat. 14a–c. 114 Johannes der Täufer ist auf fol. Br, 1r, 51v und 107v dargestellt, die hl. Anna auf fol. 5r, 26r, 76r und 142v.

Kat. 8a–e: Die naturwissenschaftlichen Handschriften John of Bedfords  273

Abb. 13: New York, Columbia University ­Library, Plimpton MS 173, fol. 1r

ger, dem vermutlichen Abzeichen des von Bedford gegründeten Ritterordens, umfasst und das Motto Annes von ihrer Bilddevise, dem fruchttragenden Eibenzweig (Farbabb. 10).115 Die Widmungstexte und die heraldische Ausstattung machen Bedford als intendierten Besitzer plausibel.116 Überdies kommt wie in einigen Pariser Handschrif115 Zur

heraldischen Ausstattung siehe Lafeuille, Amphorismes Ypocras, S. 137 f.; Stratford, Bedford Inventories, S. 101–103. 116 Auch die von Stratford, Manuscripts, S. 349 festgestellten Diskrepanzen zwischen der Bordüre und der heraldischen Ausstattung sprechen nicht gegen diese Deutung. Die heraldischen Symbole wurden offenbar nicht zum selben Zeitpunkt ausgeführt wie die florale Bordüre, stattdessen scheinen sie nachträglich und bisweilen äußerst ungeschickt in die vom Bordürenmaler freigelassenen Stellen eingefügt worden zu sein. Hinweise auf einen früheren Besitzer, etwa die Übermalung oder intentionelle Zerstörung bereits bestehender Bilddevi-

274  Katalog der Handschriften ten seiner ersten Ehefrau Anne eine große Rolle zu. Ob die Handschrift jedoch im Auftrag des Herzogs oder der Herzogin hergestellt wurde, oder ob Jean Tourtier, wie Prolog und Kolophon vermuten lassen, die treibende Kraft hinter ihrer Anfertigung war, ist nicht eindeutig festzustellen, letzteres ist jedoch wahrscheinlicher. Abgesehen von seiner Dedikation an Bedford sind die Ausführungen Tourtiers noch in anderer Hinsicht von Interesse, und zwar den Gelehrtenkreis am herzoglichen Hof betreffend. Im Kolophon erwähnt er seine eigene Ausbildung zum „cirurgien licencie et aprouve en lestude a paris“ und gibt darüber hinaus drei medizinische Autoritäten am Hof an, die er bittet, seinen Text zu korrigieren und zu verbessern. Es handelt sich um den ebenfalls in Paris ausgebildeten Leibarzt und Beichtvater Annes de Bourgogne, Raoul Palnin, den in Oxford ausgebildeten obersten Leibarzt des Herzogs, Jean Maior, und den ebenfalls in Paris graduierten „maistre roulant lescrivain phisicien et astrologien“, sehr wahrscheinlich Roland von Lissabon, der sich selbst in seinen Prologen als „Rolandus scriptor“ bezeichnete.117 Offenbar beschäftigte der Herzog sowohl französische als auch englische Mediziner an seinem Hof – die Position des „premier phisicien“ hatte jedoch, glaubt man Tourtier, ein in England ausgebildeter Arzt inne. Tourtier fertigte noch ein weiteres, leider nicht erhaltenes medizinisches Werk für den Regenten an, das als Kopie in der Central Library in Bristol überliefert ist (Kat. 8e).118 Dem einleitenden Text zufolge handelt es sich um eine im Auftrag sen, lassen sich jedoch nicht feststellen. Auch spricht der kodikologische Befund der Handschrift dafür, dass die heraldisch ausgestatteten Seiten ebenso wie die Seiten mit sonstigen Hinweisen auf Bedford zur ursprünglichen Bindung gehören und nicht in nachträglichen Kampagnen hinzugefügt wurden. Die Handschrift ist abgesehen von fol. 90–96 regelmäßig in Quaternionen gebunden, deren Reklamanten die Originalität der Reihenfolge bestätigen. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde die komplette Handschrift an den oberen Seitenrändern beschnitten und neu gebunden, die ursprüngliche Lagenabfolge behielt man jedoch bei. 117 Paris, BNF, MS fr. 24246, fol. 191r: „Je Jehan tourtier cirurgien licencie et aprouve en lestude a paris et de treshaut tresexcellent et puissant prince monseigneur Jehan duc de Bedford Regent le Royaume de France protecteur du Royaume Dangleterre Suppliant treshumblement a tous messeigneurs et maistres maistre Raoul palnin gradue en lestude a paris confesseur et phisicien de treshaute tresexcellente et puissant princesse madame Anne duchesse de bedford a mon trescher especial maistre maistre Jehan maior premier phisicien en honneur et reverence dudit prince. gradue en lestude dauxonford ou Royaume dangleterre a mon maistre maistre roulant lescrivain phisicien et astrologien gradue en la tresnoble estude de paris. Il leur plaise corriger et amender amablement ladicte escripture et faultes saucunes en ya.“ Zur vollständigen Transkription des Kolophons siehe Lafeuille, Amphorismes Ypocras, S. 30, Anm. 3. Zu Jean Maior siehe Wickersheimer, Médecins en France, Bd. 2, S. 443. Zur Verbindung zwischen Roland und Tourtier siehe ebd., S. 723. Zu Rolands Selbstbezeichnung siehe z. B. Lissabon, Biblioteca da Ajuda, MS BA 52-XIII-18, fol. 1r; Cambridge, University Library, MS Mm.I.44, S. 427. 118 Bristol, Central Library, Reference Library, MS 10 (Papier, 288 fol., ca. 285 x 210 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.1.3, 3.1.4. Ich danke Dawn Dyer, Bibliothekarin der City Reference Library Bristol, für ihre Hilfe bei der Erschließung der Handschrift, die nicht vor Ort eingesehen werden konnte, und für ihre Angaben zur heraldischen Ausgestaltung. Zur Handschrift siehe Mathews, City Reference Library Bristol, S. 69 f. sowie Tafeln 16, 17; Stratford, Bedford Inventories, S. 122, Anm. 78. Zur Chirurgia siehe knapp Odgen, Cyrurgie of Guy de Chauliac, Bd. 1, Preface; Glick et al. (Hrsg.), Medieval Science, Technology and Medicine, S. 213 f.

Kat. 9: Die Beauchamp Psalter and Hours  275

Bedfords angefertigte Abschrift der Chirurgia Guy de Chauliacs aus dem 14. Jahrhundert.119 Die Kopie in Bristol ist mit acht Tintenzeichnungen ausgestattet, die stilistisch vermutlich wenig mit der Widmungshandschrift Tourtiers gemein haben; auf Bedford verweisende heraldische Referenzen liegen ebenfalls nicht vor.120 Von Relevanz ist das in Bristol aufbewahrte Werk dennoch, da der Schreiber auch hier angibt, im Auftrag des Regenten gehandelt zu haben. Unter Vorbehalt bietet es demnach ein weiteres Indiz für Bedfords Interesse an dem Besitz und der Verbreitung von Werken ‚wissenschaftlichen‘, insbesondere medizinischen Inhalts.

Kat. 9: Die Beauchamp Psalter and Hours Der Kern der in der Pierpont Morgan Library in New York aufbewahrten Beauchamp Psalter and Hours wird von der jüngeren Forschung weitgehend einhellig in die Londoner Buchmalerei der frühen 1430er Jahre verortet.121 Die Psalter-Stundenbuch-Kombination nach dem englischen Brauch von Sarum ist mit 22 halbseitigen Miniaturen und umfangreicher Randdekoration ausgestattet. Heraldische Zeichen fehlen zwar, zu Beginn des Marienoffiziums (Folio 12r) wurde die Handschrift jedoch mit den kaum noch lesbaren Einträgen „Warrewyk“ und „Deserving causyth“, dem Motto des im Jahr 1425 geborenen Henry Beauchamp, Sohn und Haupterben Richards, versehen. Die stilistische Datierung in die frühen 1430er Jahre spricht gegen einen Auftrag durch Henry selbst, stattdessen kann Alixe Bovey folgend eine Anfertigung auf Veranlassung des seit Beginn des Jahres 1432 vorwiegend in England tätigen Grafen Richard, wahrscheinlich als Geschenk für seinen Sohn, angenommen werden. Hierauf weist auch die Miniatur der Gregorsmesse auf Folio 106r, die ein Gebet an den gekreuzigten Christus einleitet und einen Mann mittleren Alters und einen Jungen – vermutlich den Grafen und seinen Sohn – beim Gebet zeigt (Farbabb. 11).122 119 Bristol,

Central Library, Reference Library, MS 10, fol. 16r, zitiert oben, Kap. 3.1.4, Anm. 57. der Zeichnungen stellen chirurgische Operationen dar, die am Textanfang befindliche achte Zeichnung zeigt die Übergabe des Werkes links und den Schreiber an seinem Pult rechts (fol. 16r). Wappen oder schriftliche Hinweise darauf, um wen es sich bei den Dargestellten handelt, liegen nicht vor. Gegen Mathews’ Vermutung, dass es sich um die Übergabe der Abschrift durch Tourtier an Bedford handelt, spricht, dass der Empfänger eine Mitra zu tragen scheint. Eher ist eine Darstellung Guy de Chauliacs und seines Gönners Papst Klemens’ VI. anzunehmen. Mathews, City Reference Library Bristol, S. 70. 121 New York, PML, MS M. 893 (Pergament, 261 fol., ca. 271 x 185 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.2.3 und unten, Kat. 12, 14a–c. Zur Handschrift siehe Bovey, Psalter and Hours of Henry Beauchamp; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 88, S. 248–251; van der Velden, Prayer Roll, S. 536, 539–541; Alexander, William Abell, S. 166–169, 172; Warner, Illuminated Manuscripts, Nr. 18, S. 64–68; Marks und Morgan, English Manuscript Painting, S. 114–117. Die Überlegungen zu der Handschrift wurden bereits in ähnlicher Form veröffentlicht, Crispin, Kunst als Medium, S. 17 f.; in Kürze dies., Politische Botschaften. 122 Ebenfalls möglich ist, dass es sich bei den zahlreichen in den Randbordüren auftretenden zeitgenössischen Portraitköpfen und Figuren um Richard und/oder Henry handelt, auch hier fehlen jedoch heraldische oder persönliche Hinweise. 120 Sieben

276  Katalog der Handschriften Dass die Handschrift kaum der öffentlichen oder gar politischen Repräsenta­ tion des Auftraggebers oder des Nutzers dienen sollte, liegt auf der Hand – wenn man von dem Prestige, das eine verhältnismäßig kostspielige illuminierte Handschrift grundsätzlich mit sich brachte, einmal absieht. Stattdessen diente das ­Gebetbuch sicherlich in erster Linie zum alltäglichen Gebrauch in der privaten Andacht, und es ist anzunehmen, dass es zwar gezeigt wurde, dies sich allerdings auf den engeren familiären und höfischen Umkreis beschränkte.123

Kat. 10a–b: Die Handschriftenadaptionen Richard ­Beauchamps Nicht mit dem ursprünglichen Auftrag, aber mit dem Besitz des Grafen von Warwick lassen sich zwei Handschriften verbinden, die weit vor die Zeit der englischen Besatzung Frankreichs datieren und für die vorliegende Fragestellung daher lediglich insofern relevant sind, als dass sie die Annahme stützen, dass Beauchamp über eine nennenswerte Bibliothek verfügte und auch Werke für sich adaptieren ließ. Es handelt sich zum einen um eine französische, höchstwahrscheinlich für ein Mitglied des englischen Hofes angefertigte und im Jahr 1394 fertiggestellte Sammlung von Gedichten Jean Froissarts. Die Handschrift ging einige Jahre später in Beauchamps Besitz über und wurde in diesem Zusammenhang mit einer entsprechenden Notiz versehen (Kat. 10a).124 Zum anderen ist eine illustrierte Kompilation von drei durch John Trevisa wahrscheinlich im Auftrag von Beauchamps Schwiegervater Thomas Berkeley ins Mittelenglische übersetzten Texten erhalten (Kat. 10b). Das an zwei Stellen auftretende Wappen Beauchamps macht, gestützt durch die stilistische Verortung der Illumination nach London in die erste Dekade des 15. Jahrhunderts, Kathleen Scott folgend eine Auftragserteilung durch den Grafen wahrscheinlich.125 Bei den Tex123 Zur privaten Andacht siehe Duffy, Marking the Hours, S. 53–64; Marks, Image and Devotion,

bes. S. 170 f.; von Moos, „Öffentlich“ und „privat“, S. 28 f.; Wieck, Time Sanctified; De Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168–198 sowie knapp Coleman, Public Reading, S. 122 f., 138–140. Zur Sichtbarkeit heraldisch verzierter Gebetbücher vgl. Hablot, La „mise en signes“, bes. S. 34. Zur Problematik des Begriffs Privatheit im Mittelalter siehe oben, Einleitung, Anm. 36. 124 Paris, BNF, MS fr.  831 (Pergament, 202 fol.). Hier auch besprochen oben, Kap. 1.2.3. Beauchamp wird auf dem Vorsatzblatt als Graf von Warwick bezeichnet, ein Titel, den er erst ab 1401 innehatte, was dafür spricht, dass die Handschrift ab 1401 in seinen Besitz gelangte: „Ce livre est a Richart le gentil fauls conte de Warrewyck.“ Falls man jedoch „fauls“, wie von Kristen Figg vorgeschlagen, als Abwandlung von „fau“ oder „feu“ (vorgesehen, bestimmt) liest, ist auch eine frühere Schenkung denkbar, siehe Croenen, Figg und Taylor, Authorship, S. 13. Die lediglich mit einer einzigen Miniatur ausgestattete Handschrift ist vollständig digitalisiert bei Gallica einsehbar. Siehe zur Handschrift zuletzt umfassend Croenen, Figg und Taylor, Authorship, bes. S. 4–14, 22 f., außerdem knapp Catalogue des manuscrits français, Bd. 1, S. 92, Nr. 831; Connolly, John Shirley, S. 115. 125 London, BL, Add. MS 24194 (Pergament, 264 fol., ca. 419 x 280 mm). Hier auch besprochen oben, Kap. 1.2.3. Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 19, S. 82 f. Siehe außerdem Hanna, Thomas Berkeley, S. 911; Crispin, Kunst als Medium, S. 16 f. Connolly, John Shirley,

Kat. 11: Das Decamerone  277

ten handelt es sich um die Predigt Defensio Curatorum und die siebenbändige Weltchronik Polychronicon, beide aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, sowie den Dialogus inter militem et clericum, der Ende des 13. Jahrhunderts verfasst wurde, in den 1370er Jahren Eingang in den im Auftrag Karls V. entstandenen Somnium Viridarii fand und kurz darauf – ebenfalls am Hof des französischen Königs – ins Französische übersetzt wurde.126 Der Dialogus stellt ein fiktives Gespräch zwischen einem Ritter und einem Kleriker dar, in welchem die Dominanz des weltlichen Herrschers über die Kirche und sein Recht, diese zu besteuern, thematisiert wird. Auf eine gezielte Wahl des Textes durch Beauchamp als Ausdruck seiner Positionierung gegenüber dem Verhältnis von weltlicher und geistlicher Macht zu schließen, erscheint jedoch verfehlt, da sich der Text im Spätmittelalter in Frankreich wie in England großer Popularität erfreute und in zahlreichen Sammlungen vorzufinden ist. Personalisierte, über die Illustration des Textinhalts hinausgehende politisch konnotierte Miniaturen sind nicht festzustellen.

Kat. 11: Das Decamerone Von den im Auftrag Richard Beauchamps in Frankreich angefertigten Handschriften ist insbesondere ein heute in der Bibliothèque nationale in Paris aufbewahrtes Exemplar einer französischen Übersetzung von Giovanni Boccaccios Decamerone beachtenswert.127 Aus dem Prolog geht hervor, dass die Übersetzung des Textes in Paris im Jahr 1414 durch Laurent de Premierfait angefertigt worden war.128 Die malerische Ausstattung kann in die Normandie, in das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts verortet werden, der Tod Beauchamps im Jahr 1439 liefert unter Vorbehalt einen Terminus ante quem.129 Die Qualität der Illumination ist S. 114 hingegen hält eine Auftragserteilung durch Thomas Berkeley als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter und Beauchamp für wahrscheinlich. Zu Berkeley als Literaturmäzen siehe Hanna, Thomas Berkeley. Die Wappen Beauchamps finden sich auf fol. 4r und 36r. 126 Zum Somnium Viridarii sowie zum Dialogus und seiner Verbreitung vgl. Schnerb-Lièvre, Le Songe du Vergier, Bd. 1, Introduction, S. xix–lxxxviii; dies., Somnium Viridarii, Bd. 1, Introduction, S. xiii–xxiv, xxix–xxxiv, xliii–li; Stratford, Illustration of the Songe du Vergier; Frońska, Le Songe du Vergier, S. 392 f.; Kintzinger, Der weiße Reiter, S. 351 f. Der Dialogus findet sich auf fol. 4r–7v, es folgen die Predigt auf fol. 8r–20v und die Chronik auf fol. 21r– 262r. 127 Paris, BNF, MS fr. 12421 (Pergament, 452 fol., ca. 292 x 225 mm). Hier auch besprochen oben, Kap. 1.2.3. Siehe hierzu Branca (Hrsg.), Boccaccio visualizzato, Bd. 3, S. 230–235; knapp McKendrick, European Heritage, S. 47; Petrina, Duke of Gloucester, S. 188; Sinclair, Beauchamp Pageant, S. 42; Saygin, Gloucester and the Italian Humanists, S. 122; Farnham, Discovery of the Decameron, S. 132 f. 128 Paris, BNF, MS fr. 12421, fol. 1r. 129 Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass „conte de Warrewic“ nicht Richard Beauchamp, sondern seinen Sohn Henry, der diesen Titel zwischen 1439 und seiner Erhebung zum Herzog im Jahr 1445 führte, bezeichnet. Henrys Minderjährigkeit und die Tatsache, dass er sich während dieses Zeitraums vorwiegend in England aufgehalten zu haben scheint und damit wenig Gelegenheit hatte, sich mit der dort noch weitestgehend unbekannten Übersetzung des Decamerone zu befassen, spricht jedoch gegen diese Deutung.

278  Katalog der Handschriften

Abb. 14: Paris, BNF, MS fr. 12421, fol. 97v, Detail

vergleichsweise bescheiden, allein ihr Umfang von fast hundert knapp halbseitigen Miniaturen spricht jedoch für einen relativ großen finanziellen Aufwand. Mindestens zwei Künstler oder Werkstätten scheinen an den Miniaturen beteiligt gewesen zu sein, hiervon ist einer beziehungsweise eine stilistisch in das Umfeld der in Rouen tätigen, nach ihrem prominentesten Auftraggeber, John Talbot, benannten Talbot-Illuminatoren anzusiedeln (Abb. 14).130 Ein Eintrag am Ende des Buches informiert darüber, dass Humphrey of Gloucester das Buch von Beauchamp als Geschenk erhalten hatte: „Cest livre est à moy Homfrey, duc de Gloucestre, du don mon treschier cousin le conte de Warrewic“.131 Zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Anlass Warwick Gloucester die Handschrift schenkte, ist nicht überliefert, spätestens seine Ernennung zum Tutor Heinrichs VI. im Juni 1428 und seine damit einhergehende regelmäßige Involvierung in die Belange des Kronrats brachten mit Sicherheit eine Vielzahl potentieller Gelegenheiten mit sich. Alexandra Sinclair schlägt vor, dass die Schenkung anlässlich des Osterfestes im Jahr 1428, welches Beauchamp in Gesellschaft Gloucesters verbrachte, erfolgt sein könnte – möglicherweise um sich den innenpolitischen Kontrahenten in Hinblick auf die anstehende Ernennung zum Tutor Heinrichs 130 Zu

den Talbot-Illuminatoren siehe unten, Kat. 13, bes. Anm. 167 und Kat. 14a–c. Dem Künstlerverbund kann auch die Ausstattung weiterer Boccaccio-Handschriften zugeschrieben werden, vgl. hierzu Reynolds, Illustrated Boccaccio Manuscripts, S. 159–166. 131 Paris, BNF, MS fr. 12421, fol. 452r. Weitere vermutlich in die Zeit nach Gloucesters Besitz datierende Inschriften finden sich auf fol. 353r, 373r und 451r. Zur Provenienz der Handschrift siehe Branca (Hrsg.), Boccaccio visualizzato, Bd. 3, S. 230, 234 f.; Croenen, Figg und Taylor, Authorship, S. 14.

Kat. 12: Die Gebetsrolle Henry Beauchamps  279

gewogen zu machen.132 Dies ist sicher denkbar, ebenfalls möglich ist jedoch, dass der Graf dem Herzog die Handschrift im Rahmen der gemeinsamen Expedition gegen Philippe le Bon im Jahr 1436 oder anlässlich einer anderen Gelegenheit überreichte. Dass es sich bei der Schenkung des kostspieligen repräsentativen Buches nicht um eine rein freundschaftliche Geste gehandelt haben dürfte, sondern vielmehr ein bestimmtes Ziel verfolgt wurde, ist schon aufgrund der oben erörterten konträren innenpolitischen Lager Beauchamps und Gloucesters bis weit in die 1430er Jahre hinein anzunehmen.133 Ob es Beauchamp hierbei lediglich um die Darstellung seines eigenen Status’ und politischen Gewichts mittels eines kostbaren Geschenks oder um einen konkreteren politischen Anlass ging, ist nach derzeitigem Wissensstand nicht zu klären. In jedem Fall ist zu vermuten, dass das Buch bezüglich seines Textinhalts mit Bedacht ausgewählt wurde, ist doch Gloucesters Interesse an den Werken des italienischen Humanismus seit langem bekannt.134 Inwiefern das Geschenk darüber hinausgehend auf ein Interesse des Grafen von Warwick selbst am Decamerone und seinem Autor – möglicherweise auch auf den Wunsch, sich hierüber mit Gloucester auszutauschen – schließen lässt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Eine dahingehende Vermutung wird jedoch durch die Tatsache gestützt, dass es sich bei der Handschrift um eines der frühesten in England zirkulierenden Exemplare des Textes, vielleicht sogar das erste, handelte.135 Beauchamps Auftrag scheint also keinesfalls eine Modeerscheinung, sondern eine sehr gezielte Wahl gewesen zu sein.136 Es ist denkbar, dass er als Teilnehmer des Konstanzer Konzils im Jahr 1414 ein Interesse an humanistischen Texten entwickelt hatte.137

Kat. 12: Die Gebetsrolle Henry Beauchamps Die sogenannte Prayer Roll of Henry Beauchamp wird zwar nicht dem Auftrag oder dem Besitz Richard Beauchamps sondern seines Sohnes Henry zugewiesen, sie bietet jedoch Hinweise zum kulturellen Austausch der englischen Auftraggeber in Lancastrian France und soll daher hier berücksichtigt werden.138 Es handelt 132 Sinclair,

Beauchamp Pageant, S. 42. oben, Kap. 1.2.1. 134 Siehe hierzu etwa Petrina, Duke of Gloucester; Saygin, Gloucester and the Italian Huma­ nists; Farnham, Discovery of the Decameron, S. 133 f. 135 Ebd., bes. S. 132  f. Siehe hierzu auch die Beiträge im Sammelband Koff und Deen Schildgen (Hrsg.), The Decameron and the Canterbury Tales. 136 Zu ausführlicheren Überlegungen zu Beauchamps Schenkung an Gloucester und zu seinem Beitrag zur Verbreitung humanistischer Schriften in England siehe in Kürze Crispin, Politische Botschaften. 137 Zum humanistischen Austausch auf dem Konzil von Konstanz siehe Petrina, Duke of Gloucester, S. 60 f.; Rundle, Humanism Across Europe, bes. S. 322–324. 138 Utrecht, Catharijneconvent Museum, MS ABM h4a (Pergament, ca. 1435 x 125 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.2.3 und unten, Kat. 14a–c. Hugo van der Velden beschäftigte sich 2006 in einem einschlägigen Aufsatz mit der Auftraggeberschaft und der Nutzung der Gebetsrolle, van der Velden, Prayer Roll. Daneben sind die auf stilistische Aspekte fokussieren133 Siehe

280  Katalog der Handschriften sich um eine schmale Gebetsrolle, deren vergleichsweise aufwendige malerische Ausstattung mit zwei Miniaturen, drei historisierten beziehungsweise floral verzierten Initialen und Teilbordüren von Helen Wüstefeld dem Œuvre des sogenannten Fastolf Meisters zugeschrieben werden konnte, genauer seiner Schaffensphase in Rouen um 1440.139 Der Text wiederum wird einem englischen, in Rouen tätigen Schreiber zugewiesen.140 Die Gebetsrolle enthält drei Texte oder Textkomplexe: Den Anfang bildet ein aus mehreren Gebeten und Hymnen an Christus zusammengesetzter Abschnitt, von denen der erste, die Kontemplation der fünf Wunden Christi (Zeile 1–26), und der letzte, eine von einem Bittgesuch an Christus begleitete Anrufung des heiligen Dismas (Zeile 79–89), besonders aufschlussreich sind. Es folgt eine Hymne an Maria, den Schluss bildet ein gegebenenfalls etwas später hinzugefügtes Gebet an die Gottesmutter.141 Die Kontemplation der Wunden Christi wird von einer Miniatur der Kreuzigung und einer fünfzeiligen historisierten Initiale Q eingeleitet, die einen an einem Prie-Dieu knienden Betenden, dessen Blick auf den Gekreuzigten gerichtet ist, zeigt (Farbabb. 12; Abb. 15). Der Prie-Dieu ist mit einem blauen Tuch verhängt, welches mit kleinen goldenen Symbolen verziert ist, die Hugo van der Velden als ragged staves erkannte und damit den in der Anrufung des heiligen Dismas namentlich genannten Besitzer der Gebetsrolle „Henricu[s]“ als Henry Beauchamp identifizieren konnte.142 Zugleich liegt hiermit ein Terminus post quem zur Datierung der Gebetsrolle nach April 1439, dem Tod Richard Beauchamps und der Übernahme der ragged staff-Devise durch seinen Sohn und Erben, vor. Neben der Initiale tritt die Devise in der ornamentalen Zeilenfüllung der Gebete an Christus und der Hymne an Maria auf (Abb. 16).143 Mit der am Anfang der Rolle stehenden Kontemplation der Wunden Christi und dem Zusammenspiel von Text und Bild wird ein sichtbarer Zusammenhang zwischen Henry Beauchamp als Betendem und der Gebetsrolle als seinem Devotionsmittel hergestellt. Die im lateinischen Gebet reflektierten fünf Wunden Christi den Studien Wüstefeld, Prayer Roll; dies., Middeleeuwse boeken, S. 176 f. hochgradig relevant. Siehe außerdem Clark, Art in a Time of War, S. 282; Korteweg (Hrsg.), Splendour, S. 166–170; van der Velden, Prayer Roll, Duke of Warwick, S. 228; de Vreese, Verluchte handschriften, S. 201 f. Für ihre freundliche und großzügige Hilfe bei der Untersuchung und Handhabung der Gebetsrolle danke ich der Kuratorin Anke Huisman. 139 Zur stilistischen Einordnung der Illustration in das Œuvre des Fastolf Meisters siehe Wüstefeld, Middeleeuwse boeken, S. 177; ausführlicher dies., Prayer Roll, bes. S. 236–246. Diese Zuschreibung wird heute weitgehend akzeptiert, vgl. etwa van der Velden, Prayer Roll, S. 522; Korteweg (Hrsg.), Splendour, S. 167, 169 f. 140 Zum Schreiber siehe Wüstefeld, Prayer Roll, S. 233  f.; dies., Middeleeuwse boeken, S. 177. 141 Siehe zu den Gebetstexten ausführlich van der Velden, Prayer Roll, S. 537–541. Die Texte sind vollständig ebd., S. 546–549 transkribiert. 142 Zunächst 2003 in van der Velden, Prayer Roll, Duke of Warwick, S. 228 und ausführlicher 2006 in ders., Prayer Roll, S. 523 und passim. Die Anrufung des hl. Dismas hat den Schutz gegen das Böse zum Zweck und endet mit einem Hinweis auf den Besitzer der Rolle, Z. 87– 89: „Christus me famulum suum Henricum / benedicat et ab omnibus malis nunc et imper/ petuum protegat et defendat Amen.“ Siehe hierzu ebd., S. 538 f. 143 Abgesehen von diesen dekorativen Details weist die Hymne an die Gottesmutter weder im Text, noch in der einleitenden Miniatur der Geburt Christi personalisierte Elemente auf.

Kat. 12: Die Gebetsrolle Henry Beauchamps  281

Abb. 15: Utrecht, Catharijneconvent Museum, MS ABM h4a, Detail

Abb. 16: Utrecht, Catharijneconvent Museum, MS ABM h4a, Detail

werden in der Miniatur visualisiert, eine Verbindung zwischen Henry und dem Gebetsinhalt wird durch seine Darstellung in der Initiale wie auch seinen auf die Kreuzigung gerichteten Blick evoziert.144 Van der Velden konstatiert, dass das Gebet offenbar von hervorgehobener Bedeutung für Henry Beauchamp und sein familiäres Umfeld war: Er stellt fest, dass der gleiche Text in leicht abgewandelter Form auch in einer um 1450 hinzugefügten Erweiterung um vier Folia im Beauchamp Psalter and Hours (Kat. 9) sowie in zwei für John Talbot, den Ehemann von Henrys Halbschwester Margaret, angefertigten beziehungsweise adaptierten Stundenbüchern in Cambridge und Aberdeen (Kat. 14a, c) aufgenommen wurde. Ansonsten sei der Text in keiner Handschrift erhalten.145 Die Versionen unterscheiden sich insofern, als dass die in den lateinischen Text eingefügten, rubrizierten 144 Siehe

hierzu ausführlich ebd., S. 537–539, 546; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 234 f., 239; Korte(Hrsg.), Splendour, S. 166. 145 Van der Velden, Prayer Roll, S. 539–541. Das Gebet tritt auf in New York, PML, MS M. 893, fol. 1r–4v; Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 79v–80v; Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 74v–75r. Zur Erweiterung der New Yorker Handschrift siehe auch Warner, Illuminated Manuscripts, Nr. 18, S. 64 f. weg

282  Katalog der Handschriften Anweisungen an den Betenden, welche Wunde beispielsweise bei bestimmten Textstellen zu betrachten sei, in der Utrechter Gebetsrolle und in der New Yorker Psalter-Stundenbuch-Kombination französisch, in Talbots Stundenbüchern jedoch lateinisch und knapper formuliert sind. Zudem weichen die Texte in den beiden Beauchamp-Handschriften van der Velden zufolge stärker von der mutmaßlichen Urform des Textes ab als in Talbots Cambridger Handschrift.146 Van der Velden schließt, dass alle Versionen auf einen im Umfeld der Beauchamps und Talbots verfügbaren Prototyp zurückgehen. Ob dieser in Rouen in den 1430ern zirkulierte und das Gebet auch in die Devotionspraxis anderer Auftraggeber Einzug gehalten hatte oder ob es sich auf Talbot und die Familie Beauchamp beschränkte, kann nicht geklärt werden. Durchaus denkbar ist, dass Henry Beauchamp über seinen Schwager auf den Text aufmerksam gemacht wurde, oder die Gebetsrolle sogar als Geschenk von Talbot erhielt, wie von van der Velden vorgeschlagen.147 Dass zahlreiche, auch über die familiäre Beziehung hinausgehende persönliche Bindungen zwischen dem Grafen von Shrewsbury und der Familie seiner Ehefrau bestanden, wurde mehrfach angesprochen.148 Auf Basis der Identifizierung des Nutzers der Rolle macht van der Velden eine weitere wichtige Feststellung zur gegenseitigen Orientierung englischer Auftraggeber in Lancastrian France: Er weist darauf hin, dass die Darstellung des mit Devisen verzierten Prie-Dieu-Behangs in sehr ähnlicher Form bereits in den Portraits des Herzogs und der Herzogin von Bedford in den Bedford Hours, die das Regentenpaar Heinrich VI. im Jahr 1430 zu Weihnachten schenkte, vorzufinden sei (Kat. 3) (Farbabb. 1, 2).149 Sollte Henry Beauchamp selbst an der ikonografischen Konzeptualisierung der Gebetsrolle beteiligt gewesen sein, scheint eine Orientierung durchaus denkbar, denn es ist mehr als wahrscheinlich, dass er die Bedford Hours kannte, war er doch ein enger Vertrauter des nur wenige Jahre älteren Königs, mit dessen Erziehung sein Vater betraut gewesen war.150 Auch im Falle einer Schenkung durch Talbot oder einer anderen Henry nahestehenden Person ist eine Bezugnahme auf die Portraits im zweifelsohne bei verschiedenen Gelegenheiten im höfischen Umfeld präsentierten Stundenbuch nicht auszuschließen. Die Gebetsrolle selbst wiederum diente trotz ihrer vergleichsweise hochwertigen Ausstattung sicherlich höchstens zweitrangig als repräsentatives Schaustück. Vor allem die intensiven Nutzungsspuren im oberen Bereich sprechen vielmehr 146 Van der

Velden, Prayer Roll, S. 540 machte dies an den im Text angedeuteten Psalmen fest, die in den Talbot-Stundenbüchern den Originaltexten näher seien. Die Handschrift in Aberdeen, die van der Velden nicht in seine Studie mit einbeziehen konnte, wurde für die vorliegende Studie im Original eingesehen. Sie weist wie die Cambridger Handschrift leichte Textabweichungen gegenüber der Utrechter Handschrift und knappe lateinische Rubriken auf. Wie die New Yorker und die Utrechter Handschrift und im Gegensatz zur Cambridger Handschrift enthält der Text Ave Maria-Einfügungen. 147 Ebd., S. 541. 148 Siehe etwa oben, Kap. 1.2.1, 1.3.1, 3.4.3. 149 Van der Velden, Prayer Roll, S. 527–529. 150 Zu Henry Beauchamps Verhältnis zu Heinrich VI. siehe Carpenter, Henry Beauchamp, bes. S. 588 f.; Cokayne, Complete Peerage, Bd. 2, S. 383 f.; Hicks, Kingmaker, S. 26–33, bes. S. 31; ders., Between Majorities, S. 31–33; van der Velden, Prayer Roll, S. 524–526.

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  283

dafür, dass die Rolle tatsächlich verwendet und ‚abgenutzt‘ wurde. Hierauf deutet auch das handliche Format von nur gut zwölf Zentimetern Breite; die Gebetsrolle konnte ohne weiteres am Körper getragen und zur regelmäßigen Andacht hervorgeholt werden.151

Kat. 13: Das Shrewsbury Book Beim Shrewsbury Book handelt es sich um eine Kompilation von vierzehn französischen Texteinheiten.152 Die erste Hälfte bilden hoch- und spätmittelalterliche, zum Teil in inhaltlichem Zusammenhang miteinander stehende Chansons de geste und Prosaerzählungen, etwa die Taten Alexanders des Großen, Karls des Großen und Guys von Warwick. Es folgen Traktate über das Rittertum, das Regieren und die Kriegsführung sowie die Chronik der Normandie. Abgeschlossen wird die Sammlung von den Statuten des Hosenbandordens.153 Mehrfach wurde der Schwerpunkt der Kompilation auf kriegerischen Themen betont.154 Vorangestellt ist den Texten auf Folio 1v ein zeitgenössisches Inhaltsverzeichnis und auf Folia 2v bis 3r die Widmungsdoppelseite (Farbabb. 13, 14; Abb. 17, 18): Sie zeigt links eine zweispaltige Miniatur der Übergabe des Buches durch den Grafen an Marguerite d’Anjou über einem zweispaltigen französischen Widmungstext und rechts eine ganzseitige Ahnentafel Heinrichs VI. in Form einer abstrahierten Fleur-de-Lis. Wie die Bedford Hours (Kat. 3) wurde auch das Shrewsbury Book bereits häufig im Rahmen wissenschaftlicher Studien in den Blick genommen, gerade in jüngerer Zeit. Eine umfassende monografische Untersuchung existiert jedoch bisher nicht. Nach wie vor einschlägig ist eine im Jahr 1993 erschienene kunsthistorische 151 Hier

folge ich Wüstefeld, Prayer Roll, S. 234. Van der Velden, Prayer Roll, S. 541–544 wiederum geht davon aus, dass die Gebetsrolle zwar am Leib getragen wurde, allerdings eher die Funktion eines Talismans erfüllte und weniger praktisch genutzt wurde, da das regelmäßige Auf- und Einrollen zu unpraktisch und aufwendig gewesen sei. Hiergegen sprechen ­jedoch die intensiven Abnutzungsspuren. 152 London, BL, Royal MS 15 E. VI (Pergament, 440 fol., ca. 475 x 335 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.3.3, 2.1.1, 2.1.3, 2.1.5, 2.1.6, 2.3.2, 3.2.2, 3.3.2, 3.4.1, 3.4.3 und unten, Kat. 14a–c. Die Handschrift ist digitalisiert im Digitised Manuscripts Catalogue der British Library einsehbar. 153 Die Kompilation enthält im Einzelnen folgende Texte: Roman d’Alexandre (fol. 5r–24v); drei Chansons de geste Karls des Großen (fol. 25r–85v); Chanson d’Ogier (fol. 86r–154v); Quatre fils d’Aymon (fol. 155r–206r); Pontus et la belle Sidoine (fol. 207r–226v); Guy de Warrewik (fol. 227r–266r) und Heraud d’Ardenne (fol. 266v–272r); Chanson de Chevalier au Cygne (fol. 272r–292r); Honoré Bouvet, L’Arbre des Batailles (fol. 293r–325v); Gilles de Rome, Régime des Princes (fol. 327r–361r); Chroniques de Normandie (fol. 363r–401r); Alain Chartier, Bréviaire des Nobles (fol. 403r–404v); Christine de Pizan, Livre des Fais d’Armes et de Chevalerie (fol. 405r–438v); Statuten des Hosenbandordens (fol. 439r–440v). 154 Zu den inhaltlichen Schwerpunkten sowie der Verbreitung und Herkunft der einzelnen Texte siehe Taylor, Treatise Cycle; Frankis, Taste and Patronage, S. 81 f.; Pérez-Simon, Mise en roman, S. 500–513, 597–601; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 177–179; Ward, Catalogue of Romances, passim. Zum Schwerpunkt auf kriegerischen Themen siehe etwa Taylor, Treatise Cycle, S. 143–146; Payne, Shrewsbury Book, S. 182; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111.

284  Katalog der Handschriften

Abb. 17: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v, Detail

Studie von Catherine Reynolds.155 Von den zahlreichen jüngeren Veröffentlichungen sei der 2011 erschienene, von Anne D. Hedeman und Karen Fresco herausgegebene Sammelband Collections in Context aufgeführt, welcher der Prachthandschrift eine eigene, vier Beiträge umfassende Sektion widmet, von denen der Beitrag Craig Taylors, welcher auf die Texte zu Krieg und Rittertum und die Kompilation als Ausdrucksmittel politischer Ansprüche fokussiert, von besonderem Interesse ist.156 Mit der politischen Intention der Schenkung, aber auch den Textvorlagen 155 Ebd.

Siehe übergreifend zum Shrewsbury Book auch die Katalogeinträge Payne, Shrewsbury Book; Ward, Catalogue of Romances, S. 129 f., 469 f., 487–489, 598–600, 604–610, 615–619, 622–624, 627–629, 708–710; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 177–179; Merisalo, Codice Miscellaneo. 156 Hedeman und Fresco (Hrsg.), Collections in Context, S. 97–188. Neben dem Beitrag Taylor, Treatise Cycle beinhaltet die Sektion eine Untersuchung zu Rolle des Visuellen im Shrewsbury Book von Anne D. Hedeman und einen Beitrag zur Bedeutung von Christine de Pizans Livre des fais d’armes und seiner Position im Shrewsbury Book von Karen Fresco, Hedeman, Role of the Visual; Fresco, Livre des fais d’armes. Der vierte, von Andrew Taylor verfasste Beitrag

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  285

Abb. 18: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 3r, Detail

und hiermit im Zusammenhang dem kulturellen Umfeld des Grafen beschäftigt sich darüber hinaus John Frankis in einer 1997 erschienenen Studie zur in der Sammlung enthaltenen Prosaversion der Legende Guy de Warrewik.157 Die Übergabe der Handschrift lässt sich zeitlich und räumlich relativ präzise eingrenzen; dank der Widmungsinschrift sind wir ferner ungewöhnlich gut über die Intention des Grafen hinter der prestigeträchtigen Schenkung informiert. Die Eheschließung zwischen Heinrich VI. und der Tochter Renés d’Anjou wurde anschließend an den Vertragsschluss von Tours im Mai 1444 beschlossen, und bereits im Februar des folgenden Jahres fand die Ferntrauung in Saumur statt.158 Im März machte die Prinzessin auf ihrer Reise nach England in Rouen halt, wo ihr ein prunkvoller Empfang, in welchem Talbot und seine Ehefrau Margaret Beauchamp eine wichtige Rolle spielten, bereitet wurde. Es ist wahrscheinlich, dass der Graf ihr in diesem Zusammenhang die Kompilation überreichte, für deren Anfertigung hatten demnach nicht mehr als zehn Monate Zeit zur Verfügung gestanden.159 Vermutlich im Rahmen der Beschlagnahmung der Güter der Lancaster schließlich bietet einschlägige Überlegungen zu den Rezipienten des Shrewsbury Book und zur Rolle des spätmittelalterlichen Lesers, schießt aber in seiner Deutung der zwei Zeitebenen der Kompilation bisweilen über das Ziel hinaus, Taylor, Time of an Anthology. 157 Vgl. Frankis, Taste and Patronage. 158 Zu den Umständen der Schenkung siehe ebd., S. 80  f.; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109–112; Taylor, Time of an Anthology, S. 120 f.; Taylor, Treatise Cycle; Griffiths, Henry VI, S. 485–487. 159 Kostbare Handschriften waren keine ungewöhnlichen Geschenke für adlige Bräute, die an ausländische Höfe verheiratet wurden, vgl. Bell, Medieval Women Book Owners, S. 763– 767; Bossy, Arms and the Bride, S. 237.

286  Katalog der Handschriften durch Eduard IV. kam die Handschrift in die englischen königlichen Sammlungen, in welchen sie sich bis heute als Bestandteil der in der British Library aufbewahrten Royal Manuscripts befindet.160 Neben der Widmungsminiatur ist das Shrewsbury Book mit zwei ganzseitigen und elf zumeist neue Texte einleitenden, zweispaltigen Miniaturen sowie circa 130 einspaltigen Miniaturen ausgestattet. Überdies ist die Handschrift reich mit illuminierten Initialen, Zierbordüren und den Wappen des Schenkenden und der Empfängerin verziert. Catherine Reynolds ordnet die Illumination der Kompila­ tion der Rouennaiser Buchmalerei der späten 1430er und 1440er Jahre zu und macht vier verschiedene Stile aus, womit sie die grundsätzliche stilistische Zuschreibung Jonathan Alexanders an in Rouen tätige Nachfolger des Bedford Meisters differenziert.161 Der Zustand des Werkes ist relativ gut, jedoch wurde es um mindestens 5 x 3 Zentimeter beschnitten und mindestens zweimal neu gebunden, zuletzt nach seiner Überführung an das British Museum im Jahr 1757. So liefert zumindest das Seitenformat keine Hinweise darauf, ob Teile der Texte als von Anfang an zusammengehörig konzipiert worden waren. Auch der kodikologische Befund weist lediglich in einem Fall auf die ursprünglich intendierte Zusammengehörigkeit von zwei Texten: Guy de Warrewik (Folia 227r–266r) und Heraud d’Ardenne (Folia 266v–272r) teilen sich ein Lage, während alle anderen Texte auf voneinander unabhängigen Lagen oder Lagenfolgen ausgeführt wurden.162 Auch darüber hinaus ist die Kompilation mit einer Reihe von Unklarheiten behaftet; so liegen etwa leichte Diskrepanzen zwischen dem der Widmungsdoppelseite vorangestellten Inhaltsverzeichnis und der tatsächlichen Textzusammenstellung vor:163 Zwei Texte, Quatre fils d’Aymon (Folia 155r–206r) und Heraud d’Ardenne, sind nicht aufgeführt, während die Statuten des Hosenbandordens (Folia 439r–440v) zwar aufgeführt, aber bei der Nummerierung unberücksichtigt gelassen wurden. Diskrepanzen in der Textfolge und innerhalb einiger Texte sind auch anhand der Reklamanten feststellbar, die zum Teil fehlen oder nicht mit dem Textbeginn auf der folgenden Seite übereinstimmen.164 160 Zur

Provenienz siehe BL, Digitised Manuscripts, Royal MS 15 E. VI; Payne, Shrewsbury Book, S. 183; Kekewich, Literary Patronage in Yorkist England, S. 485. 161 Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109, 113; Alexander, Painting and Manuscript Illumination, S. 151. Auch die Texte wurden sehr wahrscheinlich in Rouen verfasst, wobei es möglich ist, dass zum Teil englische Schreiber am Werk waren, Frankis, Taste and Patronage, S. 82; Taylor, Time of an Anthology, S. 124; Briggs, De Regimine Principum, S. 163. 162 Die drei Chansons Karls des Großen werden hier, gemäß ihrer Aufführung im Inhaltsverzeichnis, als ein zusammengehöriger Text betrachtet. Zur Beschneidung und Bindung siehe Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109 f., 114, Anm. 9. Hedeman, Role of the Visual, S. 115–118, Appendix 1 modifizierte die Kollation Reynolds’ leicht, die Abweichungen sind jedoch unerheblich für die hier verfolgte Fragestellung. 163 Zum Inhaltsverzeichnis und den Diskrepanzen siehe auch Reynolds, Shrewsbury Book, S. 110; Merisalo, Codice Miscellaneo, S. 448–450; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 159 f., 173, Appendix 1; Pérez-Simon, Mise en roman, S. 503–505. 164 Besonders frappant ist dies bei Quatre fils d’Aymon: Weder dessen ursprünglich intendierte Anknüpfung an den vorherigen Text, die Chanson d’Ogier, noch an den folgenden Text, Pontus et la belle Sidoine, wird durch Reklamanten bestätigt, und auch innerhalb des Textes sind

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  287

Die Diskrepanzen in der Bindung wie auch die Fehler im Inhaltsverzeichnis werden auf eine wegen der kurzen Frist zwischen Eheverabredung und Geschenkübergabe überstürzte und wenig durchdachte Zusammenstellung der Handschrift und weniger auf nachträgliche Einfügungen einzelner Texte zurückgeführt.165 Hierfür spricht die Tatsache, dass Heraud d’Ardenne und Guy de Warrewik sich eine Lage teilen und formal wie auch inhaltlich zusammenhängen. Quatre fils d’Aymon wiederum ist zwar als einziger Text weder durch Lagenüberschneidungen, noch Reklamanten oder das Inhaltsverzeichnis in die Kompilation integriert, er fügt sich jedoch inhaltlich in die Narrationen zu Karl dem Großen – Aymon war der Legende nach Lehnsmann des Frankenkönigs – und die stilistische wie auch formale Gestaltung korreliert mit dem Großteil der Kompilation, was eine nachträgliche Einfügung unwahrscheinlich macht. Auf eine Zusammenstellung unter Zeitdruck weist darüber hinaus der stilistische Befund:166 Der Großteil der Illuminationen kann den ab den 1430er Jahren in Rouen nachweisbaren sogenannten Talbot-Illuminatoren, die neben dem Shrewsbury Book zwei Stundenbücher für Talbot ausstatteten (Kat. 14a, c), zugewiesen werden.167 Offenbar mussten jedoch für einige wenige Bifolia beziehungsweise Einzelilluminationen zusätzliche Künstler herangezogen werden, um einen zügigen Abschluss zu gewährleisten. Dies betrifft die Texte Roman d’Alexandre, Guy de Warrewik, Heraud d’Ardenne und L’Arbre des Batailles. Hier konnte Rey­ nolds die Beteiligung eines Nachfolgers des Bedford Meisters, dessen Œuvre ein weiteres für Talbot und seine Ehefrau angefertigtes Stundenbuch zugerechnet wird (Kat. 14b), eines anonymen Meisters und des sogenannten Meisters des Stundenbuches von Thomas Hoo feststellen.168 Unregelmäßigkeiten feststellbar. Siehe fol. 154v, 206v. Zu den Unregelmäßigkeiten in der Seitenabfolge siehe Ward, Catalogue of Romances, S. 623. 165 Vgl. etwa Reynolds, Shrewsbury Book, S. 110. Bossy, Arms and the Bride, S. 237 nimmt sogar an, dass die Texte ungebunden überreicht werden mussten, da man zu wenig Zeit hatte. Eine hastige Bindung ist jedoch wahrscheinlicher, da man sich bei einer ohnehin nachträglichen Zusammenstellung vermutlich auch noch die Zeit genommen hätte, ein fehlerfreies Inhaltsverzeichnis zu erstellen. 166 Vgl. hierzu Alexander, Painting and Manuscript Illumination, S. 151; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113. 167 Zu den Talbot-Illuminatoren, die auch für eine Reihe weiterer englischer Auftraggeber in Lancastrian France sowie verschiedene französische Auftraggeber tätig waren, siehe Rey­ nolds, Talbot Master; dies., English Patrons, S. 305–308; dies., Salisbury Breviary, S. 211–231; Avril, Régime des princes; ders., La Normandie; Hedeman, Role of the Visual, S. 100–104; König, Stundenbuch Vat. lat. 14935, S. 244 f.; Crispin, French Book Illumination. 168 Dem Nachfolger des Bedford Meisters schreibt Reynolds Bifolio 21/24 des Alexanderromans zu. Dem anonymen Meister weist sie zwei einzelne Miniaturen in der Prosaerzählung Heraud d’Ardenne (fol. 266v) und in Honoré Bouvets Arbre des Batailles (fol. 293r) zu. Ein weiteres Bifolio des Alexanderromans (Bifol. 22/23) und die denselben Text einleitende ganzseitige Miniatur (fol. 4v) werden von Reynolds mit dem Werk des sogenannten Meisters des Stundenbuches von Thomas Hoo identifiziert, Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113. Hier ist jedoch anzumerken, dass der stilistische Befund zwei unterschiedliche Künstler wahrscheinlicher macht. Das Stundenbuch von Thomas Hoo befindet sich in Dublin: Royal Irish Aca­ demy, MS 12 R 31. Siehe hierzu und zum Œuvre des eponymen Meisters Williams, Rouen Book of Hours, bes. S. 191.

288  Katalog der Handschriften

Abb. 19: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 4v, Detail

Des Weiteren wurde auf mehreren nahezu fertiggestellten Seiten die Wappenstandarte Talbots mittig in die Bordüre des unteren Seitenrandes sowie eine Figur im Wappenrock Talbots, die eine Standarte mit dem Wappen Marguerites nach ihrer Eheschließung trägt, in die Bordüre des äußeren Seitenrandes eingefügt. Dies betrifft die einleitenden Seiten des Roman d’Alexandre, der Chansons de geste Karls des Großen, der Heldenlieder Quatre fils d’Aymon, Pontus et la belle Sidoine und Guy de Warrewik sowie der Statuten des Hosenbandordens (Farbabb. 15, 16; Abb. 19).169 Die Bordürendekoration dieser Folia weist Vorzeichnungen für die Einfügung von Wappen – sowohl in der unteren Mitte der Bordüre als auch im äußeren Seitenrand – auf, eine heraldische Ausstattung irgendeiner Art war also offenbar von Anfang an vorgesehen, wenn auch nicht unbedingt die, die letztlich ausgeführt wurde. Tatsächlich wurden die Bannerträger im Großteil der Fälle recht ungeschickt in die bereits bestehende Bordüre gezwängt, erneut ein Hinweis darauf, dass man die Texte unter Zeitdruck adaptierte. Lediglich im Alexander­ roman scheinen nicht nur die Wappen, sondern auch die Figuren im Wappenrock von Anfang an oder zumindest von einem frühen Zeitpunkt an vorgesehen gewesen zu sein (Folia 4v und 5r) (Farbabb. 16).170 169 Roman

d’Alexandre: fol. 4v, 5r; Chansons de geste Karls des Großen: fol. 25r, 43r, 70r; Quatre fils d’Aymon: fol. 155r; Pontus et la belle Sidoine: fol. 207r; Guy de Warrewik: fol. 227r; Statuten des Hosenbandordens: fol. 439r. Heraud d’Ardenne enthält weder eigene Vorzeichnungen zur heraldischen Ausstattung noch nachträgliche Einfügungen, wird aber hier als Teil der Guy-Legende angesehen. 170 Auch für die Heroldsfiguren musste auf mindestens vier, vielleicht fünf verschiedene Künstler zurückgegriffen werden, die nur zum Teil auch anderweitig in die Illumination der Kompilation involviert waren. Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113 schreibt alle Bannerträger dem Meister des Stundenbuches von Thomas Hoo zu, hier muss jedoch weiter differenziert werden. Die Figuren auf fol. 155r, 207r, 227r, 439r und eventuell 43r scheinen vom gleichen

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  289

Abb. 20: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 273r, Detail

Auch die einleitenden Seiten der Chanson d’Ogier, der Chanson de Chevalier au Cygne und der Chroniques de Normandie weisen zwar die oben beschriebenen Vorzeichnungen in der Bordürendekoration zur späteren heraldischen Ausstattung auf, hier entschied man sich aber gegen die Einfügung von Wappen und füllte die freien Stellen stattdessen mit von Margeritensträuchern bewachsenen Grashügeln (Abb. 20).171 Diese mögen als alternativer Verweis auf Marguerite d’Anjou oder aber als rein dekorative florale Füllung gewertet werden, in jedem Fall ging man auch hier mit wenig Sorgfalt vor und nahm sich offenbar noch weniger Zeit, die Texte ihrem neuen Zweck anzupassen. Die in der Kompilation enthaltenen Traktate, L’Arbre des Batailles, der Régime des Princes, der Bréviaire des Nobles und der Livre des Fais d’Armes, enthalten keine Vorbereitungen für nachträgliche Einfügungen von Wappen, in den ersten drei Fällen fehlen heraldische Verzierungen völlig. Lediglich im Livre des Fais d’Armes wird anhand der noch anzusprechenden einleitenden Miniatur ein Bezug zum Auftraggeber hergestellt.

Künstler ausgeführt worden zu sein wie Bifol. 22/23, die Hand der Figur auf fol. 4v scheint jedoch ansonsten nicht im Buch aufzutreten. Die Bannerträger auf 25r und 70r scheinen von derselben Hand zu sein, treten aber ebenfalls sonst nicht im Buch auf. Die Figur auf fol. 5r wiederum ist dem Œuvre der Talbot-Illuminatoren zuzurechnen. Eine genauere stilistische Differenzierung muss an anderer Stelle erfolgen. 171 Chanson d’Ogier: fol. 86r; Chanson de Chevalier au Cygne: fol. 273r; Chroniques de Normandie: fol. 363r. Diese Diskrepanz zwischen Vorzeichnung und Ausführung wurde bereits von Reynolds, Shrewsbury Book, S. 114 festgestellt.

290  Katalog der Handschriften Der ausgeführte Befund spricht dafür, dass ein großer Teil der Texte ursprünglich gar nicht als Geschenk für Marguerite angefertigt, sondern erst nachträglich zu diesem Zweck ‚umgenutzt‘ und – mehr oder weniger aufwendig – modifiziert wurde. Möglicherweise reichte die Zeit nicht aus, um neue Texte in angemessener Quantität und Qualität anzufertigen. Während sich die Forschung in der grundsätzlichen Annahme, dass nicht alle Texte von Anfang an für die französische Prinzessin geschrieben und illuminiert wurden, weitgehend einig ist, gehen die Ansichten darüber, mit welcher Intention die Texte im Einzelnen begonnen wurden und welcher ursprünglich für Talbot selbst, für Marguerite oder für weitere Rezipienten gedacht gewesen war, auseinander. Die unterschiedlichen, zum Teil äußerst spekulativen Argumentationswege sollen an dieser Stelle nicht dargelegt werden; stattdessen wird die Ansicht vertreten, dass die Frage nach der jeweiligen ursprünglichen Intention nur von untergeordneter Relevanz für die hier verfolgte Fragestellung ist, da alle Texte, die Eingang in die Kompilation erhielten, letztlich zum Zweck der Schenkung ausgewählt und gezielt, wenn auch in Eile und zum Teil wenig sorgfältig, in diese integriert wurden. Im Folgenden sollen die einzelnen Bestandteile der Kompilation genauer beleuchtet werden. Die halbseitige Widmungsminiatur auf Folio 2v zeigt die Übergabe der Handschrift (Farbabb. 13; Abb. 17):172 Talbot kniet vor dem von Höflingen umgebenen, thronenden königlichen Paar in einer kapellenartigen Architektur und reicht Marguerite das Buch. Er trägt einen reich mit dem Symbol des Hosenbandordens verzierten roten Umhang, die Lancaster-Halskette und wird von der weißen Dogge, seiner Bilddevise, begleitet. Das Königspaar wird von einem mit dem englischen Wappen verzierten Wandbehang hinterfangen, heraldische Dekoration findet sich zudem in den Giebeln der Architektur und den die Erker ­bekrönenden Flaggen, die die Wappen Englands, Frankreichs, Anjous und des heiligen Georg tragen. Auch über die Widmungsminiatur hinausgehend ist die Doppelseite reich mit den heraldischen Zeichen des Schenkenden und der Empfängerin, Frankreichs, Englands und des Hosenbandordens verziert; gerahmt und gegliedert wird sie von einer floralen Bordüre, die dem im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts in Nordfrankreich verbreiteten Stil entspricht und in dieser Form im gesamten Buch auftritt. Von unvergleichlichem Quellenwert für die vorliegende Untersuchung ist die Widmungsinschrift des Shrewsbury Book: Sie nennt einleitend die Empfängerin – die „Princesse tres excellente“ – und den Schenkenden – „de schrosbery le conte“ – sowie den Wunsch des Grafen, die Prinzessin mittels der in dem Buch enthaltenen Geschichten von Helden, die durch ihre Taten Ehre in Frankreich, England und anderen Ländern gewonnen hatten, zu erfreuen und zu unterhalten.173 Es 172 Zur

Widmungsminiatur siehe ebd., S. 109; Payne, Shrewsbury Book, S. 182; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 1; Hedeman, Role of the Visual, bes. S. 106–114. 173 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v: „Princesse tres excellente. / Ce livre cy vous presente. / De schrosbery le conte. / Ou quel livre a maint beau conte / Des preux qui par grant labeur / Vouldrent acquerir honneur / En France en Angleterre. / Et en aultre mainte terre. / Esperant qu’a vostre loisir / Vous vueillez prendre plaisir / En passant temps pour y lire / Pour

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  291

folgt ein Verweis auf die gegenüberliegend dargestellte Stammtafel Heinrichs VI., die deutlich zeige, dass jener in der achten Generation von Ludwig dem Heiligen abstamme.174 Anschließend betont der sich selbst als „humble servant“ bezeichnende Graf erneut seine Wunsch, selbst Ehre zu gewinnen und der Prinzessin die Zeit zu vertreiben. Überdies solle sie in der Zukunft, wenn sie Englisch sprechen würde, das Französische nicht vergessen und sie solle durch die edlen Taten großer Fürsten selbst zu gutem und angemessenem Betragen bewegt werden.175 Anschließend richtet Talbot sein Gebet an die Jungfrau Maria und bittet um eine lange, friedliche und ruhmreiche Regierung des jungen Königspaares, den Sieg Heinrichs über seine Feinde und Ansehen desselben bei seinen Freunden. Zum krönenden Abschluss bringt er seinen Wunsch nach einem königlichen Erben zum Ausdruck.176 Wie explizit beim Verweis auf Heinrichs herrschaftliche Ansprüche die Kronen beider Länder gemeint sind, zeigt die gegenüberliegende Illustration, die fraglos zusammen mit der Widmungsseite als Einheit betrachtet werden sollte: Es handelt sich um eine ganzseitige Ahnentafel des jungen Königs in Form einer abstrahierten Fleur-de-Lis, die seine Abstammung von Ludwig dem Heiligen zeigt (Farbabb. 14).177 Als Vorlage dienten, wie von Benedicta Rowe festgestellt, höchstwahrscheinlich die nicht erhaltenen, 1423 von Bedford bei Laurence Calot in Auftrag gegebenen genealogischen Tafeln Heinrichs VI.178 Wie ihr Gegenüber ist oster ennuy qui nuire“. Die Widmungsinschrift ist bereits vielfach diskutiert, im Kern jedoch jeweils ähnlich gedeutet worden, siehe z. B. Hedeman, Role of the Visual, S. 106–110; Rey­ nolds, Shrewsbury Book, S. 111  f.; Payne, Shrewsbury Book, S. 182; Bossy, Arms and the Bride, S. 240 f., 244 f.; Taylor, Time of an Anthology, S. 121 f. 174 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v: „Peult a toute creature. / Ou livre a vue figure. / Geneaulogie nommee / Par la quelle est tres bien prouvee / Verite demonstrant a plain / Que le roy nostre souverain / Le vostre affye que dieux gart. / Est venu de si noble part. / Comme du bon roy saint louys. / Si estes vous certain en suys. / Par celle hystoire veoir pourrez / De quel et quantiesme degrez. / Le roy nostre dit souverain / Est descendu il est certain / Cest en luitiesme degre. / Plaise vous recevoir en gre.“ 175 Ebd.: „Le livre sans regard avoir / Si non sans plus au bon vouloir / Du conte vostre humble servant. / Que j’ai nomme ycy devant. / Bien vouldroit le livre meilleur. / Et plus riche pour son honneur / J la fait faire ainsi que entens. / A fin que vous y passez temps. / Et lorsque parlerez anglois / Que vous n’oubliez le Francois / Et que vous voyez les hystoires. / Qui bien sont dignes de memoires / Pour les tres haultes entre prinses / Qui ou dit livre sont comprinses / Ou quel a volumes plusieurs / Faisans mencion des greigneiurs / Des plus saiges des plus vaillans / Qui ayent este puis mil ans. / Et plus dont il fait bon ouyr / Pour chevalerie esiouyr / Et esmouvoir a tout bien faire / Dont l’effect saurez bien retraire.“ 176 Ebd.: „Et dire quant il vous plaira. / Par tout ou bon vous semblera / Ceque le dessus dit supplye / Priant a la vierge marie. / Qu’elle vers dieu ainsi pourchas / Que le roy et vous ayez grace. / De longuement et bien regner / Ensemble en paix bien gouverner / Voz regnes a l’onneur et a gloire / De lui et tousiours ait victoire / Le roy sur tous ses ennemis. / Sauver lui plaise voz amis. / Et vous veuille lignie donner / Qui aprez vous puisse regner / En paix et en transquilite / Ainsi soit il par charite. / Ce vous octroye dieu le filz / Et en la fin son paradis. / Amen.“ 177 Zur Genealogie siehe Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 2; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 112 f.; Bossy, Arms and the Bride, S. 244 f.; Taylor, Treatise Cycle, S. 146–148, Hedeman, Role of the Visual, S. 111–113; Rowe, Henry’s Claim to France, S. 80–83. 178 Ebd.

292  Katalog der Handschriften auch die vorliegende Seite reich mit Wappen und heraldischen Elementen geschmückt, ein Schwerpunkt der Ausstattung liegt auf Marguerite d’Anjou. In der Genealogie hingegen spielt sie keine Rolle, Heinrich allein bildet den Zielpunkt der Ahnentafel.179 Der am reichsten illustrierte Text der Sammlung ist mit einer ganzseitigen, ­einer zweispaltigen und 82 einspaltigen Miniaturen der am Anfang der Kompilation stehende Roman d’Alexandre (Folia 4v–24v) (Farbabb. 16).180 Wie in allen Fällen ist auch hier unklar, zu welchem Zweck mit der illustrativen Ausstattung des Textes ursprünglich begonnen wurde, wahrscheinlich ist jedoch, dass zumindest große Teile erst anlässlich der Schenkung und in Hast ausgeführt wurden. Für letzteres spricht der bereits angesprochene Umstand, dass vermutlich drei zusätzliche Künstler oder Werkstätten neben den Talbot-Illuminatoren zu seiner zügigen Fertigstellung herangezogen werden mussten. Dass das dekorative Programm des Alexanderromans erst anlässlich des Geschenks ausgeführt wurde oder zumindest zum Zeitpunkt, als entschieden wurde, ihn in die Kompilation aufzunehmen, zu beträchtlichen Teilen unvollendet war, zeigt sich wiederum darin, dass die beiden Figuren im Wappenrock und die Wappenstandarten Marguerites, Englands und Talbots auf Folia 4v und 5r nicht über bestehende Bordürendekoration oder Vorzeichnungen gemalt werden mussten, sondern in dieser Form vorgesehen waren.181 Auch die dem Text vorangestellte ganzseitige Miniatur wurde vermutlich erst zum Zweck der Schenkung angefertigt.182 Dieser Umstand, das generell im Vergleich mit den anderen Texten besonders umfassende illustrative Programm des Alexanderromans sowie seine prominente Position am Anfang lassen vermuten, dass dem Text seitens des Auftraggebers eine hervorgehobene Bedeutung ­innerhalb der Kompilation beigemessen wurde. Auf den Alexanderroman folgen drei Chansons de geste Karls des Großen (Folia 25r–85v) – Simon de Pouille, Aspremont und Fierabras – sowie die thematisch mit der Karlslegende im Zusammenhang stehenden Chansons Ogiers von Dänemark (Folio 86r–154v) und der vier Söhne des Grafen Aymon (Folia 155r–206r). 179 Zu

den dargestellten Wappen siehe Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 177, 179, Nr. 2. Alexanderroman siehe Ward, Catalogue of Romances, S. 130; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179; Pérez-Simon, Mise en roman, hier bes. S. 500–513, 566. 181 Für eine gezielte Anfertigung für Marguerite kann zudem die Miniatur der Hochzeit Ale­ xanders und Roxanes (fol. 13v) sprechen. Pérez-Simon, Mise en Roman, S. 509 f. zufolge handelt es sich beim Alexanderroman im Shrewsbury Book um eines von nur zwei erhaltenen Exemplaren des Textes, die eine solche Darstellung enthalten, und sie vermutet eine Anspielung auf den historischen Kontext der Eheschließung Heinrichs und Marguerites. Die Annahme, dass es sich bei der roten Rose, die Alexander bei seiner Abreise aus Mazedonien (fol. 9r) trägt, ebenfalls um eine Anpielung auf die Lancasterdynastie handle und Alexander gleichsam zum „champion“ dieser gemacht werde, ist weniger überzeugend, da die rote Rose sich erst unter Heinrich VII. als Zeichen der Lancaster etablierte, vgl. Chrimes, Lancastrians, Yorkists and Henry VII, S. xii–xiv; Ailes, Heraldry in Medieval England, S. 101 f.; Pollard, Wars of the Roses, S. 7–9; Hicks, Wars of the Roses, S. 12 f. 182 Fol. 4v wird von Reynolds, Shrewsbury Book, S. 110, 113 dem Meister des Stundenbuches von Thomas Hoo zugeschrieben. Siehe zu Ikonografie und Stil von fol. 4v auch Ross, Nectanebus in his Palace, S. 69–74. 180 Zum

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  293

Bei diesen Texten, ebenso wie bei der anschließenden Prosaerzählung Pontus et la belle Sidoine (Folia 207r–226v), handelt es sich höchstwahrscheinlich um bereits zu einem anderen Zweck fertiggestellte Exemplare, die anlässlich der fürstlichen Schenkung adaptiert wurden. Für wen die Texteinheiten ursprünglich gedacht waren, ist nicht mit Sicherheit festzustellen, die Miniaturen fügen sich in das ­Œuvre der Talbot-Illuminatoren, die malerische Qualität ist jedoch eher bescheiden. Dies muss jedoch keinesfalls gegen eine ursprüngliche Anfertigung für Talbot selbst sprechen, weisen die Bücher in seinem Besitz doch ein weites qualitatives Spektrum auf. Bei Pontus et la belle Sidoine handelt es sich um eine französische Prosaadaption der angelsächsischen Chanson de geste von König Horn, in der die ritterlichen Taten des galizischen Prinzen Pontus, die ihn unter anderem an den Hof des englischen Königs führten, wo er um Hilfe bei der Eroberung seines Reiches bat, beschrieben werden.183 Es ist nach dem Alexanderroman der am umfangreichsten mit Illuminationen ausgestattete Text der Kompilation. Fragt man nach dem kulturellen Umfeld Talbots, sind die kodikologisch und inhaltlich zusammenhängenden Prosatexte Guy de Warrewik (Folia 227r–266r) (Farbabb. 15) und Heraud d’Ardenne (Folia 266v–272r) von Interesse. Auch diese waren vermutlich ursprünglich für einen anderen Empfänger als die französische Prinzessin, vielleicht Talbot oder seine Ehefrau selbst, intendiert gewesen und wurden in Hast, unter Hinzuziehung zusätzlicher Künstler und mittels der Einfügung entsprechender Wappen und des Bannerträgers im Wappenrock anlässlich der Schenkung modifiziert und vollendet.184 Stärker als alle bisher besprochenen Texte hängen sie mit der Person des Grafen von Shrewsbury beziehungsweise seiner zweiten Ehefrau Margaret Beauchamp zusammen, und es ist davon auszugehen, dass zumindest Guy de Warrewik auf Vorlagen aus dem Besitz Talbots oder der Familie Margarets, als deren legendärer Vorfahr er galt, basierte. Die im Shrewsbury Book aufgenommene, auf ein anglo-normannisches Gedicht zurückgehende französische Prosanarration der Legende Guys von Warwick wurde John Frankis folgend vermutlich in englischem Umfeld und nicht vor den 1420er Jahren verfasst.185 Es ist anzunehmen, dass der Auftrag zur Übertragung im Zuge der 183 Zum

Text siehe de Crécy, Ponthus et Sidoine, Introduction, S. lxxi–cviii; Ward, Catalogue of Romances, S. 469 f.; zu den Miniaturen knapp Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 99– 134; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 157 f. 184 Zur Zuschreibung der Illumination siehe Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113. Zu den Textvorlagen siehe Frankis, Taste and Patronage; Conlon (Hrsg.), Rommant de Guy de Warwik, S. 16–26, 33–40; Ward, Catalogue of Romances, S. 487–489; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 179, Nr. 135, 136. 185 Hierfür sprechen linguistische Aspekte des Textes selbst und die Tatsache, dass keine frühere Version und nur eine weitere Handschrift aus dem 15. Jh. erhalten ist, die ebenfalls deutliche Bezüge nach England aufweist, nämlich die mit dem Wappen von Marguerite de Rohan verzierte Handschrift Paris, BNF, MS fr. 1476. Marguerite de Rohan heiratete 1449 Jean d’Orléans, den Grafen von Angoulême und jüngeren Bruder Charles’ d’Orléans, der von 1412 bis 1445 in englischer Gefangenschaft war. Erst für das spätere 15. Jh. kann die Zirkulation weiterer Handschriften des französischen Prosatextes in Frankreich nachgewiesen werden. Siehe hierzu Frankis, Taste and Patronage, S. 82–84. Vor allem aber sind inhaltliche Änderungen gegenüber der angelsächsischen Versform, wie ein Verweis auf die von Richard

294  Katalog der Handschriften Maßnahmen der Familie Beauchamp zur Förderung des Guy-Kultes erfolgte und von Beauchamp, Margaret oder Talbot selbst anlässlich seiner Hochzeit mit letzterer veranlasst wurde.186 Mit der familiären Nähe zum Grafen von Warwick mag auch die Wahl des an Heraud d’Ardenne anschließenden Textes, der Legende des Chevalier au Cygne (Folia 273r–292r), in Zusammenhang gebracht werden, kam doch der Figur des Schwanenritters eine besondere Verehrung durch die Familie von Talbots Ehefrau zu. Der Bezug zur Tradition der Familie Beauchamp ist hier jedoch weniger gezielt, und die Legende des Schwanenritters erfreute sich zum Zeitpunkt der Kompilation des Shrewsbury Book allgemein größerer Popularität als die Guys von Warwick.187 Während Heldenlieder und -romane die ersten zwei Drittel des Shrewsbury Book ausmachen, dominieren im letzten Drittel Traktate über das Regieren, vor allem aber über das Rittertum und die Kriegsführung. Dieser Teil der Kompila­ tion wurde einschlägig von Craig Taylor untersucht.188 Den Anfang bildet Honoré Bouvets Arbre des Batailles, ein zwischen 1386 und 1389 in enger Anlehnung an Giovanni da Legnanos einflussreiches De Bello verfasster und Karl VI. gewidmeter Traktat über den Krieg und das Kriegsrecht (Folia 293r–326v).189 Die einleitende einspaltige Miniatur zeigt die Übergabe des Buches durch den Autor an den französischen König. Bouvets Werk erfreute sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts großer Beliebtheit in Frankreich, wie anhand der Vielzahl erhaltener Abschriften abzulesen ist, und konnte im Besitz von zahlreichen namhaften Zeitgenossen Talbots, etwa Jean de Berry, dem Herzog von Burgund und dem Herzog der Bretagne, nachgewiesen werden.190 Dass Talbot ebenfalls ein Exemplar besaß, ist mehr als wahrscheinlich; sein großes Interesse an Krieg und Kriegsrecht liegt auf der Hand, darüber hinaus war er lange genug in Frankreich, um wiederholt mit dem in England in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch wenig verbreiteten Werk in Berührung zu kommen. Es ist also denkbar, dass es sich bei dem im Shrewsbury Book eingebundenen Text um ein Exemplar aus Talbots Besitz oder eine Abschrift dessen handelt. Das Gleiche trifft auf den anschließenden Livre du Gouvernement des Roys et des Princes oder Régime des Princes zu, eine Übersetzung von Gilles de Romes De Beauchamp zu Ehren Guys gestiftete Kapelle, feststellbar, die gegen eine Datierung vor 1423 und für eine Verortung im Umfeld des Grafen sprechen, siehe hierzu ebd., S. 84–87 und de Mandach, Royal Wedding Present, S. 68. 186 Übergreifend hierzu siehe oben, Kap. 3.4.3. Vgl. Frankis, Taste and Patronage, bes. S. 82–84, 86–90. 187 Zum Text siehe Ward, Catalogue of Romances, S. 708–710; Crane, Performance of Self, S. 111–125; Mickel und Nelson, Epic Cycle of the First Crusade; zu den Miniaturen ebd., S. 534 f. Zur Verehrung des Schwanenritters durch die Familie Beauchamp siehe oben, Kap. 1.2.2. 188 Siehe Taylor, Treatise Cycle. 189 Ausführlicher zu Bouvets Werk und seinen Vorlagen siehe ebd., S. 136; Contamine, Penser la guerre et la paix, S. 3–16; Wright, Tree of Battles. 190 Zur Verbreitung des Werkes im 15. Jh. siehe ebd., S. 12–14; Taylor, Treatise Cycle, S. 136. Allgemein zur Verbreitung von zeitgenössischen Kriegstraktaten in der ersten Hälfte des 15. Jh.s in England siehe ders., English Writings; Genet, L’influence française.

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  295

Regimine Principum durch Henri de Gauchi ins Französische (Folia 327r–361r).191 Bei Gilles de Romes um 1280 für den Dauphin und späteren Philipp IV. verfassten Traktat handelt es sich um eine der im Spätmittelalter am weitesten verbreiteten Abhandlungen über das Regieren und die königliche Hofhaltung.192 Im Gegensatz zu den anderen im Shrewsbury Book enthaltenen Traktaten war Gilles de Romes Fürstenspiegel nicht nur in Frankreich, sondern auch in England bereits im 14. und frühen 15. Jahrhundert verbreitet und zirkulierte dort unter anderem in Übersetzungen John Trevisas und Thomas Hoccleves.193 Die Widmung des Buches durch den Autor an den französischen König ist in der einleitenden Miniatur dargestellt. In Frankreich wie in England weit verbreitet war auch der Bréviaire des Nobles von Alain Chartier (Folia 403r–404v).194 Der 1430 verstorbene Autor war seit etwa 1415 als Sekretär und Botschafter des Dauphins und späteren Königs Karl VII. tätig gewesen und hatte in dieser Zeit mehrere explizit anti-englische Texte zu Papier gebracht, etwa im Jahr 1422 den Quadrilogue invectif, in welchem die Leiden des Krieges angeprangert und die Einigkeit der Franzosen unter Karl VII. propagiert werden.195 Bei dem hier aufgenommenen 454-zeiligen Gedicht handelt es sich jedoch weniger um einen Kommentar zur politischen Situation der Zeit als um allgemein gehaltene Anweisungen zu dem der Nobilität angemessenen Verhalten. Das kurz nach 1415 verfasste, aus dreizehn Balladen bestehende Gedicht beginnt mit den Worten der Personifikation Noblesse, denen zufolge man in „Ses heures die en cestui livre breviaire“ sehen könne, welche ­Eigenschaften wahrhaft nobles Verhalten ausmachten.196 Es folgen zwölf weitere Strophen, in denen die zwölf Tugenden, die die Voraussetzungen für wahre Nobi191 Siehe

hierzu Taylor, Treatise Cycle, S. 135 f., 140; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 178, Nr. 11. 350 Handschriften des lateinischen Textes und verschiedener volkssprachlicher Übersetzungen, wovon die Übersetzung de Gauchis aus dem Jahr 1282 die häufigste ist, sind erhalten. Ausführlich zum Text, seiner Verbreitung und seinen Übersetzungen siehe Briggs, De Regimine Principum; Molenaer, Henri de Gauchi, Livres du Gouvernement, Introduction; außerdem Senellart, Les arts de gouverner, S. 180–205; Taylor, Treatise Cycle, S. 135 f.; Briggs, De Regimine Principum in England; Orme, From Childhood to Chivalry, S. 93 f., 96, 107; Deutschländer, Dienen lernen, S. 40 f. 193 Hierzu Briggs, De Regimine Principum, S. 74–90; Taylor, Treatise Cycle, S. 135  f. Exemplare des lateinischen oder übersetzten Textes sind in Frankreich bspw. im Besitz von Karl V., Karl VI., Philippe le Hardi, Jean de Berry und Charles d’Orléans nachweisbar, in England in den Sammlungen von Eduard III., Thomas of Woodstock, Henry Percy, Heinrich V., John of Bedford, Humphrey of Gloucester, Richard of York sowie Richard III. Daneben kann Margaret Beauchamp unter Vorbehalt der Besitz der in der Bodleian Library in Oxford befindlichen Handschrift MS Digby 233, die eine Übersetzung des Textes von John Trevisa enthält, zugewiesen werden, siehe ebd., S. 141 und Anm. 29. 194 Die Handschrift ist in 54 Exemplaren erhalten. Zum Text allgemein und zur Verbreitung siehe ebd., S. 137 f.; Laidlaw (Hrsg.), Alain Chartier, S. 393–409; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 167–169; Merisalo, Codice Miscellaneo, S. 450. 195 Zu Chartier vgl. jüngst Delogu et al. (Hrsg.), Companion to Alain Chartier, bes. den Beitrag Taylor, Alain Chartier and Chivalry; außerdem Laidlaw (Hrsg.), Alain Chartier; ders. (Hrsg.), Poèmes, S. 9–30; Merisalo, Codice Miscellaneo, S. 450. 196 London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 403r. 192 Über

296  Katalog der Handschriften

Abb. 21: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 403r, Detail

lität darstellen, erläutert werden: Foy, Loyauté, Honneur, Droitture, Proesse, Amour, Courtoisie, Diligence, Necteté, Largesse, Sobresce und Perseverance. Diese Tugenden sind in Form von elf weiblichen und zwei männlichen Personifikationen auch in der einleitenden zweispaltigen Miniatur dargestellt (Abb. 21). Dass der Bréviaire des Nobles zumindest zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Shrewsbury Book als einer der zentraleren Texte der Kompilation angesehen wurde, suggeriert seine prominente Stellung im zeitgenössischen Inhaltsverzeichnis: Lediglich drei Bestandteile der Kompilation werden explizit in dessen Einleitung aufgeführt, die einleitende Genealogie Heinrichs VI. auf Folio 3r, der Bréviaire des Nobles und die die Sammlung abschließenden Statuten des Hosenbandordens.197 Wie bereits angesprochen, machte man sich weder beim Arbre des Batailles noch beim Régime des Princes oder dem Bréviaire des Nobles die Mühe, die Text­ lagen vor der Einbindung durch heraldische oder persönliche Zeichen des Schenkenden oder der Empfängerin zu modifizieren.198 Auch Vorbereitungen für eine heraldische Verzierung sind nicht auszumachen. Dies lässt vermuten, dass zumindest bei der ursprünglich intendierten Verwendung der Aspekt der praktischen Nutzung den der Repräsentativität überwog. 197 Ebd., fol. 1v: „En

cest liure sont comprins xj. volumes de liures ensemble la gennelogie du Roy notre souuerain seigneur henrj. par la grace de dieu Roy de france et dangletere. le breuiare des nobles. et lordre des chevaliers de la garitiere des quelz ensuit la declaracion par ordre.“ Siehe hierzu auch Merisalo, Codice Miscellaneo, S. 448. 198 Fresco, Livre des fais d’armes, S. 167  f. zieht die Identifizierung der Personifikation Amour in der einleitenden Miniatur des Bréviaire des Nobles (fol. 403r) mit Talbot in Erwägung. Hierfür sprächen die Tatsache, dass das mittelfranzösische Wort amour feminin sei und daher eine weibliche anstelle der dargestellten männlichen Personifikation angebrachter wäre, sowie die ungewöhnliche Positionierung der Figur. Weitere Hinweise, die eine solche Deutung stützen würden, liegen jedoch nicht vor.

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  297

Anders stellt sich die Lage beim vorletzten Text der Kompilation dar, Christine de Pizans Livre des Fais d’Armes et de Chevalerie (Folia 405r–438v).199 Der Text war sehr wahrscheinlich 1410 vom burgundischen Herzog Jean sans Peur für seinen Schwiegersohn, den dreizehnjährigen Dauphin Louis de Guyenne, in Auftrag gegeben worden.200 Es handelt sich um eine praxisorientierte Abhandlung zur Ritterlichkeit und zur Kriegskunst mit Schwerpunkten auf der Kriegsführung, Belagerungstechniken und dem Kriegsrecht, die zum einen auf klassischen Traktaten, zum anderen auf neueren französischen Werken zur Kriegsführung, etwa dem Arbre des Batailles, basiert.201 Wenn auch nicht im gleichen Maße verbreitet wie andere Werke der Autorin, sind die Fais d’Armes doch immerhin in 24 Handschriften des 15. Jahrhunderts erhalten. Davon kann ein beträchtlicher Teil mit burgundischen Besitzern in Verbindung gebracht werden, ein Grund hierfür liegt zweifelsohne im urprünglichen Auftrag durch Jean sans Peur. Craig Taylor hebt die Außergewöhnlichkeit der Wahl der Fais d’Armes anstelle der vergleichbaren, in England wesentlich weiter verbreiteten und auch in Frankreich nach wie vor populären Epitoma Rei Militaris von Vegetius hervor.202 Diese sei etwa in den Buchsammlungen Heinrichs V., Humphreys of Gloucester und John Fastolfs nachweisbar, wohingegen Christine de Pizans Werk, ähnlich dem Arbre des Batailles, in England erst im 15. Jahrhundert an Popularität gewann – vermutlich unter anderem ausgelöst durch das Shrewsbury Book. Taylor erklärt die ungewöhnliche Wahl überzeugend mit Talbots standort- und berufsbedingtem Interesse an den in Frankreich vor dem Hintergrund des fortschreitenden Hundertjährigen Krieges in großer Zahl entstehenden praktischen und ethischen Schriften zum Krieg – ein Interesse, dass sich auch ansonsten in der Textzusammenstellung widerspiegelt. Auch hier ist gut möglich, dass der Text ursprünglich für Talbot selbst angefertigt wurde: Es sind keine heraldischen oder anderweitigen Hinweise auf Marguerite d’Anjou feststellbar, nichts spricht dafür, dass überhaupt jemals die Einfügung von Wappen vorgesehen war. Zu Talbot jedoch wird ein sehr direkter Bezug hergestellt, der die Bedeutung des Textes für den Auftraggeber unterstreicht: Die einleitende zweispaltige Miniatur, die von den Talbot-Illuminatoren ausgeführt wurde und zu den hochwertigsten der gesamten Kompilation zählt, stellt seine Erhebung in ein militärisches Amt durch Heinrich VI. dar, der Graf ist identifizierbar anhand eines Wimpels mit dem weißen Talbot-Hund (Farbabb. 17). Zwischen den Régime des Princes und den Bréviaire des Nobles wurden die Chroniques de Normandie eingebunden, die als einziger Text dieser Gattung innerhalb 199 Siehe

hierzu Taylor, Treatise Cycle, bes. S. 137, 141 f.; Fresco, Livre des fais d’armes und unter Vorbehalt Bossy, Arms and the Bride; Teague, Book of War. 200 Vgl. ebd., S. 26–32; Taylor, Treatise Cycle, S. 137; Willard, Christine de Pizan, S. 173–193; Willard und Willard, Book of Deeds of Arms, Introduction, S. 3–8. Zu Christine de Pizan und ihrem Œuvre siehe Willard, Christine de Pizan; Dunn, Margaret of Anjou, S. 41 f. 201 Zum Inhalt des Textes, seinen Vorlagen und seiner Verbreitung siehe ebd., S. 41; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 151–157, 161; Taylor, Treatise Cycle, S. 137. 202 Ebd., S. 141; ders., English Writings, S. 66  f.

298  Katalog der Handschriften

Abb. 22: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 363r, Detail

des Shrewsbury Book etwas aus dem Rahmen fallen (Folia 363r–401r) (Abb. 22).203 Hierbei handelt es sich um eine Prosa-Adaption des in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vom normannischen Autor Wace in Versform verfassten Roman de Rou et des Ducs de Normandie. Diese im Auftrag des englischen Königs Heinrich II. angefertigte Chronik behandelt den Zeitraum von Aubert, dem mythischen ersten Herzog der Normandie im 8. Jahrhundert, über seine Nachfahren bis zum beginnenden 12. Jahrhundert und wurde sehr wahrscheinlich in den 1170er Jahren unvollendet abgebrochen.204 In den zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten zum Shrewsbury Book wurden die Chroniques de Normandie bisher kaum beachtet, und dies, obwohl sie gerade für die von Talbot zum Ausdruck gebrachte Haltung gegenüber den Herrschaftsansprüchen Heinrichs VI. aufschlussreich sind. Den Abschluss der Kompilation bilden die Statuten des im 14. Jahrhundert von Eduard III. gegründeten Hosenbandordens (Folia 439r–440v).205 Obwohl sie in französischer Übersetzung verwendet wurden, handelt es sich zweifelsohne um 203 Knapp

zum Text siehe Merisalo, Codice Miscellaneo, S. 456; Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 178, Nr. 12. 204 Vgl. ebd.; Burgess, Roman de Rou, Introduction, bes. S. xiv–xvi. Welche Texte als Vorlage für den Zeitraum bis 1217, dem Jahr, mit dem die Chroniques de Normandie im Shrewsbury Book enden, gedient haben, ist weniger klar. Ausführlicher hierzu siehe Warner und Gilson, 15 E. vi, S. 178, Nr. 12. 205 Siehe hierzu Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111–113; Fresco, Livre des fais d’armes, S. 171  f.; Dunn, Margaret of Anjou; Collins, Order of the Garter, S. 249 f. Allgemein zum Hosenbandorden siehe ebd.; Begent und Chesshyre (Hrsg.), Order of the Garter, S. 9–18 und passim; Ormrod, For Arthur and St George; Boulton, Knights of the Crown, S. 96–167. Zu den Ordensstatuten siehe ebd., S. 118–122; Jefferson, Statutes and Records, S. 52–61.

Kat. 13: Das Shrewsbury Book  299

den ‚englischsten‘ der in der Kompilation enthaltenen Texte. Wie der Großteil der Heldenlieder waren sie offenbar ursprünglich für einen anderen Zweck als die fürstliche Schenkung angefertigt worden und mussten ihrem neuen Zweck mittels der Einfügung des Bannerträgers und der Wappen angepasst werden (Farbabb. 18). Die einleitende Miniatur zeigt die Versammlung der Ordensmitglieder in der Ordenskapelle in Windsor, in Anbetung des heiligen Georg, der im Zentrum der Darstellung auf einem Altar den Drachen erlegt und von der Prinzessin mit dem Schaf begleitet wird. Bei dem links präsidierenden König und den um den Altar knienden, den traditionellen blauen, mit dem Ordenssymbol verzierten Umhang tragenden Ordensrittern handelt es sich Jonathan Alexander folgend sicherlich um den Gründer Eduard III. und seine Gründungsmitglieder. Wäre der Orden zur Zeit der Anfertigung der Miniatur dargestellt, hätte Talbot, der seit 1424 Mitglied des Ordens war, vermutlich Sorge getragen, dass er zu identifizieren sei.206 Die prominente Positionierung am Ende der Kompilation betont einmal mehr die wichtige Rolle, die der Hosenbandorden und sein Patron für den Auftraggeber Talbot einnahmen und die er durch die fürstliche Schenkung inszenierte. Die Erörterung des Shrewsbury Book macht seinen überaus heterogenen und komplexen Charakter deutlich. Die enthaltenen Texte reichen inhaltlich von auf Unterhaltung und allgemeine Bildung angelegten Ritter- und Heldengeschichten über moralisch-ethische Abhandlungen bis zu praktischen militärischen Handbüchern. Was die dekorative Ausstattung anbetrifft, erstreckt sich die Sammlung von kaum oder gar nicht personalisierten Exemplaren bis zu reich heraldisch dekorierten Texten, die überdies in Aufwand und Umfang der Illustrationen stark variieren. Die Diskussion des kodikologischen und ikonografischen Befundes sowie des historischen Kontexts der Zusammenstellung zeigt zudem, wie vielschichtig und komplex sich die Frage nach der ursprünglich intendierten Verwendung der einzelnen Texteinheiten und der Funktion der Kompilation als Ganze und damit zusammenhängend ihres vorgesehenen Rezipientenkreises darstellt. Für welchen Besitzer die Texte jeweils ursprünglich begonnen wurden, lässt sich in keinem Fall mit Sicherheit feststellen. Unter Vorbehalt können auf Basis des stilistischen und kodikologischen Befundes jedoch eine Reihe von Vermutungen angestellt werden: So mag der Roman d’Alexandre von Beginn an für die Prinzessin vorgesehen gewesen sein, in den meisten anderen Fällen ist jedoch, Catherine Reynolds und Anthony Pollard folgend, wahrscheinlicher, dass es sich um ursprünglich für Talbot selbst angefertigte Texte handelt, die unter Zeitdruck für die Kompilation adaptiert wurden.207 Für die vorliegende Untersuchung ist die Frage danach, welche Texte eigens für Marguerite d’Anjou angefertigt wurden, letztlich von untergeordneter Relevanz. Wichtiger ist, dass sie offenbar bewusst, wenn auch in Eile, für die Prinzessin ausgewählt und zum Zweck der Schenkung 206 Alexander,

Painting and Manuscript Illumination, S. 151; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 111. Good, Saint George in Medieval England, S. 86 hingegen vermutet ohne weitere Begründung, dass der Hosenbandorden zur Zeit Heinrichs VI. dargestellt sei. 207 Vgl. Reynolds, Shrewsbury Book, S. 109; Pollard, John Talbot, S. 123.

300  Katalog der Handschriften angepasst wurden. Durch ihre Zusammenstellung und die im Zuge dessen vorgenommenen adaptierenden Maßnahmen erhielten sie neue, über ihre jeweiligen Einzelfunktionen hinausgehende Bestimmungen: So dienten sie, insbesondere in Kombination mit der Widmungsdoppelseite, der Inszenierung von Talbots Haltung gegenüber den internationalen politischen Entwicklungen, allen voran den herrschaftlichen Ansprüche Heinrichs VI., ebenso aber der Positionierung des Grafen innerhalb des politischen Gefüges. Daneben sollten sie die junge Prinzessin unterhalten, informieren, belehren und erziehen. Mit der funktionalen Vielschichtigkeit der Kompilation geht einher, dass auch der vom Auftraggeber intendierte Rezipientenkreis in Abhängigkeit von der ­jeweiligen Funktion immer wieder neu definiert werden muss: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass neben Marguerite d’Anjou vor allem ihr Ehemann Heinrich eine wichtige Rolle als Adressat spielte.208 Gerade was die Repräsentation politischer Vorstellungen angeht, richtete sich die prachtvolle und prestigeträchtige Kompilation über das königliche Paar hinaus ohne Zweifel an sein weiteres höfisches Umfeld.209 Dafür, dass die enthaltenen Texte allerdings auch darüber hinaus in England Niederschlag fanden, spricht eine von Craig Taylor festgestellte Entwicklung: Er konnte herausarbeiten, dass eine Reihe der im Shrewsbury Book enthaltenen spätmittelalterlichen Traktate zur Kriegsführung und zum Rittertum erst gegen Ende des Hundertjährigen Krieges in England Verbreitung fanden, während sie in Frankreich bereits seit längerem zirkulierten, etwa der Arbre des Batailles und die Fais d’Armes. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung schreibt er nicht zuletzt Talbots Schenkung zu.210

Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher Dem Besitz John Talbots und Margaret Beauchamps können drei im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts größtenteils in Rouen illuminierte Stundenbücher zugesprochen werden. Es handelt sich um die sogenannten Hours of John Talbot (Kat. 14a) und die Hours of Margaret Beauchamp (Kat. 14b) im Fitzwilliam Museum in Cambridge und ein weiteres Stundenbuch des Grafen in der University of Aberdeen (Kat. 14c).211 Im Unterschied zur repräsentativen und exzeptionel208 Dies

betont auch Hedeman, Role of the Visual, S. 106–113. Lesekultur am Hof siehe Taylor, Time of an Anthology, S. 125–132; Wijsman, Luxury Bound, S. 125–131; Green Firth, Textual Communities. Zum Lesen und Vorlesen profaner Texte bei Hof im Spätmittelalter siehe Coleman, Public Reading, S. xi, 93–147; Thorpe, Writing and Reading, S. 136 f. 210 Vgl. Taylor, Treatise Cycle; ders., English Writings, S. 71–74, 84. Allgemein zu dieser Entwicklung siehe jüngst ders., Ideals of Knighthood; Allmand und Keen, History; Genet, L’influence française. 211 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950 (Talbot Hours) (Pergament, 144 fol., ca. 275 x 110 mm); Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950 (Beauchamp Hours) (Pergament, 102 fol., ca. 220 x 110 mm); Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1 (Pergament, 121 fol., ca. 224 x 90 mm). Die drei Handschriften werden auch diskutiert oben, Kap. 1.3.3, 3.2.2, 3.4.1, Kat. 13, 18a–d; MS 40-1950 außerdem oben, Kap. 3.4.2, Kat. 12; Blair’s College MS 1 außerdem oben, Kat. 12. 209 Zur

Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher  301

len Kompilation für Marguerite d’Anjou handelt es sich bei Stundenbüchern um die für das 15. Jahrhundert am häufigsten überlieferten Texte. Die wissenschaftliche Erarbeitung der drei Handschriften beschränkt sich weitestgehend auf Einträge in Bestands- und Ausstellungskatalogen sowie knappe Erwähnungen in übergreifenden Arbeiten zur spätmittelalterlichen Rouennaiser Buchmalerei. Die beiden Cambridger Handschriften wurden darüber hinaus in kultur- und literaturwissenschaftlichen, auf Aspekte der privaten Devotion fokussierenden Studien gestreift.212 Die Handschriften stehen auch abgesehen von ihrem gemeinsamen Auftraggeber beziehungsweise Besitzer und ihrer stilistischen Verortung in vielerlei Hinsicht in engem Zusammenhang miteinander und sollen daher gemeinsam erörtert werden: Es handelt sich um vergleichsweise aufwendig illustrierte lateinische Gebetbücher für den Brauch von Sarum.213 Alle drei Handschriften beinhalten neben den dem Standard der Zeit entsprechenden Texten – Kalender, Marienoffizium, hier mit eingearbeitetem Kreuzoffizium, Bußpsalmen, Litanei, Totenoffizium und weiteren üblichen Gebeten, Hymnen und Memoriae – eine Reihe zusätzlicher, zum Teil personalisierter Gebete, die sich vielfach überschneiden. Einige dieser Texte sollen hier schlaglichtartig in den Blick genommen werden. Neben den inhaltlichen Analogien ähneln sich die drei Handschriften in ihrem ungewöhnlich hohen und schmalen Format.214 Zudem werden die Gebetstexte 212 Zu

den Cambridger Handschriften siehe Payne und Backhouse, Books of Hours; James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83 und 84, S. 218–238; Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 441–453. Zur Handschrift in Aberdeen siehe Ker, Medieval Ma­ nuscripts, Bd. 2, S. 113–118; knapp Holmes, Liturgical Books, S. 163, Nr. 91. An kunsthistorischen Arbeiten, in denen Talbots Stundenbücher berücksichtigt werden, sind Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113; dies., English Patrons, S. 305 f.; Crispin, French Book Illumination zu nennen. Mit Aspekten der privaten Devotion beschäftigten sich Duffy, Marking the Hours, S. 67–80; Rudolf, Middle English Devotional Prayer (beide zu MS 40-1950); Gray, Illustrated Poem (zu MS 41-1950). Erste Ergebnisse meiner Recherche zu den Cambridger Stundenbüchern konnte ich im März 2012 beim 14. Studientag zum Englischen Mittelalter in Göttingen präsentieren und zur Diskussion stellen. Ich danke den Teilnehmern des Seminars, insb. Winfried Rudolf, für hilfreiche Anregungen. Für seine großzügige Hilfe bei der Erschließung der bisher kaum wissenschaftlich untersuchten Aberdeener Talbot Hours, die sich zum Zeitpunkt meiner Recherche noch im Columba House in Edinburgh befanden, danke ich Andrew Nicoll (Scottish Catholic Archives, Columba House). 213 Der liturgische ‚Brauch‘ von Stundenbüchern variierte je nach Region und kann anhand lokaler Besonderheiten in den Gebetstexten festgestellt werden. Für englische Nutzer angefertigte Stundenbücher richteten sich nach dem liturgischen Brauch von Sarum bzw. Salisbury. Siehe oben, Kap. 1.1.3, Anm. 98 sowie Mirwald-Jakobi, Das mittelalterliche Buch, S. 104 f.; Wieck, Time Sanctified, S. 149–152. 214 Weshalb alle drei Handschriften dieses für spätmittelalterliche Bücher ungewöhnliche Format aufweisen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Van der Velden, Prayer Roll, S. 540 verweist in seiner Diskussion über textliche Zusammenhänge zwischen der Prayer Roll of Henry Beauchamp und den Stundenbüchern Talbots auf das an eine Gebetsrolle erinnernde Format der Stundenbücher. John Lowden, dem ich für seinen Hinweis danke, schlägt allgemein für mittelalterliche Handschriften von derartigem Format vor, dass man vorgehabt habe, spätantike oder karolingische Elfenbeintafeln als Buchdeckel zu verwenden, um dadurch das Prestige der Objekte noch zu steigern. Siehe Lowden, Tall Narrow Books. Derartig aufwendige Ausstattungsmaßnahmen sind bei den vorliegenden zwar zweifelsohne teuren,

302  Katalog der Handschriften durch jeweils sehr ähnlich aufgebaute Widmungsseiten eingeleitet (Farbabb. 19, 21, 26).215 In der oberen Seitenhälfte befindet sich jeweils eine Miniatur des Grafen von Shrewsbury und seiner Ehefrau in Anbetung der thronenden Gottesmutter. Die Betenden werden von ihren Schutzpatronen, den Heiligen Georg und Margareta, begleitet, Talbot ist in Rüstung und Wappenrock dargestellt. Die heraldische Ausgestaltung der unteren Seitenhälfte ist nur im Falle der Cambridger Talbot Hours (Kat. 14a) in ihrer ursprünglichen Form erhalten: Mittig ist eine Schriftrolle, die das Motto Talbots „mon seul desir“ trägt, abgebildet. Sie wird von einer Standarte mit seinem Wappen und einer Standarte mit dem Wappen der Familie Beauchamp flankiert. Unter diesen sind, jeweils von Hosenbändern medaillonartig eingeschlossen, der weiße Talbot-Hund mit einem goldenen Stab und der Beauchamp-Bär mit einem goldenen ragged staff dargestellt. Den unteren Abschluss bildet ein von Margeriten eingefasstes, gekröntes goldenes Monogramm der Initialen des Stifterpaares; Margeriten dominieren auch die sonstige Dekoration der Seite.216 Ob sie als Symbol der Gräfin von Shrewsbury oder – im Stundenbuchkontext ebenfalls naheliegend – als Mariensymbol zu verstehen sind, ist nicht eindeutig zu klären. Die Cambridger Beauchamp Hours (Kat. 14b) waren ursprünglich sehr ähnlich gestaltet, wobei die Devisentiere des Paares hier nicht in den Hosenbändern abgebildet waren, sondern als Standartenträger fungierten. Sowohl die Devisen als auch die Wappen wurden jedoch zu einem unbekannten Zeitpunkt entfernt.217 Im Falle der in ihrer ursprünglichen Gestaltung mit den Cambridger Talbot Hours identischen Aberdeener Talbot Hours (Kat. 14c) wurden die Wappen und das Monogramm unter dem späteren Besitzer James Bethune of Balfour übermalt; die Devisen wie auch die Figur des heiligen Georg wurden stark beschädigt.218 Die malerische Ausstattung der Stundenbücher kann zum Großteil den Rouennaiser Künstlern zugewiesen werden, die auch für die Ausmalung des Shrewsbury Book verantwortlich gewesen waren (Kat. 13): So ist die Illumination der Aberdeener aber keineswegs außergewöhnlich kostbaren Werken eher unwahrscheinlich, möglich ist jedoch, dass man hier und in vergleichbaren Fällen Buchdeckel aus wertvollen Elfenbeintafeln imitierte, vielleicht durch günstigere Materialien wie geschnitztes Holz. 215 Fitzwilliam Museum MS 40-1950 (Talbot Hours), fol. 7v; MS 41-1950 (Beauchamp Hours), fol. 2v; Blair’s College MS 1 (Talbot Hours), fol. 4v. 216 Siehe zur Widmungsseite von MS 40-1950 auch Duffy, Marking the Hours, S. 71. Die beiden Monogramme bestehen jeweils aus den Buchstaben M, B, J und T, also den Anfangsbuchstaben der Vor- und Familiennamen der Besitzer. Ein kleiner Unterschied kann beim Buchstaben J festgestellt werden, der in MS 40-1950 rechts und in MS 41-1950 mittig positioniert wurde. Ob es hierfür einen besonderen Grund gibt oder ob die Abweichung einfach mit den unterschiedlichen Werkstätten erklärt werden kann, ist unklar. 217 Reste der Tierpfoten und des Hundeschwanzes sind noch zu erkennen, die Wappenumrisse können ebenfalls ausgemacht werden. Ob die Seite ursprünglich mit dem Motto Talbots ausgestattet war, ist nicht zu erkennen. 218 Die ursprünglichen Wappen sind auf dem Recto der Seite zu erkennen. Der Schotte James Bethune of Balfour (gest. 1603) ist im 16. Jh. im schottischen Kolleg in Paris greifbar. Vermutlich kam er hier in den Besitz der Handschrift und brachte sie von Paris nach Schottland. Siehe zur Provenienz und Bethune of Balfour Ker, Medieval Manuscripts, Bd. 2, S. 118; Holmes, Liturgical Books, S. 163, Nr. 91; Balfour Paul, Memorial Catalogue, Nr. 689 (o.S.).

Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher  303

Handschrift vollständig und die der Cambridger Talbot Hours zu weiten Teilen den sogenannten Talbot-Illuminatoren zuzuschreiben, wenngleich die stark variierende Qualität auf die Beteiligung mehrerer Hände weist. Die Cambridger Beauchamp Hours können zum Großteil einer in Rouen tätigen, im Bedford-Stil ausgebildeten Werkstatt zugewiesen werden.219 Gerade die Illumination der von den standardisierten Kerntexten abweichenden Gebete weist jedoch eine Reihe von Unregelmäßigkeiten auf, die im Folgenden genauer beleuchtet werden sollen. Besonders komplex ist der kodikologische Befund der Cambridger Talbot Hours. Hier wurden höchstwahrscheinlich bereits zu Talbots Lebzeiten mindestens dreimal Eingriffe vorgenommen. Die Handschrift weist unterschiedlich große, teilweise beschnittene Lagen, Erweiterungen, Um- und Fehlbindungen auf, außerdem Unvollständigkeiten im dekorativen Programm und die Beteiligung einer Vielzahl von Schreibern und Illuminatoren.220 Die erste Modifizierung erfolgte vielleicht noch vor der Bindung der Handschrift: Die von den Talbot-Illuminatoren ausgestatteten Kernbestandteile des Stundenbuches weisen keine ‚persönlichen‘ Elemente auf, die einzige Ausnahme stellt die Widmungsseite dar (Farbabb. 19). Hierbei wiederum handelt es sich um ein stark beschnittenes Einzelblatt. Möglicherweise hatte die Werkstatt die Standardteile des Stundenbuches bereits ohne bestimmten Auftraggeber im Sinn fertiggestellt und erst anlässlich des Erwerbs durch den Grafen von Shrewsbury fügte man die personalisierte Widmungsseite ein und band die Textlagen.221 Die Annahme, dass Stundenbücher, der ‚Bestseller‘ auf dem spätmittelalterlichen Büchermarkt, in gewissem Umfang auf Vorrat angefertigt, ungebunden dem potentiellen Käufer angeboten und erst dann mit entsprechenden Portraits, Devisen oder Wappen ausgestattet und gebunden wurden, wurde im Rahmen der Pariser Handschriften Bedfords diskutiert.222 Ebenfalls noch in Rouen wurden zusätzliche, teils mit Illustrationen ausgestattete französische und englische Gebete in die bereits bestehende Handschrift eingefügt.223 So wurde allem Anschein nach auf Folia 67v und 68r bestehender Text 219 Knapp

zur stilistischen Verortung der Illuminationen siehe Payne und Backhouse, Books of Hours, S. 230 f.; Reynolds, English Patrons, S. 305 f. 220 Zum kodikologischen Befund siehe Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, bes. S. 441. 221 Die Illumination der Widmungsseite wurde durch einen Maler ausgeführt, der eher die untere Grenze der qualitativen Spannbreite des Talbot-Stils repräsentiert. Dies zeigt sich am direkten Vergleich der Widmungsseite und hochwertigerer Miniaturen im Kerntext, etwa der Miniatur der Darbringung im Tempel zu Beginn der Non im Marienoffizium (fol. 30r), der Miniatur König Davids zu Beginn der Bußpsalme (fol. 37r) oder der Darstellung der Gottesmutter in einer Lilie, die eine Hymne an die Jungfrau einleitet (fol. 73r). Stilistische Unterschiede sind insb. in der Modellierung und Proportionierung der Figuren festzustellen. 222 Vgl. hierzu oben, Kat. 6. Siehe außerdem allgemein zu dieser Praxis Watson, Playfair Hours, S. 30, 39 f., 76; Lewis, Devotional Images, S. 29 f.; de Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168– 198. 223 Für die Verortung der Eingriffe nach Rouen sprechen Fehler in den englischen Texten, die Duffy, Marking the Hours, S. 71 auf Probleme der Rouennaiser Schreiber mit der englischen Sprache zurückführt. Siehe zu den Rouennaiser Erweiterungen ebd., S. 71–77; Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 442–446.

304  Katalog der Handschriften

Abb. 23: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 82r, Detail

entfernt und durch Memoriae der heiligen Rouennaiser Bischöfe Mellon und Romanus ersetzt.224 Unmittelbar anschließend an eine englische Litanei, deren sechs Miniaturen wie die sonstige Ausstattung der Kerntexte den Talbot-Illuminatoren zugeschrieben wird (Folia 81r–82r), wurde in abweichender Schrift eine Memoria des heiligen Ursinus von Bourges, Schutzpatron von Lisieux, eingefügt (Folio 82r, unten) (Farbabb. 20; Abb. 23). Diese wurde darüber hinaus mit einer Illustration des Heiligen ausgestattet, die ihn, flankiert von Talbot im Wappenrock und Margaret, begleitet vom Talbot-Hund, zeigt, und stilistisch deutlich vom Werk der Talbot-Illuminatoren abweicht.225 Der hier vermutlich als Notlösung herangezogene Buchmaler war offenbar auch für eine weitere nachträgliche Einfügung verantwortlich: In der Textlage, die das zum Kernbestand gehörige Marien- und Kreuzoffizium abschließt (Folia 33–36), waren noch einige unbeschriebene Seiten übrig; in diese fügte man unter anderem eine Memoria des heiligen Sebastian und eine Memoria des heiligen Hildevert, Bischof von Meaux, ein (Folia 34v–36v), deren Illustrationen stilistisch mit der Ursinus-Miniatur vergleichbar sind.226 Es ist anzunehmen, dass diese auf den Wunsch des Auftraggebers zurückgehenden Modifizierungen vorgenommen wurden, nachdem die Standardtexte bereits wei224 Die Eingriffe erstrecken sich über zwei Lagen (fol. 61–67; 68–69). Siehe hierzu auch ebd., S. 444. 225 Siehe zur Memoria des hl. Ursinus Duffy, Marking the Hours, S. 74–76. Zum stilistischen

Befund siehe James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83, S. 232. Zur englischen Litanei siehe Gray, Illustrated Poem. 226 Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 442 datieren die Schrift der Einfügung etwas später als die der Kerntexte. Sie folgt direkt auf die Fünf Freuden der Jungfrau, die zum Standardprogramm der Stundenbücher der Zeit gehören. Zu den Miniaturen siehe James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83, S. 231.

Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher  305

testgehend fertiggestellt und ausgestattet worden waren. Ob die Handschrift zu diesem Zeitpunkt bereits gebunden war – sich vielleicht bereits seit einigen Jahren in Benutzung befunden hatte –, ist unklar. Die stilistischen Abweichungen sprechen unter Vorbehalt dafür, dass die Eingriffe nicht im Zuge der Einbindung der Widmungsseite erfolgten, sondern später. Zu erneuten Erweiterungen der Handschrift – möglicherweise in mehreren Stufen – kam es in England, höchstwahrscheinlich während Talbots Aufenthalt auf der Insel zwischen 1445 und 1447 oder zu Beginn der 1450er Jahre. Bei den heute am Ende der Handschrift eingebundenen Texten, deren Dekoration sich auf Federzeichnungen beschränkt, handelt es sich um ein umfangreiches und inhaltlich wie auch kodikologisch überaus heterogenes Konglomerat aus Gebeten, Messen und Offizien (Folia 107r–135v), wobei ein Fokus auf kriegerischen Themen festgestellt werden kann.227 So fleht der Betende im ersten Text, einem englischen Kriegsgebet, Christus um Hilfe zum Sieg über seine Feinde und den heiligen Georg um Macht über seine Gegner in der Schlacht an. Der heilige Christopher wird um Unterstützung zu einer sicheren Rückkehr nach England gebeten.228 Den Abschluss auf Folio 135v wiederum bildet ein lateinisches Gebet an den heiligen Georg, in welchem dieser als hervorragender Soldat und „flos milicie“, als Hoffnung der Engländer und als Licht und Zierde der Krieger angesprochen wird.229 Eine bildhafte Verbindung zwischen dem Gebet und Talbot wird durch das dreifache Auftreten seines Namens in der Zierinitiale S hergestellt (Abb. 24). Weder die Anfertigung der Kerntexte und die Adaption der Handschrift durch die Einfügung der Widmungsseite unter den Talbot-Illuminatoren noch die Rouennaiser Eingriffe – die Erweiterung um die zum Teil illustrierten Memoriae der Heiligen Mellon, Romanus, Ursinus von Bourges, Sebastian und Hildevert von Meaux – lassen sich zeitlich präzise fassen, der stilistische Befund spricht für eine Datierung frühestens in die Mitte der 1430er Jahre.230 Die ‚englischen‘ Zusätze 227 Zu

den englischen Erweiterungen siehe ebd., S. 224 f.; Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 445; Duffy, Marking the Hours, S. 77–80; Rudolf, Middle English Devotional Prayer. 228 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 107v: „[I]esu whom ye serue dayly / Uppon ʒour enemys gyff you victory. […] And saynt George the gode knight / Over your ffomen geue ʒou myʒt. […] Saynt christophre botefull on see and lond / Joyfully make you see Englond.“ Das Gebet wurde von Duffy, Marking the Hours, S. 80 transkribiert. 229 Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 135v: „Salve martir gloriose / Ave miles preciose / Christi flos milicie / O, georgi graciose […] Salve martir spes anglorum / Lux et decus bellatorum“. 230 Zur Datierung siehe Payne und Backhouse, Books of Hours, S. 230; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113. Der auf stilistischen Aspekten basierenden Datierung steht die Gestaltung der Houppelande Margaret Beauchamps auf fol. 7v entgegen, deren weite Ärmel Scott, Kleidung und Mode, S. 109–111 zufolge in die Mode der 1420er zu verorten sind, in den 1430ern jedoch von engeren Ärmeln, wie sie z. B. in der Darstellung Margarets auf fol. 82v zu sehen sind, abgelöst wurden. Die Tatsache, dass Margaret nur in Miniaturen der Talbot-Illuminatoren mit weiten Ärmeln dargestellt ist, spricht dafür, dass diese vergleichsweise altmodische Darstellung auf die Künstler und nicht den Wunsch der Auftraggeber zurückzuführen ist. Auch auf der nicht vor 1444 datierenden Widmungsseite des Shrewsbury Book stellten die Talbot-Illuminatoren Gewandärmel noch in der weiten Form dar, London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v.

306  Katalog der Handschriften

Abb. 24: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 135v, Detail

der Cambridger Talbot Hours können in die Mitte der 1440er oder die frühen 1450er Jahre datiert werden. Interessante Hinweise bieten die vermutlich zum Großteil auf den Wunsch Talbots selbst zurückgehenden modifizierenden und personalisierenden Maßnahmen vor allem zu seiner devotionalen Praxis im Kontext des Krieges mit Frankreich: So adaptierte er während seines Dienstes in Nordfrankreich religiöse Bräuche und entwickelte Präferenzen für lokale Heilige. Es verwundert kaum, dass hier Zusammenhänge mit seinen vorwiegenden militärischen und administrativen Stationierungen festzustellen sind: Rouen, Wirkstätte der heiligen Bischöfe Mellon und Romanus, war neben Paris der wichtigste Stützpunkt der englischen Besatzer in Frankreich, Meaux in der Île-de-France unterstand lange der militärischen Zuständigkeit Talbots. In der normannischen Stadt Lisieux wiederum besaß die Familie des Grafen Ländereien, und offenkundig hatte er eine besondere Vorliebe für den Schutzpatron der Stadt, Ursinus, entwickelt, wie die Miniatur der Anbetung des Heiligen durch den Grafen und die Gräfin von Shrewsbury zeigt. Ebenso reflektiert die Handschrift jedoch, welch große Rolle die militärischen Konflikte in Talbots Alltag einnahmen.231 231 Siehe

hierzu oben, Kap. 3.4.1 und 3.4.2 sowie Duffy, Marking the Hours, S. 76 f.

Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher  307

Weniger komplex stellt sich der kodikologische Befund im Fall der Cambridger Beauchamp Hours dar, wobei auch hier Modifizierungen im Sinne einer Anpassung an die intendierte Nutzerin des Stundenbuches feststellbar sind.232 Erneut legen stilistische und kodikologische Hinweise nahe, dass die verantwortlichen Künstler ein standardisiertes Stundenbuch für englische Nutzung auf Vorrat ­produziert hatten, das erst anlässlich des Erwerbs durch oder für Margaret Beauchamp für diese adaptiert und dann gebunden wurde. So wird der Großteil der ­Illustrationen dem Rouennaiser Nachfolger des Bedford Meisters zugeschrieben (Farbabb. 22, 23); stilistische Abweichungen, die vielleicht für die Übertragung an einen unabhängigen Illuminator, eher jedoch an einen oder zwei Assistenten des Meisters, die seine Arbeitsweise zwar kannten, aber weniger geschickt umsetzten, sprechen, sind zum einen in der Widmungsminiatur festzustellen (Farbabb. 21), zum anderen in den fünfzehn Illustrationen einer englischen Litanei (Folia 54r– 58v) (Farbabb. 24, 25).233 Sowohl die Widmungsminiatur als auch die Litanei befinden sich auf von den Kerntexten unabhängigen Textlagen, im Falle der Litanei weicht zudem die Bordürendekoration leicht vom üblichen Stil ab.234 Es ist also denkbar, dass die personalisierte Widmungsseite und die englische Litanei einer zweiten Ausstattungskampagne, die im gleichen Werkstattverbund verortet werden kann wie die erste Kampagne und vermutlich noch vor der Bindung auf Wunsch des Auftraggebers beziehungsweise der Auftraggeberin erfolgte, zuzurechnen ist. Wie im Falle der Cambridger Talbot Hours beruht auch hier die Datierung in die zweite Hälfte der 1430er oder die 1440er Jahre vor allem auf dem stilistischen Befund.235 Die Aberdeener Talbot Hours stellen sich stilistisch und in ihrem kodikologischen Befund weitgehend homogen dar, auch hier ist es jedoch möglich, dass die 232 Auch

hier sind eine Reihe nachträglicher Umbindungen und Beschneidungen feststellbar, die jedoch für die vorliegende Untersuchung unerheblich sind. Siehe Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 449–451. 233 Knapp zur Zuschreibung an den Rouennaiser Nachfolger des Bedford Meisters siehe Payne und Backhouse, Books of Hours, S. 230 f. Während sich Arbeiten, die dem Œuvre dieses Meisters zugeschrieben werden, durch den weitgehenden Verzicht auf Schwarz auszeichnen, werden hier Konturen durch schwarze Linien wiedergegeben. Modellierungen und Schattierungen werden durch Strichelungen in Schwarz oder kontrastierenden Farben erzeugt, während der Nachfolger des Bedford Meisters hierzu feinteilige Abstufungen des Lokaltons einsetzt. Zudem sind die Widmungsminiatur und die Illustrationen der Litanei weniger fein gezeichnet und die Bildkompositionen weniger ausgewogen und zum Teil überfrachtet. 234 Die Widmungsminiatur befindet sich auf einem zu Beginn des Buches eingebundenen Bifolio (fol. 1–2), die Litanei nimmt eine aus zwei Bifolia bestehende Lage (fol. 54–57) sowie ein Einzelblatt (fol. 58) ein. James’ Angaben zur Kollation weichen leicht von meinen Beobachtungen ab, James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 84, S. 233. 235 Siehe hierzu Payne und Backhouse, Books of Hours, S. 230; Reynolds, Shrewsbury Book, S. 113. James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83 und 84, S. 218, 233 und ihm folgend Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 441, 449 schlagen eine Anfertigung beider Bücher anlässlich der Eheschließung Talbots und Margarets im Jahr 1424 vor, dies erscheint jedoch angesichts des stilistischen Befunds zu früh. Eine Datierung ab den 1430er Jahren wird durch die Darstellung der anliegenden Gewandsärmel Margarets in der Widmungsminiatur gestützt, siehe hierzu Scott, Kleidung und Mode, S. 109–111.

308  Katalog der Handschriften Widmungsseite erst anlässlich des Erwerbs durch Talbot ausgeführt und in das vorbereitete Buch eingefügt wurde. Hierfür sprechen leichte Abweichungen in Format und Pergamentqualität des betreffenden Bifolio.236 Die Ausstattung des kleinsten der drei Stundenbücher kann durchgängig den Talbot-Illuminatoren zugeschrieben werden, eine Datierung in die 1440er Jahre ist im Vergleich zu ­anderen Arbeiten des Künstlerverbundes, insbesondere den Cambridger Talbot Hours, naheliegend.237 Zu letzteren weist die Aberdeener Handschrift auch in ikonografischer Hinsicht zahlreiche Analogien auf, was angesichts des zu weiten Teilen standardisierten Bildprogramms von Stundenbüchern aus dem hier besprochenen Entstehungskontext kaum überrascht. Schließlich wurden bereits verschiedentlich die engen textlichen Zusammenhänge zwischen den drei Stundenbüchern festgestellt. So treten auch abgesehen von den standardisierten Stundenbuchtexten eine ganze Reihe von Zusatzgebeten in allen drei oder in zwei der drei Bücher auf, wenn auch die Reihenfolge variiert.238 Ferner sind Überschneidungen in Fehlern der Schreiber feststellbar, die auf gegenseitiges Abschreiben oder gemeinsame Vorlagen weisen; dies trifft nicht zuletzt auf die englischen Gebete zu, mit denen die Rouennaiser Schreiber offenbar sprachliche Probleme hatten. Ein Beispiel hierfür ist die im Rahmen der Cambridger Beauchamp Hours angesprochene reich illustrierte englische Litanei (Folia 54r–58v), für die basierend auf stilistischen Abweichungen vorgeschlagen wurde, dass ihre Einfügung in das Stundenbuch auf den gezielten Wunsch der Auftraggeberin erfolgt sei. Der gleiche, ebenfalls großzügig illuminierte Text tritt auch in den Aberdeener Talbot Hours (Folia 96r–98v) (Farbabb. 27, 28, 29) und unvollständig in den Cambridger Talbot Hours (Folia 81r–82r) (Farbabb. 20) auf.239 In den beiden letztgenannten Fällen ist ebenfalls möglich, dass die Litanei nicht zum Stundenbuchkern gehörte, sondern explizit auf Wunsch des Auftraggebers in die236 Es

ist denkbar, dass das Bifolio, auf dem die Widmungsminiatur ausgeführt wurde, um die ursprünglich aus zwei Bifolia bestehende Kalenderlage am Anfang des Buchblocks herumgebunden wurde. Dadurch entstand eine aus drei Bifolia bestehende Lage, deren erstes und fünftes Blatt beidseitig unbeschriftet blieben, die auf dem zweiten, dritten und vierten Blatt beidseitig den Kalender enthielt und auf dem Verso des sechsten Blattes die Widmungsminiatur. In der zeitgenössischen Foliierung werden die beiden unbeschrifteten Folia nicht berücksichtigt, weswegen die Widmungsseite mit 4v und nicht 6v gekennzeichnet ist. Zur Kollation siehe Ker, Medieval Manuscripts, Bd. 2, S. 118. Wie der Kalender der Cambridger Beauchamp Hours weist auch der hier vorliegende Kalender Fehler auf, die auf Hast oder aber die Unkenntnis der französischen Schreiber der spezifisch ‚englischen‘ Heiligen zurückgeführt werden können. So wird etwa der hl. David, der am 1. 3. verehrte populäre Waliser Bischof, hier mit König David verwechselt. 237 Ebd., S. 112 datiert die Handschrift in die Mitte des 15. Jh.s. Holmes, Liturgical Books, S. 163, Nr. 91 schlägt eine Verortung um 1450 vor, was ebenfalls nicht auszuschließen ist. 238 Siehe hierzu im Detail Ker, Medieval Manuscripts, Bd. 2, S. 114–118; Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 442–446, 449–453. Im Falle der Cambridger Talbot Hours beschränken sich die Überschneidungen auf die in Rouen angefertigten Texte. 239 Vergleichbare Fehler sind in einem in allen drei Handschriften auftretenden Gebet an Christus festzustellen (Fitzwilliam Museum MS 40-1950, fol. 50r–v; Fitzwilliam Museum MS 411950, fol. 59r; Blair’s College MS 1, fol. 62r). Ausführlich zur englischen Litanei und den Überschneidungen siehe Gray, Illustrated Poem.

Kat. 14a–c: John Talbots Stundenbücher  309

ser Form angefertigt wurde.240 Eine Reihenfolge der Anfertigung der Texte lässt sich nicht etablieren, am wahrscheinlichsten sind gemeinsame Vorlagen, die unter den Rouennaiser Buchmalern zirkulierten und untereinander ausgetauscht wurden.241 Ähnliches wurde für die für Margaret Beauchamps Bruder angefertigte Prayer Roll of Henry Beauchamp (Kat. 12) vorgeschlagen. Die Gebetsrolle datiert um 1440 und wird dem Œuvre des zu diesem Zeitpunkt in Rouen tätigen sogenannten Fastolf Meisters zugewiesen. Wie Hugo van der Velden feststellt, enthält sie ein Gebet an die Wunden Christi, das in ähnlicher Form auch im Beauchamp Psalter and Hours (Kat. 9) (Folia 1v–2r) sowie in den Aberdeener Talbot Hours (Folia 74v– 75r) und den Cambridger Talbot Hours (Folia 79v–80v) auftritt und vermutlich auf einen gemeinsamen Prototyp zurückgeht.242 Diese Zusammenhänge machen zum einen deutlich, wie eng die gegenseitige Orientierung der Nutzer der Gebetbücher in Bezug auf ihre religiöse Praxis war, und zum anderen, wie intensiv auch die Rouennaiser Buchmaler miteinander kooperierten und sich austauschten, um so den Wünschen ihrer Auftraggeber möglichst weitgehend nachkommen zu können. Abschließend soll ein Blick auf die Frage der Nutzung der drei Stundenbücher des Ehepaars Talbot geworfen werden. Als vorrangiger Zweck kann – wie auch ansonsten für Stundenbücher von vergleichbarem Ausstattungsaufwand und Format – die private, beziehungsweise im familiären Umfeld angesiedelte Andacht angenommen werden. Denkbar ist aufgrund der zahlreichen inhaltlichen Analogien zwischen dem Gebetbuch Margarets und denen ihres Ehemannes, dass die Bücher gemeinsam genutzt wurden.243 Die Cambridger Talbot Hours bieten zudem Hinweise auf einen weiteren hochinteressanten Nutzungskontext: Die Fokussierung auf den Krieg und das Schutz- und Geleitbedürfnis eines englischen Offiziers in Frankreich wie auch das handliche Format legen die Vermutung nahe, 240 In

beiden Fällen nimmt die Litanei von den Kerntexten unabhängige Lagen ein, stilistische Abweichungen treten hier jedoch nicht auf. 241 Im Falle der englischen Litanei überschneiden sich die Strophen 1 bis 5 in allen drei Handschriften, die Strophen 6 bis 15 treten nur in den Cambridger Beauchamp Hours und den Aberdeener Talbot Hours auf, Strophe 16 wiederum tritt in den beiden Talbot Hours, nicht aber im für Margaret Beauchamp angefertigten Stundenbuch auf. Siehe ebd., S. 197–205 für eine kommentierte Transkription der Strophen 1 bis 15. 242 Van der Velden, Prayer Roll, S. 539–541. 243 In welcher Kombination dies geschehen sollte, ist unklar. Auch die Provenienz der Handschriften lässt keine Rückschlüsse darauf zu, inwiefern sie gemeinsam verwendet wurden. Nachträgliche Eingriffe im Kalender der Beauchamp Hours, wie die mutwillige Zerstörung der Einträge heiliger Päpste und Thomas Beckets, weisen darauf, dass sich die Handschrift zumindest seit der Reformation in England befand (fol. 3r–8v). Ein französischer Zusatz des späten 15. Jh.s in den Cambridger Talbot Hours wiederum spricht dafür, dass diese Handschrift nach Talbots Tod in Frankreich blieb, fol. Ir–IVv. Das Gleiche gilt für die Aberdeener Talbot Hours, die vermutlich im 16. Jh. in Frankreich in den Besitz der Familie Bethune of Balfour übergingen, und von dieser nach Schottland gebracht wurden. Zur Provenienz der Handschriften siehe Duffy, Marking the Hours, S. 70 f.; James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83 und 84, S. 232, 235 f.; Ker, Medieval Manuscripts, Bd. 2, S. 118; Holmes, Liturgical Books, S. 163, Nr. 91; Balfour Paul, Memorial Catalogue, Nr. 689 (o.S.).

310  Katalog der Handschriften dass Talbot sein Stundenbuch im konkreten Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen, das heißt im Vorfeld von Schlachten, nutzte. Dies wird unterstützt durch Hinweise auf die Provenienz der Handschrift: Ein vermutlich nach Frankreich in das späte 15. Jahrhundert zu verortender Zusatz von zwei Hymnen an die Gottesmutter zu Beginn des Buchblocks (Folia Ir–IVv) spricht dafür, dass Talbot die Handschrift während seiner militärischen Einsätze auf französischem Boden mit sich führte. Möglicherweise befand sie sich unter den Besitztümern, die der Graf bei der Schlacht von Castillon 1453 bei sich hatte, und wurde nach der englischen Niederlage und seinem Tod von den französischen Siegern mitgenommen.244

Kat. 15: Das Stundenbuch eines Gefolgsmannes des Herzogs von Bedford Mit dem kleinen, aber reich mit ganzseitigen Miniaturen, Zierinitialen und Bordürendekoration illuminierten Stundenbuch Harley MS 1251 soll im Folgenden ein Werk analysiert werden, das hier unter Vorbehalt dem Besitz Sir John Fastolfs zugesprochen wird.245 Die malerische Ausstattung des Kernbestands der Handschrift wird in die Rouennaiser Malerei des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts verortet und wurde verschiedentlich dem sogenannten Fastolf Meister zugeschrieben.246 Bereits kurz nach der ursprünglichen Anfertigung scheint sie jedoch in mindestens einer, vielleicht mehreren Kampagnen erweitert und modifiziert worden zu sein, und es wurden zusätzliche Miniaturen- und Bordürenkünstler hinzugezogen. Auch neben den Erweiterungen weist der kodikologische Befund eine ganze Reihe von Auffälligkeiten wie Teilbeschneidungen, fehlende Seiten, Unregelmäßigkeiten in den einzelnen Lagen und deutliche Abnutzungsspuren auf. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert ist die Handschrift anhand inschriftlicher Einträge in England nachweisbar.247 Den Kern der Handschrift bildet ein dem Standard der Zeit entsprechendes lateinisches Stundenbuch für den Brauch von Sarum mit französischen Rubri244 Dies

vermuten auch James, Collection of Henry Yates Thompson, Nr. 83, S. 232; Duffy, Marking the Hours, S. 70 f. Zum Zusatz des späten 15. Jh.s siehe Wormald und Giles, Fitzwilliam Museum, Bd. 2, S. 442. 245 London, BL, Harley MS 1251 (Pergament, 186 fol., ca. 85 x 55 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.4.3, 3.2.3, 3.4.1, 3.4.2 und unten Kat. 18a–d. Das Stundenbuch ist in Teilen im Catalogue of Illuminated Manuscripts der British Library einsehbar. Zur bisher wenig erforschten Handschrift siehe Catalogue of Harleian Manuscripts, Nr. 1251; knapp Stratford, Bedford Inventories, S. 99, Anm. 7; Harris, Book Production, S. 180 f., 196, Anm. 103; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249  f. 246 Zur Zuschreibung an den Fastolf Meister siehe Clark, Art in a Time of War, S. 280; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249  f.; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, Nr. 123, S. 331; Harris, Book Production, S. 180 f. Wüstefeld, Prayer Roll, S. 242, Anm. 14 zweifelt die Zuschreibung an den Fastolf Meister an. 247 Eintragungen auf fol. 184v und 185r weisen das Stundenbuch als Besitz Eleanors, der Gräfin von Worcester, aus. Zur Provenienz siehe BL, Catalogue of Illuminated Manuscripts, Harley MS 1251.

Kat. 15: Das Stundenbuch eines Gefolgsmannes des Herzogs von Bedford  311

zierungen, bestehend aus einem vorangestellten Kalender und Evangelienaus­ zügen, dem Marienoffizium, Bußpsalmen und Litanei, Totenoffizium und verschiedenen Zusatzgebeten. Bereits dieser Teil weist Besonderheiten auf, die vermutlich auf den speziellen Wunsch des Auftraggebers beziehungsweise Käufers der Handschrift zurückgehen; es ist jedoch nicht zu klären, ob sie der ursprünglichen Ausstattungskampagne zuzurechnen sind, oder ob die Rouennaiser Werkstatt ein standardisiertes Stundenbuch für englische Nutzer vorfertigte, das gemäß den Wünschen des Käufers fertiggestellt und dann erst gebunden wurde:248 Vor dem Marienoffizium fügte man offenbar zwei zusätzliche Lagen ein, die keinen Text, aber elf ganzseitige Miniaturen mit Heiligendarstellungen enthalten.249 Von besonderem Interesse ist die sehr schlecht erhaltene Darstellung eines knienden Stifters auf Folio 41r, der von Johannes dem Täufer empfohlen, im Gebet an die auf der gegenüberliegenden Seite dargestellte und gleichermaßen stark beschädigte Trinität gezeigt wird. Heraldische oder persönliche Zeichen, die zur Identifizierung des Dargestellten beitragen könnten, sind nicht erkennbar, er ist in ein schlichtes dunkles Gewand gekleidet. Weitere Miniaturen umfassen den heiligen Georg (Folio 45r) und das Martyrium Thomas Beckets (Folio 49r) sowie eine zweite Darstellung des in ein dunkelblaues, mit Goldborte verziertes Gewand gekleideten Stifters in Anbetung der heiligen Katharina (Folio 51r) (Farbabb. 30). Vermutlich derselben Ausstattungskampagne sind die Miniaturen zuzurechnen, die die Bußpsalmen auf Folio 109r (Farbabb. 31) und das Totenoffizium auf Folio 148r (Farbabb. 32) einleiten. Bei ersterer handelt es sich um eine Miniatur des Jüngsten Gerichts, auf welcher der kniende Stifter, wieder in einem schlichten blauen Gewand und ohne persönliche Symbole, in der linken unteren Ecke dargestellt ist.250 Bei zweiterer handelt es sich offenbar um die Totenmesse des Herzogs von Bedford: Gezeigt wird ein mit Kerzen geschmückter Sarg in einem Chor­ innenraum, der von Geistlichen, die die Messe zelebrieren, flankiert wird. Schilde mit dem Wappen des Regenten zieren die Chorseitenwände; ein weiteres größeres 248 Zu

dieser Praxis vgl. oben, Kat. 6 und 14a–c. Bindung unter Vorbehalt: Lage 1 (fol. 2–6, letztes Blatt herausgeschnitten) enthält auf fol. 4r–6v ein zeitgenössisch zugefügtes Gebet; Lage 2 (fol. 7–14) Kalender; Lage 3 (fol. 15–22) Evangelienauszüge; Lagen 4, 5 (fol. 23–38) Gebete an die Wunden Christi und die Gottesmutter sowie diverse Heilige, Miniaturen auf fol. 23r, 29r, 33v (alle Erweiterungskampagne); Lage 6 (fol. 39–43, letztes Blatt herausgeschnitten) kein Text, Miniaturen auf fol. 39v (Erweiterungskampagne), 40v, 41r, 42r, 43r; Lage 7 (fol. 44–51) kein Text, Miniaturen auf fol. 44r, 45r, 46r, 47r, 48r, 49r, 50r, 51r; Lage 8 (fol. 52–55), kein Text, Miniaturen auf fol. 52v, 53v, 54r, 55r (alle Erweiterungskampagne); Lagen 9–16 (fol. 56–108) Marienoffizium und Gebete, Miniaturen auf fol. 56r; Lagen 17–21 (fol. 109–147) Bußpsalme und Litanei, Miniatur auf fol. 109r; Lagen 22–26 (fol. 148–186) Totenoffizium bis fol. 182r, Miniatur auf fol. 148r, im 15. und 16. Jh. zugefügte Gebete ab fol. 182r. 249 Lage 6 (fol. 39–43) und Lage 7 (fol. 44–51). 250 Die Wahl des Jüngsten Gerichts als einleitendes Motiv für die Bußpsalmen ist vergleichsweise traditionell und in Frankreich eher im 13. und 14. Jh. verbreitet, im 15. Jh. wurde es hingegen weitestgehend von der Darstellung König Davids abgelöst. Siehe hierzu Wieck, Time Sanctified, S. 97–102.

312  Katalog der Handschriften und zum Zeichen des Todes Bedfords umgedrehtes Wappen ist über dem Sarg angebracht.251 Wahrscheinlich noch im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde die Handschrift um drei Lagen mit zusätzlichen Gebeten und Miniaturen sowie eine Mi­ niatur auf einer bereits bestehenden, aber noch unbeschriebenen Seite erweitert. Diese Miniaturen weichen stilistisch deutlich von der Rouennaiser Illumination ab, wie sich beispielsweise an der ungelenken Miniatur des heiligen Erasmus auf Folio 33v zeigt (Farbabb. 33).252 Ebenfalls nicht lange nach der ursprünglichen Bindung fügte man vermutlich eine zusätzliche Lage mit einem Gebet an Christus, das den Nutzer des Buches als männlich ausweist, am Anfang der Handschrift ein.253 Von großem Interesse sind weiterhin folgende Eingriffe: Auf Folio 12v des Kalenders wurde der Tod des Herzogs von Bedford im Jahr 1435 verzeichnet, zudem fügte man die Bilddevise des Regenten – den auf einer Wurzel sitzenden Adler mit einer Krone um den Hals – in die Bordürendekoration derselben Seite sowie der Seite mit der bereits angesprochenen Miniatur der Totenmesse Bedfords ein (Folio 148r) (Farbabb. 32).254 Der durch die heraldische Ausgestaltung der Totenmesse bereits gegebene Bezug auf den Regenten wurde damit verstärkt. Hierbei ging man mit auffallend wenig Sorgfalt vor und übermalte die bestehende Dekoration, anstatt sie zu entfernen oder anzupassen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Kern der Handschrift höchstwahrscheinlich in der zweiten Hälfte der 1430er oder in den 1440er Jahren von Rouennaiser Buchmalern – vielleicht einer Künstlergruppe um den sogenannten Fastolf Meister – für einen englischen Nutzer angefertigt wurde. Die drei Stifterdarstellungen erlauben zwar keine Identifizierung des Besitzers anhand heraldischer Indizien, stellen aber einen Bezug zur Trinität, zu Johannes dem Täufer, zu Katharina von Alexandrien und zum Jüngsten Gericht her. Überdies wird durch die personalisierte Totenmesse eine Verbindung zum Herzog von Bedford hergestellt. Vermutlich sehr zeitnah wurde die Handschrift mehrfach erweitert. Im Rahmen dessen wurde das einleitende Gebet eines männlichen Betenden hinzugefügt, Bedfords Tod im Kalender verzeichnet und die Bilddevisen des Regenten eingefügt. Spätestens im 16. Jahrhundert befand sich die Handschrift in England. 251 Zur

Darstellung der Totenmesse siehe knapp Stratford, Bedford Inventories, S. 99, Anm. 7; Harris, Book Production, S. 181. 252 Lage 4 (fol. 23–30), Lage 5 (fol. 31–38) und Lage 8 (fol. 52–55) sowie fol. 39v in der bestehenden Lage 6. Es handelt sich um von Miniaturen eingeleitete Gebete an die Wunden Christi und die Gottesmutter sowie alleinstehende Miniaturen der Hll. Erasmus, Antonius, Dorothea, Margareta, Barbara und Maria Magdalena. Auch der Stil der Bordüren weicht deutlich vom Kern der Handschrift ab. 253 Auf London, BL, Harley MS 1251, fol. 5v bezeichnet sich der Betende als „ffamulus et servus tuus“. 254 Ebd., fol. 12v: „Obiit Johannes dux bethford m.iiii.xxxv“. Zu den Hinzufügungen siehe auch Stratford, Bedford Inventories, S. 99, Anm. 7. Ein sehr ähnlicher Fall liegt mit London, NAL, MS Reid 7 vor. Das in der Normandie in den 1420ern illuminierte Stundenbuch enthält einen Eintrag zum Tod des Grafen von Salisbury im Jahr 1428, was auf einen Besitzer aus dem Gefolge des Grafen weist. Siehe hierzu Watson, Western Illuminated Manuscripts, S. 193, 197.

Kat. 16a–b: Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux und die Épître d’Othéa  313

Aus den genannten Hinweisen auf John of Bedford ist verschiedentlich auf den Regenten selbst als ursprünglichen Besitzer der Handschrift geschlossen worden, selbst für die erste Ausstattungskampagne ist dies jedoch wenig wahrscheinlich, da die Darstellung der eigenen Totenmesse höchst ungewöhnlich für ein Stundenbuch wäre.255 Wesentlich plausibler ist die Anfertigung wie auch die kurz hierauf erfolgte Modifizierung für jemanden, der dem Herzog nahe stand und dies auch durch das Stundenbuch zum Ausdruck bringen wollte. Als möglicher Auftraggeber soll John Fastolf in Betracht gezogen werden:256 Fastolf stand dem Herzog zweifelsohne nahe und konnte seinen Status durch seine Position im herzoglichen Haushalt deutlich verbessern, der Tod des Regenten stellte fraglos eine entscheidende Zäsur in seinem Werdegang dar. Die zweifache Hinzufügung der Bilddevise ließe sich darüber hi­ naus als Hinweis auf seine mögliche Mitgliedschaft in Bedfords Ritterorden deuten – als Ordensabzeichen trugen die Mitglieder vermutlich eine Kette, deren Anhänger einen Adler auf einer Wurzel zeigte.257 Auch die besondere Verehrung Johannes’ des Täufers und der Trinität verweisen – obgleich keinesfalls ausschließlich – auf John Fastolf und sind auch anderweitig für ihn nachweisbar. Ferner stützt die Hinzufügung des Gebetes in männlicher Form sowie der Verbleib der Handschrift in England die Annahme Fastolfs als Auftraggeber und zeitweiligen Nutzer. Die Frage, warum trotz der verhältnismäßig aufwendigen Ausstattung keine ­dekorativen oder inschriftlichen Hinweise auf den Besitzer vorliegen, kann möglicherweise mit dem Erhaltungszustand beantwortet werden: Eventuell war die Handschrift ehemals heraldisch ausgestattet, die entsprechenden Seiten wurden jedoch durch spätere Nutzer entfernt. Ebenfalls möglich ist, dass die Handschrift nicht der öffentlichen Zurschaustellung, sondern in erster Linie der privaten Andacht diente – hierfür spricht auch das vergleichsweise kleine Format.

Kat. 16a–b: Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux und die Épître d’Othéa Mit großer Sicherheit für Fastolf angefertigt wurde die in der Bodleian Library in Oxford aufbewahrte MS Laud Misc. 570, eine mit neun äußerst hochwertigen Miniaturen, Bordürendekoration und Zierinitialen ausgestattete Kombination aus zwei französischen Texten, dem Livre des Quatre Vertus Cardinaux und Christine de Pizans Épître d’Othéa (Kat. 16a).258 Fastolfs Motto „Me fault faire“ tritt an 255 Vgl. BL, Catalogue of Illuminated Manuscripts, Harley MS 1251. 256 Ich danke Jenny Stratford für diesen Hinweis. 257 Siehe oben, Kap. 1.1.1, 1.4.2, 3.1.3 und 3.2.3. 258 Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570 (Pergament, 93 fol., 268

x 194 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.4.3, 3.2.3, 3.4.1. Zur Handschrift siehe Coxe (Hrsg.), Bodleian Library, Laudian Manuscripts, Nr. 570; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 54 f., Nr. 695; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 36–41; Bühler, John Fastolf ’s Manuscripts; ders., Epistle of Othea, Introduction; Tuve, Virtues and Vices; Hughes, Stephen Scrope, passim; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97–99; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 241 f.; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249–251; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2,

314  Katalog der Handschriften

Abb. 25: Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570, fol. 93r, Detail

dreiundzwanzig Stellen in den Federzeichnungen, die den Text der Épître d’Othéa zieren, auf.259 Die im Jahr 1450 in London fertiggestellte Handschrift wird von einer ganzseitigen Federzeichnung der Initiale M abgeschlossen, die Fastolfs Motto einleitet und eine Schriftrolle mit dem Motto des Hosenbandordens beinhaltet (Folio 93r) (Abb. 25).260 S. 264 f. Bindung: 1 Einzelblatt mit Inhaltsverzeichnis des Livre des Quatre Vertus; Lage 1: fol. 2–7, urspr. bestehend aus 4 Bifolia, die ersten 2 wurden jedoch herausgeschnitten, somit fehlen der Anfang des Textes des Livre des Quatre Vertus sowie vermutlich eine die Justice einleitende Miniatur. Lage 2 bis 11 bestehen aus jeweils 4 Bifolia und weisen keine Unregelmäßigkeiten auf. Die Reklamanten stimmen jeweils mit dem Textbeginn auf der folgenden Lage überein. Lage 12: fol. 88–93, urspr. bestehend aus 4 Bifolia, die letzten 2 Folia wurden jedoch herausgeschnitten. Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux befindet sich auf den Lagen 1–3, die Épître d’Othéa auf den Lagen 4–12. 259 Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570, fol. 26v, 29v, 31v, 34r, 35v, 39v, 43v, 47v, 50v, 52v, 55v, 57v, 59v, 63v, 67v, 71v, 77v, 79v, 83v, 86r, 87v, 89v, 91v. 260 Auch in der den Text zierenden Federzeichnung von Kap. 54 (fol. 63v) wird Fastolfs Motto mit dem Beginn des Mottos des Hosenbandordens „Honny soit qui“ kombiniert.

Kat. 16a–b: Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux und die Épître d’Othéa  315

Trotz der wiederholt betonten prachtvollen Ausstattung – Richard Beadle spricht von „one of the finest illuminated vernacular manuscripts of the mid-fifteenth century“261 – beschränkt sich die wissenschaftliche Bearbeitung der Handschrift auf knappe Katalogeinträge und Studien zum Textzusammenhang.262 Erwähnung findet die Handschrift zudem in den ihrerseits keinesfalls umfassenden Arbeiten zum sogenannten Fastolf Meister, der ihr seine Bezeichnung verdankt – seit der Prägung des Notnamens durch Otto Pächt im Jahr 1952 stellt MS Laud Misc. 570 den Ausgangspunkt zu Überlegungen zum Œuvre des anonymen Meisters dar.263 Die Handschrift stellt ein Paradebeispiel für die kulturellen Strömungen der letzten Phase des Hundertjährigen Krieges dar: Nicht nur wird die hochwertige Miniaturenausstattung einhellig dem als Fastolf Meister bezeichneten Künstler zugeschrieben, der in den 1440er Jahren von der Normandie nach London übergesiedelt war und, wie die Analyse von Harley MS 1251 (Kat. 15) zeigt, vielleicht schon in Frankreich für Fastolf tätig gewesen war. Auch als Schreiber konnte der französischstämmige oder zumindest in Frankreich ausgebildete, in den 1440er und 1450er Jahren in London tätige Ricardus Franciscus identifiziert werden.264 Bei den enthaltenen Texten handelt es sich zum einen um eine fürstenspiegelartige Erörterung der vier Kardinaltugenden, zum anderen um die um 1400 von Christine de Pizan verfasste und zunächst Louis d’Orléans, dem Bruder Karls VI., gewidmete Epistel der Göttin Othea an Hektor, in welcher in 100 jeweils aus einem kurzen Gedicht, einer Glosse und einer Allegorie bestehenden Kapiteln anhand mythologischer Beispiele Anweisungen zum moralischen, ritterlichen Handeln vermittelt werden und die sich im 15. Jahrhundert großer Beliebtheit in Frankreich und England erfreute.265 MS Laud Misc. 570 geht nicht auf die Widmungshandschrift für den Herzog von Orléans zurück, sondern auf eine wenige Jahre später 261 Beadle,

Fastolf ’s French Books, S. 97. immer einschlägig sind die Arbeiten Curt Bühlers, der sich mit der französischen wie auch der englischen Version der Épître d’Othéa in Fastolfs Besitz beschäftigt hat, siehe Bühler, John Fastolf ’s Manuscripts; ders., Epistle of Othea, Introduction. 263 Zur Prägung der Bezeichnung ‚Fastolf Master‘ durch Pächt siehe Notes and News (o.A.), S. 1. Hierzu und zum umstrittenen Œuvre des Fastolf Meisters siehe jüngst Clark, Art in a Time of War, bes. S. 278–283; Stratford, Sobieski Hours, bes. S. 181, 208–210; außerdem Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 249–251; ders., Foreign Illuminators, S. 49, 52; Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 53–55, Nr. 670, 695, 696; Sterling, Peinture médiévale, Bd. 1, S. 440; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 240–246; Plummer, Last Flowering, S. 1 f., 15; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 264 sowie knapp van der Velden, Prayer Roll, S. 522 f.; Reynolds, Les Angloys, S. 54; dies, English Patrons, S. 307; Backhouse, Books of Hours, S. 30 f. 264 Die Datierung findet sich auf fol. 93r, vgl. Coxe (Hrsg.), Bodleian Library, Laudian Manuscripts, Nr. 570, S. 409; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 37 f.; Bühler, Epistle of Othea, Introduction, S. xxvi, Anm. 1. Zum Schreiber siehe Thorpe, Writing and Reading, S. 302–306; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 241; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 264, 318 f. Der Livre des Quatre Vertus Cardinaux wird auf fol. 23v von einer Federzeichnung abgeschlossen, die eine Schriftrolle mit dem Motto „A ma plaisance“ und den Initialen R.F. enthält. 265 Zum Livre des Quatre Vertus Cardinaux und seinen Vorlagen siehe Tuve, Virtues and Vices. Zur Épître d’Othéa und ihrer Verbreitung siehe Bühler, Epistle of Othea, Introduction, S. xiif., xviii–xxi; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 264; Hughes, Stephen Scrope, S. 133 f.; Meiss, French Painting, Bd. 3, 1, S. 23–41. 262 Noch

316  Katalog der Handschriften datierende ‚Wiederverwertung‘ des eigenen Werkes durch Christine de Pizan, nämlich eine Widmung des gleichen Textes an Jean de Berry, wie dem Prolog der Épître zu entnehmen ist.266 Auch die Widmungsminiatur auf Folio 24r, die die Übergabe des Buches durch die Autorin an den anhand seines Wappens identifizierbaren Herzog von Berry zeigt (Farbabb. 34), wurde offenbar übernommen, und es ist gut möglich, dass man sich auch für die sonstige Illumination ikonografisch an einer Abschrift der Berry-Version der Épître d’Othéa orientierte.267 Dass Fastolf in Frankreich Gefallen an dem Handbuch der Kardinaltugenden und der Épître d’Othéa gefunden hatte, zeigt sich auch daran, dass er neben seinem aufwendig illuminierten französischen Exemplar eine englische Übersetzung beider Werke besaß, die sein Stiefsohn Stephen Scrope um 1440, also sehr kurz nach Fastolfs Rückkehr nach England, für ihn angefertigt hatte (Kat. 16b).268 Diese Handschrift ist zwar allem Anschein nach verloren, Scropes Prolog ist jedoch überliefert:269 Direkt einleitend verweist er auf Fastolfs ritterliche Reputation und seine langjährigen „dedys of cheualrie and actis of armis“ in Frankreich und der Normandie, für welche er den „ordre of cheualrie“ – gemeint ist sicherlich der Hosenbandorden – erhalten habe.270 Sein hohes Alter von 60 Jahren und die damit einhergehende körperliche Schwäche verhinderten seine weitergehende Betätigung in „all such labouris as concernyth the exercysing off dedis of cheuallrie“, 266 Oxford,

Bodleian Library, MS Laud Misc. 570, fol. 24r–v: „Louvenge a dieu soit au commencement / De tous mes diz et apres ensement / A la tresnoble haulte eslitte / De lis souef du maint cuer se delitte / Et puis a vous excellent prince sage […] Jehan excellent redoubte filz de Roy / De France ou maint conuenable arroy / Duc de Berry noble et puissant seigneur […] Moy confiant en la tresgrant largesse / Dumilite qui vo[tre] noble personne / Conduit si com[me] le monde vous sonne / Me suy meue a vous faire en present / De ce petit liuret nouuel present […] Selon mon sens ce livret compilay / Que lepistre othea appelay / Faignant quau bon hector fu envoye / Pource le dy que cil fut convoye / De grant sagesse et de prouesse ensemble / Comme on treuue es hystoires ce me semble / Prince Royal tres louable et benigne / Moy vostre serve nomee xpistine / Pry humblement vostre haulte noblesse / Que despriser ne vueille la foiblesse / De feminin sense en moy pou delivre / Parquoy despris soit donne a mon livre / Mais lait agre vostre doulceur humaine“. 267 Siehe hierzu Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 264  f.; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98; Tuve, Virtues and Vices; Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 36–38. 268 Hier auch diskutiert oben, Kap. 1.4.3, 3.2.3. Zu Stephen Scrope, dem Sohn von Fastolfs Ehefrau Millicent, siehe Hughes, Stephen Scrope, S. 109–130; Scrope, Castle Combe, S. 264–288; Thorpe, Writing and Reading, passim. 269 Eine Teilabschrift des Autographen ist erhalten und wurde 1904 von George Warner ediert: Epistle of Othea to Hector. Siehe hierzu auch Bühler, Epistle of Othea, Introduction, S. xvi– xviii, der den Text 1970 erneut, unter Berücksichtigung weiterer erhaltener Handschriften edierte. Siehe zum Zusammenhang der erhaltenen französischen und englischen Exemplare des Textes ebd.; ders., John Fastolf ’s Manuscripts; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98. 270 Epistle of Othea, Appendix A, S. 121: „Noble and worshipfull among the ordre of cheualrie, renommeed ffor in as much as ye and suche othir noble knyghtes & men of worchip haue exerciced and occupied by long continuaunce of tyme the grete part of yowre dayes in dedys of cheualrie and actis of armis, to the whiche entent ye resseyved the ordre of cheualrie […]. And therefor I, yowre most humble son Stevyn, whiche that haue wele poundered and consideryd the many and grete entreprises of labouris & aventuris that ye haue embaundoned and yovyn youre selph to by many yeeris contynued, as wele in Fraunce and Normandie as in othir straunge regions, londes & contrees.“

Kat. 17a–c: Weitere in England entstandene Profanhandschriften John Fastolfs  317

stattdessen könne Fastolf sich nun auf geistiger Ebene mit der Ritterlichkeit beschäftigen.271 Im expliziten Auftrag Fastolfs habe Scrope es daher auf sich genommen, ein „Book off Knyghthode“ vom Französischen ins Englische zu übersetzen.272 Auf diese Angabe folgend führt er zunächst den Inhalt des Traktats über die vier Kardinaltugenden und anschließend den Inhalt und Aufbau der Épître aus. Im Rahmen dessen beschreibt er, wie letztere von der weisen Edeldame Christine aus Frankreich für den edlen Fürsten, Ritter und Königssohn Jean de Berry unter Nutzung der Schriften der Doktoren der Universität Paris und der Kirchenväter kompiliert worden war, und erinnert an die ritterlichen Glanztaten des Herzogs „in defendyng the seyde Royalme of Frawnce from his ennemyes“.273 Rosemond Tuve vermutet, dass Fastolf die Widmungshandschrift Jean de Berrys über den Umweg der französischen königlichen Bibliothek, in der sie nachgewiesen werden konnte, und den Herzog von Bedford in seinen Besitz brachte und diese als direkte Vorlage für die Illumination und den Text in MS Laud Misc. 570 sowie für Scropes Übersetzung diente.274 Belegen lässt sich diese Annahme leider nicht, es ist jedoch wahrscheinlich, dass Fastolf während seiner Zeit in Frankreich ein französisches Exemplar des Berry-Textes an sich brachte, dieses in seiner Sammlung verfügbar war und Scrope wie auch den Schreibern und Malern von MS Laud Misc. 570 als direkte oder indirekte Vorlage diente.275

Kat. 17a–c: Weitere in England entstandene Profanhandschriften John Fastolfs Neben dem Livre des Quatre Vertus Cardinaux und der Épître d’Othéa übersetzte Stephen Scrope ein weiteres philosophisches Werk für seinen Stiefvater ins Engli271 Ebd.:

„And now, seth it is soo that the naturel course off kynde, by reuolucion and successyon of lx yeeres growyn vpon yowe at this tyme of age and feblenesse, ys comen abatyng youre boldly laboures, takyng away yowre naturall streyngtht & power from all such labouris as concernyth the exercysing off dedis of cheuallrie […], rygth necessarie it now were to occupie the tyme of yowre agys and feblenes of bodie in gostly cheuallrie off dedes of armes spirituall, as in contemplacion of morall wysdome and exercisyng gostly werkyys“. 272 Ebd., S. 122: „I, consideryng thees premisses wyth othir, have, be the suffraunce off yowre noble and good ffadyrhode & by youwre commaundementes, take vp-on me at this tyme to translate ovte off French tong, ffor more encrese of vertu, and to reduce into owre modyr tong a Book off Knyghthode“. 273 Ebd., S. 122  f.: „And this seyde boke, at the instavnce & praer off a fulle wyse gentyl-woman of Frawnce called Dame Cristine, was compiled & grounded by the famous doctours of the most excellent in clerge the nobyl Vniuersyte off Paris, made to the ful noble famous prynce and knyght off renovnne in his dayes, beying called Jon, Duke of Barry […]. And […] ge­ neraly he exercisyd his knyghtly labowris […] in defendyng the seyde Royalme of Frawnce from his ennemyes“. Zu Scropes Beschreibung des Traktats über die 4 Kardinaltugenden siehe ebd., S. 122, zu seiner Beschreibung von Inhalt und Aufbau des Textes Christine de ­Pizans ebd., S. 122 f. 274 Tuve, Virtues and Vices, S. 281, 284  f. 275 Vgl. auch Chesney, Manuscripts of Christine de Pisan, S. 38  f.; Bühler, John Fastolf ’s Manuscripts, S. 127 f.; ders., Epistle of Othea, Introduction, S. xxvi; Scott, Later Gothic Manuscripts, Bd. 2, S. 264; Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 98; Hughes, Stephen Scrope, S. 133.

318  Katalog der Handschriften sche, die am Hof Karls VI. von Guillaume de Tignonville geschriebenen Dits Moraulx des Philosophes – ihrerseits eine Übertragung eines ursprünglich arabischen Traktats (Kat. 17a). Ein Exemplar der Dicts and Sayings of the Philosophers hat sich in MS Bodley 943 erhalten, wobei unklar ist, ob es sich um die Widmungshandschrift oder ein etwas später datierendes Exemplar handelt.276 Der Prolog Scropes ist jedoch enthalten und informiert über die Umstände der Übersetzung, ihre Datierung auf das Jahr 1450 und ihren Zweck: Sie solle dem Empfänger Fastolf „Kontemplation und Trost“ bieten.277 Abgesehen von den drei Übersetzungen Scropes kann eine Übertragung eines französischen Textes ins Englische durch William Worcester nachgewiesen werden: Im Jahr 1473 beschenkte Worcester William Waynflete, den Bischof von Winchester, mit einer Übersetzung der französischen Fassung von Ciceros De Senectute ins Englische, die „by the ordenaunce & desyre of the noble Auncyent knyght Syr Johan Fastolf“ angefertigt worden war (Kat. 17b).278 Darüber hinaus ist mit MS Bodley 179 ein medizinisches Werk aus Fastolfs Besitz erhalten, und zwar eine Kompilation von Textexzerpten des italienischen Autors Aldobrandinus von Siena in französischer Übersetzung (Kat. 17c).279 Fastolfs Wap276 Oxford,

Bodleian Library, MS Bodley 943 (Pergament, 107 fol., ca. 227 x 178 mm). Hier auch besprochen oben, Kap. 1.4.3, 3.2.3. Siehe hierzu Madan et al. (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 2, Bodleian MS 943; Ross, Alexander Historiatus, S. 7 f.; Alexander, William Abell, S. 167; Thorpe, Writing and Reading, S. 141; Hughes, Stephen Scrope, passim; Bühler, Dicts and Sayings of the Philosophers, Introduction, bes. S. xx. Allg. zur französischen Vorlage und ihrer Verbreitung siehe ebd., S. x–xix sowie jüngst Cahn, Compendium of Ancient Wisdom. Die in England angefertigte Handschrift umfasst jeweils kurze Texte zur Biografie und zum Werk der behandelten Philosophen, die von Tintenzeichnungen dieser eingeleitet werden. Alexander, William Abell, S. 167 schreibt die Illumination dem Londoner Maler William Abell zu und datiert sie in die 1450er oder 1460er. 277 Oxford, Bodleian Library, MS Bodley 943, fol. 1r: „Here begynnythe a booke called in Frensch les Ditez de philesophurs and in Englisch for to sey the doctrine of Wisdom of the Wise auncient philosophurs as of Aristotle plato Socrates Tholome and suche others tramslated out of latyn in to frensche to king Charles the vje of Fraunce bi William Tyngnovile knyght late provost of the Citee of Paris. And sith now late translatid out of Frensche tunge in to Englisch tunge þe yere of Crist Ml CCCCL to John ffostalfe knyght for his contemplacion and solace bi Stephen Scrope Esquyer son in lawe vn to the said ffostalf.“ Zum ursprünglichen Werk und zur Übersetzung siehe Ross, Alexander Historiatus, S. 7 f.; Bühler, Dicts and Sayings of the Philosophers, Introduction, S. ix–xxxii, xxxvii–lxii. 278 Hier auch besprochen oben, Kap. 1.4.3, 3.2.3. Die französische Übersetzung stammt von Laurent de Premierfait; bereits 1481 wurde der englische Text erstmalig von William Caxton gedruckt: Crotch (Hrsg.), Prologues and Epilogues of William Caxton, Nr. IX, Tullius of Olde Age, S. 41: „Ere begynneth the prohemye vpon the reducynge both out of latyn as of frensshe in to our englyssh tongue / of the polytyque book named Tullius de Senectute. […] whiche book was translated and thystoryes openly declared by the ordenaunce & desyre of the noble Auncyent knyght Syr Johan Fastolf of the countee of Norfolk banerette. lyuyng the age of four score yere. excercisyng the warrys in the Royame of Fraunce and other countrees / ffor the diffence and vnyuersal welfare of bothe royames of englond and ffraunce by fourty yeres“. Siehe hierzu Warner, Epistle of Othea, Introduction, S. xxx, xlvi; Hughes, Stephen Scrope, bes. S. 131; ders., Educating the Aristocracy, S. 26–28; Harriss, Fastolf, Sir John, S. 135. Siehe außerdem Wakelin, Humanism, passim. 279 Oxford, Bodleian Library, MS Bodley 179 (Pergament, 194 fol., ca. 295 x 219 mm). Hier auch besprochen oben, Kap. 1.4.3, 3.2.3. Siehe zur bisher kaum bearbeiteten Handschrift die Katalogeinträge Madan und Craster (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 1, Bodleian MS 179;

Kat. 17a–c: Weitere in England entstandene Profanhandschriften John Fastolfs  319

Abb. 26: Oxford, Bodleian Library, MS Bodley 179, fol. 1r Pächt und Alexander, Bodleian Library, Bd. 1, S. 53, Nr. 676; außerdem Thorpe, Writing and Reading, S. 283–287. Die Handschrift weist neben Abnutzungsspuren, Beschädigungen und Beschneidungen zahlreiche in die zweite Hälfte des 15. Jh.s datierende Notizen und Marginalien auf, anhand derer sich ebd., S. 283, 285 f. mit der Nutzung des Buches durch die Schreiber und Autoren in Fastolfs Umfeld beschäftigte.

320  Katalog der Handschriften pen in einer Zierinitiale zu Beginn des Textes in Kombination mit einer Schriftrolle, die sein Motto „Me fault fayre“ trägt, weist die Handschrift als seinen Besitz, vielleicht auch seinen originären Auftrag, aus (Abb. 26).280 Dieselbe Seite ist mit einer floralen Vollbordüre verziert, abgesehen hiervon beschränkt sich die illus­ trative Ausstattung jedoch auf kleinere Initialen und Teilbordüren. Falconer ­Madan und Edmund Craster verorten die Anfertigung der Handschrift nach England in die Mitte des 15. Jahrhunderts, Deborah Thorpe geht von französischen oder in Frankreich trainierten Schreibern aus.281 Auch die Bordürendekoration entspricht dem im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts in Frankreich verbreiteten Stil, es ist also wie im Falle von MS Laud Misc. 570 (Kat. 16a) auch hier denkbar, dass die Handschrift zwar in England – nach Fastolfs Rückkehr im Jahr 1439 – angefertigt wurde, allerdings Schreiber und Maler zum Einsatz kamen, die in seinem Gefolge aus Frankreich übergesiedelt waren.282

Kat. 18a–d: Die Stundenbücher englischer Offiziere in Lancastrian France Abschließend soll ein exkursartiger Blick auf die Kunstaufträge der Akteure geworfen werden, die im politischen Geschehen des englisch beherrschten Frankreich eine vergleichsweise wenig exponierte Stellung einnahmen und politische Maßnahmen der englischen Regierung Frankreichs weniger bestimmten als vielmehr mit deren konkreter Durchsetzung und Ausführung betraut waren – die Offiziere und Soldaten im Dienste der englischen Krone. Mit diesen können keine umfangreichen Sammlungen oder reich politisch konnotierte Kunstaufträge in Verbindung gebracht werden. Für sie ist allerdings eine Reihe hochwertiger französischer, aufwendig illuminierter Stundenbücher nach dem Brauch von Sarum erhalten.283 In diesen vorwiegend der privaten Andacht dienenden Werken spielt die Veranschaulichung weitreichender politischer Vorstellungen wie etwa der Anspruch der Lancaster auf den französischen Thron zwar höchstens eine untergeordnete Rolle, relevant sind sie jedoch in Bezug auf die Selbstdarstellung der Akteure im politischen Geschehen des besetzten Frankreich: Sie bieten Rückschlüsse auf das Selbstverständnis ihrer Besitzer als Soldaten der englischen Armee wie auch auf die Adaption lokaler Bräuche und Traditionen. Die heute in der British Library aufbewahrten sogenannten Oldhall Hours wurden vermutlich auf Veranlassung Sir William Oldhalls in der Normandie unter 280 Oxford,

Bodleian Library, MS Bodley 179, fol. 1r. und Craster (Hrsg.), Bodleian Library, Bd. 2, Teil 1, Bodleian MS 179, S. 197; Thorpe, Writing and Reading, S. 285  f. Beadle, Fastolf ’s French Books, S. 97 datiert die Handschrift ohne weitere Begründung in das frühe 15. Jh. 282 Der Illuminationsbestand ist zu gering, um die Malerei genauer zu verorten oder gar einer bestimmten Werkstatt zuzuschreiben. 283 Zum Brauch von Sarum, der Liturgie von für englische Nutzer angefertigten Stundenbüchern, siehe oben, Kap. 1.1.3, Anm. 98. 281 Madan

Kat. 18a–d: Die Stundenbücher englischer Offiziere in Lancastrian France  321

der Regierung Bedfords angefertigt (Kat. 18a).284 Oldhall war bereits an den Kampagnen Heinrichs V. nach Frankreich beteiligt gewesen, konnte weitere militärische Erfolge während der Regentschaft des Herzogs von Bedford für sich verbuchen und war schließlich in den 1440er und 1450er Jahren im Dienst des Herzogs von York tätig.285 Aufschlussreich ist darüber hinaus ein für Sir William Porter angefertigtes, heute in der Pierpont Morgan Library in New York befindliches Stundenbuch (Kat. 18b).286 Wie Oldhall war auch Porter schon als Waffengefährte Heinrichs V. an dessen Einfällen in die Normandie beteiligt gewesen; er fungierte als einer der Testamentsvollstrecker Heinrichs V. in England und gehörte in den späten 1420er Jahren dem königlichen Haushalt Heinrichs VI. an. Seine Wege führten ihn wiederholt auch für längere Zeit in die Normandie, wo er im Jahr 1436 starb.287 Ebenfalls in den Blick genommen wird ein wahrscheinlich Mitte der 1440er Jahre in Rouen illuminiertes Stundenbuch, das anhand seiner heraldischen Ausstattung dem Besitz und vermutlichen Auftrag von Lord Thomas Hoo und seiner Ehefrau Eleanor Welles zugewiesen werden kann und in der Royal Irish Academy in Dublin aufbewahrt wird (Kat. 18c).288 Die erste Reise Thomas Hoos nach Frankreich fand im Jahr 1426 statt, und in den folgenden zwei Dekaden durchlief er dort eine steile Karriere als Offizier und Diplomat im Dienst der Lancaster-Regierung. 1437 hatte er das Amt des Kanzlers von Frankreich inne, 1444 nahm er an den Verhandlungen zur Eheschließung zwischen Heinrich VI. und Marguerite d’Anjou teil, und im folgenden Jahr wurde er zum Ritter des Ho284 London,

BL, Harley MS 2900 (Pergament, 204 fol., ca. 240 x 157 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 3.4.1, 3.4.2. Das Stundenbuch ist in Teilen im Catalogue of Illuminated Manuscripts der British Library einsehbar. Siehe außerdem Backhouse, Books of Hours, S. 73, 76; Catalogue of Harleian Manuscripts, Nr. 2900. 285 Siehe Johnston, William Oldhall; Roskell, William Oldhall, die allerdings beide einen Schwerpunkt auf Oldhalls Tätigkeit in England als Gefolgsmann der Yorkisten in den 1450ern legen. Siehe außerdem knapp ders., Commons and their Speakers, S. 242–247, 360 f.; Griffiths, Henry VI, passim; Allmand und Armstrong, English Suits, S. 298  f.; Curry, Oldhall, Sir William, S. 686; Reynolds, English Patrons, S. 310 f.; Wedgwood, History of Parliament, S. 647 f., ebenfalls mit Schwerpunkt auf Oldhalls Tätigkeit in England. 286 New York, PML, MS M. 105 (Pergament, 210 fol., ca. 269 x 188 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 3.4.1, 3.4.2. Zur Handschrift siehe Plummer, Last Flowering, S. 15 f.; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 242–244; Wieck, Painted Prayers, Nr. 87, S. 112; Alexander, Bodleian Book of Hours, S. 251; Reynolds, English Patrons, S. 308; Stratford, Sobieski Hours, S. 209. In Teilen ist die Handschrift über den Katalog Images from Medieval and Renaissance Manuscripts der PML einsehbar. 287 Siehe Plummer, Last Flowering, S. 16; Reynolds, English Patrons, S. 308; Griffiths, Henry VI, S. 51, 55. 288 Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31 (Pergament, 293 fol., ca. 230 x 160 mm). Hier auch diskutiert oben, Kap. 3.4.1, 3.4.2. Für eine Datierung in die Mitte der 1440er sprechen neben stilistischen Aspekten einige die Ehe betreffende Gebete, die eine zeitliche Nähe zur Eheschließung mit Eleanor Welles im Jahr 1444 nahelegen. Zur Handschrift siehe Williams, Rouen Book of Hours; dies., French Book of Hours; Yvard, Minute Masterpieces, Bd. 4, S. 83–92; knapp Dolan, Royal Irish Academy, S. 5. Ich danke Catherine Yvard dafür, dass sie mir Einblick in ihre 2004 am Trinity College in Dublin vorgelegte unpublizierte Dissertation zu französischen Stundenbüchern in irischen Sammlungen gewährt und mir ihre Fotografien der Handschrift zur Verfügung gestellt hat.

322  Katalog der Handschriften senbandordens und zum Lord of Hoo and Hastings erhoben.289 Des Weiteren wird ein kleines, heute in Privatbesitz befindliches Stundenbuch berücksichtigt, das vermutlich um 1440 für ein in Lancastrian France tätiges Mitglied der Familie Fitzralph illustriert wurde (Kat. 18d).290 Ein deutlicher Schwerpunkt der Diskussion der Werke wird im Folgenden auf den Oldhall Hours liegen, da die anderen aufgeführten Handschriften nicht im Original eingesehen werden konnten und ihre Analyse daher fragmentarisch bleiben muss. Alle vier Stundenbücher wurden bisher vergleichsweise wenig wissenschaftlich bearbeitet. Ihre kunsthistorische Erforschung beschränkt sich auf knappe Katalogeinträge und die zwei bereits angesprochenen übergreifenden Studien Catherine Reynolds’ zur englischen Kunstpatronage in Frankreich und der Normandie.291 Hierbei handelt es sich jedoch um kurze Aufsätze, eine umfassende Untersuchung der Kunstpatronage der englischen Soldaten und Offiziere im besetzten Frankreich existiert nicht. Die Oldhall Hours (Kat. 18a) sind in einem ungewöhnlich guten Zustand und wurden anscheinend nicht nachträglich beschnitten oder umgebunden, wofür unter anderem der auf dem Vorderschnitt erhaltene Aufdruck des Wappens Oldhalls mit dem aufgelegten Wappen der Familie Willoughby spricht.292 Dem eigentlichen Stundenbuch – einer Kombination des Marienoffiziums und des Passionsoffiziums – vorangestellt finden sich ein großzügig angelegter Kalender nach englischer Liturgie und Evangelienauszüge sowie zu Beginn des Buchblocks eine Lage mit Zusatzgebeten und -suffragien für englische Nutzer. In den Stundenbuchtext wurden drei Lagen mit Heiligenmemoriae eingefügt; an die Marien- und Passionsoffizien anschließend finden sich wie üblich Bußpsalmen und die Litanei, gefolgt vom Totenoffizium und der in der englischen Liturgie gebräuchlichen Commendatio Animae. Diese teilt sich eine Lage mit dem die Handschrift abschließenden Gebet an die Gottesmutter O Intemerata, einem der häufigsten im Stundenbuchkontext auftretenden Zusatzgebete.293 Die verhältnismäßig großformatige und in ihrem Seitenaufbau überaus großzügig angelegte Handschrift ist mit 34 hochwertigen Mi289 Hoo

starb ohne männliche Nachkommen im Jahr 1453. Zu seinem Werdegang siehe WilBook of Hours, S. 190 f.; dies., French Book of Hours, S. 32 f.; Reynolds, English Patrons, S. 303. 290 Privatslg., Fitzralph Hours (Pergament, 354 fol., ca. 101 x 75 mm). Hier auch besprochen oben, Kap. 3.4.2. Die Handschrift wurde am 6. 7. 2000 über Sotheby’s, London verkauft, vgl. Sotheby’s, Selection of Illuminated Manuscripts, Ritman collection, London, 06. 07. 2000, Lot. 20, S. 68–71. Einige Folia sind als fotografische Reproduktionen in der Conway Library des Courtauld Institute of Art in London einsehbar. Zur Handschrift siehe Reynolds, English Patrons, S. 306 f., die hier Sir Robert Conyers als Besitzer annimmt. 291 Dies., Les Angloys; dies., English Patrons; außerdem knapp Harris, Book Production, S. 180  f. 292 Auch die Bindung weist keine größeren Unregelmäßigkeiten auf: Lage 1 (fol. 1–4): Zusatzgebete; Lage 2 (fol. 5–16): Kalender; Lage 3 (fol. 17–24): Evangelienauszüge; Lagen 4–6 (fol. 25– 48): Marienoffizium und Passionsoffizium; Lagen 7–9 (fol. 49–70): Heiligenmemoriae; Lagen 10–14 (fol. 71–106): Fortsetzung Marienoffizium und Passionsoffizium; Lagen 15–17 (fol. 107–130): Bußpsalmen und Litanei; Lagen 18–23 (fol. 131–178): Totenoffizium; Lagen 24–27 (fol. 179–204): Commendatio animae und O Intemerata. 293 Die Kombination des Passions- und des Marienoffiziums entspricht zwar nicht dem Standard der Zeit, ist aber auch nicht ungewöhnlich, vgl. Wieck, Time Sanctified, S. 89–93. Zu liams, Rouen

Kat. 18a–d: Die Stundenbücher englischer Offiziere in Lancastrian France  323

niaturen, die die einzelnen Sektionen einleiten, aufwendig illustriert. Des Weiteren ist jede Seite mit einer floralen Vollbordüre geschmückt, und die Handschrift insgesamt ist mit zahlreichen großen Zierinitialen ausgestattet. Hervorhebungen im Kalender wurden überdies gold anstelle von rot ausgeführt. Neben dem auf dem Vorderschnitt aufgedruckten Wappen weist das Gebetbuch weitere persönliche Elemente auf: So umfassen die Heiligenmemoriae ein Gebet an den heiligen Georg, auf dessen einleitender Miniatur William Oldhall im Gebet an den Heiligen dargestellt ist (Folio 55r) (Farbabb. 35). Er trägt eine Rüstung und seinen Wappenrock; ein weiteres Mal tritt das Wappen in der das Gebet einleitenden Zierinitiale auf.294 Dem die Handschrift abschließenden Gebet O Intemerata wiederum ist auf Folio 200r eine Miniatur der thronenden Gottesmutter und der Ehefrau Oldhalls, Margaret of Willoughby, in Anbetung dieser vorangestellt (Farbabb. 36). Das Wappen ihrer Familie ist am Fuß des Throns abgebildet. Stilistisch lassen sich die Miniaturen wie auch die Bordürendekoration in die Rouennaiser Buchmalerei der 1420er oder frühen 1430er Jahre verorten.295 Zwar können geringfügige Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Miniaturen ausgemacht werden, die auf die Beteiligung mehrerer Hände weisen, im Ganzen erscheint die illustrative Ausstattung jedoch vergleichsweise homogen und kann vermutlich einer eng kollaborierenden Illuminatorengruppe zugeordnet werden. Für eine nicht wesentlich später als um 1430 zu datierende Anfertigung spricht auch die Kleidung Margarets of Willoughby: Margaret Scott folgend trugen adlige Damen in den 1420er Jahren – wie hier – noch eine Houppelande mit weiten Ärmeln, während sich in den 1430er Jahren die Robe mit engeren Ärmeln durchsetzte. Zudem entspricht die ausladende Hörnerhaube, auf welcher der Schleier mithilfe von Nadeln befestigt wurde, Scott zufolge der Mode der späten 1420er Jahre.296 Der kodikologische Befund wie auch die weitgehende stilistische Homogenität weisen darauf, dass die Ausstattung der Handschrift am Stück erfolgte, auch die Stifterportraits und die zu ihnen gehörigen Gebete sind damit aller Wahrscheinlichkeit nach der ursprünglichen Ausstattungskampagne zuzurechnen.297 Neben O Intemerata vgl. ebd., S. 94–96; zur Commendatio Animae ebd., S. 131 f.; Mirwald-Jakobi, Das mittelalterliche Buch, S. 105. 294 Zu den heraldischen Zeichen Oldhalls siehe Johnston, William Oldhall, S. 720  f. 295 Einige stilistischen Aspekte, etwa der in einigen Miniaturen feststellbare grünliche Stich des Inkarnats, weisen auf Einflüsse aus der Pariser Buchmalerei, und es ist denkbar, dass es sich bei den Künstlern um Nachfolger von Pariser Malern oder in Paris ausgebildete Illuminatoren handelt. Ich danke Susie Nash für ihre Hilfe bei der stilistischen Verortung der Handschrift. Backhouse, Books of Hours, S. 73 datiert die Illumination in die späten 1420er, Meiss, French Painting, Bd. 2, S. 153, Anm. 35 spricht sich für eine Datierung um 1435 aus. 296 Vgl. Scott, Kleidung und Mode, S. 105, 109–111; dies., Late Gothic Europe, S. 126; van Buren, Illuminating Fashion, S. 150. Siehe allgemein zur Entwicklung der Mode im Untersuchungszeitraum ebd., S. 122–178; Scott, Late Gothic Europe, S. 105–167. 297 Die verhältnismäßig ungewöhnliche Kombination des Marien- und Passionsoffiziums, die hohen Materialkosten und die hochwertige Ausstattung lassen darauf schließen, dass es sich hier nicht um ein auf Vorrat vorproduziertes Stundenbuch handelt, das die Werkstatt potentiellen Käufern anbot und erst anlässlich des Verkaufs mit personalisierten Bildern und vom Käufer angeforderten Gebeten ausstattete.

324  Katalog der Handschriften ihnen können vermutlich eine Reihe weiterer Bestandteile dem persönlichen Wunsch der Auftraggeber zugewiesen werden: Hierzu zählen die übrigen illuminierten Memoriae, von denen insbesondere die des heiligen Thomas von Canterbury auf Folio 56v (Farbabb. 37) und die der im vorliegenden Kontext ungewöhnlichen Londoner Heiligen Ethelburga von Barking auf Folio 68v als spezifisch englische Elemente interessieren.298 Derartige, bis zu einem gewissen Grad personalisierte Einfügungen von Memoriae oder Suffragien, die von Heiligenminiaturen eingeleitet werden, treten häufig in für englische Auftraggeber angefertigten französischen Stundenbüchern auf, etwa auch im Falle der Adaption der Bedford Hours (Kat. 3) und der Stundenbücher John Talbots und Margaret Beauchamps (Kat. 14a–c).299 Sie finden sich ebenfalls in den vermutlich Mitte der 1440er Jahre illuminierten Hoo Hours (Kat. 18c), deren illustrative Ausstattung zwei Rouennaiser Künstlern oder Werkstätten zugeschrieben wird, die auch am Shrewsbury Book (Kat. 13) beteiligt waren. Es handelt sich um einen nach der vorliegenden Handschrift als Meister des Stundenbuches von Thomas Hoo bezeichneten Buchmaler und die sogenannten Talbot-Illuminatoren, wobei letztere offenbar nur eine einzige Miniatur ausführten, nämlich die Darstellung des heiligen Hildevert von Meaux auf Folio 200v, die die Memoria Hildeverts einleitet (Farbabb. 38).300 Der Heilige weicht vom üblichen Programm englischer Memoriae ab, eine besondere Rolle kommt ihm jedoch auch in den Cambridger Talbot Hours (Kat. 14a) zu. Dort wie hier scheint seine illustrierte Memoria auf besonderen Wunsch des Auftraggebers hinzugefügt worden zu sein, und es mussten zusätzliche Künstler bemüht werden. Knapp gehaltene und nicht illuminierte Memoriae bildeten ferner den Abschluss der in Privatbesitz befindlichen, ebenfalls den Talbot-Illuminatoren zuge298 Die

übrigen Memoriae richten sich an die Hll. Michael, Johannes den Täufer, Christopher, Anna, Katharina, Margareta und Barbara. Bei ihrer Rückkehr nach England in den 1450ern nahmen Oldhall und Margaret das prestigeträchtige Gebetbuch offenbar mit, und es verblieb auf der Insel. Hierfür sprechen nachträgliche, höchstwahrscheinlich im Zuge der englischen Reformation vorgenommene Eingriffe, wie die Verunstaltung der Memoria des hl. Thomas von Canterbury (fol. 56v–59r) und der Eintragungen desselben sowie zahlreicher päpstlicher Heiliger im Kalender. Bei der ‚Bereinigung‘ der Handschrift schoss man offenbar über das Ziel hi­ naus und strich – vermutlich aus Versehen – auch den Apostel Thomas in der Litanei (fol. 123r) durch. Dieses Vorgehen war keinesfalls unüblich und kann auch im Falle der Cambridger Beauchamp Hours (Kat. 14b) und bei London, NAL, MS Reid 7 beobachtet werden. Zur Provenienz der Oldhall Hours siehe BL, Catalogue of Illuminated Manuscripts, Harley MS 2900. 299 Zur Anpassung von Stundenbüchern an ihre jeweiligen Nutzer anhand zusätzlicher Texte siehe übergreifend de Hamel, Illuminated Manuscripts, S. 168–198; Watson, Playfair Hours, S. 30, 39 f., 76; Lewis, Devotional Images, S. 29 f.; insb. zu Memoriae bzw. Suffragien siehe Wieck, Time Sanctified, S. 111–123. 300 Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31. Die Memoriae befinden sich innerhalb des Marienoffiziums und am Ende der Handschrift, zusammen mit einer Reihe weiterer Zusatzgebete (fol. 40r–46v: Memoriae der Hll. Christopher, Georg, Katharina und Margareta, 192r–201v: Memoriae der Trinität, des hl. Erasmus, der Gottesmutter sowie der Hll. Leonhard, Hildevert und Anna). Zur Zuschreibung der Miniaturen siehe Williams, Rouen Book of Hours, bes. S. 191 f.; dies., French Book of Hours, S. 34–39; Yvard, Minute Masterpieces, Bd. 4, S. 91; Reynolds, English Patrons, S. 303. Übergreifend zum Hoo Meister siehe jüngst Clark, Art in a Time of War, S. 291–295.

Kat. 18a–d: Die Stundenbücher englischer Offiziere in Lancastrian France  325

schriebenen Fitzralph Hours (Kat. 18d).301 Besonders umfangreich und aufwendig mit über sechzig Miniaturen ausgestattet wiederum ist die Suffragiensektion der New Yorker Porter Hours (Kat. 18b). Die Illumination des reich mit den heraldischen Zeichen seines Besitzers Sir William Porter ausgestatteten Stundenbuchs wird zum Großteil dem in die 1420er Jahre verorteten Frühwerk des Fastolf Meisters zugerechnet.302 Die Suffragien umfassen zahlreiche englische Heilige, darunter den auch in den Oldhall Hours auftretenden Thomas von Canterbury auf Folio 46r, aber auch weniger populäre Heilige, wie Bischof Jambert von Canterbury auf Folio 47r. Es ist anzunehmen, dass der Auftraggeber hier besonders großen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Handschrift nahm.303 Die Memoriae in allen in der vorliegenden Arbeit besprochenen Stundenbüchern beinhalten Figurationen des heiligen Georg, lediglich im Falle der Oldhall Hours und der Bedford Hours wurde seine Darstellung jedoch mit dem Portrait des Besitzers des Gebetbuches kombiniert. Thomas Hoo hingegen ließ sich in Anbetung der Trinität darstellen (Folio 192r) (Farbabb. 39) – wie der Besitzer des Stundenbuches MS Harley 1251 (Kat. 15), allerdings im Gegensatz zu diesem in Rüstung und Wappenrock. William Porter wiederum wird im Gebet an die auf der gegenüberliegenden Seite dargestellte thronende Gottesmutter, deren Miniatur das Marienoffizium einleitet, gezeigt – eine Wahl, die für das Spätmittelalter und erst recht den Stundenbuchkontext nicht überrascht. Er ist in einen kostbaren blauen Mantel gekleidet und wird der Gottesmutter von einem Engel empfohlen (Folio 84v).304 301 Privatslg.,

Fitzralph Hours. Die auf fol. 353r beginnenden Memoriae richten sich an die Hll. Georg und Christopher. Zur Zuschreibung siehe Reynolds, English Patrons, S. 306. 302 New York, PML, MS M. 105. Das Wappen Porters findet sich auf fol. 4r, 84v und 85r sowie in Kombination mit dem Wappen seiner Ehefrau auf fol. 24v und 41v. Sein Motto „Aultre ne veul mes“ tritt vielfach in der Bordürendekoration der Handschrift auf, etwa auf fol. 6r, 6v, 14r, 14v, 24v, 27v, 31v, 32v, 41v, 48r, 51r, 53v, 54r, 55r, 57v, 64r, 67r, 71r, 76r, 83r und 84r. Zur Zuschreibung siehe Reynolds, English Patrons, S. 308; Wüstefeld, Prayer Roll, S. 243; Stratford, Sobieski Hours, S. 209. 303 Von Interesse als spezifisch englische Elemente sind weiterhin die Suffragien folgender Heiliger: Georg, Eduard der Bekenner, Richard von Chichester, Hadrian von Canterbury, Dunstan, John von Beverley, John von Bridlington, William von York, Cuthbert, Erkenwald, Alban, Winifred, Etheldreda, Edith und Frideswida. Es ist denkbar, dass die Bedeutung einzelner Heiliger für den Auftraggeber hier durch die Verzierung der entsprechenden Seiten mit seinem Motto hervorgehoben wurde. Dies tritt im Zusammenhang mit folgenden Heiligen auf: ­Augustinus von Hippo (fol. 48r), John von Beverley (fol. 51r), William von York (fol. 53r), Cuthbert von Lindisfarne (fol. 54r), Leonhard von Limoges (fol. 55r), Erkenwald von London (fol. 57r); Quintinus von Amiens (fol. 64r), Maria (fol. 67r), Juliana von Nicomedia (fol. 71r), Maria Magdalena (fol. 76r), Zita (fol. 83r) und Petronilla von Rom (fol. 84r). 304 Die Gottesmutter wurde auch von John Talbot und Margaret Beauchamp, Margaret of Willoughby und Eleanor of Welles als bildliches Andachtsobjekt gewählt: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 7v und MS 41-1950, fol. 2v; Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 4v; London, BL, Harley MS 2900, fol. 200r; Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 196v. In den Fitzralph Hours findet sich das Wappen des Besitzers auf der der Marienminiatur gegenüberliegenden Seite, Privatslg., Fitzralph Hours, fol. 42v. Hierbei handelt es sich König, Stundenbuch Vat. lat. 14935, S. 244 zufolge um eine besonders unter englischen Auftraggebern verbreitete Darstellungsweise.

326  Katalog der Handschriften In den Oldhall Hours sind die zu Beginn des Buchblocks auf einer gesonderten Lage eingefügten, nicht illuminierten Zusatzgebete, die sich unter anderem an die Heiligen Georg, Thomas von Canterbury, Edmund, Ethelburga und Etheldreda richten, höchstwahrscheinlich auf den Wunsch des Auftraggebers zurückzuführen. Auch die Fitzralph Hours wurden vermutlich zeitgenössisch, sowohl zu Beginn als auch am Ende des Buchblocks, um englischsprachige Gebete an Christus erweitert.305 Die Hoo Hours wiederum werden von einer ganze Reihe nicht illuminierter Gebete an Figuren aus dem Alten Testament mit englischen Rubrizierungen abgeschlossen.306 Raum für persönliche Vorlieben boten darüber hinaus die Kalender, die zwar in allen hier in Augenschein genommenen Stundenbüchern der englischen SarumLiturgie entsprechen und demgemäß übergreifend oder vorwiegend in England verehrte Heilige verzeichnen, aber doch vielfach Besonderheiten und Abweichungen vom üblichen Muster aufweisen. So wurde im Kalender der Fitzralph Hours der Tag des heiligen Crispinus, der Jahrestag des englischen Triumphes bei Agincourt, in Gold hervorgehoben und damit seine Bedeutung für die englische ­Armee unterstrichen.307 Der Kalender der Oldhall Hours wiederum führt neben dem üblichen Sarum-Repertoire eine Reihe von Heiligen, die mit dem Brauch von Paris in Verbindung gebracht werden können – zum Teil anstelle der an den jeweiligen Tagen in der englischen Liturgie verehrten Heiligen.308 Dies mag auf die französischen Schreiber des Stundenbuches zurückgeführt werden, ebenfalls möglich ist jedoch, dass Oldhall und seine Ehefrau während ihrer Zeit in Frankreich lokale Bräuche adaptierten und in ihre religiöse Praxis aufnahmen, wie es auch für John Talbot und Margaret Beauchamp festgestellt werden kann. Das Gleiche kann im Falle der Hoo Hours vermutet werden, deren Kalender zahlreiche Heilige beinhaltet, die vor allem in Rouen verehrt wurden, etwa die Heiligen Mellon und Romanus, und für die bereits auf die hervorgehobene Rolle Hildeverts von Meaux verwiesen wurde.309

305 Privatslg.,

Fitzralph Hours, fol. 1r–2v, 357r–358v, vgl. Sotheby’s, Selection of Illuminated Manuscripts, Ritman collection, London, 06. 07. 2000, Lot. 20, S. 69. 306 Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 236v–298v. Hier kam offenbar ein französischer Schreiber zum Einsatz, wie die zahlreichen orthografischen Fehler im englischen Text vermuten lassen, vgl. Yvard, Minute Masterpieces, Bd. 4, S. 84, 86–90. 307 Vgl. Sotheby’s, Selection of Illuminated Manuscripts, Ritman collection, London, 06. 07. 2000, Lot. 20, S. 69. 308 Hierzu zählen unter Vorbehalt Albin von Angers (1. 3.), Petrus Martyr von Mailand (29. 4.), Eutropius von Saintes (30. 4.), Primus und Felicianus von Rom (9. 6.) anstelle des im Sarum Kalender an diesem Datum üblichen englischen hl. Edmund, Cyricus und Julitta von Tarsus (16. 6.) anstelle der im Sarum Kalender an diesem Datum üblichen Translatio des hl. Richard von Chichester, Eligius von Noyon (25. 6.), Paulinus von Trier (31. 8.) anstelle der im Sarum Kalender an diesem Datum üblichen englischen hl. Cuthburga, Anianus von Orléans (17. 11.) und Ursinus von Bourges (29. 12). Zum Pariser Kalender siehe jüngst Clark, Art in a Time of War, S. 209–255. 309 Vgl. Williams, Rouen Book of Hours, S. 206; dies., French Book of Hours, S. 32. Siehe hierzu oben, Kap. 3.4.2.

Anhang Abkürzungsverzeichnis ADSM AN BAA BEC BIHR BL BNF CPR CTHS EETS EHR FMSt JBAA JMH JWCI LCI LMA NAL ODNB PML PPC Rot. Parl. RS SHF SHN SHP TNA TRHS ZHF

Archives départementales de la Seine-Maritime, Rouen Archives nationales, Paris British Archaeological Association Bibliothèque de l’École des Chartes Bulletin of the Institute of Historical Research British Library, London Bibliothèque nationale de France, Paris Calendar of the Patent Rolls Comité des Travaux Historiques et Scientifiques Early English Text Society English Historical Review Frühmittelalterliche Studien Journal of the British Archaeological Association Journal of Medieval History Journal of the Warburg and Courtauld Institutes Lexikon der christlichen Ikonographie Lexikon des Mittelalters National Art Library, London Oxford Dictionary of National Biography Pierpont Morgan Library, New York Proceedings and Ordinances of the Privy Council Rotuli Parliamentorum Rolls Series Société de l’Histoire de France Société de l’Histoire de Normandie Société de l’Histoire de Paris The National Archives, Kew Transactions of the Royal Historical Society Zeitschrift für Historische Forschung

https://doi.org/10.1515/9783110578966-007

328  Anhang

Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen Aberdeen, University of Aberdeen, Scottish Catholic Archives: Blair’s College MS 1 Bristol, Central Library: MS 10 Brüssel, Bibliothèque Royale: MS 2904 Cambridge, Fitzwilliam Museum: MS 40-1950 MS 41-1950 Cambridge, University Library: MS Ll.V.20 MS Mm.I.44 Châteauroux, Bibliothèque Municipale: MS 2 Den Haag, Museum Meermanno: MS 10 D 1 Dijon, Archives départementales de la Côte-d’Or: B 309 Dublin, Royal Irish Academy: MS 12 R 31 Kew, The National Archives (TNA): PROB 11 Lissabon, Biblioteca da Ajuda: MS BA 52-XIII-18 London, British Library (BL): Add. Ch. 17247 Add. MS 16165 Add. MS 18850 Add. MS 22927 Add. MS 24194 Add. MS 27446 Add. MS 28206 Add. MS 39236 Add. MS 39848 Add. MS 42131 Add. MS 48976 Add. MS 74754 Add. MS 74755 Cotton MS Domitian A. XVII Cotton MS Julius E. IV, art. 6

Quellenverzeichnis  329 Cotton MS Tiberius B. VIII Egerton MS 2847 Harley MS 1251 Harley MS 1797 Harley MS 1798 Harley MS 2900 Harley MS 7333 Royal MS 13 B. III Royal MS 15 E. VI Royal MS 18 B. XXII Royal MS 19 C. IV Royal MS 20 B. VI London, College of Arms: MS Warwick Roll London, Guildhall Library: Register K London, Lambeth Palace Library: MS 326 MS 506 Register Stafford and Kemp London, Metropolitan Archives, Archives of the Corporation of London: MS Letter Book K London, National Art Library (NAL): MS Reid 7 New York, Columbia University Library: MS Coll/Plimpton, Brief vom 5. 4. 1894 Plimpton MS 173 New York, Pierpont Morgan Library (PML): MS M. 105 MS M. 893 Oxford, Bodleian Library: Dugdale MS 6 Dugdale MS 14 MS Bodley 179 MS Bodley 943 MS Digby 233 MS Douce 305 MS Laud Misc. 570 Oxford, Magdalen College: Fastolf Paper 43 Fastolf Paper 47 Fastolf Paper 65 Fastolf Paper 70 Fastolf Paper 79 Fastolf Paper 84 Fastolf Paper 87

330  Anhang Paris, Archives nationales (AN): JJ 172–174 LL 215 Paris, Bibliothèque nationale de France (BNF): MS Dupuy 250 MS fr. 602 MS fr. 831 MS fr. 1352 MS fr. 1476 MS fr. 10468 MS fr. 12421 MS fr. 24246 MS lat. 17294 Paris, Bibliothèque Sainte-Geneviève: MS 777 Paris, Musée de Cluny: CL. 22847 Privatsammlung: Fitzralph Hours Rouen, Archives départementales de la Seine-Maritime (ADSM): G 2090 G 2125 G 2126 G 2130 G 2134 G 2167 G 3573 G 9336 100 J 35 Hospices Civils de Rouen, A10 Hospices Civils de Rouen, A11 Utrecht, Catharijneconvent Museum: MS ABM h4a

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Abbildungsnachweise und Bildrechte Aberdeen, Scottish Catholic Archives (University of Aberdeen) Blair’s College MS 1 (SCAHA/CB/57/1), fol. 4v (Farbabb. 26) Blair’s College MS 1 (SCAHA/CB/57/1), fol. 96v–97r (Farbabb. 27) Blair’s College MS 1 (SCAHA/CB/57/1), fol. 97v–98r (Farbabb. 28) Blair’s College MS 1 (SCAHA/CB/57/1), fol. 98v (Farbabb. 29) Cambridge, The Fitzwilliam Museum MS 40-1950, fol. 7v (Farbabb. 19) MS 40-1950, fol. 82r (Abb. 23; Farbabb. 20) MS 40-1950, fol. 135v (Abb. 24) MS 41-1950, fol. 2v (Farbabb. 21) MS 41-1950, fol. 31v (Farbabb. 22) MS 41-1950, fol. 35v (Farbabb. 23) MS 41-1950, fol. 56r (Farbabb. 24) MS 41-1950, fol. 57r (Farbabb. 25)

360  Anhang Cambridge, Cambridge University Library MS Ll.V.20, fol. 34r (Abb. 29) Dublin, Royal Irish Academy MS 12 R 31, fol. 192r (Farbabb. 39) MS 12 R 31, fol. 200v (Farbabb. 38) Lissabon, Biblioteca Nacional de Portugal MS BA 52-XIII-18, fol. 1r (Farbabb. 9) London, The British Library Board Add. MS 18850, fol. 15r (Abb. 4) Add. MS 18850, fol. 207v (Abb. 3) Add. MS 18850, fol. 256v (Abb. 2; Farbabb. 1) Add. MS 18850, fol. 257v (Farbabb. 2) Add. MS 18850, fol. 288v (Farbabb. 3) Add. MS 18850, fol. 289r (Abb. 5) Add. MS 42131, fol. 73r (Abb. 1) Cotton MS Domitian A. XVII, fol. 50r (Farbabb. 41) Cotton MS Julius E. IV, art. 6, fol. 23r (Abb. 28) Egerton MS 2847, fol. 181v (Abb. 9) Harley MS 1251, fol. 33v (Farbabb. 33) Harley MS 1251, fol. 51r (Farbabb. 30) Harley MS 1251, fol. 109r (Farbabb. 31) Harley MS 1251, fol. 148r (Farbabb. 32) Harley MS 2900, fol. 55r (Farbabb. 35) Harley MS 2900, fol. 56v (Farbabb. 37) Harley MS 2900, fol. 200r (Farbabb. 36) Royal MS 15 E. VI, fol. 2v (Abb. 17; Farbabb. 13) Royal MS 15 E. VI, fol. 3r (Abb. 18; Farbabb. 14) Royal MS 15 E. VI, fol. 4v (Farbabb. 16) Royal MS 15 E. VI, fol. 227r (Abb. 19; Farbabb. 15) Royal MS 15 E. VI, fol. 273r (Abb. 20) Royal MS 15 E. VI, fol. 363r (Abb. 22) Royal MS 15 E. VI, fol. 403r (Abb. 21) Royal MS 15 E. VI, fol. 405r (Farbabb. 17) Royal MS 15 E. VI, fol. 439r (Farbabb. 18) London, The Conway Library, The Courtauld Institute of Art Westminster Abbey, Henry V Chapel, Innenansicht, Nordseite (Abb. 30) London, Lambeth Palace Library MS 326, fol. 1r (Farbabb. 6) MS 326, fol. 2v (Farbabb. 7) MS 326, fol. 4v (Abb. 10) New York, Columbia University Library Plimpton MS 173, fol. 1r (Abb. 13) Oxford, The Bodleian Libraries, The University of Oxford MS Bodley 179, fol. 1r (Abb. 26) MS Douce 305, fol. 1r (Abb. 11) MS Douce 305, fol. 1v (Farbabb. 8) MS Douce 305, fol. 3r (Abb. 12) MS Laud Misc. 570, fol. 24r (Farbabb. 34) MS Laud Misc. 570, fol. 93r (Abb. 25)

Abbildungsnachweise und Bildrechte  361 Paris, Bibliothèque nationale de France MS fr. 12421, fol. 97v (Abb. 14) MS fr. 24246, fol. 5r (Farbabb. 10) MS lat. 17294, fol. 106r (Abb. 7) MS lat. 17294, fol. 270v (Abb. 8) MS lat. 17294, fol. 283v (Farbabb. 4) MS lat. 17294, fol. 518r (Abb. 6) Marks und Williamson, Gothic, S. 226 (Farbabb. 40) Marks und Williamson, Gothic, S. 227 (Farbabb. 11) Rous Roll (Ed. Courthope), Nr. 50 (o.S.) (Abb. 27) Sterling, Peinture médiévale, S. 450 (Farbabb. 5) Abb. 15, 16 und Farbabb. 12: Fotografien der Autorin, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Catharijneconvent Museum, Utrecht

362  Anhang

Abstract This study explores the visualisation of political claims in Lancastrian France ­between 1422 and 1453. It examines how the representatives of the English Crown in English-occupied France and Normandy used artworks and images to express their view of the historical developments and the political situation, which specific messages they tried to bring across, for whom those messages were intended, and which motifs, symbols and traditions they employed. The book focuses on two main questions: firstly, it analyses how art was used to propagandise the claim of the Lancastrian kings, particularly Henry VI, to the French throne and French territories. Secondly, it deals with the self-representation of the individuals responsible for enforcing, establishing and upholding the English rule in France by means of artworks and images. In order to answer these questions durable luxury goods, particularly illuminated manuscripts, made or adapted for English patrons in France, are studied – both preserved objects and lost artworks which can be reconstructed through copies, derivations or written descriptions. Equally relevant is the use of ephemeral imagery in public or semi-public political ceremonies, entries and military encounters: politically charged images and symbols were used in wooden and textile decoration, tableaux vivants, liveries and banners, and even dishes in ceremonial banquets. In regard to such lost works conclusions concerning form and icono­ graphy are drawn from written accounts, notably the contemporary English, French and Burgundian historiography. The study shows that the propagandistic use of art in Lancastrian France was shaped to a high degree by the contemporary political developments and the local cultural circumstances. In order to visualise the Lancastrian political perspective French motifs and traditions were taken up, modified and re-used, often in combination with English symbols. At the same time new motifs, specifically tailored to Henry VI and his dynastic entitlement to the crowns of two realms, were created. The result was by no means a cohesive, fixed strategy but rather flexible pictorial messages customised to the respective political objectives as well as the intended recipients. The analysis of the visual self-representation of the English patrons in France reveals a number of ubiquitous elements as well as considerable differences. Moreover, it shows not only that those in charge of asserting the English rule employed images to illustrate their role during their time in France, but also that their career on the continent could become a significant element in their self-representation after they returned to England.

https://doi.org/10.1515/9783110578966-008

Personenregister Im vorliegenden Register wurde die Schreibweise der Namen vereinheitlicht, sie kann daher ­geringfügig von der Schreibweise im Text abweichen. Angaben aus dem Anmerkungsteil sowie Personenverbünde wurden, abgesehen von Werkstätten, nicht aufgenommen. Auf einen Eintrag zu Heinrich VI. wurde verzichtet. Abu l-Hasan ‘Ali ibn Abi l-Rijal  269 Aegidius Romanus (s. Rome, Gilles de) Æthelstan, König von Wessex und England, Heiliger 59 Alban von England, Heiliger  58, 177 Aldobrandinus von Siena  94, 190, 318 Alexander III. d. Gr., König von Makedonien  283, 286 Anne de Bourgogne  4, 24, 28 f., 34, 38, 40–42, 45–48, 160–163, 169, 173, 205–207, 213, 234, 241–243, 245 f., 248–252, 257 f., 260, 263, 265, 272–274, 282 Anonymus, Verfasser eines Berichts in der Guildhall Library  18, 133–136 Artus, mythischer König  124 Aubert, Herzog der Normandie  151 f., 298 Augustinus, Bischof von Hippo, Heiliger  262 Basin, Thomas  64 Beauchamp, Anne  50, 55, 58, 176–178, 197 f., 200, 226 Beauchamp, Guy de, Graf von Warwick  61 Beauchamp, Henry, Herzog von Warwick  55, 62 f., 177, 275, 279–282, 309 Beauchamp, Margaret  52, 54, 60, 63–66, 69, 71–74, 179, 184 f., 201, 214, 222, 224, 226 f., 281 f., 285, 287, 293 f., 300, 302, 304, 306 f., 309, 324, 326 Beauchamp, Richard, Graf von Warwick  4, 14, 20, 48–63, 66–68, 71 f., 98, 102 f., 107, 109, 117–119, 135 f., 174–179, 186, 194–200, 204 f., 210, 213, 216, 224–230, 232, 235, 275–280, 282, 294 Beauchamp, Thomas, Graf von Warwick  50, 61, 224 f. Beaufort, Edmund, Herzog von Somerset  69, 81 Beaufort, Henry, Bischof von Winchester  4 f., 31, 33, 53, 56, 135–139, 142 f. Bedford-Illuminatoren  7, 45 f., 150, 242 f., 246, 249 f., 254, 256, 261 f., 286 f., 307 Bedford (s. John of Lancaster, Herzog von Bedford) Berkeley, Elizabeth  54, 58 f., 178 Berkeley, Thomas  63, 276 Bernhard von Clairvaux, Heiliger  94 Berry (s. Jean de Valois, Herzog von Berry)

Bersuire, Pierre  166 Bethune of Balfour, James  302 Boccaccio, Giovanni  63, 277 Bohun, Mary de  143 Bolingbroke, Henry (s. Heinrich IV., König von England) Bourgeois de Paris  12, 18, 24, 39, 64, 131–133, 135–138, 157, 236 Bouvet, Honoré  201, 294 Brewster, John (Autor)  62 Bürger von Paris (s. Bourgeois de Paris) Calot, Laurence  29, 52, 98, 100, 102–105, 107, 109, 115–118, 126, 137, 232, 291 Capet, Hugo  113 Catherine de Valois, Königin von England (Gemahlin Heinrichs V.)  1, 3 f., 39, 66, 99, 102, 105, 113–115, 124, 134, 158, 208, 231 Cato, Marcus Porcius (der Ältere)  210 Charles de Bourgogne, Graf von Nevers und Rethel 135 f. Charles I. de Valois  106, 112 Charles de Valois, Dauphin (s. Karl VII., König von Frankreich) Chartier, Alain  73, 201, 295 Chartier, Jean  18, 69, 139, 144, 157 Châtelier, Jacques du  138 Chaucer, Alice, Gräfin von Suffolk  179 Chauliac, Guy de  48, 169, 275 Chichele, Henry, Erzbischof von Canterbury  114 Chlodwig I., fränkischer König  206 f. Chlothilde, fränkische Königin (Gemahlin Chlodwigs I.)  206 f. Christopher, Heiliger  185, 305 Cicero, Marcus Tullius  94, 191 f., 318 Cochon, Pierre  18, 33, 124, 130 f. Crispinus, Heiliger  326 Deguileville, Guillaume  47, 169, 264 f., 267 Despencer, Isabel  54, 57–60, 177 f., 213, 226 Dionysius, Bischof von Paris, Heiliger  39, 91, 125, 133 f., 140–142, 154, 213, 233 Dunstan, Erzbischof von Canterbury, Heiliger  260 Ebesham, William  174 f. Edmund, König von England, Heiliger  109, 124, 142, 154, 260, 262, 326

364  Personenregister Eduard der Bekenner, König von England, Heiliger  109, 124, 129, 140–142, 146, 150, 154, 212, 233, 259–262 Eduard III., König von England  106, 109, 124, 148, 163, 212, 221, 298 f. Eduard IV., König von England  83, 209, 286 Edward of Woodstock  106, 112 Erasmus, Bischof von Antiochia, Heiliger  312 Escouchy, Mathieu d’  18, 69 f., 179 f. Ethelburga von Barking, Heilige  222, 324, 326 Fastolf of Caister-on-Sea, John  76, 87, 188 Fastolf, John  15, 66 f., 74–96, 163, 186–195, 209–211, 214, 216, 218–223, 229, 232, 235, 237, 297, 310–320 Fastolf-Illuminatoren  8, 63, 76, 93 f., 237, 280, 309 f., 312, 315, 325 Fauquembergue, Clément de  18, 54, 159, 172 Fiennes, Colart de  175 François I., Herzog der Bretagne 69 Froissart, Jean  62, 276 Frulovisi, Titus Livius  205 Galope, Jean de  47, 169 f., 264 f., 267–269 Gauchi, Henri de  295 Georg, Heiliger  39, 45, 57, 71, 74, 90 f., 109, 124, 128–130, 134, 140–142, 144 f., 147, 154, 160 f., 185, 212–221, 223 f., 230, 233 f., 243 f., 262, 290, 299, 302, 305, 311, 323, 325 f. Gerard von Cornwall  60, 226 Gloucester (s. Humphrey of Lancaster, Herzog von Gloucester) Guyenne (s. Louis de Valois, Herzog von Guyenne) Guy of Warwick, myth. engl. Ritter  50, 59–61, 179, 201, 204, 224–228, 230, 235, 283, 293 f. Harnoys, Guillaume  48, 167, 269 f. Heinrich II., König von England  151, 298 Heinrich IV., König von England  24, 26, 50, 105 f., 109 Heinrich V., König von England  1, 3 f., 26– 28, 30, 35, 39, 49, 50 f., 53, 66, 76, 80, 82 f., 85, 91, 99 f., 102 f., 106, 109, 113–115, 118, 122–125, 134 f., 140, 142 f., 145–149, 154, 156, 174, 176, 187, 194–196, 198, 209 f., 212 f., 231, 233, 236, 297, 321 Henry Bolingbroke (s. Heinrich IV., König von England) Herbaumes, Gerard de  175 Hidgen, Ranulf  100 Hildevert, Bischof von Meaux, Heiliger  222, 304 f., 324, 326 Hippokrates  48, 164, 169, 272 Hoccleve, Thomas  295 Hoo, Thomas  222, 321 f., 324–326 Humphrey of Lancaster, Herzog von Gloucester  4, 31, 53, 55 f., 63, 95, 104, 116, 119 f.,

135, 154, 166, 172, 184, 193, 205, 233, 278 f., 297 Isabella de Valois, Königin von England (Gemahlin Richards II.)  107 Isabella vom Hennegau  113 f. Isabella von Bayern, Königin von Frankreich (Gemahlin Karls VI.)  40 Isabella von Frankreich, Königin (Gemahlin Eduards II.)  114 f., 153, 231 f. Jacquetta de Luxembourg  34, 37, 46, 252 Jambert, Erzbischof von Canterbury, Heiliger  325 Jean de Valois, Herzog von Berry  7, 40, 136 f., 155, 170, 172, 190 f., 193, 294, 316 f. Jean I., Herzog von Burgund  7, 9, 99, 116, 205, 297 Jean II., Herzog von Alençon  30, 207 Jean VI., Herzog der Bretagne  28 f., 69, 80, 294 Jean sans Peur (s. Jean I., Herzog von Burgund) Jeanne d’Arc  18, 66 Johann Ohnefurcht (s. Jean I., Herzog von Burgund) John of Gaunt, Herzog von Lancaster  106, 112, 163 John of Lancaster, Herzog von Bedford  4–7, 14 f., 19–21, 24–48, 52 f., 55 f., 66–68, 74, 77– 85, 92 f., 95, 97 f., 100, 102 f., 107–112, 114, 116–121, 123, 125–130, 134–136, 142 f., 146, 149–151, 154, 156–174, 186–189, 192 f., 195, 205–211, 213, 215–217, 219, 228–236, 239– 275, 282, 291, 311–313, 317 John von Bridlington, Heiliger  58, 177 f. Jolivet, Robert  111 Jouvenel des Ursins, Jacques  256, 260 Karl I. d. Gr., fränkischer König und Kaiser  112–114, 201, 283, 287 f., 292 Karl Martell, fränkischer Hausmeier  110, 112 Karl V., König von Frankreich  38, 95, 142, 165–167, 170 f., 190, 206, 277 Karl VI., König von Frankreich  3 f., 27–29, 32, 38 f., 94, 100, 103, 105–107, 109, 115, 122, 125 f., 135, 146 f., 156–158, 165, 172 f., 193, 231, 233 f., 252, 294, 318 Karl VII., König von Frankreich  3–6, 18, 30, 32–35, 54, 64, 67, 69 f., 79 f., 82, 84, 99, 102, 105 f., 111, 114, 118 f., 126–130, 137, 144, 150, 152–154, 157, 160, 184, 194, 231 f., 238, 295 Katharina von Alexandrien, Heilige  311 f. Lannoy, Hue de  175 Le Bouvier, Gilles  69 Le Strange, Ankaret  65 Legnano, Giovanni da  294 Louis de Luxembourg  34, 37, 57, 136 Louis de Valois, Herzog von Guyenne  108, 205, 208 f., 243, 297

Personenregister  365 Louis de Valois, Herzog von Orléans  40, 315 Ludwig IX., König von Frankreich, Heiliger  1, 9, 36, 91, 99 f., 102–114, 119, 125, 134, 140 f., 146 f., 153 f., 182, 207–209, 211, 230, 232–234, 291 Ludwig VIII., König von Frankreich  110, 112 f. Lydgate, John  1, 50, 52, 60, 98–100, 102–104, 107, 109, 112, 115, 118, 140, 226 f., 231 Maior, Jean (Leibarzt)  169, 274 Manseul, Binot (Maurer)  43 Margareta von Antiochien, Heilige  74, 302 Marguerite d’Anjou  6, 61, 64, 69, 73, 84, 100, 103 f., 119 f., 151 f., 179–185, 194, 200, 202– 205, 211, 217 f., 227–230, 283, 285, 288–293, 297, 299 f., 321 Martin V., Papst  30, 256, 259 Meister des Harvard Hannibal  264 Meister des Herzogs von Bedford (s. BedfordIlluminatoren) Meister des Stundenbuches von Thomas Hoo  287, 324 Meister John Fastolfs (s. Fastolf-Illuminatoren) Meister John Talbots (s. Talbot-Illuminatoren) Mellon, Bischof von Rouen, Heiliger  222, 304–306, 326 Mézières, Philippe de  107 f. Monstrelet, Enguerrand  17 f., 78, 123, 129, 131, 133, 135, 137–139, 157 Montagu, Alice, Gräfin von Salisbury  177, 179 Montagu, Thomas, Graf von Salisbury  127 Nangis, Guillaume de  108, 111 f., 206 Neville, Cecily  55 Neville, Richard, Graf von Salisbury  55, 135, 177 Neville, Richard, Graf von Warwick (Kingmaker)  55, 58, 176, 178 Nikolaus, Bischof von Myra, Heiliger  252, 254 Oldhall, William  214 f., 222, 320–326 Oresme, Nicole  166 Orléans (s. Louis de Valois, Herzog von Orléans) Oswald, König von Northumbrien, Heiliger  262 Overton, Thomas  78, 219 Pacy, G. de (Schreiber)  267 Palnin, Raoul (Leibarzt)  169, 274 Paston, John  51, 75, 86, 89, 91, 95, 163, 175, 187 Peckham, Johannes  256 Philipp der Gute (s. Philippe III., Herzog von Burgund) Philipp II., König von Frankreich  110, 113, 148

Philipp IV., König von Frankreich  201, 295 Philippe le Bon (s. Philippe III., Herzog von Burgund) Philippe III., Herzog von Burgund  3–5, 7, 27–31, 33–36, 40, 55 f., 80, 115 f., 130, 135– 137, 149, 154 f., 158, 162, 164–167, 172, 192 f., 233, 279 Pierre I. de Luxembourg  34 Pizan, Christine de  73, 93, 171, 182, 188, 190, 201, 203, 205, 218, 297, 313, 315 f. Porter, William  215, 222–224, 321, 325 Premierfait, Laurent de  63, 277 Quiéret, Regnault  116 f. Remigius von Reims, Bischof, Heiliger  206 René d’Anjou  6, 285 Ricardus Franciscus  315 Richard I. Löwenherz, König von England  38 Richard II., König von England  106–109, 240 Richard Plantagenet, Herzog von York  68, 81, 104, 116, 119 f., 136, 154, 179, 184, 233, 321 Robert le Diable, Herzog der Normandie  152 Roland von Lissabon  48, 167–169, 171, 270– 272, 274 Romanus, Bischof von Rouen, Heiliger  42, 222, 304–306, 326 Rome, Gilles de  201, 294 f. Rous, John  197 f., 226, 228 Saint-Yon, Garnier de  29, 165 Salisbury (s. Montagu) Salisbury (s. Neville, Richard, Graf von Salisbury) Scheerre, Herman  44, 239 f. Scrope, Stephen (erster Ehemann Millicent Tiptofts) 76 Scrope, Stephen (Sohn Millicent Tiptofts)  93 f., 96, 190–193, 316–318 Sebastian, Heiliger  222, 304 f. Shakespeare, William  114 Shirley, John  50, 62 Shrewsbury (s. Talbot, John, 1.  Graf von Shrewsbury) Sigismund, römisch-deutscher Kaiser  140 Somerset (s. Beaufort, Edmund, Herzog von Somerset) Somerset, John  205, 246, 249 Suffolk (s. William de la Pole, Herzog von Suffolk) Talbot, John, 1. Graf von Shrewsbury  5, 8, 14, 19–21, 52, 54, 61, 63–75, 77 f., 100, 103, 116, 119, 144 f., 148, 151 f., 179–186, 194, 200– 205, 210 f., 214–220, 222–224, 226–230, 232, 235, 278, 281 f., 283–310, 324, 326 Talbot, John, 2. Graf von Shrewsbury  66 Talbot, Richard  65 Talbot-Illuminatoren  8, 76, 237, 278, 287, 292 f., 297, 303–305, 308, 324

366  Personenregister Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, Heiliger  58, 177, 221, 223, 260, 262, 311, 324–326 Thomas de Mowbray, Herzog von Norfolk  76 Thomas of Lancaster, Herzog von Clarence  27, 76 Thomas, Jean (Schreiber)  265 f. Tignonville, Guillaume de  190, 318 Tiptoft, Millicent  76, 88, 92 Tiptoft, Robert  76 Tosny, Alice de  61 Tourtier, Jean  48, 169, 272, 274 f. Trevisa, John  276, 295 Ursinus, Bischof von Bourges, Heiliger  184, 222–224, 304–306 Vasse, Jean (Goldschmied)  44 Vegetius 297 Vendôme, Mathieu de  111, 153 Vincent von Beauvais  113

Wace 298 Walarich von Leuconay, Heiliger  113 Walsingham, Thomas  12, 123 f., 145, 236 Wandregisel von Fontanelle, Heiliger  223 Warwick (s. Beauchamp) Wavrin, Jean de  17, 51, 64, 77 f., 127–129, 144, 160, 172, 196, 219 Waynflete, William  318 Welles, Eleanor  321 Wilhelm I., König von England  148, 152 William de la Pole, Herzog von Suffolk  83 f., 179 f., 184, 186 Willoughby, Margaret of  322 f., 326 Winifred von Shrewsbury, Heilige  58, 177 Worcester, William  60, 62, 75, 82–84, 87, 89– 91, 94, 96, 150, 163, 186, 191, 209 f., 219, 318 Xaintrailles, Poton de  54, 67 York (s. Richard Plantagenet, Herzog von York)

Farbabb. 1: London, BL, Add MS 18850, fol. 256v

Farbabb. 2: London, BL, Add MS 18850, fol. 257v

Farbabb. 3: London, BL, Add MS 18850, fol. 288v

Farbabb. 4: Paris, BNF, MS lat. 17294, fol. 283v

Farbabb. 5: Musée de Cluny, CL. 22847, Kopie von John of Bedfords verlorenem Benediktionale, fol. 83v

Farbabb. 6: London, Lambeth Palace Library, MS 326, fol. 1r

Farbabb. 7: London, Lambeth Palace Library, MS 326, fol. 2v

Farbabb. 8: Oxford, Bodleian Library, MS Douce 305, fol. 1v

Farbabb. 9: Lissabon, Biblioteca da Ajuda, MS BA 52-XIII-18, fol. 1r

Farbabb. 10: Paris, BNF, MS fr. 24246, fol. 5r

Farbabb. 11: New York, PML, MS M. 893, fol. 106r

Farbabb. 12: Utrecht, ­Catharijneconvent Museum, MS ABM h4a, Detail

Farbabb. 13: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 2v

Farbabb. 14: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 3r

Farbabb. 15: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 227r

Farbabb. 16: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 4v

Farbabb. 17: London, BL, Royal MS 15 E., fol. 405r, Detail

Farbabb. 18: London, BL, Royal MS 15 E. VI, fol. 439r, Detail

Farbabb. 19: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 7v

Farbabb. 20: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 40-1950, fol. 82r

Farbabb. 21: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950, fol. 2v

Farbabb. 22: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950, fol. 31v

Farbabb. 23: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950, fol. 35v, Detail

Farbabb. 24: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950, fol. 56r

Farbabb. 25: Cambridge, Fitzwilliam Museum, MS 41-1950, fol. 57r

Farbabb. 26: Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 4v–5r

Farbabb. 27: Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 96v–97r

Farbabb. 28: Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 97v–98r

Farbabb. 29: Aberdeen, University of Aberdeen (Scottish Catholic Archives), Blair’s College MS 1, fol. 98v

Farbabb. 30: London, BL, Harley MS 1251, fol. 51r

Farbabb. 31: London, BL, Harley MS 1251, fol. 109r

Farbabb. 32: London, BL, Harley MS 1251, fol. 148r

Farbabb. 33: London, BL, Harley MS 1251, fol. 33v

Farbabb. 34: Oxford, Bodleian Library, MS Laud Misc. 570, fol. 24r

Farbabb. 35: L­ondon, BL, Harley MS 2900, fol. 55r

Farbabb. 36: London, BL, ­Harley MS 2900, fol. 200r

Farbabb. 37: ­London, BL, ­Harley MS 2900, fol. 56v

Farbabb. 38: Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 200v

Farbabb. 39: Dublin, Royal Irish Academy, MS 12 R 31, fol. 192r

Farbabb. 40: Warwick, Saint Mary, Beauchamp Chapel, Ostfenster, Detail

Farbabb. 41: London, BL, Cotton MS Domitian A. XVII, fol. 50r