Konfrontationsmuster des Kalten Krieges 1946 bis 1956 9783486711783, 9783486567328

Im Mittelpunkt stehen die Strukturen des Kalten Krieges: Ihre Entstehung in der Frühphase, ihre Entwicklung bis 1955/56.

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German Pages 600 [604] Year 2003

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Konfrontationsmuster des Kalten Krieges 1946 bis 1956
 9783486711783, 9783486567328

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Konfrontationsmuster des Kalten Krieges 1946 bis 1956

Entstehung und Probleme des Atlantischen Bündnisses bis 1956 Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 3

R. Oldenbourg Verlag München 2003

Konfrontationsmuster des Kalten Krieges 1946 bis 1956 Von Vojtech Mastny und Gustav Schmidt Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Norbert Wiggershaus und Dieter Krüger

R. Oldenbourg Verlag München 2003

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich

© 2003 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Str. 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München ISBN 3-486-56732-2

Inhalt Einführung

IX

Gustav Schmidt

Strukturen des »Kalten Krieges« im Wandel Einleitung

3

I. Die Strukturen des Kalten Krieges 1946-1955/56

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1. Theoretische Grundlegungen und Schlüsselbegriffe a. Sicherheitsbedarf und Strukturbildung b. Erscheinungsformen von Strukturen der internationalen Politik c. Grundzüge d. Strukturelle Arrangements e. Strukturen im Wandel: »Ambiguities« f. Grobstruktur des Kalten Krieges 2. Die Strukturen des Kalten Krieges a. Bipolarität b. Selbstgewählte Abhängigkeit von den USA: Die Folgewirkungen c. Wie organisiert sich Westeuropa? Europäische Sicherheit und Ambitionen der europäischen Westmächte in Übersee d. Arms (Auf- bzw. Abrüstung) and Diplomacy (Intra-West- und Ost-West-Diplomatie) e. Sicherheitsbelange und wirtschaftliche Optionen f. Die Militarisierung des Ost-West-Konfliktes g. Die Nuklearisierung der NATO-Strategie und Streitkräfte-Strukturen: Politische Kontrolle und alliierte Mitsprache

9 9 12 21 29 31 57 66 66 99

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VI

Inhalt

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges 1. Vorentscheidungen und Weichenstellungen (1943-1949) a. Die USA und die UdSSR: Ansprüche auf die Hauptrolle bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung b. Der Konflikt um die europäische Zusammenarbeit c. Die Teilung Deutschlands als amerikanisch-britische Reaktion auf Stalins Teilung Europas d. Entscheidungen in Osteuropa e. Sowjetische Deutschlandpolitik 2. Deutscher Verteidigungsbeitrag (1950-1952) 3. Inneres Regime und äußere Bindungen in Krisenmomenten (1951-1953) 4. Westbindung versus »Neutralisierung« (1952-1955) 5. Intra-Westeuropäische Spannungen (1947-1955) III. Zäsur 1955/56. Strukturen nach dem ersten großen Wandel 1. »Gleichgewicht des Schreckens« und Veränderungen in der Bedrohungsperzeption 2. Militärstrategische Zweiteilung (Bipolarität) und französischdeutsche Europapolitik 3. Anerkennung des Status quo der Teilungen 4. Tauwetterperiode, Haushaltslage und Strategiewechsel: Der Fall Großbritannien 5. Unabhängige nationale Nuklearstreitmacht: Die britische und französische Rechtfertigungslehre 6. Die Suche nach dem Weg aus der Sackgasse: Die Strategiedebatte in den Vereinigten Staaten 7. Das Interesse an Entspannung durch Rüstungsminderung 8. »Osterweiterung der NATO« und legitime Sicherheitsinteressen der UdSSR: Die deutsche Stellung in der NATO im Kontext der europäischen Sicherheitsdebatte 9. HandlungsSpielräume der Sowjetunion und westliche Reaktionen auf Chruscevs neue Diplomatie 10. Suez- und Ungarn-Krise 11. Innenpolitische Reaktionen auf die deutsche Mitgliedschaft in der NATO 12. Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

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Inhalt

VII

Vojtech Mastny

Die NATO im sowjetischen Denken und Handeln 1949 bis 1956 I. Die mißverstandene Allianz 1. Die kapitalistische Blockbildung 2. Die Entstehung der NATO 3. Die strategische Aufstellung

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II. Die Militarisierung des Kalten Krieges 1. Die Wirkung des Korea-Krieges 2. Gegen die Europa-Armee 3. Die post-stalinistische »Friedensinitiative« 4. Militärisches Denken der Ubergangszeit 5. Von der EVG zu den Pariser Verträgen

403 403 410 420 428 432

III. Entspannungsversuche 1. Die Gründung des Warschauer Pakts 2. Für ein neues europäisches Sicherheitssystem 3. Disengagement 4. Chruscevs strategische Revolution 5. Das Ende der Entspannung

439 439 446 452 457 464

Abkürzungen Quellen- und Literaturverzeichnis Personenregister Autoren und Herausgeber

473 477 577 581

Einführung Mit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages im April 1949 als Konsequenz der wachsenden Spannungen im Ost-West-Verhältnis legten sich die Bündnispartner auf ein Zusammenwirken von zunächst 2ehn Jahren Dauer mit der Option für eine Verlängerung fest. Daß die Option sich über fünfzig Jahre ausdehnen, das Bündnis die Sowjetherrschaft und das Ende des Ost-West-Konflikts überdauern könnte, überstieg die Vorstellungskraft der Zeitgenossen. Selbst Außenminister Dean Acheson, einer ihrer Gründerväter, beurteilte die Zukunftsaussichten der NATO 1949 wegen der Vielfalt der nationalen Interessen der Mitgliedstaaten äußerst skeptisch 1 . Die bemerkenswert lange Existenz und Wirksamkeit der nordatlantischen Allianz wird unterstrichen durch die frühe, sang- und klanglose Auflösung der SEATO (1977), des pazifisch-südostasiatischen Gegenstücks zur NATO, und des CENTO-Pakts (1979) für den Mitderen Osten. Der Rio-Pakt, ursprünglich Modell für NATO und SEATO, schuf sich nicht einmal ständige Organe2. Die Lebensdauer ist freilich nur ein erster Hinweis auf Bedeutung und Geltung der Allianz. So fielen die Urteile von Politik, Wissenschaft und Presse anläßlich des dreißigsten, vierzigsten und fünfzigsten Jubiläums des Bündnisses auch keineswegs einheitlich positiv aus. Vielmehr reicht ihre Spanne von »bemerkenswert erfolgreich« bis hin zu »irrelevant in der Rolle als Garant der westlichen Sicherheit«5. Allerdings gestehen auch die Kritiker fast einmütig zu, das Bündnis habe »den Frieden in Europa durch alle Gefahrenzonen der Ost-West-Konfrontation« gesichert, seine permanenten Krisen erstaunlich gut überstanden, ebenso alle interne Kritik an strukturellen Mängeln, auch alle Sorgen über die Verläßlichkeit der amerikanischen Nukleargarantie. Zudem habe es alle meist sehr kontrovers geführten Debatten über strategische Doktrinen, Force posture und nukleare Taktiken ohne gravierende Kohäsionsverluste gemeistert 4 . 1 2 3

4

Vgl. Stuart, United States, S. 123. Ferrell, Formation, S. 31; Kaplan, Alliances, S. 14. Kissinger, Erweiterung der NATO, Patterson, Adantic Alliance, S. 1; Schmidt/Granatstein, NATO; Wolf, Opfer, S. 3; Canada and NATO. Adantische Gemeinschaft; Patterson, Adantic Alliance, S. 1; Schmidt/Granatstein, NATO (Zitat); Schmidt, Preface, S. XIII (Die NATO handelte »effectively enough to outperform the Soviet Union and survive the end of the >Cold War Siehe I.2.d - f; Ilitchcock, France, S. 142, 162; Neuss, Geburtshelfer, S. 163, 174, 178, 189, 244, 254 ff. 35

I. Die Strukturen des Kalten Krieges (1946-1955/56)

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Zusammenarbeit zu machen, doch wurde der Weg konsequent erst nach 1956 beschritten. Frankreich verzichtete darauf", Großbritannien als Gegengewicht und Mitder direkt am neuen Kurs zu beteiligen, bestand allerdings darauf, daß Großbritannien die 1954 gemachten Zusagen in der Verteidigungspolitik einhielt. — Symbolische Aktionen, wie die Verteidigung der Position der westlichen Alliierten in der Berlin-Krise 1948/49, suggerierten den deutschen Akteuren, daß die amerikanische Politik deutsche Interessen zuverlässig verteidigen würde. Da Frankreich und Großbritannien eine amerikanische Option für Bonn befürchteten und daher auf ihre politischen, rechtlichen und moralischen Vorrechte pochten, hatte die Bundesrepublik gute Gründe, gerade gegenüber Frankreich den Willen zu »guter Nachbarschaft« als Beweis ihrer Europa-Tauglichkeit zu bekunden. Das erwarteten die USA von der deutschen Politik. Trotz aller Frustrationen über französische »faits accompli«41 konnte man in Bonn davon ausgehen, daß Paris sich gleichfalls auf die Vorteile der Westbindung besinnen würde, d.h. auf den von den USA und Großbritannien gesteckten Kurs zurückpendeln und einen Ausgleich mit der Bundesrepublik anstreben müsse. c. Grundzüge Die nachhaltigsten und damit die Epoche des Kalten Krieges strukturierenden Überzeugungen und praxisleitenden Einschätzungen sind, rückblickend betrachtet: 1. Beide Seiten konnten weder gegeneinander Krieg führen noch miteinander Frieden finden42; sie unterstellten einander in ihrer Propaganda die Bereitschaft zum »general war«, fanden intern jedoch gute Gründe dafür, warum beide Sei40

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In Reaktion auf die eigenständige Ostpolitik der Ära Brandt bemühte sich Pompidou um engeres Einvernehmen mit Großbritannien; insbesondere Heath teilte das Anliegen, einen Positionsverlust der beiden Westmächte im Vergleich zum erweiterten I landlungsspielraum Bonns zu vermeiden. Beispielsweise spielten Schuman, Bidault, Mendcs France die Saarfrage hoch, um der Rechten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Repliken aus dem Munde westdeutscher national-liberaler und SPD-Politiker, in der Saarfrage werde eine dritte deutsche Teilung vollzogen, nährten Vorwürfe an einen unverbesserlichen deutschen Nationalismus. Amerikanische und britische Interventionen in Bonn und in Paris trugen dazu bei, daß die Kampagnen nicht zu nachhaltig auf die amtliche Außenpolitik abfärbten. Schwarz - Adenauer, II, S. 130 - schreibt Adenauer eine entsprechende These zu; er ergänzt, daß die Sowjetunion — laut Adenauer - die deutsche Frage als Teilaspekt des gesamten Sicherheitskomplexes gesehen habe. Diese Auffassung habe Adenauer als Alibi gedient, von der Sowjetunion in der Deutschlandpolitik auch nach internen Führungswechseln keine Kompromißbereitschaft zu erwarten. Der externe Faktor habe in Stalins Deutschlandpolitik keine Rolle gespielt. Zur Frage, ob und in welchem Sinne sich die Kenntnis Stalins, Berijas, Malenkovs und Ohru£evs über den Stand der Kernwaffenentwicklung auf die sowjetische Diplomatie ausgewirkt habe: Richter, Krushchev, S. 38 ff., 66 ff.;. I lolloway, Stalin, S. 325 ff., 329 ff.; Zubok, Stalin, S. 52 ff.; ders./Harrison, Nuclear Education, S. 146 ff. Zur inner-amerikanischen Diskussion, die zu Eisenhowers Rede vom 16.4.1953 führte: Feiken, Dulles und Deutschland, S. 9 3 - 135; Gnad, Konfrontation, S. 245 - 248; Immerman, Trust.

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Gustav Schmidt

ten den dritten europäischen Bürgerkrieg als Weltkrieg nicht wollten43. Die Hauptsorge der Westmächte galt der Möglichkeit, daß der Kreml die vielen prekären Situationen des Westens — in Berlin; Osterreich; Triestfrage (Italien/Jugoslawien) — sowie die lokalen Rückschläge der USA (Südkorea; Taiwan; Süd-Vietnam) und der europäischen Kolonialmächte ausschlachten und die Weltgeltung der Westmächte untergraben könnte. Umgekehrt mußte die sowjetische Politik damit rechnen, daß der »Westen« mit der Zeit seine überlegenen Ressourcen ins Spiel bringen würde; Moskau stand somit vor der Frage, ob man aufgrund noch vorhandener relativer Vorteile einen durchgreifenden Erfolg anstreben, aber damit auch dem »Westen« einen weiteren Grund geben würde, die Bemühungen um Zusammenhalt und eine »Politik der Stärke« zu beschleunigen44. 2. Eine Konvergenz der Systeme und vor allem ihrer Praktiken45 schien letztlich keiner der Führungsschichten erstrebenswert46. Nur dank der Lernbereitschaft der Gorbacev-Ara, begleitet von der vertrauensbildenden Wirkung des KSZEProzesses, ging für begrenzte Zeit der Druck in Richtung Transparenz/Offnung/Perestrojka/Glasnost der sozialistischen Staatengemeinschaft und insoweit zur Annäherung an westliche Grundwerte. 3. Weder wirtschaftliche Verheißungen noch ökonomische Sanktionen entfalteten in ausreichendem Maße »spillover«-Effekte in die innergesellschaftlichen

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44 45

46

Die Ausnahme betrifft den Zeitraum August 1950 - Frühjahr 1951, der vom Disput vor allem zwischen Washington und London über die Vordatierung des Gefahrenzeitpunktes von 1954 auf 1952 oder gar 1951 gekennzeichnet ist. Man muß dabei zwischen Stellvertreter-Kriegsszenarien und »general war« unterscheiden; im September 1950 hatte die NATO den 1.7.1951 als Planungszieldatum festgelegt; die Kontroverse zwischen den USA und Großbritannien ging vor allem darum, ob der Kreml bereits vor der Verfügbarkeit über ein ausreichendes Kernwaffenarsenal die Ausweitung zum Krieg gegen die USA und Großbritannien riskieren oder auf Lokalisierung bedacht bleiben würde. Diese Überlegungen finden sich z.B. in einem Memorandum des Policy Planning Staff, (25.1.1951), FRUS, 1951,1, S. 34 ff. Zu den ersten Impulsen für den Kalten Krieg zählt die Beobachtung, daß die »Sowjets« absolut unfähig seien, an die gleichen Werte wie die westlichen Demokratien zu glauben; F. Roberts (Britische Botschaft, Moskau) an FO, 14. und 18.3.1946, FO 371 - 56763; Steininger, Die Alliierten und Deutschland, S. 7; zu den amerikanischen Urteilen über den Beginn des Kalten Krieges: Gaddis, Long Peace, S. 53 ff. Die Auffassung, daß mit der totalitären Sowjetunion kein Kompromiß möglich sei, wurde am entschiedensten von K. Schumacher verfochten: Loth, Von der »Dritten Kraft«, S. 65. Beide Seiten setzten ihr Verständnis von Demokratie mit friedfertig gleich; dadurch wurde der Sicherheitsbegriff ideologisiert; für den Westen bedeutete Sicherheit »Freiheit der gesellschaftlichen Eigenentwicklung« als freie Wahl des inneren Regimes und der äußeren Bindewirkungen (UN-konforme Sicherheitssysteme). Schon vor der offiziellen Verkündung der Breznev-Doktrin 1968 setzte die Sowjetunion mit Sanktionsgewalt die Monopolstellung moskautreuer Staatsparteien durch. Nach 1955/56 erreichte der Kreml, daß der Westen - vor allem die USA und die Bundesrepublik — das Gebot der Nicht-Einmischung de facto als Recht der Sowjetunion zur gewaltsamen Aufrechterhaltung der Staatspartei-Regime hinnahm. Die DDR reagierte nach 1970 auf die außenpolitische Entspannung bekanntlich mit der Politik der Abgrenzung und systematischen Ausgrenzung von Dissidenten.

I. Die Strukturen des Kalten Krieges (1946-1955/56)

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Machtverhältnisse, um die Konfliktstrukturen zwischen den Blöcken aufzubrechen. 4. Die sowjetischen Erfolge irn Wettrüsten waren keine Garantie, daß die Sowjetunion entsprechend dem Kalkül der Kremlherren den Kalten Krieg auch tatsächlich gewinnen würde; die Demonstration militärischer Stärke löste keine erdrutschartige Bewegung dahingehend aus, daß eine westliche Regierung nach der anderen um Frieden zu sowjetischen Bedingungen nachsuchte oder zumindest den Bruch mit den USA vollzog und ihre Neutralität im Konflikt zwischen den Supermächten erklärte. Die Gründe, warum der Kreml die innerstaatlichen Machtverhältnisse in den NATO-Ländern falsch einschätzte - d.h. die Chancen für den Durchbruch neutralistisch-nationalistischer Tendenzen oder für einen Bruch in den Beziehungen zwischen einzelnen NATO-Ländern und den USA verspielte —, sind auch nach Erscheinen neuerer Forschungsarbeiten nicht definitiv zu bestimmen 47 . Sie bestätigen den Eindruck, daß die sowjetischen Machthaber auf eine Selbstdemontage des »Westens« hofften und daher glaubten, sich politische Zugeständnisse schenken zu können. Das Ausbleiben genuinen Entgegenkommens schwächte die Erfolgschancen der Fürsprecher einer Ausgleichspolitik auf westlicher Seite. Nur die erste und die zweite Feststellung bedürfen an dieser Stelle einer Erläuterung: 1. Aufgrund der Annahme, daß der Kreml im Fall des drohenden Verlusts seiner Vorherrschaft im Ostblock mit militärischer Gewalt eingreifen müsse, weil er keine andere Option besitze48, sahen sich die Westmächte mit zwei Ungewißheiten konfrontiert: (1) War die Sowjetunion so stark mit der Konsolidierung ihres »security empire« präokkupiert, daß sie weder einen europäischen Satelliten zum Stellvertreterkrieg veranlassen noch selbst zur Beseitigung von »Unruheherden« (WestBerlin; Jugoslawien; westliches Osterreich) 49 militärisch eingreifen würde? Wie ernst war die Gefahr eines Kriegsausbruchs in Mittel- und Südosteuropa? (2) Sollte der Westen sich darauf beschränken, die eigene Zusammenarbeit zu konsolidieren, hingegen das Geschehen östlich des >Eisernen Vorhangs< als Ostblock-interne Angelegenheit werten? Die westliche Seite ließ sich von der Erkenntnis leiten, daß Stalin, obwohl im Unterschied zu Hitler vorsichtig operierend5", den Nimbus sowjetischer militärischer Schlagkraft nutzen wollte, um die Westmächte an den Verhandlungstisch

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1()

Adomeit, Imperial Overstretch, S. 52-71; Wettig, Bereitschaft, S. 240 ff. G.F. Kennan, 7.7.1948, Washington Exploratory Talks, 3rd Meeting, FO 371 - 73072. Zur amerikanisch-britischen und NATO-Planung betr. der Österreich/Italien/JugoslawienSzenarien siehe 1 leinemann, Zusammenwachsen, Kap. II und III; I leuser, Western Containment, S. 162. 1 Iitler war mit Verhandlungslösungen nicht zufrieden, sondern setzte Militär ein (1936, 1938), um sich zu nehmen, was man ihm anbieten wollte; am Verhandlungstisch hätte er Gegenleistungen bieten und einhalten müssen; er zog es vor, nach den gelungenen Coups öffentlich künftiges Wohlverhalten zu versprechen und dadurch die Öffentlichkeit in Westeuropa zu beschwichtigen.

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Gustav Schmidt

und dort zur Nachgiebigkeit zu zwingen51. In Anspielung auf die Fehler der Appeasement-Politik der europäischen Westmächte gegenüber Hiders Drohpolitik machten sich Acheson und Bradley für die Auffassung stark, daß der »Westen« in seinen Rüstungsanstrengungen nicht »versagen« dürfe; anderenfalls sähe sich die sowjetische Führung zu Übergriffen in naher Zukunft ermutigt52. Die USA organisierten eine »Position der Stärke«, um einen Frieden zu Bedingungen zu verhindern, die einen Sieg des Kreml über die 1944-1946 erzielten Anfangserfolge in Ost-Mitteleuropa und in Fernost — auf Kosten Chinas und Japans (!) — hinaus signalisiert hätten. »Position der Stärke« beruhte auf den beiden Elementen: kombinierte amerikanisch-alliierte militärische Abwehrkraft und Demonstration der Einigkeit in entscheidenden Fragen zwischen den Westmächten, so daß Stalins Kalkül der Einschüchterung und »Isolierung der Opfer« nicht aufgehen konnte. In dem Maße, wie das Zweite gelang, widerlegten die kapitalistisch-imperialistischen Staaten nicht nur die bolschewistische Doktrin vom unvermeidlichen Konfliktaustrag zwischen den westlichen Ländern, sondern machten auch den Vorteil wett, den die Geheimdienste und Maulwürfe der Sowjetführung mit ihren Informationen über amerikanisch-britische Gegensätze verschafften53. Für den von den USA geführten Westen war es ausgeschlossen, sich auf Appeasement einzulassen54. Doch genauso konsequent wurde gerade von den USA die Option verworfen, ihre zeitweilig gegebene Überlegenheit als Atommacht präventiv einzusetzen, um die Sowjetunion in die Schranken zu verweisen55. Zwar konnte man den USA vorwerfen, als erste Nuklearmacht die Atombombe auch kriegsbeendend eingesetzt zu haben, doch gerade diese Erfahrung führte zu der Überzeugung, daß man besser auch die letzte bleiben sollte, die den Einsatz tatsächlich anordnete. Dabei spielte eine Rolle, daß Stalin bereits beim ersten zaghaf51

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Die Grundauffassung war, daß die Sowjetunion eine überwältigende Militärmacht entwickle, um durch Einschüchterung den Wirkungsgrad ihrer anderen »Kalte-Kriegs«-Instrumente - Infiltration, Subversion, Aufbau fünfter Kolonnen etc. - zu steigern. Diese Auffassungen finden sich in NSC 68 - FRUS, 1950, I, S. 237 f., 262 ff. - und in strategischen Dokumenten der NATO NATO Strategy Documents, S. 128, 287, 242 ff. - sowie in den Analysen der britischen Chiefs of Staff, z.B. C.O.S., 116th Meeting, 16.7.1951, PRO, DEFE 4 - 4 5 . Leffler, Preponderance, S. 442; siehe I.2.a und f. Stalin war über die Gegensätze zwischen den USA und Großbritannien in der Chinapolitik unterrichtet; ob und inwieweit diese Kenntnisse seine Bereitschaft förderten, Kim II Sung grünes Licht für den Kriegszug nach Südkorea zu geben, ist eine offene Frage; siehe dazu Zubok/Pleshakov, Inside, S. 95 f., 102, 193. Die Kritiker des Appeasement Hitlers waren in den USA, Großbritannien und Frankreich nach 1945/46 am Ruder. Einige von ihnen, z.B. Bevin oder Churchill, gehörten zu den ersten, die Stalin als neue Gefahr für die westlichen Demokratien einschätzten. Die Kehrseite ist, daß dieser Vorwurf innenpolitisch instrumentiert und damit die Kalte-Krieg-Stimmung aufgefrischt und verlängert werden konnte. Die Option D »Präventivkrieg« wurde in den Aussprachen über die im Rahmen der politischen Stabsübung SOLARIUM geprüften Optionen ad acta gelegt. Eisenhower sprach sich auch in der nächsten Phase - NSC 5440, Basic National Security Policy (26.12.1954), FRUS, 1952-54, II, S. 806-844, hier: 844, Note 11 - gegen einen Präventivkrieg aus; siehe I.2.g. Buhite/IIamel, War for Peace, zitieren im 1. Teil Stimmen, die den Präventivschlag guthießen, zeigen im 2. Teil jedoch, daß die politisch Verantwortlichen den Einsatz aus vielen Gründen verweigerten.

I. Die Strukturen des Kalten Krieges (1946-1955/56)

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ten Versuch der USA — während der Potsdamer Konferenz —, atomare Drohpolitik zu inszenieren, gekonnt Gelassenheit demonstrierte, und beim zweiten Versuch (1950/51), nunmehr selbst im Besitz der Atombombe, gegen die BomberÜberlegenheit der USA im Korea-Krieg die Panzerkraft-Überlegenheit der UdSSR in Ost-Mitteleuropa gegen NATO-Europa-Gebiet aufbot56. Das Resultat war, daß die USA — nach dem »verspielten« Sieg MacArthurs im Herbst 1950 — keinen Großeinsatz zur Erzwingung eines Siegs über Nordkorea riskierten, während Stalin anscheinend mehr daran gelegen war, die Konfrontation zwischen China und den USA zu verlängern als Mao Zedong zum Sieg zu verhelfen oder in Europa den insbesondere auf französischer Seite befürchteten, aber auch von den USA nicht ausgeschlossenen Entlastungs- oder Stellvertreterangriff über die SBZ/DDR zu inszenieren. Nach dem erfolgreichen Aufholprozeß und der eigenen Verfügung über Atomwaffen und erst recht von H-Bomben 57 entfiel für den Kreml die Notwendigkeit, Gelassenheit vorzuspiegeln; Moskau wurde vielmehr politischpsychologisch offensiv. Die Führungsgruppen der Westmächte hatten darauf verzichtet, die kurzen Phasen amerikanischer Überlegenheit militärisch-offensiv 58 zu nutzen, — und zwar auch, um ihre moralische Überlegenheit gegenüber der roten Diktatur hervorzuheben. Die militärtechnische Parität der Blöcke und die offensive Haltung des Kreml machten ein Überdenken der westlichen »diplomacy« notwendig. Zwar gaben sowjetische militärische Drohaktionen wiederholt Anlaß, vom Anspruch des Kreml auf ein ostblockinternes Gewaltmonopol auf weiterreichende hegemoniale Ambitionen zu schlußfolgern, aber das offen bekundete Einschwenken der sowjetischen Politik unter Chruscev auf die bereits 1951 geprägte Formel von friedlicher Koexistenz zwischen erster und zweiter (sozialistischer) Welt lud dazu ein, nach Möglichkeiten zu suchen, Spannungen zwischen Ost und West zu entschärfen 59 . In der Sprache eines NATO-Dokuments lautete der Befund: »Soviet reluctance to embark on general war will probably result in the choice of continuing the cold war or initiating military operations of a limited nature as a preferred Soviet tactic60.«

Weil man — vor allem in der amerikanischen Öffentlichkeit — die Waffensystemerfolge der UdSSR höher einschätzte als sie tatsächlich waren, verlagerte sich das * 57

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Zubok, Stalin, S. 58; Mastny, Cold War, S. 87 ff.; 1 Jolloway, Stalin, S. 280- 285. Holloway, Stalin and the Bomb, S. 329 ff.; Watson, History, V, S. 1; Newhouse, War and Peace, S. 81; siehe Il.d. Die Erwägungen, Atomwaffen gegen die Sowjetunion und/oder die VR China einzusetzen, spiegeln die Grundeinstellung wider, daß die Nuklearstrategie Kompensation leisten »müsse«: für die Kürzungen im Militärhaushalt (vor 1950), für die Defizite in der Aufrüstung der Verbündeten, für die massive Überlegenheit der »Sino-Soviet man-power«; Dulles, Policy for Security, S. 357 ff.; Peter, Abschrecken, S. 148 ff.; Ross, American War Plans, 142 ff.; zum Reaper-Plan vom 29.11.1950: Mastny, Cold Wat, S. 109 f.; siehe I.2.a. Rosenberg, Before the Bomb, S. 192; zu Churchills Politik s.u.; NSC 162/2 (30.10.1953), FRUS, 1952-54, II, S. 581; NSC 153/1 (10.6.1953), ebd., S. 378-384; siehe III. Einen guten Überblick zur amerikanischen Debatte gibt Gnad, Konfrontation, S. 231-330. M.C. 14/2, 6.4.1957, veröffentl. in: NATO Strategy Documents, S. 287; C-M (56) 138 Final, Analysis of Soviet Intentions, ebd., S. 271-273.

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Gustav Schmidt

Interesse auf die Beobachtung der military balance und die Chancen der beiden Supermächte im Wettrüsten61. Die Sprachformel des friedlichen Nebeneinanders sparte die politischen Spannungen aufgrund der Teilung Europas und Deutschlands aus und zementierte den Status quo. Die Hinzugewinnung militärischer Kapazität — dank des WEU/NATO-Beitritts der Bundesrepublik - sollte es möglich machen, aus einer Position der Stärke heraus »Sicherheit« über den Weg der Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung (a) des deutschen und (b) des strategischen Arsenals der Supermächte zu gewährleisten62. 2. Die Unversöhnlichkeit der politischen Systeme und die im Falle Stalins kaum vorhandene bzw. auf westlicher Seite nach »Prag 1948« erschöpfte Kompromißwilügkeit verstärkten einander wechselseitig. Die Wellen der »Sowjetisierung« der osteuropäischen Länder63 und der Aufwuchs sowjetischer Militärstärke als Mittel zur Einschüchterung sowohl der eigenen »Satelliten« als auch der Länder der freien Welt verstand man in den westlichen Hauptstädten als Versuch des Kreml, die eigene Vorherrschaft mit den Methoden des Kalten Krieges zu erweitern. »Korea« erklärte man sich damit, daß Stalin in der Überzeugung handelte, mit einer überlegenen und uneingeschränkt einsetzbaren Militärmacht überall zuschlagen zu können64; man müsse damit rechnen, daß Stalin die militärische Drohpolitik65 bis hin zur Angriffshandlung zuspitzen könnte, falls der Westen »Schwäche« zeige66. Für die kommunistischen Führungskader waren »westliche Demokratie«, »Kapitalismus« und »Militarismus« Synonyme derselben Feindbild-Struktur, die sie auch außerhalb des Ostblocks durch Propagandakampagnen und Gesinnungsge«

62 63

M

μ 66

NSC 5501 (7.1.1955), FRUS, 1955-57, XIX, S. 2 4 - 3 8 ; zum Killian-Report (14.2.1955): ebd., S. 85 ff.; der CIA-Bericht NIE 100-5-55 bestätigt die Daten; femer NSC, 252. und 257. Sitzung, 16.6. bzw. 4.8.1955, ebd., S. 87-108. Eine gründliche Auswertung der lange zurückgehaltenen Akten geben May, Steinbrunner, and Wolfe, History. Zum Zusammenhang zwischen der Einschätzung, daß die USA noch bis ca. 1958 einen Vorsprung halten könnten, und der Vorstellung, diesen für eine Ära der Verhandlungen nutzen zu können, siehe ebd., S. 45, 80 f., 84, 88, 96, 134, 149,193, 258, 291 ff., 324, 328, 342, 364. Gaddis, Conclusion, S. 264-266. Das deutlichste Beispiel ist die Ernennung von Marschall Rokossowsky im November 1949 zum polnischen Verteidigungsminister. Die einzelnen »Wellen« der kommunistischen Machtergreifung sind: In Polen vernichtete die Rote Armee nach dem Warschauer Aufstand gegen die NaziBesatzung die überlebenden bürgerlichen Offiziere; Stalin verhalf dem Lublin-Komite zur Machtsicherung; Bulgarien wurde 1946 »moskautreu«. »Prag 1948« bedeutete die Liquidierung des Experiments, daß eine innerstaatlich west-orientierte Demokratie eine Außenpolitik wohlwollender Neutralität gegenüber der UdSSR betrieb; es folgte die Liquidierung der als Nachahmer Titos verdächtigten »Nationalkommunisten«; siehe II.2. Hoensch, Sowjetische Außenpolitik, S. 407 ff., 414 ff.; Mastny, Cold War, S. 62 ff., 129 ff.; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 110 ff., 129 ff.; Foitzik, Stalinistische »Säuberungen«. NSC 73/1 - 4 The Position and Actions of the United States (29.7.1950 - 25.8.1950), FRUS, 1950, I, S. 331 ff., 375 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 97; Jones, Britische Bedrohungsanalysen, S. 175 ff. SG 13/16 (5.1.1950) bzw. M.C. 14: NATO Strategy Documents, S. XIII f., 92 ff.; NSC 52/3, FRUS, 1949,1, S. 385 f. Betr. Politik der Stärke als Gegenpart zu der Stalin unterstellten kalkulierten Risikobereitschaft. Zum Wandel der Bedrohungsperzeption: Mai, Containment, S. 514 f.; Leffler, Preponderance, S. 332 ff., 438 ff.

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nossen zu implantieren vermochten. Für die westliche Seite war die Auffassung konstitutiv, daß geschlossene Systeme (»Diktaturen«) unfähig zu Gewaltverzicht nach innen ebenso wie nach außen seien; deshalb müßten demokratische Gesellschaften wehrhaft sein und durch ihren Zusammenschluß die Fähigkeit sichern, den Ost-West-Konflikt durchzustehen und letztlich aus einer Position der Stärke heraus für sich zu entscheiden. »There are no substitutes for societal openness and democracy in terms of providing checks on the natural inclinations of narrowly based leaderships to use force to preserve both their own authority and their views on what their states should be. Without openness, the Soviet Union will continue to be the main potential threat to Western security'17.«

Mit diesem grundsätzlichen Gegensatz hing die prekäre Struktur des deutschsowjetischen Sonderkonflikts im Rahmen des Ost-West-Konflikts zusammen. So hervorstechend das Problem der Teilungen Deutschlands und Berlins — vor allem in bezug auf die vorausgehende Teilung Europas durch Stalin - bereits ist, so muß dieses Ereignis unter dem Aspekt gesehen werden, den Adenauer in die Worte faßte: »Nur die Rußland-Verhältnisse geben uns eine einmalige Chance. Wäre Rußland demokratisch nach 1945 geworden, so wären wir für Jahrzehnte unter den Völkern ein Paria geblichen6".«

Zweite Demokratiegriindung in Deutschland stand in den innenpolitischen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik genauso wie in den Intra-West-Kontroversen über eine mögliche Beendigung des Kalten Kriegs unter dem Aspekt einer doppelten Profilierung: Die USA müßten sich — anders als nach dem Ersten Weltkrieg — als europäische Macht engagieren and für die Re-Integration Deutschlands als gleichberechtigter Partner aktiv einstehen; die Mitglieder des europäischen Zusammenschlusses, insbesondere die westdeutsche Demokratie, müßten daran interessiert sein, den USA als »Europe's pacifier and federator« keinen Anlaß zu geben, entweder den Fehler des »Isolationismus« zu wiederholen oder auf ein zweites Jalta zu verfallen. Da die Mitglieder beider Lager von der Richtigkeit ihrer Position in allen drei Kernbereichen der Politik — Sicherheit; Wirtschaft/Wohlfahrt; Legitimität (Herrschaft und gerechte innere Ordnung) — grundsätzlich überzeugt waren und sich damit faktisch von der Versuchung der Befreiung von amerikanischer bzw. sowjetischer Vorherrschaft distanzierten 69 , ergab sich jener »Dauerzustand des weder " 68 69

O'Neill, Securing Peace, S. 319 f. Adenauer in der Sitzung der CDU/CSU—Bundestagsfraktion, 18.9.1951, Sitzungsprotokolle 1949 -1953, Dok. 242, S. 441. Die in den letzten Jahren vermehrt vorgelegten Untersuchungen zu einer angeblichen amerikanischen Befreiungspolitik werten zum einen die unbestreitbaren Querverbindungen zwischen Dienststellen und Organisationen zu regierungsamtlicher Politik auf und ignorieren zum anderen, daß die wiederkehrenden Schauprozesse sich der Behauptung bedienten, US-Agenten seien die eigentlichen Drahtzieher. Die entscheidende Frage, wie die beteiligten Dienststellen die Erfolgsaussichten eventueller Operalionen einschätzten und ob sie dafür das Placet der Regierungsspitze erhielten, wird häufig ausgeblendet.

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Krieg noch Frieden, den wir Kalten Krieg oder besser: organisierte Friedlosigkeit«70 nennen. Erst die Einsicht der sowjetischen Machthaber in die Unzulänglichkeiten der eigenen »belief systems/shared knowledge« und die damit verbundene Bereitschaft zu Strukturreformen in Richtung Angleichung an die Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren der anderen (westlichen) Seite eröffnete die Perspektive für gesamteuropäische Sicherheitsstrukturen71. Die Perspektive wurde Realität, weil die westliche Seite an ihrem Grundsatz festhielt, daß die UdSSR legitime Sicherheitsinteressen habe, also ein einseitiger sowjetischer Verzicht auf die nach 1944/45 entwickelten Beherrschungsformen im Gebiet östlich des Eisernen Vorhangs keine Beeinträchtigung der Sicherheit der Sowjetunion bedeuten dürfe. Die von Dulles 1952 im Wahlkampf verkündete »Roll-back«Strategie72 blieb Episode; die Ansätze einer Subversionspolitik fanden bei den NATO-Partnern keinen Widerhall; die Eisenhower-Regierung paßte hier ihre Politik der Stimmungslage der Hauptverbündeten an73. Um dem Vorwurf der Untätigkeit gegenüber Unterdrückungsmaßnahmen zu begegnen, entschlossen sich die amerikanischen Regierungen zu Hilfsaktionen, achteten aber darauf, daß die Schwierigkeiten, die diese Interventionen z.B. den Machthabern in der DDR nach dem Aufstand im Juni 1953 bereiteten, nicht zusätzliche Repressionsmaßnahmen provozierten. In jedem Fall galt es, Situationen zu vermeiden, in denen Mitglieder der Machteliten in Erwartung amerikanischer Stützmaßnahmen sich veranlaßt sehen könnten, die moskauhörigen Funktionäre zu entmachten. Auf der anderen Seite unterstützten Stalin und seine Nachfolger mit Hilfe von Subventionen Massenagitationen mit dem Ziel, US-freundliche Regierungschefs zu stürzen. Aber auch sie respektierten Grenzen; so widersetzten sie sich dem Drängen Ulbrichts, durch Annexion Westberlins die USA vor die Wahl zu stellen, entweder ihre Ohnmacht einzugestehen und den damit verbundenen Gesichtsverlust in den Augen pro-amerikanischer Machtgruppen in Kauf zu nehmen oder eine Militärak-

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Senghaas, Abschreckung. Ullman, Securing, S. XIV, 14, 30 f., 55, 77; Schmidt, Explaining. Dulles, Policy of Boldness. In einer Rede vom 18.4.1953 forderte Dulles den Kreml zur Preisgabe seiner Herrschaftsausübung über Osteuropa auf. Die Task Force Β (SOLARIUM Exercise) lehnte »liberation by military force« als Option ab; Peter, Abschrecken, S. 101. Den Zusammenhang zwischen amerikanischer »Einmischung« und Subversionstaktiken einerseits und Schauprozessen gegen vermeintliche Agenten und Kollaborateure im Ostblock andererseits während der Stalin-Ara behandelt Mastny - Cold War - eingehend. Siehe ferner Kovrig, Myth; Ostermann, United States; Ingimundarson, Eisenhower, S. 387-392, 408. Im Verlauf der politischen Strategie-Planung (SOLARIUM-Projekt) ließ Eisenhower nach einer Aussage Goodpasters die »Roll-back«-Option fallen; Bowie/Immerman, Waging Peace, S. 127; die J C S befürworteten den Ansatz, das State Department und die CIA betonten hingegen, daß die Sowjetunion - nicht zuletzt aufgrund der westlichen Kohärenz — »Vernunft« zeige; ebd., S. 160 f. In NSC 174, Policy toward Satellites in Eastern Europe, Dezember 1953, wurde festgelegt, daß die USA (a) »verfrühte« Aufstände in Osteuropa verhindern, (b) um enge Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Verbündeten bemüht bleiben und (c) die UdSSR nicht provozieren sollten; andererseits sollte am langfristigen Ziel der Zurückdrängung sowjetischer Vorherrschaft in Osteuropa festgehalten werden; Ingimundarson, Chef, S. 246.

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tion zu riskieren, bei der die USA von Anbeginn mit dem Stigma der Unverhältnismäßigkeit ihrer militärischen Reaktion belastet gewesen wären. d. Strukturelle Arrangements Der Kalte Krieg als Konstellation, in der beide Seiten weder den »großen« Krieg anfachen noch Frieden miteinander schließen wollten, beruht auf strukturellen Arrangements, denen folgende Komponenten zugrunde liegen, die in eigenen Kapiteln behandelt werden: Bipolarität. Nach dem Scheitern der Rooseveltschen Vision traten die USA in eine globale Machtprobe mit der Sowjetunion ein, wobei sie als Neugestalter des Regionalismus in Westeuropa und im Fernen Osten (Japan-Südostasien) einen langfristigen Vorteil für ihre Positionierung in der Weltwirtschaft und Weltpolitik anstrebten. Intra-West-Spannungerr. Die selbstgewählte Abhängigkeit der alten und neuen Mitglieder des westlichen Bündnisses von den USA bescherte Washington den Zielkonflikt zwischen der eigenen Option für die Westbindung der ehemaligen Weltkriegsgegner und neuen Verbündeten Deutschland und Japan und der Erwartung ihrer alten Verbündeten, sie sowohl in der »Out-of-area«-Dimension des Kalten Kriegs zu unterstützen als ihnen auch einen Vorsprung vor den Aufsteigern Deutschland bzw. Japan zu sichern; Selbstorganisation und Positionierung (Westeuropas: Die Spannungsverhältnisse zwischen Großbritannien und Frankreich sowie zwischen dem Prioritätsanspruch Großbritanniens/Frankreichs und der amerikanischen »Option« für die Anerkennung des deutschen Anspruchs auf Gleichwertigkeit im Bündnis konstituierten spezifische Beziehungsmuster: — die »pecularities« der britisch-französischen Beziehungen, den Zwiespalt zwischen gemeinsamen Ausgangspositionen und dem Drang, eigene Wege einzuschlagen; — das amerikanisch-deutsche Sonderverhältnis auf der Basis, europäische Strukturen zu schaffen; — die langwierige Operation »Konsolidierung des Westens« als Vorgriff auf künftige gesamteuropäische Sicherheitsstrukturen: Die Wechselwirkung zwischen dem Interesse der Westmächte an der Verankerung der Bundesrepublik in westlichen Systemen und Adenauer-Deutschlands am Vollzug der Westintegration war noch keine Garantie, daß die westlichen Systeme feste Konturen erhielten. Dazu war erforderlich, daß Frankreich und Großbritannien, aber auch Italien, die skandinavischen und Benelux-Länder sich prinzipiell und praktisch bereit fanden, die Bonner Republik als erstklassigen Partner in die westlichen Systeme aufzunehmen. Wirtscbaftsbelange und sicherheitsstrategische Pflichtübungen. Die Scharnierfunktion zwischen NATO-Europa und Fernost verlangte von den USA, den Stellenwert

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und die Einsatzmittel ihres Engagements in beiden Regionen auszutarieren74; darüber hinaus galt es, amerikanische Vorstellungen von Lastenteilung mit den vom jeweiligen Verbündeten definierten Grenzen seiner Belastbarkeit abzugleichen75; die unterschiedlichen Perzeptionen der westlichen Staaten begünstigen eine Entwicklung, die »Strukturen im Wandel« generierte. Arms (Auf- und Abrüstung) & Diplomacy: Die unterschiedliche Beurteilung, ob es Ende 1952 oder 1954 noch so vordringlich wie im Sommer 1950 oder im Winter 1951/52 sei, zugunsten der »military balance« auf seiten der NATO »Fakten zu schaffen« und ob die Ereignisse in Fernost für die Bedrohungslage in Europa relevant blieben, oder ob man besser nach Anknüpfungspunkten für Entspannung suchen solle, verwickelte die Verbündeten in Auseinandersetzungen darüber, wieviel Solidarität sie einander schuldeten und ob dafür Rüstungsmaßnahmen genauso erforderlich seien wie diplomatisch-politische Initiativen. »Militarisierung« des Ost-West-Konflikts: Die Hinzufügung der militärischen zur ideologisch(system-politisch)en und wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Dimension bedingte die Festschreibung der Teilungen in Europa und in Ostasien; sie sorgte aber auch für eine Eigendynamik der Strategie-Debatte und der Eckdaten der Streitkräftestrukturen. »Nuklearisierung« der NATO-Strategie und Streitkräftestrukturen: Die Probleme der politischen Kontrolle über die fortschreitende Abhängigkeit der Sicherheit und Verteidigung NATO-Europas vom amerikanischen Nuklearschirm akzentuierte die Differenzen zwischen den Mitsprache- und Mitwirkungsrechten unter den Mitgliedsländern. Die kompensatorische Funktion der Kernwaffen für die anhaltenden Defizite hinsichtlich der Verteidigungsfähigkeit der vielen Alliierten gab den Anstoß, daß die Mitgliedsländer sich fragten, was die herausgehobene Rolle der USA für sie bedeutete. Die Frage spitzte sich zu, weil man beobachtete, daß der Widersacher UdSSR meinte, sich beides leisten zu können: konventionelle Überlegenheit gegenüber NATO-Europa und Parität im strategischen Wettrüsten mit den USA. Durchset^ungsfähigkeit der Sowjetunion: Moskau setzte seine Doktrin der Nichteinmischung des »Westens« in die ostblock-internen Angelegenheiten durch und forderte die Anerkennung des Sicherheitsanspruches der sozialistischen Staatengemeinschaft vor einem von den USA aufgerüsteten Deutschland. Moskau behielt 74

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Schon vor Ausbruch des Korea-Krieges, aber insbesondere zwischen August 1950 und den Beratungen der »Drei Weisen«, sahen sich Truman und Acheson verpflichtet, Hilfszusagen an die europäischen Partner zu bekräftigen und zu erweitern, um den Gerüchten entgegenzuwirken, daß die USA nicht beide Schauplätze bedienen könnten und deshalb Europa weniger Unterstützung als von diesem benötigt gewähren würden; Kaplan, NATO, S. 41 ff.; Knapp, Ökonomische Aspekte, S. 295 ff. Frankreich und die »kleineren« Verbündeten - Niederlande, Dänemark, Norwegen - betonten, daß die Rüstungslasten nicht so hoch angesetzt werden dürften, daß die Stabilität der Regierung(skoalition)en und der Grundkonsens der demokratischen Kräfte in Mitleidenschaft gezogen werde; diese Grundeinstellung herrschte bis zum Spätsommer 1950 und ab Sommer 1952 wieder vor; sie wurde in D.C. 6/1 niedergelegt. Zu den Auswirkungen der Rezession 1951 auf die Rüstungsplanung s.u.

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sich die Entscheidung vor, Zeitpunkt und Bedingungen für die Mitgliedschaft des ostdeutschen Teilstaats als vollwertiges Mitglied der sozialistischen Staatengemeinschaft zu bestimmen sowie festzulegen, welche »Pflichten« Polen und die CSR gegenüber dem deutschen »Grenzstaat« hätten76 und wieweit die DDR zur Umklammerung ihrer östlichen Nachbarn dienen solle. e. Strukturen im Wandel: »Ambiguities«77 Bevor wir die strukturellen Arrangements abhandeln, sollen die Gründe erörtert werden, warum von Strukturen im Wandel die Rede ist. Setzt man einmal voraus, daß Kalter Krieg in den Jahren nach 1949/50 die Situation beschreibt, in welcher die UdSSR dem Westen Gründe für »containment« und umgekehrt die vermeintliche amerikanische Befreiungspolitik der Sowjetunion Anhaltspunkte für eine Bedrohung ihrer Sicherheitsbedürfnisse lieferte, dann ergibt sich die Frage: Wie kommt es dazu, daß auf beiden Seiten seit Mitte der 1950er Jahre das Interesse an Sicherheit und Stabilität durch Teilung und insofern am entspannten Nebeneinander der Systeme in Europa und in Deutschland vorherrscht? War dies auf die Wahrnehmung des »Gleichgewichts des Schreckens«, der Nicht-Führbarkeit eines Kriegs zwischen nuklearen Supermächten, zurückzuführen? Oder war dies möglich, weil und nachdem der Westen seine internen Beziehungen mit dem Abschluß der doppelten Westbindung Westdeutschlands in adantische und europäische Strukturen konsolidiert hatte? Wie offen war die Situation in der Interimsperiode 1950-1954 für andere Lösungen als die Einbeziehung der beiden deutschen Staaten in das jeweilige Militärbündnis der Supermächte? Warum nahm der Kreml letztendlich den deutschen NATO-Beitritt hin — und beantwortete diesen mit der Proklamation der Zwei-Staaten-Theorie 78 —, nicht aber die Zwischenlösung des EVGProjekts? Von Moskau richtig behandelt, hätte die EVG unter Umständen ein schrittweises Disengagement der USA aus ihrer dominanten Rolle für die Sicherheit Westeuropas erleichtern können. Einflußreiche Kräfte in der amerikanischen Politik drängten ja darauf, Europa nicht länger als Ausnahme von der Regel zu behandeln, daß die USA ihren Bündnisbeitrag im Sinne »strategy based on mobile striking power of sea and air forces« leisten79. Eine »Europäisierung« der Sicherlf ' 77

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Ihme-Tuchel, Nördliches Dreieck, S.8 f., 88 ff., 140 ff. Sowohl Wampler (Diss., Harvard 1991) als auch Hogan wählen den Buchtitel »Ambiguous Legacy«, Baylis »Ambiguity and Deterrence«. »The need for theories of ambiguity«, aber auch erste Ansätze dazu, stellt Wolforth vor: New Evidence. Vorläufer zur Zwei-Staaten-Doktrin linden sich im März 1954. Dulles erklärte in einer Besprechung mit den Spitzen des State Department am 31.8.1954, »(that) he anticipates that Defence will recommend a strategic revision in the direction of a peripheral strategy«; im I linblick auf die britische Rolle als »arbiter« räumte er ein, »that he would be perfectly willing to forego U.S. leadership«, NA, RG 59, Lot 64 D 199, Box 18, folder 54. Dulles gab Eden - 17.9.1954, FRUS, 1 9 5 2 - 5 4 , V, S. 1 2 1 3 - 1 2 2 3 - den Diskussionsstand zwischen State Department und JCS wieder. In einer Dienstbesprechung am 14.9.1954 fügte Acting Secretary Smith dem von Merchant verfaßten Memorandum betr. Alternativen zur E V G den Wunsch nach U.S.UK Stabsgesprächen betr. »strategic regroupement in Europe« hinzu; darunter verstand er die

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heitsfrage war für westeuropäische Politiker einschließlich Adenauer eine mögliche Plattform für die Überwindung des Kalten Kriegs in Europa, immer vorausgesetzt, daß die NATO die EVG einhegen sollte80. Hatte man allein Europa im Blickfeld, waren die Gegensätze scharf, aber nicht eskalationsträchtig. Ahnlich, wenn auch nicht so weitgehend wie in der Übergangsphase 1989-1991, war man in der Hochphase des Ost-West-Konflikts der Überzeugung, daß niemand zielstrebig versuchen sollte, den Kalten Krieg zu gewinnen81, auch wenn man umgekehrt alles daran setzen müsse, eine Niederlage der eigenen Seite zu verhindern. Für den Westen war Niederlage in einer Hinsicht definiert — Verlust Westdeutschlands; die zweite Frage: Wem gelingt die Westbindung Westdeutschlands in welche westlichen Systeme? stellte das eigentliche Problem dar82. Die Strukturen des Westens waren von der widersprüchlichen Haltung der Führungsmacht USA geprägt, die einerseits multinational-integrative Strukturen initiierte und koordinierte Vorgehensweisen durchsetzen wollte, die andererseits aber bilaterale Abmachungen mit jedem einzelnen Partner der Vertragsgemeinschaft83 schloß sowie zu unilateralen Maßnahmen in der nationalen Gesetzgebung84 oder bei den militärstrategischen Richtlinien tendierte85. Die USA wünschten effektive Leitungsorgane zu schaffen, widersetzten sich jedoch den — vor allem von französischer Seite86 wiederholt gemachten — Vorschlägen für eine Steuerungszentrale, die für militärische sowie für wirtschaftliche, finanzielle und politische Aufgaben zuständig sein sollte. Truman/Acheson und Eisenhower/Dulles war daran gelegen, daß nicht der Funke einer Illusion aufkam, als könnten andere Mitglieder eine Mehrheitsentscheidung organisieren und so tun, als ob die USA als potentestes Mitglied die Mittel in den Pool einbringen müßten, aus denen die an-

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Einrichtung von zwei Verteidigungsgebieten; das erste sollte die Bundesrepublik und die Benelux-Länder umfassen unter Vermeidung von Abhängigkeiten der Logistik von Frankreich; das zweite sollte aus Spanien, Nordafrika, Ägypten, der Türkei und Griechenland bestehen. Adenauer gegenüber Scelba, 26.3.1954, PA-AA, III. 232.00; Schmidt, Europe Divided, S. 156; Alphand (14.11.1950) warb für den deutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen der EuropaArmee gleichfalls mit dem Argument, daß dies die Sowjetführung weniger stark provozieren würde als die Eingliederung deutscher Divisionen in die NATO. Die Vorbehalte der NATO-Partner gegen die »Roll-back«-Doktrin der Republikaner im Wahlkampf 1952 sind ein Indikator; die Aussagen, daß die Sowjetunion (von Stalin über Chruscev bis Breznev) trotz aller Offensivbereitschaft die Grenzen ihrer Konfliktfähigkeit kennen und rational handelnd einlenken würde, bilden das Gegenstück. London und Paris machten sich mitunter lächerlich, wenn sie gegen amerikanische Hilfsaktionen für DDR-Bürger den Einspruch erhoben, das würde Moskau unnötig provozieren: Ingimundarson, Eisenhower Administration, S. 384-392; Fish, After Stalin's Death, S. 347, Ostermann, United States, S. 37 f. Schmidt, Tying. Das GATT schreibt bilaterale Vorverständigungen vor. Die USA schlossen im Falle der MarshallPlan- und der Atlantikpakt-Organisation bilaterale Abkommen; sie nutzten die Verhandlungen über Stationierungsabkommen, um unerledigte Forderungen aus den NATO-Gründungsverhandlungen durchzusetzen. Protektionismusklauseln, z.B. Sektion 301 im amerikanischen Mandelsgesetz. Betr. Atomwaffeneinsatz s.u. Bidault, 16.4.1950, forderte die Einrichtung eines Hohen Adantischen Rates, siehe Soutou, Frankreich, S. 215, 212 ff.

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deren Mitglieder die zur Aufbringung ihrer Sollstärke erforderliche Unterstützung erhalten würden. Die bereits in der Zeit der Brüsseler Vertragsorganisation (September 1948-Dezember 1950) gemachte Erfahrung, daß die europäischen Partner — individuell und kollektiv — schnell dabei waren, eine Aufstockung der amerikanischen Militärhilfe 87 für unabdinglich zu erklären, aber jede Schwierigkeit als Vorwand nutzten, um ihren Rückstand bei der Einlösung von Zusagen zu rechtfertigen, bestärkte die USA in der Auffassung, daß sie bilaterale Abkommen als Instrumente benötigten, um säumige Partner zur Pflichterfüllung zu mahnen; da die Laufzeit der bilateralen Abkommen begrenzt wurde, stellten sich entsprechende Gelegenheiten gleichsam von selbst ein. Doch nicht immer konnten die USA ihre Vorstellungen durchsetzen, wenn sie den Druck nicht bis zur Erpressung von Nachgiebigkeit steigern wollten; so wurde respektiert, daß Frankreich bestimmte Rechte als nicht verhandelbar erklärte88. Den Verdruß über die eigene Ohnmacht gegenüber der Hartnäckigkeit einzelner Verbündeter faßte Eisenhower Ende 1953 in markanter Weise zusammen: »(how >weary< he) was of the European habit of taking our money, resenting any slight hint as to what they should do, and then assuming in addition, full right to criticize us as bitterly as they may desire89.« Der wichtigste Grund, von Strukturen im Wandel sprechen zu können, liegt darin, daß die westlichen Vertragspartner sich durch »ambiguity« auszeichneten, d.h. daß sie das eine wollten — z.B. die Westbindung der Bundesrepublik - , ohne die Gleichbehandlung der Bundesrepublik als logische Konsequenz zu akzeptieren und auf alle mit einem Integrationssystem unverträglichen Diskriminierungen der Bundesrepublik zu verzichten; statt dessen konnte und sollte man die Bundesrepublik einladen, volle Gemeinschaftsleistungen zu erbringen, jedoch freiwillige Selbstbeschränkungen vorzunehmen. Die USA und Großbritannien empfahlen das zweite Modell; sie kamen damit verfahrensmäßig Adenauer entgegen, während sie in der Sache frei blieben, ob sie französische »essentials« unterstützten oder abschwächten. »Ambiguity« ist mit der Verhandlungssituation gegeben, daß die Verhandlungspartner in angespannten Situationen nicht wissen, ob sie eine Chance verpassen, sich zu einigen, oder ob sie sich einigen sollen, etwas zu verpassen, damit es nicht zum Bruch zwischen ihnen kommt90. Aus der politischen Einsicht heraus, einen Kompromiß eingehen zu müssen, schon um die USA, den Fürsprecher der Re-Integration der Bundesrepublik, nicht 87

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Kaplan, Mutual Defense; Knapp, Ökonomische Aspekte, S. 283-309; Guillen, Frankreich und die Frage, S. 114 ff. Nach dem Scheitern des EVG-Projekts froren die USA die Hilfen an Frankreich ein; Wall, United States, S. 2 8 6 - 2 9 5 . Eisenhower an Gruenther, 23.11.1953, DDEL, AWF, Administrative series, Box 16; Eisenhower, 26.2.1954, FRUS, 1952-54, VII, S. 1230; Ruane, Rise, S. 48. Die Lagebeschreibung trifft auf die Außenministerkonferenz der drei Westmächte in New York vom 12.-18.9.1950, die NATO-Ravstagung in Washington vom 15.-18.9. und die nochmalige NATO-Ratssitzung am 26.9.1950 zu; auf letzterer beauftragten die Außenminister die Verteidigungsminister, bis Ende Oktober 1950 einen praktikablen Vorschlag für den deutschen Verteidigungsbeitrag vorzulegen.

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zu verprellen, nahmen die europäischen Partner die Kosten zunächst in Kauf, suchten dann aber die dilatorischen Formelkompromisse91 im eigenen Sinne auszulegen oder die Verwirklichung der eigenen Zugeständnisse hinauszuschieben. Den europäischen Verbündeten war bewußt, daß die USA das ihnen abverlangte strategische Konzept der Verteidigung so weit östlich auf (deutschem) Boden wie möglich92 nur unter der Bedingung verwirklichen wollten, daß die Partner, die dies gefordert hatten, eine aktive Beteiligung der Bundesrepublik in der NATO ermöglichten. Trotzdem stellten einige europäische Verbündete — z.B. die niederländische Regierung Drees93 — das grundsätzliche Einvernehmen wegen der auf sie zukommenden anteiligen Lasten offen in Frage; statt dessen verlangten sie Rücksichtnahme auf ihren Standpunkt, wonach die Zeit für eine deutsche Wiederbewaffnung noch nicht reif sei. Die Unterschiede zwischen dem sach-logischen und dem psycho-logischen Standpunkt ließen sich insoweit überbrücken, als alle Beteiligten die Fortdauer der »ambiguity« noch für einige Zeit der klaren Festlegung vorzogen. Diese »ambiguity« wurde 1951/52 noch dadurch ergänzt und fortgesetzt, daß der EVG-Kompromiß eine hinhaltende Wirkung mit sich brachte. In der Zeit des Schwebezustandes in bezug auf den deutschen Verteidigungsbeitrag und den Vollzug des Beitritts in westliche Sicherheitsorganisationen (vom Juni 1951 bis August 1954), dessen Beginn die Aufnahme von Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Korea-Krieg im Juli 1951 begünstigte, schufen die beiden westlichen globalen Akteure rüstungs- und sicherheitspolitische »Tatsachen«: Die USA und Großbritannien gingen zur »Nuklearisierung« über; den sechs »continental western Europeans« gelang die Beilegung von Ziel- und Rollenkonflikten weder im Hinblick auf institutionelle Absprachen noch in Sachfragen. »Ambiguity« resultiert zunächst aus der Erfahrung, daß Ziele höchster Priorität selten im ersten Anlauf erreicht werden können; vielmehr müssen Akteure sich zwischen Optionen mit größeren oder kleineren Vor- und Nachteilen entscheiden, ferner mit den Folgen ihrer Uberzeugung leben lernen und akzeptieren94, daß sie die Erreichung ihrer Teilziele dem Handeln als Mitglied einer Koalition verdanken. Im Hinblick auf die Mitgliedschaft in der NATO und auf unterschiedliche Konjunkturen für »Bündnisse im Bündnis« ergab sich »ambiguity« daraus, daß einige 91

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Zu nennen sind der Spofford-Kompromiß vom 17./18.11.1950, der vom NATO-Rat am 18. Dezember 1950 verabschiedet wurde, und die Einigung zwischen den USA und Frankreich auf die Kopplung von NATO und EVG im Juni/Juli 1951 u.a.m. Paris und Den Haag empfanden die von den USA 1949/50 bereits als Zugeständnis betrachtete Verteidigung »am Rhein« - D.C. 13 (1.4.1950) und M.C. 14 (28.3.1950) - als unbefriedigende Strategie; siehe Melandri, Europa, S. 250; Greiner - Alliierte militärstrategische Planungen, S. 204 ff. - bezeichnet die »Rheine-Strategie als ersten Deich; die sowjetischen Streitkräfte müßten diese Widerstandslinie durchbrechen, bevor sie zum Ärmelkanal, Adantik und den Pyrenäen vorstoßen könnten. Zur NATO-Strategie siehe I.2.f und g sowie II.4. Milward, Different Securities, S. 15 ff. Wichtige Flügel der Regierungsparteien in Großbritannien (sog. Bevanites in der Labour-Regierung) bzw. der Regierungskoalition in Frankreich drohten ihren Rücktritt an, um die Regierung zu veranlassen, die Verpflichtungen zu korrigieren bzw. nachzuverhandeln. Daß Entscheidungen in der Politik »resultants« sind, ist die Kernaussage des »Bureaucratic-Politics«-Modells.

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Mitglieder meinten, das Bündnis bzw. die USA biete ihnen nicht den erhofften Schutz und/oder daß die sowjetische Gefahr sie weniger stark bedrohe. Den USA hingegen war die ungleiche Struktur zwischen ihrer Sicherheitsgemeinschaft und dem sowjetischen »Security Empire« stärker bewußt: Auf östlicher Seite sorgte die Kremlführung dafür, daß sie die Blicke allein auf sich zog — was dazu Anlaß gibt, den Ostblock als Monolith zu behandeln. Die nordadantische Sicherheitspartnerschaft hingegen war von dem Neben- und Ineinander von Intra-West-Spannungen und Kompromiß-Diplomatie bzw. -Strategie (!) geprägt. Die USA, aber auch Großbritannien rechneten damit - bzw. suggerierten dies sich selbst daß Frankreich die Option einer Annäherung an die Sowjetunion ausüben könnte, falls Washington oder London das notwendige Entgegenkommen an französische Forderungen und Auffassungen vermissen ließen. Der Ausgang der Geduldsproben war ungewiß, und ebenso ungewiß war, ob die Kritik z.B. der Niederlande oder skandinavischer Länder an den französischen Sonderwünschen die amerikanische und britische Haltung gegenüber Frankreich beeinflussen würde. Worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, ist der Hinweis auf die fundamentale Asymmetrie, daß die UdSSR in Europa jederzeit im Alleingang handeln konnte, während die USA mit den Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidung leben mußten, die »Europäische Einigung« im Rahmen einer transatlantischen Sicherheitspartnerschaft als Voraussetzung ihrer Präsenz in Westeuropa als zentralen Schauplatz des Kalten Krieges gefordert zu haben95. Die asiatische Dimension des globalen amerikanischen Sicherheitskonzeptes barg die Gefahr, das europäische Bündnis zu destabilisieren. Die UdSSR war in der Lage, die USA in akute und wiederkehrende Kriegs(nahe)-Szenarien im Fernen Osten (Korea; Taiwan) zu verwickeln 96 , wobei die Sicherheit und Westbindung Japans auf dem Spiel stand. Für die USA stellte sich die Frage, ob ihre Militärmacht den Spagat zwischen europäischen und ostasiatischen Sicherheitsgarantien bewerkstelligen könnte, falls die UdSSR sich zur Konflikteskalation in Europa entschließen und gleichzeitig die Zügel gegenüber Nordkorea lockern bzw. »Rotchina« die atomare Rückversicherung zusagen sollte. Es war abzusehen, daß eine Eskalation der Kampfhandlungen im Fernen Osten gegen den Rat der britischen und französischen Verbündeten den Bündniszusammenhalt gefährden könnte?7. Feststeht, daß die USA sich mit einem »Sino-Soviet Bloc« konfrontiert glaubten,

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Schmidt, Ost-West-Konflikt, S. 14 f., 33 ff., 67 ff. NSC 73 (1.7.1950), NSC 73/4 (25.8.1950), FRUS, 1950, I, S. 331 ff., 375 ff. Zur Frage der Stellvertreterkriege und den Kontroversen über den Zeitpunkt höchster Gefahr s.u. Ich schließe mich der These an, daß Stalin an der Fortdauer der Konfrontation zwischen Maos China und den USA interessiert war, jedoch die Abhängigkeit der VR China von sowjetischer I lilfe nutze, um eine Eskalation zum amerikanisch-chinesischen Krieg zu unterbinden. Die französische und britische Regierung verstanden das amerikanische Eingreifen in Korea auch vor dem 1 lintergrund ihres Ersuchens um amerikanische Rückendeckung für ihre Politik in Indochina bzw. Malaysia. Die Devise, Indochina bzw. Malaysia seien Frankreichs bzw. Großbritanniens »Korea«, beinhaltete aber auch die Sorge, daß die USA, indem sie den Einsatz in Korea eskalierten, die in NATO-Europa bzw. fur die I lilfe an Frankreich benötigten Ressourcen »verschleudern« könnten.

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der Konflikte an mehreren Fronten gleichzeitig bestreiten konnte98, während sie selbst erst in Zukunft von Deutschland und von Japan als »kampfstarken« unverzichtbaren Dauer-Partnern profitieren könnten. Vieles spricht dafür, daß Stalin die Situation 1950 ähnlich einschätzte und die Gunst der Stunde nutzen wollte, um die Standfestigkeit der USA als asiatisch-pazifisches und europäisches Bollwerk zu testen. Die NATO-Partner schienen mehr darum besorgt, welchen Schutz die USA ihnen wirklich direkt bieten konnten", während sie die Frage, wieviel sie selbst fur den Ernstfall beisteuern müßten, unter den Vorbehalt stellten, welche Auswirkungen die Aufrüstung auf die wirtschaftliche Gesundung ihres Landes hätte1™; so läßt sich die Zustimmung zur deutschen Wiederbewaffnung und NATO-Mitgliedschaft bei einigen Regierungen auf die Hoffnung zurückführen, daß der deutsche Verteidigungsbeitrag bedeute, daß sie selber ihren Anteil geringer) halten könnten. Das neue Konfliktszenario der globalen Machtprobe zwischen den Supermächten, das bis zum Bruch zwischen Moskau und Peking (1958-1961) bestimmend blieb, überlagerte in Westeuropa die älteren Konfliktstrukturen. Doch sorgten die Ungewißheiten und zwiespältigen Eindrücke, was die selbstgewählte Abhängigkeit vom überlegenen Potential der Schutzmacht USA für jeden NATOPartner impliziere, für eine ambivalente Mischung aus Vertrauen in die von den USA bereitgestellten Beiträge zu »collective balanced forces« der NATO und Vorkehrungen zu unabhängiger Handlungsfähigkeit101. Die britische und die französische Nuklearpolitik sind Musterbeispiele in der einen Richtung?02; die Mischung aus Kritik am amerikanischen nuklearen Säbelrasseln in den Konflikten mit China bei gleichzeitigem Rufen nach nuklearer Abschreckung als Unterpfand der

Diese Auffassung kommt in den Strategiepapieren »HALFMOON« und »OFFTACKLE« zum Ausdruck, siehe I.2.a und d. 99 Siehe I.2.a. Zur Auswertung der amerikanischen, britischen und in der NATO zirkulierten Intelligence Reports siehe die Studie von Wiggershaus. 100 Diese Aussage gilt für den Zeitraum 1948 bis Frühsommer 1950 und für die Zeit »nach Lissabon«; zur Aufrüstung der einzelnen NATO-Länder im Anschluß an die im August 1950 gemachten Zusagen: Knapp, Ökonomische Aspekte, S. 295 ff. 101 Auf dem NATO-Ratstreffen in London vom 15.-18.5.1950 trat die amerikanische Delegation für »balanced collective forces« ein; die meisten europäischen NATO-Länder verhielten sich zurückhaltend; vor allem die französische Regierung befürwortete eine wirkungsvolle Anfangsverteidigung und drängte deshalb darauf, daß die USA und Großbritannien schleunigst Streitkräfte auf dem Kontinent dislozierten; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 263 ff., 267 ff.; siehe II.3. 102 Man muß dabei berücksichtigen, daß Großbritannien im Herbst 1952 — dank des erfolgreichen Tests einer eigenen Atombombe (3.10.1952) - dritte Atommacht wurde, aber bis Ende der 1950er Jahre weder über eine größere Anzahl von Nuklear- noch Trägerwaffen verfugte. Den Anspruch auf Nuklearisierung der Strategie erhob Großbritannien vor Erreichen des Atommachtstatus (Mai/Juni 1952). Im Unterschied zu Großbritannien kam es zwischen Frankreich und den USA wiederholt (1952, 1954, 1957) zu keiner Einigung über die Dislozierung amerikanischer taktischer Atomwaffen bzw. MRBM auf französischem Boden (wohl aber in Nordafrika); siehe II.2 und Twigge/Scott, Planning, S. 41 ff., 47 ff., 70 ff., 102 ff. 98

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NATO-Bündnisgarantie ein Beispiel in der anderen Richtung103. Beiden Fällen gemeinsam ist, daß die Europäer die USA als Verbündeten reklamieren, ohne die USA als das zu sehen, was sie war, nämlich als eine ihre Interessen und Verpflichtungen selbstbestimmende Weltmacht, die eine Balance zwischen ihren europäischen und asiatisch-pazifischen Sicherheitssystemen finden mußte. Die Wechselschritte der Westmächte zur Verortung Deutschlands im Atlantischen Bündnis schufen zusätzlich eine ambivalente Situation: Deutschland wurde zunächst — genauso wie Osterreich oder Schweden — in der NATO-Planung zu den unentbehrlichen befreundeten Mächten gezählt (1950-1952); wegen des französischen Einspruchs gegen die Rekrutierung deutscher Soldaten vor der Ratifizierung der Vertragswerke vom 26./27. Mai 1952 fiel Deutschland in den Sonderstatus des besetzten Verbündeten 104 zurück; schließlich stand das neue NATOMitglied in der Illusion, das Versäumte in kurzer Zeit wettzumachen, d.h., als konventionelle Militärmacht die Struktur der in der Phase ihrer verhinderten Mitgliedschaft ausgeprägten NATO-Strategie aufbrechen zu können105. Adenauer verfocht im Bundeskabinett am 20. Juli 1956 den Standpunkt, daß die Bundesrepublik sich um mehr Einfluß in der NATO bemühen müsse, damit die Allianz ein ausreichendes konventionelles Truppenruveau aufrechterhalte; das war ein Vorbehalt gegen die voranschreitende Nuklearisierung106. Gleichzeitig klang die künftige Linie an: Ein Staat ohne Nuklearwaffen deklassiere seine Mitwirkungsrechte1117.

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Kugler, Commitment, S. 50: »In essence, the strategic concept called for an alliance based on national specialization rather than a uniform distribution of military missions [...] Politically, it was attractive because it left the distasteful nuclear mission in American hands [...] the implicit conclusion (was) that commitment of large U.S. forces and German rearmament were steps that could not be avoided if NATO truly was to aspire to a viable defense of Central Europe.« Rupieper, Der besetzte Verbündete. Das ist eine zugespitzte These, die sich aber aus Heusingers Konzeptionen und Vorträgen, Februar 1956, ableiten läßt; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 622 ff. Mit der Ernennung von Strauß zum Verteidigungsminister (Oktober 1956) vollzieht sich die Anpassung der deutschen Verteidigungspolitik an den Vorrang der nuklearstrategischen Abschreckung; Richardson, Germany, S. 50 ff.; siehe 1.2. g und III. Greiner, Militärische Eingliederung, S. 740 f., 613 ff., 654 ff., 707 ff.; siehe I.2.d und g. »[Die Sowjetunion] wolle den USA den Atomblitz aus der 1 land schlagen. Wenn die Sowjetunion eine den USA vergleichbare Atommacht geworden sein würde, könnten sich die USA zu der Drohung mit dem Atomeinsatz nur noch dann entschließen, wenn für sie lebenswichtige Interessen auf dem Spiel stünden [...] Es müsse aber verlangt werden, daß die Bundesrepublik über alle militärischen Pläne des Westens hinreichend unterrichtet würde, damit der Aufbau der deutschen Bundeswehr in Übereinstimmung mit diesen Planungen militärisch wirksam vor sich gehen könnte und nicht nur als wirtschaftliche Bremse für die Konkurrenzfähigkeit der Bundesrepublik auf den Weltmärkten wirke. Eine Nation, die heute nicht selbst Atomwaffen produziere, sei deklassiert [...] Zu dem soeben erwähnten Beispiel Berlin bemerkt der Bundeskanzler, daß gerade dann, wenn die USA wegen dieser Stadt nicht einen Atomkrieg riskieren würden, die Aufrüstung der Bundesrepublik mit konventionellen Waffen zum Schutz ihrer eigenen Interessen nötig sei [...]«; Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1956, IX, S. 484-489, S. 487; Adenauer, Erinnerungen, III, S. 486; Strauß, Erinnemngen, S. 320-332; siehe I.2.f und g. Die Bekanntmachung des Radford-Plans war eine Woche zuvor erfolgt.

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»Ambiguity« ist auch Ausdruck dafür, daß die USA die Schlüsselposition bei der Eindämmung des sowjetischen Bestrebens, die »correlation of forces«108 durch Zugewinn von Einflußzonen zu ihren Gunsten zu verbessern, einnahmen, diese Frontstellung im Kalten Krieg aber auch als Hebel ansetzten, um ihre europäischen Verbündeten auf ihr Konzept des europäischen Einigungsprozesses einzuschwören und dabei die deutsche Frage in Gestalt der Integration zu lösen. In diesem Sinn sind Kalter Krieg und westdeutscher Teilstaat als Zwillinge geboren und aufgewachsen. Die Erfahrung, was der Kreml unter Sicherheit verstand109, veranlaßte die Westmächte, eine sowjetische Lösung der deutschen Frage zu verhindern, jedoch »ihren« deutschen Staat in die Verantwortungsgemeinschaft zu integrieren und dann die UdSSR davon zu überzeugen, daß die Westintegration der Bundesrepublik in adantische und westeuropäische Strukturen auch Rußland die bestmögliche Form der Sicherheit bieten werde. Faktisch hatten die drei Westmächte stellvertretend für die vier Siegermächte Vorkehrungen getroffen, daß die deutsche Wiederbewaffnung Nichtangriffsfähigkeit bedeutete. Die ursprüngliche Verständigungsformel, daß ein westdeutscher Verteidigungsbeitrag auf Wirtschafts- und Rüstungsmaterialien beschränkt werden sollte, wurde von den USA bald aufgehoben und durch die Forderung nach einem »Feldarmee«-Beitrag ersetzt; allerdings einigten sie sich mit Großbritannien und Frankreich auf eine Reihe von Beschränkungen, die eine von Deutschland ausgehende Kriegsgefahr ausschließen sollten: — Fesdegung des deutschen Streitkräfteumfangs auf 12 Divisionen (Feldarmee von ca. 250 000 Mann) bzw. ein Höchstanteil von einem Fünftel der ACELandstreitkräfte; — Kontrolle der Allianzorgane (SACEUR) über die Ausstattung, Standortzuweisung, operative Aufgabenzuteilung; — Dislozierung der deutschen Einheiten an der Seite von Streitkräften der NATO-Partner, so daß sie nicht für national-geführte Militäraktionen mißbraucht werden könnten. Stellt man schließlich in Rechnung, daß Adenauer den Verteidigungsbeitrag primär als politische Waffe verstand, die er intra-westlich nutzen wollte, um der Bundesrepublik einen Platz auf der Führungsetage neben Großbritannien und Frankreich hinter den USA zu sichern, dann gehört die befürchtete Wiederaufnahme eines deutschen militärischen Drangs nach Osten, eines »Rußlandfeldzugs«, ohnehin in den Bereich des Unerwünschten. Dies hinderte die Sowjetführung natürlich nicht daran, den USA - als Wiederaufrüster der Bundesregierung - und der NATO Angriffsabsichten zu unterstellen.

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Adomeit, Imperial Overstretch, S. 56 ff.; Kugler, Commitment, S. 25 ff. Stalin brachte die Teilung Europas im Februar 1948 zum Abschluß; die kommunistische Machtergreifung in der Tschechoslowakei zeigte, daß er keine westliche bürgerlich-demokratische I lerrschaftsform im sowjetischen Glacis duldete. Es genügte ihm nicht, daß die Westmächte de facto vollauf anerkannten, daß die Sowjetunion in Osteuropa die federführende Macht war.

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Der westdeutsche Teilstaat war die Antwort der westlichen Siegermächte auf Stalins Teilung Europas und die Folge einer Option der überwältigenden Mehrheit der westdeutschen politischen Kräfte für die Westorientierung. Die Westmächte, vor allem Frankreich, sahen sich vor die Aufgabe gestellt, »Zuverlässigkeitskontrolle« über die Bundesrepublik auszuüben und Sicherheit in und für Europa auf verschiedenen Wegen zu erlangen, und zwar — durch anglo-amerikanische Dauerpräsenz auf dem Festland (Truppenstationierung und strategische Leitung der NATO), — durch Aufforderung an Westdeutschland zur Selbsteindämmung, d.h. zur Integration in westliche Systeme; die Frage war: in welches bzw. von wem kontrolliertes bzw. dominiertes System?1111, — durch Mitwirkung der UdSSR an einem gesamteuropäischen Sicherheitssystem, sofern der erste und der zweite Weg Erfolge gezeitigt hätte. Am Beispiel der britisch-französischen Beziehungen läßt sich nunmehr illustrieren, inwiefern »ambiguity« Strukturbildung unterbricht und Strukturen im Wandel hervorbringt: Je mehr die USA und Großbritannien Frankreich — wegen der Reformunwilligkeit in Indochina und der Verzögerungen in der »Deutschland-in-Europa«Politik — kritisierten, desto stärker spitzte Frankreich seine Haltung auf die Alternative zu: Aufwertung Frankreichs zum Mitglied eines Triumvirats oder Rückzug Frankreichs aus den »integrativen« Strukturen zu Friedenszeiten. Allgemeiner gefaßt: Die Beziehungen entsprachen dem Motto: Die europäischen Westmächte und die Bundesrepublik sind nicht immer zum gleichen Zweck im gleichen Spiel zur gleichen Zeit. Als erstes soll erklärt werden, warum Gegenströmungen zum Schlüsselprojekt EVG in der Phase 1951-1954 keinen Erfolg hatten; anschließend wird erörtert, wie die Gegner des EVG-Projektes — Churchill und Mendes France — letztendlich im September 1954 mithalfen, die Blockbildung auf westlicher Seite abzuschließen und auf dieser Basis neue Ansätze für Entspannung zu suchen. Im Moment der Verständigung der Westmächte auf ein Modell zur Westbindung (Westdeutschlands — z.B. EVG/Europäische Einigung/Integration im Juni/Juli 1951 - fühlten sich zwar alle Beteiligten dem Postulat, daß die Bundesrepublik nicht der Sowjetunion in die Arme getrieben werden dürfe, gleichermaßen verpflichtet; doch war man geteilter Meinung, ob der deutsche Verteidigungsbeitrag sofort ermöglicht werden sollte und ob das Einschwenken der USA auf das französische Modell die beste Lösung für die deutsche Wiederaufrüstung sei. So unterstützte Außenminister Eden die EVG, weil dies der beste Weg schien, — die USA für britische Anliegen einzunehmen, — zu verhindern, daß Frankreich oder — aus anderen Gründen — die Niederlande die Frage des britischen Beitritts zur EVG aufwerfen würden111, 110 111

Schmidt, Tying. Eden setzte voraus, daß die EVG-Partner die britische Absage an das Prinzip der Supranationalität respektieren würden; Ruane, Rise, S. 23 f. Der Brüsseler Pakt, in dem Großbritannien den Chairman des Militärausschusses stellte (Montgomery), wurde im Dezember 1950 gleichsam in

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— Kontroll-Vorkehrungen zu treffen, damit der Westen im Falle des Versagens der Demokratie in der Bundesrepublik oder des Mißbrauchs der EVG durch die Bundesrepublik wirkungsvoll eingreifen könne112. Adenauer sah die EVG zunächst nicht als bevorzugte Lösung an; seine Methode, die Forderung nach Gleichberechtigung darauf abzustützen, daß eine Verteidigung Westeuropas ohne deutsche Mitwirkung nicht möglich sei, brauchte er allerdings auf die EVG nicht zu übertragen113, weil sie genau wie die Montan-Union, mit der sie eventuell zu einer politischen Union verschmolzen werden sollte, von vornherein auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit (equality of treatment) beruhte. Faktisch bedeutete sein Einschwenken auf die EVG-Lösung, daß er die Frage der aktuellen Bereitstellung des deutschen Verteidigungsbeitrags als weniger dringlich behandelte als die politisch-strategischen Aspekte der Verankerung der Bundesrepublik in westlichen Strukturen. Die Ungleichzeitigkeit von Motiven, Prioritäten und Handlungsmaximen aller am Kompromiß Beteiligten verwehrte der Bundesrepublik, dem Kandidaten auf dem Prüfstand, die Gelegenheit, ihren Verteidigungsbeitrag zu organisieren; denn die Ratifizierung der Vertragswerke stand aus. Vor dem Hintergrund dieser Verzögerungsmanöver geriet selbst das Leitmotiv — daß Westdeutschland in keinem Fall in den Sog sowjetischer Einflußversuche geraten dürfe — ins Wanken, weil maßgebliche westeuropäische Politiker dem guten Willen Moskaus mehr trauten als der deutschen Bereitschaft oder Fähigkeit zu langfristig guten Nachbarschaftsbeziehungen. Im Vorfeld der Stalin-Note — als die Intra-West-Verhandlungen über geregelte Beziehungen zwischen EVG und NATO anstanden und Frankreichs Haltung zu den anstehenden Entscheidungen im Parlament debattiert wurde — und danach erneut in den Tauwetter-Perioden nach Stalins Tod setzten sich einflußreiche Kräfte in der französischen bzw. in der britischen Politik dafür ein, den Draht nach Moskau zu pflegen und die Entscheidung über die militärische Westbindung Westdeutschlands aufzuschieben114. Die Exponenten dieser Vertagungspolitik Staatspräsident Auriol und Premierminister Churchill115 — ließen jedoch in den akuten Phasen — unter dem Eindruck der ersten Stalin-Noten oder auf die BerijaAffäre — die Aktionen des Westens zur Konsolidierung der Westbindung West-

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den Ruhestand geschickt; Montgomery wurde Stellvertreter des SACEUR; SACEUR und SHAPE übernahmen die Streitkräfteplanung etc. Ein britischer Beitritt zur EVG hätte die WUDO wiederbelebt, jedoch im Gewand einer supranationalen Struktur. Deighton, Last Piece, S. 186. Der EVG-Vertrag unterschied sich vom Pleven-Plan, gegen den Adenauer die Souveränitätsforderung mit Nachdruck geltend machte; siehe II.4. »Cheysson hat zugegeben, daß in Frankreich einflußreiche Kreise am Werke sind, die die Verteidigungsgemeinschaft torpedieren wollen, um wieder mit Rußland zusammenzuarbeiten«, Sondersitzung der Bundesregierung, 4.2.1952, Kabinettsprotokolle, V, S. 92; siehe ferner die folgende Anm. 115. Beide Namen stehen stellvertretend für umfassende Strömungen und Gruppierungen in ihren Ländern; sie wurden ausgewählt, weil Auriol und Churchill sich in die Regierungsentscheidung einbringen konnten; Young, Cold War; ders., German Rearmament; ders., Churchill, the Russians; Bock, Perzeption; Poidevin, Frankreich und das Problem.

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deutschlands passieren und machten nur schwache Auflagen 116 , um den Weg zu einer Viermächte-Vereinbarung über Gesamtdeutschland offenzuhalten. Das gemeinsame Leitmotiv der Auriols und Churchills war, daß die Westmächte um der Bewahrung der Chancen zur Beendigung des Kalten Kriegs willen die von Moskau (und Pankow) propagierte Idee eines Friedens Vertrags mit dem Ziel, ein neutrales, vereintes Deutschland in den de-facto-Grenzen von Potsdam (d.h. ohne deutsche Ostgebiete) zu schaffen, nicht dadurch präjudizieren sollten, daß sie der militärischen Westbindung der Bundesrepublik absolute Vorfahrt einräumten117. Dabei gab es jedoch einen eklatanten Gegensatz zwischen Auriol und Churchill: Je weniger Frankreich zur direkten Stärkung der NATO beitrug, desto entschiedener vertrat Churchill den Standpunkt, daß die Bundesrepublik ggf. direkt in die NATO eingebunden werden sollte, ohne Frankreichs Einwilligung abzuwarten 118 . Der Schulterschluß zwischen den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik war für Churchill die Alternative zu seinem Wunsch nach einer »Grand Alliance«, der eine französische und eine deutsche Nationalarmee unter Direktion der NATO angehören sollten. »I feel that the United States with their immense superiority of nuclear weapons and acting in association with Great Britain, the British Commonwealth and the German Federal Republic, will be strong enough, at any rate during the next few years, to afford to the Benelux countries and our other Allies for whom we have deep regard, and also the German Federal Republic to whom we are bound in honour, a definite and substantial security based on physical and moral deterrent power 1 1 9 .«

Grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Churchill und Auriol bestand hingegen in der Auffassung, daß ein Interessenabgleich mit der Sowjetunion die Chance wiederherstellen könnte, ihr Land aus der Abhängigkeit von den USA zu lösen 116

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Auriol erkannte in der Kabinettssitzung vom 23.5.1952 an, daß die Ratifikation des EVGVertrags (vorgesehen für den 27.5.) nicht aufgehalten werden könne; Frankreich solle den Ratifizierungsprozeß einleiten, aber die Reaktion der Sowjetunion auf die Unterzeichnung abwarten; siehe Guillen, Role, S. 75; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 273 ff.; Girault, La France dans les rapports. Auriol mobilisierte Parteigänger in der SF, die der Wiederbewaffnung Deutschlands mißtrauten; die MRP und »Radikale« hatten in den Debatten zwischen Ende Januar und Mitte Februar 1952 klargemacht, daß sie Viermächte-Gespräche bevorzugten, und sei es nur, weil nach deren Scheitern die Ratifizierung des EVG-Vertrags leichter fallen würde. Der britische Botschafter in Paris, Lord Harvey, konstatierte im Abschlußbericht über seine 6jährige Amtszeit einen Dauerkonflikt zwischen den Atlantikern, die die Integration der Bundesrepublik wünschten, und den Befürwortern einer Rückkehr zur französisch-russischen Allianz im modernen Gewand der Viermächtekontrolle über Deutschland; siehe Ruane, Rise, S. 19; vgl. Lohse, Ostliche Lockungen, S. 41-48. Die »Bevanisten« in der Labour Party, aber auch eingefleischte »Anti-Germans« auf dem rechten Parteispektrum (11. Dalton), lehnten die Wiederaufrüstung als unnötige Gefährdung der Beziehungen mit der UdSSR ab. Strang, Memorandum of Conversation with the Prime Minister, 4.5.1953, FO 800-821, SU/53/33; siehe Larres, Integrating, S. 40 ff. Churchills Pressionspolitik lief darauf hinaus, daß der französische Stuhl am NATO-Tisch vorübergehend leer blieb; Ruane, Rise, S. 54, 171. Ruane, Rise, S. 171. Adenauer tat sich im Oktober 1953 durch ähnliche Äußerungen hervor, wurde aber von Dulles und Botschafter Conant zur Zurückhaltung ermahnt. Auch regierungsintern arbeitete Dulles mit dem Argument, daß man nichts tun dürfe, was Paris in die Arme Moskaus treiben würde. Schwarz, Adenauer, II, S. 122 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 224 ff. Zur Konstellation USA/UK (Bundesrepublik) - Frankreich/UdSSR: Schmidt, Fifty Years.

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und die eigenen Ressourcen sowohl für die Selbstbehauptung in Asien und Afrika als auch für die Wiedergewinnung einer wirtschaftlichen und technologischen Spitzenstellung in der Welt einsetzen zu können120. Sie wünschten, daß ihr Land zu den »Supermächten« aufschloß, statt sich dem amerikanischen Standpunkt zu beugen, daß Frankreich und Großbritannien in Europa »aufgehen« müßten, damit das »freie« Europa eine stabile Gegenmacht gegenüber der Sowjetunion bilden und die USA als europäische Macht entsprechend endasten könnte. Aus tiefer Abneigung gegen bzw. Verachtung des EVG-Projektes tendierten sowohl Auriol als auch britische Spitzenpolitiker dazu121, alle Gründe, die für diesen Schritt sprachen, über Bord zu werfen und statt dessen zu betonen, daß die EVG alte Gefahren heraufbeschwor. Dabei war vor allem Auriol keine Unterstellung zuwider: Sobald die Bundesrepublik sich militärisch stark genug fühle, werde sie die EVG mißbrauchen, also den Westen in den deutsch-sowjetischen Sonderkonflikt innerhalb der Ost-West-Spannungen zugunsten der Wiedervereinigung oder darüber hinaus gar zur Wiedergewinnung der Ostgebiete verstricken122. Während er die Befürchtungen, daß die EVG dem Wiederaufleben der deutschen Gefahr Vorschub leiste, in den schärfsten Tönen artikulierte, pries er die Verständigungsangebote aus Moskau - z.B. im Hinblick auf eine UNO-Abrüstungskonferenz — oder berief sich auf Meldungen, daß die Sowjetunion zur Räumung der DDR im Falle des Stops des EVG-Projekts bereit sein könnte123. In diese Rich120

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Soutou, Frankreich, S. 219: »Es gab nur zwei Mittel, aus diesen Widersprüchen herauszukommen. Das erste bestand darin, endlich die Drei-Mächte-Führung der Allianz festzuschreiben, die es Frankreich ermöglicht hätte, diese Widersprüche besser in den Griff zu bekommen - und gleichzeitig als Bremser dessen aufzutreten, was Paris seit dem Korea-Krieg als übermäßige Aggressivität Amerikas gegenüber der UdSSR und China erschien. Eine Ost-West-Entspannung, auf die zu hoffen Paris noch nicht aufgegeben hatte, hätte nämlich Frankreichs militärische Verpflichtungen in Asien und Europa erleichtert und somit die dadurch bedingten Widersprüche vermindert. Das zweite Mittel bestand in der Erlangung massiver amerikanischer Finanzhilfe. Damals bestand noch die Hoffnung, gleichzeitig in Indochina Krieg fuhren und die französischen Streitkräfte in Europa ausreichend modernisieren und entwickeln zu können.« Zu den Exponenten gehören Macmillan und R. Boothby: Deighton, Last Piece; Young, Churchill's »No«; James, Bob Boothby, Kap. 5; Macmillan, Tides, S. 466 ff.; Kilmuir, Political Adventure, S. 186 ff.; Watt, Großbritannien; Dockrill, Britain's Policy, S. 85 f. Churchills Kritik an der EVG betraf die militärische Ineffizienz und die supranationale Konstruktion und weniger den Gedanken einer Europa-Armee, den er selbst im August 1950 im Straßburger Parlament vorgetragen hatte. Auriol an Pleven, 27.8.1951: Guillen, Role, S. 74; Auriol gegenüber Acheson, 26.5.1952, sowie US-Botschaft Paris an State Department (Juni 1952): Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 273-275. Auriol berief sich auf Berichte des französischen Botschafters in Bern (Hoppenot): Soutou, La France et les notes, S. 263; Guillen, Role, S. 75. Graml — Legende, S. 311 f. - und Bonwetsch — Deutschlandpolitische, S. 334 - beziehen sich auf Aussagen von DDR-Außenminister Dertinger Ende Oktober 1951 gegenüber E. Lemmer, daß die Sowjetunion ihre Truppen vom Gebiet der DDR abziehen werde, wenn die »Remilitarisierung« der Bundesrepublik im Rahmen der EVG (NATO) unterbleibe. Am 15.9.1951 hatte DDR-Ministerpräsident Grotewohl in einer öffentlichen Rede freie Wahlen angeboten, aber eine internationale (UN) Überwachung ausgeschlossen; dies war eine der westlichen Konditionen für freie Wahlen als Weg zur Vereinigung. Schwartz, America's Germany, S. 244. Da die SED keine Aussichten hatte, bei gesamtdeutschen Wahlen ein

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tung deutende Informationen dienten zusätzlich dazu, eine gewisse Dringlichkeit vorzuschützen, um die Chance zur Beendigung des Kalten Kriegs nicht durch die Wiederaufrichtung eines unverbesserlichen deutschen Militarismus zu verderben. Das Ausloten der Möglichkeiten, wie die vier Siegermächte über Schlüsselfragen, insbesondere die Beteiligung der Sowjetunion an der Zuverlässigkeitskontrolle Deutschlands durch Begrenzung seiner nationalen Streitkräfte und/oder allgemeine Rüstungsbegrenzung und -kontrolle, ins Gespräch kämen, sollte Vorrang haben vor der Remilitarisierung der Bundesrepublik im Rahmen der für unzulänglich erklärten EVG. Wie um die These zu verstärken, daß der Westen keines deutschen Verteidigungsbeitrags bedürfe, wurde von Auriol u.a. eine UN-Lösung als Kontrollinstanz über ein internationalisiertes Deutschland ins Gespräch gebracht424; daß der Kreml und die DDR-Führung die Einschaltung der UNO - z.B. durch Entsendung von Beobachtern bei freien Wahlen — abgelehnt hatten, war für Auriol kein Hinderungsgrund, die UNO ins Spiel zu bringen. Über die Opposition gegen die von den USA und den auf amerikanische Rükkendeckung setzenden britischen und französischen Regierungsmitgliedern als vordringlich bezeichnete EVG-Lösung hinaus verband die französischen und britischen Befürworter einer Vier-Siegermächte- gegenüber einer Vier-Westmächte-Diplomatie wenig. Churchills Plädoyer für ein neutrales vereintes Deutschland zur Beendigung des Konflikts zwischen den Siegermächten beruhte auf dem Kalkül, daß weder die Sowjetunion Gesamtdeutschland als Satelliten rekrutieren oder gar ausbeuten 125 noch Deutschland in einem Teufelspakt mit der Sowjetunion die Führung in Europa erlangen könnte. Das Schreckgespenst für die Westeuropäer, einer Deal-or-duel-Situation zwischen der UdSSR und Deutschland ausgesetzt zu sein, schien gebannt; vordringlich schien das Gebot, die Gesprächsbereitschaft der Supermächte zu erhöhen, um die Gefahr eines Nuklearkrieges zu bannen. Des weiteren ging es Churchill darum, den Widerwillen des eigenen Auswärtigen Amtes und seiner Kabinettskollegen sowie der USA gegen unzeitige Gipfeldiplomatie zu überwinden; zu diesem Zweck war er bereit, einen Alleingang anzudrohen126. Eisenhower und Dulles, das Foreign Office 127 und Adenauer bremsten den Vorstoß

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Anrecht auf Regierungsbeteiligung zu erlangen, zielten Moskaus und Pankows Vorschläge auf die Einrichtung paritätisch besetzter Kommissionen und Regierungsorgane oder - so das Berija zugeschriebene Konzept - auf den Fortbestand der DDR als autonome Region ab. Dies sollte der SED und dem Kreml, der sich seine Rechte als Sieger- und Besatzungsmacht vorbehielt, ein Vetorecht sichern. Wettig, Bereitschaft, S. 201 ff., 208 ff.; Adomeit, Imperial, S. 91 ff. Auriol gegenüber Acheson, 26.5.1952: Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 273. Larres, Integrating, S. 34 ff.; Schwartz, America's Germany, S. 282. Der deutsche Nationalismus, so Churchill, sei viel zu stark ausgeprägt, um »Opfer« der bolschewistischen Unterwerfung zu werden. Dies ist eine aus dem Ersten Weltkrieg bekannte Formel, die besagte, daß »Nationalismus« das wirksamste »Gegengift« gegen den »bolschewistischen Bazillus« sei. Churchills Erkrankungen untergruben die Chancen einer Personal(Alleingang)diplomatie; siehe Larres, Politik, S. 67 ff.; Young, Winston Churchill's Last Campaign; Seidon, Churchill; Nutting, Europe; Shuckburgh, Descent, S. 91, 93; Colville, Fringes, S. 310. Damit die NATO »military credibility on the ground« erhielt, räumte das FO der Einbringung des deutschen Verteidigungsbeitrags Vorrang vor Verhandlungen mit der UdSSR ein; ohne die Ein-

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Churchills aus und setzten dann die Lesart durch, daß eine Integrationslösung (EVG) der Wiedervereinigung dienlich sei128. Churchill tat wenig, um französische Partner für seinen Vorstoß zu gewinnen129. Die Moskauer Führung wußte mit Churchills Anregungen vom 11. Mai 1953 nichts anzufangen; fast monoton wiederholte sie den Vorwurf, daß die Vorschläge nicht von den Beschlüssen von Jalta und Potsdam ausgingen'30. Die französischen Befürworter einer Siegermächte-Diplomatie versuchten, das Junktim zwischen »Integration with equality« und einem als unentbehrlich erklärten deutschen Verteidigungsbeitrag zur Sicherheit des Westens aufzubrechen. Dies war argumentativ nur möglich, wenn man die sowjetische Bedrohung für nichtexistent131, hingegen die deutsche Frage zum Problem erklärte, das der Kontrolle bedürfe, und zwar durch die vier Siegermächte als Garanten und Kontrolleure einer Friedensregelung. Das Argument, dem EVG-Projekt mangele es an einer amerikanisch-britischen Garantie für die Sicherheit des Westens (Frankreichs) vor Deutschland132, bot den angelsächsischen Befürwortern der Vollendung der Westintegration Westdeutschlands die Handhabe, um mit entsprechenden Zusagen die französische Regierung, die zu den eifrigsten Widersachern der Neutralisierung eines vereinten, aber gerüsteten Deutschlands gehörte, ins EVG-Boot zurückzuholen. Für Churchill war die Sicherung des anglo-amerikanischen Duopols in der NATO der leitende Gesichtspunkt; er befürwortete die Gipfeldiplomatie zwischen leitung des ersten Schrittes könne der Westen nicht aus der Position der Stärke verhandeln; Watt, Austria, S. 294. 128 NSC 160/1 (4.8.1953) verknüpfte Westintegration und Wiedervereinigung und fugte die Behauptung hinzu, daß die Einigung (West)Europas Magnetwirkung auch gegenüber Osteuropa ausüben werde. Die Motive, die zum 17. Juni 1953 beigetragen hätten, dienten als Beleg, daß die West-Lösung Sogkraft nach »Osten« entfalte: »A United Europe would constitute a counterpoise, but not a menace, to the Soviet Union. Once firmly established, it should exert a strong and increasing attraction on Eastern Europe, thus weakening the Soviet position there and accelerating Soviet withdrawal there«, DDEL, NSC, Policy Papers Sub-Series, Box 6, Office of the Special Assistant for NSA, Records 1952-1961; Schwartz, America's Germany, S. 282 f. 129 Das betrifft beide Situationen: Mai 1953 und Juni/Juli 1954. Zur Verbitterung Eisenhowers hatte Churchill Molotov zu Sondierungsgesprächen über ein Gipfeltreffen eingeladen, und zwar im Umfeld des Eisenhower-Churchill-Gipfels am 25./26.6.1954, auf dem Schritte zur Rettung des EVG-Projektes besprochen wurden; FRUS, 1952-54, VI, S. 1079 f. und 1097 ff.; zum Briefwechsel zwischen Churchill und Eisenhower Anfang Juli (7.7.) 1954 siehe Churchill - Eisenhower, Correspondence, S. 153 f.; Immerman, Trust, S. 44 f.; Shuckburgh, Descent, S. 91, 93. »o Wettig, Bereitschaft, S. 241, 219 ff. 131 Nach »Prag 1948« und bis zum Frühsommer 1951 gehörte Frankreich zu den Wortführern einer Politik, die die sofortige Einsatzbereitschaft für wichtiger hielt als die allmähliche Ausgestaltung der NAT(O). Die französische Regierung hielt zeitweilig einen DDR-Stellvertreterkrieg für wahrscheinlich; Wiggershaus, Entscheidung, S. 114 f.; Mai, Dominanz; zu Pievens Gesprächen in Washington Ende Januar 1951: Leffler, Preponderance, S. 409 ff. 132 Die über die NATO de facto gebotene Garantie war zeitlich auf 20 Jahre (1969) begrenzt. Frankreich nutzte die EVG-Gespräche für eine Nachbesserung; Eden (13.4.1954) und Eisenhower (16.4.1954) gaben entsprechende Erklärungen ab, die Ende September 1954 bekräftigt wurden. Schwächere Zusagen hatte Großbritannien Ende 1952/Anfang 1953 unterbreitet; siehe II.3; Ruane, Rise, S. 33 ff., 69 ff., 153 ff.

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den Angelsachsen und der Sowjetunion 133 , die für ihn als Nuklearmächte die eigentlichen Verantwortungsträger waren. Er hegte starke Zweifel, ob eine um den deutschen Verteidigungsbeitrag gestärkte, die vier britischen und fünf amerikanischen Divisionen ergänzende konventionelle NATO-Streitmacht ein Gegengewicht zu den Streitkräften bilden würde, die die Sowjetunion mobilisieren konnte; nur die Nuklearkapazität der USA, die H-Bombe, würde den Westmächten ein Gefühl der Überlegenheit und Unangreifbarkeit verschaffen 134 . Einen Monat zuvor — Ende August 1954 — hatte Churchill keine Bedenken, die Bundesrepublik als Dritten in eine Verteidigungsachse USA-Großbritannien aufzunehmen bzw. die NATO neu- oder umzuorganisieren, falls Frankreich die EVG-Lösung verweigerte135; die Wiederaufrüstung des westdeutschen Teilstaates war für Churchill nicht das Trauma. Allerdings liebäugelte auch er mit der Überlegung, lieber einen Preis für die Beendigung des Kalten Krieges zu zahlen als den Preis eines Wiederaufbaus des deutschen Militarismus zu entrichten. Auch bezüglich des »timing« waren britische und französische Initiativen einer Sondierungsaktion gegenüber dem Kreml nicht aufeinander abgestimmt. Eden sondierte zwar nach Amtsantritt der konservativen Regierung insgeheim zwischen November 1951 und Januar 1952 die Verständigungsbereitschaft der UdSSR136, doch als in Frankreich im Januar 1952 die parlamentarische Auseinandersetzung über die Kernpunkte der künftigen Vertragswerke anhob und bis zum NATOGipfel in Lissabon anhielt, gehörte der britische Außenminister zu den Wortführern der Westblock-Konsolidierung. Als zwei Wochen nach »Lissabon« die erste Stalin-Note auf den Tisch kam, standen die Reaktionen in Paris und in London unter der Prämisse, daß der Westen den Preis festlegen müsse, den die Sowjetunion für ihren Wunsch nach Mitkontrolle über Gesamtdeutschland entrichten müsse; dieser Preis war die von Moskau bisher stets abgelehnte doppelte Wahlfreiheit des inneren Regimes und der äußeren Bindungen; unter beiden Aspekten würden die Deutschen in Ost und West höchstwahrscheinlich das sowjetische Modell abwählen und für den Westen optieren. Ein zwischenstaatliches Zusammenwirken der in den französischen und britischen Regierungen verankerten Mindermeinungen kam aus vielen Gründen nicht zustande. Die Mindermeinungen waren sich darin einig, daß eine supranationale Lösung unter Einschluß der Bundesrepublik der »Germanisierung Europas« Vorschub leiste; hingegen biete ein britisch-französischer Zusammenschluß die beste Gewähr dafür, daß Deutschland nicht auf Schleichwegen gewinne, was die Alliier-

Das Projekt einer Drei-Westmächte-Konferenz in Bermuda sollte französische Irritationen beschwichtigen; die Konferenz mußte mehrfach vertagt werden; sie fand vom 4.-8.12.1953 statt und war von heftigen Auseinandersetzungen vor allem zwischen Churchill und Laniel-Bidault geprägt. •3* Churchill an Eden, 27.9.1954: Ruanc, Rise, S. 155. 135 Churchill's note to FO and Ministry of Defense, 20.8.1954, PRO, PREM 11 - 618; Mager, Anthony Eden, S. 131 ff.; Deighton, Last Piece, S. 184; Ruane, Rise, S. 54, 132, 171. 136 Larres, Integrating, S. 35 f. 133

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ten Hitler unter hohen Opfern verwehrt hätten137. Dieser gemeinsame Vorrat an Motiven wurde jedoch dadurch aufgezehrt, daß Führungsansprüche erhoben und Mißtrauen gesät wurde, ob die andere Seite ihren Einsatz leisten werde: »Shinwell [...] believed that the Schuman Plan was neutralist in intention and that part of France's intention was to avoid its share of the rearmament costs which would fall on western Europe because of the North Atlantic Treaty [...] the government became more alarmed about sharing political control over resources with governments it believed not to be pulling their economic weight in the North Atlantic Treaty and perhaps not to be relied on in the event of a Soviet attack138.« Während die britischen konservativen Europäer von der britischen Führungsrolle in Europa überzeugt waren, blieben die französischen Gruppierungen in der Frage gespalten, ob man dem europa-politischen Engagement Großbritanniens vertrauen könne. Des weiteren herrschten Zweifel vor, ob Frankreich und Großbritannien genügend Gewicht in die Waagschale werfen könnten, um »Rußland« Paroli zu bieten und Deutschland auf Westkurs halten zu können. Ferner hielt man es für kontraproduktiv, das amerikanische Mißtrauen gegen britisch-französische Komplotte zu nähren139. Während die meisten europäischen Partner — Belgien (Spaak), die Niederlande (Stikker), Dänemark, Norwegen — entweder eine westeuropäische regionale Zusammenarbeit unter britischer Führung wünschten oder von Großbritannien erhofften, daß es das dauerhafte Engagement der USA für die westeuropäische Sicherheit herbeiführe, ging es umgekehrt Schuman, Bidault, Monnet darum, sich die Unterstützung der USA zu sichern, um dem britischen Einfluß in Europa Paroli bieten zu können. Dieser Motivation eingedenk, schreckten sie davor zurück, das von den USA favorisierte EVG-Modell zu Fall zu bringen. Betrachten wir im zweiten Durchgang die Phase in den britisch-französischen Beziehungen, in der beide Länder eine Verständigung über neue Elemente erzielten, die die Struktur des Westens abrunden sollten: Sie entwickelten die Idee einer Umgestaltung des Brüsseler Vertrags zur WEU als Brücke für den NATO-Beitritt der Bundesrepublik; sie wurde der Londoner Neunmächtekonferenz vom 28. September bis 3. Oktober 1954 präsentiert. In diesem Fall waren London und Paris »zum gleichen Zweck zur gleichen Zeit im gleichen Spiel«140. Die amerikanische Regierung, im Fernen Osten durch die Koinzidenz von Taiwan-Krise einerseits und Gründung der SEATO andererseits gefordert 141 , aber auch frustriert über

So R. Boothby, z.T. auch Macmillan (noch als Regierungschef!); Macmillan, Tides, S. 48Q- zur sog. Straßburg-Fraktion unter den Konservativen: Deighton, Last Piece, S. 186 f.; Ceadel, British Parties. Die Beaverbrook-Presse hämmerte ihren Lesern diese Sichtweise ein. "β Milward, The EC, The UK, S. 110; DBPO, ser. II, vol. I, no. 3. 139 Deighton, Last Piece, S. 188; FRUS, 1 9 5 2 - 5 4 , V, S. 1123; zu Dulles' Haltung gegenüber Edens »Rettungsaktion« und Mendes France' Besuch in Chartwell siehe 1.1, Anm. 79; Thoß, Beitritt, S. 28 ff.; Mager, Stationierung, S. 94 ff.; Gossel, Briten, S. 88 f. 140 Thoß - Beitritt, S. 2 0 - 3 0 - betont zu Recht, daß Mendes France Urheberrechte an der WEULösung beanspruchen kann, neben den Spitzenkräften des FO, Macmillan und Eden. 141 Zum Taiwan-Konflikt und den Entscheidungen in der amerikanischen Nuklearstrategie siehe I.2.d und g; zur SEATO als Stabilisator Thailands, als Anker der US-Rolle in Südostasien: Schmidt, America's Option. 137

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ihre Ohnmacht gegenüber der Eigendynamik der französischen Politik, überließ Eden die Regie bei der Rettungsaktion nach dem Fehlschlag des EVG-Projekts im August 1954 142 . In den Jahren 1 9 5 1 - 1 9 5 4 hatte der Brüsseler Pakt keine Rolle gespielt; denn weder Frankreich noch Großbritannien wollten eine euro-zentrierte Verteidigung143 ins Auge fassen. Die militärische Struktur des Brüsseler Paktes war gemäß Beschluß des Consultative Council vom 20. Dezember 1950 aufgelöst worden144. Frankreich fand sich damit ab, daß die Stäbe der BTO in der NATO aufgingen. Seine Kernanliegen übertrug es von der BTO auf die EVG und nach deren Fehlschlag wieder von der EVG auf die WEU: 1. Die Gremien der BTO/EVG/WEU sollten einen europäischen Pfeiler innerhalb der NATO schaffen. 2. Ein europäisches Gremium sollte darauf hinwirken, daß die strategische Zielsetzung einer Verteidigung Westeuropas so weit östlich auf deutschem Boden wie möglich in der Allianz fest verankert und von den Leitmächten USA und Großbritannien gleichsam verinnerlicht würde145. Im Verhandlungsmarathon zur Befriedigung französischer Änderungswünsche hatten die Beteiligten ihren guten Willen 146 erschöpft; zur Lösung der deutschen Frage bewegten sie sich auf die Kombination der verbliebenen, als tragfähig erkannten Bausteine zu mit dem Ziel, Ersatz für die EVG in der WEU als »litde box in the big NATO frame« zu finden 147 :

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Dulles in der Besprechung vom 31.8.1954 mit den Spitzen des State Department, NA, RG 59, Lot 64 D 199, Box 18, folder 54. Eden Schloß die Option eines britischen Beitritts zu einer modifizierten EVG - im Rahmen der NATO - aus; sie hätte u.a. die nukleare Sonderbeziehung zwischen den USA und Großbritannien tangiert; Deighton, Last Piece, S. 184. Das britische Kabinett Schloß eine »Europäisierung« der nuklearen Komponente der WEU Streitmacht im Januar und im Mai 1957 erneut aus; sie wurde 1961-1967 und 1969 in den EWG-Beitrittssondierungen von britischer und von französischer Seite (aber nicht von de Gaulle) betrieben; siehe Großbritannien und Europa, S. 169-314. Died, Westeuropäische Union, S. 77; Pedlow, Putting the »O«, S. 159. Mit der Aktivierung von SI IAPE als I lauptquartier von SACEUR Eisenhowers Allied Command Europe am 2.4.1951 endete die Tätigkeit der WUDO. Soutou, Frankreich, S. 211 ff. Zu den Optionen, die keine Regierung recht wollte, obwohl sich einflußreiche, hochrangig positionierte Politiker und Militärs in strategischen Situationen (Churchill, 20.8.1954; die amerikanischen J C S im September 1954; Strauß und Adenauer) dafür als Ausweg aus der Sackgasse der EVG-Lösung einsetzten, gehörte ein deutsch-amerikanisches und/oder britisch-amerikanischdeutsches Bündnis im Bündnis oder gar eine Neuformation der transadantischen Sicherheitsbeziehungen; Thoß, Beitritt, S. 27, 33; Schmidt, »Third Factor«; Neuss, Geburtshelfer, S. 224 ff., 252 ff.; Schwarz, Adenauer, II, S. 122 ff. Siehe I.2.C. Auch in diesem Fall weichen die Vorstellungen, die unter dem Schlagwort gebündelt wurden, voneinander ab. Mendes France (15.9.1954) wollte die Bundesrepublik in die EVG 6 + Großbritannien = WEU 7, aber nicht in die NATO aufnehmen; FRUS, 1952-54, V, S. 1245 ff.; Dockrill, Britain's Policy, S. 162. Für die britischen Befürworter der WEU-NATO-Lösung war die Einbindung in die NATO das Kernstück. Allerdings bewirkte die Formel, daß die britischen und französischen Unterhändler einen gemeinsamen Nenner im Sinn hatten; Ruane, Rise, S. 117 ff., Gossel, Briten, S. 89 f.; Bariety, Frankreich, S. 115 ff., 121 ff. Zu Parodis »litde box«Vorschlag: FRUS, 1952-54, V, S. 1033; Neuss, Geburtshelfer, S. 258 f.

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— Stärkung der zentripetalen Elemente in der NATO durch Ausweitung der Befugnisse von SACEUR/SHAPE anstelle der von Frankreich favorisierten »Modelle« entweder einer Wiederaufwertung der Standing Group zum DreierDirektorat oder einer militärischen Doppelorganisation mit separaten WEUund NATO-Oberkommandos148 oder einer für Großbritannien und die USA nicht-akzeptablen Vollintegration ihrer der NATO assignierten Streitkräfte; — Zusammenarbeit zwischen französischer und deutscher Rüstungsindustrie149; — freiwillige deutsche Selbstbeschränkung betr. Ausrüstung der Bundeswehr (statt diskriminierender Kontrollen); — britische und amerikanische Bereitschaft zum dauerhaften »continental commitment«150 trotz der Neuansätze für eine Aufgabenteilung zwischen der technologischen Supermacht USA und den Verbündeten in den Regionen (NATO, SEATO, CENTO, Nordostasien) sowie der Hinwendung zur Nuklearisierung der Sicherheitsgarantie151; solange die strategische Abschreckung überwiegend auf Fernstreckenbombern und Mittelstreckenraketen beruhte, behielten Stützpunkte ihren hohen Stellenwert als Plattform amerikanischer Machtprojektion. Die wichtigste Umdisposition bei dieser Lösung mußte auf selten der USA erfolgen. Denn die von Dulles gegenüber Frankreich bis zuletzt (31. August 1954) geübte Pressionspolitik hatte sich als kontraproduktiv erwiesen152. Daher drängten die Spitzen des State Department auf den Verzicht leerer Drohungen; solche Drohungen widersprächen außerdem der Prämisse amerikanischer Europapolitik, daß eine deutsch-französische Verständigung die Basis der Einigung Europas und der amerikanischen Präsenz in Europa bilde. Die Schlußfolgerung lautete, daß die USA das Junktim zwischen deutschem Verteidigungsbeitrag und europäischem Einigungsprozeß auflösen müßten. Die Rettung der NATO und die Gewährung der Souveränität an die Bundesrepublik im Gegenzug zum deutschen VerteidiZur Kompetenz-Erweiterung: Mager, Stationierung, S. 102 ff.; FRUS, 1952-54, V, S. 1345 ff.; Thoß, Beitritt, S. 41 f.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 250 ff. Zur NATO-Struktur: Generals in International Politics; Jordan, NATO International Staff; ders./Bloome, Political Leadership; Bland, Military Committee, S. 193 ff. Sektion II des Londoner Abkommens legte fest, wie schon in der Rahmenvereinbarung zwischen EVG und NATO, daß die WEU nicht die Tätigkeit der NATO duplizieren dürfe; Meier-Dörnberg, NATO und EVG; Ruane, Rise, S. 164. 149 Pitman, Un General, S. 50, betr. Entwicklung und Produktion von Atomwaffen in »sicheren« Zonen; siehe ferner I.2.d und e. 150 Dulles, 4. Sitzung der Londoner Konferenz, 29.9.1954, FRUS, 1952-54, V, S. 1359 f.; vgl. Died, Westeuropäische Union, S. 81; DockriU, Eisenhower, S. 96 f.; Ruane, Rise, S. 131-148. •51 Mit dem Beschluß im Juli 1954 (Deighton, Last Piece, S. 188; Macmillan, Tide, S. 567), die HBombe zu bauen, wollte die britische Regierung zu den USA und zur UdSSR aufschließen; der erfolgreiche Test erfolgte im Mai 1957; London erstrebte »targeting«-Abstimmung mit dem SAC sowie das »strategische« Duopol in der NATO. »Joint Targeting« betraf nicht nur die Bereitstellung der strategischen Abschreckung für die NATO-Partner, sondern auch britische Beteiligung an der amerikanischen Strategieplanung für den Mitderen Osten und Südasien. Siehe Heuser, NATO, S. 64, 74, 86; Twigge/Scott, Planning, S. 53, 66, 102 ff., 107, 118. In Anbetracht der von Großbritannien eingeschlagenen Richtung wollte Frankreich den Anschluß an Großbritannien halten; siehe Soutou, Frankreich, S. 216-226; Loth, Sicherheit, S. 317; ders., Deutsch-französische Beziehungen; siehe II.2 und 4. '52 Wall, United States, S. 286-295. 148

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gungsbeitrag schien wichtiger als das Beharren auf dem Standpunkt, daß die politische Einigung Europas unbedingt über das EVG-Projekt erfolgen müsse153. Durch die Übernahme wichtiger Elemente aus dem EVG-Vertrag in die W E U / N A T O - L ö s u n g ließ sich, so die Autoren des Strategiekonzepts NSC 5433 »Immediate U.S. Policy Towards Europe« 154 , Kontinuität in der Deutschlandpolitik bewahren; andererseits müßten die USA es der Europabewegung überlassen, der Idee der europäischen Einigung Gestalt zu geben. Entscheidend war, daß die USA ihre im Rahmen des Kampfes für die Ratifizierung des EVG-Vertrags ausgesprochene Garantieerklärung vom 16. April 1954' 55 auf die W E U übertrugen und sich dem britischen Vorbild bezüglich der Stationierungszusage anschlossen 156 sowie die NATO-Strategie entsprechend dem nunmehr fest einplanbaren direkten deutschen Verteidigungsbeitrag überarbeiteten. Als diejenige Partei, die im August/September 1954 mit allen das Gespräch suchte, wußte Großbritannien (Eden), was zu tun war, um die Konzessionsbereitschaft der anderen zu einem Konzept zu bündeln sowie den richtigen Eigenbeitrag

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Meeting in the Secretary's Office zur Besprechung des Merchant-Memorandum über »EDC alternatives«, 31.8.1954, N A , R G 59, Lot 64 D 199, Box 18, folder 1954; Dulles, 16.9.1954, NSC, 215. Sitzung, FRUS, 1952-54, V, S. 1266; zu den amerikanisch-britischen Verhandlungen über eine eventuelle Souveränitätserklärung und zu den Konsultationen mit Adenauer: Küsters, Souveränität, S. 509-519. 154 NSC 5433, 16.9.1954; NSC 5433/1, 24.9.1954, FRUS, ebd., S. 1205-1209, 1263-1271. •55 Ruane, Rise, S. 75, 133 ff., 145 ff. Dulles an Eisenhower, 29.9.1954, FRUS, 1952-54, V, S. 1367. Ruane, Rise, S. 153 ff., 114 f., 6 9 - 7 5 : Großbritannien sagte die Stationierung von 4 Divisionen und 780 Flugzeugen/2nd Tactical Air Force »or whatever SACEUR regarded as their equivalent fighting capacity« zu (S. 154); CC (54) 302, 28.9.1954, P R O , CAB 129 - 71; Dockrill, Britain's Policy, S. 145. Auf Ersuchen Dulles' gab Eisenhower eine der britischen Verpflichtungserklärung entsprechende Zusage: FRUS, 1952-54, V, S. 1304, 1360. A m 10.3.1955 präzisierte Eisenhower gegenüber der W E U , daß die US-Streitkräfte mit einem angemessenen Beitrag in Deutschland bleiben würden, solange die Bedrohung anhielte; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 591. Die britische Zusage galt Westeuropa und nicht nur einer Macht, d.h. Frankreich; die Zusage stand unter dem Vorbehalt, daß finanzielle (währungspolitische) Notlagen oder Verteidigungsobligationen in Ubersee keine Umdisposition verlangten. Großbritannien mußte solche Entscheidungen in der W E U begründen und SACEURs Stellungnahme einholen. Eden hatte dem Kabinett am 4.4.1954 zwei Erklärungen vorgeschlagen: 1) Großbritannien und die USA sollten bekräftigen, die Präsenz ihrer Truppen in Europa so lange aufrechtzuerhalten, wie sie zur Sicherheit Westeuropas und der E V G benötigt würden; eine Bedrohung der Integrität der E V G »from whatever quarter« sollte wie eine Bedrohung der N A T O selbst geahndet werden. 2) Ein Abkommen über die Assoziierung Großbritanniens an die E V G , allerdings nur für die Restlaufzeit der N A T O ; konkret wollte Großbritannien eine seiner vier »armoured divisions« der B A O R einem E V G - K o r p s eingliedern, sobald dieses formiert sei, und zwar auf Dauer, falls SACEUR dies für erforderlich halte; Ruane, Rise, S. 7 2 - 7 5 . Die Regierungserklärung v o m 13.4.1954 folgte dem Vorschlag. Aufgrund des Widerwillens Eisenhowers »for ever coddling the French« - NSC, 4.3.1954, FRUS, ebd., S. 888 f. - fiel die amerikanische Erklärung vom 16.4.1954 reservierter aus als die britische. Eden wollte mit der Erklärung Bidault helfen, eine Mehrheit für die Ratifizierung zustandezubringen. Intern hatte Eisenhower die Debatte über eine Anwendung der neuen Richtlinie NSC 162/2 auch auf N A T O Europa mit der Erklärung abgebogen, daß in den nächsten zwei Jahren kein Truppenabzug aus Europa anstehe; NSC, 174. Sitzung, 10.12.1953, FRUS, ebd., S. 450.

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anzubieten 157 . Seine konzertierte Aktion stand unter dem Vorzeichen, daß jeder auf westlicher Seite vorerst vergessen solle, daß er eine sowjetrussische Karte habe, bzw. daran denken müsse, daß die Sowjetunion versuchen werde, den Westen endgültig zu entzweien. Mindestens genauso wichtig war für Eden, daß niemand dem unflexiblen Beharren Eisenhowers und Dulles' auf der EVG-Lösung die Schuld an deren Scheitern zuschob, sondern daß die Westeuropäer sich bewußt blieben, daß sie die NATO und die USA zu ihrer Sicherheit benötigten. Schließlich wollte Eden gewährleisten, daß die Selbstbindung der USA als europäische Macht die Position Großbritanniens und Frankreichs stärkte und nicht zu einem amerikanisch-deutschen Sicherheitsvertrag führte. »What they are worried about is that, in the event of failure of the EDC plan, Germany and the U.S. may work out their own arrangements for cooperative defence in a way which would anger and frighten the French and provoke the Russians158.« »The name of the game« hieß freilich Rettung der Glaubwürdigkeit der Politik Adenauers 159 . Die Westbindung (West)Deutschlands, so argumentierten vor allem die Truman- und die Eisenhower-Administration und in entscheidenden Phasen Churchill/Eden, müsse glaubhaft bleiben; damit legten sie sich die Verpflichtung auf, dafür zu sorgen, daß Westbindung und Verfolgung legitimer deutscher Interessen, die Vereinigung, nicht als Gegensatz erschienen160. »[...] wenn es wirklich ein geeintes und starkes Westeuropa gibt, werden die Sowjets nicht in der Lage sein, ihre volle Kontrolle über die Satellitenstaaten mit den bisherigen Methoden aufrechtzuerhalten und werden sie wahrscheinlich in Pufferstaaten umformen müssen. Vielleicht wird sich ihr Status ähnlich dem Finnlands entwickeln. Wenn eine Evolution in diese Richtung eingesetzt hat, kann Ostdeutschland sich Westdeutschland anschließen [....]161.« Sobald Adenauer versicherte, daß er trotz des Rückschlages in der EVG-Frage von der Richtigkeit einer Westintegration und der NATO-Lösung überzeugt bliebe 157

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Die Botschafter, insbesondere Massigli in London, spielten als »zwei-Wege«-Kommunikatoren eine bedeutende Rolle; siehe Thoß, Beitritt, S. 22. Natürlich ist nicht zu leugnen, daß die Aufgabe schwierig war, weil jeder das »meiste« für sich herausholen wollte und weil das Mißtrauen nach dem »Schock« des »30. August 1954« noch tief saß. Zu den Schwierigkeiten bzw. dem Manövrieren am Rande des Scheiterns: Mager, Stationierung, S. 102 ff.; Jansen, Großbritannien, S. 115 ff.; Thoß, ebd., S. 28 ff.; Dockrill, Britain's Policy, S. 157 ff.; Ruane, Rise, S. 104 ff., 114 ff. Diese Auffassung begleitete Eden seit der Rückkehr ins Amt als Außenminister im Oktober 1951; siehe Bericht von Pearson über ein Dinnergespräch mit Eden, 10.12.1951, NAC, MG 26 Ν 1, vol. 19, file Britain/Canada 1950-1957. Die britischen Gesprächspartner hoben selbstkritisch hervor, daß Großbritannien sich an den Pleven- und EVG-Plan-Verhandlungen hätte beteiligen sollen, um eine bessere Lösung zu finden; fortan gehe es darum, eine Alternative für die europäische militärische Kooperation auszuarbeiten, z.B. nationale Kontingente abzustellen, und dann auf dieser Basis aktiv mitzuarbeiten. Die Sprachregelung war: Man könne es sich nicht leisten, Adenauer als Verlierer aus der deutschen Politik ausscheiden zu sehen; z.B. Eden im britischen Kabinett, 27.8.1954, PRO, CAB 128-27; FRUS, 1955-57, XIX, 349, 351, 681. Steininger - Vertane Chance, S. 156 - und Foschepoth -Adenauer und die deutsche Frage (Einleitung), S. 14 - bezeichnen diese Auffassung als »Lebenslüge« bundesdeutscher Politik, allerdings stärker im Sinne von vorgetäuschter Schutzbehauptung. Dulles, 20.2.1954, FRUS, 1952-54, VII, S. 1208 f.; zit. nach der Übersetzung Rupiepers, Der besetzte Verbündete, S. 380.

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und den Kurs der Selbsteindämmung fortschreiben wolle162, gestanden die Verhandlungspartner niemandem unter ihnen eine Gefährdung des Konsenses zu, daß die Reihenfolge der politischen Schritte heiße: Osterweiterung der europäischen Sicherheitszone durch den Beitritt der Bundesrepublik in die NATO, erst dann Verhandlungen mit der Sowjetunion über offene Fragen: Österreich, deutsche Einheit, Rüstungsbegrenzung und -kontrolle. Die Selbstverpflichtung, die gefundene Regelung über die innenpolitischen Hürden zu bringen, nahm vor allem Mendes France auf sich163; er gewann den Respekt zurück, den er im Juli/August 1954 verspielt hatte. Parallel zur diplomatischen Abschirmung gegen die Gefahr, daß die sowjetische Führung durch Appelle an den linken und rechten Nationalismus in Deutschland, aber auch in Frankreich, die Konsolidierung der westlichen Strukturen erschweren könnte164, schritt die Verfestigung zentripetaler (integrativer) Strukturen in der NATO voran 165 . Sie bildete die Voraussetzung dafür, daß die deutschen Streitkräfte gemäß den von SACEUR aufgestellten Richtwerten disloziert und geführt würden166. Zwischenbilanz Die NATO/WEU brauchte den westdeutschen Teilstaat zur Arrondierung ihrer sicherheitspolitischen Konzeptionen: — »Vorneverteidigung«; — »collective balanced forces«; — glaubwürdige Abschreckung jedweder Kriegsgefahr. Für SACEUR Gruenther, für amerikanische und britische Militärs sowie für Adenauer und seine militärischen Berater Schloß »brauchte« unverändert einen unter den gebotenen politisch-psychologischen Rücksichtnahmen auf das BesatzungsAdenauer ging auf die von Eden postulierten »essentials« ein: 1. Beibehaltung des deutschen Streitkräfteumfangs für die EVG in der NATO, d.h. 12 Divisionen, 1300 Flugzeuge; 2. Verzicht auf Nuklearwaffen und schweres Kriegsgerät; 3. Dislozierung deutscher Streitkräfte aufgrund der NATO-Strategie und der Vorgaben des SACEUR; 4. Verzichtserklärung auf Grenzrevision mittels Gewaltandrohung oder gar Militäreinsatz; Küsters, Souveränität, S. 509 ff.; Duchin, Agonizing; Schwarz, Adenauer, II, S. 145-159. Eden trug diese »checks« in seinem Memorandum vom 27.8.1954 und in der Kabinettssitzung am 1.9.1954 vor; Ruane, Rise, S. 104 f. 165 Thoß, Beitritt, S. 23; Hitchcock, France, S. 198-202. Es gab freilich aufgrund innenpolitischen Kalküls Abweichungen, so das Aufwerfen der Österreich-Frage im November und Anfang Dezember 1954 als Thema einer für Mai 1955 projektierten Viermächte-Konferenz. 1M Siehe II.4; Schwarz, Adenauer, II, S. 145- 159; Ruane, Rise, S. 54, 132, 171. 165 Zur Zentralisierung in der NATO (Stärkung der Befugnisse von SACEUR, u.a.) als Mittel, Spannungen zwischen NATO und WEU/EVG-Integration abzublocken, siehe II.4; FRUS, 1952-54, V, S. 1345 ff.; Mager, Stationierung, S. 102 ff.; Pedlow, Putting. ">' Sektion IV des Londoner Abkommens sah vor, daß alle auf dem europäischen Kontinent stationierten Streitkräfte unter der Autorität und Befehlsgewalt des SACEUR standen, der für die Dislozierung, Umverlegung und größtmögliche, mit militärischer Effizienz vereinbarer Integration der Streitkräfte verantwortlich war. Diese Bestimmungen sollten es unmöglich machen, daß irgendein Mitglied seine Streitkräfte für nationale militärische Abenteuer einsetzen könnte: Ruane, Rise, S. 164; Meier-Dörnberg, NATO. 162

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trauma der Nachbarstaaten höchstmöglichen deutschen konventionellen Verteidigungsbeitrag ein, obwohl sich die Perzeption der Lage im Spätsommer 1954 gegenüber 1950/51 geändert hatte. Für Politiker wie Mollet, Faure, Eden, Erler (SPD) hingegen war die militärische Sollstärke der Bundeswehr eher eine disponible, den Pendelschlägen des Ost-West-Konflikts anzupassende sicherheitspolitische Größe. Doch um die von Adenauer als bedrohlich eingestufte Singularisierung der Bundesrepublik als Vorstufe zur Neutralisierung Deutschlands — und damit einen nachträglichen Triumph der UdSSR — zu verhindern, schloß der Westen von neuem seine Reihen endang den bewährten Stützargumenten: London und Paris wollten die USA nicht aus Europa abziehen sehen; die USA machten ihre Präsenz davon abhängig, daß die Bundesrepublik als vollwertiges Mitglied in den westlichen Systemen akzeptiert würde167. Daß die USA — zeitweilig Dulles einschließend — sich mit der Sowjetunion über gegenseitige Sicherheit in Europa und weltweit verständigen könnten oder aus Frustration über die Uneinsichtigkeit der europäischen Partner168 den angedrohten »agonizing reappraisal« doch einmal vollziehen würden, stimulierte vor allem Eden und Macmillan dazu, die europäischen Partner zur Bekräftigung der Option für Amerika anzuhalten169, auch wenn das hieß, das von Eisenhower/Dulles ebenso wie vom Kongreß formulierte Gebot der europäischen Einigung und Kräftebündelung zu befolgen. Die Vorwürfe, daß es amerikanische Absicht sei, deutsche Streitkräfte an die Stelle des (und nicht zusätzlich zum) amerikanischen NATO-Beitrags treten zu sehen, und daß dies der tiefere Grund für die Gefährdung des EVG-Projekts sei, beantwortete Eisenhower170 mit dem Hinweis auf das seit Trumans Erklärung vom September 1948 geltende Junktim: Da die europäischen Partner noch nicht so weit seien, daß sie die Bürden tragen könnten, träten die USA mit ihrem Engagement in Vorlage; sie täten das auch in der Überzeugung, mit der Stationierung ihrer Streitkräfte ihre eigenen Interessen an der gemeinsamen Front zu verteidigen und nicht nur zum Schutz einzelner Länder in Europa präsent zu sein; im Gegenzug müßten die europäischen Partner allerdings den Beweis antreten, daß sie die aus der Streitkräfteplanung der Western Union Defense Organization hervorgegangenen und in der NATO fortgeschriebenen Verpflichtungen einlösen wollten171. Angesichts des Drucks des Kongresses einerseits172, des Drängens der Ver-

' Ovendale, Britische A u ß e n - und Bündnispolitik, S. 134, 129; Großbritannien und Europa, S. 1 - 4 1 ; Aldrich, British Strategy; Dockrill, Foreign O f f i c e ; Kaplan, Britain's Asian Cold War; Lowe, Significance. 207

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Soutou, Frankreich, S. 2 1 5 ; Hitchcock, France, S. 75 f., 81 u.a.O. britische strategische Nuklearstreitmacht war durch die Abhängigkeit v o n amerikanischen Raketentypen gekennzeichnet. In beiden Fällen beruhte der Abschreckungseffekt darauf, daß Paris oder L o n d o n durch ihren Ersteinsatz den Einsatz amerikanischer Systeme auslösen könnten; sie konnten (Großbritannien) bzw. wollten (Frankreich) Washington zum Informationsaustausch, zu Konsultationen und Absprachen bis hin zu »joint targeting« veranlassen, um zu erfahren, welche strategischen Objekte in der UdSSR die U S A abdeckten. Im Untersuchungszeitraum verfügte Großbritannien über keine nennenswerte Anzahl eigener A t o m b o m b e n und Trägersvsteme, Frankreich v o r 1 9 6 0 / 6 1 über keine A t o m w a f f e n s v s t e m e ; siehe II.2. Die Rechtfertigungs»lehre« für die unabhängige britische bzw. französische »nuclear force« war ein Umkehrschluß zu ihrer Behauptung, daß die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Garantie zweifelhaft geworden sei, siehe III. Die Palette umfaßt multilaterale Einrichtungen wie den \-on den USA angereicherten Pool der E Z U - Knapp, Einfluß, S. 2 0 - : die deutsche Rolle als »Zahlmeister« (Besatzungs-; Staüonierungskosten; E W G ) , die bilateral umgesetzte, aber integral-multilateral intendierte US-Militärund Wirtschaftshilfe an Verbündete (einschließlich Großbritannien: K - P r o g r a m m für britische NATO-Luftstreitkräfte) und die ansatzweise praktizierten Rüstungspools (WEU; französisch-

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Gemeinschaften zu verschaffen, für deren Einrichtung triftige Gründe vorlagen. Die meisten Länder waren für sich zu schwach, um Selbstverteidigung zu organisieren oder Marktchancen zu behaupten. Sie schwankten jedoch, welcher Gemeinschaft sie sich anvertrauen sollten. Die skandinavischen Länder und die Niederlande hatten Vorbehalte gegen einen von Frankreich geführten europäischen Zusammenschluß 2 "; sie schlossen sich der britischen skeptischen Haltung an und entsandten (so die Niederlande) beispielsweise zur Pleven-PlanKonferenz lediglich Beobachter. Dänemark und Norwegen wollten Großbritannien beteiligt wissen und sprachen sich für die Vorrangstellung der N A T O unter dominierender Stellung der USA aus212. Italien, das seine Bereitschaft zu enger wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit in Westeuropa zunächst (1947-1949) durch Annäherung an Frankreich bekunden wollte, entwickelte eine Präferenz für die Umhegung westeuropäischer Partnerschaften durch die US-geführte nordadantische Sicherheitsgemeinschaft213. — Die Diversifikation und Diffusion von Macht fand ihren Ausdruck im »Institutional Competition« auf westlicher Seite214. — Jedes Mitgliedsland der N A T O beobachtete, wie es selbst und wie die Großen215, aber auch die jeweils als weniger wichtig eingestuften Partner von den Zusammenschlüssen des Westens profitierten216 und wie sich das Verhalten der

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deutsch-italienische Atommacht-Planung); Golich, Resisting Integration; McGlade, N A T O Procurement; Megens, Problems, S. 279-292. Zum französisch-italienisch-deutschen Atommachtprojekt siehe zusammenfassend: Trachtenberg, United States, France, S. 244 f.; Fischer, Projekt. Petersen, Dänemark, S. 108 f.; ders., Isolation, S. 176, 185 ff.; Kersten, Niederlande, S. 117 f.; Sebesta, American Military Aid, S. 294- 296. Das gilt auch für die Niederlande (Stikker) und Italien: Varsori, Italien, S. 245; Kersten, Niederlande, S. 168-171. Varsori, Italien, S. 244 ff.; Rainero, Militärische Integration. Siehe unten S. 64 f. Milward, The EC, the UK, S. 100. Ein zweites Beispiel sind die britischen und amerikanischen Reaktionen auf die verschiedenen französischen Vorschläge zur Einrichtung eines gemeinsamen Finanztopfes in der N A T O (Soutou, Frankreich, S. 214 f.) und in der E V G , aus dem die Aufrüstungskosten bezahlt werden sollten, sowie für Rüstungsgüter-Pools. Dulles unterstellte Frankreich die Absicht, als Waffenproduzent und -lieferant aufzutreten, während die Bundesrepublik, aber auch die USA und Großbritannien das Geld einzahlten; Dulles, 2.10.1954, FRUS, 1952-54, V, S. 1324-1328; Large, Germans, S. 219; Calandri, Western European Union, S. 43-46; Thoß, Beitritt, S. 40 f.; Megens, Problems. Die Rivalität zwischen den Beschaffungs- und PlanungsAgenturen der WEU und der N A T O suchte man durch Abkommen und über Personalentscheidungen zu dämpfen. Studien zu den Niederlanden, Italien, Dänemark, Norwegen zeigen eine Korrelation zwischen der Einschätzung, ob die USA und die NATO-Strategie ihr Staatsgebiet als wichtig oder als peripher einstuften, und der Bereitschaft, sich für umfangreiche bzw. minimale Streitkräfteziele einzusetzen und den eigenen Anteil dann auch tatsächlich und zügig aufzustellen; Kersten, Außen- und Bündnispolitik, Niederlande, S. 168 ff.; Pharo/Eriksen, Norwegen, S. 95 ff.; Varsori, Italy, S. 206 ff. Das war besonders für die britische I laltung gegenüber der Bundesrepublik maßgeblich; Großbritannien täte viel, um seine »continental commitments« einzuhalten (und um damit den »Europäern« die von diesen gleichfalls gewünschte Investition der USA in die N A T O als Sicherheitsgarant aller zu erhalten), und brächte für die militärische Sicherheit des Westens 8 - 1 2 % des Bruttosozialprodukts auf, während die Bundesrepublik verschont bleibe (außer durch Besatzungskosten) und in zivile Bereiche investieren könne, mit der Folge, daß deutsche Produkte die

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Partner unter den Anspannungen des Kalten Kriegs veränderte. Obwohl man sich eingestand, daß die westlichen Strukturen ständig unfertig wirkten217, raffte sich kein Mitglied dazu auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Lücken bei den Streitkräften zwischen Ist- und Soll-Stärke zu schließen218. Als Stalins Nachfolger Entspannung auf der Basis der Festschreibung des Status quo in Europa anboten, um sich den ungeahnten Schwierigkeiten in den Satellitenstaaten nach der Anerkennung der Unabhängigkeit Tito-Jugoslawiens widmen zu können 219 , erwarteten die europäischen NATO-Partner, daß die USA die weiterbestehende Diskrepanz in der »Military Balance« zwischen der UdSSR und NATO-Europa durch die Glaubwürdigkeit der strategischen Abschrekkung ausgleichen müßten 22 '. Die Antwort auf die Frage, was die Europäer im Sinn der Aufgaben- und Lastenteilung in der NATO zu tun gedächten, wurde in dem im Herbst 1951 ausgehandelten und im Abschlußbericht des TCC vom 18. Dezember 1951 festgehaltenen Grundsatz nolens volens festgelegt, daß militärische Aufrüstung und wirtschaftlicher Wiederaufbau gleichwertige Ziele seien221. »Die westeuropäischen Partner ... setzten ... einen Maßnahmenkatalog durch, der die Bedingungen für die Durchführung der Streitkräfteziele festlegte und somit eine I lintertür für das Nichterfiillen der Planungen bot. Diese Maßnahmen gingen von der vagen Zusicherung weiterer US-Außenhilfe bis hin zu Forderungen nach Rohstofflieferungen aus den USA und bestimmten Wirtschaftswachstumsraten als Voraussetzung einer weiteren Aufrüstung 222 .«

Als ungeschriebenes Gesetz bürgerte sich in der NATO der Gedanke ein: Um die NATO zu retten, müßten sich die USA und die Bundesrepublik besonders anstrengen, denn für beide hätte die NATO höchsten Stellenwert. Für die anderen war die NATO wichtig, weil ihre Existenz verhinderte, daß sich für die USA die Frage eines Bündnisses mit der Bundesrepublik überhaupt stellen könnte.

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britischen von Exportmärkten verdrängten. Generell zur Allianzpolitik vor dem I lintergrund des Ost-West-Konfliktes: Snyder, Security Dilemma; Snidal, Relative Gains, S. 720 f. Das gilt - im Hinblick auf die 1950er Jahre - auch für die nichtmilitärischen Organisationen: IMF und Weltbank spielten nicht die Rolle, die ihnen laut Statut zustand; die GATT-Runden stärkten nicht die Institution; die EGKS entwickelte sich nicht zum nachahmenswerten Vorbild europäischer Kooperation; die Ο ERC trieb auf die Spaltung zwischen den EWG-6 und der FTA-7 zu. Die Ausnahme bildet die Zeitspanne zwischen Herbst 1950 und Sommer 1951. FRUS, 1955-57, XIX, S. 133, 138, 392, 435 ff. In der Frühphase (1948-1950) hatten Frankreich, die Niederlande und Dänemark von den USA Soforthilfe in zweifacher Form gefordert: Erhöhung der amerikanischen Militärpräsenz in »continental Europe« und Lieferung von Rüstungsgütem. Die französischen Regierungen hielten wenig vom Nuklearschutzschirm. Die US A wußten selbst, daß sie (noch) keine ausreichende Zahl von Atombomben einsetzen konnten; außerdem standen diese unter der Obhut der AEC und nicht in der Verfügung des SAG oder des Chairman der JCS; siehe I.2.g. Greiner, Kategorie, S. 179; 1 Ierken, Winning, S. 196 ff.; Sebesta, American Militarv Aid, S. 291 ff.; Harst, From Neutralitv, S. 31 ff. Der Grundsatz wurde in D.C. 6 anerkannt; FRUS, 1949, III, S. 352-356; History of the JCS, II, S. 399 f.; siehe I.2.d und f; I Iammerich, Operation; Thoß, Kollektive Verteidigung, S. 25 ff. Hammerich, Operation, S. 148.

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Kehren wir zur Ausgangsposition zurück: Die Westmächte hatten auf Stalins Teilung Europas mit der Gründung eines westdeutschen Teilstaates geantwortet. Dies machte für die erste Zeit (1949-1955) die Frage, ob und wie sich die Deutschen mit der »Spaltung« abfanden, zum Blickfang der Ost-West-Beziehungen. Die Konsequenz war, daß jeder der Beteiligten deutschlandpolitische Pläne entwickelte, um seinen Standort im Kalten Krieg zu markieren. Da für die Westmächte »Stärke durch Einigkeit« als Hebel galt, um »ihren« Deutschen die Vision der Vereinigung und sich selbst die Chance auf Selbstbehauptung im Ost-WestKonflikt zu erhalten, mußten sie die beiden Aspekte der deutschen Frage im Lot halten: 1. Wie groß ist die Aussicht, über Verhandlungen mit der Sowjetunion eine Antwort auf die Frage zu finden, in welcher Gestalt Deutschland — als Gesamtdeutschland oder in Form von zwei Staaten — in ein europäisches Sicherheitssystem einzubinden wäre? 2. Welchen Platz sollte die Bundesrepublik in den westlichen Systemen einnehmen? Das betraf das Einvernehmen zwischen den drei Westmächten, aber auch zwischen diesen und der Bundesrepublik. Die Entscheidung über die künftige Organisation und Selbstverantwortung des freien Europa hing von der westdeutschen Entscheidung zugunsten von Integration=Selbsteindämmung ab: Mit der Bereitschaft zur Integration praktizierte die Bundesrepublik das Gebot des Gewaltverzichts und befriedigte das Verlangen der westlichen Nachbarn nach Sicherheit vor Deutschland. Die Frage war, ob Frankreich und Großbritannien die Vorleistung der Bundesrepublik damit honorierten, daß sie Bonn gleichwertige Mitwirkung in den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Strukturen zubilligten223. Das französische Veto gegen den deutschen NATOBeitritt und das britische Veto224 gegen den Beitritt zu den von Frankreich inspirierten europäischen Integrationsprojekten setzte den »institutional competition« ins Bild, machte aber auch deutlich, daß Frankreich und Großbritannien nur begrenzt zur gleichberechtigten Eingliederung »ihres« deutschen Teilstaates bereit waren. Die beiden Aspekte der deutschen Fragen ins Lot zu bringen, betrifft eine zweite Gleichung. Es stand fest, daß die europäischen Westmächte sich auf einer Stufe mit der UdSSR sahen225 und auf Distanz zur Bundesrepublik hielten; weniger eindeutig war, wie stark sie sich dem selbstauferlegten Gebot verpflichtet fühlten, die Bundesrepublik hinsichtlich ihres Anspruchs auf Überwindung der Teilung nicht zu enttäuschen. Sollten die Westdeutschen Grund haben, über die Alliierten enttäuscht zu sein, so stand allerdings zu befürchten, daß die Deutschen ihrerseits in den Wettlauf um die Gunst der Sowjetunion eintreten und diesen gewinnen 223 224

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Zur amerikanischen Aufforderung, diese Devise zu befolgen, siehe 1.1, Anm. 29. Ich gebrauche den Ausdruck »britisches Veto« im genannten Zusammenhang bewußt; Schmidt, Sichtbare Hand; ders., European Security; Lord, Absent, S. 25, 78 ff., 142 f. Status als Siegermächte, die fur Deutschland als Ganzes und für Berlin Verantwortlichkeit trugen und beanspruchten; privilegierte Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der UNO; KolonialImperialmächte mit außereuropäischen Gewinn- und Verlustchancen; Nuklearmächte.

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könnten. Da man nicht wissen konnte, ob und zu welchem Preis die Sowjetunion die SBZ/DDR zur Vereinigung freigeben würde, blieb den Westmächten die Möglichkeit, der Enttäuschung dadurch vorzubeugen, daß sie Adenauers Anspruch auf politische Parität befriedigten 226 . In diesem Sinne nahmen die USA wiederholt Zuflucht zu dem Argument, daß die Westmächte Adenauer die Chance geben müßten, von Erfolgen in der Souveränitätsfrage zu berichten227. Man konnte sicher sein, daß Bonn an der wirtschaftlichen, politischen und sicherheitsstrategischen Westbindung festhielt, aber die versprochene Gegenleistung einfordern würde, nämlich aktives Engagement der Westmächte zugunsten der Vereinigung. Versagte man Adenauer den Erfolg beim ersten Schritt - Souveränität dann spiele man, so die amerikanische Argumentation, seinen innenpolitischen Gegnern in die Hände, die Westdeutschland aus der globalen Machtprobe zwischen den Supermächten heraushalten wollten228; das würde dem Kreml den Sieg im Kalten Krieg bescheren. Diese Argumentations stränge zurrten das Interesse der Westmächte an bestimmten Komponenten der Struktur des Kalten Kriegs fest; bei einer Vielzahl von Sachfragen wurde jedoch die Annäherung der Standpunkte, die man in Grundsatzfragen erreicht hatte, wieder in Frage gestellt, je nach ihrem Stellenwert für die Mitglieder der Allianz229. Frankreich entwickelte eine Meisterschaft darin, einerseits den Leitmotiven des strukturellen Arrangements zwischen atlantischer Partnerschaft und europäischer Integration Tribut zu zollen, dann aber andererseits Nachforderungen in verschiedenen Bereichen zu stellen, die so kontrovers waren, daß die konkrete Ausgestaltung ein um das andere Mal unterbleiben mußte. Das deutlichste Beispiel ist die umfängliche Liste von Änderungsvorschlägen, die Mendes France der Brüsseler Konferenz am 19. August 1954 abverlangte23"; dieses 226

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Der nachfolgende Schritt war, westdeutsche Enttäuschungen in der Vereinigungsfrage durch Vorantreiben der europäischen Integration aufzufangen: FRUS, 1955-57, XIX, S. 150 f., 152, 249; siehe III. Die deutlichsten Beispiele sind das Treffen Adenauers mit den I lohen Kommissaren und mit Acheson Mitte November 1951 - FRUS, 1952-54, S. 1582, 1609 - und das Ringen um die Vorverlegung der Souveränitätserklärung im Frühjahr 1954 in Reaktion auf die sowjetische Erklärung der Souveränität der DDR am 25.3.1954; DuUes an Laniel, 18.5.1954, FRUS, ebd., V, S. 957; generell: Küsters, Souveränität, S. 506 ff. Adenauer schürte solche Thesen, etwa im November 1951 anläßlich der Verhandlungen über den General(Deutschland)-Vertrag; sie wirkten überzeugend, weil die »Besatzungsmächte« empfindlich auf die Auftritte von Neo-Faschisten und Links-Nationalisten reagierten; Adenauer, Erinnerungen, I, S. 489; FRUS, 1951, III, S. 1576 ff., 1582-1609; Neuss, Geburtshelfer, S. 145; Schwartz, America's Germany, S. 247 ff.; Köhler, Adenauer, S. 672 ff. Man denke an das Aufwerfen der Saarfrage in den Verhandlungen über die EGKS, EVG, WEU/NATO, EURATOM sowie an die Positionswechsel der amerikanischen und britischen Regierungen von der Rückendeckung Frankreichs zur Sympathie für die Bundesrepublik in der Saarfrage und zur Ablehnung französischer Zusatzforderungen. Die Vorschläge sahen u.a. vor: Verzögerung der supranationalen Entscheidung in der EVG für acht Jahre, indem der Ministerrat ein Veto-Recht erhielt; Aussetzung des Art. 38; Beschränkung der militärischen Integration auf die in Deutschland stationierten Truppenverbände; Rücktrittsrecht der EVG-Mitglieder für den Fall, daß die USA oder Großbritannien sich aus der NATO zurückzogen oder daß Deutschland wiedervereint werde; Aufhebung der bestehenden EVG-

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Beispiel wird gewählt, weil die Liste alle Forderungen umfaßt, die von französischen Vertretern im Laufe der Ratifikationsphase gestellt worden waren. Da die anderen Delegationen aus Erfahrung französische Nachforderungen erwarteten, hielten sie ihrerseits Verhandlungsangebote an Frankreich — wie beispielsweise die Angleichung der Präsenz britischer und amerikanischer Divisionen auf dem Gebiet der Bundesrepublik an die 50jährige Laufzeit des EVG-Vertrages — zurück; man wußte, daß sie von Frankreich als Zeichen des Entgegenkommens erwartet wurden. In den wiederkehrenden Verhandlungen erschöpfte sich ihr Vorrat an Offerten an Frankreich, nicht aber die Liste französischer Nachforderungen. Die Verhandlungskonstellationen ergeben folgendes Bild: — Ein vorzeitiges Entgegenkommen an französische Forderungen wurde von den anderen Verhandlungspartnern als eine Einladung an Frankreich gewertet, noch weitere Zugeständnisse zu verlangen231, ohne daß man die Gewißheit erlangte, damit den Durchbruch in der großen Frage erreichen zu können, ob Frankreich zum Verzicht auf die Ausübung seines Veto-Rechts zur Verhinderung des deutschen NATO-Beitritts bereit sei. — Die USA versuchten, durch Verzögerungstaktiken in Fragen der Militärhilfe oder politisch-diplomatischer Unterstützung für Frankreich in überseeischen Konflikten Druck auf Paris auszuüben; doch nahmen sie davon Abstand, die eigenen Hilfszusagen an Frankreich vom französischen Verzicht auf die VetoPosition abhängig zu machen. 2. Die Strukturen des Kalten Krieges a. Bipolarität Wie eingangs erwähnt, bildeten sich die Strukturen des Kalten Kriegs im Verlauf eines Prozesses heraus, wobei sich auf selten der Beteiligten bestimmte Einsichten als kollektive Erfahrung festsetzten und das Handeln anleiteten. Vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in China und des in Europa mit politisch-ideologischen und wirtschaftlichen Mitteln ausgetragenen Kräftemessens, ob die Einflußgrenzen festständen oder ob Staaten ihre ideologischen, wirtschaftlichen oder gar sicherheitsstrategischen Loyalitäten ändern und die Lagerzugehörigkeit wechseln dürften232, nahmen die USA die Herausforderung an, sich als Antipode der Sowjet-

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Restriktionen für die Entwicklung und Nutzung der Atomenergie für militärische Zwecke; Beseitigung der Klauseln im Pariser Vertrag, die den französischen Anbietern den Verkauf von Waffensystemen beschnitten hätten; Maier, Internationale Auseinandersetzungen, S. 199-208; Ruane, Rise, S. 93. Zum britischen Zögern Ende 1952/Anfang 1953 siehe Ruane, Rise, S. 33 ff.; Dockrill, Britain's Policy, S. 98 f., 106 ff.; Young, German Rearmament. Stalin verbot den Ländern in der sowjetischen Einflußsphäre, dem Marshall-Plan beizutreten. Der sowjetische Druck auf Norwegen machte deutlich, daß dem Kreml die Finnland-Lösung nicht genügte. In der ersten Berlin-Krise kann man die Fortsetzung des in der Ruhr-Frage eingeschla-

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macht zu profilieren233. Die erste Komponente der Kalte-Kriegs-Struktur ist die Anomalie der offen ausgetragenen, uneingeschränkten globalen Machtprobe zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion — die bipolare Struktur. Nach dem Scheitern der Rooseveltschen Vision einer Sicherheitspartnerschaft zwischen den »Flügelmächten« des vormaligen europa-zentrierten Staatensystems und nach einer Periode des Abwartens hinsichtlich des Ausgangs des chinesischen Bürgerkriegs234 gingen die USA dazu über, die für sie wichtigsten Großregionen unter Einbeziehung (Westdeutschlands und Japans235 neu zu strukturieren.

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genen Kurses der Sowjetunion sehen, am eigenen Besitzstand festzuhalten, von den Westmächten aber ein Entgegenkommen an sowjetische Forderungen nach Mitsprache in der westlichen Einflußzone zu verlangen. Nach Titos Bruch mit Stalin lancierte der Kreml eine weitere Welle der »Sowjetisierung« und der »Liquidierung von Verrätern«, mit oder ohne Schauprozeß. NSC 20/4, Objectives with Respect to the USSR to Counter Soviet Threats to U.S. Security (November 1948), FRUS, 1948, I, S. 6 6 3 - 6 6 9 . Die theoretische Möglichkeit, die UdSSR (und später »Rotchina«) durch einen Präventivschlag um die Früchte ihrer waffentechnologischen Erfolge zu bringen, Schloß Truman nach dem Bekanntwerden des erfolgreichen Tests der sowjetischen Α-Bombe ausdrücklich aus: Sagan, Moving Targets. Er suchte das atomare Wettrüsten mit der Entscheidung für die Entwicklung der I I-Bombe einerseits und für die »Miniaturisierung« der Atombombe von vornherein und auf Dauer zugunsten der USA zu entscheiden. Diese und die N A T O rechneten in den 1950er Jahren damit, daß die USA gegenüber der UdSSR auf diesem Sektor im Vorteil sei; für die N A T O siehe N A T O Strategy Documents, bes. S. 235. Zur inneramerikanischen Diskussion: FRUS, 1955-57, XIX, S. 45, 80 f., 84, 88, 96, 134, 149, 193, 258, 291 ff., 324, 328, 342. In dieser Phase mußten Truman, Acheson und Marshall sich der internen Kritik stellen, warum sie das Vordringen des Kommunismus in Europa verhindern wollten, hingegen in bezug auf China die Optionen offenhielten; die amtlichen Überlegungen zielten in Richtung einer Koalitionsregierung unter Einschluß der KPCh; Paterson, Meeting, Kap. 4. Tucker - Nationalist China; Cohen - in: New Frontiers, S. 135 - und Mayers - Cracking - vertreten die These, daß Acheson gute Beziehungen mit Peking für möglich hielt und das Deutungsschema »Asian's Tito« verwendete. Der ausdrückliche Vergleich zwischen ( W e s t d e u t s c h l a n d s Position und Rolle im »freien Europa« und Japans Mission in der regionalen Zusammenarbeit im Fernen Osten, insbesondere SO-Asien, findet sich seit Anfang 1947 in amerikanischen Zeugnissen; entsprechend der eigenen Skepsis und Präferenz für Beziehungen mit Festlandchina - wandte sich Japan jedoch erst Ende der 1950er Jahre einer Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen mit SÖ-Asien zu. Die wichtigsten Parallelen sind: 1) Zeitgleich mit der Verkündung der Truman-Doktrin am 12.3.1947 hob Acheson den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Erholung Japans und der des Fernen Ostens hervor. 2) In NSC 68 nimmt Japan eine Schlüsselrolle ein - als Gegenstück zur Festlegung Japans als Feindstaat im sowjetisch-chinesischen Freundschafts- und Beistandsvertrag vom Februar 1950. 3) Die USA wollten die Frage eines Friedensvertrags mit Japan erst aufgreifen, wenn sie ihre Kontrolle als Besatzungsmacht genutzt hätten, um Japan in ein Partnerland zu transformieren; da Vertrauen in den »good faith« der UdSSR unangebracht sei, müsse die Demilitarisierung von den USA geregelt werden. 4) Sowohl Yoshida als auch MacArthur lehnten die Remilitarisierung ab; sie stimmten zunächst nur der Schaffung einer Polizeireserve zu - diese wurde 1953 in Selbstverteidigungskräfte umbenannt. Der wichtigste Unterschied betrifft den Weg Japans in die Souveränität: Im Laufe der Friedensvertragsverhandlungen gab Yoshida im Februar 1951 dem Drängen J.F. Dulles' nach und stimmte der Schaffung einer umfangmäßig begrenzten Landstreitkraft zu; Yoshida wünschte, daß die amerikanischen Truppen in Japan zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung angerufen werden konnten, bestand aber auf einem Truppenstationierungsvertrag. Eine pointierte Zusammenfassung gibt LaFeber, Clash, S. 2 7 0 - 2 9 5 ; zur Durchführung der These siehe Amerikas Option. Zur entschlossenen Westbindung Japans im Zuge des Korea-Kriegs und den Friedensvertragsverhandlungen.· Pruessen, Dulles, S. 457 ff.; eine Vielzahl bilateraler Gespräche mit Großbritannien und Japans Kriegsgegnern in SO-Asien erlaubte den USA, einerseits die Fra-

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Indem die USA, den Gegenpart orchestrierend, ihre Präsenz in den Regionen Westeuropa/Deutschland 236 und Japan ausbauten, durchkreuzten sie Stalins Kalkulation, daß zwar mit britischer Gegnerschaft zu rechnen wäre, die USA aber eine sowjetische Sicherheitssphäre in Osteuropa und Nordostasien hinnehmen würden237. Des weiteren nahm Stalin an, daß die Eigendynamik des Kapitalismus die amerikanische Strategie stärker bestimmen würde als die ideologische, auf Wilson vs. Lenin zurückgehende Rivalität, ob westliche Demokratie oder Sozialismus die Voraussetzungen für Kriegsächtung und Weltfrieden schaffen würden238. Mit der Selbstmandatierung zur Umerziehung Japans und zur Demokratiegründung in (Westdeutschland handelten die USA der sowjetischen Einschätzung zuwider. Die Gefahr einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion spielte weder in der Phase der Weichenstellungen 1 9 4 4 - 1 9 4 7 noch in der ersten Hochphase des Kalten Kriegs 1 9 4 7 - 1 9 4 9 eine dominante Rolle239, wohl aber die auf beiden Seiten ausgeprägte Bereitschaft, die Führung der anderen Seite zu demütigen240 und damit die Feind-Perzeption zur Konfrontations-Strategie hochzuschaukeln. Entscheidend war dabei, daß Washington ebenso wie Moskau dem Bestreben, Standfestigkeit zu zeigen und einseitig Fakten zu schaffen, eine weitere Kategorie hinzufügte: die wechselseitige Verwundbarkeit. In einer ersten Phase hoben sie die räumliche Distanz zwischen den Flügelmächten des ehemaligen europa-zentrierten Weltstaatensystems auf und entfalteten statt dessen physische Präsenz entlang den Grenzlinien des Ost-West-Gegensatzes 241 ; in einer zweiten Phase nutzten sie die — Entfernungszeiten schrumpfenden — Massenvernichtungswaffen als Druckmittel im Nervenkrieg242.

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ge der Anerkennung »Rotchinas« zu umgehen und andererseits die wichtigsten Vertragspunkte mit Japan auszuhandeln, also »Herr des Verfahrens« zu bleiben. Pruessen erklärt auch die Gegensätze zwischen den USA und Japan, S. 485 ff. Zum Generalthema siehe Amerikas Option. Im Juli 1948, vor Ausbruch der Berlin-Krise, waren etwa 90 000 US-Soldaten in Europa stationiert; 1953 standen 427 000 US-Soldaten in Europa, vorwiegend in der Bundesrepublik; Adomeit, Imperial Overstretch, S. 86; Czempiel, Amerikanisches Sicherheitssystem, S. 242 ff., 348 ff. Im Juni 1950 verfugte die US Army über 10 Divisionen, neun davon mit verminderter Stärke; einschließlich der Nationalgarde, der Marinetruppen und anderer Verbände betrug die Gesamtstärke der Landstreitkräfte 63,5 Divisionen - Kugler, Commitment, S. 34 ff., 58 f., 92 f. Zubok, Stalin, S. 41 ff.; Buhite, Soviet-American Relations, S. 110 ff. Dazu gehört auch, daß Stalin ein Aufbäumen der kapitalistischen Staaten (Großbritannien, Deutschland, Japan u.a.) gegen die amerikanische Suprematie erwartete; Adomeit, Imperial Overstretch, S. 91 f.; Shulman, Stalin, S. 259. Leffler, Preponderance, S. 305 ff. Mit dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz September 1945 wollte Stalin Byrnes abstrafen; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 96 f. Auf das von I larriman überbrachte Tauschangebot ging Stalin nicht ein. Für die sowjetische Hinnahme der amerikanischen Japanpolitik wollten die USA die sowjetische Position betr. Bulgarien und Rumänien anerkennen; Zubok, Stalin, S. 50 f.; Buhite, Soviet-American, S. 110 ff. Da die Sowjetunion in ihrem territorialen Vorfeld militärische Präsenz etablierte, während die USA Auslandsbasen einrichten mußten, um ihre Sicherheitsgarantie zu untermauern, konnte die Kremlpropaganda von Einkreisung und Bedrohung sprechen; die USA reagierten 1962 in gleicher Weise auf die Dislozierung von MRBM und einsatzfähigen Atomwaffen auf Kuba. Die Sowjetunion war im Nervenkrieg erfolgreicher als die USA. Bereits vor dem Sputnik-Schock hatten verschiedene amtliche und halb-offizielle Untersuchungsausschüsse die »vulnerability« der

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Der Formationsprozeß der Sicherheit für den Westen erfolgte im Wechselschritt mit der Konsolidierung des Herrschaftsbereichs der Sowjetunion bzw. im Zeichen von Kooperation und Spannung im Verhältnis zwischen der Sowjetunion und der VR China243. Truman und Acheson gaben die Devise aus, daß die Feinde von gestern, Deutschland und Japan, fest in westliche regionale und internationale Strukturen eingebunden werden müßten und in keinem Fall sowjetischen Einflußversuchen zum Opfer fallen dürften244. Stalins Präventivkrieg-Diplomatie in Korea verfolgte tatsächlich das Ziel, chinesische Kräfte gegen den gemeinsamen Gegner zu engagieren, um die momentane Überlegenheit gegenüber den USA und Großbritannien zu nutzen. »(The United States) was not prepared at the present time for a big war. [...] they would have to give in to China, backed by its Soviet ally, in the settlement of the Korean question. They would also be forced to leave Taiwan and renounce a separate peace with Japanese reactionaries. [...] without serious struggle and a new impressive display of its strength, China would not obtain all these concessions from the Americans245.« Stalin ließ von Anbeginn keinen Zweifel aufkommen, daß die UdSSR Pol in der Staatenwelt sein werde; »diplomacy« und Rüstungswirtschaft (Primat der Schwerindustrie) sollten den Nimbus der Unbesiegbarkeit und Nichterpreßbarkeit der Sowjetunion abstützen. Der schnelle Erfolg auf dem Weg zur Atommacht untermauerte den Anspruch, daß keine Entscheidung in wichtigen Sicherheitsfragen

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USA durch Fernstreckenbomber und Raketen vorausgesagt; FRUS, 1955-57, XIX, S. 380 ff., 415 ff., 443 ff., 461, 463, 620 ff., 634 ff., 640 ff.; Dockrill, Eisenhower, S. 129 ff.; Peter, Abschrekken, S. 197; Schmitt, Frankreich, S. 17; Saunders, Military Forces; Brands, Age; McMahon, Illusion; Roman, Eisenhower; May/Steinbrunner/Wolfe, History. Zur Debatte in den USA und zwischen den USA und Großbritannien in der Phase August 1950 - Juni 1951, ob die UdSSR aufgrund der Verfugung über Atomwaffen das Risiko eingehen würde, Stellvertreterkriege zum »general war« zu eskalieren, und über wieviele Kernwaffen Moskau meinte verfügen zu müssen, um einen Blitzschlag gegen die USA und Großbritannien zu fuhren, FRUS, 1949,1, S. 385 ff. (April 1949). Zu Maos »Lean to one side«-Entscheidung und zur Belastbarkeit des Stalin-Mao-Paktes vom Februar 1950: Foot, Practice, Kap. 5. Bis hin zu Chruscevs Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 5. Jahrestag der Republik-Gründung unterstützte die Sowjetunion den Wiederaufstieg Chinas. Es ist offensichtlich, daß keiner von beiden zum Mandlanger einer offensiven Kriegführung des anderen werden wollte, welche die USA zum totalen Engagement provoziert hätte. Das damit zusammenhängende Mißtrauen führte schließlich zum Bruch zwischen Moskau und Peking. Mao empörte sich darüber, daß Chruscev zu den Feierlichkeiten anläßlich des 10. Jahrestags im Anschluß an den Camp-David-Gipfel aus den USA anreiste. Chruscevs Versuch, Peking zu einer Zwei-Staaten-Doktrin zu überreden, schürte den Konflikt. Wieweit Peking über diesen Versuch informiert war, die Gesprächsebene Mikojan-Nixon für eine »Zähmungspolitik« gegenüber Maos Scharfmachertum zu aktivieren, maß offen bleiben; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 198 ff.; Foot, Practice, S. 121 ff., 174 ff., 204; Chang, Friends, S. 51-59, 63 ff. Acheson-Memorandum, 20.12.1949, FRUS, 1949, I, S. 615 f.; Amerikas Option, S. 8 ff.; Mastnv, Cold War, S. 85 und Fußnote 37; Pruessen, John Foster Dulles, S. 457 ff. Stalin an Mao, 5.10.1950; das Zitat folgt Zubok and Pleshakovs Paraphrase, Inside, S. 66. Bonwetsch - Deutschlandpolitische, S. 11-15 - sieht als Grund für Stalins Koreapolitik dessen Befürchtung, daß Mao mit den USA »anbändeln« könnte; gelänge es der UdSSR, ihre Position auf der koreanischen Halbinsel zu festigen, würde der Kreml, so die weitere Erklärung, ein Kontrollmittel gegenüber China in der Hand haben. Zur Reaktion Maos auf Stalins Rückzugsgefechte nach dem chinesischen Interventionsbeschluß vom 2.10.1950: Goncharov/Lewis/Xue Litai, Uncertain, S. 174-199.

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ohne Mitwirkung der U d S S R fallen dürfe 2 4 6 . D e r K r e m l blockierte im Frühjahr 1 9 5 1 die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in K o r e a , u m die weltpolitisch brisanten T h e m e n auf die Tagesordnung zu zwingen, wie die A n e r k e n n u n g der V R China und politische Mitspracherechte in europäischen Fragen, v o n denen die Sowjetunion nicht ferngehalten werden wollte 2 4 7 . Moskau interpretierte die Erklärung der Westmächte zur Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland v o m 6. März 1 9 5 1 als A u f k ü n d i g u n g der Potsdamer Beschlüsse über die E n t w a f f nung Deutschlands; aus westlicher Sicht bildete sie die moralisch-rechtliche Plattf o r m f ü r den westdeutschen Verteidigungsbeitrag. Umgekehrt handelte sich der K r e m l — v o n seiten Frankreichs ebenso wie seitens der U S A — den V o r w u r f ein, die Kriege in Indochina 2 4 8 , Malaysia 249 und K o r e a 2 5 0 angezettelt oder zumindest geduldet zu haben, u m die europäischen Regierungen v o n V o r k e h r u n g e n für die

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Das ist einer der Gründe dafür, warum die USA auch späterhin nicht bereit waren, Europa- und Fernostfragen auf die Tagesordnung von Gipfelkonferenzen zu setzen; Washington lehnte Pekings Teilnahme ab, Moskau machte sie zur Bedingung; London fügte sich der Notwendigkeit, auf die USA Rücksicht zu nehmen: Talks with the Soviet Union, 26.3.1955, PRO, PREM 11-893. Zur amerikanischen Haltung zur Genfer Außenministerkonferenz 1954 s.o. und II. Holloway, Stalin, S. 284 ff.; Mastny, Cold War, S. 124. Stalin unterstützte zum einen Maos Forderung nach totalem Rückzug der US-Truppen und wiederholte zum anderen seine Standardforderung, daß die USA ihre Stützpunkte in Ubersee räumen müßten. Die vorsichtige amerikanische Sondierung, ob die Sowjetunion eine Vermitderrolle betr. Waffenstillstand übernehmen wolle, wurde durch die überzogenen Forderungen abgewürgt. Aus der umfangreichen Literatur zum Korea-Krieg sind hervorzuheben: Cumings, Origins; Goncharov/Lewis/Xue Litai, Uncertain; Chang, Friends; Simmons, Strained Alliance; Foot, Wrong War; Weathersby, Soviet Aims. Mit der Anerkennung der Ho-Chi-Minh-Regierung als »demokratische« Republik Vietnam Ende Januar 1950 kam Stalin der Anerkennung des Bao Dai-Regimes und der französischen IndochinaUnion durch die USA, Großbritannien und die »freien« Staaten SO-Asiens zuvor; allerdings erkannten nur Thailand - auf massiven Druck der USA - sowie Südkorea Bao Dai an. Wie an anderer Stelle gezeigt, entwickelte Frankreich den Pleven-Plan im Oktober 1950 zeitgleich zur verheerenden Niederlage bei Cao Bang. Die Anerkennung und Unterstützung I lo Chi Minhs durch Mao im Januar 1950 veranlaßte die USA, Frankreich durch Militärhilfe für die Selbstbehauptung in Indochina zu unterstützen; Ende Juni 1950 konkretisierte Mao die Hilfszusagen an die zur Offensive übergehenden Vietminh. Ansätze zur Autonomie des Bao Dai-Regimes und die Aufnahme Vietnams als assoziiertes Mitglied der Französischen Union im März 1949 bewogen die USA, vom Antikolonialismuskurs abzurücken; Hess, United States, Kap. 10; Duiker, US Containment; Gardner, Approaching; Herring, America's Longest War; Kahler, Decolonization. Zu Chinas Vietnam-Politik: Zhai, Dragon, S. 133 ff.; Foot, Practice, S. 86 ff., 158. Zur ersten Nachkriegsphase in Indochina siehe I.2.c. Lowe, Containing, S. 3 f.; ausführlich: Short, Communist Insurrection. Die britische Regierung stellte Malaysia als ihr »Korea« hin; Wiggershaus, Von Potsdam, S. 82, 103; FRUS, 1950, III, S. 1135, 1186; FRUS, ebd., VII, S. 175 ff., 522. Stueck - Korean War - weist Stalins persönliche Beteiligung an der Planung der nordkoreanischen Invasion in den Süden und die Perzeption als Stellvertreterkrieg zwischen der UdSSR und den USA überzeugend nach. Zur differenzierten amerikanischen Reaktion auf den Kriegsausbruch siehe Wiggershaus, Entscheidung, S. 340 ff.; ders., Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 30 ff. Auch Atdee hielt die UdSSR für den Ausbruch des Korea-Kriegs verantwortlich: FRUS, 1950, VII, S. 187; Jones, Britische Bedrohungsanalysen, S. 175 ff. Zur Frage der Verantwortung für den Korea-Krieg vgl. Leffler, Preponderance, S. 375 ff.; Mastny, Cold War, S. 92-98; Heinzig, Sowjetunion, S. 636 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 97 ff.; Bajanov, Assessing, S. 87; Dockrill, Foreign Office; Sir Oliver Franks, Depeschen, 27.6.-23.7.1950, DBPO, Il.ser, IV, S. 5,17, 35, 46 ff., 76 ff.

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kollektive Verteidigung Europas abzulenken251. In den westlichen Hauptstädten legte man die Stellvertreterkriege252 als Versuch aus, europäische Verbündete zur Abnabelung von amerikanischer Vormundschaft anzustacheln253. Die USA konterten mit der Zielpriorität, Westeuropa zu sichern254, ohne den Fernen Osten — nach dem Verlust Chinas — zu verlieren255, also die Inselstaaten Japan, Taiwan, Südkorea als Knotenpunkte im amerikanischen Netzwerk in Nordostasien zu verankern und die Positionen des Westens durch Unterstützung Frankreichs in Indochina256, Großbritanniens in Malaysia und eigener Einflußchancen in Indonesien und Thailand zu stabilisieren. Darüber hinaus suchten sie die Spannungen zwischen den europäischen Kolonialmächten, Japan und den unabhängig werdenden Staaten auszugleichen und die intra-regionale Kooperation zu unterstützen. Die USA erwarteten keinen unmittelbar bevorstehenden sowjetischen Angriff auf Europa257, verstanden Stalins Unterstützung Kim II Sungs aber als Teil einer umfas251

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»[...] there can be little doubt that Communism, with China as one spearhead, has now embarked upon an assault against Asia with immediate objectives in Korea, Indochina, Burma, the Philippines and Malaya and with medium-range objectives in I longKong, Indonesia, Siam, India and Japan«, Acheson an Bevin, 10.7.1950, siehe Zhai, Dragon, S. 83. Das Schreiben war die Antwort auf Attlees Brief an Truman vom 6.7.1950, in dem der britische Premierminister die USA warnte, daß Stalin sie in einen falschen Krieg — gegen China — verwickeln könnte, um freie I land in Europa zu haben. Die britische Regierung drängte auf die Anerkennung der VR China, suchte in der UNO Stimmung für die Aufnahme Pekings zu machen und bezog Position gegen eine Änderung der amerikanischen Politik zugunsten Taiwans. Acheson stellte ein Junktim zwischen den verschiedenen Fällen und dem Korea-Krieg her und hielt London die These der Unteilbarkeit der globalen Machtprobe entgegen; er vollzog eine Wende gegenüber seinen Stellungnahmen 1948/49 in den US-internen Auseinandersetzungen über die Frage, wer und wie die USA »China verloren« hätten. Die Autoren von NSC 73/1, The Positions and Actions of the United States (29.7.1950) sprechen von der unbeschränkten Möglichkeit der UdSSR, überall zuzuschlagen; FRUS, 1950, I, S. 331 ff., 375 ff. Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 28; I lollowav, Stalin, S. 280 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 97; Zhang, Deterrence, S. 47, 52, 56 ff., 97, 106 f., 209,' 230 ff. Zu den amerikanischen Angeboten im NATO-Rat, auf den NATO- und Außenministertagungen Mitte Mai, im Juli, September und Dezember 1950 siehe II.2 und 4. In Washington kannte man die Befürchtungen der europäischen Verbündeten, insbesondere Frankreichs, daß die USA ihre Hilfe an die NATO-Partner wegen ihres Engagements im Fernen Osten reduzieren oder gar einstellen könnten. »Korea« verschärfte in dieser I linsicht das Unbehagen Frankreichs, der Niederlande, Dänemarks und Norwegens über eine NATO-Strategie, die ihnen vorerst keine Vorneverteidigung garantierte; Kaplan, NATO, S. 41 ff.; Petersen, Isolation, S. 176, 185 ff. Das wiederholte sich später: Um die Ratifizierung der Pariser Verträge als Voraussetzung für den deutschen NATO-Beitritt nicht zu gefährden, nahmen die USA davon Abstand, den Militäreinsatz gegen China in der Taiwan-Krise zu eskalieren; Dulles, NSC-Sitzung vom 11.3.1955, FRUS, 1955-57, II, S. 355; siehe I.2.g. FRUS, 1950, III, S. 1172 ff.; Mai, Westliche Sicherheitspolitik, S. 67 ff.; Hess, United States, Kap. 10; Wall, United States; Irving, First Indochina War, S. 1 - 8 0 ; Dunn, First Vietnam War. In den Gesprächen zwischen Jessup/Bradley - Franks/Lord Tedder in London (20.-24.7.1950) war man sich einig, daß »Korea« als Teil eines Generalplans Stalins zu werten sei; im Lichte Koreas müsse man die Position Berlins, aber nicht unbedingt die der Bundesrepublik als gefährdet ansehen; FRUS, ebd., S. 1656 ff., 1661 ff. Zur amerikanisch-britischen Kontroverse hinsichtlich der Festlegung des Gefahrenzeitpunkts siehe Wiggershaus, Nordadantische Bedrohungsperzeptionen, S. 32; Neuss, Geburtshelfer, S. 97 ff. Zur Einschätzung der sowjetischen »Gefahr« vor dem Aus-

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senden Strategie 2 5 8 , Schwachstellen auf westlicher Seite zu entdecken u n d die U S A durch H e r a u s f o r d e r u n g an m e h r e r e n F r o n t e n zu überfordern? 5 9 ; die inneramerikanischen K r i t i k e r des »globalism« b z w . d e r D o m i n o - T h e o r i e b e t o n t e n gleic h e r m a ß e n , daß die U S A w e d e r die K r a f t n o c h d e n A u f t r a g hätten, sich überall als »Weltpolizist« u n d » W o h l t ä t e r « aufzuspielen. Stalins V o r s i c h t in E u r o p a erklärt sich aus d e m K a l k ü l , erst den A u s g a n g des chinesischen Bürgerkriegs abzuwarten 2 6 0 , dann aber (im J a n u a r 1 9 5 0 ) die durch den Sieg M a o s u n d den erfolgreichen T e s t der eigenen A t o m b o m b e v e r ä n d e r t e günstige Lage zu nutzen 2 6 1 u n d N o r d k o rea grundsätzlich U n t e r s t ü t z u n g bei einer zwangsweisen W i e d e r v e r e i n i g u n g mit S ü d k o r e a zuzusagen. »Stalin worried that, should the United States rearm Japan in the future, South Korea could become a dangerous beachhead for enemy forces. Therefore, it had to be captured before Japan could get back on its feet 262 .« U m g e k e h r t z w a n g das D o p p e l e r e i g n i s »sowjetische A t o m b o m b e « u n d »Sieg M a o Z e d o n g s « die U S A u n d Frankreich, einerseits ihre politische A u f m e r k s a m k e i t zu splitten u n d andererseits ihre K r ä f t e f ü r die weltweite A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t

bruch des Korea-Kriegs siehe NSC 7, 30.3.1948; NSC 20/4, 23.11.1948, FRUS, 1948, I, S. 662-669. 258 Mit McMahon und anderen kann man davon sprechen, »that all these decisions stemmed from a misplaced conviction that the Kremlin had embarked on a brazen global challenge to U.S. interests«: McMahon, Cold War, S. 317. Doch sollte man nicht übersehen, daß die Kumulation bestimmter Schritte - wie die Anerkennung der Ho-Chi-Minh-Regierung, die Hilfszusagen an Kim II Sung und der »Beistandspakt« mit Mao Zedong Ende Januar/ Mitte Februar 1950 - für Washington Anlaß genug waren, bislang versagte Fesdegungen zu treffen und das »Bündnisnetz« zu verbreitern (z.B. um Thailand) oder zu vertiefen. Im Anschluß an Stalins Anerkennung »Nordvietnams« erklärte Acheson öffentlich - N e w York Times, 2.2.1950 - , daß dies jegliche Illusion beseitige, daß die Vietminh als »Nationalisten« (als »Asian Tito«) für die Unabhängigkeit ihrer Nation bürgten. 259 Nachdem Mao sich gegen die USA exponiert hatte, genügte es Stalin, das wechselseitige Mißtrauen zwischen den USA und der VR China zu schüren sowie die USA als Schutzmacht im Fernen Osten festzunageln; Foot, Practice, S. 116 ff.; Holloway, Stalin, S. 288; Zhai, Dragon, S. 21 f., 75 ff.; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 150 ff.; Zhang, Deterrence, S. 112 f., 153 ff. 260 Zubok, Stalin, S. 55. - Formal war Stalin durch den Vertrag vom August 1945 mit Chiang Kaishek verbündet. Bis zum Sommer 1949 lehnte er die militärische Unterstützung eines Angriffs auf die nach Taiwan ausweichenden Nationalchinesen aus Furcht vor einem Konflikt mit den USA ab. Zur Entwicklung von der Unterstützung der KPCh über die geheimen Verhandlungen Mikojans in China (Januar 1949) und Lin Tschao Chis Moskau-Besuch (Juli-August 1949) bis hin zu Maos langem Aufenthalt in Moskau (16.12.1949-17.2.1950) zur Aushandlung eines Freundschafts- und Beistands Vertrags siehe Heinzig, Sowjetunion; May, Truman Administration; Foot, Practice, Kap. 5; Miscamble, George F. Kennan, S. 224 ff.; ders., Wrong War, S. 46 f.; Zhai, Dragon, S. 21 f., 36 ff.; Goncharov/Lewis/Xue Litai, Uncertain, S. 84 ff. 261 Zubok/Pleshakov, Inside, S. 62 ff.; Holloway, Stalin, S. 250 f., 276 ff.; Foot, Practice, S. 114 ff. Außer Kim II Sung weilte auch Ho Chi Minh in Moskau; auch er erhielt von Stalin und von Mao Rückendeckung: Beide anerkannten die Vietminh-Regierung als Staat Vietnam und sagten Ausrüstungshilfe zu. 262 Zubok/Pleshakov, Inside, S. 62. Acheson sah es ähnlich und wollte daher durch schnelles Handeln Stalins Kalkül durchkreuzen; Leffler, Preponderance, S. 367.

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dem »Sino-Soviet bloc« zu bündeln: »We must look to the periphery. If we lost the outpost we might well lose at home263.« Nach dem Verlust Chinas und im Zeichen des einsetzenden McCarthyismus war die Stimmungslage in den USA darauf gerichtet, Konflikte im Fernen Osten genauso energisch anzunehmen wie zuvor die Nervenstärke-Tests in Europa und im Nahen/Mitderen Osten (Iran, Türkei, Berlin-Krise). Die Devise, Appeasement nicht zu wiederholen, wurde zum diplomatischen Vorspiel und Begleitakkord der Militarisierung einer anti-kommunistischen, die Sowjetunion und Rotchina als Gegenpol perzipierenden Globalstrategie. Die inner-amerikanische Entscheidung, über ein Mandat der UNO in den Korea-Krieg einzugreifen264, fiel zeitlich zusammen mit Beschlüssen, das Seegebiet zwischen Taiwan und dem Fesdand zu kontrollieren265 sowie die Militärhilfe an die Philippinen und für Indochina und Thailand zu erhöhen. Die Truman-Regierung machte damit wett, was sie nunmehr als Fehleinschätzung eingestand: Nach der Etablierung des Syngman-RheeRegimes im Juni 1949 hatten «die USA damit begonnen, ihre Truppen aus Südkorea abzuziehen266; sie folgten dem sowjetischen Beispiel, unterschätzten aber die Entschlossenheit Kim II Sungs, ein kommunistisches Regime in Gesamtkorea 263

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Premierminister Ramadier, PRO, CAB 131/7, D.O. (49) 59, Meeting of Western Union Ministers of Defence, 15.7.1949; Greiner, Militärstrategische Konzeptionen, S. 276; Mai, Westliche Sicherheitspolitik, S. 67 ff.; Leffler, Preponderance, S. 381 ff., 277 ff., 323 ff. Die Sowjetunion entzog sich in den ersten 48 Stunden nach dem nordkoreanischen Einmarsch amerikanischen Kontaktwünschen; Mastny, Cold War, S. 98. Vor Kriegsausbruch standen 135 000 nordkoreanischen Truppen 60 000 südkoreanische gegenüber. Bis Mitte September 1950 hatten erstere den Süden mit Ausnahme der Region um Pusan erobert. Nach der Landung in Inchon westlich von Seoul am 15.9. gewannen die US-UN-Truppen Südkorea bis zum 1.10.1950 bis zum 38. Breitengrad zurück. Die chinesischen Freiwilligen griffen Anfang November mit einer ersten Offensive erfolgreich in den Krieg ein; China trat am 26.11.1950 in den Krieg ein und stieß am 26.12.1950 über den 38. Breitengrad hinaus vor; die US-UN-Gegenoffensive erfolgte Ende Januar 1951; die Lage auf dem Kriegsschauplatz stabilisierte sich im März entlang des 38. Breitengrads. Die Waffenstillstandsverhandlungen begannen im Juli 1951, kamen aber erst im Juli 1953 zum Abschluß. Im Januar und Mai 1950 hatten die USA Taiwan nicht zum »defense perimeter« gerechnet; allerdings betrachtete das Pentagon Taiwan als unverzichtbaren Brückenkopf. Attlee und Bevin rieten den USA davon ab, den Konflikt mit der VR China durch I Iilfszusagen an Chiang Kai-shek zu verschärfen. Die kommunistische Führung in Peking hatte im Sommer 1949 die »Befreiung« Taiwans für den Sommer 1950 vorgesehen. Das State Department legte Pläne für dessen Neutralisierung unter der Ägide der UNO im November 1950 nach dem militärischen Eingreifen Chinas in den Korea-Krieg zu den Akten; Zhai, Dragon, S. 92-97. Stalin überließ es Mao und Kim, die Entscheidung für eine Kriegserklärung zu treffen; Zubok/PIeshakov, Inside, S. 65 ff. Mao hatte Kim 1 Iilfszusagen gegeben, wollte aber zunächst die Option bewahren, die nach Taiwan ausgewichenen Nationalchinesen endgültig zu besiegen; Mastny, Cold War, S. 90 f., 95 f.; Neuss, Geburtshelfer, S. 97 f.; Ileinzig, Sowjetunion, S. 636 ff.; Zhang, Deterrence, S. 130 ff., 153 ff. Gegen Ende des Pazifik-Krieges hatten sich die USA zugunsten der Teilung Koreas entlang des 38. Breitengrades und zur gemeinsamen Besetzung mit der UdSSR entschieden; nach der Kapitulation Japans konnten die USA ihren Korea-Teil zunächst nicht besetzen. Die Moskauer Außenministerkonferenz im Dezember 1945 vereinbarte eine Viermächte-»Trusteeship« und richtete eine gemeinsame amerikanisch-sowjetische Kommission zur Vorbereitung von Wahlen zu einer provisorischen Regierung ein; »the chances for a single Korea ended in May 1946«. Adomeit, Imperial, S. 84.

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durch Gewalteinsatz zu erzwingen. Noch am 12. Januar 1950, zwei Tage nach dem Auszug der sowjetischen Vertretung aus dem UN-Sicherheitsrat wegen der Verweigerung der Mitgliedschaft Rotchinas, hatte Acheson in einer Grundsatzrede Südkorea nicht namentlich in die oberste Zielkategorie der auswärtigen Sicherheitsverpflichtungen einbezogen267. Auch bezüglich Japans hatten sich Truman und das State Department zurückhaltend gezeigt gegenüber dem Drängen der Militärs, zusätzlich zur Kontrolle über die Ryukyu-Inseln (Okinawa) auch noch amerikanische Stützpunkte auf den vier Hauptinseln zu errichten. Erst im September 1950 — d.h. parallel zu dem auf der New Yorker Außenministerkonferenz vorgelegten Junktim zwischen amerikanischen Serviceleistungen268 für die NATO und Wiederbewaffnung der Bundesrepublik — einigten sich die politische und militärische Führungsspitze der USA auf die sicherheitspolitischen Anforderungen an Japan und zugunsten Japans269. Die amerikanische >>two-world-struggle-with-the-Soviet-Union«-Doktrin (1948/49) und die Dominotheorie270 kombinierten zwei Hypothesen: 1. Die asiatischen Länder befänden sich gegenüber der Land- und Bevölkerungsmasse der Volksrepublik China genauso in der Position als verlorene Außenposten wie die Länder Westeuropas, die sich den vom Koloß Sowjetunion ausgehenden Druckwellen nicht würden widersetzen können. 2. Daher wären nur die USA fähig, ein Gegengewicht zu beiden kommunistischen Großmächten zu schaffen und dadurch vielen Ländern zu ihrem Recht auf freie Bestimmung des inneren Regimes und der äußeren Bindungen zu verhelfen271. Washington machte geltend, daß konventionelle Verteidigung angesichts der Überlegenheit chinesischer und sowjetischer Mannschaftsstärken hoffnungslos wäre; also müsse gerade im Krisengürtel von Korea bis Indonesienindochina die nukleare Abschreckung greifen und folglich die Präsenz der USA

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Dobbs, Unwanted. 1947-1949 schwankten die USA zwischen der Entschlossenheit, angesichts der nordkoreanischen Aggressivität in Südkorea zu bleiben bzw. Gegenmaßnahmen auf der Basis einer UN-Polizeiaktion zu erwägen oder wegen der Häufung der Krisenfälle in Europa keine Truppenverstärkung in Korea vorzusehen. Fröhlich, Zwischen selektiver Verteidigung, S. 182 f. Gemeint sind die Übernahme der Position des Oberkommandierenden über die dem AEC zugewiesenen Streitkräfte und die Aufstockung der Militärpräsenz auf insgesamt 6 Divisionen; der Kongreß bewilligte schließlich 5, von denen Ende 1951 drei in Europa disloziert waren. Zur Frage, wer den »Package Plan« und seine Präsentation als »Ultimatum« zu verantworten habe, Acheson oder das Pentagon, siehe jetzt Trachtenberg/Gehrz, America. Dockrill, Eisenhower, S. 11. Betr. I-IALFMOON und OFFTACKLE siehe I, Anm. 278; Zhang, Deterrence, S. 47, 56 ff.; Chang, Friends, S. 165 f., 185 f; Dulles, Policy for Security, S. 357 ff.; zur Entstehungsgeschichte des Beitrags siehe Peter, Abschrecken, S. 148 f.; zum Zusammenhang mit den Fragen der Nuklearstrategie siehe 1.1 und 2.g. NSC 58/2, U.S. Policy Toward the Soviet Satellite States of Eastern Europe, 8.12.1949, FRUS, 1949, V, S. 4 2 - 5 4 ; NSC 5612/1 U.S. Policy in Mainland Southeast Asia, 5.9.1956, FRUS, 1955-57, XXI, S. 252-263, 254 f. (§ 4); NSC 5416, U.S. Strategy for Developing a Position of Military Strength in the Far East, behandelt auf der 193. Sitzung des NSC, 13.4.1954, FRUS, 1952-54, XIV, S. 408-412; Chang, Friends, S. 166.

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als N u k l e a r m a c h t g e w ä h r l e i s t e t sein 2 7 2 . M i t d e r B e k u n d u n g i h r e r E n t s c h l o s s e n heit, K e r n w a f f e n n o t f a l l s auch tatsächlich e i n z u s e t z e n , sollten M o s k a u u n d Peking v o n »lokalen« A g g r e s s i o n e n a b g e s c h r e c k t w e r d e n 2 7 3 . D i e A u f f a s s u n g , d a ß ausschließlich die U S A d e n G e g e n p o l bilden k ö n n t e n , setzte sich u m s o m e h r fest, je m e h r A n h a l t s p u n k t e m a n d a f ü r f a n d , d a ß G r o ß b r i t a n n i e n u n d F r a n k r e i c h ihre militärischen E n g a g e m e n t s reduzierten. »[...] the N A T O nations press us to fulfill our defense responsibilities but do not fulfill their own. [...] we should all remember that there is no one n o w but the United States which can employ significant military power around the world with the hope of helping indigenous forces in the Free World to prevent or persist aggression 274 .« In d e r v o n b e i d e n F ü h r u n g s m ä c h t e n als global v e r s t a n d e n e n M a c h t p r o b e e r r a n g e n die U S A a u f lange Sicht den V o r t e i l , alle a n d e r e n »principal p o w e r s « — m i t A u s n a h m e d e r V R C h i n a — a u f i h r e r Seite zu w i s s e n , u n d sie w o l l t e n d e n V o r t e i l d u r c h Z u s a m m e n s c h l u ß des W e s t e n s b e w a h r e n ; dazu m u ß t e n sie S p a n n u n g e n z w i s c h e n sich selbst u n d den V e r b ü n d e t e n s o w i e S p a n n u n g e n z w i s c h e n i h r e n V e r b ü n d e t e n in d e r jeweiligen R e g i o n austarieren. M a n a g e m e n t d e r I n t r a - W e s t - S p a n n u n g e n — w e g e n d e r Z i e l k o n f l i k t e i n n e r h a l b u n d a u ß e r h a l b E u r o p a s — u n d des O s t - W e s t K o n f l i k t s sind die K e h r s e i t e n der gleichen Medaille 2 7 5 : einer grundsätzlich n e u e n K o n s t e l l a t i o n in W e l t p o l i t i k u n d i n t e r n a t i o n a l e r Ö k o n o m i e 2 7 6 . FRUS, 1955-57, XIX, S. 229, 246, 266, 280 f., 312 ff., 370, 436 ff., 493, 525, 670 ff., 691; sowie XXIII, S. 255 ff., 261 ff., 269 ff., 235, 328, 354, 359, 431; siehe Amerikas Option, S. 81 ff. 273 FRUS, 1955-57, XIX, S. 236 ff., 314 f f , 274, 280, 293, 429. - Siehe I.2.g. 274 Verteidigungsminister McElroy, Ν SC 389th Meeting, 6.12.1958. Damit verbunden war die Auffassung, daß Großbritannien und Frankreich auf dem besten Weg seien, auf den Status drittklassiger Militärmächte abzusinken; das spiegelt die Geringschätzung des militärischen Werts der britischen und französischen Nuklearstreitkräfte wider. Adenauer äußerte sich wiederholt zum »Niedergang« Großbritanniens und Frankreichs als militärische Großmächte; 26.4.1954: Adenauer, Wir haben wirklich, S. 196; Gotto, Sicherheits- und Deutschlandfrage, S. 143; Schwarz, Adenauer, II, S. 55 f , 72 f f , 240; Schmidt, Sicherheitspolitische und wirtschaftliche Dimensionen. Diese Ansicht verfestigte sich in dem Maße, wie sich die Beobachtungen häuften, daß Großbritannien die Präsenz sowohl in NATO-Europa als auch in Ubersee reduzierte und somit ein Vakuum hinterließ, in das die UdSSR eindringen könne. Das amerikanische Außen- und Verteidigungsministerium sowie die CIA beobachteten vor allem in Frankreich zugleich die Tendenz, die USA zu beschuldigen, Frankreich aus Indochina hinausgedrängt zu haben und dies auch in Nordafrika zu beabsichtigen; Draft Opening Statement by the Secretary of State, Chiefs of Mission Conference, Tokyo, 19.3.1956, NA, RG 59, Lot 560300; Letter by the Secretarv of Defense (Wilson) to the Honorable Secretary of State (J.F.Dulles), 22.6.1956, e b d . Lot 58 D 209. 275 Stalin legte in Economic Problems of Socialism in the USSR (1952) dar, daß Großbritannien, Deutschland und Japan gegen die US-Vorherrschaft aufbegehren wurden. Gelänge es dem Kreml, »friedliebende« Massenbewegungen in Japan, Deutschland und anderswo auszulösen, könnten diese so erfolgreich sein, daß die USA sich zum Rückzug und zur Preisgabe der Stützpunkte genötigt sähen. Die USA waren besorgt, isoliert zu werden; sie erklärten, auf Verbündete Wert zu legen, ihre »global strategy« stützte sich darauf; FRUS, 1955-57, XIX, S. 86, 142 f f , 156, 194, 264, 268; zum Stellenwert dieses Arguments in den Korea-, Indochina- und Taiwan-Krisen im Zusammenhang mit der EVG-Krise siehe 1.2. b und d. 276 Amerikas Option. - Nachdem Japan im April 1952 die Souveränität erhalten hatte - der Sicherheitsvertrag löste das Besatzungsregime ab - , machten die USA deutlich, daß Japan bis Ende 1954 eine Streitmacht von 325 000-350 000 Mann aufstellen sollte; die Regierung Yoshida widersetzte sich. Angesichts der hohen Präsenz amerikanischer Streitkräfte in Japan selbst drängten die 272

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Kurzfristig gesehen, standen die USA für den Fall, daß die UdSSR und Rotchina ihre Aktionen konzertierten, vor dem Dilemma277, ob sie die Glaubwürdigkeit ihrer Sicherheitsgarantie beweisen könnten, wenn sie auf zwei oder mehreren Schauplätzen zugleich herausgefordert waren. In den Strategiekonzepten »HALFMOON« und »OFFTACKLE« 278 waren die Verantwortlichen zwar von der Annahme ausgegangen, daß die Sowjetunion gleichzeitig Gefahrenherde in Europa, im Mittleren Osten und in Nordostasien schaffen würde; da Truman den Militäretat begrenzte, wuchs das Militärpotential der USA aber nicht entsprechend der LDP-Regierungen auf einen Truppenabbau. Die USA reduzierten ihre Präsenz von 210 000 (1955) auf 77 000 (1957) und schließlich 48 000 (1960); sie koppelten ihre Zustimmung an die Bereitschaft Japans, Selbstverteidigungsstreitkräfte im Umfang von ca. 210 000 Mann zu unterhalten. Die volle Souveränität erhielt Japan 1972 mit der Rückgabe der Ryukyu-Inseln (incl. Okinawa). 277 Stalin sah das genauso, was seine erhöhte Risikobereitschaft im Zeitraum Januar 1950 - Mai 1951 erklären könnte; Mastny, Cold War, S. 104 und Anm. 60, 103 ff., 111 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 98 f. Da es für Stalin darauf ankam, jedes Anzeichen zu vermeiden, als ob die UdSSR sich von der amerikanischen Überlegenheit in der Machtprojektion beeindrucken lasse, ging er das Risiko ein, Gegenmacht zu demonstrieren. So ordnete er die Entsendung von Panzern nach Mitteleuropa an, die den Nimbus nähren sollten, daß die »Russen zum Adantik durchmarschieren« könnten; Stalin wollte damit ein Gegenstück schaffen zu der von den USA in Korea demonstrierten Überlegenheit der Fernstreckenbomber; Zubok, Stalin, S. 58. Auf Druck Stalins und Nordkoreas gab Mao am 13.10.1950 die Anweisung, »freiwillige« chinesische Einheiten in den Krieg zu schicken; die Entscheidung, in Korea zu intervenieren, hatte Mao am 2.10.1950 getroffen; Goncharov/ Lewis/Xue Litai, Uncertain, S. 170-217; Bajanov, Assessing, S. 89. Stalin stellte den chinesischen »Freiwilligen« die Ausrüstung für ca. 60 Heeres- und 10 Luftwaffen-Divisionen sowie 85 % der Munition zur Verfugung: Foot, Practice, S. 118. 278 HALFMOON, JCS 1844/13 Brief on Short-Range Emergency War Plan, 1948; OFFTACKLE, JSPG 877/59 Brief of Joint Outline Emergency War Plan, 1949; Containment, S. 315-334, HALFMOON sah die Notwendigkeit eines Rückzugs auf die Bastionen Großbritannien, Kairo/ Suez und Okinawa/Japan vor; die sowjetischen Streitkräfte würden auf allen drei Kriegsschauplätzen den Sieg davontragen; mit einer effektiven, an bestimmten Punkten einsetzenden Gegenoffensive rechnete man ein Jahr nach D-Day, wenn die USA und Großbritannien ca. 23 Divisionen und 1400 »tactical aircraft« würden einsetzen können. Angesichts der begrenzten Zahl von Atomwaffen, deren Einsatz gegen sowjetische rüstungsindustrielle Zentren erfolgen sollte, erwarteten die amerikanischen Stabschefs vom neuen Waffensystem keine kriegsentscheidende Wende. OFFTACKLE war im I linblick auf die NATO-Verpflichtung konzipiert, d.h. die Konzeption trug dem strategisch hochwertigen Stellenwert Europas Rechnung. Ähnlich wie HALFMOON hielt sich OFFTACKLE an die tatsächlich vorhandene Waffenstärke; im Unterschied zu HALFMOON erkannte man jedoch, daß die UdSSR, wenn sie ihre Militärmacht als Hebel zur Änderung der globalen politischen Kräfteverhältnisse ansetzen wollte, nicht gleichzeitig an allen Fronten Überlegenheit schaffen könne. Die Botschaft war, daß die USA nicht befürchten müßten, aufgrund ihrer Konzentration auf die NATO-Verpflichtung in den anderen wichtigen Regionen, z.B. der Ölregion des Mittleren Ostens oder in Fernost, überrumpelt zu werden. In Übereinstimmung mit den Planungen des von Montgomery geleiteten Militärausschusses der W U D O - Kugler, Commitment, S. 45 ff.; Kersten, Niederlande, S. 167 - sah OFFTACKLE die westliche Militärstärke für ausreichend an, um eine Hauptverteidigungslinie zu halten; Montgomery wollte sie möglichst weit östlich des Rheins, OFFTACKLE am Rhein selbst etablieren. Ähnlich wie 1IALFMOON wollte auch OFFTACKLE Atomwaffen auf Ziele in der Sowjetunion abwerfen; dieser Einsatz erfolgte parallel zur Verteidigung mit konventionellen Streitkräften, doch erwartete man, daß der Westen die auf ca. vier Monate angesetzte 1. Phase eines Kriegs durchstehen werde, um dann in der 2. und 3. Phase seine überlegenen Ressourcen zur Geltung zu bringen.

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Ausweitung der Containment-Doktrin 279 . Die USA versuchten eine Arbeitsteilung entlang dem Richtsatz durchsetzen, daß sie die mobil-flexiblen Luft- und Seestreitkräfte stellten, während die Verbündeten, vor allem die W U D O unter britischer Führung, selbst dafür sorgten, daß die für die von ihnen postulierte Vorneverteidigung erforderliche militärische Sollstärke auch tatsächlich bereitgestellt würde28". Gemäß der Einschätzung, daß die Abschreckungskapazität der Atombombe ihren strategischen Nutzwert schon bald einbüßen werde, erfolgte die Revision zugunsten einer Rüstungsexpansion; im Rahmen von NSC 68 erklärten die USA ihre Bereitschaft, vorübergehend die eigene militärische Präsenz in Ubersee auszudehnen und in den Kerngebieten zu erhöhen, bis die Verbündeten, vor allem Deutschland und Japan, selbst genügend Verteidigungskapazität aufgebaut hätten281. Die USA umzingelten die Sowjetunion durch bilaterale Sicherheitsverträge und multinationale Regionalpakte282. Damit verschärften die USA selbst — im Sinne

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Kugler, Commitment, S. 34 ff. Zur Bilanz der Streitkräfte und der Aufrüstungsmaßnahmen Wampler, Ambiguous Legacy, S. 2 - 1 2 . Amerikas Option, S. 10 f., 66 f., 73 ff. Die militärischen Erfolge Chinas im Dezember 1950 und Januar 1951 im Korea-Krieg zerstörten den Nimbus der Unbesiegbarkeit der USA. Die von Ridgway organisierte Gegenwehr sowie Fehler der chinesischen Kriegführung bewahrten die USA vor einer Katastrophe; Appleman, Disaster, S. 102; Foot, Practice, S. 144 ff. Die UN-Charta erlaubte die Bildung regionaler kollektiver Sicherheitssysteme (Chapter VIII); die USA schufen kollektive Verteidigungsorganisationen (nach Art. 51), die Staaten in einer der UdSSR und/oder »Rotchina« vorgelagerten Region zu Beistandsverpflichtungen untereinander veranlaßte. Zum amerikanischen Interesse an Stützpunkten in allen Teilen der Welt: Leffler, Preponderance; Harkavy, Great Power; Paul, American Military; Fröhlich, Zwischen selektiver Verteidigung. Die Kontinuität dieser »Einkreisung« ist strukturbildender als die hin und wieder empfohlene Option, den inneren Zusiimmenbruch des Gegners herbeizufuhren und/oder den Gegenblock zu destabilisieren. Auf amerikanischer (G.F.Kennan; J.F. Dulles) ebenso wie auf sowjetischer Seite (Molotov; Zdanov) wurde die These vertreten, daß Imperien zur Uberdehnung ihres Potentials neigten und daher vom Zusammenbruch gekennzeichnet seien; dem könne man nachhelfen durch Forcierung des Wettrüstens, Embargos, Mobilisierung der »Öffentlichkeiten« und indem man den »Satelliten« bewußt mache, daß die Imperialmacht ihre Versprechen nicht einhalten könne, sondern auf Ausbeutung bedacht sei; aufgrund solcher Cold-war-Maßnahmen würde die Herrschaftssicherung immer kostspieliger und nervenzehrender, so daß die »Stunde der Wahrheit« (imperial overstretch) kommen müsse, in der sich zeigen werde, ob der Kreml die Kraft zur »Reformbereitschaft« als Alternative zur Implosion aufbringe; FRUS, 1955-57, XIX, S. 80 f.; ausführlich: Gaddis, Long Peace, S. 174 ff., 182; siehe III. Die USA wollten sich selbst durch Abbau der »over-extension« sowie durch »burden-sharing« mit reich(er) gewordenen Alliierten davor schützen, diesem Schicksal anheimzufallen; das ist der Impuls hinter NSC 162 (New Look) und für Eisenhowers Bestrebungen, die Entwicklung zum »militarv-industrial complex« aufzuhalten; siehe auch FRUS, ebd., 385 ff. Andere Regierungen, vor allem die britische, drängten die USA zu anderen Formen der Entlastung; Washington sollte beispielsweise die »national assertiveness« im Titoismus oder bei Mao erkennen und ausgewogene Beziehungen zu Peking und zu Moskau unterhalten; Gaddis, Long Peace, S. 159 ff. Wann immer es einen Anlaß gab, der Fragmentierung des Sowjetunion-Empire nachzuhelfen (17. Juni 1953; Polen-Ungarn 1956), distanzierten sich die US-Regierungen von internen Ratschlägen, die Schwäche des Gegners auszunutzen; die Alliierten protestierten bereits bei ersten Anzeichen von »Interventions«absichten, z.B. Nahrungsmittelhilfen an die ostdeutsche Bevölkerung nach dem 17. Juni 1953, siehe Ingimundar-

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einer »self-fulfilling-prophecy« — das Problem, daß die UdSSR auf mehreren Schauplätzen gleichzeitig zur Offensive übergehen würde283. »The USSR would seek first to complete the domination of Europe and Asia. [...] The study of these factors would impel the Soviets rapidly to take control of, or neutralize, the territories or bases from which effective action against them could be taken. This might take the form of political action or actual warfare. The allied strategic air threat would be their principal immediate concern [...] However, they would realize that the Western Powers would not permit significant areas to be overrun singly but, regarding the conflict as world-wide, would probably attack the Soviet Union from wherever possible. The Soviet leaders therefore would probably decide to launch fullscale offensives in a number of areas concurrendy. At such time as the Soviets have accumulated what, in their opinion, is a sufficient stockpile of atomic weapons, they may decide to attack directly the United States284.« Die USA waren in allen Regionen gleichermaßen Auf- bzw. Ausrüster und Sicherheitsgarant und übernahmen in den wichtigsten Fällen das Oberkommando (SACEUR in der NATO; Leitstelle für Japans Luft- und Seestreitkräfte), nicht zuletzt, um Besorgnisse über den Wiederanstieg von Subhegemon-Mächten (Japan, Bundesrepublik) zu beschwichtigen. Sie verfestigten damit ihre Unentbehrlichkeit, hofften aber dennoch, daß sie die Verbündeten zu stärkeren Eigenleistungen und somit zur Umverteilung der Lasten im Bündnis bewegen könnten285. Jedoch verweigerten sie sich (britischen) Vorschlägen, die Bündnisse (SEATO, CENTO, NATO) zu verklammern bzw. gemeinsame Oberkommandos einzurichten, und zwar zum Teil deshalb, weil andere — z.B. Großbritannien im östlichen Mittelmeer — das Oberkommando beanspruchten 286 . Vor dem Eintritt in das nukleare Wettrüsten verließen sich die europäischen Verbündeten notgedrungen auf den atomaren Vorsprung der USA287, obwohl die Truman-Administration und die Joint Chiefs of Staff im Atomwaffeneinsatz nur eine unter mehreren anderen Optionen sahen; vorrangig war die Offensivkraft der

son, Eisenhower-Administration, S. 384, 3 8 7 - 3 9 2 ; Ostermann, United States, S. 37 ff.; Fish, A f ter Stalin's Death, S. 347. 283 Die These, daß die Sowjetunion die militärischen Fähigkeiten besitze, um überall »zuzuschlagen«, durchzieht NSC 73/1 (29.7.1950); vgl. Neuss, Geburtshelfer, S. 97. 284 M.C. 14, Directive by the Standing Group to the Regional Planning Groups on Strategic Guidance for North Atlantic Regional Planning, 3.3.1950, zit. nach N A T O Strategy Documents, S. 103 f. Zum Einfluß geo-strategischen Denkens auf die amerikanische Weltpolitik vgl. Fröhlich, Zwischen selektiver Verteidigung, S. 138 f., 170 f., 220 f., 316 f. 285 FRUS, 1 9 5 5 - 5 7 , XIX, S. 271 f f , 385 f f , 406, 429, 448, 471, 473, 706; für den Zeitraum 1 9 5 0 - 1 9 5 4 siehe I.2.d und f. sowie III.4. 286 Kuniholm, Evolving. 287 Der Stärkevergleich, der in OFFTACKLE und von Montgomery vorgenommen wurde, ergab, daß der Westen 1948/49 auf 9 - 1 0 Divisionen und ca. 400 Kampfflugzeuge zurückgreifen könnte; damit konnte man bestenfalls 1 0 0 - 1 5 0 km der 750 km langen Ostgrenze der Bundesrepublik halten; Kugler, Commitment, S. 31 f f , 44 ff. Zu den Forderungen der Niederlande, Frankreichs und Dänemarks nach Vornestationierung v o r allem amerikanischer Streitkräfte siehe Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 2 1 3 - 2 3 0 .

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Fernstreckenbomberflotte 288 . Die amerikanischen Militärs mußten — vor 1950 damit rechnen, daß Präsident Truman Atomwaffen nur im Falle eines — vorläufig für höchst unwahrscheinlich gehaltenen — direkten Angriffs auf die USA zum Einsatz freigeben würde 289 ; so gesehen, bewerteten die USA Atomwaffen als »weapons of last resort«290. Das begann sich zu ändern, als Truman zwei Empfehlungen, die Anfang 1950 zur Sprache kamen, aufgriff: — den technologischen Vorsprung gegenüber der Sowjetunion dadurch zu bewahren, daß die USA sowohl die »Miniaturisierung« der Atomwaffen vorantrieben als auch gleichzeitig — im Januar 1950 - die »Superbombe« (H-Bombe) bauen ließen291; — neue »furchterregende« Waffensysteme einzuführen, um die vom Kongreß veranlaßten Kürzungen im konventionellen Sektor zu kompensieren292. Angesichts der bestehenden »military balance«293 blieb die Konzentration auf eine Bomberoffensive zur Vernichtung der sowjetischen militärisch-industriellen Infra288

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D.C. 13, Report from the Military Committee to the North Atlantic Defense Committee on North Atlantic Treaty Organization Medium Term Plan, Teil III, § 59: NATO Strategy Documents, S. 174; zur Nuklearisierung der Gegenschlagandrohung siehe ebd., S. 209, 222 ff., 232 ff., 240 ff., 247 f., 288 ff., 323 ff.; Borowski, I loUow Threat. NSC 30 - The United States Policy on Atomic Warfare, 10.9.1948, §§ 12-13 - erlaubte den Militärs zwar, den prompten und effektiven Einsatz aller Waffensysteme, einschließlich der Atombombe, vorzusehen, stellte die Freigabe aber unter den Vorbehalt des Präsidenten, der im Kriegsfall nach Lage der Dinge entscheiden würde; FRUS, 1948, I, S. 628; siehe Broscious, Longing, S. 3 0 - 3 2 . Die Gründe sind vielschichtig: 1) Trumans Vorbehalt des präsidentiellen Freigabebeschlusses hing auch damit zusammen, daß er erst auf Nachfrage erfuhr, wie wenige einsatzfähige Atombomben die USA vor 1950 tatsächlich hatten (1949 ca. 150-170. 2) Die Truman-Administration war sich nicht sicher, inwieweit die atomare Überlegenheit der USA den Kreml beeindruckte; wie Iran 1946, Griechenland 1947, Prag 1948 und Berlin 1948/49 zeigten, hielt die amerikanische Luftüberlegenheit Stalin nicht von Risiken ab, auch wenn sie ihn von Eskalation abschrecken mochte; seine Ambivalenz 1947-1949 läßt sich besser damit erklären, daß er den Ausgang des Bürgerkriegs in China abwarten wollte. 3) Die Operationalisierung in der strategischen Planung stagnierte, nachdem Truman den Militärs nicht die u.a. von Forrestal verlangte Vollmacht erteilt hatte und sich der Forderung versagte, die Atomwaffen den Streitkräften direkt zu unterstellen. 4) Der I larmon-Report - mit seinen zahlenmäßigen Angaben über die Schadenshöhe einerseits und die geringen Auswirkungen auf die sowjetische Politik im Kriegsfall andererseits - zwang zur kritischen Uberprüfung der bisherigen Annahmen über den militärischen und politischen Nutzen der Atomwaffe. »It was one thing to hold a substantial atomic stockpile in readiness for possible use, but a wholly different matter to base war strategy upon an uncritical assumption of the idea of atomic warfare on what may amount to an unrestricted scale«, Gaddis, Long Peace, S. 111 f.; siehe auch Gaddis' Kommentar zu Nitzes Ausführungen im NSC, ebd., S. 119 ff.; Wheeler, NATO Nuclear Strategy. »When Truman made this decision, American scientists still did not know how to build a superbomb«: I lolloway, Stalin, S. 302, 299 ff.; zur US-internen Diskussion siehe 1 lerken, Winning, S. 196 ff.; Rosenberg, Origins; I Iistory of the JCS, IV, S. 166 f.; Leffler, Preponderance, S. 327 ff. Mastny, Cold War, S. 77, Anm. 105. Die Zahl der verfügbaren Atombomben erreichte erst Anfang 1951 den von den Militärs kalkulierten Bedarf, d.h. ca. 400 Atombomben. Im April 1949 betrug der Vorrat 100- 140 A-Bomben, bis Jahresmitte 1950 stieg die Anzahl auf ca. 280, im Frühjahr 1951 standen 500-650 zur Verfügung: FRUS, 1949, I, S. 385 ff.; Rosenberg, Origins, S. 132; Greiner, Kategorie Risikoniveau,

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struktur294 vorerst das einzige Mittel, ein Gegengewicht zum schwerlich aufzuhaltenden militärischen Vormarsch sowjetischer Streitkräfte im deutschen Vorfeld der NATO zwischen Elbe und Rhein aufzubieten295. In der Phase von 1 9 4 8 - 1 9 5 0 konnten und wollten die USA den wirtschaftlichen und ideologischen Dimensionen der Containment-Strategie bestenfalls ein militärisches Haltesignal hinzufügen296. Die auf Luftwaffenüberlegenheit und Seemacht vertrauende amerikanische Strategie reichte den Verbündeten als Sicherheitsgarantie nicht aus, zumal die Kriegshandlungen in Indochina, Malaysia und schließlich Korea den Eindruck erweckten, daß der Kreml zumindest seine Hand im Spiel habe, um die Hilfsbereitschaft der USA gegenüber ihren europäischen Partnern zu testen und um die Verunsicherung der Westeuropäer auszunutzen, ob die USA sie als Partner im Abwehrkampf gegen den Kommunismus stützen oder als Kolonial-»Herren« desavouieren würden297. An die Frage, was die UdSSR sich nach dem rüstungsindustriellen Durchbruch 298 und dem kommunistischen, freilich ohne große Hilfe Stalins errungenen Sieg Maos im chinesischen Bürgerkrieg glaubte leisten zu können, Schloß sich nunmehr automatisch die Frage an, was die USA ihren Partnern als Unterpfand ihrer Sicherheitsgarantie bieten könnten. Die amerikanische Entschlossenheit, den waffentechnologischen Vorsprung sicherzustellen und deshalb als Erste sowohl Massenvernichtungs- als auch miniaturisierte Atomwaffen in ihr Arsenal einzuführen und mit den eigenen Streitkräften auch in Übersee zu statio-

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S. 179; ders., Alliierte militärstrategische Planungen, S. 190 ff.; ders., Zur Rolle; Herken, Winning, S. 196 f.; Roman, Curtis LeMay, S. 651. Die Anzahl der Bomber belief sich 1950 auf 570 mittlere und 54 schwere Bomber. Die sowjetische Stärke wurde in NSC 68 auf ca. 200 Atombomben Mitte 1954 veranschlagt; FRUS, 1950, I, S. 251 f.; die amerikanischen JCS schätzten, daß die UdSSR 1950 30 und 1951 63 einsatzbereite Atombomben zur Verfügung haben würde; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 202. NSC 20/4, Objectives with Respect to the USSR to Counter Soviet Threats to US Security, FRUS, 1948,1, S. 663-669; Truman billigte das Dokument November 1948; zur amerikanischen Planung für den Fall eines Kriegs mit der Sowjetunion: Ross, American War Plans. Die Aussage, mit den vorhandenen konventionellen und - vermehrt eingeführten — taktischen Atomwaffen NATO-Gebiet, insbesondere Bundesgebiet, nicht »vorne« verteidigen zu können, prägte SACEURs Stellungnahmen auch noch bezüglich 1956/57; siehe I.2.g; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 613 ff., 707 ff. und 739 ff. Die »Verteidigung am Rhein« war aus Sicht der amerikanischen JCS bereits ein Zugeständnis, das vom militärischen Potential her betrachtet nur bei hohen europäischen Eigenanstrengungen zu rechtfertigen war; von der WUDO übernahm die NAT(O) die Zielgröße 90 Divisionen. Die Alternative D - ein Präventivkrieg — wurde im Projekt Solarium nicht untersucht, sondern ausgeschlossen; Bowie/Immerman, Waging Peace, S. 126 ff., 219; vgl. auch Buhite/Hamel, War for Peace; Eisenhower bekräftigte die Absage an die Präventivkrieg-Option: NSC 5440, Basic National Security Policy, 28.12.1954, FRUS, 1952-54, II, S. 806-844, 844, Note 11. Holloway, Stalin, S. 276 ff. Die Sowjetunion holte die USA nicht nur betreffs Atombombe ein, sondern entwickelte Gegenstücke zu den amerikanischen B-29 und B-50-Bombern; FRUS, 1955-57, XIX, S. 270, 167 ff., 670 ff. Norstad hatte dem Präsidenten im Bericht Postwar Military Establishment vom 29.10.1946 dargelegt, daß die UdSSR vielleicht schon 1949 eine eigene Atombombe besitzen könnte: Wheeler, NATO.

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nieren299, mußte durch die Bereitschaft ergänzt werden, mit Alliierten das Schicksal »on the ground« zu teilen, d.h. konventionelle Truppenverbände vor Ort präsent zu halten300. Die zunächst beabsichtigte Arbeitsteilung erwies sich als undurchführbar; danach sollten die Verbündeten, vor allem die Mitglieder des Brüsseler Pakts, die Unterlegenheit gegenüber der vorwärts stationierten sowjetischen Streitmacht im konventionellen Bereich wettmachen301, während die USA durch Umrüstung zugunsten der Luftwaffe die strategische Überlegenheit des »Westens« gegenüber der Sowjetunion sichern würden3"2. Der erste gemeinsame NATO-Plan D C 6/1 vom 1. Dezember 1949 formulierte zwar die Größenordnung, in der sich fortan die Streitkräfteplanung für eine Verteidigung so weit östlich wie möglich bewegen sollte303, doch änderte sich bis Juli/August 1950 am Stand der »forces-inbeing« so gut wie nichts. Im Juli 1950 wurde dann die Phase höchster Gefährdung auf 1952-1954 vordatiert304. Außenminister Acheson forderte die NATO-Partner auf, ihre Verteidigungshaushalte zu erhöhen und Auskunft über ihre Schwerpunktsetzungen zu geben 305 . Aufgrund der These, daß sich Korea auf deutschem Boden wiederholen könne306, veränderten sich die »terms of debate« innerhalb der NATO: Broscious, Longing, S. 32 f.; American Cold War Strategy; May/Steinbrunner/Wolfe, I listory. Das war die Kernforderung der französischen Regierung seit den bilateralen Stabsgesprächen 1947 und den Exploratory Talks über die NAT-Gründung; siehe Krieger, American Security, S. 112 ff. 301 Kugler, Commitment, S. 31 f. 3 0 2 Die Standing Group hatte in den ersten Vorlagen auf die Notwendigkeit hingewiesen, »that special emphasis must be laid on the necessity to compensate for numerical inferiority« - D.C. 13 (28.3.1950), N A T O Stragey Documents, S. 117; siehe ebd., S. 237, 240; Thoß, Kollektive Verteidigung, S. 23. Zu den ökonomischen Gründen vgl. Geiger/Sebesta, National Defence, S. 256. »In August 1950, European governments agreed, under heavy American pressure, to quite substantial rearmament plans, which enabled the Truman administration to request supplementary funding for the second M D A P « (Finanzjahr 1950/51): Geiger/Sebesta, ebd., S. 259. 3 0 3 D.C. 6/1, 1.12.1949, N A T O Strategy Documents, S. 61. An M-Day sollten 34 Divisionen in Europa-Mitte, einen Monat später 56 eingesetzt werden können; Kugler, Commitment, S. 51. Im April 1950 hatte die N A T O im Medium Term Defense Plan als Richtwert festgelegt, konventionelle Streitkräfte in einem Umfang zu schaffen, der die UdSSR vor einem Angriff in »CentralEurope« glaubwürdig abschrecken könne; statt der vorhandenen 14 sollten im Zieljahr 1954 90 Divisionen stehen; History of t h e J C S , IV, S. 183 ff.; D.C. 13 (28.3.1950) sowie M.C. 14/1 (Juli 1951) sahen 90 aktive und Reserve-Divisionen »in being« vor, wovon 54 A F C E N T (Dänemark, Westdeutschland, Frankreich), 21 A F S O U T H (Griechenland, Türkei, Italien) und 14 A F N O R T I I zugedacht waren; Kugler, ebd., S. 61; Richardson, N A T O , S. 37 f.; Wampler, Ambiguous Legacy, S. 12-41; Greiner, Rolle Kontinentaleuropas, S. 150 f. 304 Wiggershaus, Entscheidung, S. 339-349, 341; zu den Kontroversen über die Fesdegung des ZielTermins für die Streitkräfteaufstellung und den »Gefahrenpunkt« s.o. - M.C. 14 (3.3.1950) hatte für Planungszwecke den Termin 1.7.1954 angesetzt; N A T O Strategy Documents, S. 117; im September 1950 einigten die Verbündeten sich auf eine Vorverlegung auf den 1.7.1951. 3 0 5 Acheson-Runderlaß an US-Botschaften in West-Europa, 20.7.1950, FRUS, 1950, I I I / l , S. 138-141; Hammerich, Operation, S. 144. 306 Adenauer-Gespräch mit den Hochkommissaren, 17.8.1950, A A P D , I, Adenauer und die Hohen Kommissare 1949-1951, S. 222-30; Köhler, Adenauer, S. 617 ff. Der französische Hochkommissar Fra^ois-Poncet ging noch weiter und äußerte sich zum Thema Evakuierung der Bundesund Bildung einer Exilregierung. In ihrer Stellungnahme zur Anfrage Verteidigungsminister Johnsons hielten die Minister für die drei Waffengattungen an der Ansicht fest, daß die Wahrscheinlichkeit eines DDR-Stellvertreterkrieges nicht hoch veranschlagt werden sollte, denn der Kreml 299

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Die Stimmen, die bislang wenig Resonanz für ihre These gefunden hatten, daß ein deutscher Verteidigungsbeitrag der beste Weg sei, die Lücke zwischen »Verteidigung am Rhein« und »Verteidigung so weit östlich auf deutschem Boden wie möglich« zu schließen307, konnten nun die Fakten für sich sprechen lassen. Die Einschätzung, daß Stalin bereits im Vorgriff auf die atomare Parität militärische Aktionen in sein »Cold-war«-Instrumentarium aufnehmen und bei Erreichen eines großen Atomwaffen-Arsenals auch Großaktionen riskieren würde, verleitete die Urheber von NSC 68 zur Forderung nach einer umfassenden Aufrüstung des Westens insgesamt. Der Westen müsse nicht nur das atomare Wettrüsten gewinnen, ohne sich allein auf die Überlegenheit in diesem Bereich zu verlassen, sondern ebenfalls ausreichende Land-, See- und konventionelle Luftwaffenstärke auf die Beine stellen, so daß kein Domino in dem weltweiten Konflikt der sowjetischen militärischen Drohpolitik zum Opfer fallen müsse. Gleichzeitig behauptete NSC 68 einen unausweislichen Zeitdruck: Falls die Wiederaufrüstung nicht sofort Ergebnisse zeitige, würde die UdSSR dieses Versagen als Indiz für Willensschwäche nehmen und ihre Risikobereitschaft steigern308. Gleichzeitig änderte sich das Kriegsbild: Gegen die massive zahlenmäßige Überlegenheit der euro-asiatischen Doppelkontinentalmacht der UdSSR und Chinas half nur eine konzertierte Allianzstrategie; sie schien in Europa nötiger, aber auch eher erreichbar als im Fernen Osten. Für die NATO folgte daraus die Notwendigkeit, »to compensate for the numerical inferiority of the armed forces of the North Atlantic Treaty nations by establishing and maintaining technical superiority«309. Die USA legten sich die doppelte Verpflichtung auf, — waffentechnologische Überlegenheit für sich selbst und für die Verbündeten zu gewährleisten, — durch militärische Präsenz vor Ort die Verbindlichkeit ihrer Sicherheitsgarantie zu untermauern. Mit der Übernahme der Rolle, überall als Nothelfer einzuspringen, gingen die USA das Risiko ein, daß der Fall auch nur eines Domino Stalin Munition für die Propagierung der These liefern würde, daß die Kräfte, die sich mit den USA verbündeten, auf die Verliererstraße gerieten. Nach dem Verlust Chinas fand dieses Schlagwort in den USA ein Echo und schallte als wisse, daß ein Vorstoß der paramilitärischen DDR-Einheiten sich zum »großen« Krieg in Europa ausweiten müsse; außerdem hielten sie die auf 53 000 Mann veranschlagte KVP fur eine wenig kampfstarke Truppe; 1.8.1950, FRUS, 1950,1, S. 353 ff.; Rupieper, Probleme, S. 175-189; Wettig, Neue Erkenntnisse; ders., Von der Entmilitarisierung, S. 11, 31. Die Dreimächtegruppe zur Vorbereitung der New Yorker Außenministerkonferenz hob hingegen hervor, daß die UdSSR das Risiko einer Ausweitung eines DDR-Stellvertreterkriegs zum »general war« nicht scheuen würde; FRUS, 1950, III, S. 1170; Bevin äußerte sich in gleicher Richtung, 4.9.1950, FRUS, 1950, III, S. 265 ff. 307 Stellvertretend sollen genannt sein: Montgomery, Stikker, die amerikanischen Militärs, aber auch Adenauers militärische Berater Heusinger und Speidel; Kersten, Niederlande, S. 169; Petersen, Dänemark, S. 110; Kugler, Commitment, S. 46 ff.; Wiggershaus, Entscheidung, S. 339-349; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 101-111. Μ» NSC 68, FRUS, 1950,1, S. 234-292; Nitze, NSC 68; Wells, Sounding; American Cold War; siehe I.2.c. M.C. 14 (3.3.1950), Teü III, § 6 d, zit. nach NATO Strategy Documents, S. 95.

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Anklage zurück, daß die Truman-Administration die Schuld an der Niederlage einer befreundeten Regierung trage310. Die Ausweitung der Containment- zur Domino-Doktrin 311 erfolgte allerdings nichts blindlings. Trotz der überzogenen Rhetorik vom unteilbaren ubiquitären Ost-West-Konflikt blieben die amerikanischen Präsidenten und Außenminister grundsätzlich an der Lokalisierung von Konfliktherden interessiert312 und folgten nicht den Ratschlägen aus den Kreisen ihrer hohen Militärs, den Entscheidungsschlag gegen die Lenkungsmacht Sowjetunion bzw. VR China313 statt gegen den Stellvertreter 314 zu führen. Für den Fall, daß die Sowjetunion eine 2. Front eröffnen sollte, um entweder den Verbündeten zu entlasten oder die Gelegenheit zu nutzen, die USA zum Rückzug auf breiter Front zu zwingen, wurde die Androhung des Atomschlags gegen die Sowjetunion zur offiziellen Linie315. Die USA verlangten von ihren Verbündeten in den Regionen Einsatzbereitschaft und zeigten sich gewillt, ihnen (z.B. Türkei, späterhin Iran und SaudiArabien) die Zuverlässigkeit durch Anerkennung der Position als dominante Regionalmacht (sub-hegemon) zu honorieren. Regionale Konfliktstrukturen überlagerten sich mit dem Ost-West-Konflikt, weil die Rivalen in den Regionen (z.B. Die China-Lobby war einflußreicher und trat früher in Aktion als der McCarthyism. Marshall, nach der Rückkehr aus China Außenminister, hatte zwar kaum eine Alternative zum Arrangement mit dem korrupten und militärisch schwachen Chiang-Kai-shek-Regime gesehen, wollte aber keine Verpflichtungen in dem Umfang eingehen, wie dies erforderlich gewesen wäre, um das Kriegsglück zugunsten der Nationalchinesen zu wenden. 3 " NSC 5/1 und 2, FRUS, 1948, IV, S. 2 ff., 49 ff.; NSC 48/2, The Position of the U.S. with Respect to Asia (30.12.1949), FRUS, 1949, VII, S. 1215-1220; Schaller, American Occupation, S. 195-211; Miscamble, George F. Kennan, S. 275 ff.; NSC 64 und NSC 73/1-4 (1.7.-25.8.1950), FRUS, 1950, I, S. 331, ff.; 375 ff. Die britische und französische Regierung hatten die weltweite Dimension des Kalten Krieges ihrerseits stark betont, aber auch beklagt, daß die USA es an Unterstützung im Mittleren Osten, Süd- und SO-Asien und Nordafrika fehlen lasse. Paris begrüßte das entschlossene (landein der USA Ende Juni 1950 in der Koreakrise in der Erwartung, daß andere Aggressoren abgeschreckt würden. 312 Acheson begründete die entschlossene und schnelle Festlegung auf eine militärische Gegenaktion zur nordkoreanischen Invasion damit, daß so die Lokalisierung des Konflikts am besten erreicht werde; Mastnv, Cold War, S. 101. Den gleichen Grundsatz vertraten Eisenhower und Dulles in der Diskussion um NSC 162, NSC 5501, NSC 5602, NSC 5707. 313 Das betrifft die Taiwan-Krisen 1950, 1954/55, 1958 sowie den Krieg in Indochina 1950/1954 und später in Vietnam; Zhai, Dragon, S. 83 ff., 123 ff., 185 ff.; Chang, Friends, S. 88 ff., 120 ff., 186 ff.; Zhang, Deterrence, S. 114 f., 124 ff., 165 ff., 190 ff.; generell: Betts, Nuclear Blackmail; Tannenwald, Nuclear; siehe I.2.g. 314 Das sind Nordkorea, Nordvietnam sowie »Rotchina« im Fall der Korea-Krisen 1950, 1951 und 1953. 3 , 5 Zum sog. Reaper-Plan Ende November 1950: Mastny, (."old War, S. 109 ff.; LaFeber, American Age, S. 499 ff.; Leffler, Preponderance, S. 406; History of the JCS, IV, S. 152. Anfang April 1951 ordnete Truman die Verlegung von atomwaffenfähigen Bombergeschwadern in den asiatischpazifischen Raum (Guam) an und übereignete 9 Atombomben vom AF.C in die Obhut des Stabschefs der USAF (Gen. Varidenberg); sie sollten gegen die UdSSR zum Einsatz kommen dürfen, sobald die UdSSR direkt (statt wie bislang durch Abordnung von Fliegern in chinesischen Flugzeugen etc.) in die Kämpfe eingriffe oder die sowjetische Luftwaffe Japan angriffe oder sowjetische U-Boote die Versorgungswege nach Korea versperrten; Dingman, Atomic Diplomacy; Foot, Practice, S. 169; Leffler, Preponderance, S. 406. 310

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Ägypten, Syrien) die Sowjetunion um Unterstützung ersuchten oder entsprechende Moskauer Angebote aufgriffen. Die USA gerieten aber auch in Widerspruch zu den Altansprüchen der mit ihnen verbündeten europäischen Kolonialmächte, die in den überseeischen Regionen um den Erhalt ihrer Einflußchancen und Investitionen kämpften und zu diesem Zweck andere, aus der Kolonialherrschaft erwachsende »collaborations« begünstigten als die von den USA unterstützten endogenen Machteliten316. Auf der anderen Seite war das erhöhte Engagement der USA den europäischen Kolonialmächten nicht gänzlich unwillkommen, weil die amerikanische Politik auf diese Weise ihre Anti-Kolonialismus-Haltung zügelte und sich nicht länger dem Ersuchen widersetzen konnte, aus der Logik des Ost-WestKonfliktes heraus nicht nur die als »aufgeklärt« bewertete britische Politik in Malaysia gutzuheißen317, sondern auch Frankreich in Indochina Hilfe zu leisten318. Im Gegenzug erwarteten die USA Unterstützung ihrer europa- und deutschlandpolitischen Vorstellungen. Während die Regierung Pleven sich trotz bedrängter Lage im Indochina-Krieg sträubte, für die amerikanische Militärhilfe den Preis der Zustimmung zur deutschen Wiederbewaffnung im Rahmen der NATO zu entrichten, näherte sich Bevin im September 1950 dem amerikanischen Standpunkt; er sah in der amerikanischen Paketlösung nicht in erster Linie ein Ultimatum, sondern erkannte, daß Acheson mit dem Angebot, daß die USA den SACEUR stellen und diesem (6) 5 Divisionen als Grundausstattung mit auf den Weg geben wollten, die Verantwortung der USA für die Sicherheit Westeuropas stärker verankerte; dieses US-Engagement in NATO-Europa bot Großbritannien die Chance, seine außereuropäischen Interessen aus eigener Kraft zu verfolgen319. Aus der Besorgnis heraus, sie würden sich übernehmen, wenn sie selbst überall Flagge gegen die UdSSR zeigen würden320, suchten die USA vor Ort »supportive

Zu US-Bestrebungen, den französischen Einfluß in Vietnam oder den holländischen in Indonesien zurückzudrängen, und entsprechenden französischen Gegenmanövern, mit bestimmten Sekten zu kollaborieren: Frey, War, Revolution; ders., Creations; Anderson, Trapped, S. 98 ff. Pekings Propaganda stellte die USA als Erben des europäischen und japanischen Imperialismus hin und suggerierte, daß der US-Imperialismus schlimmer sei als die Summe der Vorgänger; vor allem würden die USA Asiaten gegen Asiaten aufhetzen. Den Terminus »Collaboration« gebrauche ich im Sinne von Robinson, Excentric Idea, S. 286 f. Schmidt, America's Option for Thailand. 317 Frey, Creations, S. 34-39. 3|8 Siehe I, Anm. 248-262; FRUS, 1950, VII, S. 175 ff., 522; Kitchen, From the Korean War, S. 221; Wiggershaus, Von Potsdam, S. 82, 103; Mai, Dominanz, S. 344; ders., Westliche Sicherheitspolitik, S. 67 ff.; Leffler, Preponderance, S. 341 ff., 380 ff., 435 ff., 469 ff. 319 Zu den Besonderheiten der anglo-amerikanischen Partnerschaft und Rivalität siehe Schmidt, Sichtbare Hand; ders., Vom Anglo-Amerikanischen Duopol; Lehmkuhl, Pax. Zum NATO-Rat 15.9.1950 und den vorbereitenden Sitzungen des Stellvertreter-Ausschusses siehe Wiggershaus, Von Potsdam, S. 114 ff.; Jones, Britische Bedrohungsanalysen, S. 175 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 101-111. 320 Die These des »imperial overstretch« war in den USA weit verbreitet; sie präsentiert sich teils als Mahnung, daß es den USA nicht so gehen dürfe wie Großbritannien, teils verband sie sich - so im Denken von Kennan oder J.F. Dulles - mit der Hoffnung, daß die UdSSR sich übernehmen und - wegen interner Reformunfähigkeit - implodieren könnte. Truman hielt 1948/49 daran fest, daß die Streitkräfte mit den nach oben begrenzten Haushaltsmitteln auskommen müßten; 316

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actors« ihrer Hegemonie in der westlichen Welt. Die Bundesrepublik schien dafür prädestiniert, Stützkraft der amerikanischen Globalstrategie zu werden; sie war nicht durch eine koloniale Vergangenheit belastet und bereit, Selbstbeschränkung (self-containment) in sicherheitsstrategischen Fragen zu üben. Umgekehrt verpflichteten sich die USA durch die Übernahme der Garantie, den westdeutschen Teilstaat, der sich weder selbst verteidigen konnte noch wollte oder durfte, militärisch und politisch-psychologisch zu schützen321, dazu, den Ausgleich zwischen »Machtgewinn für die Bundesrepublik«322 und dem Anspruch der europäischen Länder auf Sicherheit vor Deutschland dauerhaft zu besorgen. Parallel zur Bildung von bilateralen und multinationalen Sicherheitspartnerschaften mit dem Ziel des Ausgleichs zwischen nationaler Selbstbehauptung und Sicherheit des Westens erfolgte die Rekonstruktion der Weltwirtschaft; dies war ein Arrangement primär zwischen den USA und Großbritannien, anfänglich mit Kanada als drittem Partner323. Die Staatshandelsländer blieben ausgeschlossen bzw. schieden auf Druck der Sowjetunion aus den internationalen Organisationen aus. Die Sowjetunion hatte mit dem Nicht-Beitritt zur Weltbank (und IWF) einen weiteren Grund geliefert, ihr Interesse an einem Modus vivendi zwischen Ost und West in Zweifel zu ziehen324. 2'iel der Westmächte war die Wiederherstellung der Austauschbeziehungen zwischen den vier Kernzonen Nordamerika, Großbritannien/Sterling-Gebiet, Deutschland in Europa, Japan und Südostasien325. Die Bun-

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NSC 68 bedeutete die Wende zur ] lochrüstung; American Cold War Strategy; May/Steinbrunner/ Wolfe, History. Adenauer setzte auf die amerikanische Karte: Köhler, Adenauer, S. 650 (16.12.1950), S. 656 (7.6.1951); Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 105 ff., 129 ff., 134 ff.; ders., Teüung. Unter Hinweis auf die Entwaffnung und das Festhalten der Alliierten an der Devise »Entmilitarisierung« - so auch noch das State Department im Mai 1950 - forderte Adenauer die Westmächte auf, die Sicherheit Westdeutschlands zu garantieren. Im September 1950 »übernahm« die NATO die Garantie für die westlichen Besatzungsgebiete, solange dort alliierte Truppen stationiert waren; die auf der Lissaboner Konferenz Februar 1952 besiegelten Abmachungen zwischen NATO und EVG erweiterten die Schutzgarantie auf die Bundesrepublik selbst. Neuss, Geburtshelfer, S. 89 (NSC 68), 93 f., 110 f.; Wiggershaus, Entscheidung, S. 327-362, 364; Tuschhoff, Wiederbewaffnung, S. 183 ff., 190 ff. Tuschhoff, Multilaterale Verteidigungskooperation; ders., Wiederbewaffnung; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 129 ff., 250 ff. Das beginnt mit dem amerikanischen Einsatz für die schrittweise Aufhebung der Demontage und anderer Behinderungen auf der einen Seite und der Einbeziehung der Bundesrepublik in die Marshall-Plan-Aktion bzw. der Beteiligung der Bundesrepublik an der NATO-Politik. Der Stellvertretende I lohe Kommissar der USA, Gen. I lavs, sondierte Adenauer im Auftrag der NATO-Außenminister, wie er zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik stehe; er gab Adenauer auch das Placet, deutsche Militärexperten zur 1 limmeroder Konferenz einzuberufen; Wiggershaus, ebd., S. 363-373; Rupieper, ebd., S. 105. Schmidt, Vom Nordadantischen Dreieck. Kennan griff den Fall in seinem Long Telegram vom 22.2.1946 als Beispiel für sowjetische Kompromißlosigkeit auf. Cumings, Origins; zur zentralen strategischen und ökonomischen Rolle Japans und dem »reverse course« siehe Amerikas Option. Die amerikanische China-Politik 1947-1949 ist auch vor dem Hintergrund zu erklären, daß SO-Asien, insbesondere Indonesien, im Hinblick auf die Rekonstruktion der Weltwirtschaft für bedeutsamer erachtet wurde als China; Kennan an Marshall, 17.12.1948, NA, RG 59, PPS, box 33; NSC 41, US Policy Regarding Trade with China, 28.2.1949,

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desrepublik und Japan begannen frühzeitig, ihre hochgradige verteidigungspolitische Abhängigkeit von den USA durch eigene Wege in der Wirtschaftspolitik zu kompensieren; Japan erblickte darüber hinaus in seiner Aufrüstung einen Weg, von den USA unabhängiger zu werden, ohne die Sicherheitsgarantie zu gefährden326. Großbritannien stellte sich auf die Sicherheitsbelange der USA im Ost-WestKonflikt ein, um sich amerikanische Unterstützung für eine ökonomische Selbstbehauptung des -£-Sterlinggebiets und des Commonwealth zu sichern327. Frankreich versuchte abwechselnd durch Annäherung an europa-politische Zielsetzungen der USA328 und Reaktivierung der Franc-Zone (Francophonie) mit Großbritannien Schritt zu halten, aber auch sicherzustellen, daß es selbst im Vergleich zur Bundesrepublik Ressourcen (wie das Saargebiet) akquirierte und Status vor teile bewahrte; es wollte in Deutschland stark sein329. Im Unterschied zu Großbritannien und Frankreich sollte die Bundesrepublik ihre ökonomische Stärke nicht für national-politischen Machtgewinn nutzen, sondern in die Finanzierung der NATO und der Europa-Projekte einbringen; das Mittel dazu war die Einbindung des westdeutschen Teilstaats in von Frankreich inspirierte oder federführend geleitete europäische Integrationsprojekte. Eine wesentliche Folge der Bipolarität war, daß die USA nicht länger zwischen abgestuften Formen der Selbstbindung in Europa und im Fernen Osten wählen konnten. In der Zwischenkriegszeit hatten die USA einen Unterschied gemacht zwischen der Rolle als »exporter of economic recovery and stability« nach Westeuropa (durch Dawes- und Young-Plan und Sponsorschaft für Locarno und Abrüstungsabkommen) und als Wächter des Gleichgewichts in Asia-Pacific (Washingtoner Flottenvertrag und Neun-Mächte-Garantiepakt)330. Nach 1949 erweiterten die USA ihren Anspruch auf die Rolle als Regulator des Sicherheitssystems im Fernen Osten; sie nutzten die faktische Monopolstellung als Besatzungsmacht in Japan, um dem Land eine »Muster«verfassung zu geben und einen Friedensvertrag gemäß amerikanischen Sicherheitsvorstellungen zu schließen; die Ausgrenzung der VR China setzten die USA im Alleingang durch und verteidigten diese Entscheidung bis 1970/71331. Sie exportierten erstmals in Friedenszeiten »Sicherheit« nach Westeuropa: Sie nahmen die einmalige und in dieser Form erstmalige Einladung der europäischen Großmächte Frankreich und Großbritannien an, sich als europäische Macht zu profilieren und das Doppelproblem der Eindämmung der SoFRUS, 1949, IX, S. 928 ff.; umfassend: May, Truman Administration; Schaller, Securing, S. 404 ff.; Borden, Pacific Alliance, S. 8. 326 Dower, Empire, S. 305-368. 327 Maier, Alliance, S. 288 f.; Borden, Pacific Alliance; Schmidt, Labour-Regierung. 128 Mai - Dominanz, S. 344 - vertritt die These, daß Frankreich die militärischen und finanziellen Kosten der nationalen und europäischen Sicherheit auf die USA abwälzen wollte, um die Ressourcen für den Wiederaufstieg zur Weltmacht freizumachen; Neuss, Geburtshelfer, S. 54, 112, 187. 329 Pleven, 28.11.1950, laut einer Aufzeichnung Sulzbergers, Long Row, S. 516. 330 Ziebura, Weltpolitik; Schmidt, Politik und Wirtschaft 331 LaFeber, Clash, S. 270 ff., 286 ff.; Buckley, Occupation; Dingman, Diplomacy; Schönberger, Peacemaking, S. 73; Brands, United States.

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wjetunion und der Einhegung (Westdeutschlands in ihre Regie zu nehmen, und zwar durch ständige Präsenz im potentiellen Konfliktgebiet332. Es war das erste Mal in der Geschichte des europäischen Staatensystems, daß die Balance-Macht — die USA - bereits in Friedenszeiten Präsenz im Zentrum des Krisenherds übte statt — wie der Vorgänger Großbritannien — die »balance of power« von außen durch Finanzhilfe und Waffenlieferungen' 33 sowie vage Bündniszusagen zu steuern. Die anfänglich von den USA gebotene Garantie in Gestalt der peripheren Strategie und der atomaren Vergeltung ähnelte zwar noch dem klassischen Vorbild, Verbündete nach einer Besatzungszeit wieder zu befreien334; sie enthielt aber bereits die Zusage eines frühzeitigen Eingreifens. »If Western Europe is to enjoy any feeling of security at the present time, without which there can be no European economic recovery and little hope for a future peaceful and stable world, it is in large degree because the atomic bomb, under American trusteeship, offers the present major counterbalance to the ever-present threat of the Soviet military power 333 .«

Von den Brüsseler Pakt-Staaten und dann von den NATO-Mitgliedern erwarteten die USA militärische Einsatzbereitschaft336 als Voraussetzung für die Zusage, »to insure the ability to carry out strategic bombing promptly by all means possible with all types of weapons, without exception«337. Doch endgültig im September 1950 legten die USA sich darauf fest, den Oberbefehlshaber der NATOStreitkräfte zu stellen und zu diesem Zweck weitere Divisionen - über die Besatzungstruppen hinaus — auf einige Zeit in Europa zu stationieren. Sie traten gleichsam in Vorlage, bis die »Europäer« im Sinne der Marshall-Plan-Aktion in der »economic recovery« vorangeschritten waren und damit dann »mehr« in ihre Verteidigung investieren konnten338. Mit ihrem Drängen auf »balanced collective forces« 332

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Mit dem Entschluß, die wirtschaftliche Erholung (Marshall-Plan-Aktion) durch militärische Eindämmung der UdSSR abzustützen, vollzogen die USA die programmatische Wende; Acheson. August 1949: LaFeber, NATO, S. 35 ff., 43; ders.. The Clash; Mai, Dominanz, S. 352 f. NSC 14/1 (1.7.1948), FRUS, 1948, I, S. 585-588; Pach, Arming; Kaplan, Community; Condit, 1 listory, S. 233 ff. S.o. betr. HALFMOON und OFFTACKLE. Truman (Oktober 1948), FRUS, 1948,1, S. 626; Acheson, August 1949, siehe I, Anm. 332. Dies richtete sich primär an die Adresse Großbritanniens - NAC, 15.9.1950; bei gleicher Gelegenheit verlegte der NATO-Rat das Erreichen der Medium-Term-Defence-Plan-Ziele auf den 1.7.1951 vor; außerdem wurden statt 30 nunmehr 36 einsatzbereite Divisonen angestrebt; Wiggershaus, Entscheidung, S. 114 ff.; Kugler, Commitment, S. 51, 57 ff.; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 230 ff., 292 ff. D.C. 6/1, The Strategie Concept for the Defense of the North Atlantic Area, 1.12.1949: NATO Strategy Documents, S. 57-64. Der Nordatlantikrat billigte das Strategiekonzept, das dann auf der Ministerratstagung in Washington formal verabschiedet wurde; als Strategie Guidance Paper SG 13/16 wurde es im Januar 1950 den Regional Planning Groups vorgelegt; Pedlow, Evolution, Einleitung zu NATO Strategy Documents; FRUS, 1949, III, S. 352-356; May, American Commitment; I Iistorj' of the JCS, II, S. 399 f. Die Umschreibung »without exceptions« geht darauf zurück, daß einige Regierungen die ausdrückliche Erwähnung von Atomwaffen ablehnten. Der Ausdruck »atomic counterattack« bzw. »nuclear weapons« findet Eingang in M.C. 14/1 (9.12.1952), siehe NATO Strategy Documents, S. 205, 207, 222 f., 234 f. Geiger/Sebesta, National Defense Policies, S. 256 ff.; Geiger, Korean War; Peden, Economic Aspects, S. 237-270; Lynch, Economic Effects; ders., Missed Opportunity; ders., Resolving.

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und »effiziente« Verteidigungsplanung wollten sie Handhaben gewinnen, um auf die Strategie- und Streitkräftestrukturen der NATO-Partner Einfluß zu nehmen539. Die USA waren entschlossen, ihre Vorstellungen sowohl gegen die sowjetische Doppelkontinentalmacht bzw. UdSSR-VR China als auch gegen die europäischen Altmächte Frankreich und Großbritannien zur Geltung zu bringen. Hätten London und Paris die sowjetische Gefahr 1946-1951 als weniger bedrohlich und für sich akut empfunden340 oder hätten sie stärker an einer Entente-Bildung gearbeitet, wäre den USA die Übernahme der Position und Rolle als europäische Macht nicht in den Schoß gefallen. Da die USA, unterstützt von Großbritannien und Frankreich, Europa als Hauptaustragungsort des Konflikts mit der Sowjetunion einstuften, versuchte Washington, die eigenen Vorstellungen von Europa — Westbindung (Westdeutschlands in internationalen Systemen341 - in den Brennpunkt der Diskussion zu rücken. Die USA erreichten damit zunächst nur, daß die drei Westmächte unter der Perspektive verhandelten, wie die westlichen Systeme aussehen sollten, in die die Bundesrepublik eingebunden werden und eine möglichst weitgehende Gleichberechtigung mit Frankreich und Großbritannien erhalten sollte, und welche Korrelation zwischen dieser deutschen Frage und der im Zentrum des europäischen Ost-West-Konflikts stehenden Frage der dauerhaften Teilung oder Vereinigung Deutschlands bestand342. Gelang es den USA, in den europäischen Schlüsselstaaten Befürworter einer Anbindung an die USA zu finden — was in Großbritannien, Italien343 und der Bundesrepublik dauerhaft der Fall war —, dann erschien auch das Risiko kalkulierbar, daß ein von den USA grundsätzlich als »selfreliant« gewünschtes »vereintes Europa«344 seine wiedergewonnene Stärke nicht dazu nutzen werde, entweder die USA hinauszudrängen oder ihnen zuzumuten,

Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 292 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 101-111; Generals in International Politics (Eisenhower); Goodpaster, The Development of SHAPE, in: Generals in International Politics; Jordan, NATO International Staff; Bland, Military Committee, S. 193 ff. Dem gleichen Zweck dienten die bilateral ausgehandelten Abkommen zur Auslieferung amerikanischer Militärhilfe: Hovey, United States; Ilaglund, American Troops, S. 139 ff.; Kaplan, Community; Nelson, History. 340 Siehe Herken, Winning, S. 330. Die französische Regierung überspitzte möglicherweise ihre Bedrohungsvorstellungen - Anfang 1948; im August 1950; im Frühjahr 1951 - , um die USA von der Notwendigkeit ihrer militärischen Präsenz »auf dem Boden Kontinentaleuropas« zu überzeugen. Trotz ihrer im November/Dezember 1950 geäußerten Besorgnisse über einen DDRStellvertreterkrieg hielten Attlee, Bevin und die Chiefs of Staff dem Druck der USA stand und beharrten auf der Auffassung, daß der »Gefahrenzeitpunkt« nicht auf 1952 oder gar 1951 vorverlegt werden müsse. 34· Schmidt, Tying, S. 137-174; Amerikas Option, S. 50 ff. 342 Schmidt, Deutsche Frage, S. 199-220. 343 Nuti, Italy and the Defence; Varsori, Italien, S. 246 f.; ders., Italy, S.204 f.; Rainero, Militärische Integration, S. 154. De Gasperi, Pella, Gronchi und andere italienische Spitzenpolitiker suchten natürlich, amerikanische (und britische) Unterstützung für ihre Sicht der Bedeutung Italiens und entsprechender Parteinahme in der Triest- oder Mittelmeerfrage zu erreichen; sie sprachen innenpolitische Schwierigkeiten an, um »Stabilisierungshilfe« zu erhalten. 344 FRUS, 1955-57, XIX, S. 151, 433 ff.; Conze, Washington. 339

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mit einer Phalanx von nationalen »Gaullismen« zu kooperieren145. Die USA begegneten französischen Ambitionen (1952-1959), genauso wie Großbritannien als Weltmacht aufgewertet und deshalb vom Druck befreit zu werden, in einem supranationalen Europa aufzugehen346, — selbst wenn sie, wie das EVG-(PlevenPlan)Projekt, eine französische Erfindung waren — mit starken Vorbehalten. Wichtigster Grund war die Sorge vor einer Kettenreaktion: Tolerierte man die Großmachtambitionen Großbritanniens und Frankreichs, war es fraglich, ob man ähnliche deutsche Ambitionen würde stoppen können. Direkte amerikanische Warnungen an Adenauer, daß es für Bonn keine Alternative zum Integrationskurs gäbe347, waren so gesehen Präventivdiplomatie; umgekehrt nutzte Adenauer den Umstand, daß Oppositionsführer, aber auch Koalitionspartner, nationalistische Töne anschlugen und demgemäß im westlichen Ausland kritisiert wurden, um für seine Unentbehrlichkeit einen Preis zu verlangen: die Anerkennung deutscher Gleichberechtigung348. Frankreich und vor allem Großbritannien, das sich durchaus als dritte Supermacht sehen konnte bzw. so vom Urheber des Begriffs, W.T. Fox (1944), eingestuft wurde, gründeten ihre Ambitionen auf überseeische Verbindungen und auf die Annahme, daß die USA solche »dritte Kraft« begrüßen würden, um die Sowjetunion oder die VR China zu hindern, in ein post-koloniales Machtvakuum vorzustoßen 349 . Um die USA stärker zur Solidarität mit der britischen Rolle im Mitderen/Nahen Osten und Süd-/Südostasien bzw. der französischen in Indochina zu verpflichten, hatten Bevin und Bidault/Pleven den globalen Charakter des Kalten Kriegs hervorgehoben und insofern die Domino-Theorie vorweggenom-

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Die USA akzeptierten bekanntlich die britische »independent nuclear force«; beide hatten Vorbehalte gegen Frankreich als dritte westliche »independent nuclear force«, doch waren sie sich mit Frankreich, insbesondere de Gaulle, einig, daß die Bundesrepublik nicht nationale Atommacht werden dürfe, im Unterschied zu NATO-integrierten oder Frankreich-zentrierten Lösungen; Schmidt, Test. Obwohl Frankreich wiederholt Standardisierung, Rüstungspool etc. das Wort redete, ging es in der Rüstungsproduktion eigene Wege; die USA sollten nicht allein vom Ausrüstungsbedarf der Verbündeten profitieren; Kolodziej, Making; Wall, United States, S. 197 ff.; Golich, Resisting. Das gilt auch für die Phase der EURATOM- und EWG-Verhandlungen. Zu Warnungen Dulles' an Adenauer, dem französischen »nationalistischen« Beispiel nicht zu folgen, siehe Hershberg, Explosion. Besonders in der Saarfrage (Herbst 1953) drängten die USA Adenauer zu Kompromißberei tschaft. Siehe II.4. Paris und London behaupteten unter Hinweis auf die seit 1947 schwelenden militärischen Konflikte in Indochina und Malaya, daß sie »ihr Korea« schon vor dem amerikanischen Eingreifen Ende Juni 1950 in Korea erlebt und sich ebenso gegen die aggressiven kommunistischen Kräfte gewehrt hätten. »Suez 1956« symbolisiert den Kumulationspunkt des Aufbegehrens gegen die bipolare Struktur. Während Großbritannien sich im Anschluß daran als »Juniorpartner im Duopol« mit den USA arrangierte, schwenkte Frankreich - nach vergeblichen Bemühungen, es Großbritannien gleichzutun - auf Opposition gegen den Supermacht-Dualismus (»Welt \'on Jalta«) in Europa ein. Bis etwa 1948 und dann wieder 1956- 1958 verfolgten auch Vertreter der französischen Mitte »Dritte-Kraft«-Pläne, teils mit Großbritannien, teils mit Deutschland (und Italien) als Wunschpartnern. Conze, Gaullistische Herausforderung, S. 63 ff.; Costigliola, France, S. 112 ff., Soutou, L'alliance, Kap. 4; Kent/Young, Bridsh Policy.

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men. Unterhalb dieser Generallinie schwelten Vorbehalte gegen die amerikanische Ausweitung der Containment-Politik zur Domino-Doktrin, weil deren Postulat der Unteilbarkeit des Ost-West-Konflikts die Möglichkeiten für Frankreich und/oder Großbritannien einschränkte150, in der China-Politik eigene Wege zu gehen oder das Interesse der Sowjetunion an einer Großmachdösung für die Nachkriegsordnung in Indochina auszuloten351. Doch blieben die Einstellungsmuster, die ihre Konturen in der Phase des britischen und französischen Eingeständnisses erhalten hatten, daß die »Europäer« aus eigener Kraft weder sowjetische Einflußnahme eindämmen noch Deutschland integrieren könnten, stark genug, um den Grundakkord zu wahren: Gegen die Gefahr einer wohldosierten Aggressivität der UdSSR, die sogenannte Salamitaktik, um den Status quo zu ihren Gunsten zu verändern, könne nur Konsolidierung der westlichen Welt unter aktiver amerikanischer Führung helfen. Die US-gefuhrte Sicherheitsgemeinschaft stellte die Antwort auf die Konstatierung der Problemlage dar, daß mit der Sowjetunion auf (lange?) Zeit friedliche Koexistenz nicht oder jedenfalls nur dann möglich sei, wenn der »Westen« stark genug wäre352, um sicherzustellen, daß westeuropäische Länder, durch sowjetische Drohpolitik 353 verunsichert, keine einseitige Verständigung mit dem Erpresser suchten. Die Machteliten der westeuropäischen Länder gestanden sich ein, daß sie über die wirtschaftliche Hilfe Nordamerikas zur Wiederherstellung der europäischen Wirtschaft hinaus der militärischen Garantien der USA für ihre Sicherheit bedurften354. Insbesondere französische Militärs wie General Humbert (im März 1947) leiteten aus dem Kontrast zwischen den vielfältigen Fehlbeständen auf eigener 350 Ovendale, Britain, the United States and the Transfer, S. 139-158; Martin, Divided; Dunn, First; Rotter, Triangular Route; Combs, Path. 351 Aufgrund der eigenen Interessenlage stimmte Paris der amerikanischen Auffassung zu, daß Peking außer zu direkten Kriegshandlungen gegen Taiwan und Tibet auch zum indirekten Eingreifen in Indochina bereit sei; FRUS, 1950, III, S. 1172 ff. Die Anfang 1950 erkennbare chinesische Militärhilfe für die Vietminh war das deutlichste Beispiel. Auch die britische Regierung sah China in Indochina verwickelt und die französische Position — mit »Dominostein«-Effekt — gefährdet, wollte aber mit Rücksicht auf die britischen Interessen in Burma, Hongkong, Singapur/Malaya eine Konfrontationspolitik gegenüber Peking vermeiden. Zu den Querverbindungen (Herbst 1950 - Frühjahr 1951) zwischen den »Kriegsszenarien« Out-of-NATO-area einerseits und der Einschätzung akuter bzw. künftiger (Stellvertreter- und/oder general) Kriegsgefahr in Europa andererseits im Zeitraum 1950-1952 siehe Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 3 0 - 3 5 . 352 FRUS, 1948, II, S. 237-248 (September 1948). Prag 1948, Berlin-Krise, Korea überzeugten auch ehemalige Kritiker der Truman-Doktrin bzw. der Konfrontationspolitik, daß die Sowjetunion an einem Modus vivendi nicht interessiert war; siehe Paterson, Meeting, S. 110 ff. (am Beispiel Senator Peppers). NSC 68 dehnte die Reichweite des Denkansatzes zum Konfrontationsmuster aus. 353 »Drohpolitik« nimmt Bezug darauf, daß die UdSSR ihre Militärmacht zur Einschüchterung nutzte, um Wohlverhalten zu erzwingen; s.o. zum Begriff Kalter Krieg. 354 Die militärische Kooperation zwischen den USA und Frankreich sowie die Intensivierung der anglo-amerikanischen Abstimmungsprozesse setzte im Oktober/Dezember 1947 ein; die Hohen Kommissare in Deutschland leiteten gemeinsame Stabsarbeit ein; auf die höchste Ebene wollte man allerdings die Kontakte nicht anheben bzw. ansiedeln; Krieger, American Security Policy, S. 110 ff.; ders., Clay. Den Anlaß bildeten Gerüchte, die von sowjetischen Aggressionsabsichten sprachen; sie sorgten - ζ. B. in Kanada - für höchste Aufregung (Kriegspsychose).

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Seite und der mindestens dreifachen Überlegenheit sowjetischer Land- und Luftstreitkräfte355 die Schlußfolgerung ab, daß man nicht nur amerikanischer Militärhilfe bedürfe, sondern auch Westdeutschland an der Verteidigung des Westens beteiligen müsse356. Die physische militärische Präsenz der USA müsse zur Militärhilfe hinzukommen, sobald und je mehr die USA ihre Schutzmachtrolle an einen deutschen Verteidigungsbeitrag koppelten357. War die Mars hall-Plan-Aktion mittelfristig ausgerichtet und auf die Einbringung (West)Deutschlands als »hub« der Austauschprozesse angelegt, so barg die amerikanische nukleare Sicherheitsgarantie das Risiko in sich, daß die von den Westeuropäern gewählte und gewollte Abhängigkeit von den USA zu Spannungen führte. Denn es mußte der Zeitpunkt kommen, an dem die NATO-Partner die Frage stellten, ob die USA Atomwaffen gegen den Herd der Aggressionen, d.h. sowjetisches Gebiet, wirklich einsetzen würden, und an dem die USA zurückfragten, wo denn die Land- und Luftstreitkräfte seien, mit denen die Alliierten der Sowjetunion deutlich machen sollten, daß ein Vorstoß nach Westen auf effektive Gegenwehr treffen werde. Die USA bestanden darauf, daß konventionelle, vorwiegend europäische Präsenzstärke und atomare Luftstreitkräfte (USA, Großbritannien) gleichzeitig und gleichwertig einsatzbereit sein müßten358. Gerade Frankreich beharrte darauf, daß »die Angelsachsen« an den übernommenen Verpflichtungen festhielten, und zwar sowohl hinsichtlich der Militärhilfe als auch der »Vorneverteidigung«359. Jedoch blieb es selbst weit hinter der Einlösung der in Zur sowjetischen Militärmacht siehe generell Duffield, Soviet Military Threat; ferner: Wolfe, Soviet Power, S. 46 ff.; Mastnv, Stalin, S. 109-129; Kugler, Commitment, S. 68 ff. Die aus den Besatzungstruppen - Group of Soviet-Forces Germany - hervorgehende, durch verbesserte Logistik, höheren Übungsstandard und Bereitschaftsstand und mit neuen Panzertypen etc. ausgerüstete Streitmacht umfaßte 22 Divisionen; hinzu kamen 8 in Osteuropa stationierte sowjetische Divisionen. Auf westlicher Seite standen 10-13 (Juli 1950) Divisionen zur Verfügung: je zwei amerikanische, britische und belgische sowie 7 französische; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 119; Sicherheitspolitik der Bundesrepublik, S. 79 ff. 356 Delmas, Reflections, S. 346 ff. Die französischen Regierungen widersetzten sich der in ihrer Sicht vorschnellen Remilitarisierung der Bundesrepublik. Dem |a zu deutschen Soldaten und Finanzbeiträgen oder zu verstärkten, jedoch den Bundesländern unterstellten Polizeikräften stand ein uneingeschränktes Nein zu allen Vorschlägen gegenüber, die an eine neue Wehrmacht erinnerten; I litchcock, France Restored, S. 120 f. Im März 1950 bekannten sich die britischen Chiefs of Staff, im April 1950 das britische Kabinett zu dem Standpunkt, daß die NATO deutsche Truppen benötige, um ein Gegengewicht zu den in der DDR und in Osteuropa stehenden sowjetischen Divisionen zu schaffen; logischerweise müsse man den deutschen NATO-Beitritt vorsehen, allerdings ohne diesen Schritt zu forcieren. Die USA und Adenauer veranschlagten die Stärke der Gegenseite auf 22 (27) sowjetische Divisionen sowie ca. 53 000- 60 000 Mann paramilitärische DDR-Einheiten; Kaplan, Amerika, S. 11. 3 " Acheson, 12./13.9.1950, FRUS, 1950, III, S. 1192, 1208; Ireland, Creating; Kaplan, United States; Wells, First ("old War; McGeehan, German Rearmament, S. 22 ff.; Gelling, Außenpolitik, S. 76 ff.; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 197-270; Trachtenberg/Gehrz, America, Europe, S. 24 ff., 27. 358 Im Zuge der Verschmelzung der WUDO-Planung mit der NAT(0)-Strategie (Dezember 1949 April 1950) legten sich die Westeuropäer auf eine Gesamtstärke von 90 Divisionen, darunter 30 Divisionen »Präsenzstärke«, fest. 359 Soutou, Frankreich, S. 225. 355

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D.C. 6 / 1 , D.C. 13, M.C. 1 4 / 1 und in den Lisbon Force G o a l s vereinbarten Streitkräftezielen zurück 3 6 0 . Für den Fall, daß Großbritannien, Frankreich und/oder ein wiedererstarktes Deutschland auf die Politik selbstbewußter Alleingänge (wie in den 1 9 3 0 e r Jahren) zurückfielen oder jedenfalls ihre K r ä f t e nicht in den Dienst kollektiver Selbstverteidigung stellten, drohten die U S A eine Ü b e r p r ü f u n g ihrer Rolle als europäische Macht an, mit dem Ziel, den A u f b a u des europäischen V e r teidigungsbeitrags zu beschleunigen 36 '. A n l a ß dazu bestand genug: In der Zeit, in der die französischen Regierungen die A u f b r i n g u n g eines deutschen Verteidigungsbeitrags blockierten, leistete Frankreich 3 6 2 keinen ausreichenden Beitrag zur Selbstverteidigung Europas 3 6 3 , weil es die der N A T O assignierten Streitkräfte ge360

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Anfang August 1950 hielt Frankreich, einschließlich der Gendarmerie, 659 000 Mann unter Waffen; 50 000 Mann waren in Deutschland stationiert, 150 000 in Indochina und 60 000 in Nordafrika. In einem Memorandum füir die amerikanische Regierung kündigte Paris am 5.8.1950 die Aufstellung von 15 neuen Divisionen in den kommenden drei Jahren an; ein Drittel sollte bereits am 1.7.1951 aufgestellt werden. Wiggershaus, Von Potsdam zum Pleven-Plan, S. 114 f. Von der Nicht-Erfüllung der Zusagen zur »collective balanced force« konnte man darauf zurückschließen, daß die »Säumigen« ihre Defizite mit national-politischen und volkswirtschaftlichen Gründen rechtfertigen würden, siehe 1.1.d und 2.e. Zur schwierigen Situation im Oktober/November 1951 siehe Neuss, Geburtshelfer, S. 143 ff.; Schwartz, America's Germany, S. 247 ff.; Dockrill, Eisenhower, S. 113; zum »agonizing reappraisal« Dulles' auf der Wintertagung des NATO-Rats, 14.12.1953, FRUS, 1952-54, V, S. 462 ff.; Dulles hatte bereits zu Beginn der Amtsübernahme in einer Besprechung mit den Chiefs of Staff angekündigt, daß die USA ihren Kurs überprüfen müßten, wenn Frankreich die Einigung Europas torpediere; Died, Westeuropäische Union, S. 73; Duchin, Agonizing; Hershberg, Explosion. »As of late 1954, the French evidently had only 6 divisions in Central Europe, and even these units were manned at only 70% of active strength« - Kugler, Commitment, S. 86. Frankreich hatte 1950 ca. 150 000 Mann in Vietnam im Einsatz; 1954/55 reduzierte es seine Streitkräfte in Deutschland von 90 000 auf 60 000 Mann, um die Präsenz in Algerien zu verbessern; Harrison, Reluctant Ally, S. 40 f.; Thoß, Beitritt, S. 212. Anfang 1956 unterhielt Frankreich 500 000 Truppen in Algerien und 200 000 im Mutterland; der französische NATO-Beitrag schrumpfte auf 1 - 2 Divisionen und eine »tactical air army«, Kugler, ebd. Zum Umfang und Auftrag der vom Brüsseler Pakt 1948, von NATO und EVG in Lissabon Februar 1952 — sowie den vom Military Committee und SACEUR aufgelegten Minimum Forces Requirements siehe Greiner, Rolle Kontinentaleuropas, S. 148-154; ders., Militärische Eingliederung, S. 624 ff., 772-785; May, American Commitment, S. 449; Condit, History of the Office, II, S. 377; Dockrill, Eisenhower, S. 76; Hammerich, Operation, S. 150 f.; M.C. 26/1, Medium Term Defence Plan wurde im November 1951 vom NATO-Rat angenommen; Wampler, Ambiguous Legacy, S. 305 ff.; Duffield, Evolution, S. 125 ff. Die Sitzungsprotokoüe und Berichte, die der Lissaboner Konferenz vorlagen: FRUS, 1952-54, V, S. 107-174, 227-249. Ende 1951 umfaßte die Kampfstärke der NATO 12 Divisionen und 900 Kampfflugzeuge: Kugler, Commitment, S. 61. Wiggershaus geht in seiner in Vorbereitung befindlichen Studie zur westlichen Bedrohungsperzeption von 19 Divisionen aus. Bis Dezember 1952 sollten per M-Day 25, ein Jahr später 36 2/3 und im Zieljahr 1954 41 2/3 »combat ready divisions« bestehen; per D+30 sollten es Dezember 1952 50, ein Jahr später 75 und Dezember 1954 96 Divisionen sein, davon 54 in Europa-Mitte; der Aufwuchs der Luftwaffe sollte von 4067 Dezember 1952 über 7005 Dezember 1953 auf 9965 Flugzeuge Dezember 1954 ansteigen. Die Lissaboner Streitkräfteziele setzten den Bedarf mit 35-40 Combat-ready-Divisionen an, so daß 60% des Sollstands von 96 Divisionen Reservedivisionen waren, die Tage bzw. Wochen nach der Mobilmachung einsatzbereit sein sollten; Kugler, ebd., S. 62. Der EVG-Vertrag vom 27.5.1952 sah als operative Landstreitkräfte 57 1/3 Kampfverbände, darunter 12 deutsche, und 5110 taktische Luftstreitkräfte, darunter 1326 deutsche Flugzeuge vor. Schwengler, Sicherheit, S. 106 f.

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mäß eigenem Bedarf ausdünnte oder abzog364. Da die britischen und amerikanischen Zusagen Frankreich nicht genügten, um das EVG-Projekt zielstrebig durchzuziehen, war der kontinentaleuropäische Beitrag zur Streitkräftestruktur der NATO 1955365 nur unwesentlich besser als bei Ausbruch des Korea-Kriegs 366 . Der große Unterschied bestand darin, daß die USA und Großbritannien einerseits ihre weiterhin ausschlaggebenden konventionellen Beiträge zur Streitkräftestruktur in Europa-Mitte der Nuklearstrategie anpaßten 367 und andererseits die nunmehr im Kriegsfall als entscheidend angesehenen taktischen Luftstreitkräfte und Mittelstreckenraketen bereitstellten368. Da die taktischen Systeme dazu bestimmt waren, den Vormarsch sowie den Nachschub-Aufmarsch des Gegners zu stoppen, nicht aber das Staatsgebiet des sowjetischen Angreifers zu gefährden, verlagerte sich die nuklear-strategische Abschreckung und eventuelle Kriegführung auf die Kapazitäten des amerikanischen Strategie Air Command und auf die amerikanischbritischen politisch-militärischen Planungen. Die anschließende Verzögerung beim Aufbau der Bundeswehr 369 und damit das Ausbleiben der einzig realistischen Aufstockungsmöglichkeit bedingte, daß das Zieldatum für die »forward defense« in der NATO-Planung um mindestens zwei Jahre und damit auf frühestens 1959 verlegt werden mußte 370 . EntDie NATO-Strategie erkannte die Praxis an und maß der Vorkehrung z.B. Frankreichs für Outof-area-Einsätze strategische Bedeutung zu. M.C. 3/4, M.C. 14/1, siehe NATO Strategy Documents, S. 81 f. 365 Die NATO konnte 1955 in Europa-Mitte insgesamt 20 aktive und Reservedivisionen aufbieten; Kugler, Commitment, S. 92, 73 f., 102 ff.; Karber/Milam, Federal Republic; History of the JCS, IV, S. 226. Die NATO hatte 1960 17,3 Divisionen zur Verfügung, siehe Kugler, ebd.', S. 95. 366 pü r (jj e NATO galt um 1950 das Gen. Bradley zugeschriebene Wort, daß sie der Venus von Milo gleiche: »All SHAPE and no Arms«; Hammerich, Operation, S. 140; Wiggershaus, Einleitung, S. XV; Knorr, Strained Alliance, S. 5. Anfang 1950 standen 12 Divisionen zur Verfügung, darunter 2 1/3 US-, 2 Ά UK- und 3 französische Divisionen, die aber für Besatzungsmachtaufgaben in Deutschland, Österreich und Triest vorgesehen und dementsprechend nicht als Kampfverbände ausgerüstet waren; Dockrill, No Troops, S. 123. 367 Zur sog. Pentomic-Divisionsstruktur: Bacevich, Pentomic Era; Kugler, Commitment, S. 93 f. Die Bundesrepublik und die Niederlande adoptierten gleichfalls das Konzept. 368 105 TIIOR- bzw. JUPITER-Raketen wurden in Großbritannien, Italien und der Türkei ab 1958 disloziert; zur Second Tactical Air Force stellte Großbritannien laut Kabinettsbeschluß vom 28.9.1954 780 Flugzeuge; die Zahl wurde Ende 1956 auf 466 zurückgenommen; CC (54) 302, 28.9.1954, PRO, CAB 129-71; CC (56) 269, U.K. Forces in Germany, 28.11.1956, PRO, CAB 129 - 84; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 582 f. Die Bundesrepublik, Belgien, die Niederlande und Italien führten die amerikanischen F-100-, und F-104-Jagdbomber ein. 3()9 Die ersten beiden einsatzfähigen Divisionen sollten 1957 stehen; Kugler, Commitment, S. 72; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 646 ff., 655 ff., 720 ff., 740 ff.; Gablik, Strategische Planungen, S. 98 ff. Die Verzögerung der Aufstellung war, so Gablik (ebd., S. 75), vorprogrammiert, weil die »im Entstehen begriffene Bundeswehr sobald wie möglich über atomare Waffensvsteme verfügen« sollte; die Umstellung auf nukleare Verwendungsfähigkeit sollte die Teilhabe an der operativen Planung gewährleisten. 370 M.C. 48/1, The Most Effective Pattern of NATO Militär)- Strength for the Next Ten Years, Report No. 2, 26.9.1955, § 8, in: NATO Strategy Documents, S. 258; damit mußte die in M.C. 48 — ebd., S. 243 ff. — getroffene Feststellung, daß dank des deutschen Verteidigungsbeitrages die Verteidigung östlich der Rhein-Ijssel-Linie erstmals möglich werde, zu den Akten gelegt werden. Als COMLANDCENT wirkte Speidel auf die Planung zugunsten der Vorwärtsverteidigung zu364

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sprechend dem Trend zur Nuklearisierung (M.C. 14/2) reduzierten oder deaktivierten Belgien, die Niederlande und Großbritannien 371 , die bisher die Abwehrfront im norddeutschen Raum gebildet hatten 372 , ab 1956/57 ihre Landstreitkräfte 373 . Die folgenschwere Konsequenz — und darauf kommt es an dieser Stelle an — war die Gleichsetzung von NATO und USA in einem Ausmaß, wie es die USA nicht gewünscht hatten. Die Bipolarität374 wurde in dieser Hinsicht im militärstrategischen und sicherheitspolitischen Gelände Europas festgeschrieben375. »Europäische Verteidigung ohne die USA« war 1955 genauso wenig aussichtsreich wie 1950. Verstand man Sicherheit als umfassenderen Begriff, konnte man allerdings mit de Gaulle und euro-zentrisch oder pro-französisch orientierten Kräften in anderen Ländern auf den Gedanken kommen, daß die Präsenz der USA in Europa und ihr daraus abgeleiteter Führungsanspruch die Aussichten auf »peace in parts«, d.h. Frieden in Europa losgelöst von der globalen Machtprobe zwischen den USA und der UdSSR, versperrten. Mit ihrer — ursprünglich gerade auch von Frankreich und Großbritannien verlangten — militärischen Präsenz in Deutschland und in Westeuropa nahmen die USA den Franzosen die Sorge ab, auf sich allein gestellt einem wiederaufstreben-

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mindest östlich der Weser bzw. entlang der Weser-Lech-Linie hin; er überzeugte den britischen Befehlshaber des AFNORTH-Bereichs, eine Verteidigung nicht am Rhein, sondern an der Weser ins Auge zu fassen; Gablik, ebd., S. 127, 151, 156 ff., 182. Ende 1959 wurde eine grenznähere Verteidigungslinie (50-100 km hinter der Demarkationslinie) im Raum Hamburg-Hannover und im Raum Kassel möglich; die Bundeswehr wies 7 Divisionen vor. (Die für 1961 avisierte Sollstärke wurde 1965 erreicht). Drei der 7 Bundeswehr-Divisionen waren nördlich der britischbelgischen Verbände piaziert; sie sollten den Vormarsch von Magdeburg zum Ruhrgebiet aufhalten. Die beiden im Raum Kassel dislozierten Verbände »ergänzten« die amerikanischen Divisionen; sie sollten den Vormarsch in Richtung Frankfurt a.M. verhüten. Die anderen beiden Divisionen waren in Bayern »neben« amerikanischen stationiert; Kugler, Commitment, S. 72 f., 102 ff.; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 608 ff.; History of the JCS, V, S. 304 ff.; Thoß, Beitritt, S. 88 ff. Erst für 1963 erteilte SACEUR die Anweisung, die Verteidigung nahe der Demarkationslinie zu planen: Heuser, NATO, S. 142 f., 51 f. Die britische Regierung schlug Washington im Juni/Juli 1956 vor, gemeinsam auf die Verabschiedung einer neuen politischen Direktive betr. »review of NATO strategy« hinzuwirken, mit dem Ziel, die thermonuklearen Waffensysteme zur Abschreckung und notfalls zur »retaliation« zu nutzen und die in der Bundesrepublik stationierten konventionellen Streitkräfte zu reduzieren. Eden an Eisenhower, 18.7.1956; FRUS, 1955-57, IV, S. 9 0 - 9 2 ; Mem Con Dulles-Makins, 29.6.1956, ebd., S. 8 4 - 8 6 ; Memorandum prepared in the Department of State, 29.6.1956, ebd., S. 87 f. Mem Con Dulles-Makins, 13.7.1956, ebd., S. 89 f. Nach den Streitkräftezielen, die in Lissabon festgelegt wurden, sollten im Bereich Europa-Mitte stehen: Belgien: 3 aktive und 1 Reservedivision, 400 Flugzeuge; Niederlande: 1 aktive und 4 Reservedivisionen (Mobilmachung in 48 Stunden); Kanada: 1 Brigade, 1 Luftdivision; Großbritannien: Rheinarmee mit 4 bis 5 Divisionen; Frankreich: 15 Divisionen, von denen 5 vorhanden waren; Kugler, Commitment, S. 62. Kugler, Commitment, S. 93; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 713 ff. Die Sowjetunion strebte ein Monopol auf östlicher Seite an; das ging so weit, daß sie infrastrukturelle und befehlskettenmäßige Vorkehrungen traf, um notfalls ohne die Verbündeten militärisch handeln zu können. Siehe Teil III; Schmidt, Test.

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den Deutschland gegenüberzustehen 376 , doch fiel es den Machteliten der IV. Republik immer schwerer, mit den Konsequenzen der eigenen Politik zu leben377. Washington verlangte, daß die Westeuropäer selbst mehr Truppen aufstellen müßten, wenn sie — wie gerade Frankreich es tat — »forward defense« wünschten378; falls sie dies nicht zustandebrächten, dann sollten sie sich nicht wundern, »(if they) end up relying on nuclear weapons« 379 . Je länger die Regelung des deutschen Verteidigungsbeitrags in der Schwebe blieb, desto mehr manövrierte sich die NATO in die unvorherbedachte Lage, entweder vom überwiegend oder ausschließlich US-zentrierten Nuklearprotektorat oder doch noch vom deutschen Militäraufgebot abhängig zu bleiben bzw. zu werden3811. Die in der Ubergangsphase 1951-1954 von den US Chiefs of Staff und von SACEUR entwickelte Vorstellung, daß man beides gleichermaßen benötige, kam ja nicht zum Tragen: Sie besagte, daß die »shield forces« erst im Falle des Aufgebots deutscher Truppen so gestärkt würden, daß der Gegner zur Konzentration seiner Kräfte gezwungen wäre; »(this) would expose his forces to heavy losses from atomic attack381.« Nach Auffassung der NATO-Planer 382 eigneten sich die deutschen Soldaten am besten für die Verteidigung in der vordersten Linie. Während die Deutschen »[...] die volle Wucht eines sowjetischen Angriffs auffangen sollten«, würden sich die amerikanischen, britischen und französischen Verbände im zweiten Glied halten. Für die deutsche Seite war es nicht akzeptabel, daß die Allierten sich auf die atomare Kampfführung konzentrierten, während die deutschen konventionellen Verbände die Aufgabe hätten, den Angreifer zur Massierung seiner Kräfte zu zwingen. Das war um so weniger der Fall, solange die NATO-Planer einräumen mußten, daß man die vordere Frontlinie nicht werde halten können. Die Situation sähe - nach Auffassung der deutschen Mibtär»strategen« — anders aus, wenn die aufzustellenden Verbände der Bundeswehr auf nukleare Verwendungsfähigkeit umgestellt und somit ihre Abwehrkraft, aber auch die strategische Mitwirkung verstärkt würde. 376

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Amerikas Option, S. 14; Schwabe, Origins, S. 161 ff.; Krieger, American Security, S. 110 f., 114; Maier, Politische Kontrolle, S. 42 f.; ders., Anglo-Saxon, S. 404-411; Wall, France, S. 48 ff., 54; Buffet, Berlin Crisis, S. 87 ff. Nach den Wahlerfolgen vom Juni 1951 konnte die Opposition von rechts auf die Regierungsbildung maßgeblichen Einfluß nehmen; der Großteil der Gaullisten strebte danach, das EVGProjekt zu liquidieren. FRUS, 1955-57, XIX, S. 16, 26, 97, 189 f , 210 ff., 240, 271 ff., 406, 706.; Greiner, Rolle, S. 150 f. Trachtenberg, Nuclearization, S. 418 ff.; ders., 1 Iiston· and Strategy, S. 159; Dockrill, Eisenhower, S. 89. Siehe I.2.g. Dieser maßgebliche Aspekt trat in der öffentlichen Diskussion zurück hinter der »Stimmengewicht«-Frage; da Frankreich mit der Absenkung von 14 auf 10 Divisionen hinter den deutschen Anteil von 12 Divisionen zurückfiel, warb es für die Beseitigung der Bestimmung, daß das politische Gewicht in der Lenkung der EVG sich nach den Beitragsleistungen richten müsse; zur Lösung des Konflikts: 1 Iofmann, Truppenstationierung, S. 180- 187. NATO Strategy Documents, S. 241 f. Die Konzentration sollte z.B. im Frontabschnitt zwischen Lübeck und der Elbe erfolgen; siehe 1.1, Anm. 8 - 1 1 . Aufzeichnung Speidels über sein Gespräch mit GenLt. van Rensselaer-Schuvler, Chef des Generalstabs, und Gen. White, Chef der Planungs- und Ausbildungsabteilung bei SHAPE, 15.7.1955: Gablik, Strategische Planungen, S. 72-75.

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Die Bundesregierung mußte an einer »echten« Vorneverteidigung schon deshalb interessiert sein, weil ihre Streitkräfte andernfalls Kanonenfutter im Vorfeld einer starken Verteidigungslinie endang des Rheins sein würden383. Nach dem deutschen NATO-Beitritt erfolgte die Aufstellung der Bundeswehr nicht im vorgesehenen Zeitrahmen, während Großbritannien und Frankreich den Aufbau einer unabhängigen Atomstreitmacht einleiteten. Vor diesem Hintergrund verdichteten sich die Auffassungen, — daß die atomare und nachfolgend nuklearstrategische Überlegenheit der USA den Ausgleich für die numerische Unterlegenheit auf konventionellem Gebiet gegenüber der Sowjetunion schaffen müsse584, — daß die NATO eine »integrated atomic capability« benötige, um zu verhindern, daß NATO-Gebiet in kürzester Zeit vom Angreifer überrannt werde385. Die logische Konsequenz daraus war die eingangs erwähnte Struktur, daß die 1955 um ihren deutschen Staat erweiterten Militärblöcke einander auf nuklearisiertem Terrain gegenüberstanden; die Nuklear Staaten ebenso wie die beiden deutschen Staaten selbst mußten fortan daran interessiert sein, daß von deutschem Boden kein europäischer Krieg ausgehe. Diesem Handlungsgebot stand der ungeklärte Sachverhalt gegenüber, — wozu die dislozierten, atomar durchsetzten Militärkapazitäten taugten, falls sie in ihrer Primärfunktion — der Abschreckung vor jeglicher Kriegshandlung — versagten386; — wer an den Planungs- und operativen Entscheidungen mitwirke und wie man in Friedenszeiten die Schlagkraft so integriere, daß im Ernstfall erfolgreich gehandelt werden könne387. Die Dissonanzen zwischen den Westmächten hielten auch nach dem Schiffbruch des EVG-Projektes an. Auf französischer Seite wirkten die Motive fort, die zum Vatermord am EVG-Projekt geführt hatten. Frankreich strebte die Gleichberechtigung mit den angelsächsischen Leitmächten in der NATO an388 und forderte, zu diesem Zweck die angelsächsische Hilfe für die Erforschung, Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen zu erhalten. Hingegen strebten London und Washington einen deutschen Verteidigungsbeitrag an, um ihre eigene Truppenstationierung auf dem Kontinent reduzieren zu können. Mit der Diskreditierung der EVG hatten die französischen Mitte-RechtsRegierungen die einmalige Chance verwirkt, die Kontrolle Deutschlands durch Integration als Grundlage einer gesamteuropäischen Friedensordnung anzupreiDarauf macht Tuschhoff, Causes, aufmerksam. M.C. 48, siehe NATO Strategy Documents, S. 237. 3 « NATO Strategy Documents, S. 237, 240, 297; FRUS, 1955-57, XIX, S. 203 ff., 210 ff., 229 f., 242 ff., 246, 429, 448, 471 ff., 578 ff. Mit der Gefahr, daß deutsches Gebiet erst am Rhein mit Aussicht auf Erfolg verteidigt werden könne, rechnete SACEUR noch in seinem NotVerteidigungsplan EDP 1 - 57. SM May, Early Cold War, S. 34. 387 Siehe I.2.g. 388 Soutou, Frankreich, S. 225 ff.; Loth, Sicherheit, S. 317. 383 384

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sen389. Denn wie konnte man den Kreml glauben machen, daß die Gefahr des deutschen Militarismus gebannt werden könne, wenn Frankreich als Erfinder dieses Patentrezeptes die Unzulänglichkeiten des EVG-Vertragswerkes anprangerte und Nachbesserungen in zwei Richtungen verlangte? 1. Großbritannien und die USA müßten stärker beteiligt sein. Das bedeutete im Endeffekt, daß die Bundesrepublik besser in der NATO aufgehoben sei, weil die USA und Großbritannien dort die Schlüsselrolle spielten, aber auch ihre dem »Continental commitment« gewidmeten Streitkräfte angesiedelt hatten. Die britische Regierung unterzeichnete zwar am 13. April 1954 einen Kooperationsvertrag mit den EVG-Staaten, bot jedoch konkret nur eine gepanzerte Division zur Eingliederung in die EVG-Streitmacht für den Fall an, daß die Vertragsgemeinschaft zustande kam 390 . London sah keinen Anlaß, rechtzeitig mehr zu tun, um das Engagement für die Verteidigung des eigenen, EVG-Gebiet einschließenden Verteidigungs-Perimeters zu bekräftigen, und so gesehen Vorkehrungen für den Fall zu treffen, daß die USA ihre Truppenpräsenz in Europa ähnlich wie in Japan (1955-1960) reduzierten 391 . Es ist ohnehin sehr fraglich, ob eine allein von Großbritannien ausgesprochene Sicherheitsgarantie ausgereicht hätte, um die Widers tände gegen die EVG-Lösung in der französischen Politik zu überwinden. London knüpfte die eigene Zusage an den Vorbehalt, daß die USA gleichzögen. In London war man ebenso wie in Washington der französischen Taktik, ständig Nachforderungen in alle Richtungen zu stellen392, überdrüssig. Auf der anderen Seite teilte man französische Befürchtungen, daß die Bundesrepublik dank westmächtlicher Unterstützung so gestärkt werden könnte, daß sie die Integrationssysteme (EGKS, EVG, EWG/EURATOM) zugunsten eigener Hegemonialmacht-Ambitionen mißbrauchen könnte; infolgedessen beugte London sich der Notwendigkeit, Frankreich im Rahmen des jeweils innen- und außenpolitisch Vertretbaren Zugeständnisse zu machen 393 . 2. Für Frankreich müsse es im EVG-System eine Reihe von Ausnahmen geben. Paris zerstörte damit die bündnisinterne Gesprächsbasis: Die Fortführung der Diskriminierung der Bundesrepublik wollte kein NATO-Partner und wollten erst recht nicht die USA mitmachen. Die nach den »Erdrutsch«-Wahlen vom 389

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Für Frankreich, aber zeitweilig auch für Adenauer, sprach ein diplomatisches Kalkül für die EVG-Lösung, nämlich die Einschätzung, daß die UdSSR diese Version einer europäischen Position der Stärke eher wegstecken könnte als die Integration einer Bundeswehr in eine unter USOberkommando stehende NATO-Streitmacht; Adenauer gegenüber dem italienischen Staatspräsidenten Scelba, 26.3.1954, PA-AA. III 232.00; Großbritannien und Europa, S. 156. Jansen, Großbritannien, S. 6 2 - 9 4 ; Gossel, Briten, S. 83 f.; Dockrill, Evolution; Mager, Anthony Eden; Ruane, Rise, S. 33 ff., 62 f., 75 ff., 153 ff. 1955 waren noch 210 000 US-Truppen in Japan stationiert, 1957 sank die Zahl auf 77 000, 1960 auf 48 000. Uber die mit dem EVG-WEU/NATO-Komplex zusammenhängenden Fragen hinaus verlangte Frankreich Rückendeckung in der Saarfrage sowie für seine Tunesien- und Algerien-Politik; siehe I.l.e. Ruane - Rise - , Dockrill - Britain's Policy - und Jansen - Großbritannien - haben dies umfassend dargelegt; siehe Schmidt, Tying; ders., European Security, mit ausführlichen Literaturhinweisen.

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Juni 1951 amtierenden französischen Regierungen wandten sich gegen die von ihren Vorgängern in die Welt gesetzte Lösung des Problems »Sicherheit vor und mit Deutschland«; als Reaktion darauf drängten die USA, Großbritannien und die Bundesrepublik darauf, zuerst den Westblock zu konsolidieren, bevor es zu ernsthaften Verhandlungen mit der UdSSR kommen dürfe194. Ernsthafte Deutschlandverhandlungen mit Moskau hatte man vorerst hintangestellt, bis die Westbindung Westdeutschlands einvernehmlich mit Frankreich geregelt sei. Nachdem Frankreich diese Lösung blockiert hatte, mußte eine andere Version der Kontrolle durch Integration unter Dach und Fach sein, so daß der Westen auf dem eigenen Konto genügend Sicherheiten hatte, um eine Verhandlungsmarge gegenüber der UdSSR zu besitzen. Der Kreml hatte seinen durch Säuberungsaktionen untermauerten Herrschaftsanspruch über Osteuropa als nicht verhandelbar kategorisiert und deutlich gemacht, daß er die von ihm am 25. März 1954 einseitig zum souveränen Staat ausgerufene DDR395 zur Kontrolle über Polen und die CSR instrumentieren wollte. Damit stand der Preis fest: Aus Moskaus Perspektive sollte vor allem der Status der Bundesrepublik innerhalb der westlichen Systeme Gegenstand von Ost-West-Verhandlungen werden. Das Aufkommen dieser Fragestellung 1955/56 markiert die Zäsur zur EVGPhase396: Die von Moskau ins Spiel gebrachte Perspektive eines ungebundenen (neutralen), jedoch bewaffneten vereinten deutschen Nationalstaats akzentuierte den Gegensatz zwischen der Sowjetunion und Frankreich. So gesehen, lohnte sich ein Alleingang für Frankreich in Richtung Moskau nicht; statt die eigene Isolierung zu riskieren, blieben die französischen Regierungen am Einvernehmen mit Großbritannien und insbesondere den USA interessiert, zumal man sich die Option der USA für Deutschland als Schlüsselpartner397 im Falle einer französischen Verweigerungspolitik vorstellen konnte. Trotz der unvereinbaren Ausgangslage zwischen Dulles an Eisenhower, 23.10.1953, FRUS, 1952-54, II, S. 1234 f.; Kidd, Relation of the German Problem to Other Issues (Disarmament, European Security Plans etc.), 27.6.1955, NA, RG 59, Lot 63 D 166, Box 4; Amerikas Option, S. 65 f.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 91-130; ders., Deutsche Frage, S. 182. Das deutlichste Beispiel des französischen Versuchs, die »russische Karte« zu spielen, ist das vom Gaullisten Palewski vermittelte »private« Dinnertreffen zwischen Premierminister Faure und Sowjetbotschafter Vinogradov am 22.3.1955 im Hinblick auf die in der Ersten Kammer anstehende Debatte zur Ratifizierung der Pariser Verträge; siehe Barbier, French Policy Aims, S. 105 f.; Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 80. 395 Wettig, Bereitschaft, S. 275 ff.; die DDR erhielt ihre außenpolitische Souveränität durch den Vertrag vom 20.9.1955; siehe II.4. Die französische Regierung hob erst nach Intervention der US-Regierung die Anweisung an ihren Hochkommissar auf, einer im Hinblick auf die EVGGesetzgebung erforderlichen Änderung des Grundgesetzes nicht zuzustimmen; Neuss, Geburtshelfer, S. 245. 356 Siehe III. 397 Fuller an Nitze, 4.9.1952, FRUS 1952-54, VII, S. 357; ausführlich: Amerikas Option. Insbesondere Monnet ließ sich von dem Gedanken leiten, in der Deutschlandpolitik eine gemeinsame Linie mit den USA zu suchen, um diese von anderen Optionen — z.B. für die Bundesrepublik - abzuhalten; Neuss, Geburtshelfer, S. 54, 112, 187; Hitchcock, France Restored, S. 80 ff., 109 ff.; Bruce an Acheson, 22./23.9.1949, FRUS, 1949, IV, S. 661-665. 394

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Paris und Moskau befürchteten die USA eine französisch-sowjetische Kollaboration; aus diesem Grunde fühlten sie sich bemüßigt, nichts zu tun, was Frankreich in die Arme der Sowjetunion treiben könnte398. Da eine Politik mit dem Ziel, Bonn zu isolieren, vielleicht in Moskau, aber keineswegs in Washington und London Sympathisanten fand, bewegte sich auch die französische Politik in Richtung »Vier-Westmächte-Diplomatie« unter Beteiligung der Bundesrepublik. b. Selbstgewählte Abhängigkeit von den USA: Die Folgewirkungen Die selbstgewählte, aber unvermeidliche Abhängigkeit von der amerikanischen Globalmacht bedeutete für die NATO-Partner, daß auch ihre politischen Aktivitäten im außenpolitischen Raum amerikanischer Kritik und Prüfung unterworfen waren. Frankreich399, Großbritannien4"", die Niederlande401, aber auch Italien4"2 398

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Chiefs of Mission Meeting, 11.6.1954, FRUS, 1952-54, VI, S. 691; Dulles, 5.10.1953, ZirkularDepesche, FRUS ebd., V, S. 815-849. Die USA zahlten mittels ihrer Militärhilfe an Frankreich ca. 78% der französischen Kriegskosten in Vietnam; nach Berechnungen von W. Schilling (Columbia University) entsprachen die französischen Kriegskosten in Vietnam dem Umfang nach dem Anteil an Marshall-Plan-1 lilfe, der auf Frankreich entfiel; die Angaben verdanke ich Lt.-Colonel Jay Μ. Parker, Colonels' Revolt (ISA Congress, Minneapolis, 21.3.1998), S. 21; Gelb/Betts, Irony, S. 53 f.; Herring, America's Longest War, S. 2 6 - 4 0 ; Neuss, Geburtshelfer, S. 163, 174, 178, 189; Ambrose, Eisenhower, S. 175. Kent - NATO, Cold War; ders./Young, British Policy - interpretiert das britische Interesse in der ersten Nachkriegsdekade dahin, daß die »imperial strategy« Vorrang hatte; die Betonung der eigenen Rolle an der Seite der USA im Kalten Krieg war, zugespitzt formuliert, ein Schachzug, um die Anfälligkeit der USA als Gefangener der eigenen Domino-Theorie zugunsten der Anerkennung britischer Positionen zu nutzen. Allerdings wollte Großbritannien »genügend viel« für die Aufrüstung im Dienst der NATO tun, damit die USA ihr starkes Europa-Engagement aufrechterhielten und ggf. verstärkten. Das schließt nicht aus, daß Großbritannien in der Suche nach Gründen erfinderisch war, warum die Streitkräfteziele der NATO reduziert werden könnten. Das betraf zunächst »Lissabon« als Konsequenz der Anwendung von NSC 68 auf die Anforderungen an die europäischen Verbündeten und dann die konsequente Verfolgung des Gedankens, daß alles auf den Erfolg in Phase 1 eines »general war« ankomme (und jeder Konflikt mit der UdSSR war als solcher definiert); die NATO komme daher nicht umhin, den taktischen und strategischen »first use« der modernen Waffensysteme vorzusehen und daraus die Streitkräfteziele abzuleiten. Im Zeitraum 1950-1952 gingen 7 - 8 % des Volkseinkommens der Niederlande auf Investitionen in und den I Iandel mit Indonesien zurück: Frey, Creations, S. 16. — Acheson zeigte sich von Stikkers Drohung unbeeindruckt, daß die Niederlande den NAT-Vertrag eventuell nicht unterzeichnen würden, falls die USA ihre Indonesienpolitik nicht änderten; Kersten, Niederlande, S. 167. Der hohe Stellenwert Indonesiens erklärt sich aus der geostrategischen Lage und den ökonomischen Ressourcen des Landes selbst und stand so gesehen schon vor dem »Verlust Chinas« fest — Kennan an Marshall, 17.12.1948, NA, RG 59, PPS, Box 33. Nach dem Sieg der KPCh steigerte sich die Bedeutung Indonesiens in der Sicht Washingtons. Das Interesse an der Unabhängigkeit Indonesiens (Dezember 1949) ist ebenso wie der »reverse course« in der amerikanischen JapanPolitik als Versuch zu sehen, den Schaden zu begrenzen und in der Region dauerhaft Fuß zu fassen. Wie eigenartig die Ausgangslage war, zeigt sich darin, daß sich unter Indonesiens neuen Machthabern Kollaborateure Japans im Zweiten Weltkrieg befanden und daß die USA in den 1950er Jahren Japan zu Reparationsleistungen an Indonesien in der Erwartung drängten, daß dadurch die für unabdingbar gehaltenen Austauschbeziehungen zwischen Japan und SO-Asien be-

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verfolgten die Absicht, ihren Kolonialbesitz als Quelle der wirtschaftlichen Rekonstruktion und als Devisenbringer zu nutzen. Sie erweckten damit den Anschein, als ob sie die USA auf die Verteidigung Europas verpflichten wollten, damit sie ihre Ressourcen für Aktivitäten vor allem in Südostasien einsetzen könnten403. »Es lief darauf hinaus, daß die USA in einem traditionellen Interessengebiet der Briten und Franzosen wieder einmal für diese die Kastanien aus dem Feuer holen (sollten)404.« Aber auch hier waren die europäischen Kolonialmächte auf amerikanische Hilfe angewiesen. Die Alternative, daß sie sich405 gegenseitig unterstützten, bestand zwar als Perspektive, erschöpfte sich aber in Appellen; so forderten die britischen Stabschefs oder der britische Hohe Beauftragte für Südostasien, MacDonald, Frankreich auf, Ordnung in Indochina zu schaffen und eine befreundete Regierung zu etablieren, um einen Domino-Effekt in Südostasien zu vermeiden406. Die Niederlage ihres Verbündeten im chinesischen Bürgerkrieg und die eindeutige Option des Siegers, Mao Zedong, für die Verbindung zur UdSSR407 veranlaßten die USA zu einer Neubewertung der Kolonialpolitik ihrer europäischen Verbündeten. Die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Austauschprozesse zwischen dem europäischen Zentrum und der kolonialen Peripherie galt nunmehr als unverzichtbares Glied in den Dreiecksbeziehungen zwischen Nordamerika, Westeuropa und Südostasien408. Doch ging die Distanzierung vom eigenen Antikolonialismus nicht so weit, daß die USA ihre in der eigenen Tradition begründete Sympathie für politische Unabhängigkeitsbestrebungen verleugneten. Vielmehr gerieten sie in die schwierige Situation, einerseits die richtigen politischen Kräfte fördert werden könnten. Für die Niederlande gab es viele Gründe zur Irritation über den NATOPartner, und zwar auch über die Phase des Machttransfers hinaus. Die USA bedrängten die Niederlande, die Machtübergabe in Indonesien zu beschleunigen; für den Fall, daß Kompromißlösungen an holländischer Hartnäckigkeit scheiterten, drohten die USA die Unterbrechung und Aussetzung der Marshall-Plan-Hilfe an und machten die Drohung Ende 1949 wahr; Frey, Amerikanischer Anti-Kolonialismus, S. 201 f.; Dahm, Dekolonisierungsprozeß; McMahon, Colonialism, S. 43-73. 402 Varsori, Italien, S. 244; Sforza wurde Ende 1949 mit einer Treuhänderlösung über Somalia abgefunden statt mit der Rückgabe von Kolonialbesitz. Die USA machten Italien den Vorwurf, Washington erpressen zu wollen: FRUS, 1955-57, XIX, S. 212, 240, 272, 294, 296, 428, 430. 403 pü r Großbritannien waren die Olregionen im Nahen und Mittleren Osten sowie Afrika, einschließlich Südafrika, ein weiterer vorrangiger Schauplatz des Kalten Kriegs; die Sowjetunion müsse aus diesen Regionen herausgehalten werden; Kent, NATO, Cold War; Ovendale, Britische Außen- und Bündnispolitik. Betr. Frankreich siehe Mai, Dominanz, S. 344. 404 Ovendale, Britische Außen- und Bündnispolitik, S. 133 f. 405 Siehe II, Anm. 251 f. Das Mißtrauen der Niederlande gegenüber Frankreich in politischen Fragen war so ausgeprägt und die Situation in Indonesien (nach 1950) so anders als diejenige Frankreichs in Indochina, daß für die Beantwortung dieser Frage wiederum das britisch-französische Verhältnis übrig bleibt; Dunn, First Vietnam War; Rotter, Triangular Route; Hess, United States; Irving, First Indochina War, S. 1 - 80; Herring, Truman Administration. 406 MacDonald befürchtete vor allem, daß Burma und Siam (Thailand) unter kommunistischen Einfluß geraten könnten, was die britischen Schwierigkeiten in Malaysia verschärft hätte; Ovendale, Britische Außen- und Bündnispolitik, S. 133; vgl. NSC 48/2, The Position of the U.S. with Respect to Asia (30.12.1949), FRUS, 1949, VII, S. 1215-1220. 407 Zu Maos »Lean-to-one-side«-Prämisse siehe 1.2.a. 408 Schmidt, Vom Nordatlantischen Dreieck; Großbritannien und Europa, S. 10 f., 24 f., 30 f.

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z.B. in Indonesien oder Vietnam als Verbündete zu finden und dauerhaft zu gewinnen, und andererseits die europäischen Regierungen davon zu überzeugen, daß sie die USA nicht nur als Geldgeber und Projektfinanzier409 in Anspruch nehmen dürften, sondern auch auf den Rat der USA hinsichtlich der Gestaltung der Beziehungen zwischen den Machteliten der neuen unabhängigen Staaten und den Statthaltern der Interessen der früheren europäischen Kolonialmacht hören müßten. Das führte vor allem zwischen Frankreich oder Holland und den USA zu wechselseitigen Vorwürfen, die eigenen politischen und wirtschaftlichen Ansprechpartner in Indochina oder Indonesien für einen Verdrängungswettbewerb zu nutzen und so die Lage in der Region zu destabilisieren41'1. Die Konflikte zwischen den Regierungen wurden dadurch entschärft, daß die amerikanischen Botschaften, z.B. in Paris, mit ihren Lageberichten dafür sorgten, daß Außenminister Acheson doch nicht die Vorschläge der Ressorts für eine enge(re) Kooperation mit jenen nichtkommunistischen Nationalisten umsetzte, die von Frankreich nicht oder zu spät eingebunden wurden. Für die USA kam es darauf an, daß die Schwierigkeiten, die Frankreich oder die Niederlande in der Phase des Übergangs zur Dekolonisation erfuhren, den Fortgang des Projektes »kollektive Verteidigung Westeuropas« nicht beeinträchtigten, d.h. entsprechende Leistungen in den Aufbau zunächst der W U D O und dann der NATO eingebracht wurden. Als Leitlinie sah der Brüsseler Pakt im September 1948 die Verteidigung so weit östlich411 wie möglich vor 412 ; dafür hatten sich vor allem Frankreich und die Niederlande stark gemacht. Im Vergleichszeitraum sah die amerikanisch-britische Konzeption noch die periphere Strategie vor 413 .

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Zum Beitrag der USA im Rahmen des Colombo-Plans: Lehmkuhl, Kanadas Öffnung, Kap. 4. »(Britain and the Allies) joined the alliance on the implicit understanding that American militarv assistance would be forthcoming«; Geiger/Sebesta, National Defense Policies, S. 255. Den Forschungsstand souverän zusammenfassend: Frey, Creations. Zur Entwicklung der Formel und ihrer Ergänzung mit dem Zusatz auf (bundes)deutschem Gebiet siehe NATO Strategy Documents, S. 97, 123, 154, 167, 212 f., 258, 293, 329, 341, 360, 388. Frankreich setzte das Verlangen, die Verteidigung so weit östlich wie möglich zu beginnen, im Dezember 1949 auf die NAT-Tagesordnung; die Formel fand Eingang in SG 13/16 (6.1.1950) und wurde in M.C. 14 (3. und 28.3.1950) als Planungsgrundlage fixiert, gemeinsam mit dem Zieldatum (to meet the contingencies up to the) 1.7.1954 fur die Bereitstellung der erforderlichen Streitkräfte; NATO Strategy Documents, S. 97, 91, 115 ff.; D.C. 13, ebd., S. 117, 123, 154 f. Die Außenminister verabschiedeten den Grundsatz am 15.9.1950. Bei gleicher Gelegenheit wurde das Zieldatum auf den 1.7.1951 vorverlegt und die Präsenzstärke von 30 auf 36 Divisionen erhöht; zum Zusammenhang mit den Befürchtungen vor einem DDR-Stellvertreterkrieg und mit den Kontroversen zwischen den USA und Großbritannien, ob und wann die UdSSR »kriegsbereit« wäre, siehe Wiggershaus, Nordatkntische Bedrohungsperzeptionen, S. 31-34. Acheson erklärte auf der New Yorker Konferenz, die Vorneverteidigung-Doktrin erfordere 1. einen deutschen Verteidigungsbeitrag von 1 0 - 1 2 Divisionen (250000 Soldaten), 2. eine große integrierte Streitmacht; das Prinzip »collective balanced forces« statt ausgewogener (umfassender) nationaler Streitkräfte brachten die USA im Mai 1950 in die NATO ein; 3. zentralisiertes Oberkommando; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 148 ff., 262 ff.; Aybet, Dynamics, S. 73; Neuss, Geburtshelfer, S. 89 f., 135 f.; Pedlow, Putting, S. 156 f. Neuss, Geburtshelfer, S. 87 f.; Ross, American War Plans; betr. OFFTACKLE s.o., sowie Greiner, Militärstrategische Planungen, S. 171 ff.

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Berücksichtigt man, — daß die am 9. Dezember 1952 verabschiedete NATO Strategie Guidance (M.C. 14/1, §§ 25 und 28) vage von »holding (the enemy's attack) as far to the east of the Rhine as possible« spricht, — daß M.C. 48 zwei Jahre später fast euphorisch hervorhebt, »the advent of new weapons, plus a German contribution, will for the first time enable NATO to adopt a real forward strategy with a main line of defense well to the East of the Rhine-Ijssel414«, — daß wiederum ein Jahr spätei415 nur noch eine vertagte Hoffnung übrigblieb416, dann stellt sich schon die Frage, warum die lautesten Rufer — die in Kolonialkriege verwickelten Niederlande und Frankreich — am wenigsten für die Verbesserung der Situation »on the grounds« in Europa taten417. Als die USA sich dazu aufgefordert sahen418, das vom Military Committee der WUDO unter Montgomery ausgearbeitete Strategiekonzept in die NATO-Planung zu übertragen, ergab sich für sie die Möglichkeit, die — vorerst intern allerdings noch nicht definitiv beschlossene — Maßgabe vorzulegen, daß die Vorverlegung der Verteidigung auf bundesdeutsches Gebiet419 einen angemessenen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik bedinge. Damit verschob sich der Schwerpunkt der Diskussion von dem Thema, daß die WUDO und ihre Mitglieder mehr für die kollektive Verteidigung des freien Europa tun müßten, zu der Frage, wie dringlich die Wiederbewaffnung des auf der Grundlage des Neun-Mächte-Mandats geschaffenen westdeutschen Teilstaates sei. Für Acheson stand fest, daß die NATO die Zeit, in der der amerikanische Nuklearvorsprung bestehe, nutzen müsse, um »balanced collective forces« aufzubauen; da die amerikanische »retaliatory air power« und die Atomwaffe »waisting assets« seien, müsse der Aufbau konventioneller Verteidigungsstreitkräfte unverzüglich erfolgen. Die Vorsorge gegen die Gefahr des Uberholtwerdens durch die militärischen Machtgewinne der UdSSR420 dürfe nicht allein auf der amerikanischen »retaliatory atomic air power« ruhen421.

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M.C. 14/1, §§ 25, 28; M.C. 48 (18.11.1954), § 22b, beides zit. nach N A T O Strategy Documents, S. 213, 242. M.C. 48/1 (26.9.1955), § 8, N A T O Strategy Documents, S. 258. S.o. Die Ausnahme sind der Zeitraum Ende 1950 und die Verständigung auf M.C. 26/1 im November 1951, den Medium Term Defense Plan. Frankreich und die Niederlande erhöhten in diesen Phasen ihre Haushaltsansätze; siehe Kugler, Commitment, S. 5 9 - 6 2 ; Knapp, Ökonomische Aspekte, S. 295 ff.; Harst, From Neutrality, S. 38 ff.; Honig, Defense Policy, S. 1 5 - 2 9 . Dies geschah im Zuge der Ausarbeitung und Verabschiedung von D.C. 6/1, D.C. 13 und M.C. 14, s.o. Die Ergänzung der in der W U D O vereinbarten Formel »so weit östlich wie möglich« um den Zusatz »auf deutschem Gebiet« findet sich in M.C. 14 (3.3.1950), § IIa: N A T O Strategy Documents, S. 97; zur weiteren Anwendung und Ausprägung: ebd., S. 123, 154, 167, 212, 213, 293, 329, 341, 360, 388. NSC 68 überzeichnet die Diskrepanz zwischen Voll-Nutzung des Potentials auf sowjetischer Seite und Unter-Ausnutzung des eigentlich überlegenen Potentials auf selten der USA und ihrer Verbündeten; Hammond, NSC 68, S. 2 9 4 - 3 0 4 ; Rearden, Evolution; Isaacson/Thomas, Wise

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Der Aufruf an die europäischen Partner zu mehr Eigen- und Mitverantwortung422 Schloß die These ein, daß die Bundesrepublik dazu gehöre. Wenn die NATO die für den Erfolg des Marshall-Plans erforderliche »Sicherheit« gewährleisten sollte, dann mußte auch gelten, daß sich die Sicherheitsgarantie auf die Bundesrepublik als »hub centre« von OEEC-Europa erstreckte und vom Schutz der Besatzungstruppen auf das Schutzgebiet selbst und von dort auf die semisouveräne Bundesrepublik übertragen wurde. Die Logik verlangte, daß der Verteidigte zu einem Verteidigungsbeitrag aufgefordert werden müsse, zumal im Gebiet zwischen der gültigen Rhein-Ijssel-Verteidigungslinie und der Demarkationslinie nur die britischen Besatzungstruppen vorne stationiert waren, ansonsten aber die Marschrouten von Magdeburg ins Ruhrgebiet und von Eisenach in Richtung Frankfurt a.M. nahezu ungeschützt waren. Die Frage, wann und wie das geschehen könne, wurde zum Streitpunkt zwischen den Gründern des westdeutschen Staates; einige Vertreter der kleineren Mitgliedsstaaten der NATO — die Niederlande (Stikker), Dänemark, Belgien — begrüßten die adan tische Anbindung der Bundesrepublik in Verteidigungsfragen. Die von den USA lancierte »Verteidigung mit Deutschland« war dazu angetan, die dauerhafte Präsenz der USA als »Europe's Pacifier« 423 , als Garant der Sicherheit vor Deutschland und damit als Verhinderer einer deutschen Sub-Hegemonie zu begründen. Für Großbritannien 424 , Frankreich 425 , die Niederlande schien es vorteilhaft, die USA zur Eindämmung Deutschlands und der UdSSR auf den europäischen Kontinent einzuladen, um freie Hand zu haben, die in den Planungen vor und während des Zweiten Weltkriegs avisierte Möglichkeit zu nutzen, die Überseegebiete als eine Art Antäusbrunnen zum Auftanken ihrer Kräfte zu mobilisieren: »...We have the material resources in the Colonial Empire, if w e develop them, and bv giving a spiritual lead n o w w e should be able to carry out our task in a way which will show clearly that w e are not subservient to the United States o f America or to the Soviet Union 4 2 6 .«

Das weckte natürlich auf selten der USA den Verdacht, daß sie als hochrüstende, selbstzahlende Leibwächter der Kolonialmächte einspringen sollten, während die europäischen Partner in den rohstoffreichen, devisenbringenden Kolonialgebieten

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Men, S. 500 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 94 ff. Zur fortlaufenden Verbesserung der sowjetischen Militärmacht: Wolfe, Soviet Power, S. 46 f. Wampler, Conventional Goals, S. 360. Zu diesem Zweck forderte Acheson am 22.7.1950 die NATO-Partner auf, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und die Schwerpunkte ihrer Rüstungsvorhaben in der NATO darzulegen. Joffe, Europe's American Pacifier. Leffler, United States, S. 277 ff.; Kent/Young, British Policy. Mai, Dominanz, S. 344; Wiggershaus, >Other< German Question, S. 121 f.; Guillen, Frankreich und die Frage, S. 118 ff. Französische Stimmen erklärten France outre-mer als Rückhalt für die Wiedergewinnung einer Frankreich zustehenden Großmachtrolle, siehe Frey, Creations, S. 3 ff., 20 ff.; Dalloz, War, S. 5 2 - 8 2 ; Kahler, Decolonisation, S. 78 ff., 173 ff., 366 ff.; Clayton, Wars; Anderson, Trapped; Sullivan, France's Vietnam; Dien Bien Phu; ("able, Geneva. Bevin, The First Aim of British Foreign Policy, 4.1.1948, C P . (48)6, PRO, CAB 1 2 9 - 1 2 3 ; Young, Britain and European Unity, S. 14 ff.

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ihr Scherflein ins Trockene brachten427. Den Verbündeten war durchaus bewußt, daß sie den Kalten Krieg als Instrument verwenden konnten, um die amerikanische Regierung zu Unterstützungsleistungen in einem Bereich ihrer Wahl zu veranlassen. »Because we have a >Communist dangerother< German Question, S. 121 (Ritchie an Pearson, 20.8.1948). Die USA waren als Beobachter über die Stagnation des Brüsseler Paktes informiert und frustriert; die intra-europäischen Verhandlungen sollten das Fundament legen, auf dem die US-Schutzgarantie aufruhen könne. Laut May, American Commitment, S. 432, betrug die US-Müitärhilfe an die europäischen Partner für den Zeitraum 1950 bis 30.6.1955 insgesamt $ 10 Mrd. Schmidt, Großbritannien, Gründung, S. 182 ff.

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sowie Pflichtzahlungen seitens der Bundesrepublik im Rahmen der Besatzungskosten und anschließend als anteilige Stationierungskosten für die britische Rheinarmee. Anders als Mitte der 1960er Jahre sahen die USA, Großbritannien und die Bundesrepublik in den kritischen Situationen der Jahre 1 9 5 2 - 1 9 5 4 einer Lösung ohne Frankreich, d.h. einer einseitigen angelsächsischen Aufrüstung der Bundesrepublik, mit Unbehagen entgegen454. Die NATO etablierte sich als die für viele Mitglieder akzeptable Option gegenüber einer theoretisch denkbaren, von einigen Amtsträgern und hohen Militärs freilich auch konkret erwogenen amerikanisch(britisch)-deutschen militärischen Zusammenarbeit*55. Die USA gerieten in der Phase der Umgründung der Vertragsgemeinschaft in die NATO in eine Zwickmühle. Sie waren einerseits bereit, eine hohe Anzahlung auf die Sicherung Westeuropas zu leisten456, um sich dann später um so beruhigter — nach Stärkung durch Einigung Europas — aus dem Verteidigungsengagement zurückzuziehen457. Die USA gingen in Vorleistung, weil sie erkannten, daß die westeuropäischen Partner nicht sofort tun konnten und wollten, was die USA für nötig hielten458, und sie wiederholten dies mehrfach, um sich gegen die Verbreitung der Fehlmeldung zu wehren, »that we wanted German forces in the EDC to replace US forces459.« »Our N A T O allies needed reassurance that the balance of power was not tipping in favour of the USSR. Now that the Soviets had acquired an atomic capability, N A T O could not for the infinite future continue to rely primarily on the threat of nuclear re-

Zum Projekt einer Krisenkonferenz (Dezember 1954) für den Fall des Scheiterns der Pariser Verträge in der Nationalversammlung siehe Thoß, Zwei deutsche Staaten, S. 92 ff.; zu Planspielen im Frühjahr 1954 1.1.e; Neuss, Geburtshelfer, S. 224 ff., 242 ff., 254 ff.; Gossel, Briten, S. 83 f. 455 Schmidt, Tying; ders., Third Factor; ders., Vom Nordadantischen Dreieck; ders., Vom AngloAmerikanischen Duopol; Neuss, Geburtshelfer, S. 145 f., 186 f., 224 ff., 242 ff.; Gilbert, Winston S. Churchill, VIII, S. 1090; CC (52) 102, 4.12.1952, CAB 128-25; Churchill an Eden, 3.11.1953, Μ 317 / 53, PRO, PREM 11 - 618. Zur Einstellung amerikanischer Militärs vgl. Maier, Auseinandersetzungen, S. 136 ff. 456 Stellung des SACEUR; Entsendung von 4 Divisionen; Aufstockung der Militärhilfe. Aufgrund von NSC 68 gaben die USA zusätzlich S 16,8 Mrd. Militärhilfe an die NATO-Länder und weitere S 10,5 Mrd. im Zusammenhang mit dem Korea-Krieg aus; Condit, History of the Office, III, S. 233-242; May, American Commitment, S. 440. Truman hatte im Dezember 1950 6 Divisionen versprochen, der Kongreß bewilligte 5; Ende 1951 waren 3 davon in Europa disloziert. FRUS, 1952-54, II, S. 278; FRUS, 1955-57, XIX, S. 151, 271 ff., 385 ff., 406, 706; Neuss, Geburtshelfer, S. 222 ff., 233 ff. 458 May, American Commitment, S. 438 f.; Isaacson/Thomas, Wise Men (betr. Nitze). Einige europäische Regierungschefs, z.B. der niederländische Premier Drees, warfen die Frage auf, warum sie die vom Marshall-Plan gestützte wirtschaftliche Erholung unterbrechen sollten, wenn die Verteidigungspolitik der USA de facto lediglich periphere Verteidigung ermöglichte und somit nicht einmal die Rhein-Ijssel-Linie sicherte: Milward, Different Securities?; Harst, From Neutrality, S. 37 ff. Ahnliches gilt für die dänische Regierung Hedtoft: Petersen, Dänemark, S. 107. 4 » Eisenhower, FRUS, 1952-54, V, S. 960; ebd., S. 888 f.; NSC 174. Sitzung, 10.12.1953, FRUS, ebd., V, S. 450; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 591 (Eisenhower, 10.3.1955); Neuss, Geburtshelfer, S. 240; Dockrill, Cooperation, S. 156; zu entsprechenden französischen Auffassungen s.u. 454

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taliation alone or, if necessary, to repel a Soviet invasion. We had to strenghten our position with other means, and this meant a buildup of conventional forces*60.« Der nach Ausbruch des Korea-Kriegs von den USA forcierte deutsche Verteidigungsbeitrag sollte für den reibungslosen Ubergang zwischen amerikanischen Vorleistungen und späterem »disengagement« bürgen, sobald die Hochspannungsphase beendet wäre461. Genau dies provozierte den hartnäckigen Widerstand Frankreichs sowohl gegen den direkten und sofortigen NATO-Beitritt der Bundesrepublik als auch gegen jegliche Interims-Lösung für die Frage der Rekrutierung deutscher Soldaten, bis die langwierigen Verhandlungen462 über eine Organisation, die den französischen Anspruch auf Gleichwertigkeit mit den USA und Großbritannien genauso befriedigte wie den deutschen Anspruch auf »equality of treatment«, abgeschlossen sein würden. Aus französischer Sicht beseitigte die eventuelle funktionale Entlastung der USA durch deutsche >Kampfkraft< die Geschäftsgrundlage für die von Frankreich seit 1947/48 angestrebte Sicherheitspartnerschaft: »[...] the rearmament of Germany [...] would merely replace the troops of the old allies by those of an old enemy463.« Die französische Haltung schuf ein doppeltes Dilemma: — Die USA versuchten das Prinzip integrierter NATO-Streitkräfte durchzusetzen und damit auf europäischer Seite »balanced collective forces« zu errrichten, um die Bundesrepublik nicht zu diskriminieren und den frühzeitig von Adenauer464 angemeldeten Anspruch der Bundesrepublik auf Ebenbürtigkeit mit Frankreich und Großbritannien gegenüber beiden zu unterstützen465. Die Gelegenheit, daß Nitze als Spiritus rector von NSC 68 kennzeichnete in einem Vortrag vom 20.9.1993 mit den zitierten Worten die Logik der amerikanischen Reaktion auf den bevorstehenden Verlust des Atommacht-Monopols und auf die veränderte Lage in Ostasien nach dem Sieg Maos über die Nationalchinesen; NSC-68, S. 13; Wheeler, NATO Conference Paper, Ms., Anm. 34. 461 In diesem Sinne erklärten die JCS im Dezember 1953, daß der beabsichtigte Einspareffekt des New Look erst nach Aufstellung der deutschen und japanischen Streitkräfte erfolgen dürfe; JCS 2101/113 (16.12.1953), Iiistory of the JCS, S. 30-34. 462 Neuss, Geburtshelfer, S. 109 ff., 137-143, 163 ff., 221-233; Kaplan, United States, S. 160 ff. 4 " 3. Sitzung der Staats- und Regierungschefs (Bermuda-Konferenz), 6.12.1953, FRUS, 1952-54, V, S. 1800; Neuss, Geburtshelfer, S. 232; Hitchcock, France, S.162 f., 176, u.a.O. 464 Adenauer hielt den nach dem Spofford-Kompromiß vom November-Dezember 1950 zwischen den amerikanisch-britischen und französischen Anliegen möglichen Beginn der Aufstellung einer Bundeswehr dadurch auf, daß er Status- und Prestigefragen vorher geklärt sehen wollte; die Statusfragen wurden auch deshalb vorgetragen, weil die militärischen Berater/Experten dem Kanzler konträre Vorschläge unterbreitet hatten; zur Himmeroder Denkschrift s.u. Der Laupheimer Kreis hatte bereits im März 1948 die Möglichkeit konstatiert, den fällig werdenden deutschen Verteidigungsbeitrag als I Iebel zur Erlangung der Souveränität anzusetzen: Höfner, Aufrüstung, S. 66 ff.; Rupieper, NATO, S. 199. - Zum Hintergrund vgl. Trachtenberg, Nuclearization, S. 416 ff.; Wheeler, NATO; Wiggershaus, Entscheidung, S. 390 ff.; Maier, Politische Kontrolle, S. 41-49; Kaplan, United States, S. 160 ff. Der Spofford-Plan liegt als Microfiche 5: 190 i der britischen Aktenedition bei, DBPO, II, 1950. 465 Die Himmeroder Denkschrift vom 9.10.1950 umreißt den deutschen Anspruch. Sie sah 12 Divisionen vor; als Hauptaufgabe der Streitkräfte galt die »forward defense« zwischen Elbe und Rhein, um die Inbesitznahme bedeutsamer Teile als Faustpfand zu verhindern; gedacht war an Verbände, die zu beweglicher Kriegführung geeignet waren und aus der Verteidigung heraus Gegenangriffe starten könnten. Die deutschen Divisionen sollten einen echten Kampfauftrag erhal460

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die Europäer auf national ausgewogene, kriegführungs fähige Streitkräfte verzichten könnten, schien gegeben, weil der an der Konfrontationslinie des Kalten Kriegs gelegene westdeutsche Teilstaat nicht auf Selbstverteidigung, sondern auf »collective defense« bedacht sein mußte. Ein möglichst hoher konventioneller deutscher Verteidigungsbeitrag zu »balanced collective forces« entpuppte sich als die einzige Möglichkeit, um überhaupt in die Nähe der Mindestkampfstärke im Bereich Europa-Mitte (Central Front) zu gelangen. Der Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik war, wie Greiner zutreffend feststellt, der einzig zu erwartende Zuwachs für die NATO 466 . Aus der Sicht Washingtons bestand für die Europäer nur die Alternative, entweder selbst die notwendigen Rüstungslasten auf sich zu nehmen oder der Mitwirkung der Bundesrepublik als Lastenträger und gleichberechtigtem Partner zuzustimmen 467 . Paris agierte 1950 so, als ob Frankreich die erste Option realisieren wollte: Die Nationalversammlung bewilligte Ende Oktober 1950 die Aufstellung von bis zu 20 Divisionen. Angesichts der im Mai 1950 einsetzenden verstärkten Verlegung französischer Streitkräfte nach Indochina und der im Oktober 1950 erlittenen Niederlage bei Cao-Bang stellte die französische Gegenvorstellung jedoch bestenfalls eine »Lebenslüge« dar. Sie beruhte darauf, daß man den von Adenauer erhofften Machtgewinn der Bundesrepublik durch einen unentbehrlichen deutschen Verteidigungsbeitrag verhindern oder zumindest aufschieben könnte, indem die USA und Großbritannien 1. ihren Beitrag zur NATO-Streitmacht erhöhten und dauerhaft fesdegten, 2. Frankreich bei der Gewährung von Militärhilfe bevorzugten und ihm dadurch erlaubten, sowohl »mehr« fur die NATO zu leisten, d.h. ca. 18 Divisionen einzubringen, als auch die Position in den Kolonialgebieten zu verteidigen468. Obwohl die französische Gegenposition kritischen Nachfragen nicht Stand gehalten hätte, konnte Paris den Stellenwert Frankreichs ausreizen, weil die USA, ebensowenig wie Großbritannien, den »Westen« nicht spalten wollten: Frankreich sollte nicht dazu getrieben werden, die Unterstützung der UdSSR zu suchen und damit die Pattsituation von 1945-1947 in der Deutschland/Europa-Politik Wiederaufleben zu lassen469. Anders formuliert: Washington und London wollten sich nicht den Vorwurf einhandeln, daß sie sich Großmächte zu Feinden machten, statt mit ihnen über einen Ausgleich zu verhandeln. Die intensive Verhandlungsbereitschaft ten und nicht als »cover« für alliierte Rückzugoperationen dienen; die Stärke der Divisionen war mit 10 000 Mann doppelt so hoch veranschlagt wie die im Spofford-Kompromiß vorgesehenen »combat teams«; Schwartz, America's Germany, S. 212; Sicherheitspolitik der Bundesrepublik, II, S. 91 ff.; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 265 ff. 466 Greiner, Militärische Eingliederung, S. 712; die auf 1956 bezogene Aussage gilt ebenso für die Situation 1950/51 oder 1954; die Lissaboner Beschlüsse planten die deutschen Divisionen für den Soll-Stand - jeweils per Jahresende 1952-1954 - ausdrücklich ein. 447 Perkins an J.G.Parsons, 28.8.1951, NA, RG 59, 740.5 / 8 - 2851. 468 Soutou, Frankreich, S. 216-226; Neuss, Geburtshelfer, S. 87-109, 164, 174, 178, 189, 244 ff.; I litchcock, France, S. 142 f. w> Neuss, Geburtshelfer, S. 254 ff; Melandri, Troubled, S. 122.

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mit Frankreich470 sollte dokumentieren, daß der Vorwurf, sie scheuten Verhandlungen mit der »Großmacht« Sowjetunion, auf Moskau zurückfiele. Die Rücksichtnahme auf Frankreich hatte Folgen; Licht- und Schattenseiten lagen dabei dicht beieinander: 1. Die zeitliche Verzögerung eines deutschen Verteidigungsbeitrags471 bedingte, daß die frühen Überlegungen nunmehr dauerhaft fixiert wurden, wonach die NATO die konventionelle Unterlegenheit durch waffentechnologische Überlegenheit kompensieren müsse; mittel- und langfristig führte dies zur Festschreibung der First-use-Doktrin472. Als die Bundeswehr zwischen 1963 und 1965 die vorgesehene Kampfstärke nahezu erreichte, ordnete SACEUR erstmals — für eine Stabsübung — die Vorneverteidigung an der Elbgrenze an473; so gesehen gelangte man 1963 an den Punkt, der 1954 bzw. 1957 hätte erreicht werden sollen. In der Zwischenzeit (1956-1963) hatte die Bundesregierung sich so daran gewöhnt, die First-use-Doktrin als Abschreckung gegen jedwede Kriegshandlung474 in Europa zu preisen, daß sie der von den USA initiierten Flexibleresponse-Strategie475 mit Argwohn begegnete. Auch Großbritannien und Frankreich fühlten sich durch die Strategie-Änderungen des KennedyMcNamara-Gespanns an die Truman-Acheson-Nitze-Ära erinnert476, die ihnen eine explosionsartige Erhöhung der Verteidigungslasten abverlangt hatte. Sie hatten sich davon durch ihre Version einer Nuklearisierung befreit, als Schlußfolgerung daraus, daß man die Sowjetunion konventionell nicht besiegen könne; die nationale unabhängige Abschreckungskapazität würde aber reichen, um der Sowjetfuhrung das Anzetteln eines Kriegs in Europa auszureden; das fiel ihnen leicht, da sie die sowjetische Kriegsbereitschaft ohnehin als gering ein-

Vgl. Ruane, Rise, Kap. 4 und 5. Strauß erklärte den Alliierten das Hinauszögern und die vorläufige Reduzierung des deutschen Verteidigungsbeitrags unter anderem damit, daß die Bundesrepublik sich auf diese Weise nur den in der NATO entwickelten Vorstellungen anpasse; siehe im einzelnen Greiner, Militärische Eingliederung, S. 772-785; zu den finanz- und wirtschaftspolitischen Beweggründen: Abelshauser, Causes, S. 311 ff. 472 M.C. 48/1, § 8, NATO Strategy Documents, S. 258. Die Festlegung auf den Grundsatz »to initiate strategic air offensive« (1949/50) bzw. »atomic counter-attack« (D.C. 13) ergibt sich aus den beiden Annahmen einer sowjetischen »full-scale offensive« und der Einschätzung, daß die UdSSR sich auf ihre konventionelle Überlegenheit verlassen würde, wenn sie nicht mit dem Einsatz von Atomwaffen rechnen müßte: NATO Strategy Documents, S. 104, 117, 141, 174, 209, 222, 232 f., 237, 240, 297. 473 Heuser, NATO, S. 143; Tuschhoff, Wiederbewaffnung, S. 167 ff., 190 f.; Speidel, Zeitbetrachtungen, S. 57; de Maiziere, In der Pflicht, S. 200 f.; Gablik, Strategische Planungen, S. 141 ff., 156 ff., 196 f. «4 FRUS, 1955-57, XIX, S. 429, 473 f., 248, 409, 493 f., 618, 623, 647, 681 ff.; siehe I.2.g. «5 NSC 5602, FRUS, 1955-57, XIX, S. 242 ff., 508, 33, 195, 211 ff., 494 f.; NSC 5707, ebd., S. 446 ff., 464 ff., 480 ff., 488 ff., 508 ff. - Zur Unterscheidung zwischen dem Flexibilitätskonzept und der von Kennedy und McNamara betriebenen »Flexible-response«-Strategie (MC 14/3) führt Heuser - NATO, S. 40 f. - den Begriff »differentiated responses« ein. 476 Acheson und Nitze nahmen in der Anfangsphase der Kennedy-Administration wichtige »policy planning« Aufgaben wahr. 470 471

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schätzten 477 . Mit Blick auf die ungelöste Situation in der Berlin-Frage, in der Ulbricht die sowjetische Risikobereitschaft zu schüren suchte, teilten Adenauer und Dulles den britischen und französischen Zweckoptimismus nicht. In der amerikanischen internen »contingency planning« dachte man daran, den Leitsatz »to be prepared to act alone if it would serve its best interest« auch in der Berlin-Frage anzuwenden. Der Umstand, daß sie dabei in Anbetracht der militärischen Kräfteverhältnisse vor Ort den Einsatz von Kernwaffen nicht ausschließen wollten 478 , veranlaßte die britische und die französische Regierung dazu, ihre Mitwirkung auf die Stufe der hypothetischen Planung zu begrenzen, ohne prä judizier ende Wirkung auf die Entscheidung im Ernstfall479. Eine Möglichkeit, dem Dilemma zu entrinnen, wo man die Reizschwelle für eine Beschädigung des Vertrauensverhältnisses zum deutschen Verbündeten ansetzen sollte480, sah man in der Anerkennung der DDR-Behörden als »agents« der sowjetischen Vormacht 481 . 2. Die Optionen für eine Entente nucleaire zwischen Großbritannien und Frankreich oder eine französisch-deutsch-italienische oder eine WEUNuklearstreitmacht blieben Testballons. Dadurch, daß Frankreich und Großbritannien ihre Nuklearmachtstellung als politisches Instrument begriffen, um die Statusdifferenz gegenüber der Bundesrepublik zu betonen, blieb Bonn nur die von den USA gebotene, allerdings ebenfalls politischem Kalkül unterworfene Option einer nuklearen Mitsprache in der NATO 482 . Die logische Folge war, daß in dem Maße, in dem die Bundesrepublik das Vertrauen der USA gewann und die USA Bonns Atlantizismus mit allen Mitteln — bis hin zur Einwirkung Washingtons auf London, die Bundesrepublik als Freund zu behandeln — sichern wollten, die Selbstmarginalisierung Frankreichs unter de Gaulle in der Verteidigungspolitik voranschritt. 3. Die Option der USA für einen vollwertigen Verteidigungsbeitrag bedeutete für die Bundesrepublik fortgesetzten amerikanischen Druck, diesen so zügig wie möglich einzubringen. Als es Verzögerungen gab, wurde Bonn gleichzeitig (1955-1962) auch der Adressat amerikanischer Beschwerden über die Unzuverlässigkeit und Trittbrettfahrer-Mentalität von ökonomisch gut-gestellten Verbündeten; Bonn erlebte das gleiche Wechselbad der Einwirkungen, das Pa™ Siehe III. 478 Im Falle der Sperrung des Zugangswegs nach Berlin durch die UdSSR sah NSC 5803 (7.2.1958) vor »almost immediate resort to nuclear weapons«; Pommerin, »massive retaliation«, S. 531; Trachtenberg, Constructed, S. 165 ff., 192, 275 ff. -»' NSC 5404/1, U.S. Policy on Berlin (26.1.1954), NA, RG 273; ausfuhrlich: Trachtenberg, Ilistorv, S. 130 f., 209-221; FRUS, 1955-57, XIX, S. 206, 503. 480 Nicht-Anerkennung der DDR war die Rückzugsposition der Westmächte gegenüber der Zusage, das Streben nach (Wiedervereinigung zu unterstützen; aus Bonner Sicht hieß dies »die deutsche Frage offen halten«. 481 Problems arising from the Soviet Declaration of »GDR« Sovereignty, 23.8.1954, Ν A, RG 59, 762.022/8 - 2354,1IICOM / Ρ (54) 5. 482 Schmidt, Vom Anglo-amerikanischen Duopol; ders., Test; Großbritannien und Europa, S. 176 ff., 195 ff., 240 ff.

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ris 1948-1955 erfahren hatte. Die — zeitweilig enttäuschten — amerikanischen Hoffnungen, daß die Bundesrepublik aufgrund ihrer exponierten Lage und wegen ihres Interesses an möglichst lückenloser Landesverteidigung mit gleichsam sofortiger Wirkung jene Leistungen in der NATO erbringen würde, die die USA von der europäischen Säule aufgrund britischer (WUDO, WEU)483 und französischer Initiativen (EVG) erwartet hatte, und die von Bonn kultivierte Abhängigkeit von den USA in Sicherheits- und Verteidigungsfragen konstituierten ein spannungsträchtiges (!) deutsch-amerikanisches Sonderverhältnis als Merkmal der NA TO-Struktur. 4. Die gleichsam durch Anschauungsunterricht untermauerte Vorstellung, daß die Westdeutschen mit ihrer Schutzmacht und dem Adenauer-Regime mehr Glück hatten als die Ostdeutschen mit der UdSSR und dem Ulbricht-Regime, erwies sich als standfest genug, um die amerikanischen Zumutungen zu überstehen, daß Bonn sich den Kurswechseln der USA anpassen müsse. 1950-1955 hatte Washington Adenauer darin bestärkt, den innenpolitisch schwierigen Kampf für die konventionelle Aufrüstung der Bundesrepublik zu wagen. Nachdem Adenauer diese Auseinandersetzung erfolgreich durchgestanden hatte, änderten die USA den Kurs und setzten auf die Nuklearstrategie485. Obwohl die USA Adenauer damit den Teppich unter den Füßen wegzogen, erwarteten sie von ihm die Einwilligung in ein strategisches Konzept, gegen das sich der Bundeskanzler sträubte486. Doch sobald er auch diese Anpassung an die Nuklearstrategie vollzogen hatte487, begannen die Kritiker in den USA nach einer Revision der Nuklearstrategie zu rufen und die Rückkehr zu mehr konventioneller Verteidigung zu verlangen. Mit der Wahl Kennedys zum Präsidenten kamen diese Kritiker488 ans Ruder, und damit hielt die »Rekonventionalisierung« der Bündnisstrategie wieder Einzug in die Verhandlungen. 5. Um die Distanz zwischen ihrer eigenen Position und der Rolle der Bundesrepublik als potentiellem bzw. neuem Verbündeten zu wahren, standen Großbritannien und Frankreich mehrere Möglichkeiten zur Wahl. Die erste hätte darin bestanden, kontinuierlich zur Sicherstellung der Conventional Force Requirements der NATO beizutragen, um die Fesdegung von Obergrenzen für Umfang und Ausrüstung der Bundeswehr der Sache nach zu rechtfertigen oder der NATO Spielraum für die von Paris und London angestrebte RüZur Enttäuschung der USA über die »Ausdünnung« und den Abzug britischer Streitkräfte: FRUS, 1955-57, XIX, S. 364 ff., 411 ff., 428 ff., 473 ff. 484 Hanrieder, FRG, S. 198 ff.; Schmidt, 50 Years; ders., Sicherheitspolitische und wirtschaftliche Dimensionen; ders., Test. 485 D e r Radford-Plan gab die Richtung an, auch wenn er — z.T. wegen politisch-psychologischer Rücksichtnahmen vor allem auf Adenauer - nicht strikt befolgt wurde. Die Wortführer der »differentiated response« konnten sich nur schrittweise voranarbeiten; siehe I.2.g. 486 Sitzung des Bundeskabinetts, 20.7.1956, Kabinettsprotokolle, IX, S. 484-489; zu Heusingers Vorstellungen vgl. Greiner, Militärische Eingliederung, S. 740 f.; siehe I.l.e. 487 Greiner, Militärische Eingliederung, S. 766 ff. 488 y o r allem Taylor; zu Taylors Argumenten und Stellungnahmen in den Ressortkonflikten: FRUS, 1955-57, XIX, S. 210 ff., 311 ff., 387; Parker, Colonels' Revolt. 485

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stungskontroll- und -begrenzungsvereinbarungen mit Moskau zu verschaffen; dies schied aus den geschilderten Gründen aus. Die zweite Option - Warnung vor schneller deutscher Aufrüstung als Provokation der UdSSR (1950-1952) — genauso wie die nachfolgende dritte (ab 1953) — Bestreiten einer sowjetischen Gefahr bei gleichzeitigem Aufbau einer nationalen Nuklearstreitkraft zwecks Abschreckung der UdSSR - mußten die USA und die Bundesrepublik irritieren; indem sie den Sondeiweg einer (vermeintlich) unabhängigen, dem politischen Zweck der Einflußsicherung auf Moskau und Washington gleichermaßen dienstbaren Nuklearmacht einschlugen, behinderten sie die von den USA, SACEUR und der Bundesrepublik präferierten multilateralen Problemlösungen489. Die britischen Regierungen und de Gaulle wählten die Option einer Europäisierung ihres nationalen atomaren Schutzschirmes — durch Ausdehnung des Sanktuariums auf die WEU-Partner — in ihren internen Überlegungen ab490. Das effektive Zusammenwirken in der NATO beruhte demnach auf vier Eckpunkten: - auf der Glaubwürdigkeit der US-Abschreckung, — auf der von den USA und der Bundesrepublik dislozierten konventionellen Abwehrfähigkeit, — auf dem anglo-amerikanischen nuklear-strategischen Duopol, - auf dem fortwährenden Bemühen von SACEUR/SMAPE, der US-Regierungen und französischer Amtsinhaber, dafür zu sorgen, daß der immer dünner werdende Faden zwischen der NATO und Frankreich nicht endgültig riß. Daran wird ersichtlich, daß jedes Mitglied eine besondere Beziehung zu den USA unter dem Dach der NATO suchte und besondere Anforderungen an die amerikanische Führungsmacht stellte491. Für Großbritannien ging es um die Absicherung der Position und Rolle als zweites Entscheidungszentrum in der westlichen Welt in globalstrategischen 492 und Weltwährungsfragen 493 . Für Frankreich ging es 489 490

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Schmidt, Großbritannien und Europa, S. 169-314. Eden - 27.8.1954 (PRO, CAB 128 - 27) - Schloß mit Rücksicht auf die besonderen Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien in der Nukleardiplomatie einen britischen Beitritt zu einer modifizierten EVG (im Rahmen der NATO) aus; Deighton, Last Piece, S. 184; im Winter 1956/57 und im Mai 1957 wies das Kabinett Vorschläge einer militärischen Atom-Pool-Bildung im europäischen Rahmen zurück; Schmidt, Tying; ders., Sichtbare I land. Im Falle Frankreichs kam es seit den frühen 1960er Jahren zur Inkompatibilität zwischen französischer und NATOStrategie und Streitkräftestruktur. In der Ubergangsphase von der Entscheidung für eine nationale Nuklearstreitmacht 1954-1956 bis zu de Gaulies Insistieren auf ausschließlich seinen Vorstellungen genügenden »Kompromissen« hielt sich Frankreich die Optionen offen; Vaisse, IntraAUiance, S. 141 ff.; Rühl, NATO. Die an der Nord- bzw. Südflanke gelegenen Mitgliedsstaaten der NATO erreichten eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen zu ihren Gunsten, mußten jedoch gleichzeitig amerikanischen Interessen am strategischen Nutzwert z.B. Italiens oder Portugals Rechnung tragen; der Forschungsstand ist in den von Wiggershaus und I leinemann sowie I larder edierten jüngsten Sammelbänden des MGFA dokumentiert. Schmidt, Politische und sicherheitspolitische Dimensionen, S. 107-142; ders.. Vom Angloamerikanischen Duopol; Ball, Militär)'; Mollin, Zwischen Blockade. Betr. ^-Gebiet als Äquivalent zum Dollarraum, s.o.

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um den Anspruch auf Gleichbehandlung mit Großbritannien seitens der USA und damit um Verabredung eines Dreierdirektoriums494 oder um amerikanische Tolerierung der französischen Versuche, entweder auf sich gestellt oder in Verbindung mit Italien, der Bundesrepublik und ggf. Großbritannien eine Position und Rolle als dritte Kraft einzunehmen, gestützt auf das Schlagwort, für mehr Europäisierung der Verteidigung (West)Europas zu sorgen495. Für die Bundesrepublik kam es darauf an, daß möglichst alle Verbündeten — über das Schichttortenprinzip496 — in die Vorneverteidigung eingebunden blieben und daß die Bundesregierungen über Mitwirkungsrechte in der NATO (vierte Atommacht; MLF) ihren Einfluß auf den Kurs der USA bezüglich Strategiewandel, Rüstungskontrolle und Ostpolitik (Detente) geltend machen konnten. Für Italien497 sowie die Niederlande498, Portugal, Griechenland und die Türkei war die Vorstellung attraktiv, daß die Präsenz der USA auf ihrem Territorium helfen würde, die Kosten der eigenen Verteidigungspolitik zu senken499 und sich den Anspruch auf amerikanische Stabilisierungshilfe zu sichern, auch wenn die Stützpunktfrage innenpolitisch für Protest sorgte. Italien und die Niederlande drängten auf die britische Mitwirkung in der europäischen Säule der Adantischen Allianz, um ein Gegengewicht zur Vormachtstellung Frankreichs (bzw. späterhin einer Gängelung durch Frankreich und Deutschland) zu schaffen; Großbritannien bestand gleichfalls auf einem dauerhaften Engagement der USA, was nur realisierbar war, wenn eine Parallelorganisadon500 und ein territoriales Aufgabensplitting zwischen NATO und Europa-Streitmacht (EVG, WEU) ausgeschlossen wurde501. 494

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Neuss, Geburtshelfer, S. 185, 213 f., 230 f., 262 f.; Soutou, Frankreich, S. 216-226; Loth, Sicherheit, S. 317. Zum sog. FID-Projekt: Schmitt, Frankreich, S. 23 f., 27 ff., 34 ff.; Soutou, L'alliance, S. 83 ff., 98 ff.; Vaisse, Un dialogue, S. 408 ff.; Fischer, Reaktion der Bundesregierung, S. 116 ff.; Melandri, Les Etats-Unis, S. 125 ff. Es bestand de facto seit 1959; Kugler, Commitment, S. 72 f., 102 f.; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 832 ff. Nuti, Italy and the Nuclear Choices, S. 222 ff.; Magagnoli, Italien; Varsori, Italien, S. 246 ff. Harst, From Neutrality, S. 38 ff.; Megens, American Aid; Kersten, Außen- und Bündnispolitik, S. 168 ff. Die Verteidigung durch die USA müsse effektiv sein; erreichten die USA durch Nuklearisierung »more bang for the buck«, würde die Notwendigkeit entfallen, starke nationale konventionelle Streitkräfte vorzuhalten. Diese Überlegungen wogen die Bedenken auf, die sich gegen die Stationierung von Nuklearsystemen und die Präsenz amerikanischer Truppen (zur Bewachung der Stützpunkte etc.) richteten; FRUS, 1955-57, XIX, S. 333 ff., 352, 366, 412, 430, 473 ff., 476 ff., 621, 657 f., 703 f., 709. Parallel zur Einlösung des amerikanischen Versprechens, den ersten SACEUR zu stellen und die bisherige militärische Präsenz (Besatzungstruppen) um 4 Divisionen zu erweitern, beschloß der Consultative Council der Brüsseler Vertragsorganisation am 20.12.1950, die militärische Struktur der BTO aufzulösen; Dietl, Westeuropäische Union, S. 77; Pedlow, Putting, S. 159. S.o. und II.4. In Fragen der Strategie-Planung, Kommandostrukturen etc. mußte nach britischer Auffassung die NATO der EVG vorgeordnet bleiben; die auf der Lissaboner Tagung gebilligte vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen NATO und EVG sah dies vor, ebenso die Londoner Konferenz betr. das Verhältnis zwischen NATO und WEU. Die belgische Regierung trat für eine vertragliche Fesdegung der Unterstellung der EVG unter die NATO ein - de Vos, Außenpolitik, S. 184. Die Niederlande, die seit Oktober 1951 an den Verhandlungen teilnahmen,

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Obwohl Eisenhower und Dulles offiziell die EVG-Lösung für sakrosankt erklärten und sich auf eine Rückkehr zur reinen NATO-Lösung nicht einlassen wollten, deutete Dulles gegenüber Adenauer, Spaak, Beyen und Bech eine Ausweichmöglichkeit an, die dem von Adenauer besonders wichtig genommenen politischen Aspekt der Westbindung an eine europäische Struktur diente.502. Bevor von deutscher ebenso wie von französischer Seite 1956/57 Konzepte einer »Europäisierung« der Verteidigungsstrukturen wieder aufgegriffen wurden, hatte eine Kette von Übereinkünften die Auffassung kultiviert und zum Richtwert der Zusammenarbeit verfestigt, daß verstärkte europäische Anstrengungen und Gemeinschaftsbildungen nicht in eine »Dritte-Kraft«-Haltung gegen die USA und deren Präponderanz in der NATO umschlagen dürften5"3. Die USA intervenierten, sobald sie Anzeichen eines Rückfalls in nationalistische Sonderwege5"4 oder eines »ganging-up« gegen ihre führende Rolle in der NATO entdeckten. Amerikanische Initiativen zur Verstärkung der Infrastruktur verfolgten die Absicht, einzelnen Mitgliedern den Verzicht auf »special relations« mit den USA nahezulegen und statt dessen mit einer Bündelung der Ressourcen in der NATO vorliebzunehmen5"5. Die Ausweitung der Aufgaben des SACEUR sollte die Scharnierfunktion

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unterstützten den Standpunkt, daß keine der NATO zugestandene Kompetenz auf die EVG übertragen werden dürfe — Kersten, Außen- und Bündnispolitik, S. 171. Es ist bezeichnend, daß Großbritannien bei der Rettungsaktion im August/September 1954 angesichts des Scheiterns des EVG-Projekts von »litde NATO« innerhalb der NATO sprach; mit dieser Programmatik konnte sich Mendes France anfreunden, vorausgesetzt, Großbritannien unterstützte Frankreich in dem Bestreben, Kontrollinstrumente aus dem EVG-Vertrag in die WEU zu übernehmen. Er rückte von der Forderung ab, die Bundesrepublik nur in die WEU, nicht aber in die NATO aufzunehmen; Parodi hatte Mendes France den Abschluß eines neuen Vertrags zwischen den EVGLändern und Großbritannien empfohlen und dies als »kleine NATO« bezeichnet — doch anders als die NATO sollte die neue Vertragsgemeinschaft gemeinsame Rüstungsproduktion in ihr Statut aufnehmen. Zur inner-französischen Auseinandersetzung in der Ära Mendes France: Pierre Mendes France et le röle; Hitchcock, France, S. 192 f.; Bericht J.F. Dulles' an ausgewählte USBotschaften, 23.9.1954: FRUS, 1952-54, V, S. 1245 f.; Neuss, Geburtshelfer, S. 258 ff., 251, 149, 161, 230 ff. »We have tried to work out a formula which would enable the United Kingdom to participate equally with France and Germany [...]: the extension and adaptation of the Brussels Treaty Organisation with its automatic guarantees of assistance and machinery for political consultation to include Germany and Italy. All this would be within NATO and avoid dangerous duplication of our NATO defence system.« Dulles-Bericht über seine Gespräche mit europäischen Regierungschefs, 3.7.1954, J.F. Dulles Papers, 1951-59, Subject series, Box 8, Germany 1953-4. Dockrill, Britain's Policy, S. 162; Guillen, Frankreich und die NATO-Integration; Died, Westeuropäische Union, S. 77 f. Das Rickards-Amendment gab der US-Regierung eine I landhabe, »integrationsfeindlichen« Verbündeten die Unterstützung zu entziehen; es fixierte gleichsam die Konsequenzen, die sich hinter dem von Dulles angedrohten »agonizing reappraisal« verbargen. In der EVG-Krise setzten die USA die Offshore-Beschaffungen aus Frankreich aus und drängten bis zuletzt auf die Eröffnung des Ratifikationsverfahrens; siehe die Zeugnisse in FRUS, 1952-54, V, S. 1380 ff., 1443 ff., 1448 f.; Neuss, Geburtshelfer, S. 249 f.; Ruane, Rise, S. 48 f. Auf der Londoner Konferenz vom 28.9. bis 3.10.1954 faßten die »Parteien« eine Reihe von Beschlüssen, die SACEURs Kompetenzen erweiterten (Sektion IV des Londoner Abkommens); FRUS, 1952-54, V, S. 1345 ff.; Meier-Dörnberg, NATO, S. 218 ff.; Docknil, Britain's Policy, S. 158; Ruane, Rise, S. 164.

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zwischen dem Oberkommando über die amerikanischen Streitkräfte in Europa und den in Friedenszeiten integrierten NATO-Europa-Streitkräften stabilisieren. »[...] an integrated force [...] would be placed under a Supreme Commander who will have sufficient delegated authority to ensure that national units allocated to his command are organized and trained into an effective, integrated force in time of peace as well as in the event of war50''.« Im Gegenzug erhielten die europäischen NATO-Partner die historisch betrachtet einmalige Gewähr eines kollektiven Schutzschildes, das durch die Übernahme des Oberbefehls durch den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte Europa und durch die Uberschreibung amerikanischer Divisionen auf das NATO-»Konto« gestärkt und geschützt wurde. »The acceptance of the strategic concept of balanced collective forces was a landmark for the alliance. [...] The defense of Western Europe was no longer conceived as being uphold by the collection of states that had signed the North Atlantic Treaty, but rather by the organisation that the signatories had spawned' 07 .«

Der Ausbau der Vertragsgemeinschaft zur NATO bedeutete zwar nicht, daß die Mitgliedsstaaten als selbständige Akteure in den Hintergrund traten; die wichtigsten Entscheidungen fielen immer noch in den Hauptorten Washington und London und in den anderen nationalen Hauptstädten. Die gemeinsame Fesdegung auf bestimmte Strategien, Infrastrukturen, Waffensysteme etc. wirkte jedoch als Vorgabe für die nationale Verteidigungsplanung der Mitglieder508 und verfestigte die Auffassung, daß die internationale Organisation NATO Sicherheit biete. Quer zu den Integrationstendenzen lag allerdings die dezentrale, von den einzelnen Staatshaushalten bestimmte Mittelzuweisung 509 ; die Übereinkunft, daß die Mitgliedsstaaten zwar die Streitkräfteziele gemeinsam beschließen, daß aber die Bestimmung der wirksamsten Form der Assignierung von Streitkräften sich nach den jeweils »national« verfügbaren Mitteln richten müsse, gab den Regierungen die Handhabe, die Rüstungsanstrengungen dorthin zu verlegen, »wo es (ihnen) nützlich schien und wo (sie) es bezahlen zu können glaubten«510. Die Einzigartigkeit der NATO bestand so gesehen darin, daß 1. die Institution sich so entwickelte, daß sie als Sicherheitsgarant wirkte, 506

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Resolution des New Yorker NATO-Ratstreffens, 26.9.1950: Pedlow, Putting, S. 157. Allerdings hatte SACEUR in Friedenszeiten keine Befehlsgewalt über die »integrierten« Streitkräfte, siehe Schwengler, Sicherheit, S. 105. Zur militärischen und diplomatischen Rolle des SACEUR: Generals in International Politics; Jordan, Norstad. Thomas, Promise, S. 30. Das von Eisenhower als erstem SACEUR angestrebte und verwirklichte Integrated Command und die von ihm gegenüber dem US-Senat befürwortete Entsendung zusätzlicher Divisionen nach Europa trugen maßgeblich dazu bei, daß die europäischen Verteidigungsministerien dem Konzept integrierter Streitkräfte Vertrauen schenkten. Tuschhoff, M.C. 70; ders., Wiederbewaffnung, S. 190 ff.; Pedlow; Putting, S. 157 ff.; Hammerich, Operation, S. 150 f.; Pommerin, Von der »massive retaliation«; Steinhoff/Pommerin, Strategiewechsel. Greiner, Militärische Eingliederung, S. 709; C-M (55)/120, 15.12.1955; Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 94 f., 120 ff. Greiner, Militärische Eingliederung, S. 709; M.C. 14/2 (revised), § 2, 6.4.1957, NATO Strategy Documents, S. 283.

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2. die »Zentralisierung« aufgrund der Einbeziehung amerikanischer und britischer nuklearer und konventioneller Kapazitäten die Zuverlässigkeit der »collective balanced forces« garantierte. Als Ausweg aus den wiederkehrenden Krisen verhalf »Zentralisierung« darüber hinweg, daß die Mitgliedsländer ihr Recht auf Bewilligung der Ressourcen und damit die ökonomische Ratio höher bewerteten als die aus der militärstrategischen Ratio hergeleiteten Aufgaben und Ausgabenverpflichtungen. Eine westeuropäische Parallelorganisation hätte Vergleichbares nur leisten können, 1. wenn Frankreich und/oder Großbritannien als »Leitmächte« dem europäischen Verbund mindestens so viel Ressourcen überschrieben und den anderen Mitgliedern so viel Mitwirkung an Entscheidungen zugesichert hätten, wie die USA dies im Rahmen der NATO taten, und gewillt und in der Lage gewesen wären, die weitergehende institutionelle Garantie der WUDO bzw. WEU ohne Rückversicherung bei den USA einzulösen; 2. wenn die anderen Mitglieder der vorne-verteidigten Bundesrepublik einen Vertrauensvorschuß gewährten 511 ; sie würde dann eine ihrer exponierten Lage gemäße politisch-diplomatische und militärische Verantwortung ausüben können. »Zentralisierung« wurde jedoch von einigen NATO-Partnern als verkapptes Unterfangen zur Etablierung einer deutsch-amerikanischen »bigemony« 512 ausgegeben511, und zwar als Quittung dafür, daß Großbritannien und Frankreich die Aufwertung der NATO-Organe zur strategischen Planungs- und Lenkungszentrale entschieden ablehnten514. Da SACEUR auf die Bundesrepublik wegen des für ihn zentral wichtigen Beitrags der Bundeswehr zur NATO-Stärke Rücksicht nehmen müßte, könnte er sich als Anwalt deutscher Standpunkte verstehen und diesen in Washington ähnlich Gehör verschaffen wie es Großbritannien und Frankreich über ihren direkten Draht als Nuklearmacht, Mitglied in der Standing Group etc. bereits vergönnt war. Wie immer sich das komplexe Verhältnis zwischen — der »eingeladenen« Führungsmacht USA,

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Acheson hatte Schuman dazu in seinem Schreiben vom 30.10.1949 aufgefordert. Siehe I, Anm. 560. Der Begriff »bigemony« ist von F. Bergsten im Hinblick auf S-DM-Beziehungen in den 19 7 0er Jahren geprägt worden. Eine Übertragung des Begriffs auf die sich seit Ende der 1950er Jahre abzeichnende »correlation of forces:< in der N A T O ist zwar problematisch, aber aussagekräftig. Der Begriff schließt in beiden Anwendungen ein, daß die Beziehungen äußerst angespannt waren, weil beide die einzigen Lastenträger waren, die zusätzliche Belastungen auch innenpolitisch verkraften konnten. Anknüpfungspunkte dafür waren vorhanden: SACEUR sollte einerseits »Kontrolleur« der European (Defense)Force und insbesondere de facto Oberbefehlshaber der integrierten deutschen Streitkräfte sein — Trachtenberg, Constructed, S. 107 ff., 120 ff. - , andererseits war er Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa. Eden und Macmillan pochten darauf, daß die britischen Beziehungen zu den USA nicht nur besonderer Art seien, sondern auch der NAT(O) vorausgingen; also dürfte das Duopol nicht durch Vorschläge entkräftet werden, die auf eine Eingliederung der britischen Nuklearstreitkraft in eine NATO-MRBM hinausliefen; Großbritannien und Europa; Schmidt, Sichtbare I land.

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— den »einladenden«, sich als Sprachrohr europäischer Sicherheitsbegehren gerierenden (jedoch miteinander rivalisierenden) Großmächten Frankreich und Großbritannien und — der Bundesrepublik als exponiertestem 515 Mitglied der westlichen Systeme in der Konsolidierungs-Phase des Kalten Kriegs und in den nachfolgenden Wechselschritten von Block-Konsolidierung und Entspannung im Ost-West-Konflikt entwickelte 516 , so ist festzuhalten, daß die Option der USA für den westdeutschen Teilstaat als Schlüssel %ur Neugestaltung (Westeuropas1 ein originäres und von Eigendynamik bestimmtes amerikanisches Anliegen war. Um einer Wiederholung ähnlicher Entwicklungen wie nach dem Ersten Weltkrieg vorzubeugen 518 , wollten die USA beide Kriegsgegner, Deutschland und Japan, in westlichen Systemen verankern; weder sollten Deutschland noch Japan Revanche an den Siegermächten nehmen, worauf die Militärplanung in den Jahren 1944-1946 noch beruht hatte, oder den Status quo verändern können; noch dürften sie sowjetischem Zugriff anheimfallen. In der Sicht von Acheson, Dulles und ihrer engsten Mitarbeiter stellte sich für die USA — vor der und unabhängig von der Annahme der globalen Machtprobe-Konfrontation mit der Sowjetunion — die Aufgabe, das Zeitalter der in Weltkriege ausartenden europäischen Bürgerkriege zu beenden und statt dessen den europäischen Zusammenschluß zu betreiben519. Die Westintegration (West)Deutschlands und die Restrukturierung der »Region« (West)Europa bildete eine vom Auf und Ab des Ost-West-Konflikts unabhängige, allerdings in ihren Realisierungschancen abhängige Zielsetzung. »Even if there were no Russia, even if there were no communism, we would have very grave problems in trying to exist and strengthen those parts of the free world which have been so badly shaken by the war and its consequences520.« Die USA boten Frankreich die Führungsrolle bei der Einigung Europas an521, die Großbritannien wegen der Aversion gegen Integration und Supranationalität und Der Druck der Sowjetunion auf die anderen an der Ost-West-Konfliktfront gelegenen Staaten Norwegen, Dänemark, Griechenland, Türkei - ließ nach deren Eintritt in die NATO nach, während er gegenüber der Bundesrepublik nach 1955 kontinuierlich gesteigert wurde, unbeschadet der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik im September 1955; dem Berlin-Ultimatum gingen Schikanen im Reiseverkehr und bei der Luftraum-Nutzung voraus; parallel dazu organisierte Moskau die Kampagne gegen die »Atommacht Bundesrepublik«. Beides überlagerte sich in der zweiten großen Berlin-Krise. 516 Large, Grand Illusions; Dietl, Westeuropäische Union, S. 67-86. 517 Daß Vergleichbares für Japan im Fernen Osten gilt, ergibt die volle Dramaturgie des Ost-WestKonfliktes; siehe Amerikas Option. 5 , 8 Zur These der Truman-, Eisenhower- und Johnson-Administrationen, aus den Fehlern der Wilson-Ära lernen zu müssen, vgl. Hampton, Wilsonian Impulse, S. 54, 73 ff., 80 ff., 100; Gilpin, Political Economy; Amerikas Option, S. 29 ff.; Haine, Winning Teams, S. 85 ff. 519 Zu Acheson und Kennan: Harper, American Visions; zu Dulles: Görtemaker, Dulles, S. 24 f.; Pruessen, John Foster Dulles, I, S. 392 ff.; Haine, Winning Teams, S. 85 ff. 520 Acheson, zit. nach LaFeber, Clash, S. 278. 521 Mit dem Angebot wollten die USA das Risiko ausschließen, daß Frankreich mit der UdSSR zusammenwirkte; das ersichtliche Interesse an der Verfügung über Deutschlands Ressourcen hätte Frankreich und »Rußland« zusammenführen können. Die 1947/48 gemachten Erfahrungen nahmen Paris jedoch gegen den Kreml ein; siehe oben II.l und 2. 515

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wegen der Perspektive, selbst zweite Säule der westlichen Welt zu bleiben, ausschlug. In der NATO, wo die USA pragmatische, ihren Zwecken dienende »Zentralisierungs«-Tendenzen an Stelle des von Frankreich gewünschten politischen Uberbaus durchsetzte, belegte Großbritannien gleichsam den zweiten Platz neben den USA auf der Kommandobrücke 522 . Das Zugeständnis hatte zur Folge, daß Frankreich sowohl die taktische Reihenfolge der Schritte, nämlich Vorrang des Schuman-Plans vor dem Pleven-Plan (2. Monnet-Plan), als auch Tempo und Rhythmus der Westbindung (West)Deutschlands in der Hand hatte. So scheiterten alle Bemühungen, den Deutschlandvertrag vorzuziehen 523 , um Adenauer-Deutschland eine ähnliche Aufwertung zu geben wie sie der DDR durch die Souveränitätserklärung seitens der UdSSR am 25. März 1954 zuteil wurde. Unter Berufung auf den Nordatlantikvertrag, der die Erweiterung der Mitgliedschaft an die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente koppelte, erhielt Frankreich das Veto gegen den NATO-Beitritt der Bundesrepublik aufrecht und setzte durch, daß die NATO auf eine Rekrutierung deutscher Soldaten verzichtete — diese sollten nur für eine Europa-Armee ausgehoben werden. Damit war der legale Beginn der Vorbereitung des deutschen Verteidigungsbeitrags an die Ratifizierung der EVG- und Deutschlandverträge durch die Assemblee Nationale gebunden 524 . Zur französischen Position als Schleusenwart der intra-westeuropäisch (kontinental)en Zusammenarbeit gab es in den Jahren 1947-1955 keine Alternative. Solange die britischen Machteliten globale Ambitionen hegten und pflegten und die USA darauf Wert legten, daß Großbritannien in Malaysia, Singapur und Hongkong sowie in Süd- und Ostafrika und im Mittleren Osten militärisch präsent blieb525, gehörte die Betonung der Unterschiede zwischen den Europäern und der Weltmacht Großbritannien im inner-britischen ebenso wie im britischamerikanischen Dialog zum guten Ton. Das hinderte britische Politiker zwar nicht

Andere Regierungen wie die Niederlande unterschieden gleichfalls zwischen NATO-Sicherheitsund europäischer Wirtschaftsintegration: Kersten, Niederlande, S. 170 f. =23 Neuss, Geburtshelfer, S. 109, 137 ff., 224 ff., 242 ff.; Küsters, Souveränität, S. 503-535, 510. Im März 1953 gab Adenauer den USA direkt - durch die Blankenhorn-Mission - und Großbritannien zu verstehen, daß er bereit sei, das Junktim zwischen Generalvertrag (d.h. deutschem Souveränitätsvorbehalt) und EVG-Vertrag (d.h. als einziger von Frankreich »zugelassener« Instanz zur Rekrutierung und Aufnahme deutscher Soldaten) aufzulösen, damit die Aushebung und das Training deutscher Soldaten beginnen könne; außerdem sollte die Grenzpolizei verstärkt werden. Ein Grund für den Vorstoß waren Nachrichten, daß nur geringe Aussichten auf eine Ratifizierung der Verträge durch Frankreich bestünden. Die Ratifizierung durch die deutschen Verfassungsorgane sollte genügen, um den Weg zur NATO (und eventuellen UN-)Mitgliedschaft zu bahnen; siehe Larres, Integrating, S. 41; Conant an Dulles, 17.3.1953, FRUS, 1952-54, VII, S. 405-408; MacArthur II Memorandum für Dulles, 23.3.1953, ebd., S. 416-419. Trotz aller Kritik an Frankreichs »Blockade«-! laltung wollten weder Eisenhower/Dulles noch Eden auf die EVG verzichten oder eine Brüskierung Frankreichs auf »deutsches Geheiß« zulassen. 524 Neuss, Geburtshelfer, S. 161, 121 ff., 140 ff. 525 Kent, British Imperial; Schmidt, Sichtbare I land; ders., Vom Anglo-Amerikanischen Duopol. 522

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daran, den alten Ruf anzustimmen »Britain must give a lead to Europe« 526 und im Notfall eine Rettungsaktion zu organisieren, wie beim Auftakt zur Marshall-PlanAktion im Juni 1947 und zur Gründung der WEU im September 1954, doch hielt man Europa — nach ersten Anzeichen der Entspannung in Europa — nicht länger für den prädestinierten Ort zur Verwendung eigener knapper Ressourcen 527 ; die Sprachregelung »Transformation in eine europäische Macht« kam erst in den späten 1960er Jahren auf. Die Variante, daß Großbritannien in eine europäische Verteidigungsorganisation mehr investierte, um anstelle oder unabhängig von den USA die Kapazitäten der WEU-NATO aufzustocken, stieß in der britischen Politik auf zu viele automatisch aufgetischte Vorbehalte, um ernsthaft geprüft zu werden. Die andere Variante, daß die USA hauptsächlich auf die Bundesrepublik setzten, wurde nach den Weichenstellungen »NATO-Beitritt 1955« und »PostSuez-Krise 1956«528 spruchreif, stand aber unter dem Handicap, daß Bonn nunmehr den »gatekeeper« nach Osten spielen wollte529 und dabei darauf bestand, daß die Westmächte, voran die USA, sich aktiv zugunsten der Wiedervereinigung engagierten, statt die Bundesregierung zur Normalisierung der Beziehungen mit der D D R als zweiten deutschen Staat zu drängen. Außerdem hatten nunmehr die deutschen Bindungen an Frankreich, aber auch das Festhalten der USA am deutsch-französischen Rapprochement als Basis ihrer Präsenz in Europa, eine derartige Bedeutung erlangt, daß die Option für ein deutsch-amerikanisches »Bündnis im Bündnis« 530 auf Kosten der deutsch-französischen Europa-Politik et vice versa wenig realistisch erschien. c. Wie organisiert sich Westeuropa? Europäische Sicherheit und Ambitionen der europäischen Westmächte in Ubersee Die neun Westmächte fanden sich 1947/48 in der Uberzeugung zusammen, daß die Marshall-Plan-Aktion durch eine nordamerikanische Sicherheitsgarantie abgerundet werden müsse. Über den ersten Schritt, die Umhegung des Brüsseler Paktes (Western Union) durch die nordatlantische Vertragsgemeinschaft, herrschte noch Einvernehmen; dieses hörte auf, als es um den logischerweise anschließenden Schritt einer Osterweiterung der N A T O um die Bundesrepublik und die mögliche Abhängigkeit Westeuropas vom deutschen Verteidigungsbeitrag ging und die Bevin ergriff 1947-49 die Gelegenheit, »Europe« in Militär- und Sicherheitsfragen Führung zu geben, mit beiden Händen - Bell, France and Britain, S. 104. Eden wiederholte dies im September 1954, siehe I.l.e und II.5. 527 Schmidt, Labour-Regierung. 528 Siehe III.6; gemeint sind der Genfer Gipfel, Chruscevs Proklamation der Zweistaatentheorie und die »weiche« Politik Adenauers beim Moskau-Besuch, die den Partnern das Argument lieferte, Adenauer dürfe von anderen nicht »hart-bleiben« verlangen, wenn er selbst von seinen Vorsätzen abrückte; sowie die Dreifach-Krise Polen-Suez-Ungam 1956; Schmidt, Auswirkungen. 5» Joffe, View, S. 141. Siehe III. 526

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Bundesrepublik Rückendeckung in ihrem Sonderkonflikt mit der Sowjetunion im Rahmen der Ost-West-Spannungen einforderte. Damit stellt sich die Frage: Wie organisierte sich Westeuropa? So wie die Bundesrepublik, zunächst vertreten durch die drei Hochkommissare, in die Marshall-Plan-Organisation und dann in die OEEC aufgenommen wurde und damit erstmals wieder Mitspracherechte in einer regionalen internationalen Organisation erhielt, so wurde sie zunächst indirekt Mitglied der NATO: Die drei Westmächte garantierten auf der gleichen New Yorker Außenministerkonferenz 531 , die das Thema Wiederbewaffnung offiziell auf die Tagesordnung setzte, der Bundesrepublik die Unversehrtheit; man kann dies als einen Vorschuß auf die deutsche Mitgliedschaft in der NATO werten. Auf der Grundlage der Einsicht, daß die Bundesrepublik sowohl im transatlantischen wirtschaftlichen und sicherheitsstrategischen Restrukturierungsprozeß benötigt werde als auch zum europäisierten »Akteur« im Sinne des Schuman- und Pleven-Plans erzogen werden müsse, wurde die Frage dringlich, in welchem institutionellen Kontext europa- und deutschlandpolitische Angelegenheiten erörtert und entschieden werden sollten. Das war stets auch mit der Frage verknüpft, ob die Bundesrepublik als gleichberechtigtes Mitglied hinzugezogen werden oder im Vorzimmer auf die Erläuterung von Beschlüssen warten sollte, die andere für sie mitgetroffen hatten. Je länger die Hängepartie des Junktims zwischen »Wiederbewaffnung ja, aber nur im europäischen Rahmen« und »Souveränitätserklärung« dauerte, desto größer wurde die Irritation der USA, Großbritanniens und der Bundesregierung ob des französischen Widerstands gegen »pro-aktive« deutsche Beteiligung in Verteidigungsfragen: Die NATO war Vormund der EVG, Mitspracherechte standen der Bundesrepublik formal lediglich im Rahmen des EVG-NATO-Rates zu; da dieser nicht zustande kam, blieb die Bundesrepublik auf bilaterale Beziehungen und die Kontakte der Dienststelle Blank mit den Repräsentanten der Alliierten angewiesen. Die Anspannung, die vom innenpolitischen Hochdruck auf die französischen Regierungen ausging, wurde von diesen in Gestalt von Nachforderungen auf die EVG-Fünf sowie auf Großbritannien und die USA übergewälzt532. Bidault, Pleven, Pinay ging es primär darum, in einen trilateralen Hohen Alliierten Rat aufgenommen zu werden, der statt der US-UK »special relationship« die sicherheitsstrategischen Verantwortlichkeiten der drei Westmächte im NATOBereich sowie in Südostasien und im Mitderen Osten koordinieren sollte533. Ähnlich wie Großbritannien erwartete Frankreich, daß die USA (und Großbritannien) 531

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Konferenz der Außenminister in New York, 12.-18.9.1950, NATO-Rat, 15.-18. und 26.9.1950; die Zusage vom 19.9.1950 wurde Ende Mai 1952 anläßlich der Unterzeichnung des EVG- und Deutschlandvertrags erneuert, siehe II.2. Bezogen auf den Zeitraum 1948-1952 analytisch musterhaft: Milward, NATO, Ο F. KG; den Gedankengang aufgreifend Schmidt, Tying. Truman-Pleven-Gespräche Ende Januar 1951, FRUS, 1951, III, S. 755 ff.; Sherwood, Allies m Crisis, S. 42 f., 101 ff.; Harrison, Reluctant Ally, S. 16 ff.; McGeehan, German Rearmament, S. 104 ff.; History of the JCS, IV, S. 248 ff.; Soutou, Frankreich, S. 231-234; zur BermudaKonferenz 1953 s.o.

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Gebiete wie Indochina und Nordafrika als französische Einflußzone respektierten534, sie aber als Eckpfeiler westlicher Sicherheit in die Rüstungs- und Finanzhilfen einbezogen535. Erfolg bzw. Mißerfolg im Bemühen um Gleichwertigkeit mit Großbritannien im Triumvirat unter Leitung der USA hatte unmittelbaren Einfluß auf die französische Bereitschaft, in der Deutschland- und Europapolitik der deutschen Forderung nach Gleichwertigkeit entgegenzukommen. Damit blieb in der Schwebe, was Europa war bzw. sein konnte: Ein Europa ohne Großbritannien schien vor 1955 nur als Notbehelf willkommen. Um den zweiten Platz neben den USA beanspruchen zu können und somit zu verhindern, daß die USA allein Verantwortung für Westeuropas Sicherheit übernahmen, betrieb Großbritannien als einzige europäische Macht eine Verteidigungspolitik, die diesen Namen verdiente. Das sollte den USA beweisen, daß Westeuropa einiges aus eigener Kraft tat — wofür sich Großbritannien mit der Gründung der Brüsseler Vertragsgemeinschaft verbürgt hatte536 und wofür es fortan von den USA beim Wort genommen wurde537. Allerdings lehnte es Großbritannien ab, die USA in ihrem militärischen Engagement für Europa maßgeblich zu entlasten538; zusamIn Südostasien unterstützte die britische Regierung die Wiederherstellung der französischen Einflußzone. Die französische Regierung Schloß ihrerseits ein Abkommen (im Februar 1946) mit Chiang Kai-shek, das die Rückkehr Frankreichs nach Tonkin (I lanoi) betraf; aufgrund ihrer Ausbeutung Nordvietnams 1945/46 hatten die Nationalchinesen die anderen Kräfte in der Region gegen sich aufgebracht. Die Vertreter Frankreichs hielten die vertragliche Anerkennung (6.3.1946) der Republik Vietnam (unter I lo Chi Minh) als freier Staat innerhalb einer französischen Union nicht ein; Ho Chi Minh hatte Bao Dai abgelöst. Die Einbeziehung Cochinchinas, eines Zentrums der Anhängerschaft Ho Chi Minhs, in die französische Union im Sommer 1946 markiert Frankreichs Anteil an der Eskalation des Krieges in Indochina. Die französischen Regierungen taten sich schwer, die auf amerikanisches und britisches Drängen ausgehandelten Lösungen für die Selbständigkeit der Königreiche Laos und Kambodscha in einer französischen Indochina-Union mit Vietnam unter Bao Dai (Elysee-Vertrag vom März 1949) dem Parlament zur Ratifikation vorzulegen. Mao und Stalin erkannten Ende Januar 1950 die Vietminh als legitime Regierung Vietnams an; im Anschluß an die Ratifikation (2.2.1950) erkannten Großbritannien, die USA und Thailand (auf Druck der USA) das Bao-Dai-Regime an; Hess, First American Commitment, S. 345 ff. So gesehen war dies die erste Etappe der formalen Teilung Vietnams. Frankreich gestand Laos und Kambodscha 1953 die Selbständigkeit zu; siehe I.2.a. 535 Wiggershaus, Von Potsdam zum Pleven-Plan, S. 116 ff. Auf Druck seiner Botschafter in Paris, Caffery und Bruce, nahm Acheson mehrfach - Februar, Juni, Dezember 1949 - davon Abstand, auf Zugeständnisse Frankreichs zugunsten endogener nicht-kommunistischer nationalistischer Machteliten in Indochina zu beharren und dieses zur Vorbedingung für die Gewährung bzw. Auszahlung amerikanischer Hilfe an Frankreich zu machen; Hess, First American Commitment, S. 336 ff.; ders., United States' Emergence, Kap. 10. 536 Die Ernennung Montgomerys zum Vorsitzenden des Militärausschusses brachte die Erwartung der anderen Partner zum Ausdruck, daß Großbritannien seine Verbindung zu den USA auch für die Aufbauarbeit der WUDO nutzte; die vom Militärausschuß unter Leitung Montgomerys geleistete strategische Planung wurde von der NATO 1949/50 aufgegriffen; Kugler, Commitment, S. 44 ff.; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 150 ff., 220 ff.; Wiggershaus, Von Potsdam zum Pleven-Plan, S. 88 ff. 537 Ovendale, English-speaking Alliance, S. 68 ff., 281 f.; Warner, Labour-Regierung; Edmonds, Setting, S. 229 ff.; May, American Commitment, S. 448; Gossel, Briten, S. 51; Morgan, Labour, S. 433; Großbritannien und Europa, S. 24-27. 538 Diese Haltung beeinflußte die Ende 1952 - und gleichermaßen im Frühjahr 1953, Anfang Dezember 1953 am Rande der Bermudakonferenz, im März/April und Juli/August 1954 - ausge534

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men mit dem britischen Veto gegen supranationale europäische Einrichtungen war dies eine wesentliche Hürde auf dem Weg zur Europäisierung der Verteidigung Westeuropas. Bei der Frage nach der Selbstorganisation (West)Europas waren mehrere Impulse im Spiel539: Wie nachhaltig wirkten die von den Widerstandsgruppen im Zweiten Weltkrieg artikulierten Einsichten, daß die europäischen Nationen aus den Fehlern der 1920-1930er Jahre lernen und die »querelles europeennes« überwinden müßten? Konnten die Europäer einen Weg zum Interessenausgleich mit Deutschland finden, ohne der Nachhilfe der USA zu bedürfen? Verdankte sich der Wille zur politischen Einigung Europas der amerikanischen Aufforderung, eine dritte Kernzone der Weltwirtschaft und Weltpolitik — neben Nordamerika und Großbritannien/Commonwealth/Sterling-Gebiet - zu bilden? Wollte man die wirtschaftliche Zusammenarbeit europäisch institutionalisieren und Deutschland gleichberechtigt beteiligen, hingegen sicherheits- und verteidigungspolitisch die Partnerschaft transatlantisch organisieren, um die USA auf die Kontrolle Deutschlands zu verpflichten? Wie arrangierten sich Frankreich und Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik, die großen Drei untereinander und mit Italien sowie den Benelux-Staaten, um Eigenverantwortung zu entwickeln und Handlungsspielräume durch Abkoppelung von den Unwägbarkeiten in der globalen Machtprobe zwischen den USA und der UdSSR zu gewinnen? Doch förderten die Europäer die Unwägbarkeiten nicht gerade dadurch, daß sie die USA in bestimmte Arenen des Kalten Kriegs einspannen wollten, aber in anderen gefährdeten Zonen die USA vor einer unnötigen Provokation der UdSSR warnten und damit den Anspruch erhoben, bestimmen zu können, welche amerikanische Aktivität »Europa« nütze und welche schade540? Es macht daher Sinn, von einer Korrelation zwischen Ausmaß und Format des Interesses der europäischen Politiker an intra-europäischer Kooperation und Wertschätzung der USA auszugehen. Zu diesem Zweck richten wir den Blick noch einmal auf die Ubersee-Ambitionen der europäischen Westmächte und die Doppelrolle der USA als Exporteur von Sicherheit nach Europa und als Rivale bzw.

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tragenen Kontroversen zwischen Eden und Churchill über die Frage, ob britische Stationierungszusagen notfalls auch ohne amerikanische Parallelverpflichtungen erfolgen sollten; Ruane, Rise and Fall, S. 33 ff., 69 ff., 112 ff., 147 ff.; Lord, Absent, S. 25, 77 f., 104, 143; Schmidt, European Security. Ausgangspunkt ist die seit 1948 uneingeschränkt gültige Prämisse, daß selbst ein Verbund zwischen Großbritannien/Commonwealth und Frankreich/Francophonie nicht stark genug wäre, um das Problem der »Deal-or-duel«-Situation zwischen der UdSSR und »Deutschland« zu bewältigen; s.o. sowie II.3. Diese Fragen hat Loth - Weg nach Europa - vorzüglich und übersichtlich abgehandelt; die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die am Ende des Absatzes angesprochenen Themen. Großbritannien stellte die von den USA beabsichtigte Einbeziehung Irans in ein Schutzbündnis als Einkreisung dar, was die Sowjetunion zur Gegenwehr provozieren könnte; Sherwood, Allies, S. 22 ff. Die Warnungen wurden in den Korea-, Indochina- und Taiwan-Krisen wiederholt; sowohl Atdee und Bevin sowie Morrison als auch Churchill und Eden dämpften die Kritik an den USA, damit die amerikanischen Amtsträger nicht ihren Europe First- in einen Asia First-Standard umwandelten; Attlee, CC (50) 78, PRO, CAB 128-18.

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potentieller Erbe europäischen Kolonialbesitzes. Begünstigte die Betroffenheit der europäischen Mächte von den amerikanischen Entscheidungen die Bereitschaft zur Selbstorganisation europäischer Zusammenarbeit? Ansätze und Anzeichen für eine Art Unabhängigkeitserklärung von den USA gab es in der britischen Politik 541 , weil Großbritannien zum einen am stärksten von den USA zur Lastenteilung aufgefordert wurde542, zum anderen, weil die Rivalitätsaspekte sowie die Empörung über amerikanische Vorteilsnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien wieder auflebten543. Der Übernahme britischer Verpflichtungen durch die USA in Europa stand die britische Selbstbehauptung in den von den USA weniger beachteten Regionen gegenüber, in denen die britischen Regierungen phasenweise auf Distanz zu den gemeinsam mit den USA geschaffenen Strukturen gingen: So sperrte sich London gegen die Verfremdung der Containment-Strategie in eine die UdSSR und Rotchina als Dauergefahr einstufende Domino-Theorie 544 , obwohl britische Vertreter, beispielsweise der Sonderbeauftragte für Südostasien, MacDonald, in gleicher Weise vor der Ausbreitung eines kommunistischen Flächenbrands in Südostasien gewarnt hatten545. 541

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Der Widerstand in der Labour Party als Regierungspartei umfaßte nicht nur die Kritiker des amerikanischen Kapitalismus und der Austerity-Maßnahmen, sondern auch die Linksimperialisten und deren Pläne für eine aufgeklärte Entwicklungsländerpolitik. J. Strachey leitete den ersten Vorstoß gegen Bevins pro-amerikanischen Partner-in-leadership-Kurs; siehe Ovendale, Britische Außen- und Bündnispolitik, S. 134; Warner, Labour-Regierung, S. 132-134; Ruane, Containing, S. 141-174. Großbritannien und Europa, S. 21 ff., 26 ff.; Baylis, Diplomacy, S. 75 ff.; Sherwood, Allies, S. 36 ff. (April 1950); Acheson (August 1949), siehe LaFeber, NATO, S. 35 f., 43; Zhai, Dragon, S. 69 ff. Die Redefigur »Amerika als Erbe des British Empire« bringt diese Tradition zum Ausdruck; für den Zeitraum 1914-1921 siehe Parrini, Heir to Empire; die Arbeiten Watts reflektieren den kritischen Unterton, daß die USA als Weltmacht dem britischen Vorbild nicht das Wasser reichen könnten; Watt, Succeeding. NSC 124, Statement on U.S. Objectives and Causes of Action with Respect to Southeast Asia (25.6.1952), FRUS, 1952-54, XII, S. 127-134; Sherwood, Allies, S. 45 f. Truman-Acheson wollten die Anerkennung der VR China mit Rücksicht auf die Lage in SO-Asien hinausschieben; das britische Kabinett entschloß sich — auch unter dem Druck der indischen Regierung Nehru — am 6.1.1950 zur Anerkennung des Mao-Regimes als »China«. Frankreich und die Niederlande machten ihre Haltung abhängig vom Stand der Entwicklungen in Indochina bzw. Indonesien; Zhai, Dragon, S. 37 f. Zur britischen Haltung gegenüber der Ausweitung der Containment-Doktrin vgl.. White, Britain, Detente, S. 3 5 - 9 ; Zhai, Dragon, S. 28 f f . Auf britischer Seite neigte man dazu, im Maoismus ein Pendant zum Titoismus zu sehen. Zur britischen Chinapolitik: Zhai, Dragon, S. 12 ff., 37 ff., 140 ff.; Foot, Practice, Kap. 5; Martin, Divided Counsel; Rotter, Triangular Route; Ovendale, Britain, the United States and the Transfer, S. 139-158; Dunn, First Vietnam War; Combs, Path. Solange der chinesische Bürgerkrieg andauerte, hatte die TrumanAdministration versucht, die wirtschaftliche Abhängigkeit Chinas von den USA als Hebel zu nutzen, um zu verhindern, daß Moskau sich als Helfershelfer beim Wiederaufbau etablieren könnte; NSC 41, 28.2.1949, FRUS, 1949, IX, S. 830 ff., 936 ff. Das wechselseitige Mißtrauen zwischen Stalin und Mao kam den amerikanischen Absichten, einen Keil zwischen die beiden Riesenreiche zu treiben, entgegen, doch entschied sich Mao trotz der bitteren Erfahrungen, die er im Winter 1949/50 während des langen Aufenthaltes in Moskau machte, für den Abschluß des Freundschafts- und Beistandspakts mit der UdSSR. Ovendale, English-speaking, S. 144-184; Lowe, Containing, Kap. 6, 11, 12; Sherwood, Allies, S. 30 f.; Zhai, Dragon, S. 28 ff. Das Prinzip der unteilbaren Sicherheit liegt der britisch-

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Die Reaktionen der Konfliktgegner spiegelten allerdings die wahren Machtverhältnisse wider. So verzichtete Peking darauf, die Konflikte mit den USA (in der Taiwanfrage) auf die Spitze zu treiben, und zeigte britischen, von den Commonwealth-Partnern Indien und Neuseeland unterstützten Konfliktlösungsbemühungen die kalte Schulter, was London veranlaßte, wieder auf die Politik der globalen Verantwortung des anglo-amerikanischen Duopols einzuschwenken. Churchill und Eden paßten ihre Rhetorik bei ihrem Antrittsbesuch in Washington Ende Januar 1952 der amerikanischen China-Politik an in der Erwartung, daß die USA der britischen Regierung helfen würden, ihre große Bürde im Mittleren Osten — die Auseinandersetzung mit dem ägyptischen Pan-Arabismus und mit dem Iran - zu schultern. Ihre Kritik an der von Truman und Acheson eingeleiteten und von Eisenhower und Dulles fortgeführten Politik, China durch die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen und durch Luftangriffe zum Einlenken auf amerikanische Forderungen in der Kriegsgefangenen- und Waffenstillstandsfrage in Korea zu zwingen, war nicht mehr überwölbt durch Vorschläge, wie man die chinesische Außenpolitik in die gewünschte Bahn des >Titoismus< lenken könne546. In den Teilen Afrikas und des Mittleren Ostens, die von Bevin ebenso wie von Eden als Einflußzone und Kraftquelle betrachtet wurden547, respektierten die USA zunächst das traditionelle britische Interesse und Engagement 548 . Doch gab es erhebliche Differenzen darüber, wen man für welche Form intra-regionaler Zusammenarbeit gewinnen sollte und inwieweit man den Ansprüchen z.B. Ägyptens oder Saudi-Arabiens auf eine Führungsrolle entgegenkommen müsse. Dulles' Interesse (Juli 1953) an einem »Northern Tier« umspannte die Region von der Türkei bis Pakistan, gerade weil er die britischen, mit dem Ägypten-Problem behafteten Pläne für eine Middle East Defence Organisation als zu prekär ansah. Als London (im April 1955) das türkisch-irakische Arrangement zum Bagdad-Pakt ausbauen und Pakistan sowie den Iran als Mitglieder hinzuziehen wollte, wich Dulles einer Unterstützungszusage aus. Eine britisch dominierte Gruppierung zu unterstützen, so schien es Eden, entspräche nicht Dulles' Vorstellung von einer Arrondierung des Sicherheitsnetzes entlang der sowjetisch-chinesischen Grenzräume 549 . Dulles' reservierte Haltung war beeinllußt von der Erfahrung, die er im April 1954 gemacht hatte: Während Dulles meinte, daß Eden eine »gemeinsame Aktion« der USA und Großbritanniens zur Verbesserung der französischen Ausgangsposition auf der Genfer Konferenz unterstützt habe, wollte Eden weder von seiner Zu-

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54 FRUS, 1955-57, XIX, S. 151, 189 f , 210 f f , 473 ff.; Weber, Shaping, S. 653 ff.; Großbritannien und Europa, S. 169-242. 577 Ruane, Rise, S. 61 f. 57S Siehe II.4 und III. 579 Dulles war der Hauptvertreter dieser These; Dulles, 20.2.1954, FRUS, 1952-54, VII, S. 1208 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 380. 572

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doppelte Teilung zu überwinden, dann sollte Westeuropa neben den USA und der UdSSR in Weltpolitik und Weltwirtschaft als Dritte Kraft wirken, in selbstgewählter Abhängigkeit von der Sicherheitsgarantie der USA. Zwei Vorgänge veränderten die Anziehungskraft der European-Defense-ForceIdee: — Um die amerikanische Unterstützung des EVG-Projekts zu sichern und die von belgischer, italienischer, holländischer und deutscher Seite gestellten Forderungen zu befriedigen, wurde das ursprüngliche Projekt so verändert, daß die seit den Wahlen vom Juni 1951 amtierenden französischen Mitte-RechtsRegierungen die Absicht durchkreuzt sahen, daß Frankreich von dem angestrebten Junktim zwischen EVG und NATO profitieren müsse580. — Kurze Zeit nach Unterzeichnung der EVG- und Deutschlandverträge (26./27. Mai 1952) machte Großbritannien als Atommacht »im Werden« auf sich aufmerksam und unternahm den — vorerst allerdings vergeblichen — Anlauf, die USA für die eigene Strategie für das Nuklearzeitalter581 zu gewinnen. In jedem Fall stand zu erwarten, daß Großbritannien in der NATO für eine Nuklearstrategie als Hebel zur Senkung seines konventionellen Streitkräftebeitrags eintreten werde. Die französischen Regierungen (Laniel, Bidault) versuchten zwar, die angelsächsischen Verbündeten auf die eingegangenen Verpflichtungen zur Vorne-Verteidigung und konventionellen Streitkräftepräsenz festzunageln, trafen aber auch schon erste Anstalten auf dem Weg zur Nuklearisierung der französischen Streitmacht582. Je mehr Frankreich über die nukleare Ausrichtung der amerikanischen und britischen Strategie und Streitkräftestruktur sowie deren Einführung in die NATO in Erfahrung brachte583, desto energischer verlangten Laniel/Bidault (Dezember 1953), Mendes France (Sommer 1954), Mollet (Frühjahr 1957)584, gleichberechtigt mit den USA und 580 581

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S.o. und II.4; Maier, Auseinandersetzungen, S. 103 ff.; Poidevin, Frankreich und das Problem, S. 113 ff. D (52) 26, Defence Policy and Global Strategy, 17.6.1952, PRO, CAB 131-12; Ovendale, English-Speaking, S. 281 ff.; Baylis/Macmillan, British Global Strategy; Clark/Wheeler, British Origins, S. 160 ff.; Ovendale, Britische Außen- und Bündnispolitik, S. 139; Maier, Auseinandersetzungen, S. 135 ff.; Schmidt, European Security; ders., Politische und Sicherheitspolitische Dimensionen. Soutou, Frankreich, S. 225 ff.; Delmas, Naissance; Bariety, Frankreich, S. 110 ff.; Goldschmidt, French Atomic; Maier, Anglo-Saxon, S. 408-411; Kohl, French Nuclear Diplomacy, S. 16-47. Zur Bermuda-Konferenz: FRUS, 1952-54, V, S. 1774-1806; Ruane, Rise, S. 64 ff.; Schrafstetter - Dritte Atommacht, S. 39 f. — betont, daß Eisenhower und Dulles Frankreich und Großbritannien gleichstellen wollten, aber wegen des Widerstands im Kongreß sowie der Atomic Energy Agency mit der Modifizierung des McMahon Act vorlieb nehmen mußten; die Vorbehalte gegenüber Frankreich wurden mit dem Risiko begründet, daß die französische Regierung keine Geheimnisse schützen könne. Die Hauptetappen sind die Bermuda-Konferenz, 4.-8.12.1953, die NATO-Ratstagung im April 1954 und die im August/September 1954 im Vorfeld der Verabschiedung von M.C. 48 offengelegten Konzepte; der NATO-Reappraisal Prozeß 1956; siehe Costigliola, France, S. 98 ff.; Soutou, Frankreich, S. 231-234. Gespräche zwischen Mollet und Macmillan in Paris, 9.3.1957, ZG 243 G, FO 371 - 129327; NA, PREM 11 - 1830 Α und 1831 A.

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Großbritannien an den Entscheidungen über die Nuklearstrategie und den westlichen Kernwaffeneinsatz mitzuwirken. Beides zusammengenommen bescherte Großbritannien einen Vorsprung vor Frankreich und Frankreich den Abschied von der Hoffnung, einerseits Parität mit Großbritannien und andererseits den Vorsprung gegenüber der Bundesrepublik zu bewahren. Denn die Rechnung, die Führungsrolle in der kontinental-europäischen Organisation auszuüben, konnte nur aufgehen, wenn der französische finanzielle und militärische Beitrag zur EVG größer war als der deutsche. Das war von Anbeginn illusorisch, weil Frankreich die Zielgröße von 18-20 Divisionen im Oktober 1950 zu einem Zeitpunkt formulierte, zu dem man die militärische Niederlage bei Cao Bang mit verstärktem Engagement in Indochina beantworten wollte585. Die Doppelbelastung konnte durch amerikanische Militär- und Finanzhilfe586 zwar erträglicher gemacht werden; doch an dem Mechanismus, daß Frankreich mit der Herabsetzung seines EVG-Beitrags von den in Lissabon vereinbarten 14 Divisionen auf 10 Divisionen (Ende 1953)587 an politischem Stimmengewicht verlieren müßte, änderte sich dadurch nichts. Die amerikanische Militärhilfe erfolgte in der Annahme, daß Indochina für Frankreich eine hohe Priorität besitze, daß Frankreich in Südostasien aber auch die Sicherheit des Westens verteidige; verliere Frankreich in Indochina, dann gehe auch die EVG verloren588. Weil sich Frankreichs Lage auf dem Kriegsschauplatz trotz amerikanischer Hilfe nicht stabilisierte und weil der von Dulles ausgeübte Druck auf Frankreich, die Vertragswerke endlich zu ratifizieren, eher zunahm, löste Frankreich sich aus der im Sommer 1951 erneuerten »American Connection.« Die Fortführung des EVG-Projekts war für Frankreich ohne Korrekturen bzw. Nachbesserungen nicht mehr attraktiv. Die Bedingung, daß die Bundesrepublik keinen einzigen Soldaten rekrutieren dürfe, bevor Frankreich die Ratifizierung des Pariser Vertragswerkes abgeschlossen habe589, diente im Sommer 1953 und im 585

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Soutou, Frankreich, S. 218 f.; Artaud, France; Wall, United States, S. 218-232; Glesse, Projet, S. 137-143; Dalloz, Georges Bidault, S. 320-326. Frankreich erhielt von den USA im Zeitraum 1951-54 ca. 4 Mrd. Dollar Militärhilfe; Soutou, Frankreich, S. 216; Parker, Colonels' Revolt; ferner: Hitchcock, France, S. 205-207; Folin, Indochine. Ruane, Rise, S. 38. Dulles, 26.2.1954, NSC, 186. Sitzung, FRUS, 1952-54, XIII, S. 1080 f.: » P u l l e s ] couldn't see the makings of a French government which would replace Laniel and continue the fight in Indochina. Accordingly, if we had vetoed the resolution [der Berliner Außenministerkonferenz] regarding Indochina, it would have probably cost us French membership in EDC as well as Indochina itself. Our present position, therefore, at least offers the fair probability of salvaging both French membership and the continuation (if the struggle in Indochina«; ferner Dulles, 9.2.1954, DDEL, AWF, Dulles-I lerter, Box 2; Dulles, 23.4.1954, ebd. Ende Februar 1954 rechnete Dulles noch damit, daß das Schlimmste vorbei sein würde, wenn eine militärische Katastrophe bis zum Einsetzen der Regensaison (ab Mai) ausbleiben würde. Sollte Frankreich eine Niederlage erleiden, würde die Amtsführung an jene Gruppierung übergehen, die für eine Verhandlungslösung um jeden Preis und die Ablehnung der EVG eintrete. Ob Bidault daran gelegen war, das Vetorecht zur Verbesserung der Verhandlungsposition zu gebrauchen, oder ob er genauso wie Mendes France auf Zeitgewinn spielte, bis sich die Frage der deutschen Aufrüstung gleichsam von selbst erledigte, ist nicht auszumachen.

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Frühjahr 1954 einem weiteren Zweck: Mit dem Festhalten am Veto sollte der Sowjetunion signalisiert werden, daß sie für den Fall, daß sie in Indochina eine Kompromißlösung erreichen helfe, auf eine Viermächtekonferenz vor einer Entscheidung über die westdeutsche Aufrüstung zählen dürfe. Paris ließ sich den Gebrauch des Veto gegen einen deutschen NATO-Beitritt nicht durch die veröffentlichten Zugeständnisse der USA und Großbritanniens vom 16. bzw. 13. April 1954 abkaufen; die westeuropäischen Vertragspartner gingen auf die französischen Wünsche für die Umgestaltung der EVG nicht ein. Der Versuch der Nachbesserung der EVG-Lösung war gescheitert. Die Nuklearisierung der NATO-Strategie hingegen näherte sich der abschließenden Beschlußfassung (M.C. 48, Dezember 1954). Sie gab dem Ost-West-Konflikt eine neue Schärfe, da die Bundesrepublik unter dem Vorzeichen der Nuklearisierung Mitglied der NATO wurde. Für die Bundesrepublik war entscheidend, daß die »Verteidigung so weit östlich auf deutschem Boden wie möglich« tatsächlich erfolgte, weil ihre Truppen anderenfalls »Kanonenfutter« im Vorfeld der starken Verteidigungslinie »am Rhein« werden würden590. Erste Reaktionen auf diese Situation kamen aus Großbritannien. Höchste britische Militärs trugen Überlegungen vor, wie man eine Verbindung zwischen einer anglo-amerikanischen nuklearisierten Sicherheitsgarantie für alle Kontinentaleuropäer — also für die Sowjetunion, Polen und die CSR ebenso wie für Deutschland und Osterreich — und einer Neutralisierung Deutschlands herstellen könne591. Das britische Kabinett wies diese Überlegungen mit dem Argument zurück, daß man dadurch die Strukturen zum Einsturz bringe, welche die »Russen vom Rhein« fernhielten. Implizit bekannte die politische Führung sich zu der auch von Washington unterschriebenen These, daß die NATO beides benötige, die Einführung taktischer Atomwaffen und die Sollstärke von 30 Divisionen; letzteres erschien dank des deutschen Verteidigungsbeitrags nunmehr realistisch. Französische Regierungsmitglieder konnten sich hingegen nicht der Versuchung entziehen, im Draht nach Moskau das rettende Seil zu sehen, an dem man sich aus dem Indochina-Dilemma und dem Dilemma, den Preis der Aufwertung der Bundesrepublik für den Preis des amerikanischen Engagements in Europa zu zahlen, herauswinden könne592. Aus sowjetischer Sicht war in der Tat die französische Ablehnung der Wiederaufrüstung des westdeutschen Teilstaates - unbeschadet der 1948 einsetzenden Militarisierung der DDR — wichtiger als die Beihilfe zum Triumph der Kommunisten im Indochinakrieg; in diesem Sinne war die Kremlführung bereit, dämpfend auf Ho Chi Minh einzuwirken593. Den Preis der Neutralisierung

Tuschhoff, Causes, S. 4; Lider, Origins, I, S. 258-260. 591 D (52) 26, 17.6.1952, PRO, CAB 131-12; siehe Gossel, Briten, S. 61. 592 Zur Genfer Außenministerkonferenz 1954, die außer der Korea- auch die Indochina-Frage in ihre Agenda aufnahm: Ruane, Anthony Eden; ders., Containing; Cable, Geneva, S. 56 ff.; Costigliola, France, S. 99 f. 593 Siehe I.2.f; Fineman, Special relationship, S. 194 f.

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Deutschlands — und damit die Gefahr der eigenen Verunsicherung und der Desavouierung Adenauers — zog Paris freilich nicht in Betracht594. Nach dem Vollzug des deutschen NATO-Beitritts wurden von britischer, französischer und deutscher Seite Varianten des europäischen Verteidigungsbeitrags ins Gespräch gebracht, die von der voranschreitenden Nuklearisierung der Strategie und Streitkräftestrukturen beeinflußt waren. Das beschwor die Frage herauf, wer als nuklearer Aufrüster Deutschlands in die Geschichtsbücher eingehen wolle, die USA (über eine NATO-Streitmacht) oder kontinental-westeuropäische Partner der Bundesrepublik über eine um die nukleare Dimension erweiterte WEU595. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage förderte außer politischen auch militärstrategische Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Nuklearmachtpotentials zutage596. An dieser Stelle ist die Feststellung wichtig, daß der Westen597, nachdem er mit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik und dem Einstieg in das EWG/EURATOM-Projekt erstmals feste Konturen gewonnen hatte, mit der Nuklearfrage sogleich auch wieder einen Anstoß bekam, die Frage der Gleichwertigkeit der Bundesrepublik in der NATO im Interesse an gemeinsamer Sicherheit mit der UdSSR im »Zeitalter des Gleichgewichts des Schreckens« dilatorisch zu behandeln. Damit trat NATO-Europa in eine neue Phase der Ungewißheit ein: Wieviel war die amerikanische nuklearisierte Sicherheitsgarantie künftig wert? Matte NATO-Europa vom Abdriften Großbritanniens und Frankreichs in Richtung unabhängige nuklearstrategische Abschreckungsmacht mehr Nachteile als Vorteile, insbesondere unter Berücksichtigung des Einspruchs aus London und Paris gegen die Aufwertung SACEURs zum Denker und Lenker einer strategischen NATO-Nuklearmacht? Die politischen Motive der Vorbehalte blieben nicht verborgen 598 : Da die Ausstattang der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen unvermeidlich war, würde die Bundesregierung zunächst deutsche Mitkontrolle über diese Waffen verlangen; man könne aber nicht ausschließen, daß Bonn bald 594

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Siehe II.4. Dulles konstruierte aus bestimmten Anhaltspunkten einen entsprechenden Verdacht, doch wies Mendts France die Anschuldigung zurück, er betreibe die Neutralisierung Deutschlands und gefährde damit die »Sicherheit des Westens«: Dulles-Dillon-Korrespondenz, 12./13.8.1954, FRUS, V, S. 1030 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 259 ff.; Barietv, Frankreich, S. 118 ff. Schmidt, Auswirkungen; ders., Sichtbare Hand; Trachtenberg, Constructed, S. 194-200. Zu den französisch-deutschen Gesprächen zwischen September 1956 und Frühjahr 1958: Schmitt, Frankreich, S. 30 ff.; Vaisse, Dialogue, S. 408 ff.; Soutou, Alliance, S. 83 ff.; Conze, Cooperation; Fischer, Reaktion, S. 116 ff.; Kohl, French Nuclear Diplomacy, S. 31 ff., 49-68; Melandri, Les Etats-Unis et le defi europeen, S. 125 ff. Man kann auch sagen, daß die Kntiker und Gegner der Nuklearisierung der Strategie die letzte Gelegenheit erhielten, ihre Ansichten aufeinander abzustimmen und zu versuchen, in der NATO auf eine stärker ausgewogene Verteidigungsplanung zu dringen. Paris und Bonn hätten dann allerdings ihre »Beitragspflichten« einlösen müssen. Zu den Gesprächen zwischen Valluy und 1 leusinger 1955 und 1956: Gersdorff, Westdeutsche Verteidigungskooperation, S. 227; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 657 ff., 707 ff.; Gablik, Strategische Planungen, S. 72 ff., 104 ff. Das Bild ist vollständig, wenn man die 1955 beginnende Ära der LDP-1 lerrschaft in Japan als fernöstliches Pendant zur doppelten Westbindung der Bundesrepublik in NATO und EWG/EG/EU hinzuzählt. Zur Problemlage: Trachtenberg, Constructed, S. 194-200.

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auch die unabhängige Kontrolle über diese »moderne Artillerie« einfordern würde; ebensowenig ließe sich ausschließen, daß die Deutschen sich der Kernwaffen durch einen Handstreich bemächtigen und diese bei einem Aufstand in der DDR und der Ausbreitung von »Unruhen« einsetzen würden. Noch schlimmer käme es, wenn SACEUR für die strategischen (MRBM) Systeme das gleiche Prinzip gelten lassen würde wie bei der Ausstattung der Bundeswehr mit taktischen Systemen599, daß nämlich jede NATO-integrierte Streitkraft im Ernstfall mit den gleichen Waffensystemen ausgestattet sein müßte wie die Führungsmächte (USA, United Kingdom) und möglichst auch so gut wie der »Angreifer«/»Feind« (UdSSR). Hingegen implizierten die britischen und französischen Vorbehalte gegen eine vollwertige deutsche nukleare Mitwirkung, daß die USA und SACEUR den Statusunterschied zwischen den Nuklearmächten und der Bundesrepublik festschreiben sollten600. Im Klartext bedeutet dies: Während jede der drei Westmächte für sich oder per »joint targeting«001 wie selbstverständlich das Recht in Anspruch nahm, einen Nuklearschlag gegen sowjetisches Gebiet zu planen, um die UdSSR von einer Erstschlagoffensive gegen ihr Hoheitsgebiet abzuschrecken602, blieb ein Jahrzehnt lang (1957-1967) die Frage in der Schwebe, ob auch eine vierte (NATO)Atommacht unter SACEUR und in diesem Rahmen die Bundesrepublik eine Mitwirkung an strategischen, d.h. die UdSSR betreffenden Entscheidungen erhalten sollte. Die Kontroverse endete damit, daß die MRBM-Option 1966 abgesetzt, jedoch 1977-1979 wieder akut und mit dem NATO-Doppelbeschluß beantwortet wurde, ehe dann die amerikanisch-sowjetische Verständigung über den Abzug und die Vernichtung der Mittelstreckenraketen die Auflösung der Strukturen der doppelten Teilung mit auf den Weg bringen half. d. Arms (Auf- bzw. Abrüstung) and Diplomacy (Intra-West- und Ost-West-Diplomatie) Fassen wir eingangs einige der bisherigen Argumentationslinien zusammen: Aus westlicher Sicht hatte die Sowjetunion in der ersten Nachkriegsphase 1945-1949 die besseren Karten in der Hand: Zusätzlich zur Verfügbarkeit über marschbereite 599

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SACEUR Norstad unterschied zwischen Ausstattung der Bundeswehr mit taktischen Systemen und der Stationierung von MRBM auf deutschem Boden; Adenauer verzichtete auf deren Dislozierung, um die UdSSR nicht unnötig zu provozieren. Das hinderte Mitglieder der britischen Regierung nicht daran, die Worst-case-Szenarien anzusprechen. Selwyn Lloyd, Secretary of State, Memorandum, 3.11.1958, PRO, CAB 131-120; Schrafstetter, Dritte Atommacht, S. 42 ff. Das gilt für die USA und Großbritannien, und zwar über den NATO-Bereich hinaus auch für Südasien und den Mittleren Osten: Heuser, NATO, S. 64, 74; Strategie Nuclear Targeting; Twigge/Scott, Planning, S. 62, 66, 102 f., 107, 118, 138 f. Zu Frankreichs Forderung nach Einrichtung eines Dreierdirektoriums: Soutou, Frankreich, S. 231-134; Schmitt, Frankreich, S. 3 0 - 3 7 ; Costigliola, France, S. 95 ff. und Kap. 4. Zum Sanktuarium-Konzept und der nuklearstrategischen Rechtfertigungslehre Großbritanniens und Frankreichs siehe III.

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Streitkräfte 603 hatte sie sich östlich der Elbe eine Ausgangsbasis für Machtprojektion nach Westeuropa gesichert und damit begonnen, ihre formal selbständigen verbündeten Staaten ebenso wie ihre ostdeutsche Besatzungszone auf allen Ebenen zu penetrierend'4: Durch die Besetzung und Schulung der Führungskader mit moskautreuem Personal in den Bereichen Partei, Militär und Staatssicherheitsdienst sorgte sie vor, daß das 2ientrum des Sowjetimperiums das Aufkommen von National-Kommunismen im Anfangsstadium bekämpfen bzw. dagegen effektiv einschreiten konnte; es gab Säuberungsaktionen und Schauprozesse, wie sie in der Sowjetunion seit Jahrzehnten gang und gäbe waren. Die Methoden wurden in Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung Titos verschärft. Da die Sowjetunion ihren Block konsolidiert und ihre Herrschaft mittels der Kontrollmechanismen Staatsparteiführung, Spitzenstellungen im Militär- und im Staatssicherheitsdienst dreifach abgefedert hatte605, stellte sich nach britischer und amerikanischer Auffassung die Aufgabe, einer möglichen Expansion der Sowjetherrschaft einen Riegel vorzuschieben. Das Mittel, um die Sicherheit des Westens zu gewährleisten und zu verbessern, war die Re-Integration (Westdeutschlands; die Westbindung der Bundesrepublik wurde der Sowjetunion gegenüber als Grenzpflock des Containment markiert. Den Nachholbedarf des Westens wollten Washington und London decken, indem sie den europäischen Partnern empfahlen, »Stärke« durch Bündelung der Kräfte (collective balanced forces) zu erlangen. Das war die Replik auf die Kalkulation Stalins und seiner Nachfolger, den Kalten Krieg gewinnen zu können, weil der Westen unfähig zur Zusammenarbeit sei. Die westliche Strategie implizierte, zuerst den Westen unter Einschluß (Westdeutschlands zu konsolidieren und eine Position der Stärke zu erlangen, bevor Verhandlungen mit der Sowjetunion über mögliche Korrekturen der Teilungen Europas und Deutschlands Sinn machten. Praktisch bedeutete das, Westeuropa nicht nur gegen sowjetische diplomatische Einwirkungen abzuschirmen, sondern gleichzeitig durch attraktive Vorschläge für intra-westliche Kooperation die genuine Zusammenarbeit zu fördern. Sollte dem 6( "

1945/46 rechnete das Pentagon damit, daß die Rote Armee große Teile Europas, die Türkei, Iran, Afghanistan, die Mandschurei, Korea und Nordchina überrennen könne: Gaddis, Long Peace, S. 109; zehn Jahre später blieb die relative Überlegenheit bestehen. Allerdings änderte der Westen seine Urteilsbasis: Nicht mehr die Kapazität (»Daten«), sondern die Abschätzung der wahrscheinlichen Intentionen prägten die Bedrohungsvorstellungen; NSC 153/1 Restatement of Basic National Security Policy (10.6.1953), FRUS, 1952-54, II, S. 378-386; Rosenberg, Origins, S. 11-27. 604 j loensch, Sowjetische Außenpolitik, S. 407, 414 ff. Das deutlichste Beispiel ist die Ernennung des Oberbehelfshabers der sowjetischen Streitkräfte in Osteuropa zum polnischen Verteidigungsminister im November 1949. Zur »Sowjetisierung« in der SBZ/DDR: Wettig, Bereitschaft, S. 262-267; zur forcierten Aufrüstung in der DDR ab 1952: Diedrich, Aufrüstungsvorbereitung, S. 290 ff., 306 ff.; Rupieper, Probleme. 605 »[...] the creation of the Cominform (in late September 1947) formally signalled the beginning of a new and often brutal Soviet policy: the consolidation of the Soviet sphere of influence in Eastern Europe. This new policy entailed the transformation of five countries into Soviet satellites under the control of Communist regimes cloned from the regime in Moscow«, Zubok/Pleshakov, Inside the Kremlin, S. 110 f., S. 125; Mastny, Stalin and the Militarization, S. 112, 116 ff. und 121; Foitzik, Stalinistische »Säuberungen«.

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Westen die Konsolidierung gelingen, dann würde die Sowjetunion den Stress ihres »imperial overstretch« zu spüren bekommen und in die Situation geraten, einer Atempause zu bedürfen; dann könne der Westen die Initiative übernehmen und die Bedingungen für friedliche Koexistenz im Sinne eines Sicherheitsarrangements für Gesamteuropa benennen606. Aus der Perspektive des Gleichziehens des Westens mit dem, was die Sowjetunion anfanglich schon hatte, umriß »Sicherheit des Westens« die Aufgabenstellung, die richtige Kombination von Aufrüsten (arms) und Intra- West-diplomacy^1 zu finden608. Die Konsolidierung der Sicherheit des Westens meinte aber nicht nur die dauerhafte Westbindung des westmächtlich beeinflußbaren Teils Deutschlands, sondern auch das Bekenntnis der Westdeutschen zur wehrhaften Demokratie im doppelten Sinn: Selbstverteidigung gegen Gefährdungen der inneren Sicherheit durch Extremisten auf dem linken und rechten Spektrum der politischen Landschaft ebenso wie gegen die äußere Bedrohung aus dem Osten. Die einmalige Situation, daß die Machteliten des westdeutschen Teilstaates zu der Einsicht gelangt waren, eine Selbstverteidigung im traditionellen machtstaatlichen Sinne sei weder möglich noch wünschenswert, machte die Bundesrepublik zum Hoffnungsträger und faktischen Anknüpfungspunkt für das von den USA nach anfänglichen Bedenken präsentierte Konzept der »balanced collective forces«. Die USA betrachteten dieses Konzept als Basis für ihre Sicherheitsgarantie für NATO-Europa; die Verbündeten waren aufgefordert, ihre zur Selbstverteidigung der Region erforderlichen Ressourcen zu bündeln und für den konventionellen Sektor Sorge zu tragen. Die USA wollten Rückversicherung durch atomare (.strategischej Abschreckung stellen609, aber auch mit eigenen, vor allem Luft- und Seestreitkräften an den Verteidigungslinien der freien westlichen Welt gemäß der Containment-Philosophie präsent sein.

MemCon Dulles - Adenauer, 13./14.6.1955, NA, RG 84, HICOG/Be 2184/7: »if we remain strong and clear in our course there was much more chance of bringing about German unification now than there had been up to the present«; Adenauer, Erinnerungen, S. 133-135, 455-461; Rupieper, Deutsche Frage, S. 195. Dulles äußerte ferner — 19.5.1955 — die Erwartung, daß die Situation für ein Zurückdrängen der sowjetischen Vorherrschaft in Osteuropa günstig sei: FRUS, 1955-57, V, Nr. 117. Er drängte darauf, Bewegung in die »reunification« - und die »Satelliten«Frage zu bringen, indem der Druck auf Moskau fortgesetzt werden sollte; auf Osterreich und Jugoslawien würden dann weitere Schritte zur Öffnung — z.B. im Sinne des Finnland-Status - folgen können; FRUS, ebd., S. 542 ff., 546 ff., 551 ff. Zur Auffassung, daß ein starkes, in Europa integriertes Deutschland mit einer »Öffnung« in Osteuropa m Richtung Finnland-Status einhergehen könne, siehe Dulles, 20.2.1954, FRUS, 1952-54. VII, S. 1208 ff. 607 Neben Lastenteilung und Status-Sicherung (Mitwirkungsredl te in der Allianz) gehört dazu auch die Absicherung, daß die westlichen Partner und nicht die UdSSR den Zeitplan und Ablauf westlicher Einigungsprozesse bestimmten. 608 Das Gegenstück zu Lastenteilung und Rollenzuweisung m Humpa ist das Abwägen zwischen Militär- und Wirtschaftsengagement, und zwar sowohl innerhalb jeder Region und zwischen Nordamerika/Westeuropa und Nordamerika/Fernost; siehe dazu das folgende Kapitel. 609 Das von den Verteidigungsministern der NATO am i.12.1949 vereinbarte •urutegische Konzept (D.C. 6/1) wies den USA die Aufgabe zu, »to carry out strategic bombing pni.iiptly by all means possible with all types of weapons without exception«: NATO Strategy 1>H uments, S. 62, 174, 209, 222 f., 232 f.; Maier, Pollüsche Kontrolle, S. 41.

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Die im Korea-Krieg etablierten Muster eines Stellvertreterkrieges beeinflußten die Bedrohungsvorstellungen und die Festlegung des Gefahrenzeitpunkts als Anhaltspunkt für die Verteidigungsplanung 610 ; sie ließen die Einsatzbereitschaft des deutschen Potentials für die Sicherheit des »freien« Europa um so dringlicher erscheinen. Im Gefühl, daß die Brüsseler Paktmächte sich darauf kaprizierten, gute Gründe für mehr amerikanische Militärhilfe und für ihre Missionen außerhalb NATO-Europas zu finden, stieg in amerikanischen Augen die Bedeutung des Faktors Bundesrepublik 611 . Die Gründe, die aus amerikanischer Sicht für den Vorrang der Wiederaufrüstung vor anderen Aspekten der Deutschlandpolitik sprachen612, wirkten zugleich als Leitmotiv für den Umgang des Westens mit der Sowjetunion in Fragen der Sicherheit für und in Europa613: In dem Punkte, daß die Wiedervereinigung nur zu westlichen Konditionen erfolgen dürfe, herrschte Grundkonsens zwischen den Westmächten; es ging nicht nur darum, den Albtraum zu vertreiben, daß Deutschland der Sowjetunion anheimfiele — »unless half of Germany was securely anchored to the West, all of Germany would drift toward the East« 614 sondern daß der Westen auf aktive deutsche Beteiligung am Aufbau und Ausbau europäischer Sicherheitsnetze angewiesen war. »[...] the initial drive for the rearmament of West Germany had come in the context of a Western strategy aiming at matching Soviet and Satellite military forces symmetrically [...] But while the search for a viable framework for the integration of FRG forces continued, British and then U.S. strategy shifted towards an asymmetric response: instead of matching Eastern forces man for man, tactical nuclear weapons and the threat of nuclear retaliation for conventional aggression were introduced to compensate for manpower deficiencies [...] It was very difficult, however, to sell this changed strategy to the Germans 613 .«

Die von den USA und Großbritannien als Initiatoren der Containment-Politik betriebene Voll-Integration der Bundesrepublik als Lösung des Problems der »Sicherheit des Westens« an der europäischen Front generierte zugleich ein neues, auf Dauer angelegtes und über den Ο st-West- Konflikt hinausreichendes Problem: Die zur globalen Machtprojektion entschlossenen Vormächte der westlichen Sicherheitspartnerschaft, die USA und Großbritannien, versuchten, NATO-Europa von der Qualität ihrer Erfolgsrezepte — Integration; unteilbare gemeinsame Sicherheit; »balanced collective forces« (der anderen!) — zu überzeugen, entzogen sich selbst 610

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Zur Kontroverse vor allem zwischen den USA und Großbritannien 1950/51 betr. den Gefahrenzeitpunkt siehe Wiggershaus, Nordatlan tische Bedrohungsperzeptionen, S. 31-34. Perkins an J.G. Parsons, 28.8.1951, NA, RG 59, 740.5 / 8 - 2851; NSC 114/1 (27.7.1951), erneuerte den in NSC 68 postulierten Zeitdruck; Maier, Auseinandersetzungen, S. 48 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 126, 135 ff. Adenauer wollte zu diesem Zeitpunkt - Juni/Juli 1951 - gleichfalls mittels der Eingliederung von deutschen Streitkräften in die NATO »Fakten schaffen«: Köhler, Adenauer, S. 656-659. Burley, Restoration, S. 221. Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 129 ff., 260 ff.; Schwartz, America's Germany, S. 213-230. Burlev, Restoration, S. 224. Im gleichen Sinne hatte sich Bevin 1946-1948 geäußert: 17.4.1946, CM (46) 36, PRO, CAB 128-5; Deighton, Impossible, S. 66. Heuser, Keystone, S. 325 ff.

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aber dem Integrations-Gebot? 516 und wollten die Entscheidungsbefugnisse über die nukleare Abschreckungsmacht als militärisches U n t e r p f a n d der Don't-trespassWarnsignale an die Sowjetunion (containment) 6 1 7 nur sich selbst vorbehalten. Hinzu kam, daß sie ihre Zusage, den qualitativen Rüstungswetdauf zu gewinnen und insoweit f ü r die Glaubwürdigkeit dieses Instruments der Rückversicherung 5 1 8 zu sorgen, an den V o r b e h a l t koppelten, ihren Beitrag zur konventionellen Verteidigungsstreitmacht zu verringern, sobald dies o h n e Risiko f ü r den Zusammenhalt des »Westens« erfolgen könnte 6 1 9 . D e n U S A schwebte als Idealfall v o r , daß sie den G e g n e r durch A n d r o h u n g eines Vergeltungsschlags »disziplinieren« und den Verbündeten Zuversicht in ihre Beschütztheit geben könnten 6 2 0 . Dies entpuppte sich frühzeitig als Schlag ins W a s ser; kein Verbündeter außer der Bundesrepublik wollte sich an die vorgesehene Arbeitsteilung und Rollenzuweisung im Bündnis halten. Großbritannien und Frankreich, die beide Amerikas Präsenz in E u r o p a wünschten, u m die U S A in das Projekt » K o n t r o l l e Deutschlands durch Integration« einzubinden — aber auch die Möglichkeit einer amerikanisch-deutschen Allianz zu bannen 6 2 1 -, verfolgten in ihrer Rüstungspolitik 6 2 2 , in ihrer Geostrategie und in ihrer Ost-West-Diplomatie Die USA suchten mittels Integration die zentripetalen Kräfte in der NATO — Befugnisse des SACEUR; gemeinsames Luftverteidigungssystem; Infrastrukturen - zu stärken und stellten dafür Personal und Ressourcen ab; sie wollten jedoch verhindern, daß NATO-Organe Beschlüsse faßten, welche den Handlungsspielraum der USA präjudizierten (z.B. Atombomben-EinsatzDrohung gegen China u.a.m.); siehe Dulles' Kommentar zum Bericht der Drei Weisen, FRUS, 1955-57, V, S. 163-165; ähnliches gilt für Großbritannien (bis zum Abschied von der East-ofSuez-Strategie). 617 »For the United States, deterrence was the military strategic complement to the political doctrine of containment«: I lanrieder, FRG and NATO, S. 194. 6 , 8 Zu Deterrent and Reassurance siehe den gleichnamigen grundlegenden Artikel von Howard; Ilanrieder setzt die »Theorie« forschungsstrategisch mustergültig um: Hanrieder, FRG and NATO, S. 194 ff.; FRUS, 1955-57, XIX, S. 407, 620 ff., 634 ff., 640 ff., 703. 619 S.o. und II.2. Eisenhower schob aufgrund politischer Rücksichtnahmen auf die europäischen Verbündeten die von den JCS und dem Pentagon — unter Berufung auf die Gültigkeit der NewLook-Strategie — geforderten Truppenreduzierungen auf; NSC, 174. Sitzung, 10.12.1953, FRUS, 1952-54, V, S. 450; 4.3.1954, FRUS, ebd., S. 888 f.; 10.3.1955 (gegenüber WEU), siehe Greiner, Militärische Eingliederung, S. 591. «o NSC 5501, FRUS, 1955-57, XIX, S. 32; NSC 5602/1, 15.3.1956, S. 242-68; edb., 14 ff., 153, 195, 236 ff., 274, 280, 293, 314 ff., 473 ff.; siehe I.2.g. 621 Die Befürchtung tritt in mehreren Varianten auf - sie reicht von der Sorge, von den USA weniger Unterstützung zu bekommen, damit die USA Deutschland mehr anbieten könnten, über Befürchtungen, von multilateraler, zugunsten der Mitwirkung Deutschlands konzipierter Pläne wegen eigener Vorbehalte ausgeschlossen zu bleiben, bis hin zu Vorstellungen eines deutschamerikanischen Bündnisses im Bündnis oder als Nebengleis zur NATO; betr. Frankreich siehe Hitchcock, France, S. 104, 123-125, 154; Neuss, Geburtshelfer, S. 54, 112, 187; Schmidt, Tying; ders., Sichtbare Hand. 622 Aus Erfahrung und aus Argwohn, daß die USA Rationalisierung, Standardisierung und InterOperationalität der Anschaffungsprogramme mit Kauf, Erwerb von Lizenzen etc. verwechselten, waren Frankreich und Großbritannien sowie vor allem die Bundesrepublik und Frankreich zu Gemeinsamkeit in Forschung, Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern bereit; Died, Westeuropäische Union, S. 1 - 2 3 ; Golich, Resisting, S. 132-135; Geiger/Sebesta, National Defence Policies, S. 263 ff.; Megens, Problems, S. 281-288; McGlade, NATO Procurement; Calan6,6

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zumindest andere Taktiken, wenn nicht gar andere Prioritäten als die USA. Neben »Eindämmung der Sowjetunion« und »Blockbildung im Westen« durch Übernahme der Zuverlässigkeitskontrolle über Deutschland war es das Ziel der USA, die »national assertiveness« der europäischen Partner zurückzudämmen, um ein für alle Mal einen Rückfall in die »dark ages« der europäischen Bürgerkriege als Weltkriege auszuschließen623. Die Bundesregierungen verinnerlichten zwar das Rationale der amerikanischen SicherheitsStrategie, weil ihre Hoffnungen auf Freiheit der Eigenentwicklung und Vereinigung sich auf die »Politik der Stärke« des atlantischen Bündnisses gründeten. Doch sah Adenauer sich wiederholt veranlaßt, von den USA Treueschwüre zu verlangen624, da Frankreich und Großbritannien, die das Schicksal der Bundesrepublik mitbestimmten, zum Schutze ihrer eigenen privilegierten Stellung in den westlichen Systemen und zur Pflege des Gesprächsfadens mit Moskai/'25 abweichende diplomatische Aktivitäten entfalteten. Man erwartete von Washington, daß es sich den französischen und britischen Manövern nicht anschloß, sondern der Versuchung entgegenwirkte, Deutschland zum Handelsobjekt von ViermächteKompromissen zu machen. Außerdem sollten die USA dafür sorgen, daß das Gebiet der Bundesrepublik voll innerhalb des »defence perimeter« der NATO liegö526, also nicht mit einem Sonderstatus als truppenverdünnte/demilitarisierte Zone behaftet sein würde; denn das hätte bedeutet, daß deutsches Gebiet im Ernstfall wie bisher vorgesehen 627 bei einer ersten Angriffswelle geräumt werden und zur Rückeroberung vorherbestimmt sein würde.

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dri, Western European; Gillingham, Coal, Steel, S. 358 ff.; Abelshauser, Rüstung und Wirtschaft, S. 2 8 - 3 6 . Dulles, 11.7.1953, FRUS, 1952-54, V, S. 1622 f.; Died, Westeuropäische Union, S. 71, verweist auf das Zitat im Untertitel seines Artikels; Felken, Dulles, S. 116. Felken, Dulles, S. 341 ff., 370 ff.; Adenauer, Erinnerungen, II, S. 333-348; Amerikas Option, S. 56-58. »[...] wenn die Situation so weitergeht, wie sie jetzt ist [...], dann werden England und Frankreich uns zuerst an die Russen verkaufen, damit sie am Leben bleiben in der I loffnung, daß noch etwas anderes kommt. Wir können aber nicht verkauft werden, wenn wir eine Wehrmacht haben,«: Adenauer, Sitzung des Bundeskabinetts, 9.11.1956, Kabinettsprotokolle, IX, S. 709; Schwarz, Adenauer, II, S. 303; Amerikas Option, S. 57 f. Beide Aspekte sind in der Formulierung, Adenauer habe auf die amerikanische Karte gesetzt, zusammengefaßt. In der Gründungsphase der NAT(O) konnten die USA und Großbritannien nicht über die periphere Strategie hinausgehende Zusagen geben; insofern war die Festlegung einer Verteidigung an der Rhein-Ijssel-Linie schon Zukunftsmusik. Ende 1953 sowie im Februar 1955 kalkulierte SACEUR Gruenther den erheblichen Verlust von »Gebiet« an einen Angreifer ein; die erwogene Verteidigungslinie HamburgWeser-Fulda-Schweinfurt-Würzburg-Nürnberg-München war zu dünn besetzt, um ein Überranntwerden bzw. eine Besetzung durch den Angreifer abwehren zu können; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 615-624; Bluth, Britain, Germany, S. 31 ff.; Schmitt, Frankreich, S. 19; Gablik, Strategische Planungen, S. 141 ff., 151 f., 156, 182. Die Verteidigung westlich der Weser-Fulda-Lech-Linie war bis ca. 1958 das weitgesteckteste Planziel; laut SACEURs 1958 Emergency Defense Plan wäre Niedersachsen im Verteidigungsfall »atomares Schlachtfeld« gewesen: Bluth, Nuclear Weapons, S. 144; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 706 ff., 720 ff., 732 ff.

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Die früh einsetzende innerdeutsche Kritik628 an der westlichen Verteidigungsstrategie war die zweite wichtige, wenn auch nicht einer breiten Öffentlichkeit bekannt werdende Ebene intra-westlicher Spannungen; sie war gleichermaßen geprägt von der Sorge vor der Anfälligkeit der Bundesrepublik für nationalneutralistische und pazifistisch-neutralistische Strömungen in der Politik!529. Dies berührte insbesondere die USA, weil sich einerseits mehrere Linien der Kritik an der NATO bzw. der Dominanz der USA in der NATO und des AntiAmerikanismus in der deutschen politischen Landschaft überlagerten und weil andererseits der Einfluß der USA nicht ausreichte, um Tempo und Form der von ihnen gewünschten Westbindung der Bundesrepublik gegenüber den Alliierten durchzusetzen. Die USA mußten darauf Rücksicht nehmen, daß sie der Gastrechte in Frankreich und in Großbritannien bedurften: Die Vorausstationierung ihrer Abschreckungskapazität in Großbritannien machte die Zustimmung britischer Regierungen zur Nutzung der Operationsbasen erforderlich630; Frankreich verweigerte zwar die Zustimmung zur Dislozierung amerikanischer atomarer Gefechtsfeldwaffen — und später der MRBM - auf französischem Gebiet; es galt dennoch als unverzichtbares Kernland sowie als zentraler Standort der NATO und war Türöffner zur Re-Integration Deutschlands in Westeuropa. Die Grand Strategy der NATO war eine Angelegenheit, die von den militärischen Vorgaben der USA, aber ebenso von der Komplementarität der »Deutschland-in-Europa«-Diplomatie der drei Westmächte lebte. Die strategischen Leitlinien — Bereitschaft der USA zum Direktschlag gegen die Hauptmacht der Gegenseite631 (massive retaliation); Vorneverteidigung — spiegelten die Kompromißlinien wide/'32.

Über die Vorstellungen Bonins siehe Brill, Bogislaw von Bonin, S. 69-101, 118 ff., 129 ff.; MeierDörnberg, Politische und militärische Faktoren, S. 742 ff. Conant an Dulles, 13.11.1953, FRUS, 1952-54, VII, S. 553-555; Brill, von Bonin, S. 64 f.; MeierDörnberg, Politische und militärische Faktoren, S. 736-748. 630 Zu den komplizierten und immer noch nicht voll-einsehbaren Regelungen siehe Duke, U.S. Defense Bases, S. 80 ff., 142 ff.; Baylis, Ambiguity, S. 117 ff.; Simpson, Independent, S. 78 ff., 124 ff. « i Zur Entwicklung von IiALFMOON und OFFTACKLE über D.C. 6/1 (1.12.1949-6.1.1951) bis hin zu M C 48 und M.C. 14/2 s.o., s.u.; Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 163 ff., 277 f f , 301-315. « 2 NATO Strategy Documents, S. 62 f , 104, 114, 117, 237-240, 291; Wheeler, NATO, III, S. 121 ff. Erst unter Kennedy brach sich in der amerikanischen Politik die Tendenz Bahn, von NATO-europäischem Boden aus keine strategischen Nuklearschläge gegen in der UdSSR gelegene Zielobjekte vorzuplanen; das sollte den USA vorbehalten bleiben. Parallel dazu wollte Großbritannien, ein Befürworter des »early use« von taktischen Atomwaffen, nur kleine dosierte Schläge vorsehen, die Bundesrepublik- und DDR-Gebiet betrafen, aber empfindliche sowjetische Einrichtungen aussparten; als Test gedacht, sollten sie keine Eskalation auslösen, sondern Moskau Zeit zum Einlenken geben. Erst in den 1970/80er Jahren Schloß sich Großbritannien dem deutschen Argument an, daß man nicht die Opfer einer sowjetischen Angriffshandlung — einschließlich Osteuropa - mit einem Atomschlag treffen sollte, sondern den Urheber Sowjetunion; Heuser, NATO, S. 48 f f , 82, 144 f. 628

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Als Nicht-Mitglied der NATO konnte die Bundesrepublik ihre Vorstellungen zunächst nur in Washington und London vortragen 633 und dann — entsprechend der Vorrangstellung der NATO vor der EVG/WEU in Strategiefragen - lediglich darauf hinwirken, daß sie angehört wurde. Für Strategiedebatten war die EVG nicht vorgesehen; dabei blieb es auch, als die WEU die EVG ersetzte. Die Nuklearisierung der NATO-Strategie im Sinne der von den USA und Großbritannien vollzogenen Wende zum New Look (Long Haul)634 erfolgte formaliter im Dezember 1954, d.h. in der Ubergangsphase und noch vor Ratifizierung der Pariser Verträge durch die französische Nationalversammlung und die deutschen Verfassungsorgane 635 . Die neue amerikanische Strategie — NSC 162/2 vom 30. Oktober 1953 —, welche Dulles und die amerikanischen Militärs im Vorfeld der Wintertagung der NATO-Verteidigungs- und -Außenminister ankündigten und die Präsident Eisenhower auf der Bermuda-Konferenz vom 4.-8. Dezember 1953636 und Dulles noch deutlicher im Laufe des Jahres 1954 vertraten637 —, veranlaßten die französische Politik zu der Schlußfolgerung, den Aufstieg zum AtommachtStatus vorantreiben zu müssen, um den Abstand zu Großbritannien zu verringern, jedoch den Vorsprung gegenüber der Bundesrepublik zu bewahren638. Eisenhowers gegenüber NATO-Generalsekretär Lord Ismay geäußerte Absichtserklärung, daß seine Regierung sich um eine Revision des McMahon-Act bemühen werde, Das betrifft die Amerika-Reisen von Heusinger und Speidel im Spätsommer/Herbst 1950 (Himmeroder Denkschrift); Blankenborn und Heusinger im Frühjahr 1953 sowie Adenauers Unterredungen mit McCloy im August 1950, Juni/Juli 1951 und seine Amerika-Reisen; sie sind ausführlich in Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, I — III, durch Greiner, Maier, Thoß und Wiggershaus dokumentiert. 634 FRUS, 1952-54, II, 360-366, 394-434; History of theJCS, V, S. 11-14; Brands, Age, S. 966 ff.; Betts, Nuclear Blackmail; Trachtenberg, Wasting, S. 35; Dockrill, Eisenhower, S. 33 ff.; Duffield, Evolution, S. 165 ff.; Wampler, The Die; Peter, Abschrecken, S. 84-100; Feiken, Dulles, S. 110-117; Heuser, Keystone, S. 325 ff. 6 , 3 Die Ratifizierung der Verträge in Frankreich war erst mit dem Mehrheitsentscheid der ersten Kammer (des Rats der Republik) am 28.3.1955 abgeschlossen; die Debatte begann dort am 23.3. Der Bundestag hatte den Verträgen am 28.2.1955 zugestimmt. Faure hatte Botschafter Vinogradov am Vorabend der Ratifizierungsdebatte eine Detente-Initiative zugesagt; Barbier, French Policy Aims, S. 105 f.; Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 80. - Mendts France' Vorstoß vom 5.1.1955, man solle der Sowjetunion eine Gipfelkonferenz verbindlich anbieten, da dies die Ratifizierung durch die Erste Kammer erleichtern würde, stieß bei Churchill auf Protest (12.1.1955); Barbier, French Policy Aims, S. 103. « FRUS, 1952-54, V, S. 1726-1837; NA, PREM 11 - 418; Shuckburgh, Diaries, S. 110-117; Gilbert, Churchill, S. 916-942. Dietl, Westeuropäische Union, S. 72, datiert die französische Entscheidung, Nuklearmacht zu werden, auf 1952, und zwar als Reaktion auf Londons »Defense-Policy-and-Global-Strategy«-Konzept (2.5.1952). Dulles, 12.1.1954, The Evolution of Foreign Policy; 23.4.1954 im NATO-Rat, FRUS, 1952-54, V, S. 509-514; Peter, Abschrecken, S. 148 f.; Geiling, Außenpolitik, S. 131-143; Wells, Origins, S. 36 f.; Development of American Strategie Thought; Kaplan, Wizards, S. 185 f. Einige Autoren schließen auch die Verweigerung des Nukleareinsatzes zur Endastung der in Dien Bien Phu eingekreisten französischen Streitmacht durch Großbritannien und die USA in die Argumentationskette ein; es ist nicht erwiesen, daß die französische Regierung die USA um einen Atomwaffeneinsatz ersucht habe. 638 Soutou, Frankreich, S. 226-234; Schrafstetter, Dritte Atommacht, S. 38 ff.; Schmitt, Frankreich, S. 15 ff. 633

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damit die nukleare Zusammenarbeit in der N A T O Gestalt annehmen könne!539, daß diese Offerte an die europäischen Partner aber an deren Fortschritte bei der europäischen Einigung gekoppelt sei, verstand man auf französischer Seite als klausulierte Vorankündigung, daß die USA eine unabhängige französische Atommacht verhindern wollten640. Da Großbritannien bereits aus eigener Kraft Atommacht geworden war und deshalb erneut auf amerikanische Sonderbehandlung rechnen konnte, drängte Frankreich darauf, das angelsächsische Duopol zum Triumvirat zu erweitern und mit Großbritannien gleichzuziehen. Doch weder die USA noch Großbritannien waren bereit, die westlichen Dreier-Treffen, die sich aus der Verantwortlichkeit für Deutschland und Berlin ergaben, zu einem trilateralen Strategie-Direktorium zu erweitern641. Die französischen Ambitionen, nicht gegenüber den USA und Großbritannien ins Hintertreffen zu geraten, beeinträchtigten die französische Europa-Politik. Zum einen fanden die seit dem Erdrutsch in den Wahlen im Juni 1951 stärker nach rechts orientierten Regierungen nationale Lösungen attraktiver als EuropaProjekte642. Zum anderen sah Frankreich sich genötigt, Truppen in größerem Umfang aus NATO-Europa abzuziehen und nach Indochina (Mai und Oktober 1950 bis April 1954) und Nordafrika (seit November 1954) zu entsenden. Das präjudizierte die Relation zwischen französischen und deutschen Kontingenten und hätte, falls die Vertragswerke in Kraft traten und die Bundesrepublik ihren Verteidigungsbeitrag tatsächlich so zügig wie möglich eingebracht hätte643, Frankreich die Schlüsselstellung auf europäischer Seite gekostet 44 . 639

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Eisenhower-Ismay, 8.12.1953, L U C , Ismay Papers, III/22/6a. Damit die Militärs die für Planungszwecke autorisierte Möglichkeit des Kernwaffeneinsatzes im Ernstfall auch realisieren könnten, benötigten sie einen Beschluß des NATO-Rats und das Placet jeder einzelnen Regierung zur Freigabe; zum Problem der Prädelegation siehe Maier, Politische Kontrolle, 41-49; Wheeler, N A T O , III, S. 121 ff.; Wampler, Conventional Goals, S. 370 ff.; Twigge/Scott, Planning, S. 64 ff., 74 ff., 79, 85 ff., 114 ff., 138 ff. Daß diese Interpretation nicht stichhaltig ist, zeigen neue, von Schrafstetter - Dritte Atommacht, S. 39 ff. - entdeckte Zeugnisse. Eisenhower und Dulles ging es um kontrollierte Proliferation innerhalb der N A T O ; siehe Trachtenberg, Constructed, Kap. 5; ders., United States, France, S. 245 ff.; Weber, Shaping, S. 656 ff. S A C E U R / S I I A P E hatten de facto die Standing Group als »Planungszelle« und Initiator abgelöst; Frankreich ging es um Aufnahme in den amerikanisch-britischen Duopol; in der von S A C E U R Gruenther im August 1953 einberufenen New-Approach-Gruppe war Frankreich neben den USA und Großbritannien vertreten; Greiner, Militärstrategisches Konzept, S. 219 ff.; ders., Militärstrategische Konzeptionen. Pleven hatte dies Ende Januar 1951 von Truman gefordert. Die Regierungen Bidault/Laniel, Mendts France, Mollet und Gaillard bekräftigten den Anspruch. D a Frankreich - im Unterschied zu Großbritannien - Positionen Out-of-NATO-area anscheinend nirgendwo aus eigener Kraft halten könne, zeigten sich Truman/Acheson und Eisenhower/Dulles reserviert. Zum zweiten wollten sie Paris nicht länger gegenüber Bonn oder Rom bevorzugen, weil dies der Zielsetzung »balanced collective forces« weiter schaden würde; Bidault, 17.2.1953, Dunn-Report an Department of State, FRUS, 1952-54, V, S. 732; Hitchcock, France, S. 80 ff., 109 ff., 158 ff., 179 f.; Guillen, Französische Generalität; Maier, Internationale Auseinandersetzungen, S. 150 ff. Soutou, Frankreich, S. 231 - 234. Frankreich hatte zunächst darauf gedrungen, daß der deutsche Anteil an den Pleven-PlanStreitkräften höchstens 20 % erreichen dürfe; das hatte US-Verteidigungsminister Marshall zu-

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Unabhängig von den Status- und Prestigefragen bestanden Zielkonflikte in der Sache. Auf der einen Seite wollte Frankreich die konventionelle Verteidigung so weit östlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik wie möglich festschreiben und dementsprechend die Bundesrepublik zu einem angemessenen Verteidigungsbeitrag verpflichten; auch über den Anspruch auf den Posten des Oberbefehlshabers der Land-, See- und Luftstreitkräfte Europa-Mitte645 gedachte Paris darauf hinzuwirken, daß die konventionelle Komponente im Verteidigungsdispositiv stark blieb646. Auf der anderen Seite handelte Paris nach der Devise, daß eine konventionelle Abschreckung — als Alternative zu der Abhängigkeit von der angelsächsischen Strategie der nuklearen Abschreckung — nicht in Betracht komme. Obwohl vorauszusehen war, daß sich das konventionelle Kampfgeschehen im Falle des Versagens der nuklearen Abschreckung sehr schnell von Westdeutschland nach Frankreich verlagern würde, vinternahm Frankreich keine massive Beteiligung an der Vorneverteidigung durch Integration eigener Streitkräfte in »vorne« stationierte NATO-Verbände in Friedenszeiten647. Abgesehen davon, daß auch andere große Streitfragen — Saar; französische Nachforderungen zur Novellierung der EVG — und natürlich die Schatten der

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nächst ebenfalls vorgesehen. Im Rahmen der EVG sollte der deutsche Anteil auf höchstens 1/3 begrenzt bleiben. Das Festhalten an der Wertmarke: 12 deutsche Divisionen bei fortdauernder Herabsetzung der NATO-Sollstärke von 90 Divisionen (April 1950) auf weniger als 50 änderte die Proportionen. »Botschafter Alphand legte dar, daß Frankreich eine Benachteiligung im Stimmrecht wegen seines Indochina-Aufwands nicht zulassen könne und daß die Behandlung der Stationierungskosten unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden müsse. Der deutsche Delegationschef gab hierauf die grundsätzliche Erklärung ab, daß man gegen eine Parität der deutschen und französischen Stimmen im Ministerrat der EVG keine Bedenken erhebe.« Aufzeichnung Viaion, 20.3.1952, zit. nach Ilofmann, Truppenstationierung, S. 186; Frankreich wollte einerseits die Finanzkraft der Bundesrepublik voll ausgeschöpft wissen, andererseits aber verhindern, daß das deutsche Gewicht in den Gremien dementsprechend überhandnehmen würde; Ilofmann, ebd., S. 182, 185. Frankreich setzte durch, daß die Parität trotz unterschiedlicher Leistungen auf Dauer und nicht zeitlich befristet auf eine einjährige Ubergangszeit anerkannt wurde: AAPD, 1952, Dok. 52, 94 sowie 27. Feldmarshall Juin hatte diese Position von 1952-1956 inne; Montgomery, der statt Juin Vorsitzender des Militärausschusses der WUDO geworden war, rückte zum stellvertretenden SACEl'R auf. I Ieusinger stellte Ende Juli 1955 in Unterredungen mit Valluy Ubereinstimmungen hinsichtlich des strategischen Konzepts fest - Gersdorff, Westdeutsche Verteidigungskooperation, S. 227 - , doch unterliefen die praktischen französischen Maßnahmen den Anspruch auf »konventionelle« Vorneverteidigung; siehe Greiner, Militärische Eingliederung, S. 657 ff., 707 ff.; Gablik, Strategische Planungen, S. 72 ff., 104 ff. Der Abzug von Verbänden zwecks Einsatz in Indochina und danach in Algerien (seit Februar 1955) gibt Anlaß, die Frage aufzuwerfen oder zuzuspitzen, ob Frankreich nicht auch schon vor der schrittweisen Desintegration aus der NATO (1959-1966) in der NATO-Militärstruktur eigentlich nicht präsent war — außer durch die Bedeutung als Sitz der NATO-Organe und als logistisches Kernland. Unter den vorne dislozierten Verbänden befanden sich keine französischen Divisionen - im Unterschied zu den britischen und amerikanischen Streitkräften, die den Weg nach 1 Iamburg und ins Ruhrgebiet bzw. nach Frankfort und Süddeutschland versperren sollten.

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deutschen Vergangenheit*548 einem vertraulichen Gedankenaustausch649 zwischen Frankreich und Deutschland vor 1954 im Wege standen, so ist doch festzuhalten, daß die beiden Staaten, die vom Bündnis die Fesdegung auf Vorneverteidigung verlangten, sich auch auf lange Sicht nicht zu einer gemeinsamen konventionellen Verteidigung zusammenfanden. Dabei blieb es bis in die 1980er Jahre (1983 bzw. 1987), vor allem aufgrund zunehmender Diskrepanzen zwischen französischen und US-NATO-Strategien und Streitkräftestrukturen650. In der Truman-Ära, als die USA auf konventionelle (symmetrische) Verteidigung gegen nicht-atomare Angriffe setzten, hielt Frankreich die Bundesrepublik aus der NATO fern; in der Eisenhower-Ära suchte Frankreich zwar die USA und Großbritannien auf die 1949/50-1952 vereinbarten Grundsätze zu verpflichten651, hielt aber keine Gegenposition zur »massive retaliation« im Gespräch; die deutschen Militärs versuchten dies 1955/56 nachzubessern. In der Phase 1952-1954 verlangte Paris vielmehr von den USA und Großbritannien nachhaltige Unterstützung sowohl zur Wahrung des Vorsprungs vor Deutschland durch Hilfeleistung beim Aufstieg zum Kernwaffenstaat als auch zur Verteidigung der eigenen Rolle als »Dritte Kraft« in Nordafrika und Indochina. Die Vorstellung, daß die USA und Großbritannien in »Out-of-NATO-area«-Fragen zu wenig für Frankreich getan und in der Deutschlandpolitik zu hohe Opfer von Frankreich verlangt hätten, nährte die alte Vorstellung, sich durch Gesprächsbereitschaft gegenüber der Sowjetunion Endastung verschaffen zu können. Nach Stalins Tod und dem Waffenstillstand in Korea signalisierten Großbritannien und die USA eine Änderung in den Verteidigungsvorkehrungen; statt der Konzentration auf einen Gefahrenzeitpunkt wurden die Vorbeugungsmaßnahmen nunmehr auf einen langen, mit anderen als nur militärischen Mitteln auszutragenden Kalten Krieg abgestimmt652. Trotzdem waren und blieben sie an einem umfangreichen deutschen konventionellen Verteidigungsbeitrag als notwendigem Komplementär der »Nuklearisierung« der eigenen Streitkräftestrukturen und der 648

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Warum sollte sich Frankreich auf Verteidigungsplanung mit der Bundesrepublik einlassen, wenn das Szenarium auf der Gegnerseite — außer den Ostdeutschen — auf »alte« Verbündete träfe und im Erfolgsfall dem deutschen Revisionismus Vorschub leisten könnte? Gerade die führenden deutschen Militärs — vor allem I Ieusinger — hegten Vorbehalte gegenüber Frankreich; Speidel bildete die Ausnahme. Die Ausnahme in der Sachlage betrifft französische Fühlungnahmen betr. die Entwicklung von Trägersystemen und Atomwaffen in »gesicherten Zonen«; den rechtlichen Rahmen dafür lieferten die Bestimmungen des Pariser Vertrages. Gen. Faure schnitt das Thema um den 10.9.1954 an; Pitman, Un General, S. 50; Abelshauser, Rüstung und Wirtschaft, S. 28 ff. Schmidt, Getting the Balance; Rühl, Federal Republic. Soutou, Frankreich, S. 226 ff. NSC 153/1 Restatement of Basic National Security Policy (10.6.1953), FRUS, 1952-54, II, S. 378-386; Eisenhower, News Conference, 30.4.1953, in: Public Papers, 1953, S. 225-238; Rosenberg, Origins, S. 11-27; Eisenhower wies im April 1953 die Vereinten Stabschefs an, Planungen nicht länger auf einen höchsten Gefahrenzeitpunkt auszurichten; Peter, Abschrecken, S. 161; zur Vorgeschichte: NSC Special Meeting, 31.3.1953, FRUS, ebd., S. 264-280; NSC 149/2, Basic National Security Policies and Programs in Relation to Their Costs (28.4.1953), FRUS, ebd., S. 305-316.

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NATO-Strategie interessiert651. Für sie war die Vollendung der Westbindung Westdeutschlands durch die Hinzufügung der militärischen Dimension zur politisch-ideologischen und wirtschaftlichen Integration ins westliche Lager die Vorbedingung für eine Reaktivierung von Ost-West-Gesprächen. Auch für die Bundesregierung war aus innen- ebenso wie aus außenpolitischen Gründen die militärische Stärke des westlichen Bündnisses eine wesentliche Voraussetzung, um von gesichertem Terrain aus in Ο st-West-Verhandlungen eintreten zu können. Frankreich hingegen schwankte immer noch zwischen zwei Optionen: ein geteiltes, stark gerüstetes Westdeutschland oder ein vereintes, hochgerüstetes, neutrales Deutschland 654 . Die erste könnte den USA und Großbritannien den Vorwand liefern, ihren Anteil an NATO-Europa doch noch wie gewünscht zu reduzieren 655 ; die zweite würde — als Thema, weniger als Fakt — mit dem Vorteil verbunden sein, mit der Sowjetunion über europäische Sicherheit ins Gespräch zu kommen. Die erste Option lag in der Logik westlicher Kooperation in der Nachkriegsphase, bedeutete aber die Festschreibung der angelsächsischen Vision einer Nachkriegsordnung mit der ergänzenden Perspektive, daß die Sowjetunion — wie von Dulles 1955/56 suggeriert — zu der Einsicht gelangen werde, daß sie aus der Uneinigkeit des Westens kein politisches Kapital schlagen könne und sich deshalb mit der Tatsache abfinden werde, daß die USA und Großbritannien bei der Schaffung gesamteuropäischer Sicherheitsstrukturen genauso mitwirken würden wie zuvor bei der Restrukturierung der Region Westeuropa. Frankreich suchte aus dem Entscheidungsdilemma auszubrechen, indem es die Gesprächsbereitschaft der Sowjetunion zu früheren als den von den USA und/oder Großbritannien konditionierten Zeitpunkten ausloten wollte656. Mit seinen Vorstößen, die oftmals ohne Vorabstimmung mit den USA und Großbritannien und schon gar nicht mit Bonn 657 erfolgten 658 , sorgte Paris aber nur für Irritationen im westlichen Bündnis und Verunsicherung der Bundesrepublik. Mendes France wich im November 1954 653

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NATO Strategy Documents, S. 241 f. Zu den Gründen: History of the JCS, V, S. 304 ff.; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 608 ff., 709 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 191, 240 ff.; Gossel, Briten, S. 61 f., 76 ff. Ein Status bewaffneter Neutralität, wie er für Osterreich gefunden wurde, kam auch aus französischer Sicht für Deutschland nicht in Betracht; Erklärung von Faure, 18.7.1955, Eröffnungsrede beim Genfer Gipfeltreffen, FRUS, 1955-57, V, S. 364 ff.; DDF, 1955, Annexes II, S. 19-27. Die französische Regierung befürchtete »that the rearmament of Germany, instead of adding new divisions, would merely replace the troops of the old allies by those of an old enemv«, BermudaKonferenz, 6.12.1953, FRUS, 1952-54, V, S. 1800; Neuss, Geburtshelfer, S. 232. Zu Mendes France' Vorstößen vom 22.11.1954 und 5.1.1955 sowie Faures Initiativen Ende März/Anfang April 1955 siehe Barbier, French Policy Aims, S. 100-105; Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 78 ff. Dulles-Dillon-Briefwechsel, 12./13.8.1954, FRUS, 1952-54, V, S. 1030 ff.; Schwarz, Adenauer, II, S. 59 f., 136 f., 240. Das gilt auch für Mendes France' Anregung, vor der für Dezember 1954 angesetzten Ratifizierungsdebatte in der Nationalversammlung eine Konferenz zur Lösung der Österreich-Frage zu verabreden, sowie für Mollets Abrüstungsvorschlag vom März 1956. Die Ausnahme bildet das Treffen zwischen Mendes France und Adenauer in Baden-Baden im Januar 1955: Thoß, Beitritt, S. 105 f.; Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 78 f.

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von der Vereinbarung ab, daß jeder Unterzeichner des London-Pariser Vertragswerkes dessen Verabschiedung und Inkraftsetzung den Vorrang geben sollte; man hatte sich darauf verständigt, erst im Anschluß an die Ratifizierung eine Ost-WestKonferenz abzuhalten659. Die ausbleibende rechtzeitige sowjetische Resonanz auf den Vorschlag, anhand der Österreich-Frage die Verständigungsmöglichkeiten zwischen Ost und West auszuloten, bewog Mendes France dazu, eine Wiederholung des »August 1954« zu vermeiden und die Verträge durch die Nationalversammlung zu bringen. Die intra-westliche Diplomatie hatte Ende März 1955 das Ergebnis geliefert, das 1949/50 ins Blickfeld gerückt war: Sicherheit des Westens durch Westintegration der Bundesrepublik. Die komplementäre Entwicklung der Sicherheitsausstattung des Bündnisses, d.h. die Nach(Auf)rüstung der kontinentaleuropäischen NATO-Partner, stand noch aus, doch hatte sich aufgrund technologischer Entwicklungen und Veränderungen der militärstrategischen Denkhorizonte die Vorstellung davon verschoben, was der Westen als militärischen Rückhalt für seine »diplomacy« benötige. Großbritannien und Frankreich sprachen sich zur Befriedigung ihres nationalen Sicherheitsbedürfnisses für die Priorität der nuklearen Abschreckung aus; die USA, SACEUR und die Bundesregierung hielten bei grundsätzlicher Einwilligung in die »Sicherheit-durch-Abschreckung«-Doktrin jedoch an der Auffassung fest, daß zur Deckung der »minimum force requirements« konventionelle Streitkräfte im Umfang von 30 Divisionen erforderlich seien, darunter nach wie vor bzw. erst recht 12 deutsche Divisionen. Die Lösung der einen Hälfte des Problems, das man 1950 konstatiert hatte, am Ende der Experimentierphase NATO/EVG anzutreffen, brachte es mit sich, daß für die Lösung der anderen Hälfte die »diplomacy« eine neue Richtung einschlagen könnte: Unter dem veränderten Vorzeichen des Interesses an Entspannung durch Rüstungsbeschränkung und -kontrolle erhielt die Diplomatie die Gelegenheit, die Frage nach den politischen Ursachen und Folgen der Teilungen Europas und Deutschlands hinter die (vermeintlichen) Erfolgsaussichten in den Fragen von Rüstungskontrolle und beschränkung zurückzustellen660. Im Hinblick auf »arms & diplomacy« wird häufig immer noch zu wenig beachtet661, daß die USA, von denen europäische Sicherheit in unserem Untersuchungs-

659 Nach der Ratifizierung durch die Erste Kammer in Frankreich (28.3.1955) und der gleichzeitigen Moskauer Einladung an Bundeskanzler Raab, zu Gesprächen nach Moskau zu kommen, einigten sich die drei Westmächte darauf, dem Kreml konkret ein Angebot für ein Gipfeltreffen zu unterbreiten. 660 Zum Gebot der flexiblen Reaktion der USA auf die neue Cold-War-Strategie Chruscevs siehe III; FRUS, 1955-57, XIX, S. 123 f., 199, 219 ff., 252 f., 267, 423 ff., 517 ff., 634, 666 ff., 705 ff. 661 In der Diplomatie blieben beide Konflikte - der Kalte Krieg in Europa und der im Fernen Osten - getrennt, weil die USA im Gegensatz zu britischen Vorstellungen es ablehnten, Peking bei Gipfeltreffen hinzuzuziehen; Stalin hatte 1951 darauf gedrängt, die VR China zu beteiligen bzw. den Korea-Krieg als I lebel zu nutzen, um gleichberechtigt mit den USA über Europa- und FernostFragen zu verhandeln. Im Frühjahr 1954 mußte Washington in die Teilnahme von Chou En-Lai an der Genfer Außenministerkonferenz einwilligen. Auf dem Genfer Gipfel lehnte Eisenhower

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Zeitraum uneingeschränkt abhing662, die meisten grundlegenden Entscheidungen über — den Nutzwert von Nuklearwaffen als Instrument der Abschreckung und der Prävention einer vom Gegner bestimmten Konflikteskalation, — ausgewogene Dislozierung von konventionellen und atomaren Systemen, — lokale Selbstverteidigung und Schutzfunktion der Supermacht USA zuerst oder jedenfalls eindringlich in Krisensituationen in Nordost- und Südostasien auf sich zukommen sahen663 und dementsprechend auf höchster Entscheidungsebene behandelten664. Die amerikanischen Überlegungen, ob man 1. die militärische Präsenz in Japan und/oder Westeuropa aufrechterhalten müsse oder abbauen könne; 2. ob die mit den ostasiatischen Verbündeten ausgehandelten

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die Forderung Bulganins, Fernostfragen auf die Tagesordnung zu setzen, ab, so wie Bulganin und Chruscev umgekehrt die Erörterung der »Satelliten«-Frage zurückwiesen; siehe III. Die USA und Großbritannien füllten gewissermaßen die von Frankreich aufgrund der Verwicklung in Indochina gerissenen Lücken; May, American Commitment, S. 445. Die USA und Großbritannien stellten 1950-1956 mehr als die Hälfte der in NATO-Europa präsenten Land- und Luftstreitkräfte; 1951 waren es 6 amerikanische Divisionen (d.h. 4 zusätzlich zu den beiden Besatzungsdivisonen) und 8 »tactical airwings«, 1955 5 Divisionen; von insgesamt 10 »effective divisions«, die den etwa 45 vorwärts stationierten Divisionen der sowjetischen Streitkräfte gegenüberstanden, stellten die USA 1955 5 und Großbritannien 2 Divisionen (unter NATO-Kommando); Angaben nach May, ebd., S. 432, 442, 447. Die britische Politik bewertete ihr »continental European commitment« unter der Voraussetzung, daß die USA gleichzeitig in die Konflikt-Eskalation verwickelt sein würden (müßten). NSC, 210. Sitzung, 12.8.1954, betr. NSC 5429 U.S. Policy in the Far East, FRUS, XII. S. 696 ff.; NSC 5429/5, 22.12.1954, ebd., S. 1062-1072; Zhang, Deterrence, S. 109 ff.; NSC, 214. Sitzung, 12.9.1954, FRUS, XIV, S. 613-624; Zhang, Deterrence, S. 120 ff.; 10./11.3.1955, FRUS, 1955-57, II, S. 347, 358-360; Chang, Friends, S. 120 ff., 130 ff. - Yost, History. Die Trumanund noch stärker die Eisenhoweir-Administrationen sahen die VR China als Herausforderer im Fernen Osten. Die US-internen Auseinandersetzungen kreisten um die Frage, ob und wie man am besten den Bruch zwischen Moskau und Peking beschleunigen könne. Eisenhower war einerseits entschlossen, auf rotchinesische »belligerent moves« unverzüglich zu reagieren; andererseits neigte er dazu - auch mit Rücksicht auf Japan und Großbritannien die ChiCom-Regeln zu lokkern, um die Abhängigkeit Chinas von der UdSSR zu verringern; NSC, 12.8.1954; Zhang, ebd., S. 110 ff. Ridgway und ansatzweise auch Dulles sprachen sich für eine flexiblere, moderate ChinaPolitik aus, um Peking einzuladeri, die langfristigen Vorteile einer Verbindung mit den USA zu erkennen. Die rotchinesischen Angriffe auf die Taiwan vorgelagerten Inseln gaben jenen recht, die als Ziel Maos die Diskreditierung und Vertreibung der USA aus Asien erblickten. Die wichtigsten Stationen sind: November/Dezember 1950; April 1951 (Korea-Krieg), siehe \X"heeler, NATO Conference Paper, Ms., S. 11; Dingman, Atomic Diplomacy, S. 76; Frühjahr 1953 (KoreaKrieg); Dezember 1953 (NSC): Gaddis, Long Peace, S. 133 f.; Frühjahr 1954 (Vietnam): Betts, Nuclear Blackmail, S. 31 ff., 59 f.; Herring/Immerman, Eisenhower, Dulles, S. 351-353; 12.8.1954; November 1954 (Taiwan), NSC Meeting, 15.11.1954: FRUS, 1952-54, II, S. 774-775; 10./11.3.1955 (Taiwan/China): FRUS, 1955-57, II, S. 347, 358-360; Chang, ebd., S. 130 ff. Um nur ein Beispiel zu geben: CinCFarEast Ridgway - von 1952-1953 Eisenhowers erster Nachfolger als SACEUR - hatte im April 1951 von Truman die Vollmacht erhalten, die aus AEC-Obhut nach Fernost verlegten neun Atomsysteme einzusetzen, falls sich das Gerücht bewahrheiten sollte, daß die UdSSR in den Krieg eingreifen und die VR China Luftangriffe von eigenem Gebiet aus auf den Kriegsschauplatz Korea fliegen würde. Dingman, Atomic Diplomacy, S. 76. In einer späteren Stellungnahme - 17.5.1954 - erklärte Ridgway, daß der Einsatz von Nuklearwaffen ein I löchstmaß an »Unmoral« bedeuten würde, außer wenn er zum Zweck des Gegenschlags oder bei einem Angriff auf die USA selbst erfolgte; Rosenberg: Origins, S. 34.

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Reduzierungs- und Rückzugspläne ein Modell für NATO-Europa seien, und 3. ob Japan gegenüber China als funktional äquivalentes und politisch zuverlässiges Gegengewicht existieren könnte wie die doppelt westintegrierte Bundesrepublik, bildeten ein Scharnier665. Solange das Schicksal der europäischen Ubereinkünfte und Vertragswerke in der Schwebe hinge666, so legten Eisenhower und Dulles fest, müßten die USA die Zuspitzung von Krisen in Fernost — z.B. durch den Befehl zum Atomwaffeneinsatz - vermeiden; das Projekt der europäischen Einigung dürfe nicht gefährdet werden, hieß die Parole667. Während diese politische Vorgabe die Priorität Europas als höchster Preis im Kalten Krieg bekräftigte, brachten die Ereignisse in Nordostund Südostasien die Nuklearisierung der Strategie und Streitkräftestrukturen auf den Teststand. Die Debatten in den Krisensituationen machten deutlich, daß die amerikanische Regierung damit rechnete, daß die UdSSR — ihre konventionelle Überlegenheit nutzen könne, um allein oder abgestimmt mit der VR China und Stellvertretern (Nordkorea; ggf. DDR) die USA gleichzeitig an mehreren Fronten herauszufordern668, — den USA in internen Überlegungen die Nicht-Bereitschaft zum Einsatz von Atom- und Nuklearwaffen unterstellen könnte, insofern man in Moskau annahm, daß die USA besorgt sein müßten, ihre Stützpunkte in Japan oder in Europa zu verlieren, falls sie von dort aus Kernwaffeneinsätze starteten669, die Sowjetunion könnte also »piecemeal aggression« riskieren, — die USA nach außen — in den Augen ihrer Verbündeten in Europa und im Fernen Osten — als nuklearen Kriegstreiber diffamierte: Die moralische Empörung würde sich gegen die USA richten und von der konventionellen Aggression der UdSSR bzw. ihrer Stellvertreter ablenken. Ausgehend von dieser Einschätzung gelangten die USA zu der Schlußfolgerung, daß sie durchgängig auf Lokalisierung der Konflikte achten670 und entsprechende « 5 Amerikas Option, S. 62-95; FRUS, 1955-57, XIX, S. 273, 307, 363, 386, 534 ff., 539 ff., 552 ff., 557 ff.; Dockrill, Eisenhower, S. 120. 666 Das betrifft: den Spofford-Kompromiß vom November/Dezember 1950, die Hinwendung zum EVG-Projekt im Juni/Juli 1951 sowie die Krisen im November/Dezember 1953, April 1954, Mitte August/Anfang September 1954, Ende Februar/März 1955. Zu den Parallelen im Fernen Osten siehe I, Anm. 663. Tuschhoff, Causes, S. 4; Lider, Origins, I, S. 258-260. '>oi Dulles, 20.2.1954: FRUS, 1952-54, VII, S. 1208 ff.; vgl. I.l.b und c; Gablik, Strategische Planungen, S. 141 ff.; Tuschhoff, M.C. 70. 902 Schmidt, Sicherheitspolitische und wirtschaftliche Dimensionen; ders., Test; ders., Sichtbare Hand. 899

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Drohkulisse harmlos im Vergleich zur »ungeheuerlichen«, eine Kategorie für sich bildenden Massenvernichtungskraft der Kernwaffen, die daher geächtet oder zumindest aus Spannungsgebieten verbannt werden müßten903. Für die USA — verstärkt unter Eisenhower — und für die europäischen NATO-Partner, die sich der NSC 68 inhärenten Logik der »symmetric response« nicht unterwerfen wollten und daher die Lisbon Force Goals beiseiteschoben904 — war hingegen die Identifizierung von Verteidigungsfähigkeit und atomarer Überlegenheit der USA eine Schutzbehauptung. Das Konzept der Integration, das sowohl den deutschen Verteidigungsbeitrag für die anderen erträglich gestalten als auch die USA als Führungsmacht inthronisieren sollte905, bildete die Tonleiter, auf der sich die Themen »politics of nuclear strategy und deutscher Verteidigungsbeitrag« aufeinander abstimmen ließen. Kein europäisches NATO-Mitglied, einschließlich der Bundesrepublik, wollte die Alternative, die zur Nuklearschirmherrschaft der USA bestand, ins Auge fassen: — entweder von der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr abhängig zu werden, indem man den deutschen Vertragspartner unter Aufhebung qualitativer Restriktionen aufforderte, eine wirksame Vorneverteidigung auf die Beine zu stellen, d.h. als Maginotwall906 für NATO-Europa-Mitte zu postieren, »(The continental European countries) felt they might become increasingly dependent on Germany for their defense if atomic weapons should be abolished and their defense based entirely on conventional weapons [...] these countries appeared to prefer to be dependent on the United States rather than dependent on Germany 907 «,

— oder aber die Friedenskonferenz mit der Sowjetunion über Deutschland nach dem Ende der Stalin-Ara nachzuholen. Was übrig blieb und »Struktur« bildete, waren die Plazierung der USA an der Spitze der NATO-Militärorganisation und die Singulariät der Vollintegration des deutDulles erinnerte daran, daß die Sowjetunion die Unterscheidung zwischen Atomwaffen und ihrem eigenen konventionellen Drohpotential propagandistisch für ihre Stilisierung als friedliebende Macht ausnütze; Dulles, 11.2.1953, NSC: FRUS, XV, S. 770. 904 Beschlüsse vom Februar 1952 wurden 1958 außer Kraft gesetzt bzw. durch M.C. "Ό abgelöst; Gablik, Strategische Planungen, S. 141 ff.; Tuschhoff, M . C 70. 9(b Die These, daß die USA sich in Europa engagieren müßten, weil die Westeuropäer meinten, auf sich allein gestellt kein ausreichendes Gegengewicht zu »Deutschland« bilden zu können, spielte vor allem im Juni/Juli 1951 wieder eine Rolle; Acheson an Bruce, 16.7.1951: FRUS, 1951, III, S. 802. Eisenhowers Plädoyer, deutsche Streitkräfte im Rahmen einer European Defence Force aufzustellen, war an den Vorbehalt des Vorrangs der NATO geknüpft; Eisenhower, 27.11.1951 (vor dem NATO-Rat) sowie bereits 31.1.1951: FRUS, ebd., S. 450 f., 734; ferner 5.12.1953: FRUS, V, S. 1783. 906 j } e r Vergleich hinkt natürlich, weil zum einen zahlreiche naturgegebene Voraussetzungen fehlten und zum anderen die deutschen Militärstrategen, insbes. Generalinspekteur I leusinger, als Verfechter einer beweglichen Verteidigung das Maginotwall-Denken ablehnten; Gablik, Strategische Planungen, S. 159. Außerdem war eine solche »Mauerbau«-Doktrin politisch unvereinbar mit dem Gedanken an Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Der Terminus spielt auf die der Bundesrepublik zugedachte Funktion als Glacis an. 9(17 United States Delegation to the Ministerial Meeting of the North Adantic Council, Bonn, 2.-4.5.1957, Memorandum of Conversation Dulles-Adenauer: DDEL, AWF, Dulles-I lerter series, Box 8, file April 1957 (1). 903

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sehen Verteidigungsbeitrags 908 . Die Doppelfunktion von SACEUR als Ansprechpartner für den integrierten Partner Bundesrepublik und als CINCEUR koppelte die Rolle der USA als Exporteur von Sicherheit an die langfristige Bereitstellung eines Nuklearprotektorats und an die als temporär gedachte Anzahlung auf den Aufbau einer NATO-europäischen »balanced collective force«?09. Die Planung und operative Leitung der zunächst auf Bomber-Offensivkraft und dann auf Kernwaffen gestützten Abschreckungsstrategie lag jedoch beim Strategie Air Command der USA, das zunächst völlig unabhängig von der NATO-Planung unter SACEUR wirkte 910 . Der erste Schatten, der auf die vom Bündnis bereitgestellte Sicherheitsgarantie fiel, war der Umstand, daß der amerikanische nuklearisierte Sicherheitsexport zugleich importierte Glaubwürdigkeitskrise meinen konnte, und zwar in zweifacher Hinsicht: 1. Im Rahmen der auf amerikanischer Seite, z.B. von Acheson, frühzeitig erkannten und später dann von de Gaulle zugespitzten Problematik, daß die nach nuklearstrategischer Parität strebende Sowjetunion die amerikanische Garantie für die NATO-Partner als Bluff aufdecken könne, ging es stets auch darum, daß SACEUR selbst und über ihn die Verbündeten, insbesondere die NichtNuklearstaaten unter ihnen, Einfluß auf das aus amerikanischer Warte notwendigerweise »global Strategie targeting« nehmen könnten. Andernfalls würde die NATO gleichsam zwei unverbundene Strategien fahren, einen US-zentrierten Nuklearkrieg und einen mit atomaren taktischen Systemen aufgefüllten Abwehrkampf auf europäischem Gebiet 911 ; letzterer mußte frühzeitig eskalieren, weil die eingesetzten Systeme sowohl die auf DDR-Gebiet dislozierten konventionellen Streitkräfte der Sowjetunion als auch herangeführte sowjetische Verstärkungen treffen sollten. Weder SACEUR noch die europäischen NATOStaaten mit der sich abzeichnenden Ausnahme Frankreichs bestritten, daß dem US-Präsidenten ein Vetorecht über den Einsatz der von den USA gestellten strategischen und atomar-taktischen Systeme gebührte; womit die NATOEuropäer, insbesondere Frankreich 912 , sich nicht abfinden wollten, war der Standpunkt der Eisenhower-Regierung, im Ernstfall nicht von der Zustimmung des NATO-Rates bei einer Entscheidung über den Einsatz atomarer Waffen in Europa abhängig zu sein913. In gleicher Weise richtete SACEUR das Die Integration der Bundeswehr in die NATO beruhte auf der Einbindung in multinationale Kommando- und Kontrollstrukturen, auf der Ausbildung und Ausrüstung der Streitkräfte, auf Rüstungskontrolle usw. Sie beruhte aber auch auf der Abhängigkeit - bis Anfang der 1960er Jahre - von amerikanischer Militärhilfe und Rüstungsgüterlieferungen; I lovey, United States; Birtle, Rearming; Haglund, American Troops, S. 139 ff.; Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 113 ff., 141 ff.; Tuschhoff, Causes. 909 M.C.14, § 6: NATO Strategy Documents, S. 94. 910 Heuser, NATO, S. 42; Schmitt, Frankreich, S. 12 f.; Twigge/Scott, Planning, S. 33, 53 f., 102 ff., 118. 9 " Wampler, NATO, S. 4.; siehe I, Anm. 804 ff. 912 Soutou, L'Alliance incertaine, S. 123-148; Bluth, Britain, Germany, S. 31; Heuser, NATO, S. 98. 9 » Siehe I, Anm. 853 ff. 908

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Ansinnen an den US-Präsidenten, ihm im Vorfeld eines Konflikts die Vollmacht zum Einsatzbefehl zu übertragen914. Der Punkt war, daß die Europäer nicht nur Einfluß auf die Zielplanung und Dislozierung der den USStreitkräften in Europa ebenso wie über die ihnen über SACEUR zugewiesenen bzw. überlassenen taktischen Atomwaffen beanspruchten und schließlich erhielten915, sondern zumindest auch in die Zielplanung der amerikanischen und britischen strategischen Systeme eingeweiht sein wollten. Eine begrenzte Einflußnahme auf die US-Globalstrategie blieb Großbritannien vorbehalten, dessen Regierungen sich zu arbeitsteiligen Verabredungen mit den USA sowohl in Hinblick auf NATO-Gebiet als auch auf »out-of-(NATO)area« verstanden916. Im »atomic strike plan« des SACEUR 917 wurden schließlich alle Zielobjekte auf dem Gebiet der Sowjetunion und ihrer Verbündeten erfaßt, einschließlich der amerikanischen, vom SAC für den Gegenschlag festgelegten Zielobjekte, auf die die wachsende Zahl der strategischen Waffensysteme? 18 gerichtet war: »[...] by early 1957, the SAC had a list of 3261 separate targets, and these did not include retardation missions against conventional military forces. In 1959, the three largest categories covered by the SAC consisted of Soviet air defense and nuclear assets. Then, in 1960, the National Strategic Target List of SAC's first SIOP gave first priority to the Soviet Union's strategic nuclear weapons and delivery vehicles (bombers on airfields and missiles), followed by primary military and government control centers of major importance 919 .« S A C E U R u n d bei S H A P E tätige ausgewählte europäische S t a b s o f f i z i e r e nahm e n an den nuklearen Stabsplanungen des J S T P S in O m a h a teiP2". » G l a u b w ü r digkeit der A b s c h r e c k u n g « beruhte i n s o f e r n auf M i t w i s s e r s c h a f t ausgewählter

»Eisenhower and his advisers were clear in their minds that, should war come, political considerations could not be allowed to block the implementation of SACEURs plans. Eisenhower felt that the NATO allies would have to realize that the NAC could not hold the sole power to order the use of nuclear weapons, and that SACEUR must have some latitude to make decisions in an emergency. Despite its carefully limited approval of M.C. 48, the NAC should harbour no illusions that Washington would allow any ally to impose a veto on actions the United States believed essential to its own and NATO security; the United States retained its right to take unilateral action, including the use of nuclear weapons, if circumstances prevented it from taking the time to obtain NACs concurrence.« Memo for Radford, 8.12.1954: Wampler, NATO, S. 19; 1 Iistorv of the JCS, V, S. 317; Maier, Politische Kontrolle, S. 42 ff.; Zur Entscheidung Eisenhowers im Mai 1957, die Einsatzvollmacht an die Oberkommandierenden der US-Streitkräfte zu delegieren: Watson, Into the Missile Age, S. 450-452. 915 Trachtenberg, United States, France, S. 246 ff., insbes. Anm. 28. Heuser, NATO, S. 59, 64, 69, 74, 83 f. 917 Greiner, Militärische Eingliederung, S. 710. 9 , 8 Cochran et al., Nuclear Weapons; Databook, I, S. 15; May, American Commitment, S. 455, Anm. 70; Tannenwald, Nuclear, S. 449. Der amerikanische »Vorrat« wuchs von 1949 170 auf 1953 1169; siehe Watson, Into the Missile Age, S. 457. Heuser, NATO, S. 74 f. ")2(i Wiegele, Nuclear Consultative Process, S. 462-487; Buteux, Politics, S. 205; Peters, Germans, S. 80 ff. ,14

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militärischer Verantwortungs träger, die — genauso wie SACEUR — die europäischen Regierungschefs unterrichteten. 2. Der zweite Weg, Glaubwürdigkeit zu schaffen, bestand darin, SACEUR in seinem Streben nach Kompetenz in Nuclear-strategy-Fragen zu unterstützen, d.h. die integrierten NATO-Streitkräfte selbst mit strategischen, auf in der Sowjetunion gelegene Zielobjekte ausgerichteten Systemen auszustatten. Damit SACEUR solche Systeme unter seiner Kontrolle — in der Phase der Planung genauso wie nach politischer Beschlußfassung — operativ führen konnte, mußten sie landgestützt sein; auf hoher See stationierte, mit strategischen Systemen ausgerüstete Schiffe wären zu weit entfernt, um den Einsatz — z.B. gegen die von sowjetischen Streitkräften genutzten Flugplätze in den Ostblockstaaten oder gegen zur Verstärkung herangeführte Verbände — wirkungsvoll zu flankieren. Die erste Unterrichtung Eisenhowers als SACEUR und ausgewählter amerikanischer Stabsoffiziere bei SHAPE im Oktober 1951 beschränkte sich auf die Systeme, die per 1. Juli 1954, dem in M.C. 14 (3. März 1950) avisierten Zieldatum für die Erreichung der Soll-Stärke921, einsetzbar sein sollten. Im April 1952 autorisierten die Joint Chiefs of Staff den SACEUR, auf der Basis zu planen, daß voraussichtlich »80 nuclear weapons (would) be available for tactical use in defense of Western Europe, albeit largely still for tactical delivery against ROMEO targets by SAC bombers922.« Im Mai 1953923 informierten die Joint Chiefs of Staff SACEUR Ridgway, daß der NATO per Oktober 1954 fünf Bataillone »of nuclear-capable 280 mm guns« und kurz darauf drei Bataillone mit Lenkraketen vom Typ CORPORAL zur Verfügung stehen sollten924. Mit der Dislozierung der ersten Serie taktischer Atomwaffen ergab sich sofort ein weiterer Dissens. In der Standing Group erhob sich Widerspruch gegen SACEUR Ridgways am 10. Juli 1953 vorgelegten Bericht über Strategie und Streitkräftebedarf im Hinblick auf das auf 1956925 hinausgeschobene Zieljahr926. Der Wider921 M.C. 14, § 13a: NATO Strategy Documents, S. 100; D.C. 13 (28.3.1950), § 1: ebd., S. 117. 922 ROMEO »targets« sind definiert als »Retarding Soviet non-nuclear ground and air offensive by attacking Soviet targets such as airfields, munition depots, Command and Control [...]«: Wheeler, NATO Conference Paper, Ms., S. 13. BRAVO bedeutet »blunting«/ Zerstörung der sowjetischen Fähigkeit zum Kernwaffenangriff; DELTA bezieht sich auf »disruption« kriegswichtiger Industrien (Elektrizitätswerke, Raffinerien, Erzeuger von Atomenergie etc.). Siehe dazu auch die in Vorbereitung befindliche Studie von Wiggershaus. 923 »The Americans fully appreciated that after 1954 the introduction of atomic weapons would necessitate a radical reassessment of the force requirements. In order that this might be initiated, it had been agreed with the Americans that they should give SACEUR the latest forcecast of the availability of atomic weapons in 1956. [...] SACEUR should also be told that he should assume for planning purposes that in a crisis all the Strategic Forces located in the U.K. would be put at his disposal for the campaign on the European front.« C.O.S. (52) 114th Meeting, 12.8.1952, DEFE 4 f.; vgl. Peter, Abschrecken, S. 235; Twigge/Scott, Planning, S. 62, 70 f£, 79, 101 ff., 116 ff., 138 f. ™ Wheeler, NATO Conference Paper, Ms., S. 17; Sloss/Smith, Deployment, S. 5. 925 Estimate on the Situation and Force Requirements for 1956, 10.7.1953: DEFE 5-49; siehe History of the JCS, V, S. 103, 191; Maier, Amerikanische Nuklearstrategie, S. 234 ff.; Greiner, Rolle Kontinentaleuropas, S. 154 ff.; Gersdorff, Adenauer, S. 195-199. Im April 1953 ordnete Präsident Eisenhower an, daß die amerikanische strategische Planung nicht länger mit der Annahme

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Spruch beruhte unter anderem auf dem von britischer Seite artikulierten Vorwurf, daß Ridgway die Möglichkeiten, die sich aus dem Zugriff auf Atomwaffen für die Streitkräfteplanung ergaben, nur unzureichend berücksichtigt habe; der Bericht gehe nicht weit genug über M.C. 14/1 (1. Dezember 1952) hinaus. Stein des Anstoßes war die in M.C. 14/1 aufrechterhaltene These vom Doppelbedarf an strategischer Offensivkapazität und an konventioneller Mindeststärke927. »All types of weapons, without exception, might be used by either side [...] although by the period 1953-54 (the effect of weapons of mass destruction) on the conduct of war will not dictate a need to reduce current NATO force goals, greater availability of such weapons and increased delivery capability during the period 1954-56 may then necessitate re-evaluation of the requirements for a successful defense of the NAT area. However, as the conventional NATO forces at present in being fall short of requirements, no relaxation can be allowed in their planned extension until progress in the development of weapons justifies a reassessment, particularly in reserve and build-up forces928.« Ridgway hatte hervorgehoben, daß die NATO wegen der mit Risiken behafteten Einführung von Atomwaffen eher mehr als weniger konventionelle Streitkräfte benötige. Geprägt von seinen Erfahrungen als Oberbefehlshaber der USStreitkräfte im Fernen Osten 929 - und diese nach dem Wechsel vom Amt des SACEUR auf den Posten des LIS Army Chief of Staff vertiefend - , hegte Ridgway starke moralische und militärische Vorbehalte gegen eine auf Kernwaffen-Einsatz bauende Militärplanung; so verwundert es nicht, daß der von ihm im Juli 1953 vorgelegte Bericht Aspekte der im Dezember 1952 verabschiedeten NATOStrategie M.C. 14/1 fortschrieb. Dank der atomaren Überlegenheit der USA gegenüber der Sowjetunion sprach allerdings auch sein Report davon, daß die Vor-

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eines supponierten Zeitpunkts höchster Bedrohung arbeiten solle; »long haul« und »long-term capabilities« hießen die neuen Perspektiv-Begriffe; NSC 153/1, Restatement of Basic National Security Policy: FRUS, 1952-54, II, S. 378-386; Rosenberg, Origins, S. 11-27; Peter, Abschrecken, S. 161. Die NATO rechnete mit einem Drei-Phasen-Krieg: eine bis zu 30 Tage anhaltende »initial defense« und eine D+30 bis D+90 währende Phase, in der die NATO die dank ihrer überlegenen Nuklearmacht und Defensivmanöver gewonnene Position konsolidierte. In der D+90-Phase würde die NATO zur Offensive übergehen können; Wheeler, NATO Conference Paper, Ms., S. 17; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 608 ff.; History of the JCS, V, S. 304 ff. Der RidgwayBericht betonte, daß die NATO mehr Streitkräfte benötige, um mögliche Verluste auszugleichen und »to exploit the campaign«; außerdem sei erforderlich, »predelegate and authority to immediately use nuclear weapons on D-Dav«, um Einsätze gegen sowjetische Truppenkonzentrationen und Flugplätze zu fliegen; Wampler, The Die; ders., NATO, S. 15 ff.; Twigge/Scott, Planning, S. 149-153. M.C. 14/1 steht insofern in der Kontinuität von NSC 68 und der Lisbon Force Goals. M.C. 14/1, § 7 : NATO Strategy Documents, S. 205. Die Regierungen Eden und Macmillan nahmen Anstoß an der Forderung nach Bereitstellung von Bodentruppen und Reserven; vgl. I.2.d. Ridgway war Nachfolger MacArthurs, der zunächst durch seine Vorgehensweise »Rotchina« zum Einsatz von Truppen im Korea-Krieg provoziert und dann angesichts der Niederlagen Truman zur Freigabe des Atombomben-Einsatzes aufgefordert hatte. Im April 1951 erhielt Ridgway die Vollmacht zum »atomic strike in retaliation for a major Chinese air strike originating outside Korea«; Dingman, Atomic Diplomacy, S. 76; vgl. I.2.d. Durch Reorganisation der Streitkräfte und Änderung der Taktik gelang es Ridgway, die Lage auf dem Kriegsschauplatz zu stabilisieren.

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teile insgesamt auf NATO-Seite lägen930. Diese Auffassung wirkte fort und fand in M.C. 48 (18. November 1954) ihren Niederschlag931. »An examination [...] of the forces likely to be at the disposal of Allied Command Europe leads to the conclusion that with the quantities of atomic weapons estimated to be available to these forces in the next few years, it lies within NATO's power to provide an effective deterrent in Europe and, should war come despite the deterrent, to prevent a rapid overrunning of Europe provided that [,..]932.«

Zu den unverzichtbaren Voraussetzungen gehörte, daß — nukleare und atomare Waffen sofort bei Kriegsausbruch eingesetzt werden dürften, — deutsche Streitkräfte zur Selbstbehauptung der NATO an der Rhein-IjsselLinie einsatzbereit sein müßten, — wirkliche Fortschritte bei der Verbesserung der Luftabwehr, der Vorwarnsysteme und der Alarmbereitschaft verbucht werden könnten. Die Zielvorgaben wurden bis 1957 nicht erfüllt, mit Ausnahme der Aufstockung des Bestands an Nuklearwaffen933. Dennoch leitete Ridgways Nachfolger Gruenther die durch die neuen Systeme als Möglichkeit eröffneten Veränderungen in Doktrin und Taktik ein; sie waren durch die Wendung der US-Strategie zum New Look der ersten Eisenhower-Administration vorgezeichnet. Konsequenterweise verlangte er gleichzeitig, daß SHAPE-Planer in die amerikanischen Planungen eingeweiht wurden, damit das Nebeneinander von NATO- und SACKriegsszenarien nicht Schule mache. Das war um so dringlicher, als die Sowjetunion im August 1953 - also parallel zur Auseinandersetzung um den Ridgway-Bericht — ihre erste H-Bombe erfolgreich testete934. Damit war eigentlich der Zeitpunkt gekommen, um nicht nur — wie der Auftrag an eine vom künftigen SACEUR Norstad geleitete New Approach Group935 lautete — die Auswirkungen der amerikanischen strategischen Waffen auf die sowjetischen Kriegfuhrungs-Kapazitäten zu untersuchen, sondern auch die möglicherweise egalisierende Wirkung des sowjetischen Arsenals936 auf die westli930 931 932 933

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Diese These führt Gersdorff - Adenauers Außenpolitik, S. 26, 71, u.a.O. - weiter aus. NATO Strategy Documents, S. 232-250; History of the JCS, V, S. 316-21; May, NATO, S. 433. M.C. 48, § 22: NATO Strategy Documents, S. 241 f. Der Ridgway-Bericht beruhte auf der Annahme, daß die UdSSR ca. 300 Atomwaffen in EuropaMitte würde einsetzen können; demgegenüber ständen der NATO in den ersten 48 Stunden ca. 700 Atomwaffen, an D+30 weitere 150 Atombomben sowie weitere 150 für unvorhergesehene Fälle zur Verfügung; Wampler, NATO, S. 9 ff.; Wheeler, NATO Conference Paper, Ms., S. 18 f.. Die JCS zeigten sich nachhaltig beeindruckt: History oft the JCS, V, S. 1; Wampler, NATO, S. 9 ff.; Pedlow, Evolution, S. XVI ff.; Holloway, Stalin, S. 320 ff., 329 ff. Wie sich später herausstellte, verfügte die UdSSR erst nach dem Test einer Kernfusionsbombe im Spätherbst 1955 über die »Superbombe«; siehe II.2.a. Greiner, Militärstrategisches Konzept, S. 219 ff.; vertreten waren die USA, Großbritannien und Frankreich. Die UdSSR verfügte über 45 vorwärts stationierte Divisionen, die den Auftrag hatten, blitzkriegartig ä la I liders Strategie bis nach Holland-Belgien-Nordfrankreich vorzustoßen: May, American Commitment, S. 442. Die zweite, US-intern erörterte Frage war, ob die USA durch beschleunigte Entwicklung von MRBM den (vermeintlichen) Vorteil der UdSSR bei ICBM aufwiegen könne: FRUS, 1955-57, XIX, S. 101 ff., 119 ff. Unter gedanklicher Vorwegnahme des Sputnik-Schocks

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chen Abwehrkapazitäten. Die egalisierende Wirkung zeigte sich bereits in dem Sinne, daß Politiker, die wie der britische Premierminister Churchill im Ernstfall die Nutzung des amerikanischen waffentechnologischen Vorsprungs als Siegbringer gutgeheißen hatten, nunmehr angesichts der unvorstellbar verheerenden Wirkungen der Superbombe eine andere, auf Interessenabgleichung zwischen den Supermächten (inklusive Großbritannien!) bedachte Politik einforderten. Präsident Eisenhower betonte den Nutzen der modernen Massenvernichtungswaffe sowohl aus kurzfristigem Anlaß, dem im Frühjahr 1953 erörterten Einsatz in Korea für den Fall des Scheiterns der Waffenstillstandsverhandlungen aufgrund chinesischer Manöver937, als auch langfristig zugunsten eines aus haushalte- und außenpolitischen Gründen betriebenen Strategiewechsels938. Er war sich der Diskrepanz zwischen seinem Entschluß zum Strategiewechsel und (a) Ablehnung des Atomkriegs seitens asiatischer und europäischer Verbündeter sowie der Meinungen in der amerikanischen Öffentlichkeit und (b) möglicherweise geringem militärischem Nutzen939 bewußt. Angetrieben von der Entschlossenheit, NSC 68 und der damit verknüpften Expansion der Haushaltsansätze den Rücken zu kehren94" und statt dessen mit Hilfe der Palette von Nuklearwaffen »more bang for the buck« zu erhalten, gab Eisenhower im März 1953 den Auftrag, »Possible Courses of Action in Korea« zu analysieren und in diesem Zusammenhang zu prüfen, »where and when nuclear use might be militarily advisable«941. Die Antwort der noch amtierenden Joint Chiefs of Staff hob auf die politische und psychologische Rolle ab, die die Nuklearwaffen als Instrument der Abschrekkung spielen könnten, äußerte sich in der Sache jedoch eher vorsichtig: »unless the use of atomic weapons results in a decisive military victory, the deterrent effect befürchteten die USA eine Welle des Neutralismus, falls die Sowjetunion einen sichtbaren Durchbruch erzielte: FRUS, ebd., S. 84, 88, 110 ff., 115, 155, 262, 428. Chruscev entwickelte im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Missile-gap-Psychose in den USA seine Offensivdiplomatie, in der Berlin- ebenso wie in der Kuba -Krise. ™ NSC, 143. Sitzung, 6.5.1953; 144. Sitzung, 13.5.1953: FRUS, 1952-54, XV, S. 9 7 5 - 9 7 8 und 1012-1017; Memorandum of Substance of Discussion, Department of State und JCS, 27.3.1953: ebd., S. 817 ff.; NSC Special Meeting, 31.3.1953: ebd., S. 825-827; NSC 147, Possible Courses of Action in Korea, 2.4.1953: ebd., S. 838-857; NSC, 139. Sitzung, 8.4.1953, ebd., S. 892-895. M8 Die politische Stabsübung (SOLARIUM) spielte sich von Mai bis Mitte Juli 1953 ab; NSC 162/2 wurde am 30.10.1953 verabschiedet; Dockrill, Eisenhower, S. 33-35; Brands, Age; Bowie/Immerman, Waging Peace; siehe I.2.d und f. 939 Teilweise bedingt durch den bis dato begrenzten Vorrat an einsetzbaren Atombomben, gab es auf amerikanischer Seite wiederholt Diskussionen, ob es »richtige« Zielobjekte gebe und wo sie sich z.B. in Korea lokalisieren ließen; weniger Schwierigkeiten bereitete einigen militärischen Beteiligten an den inter-ministeriellen Besprechungen die Erfolgszusage für den Fall von Einsätzen gegen »Rotchina« als vermeintlich treibende Kraft auf der Gegenseite; Iiistory of the JCS, III, S. 339, 405 f.; Gaddis, Long Peace, S. 123-127; Tannenwald, Nuclear, S. 444 f. 9411 Special Meeting of the NSC, 31.3.1953: FRUS, 1952-54, II, S. 264-280; NSC 149/2, Basic National Security Policies and Programs in Relation to Their Costs, 28.4.1953: ebd., S. 305-316; Condit, Test, S. 303 ff.; I logan, Cross. 941 NSC 147, 2.4.1953, A Report to the NSC by the NSC Planning Board on Analysis of Possible Courses of Action in Korea: DDEL, WHO Files, Office of the Special Assistant for National Security Affairs, Box 4, folder NSC 147 (2); jetzt in: FRUS, 1952-54, XV, S. 838-857.

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might be reduced«942. Das war die Standardantwort seit der Erstfallprüfung im November/Dezember 1950943: Die Androhung des Einsatzes von Nuklearwaffen sollte der Hauptmacht — der Sowjetunion und/oder der VR China — und nicht den Stellvertretern — Nordkorea, Nordvietnam — gelten. Wie unter seinem Vorgänger Truman stand auch fur Eisenhower die Legitimität des Einsatzes von Kernwaffen im Falle eines direkten Angriffs auf die USA ebenso wie auf Westeuropa und Japan außer Frage; eine automatische Festlegung auf andere Fälle wollte er vermeiden. Für Außenminister Dulles gab es angesichts der fortwährenden Disparität hinsichtlich der konventionell-militärischen Stärkeverhältnisse zwischen NATO-Europa und der Sowjetunion keine Alternative zum Grundsatz, »(to) use atomic weapons as conventional weapons against the military assets of the enemy whenever and wherever it would be of advantage to do so^44. Aufgabe der amerikanischen Politik und Diplomatie müsse es sein, die Einwände gegen den Rückgriff auf das dem Westen verfügbare Element der Überlegenheit auszuräumen; deshalb müsse man hervorheben, daß ihr Einsatz nur eine Reaktion darauf sein würde, falls die Sowjetunion ihren Vorsprung auf konventionellem Gebiet mißbrauche und dabei von den auseinanderklaffenden Bedrohungsvorstellungen der NATO-Staaten zu profitieren hoffe945. Mit dem Argument, daß Notwehr immer legitim sei, wollte Dulles den sowjetischen Versuch konterkarieren, die weltweite Achtung der Atombombe zu erreichen oder zumindest Stimmung für ein Stationierungsverbot auf NATO-Gebiet sowie auf US-Stützpunkten in Asien zu mobilisieren. Gerade weil die USA die Sowjetunion mit der Androhung, ihre nuklearstrategische Überlegenheit zu pflegen und ständig zu verbessern, vom Ausbruch eines »general war«, in den sie beide massiv verwickelt sein würden, abschrecken wollten946, war es für sie wichtig, die Option auf eine taktische Nutzung von Atomwaffen so weit wie möglich in die gedankliche Nähe zu konventionellen Waffensystemen zu rücken; ihre Schreckenskraft ließe sich dann eher mit der der sowjetischen Panzer vergleichen, denen man nachsagte, sie dienten der Niederwalzung von Opposition, und zwar innerhalb des Soviet Empire (inklusive Osteuropa und der DDR) genauso wie beim Durchmarsch bis an den Rhein.

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NSC 147, S. 13, ebd. Tannenwald, Nuclear, S. 444. Dulles, 23.4.1954: FRUS, 1 9 5 2 - 5 4 , V, S. 511 f.; Dulles, Policy for Security. Die Forderung, daß die USA sich auf eine Situation einstellen müßten, in der Verbündete »are simply not willing to face a Soviet threat«, hatte bereits Nitze gegen Ende der Truman-Ara dazu veranlaßt, nach Wegen zu suchen, wie man den taktischen Gebrauch von Atomwaffen - zur Stärkung der unverändert von ihm geforderten konventionellen Aufrüstung - von der strategischen Verwendung unterscheiden könne; Wampler, Conventional Goals, S. 370 f. In einem aufsehenerregenden Artikel - Atoms, Strategy - vertrat Nitze die These, daß ein Atombombeneinsatz, falls er unvermeidlich werde, im kleinstmöglichen Gebiet gegen begrenzte Ziele in kleinstmöglichem Umfang erfolgen sollte. Die vom JCS am 23.5.1956 genehmigten Konzeptionen wurden den Commander-in-Chief der U.S.-Streitkräfte (in den 5 Regionen) am 19.9.1956 zugestellt. Steinhoff/Pommerin, Strategiewechsel, S. 26.

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Der vor allem von britischer Seite getragene Vorstoß in Richtung Nuklearisierung der NATO-Strategie und NATO-Streitkräftestrukturen zielte auf die taktische Nutzung von Kernwaffen bei der Verteidigung in Europa; der britische Joint Planning Staff beschäftigte sich seit 1951 mit der Ausarbeitung solcher Optionen947. Die amerikanische Diskussion im Rahmen des Projektes Solarium zur Kursbestimmung der US-Politik im Ost-West-Konflikt, des Problems der Kriegsbeendigung in Korea948 und der Neubesetzung der Posten der Chiefs of Staff ging nunmehr in die gleiche Richtung. Die Eisenhower-Administration gab das unter Truman/Acheson vorherrschende politische Argument preis, daß eine verfrühte Fesdegung auf die nuklearstrategische Abschreckung als eine den USA (sowie Großbritannien) vorbehaltene Angelegenheit sowie die Dislozierung taktischer Systeme auf dem europäischen Kontinent die Bereitwilligkeit der NATO-Partner untergraben könnte, die Lisbon Force Goals zu erfüllen949. Acheson und die Chiefs of Staff hatten die Abkehr von den im Februar 1952 festgelegten Sollstärken als Hauptmotiv des britischen Vorstoßes vom Sommer/Herbst 1952 gesehen und einen Strategiewechsel aus solchen Gründen abgelehnt. Parallel zur Übergabe von taktisch einsetzbaren Kernwaffen — aus einem rapide anwachsenden Arsenal — an die NATO 950 erfolgte die Auseinandersetzung um die Zielsetzung der NATO-Strategie; deren Tenor war nun ausschließlich eingestimmt auf die Kompensationsfunktion für die Nicht-Erfüllung der »minimum force requirements« der NATO 951 . »In the event of hostilities, the U.S. will consider nuclear weapons to be as available for use as other weapons 952 .« Damit setzten Eisenhower und Dulles bewußt den Kontrapunkt zu dem von ihnen wahrgenommenen Tenor im Kreis der Verbündeten und der eigenen Öffentlichkeit;

™ Heuser, NATO, S. 68. NSC meetings vom 11.2., 31.3., 6., 13. und 20.5.1953: FRUS, 1952-54, XV, S. 769-772, 817-895, 975-978, 1012-1017; Betts, Nuclear Blackmail, S. 31-47. 949 Für die Truman-Ära kommt ein weiteres Argument hinzu: »In March 1951 a John Hopkins University research group working with the Far East Command found US forces ill-prepared for tactical nuclear warfare«; gleichzeitig informierte die Studiengruppe MacArthur, daß fur Nuklearschläge »large targets of opportunity« bestünden; Tannenwald, Nuclear, S. 446. 950 Die ersten Systeme wurden im Oktober 1953 disloziert; Karber, Nuclear Weapons; Hoffmann, Atompartner, S. 44 f. Die eigentliche Expansion - von ca. 2500 im Jahre 1960 auf ca. 7200 im Jahre 1968 - erfolgte parallel zur Auseinandersetzung über Flexible Response, dessen Betreiber, McNamara, die taktischen Atomwaffen eher für verzichtbar bzw. gefährlich hielt; Drea, McNamara; Record, NATO, S. 13; Sloss/Smith, Deployment, S. 5; Wampler, NATO Strategie Planning, S. 9 ff.; Peters, Germans, Kap. 3, S. 71 ff.; Richardson, Germany, S. 50 f.; Legge, Theater, S. 7 f. 951 »[...] military strength in Western Europe is not sufficient to earn - out its role of preventing a fullscale Soviet attack from overrunning Western Europe [...] (the) major deterrent [...] is the manifest determination of the U.S. to use its atomic capability«, NSC 162: FRUS, 1952-54, V, S. 498. '52 NSC, 143. Sitzung, 6.5.1953: FRUS, 1952-54, XV, S. 977; vgl. Gruenther, Interview, 31.10.1954: »We have determined that our strategy in the center requires the use of atomic weapons, whether the enemy uses them or not, and we must use atomic bombs to redress the imbalance between their forces and ours and to achieve victory«, zit. nach: Osgood, NATO, S. 109.

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»both Eisenhower and Dulles [...] appeared more concerned with the constraints imposed by a perceived taboo on nuclear weapons and negative public opinion than with any fear of Soviet retaliation953.« Sie gaben die Auffassung zum besten, daß die zum taktischen Einsatz vorgesehenen Atomwaffen eine moderne Form der Artillerie seien954. Die Verharmlosung erklärt sich aus dem nuklearen Dilemma der USA, sowohl dem Wunsch der Verbündeten nach Bereithalten des Nuklearschirms als Rückversicherung zu genügen als auch mit der Kritik der Verbündeten nicht nur am nuklearen Säbelrasseln im Fernen Osten, sondern an atomarer Kriegführung selbst leben zu müssen955. Es gab keine Anzeichen, daß die Verbündeten auf die Nuklearisierung der amerikanischen Sicherheitsgarantie verzichten wollten956. Es ist schwer zu sagen, auf wessen Seite die Widersprüchlichkeit ausgeprägter war, auf europäischer oder auf amerikanischer. In Kenntnis der Vorbehalte ihrer Verbündeten fügte die Eisenhower-Administration an den oben zitierten Grundsatzbeschluß NSC 162/2 (30. Oktober 1953) den markanten Satz an: »this policy should not be made public without further consideration by the NSC 57 .« Die Klarstellung, ob der Beschluß eine automatische Freigabe bedeute oder nicht, erfolgte anderthalb Jahre später, im März 1955: »... [it] is not a decision in advance that atomic weapons will in fact be used in the event of hostilities958.« Der Einsatz sollte unbedingt nur für die als eher unwahrscheinlich angesehenen Fälle eines sowjetischen Nuklearangriffs auf die USA selbst oder auf Westeuropa gelten; in

Betts, Nuclear, S. 3 1 - 4 7 . Dulles gegenüber Eisenhower, 31.3.1953, NSC, Box 4: »[...] since in the present state of world opinion we could not use an A-bomb, we should make every effort now to dissipate this feeling, especially since we are spending such vast sums in the production of weapons we cannot use,« cf. »Talking paper« fur U.S. Delegation zur NATO-Tagung am 23.4.1954 betr. den Stellenwert von A- und I I-Bomben. "st NSC, 6.5.1953, FRUS, 1952-54, XV, S. 977. 955 Tannenwald, Nuclear, S. 445 (Survey vom 13.2.1951); s.o. betr. Nitze und Dulles. 956 Das gilt insbesondere für Großbritannien. Obwohl London die Schaffung einer unabhängigen nationalen Nuklearstreitmacht damit begründete, daß Großbritannien in den Fällen handlungsfähig sein müsse, die die USA nicht als ihre Angelegenheit sehen würden, schrumpften die Möglichkeiten zur Ausübung der Option: Großbritannien wurde mehr statt weniger abhängig von amerikanischer Kooperationsbereitschaft. Ein Grund war, daß Großbritannien von Anbeginn an nicht die Zahl an Nuklearwaffen besaß, mit denen es die für erforderlich gehaltenen »targets« auf sowjetischem Gebiet abdecken könnte. Die britischen Planer erhielten 1954 die Mitteilung, daß die UdSSR ca. 850 Düsenbomber gegen Großbritannien würde einsetzen können, und zwar normalerweise von 40 Flugplätzen aus, ggf. aber auch von 150 verschiedenen Einsatzorten. Daher mußte die Planung sich auf 150 Zielobjekte ausrichten; die britische V-Bomber-Kapazität erreichte nie die Stärke, um im Ernstfall die Zielobjekte zerstören zu können; Heuser, NATO, S. 69. 957 Bundy, Danger, S. 246. 958 Executive Secretary of the NSC, Memorandum for the Secretary of State, Secretary of Defense, and the Chairman, Atomic Energy Commission, Policy Regarding Use of Nuclear Weapons, 14.3.1955; 4.1.1954: Nuclear Non-Proliferation, Dok. 150, hrsg. von NSA; FRUS, 1955-57, II, S. 355 f., Fußnoten 3, 5 - 6 ; Wheeler, NATO Conference Paper, Ms., S. 17. 953

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allen anderen Fällen behielt sich Eisenhower die präsidentielle Entscheidung auf der Grundlage einer Prüfung der jeweils maßgeblichen Umstände vos059. Die Phase zwischen der Verabschiedung von NSC 162/2 (30. Oktober 1953) und der »endgültigen« Klarstellung im März 1955, d.h. dem Höhepunkt der Taiwankrise 1954-55, war bestimmt von der Auseinandersetzung mit den kritischen Fragen, 1. ob die amerikanischen militärischen Befehlshaber (und bis zu welcher Kommando-Ebene herunter) seitens des Präsidenten mit prä-delegierter Autorität zum Soforteinsatz ausgestattet werden sollten96"; dieses war logisch, insofern man das Diktum in NSC 162/2 wörtlich nahm, daß taktische Nuklearsysteme wie jedes andere kriegsschauplatz-entscheidende System zu bewerten seien; 2. wie die verbündeten Regierungen auf die Entscheidung über den Einsatz von Nuklearwaffen zu taktischen Zwecken Einfluß nehmen könnten, sei es, weil die auf ihrem Gebiet stationierten US-Verbände mit entsprechenden Systemen ausgerüstet waren, sei es, weil die Streitkräfte der Verbündeten gleichfalls mit Dual-capable-Systemen oder Atomwaffen nach dem Zweischlüssel-Prinzip ausgestattet waren. Diese Diskussionen führten vorerst zu keinem Einvernehmen. Der erste Versuch, auf der Bermuda-Konferenz der drei westlichen Regierungschefs Anfang Dezember 1953 eine Ubereinkunft zu erreichen, stieß vor allem auf französischer Seite auf Vorbehalte. Die Frage der »advance authority« wurde im Dezember 1954 im Vorfeld der Verabschiedung von M.C. 48 erneut vertagt^61; zeitgleich machte die amerikanische Regierung den Unterschied zwischen »pre-emption« als unentbehrlichem Element der angemessenen Reaktion auf unmittelbar drohende Gefahr und Ablehnung des Präventivkriegs deutlich962. Erst mit dem Beschluß der NATOAußenministerkonferenz (23. Mai 1957), M.C. 14/2 anzunehmen, fiel die Ent-

Die Taiwan-Krise von Ende August 1954 bis Mitte April 1955 illustriert die unterschiedlichen Positionierungen Eisenhowers zwischen den Standpunkten von Ridgway/Dulles und Radford/Wilson, siehe Chang, Friends, S. 105- 132; siehe 1.2.f. 960 Zur Problemlage siehe die ausgezeichnete Darlegung von Maier, Politische Kontrolle, S. 42 tf.; zusammenfassend: Wampler, NATO, S. 28 f.: »Gruenther concluded that these weaknesses, and growing Soviet atomic strength, would make NATO largely dependent on SACEUR's atomic capability in a future war. For his plans to succeed, Gruenther insisted, >that the counter-offensive force must survive [...]< NATO planning for Europe's defense was now predicated on the use of nuclear weapons, and the conduct of a tactical batde in ACE required their immediate availabilitv in support of NATO subordinate commanders' plans, Gruenther argued. This availabilitv could not be assured, however, unless CINCEUR's dispersal authority increased in step with increases in the U.S. stockpile and CINCEUR's allocation«; J P (656) 133 (Final), 28.8.1956: SACEUR's Emergency Defense Plan 1957, COS (56) 89'h Meeting, BCOS Committee, 6.9.1956: DEFE 4 - 9 0 ; Feaver, Guarding, S. 4 7 - 5 5 . 961 Maier, Politische Kontrolle, S. 42 f.; statt der von den JCS geforderten Klarstellung, daß die USA im Falle des Vetos eines Alliierten berechtigt seien, die zum Schutz der Sicherheit ihrer einem Angriff ausgesetzten Streitkräfte den Atomwaffeneinsatz zu befehlen, suchte und erreichte Dulles das Einvernehmen mit Eden und Pearson, siehe I, Anm. 813, 856. 9 " NSC 5440, Basic National Security Policy, 28.12.1954: FRIJS, 1952-54, II, S. 806-844, S. 844, Fußnote 11. 959

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Scheidung, daß S A C E U R im Falle eines Überraschungsangriffs den gleichwertigen Gegenschlag ausführen dürfe. »[...] in the case of a surprise attack on NATO, authority to order a nuclear strike was predelegated to SACEUR [...] >our only chance of victory (would be) to paralyze the enemy at the outset of the war963«. Für alle übrigen Fälle behielten sich die Regierungen die Entscheidung vor; den Vorrang der politischen Amtsträger legte auch Eisenhower für die amerikanische Verteidigungspolitik fest 964 . Für die in den Bereich »limited war« fallenden Szenarien sollte gelten, »that power should be used subtly and with discrimination and only in accordance with specific policy objectives [...] We must strive for a strategic doctrine which gives our diplomacy the greatest freedom of action965.« Ferner wurde der Grundsatz bekräftigt, den Großbritannien als Erster verfochten hatte, » ( N A T O ) must give priority to forces-in-being that could contribute immediately to the initial phase« 966 ; die Annahme lautete, daß die ersten 30 Tage die Entscheidung herbeiführen würden, wer nach dem nuklearen Schlagabtausch besser dastehe. Die »Wacht am Rhein« würde standhalten, wenn die N A T O Mitglieder drei Voraussetzungen erfüllten: »Given an integrated nuclear capability; an adeqaute alert system, and a West German force contribution, SACEUR had the greatest chance of successfully mounting a defense forward of the Rhine-Ijssel line967.« Bei jeder der drei Voraussetzungen handelte es sich um Zielprojektionen, die S A C E U R Gruenther 1956 in der Planung für den Zeitraum 1957-1963 als Prioritäten genannt hatte. Im Zuge der Revision von M.C. 1 4 / 1 im Sommer 1956 hielt Gruenther daran fest, daß die N A T O zusätzliche - acht - Divisionen benötige; seine Begründung lautete, daß die von einem sowjetischen Vorstoß ausgelöste

Trachtenberg, Nuclearization, S. 421. D a s Zitat im Zitat ist eine Aussage Eisenhowers. » ( S A C E U R ' s ) authority to implement the planned use of atomic weapons must be such as to ensure that no delay whatsoever will occur in countering a surprise attack [...] in the event of war, the committment to action of forces by N A T O members under Article 5 of the N A T O treaty should encompass full authorization for the use of nuclear weapons, and that this authority should be written into the terms of N A T O ' s General Alert. The proposed new measures would also allow commanders of N A T O national forces that were either attacked or menaced to conduct operations in accordance with established emergency plans, presumably including the use of atomic weapons [...] Such distinctions were infeasible, [...] when one of N A T O ' s high priority targets early in a war was Soviet atomic installations and bases from which nuclear attacks could be launched on N A T O forces. This made it impossible to limit the use of atomic weapons«: Wampler, N A T O , S. 17, 15 ff. 96·» N S C 5707/8, 3.6.1957, provision 11: FRUS, 1955-57, X I X , S. 511. 965 Kissinger, Nuclear Weapons, S. 20; Peters, Germans, S. 42 f.; Kissingers Formulierung faßt prägnant die Gesichtspunkte zusammen, die in N S C 5602 (15.3.1956) und N S C 5707 angelegt sind: FRUS, 1955-57, X I X , S. 242-268, 247; s.o. betr. Dulles. %6 Auf j e n Aspekt der Umstrukturierung der Streitkräfte (Pentomic Forces) kann hier nicht eingegangen werden; FRUS, 1955-57, X I X , S. 369 f., 410, 420 f., 471 ff., 493 ff., 526 ff.; Bacevich, Pentomic Era. 967 M.C. 48: N A T O Strategy Documents, S. 247; Wampler, N A T O , S. 16-18. 963

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SAC-Offensive erst nach 30 Tagen volle Wirkung zeigen würde; deshalb müsse die NATO ihre Schild-Streitkräfte erhöhen968. Für den Fall, daß die Abschreckung versagte, galt die unverzügliche Anwendung des »atomic strike plan«. In der ersten Phase kam alles darauf an, einerseits die eigenen Nuklearsysteme vor Luftangriffen zu schützen und andererseits die gegnerischen Trägersysteme, d.h. vor 1956 die Bomberstaffeln, am Boden zu vernichten. »Wenn dies nicht gelinge, gebe es — nach Meinung des SACEUR — keine Hoffnung für eine erfolgreiche Vorwärtsstrategie durch die Schild-Streitkräfte 869 .« »Effective implementation procedures must be provided that will ensure the availability of nuclear weapons at the outset of hostilities. O f equal importance to the possession of theses forces is the manifest determination to employ them from the outset of general war 970 .«

Das Military Committee der NATO hatte im Minblick auf den Ernstfall den sofortigen Einsatz atomarer Waffen gefordert, auch wenn der Angreifer sie bei Ausbruch der Kriegshandlungen nicht benutzen sollte971. Die Regierungen entsprachen dem in dem Sinne, daß sie die ständig voranschreitende Vermehrung und Verbesserung atomarer Waffen guthießen bzw. zuließen. »Die N A T O Konzeption drehte sich um die maximale Ausnutzung der Atomwaffen. Sie sollten vor allem von den strategischen Luftwaffen der USA und Großbritanniens eingesetzt werden. Gehe die Luftschlacht verloren, sei auch der Krieg verloren. Die Landstreitkräfte hätten diese Waffen zu unterstützen, indem sie als Boden-Luft-Schild den Feind zur Konzentration zwangen, der dann mit Atomwaffen vernichtet werden sollte 972 . Die Rolle der deutschen Streitkräfte bestand darin, diesen Schild zu verdichten, zu verstärken und nach Osten vorzuschieben. Mit ihm war dann eine Strategie des vorderen Raumes, der Verteidigung des gesamten westdeutschen Gebietes geplanf 73 .«

Der alte Grundsatz, daß die NATO-Strategie keine Preisgabe von NATO-Gebiet plane, auch wenn die Grenzmarke Rhein-Ijssel-Linie das suggeriere, sollte dank der Integration des deutschen Verteidigungsbeitrags Realität werden; der Aufschub beim Aufbau der Bundeswehr löste postwendend die Feststellung aus, daß damit auch die im Dezember 1954 geäußerte Hoffnung auf Vorneverteidigung erneut ausgesetzt werden müsse974. SACEURs 1958 Emergency Defence Plan verlegte die

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Schmitt, Frankreich, S. 15 f.; Wampler, NATO, S. 34- 36. Greiner, Militärische Eingliederung, S. 710 (Februar 1956); M . C 14/2, 6.4.1957: NATO Strategy Documents, S. 288. M.C. 48/2 (6.4.1957), § 6a: NATO Strategy Documents, S. 323. Zum unlösbaren Dilemma zwischen taktischem nuklearem Einsatz und Truppenkonzentration mit dem Ziel, auf einen »massiert« angreifenden Gegner einschlagen zu können: Rose, Evolution; May, Early Cold War, S. 34; Gablik, Strategische Planungen, S. 141 ff., 196 ff. M.C. 48/2 und M.C. 14/2: NATO Strategy Documents, S. 241, 298. Greiner, Militärische Eingliederung, S. 714 f., auch zum Nachfolgenden; vgl. I.2.a. NATO Strategy Documents, S. 242, 258. - Α German Defense Contribution and Arrangements to Apply to SACEUR's Forces on the Continent, 2.10.1954: FRUS, 1952-54, V, S. 1365 f.; Emergency Defence Plan 1957, vom 28.8.1956. Beilage zu C.O.S. (56) 89th Meeting, 6.9.1956: PRO, DE FE 4 - 5 ; Peter, Abschrecken, S. 271; FRUS, 1955-57, IV, S. 24 ff., 44 ff.

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Verteidigungslinie westlich der Weser-Fulda-Lech-Linie; deutsche Planer fanden heraus, daß Niedersachsen im Kriegsfall atomares Schlachtfeld sein würde?75. »Defense plans supposing attempts to halt WTO aggression within a narrow 50 km band along the Iron Curtain finally became operational in September 1963?76.« Die von führenden deutschen Militärs noch 1955/56 angestellten Überlegungen kamen zu spät, um die Betreiber des NATO-Reappraisal von Lösungen zu überzeugen, die weniger stark auf eine Abwehrschlacht westlich der Weser-Fulda-LechLinie und einen taktischen Nukleareinsatz auf deutschem Boden ausgerichtet wären. Neben dem NATO-Plan sollte als Alternative ein zweiter Plan im Gespräch bleiben. Hier ging es um die Aufrechterhaltung der Option, »ohne Atomwaffen konventionell zu kämpfen« 977 . Die USA978 und die NATO 979 hatten, um die Ausgaben senken zu können bzw. keine Mehrausgaben zu riskieren, ein »meshing-in« von Atomwaffen in konventionelle Verbände beschlossen; Präsident Eisenhower hielt daran ebenso fest980 wie an dem Leitsatz, daß jeder Kriegsausbruch in Europa, an dem die Sowjetunion beteiligt wäre, ein »general war«, d.h. ein Nuklearkrieg werden müßte; die strategische Abschreckung hatte für ihn Priorität vor der Planung und entsprechenden Bereitstellung von Streitkräften für »Limited-war«Szenarien 981 . Die hochgesteckten Lissaboner Sollstärken (Februar 1952) wurden vom NATO-Rat im Juni 1958 formal außer Kraft gesetzt; an ihre Stelle traten die in M.C. 70 niedergelegten »minimum force requirements^ 82 ; die deutschen Verbände sollten genauso wie die Alliierten mit »nuclear capable delivery systems« ausgerüstet sein. »NATO erred by embracing a primarily nuclear strategy in the late 1950s [...] NATO did not embark on this erroneous course, however, because it was totally blind to the limitations of nuclear deterrence [...] By being penny-wise and pound-foolish, the West Aufzeichnung vom 27.2.1958: Bluth, Nuclear Weapons, S. 144; Gablik, Strategische Planungen, S. 162. Heuser, NATO, S. 143. 977 Fleusinger, Februar 1956, siehe Greiner, Militärische Eingliederung, S. 707; Gablik, Strategische Planungen, S. 104 f., 110 f , 127, 141 f f , 156 f f , 182, 196 ff. 978 Großbritannien und Europa; Schmidt, Tying; FRUS, 1955-57, XIX, S. 203 f f , 210 f f , 229 f , 242 f f , 246. 979 Das NATO-Generalsekretariat sprach sich in einer Empfehlung vom 1.12.1956 dafür aus, die europäischen Verbündeten im Rahmen kostenloser Militärhilfe mit nuklearfähigen Systemen auszurüsten und damit die integrierte atomare Fähigkeit auf eine breitere, über die US-Einheiten hinausgehende Basis zu stellen: Greiner, Militärische Eingliederung, S. 772. 980 Eisenhower, NSC, 1.5.1958: Roman, Eisenhower, S. 76. sword and shield< concept agreed in the political directive at the December Ministerial Meeting. The N A T O shield forces [...] must be able to deal with >nibbles< without necessarily having recourse to nuclear weapons [...] Reciprocal force withdrawals as proposed by the Soviets would force N A T O into total reliance on nuclear weapons, and this in turn would open the European countries to dangerous pressures to accomodation with the Soviets 984 .«

Für die Bundesregierung war die (Re)Konventionalisierung der NATO-Strategie und Streitkräftestrukturen nicht nur eine Frage des Risiko-Kalküls im Falle des Versagens der nuklearen Abschreckung — auf die sie praktisch keinen Einfluß hatte, solange das strategische »targeting« den USA und Großbritannien vorbehalten blieb —, sondern auch eine Angelegenheit der politischen Absicherung: Die beste Rückversicherung gegen das Risiko der Singularisierungf 85 war die Festschreibung

Kugler, Commitment, S. 104. %4 Four Power Working Group on German Reunification and European Security, 2.3.195": NA, RG 59, Lot 63 D 166, Box 18, file 5 (11.2). 98:i Dazu gehörten Vorschläge zur Schaffung demilitarisierter, unterschiedlich ausgerüsteter Zonen usw. Auch die deutsche Seite — Blankenborn-, I leusinger-Pläne — beteiligte sich an der Erfindung von Abrüstungs-designs, setzte aber stets voraus, daß die Wiedervereinigung zu westlichen Be983

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des Schichttortenprinzips986 im Verteidigungsszenario so weit östlich wie möglich. Deshalb plädierten deutsche Verteidigungsplaner gegenüber amerikanischen und britischen Gesprächspartnern für ein Verteidigungskonzept endang des Eisernen Vorhangs und für die gleichwertige Ausstattung von alliierten und deutschen Streitkräften987. Vor dem Hintergrund der Krisen im Libanon, auf Zypern und in Taiwan lebte die Debatte in den USA wieder auf. Doch der bloße Einwand des Präsidenten, wie man denn 175 sowjetische Divisionen mit den NATO-Europa zur Verfügung stehenden Streitkräften aufhalten wolle, ohne im eigenen Land einen GarnisonsStaat zu errichten988, sorgte für das Festhalten an der Nuklearisierung der NATOStrategie. Mit der Bereitschaft, SACEURs Zuständigkeit zu erweitern und die Europäer über die NATO als vierte Atommacht an der strategischen Aufgabenstellung zu beteiligen, suchte man die von Dulles befürchtete Entwicklung abzubremsen, daß sich weitere Europäer, dem britischen und französischen Vorreiter folgend, zum Aufbau einer eigenen Atomstreitmacht entschließen oder unter Führung z.B. Frankreichs eine Konkurrenz zur NATO anstreben könnten989. In der Hoffnung auf finanzielle und innenpolitische Entlastungen schwenkte auch die Bundesregierung im Herbst 1956 auf den Kurs ein, fehlende Mannschaftsstärke mit atomarer Feuerkraft zu kompensieren. Auf seiner Wintertagung 1956 beschloß der NATO-Ministerrat, die Armeen der europäischen Verbündeten, dem amerikanischen Beispiel folgend, mit taktischen Atomwaffen auszustatten; mit verringerter, den veränderten Bedingungen angepaßter Mannschaftsstärke sollten die Schild-Streitkräfte ihre militärischen Aufgaben erfüllen können990. Adenauer stimmte nicht nur in den Ruf von Verteidigungsminister Strauß ein, daß die Bundeswehr auf Divisionsebene mit nuklearfähigen Waffensystemen ausgestattet werden müsse991, sondern erklärte im Bundeskabinett, daß die Bundesrepublik selbst taktische Atomwaffen besitzen müsse; dann könne sie ihren Anspruch auf gleichberechtigte Mitwirkung zur Geltung bringen992. dingungen (freie Wahl des inneren Regimes und der äußeren Bindewirkungen) gesichert sei; siehe III.7. 986 Dies erfolgte in den 1960/70er Jahren; siehe Kugler, Commitment, S. 218 f. 987 Heuser, NATO, S. 142 f.; Tuschhoff, Causes, S. 9-12; Steinhoff/Pommerin, Strategiewechsel, S. 29 ff.; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 624 ff., 710 ff.; Gablik, Strategische Planungen, S. 141 ff., 182 ff.; NSC 5707/8, 3.6.1957: FRUS, 1955-57, XIX, S. 507-527; NSC, 325. Sitzung, 27.5.1957, ebd., S. 488-507, 499-504. 988 Eisenhower, NSC, 1.5.1958, vgl. Roman, Eisenhower, S. 76. 989 Roman, Eisenhower, S. 78 f. (Juni-Juli 1958); Weber, Shaping; Schmidt, Vom AngloAmerikanischen Duopol; ders., Test; Twigge/Scott, Planning, S. 138 ff., 154 ff., 163 ff., 169 ff.; Gablik, Strategische Planungen, S. 166 ff., 212 ff. 990 Schmitt, Frankreich, S. 15 f.; Wampler, NATO, S. 34-36. Zu den sog. Pentomic force structures: Kugler, Commitment, S. 102 f.; Bacevich, Pentomic Era. 991 Strauß auf der NATO-Ratstagung Dezember 1956: Greiner, Militärische Eingliederung, S. 734 f., 738; zu Strauß' Strategie-Konzept: Richardson, Germany, S. 75-83; Osgood, NATO, S. 128 f., 217 f.; Speier, German, S. 222 f. 992 Kabinettssitzung vom 19.12.1956, Kabinettsprotokolle, IX, S. 776; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 734 f., 738. Zu Adenauers Verdächtigungen, daß England und Frankreich »uns zuerst

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In der Übergangsphase zwischen NATO-Beitritt und Nachvollzug des Strategiewechsels in der NATO hatte Adenauer zwei wichtige Aspekte angesprochen und sie als kritische Einwände gegen die amerikanische Politik erhoben: 1. Die selbstgewählte Abhängigkeit von Atomwaffen berge die Gefahr der Inflexibilität, und zwar in zweierlei Hinsicht: Verteidigungs fragen würden zum einen einer zusätzlichen moralischen Belastungsprobe ausgesetzt993; des weiteren sei der Einsatz von Atomwaffen untauglich in dem Gefahrenfall, den Adenauer im Auge hatte, nämlich ein Angriff von Streitkräften des Warschauer Paktes ohne Beteiligung sowjetischer Truppen, wobei er anscheinend an eine Parallele zu den irregulären chinesischen Truppen dachte, die im Korea-Krieg eine für die US-UN-Tuppen nachteilige Wende erzwungen hatten994. Implizit brachte Adenauer zum Ausdruck, daß der Einsatz von Atomwaffen in der Mitte Europas für ihn nur in Reaktion auf einen sowjetischen Atomangriff denkbar sei. Das Eingreifen sowjetischer Panzerverbände in Ungarn leistete der Auffassung Vorschub, daß die Gefahr darin liege, daß sowjetische Panzerverbände nach der Niederschlagung eines Aufstands in einem Satellitenstaat Order bekämen, gegen die als Drahtzieher hingestellten westdeutschen Agenten vorzugehen und Verfolgungsaktionen über die Blockgrenze hinaus auszudehnen. Diesen auch von Außenminister v. Brentano konstruierten Eventualfällen begegneten die Verbündeten eher mit Mißtrauen; Aktionen von selten der DDR oder der CSR ohne sowjetische Mitwirkung schienen unwahrscheinlich, während die Variante, daß westdeutsche Bürger im Falle des Uberschwappens eines Aufstands z.B. in Polen auf Protestaktionen in der DDR und einer Unterdrückung durch sowjetischen Millitäreinsatz durch eigene Aktionen und/oder durch Druck auf die Bundesregierung einen Konflikt heraufbeschwören könnten, eher plausibel erschien. Die angemessene Antwort auf derartige Szenarien erblickte man jedoch in Vorschlägen wie z.B. Rüstungsverminderung in den blockgrenznahen Streifen 995 . 2. Der zweite Einwand ging ins Mark der deutsch-amerikanischen Beziehungen. In Reaktion auf eine Serie amerikanischer Schritte — von Eisenhowers Goodwill-Demonstration auf dem Genfer Gipfel im Juli 1955 über Gerüchte über eine Einladung an Chruscev zum Amerikabesuch 996 bis zu dem im RadfordPlan publik werdenden Verlangen nach größerer Eigenverantwortung der Verbündeten für die Bereitstellung konventioneller Streitkräfte — verstieg sich

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an die Russen verkaufen [...]« und die Bundesrepublik daher eine gleichwertig ausgerüstete Bundeswehr benötige (9.11.1956), siehe I.2.d; Amerikas Option, S. 57 f. Beide Aspekte sprach Dulles in den NSC-Debatten über das »split paper« NSC 570 7 an - NSC, 325. Sitzung, 27.5.1957: FRUS, 1955-57, XIX, S. 500-504. Wampler, USA, Adenauer, S. 269. Im Auftrag Adenauers trug Eckhardt amerikanischen Politikern die Vorbehalte des Bundeskanzlers gegen die in der Massive-retaliation-Strategie angelegte zwangsläufige Eskalation vor; Eckhardt, Ein unordentliches Leben, S. 452 f. Schmidt, Auswirkungen; Cabalo, Rüstungskontrollzone, S. 141-223. Adenauer an Dulles, 22.6.1956, FRUS, 1955-57, XXVI, Nr. 61; Schwarz, Adenauer, II, S. 292-295. Staatsbesuche in den USA hatten in Adenauers Augen erhebliches Gewicht.

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Adenauer zu der Behauptung, die USA geständen damit ihre Unwilligkeit oder Unfähigkeit ein, mit der sowjetischen Militärmacht in allen Hinsichten zu konkurrieren997. Eisenhower und Dulles entschlossen sich, nicht in gleicher Münze zurückzuzahlen und Adenauer vorzuwerfen, daß er viel von Aufrüstung geredet, aber wenig getan habe, den deutschen Verteidigungsbeitrag ohne Verzögerung einzubringen998. Die Divergenzen in Fragen des Strategiewechsels brachten die tiefer liegenden Differenzen über die wechselseitigen Verpflichtungen ans Licht. Die N A T O , in die die Bundesrepublik 1955 eintrat, hatte sich unter einem aus deutscher Sicht wichtigen Aspekt bereits verbraucht: Statt der aktiven Unterstützung des deutschen Anliegens der Vereinigung999, zu der sich die drei Westmächte im Deutschlandvertrag verpflichtet hatten, galt bestenfalls noch — und auf Zeit — die Bereitschaft zur Nicht-Anerkennung der D D R als zweitem deutschen Staat. Vor allem Dulles und Eisenhower befürchteten, daß die Enttäuschung der Deutschen sich auf deren Loyalität zur N A T O negativ auswirken könnte. Sie nahmen dies zum Anlaß, die europäische Integration als zweite, die Schwächen der N A T O Mitgliedschaft kompensierende Form der Westbindung der Bundesrepublik anzuraten und nachhaltig zu unterstützen11'00. Europäische Integration, auf den deutschfranzösischen Motor angewiesen1001, könne den Ausbruch eines offenen Konflikts über die (Sub-)Hegemonie in Westeuropa zwischen Paris und Bonn verhindern. w

Adenauer an Dulles, 22.7.1956: D D E L , WH Memo. Series, Box 5; FRUS, 1955- 57, X X V I , Nr. 5, Anm. 1; Dulles an Adenauer, 11.8.1956: D D E L , J.F. Dulles, General Correspondence and Memoranda, Box 2. Zur Radford-Plan-Krise: Pöttering, Adenauers Sicherheitspolitik, S. 62 ff.; Kelleher, Germany, S. 43 ff.

Auf amerikanischer Seite hegte man den Verdacht, daß die Radford-Plan-Krise dem Bundeskanzler einen willkommenen Anlaß biete, seinerseits bestimmte »Zusagen« nicht einzulösen; das betraf u.a. die Verkürzung der Dauer der Wehrpflicht; Feiken, Dulles, S. 372 ff. 999 Primär geht es um die Vereinigung der vormaligen vier Besatzungszonen; für Wiedervereinigung unter Einschluß der Ostgebiete entsprechend der Potsdamer Formel »in den Grenzen vom 31. Dezember 1937« war Adenauer zwar Mitte November 1951 sowie in ersten Reaktionen auf die Stalin-Note öffentlich eingetreten, doch scheint seine Aussage gegenüber Oppositionsführer Ollenhauer Ende August 1953 den richtigen Standort zu kennzeichnen; Küsters, Konrad Adenauer, S. 507. Französische und britische Besorgnisse, die Bundesrepublik könnte die E V G oder sogar die N A T O mißbrauchen, um Vereinigung unter Einschluß der Ostgebiete zu betreiben, waren Adenauer natürlich bekannt; die von K . Kaiser vorgetragene These, daß Adenauer im November 1951 den Hohen Kommissaren gegenüber auf die Einbeziehung der Ostgebiete im Falle der Wiedervereinigung »verzichtet« habe, ist von führenden CDU-Politikern vehement bestritten worden; die veröffentlichten Dokumente geben Kaiser recht; Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik, I, S. 770-779 (Grewe-Aufzeichnung, Gespräch vom 21.11.1951); FRUS, 1951, III, S. 1598-1602; Köhler, Adenauer, S. 672 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 132 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 144 ff.; Schwartz, Americas's Germany, S. 249 f. 1000 Großbritannien und Europa, S. 169-314; Schmidt, Sicherheitspolitische und wirtschaftliche Dimensionen; FRUS, 1955-57, X I X , S. 150 ff., 249. Die Vorteile - bzw. Notwendigkeit - einer zweigleisigen Strategie ergaben sich für Dulles auch unter dem Aspekt, dem Mendes France zugeschriebenem Plan einer europäischen N A T O in der N A T O andere Varianten der sektoralen Integration entgegenstellen zu können; Report on Dulles Conversation with Adenauer and Eden, 16./17.9.1954: FRUS, 1952- 54, V, S. 1209 ff.; siehe ferner Died, Westeuropäische Union, S. 79 f. 1001 Dulles, Tripartite Meeting, 13.7.1953: FRUS, ebd., S. 1662. 998

I. Die Strukturen des Kalten Krieges ( 1 9 4 6 - 1 9 5 5 / 5 6 )

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London und Washington delegierten die Feststellung, inwieweit die Bundesregierungen gewillt und fähig zu vertrauensbildender Kooperation seien, an Paris. Die französischen Regierungen würden sich gegen die denkbare Alternative eines dem japanischen Beispiel 1002 nachempfundenen deutsch-amerikanischen Sicherheitsvertrags wehren. Versage Frankreich die aktive Mitwirkung, wäre die europäische Logistik der Adantischen Allianz lahmgelegt11103. Je deutlicher die französische Politik erkannte, daß die USA und Großbritannien ihr neben der leitenden Funktion in der europäischen Integration nicht auch noch die Sonderstellung in einem NATO-Dreierdirektorium zugestehen wollten, desto stärker kehrte sie zu den Traditionen der »Politik der großen Mächte« zurück. In Reaktion auf den Gaullismus (mit und ohne de Gaulle) sahen sich Washington und London auf den Ausweg verwiesen, einen britisch-amerikanisch-deutschen Tripartismus einzurichten1004.

1002 Adenauer hatte dies mehrfach angesprochen, Schwarz, Adenauer, II, S. 53, 124; Neuss, Geburtshelfer, S. 146; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 129 ff.; Amerikas Option. ] l m Schwarz, Adenauer, II, S. 122 ff.; Neuss, Geburtshelfer, S. 224 ff. (betr. Oktober 1953). Die N A T O hatte Zeit, sich entsprechend der schrittweisen Desintegration Frankreichs unter de Gaulle aus den Militärstrukturen (seit 1959) auf die neuen Bedingungen umzustellen. Im Kontext der MLF-Diskussionen artikulierten Washington und Bonn das politische »rationale« einer European Option; die der N A T O zugedachte Abschreckungskapazität sollte auf eine Europäische Politische Union überschrieben werden, falls und sobald das EWG-Projekt seine politische Finalität erreiche; die N A T O / M R B M und später die EG/NF sollte ähnlich wie die britische Independent Nuclear Force betr. »targeting« etc. mit der N A T O und der US-Triade abgestimmt sein. 11,04 Schmidt, Sichtbare I land; ders., V o m Anglo-Amerikanischen Duopol; ders., Third Factor.

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges 1. Vorentscheidungen und Weichenstellungen (1943-1949) Die Grundmuster, die in Teil II vorgestellt und skizziert werden, sind zum großen Teil vor dem Zeitraum 1 9 5 0 - 1 9 5 6 entstanden, den wir untersuchen. Der folgende Rückblick konzentriert sich auf Situationen, in denen »Ost« und »West« Positionen absteckten, die Langzeitwirkungen in Richtung Blockbildung intendierten. a. Die USA und die UdSSR: Ansprüche auf die Hauptrolle bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung Die wichtigste und zeitlich früheste Vorentscheidung war die Übereinkunft zwischen Roosevelt und Stalin auf der Konferenz in Teheran, den »europäischen« Mächten nicht die Hauptrolle bei der künftigen Friedensorganisation zu überlassen1. Mit der Andeutung, daß die USA nach Kriegsende ihre Streitkräfte aus Europa zurückziehen wollten bzw. müßten, um sie für die auf 18 Monate veranschlagte Kriegführung gegen Japan freisetzen zu können2, gewährte Roosevelt Stalin praktisch einen Vertrauensvorschußl Er wollte die Sowjetunion nicht mit militärischen Mitteln (atomic diplomacy) unter Druck setzen, sondern vertraute auf Methoden FRUS, 1943, S. 600-602. Zu anderen Aspekten - wie den Konzepten einer Friedenssicherung durch die UNO (statt Bündnispolitik): Schwabe, Ära Roosevelt; ders., Roosevelt und Jalta; ders., Amerikanischer Isolationismus; Link, Amerikanische Deutschlandpolitik, S. 7 - 23; ders., Konzept; ders., Ost-West-Konflikt, S. 87-97. Gestützt auf ihren Vorsprung im Bereich der Fernstreckenbomber sowie zur Rechtfertigung ihres Netzwerkes an Stützpunkten in Übersee, sah das amerikanische Konzept vor, daß die USA den Luftwaffen—>Arm< der von der UNO zu leistenden Weltpolizei-Aufgaben stellen sollte; Krieger, Sicherheit, S. 292 ff.; Junker, F.D. Roosevelt, S. 142 f.; Dallek, Franklin D. Roosevelt, S. 434 ff. Weinberg, FDR; ders., World at Arms, Kap. 15. Das Nachfolgende profitiert von Weinbergs Studie. Die amerikanische Truppenstärke in Europa wurde von mehr als 3 Mill. Mann (8.5.1945) auf 135 000 (1.7.1947) reduziert, die Luftwaffe im gleichen Zeitraum von 17 000 Flugzeugen und ca. 45 000 Mann auf 458 Maschinen und ca. 18 000 Mann. Ende 1947 war nur ein amerikanisches Regiment (ca. 3000 Mann) als Kampfverband voll einsatzfähig; Ende 1951 waren 2 Korps mit insgesamt 5 einsatzfähigen Divisionen in ACE disloziert; Schraut, U.S. Forces, S. 161 ff.; Frederiksen, American Military Occupation, S. 29 ff. Ferner die Beiträge von Sweringen — Sicherheitsarchitektur, S. 338 ff. - und Zilian - Gleichgewicht, S. 351 ff. Die von Roosevelt geäußerte Aversion gegen Einflußzonenpolitik und gegen eine Verwicklung der USA in britisch-sowjetische Machtkonflikte begünstigte gleichfalls die UdSSR.

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der wirtschaftlichen Einflußsicherung4. Doch statt sich wie eine saturierte Macht zu verhalten, suchten Stalin und Molotov, neue Fakten zu schaffen: An der sowjetischen Westfront erfolgten (1) die Besetzung deutscher Ostgebiete in der Zeit zwischen der Jalta- und der Potsdamer Konferenz; (2) die Regelung der Machtfrage in Polen und die Verschiebung der polnischen Westgrenze zur westlichen Neiße5; (3) Druck auf die Türkei, um klassische russische Ansprüche endlich zu befriedigen6. An der Fernostfront annektierte die UdSSR die südlichen KurilenInseln und bereicherte sich auf Kosten Chinas. Parallel dazu begann die Sowjetunion 1947 mit der systematischen Steigerung ihrer militärischen Kapazitäten durch Modernisierung der Streitkräfte7. Es war erkennbar, daß die Eroberungen nicht nur der Bildung eines Glacis, sondern auch als Faustpfänder bei Friedensvertragsverhandlungen dienen sollten; dabei setzte Stalin sein »Wir behalten, was wir haben; verhandelt wird über das, was wir von Euch erwarten« gegen das Dout-des-Prinzip8. Roosevelts Absichtserklärungen bildeten ein Kontrastprogramm zum Friedensschluß nach dem Ersten Weltkrieg9. Damals hatten die USA durch Wilsons 14Punkte-Programm und die Bolschewiki durch Lenins neue Diplomatie zwar als erste öffentlich die Maßstäbe einer künftigen Friedensordnung verkündet — und so den Ost-West-Konflikt gedanklich-propagandistisch vorgeformt —, doch hatten französische und britische Militärs und Politiker in den Waffenstillstands- und Friedens Vertrags Verhandlungen die territorialen, ökonomischen und militärischen Eckwerte gesetzt10. Es lag in der Logik des Wilsonian Impulse, daß die USA im Zweiten Weltkrieg gleichsam zur Vollstreckung ihrer Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation bei Kriegsende ins Herz Deutschlands vorstoßen und Präsenz zeigen, aber auch im Rahmen der Vereinten Nationen als Ordnungsmacht wirken wollten.

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Schwabe, Die Vereinigten Staaten und die Sicherheit, S. 115; Herring, Aid; Gardner, Origins; ders., Architects; Feis, From Trust. Adomeit, Imperial, S. 62; Foschepoth, Großbritannien, die Sowjetunion. Die Türkei sollte einem gemeinsamen türkisch-sowjetischen Verteidigungssystem zustimmen, das der UdSSR die militärische Kontrolle über die Meerengen und die Dardanellen beschert hätte; auf amerikanischen Protest hin ließ Stalin seine Forderung an die Türkei fallen; Mark, War Scare; Kuniholm, Origins, S. 255-270. Adomeit, Soviet Risk-Taking, S. 141; Wolfe, Soviet Power, S. 10 f.; Mastny, Stalin and the Militarbation, S. 126. Zur Einschätzung der sowjetischen Streitkräfte-Kapazitäten vor und nach 1948: Karber/Combs, United States, NATO. »Um am Ende des Krieges einen >scramble for Germany [...]< zu verhindern, bestand vor allem die britische Regierung auf einer frühzeitigen Festlegung der bei Kriegsende geltenden Regularien für die Besatzungszeit, über die relativ leicht Einvernehmen zu erzielen war: Kapitulationsbedingungen, Zonengrenzen, Kontrollmechanismus und Berlin-Statut«. Stalin habe die für ihn vorteilhafte Regelung ausgenutzt, daß die Militärgouverneure in der eigenen Besatzungszone den Vorrang vor dem Alliierten Kontrollrat hatten, denn die Vetomacht machte sie zu Herren im eigenen Hause: Kettenacker, Weg; ders., Krieg; Wheeler-Bennett/Nichols, Semblance, S. 8. Mayer, Politics; Schmidt, Politische Tradition; ders., Der gescheiterte Frieden, S. 174-196. Schmidt, Zusammenspiel.

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges

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Das grundsätzliche Einvernehmen zwischen den Flügelmächten blieb nicht von Dauer 11 ; beide beharrten auf ihrem Anspruch, nach dem Sieg über HiderDeutschland (und Japan!) maßgeblichen Einfluß auf die Geschicke Europas und des Fernen Ostens zu nehmen. Versuche der »Collaboration« auf der Basis von Kompensationsvereinbarungen blieben im Ansatz stecken; beispielsweise sollte Stalin für das Zugeständnis, sich mit Monroe-Doktrin-ähnlicher Vorherrschaft in Südosteuropa 12 zu begnügen, Gegenleistungen in Form der Beteiligung in einer internationalen Atomic Development Authority erhalten oder auf Einflußnahme in Ostasien verzichten im Tausch gegen die Anerkennung des Anspruches auf ein Glacis in Südosteuropa13. Das Mißtrauen war in Moskau ebenso wie in Washington bereits zu groß, um die Resonanz auf die Vorschläge abzuwarten. Die Konferenzen über Friedensverträge mit den Verbündeten des Dritten Reichs14 ließen wenig Gutes hoffen für einen Friedensvertrag mit Deutschland; das gleiche gilt für die unüberbrückbaren Differenzen im Alliierten Kontrollrat 15 . Der amerikanische Vorschlag 16 eines Sicherheits- und Garandevertrags für Europa und Deutschland

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Yergin - Shattered Peace, S. 4 2 - 6 8 - betont Roosevelts Bereitschaft zum Ausgleich mit der Sowjetunion; er erklärt den Kurswechsel unter Truman mit dem Generationswechsel; Leffler Preponderance, S. 25 — und Gaddis — United States, S. 191 — bescheinigen Truman, daß er zumindest in der ersten Amtszeit die Politik des Ausgleichs mit der UdSSR fortgesetzt habe. Doch warf bereits Roosevelt in seinen letzten Lebenswochen Stalin vor, Versprechen zu brechen und damit die Grundlage für Friedenssicherung durch Kooperationsregime zu zerstören; Gaddis, Long Peace, S. 30. »Die Vorgehensweise der beiden Seiten war grundverschieden: Der Westen hoffte auf Kooperation mit Moskau und legte seine Karten [...] schon vor Kriegsende auf den Tisch, Stalin vertraute mehr auf seine Agenten im besetzten Deutschland und suchte für ihr Wirken die besten Voraussetzungen zu schaffen, und zwar durch frühzeitige Konsolidierung des eigenen Machtbereichs Der Kalte Krieg wurde, so gesehen, durch einen Desillusionierungsprozeß des Westens ausgelöst, dessen Kooperationspolitik [...) auf falschen Prämissen beruhte«: Kettenacker, siehe II I., Anm. 8. Dallek, Roosevelt, S. 507 ff. Die Interpretation von Dallek - ebd., S. 520 - , Schwabe - Roosevelt und Jalta, S. 4 6 0 - 4 7 2 - und Lundestad - American Empire, S. 144 - geht dahin, daß »Jalta« für Roosevelt den Versuch darstellte, westlich-demokratische Einflüsse im sowjetisch besetzten Osteuropa aufrechtzuerhalten und die Teilung zu vermeiden. Buhite, Soviet-American; Mark, American; ders., Charles E. Bohlen; Messer, End, S. 153 f.; Hammett, America's Non-Policy, S. 144- 162; Davis, Cold War, S. 328 f.; Leffler, Preponderance, S. 114 ff.; Lundestad, American Empire. Deighton, Impossible. Mai - Der Alliierte Kontrollrat - arbeitet das Neben- und Gegeneinander von Kontrollrat, jeweiligen Befehlshabern in den Besatzungszonen und übergreifenden Interessenkonstellationen zwischen den nationalen Regierungen der vier Siegermächte heraus. Unter dem Einfluß der Lageberichte ihrer Militärgouverneure erachteten Washington und London seit Ende 1947 die Kontrollratstätigkeit als aussichtslos. Den Bruch vollzog der sowjetische Vertreter am 20.3.1948 aus Protest gegen die Londoner Sechs-Mächte-Konferenz und die Vorbereitung zur Gründung eines westdeutschen Bundesstaats sowie einer Währungsreform. Auf der Pariser Außenminister-Konferenz legte Byrnes den Entwurf eines Vertrags zur Entwaffnung und Entmilitaasierung Deutschlands vor; die Zeitdauer der Garantie erhöhte Byrnes von 25 auf 40 Jahre; FRUS, 1946, II, S. 190-193. Der Byrnes-Plan beruhte auf einer Ausarbeitung von W.W. Rostow. Zum Byrnes-Plan: Schwabe, Ongins, S. 163; ders., Bündnispolitik, S. 74; Prohn, Deutschland, S. 39 ff.; Deighton, Impossible, Kap. 4; Kessel, Westeuropa, S. 69 ff.; Trachtenberg, Constructed, S. 23 ff.

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stieß auf entschiedene Vorbehalte der Sowjetunion17, Frankreichs und Großbritanniens; die Garantie sollte für den Fall gelten, daß die Alliierten sich aus einem vereinten Deutschland zurückgezogen hätten. Auch Clays Parforce-Ritt, auf die Schaffung einer Einheitsverwaltung zwecks gleichmäßiger Belastung der Zonen zu drängen18, fand nur auf britischer Seite einige Resonanz. In London hatte ein Umdenken eingesetzt. In der Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur SED im April 1946 sah die britische Regierung ein ernstes Anzeichen einer gezielten Sowjetisierung Ostdeutschlands19. Sie warnte vor einem Appeasement-Kurs; sowjetischen Penetrationsversuchen sollte ein Riegel vorgeschoben werden2". Stalins Bestreben, über die bereits bestehende osteuropäische Einflußsphäre hinauszugreifen21 und die Lebenslinien des britischen Commonwealth/Sterlinggebiets im Mittieren Osten zu durchtrennen, war für Churchill ebenso wie für Bevin Anlaß genug, von Kriegs diplomatic der UdSSR gegen ein geschwächtes Großbritannien zu sprechen und in den USA Stimmung zu machen, damit auch Roosevelt und Truman die Expansionspolitik Stalins durchschauten22. Frankreich schloß sich der amerikanisch-britischen Bizone vorerst nicht an23, während die UdSSR — nach Ausplünderung ihrer Besatzungszone — nun erst recht auf Reparationsleistungen aus der laufenden Produktion in den Westzonen beharrte, aber Gegenleistungen, z.B. Nahrungsmittellieferungen aus der landwirtschaftlichen Produktion der ostdeutschen Länder, verweigerte24. Mit Hilfe der Reparationslieferungen aus laufender Produktion wollte die UdSSR, aber auch Frankreich, einen Vorsprung vor Deutschland in der Erholung von den Kriegsfolgen erringen; Reparationen waren in ihrer Sicht Instrumente, mit denen sie die wirtschaftliche und militärische Entwaffnung Deutschlands kontrollieren konnten. Der von Militärgouverneur Clay im Mai 1946 angeordnete Stop der Lieferung von »capital equipment« aus der amerikanischen Besatzungszone richtete sich in erster Linie gegen die sowjetische Be17 18 19 20

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Molotov, Pariser Außenminister-Konferenz, April 1946: Deighton, Impossible, S. 84 ff. Backer, Winds, S. 97 ff.; Krieger, General Lucius D. Clay, Kap. 5 und 6. Die Richtigkeit der Annahme wird durch die von Malycha ausgewerteten Materialien bestätigt; Malycha, SED; ders., Weg zur SED. Bevin forderte die USA (März 1946) auf, »to weigh the importance of opposing the present (Soviet) designs on Persia«; es ist die erste Aufforderung an die USA, Appeasement der UdSSR zu vermeiden; Saville, Politics, S. 63; Kitchen, British Policy; Farquharson, From Unity; Deighton, Impossible, S. 58 ff.; Hess, Iranian Grisis. Deighton, Impossible, S. 57-61. Harbutt -Iron Curtain - sieht die Ursprünge des Kalten Kriegs darin, daß die Zurückhaltung der USA 1944-1946 Stalin ermutigt hätte, die sowjetische Einflußsphäre zu Lasten Großbritanniens auszudehnen; London stimmte so gesehen Washington auf den Kalten Krieg ein, den Stalin gegen das geschwächte Großbritannien eröffnet hatte. Kessel, Westeuropa, Kap. III.2; Weisenfeld, Welches Deutschland?; Poidevin, Neuorientierung; Fritsch-Bournazel, Frankreich; dies., Mourir; dies., Europa; dies., Sowjetunion; dies., Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik. Das Potsdamer Abkommen erlaubte der Sowjetunion - und Polen - die Entnahme von Reparationen auch aus laufender Produktion in der SBZ; die Sowjetunion erhielt den Anspruch auf 15 % der in den Westzonen entnommenen Reparationen gegen Nahrungsmittellieferungen u.a.m. sowie 10 % aus »industrial capital equipment as was not essential for German peace economy without payment or exchange.«

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges

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satzungspolitik; hinsichtlich der Nebenabsicht, die französische »Anschluß«bereitschaft an die angelsächsischen Westmächte zu stimulieren, war der Schritt kontraproduktiv25. Aufgrund ökonomischer Schwierigkeiten, die noch wegen der zusätzlichen Belastungen durch die britische Besatzungszone verschärft wurden, suchte London Rückhalt bei den USA; auf der anderen Seite nährten jüngste Erfahrungen wie die ersatzlose Aufkündigung der Lend-Lease-Hilfe, die an Bedingungen geknüpfte Finanzhilfe vom Dezember 1945 oder die Außerkraftsetzung der RooseveltChurchill-Absprache von Quebec City 1943 über die gemeinsame Handhabung der Atomwaffe durch den McMahon-Act das alte Mißtrauen, von den USA im Stich gelassen zu werden. Im Entgegenkommen an Frankreich26 erblickte Bevin die Möglichkeit, eine Rückversicherung gegen die Pendelschläge der amerikanischen Politik zu finden; durch Zusammenarbeit und Bündelung der Ressourcen beider Kolonialreiche könnten Großbritannien und Frankreich eine »dritte Kraft« Westeuropa neben und unabhängig von den USA und der Sowjetunion bilden27. Dabei hielten sich die Argumente die Waage: Aufgrund seines vorrangigen Interesses, die »Russen nicht an den Rhein zu holen«, wahrte Bevin Zurückhaltung gegenüber französischen Plänen für eine Internationalisierung des Ruhrgebiets; das Motiv stand Pate bei der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieses Interesse an der Bildung starker Bundesländer kam dem französischen Standpunkt nahe, die Wiederherstellung einer starken Zentralmacht in Deutschland zu vereiteln28; für Großbritannien war dabei das Motiv maßgeblich, daß die UdSSR keine Vorteile daraus ziehen dürfe, daß sich Berlin inmitten der SBZ und damit im Einwirkungsbereich der vorwärtsverlagerten sowjetischen Militärmacht befand. Ent-

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Hitchcock, France, S. 70 ff.; Mai, Alliierter Kontrollrat, S. 12. Die Regierung Blum strebte eine enge Zusammenarbeit mit Großbritannien an, um sich u.a. in der deutschen Frage konstruktiv betätigen zu können; wegen der kurzen Amtszeit Ende 1946/Anfang 1947 konnten nur die Weichen zum Dünkirchen-Vertrag gestellt werden; Vaisse, L'echec, S. 369-389. Nach einer ersten Andeutung Anfang 1946 gegenüber Bidault - Rothwell, Britain, S. 422 - präsentierte Bevin dem Premierminister (5.9.1947), dem Kabinett und Ramacher (22.9.1947) seine Vorstellungen über eine Zollunion, welche die Kolonien einschließen sollte; angesichts der Entwicklungen in Süd- und SO-Asien bezog sich »Kolonien« für Bevin auf Afrika; Kent, Bevin's Imperialism, S. 52 ff., 62 ff.; Bullock, Ernest Bevin, S. 520; Hogan, Marshall Plan, S. 109-115; Milward, Reconstruction, S. 242 ff., 248 ff.; Rothwell, Britain, S. 442-454. Außer dem Schatzamt und dem Handelsministerium stellte sich auch das Colonial Office quer zu Bevins Grand Design. Das Schatzamt widersetzte sich auch den Plänen für eine vertiefte Wirtschaftskooperation mit den westeuropäischen Sicherheitspartnern; es betonte, daß die Parität zwischen Dollar-Raum und Sterling-Gebiet - mit je 40 % Anteil am »Welthandel« - den Abstimmungsbedarf zwischen Washington und London vorgebe. Die Niederlande lehnten eine Einbeziehung der »Kolonialgebiete« in die Aufgabenstellung des Brüsseler Vertrags ab; Kent/Young, British Policy, S. 49 ff.; Kent, Bevin's Imperialism, S. 66; Young, France, the Cold War, S. 169; Greenwood, Britain and European, Kap. 2 und 3; ders. Third Force; Loth, Französische Deutschlandpolitik. Greenwood, Alternative, S. 142; Deighton, Impossible, S. 63 ff.; Kent/Young, »Western Union«Concept, S. 173-178; Petersen, Who Pulled Whom; Kessel, Westeuropa, Kap. III.2; Vaisse, L'echec.

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gegenkommen an Frankreich bedingte jedoch auch, daß Großbritannien sich an Vorkehrungen gegen ein Wiederaufleben der »deutschen Gefahr« aktiv beteiligte. Die britische und französische Regierung einigten sich im Vertrag von Dünkirchen auf Sicherheit vor Deutschland29; gemeinsame Sicherheit mit der Sowjetunion wurde nicht konzipiert — im Gegenteil, je mehr sie die Überzeugung gewannen, daß Stalin keine Kompromißbereitschaft zeigen wollte30, desto stärker bemühten sie sich um das Engagement der USA als europäische Macht. Damit verringerte sich der Stellenwert des Projektes einer Western Union als Kern einer »dritten Kraft Europa«31; doch bot sich die Alternative der Gründung einer europäischen Säule innerhalb einer von den USA garantierten und gelenkten »Sicherheit der freien Welt« an. Das Besatzungsregime in Japan — genauso wie später die Gestaltung des Friedensvertrags mit Japan — betrachteten die USA als ihre Angelegenheit; sie begriffen die Ausdehnung ihrer Einflußzone als Beitrag zu ihrer eigenen Sicherheit32. Dies korrespondierte mit der Beobachtung, daß die UdSSR keine Kooperation auf der Basis des bestehenden Gleichgewichts beabsichtige; daher müsse man sowjetische Geltungsansprüche zurückweisen und die eigenen Stützpunkte in Ubersee vermehren33. Sie machten die Erfahrung, daß amerikanische Proteste gegen eine einseitige Vorteilsnahme der Sowjetunion Stalin tatsächlich zum Rückzug veranlaßten — so im März 1946 im Iran, im August 1946 in der Türkei; »containment« galt bereits als Erfolgsrezept, bevor die Truman-Doktrin (12. März 1947) der Sache einen Namen gab. In der Verlautbarung der Containment-Doktrin fügte Truman zur geostrategischen Abwehrhaltung die Dimension einer ideologisch offensiv verstandenen wehrhaften Demokratie hinzu. Die USA würden demokratischen Ländern im ersten Schritt helfen, sich gegen vom Kreml ferngesteuerte Subversionen zu wehren, und sie im zweiten Schritt dabei unterstützen, eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft zu bilden. Moskau erschien dies als Vorverlagerung amerikanischer Einflußmacht an die Grenzen der von der Sowjetunion beanspruchten Sicherheitszone und als Versuch, das kapitalistische System unter dem Deckmantel der amerikanischen Idee der Freiheit zu exportieren.

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Zeeman, Britain, S. 343-367; Greenwood, Return; Dockrill, British Attitudes, S. 50, 67. Kessel, Westeuropa, S. 60, 89 u.a.O. Vaisse, L'echec, S. 369-389, zu französischen Versuchen, einen zu starken britischen Einfluß in Europa durch französisch-amerikanische Zusammenarbeit zu verhindern. Zu den Zielkonflikten in den Wirtschaftsbeziehungen und ihren Auswirkungen auf die Politik siehe Frank, France; zu den Auswirkungen der Wirtschaftslage auf die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik siehe Gorst, We must. JCS, April 1947, FRUS, 1947,1, S. 740 f.; Leffler, Preponderance, S. 112 ff., 122, 164 ff.; Davis, Cold War. Auslandsbasen als Bastionen der Machtprojektion erhielten in der amerikanischen Globalstrategie einen hohen Stellenwert: Fröhlich, Zwischen selektiver Verteidigung, S. 220 ff., Harkavy, Great Power, Kap. 6; ders., Bases Abroad; ders., Changing, S. 42-82; Leffler, Preponderance, S. 56 ff.

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Trotz der sich häufenden Anzeichen 34 , daß die USA den sowjetischen Unilateralismus als Aufkündigung der Bereitschaft zum Interessenausgleich begriffen und deshalb Schritte ergriffen, die die Teilung der Welt voranbrachten bzw. den Kalten Krieg entfachten, fehlte es nicht an Gegenströmungen. Einige amerikanische Politiker35 wollten sich (noch) nicht damit abfinden, daß die Ausgangslagen sowjetischautoritärer und amerikanisch-demokratischer Außenpolitik unvereinbar seien und konsequenterweise zur Konfrontation und Blockbildung führten. Da selbst die Urheber der These vom Systemkonflikt, Kennan und Dulles, gegenwärtig und auf absehbare Zeit in Europa keine militärische Aktion der UdSSR erwarteten56, hatten die Gegenströmungen einen weiteren Anhaltspunkt, die These zu bezweifeln, daß die USA sich an die Spitze der Widersacher der Sowjetmacht setzen und als Blockbilder exponieren sollten. Die Hinzufügung der militärischen zur politischideologischen und wirtschaftlichen Dimension des Gegensatzes schien nicht unausweichlich. Vielmehr befürworteten sie den europäischen Zusammenschluß und die Integration eines ungeteilten, d.h. die Besatzungszonen wiedervereinigenden Deutschlands in diesem Kontext; die Einbindung der USA in die NATO lehnten sie ab; ein solcher Schritt würde die Teilung Europas und Deutschlands verewigen37. Für Kennan bestand die Logik der Containment-Politik darin, das freie Europa für die Dauer des Zeitraums abzusichern, bis sich herausstellen würde, ob seine Prognose eintrat, daß nämlich die Kremlführung entweder ihr System mildern müßte oder die Implosion des Soviet Empire riskierte. Die Hoffnungen, dritte »Pole« entstehen zu sehen38 oder daß Stalins Empire auseinanderbrechen und die »Satelliten« ihre Unabhängigkeit zurückerhalten würden39, zerbrachen unter den aufeinanderprallenden Wellen stalinistischer Monopolherrschafts- (Dominierungs-) und amerikanischer Einflußsicherungs-Strategien. Seit dem Frühjahr 1947 herrschte die Ansicht vor, Partei ergreifen zu müssen; die Blockkonsolidierung erhielt Vorrang gegenüber den Konzeptionen »dritter Weg«, »dritte Kraft«, »Neutralität im Supermacht-Konflikt« 4 ". Die USA und Frank34

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Der erste deutliche Fall ist die Pariser Außenminister-Konferenz im April 1946; Deighton, Impossible, S. 68 f. Die im Sommer 1946 eingesetzte amerikanische Studiengruppe unter Leitung von C. Clifford legte im September 1946 ihren Bericht vor; der Kernpunkt besagte, daß die Sowjetunion keine Kooperation auf der Basis des bestehenden Gleichgewichts beabsichtige; Gaddis, Long Peace, S. 30 ff. Paterson, Meeting, Kap. 6; siehe den Literaturbericht von Bonwetsch, Kalter Krieg, S. 230-249; Schröder, Genesis, S. 488 - 506; Schmidt, Sicherheitsbelange. Zur amerikanischen Einschätzung der sowjetischen Militärmacht 1945-1948 und der Annahme, daß man (noch) nicht für einen Kriegsfall planen müsse: Krieger, American, S. 100 ff.; Gaddis, Long Peace, S. 41 - 45, 53 - 58. FRUS, 1948, II, S. 1324-1338; Kennan, Memoirs, S. 418 f.; Miscamble, George F. Kennan, Kap. 5; Frohn, Deutschland. Gaddis, Long Peace, S. 58-67; Hampton, Wilsonian Impulse; Görtemaker, John Foster Dulles, S. 31 ff.; Amerikas Option. Gaddis, Long Peace, S. 158 f., 174 ff. Trachtenberg - Constructed, S. 62 f. - deutet den Marshall-Plan als Versuch, ein starkes Europa zu schaffen, mit dem Ziel, daß das amerikanische Engagement ein kurzes Gastspiel bleiben könne. »Uniting Europe« als dritte Kraft schaffen, schließt aber nicht aus, daß die USA »europäische

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reich intensivierten die militärische Kooperation (Stabsgespräche)41; seit dem Spätherbst 1947 erhielten die anglo-amerikanischen Abstimmungsprozesse eine neue, auf den »global contest« mit der UdSSR zielende Richtung*2. Die von Kennan, Dulles u.a. geäußerten Bedenken43 gegen eine auf Artikel 51 der UN-Charta gestützte Gründung einer kollektiven Sicherheitspartnerschaft unter Mitgliedschaft der USA wichen der Überzeugung, daß die Desorientierung und Destabilisierung in Westeuropa nicht weiter voranschreiten dürfe, weil sonst der Nährboden für kommunistische Machtergreifungen bereitet würde; Hilfe und Impulse müßten von außen, von den USA, kommen44. Das erstreckte sich auf militärischen Beistand, d.h. amerikanische Sicherheitsgarantie und Militärhilfe, weil man den festen Eindruck gewonnen hatte, daß Stalin bei Anzeichen von Uneinigkeit und Verunsicherung auf der Gegenseite die Gelegenheit nutzen würde, um riskantere Schritte zu unternehmen45. »We had to rearm ourselves and our allies and, at the same time, deal with the Russians in a manner they could never interpret as weakness46.« Die Leitgedanken der Containment-Politik lagen frühzeitig vor — Kennans Long Telegram vom 22. Februar 1946 lieferte die Anhaltspunkte, um aus seiner Analyse der »Sources of Soviet Conduct« Rückschlüsse zu ziehen, die über Kennans eigene Empfehlungen hinausgriffen47. Die Paarung aus militantem Bolschewismus und großrussischem Chauvinismus48, so wurde Kennans Botschaft ausgelegt, laufe auf tendenziell grenzenlose Machtambitionen des Kreml hinaus49. Damit rückte Stalin

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Macht« bleiben wollten und - wie das parallel zur Pariser Marshall-Plan-Konferenz einsetzende Bemühen Bevins und Bidaults um eine militärische Garantie der USA zeigte — werden sollten; siehe I. Die These »Europe's Pacifier and Federator« faßt die beiden Aspekte der »Wende 1947« zusammen; Joffe, Europe's American Pacifier. Krieger, American, S. 110 ff.; ders., General Lucius D. Clay, S. 405 ff.; Buffet, Mourir, S. 72 ff.; Leffler, Preponderance, S. 217 ff. (betr. Teitgen, Ende Juni 1948); Trachtenberg, Constructed, S. 83 ff. Duke, U.S. Basing, S. 123 ff.; ders. U.S. Defense Bases, S. 26 ff.; Simpson, Independent, S. 66 ff. Kennan argumentierte: Die USA sollten in einer momentanen Krise keine Langzeitentscheidung treffen; die Festlegung der USA auf die Rolle als Schutzmacht würde von den Westeuropäern den Druck nehmen, durch Einigung wieder stark zu werden; der Schritt würde die Teilungen besiegeln und die Gegensätze zur Sowjetunion dauerhaft verschärfen. Cogan, Oldest Allies; Lundestad, Empire by Invitation; Soviet Union and Europe; Yergin, Shattered Peace, S. 19-39; LaFeber, America, Russia, Kap. 3. Adomeit, Soviet Risk-Taking, S. 89 ff., 162 ff.; Mastny, Stalin and the Militarization, S. 120; Neuss, Geburtshelfer, S. 85 ff.; Großbritannien und Europa, S. 1-41,169-252. Truman, Memoirs, II, S. 174; Mastny, Stalin and the Militarization, S. 121. Das gleiche Denkmuster prägte Stalins, Molotovs und Chruscevs Vorgehensweise: Zubok/Pleshakov, Inside, S. 96 ff.; Richter, Krushchev's Double Bind, S. 54 ff., 74 f. Zum »russischen Imperialismus aus Schwäche« siehe I. Bamet, Balance Sheet, S. 113-26; Miscamble, George F. Kennan, S. 25 ff. Stalin und Molotov knüpften an Gebiets- und Einflußsphären-Forderungen des zaristischen Rußland an. Hinzu kam das Totalitarismus-Argument: Terror und Progaganda würden nicht auf Unterdrükkung von Widerstand im Innern beschränkt bleiben; die »Diktatur« würde in der Außenpolitik alle Vorteile nutzen, die aus der »Schwäche« von Demokratien im außenpolitischen Krisenhandeln resultierten; Gaddis, Long Peace, S. 35; Artaud, La Fin. Das Erfinden von Gegnern, um den Gewalteinsatz im Innern zu rechtfertigen, wiederholte sich in den Außenbeziehungen - vom Stigma »Kapitalismus« (Faschismus ...) blieb potentiell kein westliches

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in die Nachfolge von Regimen, mit denen es kein »appeasement« ä la München 1938 geben dürfe50. Die USA müßten der »freien Welt« Führung geben gegen ein totalitäres Regime, das in der Innen- und Außenpolitik Prioritäten verfolge, die inkompatibel seien mit denen der Demokratien. Die Bollwerk- und Give-a-lead-Konzeption blieb nicht auf politische und wirtschaftliche Systemstabilisierung begrenzt. Ahnlich wie britische Internationalisten vor dem Ersten Weltkrieg die Low Countries und vor dem Zweiten Weltkrieg den Rhein als vorgeschobene Verteidigungslinie deklariert hatten, so erklärten jetzt 1947 - amerikanische Militärs (JCS, April 1947) und Politiker (Acheson, Dulles) Gesamt-Westeuropa zum strategischen Glacis amerikanischer Sicherheit und fügten hinzu: »without G e r m a n aid the remaining countries o f Western E u r o p e could scarcely be expected to withstand the armies o f our ideological opponents until the United States could mobili2e 5 1 .«

Frankreich, dessen Sicherheit für die Mitglieder des Nordatlantischen Dreiecks USA-Großbritannien-Kanada52 essentiell schien, bedürfe zur eigenen wirtschaftlichen Erholung der Wiederbelebung der deutschen Industrie; doch mit dem Wiederaufstieg Deutschlands als Wirtschaftsmacht stelle sich auch das Problem der »Sicherheit vor Deutschland«. Zwei Jahre nach Kriegsende bestand für die amerikanischen Politiker und Militärs noch kein Anlaß, die Frage aufzuwerfen, ob die USA ihren europäischen Sicherheitspartnern im Hinblick auf Deutschland, dessen Status der Teilung noch nicht besiegelt war, sowohl die wirtschaftliche als auch die militärische »equality of treatment and status« des westdeutschen Teilstaates abverlangen sollten: Aufgrund der Prämisse der Unentbehrlichkeit Deutschlands sollte sich dieses Thema aber bald als regelungsbedürftig herausstellen. Da die USA, Großbritannien und Kanada sich der Stabilität der Demokratie in Westeuropa nicht gewiß waren und eine Kettenreaktion mit den Stationen: Wirtschaftskrise - Arbeitslosigkeit - schwache Währung/Zweifel am Geldwert - Anfälligkeit für den »bolschewistischen Bazillus« befürchteten, verbot es sich, als zweites Thema den deutschen Verteidigungsbeitrag vorzeitig in die Debatte zu werfen — zumal noch Einvernehmen bestand, daß von der UdSSR vorerst keine Kriegsgefahr in Europa drohe.

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Land ausgenommen; ostblockintern wurde bourgeoiser Nationalismus - seit Zdanovs Verkündung der Zwei-Lager-Theorie und der Gründung der Kominform im September 1947 - zum Feind erklärt; Parrish/Narinsky, New Evidence. In den Außenbeziehungen meint »grenzenlos«, daß Stalin die Risikobereitschaft zu steigern bereit war, sobald er Uneinigkeit bzw. Verunsicherung des Westens wahrnahm oder annahm, daß die USA sich dort nicht exponieren würden. Hess, Iranian Crisis, S. 146; Schmidt, Explaining. FRUS, 1947, I, S. 740 QCS, April 1947); Pruessen, Cold War, S. 54. Im Sinne der zitierten Aussage betont Ireland - Creating - den engen Zusammenhang zwischen US-Engagement und militärischer Westbindung Westdeutschlands. Die JCS (allerdings ohne die Zustimmung der Heeresführung) sprachen sich 1954 sogar für die Option aus, den deutschen Verteidigungsbeitrag so stark zu machen, daß der eventuelle Ausfall Frankreichs dadurch wettgemacht werden könne; FRUS, 1 9 5 2 - 5 4 , V, S. 1250; siehe ΙΪ.2. Schmidt, V o m Nordadantischen Dreieck.

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b. Der Konflik um die europäische Zusammenarbeit Stalin reagierte überempfindlich auf Churchills und Bevins Initiativen zugunsten eines Zusammenschlusses Europas. Das verwundert nicht, hatte er doch mit anhaltender Schwächung der europäischen Staaten gerechnet und geschlußfolgert, daß keiner von ihnen eine Gegenwehr gegen die Sowjetunion als größte Macht in Europa bilden könne oder organisieren wolle. Obwohl die britischen Initiativen eher von der Befürchtung genährt wurden, daß die USA — wie von Roosevelt gegenüber Stalin in Jalta bekundet und durch den rapiden Truppenabzug aus Europa bestätigt — ihre Alliierten wieder einmal allein lassen würden mit dem Problem einer Deal-or-duel-Situation zwischen Deutschland und der UdSSR53, empfand der Kreml die Pläne als gegen Rußland gerichtet. Im Gegenzug unterstellte man Stalin die fixe Idee, die USA von der Regelung der zwischen der Sowjetunion und den Staaten Westeuropas offenen Angelegenheiten auszuschließen. Die westlichen Politiker, die den Kreml nicht unnötigerweise provozieren bzw. darauf Rücksicht nehmen wollten, daß die UdSSR gleichermaßen legitime Rechte auf »Sicherheit vor Deutschland« habe, suchten dementsprechend ihre Projekte europäischer Zusammenarbeit so zu begründen, daß sie nicht als Ausgrenzung »Rußlands« erschienen. Die Brüsseler Vertragsorganisation (Western Union) diente primär der Stabilisierung des eigenen politischen Nervenkostüms; eine Verstärkung der eins atz fähigen militärischen Verbände über die Besatzungsstreitkräfte hinaus wurde zunächst nicht als vordringlich ausgegeben. Erst »Prag 1948« und die Berliner Blockade lösten die Fokussierung auf »Sicherheit vor Deutschland« in der amtlichen Außenpolitik ab. Stalin hatte den Westmächten nur die Wahl zwischen zwei gleichermaßen unakzeptablen Entscheidungen gelassen: — Verzicht auf Durchführung der Londoner Abmachung zur Gründung einer westdeutschen Demokratie, — Preisgabe Westberlins und Eingliederung Gesamtberlins in die SBZ. Darüber hinaus gab er den Westmächten die Schuld an der Herausbildung einer gefährlichen Lage, weil sie gegen die Beschlüsse von Jalta und Potsdam verstoßen hätten. Die Wirkung der Ereignisse in Prag — wo Stalin das Recht auf einseitige Eingriffe in die Herrschaftsverhältnisse eines freien Staates beanspruchte — und in 53

Die Formel meint nach 1945 ein vielschichtiges Gefahrenszenario: 1) Stalin könnte mit Hilfe der zur Einheitspartei-Bildung drängenden deutschen Kommunisten, gestützt auf die Rote Armee/sowjetische Streitkräfte in der SBZ und mit Hilfe »nützlicher Idioten« in den Westzonen, ein Mitregieren in Gesamtdeutschland anstreben und ggf. erreichen. 2) Ein künftiges, sich Stalins Gnade verdankendes einheitliches Deutschland würde eine Ostbindung eingehen bzw. der UdSSR deutsche Ressourcen zur Verfügung stellen. 3) Moskau könnte mit Berlin ein Bündnis ä la Rapallo schließen. 4) Langfristig gesehen, solle man nicht die Möglichkeit ausschließen, daß die Sowjetunion und Deutschland den Konflikt, wer »Zwischeneuropa« penetriere und beherrsche, wieder aufnehmen könnten; siehe z.B. Bevin, 3.5.1946, CP (46) 186, PRO, CAB 129-9; Deighton, Impossible, S. 73 ff.; Steininger, Westdeutschland, S. 177; ders., Alliierte und Deutschland, S. 7; zur Skepsis gegenüber den USA und der Option für ein Zusammenwirken mit Frankreich s.o., Greenwood, Alternative, S. 142 f.; ders., Britain, S. 15 ff., 51-55.

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der Berlin-Krise - wo Stalin dem Westen das Recht absprach, seine Schlußfolgerungen aus der sowjetischen Penetration der SBZ zu ziehen — war so stark, daß die westlichen Regierungen nunmehr ihrerseits Fakten schaffen wollten. Sie assoziierten fortan militärische Kooperation, gestützt auf amerikanische Militärhilfe, mit dem Gebot des »containment« 54 und bezogen die Bundesrepublik — zunächst im Namen der Besatzungsmacht-Verpflichtungen - in die Sicherheitspartnerschaft ein. In Frankreich, für das de Gaulle 1944 ein Sicherheitsabkommen mit der Sowjetunion geschlossen hatte, standen sich die Befürworter des deutschfranzösischen Ausgleichs auf der Basis einer französisch-britischen Allianz (Blum) 55 und einer französisch-britischen Entente (de Gaulle) gegenüber. Die Projekte scheiterten an Widerständen, die zunächst mit sowjetischer Politik weniger) zu tun hatten; so verlangte de Gaulle von Großbritannien Vorleistungen in Fragen, die klassische Zankäpfel zwischen beiden Westmächten waren56; umgekehrt war auf britischer Seite schon davon die Rede, daß Frankreichs Egoismus die Deutschlandpolitik der Westmächte beeinträchtige und dazu beitragen könnte, daß die Deutschen den Schritt unternehmen würden, den die britischen Regierungen in jedem Fall verhindert wissen wollten — ihr Los in den russischen Topf zu werfen57. Neuauflagen des Projektes einer vom Zusammengehen Frankreichs und Großbritanniens geprägten »dritten Kraft« erfolgten zu Zeitpunkten, in denen sich auf britischer Seite bereits die Auffassung festgesetzt hatte, daß Westeuropa selbst im Fall einer Bündelung britischer und französischer Kräfte — einschließlich ihrer Uberseegebiete und unter Beteiligung der Benelux-Staaten und eventuell Italiens — auf die Mitwirkung einer in Europa präsenten US-Macht angewiesen sein würde. Die Bündelung europäischer Kräfte wurde so gesehen zur notwendigen Voraussetzung, um ein Re-Engagement der USA und deren langfristige strategische Garantie zu erlangen58. 1,4 35

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Baylis, Diplomacy, S. 19-36; British Intelligence. Für Blum war maßgebend, daß Frankreich der Zusammenarbeit mit »Dritten« bedurfte; für den Fall, daß Frankreich sich quer zur amerikanischen und britischen Deutschlandpolitik stellte, befürchtete er, daß Washington und London die Erholung Deutschlands voranbringen würden. Für Frankreich müsse es darum gehen, an einer kontrollierten Erholung des Nachbarstaates mitzuwirken, d.h. die USA und Großbritannien daran zu erinnern, daß Frankreich einen Vorsprung gegenüber Deutschland behalten müsse. In seiner kurzen Amtszeit als Regierungschef (Dezember 1946 - Januar 1947) hatte Blum eine französisch-britische Allianz als Basis für eine Verständigung in der Deutschlandpolitik angestrebt; der Vertrag von Dünkirchen ist das Resultat dieses Vorstoßes. In der Deutschland-Politik rückte Blum von de Gaulles »Dismemberment«-Plänen ab und brachte statt dessen eine Internationale Ruhr-Behörde ins Gespräch; Young, Britain, France, S. 44 ff.; Hitchcock, France, S. 68 f.; Loth, Sozialismus, S. 131; Deighton, Impossible, S. 83 ff., 117 ff. Rheingrenze und Aufteilung Deutschlands über die beschlossene Auflösung Preußens hinaus; Abtrennung oder wenigstens Internationalisierung des Ruhrgebiets; französische Vorherrschaft im Libanon und in Syrien; etc. Hitchcock, France, S. 75 f. Dieses Motiv verschaffte sich immer wieder Geltung; vgl. FO-Briefing für die UK-Delegation, 26.4.1950, DBPO, 2nd ser., II, No. 38. Zur Kontroverse, ob Bevin und das Foreign Office eine genuin »westeuropäische« Lösung anstrebten oder dies nur als Etappe auf dem Weg zum Ziel des britisch-amerikanischen Schulter-

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Stalins V e t o gegen die v o n ihm als P r o v o k a t i o n hingestellte Einigung Europas im R a h m e n der Marshall-Plan-Hilfsaktion trug maßgeblich und nachwirkend dazu bei, daß die U d S S R in den Hauptstädten Westeuropas als Feind Nr. 1 perzipiert wurde. Innenpolitische Vorgänge v o r allem in Frankreich und Italien 59 , bei denen die K P F bzw. K P I sowie die ihnen nahestehenden G e w e r k s c h a f t e n den »Verfassungsbogen« sprengten und die bürgerlichen K r ä f t e decouvrieren wollten, rundeten den Gesamteindruck ab, daß Moskau und Moskauhörige unwillig und unfähig zu friedlichem A u s k o m m e n seien. »Zhdanov's (proclamation of the doctrine of the >two campsdritten Kraft-> 18.5.1949, NSC, 40. Sitzung: NA, RG 273, NSC Records, und Truman Papers, PSF, Box 220; Acheson an Truman, 22.5.1949: FRUS, 1949, III, S. 892-894; Leffler, United States, S. 297. Zur intensiven inneramerikanischen Diskussion seit August 1948, die mit der Ablehnung von Kennans Plan A im Mai 1949 endete: Miscamble, George F. Kennan, S. 144 ff., 162- 175; s.o. 343 Zur Fortgeltung der Magnettheorie nach 1946/47: Dulles, 20.2.1954: FRUS, 1952-54, VII, S. 1208 ff.; siehe 1.1. f. 346 Darauf beruht Wettigs These, daß Stalin und seine direkten Nachfolger das sozialistische Svstem in der SBZ/DDR beibehalten wollten, also die Bereitschaft zur deutschen Einheit (Vereinigung) gleichsam immer Besitzstandswahrung plus bedeutete; Wettig, Bereitschaft, S. 201 f f , 218 ff.; Foitzik, Sowjetische Militäradministration. Moskau betrachtete so gesehen die DDR ebenso als Kristallisationskern eines eventuell vereinten Deutschland (ohne die Ostgebiete) wie Washington die Bundesrepublik. Zum Fakten-Schaffen gehörte auch, daß die sowjetischen und ostdeutschen Machthaber den Alleinvertretungsanspruch für zentrale Begriffe (demokratisch, friedliebend, unabhängig, gerecht) begehrten; sie besetzten die Leitwerte mit »sozialistischen« bzw. SBZ-DDRrealen Inhalten und verlangten die Übertragung der Begriffe und der »sozialistischen Errungenschaften« auf Gesamtdeutschland; (das fand eine Fortsetzung in Honeckers Geraer Forderungen); 341

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gen Konzessionen zuspitzte: Denn jeder nächste Zeitpunkt, an dem die sowjetische Führung ihre vermeintlichen Tauschgeschäftsangebote wieder aufwärmte, bedeutete, daß Fortschritte zur Sowjetisierung bzw. zur Konsolidierung des SEDRegimes vorausgegangen waren347. Jede dieser Maßnahmen und erst recht ihr Ensemble verrieten eindeutig die Sprache der Abgrenzung der SBZ/DDR bei gleichzeitiger Steigerung der Abhängigkeit des SED-Regimes von seiner Schutzmacht: Die Schaffung der kasernierten Volkspolizei bedeutete, daß diese Krypto-Armee hinsichtlich ihrer Führungskader der Penetration durch »moskau«hörige (ausgebildete) Offiziere ausgesetzt war348; damit wurde die bereits bestehende Unterwerfung der Staatspartei unter die KPdSU und des Staatssicherheitsdienstes unter den KGB ergänzt und abgerundet349. Die Schaffung eines 5 km breiten Streifens als Niemandsland entlang der Demarkationslinie Ende Mai 1952 war ein von gleichen Gedanken inspirierter Vorgriff auf den Mauerbau 1961; die Verschärfung der Kontrolle der Zugangswege in die Berliner Westsektoren etablierte eine weitere Kontaktsperre; schließlich beeilte sich die Sowjetunion, der DDR die Souveränität früher — 25. März 1954 — zurückzugeben als die Westmächte dies wegen des Widerstands Frankreichs gegen eine Auflösung des Junktims zwischen Deutschlandund EVG-Vertrag gegenüber der Bundesrepublik tun konnten. Der Schritt sollte zeigen, daß die UdSSR ihren Deutschen »Nationalstolz« zubilligte, während die Westmächte sich nicht einigen konnten, wie schnell sie »ihren« Deutschen die Wiederherstellung der Souveränität als »Lohn« für die freiwillige Westbindung schuldeten. Die Krux war, daß die UdSSR für den Fall, daß sie die Preisfrage in der Formulierung »westliche Kompensationen für die Aufhebung des kommunistischen Gewaltmonopols in der DDR« überhaupt zu akzeptieren gedachte, automatisch eingeständen hätte, daß ihre These von der deutschen Gefahr eine Schimäre sei.

die Generalklausel, daß die Sowjetunion das Potsdamer Abkommen in ihrem Deutschland strikt umsetze, hüllte die Sowjetisierung der DDR in den Mantel des Siegermacht-Völkerrechts. 347 S.o. II.l; Foitzik, Sowjetische Militäradministration; Loths These - Deutschland im Kalten Krieg, S. 9 —, daß Untergebene wie Tjulpanov im Zusammenwirken mit Ulbricht erreichen konnten, was Stalin nicht anstrebte, übersieht den Kumulationseffekt der sowjetischen Deutschlandpolitik. In einer ersten Phase mag gelten, daß mit der Weichenstellung noch nichts entschieden war; im Wiederholungsfall verliert die Vermutung, daß Stalin sich andere Optionen offenhalten wollte, an Bedeutung im Vergleich zur erneuten Festschreibung der SED-Diktatur mit Sowjet-Siegel. Loth selbst gesteht ein, daß Stalin durch Titos Unabhängigkeits-Erklärung in Zugzwang geriet, die Kontrolle über die Länder hinter dem Eisernen Vorhang so zu verstärken, daß sich ein Ausbruch aus dem sowjetischen Lager nicht wiederholen könnte. 348 Froh/Wenzke, Generale; Naimark - Russians in Germany — zeigt, wie Tjulpanovs Offiziere die Bolschewisierung in der SBZ bis zum Herbst 1949 vorantrieben; Diedrich, Aufrüstungsvorbereitung. ,4'> Der Ministerrat der UdSSR beschloß auf seiner Sitzung vom 27.5.1953 die Trennung der militärischen und politischen Kontrolle über die DDR: Semjonov wurde Erster Hoher Kommissar, Marschall A.A. Grecko Oberkommandierender der Gruppe sowjetischer Okkupationstruppen; siehe Otto, Sowjetische Deutschlandpolitik, S. 951.

295 »[...] the Russians did not really fear G e r m a n r e a r m a m e n t or G e r m a n military power, but w e r e afraid that any course of action leading to the control liquidation of the East G e r m a n G o v e r n m e n t would upset their Satellite system 15 ".«

Die These von der deutschen Gefahr sei, so erklärte Premierminister Eden dem sowjetischen Ministerpräsidenten Bulganin351, ohnehin wenig glaubwürdig, denn schließlich sei die Sowjetunion strategische Nuklearmacht. Die Sicherheitsfrage unter Bezug auf die realen internationalen Machtverhältnisse zu stellen, hieß die Sowjetunion zum Eingeständnis auffordern, ihr wahres Ziel sei, auf die innenpolitische Kräfteverteilung in Gesamtdeutschland Einfluß zu nehmen im Tausch gegen die Preisgabe der ihr sicheren Herrschaftsbefugnisse in Ostdeutschland. Die Entscheidung, ob sie sich der Herrschaft ihrer Statthalter in der DDR sicher sein könnte oder ob sie die DDR, weil zu kostspielig werdend, rechtzeidg bei für sie attraktiven Abfindungen preisgeben sollte, hing allein vom Ausgang der Machtkämpfe im Kreml ab und war so gesehen kein Punkt, wo die Westmächte oder gar die Bundesrepublik allein — hätten für Bewegung zugunsten eines Arrangements sorgen können. Während die Machtkämpfe im Kreml — 1952; nach Stalins Tod im März 1953 und mit der Absetzung Malenkovs Ende Januar 1955 noch anhielten, stand die Remilitarisierung der Bundesrepublik lediglich auf dem Papier352; sie besaß im echten Sinne gar keinen »bargaining value« vergleichbar der sowjetischen Machtpräsenz in der DDR oder auch nur der bestehenden kasernierten Volkspolizei der DDR 151 . Die Vermutungen, daß im Frühjahr 1953 auf sowjetischer Seite Interesse an einer Ära der Verhandlungen bestanden habe, beruhen auf der Annahme, daß Berija und Malenkov aus ihrem Wissen um den bevorstehenden Test der sowjetischen Superbombe einerseits und ihrer Kenntnis der geheimdienstlichen Informationen über den Umfang des amerikanischen Bestandes an Kernwaffen andererseits eine Neubestimmung der »correlation of forces« vornahmen; sie hätten daraus den Schluß gezogen, daß die Sowjetunion wettbewerbsfähig sei, aber behutsam vorgehen und Ballast abwerfen müsse. »There are no contested issues in U.S.-Soviet relations that cannot be resolved by peaceful means.« Die Friedensinitiative Ma55l>

J.F. Dulles, 256. Sitzung des National Security Council, 28.7.1955: FRl'S, 1955-5", V, S. 531; 20.10.1955: ebd., S. 619 f. v>' Eden-Minute betr. Gespräch mit Bulganin, 19.7.1955, PRO, PREM 11 - 495; Eden unterrichtete Eisenhower am 20.7. über das Dinnergespräch: I RLS, ebd., S. 399; Dockrill, Fden-Plan, S. 182 f.; Gossel, Briten, S. 110. 352 Der Bundestag ratifizierte die EVG- und Deutschlandverträge am 19.3.1953; der Bundesrat stimmte den Vertragswerken am 15.5.1953 zu. Gleichzeitig verstärkten die von der Unterstützung der Gaullisten abhängigen französischen Regierungen ihre Bemühungen, einerseits als dritte Führungsmacht zu den USA und Großbritannien aufzuschließen und den »tripartism« zu institutionalisieren und andererseits den F.VG-Vertrag nachzubessern. Der BGS erhielt zwar Aufgaben im Verteidigungsfall an der Seite der Besatzungsmächte zugewiesen, war aber vom Umfang (40 000 Mann, Sommer 1954) und von der Ausrüstung her wesentlich schwächer als die (1954/55) mindestens 150 000 Mann starke KVP/NVA. 351 Volksarmee schaffen; Rupieper, Probleme. Zu den rucht immer konsistenten Versuchen Adenauers, das Thema KVP in die Sondierungen mit den Westmächten einzubringen: Katzer, Übung, S. 149 ff.

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lenkovs vom 12. März 1953 zielte auf einen Waffenstillstand in Korea, die Bereinigung der Konflikte mit Israel, Jugoslawien, Griechenland und der Türkei sowie Gespräche über einen Friedensvertrag mit Osterreich. Der Einspruch Molotovs, der die Anwesenheit der sowjetischen Streitkräfte in Osterreich als unentbehrliche Plattform für die Verteidigung der Tschechoslowakei und Ungarns im Kriegsfall hinstellte, machte die Aussicht zunichte, einen Wandel im Ostblock in den Kernfragen testen zu können: Normalisierung der Beziehungen mit dem blockfreien Jugoslawien und Neutralisierung Österreichs. Insoweit war Eisenhowers Reaktion — am 16. April 1953 — angemessen, daß man abwarten sollte, ob Stalins Nachfolger sich in den namentlich genannten Testfragen bewegten354. Dies geschah faktisch nur in der Koreafrage, allerdings mit Verzögerungen und Rückschlägen, weil Zhou Enlai die mit der neuen Sowjetführung erzielte Verständigung gegen Mao Zedongs Triumphgebaren nicht unmittelbar zur Geltung bringen konnte155. In der deutschen Frage gibt es nur den Anhaltspunkt, daß Berija zu einem Alleingang entschlossen gewesen sei; er habe über den von Molotov artikulierten Standpunkt hinausgehen wollen. Moloto\>- hatte festgelegt, daß der dem UlbrichtRegime von Stalin im April 1952 genehmigte »Aufbau des Sozialismus« in der DDR nicht als Vorwand für die Wiederaufrüstung Westdeutschlands dienen dürfe; man solle weder für die Fehler der DDR geradestehen noch müsse man an Ulbricht festhalten. Berijas >Sündenfall< lag darin, daß er in der zentralen Frage, ob man eine gesamtdeutsche Lösung anstreben solle, mit den Gedanken an eine Koalitionsregierung und die Herabstufung der DDR zu einer autonomen Provinz in einem vereinten Deutschland spielte. Damit hätte Berija die Stalin-ZdanovDoktrin des Antagonismus zwischen bourgeois-kriegstreibend und sozialistischfriedfertig preisgegeben; die Anklage gegen ihn kulminierte im Vorwurf des Hochverrats356. Chruscev und Molotov357, die sich im Frühjahr 1953 gegen Berija und Malenkov durchsetzten, argumentierten, 1) die »Endassung« der DDR aus dem kommunistischen Block würde dem Kreml als »Schwäche« ausgelegt werden; 2) die Stabilisierung des SED-Regimes müsse Vorrang haben vor den ungewissen 554

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Zur Vorgeschichte der Eisenhower-Rede vom 16.4.1953: Immerman, Trust, S. 37 f.; Gnad, Konfrontation, S. 245-258; Feiken, Dulles, S. 93-135. Das Foreign Office urteilte ähnlich, siehe Eden an Britische Botschaft, Washington, 8.4.1953: FO 371-106524: »We must avoid being lulled into a sense of false security and must continue with the essential measures still required to complete the defensive strength of the non-Soviet world.« Zubok/Pleshakov, Inside, S. 152-159. Malenkov stritt ab, daß er von Berija über das HBomben-Projekt unterrichtet worden sei; am 8.8.1953 gab Malenkov dem Obersten Sowjet den bevorstehenden Test bekannt: Holloway, Stalin, S. 320. Die JCS waren von diesem Test beeindruckt; History of the JCS, V, S. 1; der erste Test einer wirklichen Kernfusionsbombe erfolgte am 23.11.1955: Newhouse, War, S. 81. Wettig, Bereitschaft, S. 252-255; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 159-161. Als Adenauer bei den Verhandlungen in Moskau im September 1955 die angeblich auch von Berija als Gegenleistung geforderte Finanzhilfe in Höhe von S 10 Mrd. ins Gespräch brachte, wurde ihm entgegengehalten, daß die DDR nicht zum Ausverkauf anstehe. Zur Berija-Affäre: Wettig, Zum Stand; ders., Neue Erkenntnisse, S. 1412 f.; ders., Beginnende Umorientierung; ders., Treue Dienste; Knight, Beria; Richter, Re-examining; ders., Krushchev's Double Bind, S. 44, 48 f.; Zubok, Soviet Intelligence, S. 453-472; ders./Pleshakov, Inside, S. 159 f.

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges

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A u s s i c h t e n a u f H e r b e i f ü h r u n g eines Z u s t a n d e d e r E n t s p a n n u n g , in d e m die d e u t s c h e E i n h e i t w i e d e r h e r g e s t e l l t w e r d e n könne 3 5 8 . »In fact after the July (1953) Plenum Soviet declaratory policy began to move decisivelv towards Stalin's earlier two-Germany solution to the German question^ 9 .« In j e d e m Fall hatte die s o w j e t i s c h e F ü h r u n g hinsichtlich d e r Frage »Sicherheit v o r D e u t s c h l a n d « d u r c h ihre E i n w i r k u n g e n a u f i n n e r d e u t s c h e M a c h t v e r h ä l t n i s s e so viele n e g a t i v e P r ä j u d i z i e r u n g e n g e s c h a f f e n , d a ß sie erst d u r c h g r a v i e r e n d e K o r r e k t u r e n b e w e i s e n m u ß t e , o b sie auch a n d e r s k ö n n e , als A l l e i n h e r r s c h a f t z u erz w i n g e n u n d s o g e s e h e n n u r »Satelliten« z u dulden. U m seine V e r s t ä n d i g u n g s b e r e i t s c h a f t z u erhärten, h ä t t e der K r e m l seine M a c h t s i c h e r u n g s s t r a t e g i e in d e n O s t b l o c k - L ä n d e r n ä n d e r n m ü s s e n . Z w a n g s l ä u f i g m u ß t e sich die Frage stellen, w a r u m M o s k a u d e n O s t d e u t s c h e n das Privileg d e r f r e i e n W a h l e i n r ä u m e n , a b e r d e n O p f e r n d e u t s c h e r A g g r e s s i o n in O s t e u r o p a die gleiche C h a n c e , K o m m u n i s t e n abzuw ä h l e n , v o r e n t h a l t e n sollte 16 ". D a ß d e r K r e m l in O s t e u r o p a P a r t e i e n w e t t b e w e r b i m I n n e r n g e w ä h r e n u n d z u s e h e n w ü r d e , w i e Pluralismus zu P o l y z e n t r i s m u s im

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Die Interpretation muß natürlich berücksichtigen, daß Stalins Nachfolger unterschiedliche Prioritäten verfolgten und möglicherweise die kritische Lage in der DDR nicht oder erst spät (Ende Mai 1953) erkannten; Scherstjanoi, Sowjetische Deutschlandpolitik, S. 497-549. Doch gibt es einen festen Kern von Standard-Auffassungen der sowjetischen Führungsspitze, die für die vor allem von Wettig vertretene Alibi-/Propaganda-These sprechen: (1) Die Vorschläge appellieren an »deutschen« Nationalismus; sie sind bewußt so angelegt, daß die Westmächte sich nicht darauf einlassen könnten; die Denkschriften und Noten-Entwürfe sind auf den Tenor abgestimmt, daß die Westmächte die Leitsätze des Potsdamer Abkommens verletzt hätten. (2) Die Vorschläge sollten die Westmächte in den Augen der Westdeutschen ins Unrecht setzen und den Sturz der Adenauer-Regierung herbeiführen — Puskin, siehe Mastnv, ('old War, S. 137; Rupieper, Zu den sowjetischen Deutschland-Noten; Moskau und Pankow spekulierten dabei auf den Erfolg des Protests der Neutralisten um Prof. Noack und den Effekt der auf dem Parteitag der SPD beschlossenen Einsprüche gegen die spalterische Politik des Kanzlers der Westalliierten; das Ziel waren die Auflösung von Militärstützpunkten und der Abzug der Besatzungstruppen vor gesamtdeutschen Wahlen bei gleichzeitiger Ablehnung internationaler Kontrolle (UNOWahlkommission u.ä.). (3) Die Kremlführung insistierte auf der Zweistaatlichkeit bzw. Parität zwischen der DDR und Westdeutschland bei allen Schritten zur Bildung einer gesamtdeutschen Übergangsregierung, Ausarbeitung einer Verfassung und eines Wahlgesetzes. (4) Die UdSSR unterstützte den Aufbau des Sozialismus und den Anspruch der DDR-Führung auf den Status Volksdemokratie. (5) Die Übernahme der Sprachformeln aus der Stalin-Note (sozialistischfriedliebend, volksdemokratisch u.a.) schrieb den Anspruch Pankows auf Definitionsmacht fort und etablierte den Grundsatz, daß ein künftiges Gesamtdeutschland den Prinzipien der SBZ/DDR verpflichtet sein müsse, um von der UdSSR als ein mit ihrem Sicherheitsbedürtrus vereinbares Land akzeptiert werden zu können; siehe die von Schestjanoi - ebd. - publizierten Dokumente - S. 533, 540, 547 - und deren Erläuterungen, S. 510-515. Richter, Re-examining, S. 24. Eisenhower legte in seiner Rede vom 16.4.1953, die als Antwort auf Malenkovs Verständigungsofferte vom 12. (13.) März gedeutet werden kann, einen Forderungskatalog vor, der auch die Unabhängigkeit der Länder Ostmitteleuropas enthielt. In den internen Überlegungen ebenso wie in öffentlichen Verlautbarungen lehnten Stalins Nachfolger diesen Punkt strikt ab. Eisenhower wollte die Entspannungsbereitschaft der neuen Sowjetführung anhand bestimmter Themen testen: Beendigung des Korea-Kriegs; umfassende Abrüstung und internationale Kontrolle der Atomenergie; Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Osterreich; freie gesamtdeutsche Wahlen. Zur Entstehungsgeschichte der Eisenhower-Rede: Larres, Eisenhower, S. 435 ff.; ders.. Integrating; Immerman, Trust, S. 37 ff.; Rostow, Europe, S. 84-90; siehe II, Anm. 354.

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Ostblock und darüber hinaus 2u freier Wahl der äußeren Bindung führen könnte, war Wunschdenken auf westlicher Seite 161 ; für die Kremlführung war dieses Thema tabu. Erst müßte sich, so hatte Kennan als »Mr. X« einst diagnostiziert, in der UdSSR die Abkehr vom Totalitarismus vollziehen, bevor der Westen Containment- durch Entspannungs-Maßnahmen ersetzen dürfe. Wann und wo immer die Sowjetunion tatsächlich Schwierigkeiten mit den Satelliten-Staaten362 oder mit national-kommunistischen Regimen hatte, die ihren Triumph eigenen Anstrengungen (und z.T. Stalins Gegenmanövern zum Trotz) verdankten, reagierte der Kreml mit Repressalien und/oder Sanktionen363. Die D D R war für Stalin und seine Nachfolger der Hebel, mit dem sie ihr osteuropäisches Imperium nach Westen abschließen1''4 und von wo aus sie zur Niederschlagung von Freiheitsbewegungen in Polen und der CSR intervenieren konnten. Da die sowjetische Politik ihren Anspruch, die USA einzuholen und schließlich zu überholen, eher intensivierte als zurückstellte, betraf die eigentliche Sicherheitsfrage im Ost-West-Konflikt das Problem, welchen Vorteil der Westen durch die Einbindung des reicheren Teils Deutschlands erhielt bzw. sich verschaffte. Aus westlicher Sicht galt die Gleichung: Schließen sich die Staaten Westeuropas bei Integration der Bundesrepublik unter dem Flankenschutz der USA dauerhaft zusammen, dann müsse der Kreml erkennen — oder genauer: frustriert feststellen —, daß die Sowjetunion den Kalten Krieg nicht gewinnen könne365. Um einen solchen Rückschlag abzuwenden, könnte sich Moskau an einer Verhandlungslösung interessiert zeigen; der Kreml werde dann aber auf westliche Konditionen eingehen müssen. Im umgekehrten Fall sähe der Westen seine Felle davonschwimmen: Die militärischen und die politisch-diplomatischen Verteidigungslinien des Westens ( E V G / W E U - N A T O ) würden einbrechen, wenn der deutsche Eckstein - durch Neutralisierung oder weit nach Westen ausgedehnte demilitarisierte Zonen — herausfiele: Deutschland zu neutralisieren hieße, die Basis der westlichen Sicherheit — Gewaltverzicht unter den Mitgliedern, einschließlich Bundesrepublik, und »balanced collective forces« zur Untermauerung der kollektiven Sicherheit für das freie Europa — für die Einheit eines neutralen (nationalistischen) Deutschland zu op-

361

362 363 364

363

Zum Junktim zwischen Entspannung und Freigabe Osteuropas in Adenauers Politik: Siebenmorgen, Gezeitenwechsel, S. 78 ff.; Dulles gegenüber Macmillan und Pinay, 9.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 312 f.: »Soviet need to solve satellite problem before a real solution of tension would be achieved in Europe;« siehe I.l.f; Dulles, 20.2.1954: FRUS, 1952-54, VII, S. 1280 f.; siehe III. Siebenmorgen, Gezeitenwechsel, S. 392, 435 ff., 667. Gemeint sind Tito-Jugoslawien und - nach 1958- 1961 - die VR China. Adomeit, Imperial, S. 71 ff. Diese Einschätzung vertraten auch Adenauer und Dulles, 20.10.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 619 f.; ebd., S. 542 f., 546 f , 551 ff.; ebd., IV, S. 62; siehe II.5 und III. Adenauer war ein Exponent dieses Standpunkts — Siebenmorgen, Gezeitenwechsel, S. 81, 70 f.; Adenauer, Erinnerungen, II, S. 456-461; Gotto, Sicherheits- und Deutschlandfrage, S. 147 f.; MemCon Adenauer-Dulles, 14.6.1955, NA, RG 84, HICOG/Be 2184/7; Dulles, 19.5.1955: FRUS, 1955-57, V, Nr. 117.

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fern366; ein auf dieser Grundlage vereintes Deutschland würde außerdem einer »West«erweiterung der sowjetischen Einflußsphäre Tür und Tor öffnen367. Aber auch dahinter zurückbleibende Vorschläge, wie man eine Annäherung an sowjetische Standpunkte erreichen könne — z.B. die von Eden Ende März 1955 und offiziell auf dem Genfer Gipfel (21. Juli 1955) unterbreiteten Pläne eines demilitarisierten Streifens beiderseits der Demarkationslinie 168 oder die vom französischen Ministerpräsidenten MoLlet im März 1956 vorgeschlagene Skala der Höchststärken für nationale Streitkräfte16'-1 —, galten in der Perspektive der Bundesregierung und Washingtons (Dulles; Joint Chiefs of Staff; Pentagon) als Fehlinterpretation der Friedenssicherung in und für Europa. Sobald die Bundeswehr den deutschen Beitrag zur Festigung des Bündnisses leiste und somit auch die dauerhafte Präsenz der USA in Europa abstützen helfe, könnten, so Adenauers Annahme, französische und britische Wankelmütigkeiten der deutschen Westbindung nichts mehr anhaben. »Fakten schaffen« hatte demnach die doppelte Funktion, Deutschland gegen Mißbrauch seiner Situation als geteiltes Land durch die UdSSR ebenso wie durch Frankreich oder/und Großbritannien abzuschirmen ,7ll und die Position der Bundesrepublik in den westlichen Strukturen zu verbessern: Je mehr Gewicht die Bundesrepublik - ökonomisch, politisch (Stabilität; ability to deliver) und militärstrategisch — auf die: westliche Waage brachte und je mehr die Zweifel auf amerikanischer Seite wuchsen, ob Frankreich371 und auch Großbritannien 372

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," Mendes France vor der UNO, 22.1 1.1954: Keesings Archiv, 1954, S. 4861 D. 469 Anfang Dezember 1954 stimmten London und W ashington mit Rücksicht auf die schwierige innenpolitische Situation in Frankreich dem Plan von Mendes France zu, Moskau direkt das Angebot einer Viermächte-Konferenz im Mai 1955 betr. Osterreich zu unterbreiten; Thoß, Beitritt, S. 7 1 f. Parallel dazu drängte Mendes France auf eine Lösung der Saarfrage, um die Ratifizierung zu sichern: Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 398 ff.

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zugunsten Chruscevs470 und die zweite Welle des Angriffs »Rotchinas« auf Außenposten Nationalchinas (Taiwans)471; dank sowjetischer Unterstützungszusagen hatte Peking die Entwicklung einer eigenen Atombombe beschlossen und vertraute offensichtlich darauf, daß Chruscev ein amerikanisches nukleares Säbelrasseln mit einem gleichwertigen Ultimatum beantworten und die Balance zugunsten »Rotchinas« verbessern werde472. Washington, London und Bonn hatten sich dafür entschieden, daß die Lösung, die im Falle Österreichs gefunden werde473, keine präjudizierende Wirkung auf die deutsche Frage und schon gar nicht auf den Vollzug des WEU-NATO-Beitritts der Bundesrepublik haben dürfe. Solange die Aufstellung deutscher Divisionen ungewiß schien, machte man sich auch in Wien wenig Illusionen über einen Vertragsabschluß. Auch dort hatte man die Frage im Kopf, wer denn die »Russen« aufhalten solle, falls sie einen Vorstoß zum Adantik beschlossen, wenn nicht eine um Deutschland erweiterte NATO474. Insofern die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO nunmehr als gesichert gelten könne, so sahen es auch die österreichischen Spitzenpolitiker, böte sich ihnen die einmalige Chance, die Unterordnung ihrer Friedensvertragsregelung unter die deutsche Frage zu beenden und eine spezifische Regelung für sich auszuhandeln. Ein Abzug sämtlicher alliierter Truppen schien den Preis der Nicht-Blockgebundenheit wert; die bewaffnete Neutralität war ein vergleichsweise geringes Zugeständnis Wiens an amerikanische und britische Bedenken gegen die Neutralisierung. Der Ausfall Österreichs aus den ihm in der Militärplanung der NATO zugedachten Funktionen475 schien den amerikanischen Militärs nunmehr verkraftbar; das Pentagon ließ den noch anläßlich der Berliner Außenministerkonferenz im Januar/Februar 1954 erhobenen Einspruch gegen einen »ungebundenen« sicherheitspolitischen Status Österreichs fallen476.

Absetzung Malenkovs am 31.1.1955. Man kann den schwelenden Machtkampf als Grund ansehen, warum der Kreml nach dem Scheitern der EVG außenpolitisch nicht aktiv wurde, d.h. die Gegner Adenauers und den auf Emanzipation von angelsächsischer Bevormundung zielenden Kräften in der französischen Politik einen Ball zuzuspielen; Thoß, Beitritt, S. 65. 471 Siehe III. 472 Siehe 1.2. 473 Sobald die Möglichkeit, den Status bewaffnete Neutralität zu erreichen, gesichert schien, gab es für die USA und Großbritannien kaum noch Vorbehalte gegen eine vertragliche Regelung der Österreich-Frage. Vor dem Hintergrund, daß einerseits London und Washington Raab vor der Uberschätzung warnten, er könne allein am Verhandlungstisch gegenüber den Sowjets etwas ausrichten, während andererseits die Österreicher Raabs Erfolg feierten, sehen einige Historiker einen Grund mehr, Adenauer versäumte Gelegenheiten vorzuhalten. 474 Gehler, Kein Anschluß, S. 251; Bischof, Making, S. 144 ff., 117 ff. 475 Bischof, Osterreich, S. 441-449. Die Besatzungstruppen im westlichen Osterreich waren ein Eckpfeiler in den Planungen für den Schutz Italiens und Süddeutschlands: Heinemann, Zusammenwachsen, S. 20 f. Es gibt Anzeichen für eine geheime Aufrüstung Österreichs: Bischof, Making, S. 117 ff.; sie erlaubte die schnelle Umsetzung des Konzepts der bewaffneten Neutralität. 4™ Gehler, Kein Anschluß, S. 225, 248 f.; Bischof, Making, S. 140 f.; NSC 164/1, 14.10.1955: FRUS, 1955-57, XXV, S. 23 ff. 470

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges

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Dem Kreml, so schien es US-Botschafter Bohlen477, genügte die Konsolidierung des eigenen Blocks und die Einbindung der Ende März 1954 zum semisouveränen Staat erklärten DDR; dieser Akt bedeutete, daß eine weitere Verunsicherung des SED-Regimes — wie durch die Pläne Berijas vor dem 17. Juni 1953 ausgeschlossen wurde. Da Österreich 478 und Jugoslawien 479 sicherheitspolitisch und militärstrategisch gesehen eher der NATO einen Vorteil gebracht hatten, würde der Status der Blockungebundenheit bedeuten, daß die NATO einen Brükkenkopf verliere48". Chruscevs Bereitschaft zur Normalisierung der Beziehungen mit Österreich und Tito-Jugoslawien bescherte der UdSSR einen Prestigegewinn; es gelang ihm, jenen Ballast abzuwerfen, den Malenkov bereits im Frühjahr 1953 hatte abstoßen wollen, aber gegen Molotovs offenen und Chruscevs verdeckten Widerstand nicht in Angriff genommen hatte481. Es folgten die Aufwertung der DDR zum gleichberechtigten Mitglied des neugeschaffenen Warschauer Paktes; die Gewährung der außenpolitischen Souveränität am 20. September 1955 im Rahmen von Grotewohls Moskaubesuch (und nahezu parallel zu Adenauers Abreise aus Moskau) 482 ; die Einschwörung des Ostblocks auf den Alleinvertretungsanspruch der DDR und eine entsprechende Kampagne zur Anerkennung der DDR als zweiter deutscher Staat durch Länder der westlichen und der Dritten Welt. Auch Dulles ging davon aus, daß die Österreich-Lösung einer bewaffneten Neutralität eine Ausnahme bleiben würde. In seiner zeitweiligen Euphorie über den Erfolg der Politik der Stärke tat er zwar so, als ob Moskau den Satelliten einen Finnland- 483 , Österreich- oder Jugoslawien-Status zugestehen müsse4*4. Die Botschaft hieß, daß die Zeit für den Westen arbeite485. Damit sollte die Hoffnung Bohlen an State Department, 21.10.1954: FRUS, 1952-54, V/2, S. 1460; Staritz, Sowjetische Deutschland- und Sicherheitspolitik, S. 47 ff.; ders., Das ganze; Ehlert/Greiner/Mever/Thoß, NATO-Option, S. 65. 478 Zur These, Osterreich sei geheimer Verbündeter der NATO, siehe Bischofs gleichnamigen Aufsatz. 479 Man sah in den 30 jugoslawischen Divisionen eine indirekte Stärkung der NATO-Südflanke; seit November 1951 erhielt Jugoslawien von den USA Waffenhilfe: Heuser, Western Containment, S. 162; Heinemann, Vom Zusammenwachsen. 480 Bohlen an Dulles, 31.3.1955: FRUS, V, S. 26-28. 481 Zubok/Pleshakov, Inside, S. 157- [60; Richter, Krushchev's Double Bind, S. 64; Zur ÖsterreichFrage auf der Berliner Außenminister-Konferenz 1954 und Molotovs Widerstand gegen eine separate Österreich-Lösung siehe Rupieper, Berliner Außenministerkonferenz; ders., Der besetzte Verbündete, S. 375-380; Stourzh. Geschichte, S. 116-125; FRUS, 1952-54, VII, S. 1061 ff., 1088 ff. 482 Dokumente zur Deutschlandpolitik, 1955, S. 371-374. 4 8 ' Dulles, 5.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 262-266; Feiken, Dulles, S. 287; DuUes an Eisenhower: FRUS, ebd., S. 240; NSC, 19.5.1955: FRUS, ebd., S. 184-188; siehe auch Dulles, 26.2.1954, zit. in I, Anm. 161. 484 Fernsehansprache Dulles' vom 17.5.1955, Department of State Bulletin, 30.5.1955, S. 8"?l-8~6; Dulles, Memorandum of Conversation, 20.5.1955: FRUS, 1955-5", V, S. 192; Conze, No Way Back, S. 195 f., 207. Zur Euphorie Dulles': Feiken, Dulles, S. 314. 485 MemCon. Dulles-Adenauer, 14.6.1955: NA, RG 84, HICOG/Be 2184/7; Rupieper, Deutsche Frage, S. 195; ähnlich Adenauer, 2.5.1955: Gotto, Sicherheits- und Deutschlandfrage, S. 147 ff. 477

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erhalten bleiben, daß die USA für das Selbstbestimmungsrecht einträten; unter den gegebenen Umständen bedeutete dies nicht mehr, als die Tolerierung nationalkommunistischer Regime durch den Kreml zu erreichen - als Etappe auf dem Weg zum Rückzug der Sowjetunion aus den Satelliten-Staaten486. »The stability of the USSR and its hold over European satellites are unlikely to be seriously shaken over the next few years, despite measures which the U.S. may find it feasible to take to weaken Soviet control 487 .«

Dulles erkannte mehrere Gründe, warum die UdSSR einen weiteren Fall Osterreich nicht dulden konnte. Wäre Chruscev nach dem Motto verfahren, »was Österreich recht ist, sollte Polen oder Ungarn billig sein«, hätte er sowjetische Truppen aus der vorverlegten SicherheitsSphäre abziehen müssen und so gesehen der Rollback-Doktrin seines Widersachers Dulles Tribut gezollt. Das zweite Argument lautete, daß der Kreml eine Kettenreaktion unter den Satelliten-Staaten befürchten müsse, falls er den Ostdeutschen die Wahl der Vereinigung mit den besser gestellten Westdeutschen freistellte. Die Kremlführung betrachtete hingegen, so hatte Dulles Mitte Oktober 1953 konstatiert, die Kontrolle über die DDR als Hebel zur Einbindung Polens und der CSR in den »Ostblocks 88 . Im gleichen Zusammenhang machte Dulles deutlich, daß das amerikanische Beharren auf einer Integrationslösung für die Bundesrepublik nicht nur ein Schachzug im Ost-West-Konflikt war, sondern gleichzeitig auch das Ende der »querelies europeennes« besiegeln sollte. Dies rechtfertige auch den Druck gegenüber Frankreich, der jedoch nicht so weit gehen dürfe, wie es das Pentagon vorschlug, nämlich eine Lösung ohne Frankreich ins Auge zu fassen. Vielmehr müßten die USA erreichen, daß beide, Frankreich und Deutschland, die Lehren aus der Vergangenheit zogen489 und durch zielstrebiges Zusammenwirken erreichten490, daß Europa auf eigenen Beinen stehen konnte. Durch Bündelung der Kräfte könne (West)Europa seinen Aufschwung sichern und die Zwischenzeit bis zur eventuellen Systemtransformation in der UdSSR und in Osteuropa nutzen, um zu einem wirtschaftlichen und politischen Gravitationszentrum zu werden, das eine Anziehungskraft auf andere Gebiete Europas ausüben könnte491. Weder die bundesdeutsche noch die französische Politik dürfe die Chance zur NeuStrukturierung verfehlen; die Androhung einer Kehrtwendung in der amerikanischen Politik für den Fall, daß die Warnungen vor der Aufkündigung der »UnitingEurope«-Strategie nicht fruchteten, sollte das strukturelle Arrangement zwischen den Hauptsträngen der nach 1947 gewählten Optionen bekräftigen, d.h. endlich «

5.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 262 ff.; siehe III. NSC 5501, Basic National Security Policy, 7.1.1955: FRUS, 1955-57, XIX, S. 27; betr. Nationalkommunismus siehe III. -»88 Schwartz, America's Germany, S. 285; NSC, 166th Meeting, 13.10.1953: FRUS, 1952-54, II, S. 543-545;NSC 164/1 (14.10.1953),ebd., VII,S. 1909-1922. 489 Das betraf nicht nur die Zeit vor Ausbruch der beiden Weltkriege, sondern auch die wechselseitige Blockierung zwischen November 1950 und September 1954. Dulles, 14.12.1954: FRUS, 1952-54, V, S. 462 f.; Eisenhower, Bermuda-Konferenz, 5.12.1953: ebd., S. 1771. Dulles, 20.2.1954: FRUS, 1952-54, VII, S. 1208 f. 487

II. Phasen und Konstellationen des Kalten Krieges

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zusammenfügen, was die Protagonisten der Sicherheitsgemeinschaft einander zur Uberwindung der Intra-West-Spannungen versprochen hatten: — Engagement der USA als europäische Macht, wofür London und Paris geworben hatten, wohl wissend, daß dies zur Folge habe, daß die USA sich als Führungsmacht etablierten und damit die Rolle besetzten, die Frankreich bzw. Großbritannien gerne selbst wieder gespielt hätten; — französisch-deutsches Rapprochement auf der Basis, daß der westdeutsche Staat seinen Wiederaufstieg für europäische Zwecke und nicht im Dienst nationals taatlicher Machtprojektion nutzen werde; — amerikanischer und britischer Sicherheitsexport nach NATO-Europa in der Erwartung, daß die kontinental-westeuropäischen Partner ihre Kräfte bündelten; mit einer französisch-deutschen, von »Anti-Anglo-Saxonism« inspirierten Kollaboration brauchten sie vorerst nicht zu rechnen; — französische Bereitschaft, den deutschen Anspruch auf Gleichberechtigung oder zumindest Nicht-Diskriminierung schrittweise zu verwirklichen, und umgekehrt amerikanische Bereitschaft, Frankreich im Bereich der Nuklearstrategie entgegenzukommen, um den Eindruck der Diskriminierung Frankreichs zugunsten Großbritanniens zu korrigieren; — Reaktivierung der mit dem Marshall-Plan verbundenen Zielsetzung, über wirtschaftlichen Zusammenschluß zu einer politischen Union zu gelangen.

III. Zäsur 1955/56. Strukturen nach dem ersten großen Wandel Die im ersten Kalten Krieg (1943-1948/49) geschaffenen Strukturen erhielten im Untersuchungszeitraum 1950-1954/55 feste Konturen. Die strukturellen Arrangements weisen am Ende ihrer 1955 formal abgeschlossenen Entwicklungen einige Änderungen auf. Einige Komponenten dieser Entwicklung berechtigen dazu, auch in den nachfolgenden Dekaden von Kaltem Krieg zu sprechen. Andere Komponenten der Entwicklung am Ende der ersten Dekade veränderten den Gesamtzuschnitt des Ost-West-Konfliktes, so daß man eine Zäsur konstatieren kann. Welches sind die strukturellen Arrangements, die 1955/56 zu einer Zäsur machen, und welche bewahren die Struktur des Ost-West-Konfliktes bis zum Ende des Zeitalters der Teilungen und Blockbildungen? 1. »Gleichgewicht des Schreckens« und Veränderungen in der Bedrohungsperzeption Die erste offen zutagetretende neue Komponente ist die wechselseitige Anerkennung des »Gleichgewichts des Schreckens«. Westliche Regierungschefs und Außenminister erklärten öffentlich 1 , daß von der Sowjetunion keine »allgemeine Kriegsgefahr« drohe. Beide Seiten kamen unabhängig voneinander zu dem Schluß, daß die Bereitschaft, in friedlicher Koexistenz zu leben, aus den Schrecken eines Atomkrieges resultierten; sie bestätigten diese Einschätzungen bei ihren Treffen 2 :

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Den Reigen öffentlicher Erklärungen eröffneten Dulles (4.11.1954) und Eisenhower (8.11.1954), gefolgt von Churchill (9.11.1954); Gaddis, Long Peace, S. 143-145; Thoß, Beitritt, S. 67; ein Vorbote war Churchills Unterhaus·Rede vom 11.5.1953. Beispiele für amtliche Fesdegungen sind: Dulles, Erklärung auf der Botschafter-Konferenz in Tokio, 19.3.1956, J.F. Dulles Papers, DDEL, Box 104; MC 14/2 (6.4.1957): NATO Strategy Documents, S. 287; C-M (56) 138 (Final), 13.12.1956: ebd., S. 271-273. Hinzu kam die Einschätzung, daß die UdSSR auch »Korea« nicht wiederholen werde: FRUS, 1955-57, XIX, S. 299 (Dulles; 19.4.1956). Bericht Eisenhowers über den Genfer Gipfel vor Kongreß-Fuhrern, 25.7.1955, siehe III., Anm. 58; Ambrose, Eisenhower, II, S. 266; Thoß, Beitritt, S. 169. Britische und amerikanische Experten sowie eine Arbeitsgruppe der NATO konstatierten 1955, daß auch der Kreml aufgrund der Erkenntnis, welche Implikationen ein Nuklearkrieg habe, weniger an Expansion denke und Interesse an Entspannung zeige; NIE 11-13-55; C.C. (55) 26, 26.7.1955; siehe Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 41, 45.

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Gustav Schmidt »the imperialists could no longer realistically hope to impose their will on the Soviets without fear of retaliation [...] international cooperation between the United States and the Soviet Union was in the interest of both country's security and of international security as well. This distinction between national security and international security [...] suggests that the imperialists might refrain from war not only in response to the threat of retaliation but also because both nuclear powers shared a common interest in avoiding the general destruction that nuclear war would bring [...] Malenkov acknowledged at least implicitly that the foreign policy of the Western powers could be driven at least as much by the pressures of the international system as by internal socioeconomic forces 3 .«

Die Entwicklung des Bewußtseins einer gemeinsamen Verantwortung für die Verhinderung eines dritten, jedoch nuklearen Weltkriegs, ging einher mit der Entschlossenheit, den Kalten Krieg nicht zu verlieren, sondern ihn zu eigenen Gunsten zu wenden. Die Kremlführung behauptete, daß die Osterweiterung der NATO um die Bundesrepublik die Sowjetunion zur Fortführung des Wettrüstens bis zum siegreichen Ausgang desselben zwinge und die Gründung des Warschauer Paktes 4 erforderlich mache. Auf westlicher Seite fehlte es nicht an Stimmen, die den Westen auf der Erfolgsstraße 5 und die UdSSR auf dem Weg in eine Systemkrise wähnten 6 . Unter dem Dach der Selbstverpflichtung der Supermächte, den Ausbruch eines Atomkriegs zu verhüten 7 sowie über Teststops und durch andere Mechanismen und Vereinbarungen 8 die Proliferation des Kreises legitimer Atommächte zu unterbinden, etablierte sich die Auffassung, daß die Einbindung der deutschen Teilstaaten in den jeweiligen Block die beste Garantie wäre, um sicherzustellen, daß von deutschem Boden »nie wieder Krieg« ausgehen dürfe und könne. In der brillanten Formulierung Ullmans: »Rather than impose on the defeated Germans military disabilities like those of the Versailles Treaty, the superpowers worked to assure that at the point in Europe where the 3

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Zu Malenkovs Erklärung vor dem Obersten Sowjet am 8.8.1953: Richter, Krushchev's Double Bind, S. 38 f.; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 164-169, 183 f.; Malenkov kündigte gleichzeitig den ersten sowjetischen I I-Bombentest an. Die Gründung erfolgte am 14.5.1955; zur Vorgeschichte und zum Verhältnis des Warschauer Pakts zu den bilateralen Verträgen der Sowjetunion mit den Mitgliedsstaaten siehe Mastny, Stalin and the Militarization, 109-129; ders., Learning. Dulles wollte die Sowjetunion in der Vereinigungs- und in der Satelliten-Frage unter Druck setzen; »real opportunity in the present situation for a roll-back of Soviet power in Europe«, 19.5.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 184-188; »get the Russians out of the satellite states«, 5.7.1955: ebd., S.262-266; siehe I.2.d. Die Gunst der Stunde sollte genutzt werden, um weiteres sowjetisches Einlenken über Osterreich, Jugoslawien hinaus zu erreichen; FRUS, ebd., S. 542 f., 546, 551 ff.; Pruessen, Beyond, S. 76-82; siehe I.2.d. Zur Theorie des »imperial overstretch«: Amerikas Option, S. 4, Anm. 6. Das bedeutet für die Interpretation, daß die einen wegen des anhaltenden Wettrüstens von organisierter Friedlosigkeit sprechen (Senghaas), während andere betonen, daß die Chance gesucht und gefunden wurde, »rules of conduct« für den Ost-West-Konflikt zu etablieren (Gaddis, Long Peace; Stabilität und Sicherheit durch Teilung); siehe Schmidt, Conduct of East-West Relations; ders., What to do. Zur Gründung der Internationalen Energie-Agentur (IAEA): I Iewlett-1 loll, Atoms; Scheinman, International; Appleby, Eisenhower; Gnad, Konfrontation.

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conflict between the two ideological systems was most acute, a substantial part o f the cost o f fighting any actual war would fall upon the two parts o f the divided G e r m a n nation 9 .«

Zum einen sorgte die West- bzw. Ostbindung der deutschen Teilstaaten — jeweils auf ihre Weise - dafür, daß der deutsch-deutsche Sonderkonflikt »Ost« und »West« nicht in einen Krieg verwickelte; Chruscev ließ sich weder von Ulbricht noch von Mao zum atomaren Säbelrasseln verleiten; die Westmächte achteten strikt darauf, daß die politisch berechtigte Forderung der Bundesregierung nach nuklearer Mitwirkung die NATO nicht in einen militärisch-operativen Zugzwang versetzte1". Außerdem waren die Bundesregierungen sensibel genug, um die Risiken der NATO-Strategie zu erkennen und sich frühzeitig gegen eine Nuklearfall-Option in den Berlin-Krisen zu äußern11. Es bedurfte schon der eigenwilligen Propaganda der Sowjetunion, aus der eventuellen nuklearisierten Nachrüstung der Bundesrepublik eine Bedrohung für die Sowjetunion zu konstruieren, mit dem Ziel, die Bundesrepublik als Gefahrenherd zu beschwören und das Schreckgespenst Deutschland für Zwecke der Disziplinierung ihrer Warschau-Pakt-Partner zu instrumentieren. Der Kreml bezeichnete die Bundesrepublik als Speerspitze des Imperialismus, so wie Acheson und Truman 1950 China als starken Arm des Soviet Empire tituliert hatten. Richtig war, was Eden der sowjetischen Führung in Genf ins Gesicht sagte: Für die strategische Nuklearmacht Sowjetunion gebe es keine deutsche Gefahr mehr 12 ; er hätte hinzufügen können, daß die sowjetische Fuhrung auf den eigenen Sieg im strategischen Wettrüsten mit den USA setzte, also ihre Behauptung widerlegte, daß sie die im Vergleich zu den USA begrenzte Militärmacht der Bundesrepublik wirklich ernst nehmen müsse. Das Szenario war eindeutig: Den sowjetischen, auf dem Gebiet der DDR stationierten Eliteverbänden schrieb man die Fähigkeit zu, im Ernstfall in drei Tagesmärschen bis zum Rhein vorstoßen zu können. Umgekehrt würden die auf westdeutschem Gebiet als Gegengewicht zur konventionellen Ubermacht der Sowjetunion dislozierten taktischen Atomwaffen unvorstellbaren Schaden anrichten, doch wären davon primär die west- und die ostdeutsche Bevölkerung betroffen 13 . 9 10

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Ullman, Securing, S. 47 f. Trachtenberg wirft Eisenhower vor, eine lasche Kontrolle über die in der Bundesrepublik stationierten atomaren Sprengköpfe geduldet bzw. als Ersatz für den aus politischen Gründen nicht durchführbaren Aufstieg zur Atommacht angesehen zu haben; das geht in die Richtung der These, daß die Deutschen sich jederzeit der Atomsprengköpfe hätten bemächtigen können und deshalb als Nuklearmacht eingestuft werden müßten; Trachtenberg, Constructed, S. 192-200. Die französischen und britischen Regierungen reagierten vehement ablehnend auf jedes deutsche Begehren, eine »hardware«-Regelung zu finden. Die französisch-italienisch-deutschen oder französisch-britisch-deutschen Projekte einer Nuklearmacht haben mehr mit einer Aufhebung des amerikanischen Monopols in der N A T O Strategie zu tun als mit I lilfestellung zur Schaffung einer deutschen Atommacht; so jetzt auch Trachtenberg, United States, France, S. 246 f. Siehe 1.1 und 2.d. Eden-Bulganin, 19.7.1955: PRO, PREM 11 - 895; Eden-Bericht an Eisenhower über das Dinnergespräch mit der sowjetischen Führung, 20.7.1955: l-'RL'S, 1955-5" 7 , V, S. 399. Die im Zusammenhang mit dem Carte Blanche-Manöver (|uni 1955) bekannt gewordenen Daten schärften dieses Bewußtsein; Gersdorff, Adenauers Außenpolitik, S. 68 f.; Cioc, Pax, S. 25, 29 f.;

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Im Sinne der These Ulimanns hatten die deutschen Politiker und Militärs — neben den Lehren aus der deutschen Geschichte — einen weiteren Grund, die Devise zu beherzigen, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen sollte. Die Sowjetunion genauso wie die Westmächte legten den der DDR bzw. der Bundesrepublik zugebilligten Alleinvertretungsanspruch defensiv aus. Chruscev war bemüht, die von Ulbricht und später von Honecker geprägte Redensart vom sozialistischen Gesamtdeutschland, also dem Aufgehen der Bundesrepublik in der DDR, auf dem Niveau eines Propagandakriegs zu halten. In den westlichen Hauptstädten spielte das Argument eine Rolle, daß der Kreml die Kontrolle über Ulbricht behalten wolle und daß man diese Absicht gutheißen müsse. »Ulbricht unter Kontrolle halten« implizierte, daß die Kremlführung nicht dadurch in einen Zugzwang versetzt wurde 14 , daß Pankow im Vertrauen auf die überlegene sowjetische Militärkapazität eine der vielen Gelegenheiten nutzen könnte, um Zwischenfälle auf den Zugangswegen nach West-Berlin oder an der Demarkationslinie zu provozieren. Man wollte nicht ausschließen, daß die DDR - ähnlich wie die VR China — die östliche Supermacht auffordern könnte, die Anormalität — hier »Schaufenster Berlin« inmitten des DDR-Gebiets, dort die »Renegaten-Provinz« Taiwan — beseitigen zu helfen und zu diesem Zweck Situationen zu provozieren, in der die Sowjetmacht ihre Zurückhaltung würde aufgeben müssen. Das Kalkül hierbei war, daß die sowjetische Bereitschaft, solche nukleare Erpressung zu betreiben, genügen würde, um den Willen — der Westdeutschen bzw. Nationalchinesen — zum Widerstand zu brechen; Moskau würde so gesehen den eigentlichen Provokateuren — Ulbricht bzw. Mao — zum Triumph verhelfen. Auf westlicher Seite ging man dazu über, die Bedrohungsperzeption nicht mehr an der Einschätzung des sowjetischen Potentials und an vermeintlichen Implikationen des ideologischen Treibsatzes in der sowjetischen Politik auszurichten, sondern an Handlungen und Signalzeichen 15 . Der Wandel in der Taxinomie hatte damit zu tun, daß westliche Regierungen trotz der überlegenen sowjetischen Militärmacht nicht länger an ihren Selbstbehauptungsmöglichkeiten zweifelten. Dies wiederum beruhte auf der Erfahrung, daß die Kremlführung Militärmacht als politische Trumpfkarte und nicht zu offensiven Militäraktionen einsetzte. Den Test der Nervenstärke konnte der Westen bestehen, indem er einerseits seinen Bündniszusammenhalt auf der Basis kontinuierlicher Streitkräfteplanung absicherte und

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Greiner, Militärische Eingliederung, S. 619; ders., Militärstrategisches Konzept, S. 231 f.; Gablik, Strategische Planungen, S. 86 ff.; Feiken, Dulles, S. 357 ff.; siehe die Angaben in 1.1, Anm. 8-11, 1.2.a und 2.d. Ulbricht hatte im März 1952 im Rahmen der Abschottungsmaßnahmen auch die Sektorengrenze zu Westberlin verriegeln wollen; Wettig, Bereitschaft, S. 232 ff. Die These, daß Ulbricht die DDR-Position der Abhängigkeit nutzen wollte, um den »großen Bruder« zu weitergehenden Schritten gegenüber der Bundesrepublik zu veranlassen, geht auf I larrison zurück: Harrison, Ulbricht and the Concrete; ders., Ulbricht, Krushchev. NSC 153/1, Restatement of Basic National Security Policy (10.6.1953): I'RUS, 1952-54, II, S. 378-386; Rosenberg, Origins, S. 11-27; siehe I, Anm. 372, sowie II.4.

325 andererseits seine Positionen durch politisch-diplomatische Rückversicherungen festigte. Nach seinem Amtsantritt hatte Präsident Eisenhower deutlich gemacht, daß er v o n der A n n a h m e ausgehe, daß die Sowjetunion keinen »general war«, d.h. Nuklearkrieg wolle 16 . Statt dessen strebe Moskau nach Konsolidierung der sowjetischen Kontroll- und Einflußsphäre bei gleichzeitiger Fortsetzung des Vorhabens, den amerikanischen Widersacher durch Spaltung des westlichen Lagers zu schwächen; die sowjetische militärische Überlegenheit solle — gepaart mit einer »peaceoffensive« 1 7 — westliche Länder veranlassen, sich mit der Sowjetunion als dem vermeintlich Stärkeren zu arrangieren und aus dem US-geführten System auszuscheren. In der Tat verfolgte Chruscev — seit 1 9 5 6 1 8 — das strategische Ziel, die nukleare »Pattsituation« zu nutzen, um — die N A T O zu unterminieren: »[...] we will continue to prove (our peace-making nature). Thereby we will shake NATO loose. We will continue to reduce armed forces unilaterally'9«, — die U S A zur Anerkennung der politischen Parität der UdSSR aufgrund ihrer militärischen Parität mit den USA zu zwingen, — den »Imperialismus« in der »Dritten Welt« aus den Angeln zu heben. A u s seiner Einschätzung des sowjetischen Gegenparts folgte für Eisenhower, daß die Europäer ihre Zusammenarbeit vertiefen und ihre Ressourcen bündeln, während die U S A den Europäern kooperative Formen der Zusammenarbeit anbieten müßten 2 ". In der logischen Konsequenz dieser Denkansätze hätte es gelegen, Verhandlungen zwischen der N A T O und der Sowjetunion (bzw. dem von ihr ins Leben

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N S C 147, Analysis of Possible Courses of Action in Korea (2.4.1953): D D E L , \YI IO, OSAN'SA, Box 4. NSC 5501, Basic National Security Policy, 7.1.1955: l-'RUS, 1 9 5 5 - 5 7 , XIX, S. 29. Die Datierung erfolgt im Zusammenhang damit, daß die Sowjetunion am 20.2.1956 als erster über eine M R B M mit Nuklearsprengkopf verfügte; Zubok/Harrison, Nuclear Education, S. 148. »The key to (Krushchev's) strategy lays in his confidence that Soviet military power could create a nuclear stalemate, allowing the Soviet Union to take the political offensive and mobilize the progressive forces within the capitalist countries to force their governments to respect the Soviet Union as an equal partner [...] Backed by Soviet military might, Krushchev expressed a readiness to deal with the West and the confidence that he could do so without being bullied«: Richter, Krushchev's Double Bind, S. 53, 69; Zubok/Pleshakov, Inside, S. 169, 1 8 3 - 1 8 5 . Chruscev gegenüber dem dänischen Ministerpräsidenten Hansen, 5.3.1956, zit. nach Zubok/Pleshakov, Inside, S. 185. Im Juli 1955 wurden die Streitkräfte u m 640 000 Mann, im Mai 1956 um weitere 1,2 Millionen reduziert; Richter, Krushchev's Double Bind, S. 60. »On 10 Mav 1955 the Soviet Union announced that it would accept the levels of conventional arms proposed in the so-called Anglo-French m e m o r a n d u m on disarmament of ]une 11, 1954, in return for the elimination of nuclear weapons«: Richter, ebd., S. 70; I Iolloway, Stalin, S. 340 f.; am 2 7 .5.1956 wiederholte der Kreml seinen Vorschlag, verzichtete jedoch auf das Junktim zwischen konventioneller Rüstungsbeschränkung und Beseitigung der Kernwaffen: Richter, ebd., S. 82; s. u. Z u m Multilateralismus in Eisenhowers N A T O - und E W G / E U R A T O M - P o l i t i k : Schmidt, Politische und sicherheitspolitische Dimensionen; Weber, Shaping, S. 657 ff.; Trachtenberg, United States. France, S. 245 ff.

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gerufenen Warschauer Pakt) über eine Entmilitarisierung in der Mitte Europas aufzunehmen, mit dem Ziel, ein Niveau der Streitkräfte zu erreichen, das erlauben würde, Frieden auf der Basis von Nichtangriffsfähigkeit zu organisieren. Die Ideen und Pläne waren vorhanden 21 . In Washington, London, Paris22 und Bonn lebten die in Rüstungsbegrenzungsplänen gebündelten Vorstellungen über gemeinsame Sicherheit wieder auf; doch mit ihnen kamen die alten Vorbehalte, warum »arms control« im geteilten Europa zur wirklichen Friedens Sicherung nicht ausreiche, gleichfalls zum Vorschein: — keine Anerkennung des sowjetischen Rechts auf Kontrolle über die SatellitenStaaten 23 ; — Absenkung des Rüstungsniveaus als geeigneter Kontext für die Vereinigung Deutschlands, aber unter Beibehaltung der Westbindung und nicht zur Affirmation der Teilung; — Zurückverlagerung der amerikanischen Truppenpräsenz innerhalb des NATORaumes, aber kein Rückzug auf die Gebiete, auf die sich die vor 1949 geltende periphere Strategie abstützte, falls und soweit die »Rote Armee« sich hinter die eigenen Landesgrenzen zurückziehe 24 . In jedem Fall müßten die USA Stützpunkte in Deutschland und Europa behalten, um als Schutzmacht ihr Nuklearpotential (atomare Gefechtsfeldwaffen; MRBM) zu dislozieren; dies sollte die Ankopplung der nuklearisierten Artikel-5-Garantie der NATO an die strategische, zum Schutz des amerikanischen Kontinents beschleunigt ausgebaute Raketen-Abschreckungsstreitmacht gewährleisten. Die Bewahrung des Vorsprungs des amerikanischen gegenüber dem sowjetischen Abschreckungspotential schien zur Kompensation der sowjetischen Überlegenheit an konventioneller Offensivfähigkeit erforderlich 25 . Daß es bei dieser Blockade blieb — statt den Vorstellungen über Frieden schaffen mit weniger Waffen nachzugehen —, lag eindeutig darin begründet, daß die gleiche sowjetische Panzermacht, die westliche Politiker und Militärs in Schrecken versetzte, auch die Funktion hatte, Aufstände in den Mitgliedsländern der sozialistischen Staatengemeinschaft niederzuschlagen. Den Verzicht auf dieses Instrument der Herrschaftssicherung über den Ostblock und der Schreckensprojektion in die NATO-Welt leistete sich die Sowjetunion erst unter Gorbacev. Im Fernen Osten war das Thema Friedens Sicherung durch Rüstungsbegrenzung nicht einmal spruchreif. Während die Sowjetunion Verantwortungsbereit21 Quarles, How Much, S. 52; NSC 162/2, Basic National Security Policy: FRUS, 1952-54, II, S? 581; NSC 153/1: ebd., S. 378-386; Ambrose, Eisenhower, S. 314; Betts, Nuclear Blackmail, S. 154 (zum Stichwort »sufficiency«). 22 Zum Soutou-Plan: Thoß, Sicherheits- und deutschlandpolitische Komponenten. 23 J.K Dulles, 1.7.1955, U.S. Goals at Geneva: Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 423; zur internen amerikanischen Debatte vor Genf 1955 über Sicherheit Europas und deutsche Vereinigung: I-TIUS, 1955-57, V. S. 542 ff., 546, 551 ff.; Rupieper, ebd., S. 406 ff.; ders., Deutschamerikanische Überlegungen; Immerman, Trust, S. 52 ff.; Pruessen, Beyond, S. 76- 82. 24 Dies ist der Kern der Disengagement-Diskussion; Schmidt, Auswirkungen; Amerikas Option; 1 linterhoff, Disengagement. 25 NATO Strategy Documents, S. 237, 240-242, 297.

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schaff demonstrierte, steigerte Mao die Unberechenbarkeit »Rotchinas« und spitzte die Beziehung zu Moskau auf die Frage zu, ob die Sowjetunion so loyal sei, ihren nuklearen Arm zur Stützung chinesischer Offensivaktionen gegen Taiwan und zur Bloßstellung des Papiertigers USA einzusetzen, oder ob sie Komplizenschaft mit den USA bevorzuge. Zur Demonstration ihrer Schutzmachtrolle erhöhten und verbesserten die USA ihre Luftwaffen- und Seestreitkräfte-Präsenz und hielten den Nuklearschutzschirm aufrecht 26 ; die Verbündeten, vor allem Taiwan und Südkorea, rüsteten konventionell so stark auf, daß die USA - im Juni 1956 - ihre Präsenz von acht auf drei Divisionen verringern konnten27.

2. Militärstrategische Zweiteilung (Bipolarität) und französisch-deutsche Europapolitik Die globale »military balance« wurde durch technologische Neuerungen verändert; die UdSSR verringerte den Abstand zu den USA28. In der internationalen politischen Ökonomie sowie in der politischen Aufteilung der Welt — durch die Eigenständigkeit der blockfreien Welt — wurde die Bipolarität abgeschwächt, während in militärstrategisch-sicherheitspolitischer Hinsicht der harte Kern der globalen Machtprobe gefestigt wurde: Die Supermächte vergrößerten mit dem Eintritt in das nuklearstrategische und Raketenzeitalter die Asymmetrien innerhalb ihres Blockes zwischen sich und ihren mächtigsten Verbündeten 29 ; darüber gerieten die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der VR China 1955-1958 an den Rand des Bruches, während die Beziehungen der USA zu Großbritannien, Frankreich, zur Bundesrepublik und zu Japan die Spannungen langfristig aushielten. Die Bruchstellen wären wahrscheinlich auch auf westlicher Seite deutlicher hervorgetreten, wenn sich in der Eisenhower-Administration diejenigen Kräfte durchgesetzt hätten, die in Abrüstungsgesprächen zwischen den Supermächten die effekti-

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l'RUS, 1 9 5 5 - 5 7 , XIX, S. 101 ff., 119 ff., 164 f., 453 ff., 473 f., 681 ff. u.a.O. Dazu gehörten auch die Dislozierung von nuklearfähigen Raketen (Typ Matador) in Taiwan 195 7 — FRL'S, ebd., S. 503 - , die Modernisierung in Korea - ebd., S. 473, 533 f. - und die Sonderregelungen im Sicherheitsvertrag mit |apan; Watson, Into the Missile Age; siehe I.2.g. Dockrill, Eisenhower, S. 120, 11. Zur I''rage, ob die Streitkräftereduktion im Fernen Osten ein Modell für das NATO-Engagement sein könnte: FRL'S, 1 9 5 5 - 5 7 , XIX, S. 534 f f , 539 ff., 552 ff., 557 ff. Die amerikanische Öffentlichkeit wurde durch die Erfolge der Sowjetunion bezüglich der Entwicklung von Fernstreckenbombern, in der Nukleartechnologie und im Raketenbau wiederholt in Panik versetzt. Die neue Erfahrung, daß die USA im Wettrüsten - vorübergehend - ins I lintertreffen geraten könnten, wirkte sich natürlich auf die intra-westlichen Beziehungen aus: l ' R L S , 1 9 5 5 - 5 7 , XIX, S. 110 ff., 119 ff., 155, 407, 620 ff., 634 ff., 640 ff., 703. Zum Aspekt, daß die USA Großbritannien und Frankreich auf den Status von Mittelmächten absinken sahen und ihre eigene Verantwortlichkeit ausdehnten, siehe I.2.a; Großbritannien und Europa, S. 203 ff.

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vere und kosteneffizientere Strategie der Konfliktbeherrschung erblickten30: »a more certain and economical method of meeting the threat posed by the growing Soviet nuclear capabilities«31. Das Konzept der »strategic sufficiency« 32 kam bereits 1956 ins Gespräch, ebnete aber erst später Rüstungsbegrenzungsvereinbarungen den Weg; mit Rücksicht auf Großbritannien, das unbedingt den Anschluß halten wollte und amerikanische rüstungstechnologische Entwicklungshilfe begehrte, um schneller zum Ziel zu kommen 33 , schoben die USA den Beginn von Verhandlungen über ein Teststopabkommen hinaus' 4 . Grundsätzlich wollte Eisenhower auch Frankreich nicht die Chance vorenthalten, im Schnellverfahren nuklearstrategische Macht zu werden, doch waren die Widerstände in den zuständigen Ressorts und im Kongreß, aber auch die Vorbehalte auf französischer Seite gegen eine vertiefte Abhängigkeit von den USA zu groß55. Die Tatsache, daß Eisenhower den Teilstreitkräften durchgehen ließ, je eigene Raketensysteme zu entwickeln und in Serie zu bauen36, und daß die Joint Chiefs of Staff sich sperrten, Strategiekonzepte untereinander abzustimmen und die Rüstungsaufträge zu koordinieren, verweist darauf, daß interne Uneinigkeit eines der Haupthindernisse bildete, um »strategic sufficiency« als Plattform für gezielte Abrüstungsverhandlungen zu definieren. Ein zweites Hindernis kam hinzu: Unter politisch-strategischen Aspekten konnte man — mit Dulles gesprochen — eher den Abbau von »atomic plenty« befürworten, mußte jedoch vom Abbau von »conventional strength« unter Hinweis auf die Alliierten abraten, denn ohne sie könnten die USA ihre Stellung in der Welt nicht halten37; Zweifel an der Allgegenwart der 30

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FRUS, 1955-57, XIX, S. 125, 131 f., 140 ff., 385 f., 453 u.a.O.; Ansätze einer Rüstungskontrollpolitik sind in NSC 162/2 (30.10.1953) angelegt: FRUS, 1952-54, II, S. 584 ff.; siehe I.2.g. NSC 5422/2, 7.8.1954: FRUS, 1952-54, II, S. 639 ff., 669 ff., 680 ff.; NSC, 209. Sitzung, 5.8.1954: FRUS, ebd., S. 700-715; FRUS, 1955-57, XIX, 15 f., 230. Sitzung des NSC, 5.1.1955; ferner ebd., S. 125, 131 f., 140 ff., 448, 484 ff. Dockrill, Eisenhower, S. 64. Siehe III.l, Anm. 21; Eisenhower gegenüber Wilson, 5.1.1955; Dockrill, Eisenhower, S. 194 f.; Eisenhower, 1.2.1955, Hagerty, Eisenhower, S. 182 f. Großbritannien und Europa, S. 212 ff., 217 ff.; Schrafstetter, Dritte Atommacht, S. 48-52. Die britische Regierung mußte die Entwicklung des Blue-Streak-Raketenprogrammes abbrechen; die USA hatten sich vor 1955 auf diesem Gebiet vergleichsweise zurückgehalten und britische Projekte unterstützt. So bereits Ende 1954, siehe Besprechung im State Department unter Leitung von J.F. Dulles, Review of U.S. Policy on Control of Armaments, 29.12.1954, NA, RG 59, Lot 164 D 199, Box 18, folder 54; siehe I.2.d; Großbritannien und Europa, S. 201 ff., 217 ff., auch zum Folgenden. FRUS, 1955-57, XXVII: NIE 2 2 - 5 7 , The Outlook for France, 13.8.1957, S. 158 ff.; MemCon McElroy - Pineau, 20.11.1957, S. 201 ff.; Soutou, L'alliance incertaine, Kap. 3 und 4. Die französischen Regierungen hatten bereits 1952 und 1954 der Dislozierung von taktischen Atombomben auf französisch-europäischem Boden nicht zugestimmt. Roman - Eisenhower, S. 193 — hebt zurecht hervor, daß die Eisenhower-Regierung Mrd. von Dollars ausgab für die Entwicklung und Beschaffung einer »large, secure, and redundant strategic nuclear triade«; Schwarz, Atomic Audit; Rademacher, Kosten. Zu den allianzpolitischen Gründen, MRBM beschleunigt zu entwickeln: FRUS, 1955-57, XXVII, S. 110 ff., 119 ff., 164 f., 198, 333 ff., 476 ff.; siehe I.2.g. FRUS, 1955-57, XXVII, S. 14 ff., 212, 236 ff., 247 f., 397 ff., 429, 473 f., 681 ff. Die erste große Diskussion darüber, wie stringent der New Look umgesetzt werden sollte und wie hartnäckig die

III. Zäsur 1955/56. Strukturen nach dem ersten großen Wandel

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Abschreckungsstrategie ließen es ratsam erscheinen, die konventionelle Präsenz der USA in Allianzgebieten, insbesondere ihre Einbindung in das Schichttortenprinzip der alliierten Streitkräfte in Deutschland, aufrechtzuerhalten 18 . In der globalen Machtprobe mit der Sowjetunion bildeten die Partnerschaften in Europa und im freien Asien jene »assets« der USA, auf die es die sowjetische Droh-undLock-Diplomatie abgesehen hatte39. Die Anhänger des »New Look« befürchteten hingegen, ihren »case« zu verlieren, wenn Dulles' Standpunkt voll zum Tragen käme, daß ein Truppenabbau politischen Flurschaden anrichte; sie drängten darauf, die strategischen Systeme zu vermehren, und unterstützten die ablehnende Haltung der Stabschefs gegen die Eröffnung von strategischen Abrüstungsgesprächen4". Mit der Auffassung, daß die strategische Abschreckung eine amerikanische Monopolstellung in der westlichen Sicherheitsgemeinschaft (bzw. Duopol mit Großbritannien) bedinge, legten sich die USA auf die militärstrategische Zweiteilung der Welt fest. Aus der Zementierung der nuklearstrategisch begründeten Bipolarität zogen dritte, vor allem Frankreich, aber in steigendem Maße auch Adenauer 41 , den Schluß, daß Washington und Moskau ihre Beziehungen zueinander auf der Basis der Teilung der Welt, auf ein »nukleares Jalta«, einrichten wollten. Weil jedoch die nukleare Abschreckung die Handlungsspielräume der USA auf die nicht-wünschenswerte Alternative »all-out war« oder Appeasement/Kapitulation einengte, setzten sie den Druck auf ihre vielen Verbündeten fort, andere Szenarien wie z.B. »limited war« ernst zu nehmen und darauf gerichtete Vorkehrungen zu treffen 42 . Die Verbündeten hingegen, voran Großbritannien und Frankreich, begriffen die Aufforderung zum konventionellen Wettrüsten als Fehlinvestition, weil sie in Rüstung investieren sollten, die gegenüber der Sowjetunion nichts ausrichten könnte. Sie schätzten die militärische Bedrohung durch die Sowjetunion in Europa — mit ersten Ansätzen 1953, durchgehend seit 1955 — eher gering ein, im Unterschied zur Bundesrepublik, die mit einer sowjetischen Politik der Stärke und des »nuclear blackmail« unter Chruscev konfrontiert wurde. Bipolarität bedeutete weiterhin Anormalität in der Geschichte der internationalen Beziehungen, insofern die USA sowohl die globale Machtprobe mit der eurasischen Doppelkontinentalmacht Soviet Empire fortführten als auch die Auseinandersetzungen zwischen den »regionalen« Führungsmächten Frankreich und GroßUSA — ggf. durch unilateralen Truppenabzug — die Verbündeten zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der arbeitsteiligen Sicherheitspartnerschaft drängen sollten, fand im NSC am 4.3.1954 statt NSC, 187th Meeting: FRUS, 1952-54, V, 886 ff.; FRUS, 1955-57, XIX, S. 189 f., 240, 271 ff., 385 ff., 406, 429, 448, 471, 473. Μ FRUS, 1955-57, XIX, S. 429; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 591 (Eisenhower, 10.3.1955); siehe I.l.e und 2.d. " FRUS, 1955-57, XIX, S. 27, 132 f., 137. 4" Gnad, Konfrontation, S. 14 ff., 231 - 330. 41 Kabinettsprotokolle, 20.7. und 9.11.1956: Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, IX, 1956, S. 487, 707 f. 42 NSC 5501, Basic National Security Policy (7.1.1955): FRUS, 1955-57, XIX, S. 2 4 - 3 8 , 32 f.; NSC 5602/1,15.3.1956: ebd., S. 242-268, 246, 397 ff.; siehe I.2.f und g.

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britannien über die Gestaltung Westeuropas beeinflußten. Dabei geriet die britisch-französische Entente noch mehr ins Abseits als nach 1949/50. Durch das angelsächsische Duopol in der NATO bzw. durch die Führungsrolle in der europäischen Integration praktizierten Großbritannien und Frankreich auf unterschiedliche Weise ein »joint management« mit den USA hinsichtlich Europas Sicherheitsbegehren bzw. der Restrukturierung der Wirtschaftsregion (allerdings unter Spaltung der OEEC in EWG und EFTA). Die zweite Komponente einer grundlegenden Veränderung zeigte sich darin, daß Frankreich im Prozeß der europäischen Einigung (EURATOM-EWG) die Verständigung mit der Bundesrepublik suchte43, ohne sich angelsächsische Vorleistungen bzw. Begleitabkommen — wie beim EVG-Projekt — auszubedingen. Natürlich war die wichtigste Vorfrage - »Sicherheit vor Deutschland« — durch die Kopplung zwischen WEU und NATO zu diesem Zeitpunkt entschieden. Dennoch machte es einen Unterschied, daß Frankreich 1. die im Konzept Integration implizierten Regime-Bedingungen akzeptierte und sich zur Erreichung eigener »essentials« auf das eigene Durchsetzungsvermögen verließ, und 2. sich der Option begab, die »russische Karte« ins Spiel zu bringen, um gegenüber der Bundesrepublik die eigenen Bedingungen für die Gestaltung Westeuropas besser durchsetzen zu können 44 . Unter der Prämisse, daß Kontrolle über Deutschland notwendig sei, hatte Frankreich bislang von den USA und Großbritannien verlangt, daß vor Entscheidungen, welchen Platz Deutschland in Sicherheitsstrukturen erhalten sollte, die Reaktion der Sowjetunion ausgelotet werden müsse. In einem gewissen Widerspruch zum postulierten Gebot der Rücksichtnahme auf die Sicherheitsbedürfnisse der vierten Siegermacht hatte Paris die These verfochten, daß Großbritannien und die USA Zusicherungen geben müßten, daß sie im Fall des Versagens der Kontrolle über Deutschland intervenieren würden 45 ; Frankreich suchte also die physische Präsenz der USA und Großbritanniens in Deutschland und auf dem Kontinent dauerhaft zu verankern 46 . Damit brachte es sich aber in Widerspruch zu 43

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Iiier geht es um das »pattern«; daß die Verhandlungen betr. EURATOM und EWG zwischen Bonn und Paris angestrengt-schwierig verliefen, ist unbestritten, ebenso, daß Italien und die Benelux-I ,änder gleichwertige Akteure waren. Ein Grund war, daß die Sowjetunion die algerische Befreiungsbewegung unterstützte. Selbstverständlich gibt es auch nach 1955/56 Vorfälle, die das Mißtrauen Adenauers wiederbeleben; doch ist die These Loths zutreffend, daß die deutsch-französische Annäherung auf dem wechselseitigen Verzicht beruht, französisch-sowjetische oder deutsch-sowjetische Verständigung als Druckmittel gegen den Partner zu nutzen bzw. solche Drohungen durchzuziehen: Loth, Französische Deutschlandbilder, S. 349 f.; ders., Ost-West-Konflikt, S. 159-172; Soutou, L'alliance incertaine, S. 51. Trachtenberg, United States, France, S. 237, Anm. 1. I Iinsichtlich der Wirkung auf die Bundesrepublik sowie auf die USA und Großbritannien ist es sekundär, ob die französische Vorbedingung taktisch gemeint war (den Wetdauf um die Gunst der öffentlichen Meinung zu gewinnen) oder ob Frankreich substantielle Verhandlungen mit der Sowjetunion über Deutschland im Sinne hatte. Auf amerikanischer (G.F. Kennan, 1948; 1953 ff.) und britischer Seite fand Frankreich stets Gleichgesinnte oder unabhängige Initiativen für Entspannungspolitik.

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der gegenüber Moskau signalisierten Zuversicht, daß die Deutschland von den Westmächten auferlegten Kontrollen über innere und äußere Sicherheit und Zuverlässigkeit 47 ausreichten 48 ; denn das Verlangen nach dauerhafter Präsenz der USA in der Mitte Europas bedeutete, daß Frankreich immer noch meinte, daß die gebündelten Kräfte der Westeuropäer nicht stark genug seien, um ein Gegengewicht zum deutschen Einfluß zu bilden 49 . Statt wie bisher das Beste zweier Welten für sich zu beanspruchen — nämlich Vorreiterschaft bei Ost-West-Verhandlungen und Gleichstellung mit den USA und Großbritannien in den westlichen Systemen —, steuerte I'rankreich nunmehr auf Gemeinschaftseinrichtungen mit der Bundesrepublik als festem Partner im EWG-System zu. Das Kalkül, deutsche Ressourcen für von Frankreich inspirierte und geführte Projekte einzuspannen, brach sich seit dem Herbst 1954 Bahn 5 ". Auch auf der politisch-diplomatischen Bühne zeichneten sich Fortschritte ab: Mendes France suchte Adenauer Mitte Januar 1955 für sein Projekt einer frühen Gipfelkonferenz zu gewinnen und bot von sich aus die Einrichtung einer Vier-Westmächte-Arbeitsgruppe an51. Großbritannien war über das Gelingen des deutsch-französischen Rapprochement ohne britische Vermittlerdienste verblüfft (und konsterniert): » T h e conditions which underlav the U K guarantees a few vears back to maintain specified forces on the Continent were out o f date, since it had b e c o m e obvious that France no longer feared G e r m a n y but on the contrary was proceeding with ever closer cooperation and integration with G e r m a n y in such fields as atomic energy, c o m m o n market, [...p.«

Die USA standen dem Rapprochement Pate, indem sie zum einen den deutschen Gegnern der »Klein-Europa«-Lösung (Strauß, Erhard) die Aussicht auf Alternati47

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Die im Petersberger Abkommen (November 1949) festgelegten Reservatrechte der drei Westmächte betrafen Sicherheit vor Rückfall in rechtsextreme Aggressivität nach innen und nach außen; Schutz der demokrarischen Ordnung; Schutz und Unterstützung der Besatzungstruppen und alliierter Behörden; Absicherung gegen deutsche Bindung an die östliche Supermacht; Stares, Allied Rights; Documents on Germany under Occupation; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 63 ff., 74 ff. Das Besatzungsstatut wurde am 6.3.1951 novelliert; die Bestimmungen des General(Deutschland-)vertrags traten erst nach der Ratifizierung der Pariser Verträge vom Oktober 1954 in Kraft. Das französische Insistieren erscheint logisch, wenn man bedenkt, daß die USA — und dann auch Großbritannien — die Auffassung vertraten, daß man Deutschland Gleichberechtigung = Verzicht auf Diskriminierung (Sonderkontrollen) gewähren müsse, wollte man die Westbindung in den Köpfen der (West)Deutschen verankern; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 6 7 , 7 5 u.a.O.; Schwartz, America's Germany, S. 247, 259 f., 266; Neuss, Geburtshelfer. Acheson an Bruce, 16.7.1951: FRUS, 1951, III, S. 802; siehe 1.1. Als harten Kern der Rüstungspool-Projekte strebten amtliche politische und wirtschaftliche Akteure auf deutscher und französischer Seite Gemeinschaftsunternehmen an: Kocs, Autonomy; Bührer, BDI; Abelshauser/Schwengler, Wirtschaft und Rüstung, S. 28 ff., 149 ff.; Soutou, I.es accords; Vai'sse, Autour; Barbier, Negotiations; Greiner, Zwischen Integration und Nation, S. 2 - 5. DDI·, 1955/1, Annexes, S. 225-236; Varson, British Policy, S. 81; zum Baden-Baden-Treffen: auch Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 7 8. Faure hingegen suchte die Bundesrepublik Ende März 1955 von den Vorbereitungsgesprächen für den Genfer Gipfel fernzuhalten: Barbier, French Policy, S. 105. Gespräch Mollet-Macmillan in Paris, 9.3.1957, Z G 243 G, FO 3 7 1 - 129327; PRO. PREM 11 1830 Α und 1831 A; Großbritannien und Europa, S. 1 7 8.

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ven — z.B. bilaterale amerikanisch-deutsche Zusammenarbeit in der zivilen Atomtechnologie — verstellten und zum anderen den von britischen und kanadischen Regierungsstellen geleiteten internationalen Widerstand (im und über das GATT) gegen das Projekt einer Verschmelzung der Volkswirtschaften zu einer Präferenzzone abblockten 53 , wobei sie die politischen Vorzüge der »immerwährenden europäischen politischen Einigung« hervorhoben.

3. Anerkennung des Status quo der Teilungen Die dritte neue Komponente der Struktur des Ost-West-Konfliktes ist die Bereitschaft der höchsten westlichen Regierungsinstanzen, sich damit abzufinden, daß die sowjetische Kontrolle über den »Ostblock«, wie immer sie ausgeübt würde, keinen Anlaß für Gegenmaßnahmen geben dürfe, die über diplomatische Demarchen hinaus gingen. Beide Seiten vollzogen auf ihre Weise die Anerkennung des Status quo in Europa-Mitte 54 : — Moskau mit der Duldung des deutschen Beitritts zur NATO 55 , — die Westmächte sowie die Bundesrepublik, indem sie gemäß der Logik der sowjetischen Souveränitätserklärung für die DDR (25. März 1954)56 Gespräche über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Ost und West auf der Basis des Status quo mit dem Ziel der Entspannung grundsätzlich guthießen. Umstritten war, wie weit die praktische Einbeziehung der DDR 57 in die Verhandlungen eine De-facto-Anerkennung des zweiten deutschen Staates und die Ausweitung zur De-jure-Anerkennung bedingen könnte. Die ersten Zeichen der Normalisierung wurden mit der Einladung der drei Westmächte an die Sowjetunion — im Anschluß an die Lösung der Osterreich frage — zum Genfer Gipfeltreffen und Adenauers Annahme der Einladung zum Staatsbesuch in Moskau gesetzt. Die Gewährung der außenpolitischen Souveränität an die DDR anläßlich Grotewohls Aufenthalt in Moskau (20. September 1955) — im Anschluß an Adenauers Aufenthalt — besiegelte die von Chruscev in Ost-Berlin am 24. Juli 1955 auf dem Rückweg vom Genfer Gipfel postulierte sowjetische Doktrin der friedensstabilisierenden Bedeutung zweier deutscher Staaten. 53 54 55 56

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Schmidt, Großbritannien, die Gründung, S. 185 ff.; ders., Kanada, S. 254 ff. Van Oudenaren, Detente, S. 32. Die These, daß die Sowjetunion Detente wünsche, ohne den Status quo in Europa geändert zu sehen: h'RUS, 1955-57, XIX, S. 133, 138 u.a.O. Die sowjetische Erklärung vom 25.3.1954 ging einerseits in Richtung: Zweistaatlichkeit; Selbständigkeit der DDR in ihrer Beziehung zur Bundesrepublik und in der ostdeutschen Innenpolitik; andererseits betonte sie die Vorbehaltsrechte der Siegermächte. Dabei erklärte die Sowjetunion, daß die Anerkennung des Potsdamer Abkommens die Voraussetzung für die Anerkennung legitimer Regierungsmacht bilde; sie hob die Überwachung der Tätigkeit der staatlichen Organe der DDR durch die Militärkommission auf: Wettig, Bereitschaft, S. 227 ff., 274 ff. Erste Ansätze, DDR-Behörden als Agenten der Sowjetunion zuzulassen und die Beteiligung von Vertretern beider deutscher Staaten als Beobachter vorzusehen, finden sich im I lerbst 1953: Ostermann, United States, East Germany, Ms. S. 37.

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Ein letzter Versuch, die faktische Situation in Osteuropa zu ändern, die eine Umklammerung der Krisenherde Polen und CSR durch die in der DDR stationierten Eliteeinheiten der sowjetischen Streitkräfte und durch die in Weißrußland und in der Ukraine dislozierten Militäreinheiten bedeutete, blieb erfolglos. Die Kremlführung lehnte es in Genf rigoros ab58, auch nur die von Eisenhower/ Dulles präsentierte Idee eines Gürtels neutralisierter Staaten vom Baltikum (und Finnland, Schweden) bis ^um Balkan (Jugoslawien) 59 unter Einschluß deutschen Gebietes, Polens, der CSR, Österreichs und Ungarns6" im Gegenzug zur Schaffung deutscher Einheit im Rahmen einer gesamteuropäischen Friedensorganisation anzuhören. »The U S S R was simply not interested in the sort o f arrangement Dulles had in mind. Even in 1 9 5 2 , the Soviets had not really favored a reunification-cum-neutralization deal 0 '.«

Bereits beim Vorbereitungstreffen der Drei-Westmächte-Arbeitsgruppe in Paris am 9. Juli 1955 hatte Dulles bei Pinay und Macmillan wenig Resonanz für sein Plädoyer gefunden, daß die Westmächte die Sowjetunion dazu auffordern müßten, ihre Kontrolle über die Satelliten zu lockern, damit Entspannung in Europa erzielt werden könne 62 . Es war, wie Dulles gegenüber Eisenhower hervorhob, ein Balanceakt zwischen »Schritten zur Friedenssicherung, ohne den Status quo zu zementieren«, und »Chancen für Wandel im Ostblock, ohne das Interesse der Sowjetunion an Stabilität zu ignorieren« 63 . Damit deutete sich schon vor »Ungarn 1956« an, daß der Kreml Merr des Geschehens östlich des Eisernen Vorhangs zu bleiben beabsichtigte und dem Westen 58

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Eisenhower-Bulganin-Dinner, 18.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 372 f.; Eisenhower-DullesBericht auf dem Treffen mit der Führung des US-Kongresses, 25. 7 .1955: DDEL, Bi-PartisanLeadership Legislative Meetings, Box 2, folder ]ulv-August 1955(4); 12.8.1955, Danes' minute für Murphy: FRUS, ebd., VII, S. 71; NSC, 256. Sitzung, 28.7.1955. FRUS, 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 5 2 9 - 5 3 5 , hier 531. Eisenhower Pressekonferenz, 18.5.1955. Zu Adenauers erster ablehnender Reaktion und Dulles' Zusicherung, daß die Bundesrepublik kein Kandidat für Neutralisierungspläne sei: Feiken, Dulles, S. 289 ff. Die sowjetischen Vorschläge für eine neutrale Zone wollten eine Pufferzone neutraler Staaten — Schweiz, Osterreich, Jugoslawien, ggf. Deutschland — zwischen ihrem erweiterten, d.h. den Ostblock umfassenden Sicherheitsbereich und der N A T O schaffen; sie wollten eine Ausweitung der N A T O um Osterreich und Deutschland verhindern; Zubok, Soviet Policy, S. 63; Gehler, Kein Anschluß, S. 251. Zu den damit in Zusammenhang stehenden Rüstungsbegrenzungsplänen (BlankenhornI Ieusinger; »Canute«-Projekt und britisch-amerikanische Geheimverhandlungen vor dem Genfer Gipfel) siehe III, Anm. 71; Dockrill, Eden Plan, S. 168 ff. Trachtenberg, Constructed, S. 138. Das bezieht sich auf Dulles' Erwägungen: »(reunification) would be impossible unless it was achieved under some sort of international control in which the Soviet Union would have a voice [...] (if the West was simply to reject as a matter of principle the very idea of European security arrangements), we might just as well give up all hope of unifying Germany,« ebd., S. 135. US Delegation to Department of State, 9.7.1955: FRUS, 1955-5", V, S. 312 f. In NSC 5501, Basic National Security Policy (7.1.1955), hatten die USA festgehalten, daß die Sowjetunion für absehbare Zeit in der Lage bleiben würde, die Kontrolle über ihre Satelliten zu behaupten: FRUS, ebd., XIX, S. 27. Dulles an Eisenhower, 11.8.1955: FRUS, 1955-57, VII, S. 71.

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nur die Wahl ließ, sich mit der sowjetischen Definition der eigenen Sicherheitsansprüche abzufinden; alles andere wäre, so suggerierten Chruscev, Molotov und Bulganin, angesichts des sowjetischen Entschlusses, die eigene Militärmacht durch Vermehrung der Nuklearsysteme und Verbesserung der Kampfkraft der konventionellen Streitkräfte zu verbessern, ein Spiel mit dem Feuer. Während der Kreml vom Westen verlangte, daß er die östlich der Elbe geschaffenen Fakten respektiere, suchte er der Bundesrepublik ihren Erfolg streitig zu machen: Chruscev wollte die Bundesrepublik in der NATO isolieren, nachdem der Beitritt nicht hatte verhindert werden können. Das Mittel dazu war die Kampagne, die Bundesrepublik als Feindstaat hinzustellen, der sich auf Krieg vorbereite64. Was blieb, waren Fragen, die die Bundesregierung mit den unerwünschten Nebenwirkungen ihrer Wiederbewaffnung und NATO-Mitgliedschaft konfrontierten: Was würden die NATO-Staaten tun, wenn die Sowjetunion oder ihre SEDStatthalter bei Strafaktionen in den östlichen Nachbarstaaten gemäß ihrer Propaganda gegen deutsche Unruhestifter als (vermeintliche) Drahtzieher der Unruhen grenzüberschreitend vorgingen? Oder ließ man sich umgekehrt von der sowjetischen These beeinflussen, daß der vor allem von den USA geäußerte Wunsch nach schnellem Aufbau der Bundeswehr dem Zweck diene, deutsche Soldaten »gen Osten« marschieren zu sehen? Würde man also nach dem NATO/WEU-Beitritt das im November 1951 vorgetragene Mißtrauen gegenüber deutschem Revisionismus wieder auftischen 65 und von der Bundesregierung eine Bekräftigung der freiwilligen Selbstbeschränkung in allen Phasen der anstehenden Beratungen über Limited-war-Szenarien erwarten 66 ? Die Sowjetunion intensivierte — parallel zur Ausbreitung der Blockfreienbewegung — ihr Vorhaben, Nationalismus und Neutralismus dort anzustacheln, wo er sich — wie in der Bundesrepublik oder Japan — gegen die Bindung dieser Staaten an die USA auswirken könnte 67 ; ebenso rigoros unterband sie dagegen die Tendenz,

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Gemeint war Atomkrieg: Moskau unterstellte der Bundesregierung die feste Absicht, möglichst umgehend Atommacht zu werden, um den miHtaristisch-imperialistisch-faschistischen Drang nach Osten wieder aufnehmen zu können. Eine subtilere Methode empfahl Mikojan: Durch Kontakte mit der Opposition gegen Adenauer und durch Schaffung wirtschaflicher Verbindungen sollten Adenauers Ziele — Anschluß der DDR; Nicht-Anerkennung der deutschen Ostgrenzen - durchkreuzt werden; Zubok, Soviet Policy, S.66 f. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Bindewirkung der EVG- und Deutschlandverträge (Art. 7) stellte sich die Frage nach der Ostgrenze eines vereinten Deutschland. In der Unterredung mit Acheson am 22.11.1951 sicherte Adenauer zu, daß die Bundesregierung keine Ansprüche auf die Ostgebiete stelle und keine Bindungen der Alliierten hinsichtlich der Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie verlange; sie erwarte jedoch, daß auch die Alliierten keine Bindungen gegenüber Dritten, z.B. Polen, bezüglich der Grenzen eingingen, außer im Rahmen einer Friedensvertragsregelung. Die französische Nationalversammlung konnte ihren Vorbehalt gegen den NATÖ-Beitritt wegen der deutschen I laltung zu den Ostgrenzen jederzeit wieder aufleben lassen. Dulles gegenüber Außenminister von Brentano, 4.5.1957: Schmidt, Auswirkungen, S. 654 f.; ferner Aufzeichnung des Auswärtigen Amts, 26.11.1956, ebd., S. 678 f. Amerikas Option, S. 46 f., zur veränderten Einstellung der USA gegenüber den Neutralen und Blockfreien.

335 über »National«kommunismus oder Titoismus''8 eine schrittweise Herauslösung aus der sozialistischen Staatengemeinschaft zu erreichen 69 , worauf die Vorstellungen von Dulles hinausliefen7". Mit ihrem Veto gegen eine Thematisierung der »Europäischen Sicherheit« unter Einbeziehung Polens, der CSR und Ungarns in eine Zone neutralisierter Rüstungsbeschränkungen unterworfener Staaten beseitigte der Kreml gleichzeitig und endgültig die Option, die im westlichen Lager wie eine Bombe hätten einschlagen können: Die regierungs-intern und in deutsch-amerikanischen und britischamerikanischen Konsultationen erwogenen Pläne71 hätten dann der Sogwirkung Die Aussöhnung mit Tito beim Besuch der Kreml-Führung in Belgrad Ende Mai/Anfang |uni 1955 war ein Akt der Anerkennung der normativen Kraft des Faktischen ähnlich der Einladung an die Bundesrepublik zur Normalisierung der diplomatischen Beziehungen, aber kein Signal der Bereitschaft, Sicherheit im Sinne des Westens als Freiheit zur gesellschaftlichen Eigenentwicklung verstehen zu wollen. (>I' Die W iedereinsetzung G o m u l k a s in Polen bildete die Ausnahme; sie spricht für ein differenziertes Verhalten des Kreml gegenüber den einzelnen Mitgliedsländern des Ostblocks. Von den Techniken der I lerrschaftssicherung im erweiterten »Soviet Empire« zu unterscheiden ist dessen Abschirmung gegen vertragliche Regelungen, die sich auf den Status der Mitgliedsstaaten im internationalen System ausgewirkt hätten. Siehe II.4. "o Dulles, 19.5.1955: F'RUS, 1 9 5 5 - 5 7 , V, Nr. 117; siehe 1.1 und 11.4. 71 Die Pläne eines Gürtels neutralisierter Staaten vom Baltikum zum Balkan wichen in Einzelheiten stark voneinander ab. Der Blanke,•ihom-Plan sah als demilitarisierte Zone das Gesamtgebiet der D D R und Teile der CSR, Österreichs und ]ugoslawiens vor; Ilaftendorn, Sicherheit, S. 100 ff.; Thoß, Beitritt, S. 142 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 401 ff.; Aufzeichnung von Kirkpatnck, 28.4.1955, Germany and Four Power Talks, \\"G 1071/477, FO 371/118209. Adenauer sprach beim Treffen mit den drei westlichen Außenministern am 17.6.1955 von einem Gebiet, das die D D R sowie ganz Osterreich und Teile Polens und der CSR umfassen sollte. Für diese Zone sollten erhebliche Restriktionen gelten: Keine Stationierung von Streitkräften, militärischer Depots und Installationen, Rüsturigsbetriebe; keine Befestigungsanlagen; Überflugverbot für Militärflugzeuge u.a.m. Ostlich und westlich dieser demilitarisierten Zone sollten konventionelle Streitkräfte gleichen Umfangs erlaubt sein, ohne »rockets and guided missiles«, aber mit taktischen Systemen; in einer weiteren Zone östlich bzw. westlich der Zone Β sollten keine I.imitierungen gelten: Varsori, British Policv, S. 91 f.; Aufzeichnung v o m 18.6.1955, \YG 1071/735" T 36, F'O 371-118219; Schwarz, Adenauer, II, S. 1 7 8 - 1 8 4 . Der Hemmger-Plan v o m 11.6.1955 sah drei Zonen unterschiedlichen Rüstungsniveaus vor: (1) eine 200 km tiefe entmilitarisierte Zone, die beiderseits einer Linie Stettin-Prag-Wien-Triest verlief und damit Teile der Bundesrepublik, der D D R , Polens, der CSR, Österreichs, Italiens und Jugoslawiens umfaßte; die W estgrenze des einbezogenen DDR-Gebiets sollte nicht identisch sein mit der Demarkationslinie; (2) parallel zur Kernzone auf westlicher Seite die übrige Bundesrepublik, Teile I lollands und Oberitaliens und auf östlicher Seite das Baltikum, Polen, Ungarn, Teile der UdSSR; für dieses Gebiet galt ein Verbot zur Raketenstationierung sowie Einschränkungen für Truppenbewegungen; (3) auf westlicher Seite Frankreich und Belgien, auf östlicher Seite Bulgarien, Rumänien und sowjetische W'estgebiete; Schwarz, ebd., S. 1 8 6 - 1 8 8 ; Ilaftendorn, Adenauer, S. 100 ff.; Rupieper, Deutsche Frage, S. 201 ff.; ders., Wiedervereinigung; Gossel, Briten, S. 1 0 1 - 1 0 5 ; Feiken, Dulles, S. 297 ff.; Thoß, Beitritt, S. 151 ff.; Conze, N o Way, S. 199 f. Die britischen Chiefs of Staff' folgten zunächst den Vorstellungen des I leusinger Plans, revidierten ihn jedoch im Anschluß an Edens Kommentar, daß die Vorstellung abwegig sei, daß die sowjetische Regierung einen Plan attraktiv finden könne, der auf östlicher Seite die D D R und große Teile Osteuropas demilitarisiere, hingegen der N A T O in Zone Β außer den künftigen 12 Divisionen der Bundesrepublik auch ihre bestehenden 18 Divisionen überlasse; der einzige Gewinn für die Sowjetunion wäre die Teil-Demilitarisierung der Bundesrepublik. Der neue Plan der Chiefs of Staff ν om 6.7.1955 - C.O.S. (55)152, PRO, PREM 1168

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öffentlichkeitswirksamer sowjetischer Entspannungs-Rhetorik unterstanden, mit der vorhersehbaren Folge, daß die in den westlichen Plänen vorgesehenen Kautelen weggespült worden wären. Denn in Washington, London, Paris und Bonn bestand kein Zweifel, daß ein sowjetrussisches Angebot einer Polen, die CSR und Ungarn neben der DDR einschließenden Zone neutralisierter und demilitarisierter Staaten die Westmächte unter Druck gesetzt hätte, die Mitwirkung der Bundesrepublik in der NATO faktisch auszusetzen 72 . Laut Adenauer 73 hätte dies die Auflösung westlicher und vor allem amerikanischer Stützpunkte (Militärbasen) bedeutet und damit den Abzug der USA aus Europa und die Auflösung der NATO. Denn beides beruhte auf dem Geschäft auf Gegenseitigkeit: Amerikanischer Schutzschirm für die europäischen NATO-Partner und Bereitstellung von Operationsba895 - sah einen sich von Wismar über Halle nach Nürnberg erstreckenden demilitarisierten Streifen auf deutschem Gebiet zwischen Oder und Rhein vor; das vereinte Deutschland sollte in der NATO verbleiben; beiderseits des demilitarisierten deutschen Gebiets sollten eine rüstungskontrollierte und eine unbeschränkte Zone eingerichtet werden. - DockriH, Eden-Plan, S. 169 ff. Die Einwände der USA (Dulles; JCS) bezogen sich darauf, daß es schwer wäre, eine klare Unterscheidung zwischen konventionellen und atomaren Systemen (wegen der »dual-capability«) in bezug auf die demilitarisierte Zone Β zu treffen; ferner darauf, daß die Deutschen sich fragen würden, ob sich der NATO-Beitritt angesichts der Ausnahmeregelungen wirklich lohne; schließlich war Dulles skeptisch, ob es überhaupt sinnvoll wäre, Pläne mit Blick auf die sowjetischen Erwartungen zu konzipieren und Moskau diese Absicht zu signalisieren — wie es Eden und Macmillan anstrebten —, wenn diese Pläne Unruhe ins eigene westliche Lager tragen müßten; Dulles an Beam, 9.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 313 ff.; US-UK (Canute)-Meeting 1.7.1955: ebd., S. 252-258; Makins Telegramme 1581 f., 8.7.1955, FO 371-118227 (zu Aussagen von Dulles); CAN/4/55, 14.6.1955, PRO, PREM 11-894; Dockrill, ebd., S. 172 ff.; Gossel, ebd., 101 ff., 109 ff. Der vom britischen Kabinett am 14.7.1955 verabschiedete Eden-Plan sah eine demilitarisierte Zone von Wismar endang der Saale über Regensburg bis Osterreich vor; man hoffte damit den USA entgegenzukommen, denn man hatte das zu demilitarisierende Gebiet auf westdeutscher Seite reduziert; Zone C sollte entfallen; Zone Β schüfe eine truppenverdünnte Zone, wobei unter Rücksichtnahme auf deutsche Einwände vermieden wurde, daß nur deutsches Gebiet (Bundesrepublik/DDR) betroffen war; zweitens sollte die Oder-Neiße-Grenze nicht ausdrücklich als Linie zwischen demilitarisierter und angrenzender truppen- und rüstungsverdünnter Zone genannt werden. Blankenhorn hatte als deutscher Vertreter in der Arbeitsgruppe (Bonn, 24.6.-5.7.1955) mitgewirkt; Dockrill, ebd., S. 167; C.O.S. (55) 158, CAN/15/55, 12.7.1955: PRO, PREM 11-895; Pariser Treffen der drei westlichen Außenminister, 15.7.1955: FRUS, ebd., S. 309-335; PRO, PREM 11-895. Bei den Vorbesprechungen der Regierungschefs - Eisenhower, Eden, l'aure — am 17.7.1955 in Genf sagte Eden zu, auf konkrete Angaben zum Gebiet der demilitarisierten Zone zu verzichten; Tripartite meeting, 17.7.1955: FRUS, ebd., S. 341 ff.; FO 371-118233. 72

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Das Angebot an die Sowjetunion, im Falle der Vereinigung das Gebiet der DDR zu demilitarisieren, wurde in den Intra-Westgesprächen von Blankenhorn und Heusinger ebenso wie von britischer Seite ins Gespräch gebracht, aber nicht zur Verhandlung gestellt, weil französische Vertreter und z.T. auch Dulles davor warnten, daß die Sowjetunion im Gegenzug die Demilitarisierung großer Teile der Bundesrepublik fordern würde; siehe die Beiträge von Varsori, Dockrill, Conze, Barbier in: Cold War Respite; von Brentano auf dem Vier-Westmächte-Treffen zur Vorbereitung auf die Genfer Außenministerkonferenz, 24.10.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 569 ff., 621 ff. Als Konzession an die Sowjetunion sah man vor, daß NATO-Streitkräfte nicht nachrücken würden, falls die Sowjetunion ihre Truppen aus der DDR zurückziehe. Young, Geneva, S. 282. Rupieper, Der besetzte Verbündete, S.408 f.; Adenauer-Eden, 19.6.1955, CAN/5/55: PRO, PREM 11-894; Kirkpatrick an Makins, 20.6.1955, FO 371-118222; Schwarz, Adenauer, II, S. 181; Dulles an State Departement, 23.7.1955: FRUS, ebd., S. 484; I I. Miliar an Foreign Office, Telegramm 411, 22.7.1955: FO 371-118235; Dockrill, Eden-Plan, S. 184-187.

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sen seitens der Verbündeten für die Machtprojektion der USA74. Ein entsprechender sowjetischer Schachzug hätte den Ost-West-Konflikt auf die Frage zugespitzt: Wären Großbritannien, Frankreich, die Bundesrepublik bereit, den Preis »Abzug der USA aus Europa« zu zahlen, wenn das sowjetische Angebot lautete: »deutsche Einheit« und »russisches Disengagement« in Osteuropa? Das sowjetische Angebot kam nicht 75 ; so blieb den europäischen Westmächten die Aufgabe erspart, sich mit den Konsequenzen der versäumten fünf Jahre 1950-1955 vertraut zu machen, daß nämlich WUDO/EVG/WEU/NATO-Europa 1955 nicht über den Ist-Stand zur Zeit des ersten Streitkräfteplans im April 1950 hinausgekommen war76; freilich hatte sich die multinationale Zusammensetzung durch den erhöhten amerikanischen, britischen und neuen kanadischen Anteil verändert und damit einhergehend die atomare »Gefechtsfähigkeit« Gestalt angenommen. Laut SACEUR Gruenthers revidiertem 1957 Capabilities Plan und Combat Effectiveness Report für 1955 wäre die NATO momentan zwar in der Lage, dank des amerikanischen Nuklearpotentials einem Angreifer verheerenden Schaden zuzufügen; doch bedeuteten die Versäumnisse bei der Implementierung früherer Beschlüsse, einschließlich M.C. 48, »that the military' forces in ACE were not yet capable of carrying out their wartime mission successfully« 77 . Die NATO, d.h. primär die USA und die Bundesrepublik, machte 1955 dort weiter, wo die Umgründung 1950 angesetzt hatte: Fur den Fall, daß die Abschrekkung nicht wirke und der Ernstfall der Verteidigung in NATO-Europa eintrete, sollte ein neues, an den für 1957 angestrebten, effektiv verfügbaren deutschen Beitrag gekoppeltes Shield-Force-Konzept 78 dafür sorgen, daß die Ära der Benachteiligung beendet werden und die Planung auf der Basis einer »forward defense« tatsächlich beginnen könnte 79 . Die Einstellung, einen Nachholbedarf endlich 74

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Dies ist in den Verhandlungen zwischen den USA und den kleineren und mittleren N A T O Staaten — sowie mit dem von den Mitgliedern abgelehnten Kandidaten für den NATO-Beitritt: Spanien — deutlich ausgeprägt; es gilt aber auch für Großbritannien und, wie die spätere Entwicklung der Nicht-Genehmigung von Uberflugrechten und Einsätzen der US-Luftwaffe von Stützpunkten in NATO-Staaten aus zeigt, für die NATO-Partner; siehe die Beiträge in U.S. Military Forces in Europe; Nationale Außen- und Bündnispolitik; Von Truman bis I Iarmel. Ghruscev zog es vor, durch Friedenspropaganda und einseitige Abrüstungsmaßnahmen auf die fortschrittlichen Kräfte in den westlichen Ländern einzuwirken, so daß diese Druck auf ihre Regierungen ausübten; Schwächung der N A T O von innen statt Austausch von Konzessionen am Verhandlungstisch war Chruscevs Devise. Z u m Planungsstand v o m September 1948, Dezember 1949, März/April 1950, August 1950: Greiner. Alliierte militärstrategische Planungen, S. 247 ff.; Frankreich hatte 1950 7 der 18 westlichen Divisionen gestellt, 1956 waren es 2; die Bundesrepublik steuerte 1959 7 Divisionen bei; siehe I.2.d, f und g. Wampler, N A T O Strategic Planning, S. 22 f.; NSC, 262th meeting, 20.10.1955: LRUS, 1 9 5 5 - 5 7 IV, S. 26; L'.S. Delegation at N A Ministerial Meeting to Department of State, 16.12.1955: ebd., S. 28; siehe I.2.a und d. Wampler, N A T O Strategie Planning, S. 3 2 - 3 4 ; J P (56) 162 (Final), 16.11.1956; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 710 ff. Die erste Planungs-Ubung auf der Basis einer Vorneverteidigung ca. 5 0 - 6 0 k m von der Demarkationslinie entfernt fand 1963 statt; Heuser, N A T O , Britain, S. 142 f.; zur Dislozierung 1959: Kugler, Commitment, S. 72 ff.

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befriedigen zu können, bedeutete die Affirmation einer der wesentlichen Komponenten der Struktur des Kalten Krieges.

4. Tauwetterperiode, Haushaltslage und Strategiewechsel: Der Fall Großbritannien Die eingangs skizzierte veränderte politische Perzeption der Bedrohungslage bedeutete die Rückverlagerung des Ost-West-Konfliktes auf die ökonomischen und politisch-ideologischen Dimensionen. Die regelmäßig von den hohen Militärs vorgetragenen Befunde einer anhaltend ernsten Situation80 wurden damit durch andere Perspektiven überlagert und verdrängt. Vor allem die britische Politik wollte festgestellt wissen, wann die Sowjetunion strategische Parität mit den USA erreichen würde und welche Schlußfolgerungen sich daraus für die Hypothese ergäben, daß die Strategie der massiven Vergeltung den Fall begrenzter Kriege zumindest in Europa unwahrscheinlich mache81. Die britische Politik nahm den von Eisenhower aufgestellten und in der Ν ΑΤΟ-Strategie festgelegten Grundsatz vorweg: »if the Soviets were involved in a local hostile action and sought to broaden the scope of such an accident or to prolong it, the situation would call for the utilization of all weapons and forces at NATO's disposal, since in no case is there a NATO concept of limited war with the Soviets*2, v.

Anlaß und Beweggrund für die intensive Beschäftigung der britischen Regierung mit dem Thema war der Sparzwang 83 . Es sollten nicht nur Flaushaltsmittel in der Größenordnung von £ 100 Millionen eingespart werden, davon £ 4 5 - 5 0 Millionen für Verteidigungsausgaben; ebenso wollte man die Zahlungsbilanz vom Devisenanteil an den Stationierungskosten entlastet wissen, um die Anfälligkeit der britischen Politik gegenüber dem Votum der internationalen Finanzmärkte?4 zu beseitigen. In Anbetracht der Divergenzen zwischen der Royal Air Force, die von der Präponderanz der Abschreckungsstrategie profitiert hätte, und dem in Relation zur Mindestsoll-Stärke der NATO unverändert hohen Fehlstand an Land- und Seestreitkräften mußte die Regierung eine »politische« Entscheidung treffen, welche Szenarien für die Verteidigungsplanung ausschlaggebend sein sollten. Außenpolitische Argumente dienten zur Abstützung der haushaltspolitischen Maßgabe: 8,1

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Gruenther, 20.10. und 16.12.1955; siehe I.2.d und g. Eden an Eisenhower, 18.6.1955; Dulles-Makins, 29.6. und 13.7.1955: ERUS, 1955-57, IV, S. 8 4 - 9 2 . MC 14/2 (Revised), 6.4.1957, § 19: NATO Strategy Documents, S. 291; Overall Strategie Concept for the Defense of the NATO Area wurde vom NATO-Rat am 9.5.1957 verabschiedet. Ein wichtiges Stichwort in der Debatte lautete: »We must cut our coat according to our cloth«. Unter diesem Motto hatte auch die erste Verteidigungsdebatte 1946-1948 gestanden: Gorst, We must, S. 146. Der britische hall, da seit vielen Jahren gut dokumentiert, wird stellvertretend für die Problemlage in den NATO-I .ändern behandelt; Großbritannien und Europa, S. 206-216; Schmidt, Großbritannien, die Gründung, S. 176-187. Macmillan sprach von der Allmacht der sog. Zürcher Gnomen.

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Davon ausgehend, daß man mehr auf die Absichten der Sowjetführung als auf die »military balance« achten müsse, legte Premierminister Eden fest, daß weder mit einem konventionellen Großangriff der UdSSR noch mit »Gelegenheitskriegen« auf deutschem Boden zu rechnen sei. Die Regierung setzte sich über die Warnung des Chief of the Imperial General Staff und des First Lord of the Admiralty hinweg, daß man mit der Möglichkeit begrenzter Kriege rechnen müsse, »(because) the Russians might attempt aggression with conventional forces on the gamble that the Western powers would not have the nerve to touch off the thermo-nuclear retaliation which would involve mutual destruction«. Zwei weitere außenpolitische Argumente sollten die Herabsetzung der britischen konventionellen Verpflichtungen gegenüber N A T O und W E U rechtfertigen: 1) Da die N A T O eingestehe, daß der Schild nur dank der Einführung taktischer Atomwaffen halten werde und daß ein konventioneller Krieg auch im halle der Verfügbarkeit über die Mindeststärke von 30 Divisionen nicht erfolgreich zu führen wäre, müsse die Frage erlaubt sein, wie dicht der Schild sein und wie hoch der Bedarf an Reserven veranschlagt werden solle. 2) Einen starken Schild brauche man eher »out-of-area« als in Europa-Mitte, denn die UdSSR richte ihre militärische Machtprojektion dorthin, vor allem auf den Mittleren Osten 85 . Hinter dem ersten Aspekt steckte die Absicht, der von London vorangetriebene »NATO Reappraisal« möge einen Minderbedarf an Bodentruppen feststellen; eine solche Feststellung bildete die Voraussetzung, um mit der UdSSR auf dem Verhandlungsweg wechselseitige Truppenreduzierungen zu vereinbaren. Da die Bundesregierung bei der Aufstellung der Bundeswehr im Verzug war, konnte sie gegen die ökonomische Begründung des britischen Vorstoßes kaum Einwände erheben, wohl aber gegen die außenpolitischen und strategischen Schutzbehauptungen. In dieser I linsicht stand sie der von den USA vertretenen Gegenposition näher 86 : »the NATO shield forces [...] must be able to deal with >nibbles< without necessarilv having recourse to nuclear weapons. [...] Reciprocal force withdrawals [...] would force NATO into total reliance on nuclear weapons, and this in turn would open the European countries to dangerous pressures to accommodation with the Soviet^ .« Unter dem zweiten Aspekt vertraute London auf französische und niederländische Unterstützung; Paris und Den I Iaag wollten ebenfalls die Verteidigungsausgaben senken und Einsparungen dadurch erzielen, daß die Beteiligung an dem NATOMacmillan an Eden, 17.5.1956: PRO, PREM 11-1778; Kabinettssekretär X. Brook an Eden. 19.6.1956, PRO, ebd.; Brook an Eden, 1.5.1956: ebd. 11-17-8; Hancock (Ι·Ό) an N.S. l-orward (Defense)/ Millard (PMO), 4.7.1956: ebd. 11-1269, Gesprächspunkte für die Aussprache zwischen Verteidigungsminister Lord Monckton und Gruenther: Steel (British Delegation to N A T O ) an 1·Ό, Tel. 129, 13.7.1956: ebd. 11-1269; Monckton an Eden, 21.9.-1.10.1956, Draft Directive to the N A T O Militär,- Authonties, I'lag Β: Richtlinien für Gespräche mit Dulles, ebd. 11-1270. K Siehe I.2.d; insbesondere Ν SC 5602/1 (15.3.1956), Β § 15. Der N A T O - R a t verabschiedete im Dezember 1956 eine entsprechende Direktive; Bluth, Britain, Germany, S. 41. K7 l'our Power Working Group on German Reunification and European Security, 2.3.195": NA, RG 59, I.ot 63 D 166, Box 18, file 5 (11.2).

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Schild in Europa-Mitte ausgedünnt oder herabgesetzt wurde; die verfügbaren Mittel sollten zugunsten von Aufgaben »out-of-NATO-area« umgeschichtet werden. Eine Reihe kleiner88 und größerer Schritte, die Ost und West aufeinander zugingen oder die als unilaterale Geste zu einer positiven Rückäußerung einluden, bereitete das Sich-Einstimmen auf »Sicherheit und Stabilität durch Teilung« vor. Die bekanntesten Stationen auf diesem Weg der Entwarnung und Normalisierung auf der Basis der Anerkennung der Realitäten sind der österreichische Staatsvertrag und der Canossa-Gang der Sowjetführung Ende Mai 1955 nach Belgrad zur Aussöhnung mit Tito und der Duldung seines eigenen Modells des Sozialismus — sie demonstrierten Moskaus Bereitschaft und Fähigkeit, zwischen den Konfliktfällen zu differenzieren und eigene Interessen durch Kompromißlösungen zu wahren. Die Fähigkeit der Sowjetunion, verantwortungsbewußt zu agieren, zeigte sich ebenfalls im Konfliktverhalten gegenüber den USA außerhalb Europas. Eisenhower begründete seine Eskalations-Strategie in der zweiten Phase des TaiwanKonflikts (Januar-März 1955) mit dem Kalkül89, daß die sowjetische Führung weder anderswo einen Konflikt zur Entlastung »Rotchinas« auslösen noch das atomare Ultimatum der USA gegenüber Peking mit einer verbindlichen Fesdegung auf eine nukleare Schutzaktion zugunsten der VR China beantworten werde. Nach seinem internen Triumph durch die Entmachtung Malenkovs nutzte Chruscev das atomare Säbelrasseln der USA im Fernen Osten, um in Europa politische Altlasten abzustoßen und damit Sympathiewerbung für seinen Kurs der friedlichen Koexistenz zu betreiben. Aus der Sicht Washingtons war es vielsagend, daß Moskau — mit Molotovs Ankündigung einer Bereitschaft zur Österreich-Lösung am 8. Februar 1955 — zu verstehen gab, daß es den USA in Europa keine zweite Krisenfront parallel zur Zuspitzung des amerikanisch-chinesischen Konflikts in der Taiwan-Straße aufzwingen wollte 90 ; der Unterschied zu den Störmanövern in den verschiedenen Phasen des EVG-Projekts war offenkundig. Für die Tauwetterperiode in der Außenpolitik der VR China (April 1955-Juli 1958) zahlte Chruscev den Preis generöser Wirtschaftshilfe und der Starthilfe für Pekings Atomkraftprojekte 91 . Der Vorschlag Zukovs, die Normativität des Faktischen im Fernen Osten anzuerkennen, d.h. die VR China in die UNO und in den Sicherheitsrat aufzunehmen und die Taiwan-Frage zu liquidieren, fand bei Eisenhower vorerst keine Resonanz 92 . 88

89 90 91 92

Veränderungen der Bedrohungsperzeption und des Risikokalküls - z.B. daß von der Sowjetunion weder die Gefahr »Korean-type wars« noch »total war« ausginge — wirkten sich auf die Strategiedebatte aus. FRUS, 1955-57, XIX, S. 299, 27, 125, 131 f., 137, 219 ff., 252 f., 423 ff., 517 ff. Zur sowjetischen Truppenreduktion s.o. Eisenhower an Gruenther, 1.2.1955: FRUS, 1955-57, II, S. 192 f.; siehe I.2.d. Amerikas Option, S. 43, Anm. 165. Zubok, Soviet Policy, S. 69. FRUS, 1955-57, V, S. 416; Zubok, Soviet Policy, S. 69 f. Im Spätsommer 1958 deutete sich an, daß Moskau dämpfend auf Pekings Atommachtambitionen einwirken könnte, falls die USA die

III. Zäsur 1955/56. Strukturen nach dem ersten großen Wandel

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Ankündigung und Vollzug des Abbaus der konventionellen Streitkräfte der Sowjetunion - um 640 000 Mann (Juli 1955) und weitere 1,2 Millionen (Mai 1956)93 — schufen eine Gesamtatmosphäre, die es auf westlicher Seite den vielen, von unterschiedlichen Motiven geleiteten Befürwortern truppenverdünnter Zonen leichter machte, ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen. Die Konsequenz war, daß auf Jahrzehnte die Auffassung vorherrschte, Friedenssicherung bedeute Rüstungsbegrenzung bei gleichzeitiger Normalisierung der Beziehungen auf der Basis der politischen Teilungen.

5. Unabhängige nationale Nuklearstreitmacht: Die britische und französische Rechtfertigungslehre Begleitumstände und Nachwirkungen des von den vier Siegermächten vorgenommenen unilateralen Abbaus der konventionellen Streitkräfte 94 brachten eine vierte, neue Komponente ans Licht: Die Verlagerung der Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie auf nukleare Abschreckung und Offensivkapazitäten zur Verhinderung eines Kriegsausbruchs bedeutete, daß sich die Siegermächte 95 einen eigenen Bereich internationaler Sicherheitsdiplomatie reservierten96.

μ 94

95

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nukleare Aufrüstung der Bundesrepublik unterließen; in dieser Phase hielt Eisenhower — fälschlicherweise - die Sowjetunion für den aggressiveren Gegenpart. »It may have been that the Soviets were trying to trade West Germany's non-acquisition of nuclear weapons for a guarantee that China would also be restrained from developing this capacity«: - Foot - Practice, S. 176 - stützt diese Vermutung auf eine Koinzidenz zwischen der Zurückhaltung der Sowjetunion in der 2. Taiwankrise und den sowjetischen Initiativen für Teststopverhandlungen. Siehe III.l,Anm. 19. Der Radford-Plan kann auch als Gegenstück zu den sowjetischen Ankündigungen interpretiert werden, die Kampfstärke durch den Abbau von Mannschaftsstärken zu verbessern. Zum Radford-Plan: FRUS, 1955-57, XIX, S. 363-387, 410, 420 ff., 467 ff. Das britische Kabinett nahm die sowjetischen Ankündigungen als willkommenen Anlaß, um die aus anderen Überlegungen beabsichtigte Reduzierung der Landstreitkräfte, insbes. der BAOR, auf das Argument der Zeitgemäßheit abzustützen; Dockrill, Misperceptions, S. 26-41; ders., Retreat. Für Frankreich war — nach der Niederlage in Indochina — die nordafrikanische Herausforderung, insbes. Algerien, vorrangig. Frankreich meldete den Anspruch an (Tripartismus), war aber vor 1960 nicht-anerkannte Nuklearmacht; Großbritannien bestand gegenüber den USA darauf, daß Teststop-Verhandlungen ernsthaft erst nach Zündung der eigenen II-Bombe und Änderungen des McMahon-Gesetzes verfolgt werden dürften. Erfolgreiche Ost-West-Verhandlungen führten zur Einrichtung der internationalen Atomenergieagentur, ausgehend von Eisenhowers Atoms-for-Peace-Offerte; siehe I1I.1, Anm. 8. In der militärischen Nutzung der Atomkraft gestand Chruscev den chinesischen Partnern im Januar 1955 weitgehende Anschubhilfe zu, die aber erst 1957/58 zum Tragen kam; Großbritannien und Frankreich machten ihre Einwilligung in Atomteststopverhandlungen davon abhängig, daß die USA ihnen technische I lilfe leisteten; die Revision des McMahon Act begünstigte Großbritannien, während die Bemühungen Eisenhowers und Dulles' um kontrollierte Proliferation in der NATO teils am Kongreß und an der AEC, teils an Frankreichs Gegenforderungen scheiterten: Großbritannien und Europa, S. 195 ff.; Schrafstetter, Dritte Atommacht, Kap. II; (Hark, Nuclear Diplomacy, S. 194 ff.

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Die maßgebliche strategische Denkfigur beruhte auf der Prämisse, daß jeder große, die vier Sieger-Nuklearmächte direkt tangierende Militärkonflikt ein Nuklearkrieg sein würde, mit VernichtungsSchlägen in der Startphase gegen empfindliche Ziele der Gegenseite; insofern hatte jede (Sieger)Nuklearmacht den strategischen offensiven (pre-emptive) Gegenschlag zu rechtfertigen. Die Rechtfertigung^lehren vertieften die Dissonanzen im westlichen Bündnis; das gleiche gilt für die Einstellung auf die Fälle, daß die Abschreckung versagte oder daß die sowjetische Seite die Möglichkeit behielt, lokale, begrenzte oder »accidental« Kriegshandlungen zu lancieren, um die politisch-moralische Solidarität der Westmächte untereinander wie beispielsweise in der Suez-Krise 1956 oder mit deren nicht-atomaren Verbündeten zu testen. Die westlichen Rechtfertigungslehren beruhten notwendigerweise darauf, richtige Ziele in der Sowjetunion auszumachen, weil nur dann die Risikoeinschätzung der Kremlführung beeinflußt werden konnte. In allen nicht-strategischen Szenarien mußte die Tendenz aufkommen 97 , beim Ersteinsatz der Nuklearsysteme durch die westliche Seite in Reaktion auf vorausgegangene konventionell-militärische Operationen der Sowjetunion bzw. ihrer Stellvertreter (DDR) gerade keine empfindlichen Ziele auf sowjetischem Heimatboden zu treffen, um keine sofortige Eskalation auszulösen. Die Bundesrepublik geriet von vornherein in ein auswegloses Dilemma, weil für sie die nuklearisierte Sicherheitsgarantie nur Sinn machte, wenn entweder auf die Abschreckungswirkung Verlaß war oder zumindest die Zusicherung galt, daß die in den I landen der USA, Großbritanniens, Frankreichs sowie der NATO liegende Einsatzdrohung primär sowjetische Ziele treffen mußte, und zwar sowohl auf sowjetischem Gebiet als auch die vorwärts-stationierten konventionellen Offensivkräfte und die Nachschubkräfte, um Moskau zu zwingen, Selbstkontrolle und Kontrolle über provokationsgesinnte Verbündete auszuüben. Für jeden anderen Fall drohte die eingangs dargelegte Schadenswirkung in beiden deutschen Staaten98. Die britische und die französische Rechtfertigungslehre für eine nationale, unabhängige nuklear-strategische Streitmacht beruhte schlichtweg auf zwei Setzungen: Im ersten Gedankenschritt wurde unterstellt, daß die USA trotz ihres Vorsprungs gegenüber der Sowjetunion verwundbar gegen sowjetische Bomber- und Raketenangriffe seien; deshalb würden amerikanische Präsidenten die nukleare Sicherheitsgarantie laut Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags nicht ohne weiteres einlösen können. Die britischen Regierungen hatten nur widerwillig dem Verlangen der Eisenhower-Administration und SACEURs nachgegeben, CINCEUR/SACEUR zu autorisieren, im Ernstfall die Freigabe der Nuklearsprengköpfe für die laut NATOPlanungen" dislozierten Streitkräfte anzuordnen; Frankreich hatte dies abgelehnt, ()7

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Bekannt ist dies unter dem Namen »pause concept«, das Norstad in die Diskussion einführte, es wurde von McNamara erweitert. I leuser, NATO, Britain, S. 48, 71, 82 u.a.O.; siehe I, Anm. 8 - 1 1 . Siehe I.2.g - JCS 2220/124, 15.4.1954; Wampler, NATO, S. 46; Maier, Politische Kontrolle, S. 4 1 - 4 9 . Eisenhower erteilte 1957 die Vollmacht: Watson, Into the Missile Age, S. 450-452.

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weil es die Einrichtung eines Dreier-Direktoriums bzw. die Reaktivierung der Standing Group als eigentlichen Vorgesetzten von SACEUR nicht erreichte. Mit dem zweiten Gedankenschritt folgte der Umkehrschluß: Die Sowjetunion könnte durch die kleineren britischen bzw. französischen Nuklearwaffen-Arsenale durchaus paralysiert werden. Trotz der Disparität im Umfang der Arsenale würde ein Gleichgewicht des Schreckens bestehen: »dissuasion du faible au fort«, wie de Gaulle es später nannte. Da Nationen ebenso wie Menschen nur einmal sterben könnten, so de Gaulies lapidare Begründung, könnten mit geringeren strategischen Waffensystemen ausgestattete Nationen auch zahlenmäßig überlegene Aggressoren abschrecken 1 "". Die USA und Großbritannien sollten Frankreich helfen bzw. erlauben, diese Stufe ebenfalls schnell zu erreichen; danach sollte der »Club« für andere Aspiranten verschlossen bleiben. Die Argumente der britischen und französischen Rechtfertigungslehre sollten im 1 linblick auf Drittstaaten jedoch nicht gelten. Auf die Logik des ersten Arguments, wonach Nuklearmächte aufgrund von »nuclear sufficiency« ihr I Ioheitsgebiet als Sanktuarium auswiesen, sollten nicht-nukleare Verbündete, einschließlich der Bundesrepublik, sich nicht berufen dürfen. 1 Iier wurde vielmehr die Behauptung ins Feld geführt, daß die Stationierung von strategischen Systemen — MRBM/Euromissiles —, die auf sowjetischem Gebiet liegende Zielobjekte erreichen könnten, eine unnötige Provokation der UdSSR darstelle; dies würde nicht nur den Entspannungsprozeß stören, sondern auch Erstschläge gegen NATOGebiet provozieren und damit die dort stationierten Streitkräfte der atomaren Schutzmächte gefährden. Zur Status-Ungleichheit, wer mit wem exklusiv über Atomteststop- und Nichtverbreitungsregime verhandele, kam so gesehen ein Maß an ungleicher Sicherheit hinzu. Letzteres konnte abgemildert werden, wenn zwei ineinandergreifende Annahmen entsprechende praktische Schritte nach sich zogen: (1) Die massive Dislozierung von atomaren Gefechtsfeldwaffen und sub-strategischen Systemen würde einerseits die Stationierungsländer an die nuklearstrategischen Führungsmächte der Allianz ankoppeln (lückenlose Abschreckung), andererseits aber die Stationierungsländer in die Pflicht nehmen, ihren Schlüssel zur Freigabe des Sofort- oder Ersteinsatzes von Kernwaffen nicht leichtfertig anzusetzen; früher oder später müßte man sich auf das Gebot der »flexible response« einlassen, sofern dies die Stufe nach Versagen der Abschreckung betraf. (2) Man verständigte sich darauf, den massiven Gegenschlag gegen die Sowjetunion nicht sofort (automatisch) anzusetzen, sondern bei nicht-nuklearen Erstattacken den Nuklearschlag gegen die nachfolgende Angriffswelle (inklusive Nachschub) zu richten, damit die Sowjetunion nicht sofort zum I Iöchsteinsatz aller ihrer Möglichkeiten provoziert werde; sie sollte bedenken können, ob sie die Angriffshandlung abbrechen oder die Es-

[ leuser, N A T O , Britain, S. 96.

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kalation riskieren wolle. Die britischen, aber auch die amerikanischen sowie SACEUR Norstads Planungen bewegten sich 1956-1959 in dieser Richtung 101 . Trotz der Dissonanzen blieben alle Verbündeten an Bord des schwankenden Schiffes »Abschreckung«: Nuklearwaffen galten gleichzeitig als essentiell — Psychologie der Abschreckung — und als Tabu-behaftet 102 , da man sich fragte, wer ihren militärischen Einsatz wirklich anordnen wollte. Die gleiche Rhetorik, mit der Gallois und de Gaulle oder die britische Regierung Zweifel an der amerikanischen Entschlossenheit weckten, konnten nicht-nukleare Verbündete gegen ihre europäischen NATO-Partner richten; jeder europäische Regierungspolitiker schreckte vor Festlegungen zurück, die ihn als »nuclear war monger« identifiziert hätten. Die »ambiguity« gilt auch für den exponiertesten deutschen Gaullisten: Für Strauß waren Nuklearwaffen das einzige Instrument, um jeden Kriegsausbruch zu verhindern; die Verluste konventioneller und nuklearer Kampfhandlungen galten als gleichermaßen unerträgliche Vorstellungen. Im Zusammenhang mit der Ernstfallplanung in der Berlin-Krise lehnte er den Zugriff auf Atomwaffen als primäre Planungsgrundlage ab1"3. Die Gretchenfrage gerade der deutschen Sicherheitspolitik lautete daher: Wie kann man erreichen und sicherstellen, daß Nuklearwaffen jedweden Kriegsausbruch in Europa unmöglich machen? Die Alternative aufzuwerfen: Ist konventionelle Abschreckung möglich?, verbot sich von selbst, da man weder die verlorenen Jahre von 1950-1955 wettmachen noch Frankreich und Großbritannien überzeugen konnte, daß es eine andere Form der Gegenmachtbildung als die in ihrer nuklearen Rechtfertigungslehre ausgedrückte Uberzeugung gebe. Im französischen Fall galt die Force-de-frappe-Mission dem eigenen J loheitsgebiet, im britischen Fall war dank der Doppelbindung an die USA und an die NATO eine »extended security guarantee« impliziert. Angesichts des unaufhebbaren strategischen Dilemma, daß man die Option konventionelle Abschreckung ausschloß, ohne die Diskrepanz zwischen den Nuklearstrategien der drei Kernwaffenstaaten der NATO loszuwerden, verlegte sich die Diskussion auf die Disziplinierung des politischen Verhaltens 104 . Hierbei wurde die Bundesregierung der bevorzugte Adressat von Aufforderungen, Positionen zu schleifen, an denen die anderen Staaten Anstoß nahmen: Nicht-Anerkennung der DDR; Nicht101

102

1M 104

Wampler, NATO, S. 46 f. Dulles teilte Norstads Ansichten; in diesem Sinne erläuterte Dulles seinem deutschen Amtskollegen v. Brentano: »there was one exception to the general principle that the use of nuclear weapons was a political decision: if a ground force were attacked. If the commander of this force had tactical nuclear weapons [...] he already was authorized to use them to prevent the destruction of his command«, 23.11.1957: FRUS, 1955-57, IV, S. 191; ähnlich hatte Dulles im NATO-Rat am 16.12.1954 Position bezogen: FRUS, 1952-54, V, S. 542-547; Wampler, ebd., S. 46 f.; Maier, Politische Kontrolle, S. 41-49. Siehe dazu jetzt den von Gaddis, Gordon, May, Rosenberg edierten Band Cold War Statesman; Tannenwald, Nuclear; Gaddis, Long Peace, Kap. 5. Wampler, USA, Adenauer, S. 278; siehe 1.1 sowie 2.d und g. Dazu die von Schrafstetter - Dritte Atommacht, S. 42 f. — zitierten Aussagen Lloyds; diese sind im Kontext der britischen Überlegungen zu sehen, wie man (a) Chruscev zum Einfrieren des Berlin-Ultimatums und (b) die Bundesrepublik zur Abkehr von ihren Rechthaberei-Positionen bewegen könne; Schmidt, Test; ders., Auswirkungen.

III. Z ä s u r 1 9 5 5 / 5 6 . S t r u k t u r e n n a c h d e m ersten g r o ß e n W a n d e l

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Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze; Annullierung des Münchener Abkommens. Ein Argument zur Rechtfertigung für den Verzicht auf die Option »konventionelle Abschreckung« war, daß man dem Kreml zugutehielt, daß er keinen großen Krieg in Europa anzetteln würde; also ginge es primär darum, die UdSSR von der Bereitschaft abzuschrecken, die Standfestigkeit der NATO zu testen. Dazu war es notwendig, Einfluß auf die Politik zu gewinnen, die in Washington gemacht wurde. Paris und London verhehlten nicht, daß sie ihren Besitz von nuklearstrategischen Systemen als Hebel betrachteten, um in Washington ihr Anrecht auf erstrangige Konsultation durchzusetzen und notfalls die USA in Zugzwang zu bringen1"5; gleichzeitig wollten sie den Abstand zu Einflußchancen der Bundesrepublik auf die USA markieren: » T h e m a i n t e n a n c e o f o u r n u c l e a r c a p a c i t y is [...] a k e y e l e m e n t in o u r r e l a t i o n s w i t h t h e U n i t e d S t a t e s a n d m a y b e c o m e s o in r e l a t i o n s to E u r o p e , w h e r e t h e F r e n c h a n d t h e G e r m a n s t o g e t h e r a r e l i k e l y to d e v e l o p s o m e n u c l e a r c a p a c i t y in d u e c o u r s e [...] w e s h o u l d h o w e v e r g e t b e t t e r v a l u e f o r o u r m o n e y in t h e n u c l e a r field b y t h e p o o l i n g o f inf o r m a t i o n w i t h t h e A m e r i c a n s if t h e M c M a h o n A c t is s u i t a b l y a m e n d e d 1 " 6 . «

Für Bonn gab es nur die Möglichkeit, sich in Washington direkt Gehör zu verschaffen1"7, denn vorerst hatte die NATO (SACEUR) weder eine Strategicdeterrence-Kompetenz noch entsprechende Missionen und Ausstattung. Mit dem Nicht-Ersatz der in Großbritannien, Italien und der Türkei dislozierten THORund JUPITER-MRBM nach 1963 und dem Fehlschlag der verschiedenen hardware-Projekte (1957-1967) gab es außerhalb Großbritanniens und Frankreichs in NATO-Europa zwischen 1963 und 1983 keine strategischen Raketensysteme (Euromissiles). Darüber zu befinden, ob, in welchem Stadium und wie weitgehend der Kreml durch Informationen abgeschreckt werde, daß westliches Militärpotential Ziele auf sowjetischen Boden abdeckte, war und blieb das Privileg vor allem der USA. Die Nachfolger de Gaulles konnten aufgrund der Vetomacht der französischen »Nuklear-Gaullisten« weder konzeptionelle Schritte in Richtung »extended deterrence« umsetzen noch gar die praktischen Voraussetzungen schaffen, nämlich ähnlich den USA und Großbritannien ihre prä-strategischen Nuklearwaffen (Pluton; Hades) auf deutschem Boden vorauszustationieren 1 " 8 . ιυ··>

Navias, Nuclear Weapons; l'reedman, British Nuclear Targeting; ders./Navias/Wlieeler, Independence; Heuser, N A T O , Britain; Melissen, Struggle; Klein, I.a France, l'arme; ders.. La France, ΓΟΤΛΝ; Mongin, La bombe; Soutou, L'Alliance Incertaine; I.a France et l'atome; Vai'sse, IntraAlliance. ""> Report bv Officials, T h e Position of the United K i n g d o m in World Affairs, 6.3.1958, PRO. C A B 130-153 und P R E M 11-2321; Großbritannien und Huropa, S. 213. 107 Von Brentano an Adenauer, 9.3.1957, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S. 2 0 3 - 2 0 8 , 206: »[...] daß wir es weitgehend in der I land haben, die Politik der Vereinigten Staaten in den nächsten Jahren zu bestimmen. Eine wachsende Stärke Europas bindet die Amenkaner enger an uns; jede Untätigkeit und jedes Nachlassen in den Anstrengungen verstimmt die Vereinigten Staaten und entfremdet sie der europäischen Politik.« Der gleiche Tenor beherrschte die britischen Bestrebungen, die USA auf die »anglo-american special relationship« einzuschwören: Großbritannien und Europa, S. 191; Schmidt, Auswirkungen, S. 6 5 8 - 6 6 3 . I0S Rühl, N A T O , S. 135 ff.; Kocs, Autonomy; Nlenon, Paradoxes.

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Die britische, seit 1961 offiziell vertretene Konzeption, durch frühen oder Ersteinsatz von taktischen Atomwaffen den Angreifer zum Aussetzen der ersten Angriffswelle und eventuell sogar zu »war-termination« zu bewegen, kam zwar deutschen Vorstellungen entgegen, enthielt aber den Pferdefuß, daß solche Systeme den Hauptschaden auf bundes- ebenso wie ostdeutschem Gebiet anrichten würden1119.

6. Die Suche nach dem Weg aus der Sackgasse: Die Strategiedebatte in den Vereinigten Staaten Das Gleichgewicht des Schreckens hatte zwei Konsequenzen. Die erste deutete sich 1955 an110, wirkte sich aber erst seit Beginn der 1960er Jahre aus, als die USA auf ICBM setzten und das Zwischen-Experiment MRBM mit dem Abzug der obsolet gewordenen Jupiter-Systeme aus Italien und aus der Türkei nach der Kuba-Krise einstellten. Es ging darum, daß die USA, sobald sie über die breite Palette land-, see- und luftgestützter nuklear bestückter interkontinentaler Raketensysteme verfügten, den Ilandlungsspielraum gewannen, um sich auf »sichere« Peripherien zurückzuziehen. Die Nuklearisierung ihrer Sicherheitsgarantie und die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der »massive retaliation« bedingten allerdings, daß die USA Gefechtsfeldwaffen und MRBM in Westdeutschland, Taiwan, Japan111 und Südkorea dislozierten und den Schutz dieser Systeme selbst in die Hand nahmen, also ihre Präsenz vor Ort verlängern mußten. Vor- und Nachteile dieser Präsenz waren ein Streitpunkt 112 . Ein zweiter Streit entzündete sich daran, ob die neue Form der Präsenz Möglichkeiten eröffnete, die ältere, überwiegend konventionelle Streitkräfte-Präsenz zu reduzieren. Eisenhower unterstützte zwar die von Radford vertretene Position, daß die Bedeutung der amerikanischen Truppen in Übersee zurückgehe, weil die USA im Konfliktfall in NATO-Europa, im Mittleren Osten oder in Japan einen »all-out-war« führen müßten 113 . Dennoch bewog ihn die bündnispolitische Rücksichtnahme auf französische Einwände oder auf Adenauers innenpolitische Glaubwürdigkeit dazu, den Radford-Plan nicht freizugeben. »[...] If we took our forces out of Europe today we would loose that continent114.« Die gleiche InkonI leuser, NATO, Britain, S. 79 ff.; Gablik, Strategische Planungen, S. 162, 219 f. u.a.O. "ο NSC, 257. und 258. Sitzung, 4.8. und 8.9.1955: FRUS, 1955-57, XIX, S. 99 ff., 112-120, femer S. 14 ff., 164, 242 ff., 446 ff., 621, 657 f. 111 Neuen Dokumenten-Publikationen zufolge hatten die USA auf japanischem Gebiet Atomträgersysteme installiert - www.thebulletin.org (Januar/Februar 2000); II IT, 13.12.1999, The Bulletin of the Atomic Scientists; Watson, Into the Missile Age, S. 638. '12 Dulles an Wilson, 28.6.1956: FRUS, 1955-57, XIX, S. 334-336; ebd., NSC 292. Sitzung, S. 344; ferner ebd., S. 333 ff., 352, 366, 412, 430, 473 ff., 476 ff., 703 f., 709. 'I' NSC, 325. Meeting, 27.5.1957: FRUS, 1955-57, XIX, S. 503; siehe I.2.g. Eisenhower, NSC, 280. Meeting, 22.3.1956, FRUS, 1955-57, XIX, S. 273; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 591. 109

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sequenz begegnet uns bei der Behandlung der Kehrseite des Problems: 1 Iier hatte der N S C 1 1 5 festgestellt, »that peripheral war (would) become more important as general war (was) no longer possible«. Die richtige Schlußfolgerung daraus zogen Ridgway und Taylor, teilweise auch Dulles: die Notwendigkeit einer flexiblen Strategie für eine Vielzahl von »local, limited, accidential war«116. Die amerikanischen Rüstungsausgaben trugen dieser Erkenntnis nur insofern Rechnung, als sie Luft- und Seestreitkräfte aufstockten und »moderne« Waffensysteme auch an die Verbündeten lieferten; hinsichtlich der »ground forces« waren die NATO-Partner und Japan gefordert. Eisenhowers Entscheidung, daß jeder Angriff auf Kerngebiete — N A T O Europa, Japan, Mittlerer Osten — genauso wie ein direkter Angriff auf die USA einen »general war«/Α tomkrieg bedeute, Schloß ein, daß mögliche Fälle von »limited/local war« in diesen Gebieten nicht in die Kategorie »peripheral war« fielen. In den Kerngebieten setzte die Verlängerung der Präsenz amerikanischer Streitkräfte ein Zeichen, daß die USA eine dritte Option neben der Alternative »Soforteinsatz der strategischen Systeme« oder »Selbstabschreckung« behaupten wollten: die arbeitsteilige Allianzstrategie 117 . Die Krux war allerdings, daß einige Verbündete — z.B. Großbritannien oder Frankreich - als exponierte Länder bei ihren begrenzten militärischen Kraftakten zur Ilerrschaftssicherung in der Peripherie von den USA Rückendeckung erwarteten (und z.T. erhielten) 118 , während andere Verbündete Bundesrepublik und Taiwan — mit dem Mißtrauen Großbritanniens oder Frankreichs rechnen mußten, daß sie »limited war« als Gelegenheit zu Revanchismus mißbrauchen könnten 119 . Die doppelte Präsenz der USA — durch ihre Truppen zum Schutz der Nuklearsysteme und durch Fortführung der Stationierung konventioneller Streitkräfte — gewährleistete jedenfalls, daß die von den Verbündeten gefürchtete Konsequenz ausblieb, daß nämlich die mit den Interkontinentalraketen gebotene Möglichkeit des Rückzugs auf »störungsfreie« Stützpunkte einhergehen würde mit dem Abbau amerikanischer Präsenz in »Krisen-Zonen«. Im Nationalen Sicherheitsrat stellten die amerikanischen Entscheidungsträger im Herbst 1955 12 " intern fest, daß die Vorbehalte wichtiger Verbündeter gegen die amerikanische Nuklearstrategie und die Proteste gegen amerikanische Stützpunkte einschließlich der Anlaufstationen für Nuklear-U-Boote eigentlich gegen die Zwischenlösung einer Stationierung von M R B M und für die Konzentration auf Entwicklung und Produktion von I C B M sprächen 121 . Doch weil die Mittelstreckenra»5 NSC, 257. Sitzung, 4.8.1955: LRUS, 1955-57, XIX, S. 102, 210 ff., 311 ff. i " N S C 5501, N S C 5602/1, N S C 5707: LRUS, 1955-57, X I X , S. 12-24, 242-264, 446 ff., 480 ff., 488 ff., 507 ff. 1,7 Siehe I.2.d, f und g. 1 E n t s p r e c h e n d der Eisenhower-Doktrin für den Mittleren Osten unterstützten die USA die britische Politik im Libanon 1958. 119 Schmidt, Auswirkungen, S. 654 ff.; betr. Selwvn Lloyd siehe II, Anm. 375. l2 » Siehe III, Anm. 110; Docknil, Eisenhower, S." V 9 ff. 121 I'RL'S, 1955-57, X I X , S. 308, 333 ff., 352, 366, 412, 430, 473 ff., 476 ff., 621, 657 f., 7()3 f., 7 0 g f

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keten früher verfügbar sein würden und weil außerdem das Department of State, »Abrüstungs«minister Stassen und SACEUR für die Dislozierung von Kurz- und Mittelstreckensystemen plädierten, fiel die Entscheidung zugunsten der Mehrgleisigkeit. Der erste erfolgreiche Test eines sowjetischen nuklear-bestückbaren Raketensystems im Februar 1956 bestärkte die US-Administration in der Auffassung, auf alle neuen Möglichkeiten zugreifen zu müssen122. Die zweite Konsequenz aus dem Gleichgewicht des Schreckens betraf NATOEuropa. Mit dem Drängen SACEURs auf die Bereitstellung landgestützter Mittelstreckenraketen trat die deutsche Frage erneut ins Rampenlicht, auch wenn Norstad nicht an die Dislozierung auf deutschem Gebiet oder gar an die Ubergabe dieser Systeme in deutsche Hände dachte. Wäre letzteres Realität geworden, hätte sich die Frage: Wer bietet Sicherheit vor Deutschland? in zugespitzter Form gestellt. Zur Lösung des Problems »Sicherheit vor Deutschland« im Nuklear- und Raketenzeitalter steuerten die USA eine zweifache Integration an: 1. die europäische über EURATOM und EWG. Im praktisch-taktischen Verhalten lernten sie aus den Fehlern in der EVG-Phase und überließen den Europäern - Großbritannien bei der WEU/NATO-Frage; Frankreich in der EURATOM/EWG-Frage - den Vortritt. Die USA übten allerdings Druck auf Bonn zugunsten einer europäisch-kontrollierten zivilen Nutzung der Atomenergie aus. Die Antwort auf die Frage, ob die britischen und die französischen Ambitionen dank ihrer strategischen Abschreckungskapazität als »European option« zu bewerten seien, überließen die USA den Partnern, insbesondere der Bundesrepublik. Diese würde damit anerkennen, daß sie nicht im Sinne der britischen und französischen Rechtfertigungslehre selbst Atommmacht werden müsse, um den Sanktuarium-Status zu erreichen, sondern sich auf »extended deterrence« durch die beiden westeuropäischen strategischen Nuklearmächte — unter dem amerikanischen Nuklearschirm — verlassen wolle. Adenauer tat sich als Wortführer einer rechtzeitig eingeleiteten Europäisierung der nuklearen Sicherheitsgarantie hervor, konnte aber auch auf französische Vorstöße reagieren123. 2. die nordatlantische durch Zuweisung nuklear-strategischer Befugnisse an die NATO. In Betracht kamen »NATO als integrierte 4. Atommacht«, entweder unter SACEUR oder durch eine MLF, die dann, mit einer europäischen Option-Klausel ausgestattet, im Fall der Entwicklung der EWG zur politischen Union zu einer »nuklearisierten« WEU führen könnte. 122

123

Der erste Kompromiß wurde am 1.12.1955 erreicht, NSC, 268. Sitzung: FRUS, 1955-57, XIX, S. 166-170; die Beschlußfassung geht auf Berichte über die »military balance«, aber auch auf die Eigendynamik der von den Streitkräften lancierten Programme zurück; Roman, Eisenhower; Watson, Into the Missile; Dockrill, Eisenhower, S. 179 ff., 183 ff. Schmidt, Auswirkungen; ders., Anglo-Amerikanischer Duopol, Großbritannien und Europa, S. 184-216; Melissen, Struggle. Zu den französisch-deutsch-italienischen Projekten 1956-1958: Soutou, Les accords; Vai'sse, Dialogue de sourds; Schmitt, Frankreich, S. 30 ff.; Barbier, Les negociations; Fischer, Projekt; Nuti, I.a role; Schwarz, Adenauer, II, S. 394-401. Für Adenauer ebenso wie für Mollet und Gaillard bedeutete das FIG-Projekt keine 3. Kraft-Bildung ohne und gegen die USA.

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Da sich weder Frankreich noch Großbritannien vor den Karren einer NATOEuropa-Nuklearstreitkraft spannen lassen wollten, spielte sich das Geschäft auf Gegenseitigkeit zwischen den USA und den Nicht-Nuklearstaaten ab, verbunden mit der Hoffnung, daß London sich zur Beteiligung aufraffen könnte124. Die USA mußten sich darum bemühen, für beide Seiten akzeptable Regelungen des Konsultations-Problems zu finden, so daß einerseits die USA - im Hinblick auf die globale Machtprobe — von Stützpunkten im Bündnisgebiet aus Macht projizieren könnten, ohne andererseits die Souveränität und die Sicherheit des »host country« unnötig zu gefährden 125 . Der in dieser Hinsicht bedeutsamste Schritt war, daß die USA unter dem Aspekt des »bomber gap« (1955) und des »missile gap« (1957-1961) nicht nur eine Änderung ihrer Prioritäten zugunsten von »continental defense« und »Hilfe zur Selbsthilfe« an die vielen Verbündeten vornahmen. Vielmehr legten sie auch intern und gegenüber sensiblen Verbündeten wie der Bundesrepublik den neuen Grundsatz fest, daß es Perspektiven gebe — wie zum Beispiel Rüstungskontrolle als Wegbahner eines Ausgleichs zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion 126 —, die durch keine anderweitig noch so verständlichen Vorbehalte wie dem Beharren der Bundesregierung auf Wiedervereinigung als Vorbedingung oder zumindest Nebeneffekt einer Entspannungspolitik verstellt werden dürften127. In diesem Falle sprachen die Kanadier den USA aus dem Herzen: »[...] the Germans must surely realize that the N A T O Council has other interests, in addition to its continuing concern over German reunification 128 .«

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127

I2B

Z u r E n t w i c k l u n g n a c h d e G a u l l e s A u f k ü n d i g u n g des F I G - P r o j e k t e s 1958: S c h m i d t , G r o ß b r i t a n nien u n d E u r o p a , S. 1 8 2 - 3 1 4 ; S c h m i d t , T e s t . A u f die P r o b l e m e der Z w e i - S c h l ü s s e l - A b k o m m e n , die i n n e n p o l i t i s c h e n Proteste g e g e n eine A u s w e i t u n g der Z u g e s t ä n d n i s s e i m R a h m e n der S t a t i o n i e r u n g s a b k o m m e n für F l u g s t a f f e l n u n d B o d e n t r u p p e n a u f die R a k e t e n s y s t e m e k a n n hier nicht e i n g e g a n g e n w e r d e n . D e n P r o b l e m e i n s t i e g e r m ö g l i c h e n : U.S. Military F o r c e s in E u r o p a ; S c h m i t t , F r a n k r e i c h , S. 3 4 ff. D a s P r o b l e m rührt d a h e r , d a ß d e r U S - P r ä s i d e n t seinen in U b e r s e e tätigen B e f e h l s h a b e r n g r ö ß e r e r V e r b ä n d e die A u torität d e l e g i e r e n m u ß t e , bei E r s c h ö p f u n g o d e r A u s s i c h t s l o s i g k e i t a n d e r e r A b w e h r m ö g l i c h k e i t e n d e n Einsat/ d e r d o r t dislozierten K e r n w a f f e n a n z u o r d n e n ; siehe 1.2.g. T e c h n o l o g i s c h e Fortschritte ( U - 2 ) erleichterten es E i s e n h o w e r , den O p e n S k i e s - V o r s c h l a g zu m a c h e n ; d a m i t w o l l t e er n i c h t n u r d e m \\ esten die Initiative sichern b z w . d e r S o w j e t u n i o n die V o r r e i t e r r o l l e bei F r i e d e n s k a m p a g n e n streitig m a c h e n ; v i e l m e h r e r w a r t e t e er a u c h , ü b e r eine Verb e s s e r u n g d e r politischen A t m o s p h ä r e z u r V e r b e s s e r u n g d e r B e z i e h u n g e n in a n d e r e n F r a g e n vorz u s t o ß e n ; R u p i e p e r , G i p f e l d i p l o m a t i e , S. 2 1 9 f f ; Dockrill, E i s e n h o w e r , S. 139 ff. Z u r H a l t u n g A d e n a u e r s : K a b i n e t t s p r o t o k o l l e , IX, S. 4 8 7 ( 2 0 7 . 1 9 5 6 ) , S. 7 0 7 (9.11.1956); siehe I.2.d. Z u r A u s s a g e E i s e n h o w e r s (1955) siehe T h o ß , Beitritt, S. 160; K o s t h o r s t , B r e n t a n o , S. 4 " f f ; A d e n a u e r , E r i n n e r u n g e n , II, S. 4 7 1 Z u r K o n t r o v e r s e D u l l e s - S t a s s e n s.u. Staatssekretär l . e g e r , M e m o r a n d u m for the Minister ( P e a r s o n ) , 2 2 . 3 . 1 9 5 6 , M G 2 6 N 1 , vol. 66, file E i s e n h o w e r / S t . L a u r e n t 1956; es handelt sich u m einen a u s f ü h r l i c h e n K o m m e n t a r z u m Bericht v o n B o t s c h a f t e r R i t c h i e - 14.3.1956, Tel. 8 6 - ü b e r G e s p r ä c h e mit J.F. D u l l e s a m V o r a b e n d der NAT-Ministerrats-Tagung.

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7. Das Interesse an Entspannung durch Rüstungsminderung Als diejenige Macht, die die Sowjetunion von Expansion ebenso wie von Einschüchterungsmanövern abschrecken sollte, sei Amerika, so Eisenhowers Argumentation, berechtigt, »to reach out to the Soviets and try to break through this Cold War stalemate« 129 .Weil sie das kollektive westliche Gut — glaubwürdige Abschreckung — vorhielten, seien die USA legitimiert, die Chancen für den Abbau von Spannungen dort zu testen, wo die Supermächte spezielle Verantwortung trügen: Rüstungsbegrenzung und -kontrolle 130 . In dieser Sache war des Präsidenten Wort aber nicht Befehl, sondern die Joint Chiefs of Staff und die Ressortchefs für Verteidigung und Atomenergie konnten Bedingungen und Aufschübe erreichen, so daß die bilaterale Rüstungskontroll-Diplomatie der Supermächte lediglich schrittweise zum Synonym für amerikanische Entspannungspolitik werden konnte131. Für das Bündnis war der Zeitpunkt gekommen, an dem sich zeigen mußte, ob es die Umakzentuierung der Bedrohungsvorstellungen seiner Mitglieder verkraftete. Die USA wollten im eigenen Interesse herausfinden, ob es »rules of conduct« im Wettrüsten mit der Sowjetunion geben könne; davon erhofften sie sich positive Spill-over-Effekte auf Methoden des gemeinsamen Krisenmanagements 132 . Für die Verbündeten ging es darum festzustellen, ob und inwieweit die USA ihre Zusage einhielten, sich für deren Interessen zu verwenden, zum Beispiel das Wiedervereinigungsgebot der Bundesrepublik aktiv zu unterstützen. Das Interesse an der Zugehörigkeit zum US-zentrierten Bündnis bzw. zur Mitwirkung im Bündnis hing von der Einschätzung ab, wie groß der Rückhalt bei den USA und bei anderen Verbündeten war, die auf die USA Einfluß nehmen konnten. Die »alte« Bindekraft würde insbesondere dann wirksam bleiben, wenn beide Partner einander das Recht zubilligten, unter veränderten Umständen den Akzent neu zu setzen. Dabei stand von vornherein fest, daß die USA als globaler Akteur ihre Zusagen »rebus sie 129 130

131

132

Rupieper, Gipfeldiplomatie, S. 218 f. In seinem Schreiben vom 28.9.1957 an Eisenhower unterstellte J.F. Dulles seinem Konkurrenten Stassen die Auffassung, »that we should seek some sort of an agreement with the Russian on almost any terms — their terms if necessary«: DDEL, J.F. Dulles-Papers, White House Memoranda series, Box 5. Im direkten Gespräch mit Stassen am 20.1.1957 hob Dulles hervor, daß man die Frage des Rück2ugs amerikanischer Streitkräfte aus Europa nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen deutschen Vereinigung diskutieren dürfe; es gäbe für die UdSSR viele andere Möglichkeiten der Kontrolle über die Satellitenstaaten, so daß Abzug sowjetischer Truppen und Unabhängigkeit nicht gleichzusetzen seien; die Verhältnisse in der CSR, in der keine sowjetischen Streitkräfte stationiert seien, bilde ein Beispiel; Memorandum of Conversation Dulles-Stassen, 20.1.1957: DDEL, J.I·'. Dulles, General Correspondence and memoranda, Box 1. Stassen plädierte für einen Alleingang nach Moskau, weil das die Chancen für eine umfassende, Teststop und Disengagement gleichermaßen voranbringende Lösung verbessere; zur Auseinandersetzung DullesStassen: Brands, Cold Warriors, S. 155- 161. Der Vorwurf einer Supermacht-Konspiration eilte der Wirklichkeit voraus. Kritische Historiker werfen Eisenhower vor, daß er seine Autorität nicht gegen die obersten Militärs eingesetzt habe; Gnad, Konfrontation, S. 14 ff. I'RUS, 1955-57, XIX, S. 219 ff., 252 f., 423 ff., 448, 484 ff., 517 ff., 634, 666 ff.

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stantibus« gaben, immer verbunden mit der Bekundung, daß sie als Führungsmacht ihre Verantwortung kennen würden. Angesichts der veränderten Großwetterlage in der internationalen Politik stellte sich die Frage, welche Schlußfolgerungen die Verbündeten der westlichen Supermacht aus dem offen bekundeten Standpunkt der USA zogen, daß es Bereiche gäbe, die primär sie selbst und den Antagonisten Sowjetunion angingen. Im Hinblick auf die künftige »Ära der Verhandlungen« 131 machten die USA deutlich, daß sich der Stellenwert der militärischen Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik in der amerikanischen Sicherheits- und Bündnispolitik nach den Aussichten auf Verständigung zwischen den Supermächten und der Einbindung Deutschlands in interdependente westliche Strukturen richten werde. »If the following vear [...] represents an optimum period for achieving some kind of settlement of US-Soviet relations, no German consideration should be allowed to stand in the wav of it. Conversely, to the extent that German aims coincide or do not conflict with US objectives with regard to the Soviets, thev should receive maximum support [...] The goal for long range policy should be to maintain Germany's connections with the West as long as there is anv substantial security threat form the Soviets. T o the extent that this threat is diminished, we might consider proportionate relaxation of Western ties with and positions in Germany [...] Provided Germany remains in the alliance and German defense forces are in being, we might [...] consider in principle adjustment of Allied defense positions in Germany relative to what the Soviets are prepared to do 1 3 4 .«

D a s negativste, wenn auch mangels einer echten Alternative nicht dauerhaft nachhaltige Verdikt über Eisenhowers »Vertrauensseligkeit« 135 stammte aus der Feder des deutschen Bundeskanzlers. In einer extrem pessimistischen Einschätzung der Resultate des Genfer Gipfels erklärte Adenauer die »Sowjets« zum eindeutigen Sieger 136 . Seine Einschätzung beruhte vor allem darauf, daß Eisenhower eingestanden hätte, die USA könnten (bzw. wollten) nicht auf allen Gebieten der »Sicherheit durch Rüstung« mit der Sowjetunion konkurrieren und müßten deshalb auf die Verhandlungsbereitschaft des Kreml setzen. Im Antwortschreiben legte Dulles 137 , allerdings mehr zwischen den Zeilen, dar, daß die USA ihrerseits gleichsam Kassensturz gemacht 138 und bei der Überprüfung der »National Basic Security Policy«

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1,1

1W

l'RL'S, 1 9 5 5 - 3 7 , X I X , S. 45, 80 f., 84, 88, 96, 134, 149, 193, 258, 291 ff., 324, 326, 342. 364. C K i d d , T h e G e r m a n Problem in the Forthcoming hour Power Conference and US Policy. 27.6.1955: N A , R G 59, L o t 63 D 166, B o x 04, file 5.14. Eine entsprechende Besorgnis hatte Dulles am I I . 7 . 1 9 5 5 gegenüber C . D . |ackson im Hinblick auf das G e n f e r Gipfeltreffen geäußert; er wollte Eisenhower warnen, sich nicht aus G r ü n d e n der K o n f e r e n z a t m o s p h ä r e zu faulen K o m p r o m i s s e n hinreißen zu lassen: 1'RUS, 1 9 5 5 - 5 - , V. S. 3 0 1 - 3 0 5 . Adenauer an Dulles, 25.7.1955, l ' R U S , 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 539 f.; Adenauer, Erinnerungen, II, S. 474 ff.; Adenauer an Dulles, 9.8.1955: Eriken, Dulles, S. 314 f. Dulles an Adenauer, 15.8.1955: 1 R U S , 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 5 4 7 - 5 5 0 ; Adenauer, Erinnerungen, II, S. 481 ff. Eisenhower widersetzte sich dem Standpunkt der | C S , daß die W eiterführung des W ettrüstens angemessener sei als die Suche nach Rüstungsbegrenzungsabkommen; er hielt ihnen vor, warum sie nicht gleich direkt zum Krieg gegen die U d S S R rieten, wenn sie das W ettrüsten immer neu

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festgestellt hatten, daß sie bis etwa 1958 noch einen satten Vorsprung gegenüber der Sowjetunion hätten. Sie folgerten daraus, daß sie diese Periode der Stärke für eine »Ära der Verhandlungen« nutzen sollten. Das Rationale ihrer internen »strategic review« und die Eckdaten behielten die USA für sich. Adenauers Anklageschreiben fixierte den wunden Punkt, an dem sich Mißtrauen und Verdächtigungen in den Beziehungen zwischen Bonn und Washington entzündeten. Großbritannien und Frankreich standen bei Adenauer schon länger im Verdacht, sie suchten den Status quo in Mitteleuropa zu stabilisieren und die deutsche Teilung festzuschreiben 139 , weil das für sie der bequemste Weg zur Absicherung ihrer Position im Mächtegefüge sei140. Das wog um so schwerer, als Adenauer die britische und französische Verteidigungsfähigkeit äußerst skeptisch beurteilte und damit nolens volens die USA als einzig wirksame Schutzmacht empfand 141 . Auch Dulles machte keinen Hehl daraus, daß ihm die Verhandlungsbereitschaft dieser beiden Verbündeten gegenüber der Sowjetunion zu weit ging. »[...] Our main trouble is going to come from the need of cooperating with the British and the French, who have always been willing to make a deal on the basis of the Status quo 142 .«

ITO

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anheizen wollten. Neben notwendiger Aufrüstung müßte die amerikanische Regierung an Inspektionsregime (Open-skies-Projekt) und andere Möglichkeiten denken, um die Absichten der Sowjetunion besser beurteilen zu können; JCS Memorandum an Secretary of Defense, 16.6.1955: FRUS, 1955-57, XX, S. 122-125; NSC-Meeting, 30.6.1955: ebd., S. 145, 148-152; NSC Meeting, 7.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 268-272; Immerman, Trust, S. 53. Schmidt, Europe Divided, S. 160 f. Adenauers Kritik am revidierten Eden-Plan, den Eden in Genf vorlegte, zeigt dies überdeutlich; White, Detente, S. 56 f.; Dockrill - Eden Plan - betont, daß es Mißverständnisse aufgrund mangelnder britisch-deutscher Konsultationen gab; der britische Plan zur deutschen Vereinigung und der Eden-Plan betr. »arms control«/ gemeinsame Inspektionszonen wurde von Adenauer durcheinandergeworfen, siehe Gossel, Briten, S. 101 ff., 116 ff.; Schwarz, Adenauer, II, S. 183-186; PRO, PREM 11-894; FRUS, 1955-57, V, S. 323-325. Dulles bestätigte Adenauer - 9.8.1955: NA, RG 59, 762.00/8-955; Adenauer, Erinnerungen, II, S. 478 —, daß auch er britische und französische Tendenzen betr. »making a deal on the basis of the status quo« teile. Am Vorabend der Abreise nach Genf begründete Dulles seine Sorgen betr. Verlauf und Ausgang des Genfer Gipfels gegenüber (ID. Jackson am 11.7.1955 damit, daß Großbritannien und Frankreich im Streben nach »detente« von der Kremlführung zum Abschluß schädlicher Abmachungen verführt werden und Eisenhower aus Gutmütigkeit einschwenken könnte: FRUS, 1955-57, V, S. 301 - 305. Die Vorgespräche in den Außenministertreffen der drei Westmächte vom 8.-14.6.1955 und vom 13.-15.7.1955 - Dockrill, Eden-Plan, S. 175 ff. — ergaben Einvernehmen im prinzipiellen Fragen: So sollte Moskau die Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands in der NATO im Rahmen eines europäischen Sicherheitssystems hinnehmen; es gab jedoch erhebliche Vorbehalte in der Frage, was man der Sowjetunion bieten müsse, um über die deutsche Frage überhaupt ins Gespräch zu kommen. Das sowjetische Außenministerium (28.5.1955) rechnete damit, daß Frankreich - in Analogie zur Indochina-Konferenz 1954 - Moskau um Unterstützung bei der Lösung seiner Probleme in Tunesien und Algerien ersuchen könnte: Zubok, Soviet Policy, S. 71. Protokoll der Sitzung des Bundesvorstands der CDU, 26.4.1954, in: Adenauer, Wir haben wirklich, S. 196; zuerst veröffentlicht von Gotto, Sicherheits- und Deutschlandfrage, S. 143. Dulles an Eisenhower, 10.8.1955: DDEL, AWF, Dulles-IIerter Series, Box 5; Gossel, Briten, S. 116; Feiken, Dulles, S. 314 f. Ebenso wie Adenauer wußte auch Dulles, daß die britische und französische Politik nicht auf einen Ausverkauf deutscher Interessen abzielten; die Ausbrüche des Mißtrauens und der Verbitterung häuften sich jedoch.

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Entgegen den Vorabsprachen preschte Faure 143 auf dem Genfer Gipfel mit dem Vorschlag vor, die Militärblöcke durch eine gesamteuropäische Sicherheitsorganisation zu überwölben und Abrüstungsfragen unter dieser Perspektive zu erörtern. Bei der Vorstellung seines Inspektionszonen-Plans (am 21. Juli 1955) entkoppelte Eden, gleichfalls abweichend von der Vorabsprache, die Durchführungsvorschläge von dem bislang maßgeblichen westlichen Grundsatz, daß alle Vorschläge nur für den Fall gültig seien, daß die deutsche Vereinigung beschlossene Sache sei. Eden und Macmillan vertraten in internen Erörterungen den Standpunkt, daß die britische Regierung sich durch Dulles' kritische Einstellung gegenüber Sondierungsgesprächen mit der Sowjetunion nicht davon abschrecken lassen dürfe, Vorschläge auszuarbeiten, die für Moskau attraktiv sein könnten. Um den Kreml überhaupt zu Gesprächen über das Problem des geteilten Deutschland zu gewinnen, so führte Eden aus, müsse die westliche Seite auf die sowjetische Furcht vor einem gerüsteten vereinten Deutschland Rücksicht nehmen; markanterweise war es dann Eden, der Bulganin in Genf erklärte, daß es für die Nuklearmacht Sowjetunion keinen Anlaß gäbe, die Furcht vor einer deutschen Gefahr zu beschwören. »[...] the so-called Eden Plan" 7 would not alone suffice. We should have to show, in addition, that safeguards could be devised to ensure that a united and independent Germany need not represent an increased military threat to Russia. These safeguards might have to include some limitation on the strength and location of forces in Germany and in countries neighbouring Germany, and possibly some arrangements for the demilitarisation of a part of Germany, so as to separate the Forces of the East and the West. These provisions might be accompanied by some sort of security pact which would not involve guarantees on frontiers' 7 '.« Daß die amerikanische Regierung aufgrund der erstmaligen Situation, die eigene Bevölkerung eventuell nicht gegen einen Angriff schützen zu können, einen Kräfteausgleich mit der UdSSR aushandeln könnte 146 , löste bei Adenauer Alarm aus14". Schwenkten die USA auf den britischen Kurs ein, dann bestand aus seiner Sicht die Gefahr, daß die Diskussion über den Preis, den der Westen dem Kreml für das 143

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Barbier, French Policy, S. 104 ff., 112 ff.; US-Delegation an Department of State, 16.7.1955: I R L S , 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 3 3 3 - 3 3 5 ; Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 80. Gemeint ist der von Eden auf der Berliner Außenminister-Konferenz vorgelegte Vorschlag zur Lösung der deutschen Frage. Eden, C ( : (55) 23, 14.7.1955, PRO, C A B 1 2 8 - 1 2 9 ; Dockrill, Eden Plan, S. 177, 183 f.; Gossel, Briten, S. 116 ff. Bei den Vorgipfeltreffen schwächten Eden und Macmillan die Eckpunkte ihres Planes ab. C. Kidd, Bericht über Sitzung der Pariser Arbeitsgruppe: F'RUS, 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 614: »[...] at a given stage of the coming negotiations w e shall hear British proposals to the effect that half a loaf is better than none at all, even though this involves temporary recognition of the G D R and its participation in >interim measures< of the type which the Soviets might be willing to settle for«. In Anbetracht amerikanischer Zurückhaltung und dezidierter französischer und deutscher Kritik an den britischen Ideen nahm Macmillan davon Abstand, darauf zu insistieren, daß die britischen Vorschläge in die westliche Verhandlungsmarge aufgenommen wurden. Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 417 ff.; Feiken, Dulles, S. 291 ff. S.o. zu Adenauers Urteil über die Folgen des Genfer Gipfels; den I Iintergrund bildeten Eisenhowers Einwände gegen die von den Militärs befürwortete ständige Ausweitung des Wettrüstens.

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Stillhalten in europäisch-deutschen Sicherheitsfragen und in der Berlin-Frage würde zahlen müssen, in eine Debatte über einseitige westdeutsche Zugeständnisse bzw. Vorleistungen umkippte. Folgerichtig wurde aus der Sicht der Bundesregierung die Durchsetzung des Prinzips der Gleichwertigkeit mit Frankreich und Großbritannien — in Gestalt der Einrichtung von Vier-Westmächte-Ausschüssen, die Positionen für Verhandlungen mit der Sowjetunion vorbereiteten — erst recht zum Α und Ο der auswärtigen Sicherheitspolitik. Trotz einer Reihe von Teilerfolgen 148 mußte die Bundesrepublik — bis 1959 - erfahren, daß Frankreich und/oder Großbritannien die Mitsprache Bonns aussetzen bzw. einschränken konnten. Die amerikanische Regierung, die seit 1952 die Notwendigkeit betonte, daß man der Bundesrepublik Gleichbehandlung als Kompensation für unausweichliche Enttäuschungen in der Vereinigungsfrage gewähren müsse149, setzte sich mit Nachdruck für die Aufwertung der Bundesrepublik zur vierten Westmacht ein. In der Sache näherten sie sich aber dem britischen Standpunkt, daß die Chance zum Abbau der Spannungen mit Moskau Vorrang haben müsse, allerdings unter Wahrung berechtigter deutscher Standpunkte; letzteres zu definieren, sei allerdings nicht allein Sache der Bundesregierung(en). Wie insbesondere die britische, in den Eden-Plänen 195515ü offengelegte Position zeigte, neigte man nach dem westlichen Etappensieg — dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik — dazu, die Westbindung (Westdeutschlands sicherheitspolitisch und ökonomisch festzuschreiben und insofern Neutralismus (Schaukelpolitik zwischen Ost und West) zu verhindern, ansonsten aber vorzugeben, daß man auf die sowjetischen Sicherheitsbedürfnisse Rücksicht nehmen müsse151. Eden legte 148

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Thoß, Beitritt, S. 56 ff.; Blankenborn wirkte in der in Bonn (24.6.-5.7.1955) tagenden VierWestmächte-Arbeitsgruppe maßgeblich mit. Adenauer und seine Vertreter wurden hinzugezogen und konsultiert, doch handelten die Außenminister bzw. Regierungschefs die Marschroute für den Genfer Gipfel untereinander aus. Dulles weihte Adenauer nicht in alle amerikanischen Planungen ein, allerdings vorwiegend aus dem Grunde, daß die Regierung ihren Kurs nicht festgelegt hatte. Für die Phase 1956-1959: Cabalo, Rüstungskontrollzone, S. 150 ff. Acheson erklärte im April 1952 deutlich, daß man den Deutschen nicht wirklich in Aussicht stellen könne, daß die Vereinigung ihnen als Frucht der Integrationsbereitschaft in den Schoß fallen würde; siehe II.2 und 3. Im Gegensatz zu Faures Bestrebungen, die Bundesrepublik nicht an der Vorbereitung der westlichen Verhandlungsposition auf der Genfer Gipfelkonferenz zu beteiligen, redete das State Department der Mitwirkung Bonns das Wort; die deutsche Teilnahme galt als beste Gegenwehr zum französischen Versuch, einen Draht nach Moskau zu schaffen; Department of State an US-Botschaften in Europa, 15.3.1955: DDF, 1955, I, S. 23.3.1955, S. 342; Barbier, French Policy, S. 105. In dem am 21.7. präsentierten Plan schlug Eden eine Inspektionszone vor, die die Demarkationszur Orientierungslinie machte und außerdem die Einrichtung einer solchen Rüstungskontrollzone von Fortschritten in der Vereinigungsfrage abkoppelte: Grewe, Rückblenden, S. 272; Conze, No Way Back, S. 205 f.; Dockrill, Eden Plan, S. 187; Adenauer, Erinnerungen, III, S. 34 f.; FRUS, 1955-57, V, S. 596 ff., 621 ff.; Thoß, Beitritt, S. 151 ff.; zum Inspektionsplan vom September 1955: ebd., S. 180. - Im November 1955 legte Großbritannien Wert darauf, daß Adenauer am Ruder bleibe, um die NATO-Integration und den Aufbau der Bundeswehr zu gewährleisten; Thoß, ebd., S. 187; siehe TT.4. So regierungsintern auch Dulles am 17.6. und 5.7.1955: F'RUS, 1955-57, V, S. 238, 276 f.; ferner Besprechung mit State Department officials, 26.9.1953: FRUS, ebd., VII, S. 636.

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seinen Inspektionsplan ausdrücklich in der Absicht vor, den Gesprächsfaden neu zu knüpfen, nachdem die sowjetischen Gipfelteilnehmer die Absetzung des Themas »Deutsche Vereinigung« von der Tagesordnung verlangt hatten. Da der Westen dem Kreml weder die von deutscher Seite mitgetragenen bzw. initiierten Pläne demilitarisierter und kontrollierter Zonen wegen der offenkundigen Benachteiligung der UdSSR vorlegen wollte noch Einvernehmen über andere, für Moskau eventuell attraktive Angebote — z.B. Sicherheitsgarantie (Eden) oder gesamteuropäische, blockübergreifende Organisation (Faure) - erzielte, blieb nur der Ausweg, alte Fix- und neue Testpunkte zu einem neuen Paket zu schnüren. Das improvisierte Angebot einer Inspektionszone verknüpfte das vermeintliche sowjetische Interesse an gemeinsamer Uberprüfung von Rüstungskontrollvereinbarungen mit dem amerikanischen, im Open-sky-Vorschlag wiederbelebten Interesse an vertrauensbildenden, jedoch den eigenen Vorteil bewahrenden Maßnahmen. Der Nachteil war, daß die von Eden vorgesehene demilitarisierte und rüstungs/truppenverdünnte Zone nicht nur vorwiegend west- und ostdeutsches Gebiet betraf, sondern auch die bislang bestehende Sprachregelung außer Kraft setzte, daß die Vorschläge nur in bezug auf ein vereintes Deutschland und dessen Verbleib in der NATO gültig sein sollten. Edens Vorschlag der Inspektionszone sollte nunmehr unabhängig vom Stand der Bemühungen um die Vereinigungsfrage verfolgt werden und von der bestehenden »line dividing East and West Europe« ausgehen 152 . Damit lenkten Eden und Macmillan die Diskussion in Richtung Anerkennung der DDR 153 . Nach Ansicht herrschender Kreise insbesondere in Frankreich und in Großbritannien sowie bei der führenden deutschen Oppositionspartei, der SPD, sollte das »Ernstnehmen« sowjetischer Sicherheitsbedürfnisse dadurch demonstriert werden, daß der Westen von der Vollmacht zur deutschen Wiederaufrüstung keinen militär-strategisch optimalen, sondern eher einen politisch-kalkulierten Gebrauch machte 154 . Dies gab dem Kreml die Chance, sich durch Kampagnen für Entspannung durch Rüstungsbegrenzung/-kontrolle und Abrüstung die Möglichkeiten zurückzuholen, die er durch sein Verhalten in der Deutschland- und Europapolitik verspielt hatte155. Moskaus Anspruch, Mitsprache über Ausmaß und Ausstattung der westdeutschen Wiederbewaffnung zu erhalten, wurde nach dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik auf doppelte Weise respektiert: 21.7.1955: l ' R U S , 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 455; Gespräch Eden-Dulles/Eisenhower. 21." 1953: l'RL'S, ebd., S. 401; P R O , P R E M 11-895; Dockrill, Eden-Plan, S. 186 f. Brentano, 24.10.1955: F R U S , 1 9 5 5 - 5 7 , V, S. 596 ff., 621 ff.; A d e n a u e r , E r i n n e r u n g e n , III, S. 34 f.; II. Miliar an Ι·Ό, T e l e g r a m m 411, 22.7.1955: Ι·Ό 371-118235; Young, G e n e v a , S. 2 7 8 , 282. 1~'4 Schmidt, A u s w i r k u n g e n , S. 667 ff. A u c h in den U S A g a b es S t i m m e n , die d a f ü r eintraten, den U m f a n g des deutschen N A T O - B e i t r a g s im I linblick auf Y e r h a n d l u n g s l ö s u n g e n mit der U d S S R zu sehen; einer der W o r t f ü h r e r w a r Senator Mansfield; siehe Bradv, D e r amerikanische K o n g r e ß , S. 2 1 9 f. 111 T h o ß , Beitritt, S. 115. - D i e Sowjetunion hatte in der Stalin-Note die Karte g e z o g e n , w e l c h e Frankreich u n d G r o ß b r i t a n n i e n als bedrohlichste Y e r s i o n e m p f a n d e n - die N a t i o n a l a r m e e eines vereinten neutralen Deutschland. 152

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— indirekt durch entsprechende Ansatzpunkte in den von Frankreich und Großbritannien vorgelegten Rüstungsbeschränkungsvorschlägen, die den deutschen Streitkräftebedarf an Polen und nicht an Großbritannien oder Frankreich maßen und außerdem die in den EVG- bzw. WEU-NATO-Verträgen festgelegten qualitativen Beschränkungen fortschreiben wollten; — direkt durch den Entschluß, die britisch-französischen und die sowjetischen Abrüstungsvorschläge (15. Januar 1955; 10. Mai 1955) zusammenzufassen und auf einer Plattform weiterzuverhandeln. Angesichts der Hoffnungen, Entspannung über wechselseitige Rüstungsbeschränkung und Abrüstung zu erreichen, machten die von deutscher Seite in Erinnerung gebrachten Verpflichtungen der Westmächte, die deutsche Einheit befördern zu helfen, nunmehr die Bundesregierung(en) zum politischen Störenfried. Der Kreml konnte hingegen mit der Propagierung der These von der friedlichen Koexistenz und mit der Zurücknahme ideologischer und imperialistischer Positionen gegenüber blockungebundenen bzw. neutralen Staaten — Osterreich, Jugoslawien156, Freigabe von Porkkala-Udd an Finnland — Pluspunkte sammeln und Profil als kalkulierende Status-quo-Macht gewinnen. Moskau suchte in amerikanischen und britischen Augen das Image einer saturierten Großmacht UdSSR zu kreieren, also nicht länger auf der Klaviatur französischer Vorbehalte gegen die Angelsachsen zu spielen157. In diesem Kontext schien es so, als wolle Bonn den Verbündeten den Rückfall in Konfrontation ansinnen, während der Kreml den angelsächsischen Weltmächten die Aussicht auf Abbau der Spannungen und auf Verlagerung des Systemkonflikts vom militärischen zum politischen und ökonomischen Systemwettbewerb suggerierte. Diese Sichtweise leiteten die USA und Großbritannien 1955 aus den Veränderungen auf sowjetischer Seite ab. Beide versuchten, ihre Bündnispartner, insbesondere die Bundesrepublik, auf die neuen Schwerpunkte der globalen Machtprobe mit der Sowjetunion in der Dritten Welt, vor allem im Nahen/ Mittleren Osten und in Südostasien, einzustimmen, und darüber hinaus der Bundesrepublik deutlich zu machen, daß sie in der deutschen Frage mit Ideen und Initiativen aufwarten müsse; nur dafür hätten die Westmächte ihre Unterstützungszusage gegeben. Damit war zugleich gesagt, ohne es auszusprechen, daß die Bundesrepublik nicht erwarten dürfe, daß die Westmächte künftig von sich aus in der deutschen Frage aktiv werden würden. Auf dem Genfer Gipfel hatten sie mit Mühe erreicht, daß die sowjetische Führung einem Offenhalten der deutschen Frage zustimmte, statt die Linie zu vertreten, daß »europäische Sicherheit« ausgehandelt werden müsse, bevor die Thematik »deutsche Vereinigung« an die Reihe kommen sollte. Die Westmächte beharrten auf dem Standpunkt, daß Sicherheit in Europa bei andauernder Teilung Deutschlands nicht erreichbar sei, und betonten, daß ein vereintes Deutschland in der NATO bleiben müsse, weil dies die beste Form der Zuverläs-

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Chruscevs Besuch in Belgrad vom 26.5.-2.6.1955. Dazu paßt auch, daß die UdSSR Algerien direkt und über Ägypten unterstützte.

III. Zäsur 1955/56. Strukturen nach dem ersten großen Wandel

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sigkeitskontrolle darstelle158. Dagegen war für die sowjetischen Machthaber Detente-Diplomatie nur auf der Basis von »Stabilität durch Anerkennung des Status quo« verhandelbar. Sie stellten zwar ihre Forderung zurück, daß bestehende Verteidigungsorganisationen liquidiert werden müßten, damit europäische Sicherheit ihre neuen Konturen erhalten könne - anerkannten insoweit die »Normalität« NATO —, wollten aber um so mehr über die westdeutsche Aufrüstung und die Bedingungen deutscher Teilhabe in der nuklearisierten NATO mitreden. Unbeschadet ihres Angebots zur Gesprächsbereitschaft ließen Chruscev, Bulganin und Molotov auf dem Genfer Gipfeltreffen keinen Zweifel, daß die Teilung in Gestalt der beiden deutschen Staaten friedenssichernd sei und völkerrechtlich verbrieft werden müsse 159 . Damit war klar, daß die Westmächte ihre Möglichkeiten, auf den Kreml Druck auszuüben, fortan nicht so sehr in den Dienst der Überwindung der Teilung Deutschlands stellen, sondern für Entlastung an der Wettrüsten-Front nutzen würden. Präferenz hatte der Abbau der einander an den Zonengrenzen gegenüberstehenden alliierten Truppen. Ein Gürtel rüstungsbeschränkter Staaten, der einen deutsches Gebiet umfassenden demilitarisierten Streifen umschließen sollte1''", würde die Gefahr der sofortigen direkten Verwicklung der nuklearen Garantiemächte westlicher und östlicher Sicherheit reduzieren und für die Supermächte den Freiraum schaffen, sich anderen Regionen und Themen der Weltpolitik zuzuwenden. Es war zu erwarten, daß Adenauer gegen entsprechende Äußerungen Eisenhowers (18. Mai 1955) und britische Plänelr>1 protestieren würde, weil sie den Wortführern des Neutralismus in die Hand spielten sowie den NATO-Beitritt durch die Schaffung von Zonen unterschiedlicher Sicherheit entwerteten1*"'2. Ebenso war Schmidt, Europe Divided. 3. Sitzung der Staats- und Regierungschefs, 19.7.1955; 7. Sitzung: FRUS, 1955-57, V, S. 390, 506; Molotov-Dulles, 19.7.1955: ebd., S. 397 f.; Bulganin, Eröffnungsansprache, 18.7.1955; EdenMinute, 19.7.1955: PRO, PREM 11-895; Eden-Eisenhower, 20.7.1955: FRUS, 1955-57, V, S. 399, ferner ebd., S. 368-370. 16(1 Zum sog. Eden-Plan und seiner Vorgeschichte insbes. Gossel, Briten, S. 99 ff., 113, 123 f f ; Docknil, Eden Plan, S. 170 ff. Blankenborn trug Kirkpatrick die auf deutscher Seite entwickelten Vorstellungen am 28.4.1955 vor; Kirkpatrick, Germany and Four Power Talks, \Y 1071/4 7 7: FO 371 - 118209; Adenauer gegenüber dem britischen Botschafter bei der NATO, R. Steel, 8.5.1955, Tel. 76: PRO, PREM 11-893. Zu den Grundzügen des Blankenborn- und des 1 leusinger-Plans siehe III, Anm. 71. Die amerikanischen Militärs hielten den vorgesehenen demilitarisierten Streifen für zu unwirksam; außerdem bezogen erste Entwürfe Gebiet ein, in dem US-Truppen stationiert waren. Die französische Regierung warnte, daß es nur eines kleinen Schrittes bedürfe, um von demilitarisierter Zone zu Neutralisierung zu gelangen. "'' Gegenüber Eden protestierte Adenauer am 19.6.1955 gegen Absichten, amerikanische und britische Truppen aus Westdeutschland abzuziehen; CAN/5/55, PRO, PREM 11-894; Schwarz, Adenauer, II, S. 181; Dockrill, Eden Plan, S. 170 ff. 162 Thoß, Beitritt, S. 148 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 419 ff.; Gossel, Bnten, S. 99 ff.; Dockrill, Eden Plan, S. 170 ff. Die Bundesregierung hatte ihrerseits Vorschläge in Washington und in London unterbreitet; sie war an den Treffen zur Ausarbeitung der westlichen Verhandlungsposition beteiligt. Die Regierungen waren aber in sich und untereinander uneins, wieviel von ihrer eventuellen Konzessionsbereitschaft sie den Sowjets gegenüber preisgeben sollten. Weder l5B

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damit zu rechnen, daß die UdSSR ihren Teil des »great bargain«, den Rückzug auf eigenes Staatsgebiet und nicht nur den Abzug aus der DDR, nicht einlösen werde. Vielmehr führte sie den seit 1952 forcierten Aufbau von DDR-Streitkräften konsequent zum Abschluß und festigte ihre Dominanz im Warschauer Pakt. Die britische und französische Regierung dagegen wollte noch auf den Gebieten sparen, auf denen die NATO — gemessen an ihren »minimum defense requirements« — ohnehin ein Defizit besaß161. Eisenhower rechtfertigte die Reduzierung konventioneller Landstreitkräfte damit, daß die USA die Mehrbelastungen für eine Übergangsphase auf sich genommen hätten, um den Verbündeten Zeit zu geben, sich von den Kriegs folgen zu erholen und den Aufbau von Selbstverteidigungskräften vorzunehmen. Hier zeigte sich in aller Schärfe, was es hieß, daß die Westeuropäer, voran Großbritannien und Frankreich, sich 1950 in der Phase der Umgründung der NAT in die NATO nicht dem amerikanischen Plädoyer fur »balanced collective forces« hatten beugen wollen, sondern alles daran setzten, daß die USA sich dem Grundsatz unterwarfen, Streitkräfte für die Anfangsverteidigung auf dem europäischen Kontinent zu dislozieren; das gab Großbritannien und Frankreich die Möglichkeit, dem Postulat einer effektiven Vorwärtsverteidigung selbst nur bedingt nachzukommen 164 . Da die sowjetische Militärmacht auf allen Gebieten weiter aufrüstete und ihre Überlegenheit in Europa bewahrte, blieb die Frage zurück, wer den Beitrag aufbrachte, um eine Vergrößerung der Klüfte zu verhindern. Denn selbst wenn die USA und Großbritannien konventionelle Streitkräfte weniger schnell abbauten, als sie dies in ihren internen Planungen bereits 1955/56 einkalkuliert hatten, blieb der Fehlbedarf auf selten der NATO unverändert groß. Die NATO brauchte Deutschland in einem Maße165, das die Bundesrepublik vorerst (bis 1958/59) nicht befriedigen konnte; auf nationalem Terrain agierte die deutsche Politik praktisch so, als ob der Aufbau der Bundeswehr nicht die Eile habe, die Adenauer und Strauß aus Gründen der bündnisinternen politisch-diplomatischen Balance und zur Wahrung deutscher Interessen im Ost-West-Konflikt hervorhoben.

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Eden noch Faure oder Eisenhower hatten die Überraschungselemente ihrer Reden bzw. Vorschläge mit den Partnern im Vorfeld intensiver erörtert. Frankreich hatte das gleiche Ziel, den Anschluß an die Supermächte im nuklearen Wettrüsten zu halten, konnte aber, solange der Algerienkonflikt (offen ausbrechend seit Februar 1956) im Gange war, die konventionellen Streitkräfte insgesamt nicht verringern; allerdings dünnte Frankreich seine NATO-Truppen aus. Nach Beendigung des Algerienkriegs 1962 unterblieb die Rückkehr in die militärische Struktur der NATO. Zum Londoner NATO-Ratstreffen vom 15.-18.5.1950, der die im April vorgelegte mittelfristige Streitkräfteplanung mit dem Zieljahr 1.7.1954 politisch absegnete: Greiner, Alliierte militärstrategische Planungen, S. 263 ff., 247 ff. Auf der Frühjahrstagung 1956 stellte die NATO fest, daß die kurze Entspannungsphase keine I''ortschritte betr. Lösung vitaler Probleme gebracht habe; die anhaltende Stärkung der sowjetischen Militärmacht zwinge das Bündnis, die Sicherheitsfrage ernst zu nehmen; zur StrategieRevision ( M . C 14/2, 13.5.1957) und Minimum Forces Requirements (1957-1962): I.2.f und g.; NATO Strategy Documents, S. XVIII ff., 277 ff.; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 707 ff., 717 ff.; Wampler, NATO; Steinhoff/Pommerin, Strategiewechsel; Tuschhoff, M.C. 70; Gablik, Strategische Planungen, S. 140 ff.

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8. »Osterweiterung der NATO« und legitime Sicherheitsinteressen der UdSSR: Die deutsche Stellung in der NATO im Kontext der europäischen Sicherheitsdebatte Es ist schon wiederholt festgestellt worden, daß von 1955 an nicht mehr die Rede davon sein könne, daß die Wortführer der Politik der Stärke damit rechneten, die Sowjetunion zu Konzessionen in Richtung Durchlässigkeit des Eisernen Vorhangs als Etappen auf dem Weg zur Aufhebung der Teilungen veranlassen zu können166. Die Forschung zum »Kalten Krieg in Europa« hat des öfteren konstatiert, daß der Westen 1955 endgültig in eine Phase der weltpolitischen Defensive geraten167 und der definitive Wendepunkt 168 in der Deutschlandfrage hin zur Vorherrschaft der sowjetischen Zwei-Staaten-Doktrin erreicht worden sei. Auch ist den FernostExperten geläufig, daß die USA in Nordostasien ebenfalls begannen, nach absicherbaren Positionen im Konflikt mit China zu suchen und dabei die Nationalchinesen zu ermahnen, sich ein Beispiel an der Bundesrepublik zu nehmen und keine Rückeroberungspläne zu schmieden 169 . Die Aussagekraft beider Entwicklungen für die Gesamtdimension der globalen Machtprobe zwischen den Antagonisten USA und Sowjetunion für die Fortdauer des Ost-West-Konfliktes ist jedoch selten(er) registriert worden. Der Zusammenhang zwischen beiden Konfliktszenarien liegt darin begründet, daß die USA aus dem vergleichsweisen Stillhalten der Sowjetunion in der Fernostpolitik Schlüsse für ihr Verhalten in der Europapolitik zogen17". Der Standpunkt, daß jeder Plan für die Friedenssicherung in und für Europa Bedingungen für Sicherheit vor genauso wie mit und für Deutschland vorsehen müsse, gehörte zu den Standards amerikanischer, britischer und französischer Politik. Was sich seit 1955 änderte, war die Auffassung, daß man nicht nur auf Intervention in Angelegenheiten zwischen der Sowjetunion und deren Blockpartnern verzichten sollte, sondern daß westliche Sicherheitspolitik auch unnötige Provokationen der Sowjetunion unterlassen müsse171. Das war in den Punkten leicht(er) umzusetzen, in denen einzelne NATO-Länder, wie z.B. Norwegen und Dänemark, aus diesem Grunde auf die Dislozierung von Waffensvstemen ver-

Volkmann, Einleitung; NSC 5501, Basic National Security Policv, ".1.1955: l'RL'S, 1955XIX, S. 27. Die euphorischen Aussagen Dulles' und Adenauers im Mai-Juni 1955 sind, so gesehen, Schwanengesänge. ">7 Besson, Außenpolitik, S. 170, 173. 168 Chruscev proklamierte die Zwei-Staaten-Doktrin am 10. und 24.7.1955. Spätestens seit der Entmachtung und I linrichtung Berijas mehrten sich die Anzeichen, daß die Sowjetunion die D D R zum souveränen (zweiten!) deutschen Staat erklären werde; diese erfolgte dann am 26.3.1954. 1(19 Amerikas Option, S. 85. ™ Ebd., S. 6 9 - 8 5 . 1 ' 1 Dies hatte natürlich Vorläufer im Widerstand gegen die Roll back-Absichten, die die Republikaner für die künftige amerikanische Außenpolitik verkündet hatten; siehe II.3 betr. britische und französische Proteste gegen amerikanische und bundesdeutsche I lilfsaktionen nach dem 1~. ]uni 1953.

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zichteten, deren Zweck es war, sowjetisches Territorium erreichen zu können172. Die Folge war allerdings, daß wirksame Abschreckung in die Hände der USA und nicht der NATO gelegt wurde, denn diese (d.h. SACEUR) hatte zwar eine Nuklearkapazität, »to apply immediate offensive nuclear firepower to destroy the enemy within the ACE theatre«, erhielt vorerst aber keine strategische Kapazität zuerkannt 173 . Die entsprechende Forderung lag auf dem Tisch: »Since N A T O could not rely on the U.S. strategic nuclear counteroffensive to halt a Soviet advance into Europe any sooner than 30 days into the conflict, SACEUR would have to call on his forces increased nuclear and conventional armament to hold the Soviets long enough for the strategic counteroffensive to take effect 174 .«

Gruenther hatte es für erforderlich gehalten, zusätzliche Divisionen anzufordern; sein Nachfolger Norstad strebte zusätzlich strategische Kompetenzen an175. Was konnte die NATO aufgrund der eingetretenen Entwicklungen tun, um das tragende Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit für die Bündnispartner aufrechtzuerhalten? Die NATO konnte für den Ernstfall den Verlust beträchtlichen Gebiets an den Angreifer nicht ausschließen; Besserung versprach man sich von der Verteidigung mit Kernwaffen 176 . Betroffen war vor allem die Bundesrepublik, die angesichts der Nuklearisierung der amerikanischen und britischen Sicherheitsgarantie nach Artikel 5 des NATO-Vertrages nicht umhin konnte, zwei Dinge zu verlangen: 1) die Gleichstellung der deutschen Verbände mit den Alliierten hinsichtlich Ausrüstung 177 sowie eine Mitentscheidung 178 , welchen Einsatzzwecken die Waffensysteme in verschiedenen Konfliktfällen dienen sollten, und (2) — kritischer (!) — Gleichwertigkeit der westlichen Abwehrmittel mit der Ausstattung der gegnerischen sowjetischen Streitkräfte. Da der NATO-Beitritt der Bundesrepublik in die Phase der Umsetzung der im Dezember 1954 offiziell verabschiedeten nuklearisierten Verteidigungsstrategie fiel, stand zu erwarten, daß Moskau versuchen würDie Bundesrepublik machte aus denselben Gründen keinen Gebrauch von der Möglichkeit, MRBM auf eigenem Gebiet zu stationieren. Norwegen hatte sich gegenüber der Sowjetunion im Februar 1949 verpflichtet, keine ausländischen Streitkräfte auf seinem Staatsgebiet zu stationieren; nach einigem Zögern praktizierten die dänischen Regierungen die gleiche Devise. In Geheimabsprachen zwischen der norwegischen Regierungsspitze und der US-Regierung wurden wichtige Ausnahmen ermöglicht. 173 Großbritannien und Europa, S. 184-216; Melissen, Struggle; Heuser, NATO, Britain, S. 49, 59, 72. "-ι Wampler, NATO, S. 32-34; JP (56) 162 (Final), 16.11.1956; Schmitt, Frankreich, S. 15. 175 Siehe dazu - gestützt auf neuerlich zugängliche Quellen - Jordan, Norstad; Großbritannien und Europa, S. 197 f f , 202 ff. 176 Siehe I.2.d und g.; Greiner, Militärische Eingliederung, S. 609-624. 177 Im Zuge der Umsetzung von M.C. 48 erhielten die NATO-Verbündeten die Waffensysteme, mit denen die US-Verbände bereits ausgerüstet waren; sie sollten eine aktive Rolle bei der nuklearen Verteidigung spielen können: FRUS, 1955-57, IV, Dok. 49; F'RUS, ebd, XIX, S. 429; zur Ausrüstung der Alliierten mit taktischen Systemen: ebd, S. 248, 409, 473 f , 493 f , 618, 623, 647, 681 ff.; Schmitt, Frankreich, S. 16; Wampler, NATO, S. 34-36; Gablik, Strategische Planungen, S. 140 f f , 151 ff.; Steinhoff/Pommerin, Strategiewechsel. 178 Die Bundeswehr hatte keine selbständig operierenden Großverbände; vielmehr waren — nach dem Schichttorten-Prinzip — die der NATO voll-integrierten Bundeswehreinheiten eingerahmt von Streitkräften der Verbündeten. 172

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de, die deutsche NATO-Mitgltedschaft militärisch möglichst unwirksam zu machen und zu diesem Zweck einen scharfen Trennstrich zwischen der Bundesrepublik als aggressiv-revisionistischer Macht und den friedfertig-entspannungsbereiten westeuropäischen Demokratien zu ziehen. Im Zuge der Revision von M.C. 14/1 forderte SAC EUR Gruenther die Bereitstellung von weiteren acht Divisionen, um im Verteidigungsfall mit den ihm zur Verfügung stehenden Nuklear- und »dualcapabilities« ausgestatteten Streitkräften das ACE-Gebiet halten zu können. Die Annahme war, daß die amerikanische SAC-Offensive gegen die UdSSR während der ersten dreißig kriegsentscheidenden Tage noch nicht die Wirkung erzielen würde, die den Kreml zum Abbruch seiner konventionell-offensiven Kampfhandlungen zwingen sollte. Damit wurde die Frage akut, wie weit die politische Solidarität der NATOMitglieder mit der exponierten Bundesrepublik ging. Bonn konnte die Nuklearisierung nicht als der Weisheit letzten Schluß ansehen und versuchte zunächst, eine zweite Strategie-Konzeption an die in der Zwischenphase 1952-1954 zum Zuge gekommene Konzeption anzulagern179. Aufgrund der eigenen Versäumnisse bei der Bereitstellung ihres konventionellen Verteidigungsbeitrags trug die Bundesrepublik jedoch dazu bei, daß 1955-1957 der Eindruck entstehen konnte, es gäbe nur die Alternative »Sicherheit durch nuklearstrategische Abschreckung« oder »Rüstungsbeschränkung« 18 " entsprechend dem Niveau, das sich die Verbündeten, insbesondere die Bundesrepublik, tatsächlich leisten wollten181. In einem Punkte besteht dabei Unklarheit: Wieviel Einblick hatte die deutsche Seite vor der Meldung der New York Times vom Juli 1956 über den Radford-Plan in die auf amerikanischer Seite sich abspielende Kontroverse, ob die Newlook/Massive-retaliation-Doktrin für die Konfliktarena NATO-Europa gelten sollte oder ob sie im Falle der Nicht-Anwendung in dieser Region praktisch hinfällig würde? Weihte Dulles den Bundeskanzler in seine — von SACEUR Gruenther und Norstad geteilte — Sichtweise ein, daß in NATO-Europa konventionelle (allerdings durch »atomic artillery« gehärtete) Stärke die benötigte Flexibilität im Krisen-Management beschaffen müsse? Wußten die deutschen Militärplaner und Ratgeber Adenauers, Speidel und Heusinger, daß Dulles im Sinne ihrer strategischen Auffassungen im National Security Council Position bezog, und gab es Möglichkeiten, den amerikanischen Außenminister als Advokaten ihrer militärstrategischen Konzeptionen zu gewinnen? Fest steht, daß sie nach Bekanntwerden Greiner, Militärische Eingliederung, S. 606 ff., 710 ff.; Steinhoff/l'ommerin, Strategiewechsel; siehe I.2.f und g sowie II.5. 180 Vertragliche Vereinbarungen waren eine Möglichkeit, eine wechselseitige, aber faktisch unilaterale Herabsetzung der Gesamtstärken die andere; die Sowjetunion ging 1955 mit der Ankündigung einer Reduzierung um 640 000 Mann voran, die britische Regierung erhielt dadurch einen weiteren Grund, die aus finanziellen und strategischen Überlegungen angestrebte Absenkung der konventionellen Streitkräfte und insbesondere der B A O R zu beschleunigen. 181 Z u m Verteidigungsminister ernannt, gab Strauß die Zielgröße einer 300 000-Mann-starken Bundeswehr vor; die zeitgleichen britischen und französischen Abrüstungsvorschläge setzten für die Bundesrepublik ca. 200 000 Mann an (ähnlich wie für Polen oder die CSR). m

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des Radford-Planes die Chance zur Darlegung ihrer Denkweise erhielten; Dulles nutzte Heusingers Auftritt, um Eisenhower zu bewegen, die »reassurance«-Linie zu bekräftigen, daß nämlich die amerikanische Präsenz in Deutschland für die ungeteilte Sicherheit aller Mitglieder der NATO bürge. Adenauer selbst brachte eine andere Version ins Spiel, um die Geschlossenheit des Westens und insoweit die Politik der Stärke fortzuführen: Auf das sich abzeichnende Gleichgewicht des Schreckens im Raketenzeitalter anspielend, betonte er, daß universale Abrüstung das Thema sein müsse und nicht regionale Abrüstung; nichtsdestoweniger sah einer der wenigen praktikablen deutschen Vorschläge vor, ein sub-regionales Konzept — die Rüstungsbeschränkungen des WEU(EVG)-Vertrags — als Modell für eine gesamteuropäische Sicherheitslösung zu übernehmen 182 ; er entsprach damit französischen und britischen Vorbildern. Mit der Forderung nach universaler Abrüstung verfolgte Adenauer das Ziel, deutsche Singularitäten zu vermeiden: (1) Erklärte man regionale Abrüstung zum Irrläufer, dann entfiel die Gefahr, daß der territoriale Status quo der Teilungen als Bezugsgröße für Rüstungskontroll- und -begrenzungsregime zur de-jureAnerkennung mutierte, ohne daß über die Teilungen als Ausdruck anhaltender politischer Spannungen überhaupt noch gesprochen werden mußte; darüber hinaus ließ (2) die Gewißheit, daß jede Seite untragbare Zerstörungen und Verluste an Menschenleben erleiden würde, wenn das Wettrüsten vom »Kriegsersatz« in »heißen Krieg« umschlagen sollte, universale Abrüstung als Ziel-Priorität sinnvoll erscheinen. Die I Ioffnung, daß der Westen den Kalten Krieg doch noch gewinnen könnte, basierte für Adenauer und Dulles auf dem Kalkül, daß sich die Sowjetunion183 im Bemühen um militärische, wirtschaftliche und politische Parität mit den USA weltweit übernehmen würde; daher werde der Zeitpunkt kommen, an dem Moskau eine Atempause im Systemwettbewerb anstreben werde. Ein geschlossen auftretender Westen sollte dann in der Lage sein, seine Kernbedingungen in Verhandlungen durchzusetzen 184 . Die wichtigste darunter war, daß der Kreml anerkannte, daß die deutsche NATO-Mitgliedschaft die beste Gewähr auch für »Rußlands« Sicherheit sei, weil die drei westlichen Sieger-/Nuklearmächte dafür garantieren würden, daß die ihnen gegenüber verbindlichen, freiwillig eingegangenen Gewalt- und ABC-Waffenverzichterklärungen sowie die ausdrückliche Distanzierung vom »Revisionismus« auf Dauer gewährleistet bleiben würden. Chruscev schlug das Angebot jedoch aus; statt dessen propagierte er die These vom gewaltbereiten westdeutschen Revanchismus als Speerspitze des aggressiven USImperialismus, um sie für die Disziplinierung der osteuropäischen Satellitenstaaten 182 183

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Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 410 (Frühjahr 1955). Die zuvor erwähnte These Adenauers, daß die USA das Nachsehen im Wettrüsten haben werde, hielt nicht dauerhaft vor. Chruscev verkündete das Ziel, die USA auf allen Gebieten einzuholen und schließlich zu überholen, bereits im Kontext des Genfer Gipfels 1955. Zur Theorie des »imperial overstretch« und den Möglichkeiten für den Westen, Moskau zu konziliantem Verhalten zu bewegen: Amerikas Option, S. 4 (insbes. Anm. 6); Schmidt, Auswirkungen, S. 672 ff.; Gaddis, Long Peace, S. 174 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 410 ff.

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zu instrumentieren. Der Widerspruch zwischen der Bereitschaft zur Revision der ideologischen Position im Sinne friedlicher Koexistenz zwischen »erster und zweiter Welt« und dem Beharren auf der machtpolitisch-zaristischen Position wonach ein Empire keine Kriegsbeute freiwillig wieder hergebe, also auch nicht als Tauschobjekt anbieten könne -- hinderte die damaligen sowjetischen Machthaber daran, ä la Gorbacev eine für die NATO-Welt akzeptable gesamteuropäische Sicherheitsregelung als Ausweg aus der Selbstüberforderung der UdSSR zu erkennen. In der Aufbruchstimmung, die USA übertrumpfen zu können, überspannte Chruscev den Bogen und versäumte es, Westeuropa eine vertrauenschaffende Perspektive zu eröffnen.

9. I Iandlungsspielräume der Sowjetunion und westliche Reaktionen auf Chruscevs neue Diplomade Entgegen der von Dulles 185 und zeitweilig auch von Adenauer geäußerten Euphorie über die Gunst der Stunde, in der Moskau — über Osterreich und Jugoslawien hinaus — weitere Schritte zur Öffnung des Eisernen Vorhangs unternehmen müsse, stellten sich die westlichen Hauptstädte auf die Situation ein, daß sich die 1 Iandlungsspielräume der Sowjetunion nicht verengen, sondern eher verbessern würden. Wirtschaftlicher Aufschwung im eigenen Land und politischnationalistisch/neutralistische Strömungen in westlichen Ländern ebenso wie in der Dritten Welt würden die Wettbewerbsfähigkeit der sowjetischen Politik verbessern: »the rapid growth of the Soviet Union's economic strength gives added hope to the Soviet leaders that their aims can be achieved without resorting to a war in the foreseeable future [,..]186.« »By capitalising on the forces of nationalism and neutralism, the Soviet Government seeks to increase their position of power vis-ä-vis the VC est and to undermine and outflank the world-wide positions of the Western powers187.« Die USA, geprägt durch die Erfahrungen in der Juni-Krise 1953 und in den l'ernostkrisen seit dem Frühjahr 1951, nahmen davon Abstand, »vulnerabilities« im sowjetischen Lager zu intensivieren, also entweder den »discontent« der Satelliten

l8:>

186

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Siehe II.4 und I.l.e. Genausooft - und in kurzen Abständen zu den stärker euphorischen Stellungnahmen - äußerte sich Dulles skeptisch über die Bereitschaft der UdSSR, den Rückzug aus der D D R in Betracht zu ziehen, NSG 5501, 7.1.1955; N S C , 20.10.1955: l'RUS, 1955-5" 7 , V. S. 619 f. C-M (56) 138 (Final), Analysis of Soviet Intentions, 13.12.1956: N A T O Strategy Documents, S. 2^1 f. Ebd.; dazu Schmidt, Auswirkungen, S. 646 ff. Im I linblick auf diese Veröffentlichung beschränke ich die Ausführungen zur Doppelkrise Ungarn-Suez auf diesen Aspekt.

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anzustacheln oder der britischen Einschätzung zu folgen, China ähnlich wie Titos Jugoslawien zu behandeln 188 ; »the detachment of any major European satellite from the Soviet bloc does not appear feasible except by Soviet acquiescence or by war18'.« Die gefestigte Position, aber auch die Flexibilität der sowjetischen Diplomatie legten die Schlußfolgerung nahe, daß der Westen sich auf eine Ära der Verhandlungen einstellen und vorbereiten müsse; anderenfalls würde er seinen inneren Zusammenhalt und damit den Vorteil im Ost-West-Konflikt aufs Spiel setzen. Wie lange die Standfestigkeit des Westens nach der bestandenen Kraftprobe, die WEUNATO-Lösung in Frankreich, Deutschland und Italien durchzubringen 190 , anhalten werde, schien genauso ungewiß wie die Dauer der Entspannungsbereitschaft Chruscevs 191 . Denn die Aussöhnung mit Tito konnte — und wurde — in den Ländern Osteuropas 192 dahin verstanden, daß der Kreml unterschiedliche Wege zum Sozialismus im Innern (National-Kommunismus) und außenpolitisch verschiedene Modelle der Neutralität im Ost-West-Konflikt (Finnland, Österreich, Jugoslawien)193 anerkenne oder zumindest dulde. Die mögliche Folge wäre, daß OstblockLänder sich zur Nachahmung ermutigt sähen, die Sowjetführung dann aber ähnlich wie 1953 in der DDR mit Unterdrückungsmaßnahmen reagieren würde. Kollaborateure, die die UdSSR um »brüderliche Hilfe« ersuchen würden, gäbe es in Ungarn, Polen, der Tschechoslowakei und der DDR schon deshalb, weil dortige 188

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Auf der Quantico-Konferenz im Vorfeld des Genfer Gipfels erörterten die Spitzenkräfte des Außen- und Verteidigungsministeriums mit amerikanischen Wissenschaftlern neben dem Projekt einer Satelliten-überwachten Abrüstungsvereinbarung auch die Konkurrenz situation zwischen Peking und Moskau sowie die Optionen, die sich daraus für die amerikanische Politik ergaben. Zur Absage an die Roll-back-Rhetorik siehe I, Anm. 72 und 73; Ν SC 153/1 (10.6.1953, Restatement of Basic National Security Policy, in: FRUS, 1952-54, II, S. 378-386. NSC 162/2 (30.10.1953), Basic National Security Policy, in: FRUS, 1952-54, II, S. 577-597; NSC 162, Review of Basic National Security Policy, ebd., S. 389-515; zu dieser sog. New-LookStrategie und den SOLARIUM-Exercises siehe I.2.f und g.; siehe I und I.2.d; zu Dulles' Ambivalenz: Gaddis, Long Peace, S. 177, 158 f , 164, 174 ff. Das britische Unterhaus stimmte den Pariser Verträgen am 19.11.1954 bei Enthaltung der Labour Party zu; auf deren Parteitag hatten die Befürworter eines Nein eine klare Niederlage erlitten. Die Ratifizierung in der französischen Nationalversammlung scheiterte im ersten Durchgang; durch die Ansetzung einer Vertrauensabstimmung erreichte Mendes France die Verabschiedung im zweiten Anlauf; die Erste Kammer stimmte den Verträgen am 28.3.1955 zu. Die Bundesrepublik und Italien warteten — nach der Erfahrung in bezug auf den EVG-Vertrag — den Ausgang des Verfahrens in Frankreich ab. Die Bundestagsdebatte Ende Februar 1955 stand bereits unter dem Vorzeichen der Wehrgesetzgebung und erster Wahrnehmungen des Strategiewechsels in der NATO. FRUS, 1955-57, XIX, S. 392, 435 ff. Gilt in erster Linie für Polen und Ungarn. In der CSR war nach dem Schauprozeß gegen Slanski im November 1951 der linientreue Kurs verschärft worden. Die offizielle Verkündung der ZweiStaaten-Theorie durch Chruscev in Ost-Berlin am 24.7.1955 auf der Rückkehr vom Genfer Gipfel versetzte die SED-Fuhrung in den Übereifer, die DDR als Eckpfeiler des proletarischen Internationalismus und der sozialistischen Staatengemeinschaft zu profilieren, aber durch Kontakte mit der VR China auch Eigenständigkeit abzusichern. Zu den drei Modellen: Kratochwil/Koslowski, Understanding. — Tito war lediglich auf die Absicherung seines Modells bedacht und ließ Nachahmern keine Schützenhilfe angedeihen; zur Ungarn-Krise und dem Schicksal von Nagy: Ripp, Hungary's Part.

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Hardliner sich mit Reformen nicht abfinden wollten. Sollte es nicht so weit kommen, daß der Kreml vom Willen der Reformkräfte zu Veränderungen im Innern automatisch auf die Bereitschaft dieser Länder zum Austritt aus dem Ostblock schließe und zuschlage, müsse der Westen Gesprächsbereitschaft über gemeinsame Sicherheit der UdSSR ebenso wie zuvor mit Deutschland signalisieren. Die westliche Rücksichtnahme auf sowjetische Sicherheitsbedürfnisse sollte es dem Kreml erleichtern, den Nationalkommunismus zu dulden, statt ihn als ersten Schritt auf dem Weg zur Veränderung des Gleichgewichts zwischen Ost und West zu unterdrücken. »[...] Our policy should continue to be the encouragement of an evolutionary process heading toward national Communism;« die von Dulles beigefügte Hoffnung, dabei handele es sich um »a first step prior to a complete departure from international Communism« 194 , wurde von britischer und französischer Seite nicht geteilt. Nach der Doppelkrise Polen/Ungarn-Suez 1956 wurde sie auch von den USA gegenüber dem Interesse an Stabilisierung des Ost-WestVerhältnisses zurückgestellt 195 . Ein weiterer Punkt im Kalkül westlicher Regierungen 196 war die teils genuine, teils vorgetäuschte Besorgnis, die Westdeutschen seien unsichere Kantonisten; man meinte, daß die Bundesregierungen den Draht nach Moskau suchen würden, um ihre Ambitionen — Vereinigung und Großmacht-Status — zu verwirklichen. Einflußreiche Kräfte in Deutschland und nicht nur die bekannten Gegner Adenauers äußerten wiederholt, daß die sicherheitsstrategische Westbindung für Deutschland keineswegs »Endstation Sehnsucht« bedeute, sondern Etappenziel auf dem Weg zurück zur Vereinigung und zum eigenständigen Arrangement mit dem Kreml sei. Die Frage war eher, ob bzw. wann Adenauer, um den Nationalisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, den Standpunkt einnehmen werde: Wenn von der Bundesregierung erwartet werde, daß sie jene Konzessionen an die Sowjetunion mache, die der Westen im Dienst der Entspannungspolitik für erforderlich halte, dann machen wir dies besser selber; es läßt sich hinzudenken: »und im Alleingang«. Aus taktischen Gründen gab Adenauer diesen Standpunkt unumwunden zum besten. »Daher ziehe ich, weil ich fest davon überzeugt bin, im geeigneten Moment mit den Sowjets verhandeln zu können, eine Konferenz mit den Sowjets über die Rückgabe der SBZ, bei der wir gleichberechtigt am Tisch sitzen, Verhandlungen vor, die über unseren K o p f hinweg geführt werden 197 .«

Macmillan war froh darüber, daß der Bundeskanzler die Behauptung zurückwies, daß die Bundesrepublik der NATO nur beigetreten sei, 194

195

,c)7

J.L. Dulles, 1.1.1957, Bipartisan Mtg. of Legislative Leaders, AWT', DDE Diarv, Box 12; zum Konzept Gürtel neutralisierter Staaten s.o. und 11.4; LRUS, 1955-57, V, S. 262 ff. (5.7.1955); 20.5.1955 (S. 192); NSC, 19.5.1955: LRUS, ebd., S. 184- 1888; Dulles an Eisenhower, 18.6.1955. Zum Spannungsverhältnis zwischen amerikanischen Bekundungen, daß sie die sowjetische Kontrolle über Osteuropa schwächen wollten, und enttäuschten Erwartungen zum Beispiel Ungarns über ausbleibenden westlichen Beistand, siehe Kovrig, Of Walls; Borhi, Roll Back. Insbesondere Eden, 26.3.1955, CP 55/83, Talks with the Soviet Union, PRO, PREM 11-893; Amerikas Option, S. 88 ff. Adenauer siehe Wir haben wirklich, 5.2.1955, S. 373 f.

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»in order to use the possibility of getting out of NATO as a bargaining point with the Soviets to achieve unification«198. Adenauers Verhalten vor, während und nach dem Staatsbesuch in Moskau Mitte September 1955 folgte der Devise, die deutsche Politik mit den Westmächten, insbesondere Washington, abzustimmen. Die so demonstrierte AllianzloyaEtät bewahrte die Bundesrepublik allerdings nicht davor, daß Vorstellungen über den unsicheren Standort der Deutschen die Politik der Alliierten gegenüber der Bundesrepublik nach Wiederherstellung der Souveränität beeinflußten199. Während Frankreich und die Bundesrepublik die europäische Einigungspolitik auch unter dem Vorzeichen betrieben, das sei die wechselseitig beste Rückversicherung gegen eine Bündnispolitik eines von ihnen mit »Rußland«, stellten Eden und Macmillan ihre Europapolitik darauf ab, daß der westdeutsche Partner ohnehin schon zu reich, stark und übermütig geworden sei und daß man Frankreichs Position gegenüber den Deutschen stärken müsse, und zwar selbst dann, wenn Frankreich die Umhegung der EWG durch eine europaweite industrielle Freihandelszone hintertreibe; das gemeinsame Interesse der beiden westeuropäischen Führungsmächte an Arrangements mit der Sowjetunion hinsichtlich der Rüstungs-Standards sollte das britisch-französische Rapprochement fundieren200. Die Bundesrepublik konnte sich nicht des gleichen Rückhalts, wie ihn die UdSSR der DDR garantierte, bei ihren Gründern sicher sein, denn Moskau trat mit Anliegen wie z.B. De-facto-Anerkennung der DDR-Behörden als von der Sowjetunion anerkannte souveräne »agents« auf ostdeutschem Gebiet an die Westmächte heran, die zumindest London als vernünftig einstufte. Der Kreml verwies die Westmächte und die Bundesrepublik zunehmend auf die Zuständigkeit der DDR für die Regelung der inneren Aspekte der Deutschlandfrage21", während die großen Fragen der europäischen Sicherheitsorganisation und des militärischen und politischen Status Deutschlands einer Friedenskonferenz unter Beteiligung der beiden deutschen Staaten überantwortet werden sollten.

ι'» Dulles-Bericht an Department of State, 10.5.1955: FRUS, 1955-57, IV, S. 13. 199 Im Frühjahr 1957 - nach Festigung der westlichen Welt durch die Uberwindung der Folgen der Suez-Krise und dem Durchbruch in den EWG-Verhandlungen — schien Adenauer der Zeitpunkt gekommen, um Spielräume gegenüber der Sowjetunion auszuloten; die Bundesregierung wollte das Feld der Entspannungsmanöver nicht den anderen überlassen; Gotto, Adenauers Ost- und Deutschlandpolitik, S. 197 ff.; Spaulding, Wirtschaft, S. 248; Köhler, Adenauer, S. 990-999. 200 Bei ihrem Treffen in Paris vom 12.3.1956 gaben Eden und Mollet der Abrüstungsfrage den Vorrang gegenüber anderen Problemen, incl. den politischen Ursachen der Teilungen; Schmidt, Auswirkungen, S. 648 ff.; Gossel, Briten, S. 139 ff.; Kosthorst, Brentano, S. 95 ff.; Schwarz, Adenauer, II, S. 240 f.; Mollet-Interview mit US News and World Today, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe, II, S. 229-235. Zu den Abrüstungs- und Demilitarisierungsplänen van Zeelands, den Blankenhorn- und I Ieusinger-Plänen (1953, 1955): Rupieper, Wiedervereinigung; Feiken, Dulles, S. 198-211; 1 linterhoff, Disengagement; siehe III, Anm. 71. 201 Die sowjetische Haltung in der Frage, ob das auch die Regelung des Zugangs nach Berlin (zwischen den West- und Ostsektoren und zwischen Westdeutschland und Westberlin) betreffe, war zwiespältig.

367 Der Gromyko-Plan v o m März 19562"2 schlug den Westmächten vor, (1) die Aufrüstung der Bundesrepublik auf das für Polen und die CSR vorgesehene Niveau ( 1 5 0 - 2 0 0 000 Mann) festzulegen; (2) das Gebiet der beiden deutschen Staaten in eine mitteleuropäische Zone »verdünnter« Rüstung einzubetten; (3) die bestehenden Grenzen zur Grundlage der Rüstungsbegrenzungszonen zu machen; (4) atomare Abrüstung inklusive Testmoratorium zu vereinbaren; (5) die Sowjetunion an der Inspektion westlicher Verteidigungseinrichtungen zu beteiligen. Für die Bundesregierung war alarmierend, daß der amerikanische Abrüstungsminister Stassen in seiner Reaktion auf den Gromyko-Plan die deutsche Frage nicht anschnitt2111. A m deutlichsten — wie auch sonst — konstatierte v. Brentano (am 12. April 1956), was sich abspielte: »Es wäre jedoch ein Mißbrauch, wenn Deutschland vom Westen an den NATOVerpflichtungen festgehalten werde und unsere NATO-Partner gleichzeitig die deutschen Verpflichtungen zum I Iandelsobjekt machten2"4.« I lier spielte die amerikanische Regierung — trotz gelegentlich abweichenden Verhaltens 2 " 5 — nicht mit. Dulles bedrängte bzw. bestärkte Adenauer 2 " 6 in der Absicht, den Aufbau der deutschen Streitkräfte zu beschleunigen - »Fakten zu schaffen« —, um allen Versuchen vorzubeugen, den deutschen NATO-Beitrag in Ost-WestVerhandlungen neu festzulegen, d.h. an die Verständigungsbereitschaft der UdSSR zu koppeln und umfangmäßig zu begrenzen. Für Dulles, aber ebenso für die britische Regierungsspitze 2 " 7 , war es weiterhin vordringlich, daß Adenauer am Ruder blieb, um die Integration der Bundesrepublik in die N A T O und den Aufbau der Bundeswehr über die Bühne zu bringen 2 " 8 . Der Plan wurde dem UN-Abrüstungsausschuß vorgelegt; Thoß, Beitritt, S. 195; Planck, Sicherheit, S. 113 ff. 21,1 Z u m Konflikt Stassen-Dulles s.o. 204 Protokoll der Kabinettssitzung v o m 12.4.1956, Kabinettsprotokolle, IX, S. 299; Thoß, Beitritt, S. 196; Adenauer reagierte mit Blick auf die innenpolitische Situation (Wehrgesetz-Debatten) insgesamt zurückhaltend. 2,)"' Stassen erörterte seine Vorstellungen mit sowjetischen Vertretern, bevor er die britische, französische oder deutsche Regierung informierte und konsultierte; diese Initiative brachte nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch Großbritannien und Frankreich gegen die USA auf; damit war die erste amerikanisch-sowjetische Avance erledigt. Dulles benutzte den Vorfall, um Stassen auszubooten. 2W' Dulles äußerte dies beim Besuch Adenauers in Washington, 13./14.6.1955: I'RUS, 1955-5~, V, S. 2 2 4 - 2 3 8 ; Adenauer, Erinnerungen, III, S. 455 ff.; siehe auch deutsch-amerikanische Verhandlungen über das Military-Aid-Abkommen im Herbst 1954: Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 427 f f ; l'elken, Dulles, S. 291 ff.; Thoß, Beitritt, S. 157. Nach dem NATO-Beitritt erhöhten die USA den Druck und erinnerten Bonn an die deutsche Bringeschuld hinsichtlich des Verteidigungsbeitrags. 211 Im Unterschied zur Vorbereitung auf die Genfer Gipfelkonferenz verhielt sich die britische Regierung im Vorfeld und während der Genfer Außenminister-Konferenz zurückhaltend; Young, Geneva. 2I,B Thoß, Beitritt, S. 187. Die britische Politik war zwiespältig: Einerseits lieferte ihr der Verzug bei der Aufstellung der Bundeswehr das Argument, daß Bonn die Mittel habe, u m die Devisenkosten für die Stationierung der B A O R zu erstatten, also die Besatzungskosten auf anderem \\ ege weiterzuzahlen; andererseits war die Präsenz der Bundeswehr Voraussetzung für die Realisierung der britischen Pläne für die Reduzierung der konventionellen Streitkräfte. 202

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Die Konzessionen, an die man in der deutschen öffentlichen Debatte im Hinblick auf eine Vereinbarung über europäische Sicherheit dachte, um von der Sowjetunion im Gegenzug die deutsche Einheit zu erhalten209, blieben weit hinter dem zurück, was der Kreml forderte210. Außerdem sparten sie die Kernfrage aus, die Adenauer bewegte, ob nämlich die Einheit Deutschlands zu der Bedingung wünschenswert sei, daß die USA ihre Militärbasen aufgeben und sich dadurch zum Abzug aus Westeuropa gezwungen sehen sollten, falls die Sowjetunion als Gegenleistung die Demilitarisierung/Rüstungsbeschränkung der DDR, Polens und der CSR anböte 211 . Um nicht von amerikanischen, britischen und französischen Planspielen212 für westliche Verhandlungsbereitschaft gegenüber der Sowjetuniorf 13 überrascht zu werden oder seitens der Alliierten dem gleichen Vorwurf der Unbeweglichkeit ausgesetzt zu sein, den die deutsche Opposition gegen ihn erhob, ergriff Adenauer die Flucht nach vorn und brachte seine Vorstellungen über demilitarisierte Zonen ins inter-alliierte Gespräch ein214. Eine rechtzeitige Beteiligung, so die taktische Devise, würde dazu beitragen, daß die Bundesrepublik die Akzente auf die für sie maßgeblichen Gesichtspunkte setzen und die weniger erfreulichen Aspekte verdrängen könnte. Zu erstem gehörte, daß die Frage der Aufrüstung der Bundesrepublik nicht-verhandelbar sein sollte; Demilitarisierung als Teilbeitrag zur Vereinigung müsse so gestaltet werden, daß sie nicht an den Grundfesten der »Sicherheit durch NATO« rütteln könnte215. Im Januar 1955 griff er auf den Van-Zeeland209

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Euler (FDP); Tillmanns (CDU), Botschafter v. Herwarth u.a. schlugen für den »package deal« mit der Sowjetunion als deutschen Beitrag u.a. vor: Garantie, daß die Uran-Lieferungen aus der DDR fortgeführt würden; Entmilitarisierung des DDR-Gebiets nach Abzug der sowjetischen Truppen; Begrenzung der deutschen Streitkräfte auf 6 (statt 12) Divisionen; entmilitarisierte Zone in Mitteleuropa: Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 409 ff. Die sowjetischen Grundbedingungen lauteten: Status als Garantiemacht mit Kontroll- und VetoRechten über Gesamtdeutschland; Auflösung der amerikanischen Militärstützpunkte auf dem westeuropäischen Kontinent; Rüstungsbeschränkungen, die für die Sowjetunion de facto nicht wirksam würden, weil diese sich auf ihre Gebietsgröße, d.h. unendlich langen Grenzen insgesamt als Meßlatte berief. Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 404 ff., 408 ff.; Thoß, Beitritt, S. 136 ff.; Cabalo, Rüstungskontrollpolitik. Zu dem von Faure in Genf am 18. und 21.7.1955 vorgelegten Rüstungskontrollplan, seiner Vorgeschichte und den amerikanischen, britischen und deutschen Vorbehalten: Barbier, French Policy, S. 112 ff.; FRUS, 1955-57, V, S. 364, 521 ff.; DDF, 1955, Annexes, II, S. 163 ff. Siehe III, Anm. 199; Schmidt, Auswirkungen, S. 648 ff. Die sowjetischen Noten vom 23.11.1954 und 15.1.1955 im Rahmen der sowjetischen Abrüstungsinitiative in der UNO deutete man in Washington, London und Paris als Auftakt der Bemühungen, den Vollzug des deutschen NATO-Beitritts zu verhindern; die Sowjetunion würde sich als kompromißwilliger Verhandlungspartner präsentieren. Dementsprechend müsse der Westen nicht nur auf Abwehr sinnen, sondern selbst Beweglichkeit demonstrieren. Oppositionsführer Ollenhauer hatte Adenauer aufgefordert, das sowjetische Angebot vom 15.1.1955 ernsthaft zu prüfen; Adenauer drängte die Westmächte zur Bildung einer Arbeitsgruppe, die die Vorstellungen der vier Westmächte koordinieren sollte: Conze, No Way, S. 192 f., 199 f. NSC; 5524/1, Basic U.S. Policy in Relation to Four-Power Negotiations, 11.7.1955, NA, RG 59, Lot 66 D 70, folder Europe; siehe Felken, Dulles, S. 298 ff.

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Plan eines demilitarisierten Streifens beiderseits der Demarkationslinie zurück und verband ihn mit dem Hinweis auf Überwachung durch eine UN-Kommission 216 ; mit dem Blankenborn-Vinn (25. April 1955) und dem Heusinger-Plan (11. Juni 1955)217 legte er dem State Department bzw. dem Foreign Office Überlegungen zur Truppenverminderung beiderseits der Zonengrenze vor, allerdings gekoppelt an Bedingungen: — Die deutsch-deutsche Demarkationslinie dürfe nicht den Bezugspunkt für die Bestimmung der »Verdünnungs«-Zonen auf östlicher und westlicher Seite bilden. Damit sollte verhindert werden, daß durch das »Fakten-Schaffen« in Gestalt von Grenzlinien für demilitarisierte und/oder rüstungsbeschränkte Zonen die Demarkationslinie und die DDR-deutsch-polnische Ostgrenze gleichsam automatisch als Staatsgrenzen fixiert werden könnten. Die Anerkennung der DDR als zweiter deutscher Staat sollte nicht auf Schleichwegen bzw. im Zugzwang pragmatisch verstandener Vereinbarungen erfolgen. Da die deutschen Pläne lediglich einen großen Teil der DDR für die demilitarisierte Zone vorsahen, die der Bundesrepublik zugedachte NATO-Stärke im vereinten Deutschland hingegen erhalten wissen wollten, erschienen sie den britischen und einigen amerikanischen Gesprächspartnern wenig brauchbar. Die Sowjetunion, so der Einwand von Dulles, würde im Gegenzug die Frage stellen, ob der Westen denn bereit wäre, dem Beitritt der Bundesrepublik zum Warschauer Pakt zuzustimmen; sie würde ihrerseits ein Äquivalent auf bundesdeutschem Gebiet zum Streifen auf der DDR-Seite verlangen. — Eine UN-Kommission sollte die Stärke der verbleibenden Truppen überwachen und die Gefahr unterbinden, daß militärisches Einschüchterungspotential die Durchführung freier Wahlen beeinträchtige. — Die deutsche WEU-NATO-Mitgliedschaft könnte für einen 5-Jahreszeitraum ruhen, in dem die aufgrund von freien Wahlen gebildete gesamtdeutsche Regierung an Friedensvertragsverhandlungen teilnehme. — Verhandelbar war aus Adenauers Sicht eine Übertragung der in den westlichen Systemen geleisteten Selbstbeschränkung der Bundesrepublik 218 auf Gesamtdeutschland in einem System gesamteuropäischer Sicherheitsgarantien an die und für die Sowjetunion, nicht aber ein Zurück zu den Zuständen vor 1949. Nicht-verhandelbar waren für Adenauer — genauso wie für Großbritannien 219 und für Frankreich —: Zu den Gesprächen mit Mendes France im Januar 1955 in Baden-Baden: Thoß, Beitritt, S. 106; Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 78; es ist möglich, daß Adenauer die UN-Aufsicht ansprach, weil Mendes France auf die U N O betr. Österreich-Regelung und Abrüstungskonferenz in öffentlichen Reden abgehoben hatte. 217 Die Eckpunkte der Pläne sind in III, Anm. 71 dargelegt. Zu den taktischen Erwägungen und den innenpolitischen Auseinandersetzungen: Conze, N o Way Back, S. 199 ff.; Feiken, Dulles, S. 297 ff.; Schwarz, Adenauer, II, S. 186 ff.; Gossel, Bnten, S. 1 0 1 - 1 0 5 . 2 I S Übertragung der EVG-WEU-Kontrollen in das gesamteuropäische System; Gewaltverzicht; Verzicht auf A B C - W a f f e n ; zeitlich begrenzte Sonderregelungen für DDR-Gebiet während der Phase des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte. 21 " Thoß, Beitritt, S. 138 f. 2lfl

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— der Verbleib amerikanischer Truppen in Europa-Mitte als »Halteseil« der NATO; — die freie Entscheidung einer gesamtdeutschen Regierung, der NATO/WEU anzugehören; — die als Konzession an die Sowjetunion konzipierten »freiwilligen Selbstbeschränkungen« sollten nur zum Zuge kommen, wenn die deutsche Teilung aufgehoben worden sei. Die Vereinigungsfrage sollte integraler Bestandteil jedes westlichen Verhandlungspaketes sein, schon um zu verhindern, daß die Sowjetunion den Status quo der Teilungen Deutschlands und Europas als Faktum verbuchte und vom Westen darüber hinausgehende Angebote einforderte. In den westlichen Hauptstädten war man sich freilich darüber im klaren, daß eine Agenda, die unter dem Titel weltweite Entspannung, mit dem Schwerpunkt europäische Sicherheit, stünde, die Frage der Sicherheitsfunktion der DDR für die UdSSR nicht umgehen könnte. Denn gerade weil der Westen, nachdem er seine Position durch die Westbindung der Bundesrepublik arrondiert hatte, auf der Nicht-Verhandelbarkeit seiner Errungenschaften beharrte, konnte er nicht mehr damit rechnen, daß die Sowjetunion auf die »alte« Frage einer Entschädigung für die Freigabe der DDR ansprechbar sei; vielmehr würde der Kreml den Preis für eine eventuelle Demilitarisierung der DDR in die Höhe treiben, mit dem Ziel, auf den Status der Bundesrepublik in der NATO Einfluß nehmen zu können. Die Festlegung des Themenspektrums — Rüstungsbegrenzung/-kontrolle — und des Teilnehmerfeldes — darunter zwei deutsche Staaten — bereitete Bonn mehr Probleme als den Verbündeten; beides erfüllte sowjetische Forderungen. In der Arbeitsgruppe der Westmächte zeichnete sich ab, daß Frankreich22", aber auch Großbritannien 221 , ihr mit der Sowjetunion gemeinsames Interesse an Rüstungsbegrenzung vorrangig thematisieren und Teillösungen akzeptieren wollten, die auf die bestehenden Grenzziehungen Bezug nahmen; an Fortschritte unter dem von Bonn artikulierten Aspekt »Keine Entspannung ohne Abbau der politischen Ursachen der Spannungen«, d.h. der Teilungen, glaubten sie nicht222. Mit dem I Iinweis, daß er in Moskau einen schweren Stand haben werde, wenn die Westmächte im Vorfeld des Genfer Gipfels die Entkoppelung zwischen »Sicherheit durch Abrüstung« und »Politische Ursachen der Spannungen: Teilungen Deutschlands und Europas« zuließen, konnte Adenauer zwar einen Aufschub bewirken 223 ; die Einstellung der westeuropäischen Partner, daß es vielleicht etwas

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Fritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik, S. 80; Barbier, French Policy, S. 107 ff. Zu den Eden-Plänen s.o.; zu den 1956/57 erörterten Plänen: Cabalo, Rüstungskontrollpolitik; Schmidt, Auswirkungen, S. 648 ff. Faure gegenüber C. Sulzberger: Sulzberger, The Last, S. 170; DDF, 1955, S. 601 f., 603 f.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 412 ff.; Thoß, Beitritt, S. 145. F'RUS, 1955-57, V, S. 230 f.; Adenauer, Erinnerungen, III, S. 458 ff.; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 448 ff.

III. Zäsur 1955/56. Strukturen nach dem ersten großen Wandel

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in der Abrüstungsfrage zu gewinnen gebe224, nicht aber hinsichtlich der Auflockerung der sowjetischen Fesdegung auf die Zwei-Staaten-Theorie, konnte er nicht mehr rückgängig machen. Das Augenmerk Adenauers richtete sich darauf, daß die Westmächte nicht auch noch die Anerkennung der DDR de facto vollzogen225. Daß Dulles Optimismus zu verbreiten suchte226, half Adenauer wenig, weil er wußte, welcher Druck auf der amerikanischen Politik lastete, die Beziehungen zwischen den nuklearstrategischen Supermächten zu entspannen. Er urteilte genauso skeptisch wie Dulles über die Bereitschaft Frankreichs und Großbritanniens, in der Phase der Entspannung, die die Sowjetunion benötige, für eine »forward diplomacy« zugunsten der Uberwindung der Teilungen Europas und Deutschlands einzustehen 227 und der Sowjetunion die Aussichtslosigkeit ihres Vorhabens zu demonstrieren, den Kalten Krieg siegreich beenden zu können.

10. Suez- und Ungarn-Krise Eine »forward diplomacy« mit dem Risiko einer militärischen Strafaktion leisteten sich Großbritannien und Frankreich im Nahen Osten; es war ein letztes Aufbäumen gegen die amerikanische Belehrung, daß das Zeitalter kolonialherrlicher Strafaktionen gegen selbsternannte Pan-Arabisten (Ägypten unter Nasser) beziehungsweise »Freiheitskämpfer« (Tunesien, Algerien) vorüber sei. London und Paris, die zuvor Washington vor der Unzeitgemäßheit und dem unkalkulierbaren, ihre Verbündeten gefährdenden Risiko einer Interventionsandrohung (mit Nuklearwaffen) in Ostasien22* gewarnt hatten, sahen nun die gleichen Vorhaltungen gegen ihre Bereitschaft zur Interessendurchsetzung mittels militärischer Aktionen gerichtet. Die Argumentation, den Anfängen zu wehren, um später Appeasement vermeiden zu können, zog nicht, weil Eisenhower und Dulles den Vergleich Nasset^I Iitler für unzutreffend erklärten. Washington drängte außerdem darauf, andere Stabilisatoren22'-1 in der Region Mittlerer/Naher Osten zur Stelle zu haben, bevor es zur Konfrontation mit dem Fuhrer des Pan-Arabismus kommen dürfe. Daß eine westeuropäische, noch dazu in Verschwörung mit Israel durchgeführte Kriegshandlung gegen Nasser der Sowjetunion zum Vordringen in diese Region verhel22-> 22i

226

227

22s 229

Mollet, 31.1.1956; Eden-Mollet, März 1956: Thoß, Beitritt, S. 163; Rupieper, Der besetzte Verbündete, S. 448 ff. Die Teilnahme der D D R an Abr jstungsgsprächen hielt man für unausweichlich. Da der EdenPlan die Demilitarisierung des Territoriums der DDR vorsah, witterte Adenauer darin die Bereitschaft, die Oder-Neiße-Grenze de facto festzuschreiben: Thoß, Beitritt, S. 163- 165. Dulles' Statement: Die Wiedervereinigung liegt in der l.uft, 26." , ,1955; l'elken, Dulles. S. 290 ff.; Adenauer, Erinnerungen, II, S. 4?2 ff.; Rupieper, Deutsche Frage, S. 206 f.; mit der Äußerung reagierte Dulles auf Adenauers Schwarzmalerei, s.o. C . C (55) 26, 26. 7 .1955: PRO, CAB 128-29; Eritsch-Bournazel, Frankreichs Ost- und Deutschlandpolitik. S. 84 ff. Siehe I.2.d und g Die USA sahen in Saudi-Arabien und im Iran sowie in der für möglich gehaltenen Kooperation zwischen den beiden Monarchien Ersatzpartner.

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fen würde, war ein weiterer Grund für die USA, den Verbündeten keine Hoffnung auf Unterstützung zu machen. Dulles und Eisenhower ließen sich nicht auf das Argument der eigenen Militärs (Radford) ein, daß alles so schnell gehen würde, falls die Briten und Franzosen gut vorbereitet operierten und man sie gewähren ließe, daß die Sowjetunion gar keine Chance erhielte, als Partei einzugreifen. Hinzu kam, daß Washington die Auffassung vertrat, daß man es weder Moskau noch Peking überlassen dürfe, auf der Klaviatur des Nationalismus zu spielen und die »newly independent states« gegen den Westen auszuspielen. Auch London und Paris hielten die Wirksamkeit des sowjetischen Appells an die Massen in den arabischen Ländern für größer als in Deutschland oder Japan, schätzten das Risiko eines militärischen Beistands der UdSSR im Falle einer Strafaktion gegen Nasser jedoch nicht als Grund für den Verzicht auf ihre Intervention ein. Eisenhower und Dulles hatten auf erste Anzeichen einer britischen Entschlossenheit, mit Nasser abzurechnen23", mit dem Hinweis reagiert, daß im Gefolge von Chruscevs Rede auf dem XX. Parteitag (Februar 1956) mit Turbulenzen in Osteuropa gerechnet werden müsse; »künstlich« herbeigeführte Konflikte an anderen Krisenherden der Weltpolitik sollten tunlichst vermieden werden. Die Zuspitzung des Konflikts um den Suezkanal, den Nassers Erklärung vom 26. Juli 1956 zu dessen Verstaatlichung auslöste, suchten die USA abzuwiegeln. Die Ende Juni 1956 in Polen ausbrechenden Unruhen 231 endeten mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den rehabilitierten Nationalkommunisten Gomulka. In dieser Phase verknüpften die USA aktives - intra-westliches — Krisenmanagement in der Suezkanal-Frage mit beobachtender Haltung gegenüber den Ereignissen in Osteuropa. Erst zu einem Zeitpunkt, als die Duldungsphase des Kreml gegenüber dem Volksaufstand in Ungarn in eine Repressionsstrategie umschlug, erfuhren Eisenhower und Dulles, daß Großbritannien und Frankreich hinter der Aktion Israels standen. Die britische und französische Führung hatten die Berechtigung zur geheimen Vorbereitung einer eigenen militärischen Strafaktion aus den einander widersprechenden Reaktionen der amerikanischen Regierungs- und Militärspitzen auf die Nahostkrise abgeleitet. Chruscev hingegen wußte aus dem abgefangenen Depeschenverkehr der britischen und französischen Regierung mit ihren Botschaften in Moskau, daß London und Paris ihr Suez-Abenteuer vor den USA geheimhalten wollten 232 . Chruscev, der in Dulles seinen Hauptwidersacher erblickte, rechtfertigte seine eigene Risikostrategie gegen interne Kritiker damit, daß er wisse, daß Dulles' ato2.0 2.1

«2

März/April 1956, siehe Schmidt, Auswirkungen, auch zum Folgenden. Aufstand in Danzig Ende Juni 1956; die britischen Pläne, mit Nasser abzurechnen, verdichteten sich im Juli 1956. Eden informierte Dulles am 20.8.1956, »(that) once the military preparations had been completed, the forces involved could not be maintained in a state of readiness for an indefinite time«; auf Anraten Dulles' teilte Eisenhower Eden mit, daß die USA unglücklich über den möglichen Gewalteinsatz seien; EC 18th meeting, 20.8.1956: PRO, CAB 134-1216; ebd., 20th Meeting, 23.8.1956; Makins-Tel. 1613 vom 30.7.1956; PRO, PREM 11-1098; Eisenhower an Eden, 31.7.1956, ebd. Zubok/Pleshakov, Inside, S. 190 f.

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mare Drohpolitik lediglich ein Bluff sei: »Dulles knew where the brink was (that the Americans) should not overstep, and behaved in a prudent way, taking our resistance into account and seeing that, with sheer force and extortion, they could not get what they wanted.« Daraus zog Chruscev die Schlußfolgerung, daß er den Spieß umdrehen und gegen die USA richten könne: Er wollte die USA zwingen, die Gleichwertigkeit der Sowjetunion als globaler Akteur anzuerkennen; gleichzeitig wollte er den amerikanischen Einfluß in der Welt zurückdrängen, indem er Deutschland und Japan mit guten Geschäften lockte oder die Gegensätze zwischen den USA und den europäischen Kolonialmächten ausnutzte. Im Hinblick auf die Doppelkrise Ungarn-Suez gab Mikojan eine frappierende Erklärung für die Risikostrategie Chruscevs: Die Briten und Franzosen hätten darauf vertraut, daß die Sowjetunion mit der Ungarn-Krise so stark präokkupiert sei, daß sie ihrem ägyptischen Verbündeten keinen Beistand leisten könne. Also habe Moskau demonstrieren müssen, daß die Sowjetunion sowohl in Ungarn handlungsfähig sei als auch ihre »ultimative« Waffe einsetzen würde, um jedwedem Einflußverlust im Nahen/Mittleren Osten vorzubeugen. Den Schachzug, den Vereinigten Staaten ein gemeinsames Einschreiten über die UNO gegen die westeuropäischen »Aggressoren« anzubieten, empfand Chruscev als Sieg im Kalten Krieg mit den USA233. Die USA manövrierten sich in die mißliche Situation, im Rahmen der UNO einerseits genau so wie die Sowjetunion Einspruch gegen den Aggressionsakt ihrer engsten europäischen Verbündeten einzulegen, andererseits aber mit der Verurteilung der Sowjetunion wegen des Einmarsches in Ungarn keinen Effekt zu erzielen. Adenauer vergaß — vorübergehend — seinen Arger über britische und französische Aktivitäten in den ihn berührenden Fragen des Ost-West-Konfliktes und begrüßte den Militärschlag als Akt der »Selbstbehauptung Europas«; statt dessen kritisierte er das Versagen der USA als Führungsmacht des Westens. Im zweiten Atemzug gestand er ein, daß der Westen aufgrund der Selbstsucht der europäischen Großmächte und der Uneinigkeit zwischen den großen Drei die Chance verpaßt habe, die mangelnde »Kunstfertigkeit« der sowjetischen Führung, mit den Schwierigkeiten im Ostblock umzugehen, zum Anlaß zu nehmen, um den Kreml zum Einlenken gegenüber dem »Nationalkommunismus« zu bewegen und ihn dafür mit Gesprächsbereitschaft über eine europäische Friedensordnung zu entschädigen.

2,3

Zubok/Pleshakov, Inside, S. 190 f.; da Gomulka sich Chruscevs Einmischung in Polen energisch verbat und Chruscev den polnischen Nationalkommunisten - im Unterschied zu Nagv - als starke Persönlichkeit respektierte, nahm der Kremlführer Abstand vom Einsatz der sowjetischen Panzermacht.

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11. Innenpolitische Reaktionen auf die deutsche Mitgliedschaft in der NATO Die bündnisinternen Differenzen setzten sich auf nationaler Ebene fort; allerdings waren die Konfliktlinien zwischen den »Verständigungs«-Politikern und den »Krypto«-Gaullisten/Nationalisten keineswegs identisch mit den Grenzlinien zwischen den Parteien. Die Niederlage der innerparteilichen Opposition in der Labour Party im Spätherbst 1954 und die Zustimmung der französischen Kammern zu den Pariser Vertragswerken stellte in diesen Ländern das Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition in Grundzügen der Außen- und Sicherheitspolitik wieder her214. In der Bundesrepublik hingegen standen die eigentlichen Schwierigkeiten noch bevor. Das betraf zum einen die Sicherung verfassungsändernder Mehrheiten für die Wehrgesetzgebung; der Kompromiß in der Saarfrage durch die Einigung mit Mendes France auf die »Europäisierung« und die Erkenntnis, daß der WEU-NATO-Beitritt auf absehbare Zeit die Teilung besiegeln werde, sorgten dafür, daß die SPD und große Teile der FDP, aber auch Landes»fürsten« der CDU/CSU Stimmung mit der Parole machen konnten, daß Adenauer Deutsche opfere: Saarländer an Frankreich, Ostdeutsche an die SED-Statthalter der Sowjetunion und Bundeswehrsoldaten als Kanonenfutter für die NATO. Zum anderen geriet die Regierung Adenauer an den Rand eines Offenbarungseides: Bonn war weder darauf vorbereitet, eine Bundeswehr aus dem Boden zu stampfen — das heißt, die von Adenauer postulierten »Fakten zu schaffen« —, noch war die Bundesregierung bereit, allein für die Kosten aufzukommen 235 , insbesondere in dem Fall, daß die Zusagen schnell eingelöst werden sollten, statt die Aufrüstung zeitlich zu strecken236. Die Bundesregierung erwartete und erwirkte von allen WEUNATO-Partnern einerseits Verständnis für die von ihr genannten Gründe für den Aufschub und von den USA die Bereitstellung von Militär- und Finanzhilfe; andererseits verlangte sie unverzagte Unterstützung des deutschen Anliegens, die politischen Ursachen des Ost-West-Konfliktes gegenüber der Sowjetunion zu thematisieren und sich nicht darauf einzulassen, die DDR — etwa im Rahmen von »Sicherheit-durch-Abrüstung«-Gesprächen — anzuerkennen. 2M Thoß, Beitritt, S. 82; Keesings Archiv, 1954, S. 4849 E; FRUS, 1952-54, V/2, S. 1485 ff. Die Ratifizierung durch die französische Nationalversammlung Ende Dezember 1954 war allerdings gefährdet, da Mendes France gegensätzliche Interessen — in der Saarfrage; Algerien; Nuklearpolitik - zu befriedigen hatte und Großbritannien und die USA ihm keine Entlastung boten, d.h. weder in der Saarfrage Druck auf Bonn ausüben wollten noch Flankenschutz für die Entwicklung einer französischen Atombombe geben konnten; sie betonten, daß sie auf Adenauer Rücksicht nehmen müßten, der große Schwierigkeiten vor sich habe. 235 Die Bundesregierung erwartete, daß die USA zumindest in der ersten Gründungsphase Rüstungsgüter lieferten und Rüstungskäufe finanzieren halfen; zur amerikanischen Rüstungshilfe an die Bundesrepublik: Birtle, Rearming, S. 210 ff. und Kap. 7. Frankreich, die Niederlande, Belgien, Italien hatten unterschiedliche Erfahrungen hinsichtlich der Qualität, Quantität und Pünktlichkeit der amerikanischen »military aid« gemacht; siehe die Beiträge von Sebesta und van der I Iarst in: NATO. The Founding. 2 , 6 Greiner, Militärische Eingliederung, S. 648 ff.; Abelshauser, Wirtschaft und Rüstung, S. 121 ff.

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Auch der unverhohlene Hinweis237, daß die Bundesregierung durch die Verzögerung bei der Aufstellung deutscher Truppen den politischen Kräften in den westeuropäischen Ländern die Argumente geliefert habe, die angesichts der sowjetischen Verständigungsbereitschaft das Zeitalter der Rüstungsbegrenzung für gekommen hielten238, bewirkte nicht, daß Adenauer die Reibungsverluste innerhalb seiner Regierung 239 zu beseitigen vermochte; er kämpfte darum, die Glaubwürdigkeit seines Standpunktes zu untermauern, daß politische Mitwirkungsrechte im Bündnis einen verläßlichen Verteidigungsbeitrag voraussetzten.

12. Zusammenfassung und Schlußbetrachtung Zusammenfassend ist für den Zeitraum 1955/56 kennzeichnend, daß die Regierungen — in manchen Fragen einzeln für sich, in anderen mit kollektiver Urteilsbildung24" — Anzeichen des Wandels in den Ost-West-Beziehungen erkannten und zum Zweck einer Ausgleichspolitik nutzen wollten; »Entspannung«, »Annäherung«, »Normalisierung« rückten ins Zentrum der Agenda-Setzung. Für die These, daß die Sowjetunion auf Entgegenkommen an den Westen bedacht sein müßte, wurden mindestens drei Gründe genannt: — die Wahrnehmung der Gefahren einer Konflikteskalation bis hin zur wechselseitigen Vernichtung in einem Nuklearkrieg; — innere wirtschaftliche Schwierigkeiten in der Sowjetunion, zu deren Uberwindung eine Atempause im Kalten Krieg nötig schien241; De Staercke (belgischer Botschafter bei der N A T O ) , September 1955, siehe Greiner, Militärische Eingliederung, S. 648. 23« britische Labour Part)' mahnte Flexibilität in Abrüstungsfragen a n ; J . Moch plädierte für die Ratifizierung der Pariser Verträge und ein Aussetzen des Beginns deutscher Aufrüstung, um die Ergebnisse der von den U N O eingesetzten 11er Kommission abzuwarten (der er selbst angehörte); "ITioß, Beitritt, S. 85. Eden und das Ι Ό erwogen eine Verlangsamung der Aufrüstung der Bundesrepublik und wollten über eine allgemeine Beistandsgarantie — gegen jeden Aggressor — im Rahmen eines europäischen Sicherheitssystems dem sowjetischen Bedürfnis nach Sicherheit vor deutscher Aggression entgegenkommen; 26.3.-1.4.1955; Thoß, ebd.. S. 141; Trachtenberg, Constructed, S. 134 ff. 239 Zu den Ressortkonflikten sowie den innerministenellen Leerläufen und Unstimmigkeiten: Greiner, Militärische Eingliederung, S. 642 ff. 2411 Memorandum of the Conversation at the Tripartite Luncheon (Eden, Eisenhower, I'aure), 1 "'Λ 1935: LRUS, 1 9 5 5 - 5 7 , γ , s. 3 4 3 - 3 5 4 ; NSC, 256. Sitzung, 2 8 Λ 1 9 5 5 : ebd., S. 534 f., PRO, PREM 1 1 - 8 9 5 . 241 Das Argument ist alt: In Diktaturen gäbe es Macht- und Richtungskämpfe; die Gemäßigten würden sich durchsetzen und behaupten können, wenn ihnen von der Außenpolitik her eine Atempause gegönnt werde; die I lardliner/Orthodoxen blieben der »idee fixe« treu, daß der l'eind jedes Anzeichen von Schwäche ausschlachten werde, also dürfe es kein Nachlassen in der Kampfbereitschaft geben. Daß Malenkov, der die Schwerindustrie bevorzugte und neben Benja als Vertreter der Richtung galt, die die D D R ggf. abschreiben wollte, Ende |anuar 1955 abgesetzt wurde, hätte eigentlich als Ende der Experimentierphase gelten müssen. Doch setzten Chruscev und Bulganin den Kurs fort, obwohl sie in der Phase des Machtkampfes die Thesen vertreten hatten, 1) es müsse mehr für die Konsumgütererzeugung und Leichtindustrie getan werden; 2) 2,7

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— Schwierigkeiten, im Ostblock Regierungen (»Russenfreunde«) gegen den Willen der Bevölkerung an der Macht zu halten. Mit der Annahme, daß die sowjetischen Führungskader eine Atempause zur Lösung dieser anstehenden Probleme benötigten, diese aber nur dann durch Entspannungsbereitschaft erkaufen würden, wenn der Westen ihnen half, das Gesicht zu wahren, brachten die Westmächte sich selbst in Zugzwang. Dies geschah unter der Prämisse, daß das Einvernehmen unter den Westmächten seinen Höhepunkt erreicht habe: Zum einen hätten sich Frankreich, Großbritannien, die USA und die Bundesrepublik darauf verständigt, den Prozeß des deutschen NATO-Beitritts abzuschließen und daran anschließend den sowjetischen Willen zur Entspannung am Verhandlungstisch auszuloten. Zum anderen hatten die USA im Fernen Osten im März 1955 in einer als brenzlig hingestellten Situation abermals einen Nuklearschlag gegen China ausgeschlossen, um die Konsolidierung des westeuropäischen Zusammenhalts nicht zu gefährden 242 , aber auch, um die sowjetische Führung in ihrer Politik zu bestärken, nicht zum Handlanger der Ambitionen Mao Zedongs zu werden und diesem zu helfen, die USA aus Asia-Pacific zu vertreiben. Die Sowjetunion hatte in der Taiwan-Krise weder, wie von Mao Zedong erwartet, ihre Macht gegen die USA in die Waagschale geworfen, noch ein großes Trommelfeuer gegen die erste Osterweiterung der NATO veranstaltet. Wollte der Westen diese sowjetische Selbstbeherrschung für Entspannung nutzen, dann war er an der Reihe, guten Willen zu zeigen. Wer sich auf Moskau zubewegen mußte, war klar: Die einzige Partei, die hinzugewonnen hatte, die Bundesrepublik, müsse zu erkennen geben, was sie zur Entspannung in Europa beitragen könne. Denn der nachfolgende Schritt, die Überwindung der Teilungen Europas und Deutschlands, wäre nur in einer Atmosphäre möglich, in der niemand, der die Bundesrepublik als Gefahrenherd bezeichnete, auf Resonanz hoffen könnte. Das Kalkül ging nicht auf, weil die sowjetische Führungstroika in Genf erklärte, das Deutschland-Problem sei gelöst: Es gebe zwei Staaten auf deutschem Boden. Chruscev nutzte den Besuch Adenauers im September 1955 in Moskau — nachdem der Bundeskanzler die Einladung vom 7. Juni für einen Termin nach Genf angenommen hatte 243 — lediglich zur Demonstration, daß die Sowjetunion als Siegermacht die Konditionen festlege, zu denen normale diplomatische Beziehungen mit dem »kapitalistischen« deutschen Staat möglich seien. Nach Adenauers Abreise bestätigte die sowjetische Führung der nach Moskau beorderten SED-Führung, daß die DDR gleichberechtigtes Mitglied der sozialistischen Staatengemeinschaft sei und damit auf der Seite des Siegers im Kalten Krieg stehe.

die DDR sei und müsse Teil des sozialistischen Lagers bleiben: Bonwetsch, Deutschlandpolitische Alternativen, S. 331 f. Das Gegenargument, daß die UdSSR im Vertrauen auf ihre wirtschaftlichen Erfolge den Kalten Krieg erfolgreich weiterführen und sogar ausweiten könne, findet sich parallel zu den »imperial overstretch«-Argumenten, s.o. 2 « Dulles, 11.3.1955, siehe I.2.d und g. 243 Zu Adenauers Reaktion auf die Moskauer Einladung und auf den Genfer Gipfel: Schwarz, Adenauer, II, S. 177 ff.

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1955 markiert das Ende vieler Illusionen. Das bedeutet, daß einerseits Strukturen festgeklopft, andererseits aber Versuche unternommen wurden, über die Situation des Waffenstillstands im Kalten Krieg hinauszugelangen und die Blockkonfrontation durchlässiger zu machen. Die Sowjetunion ließ für die nächsten drei Jahrzehnte allerdings nicht mit sich über einen Preis reden, zu dem sie die DDR als westliche Umklammerung ihres Ostblockes und Berlin als Hebel zur Erpressung der Westmächte und der Bundesrepublik aus der Hand geben würde. Die Kremlführung unter Chruscev glaubte zu sehr an ihre Chance, den Kalten Krieg zu gewinnen 244 , um auf westliche Positionen bzw. Tauscharrangements einzugehen. Auf der anderen Seite hatte sie viel zu verlieren; sie rechnete weiterhin damit, daß ihr Stellvertreter-Regime in der DDR im Falle des Zugeständnisses freier Wahlen und/oder eines Abzuges der sowjetischen Besatzungstruppen nicht an der Macht bleiben würde. Einfluß auf Gesamtdeutschland zu nehmen, setzte dagegen voraus, daß der Kreml den Völkern Osteuropas das Selbstbestimmungsrecht einräumte oder zumindest die Fremdbestimmung durch die dreifache Penetration der Machtsvsteme in den Paktstaaten einstellte. Die Entwicklung wäre möglicherweise anders verlaufen, wenn neue Kräfte an der Spitze der Bundesregierung die OderNeiße-Linie im Hinblick auf die Vereinigung als polnische Westgrenze anerkannt 245 und gleichzeitig die Westmächte der Sowjetunion ein gesamteuropäisches Sicherheitsgefüge als Kompensation für den Verzicht auf direkte Herrschaftsausübung in der sozialistischen Staatengemeinschaft angeboten hätten246. Adenauer unterstellte dem Kreml die Absicht, auf eine entsprechende Wende bei den als entscheidend betrachteten Bundestagswahlen im Herbst 1957 hinzuwirken. Er war sich bewußt, daß »Vereinigung« nur die Zusammenführung der vormaligen Besatzungsgebiete heißen konnte 247 ; es würde keine Revision der von Stalin in der Phase zwischen Jalta und Potsdam durch die unilaterale Verfügung über deutsche Ostgebiete geschaffenen Tatsachen geben — außer durch einen unilateral-freiwilligen Verzicht des Kreml auf die »Siegerbeute«. Der Adenauer-Regierung (und ihren 244

245

246

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Zubok, Soviet Union, S. 90; Chruscev vertraute auf die I'ragmen tierung des Westens ( N A T O ) und sah die Tage amerikanischer Dominanz in W esteuropa gezählt. Erste Überlegungen im Auswärtigen A m t und tastende Versuche auf polnischer Seite wurden v o m Vorpreschen Titos hinsichtlich der Anerkennung der D D R gestört. Der v. Eckardt/Blankenhorn-Plan (Dezember 1956 — 11.1.195") ging davon aus, daß Bonns westliche Partner »eine echte deutsche Initiative erwarteten, mit dem Ziel, der Sowjetunion die Liquidation ihrer Politik im Satellitenraum zu erleichtern, ohne daß die Russen zu viel Prestige verlieren [...] u n d sich in ihrer Sicherheitslage bedroht fühlen«: Siebenmorgen, Gezeitenwechsel, S. 1 8 2 - 1 8 4 ; Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, S. 215 ff. Die Deutschland-Abteilung des State Department konzipierte vor dem Genfer Gipfel ein Arrangement (im Falle eines Friedensvertrags): (a) A b z u g sowjetischer Truppen hinter die Oder; Hinnahme Osteuropas als Sicherheitsgebiet der Sowjetunion; (b) äquivalenter Rückzug von amerikanischen Truppen; (c) deutsche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze; (d) Verhandlungen über europäische Sicherheit; Steininger, Zwischen Pariser Verträgen, S. 196 ff.; Rupieper, Gipfeldiplomatie. Adenauer gegenüber Ollenhauer, 30.8.1953, nach einer Aufzeichnung I·. Sängers: Küsters, Konrad Adenauer, S. 507. Das hatten die drei I lochkommissare dem Bundeskanzler in den Auseinandersetzungen am 14.11.1951 deutlich zu verstehen gegeben; Adenauer gab Acheson am 22.11. die entsprechenden Zusicherungen; siehe II.2.

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Nachfolgern) erschien es innenpolitisch zu kostspielig, den Verzicht auf die Ostgebiete öffentlich auszusprechen oder die Oder-Neiße-Linie als Grenze zu titulieren. Für Dulles, der 1955/56 den Westen im Aufwind glaubte, war die Auslieferung Osteuropas an die Sowjetunion als Preis für einen sowjetischen Rückzug aus der DDR zu hoch. Ein Rückzug der sowjetischen Streitkräfte hinter die deutsche Ostgrenze (polnische Westgrenze) war der Bundesregierung zu wenig, wenn sich die USA im Gegenzug dazu von ihrer Rolle als europäische Macht hätten verabschieden müssen. Die Westmächte und Adenauer konnten ihren Streit um den richtigen Weg zum 1950 abgesteckten Ziel beilegen: Der Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik zur »Sicherheit des Westens« Schloß ein Kapitel »Westbindung« der Bundesrepublik ab. Das Gegengeschäft stand aber noch aus: die Einlösung des Versprechens der Westmächte, sich für die deutsche Vereinigung zu engagieren. Während man auf amerikanischer Seite wenigstens noch die Frage diskutierte, ob der neue formale Verbündete sich enttäuscht vom Westen abwenden werde, falls der Westen keinen ernsthaften Versuch mache, seine Position der Stärke zugunsten der Uberwindung der Teilung einzusetzen 248 , verbargen Großbritannien und Frankreich nicht länger ihre Zufriedenheit mit der Situation »Sicherheit und Stabilität durch Teilung«. Zur Rechtfertigung des Standpunkts, daß sie zwar den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik, nicht aber eine Verpflichtung zur aktiven Beförderung der deutschen Vereinigung anerkannt hätten, machten sie geltend, daß sich die westdeutschen Politiker längst mit dem Status quo der Teilung Europas, Deutschlands und Berlins abgefunden hätten; also müßten die Deutschen selbst Schritte ergreifen und Ideen unterbreiten, die man dann von westlicher Seite unterstützen könnte. In den Überlegungen der Westmächte überwog die Auffassung, daß Abrüstung und Konfliktverhütung als vermutlich leichter lösbare Probleme Vorrang vor dem Problem der deutschen Teilung haben sollten. Für Großbritannien und Frankreich, die Gestaltungsspielräume für ihren Aufstieg in den Kreis der strategischen Nuklear- und Raketenmächte, aber ebenso auch für die Verlegung von Streitkräften aus Europa in überseeische Interessengebiete benötigten, waren Verhandlungen über Streitkräfteabbau in Europa ein willkommenes Auskunftsmittel. In der Annahme, daß die UdSSR aufgrund der Erschütterungen im Ostblock an Abrüstungsverhandlungen auch auf konventionellem Sektor interessiert sein könnte, engagierten sich vor allem britische Politiker in der Disengagement-Debatte. Die Disengagement-Diskussion legte das Dilemma offen, mit dem die NATO konfrontiert war: Die amerikanische Führungsmacht wollte eigentlich Flexibilität in der Militärstrategie und Nukleardiplomatie zurückgewinnen; da aber kein Verbündeter bereit war, die dafür erforderlichen Strukturen auf konventionellem Sektor zu schaffen, verharrte die NATO in der selbst fabrizierten Falle der Nuklearisierung ihrer Sicherheitsgarantie für die nicht-nuklearen Mitglieder der Sicherheitspartnerschaft, voran die Bundesrepublik. 248

Rupieper, Deutsche Frage, S. 196 f.

379 »Reciprocal force withdrawals as proposed by the Soviet Union would force NATO into total reliance on nuclear weapons, and this in turn would open the European countries to dangerous pressures to accomodation with the Soviets24'-'.« Aus der Sicht der Wortführer der Disengagement-Pläne ging es hingegen um die Verhinderung der Nuklearisierung der Bundeswehr. Um die Entspannungsbereitschaft nicht durch nukleare Ambitionen zu gefährden, schloß Adenauer die Dislozierung von Euromissiles (MRBM) aus, die von deutschem Territorium aus Zielobjekte in der UdSSR bedrohen könnten. Dennoch richtete der GomulkaRapacki-Plan einer kernwaffenfreie Zone in Mitteleuropa, der Vorschläge Gromykos aufwärmte, die Aufmerksamkeit auf die Gefahr einer »Raketen«ausrüstung der Bundesrepublik; dies lenkte zum einen den Blick vom »Unrecht der Teilungen« ab und bekräftigte zum anderen die These, daß Moskau den Blockpartnern keine Eigenständigkeit in Fragen der europäischen Sicherheitspolitik erlaubte. Die Ohnmacht der USA, am Zustand der Teilungen etwas ändern zu können, nährte den Verdacht, daß die westeuropäischen Länder auf die Idee kommen müßten, sich mit dem sowjetischen Koloß zu akkommodieren; denn dieser würde ihr Nachbar bleiben, was immer sonst in der Welt passieren mochte. Auf diesen Faktor anspielend, schien der Gedanke an kontrollierten Rückzug der Supermächte aus Ost- bzw. Westeuropa attraktiv. Die Doppelkrise Polen/Ungarn-Suez schien zu lehren, daß es mit den bisherigen Politiken nicht weitergehen könne; beide Seiten hätten der Entspannung zu wenig Chancen gegeben. Ost und West steckten in dem gleichen Dilemma, »that persistence in policies that may prove decreasinglv able to sustain and which point to no resolution of recent difficulties, mav incur even greater risks than the suggested course (of arms reduction and disengagement)«25". Die alten Politiken hatten die Dissonanzen in beiden Lagern — zwischen den USA und Großbritannien/Frankreich sowie zwischen der UdSSR und Polen/L T ngarn — zum Ausbruch, aber keine Bewegung in die Fronten des Ost-West-Konfliktes gebracht. Das Ergebnis der Doppelkrise war die Verfestigung des Status quo bei gleichzeitiger Fortdauer der jeweiligen blockinternen Divergenzen. Mit diesem Zustand konnte niemand zufrieden sein. Es schien lohnender und weniger explosiv, auf dem Verhandlungsweg Ubereinkünfte über gemeinsame Sicherheit durch kontrollierte Rüstungsbeschränkung anzustreben. Eine Ära der Verhandlungen sollte eine Atmosphäre schaffen, in der beide Seiten das Ventil für Reformbewegungen öffneten. Doch konnte man sich große I Ioffnungen auf Konzessionsbereitschaft der Kremlführung machen? Die Troika hatte bereits auf dem Genfer Gipfel erreicht, was sowjetische Machteliten sich wünschen konnten — »Parität« mit den USA; Anerkennung als »friedliche Macht«; öffentliche Verzichterklärung Eisenhowers auf einen Erstschlag; obendrein hielt sie die wichtigsten Faustpfänder - Mitspra-

249

2,11

l'our Power Working Group on German Reunification and European Security, 2.3.195 7 , ΝΛ. RG 59, Lot 63 D 166, Box 18, File 5 (11.2). Fuller, Case of Disengagment, 6.12.1956: NA, RG 59, Lot 66 D 48"?, Box 108, File Europe (1/2).

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cherecht über die deutsch-polnische (Oder-Neiße-)Grenze und Lage Berlins auf dem Gebiet der von sowjetischer Unterstützung abhängigen DDR — in der Hand, die bei der Konstruktion einer europäischen Friedensordnung eine Rolle spielen mußten. Mit dem Postulat, daß Osteuropa einschließlich der DDR den Sicherheitsbedürfnissen der UdSSR zu- bzw. unterzuordnen sei, zog die Kremlführung ihren Schlußstrich unter die Geschichte von Krieg und Frieden in Europa: Friede und Sicherheit bedeutete für sie Nicht-Präsenz Deutschlands als Einflußfaktor in Ost-Mitteleuropa und gleichzeitig das Gebot, daß der Westen tatenlos zusehen müsse, wann immer die sowjetische Vormacht in ihrer Friedenszone als Ordnungsmacht einschreite251. In der deutschen Frage wollte Moskau abwarten, ob die Bundestagswahlen zur Ablösung Adenauers führten oder nicht. Bis dahin wollte Chruscev versuchen, den Sicherheitsstatus der Bundesrepublik so niedrig wie möglich zu halten, um den Westen an der Implementierung seines bisher größten Erfolges — die sowjetische Tolerierung des NATO-Beitritts der Bundesrepublik — zu hindern; Disengagement war so gesehen für den Kreml ein Instrument, um die Singularisierung der Bundesrepublik in der NATO als Substitut für die verpaßte Gelegenheit der Neutralisierung zu erreichen. Ließen westliche Partner sich auf das Spiel ein, wäre der Dauerstreit in der NATO um Umfang und Art des deutschen Verteidigungsbeitrags vorprogrammiert. Damit der Westen gar nicht erst in diesen Teufelskreis geriet, müsse die Bundesrepublik — so Adenauer — die Aufrüstung als ihr Recht (und nicht als Gnadenakt der Partner, den diese dann entsprechend dem Stand der Ost-West-Beziehungen variieren dürften) wahrnehmen und dafür sorgen, daß die Integration der Bundeswehr für die NATO insgesamt so wichtig wurde, daß weder NATO-Partner noch Adenauers Nachfolger die Schwächung der deutschen Stellung in der NATO verschmerzen könnten252. Für die Bundesrepublik war Stillhalten im deutsch-sowjetischen Sonderkonflikt innerhalb des allgemeinen Ost-West-Konfliktes angesagt. Dies war nötig, um bis zu den für alles entscheidend angesehenen Herbstwahlen 1957 die Westintegration zu konsolidieren, also das EWG-EURATOM-Projekt zu verwirklichen und die mögliche Wiederannäherung Großbritanniens an die Gemeinschaft der Sechs zu unterstützen, vor allem aber die vollwertige Mitgliedschaft der Bonner Republik in der NATO endgültig zu sichern. Für den Westen, so schien es, begann die Sisyphusarbeit an der Sicherheitsstruktur nach den Ohnmachtsbekundungen in der Ungarn-Krise und nach der Kollision amerikanischer und westeuropäischer Regierungsmoral in der Suez-Krise von neuem. Richter - Krushchev's Double Bind, S. 5 9 - 7 0 - kommt zu einer ähnlichen Schlußfolgerung: »Krushchev's insistence that peaceful coexistence required the United States to abandon the politics of strength had significant implications for his European policy, for it required that the United States public)' renounce all hopes of rolling back socialism in Eastern Europe [...] The Warsaw Pact aimed to consolidate the Soviet influence in Eastern Europe, justify the Soviet military presence, increase the region's dependence on the Soviet Union, and make clear to the West that the Soviet Union was committed to preserving its influence there.« 252 So sah es auch Dulles, 8.5.1957: FRUS, 1955-57, IV, S. 600 ff.

251

Vojtech Mastny

Die NATO im sowjetischen Denken und Handeln 1949 bis 1956

I. Die mißverstandene Allianz 1. Die kapitalistische Blockbildung Die Vorstellung von einer kapitalistischen Allianz, deren Bestimmung es sei, den Sowjetstaat zu vernichten, war so alt wie dieser Staat selbst. Sie wurzelte in der Ideologie seiner bolschewistischen Führer, vor allem in ihrem marxistischen Konzept vom Klassenkampf, der, projiziert auf die internationalen Beziehungen, besagt, daß die Kapitalisten sich in ihrem Kampf insgeheim absprechen mit dem Ziel, die proletarische Revolution zu zerschlagen. Das Bild dieser vermeintlichen Verschwörung zur skrupellosen Durchsetzung ihrer Klasseninteressen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln war tief in der kommunistischen Vorstellung verankert und ging mit der Uberzeugung einher, daß der Herausforderung mit gleicher Münze begegnet werden müsse. Die sowjetische Uberzeugung von einer internationalen kapitalistischen Verschwörung knüpfte zwar an die Kriegstheorie an, die V.l. Lenin 1916, dem Jahr vor der Übernahme der Macht durch die Bolschewiki in Rußland, aus der Marxschen Lehre entwickelt hatte, unterschied sich aber von ihr. Lenin war davon ausgegangen, daß unversöhnliche Gegensätze zwischen den kapitalistischen Staaten und ihren Gruppierungen unweigerlich zu einem selbstzerstörerischen Krieg zwischen ihnen und schließlich zur proletarischen Revolution führen. Die sowjetische Auffassung von den internationalen Beziehungen relativierte zwar die Vorstellung, daß kapitalistische Bündnisse eine tödliche Gefahr für den Staat darstellten, der aus einer solchen Revolution hervorgegangen war, solange das feindliche internationale System existiere. Ganz aufgegeben wurde diese Vorstellung jedoch nie. Nach ihrer Machtübernahme noch während des Ersten Weltkriegs und im russischen Bürgerkrieg verfügten die Bolschewiki somit über eine Erklärung für die ausländische Bedrohung, der sie sich gegenübersahen. Diese Erklärung — die den Charakter der Bedrohung übertrieb und damit verzerrte - ließ die verschiedenen militärischen Koalitionen, die sich im Ausland in der Hoffnung gebildet hatten, das bolschewistische Regime gemeinsam mit dessen Feinden im Inneren zu stürzen, in den Augen seiner Führung viel schrecklicher aussehen, als sie es tatsächlich waren. Obwohl sich die Feinde äußerst uneins waren und das Ziel, das verhaßte Regime zu stürzen, niemals die uneingeschränkte Unterstützung irgendeiner Regierung und noch weniger ihrer Wähler besaß, wurde der Kampf gegen die verschiedenen Koalitionen von »Interventen« zum festen Bestandteil des historischen Mythos der Sowjetunion.

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Selbst nachdem die halbherzigen Interventionen, wie vorherzusehen, gescheitert waren, fand es die Moskauer Führung für angebracht, den Begriff von der feindlichen kapitalistischen Einkreisung als ein Mittel zu propagieren, um ihre fortgesetzte Repression im Innern zu rechtfertigen. Insbesondere Frankreich — damals führende kapitalistische Macht in Europa — wurde für den Plan verantwortlich gemacht, einen »cordon sanitaire« von Bündnissen zu organisieren und ihn mit den traditionell antirussischen und nun antikommunistischen Nationen westlich der sowjetischen Grenzen zu verbinden. Bei dem Versuch, die feindliche Blockbildung zu vereiteln und das internationale System zu untergraben, aus dem sie sich selbst ausschlossen, setzten sie die Kommunistische Internationale zwar mit Nachdruck, jedoch ineffektiv, als neues Mittel der Außenpolitik ein. Gleichzeitig versuchten die Bolschewiki in jede sich formierende Allianz einen Keil zu treiben, indem sie schwächeren Ländern vage formulierte Freundschaftsverträge anboten, die der Sowjetunion ein Höchstmaß an Bewegungsfreiheit bieten sollten, ohne daß sie selbst lästige Verpflichtungen auf sich nehmen mußte. Vor dem Hintergrund des tief verwurzelten sowjetischen Mißtrauens gegenüber kapitalistischen Allianzen stellte in den 1930er Jahren das Einschwenken auf das Ziel einer kollektiven Sicherheit in Kooperation mit Staaten, die Moskau als grundsätzlich feindlich und auf lange Sicht dem Untergang geweiht betrachtete, einen signifikanten Neuanfang dar. Doch obwohl die von I.V. Stalin angeführte sowjetische Regierung lautstark für die Errichtung eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa eintrat und zumindest mit zwei Staaten, Frankreich und der Tschechoslowakei, quasi-militärische Bündnisse einging, blieb ihr eigenes Engagement nebulös genug, um es ihr zu ermöglichen, im Falle eines Kriegsausbruchs außen vor zu bleiben. In dem Bemühen, die Westmächte zu ermutigen, sich dem Faschismus und dem deutschen Expansionsstreben zu widersetzen, verfolgte Moskau um seiner Sicherheit willen in einem sich verschlechternden internationalen Umfeld, in dem sein Einfluß äußerst begrenzt war, die ehrgeizige Strategie, auftretende Gegensätze bei der Blockbildung kapitalistischer Staatengruppen zu fördern und zu manipulieren. Die Strategie schlug fehl. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs bildete sich die erfolgreichste kapitalistische Allianz, von der Sowjetunion zu Recht als eine tödliche Gefahr wahrgenommen, der »Anti-Komintern«-Pakt zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland, dem faschistischen Italien und dem kaiserlichen Japan, dem sich später mehrere osteuropäische Länder anschlossen. Mit einem in Stalins Augen brillianten diplomatischen Schachzug parierte Moskau die Bedrohung durch den Abschluß von Nichtangriffspakten mit den beiden Schlüsselfiguren, Deutschland und Japan, und der Aufrechterhaltung von freundschaftlichen Beziehungen zu Italien. 1941, nachdem Deutschland den größten Teil Westeuropas überrannt hatte und im Begriff war, sich nach Osten zu richten, versuchte der sowjetische Diktator verzweifelt, die drohende Aggression abzuwenden, und signalisierte sogar die Bereitschaft, dem von Deutschland dominierten Pakt als Juniorpartner beizutreten — eine Strategie, die die Nazis gleichwohl nicht davon abhielt,

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loszuschlagen. Alles in allem erwiesen sich Stalins Erfahrungen mit kapitalistischen Allianzen geradezu als katastrophal. Auch wenn die spätere Koalition, die die Sowjetunion während des Krieges mit Großbritannien und den USA einging und die ursprünglich eher auf amerikanische als auf sowjetische Initiative zurückging, für Stalin eine Zweckehe war, versprach sie weitaus mehr Erfolg. Durch sie wurde nicht nur das Ziel erreicht, die gemeinsamen Feinde zu besiegen. Sie verschaffte der Sowjetunion auch die heiß begehrte Anerkennung als gleichrangige Großmacht und bot die Aussicht auf eine dominierende Stellung auf dem europäischen Kontinent. Stalin hoffte aus diesen Gründen auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den beiden Westmächten. Gleichzeitig verfolgte er jedoch mißtrauisch die Bemühungen seiner Verbündeten, größere internationale Gruppierungen zu bilden, um in der Nachkriegswelt zur Bewahrung von Frieden und Ordnung beizutragen. Wenn er das Entstehen solcher Zusammenschlüsse schon nicht verhindern oder sie seiner Kontrolle unterwerfen konnte, so bestand er zumindest auf dem Recht, gegen deren Entscheidungen sein Veto einzulegen. Stalin triumphierte, als sein Land den Vereinten Nationen als eines der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats beitrat und er die Weltorganisation sogar dazu brachte, der Ukrainischen wie auch der Weißrussischen Republik separate Mitgliedschaft einzuräumen, als seien sie souveräne Staaten. Noch wichtiger war 1945 die Einführung des Rates der Außenminister als Großmachtdirektorium. Moskau sah in ihm die wesentlichste Gewähr dafür, daß sowjetische Interessen in allen wichtigen internationalen Angelegenheiten berücksichtigt wurden. Darüber hinaus hatte die UdSSR vor Beendigung des Krieges kleinere osteuropäische Staaten mit Erfolg von Plänen abgehalten, ihre Kräfte zu vereinen, um sich der wachsenden sowjetischen Macht wirkungsvoller entgegenstellen zu können. Statt dessen ging Moskau, nachdem bereits 1943 mit der Tschechoslowakei ein »Freundschafts- und Beistands«-Pakt in der von Stalin bevorzugten vagen Art abgeschlossen worden war, schließlich daran, andere Länder der Region mit ähnlichen Verträgen in seine Einflußsphäre einzubinden. Der kritische Bereich war Westeuropa, wo es der Sowjetunion nicht gelang, das zu verhindern, was sie als kapitalistische Blockbildung verstand. Dort hatte Großbritannien als Reaktion auf den durch die Widerstandsbewegungen im Krieg hervorgerufenen neuen Wunsch der Europäer nach transnationaler Integration eine Union befürwortet, die die drei Beneluxstaaten und unter Umständen später weitere Staaten umfassen sollte1. Premierminister Winston Churchill warb für seine Vision der Vereinigten Staaten von Europa, die durch Überwindung der nationalen Rivalitäten, die den Kontinent in den Zweiten Weltkrieg hatten stürzen lassen, nunmehr Europas Wiederaufbau fördern würden. Im Gegensatz zu Churchills Vision stellten sich die sowjetischen Planer einer Nachkriegsordnung, die im Moskauer Außenministerium unter der Leitung des ehemaligen Volkskommissars für auswärtige Angelegenheiten, Maksim Litvinov, und dem ehemaligen Botschafter in 1

Larres, Search for Order, S. 7 3 - 7 7 .

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London, Ivan Majskij, arbeiteten, ein künftiges Europa von souveränen nationalen bzw. multinationalen Staaten unter der Ägide der Sowjetunion als der auf dem Kontinent verbliebenen einzigen Großmacht vor2. In seiner Furcht vor jeglichen europäischen Integrationsbemühungen signalisierte Moskau bereits 1944 seinen Widerstand gegen den geplanten Zusammenschluß der späteren Beneluxstaaten 3 . Im Beharren darauf, daß die Zukunft den Nationalstaaten gehöre, bezeichnete Moskau alle supranationalen Konstrukte als künstlich und potentiell destabilisierend 4 . Solange die Beziehungen innerhalb der Großen Allianz leidlich gut waren, stellte sich das Problem nicht akut; als sie sich aber zu verschlechtern begannen, wurde der sowjetische Protest gegen einen »Westblock« zum wichtigen Bestandteil des sich abzeichnenden Kalten Krieges. Militärisch hatte Stalin nach Kriegsende keinen Grund, einen Angriff zu fürchten, und nichts weist darauf hin, daß er dies tat. Zwar neigte er dazu, den eigenen Haß und die eigene Perfidie seinen kapitalistischen Rivalen anzulasten, aber er versicherte dem polnischen Parteichef Wladyslaw Gomulka im Herbst 1945, daß er »vollkommen sicher sei, [...] es werde keinen Krieg geben [...] Die sind nicht in der Lage, Krieg gegen uns zu führen. Ihre Armeen sind durch die Friedensagitation entwaffnet worden und werden ihre Waffen nicht gegen uns richten5.« Stalins richtige Feststellung hinsichtlich der gewonnenen Sicherheit erlaubte es ihm, seine Streitkräfte in größerem Maße zu demobilisieren, als der Westen zu glauben bereit war6. In seiner oft als Markstein in der Entwicklung des Kalten Krieges definierten Rede vom 9. Februar 1946 ließ Stalin das alte Thema von einer »kapitalistischen Einkreisung« und einem »unvermeidlichen Konflikt« zwischen Kapitalismus und Sozialismus erneut aufleben 7 . Obgleich er mit ideologischen Begriffen operierte und nicht ausdrücklich von einem militärischen Konflikt sprach, wurde seine Erklärung weithin so verstanden, als rechne er mit einem Krieg. Vor dem Hintergrund, daß Moskau am Ziel des unvermeidlichen Sieges des Kommunismus in der Welt festhielt, sorgte Stalins Äußerung im Westen für Unruhe und bedingte bei den Feinden der Sowjetunion sogar vereinzelt Rufe nach einem Präventivkrieg. Wenngleich solche Forderungen zu keiner Zeit die offizielle westliche Politik widerspiegelten, vermittelten sie eine Vorstellung von der Fähigkeit der Sowjets, mit ihren ideologischen Verlautbarungen die vermeintlichen Beweise für die von den Kommunisten immer erwartete kapitalistische Verschwörung zu liefern. Moskau hat den Vertrag von Dünkirchen, den Großbritannien und Frankreich für eine gemeinsame Verteidigung gegen Deutschland am 4. März 1947 schlossen, 2 5 4 5 6 7

«

Zanjatsja podgotovki buduscego mira, S. 1 1 4 - 158. Mastny, Russia's Road, S. 216,230. Cubarjan, Sovetskoe rukovodstvo, S. 114. Gomulkas Memorandum einer Unterredung mit Stalin, [4. Quartal 1945], in: CWIP, Bull. 11, 1998, S. 1 3 5 - 1 3 8 , S. 136. Evangelista, Stalin's Postwar Army. Stalins Rede vom 9.2.1946, Botschaft der UdSSR, Washington D.C., Information Bull., 1946. Buhite/Hamel, War for Peace, S. 374 f.

387 nicht eindeutig verurteilt, im Wissen darum, daß er mit der UN-Charta und den von beiden Ländern mit der Sowjetunion während des Krieges geschlossenen Verträgen im Einklang stand. Gleichzeitig deutete der Kreml auf den Plan Churchills hin, einen antisowjetischen Block zu fördern 9 . Trotzdem ergriff Moskau nicht die Gelegenheit, das Entstehen eines solchen Blocks zu verhindern. Denn auf die Einladung Londons, mit Großbritannien und Frankreich einen Dreierpakt abzuschließen — ein Zeichen ihrer fortgesetzten Präferenz, sich mit Moskau zu arrangieren - , hatte er nicht reagiert 10 . D a Stalin ein schwaches und geteiltes Europa zu einer der Hauptvoraussetzungen für die Sicherheit der Sowjetunion, wie er sie verstand, erhoben hatte, mußte er jedes Zeichen für den Wiederaufbau und eine Vereinigung Europas als Menetekel ansehen. Nach Verkündung der Truman-Doktrin im März 1947 — in der die USA den von kommunistischer Subversion bedrohten Ländern Unterstützung zugesagt hatten — wurde die bis dahin bescheidene amerikanische militärische Unterstützung für Griechenland und die Türkei ausgeweitet. Stalin nahm das gelassen hin; handelte es sich doch um Länder, die sowohl für die sowjetische als auch für die amerikanische Sicherheit von peripherer Bedeutung waren 11 . Die Einfuhrung des Marshall-Plans drei Monate später alarmierte ihn jedoch zu Recht, denn das Projekt zielte auf die wirtschaftliche und damit zugleich politische, soziale und moralische Wiederbelebung der Herzländer Westeuropas, um sie gegen die sowjetische Macht und deren Einfluß zu wappnen. Die Sowjetunion hatte bei ihrer vorsichtigen Suche nach einer Antwort auf den Marshall-Plan — der formell jedem Land angeboten wurde, das bereit war, mit anderen bei dessen Verwirklichung zusammenzuarbeiten — nicht nur die Stärke der Stimmung auf selten der für Moskaus Manipulationen empfänglichen westlichen Linken, sondern auch die Aktualität der »allgemeinen Krise des Kapitalismus« überschätzt. Anfangs hatte der Kreml noch erwogen, zusammen mit seinen Verbündeten am Marshall-Plan mitzuwirken, um dessen politischen Druck abzufangen und gleichzeitig von seinen wirtschaftlichen Vorteilen zu profitieren 12 . Ein grundlegender Meinungsumschwung trat erst ein, nachdem sich im Verlauf der vorbereitenden Konferenz in Paris klar herausgestellt hatte, daß dies nicht möglich war. Außenminister Vjaceslav M. Molotov brach die Verhandlungen ab, nachdem ihn der sowjetische Geheimdienst über die kürzlich in London abgehaltenen geheimen anglo-amerikanischen Gespräche informiert hatte, in denen der MarshallPlan unzweideutig als ein Vorhaben konzipiert worden war, mit dem der sowjetischen Expansionspolitik in Westeuropa begegnet werden sollte11.

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11 12

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Lange, Konfrontation, S. 526. Zellentin, K o m m u n i s t e n , S. 46. Haberl, D i e sowjetische Außenpolitik, S. 7 9 - 8 3 . D i r e k t i w Sovetskoj delegacii na sovescami ministrov inostrannvch del ν Pari/.e [Direktiven der sowjetischen Delegation auf der Außenministertagung in Paris], 25.6.1947, 0 6 / 1 9 4 7 / 9 / 2 1 4 / 1 8 , S. 4 - 6 , A V P R F . Parrish/Narinsky, N e w Evidence, S. 45 f.; Mastny, Stalin, Czechoslovakia, S. 1 3 9 - 144.

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Danach startete Moskau eine Kampagne, um den Plan zu Fall zu bringen. Es brandmarkte ihn als US-Manöver, um Westeuropa unter dem Vorwand einer sowjetischen Bedrohung zur Aggression zu mobilisieren. Diese haidose Unterstellung war geeignet, den Westen in seiner Befürchtung zu bestätigen, Moskau wolle seine eigenen aggressiven Absichten verbergen. In Wahrheit jedoch drückte die Rhetorik der sowjetischen Propaganda — die sich vom Tenor der internen kommunistischen Verlautbarungen keineswegs unterschied — lediglich mit marxistischleninistischer Terminologie das Ausmaß der von den Kremlführern empfundenen Bedrohung aus. Entsprechend ihrer Doktrin sahen sie den zuletzt gebildeten kapitalistischen Block nicht nur als der UdSSR feindselig gegenüberstehend an, sondern gingen auch davon aus, daß er zum Scheitern verurteilt sei — ein Denkmuster, das nicht eben dazu beitrug, die Herausforderung durch Konzessionen zu entschärfen. Nicht willens, solche anzubieten, um seine Schwächen nicht bloßzulegen, ging Stalin mit seltenem Ungeschick vor.

2. Die Entstehung der NATO Ungeachtet ihrer martialischen Rhetorik schätzten die Sowjets den Marshall-Plan zutreffend eher als eine politische denn als militärische Bedrohung ein. Folglich reagierten sie darauf mit einem politischen Akt — der Gründung der Kominform im September 1947 als eine Organisation der von ihr abhängigen kommunistischen Parteien, die sowohl ihre Kampagne zur Destabilisierung der proamerikanischen Regierungen in Westeuropa beaufsichtigen wie auch die sowjetische Kontrolle über Osteuropa konsolidieren sollte. Die Proklamation der »Zwei-Lager«Doktrin durch Stalins Chefideologen Andrej Zdanov auf der Gründungsversammlung der Kominform spiegelte sowohl Moskaus Vorstellung von zwei feindlichen Blöcken wider wie auch seine Entschlossenheit, die Kapitalisten mit allen Mitteln bis an den Rand eines Krieges zu bekämpfen. Die Doktrin war die Quintessenz des Kalten Krieges. Abgesehen von dem Wunsch, sein osteuropäisches Imperium unter kommunistischer Kontrolle zu konsolidieren, hatte Stalin noch keine klare Vorstellung davon, wie dies am besten zu bewerkstelligen sei, ohne weitere Gründe für einen amerikanischen Blockaufbau im Westen zu liefern. Der Umschwung der sowjetischen Politik hin zur Konfrontation genügte dem jugoslawischen Staatschef Josip Broz Tito — dem militantesten unter Stalins antiwestlich eingestellten osteuropäischen Schülern —, um die Signale des Meisters als Zustimmung zu deuten, einen auf Belgrad orientierten kommunistischen Staatenblock auf dem Balkan zu errichten. Zu den entscheidenden Schritten, die Tito mit Stalins Duldung Ende 1947/Anfang 1948 in dieser Richtung unternahm, gehörte der Abschluß von Pakten zwischen den kommunistischen Regimen der Region, die sich nicht mehr spe-

389 ziell gegen Deutschland, sondern gegen jeden Feind richteten14. Damit waren insbesondere die USA gemeint, die Schutzmacht der griechischen Regierung vor einer hauptsächlich von Jugoslawien unterstützten kommunistischen Revolte. Die fortschreitende Entwicklung der Vereinigung auf dem Balkan unter kommunistischem Vorzeichen — schlaglichtartig beleuchtet durch die Proklamation einer »provisorischen Regierung« durch die griechischen Kommunisten im Dezember 1947 und die geplante Entsendung von Titos Truppen in das benachbarte Albanien im Vorgriff auf dessen Eingliederung in die jugoslawische Föderation — fiel für die Sowjetunion mit Rückschlägen in Westeuropa zusammen. Die kommunistischen Versuche, die Regierungen Frankreichs und Italiens mittels gewalttätiger Demonstrationen und Streiks zu paralysieren, waren fehlgeschlagen. Das gleiche galt für die sowjetischen Anstrengungen, die westlichen Besatzungsmächte davon abzuhalten, ihre Zonen in Deutschland wirtschaftlich abzukoppeln, um damit die politische Abtrennung des von ihnen kontrollierten Landesteils vorzubereiten 15 . Der britische Außenminister Ernest Bevin forderte am 22. Januar 1948 in einer Rede von großer Tragweite — in der er Moskaus Verantwortung für die kommunistische Aggressivität der jüngsten Zeit dramatisierte — die beschleunigte Vereinigung Westeuropas, um der fortschreitenden Sowjetisierung Osteuropas zu begegnen16. Er verlieh seinem Plädoyer eine militärische Dimension, indem er die Beneluxstaaten aufforderte, dem Vertrag von Dünkirchen beizutreten. Dieser war ein Jahr zuvor in erster Linie im Hinblick auf eine potentielle deutsche Bedrohung geschlossen worden, hatte seitdem aber durch die Notwendigkeit, der viel akuteren sowjetischen Gefahr entgegenzutreten, an Aktualität gewonnen. Um die Abschreckung zu verstärken, ging London in dem Bestreben voran, die USA zu bewegen, sich für eine Verteidigung Europas zu engagieren17. Bei dem Versuch, den Aufbau eines feindlichen Blocks in dem wichtigeren westlichen Teil des Kontinents zu verhindern, ging Stalin, um die USA in der weniger bedeutenden Balkanregion nicht unnötig zu provozieren, so vor: Er verweigerte die Zustimmung für die beabsichtigte Balkanföderation und verhinderte Jugoslawiens geplantes Einrücken in Albanien. Er veranlaßte eilig Ungarn, Bulgarien und Rumänien, Pakte mit der Sowjetunion abzuschließen, die — im Gegensatz zu den unter Titos Auspizien Monate zuvor unterzeichneten — erneut Deutschland explizit als Feind auswiesen 18 . Gleichwohl machte er jede beruhigende Wirkung, die davon hätte ausgehen können, zunichte, indem er zuließ, daß die tschechoslowakischen Kommunisten das unter ihren politischen Gegnern herrschende Chaos nutzten und am 25. Februar 1948 in Prag die Macht ergriffen. Der westliche Bündnisaufbau, den Stalin aufzuhalten hoffte, erhielt durch den Prager Staatsstreich einen wesentlichen Impuls. Davor hatten Franzosen und Bri14 15 16 17 1R

Eintragung vom 16.10.1947, in: Georgi Dimitrov, S. 580 f. Molotovs Ausführungen vom 12.12.1947, in: DIA, 1947-1948, S. 5 1 5 - 5 2 1 . Bevins Rede vom 22.1.1948, in: ebd., S. 201 - 221. Kent/Young, »VC'estern Union«, S. 166- 192. DIA, 1947 - 1948, S. 298 f.; Egorova, Stalin's Perceptions, S. 6 - 8.

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ten, die keine nachteiligen sowjetischen Reaktionen provozieren wollten, nur widerstrebend die Bildung einer insbesondere vom belgischen Premierminister PaulHenri Spaak befürworteten multinationalen westlichen Allianz verfolgt und statt dessen dem Abschluß einer Reihe von bilateralen Verträgen den Vorzug gegeben19. Nach den Prager Ereignissen nahmen sie sein Konzept an und luden die Beneluxländer ein, sich dem britisch-französischen Bündnis anzuschließen, womit der Weg frei war für die Unterzeichnung des Brüsseler Vertrags vom 17. März; damit war der Brüsseler Pakt geschaffen 20 . Im Unterschied zu dem ein Jahr zuvor geschlossenen Vertrag von Dünkirchen — und den unlängst unter Moskaus geschickter Lenkung in Osteuropa geschlossenen Abkommen — richtete sich der neue Pakt nicht gegen Deutschland, aber implizit, wenn auch nicht explizit, gegen die Sowjetunion. Moskau war über die westlichen Pläne für eine militärische Zusammenarbeit durch seinen britischen Spion Donald MacLean, der bei den geheimen Washingtoner Gesprächen zugegen gewesen war21, genau informiert. Obwohl Moskau wußte, daß diesen Plänen die militärische Substanz fehlte, bediente es sich gleichwohl bei der Mißbilligung des Brüsseler Paktes einer militärischen Terminologie. Der amtliche sowjetische Kommentar, in dem der westlichen Gruppierung die scheinbar loseren bilateralen Abkommen zwischen Moskau und seinen osteuropäischen Vasallen gegenübergestellt wurden, beschrieb die flügge gewordene Western Union als eine »Kriegsallianz«, dafür bestimmt, eine Kriegspsychose auszulösen22. Der Brüsseler Vertrag wurde mit der Heiligen Allianz der konservativen Monarchen gegen die bürgerliche Revolution im 19. Jahrhundert verglichen23. Am 27. Februar 1948, nach dem Prager Staatsstreich, forderte Stalin Finnland auf, einen gegenseitigen Beistandsvertrag von der Art mit der Sowjetunion abzuschließen, wie er bereits die unterworfenen osteuropäischen Vasallen an Moskau band. Wenige Tage darauf erhielt Norwegen Warnungen, daß ihm womöglich ein ähnliches Ansinnen bevorstand 24 . Als aber für die Finnen die Zeit kam, um in Moskau Anfang April den Vertrag zu erörtern, überraschte sie ein Stalin, der sich mit einem sehr viel milderen Dokument zufrieden zeigte, das sie lediglich im Falle einer ausländischen Bedrohung ihres Landes zu Konsultationen und zur Verteidigung seiner Integrität verpflichtete. Stalins Meinungsumschwung mag mit seinem Wissen über den geheimen Vorschlag zusammenhängen, den der kanadische Unterstaatssekretär Escott Reid für eine Beteiligung Finnlands an der geplanten westlichen Militärallianz vorbereitet hatte — eine Information, die MacLean seinen sowjetischen Geldgebern möglicherweise hatte zukommen lassen25. Jedenfalls war der Anstoß, den die Übernahme der Macht seitens der Kommunisten in Prag dem 19 20 21 22 23 24 25

De Vos, Ein kleines Land, S. 78. Va'isse, L'cchec, S. 369 - 389. Kerr, The Secret Hotline, S. 7; Wiebes/Zeeman, The Pentagon Negotiations, S. 363. Fischer, Sowjetische Reaktionen. Lange, Konfrontation, S. 526 f. Bullock, Ernest Bevin, S. 528. Nevakivi, American Reactions, S. 283.

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Aufbau der westlichen Allianz unbeabsichtigt gegeben hatte, Grund genug, von Maßnahmen Abstand zu nehmen, die den Prozeß wahrscheinlich noch weiter vorangetrieben hätten. Aus Furcht, daß das bevorstehende westliche Bündnis das weltweite militärische Stützpunktnetz der USA näher an die sowjetischen Grenzen heranführen werde, war in den Verträgen, die Moskau seinen osteuropäischen Ländern aufgedrängt hatte, deutlich jede Klausel über eine Stationierung sowjetischer Truppen auf deren Territorien weggelassen worden. In Wirklichkeit waren in mehreren dieser Länder durchaus sowjetische Verbände präsent. Molotov beklagte sich am 10. Mai gegenüber dem US-Botschafter Walter B. Smith über Amerikas »Politik der Einkreisung und kriegsähnlichen Bedrohung« und beharrte darauf, daß die Stützpunkte unmöglich defensiv sein konnten 26 . Er sprach dabei über die Furcht vor einer Einkreisung, die die Bolschewiki seit der Entstehung ihres Staates nicht los ließe und die sich nun als durchaus begründet erweise. Die Vandenberg-Resolution des amerikanischen Senats vom 11. Juni 1948 öffnete den Weg für eine amerikanische Beteiligung an einer europäischen Verteidigungsorganisation. Die wenige Tage darauf von Stalin über West-Berlin verhängte Blockade trug dazu bei, diesen Prozeß noch zu beschleunigen. Im Verlauf der folgenden Konfrontation war es eher der westliche Block generell, den Moskau als kriegsbedrohlich verurteilte, als konkret das im Entstehen befindliche militärische Bündnis. Gegenüber dem tschechoslowakischen Parteichef Klement Gottwald äußerte Stalin seine düstere Sicht, daß ein Krieg unvermeidlich sei, enthielt sich jedoch einer Voraussage über den Zeitpunkt und die Umstände eines Kriegsausbruchs 27 . Solange der Ost-West-Konflikt in politischen Bahnen verlief, sah sich Stalin in seiner Uberzeugung bestärkt, daß die Kapitalisten selbst gegen ihren Willen gezwungen werden konnten, nicht ihren schlimmsten Instinkten zu folgen, wodurch der Ausbruch eines wahrscheinlichen Krieges hinausgeschoben würde. Seine Versuche jedoch, sie in die Defensive zu drängen, indem er Keile zwischen sie trieb und die ihm willfährigen kommunistischen Parteien manipulierte, erwiesen sich als kontraproduktiv. Er mußte mehr und mehr auf die objektiven Kräfte der Geschichte setzen. Auch wenn diese in Wirklichkeit seiner Kontrolle entzogen waren, wähnte er sie gleichwohl auf sowjetischer Seite und nahm an, sie könnten die Situation zum Besseren wenden, bevor diese sich ernstlich verschlimmerte 28 . Im Herbst 1948 ging es in einer offensichtlich geheimen Debatte sowjetischer Akademiker über die angeblich dem Kapitalismus immanente »allgemeine Krise« in Wirklichkeit um Politik. In diesem offiziell angeregten Disput über Vorzüge und Mängel der Theorie des Wirtschaftswissenschaftlers Evgenij Varga über die relati26 2' 28

Smith an Secretary of State, 10.5.1948, FRUS, 1948, IV, S. 851. Kaplan, R V H P a Ceskoslovensko, S. 285. Zu zeitgenössischen sowjetischen Perzeptionen über die Wahrscheinlichkeit eines Krieges vgl. McGwire, Rethinking War, S. 4. Uber Stalins Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Krieges vgl. Haslam, Le valutazioni, S. 2 7 9 - 2 9 7 .

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ve Stabilisierung des Kapitalismus wurde um nichts weniger als die korrekte Einschätzung gestritten, in welche Richtung sich der amerikanisch dominierte westliche Block bewegte und wie die richtige sowjetische Reaktion auf seine wahrscheinliche Entwicklung aussehen müßte29. Im Mai 1948 versuchte Moskau die Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) — die institutionelle Umsetzung des Marshall-Plans — mit dem Vorschlag zu parieren, »einen Ausschuß für die Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den europäischen Staaten« unter den Auspizien der UN Economic Commission for Europe zu errichten30. Nach der vorhersehbaren Ablehnung der Idee hob Stalin im Januar 1949 den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) aus der Taufe, der später auch als COMECON bekannt wurde 31 . Den zu diesem Anlaß eingeladenen osteuropäischen Vertretern vertraute er seine Meinung an, daß die westeuropäischen Staaten, vornehmlich Italien und Frankreich, von den Vereinigten Staaten dadurch abgekoppelt werden könnten, indem man sie in hohem Maße von den sowjetischen Rohstofflieferungen abhängig mache. Seinen Vorstellungen nach würde der COMECON durch die Schaffung »einer Rohstoffbasis für ganz Europa [...] wichtiger als das Kominform werden« 32 . Er sagte, er messe »militärischen Angelegenheiten keine große Bedeutung bei«, da er einen Krieg in den nächsten acht bis zehn Jahren für wenig wahrscheinlich halte33. Als Stalins »caucbemar des alliances« sich zu konkretisieren begann, versuchte er, den Albtraum dadurch zu verscheuchen, daß er zu Anreizen und Drohungen griff. In seiner Antwort auf Fragen des amerikanischen Journalisten Kingsbury Smith vom 30. Januar 1949 bekräftigte er erneut seine zuvor geäußerte Bereitschaft, die Berlinblockade aufzuheben, falls die Pläne für die Proklamierung eines westdeutschen Staates ad acta gelegt würden, und fügte den Vorschlag für den Abschluß eines sowjetisch-amerikanischen Nichtangriffspakts hinzu34. Nachdem der Vorschlag zurückgewiesen worden war, änderte er ihn, empfahl einen Viermächtepakt und signalisierte zugleich seinen Wunsch nach einem persönlichen Treffen mit Präsident Harry S. Truman. Die Vorbereitungen für die westliche militärische Allianz, die NATO, gingen gleichwohl zügig voran. Ungeachtet der öffentlichen Proteste Moskaus gegen die angeblich aggressiven westlichen Absichten zeigen die internen sowjetischen Einschätzungen, daß die Sorge weniger den bescheidenen militärischen Fähigkeiten der künftigen Allianz galt als vielmehr der Frage nach ihrer Bedeutung für die Zukunft35. Der richtigen 29 Wohlworth, The Elusive Balance, S. 115 - 118. 30 Lange, Konfrontation, S. 535 f. 31 Rözanski, Pocz^tki RWPG. 32 Zit. Kaplan, RVHP a Ceskoslovensko, S. 287 f. 33 Baev, Voennopoliticeskite konflikti. μ Stalin an Kingsbury Smith, 30.1.1949, FRUS, 1949, V, S. 562 f. 35 Atlanticeskij Pakt: Kratkaja spravka [Der Atlantik- Pakt: Eine kurze Information], von S. Vinogradov und A. Roscin, 13.1.1949, und eine Anmerkung von Gromyko über einen Entwurf von Vinogradov und Chvostov, Plan stat'i ob Atlanticeskom pakte [Entwurf eines Artikels über den

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sowjetischen Einschätzung — daß die Gründung ein primär diplomatischer Akt sei — folgte eine von Außenminister Molotov und seinen Mitarbeitern unter Auslassung des Militärs gelenkte politische und propagandistische Offensive. Diese begann mit der Veröffentlichung einer langatmigen Erklärung in der Izvestija vom 29. Januar 1949, in der gegen die bevorstehende Gründung der NATO protestiert wurde 36 . Auf Moskaus Signal hin setzten die Kommunisten in Westeuropa eine massive »Friedens«-Kampagne gegen das Vorhaben in Gang. Beginnend mit dem französischen Parteichef Maurice Thorez, der noch von der Gefahr, aber nicht von der Unvermeidbarkeit eines Krieges sprach, erhielt die Kampagne zunehmend schrillere Töne 37 . Nach Giancarlo Pajetta von der italienischen Parteizentrale ging es darum, »klar zu machen, daß wir in der Lage sind [...], denjenigen, die einen Krieg wollen, Schwierigkeiten zu bereiten«38. Ende Februar taten führende westeuropäische Kommunisten öffentlich kund, daß die sowjetischen Streitkräfte im Falle eines Krieges in ihren Heimatländern als Befreier willkommen seien19. In einem offenen Brief an Präsident Truman bezeichnete der »Friedensrat« in Frankreich die geplante französische NATO-Mitgliedschaft aufgrund der angeblich aggressiven Ziele der Allianz als verfassungswidrig 4 ". Dies entsprach Moskaus ständig wiederholter Behauptung, daß die Organisation auch mit der UN-Charta unvereinbar sei. Mit der Drohung, die formell immer noch gültigen Verträge mit den westlichen Mächten aus dem Zweiten Weltkrieg zu annullieren, sollte die Allianz in Kraft treten41, versuchte die Sowjetunion fünf Minuten vor zwölf Druck auf die nordischen Länder auszuüben, um «die NATO-Mitgliedschaft zumindest zu begrenzen. Gleichzeitig streckte die kommunistische Regierung Polens ihre Fühler nach diesen Ländern mit dem vergeblichen Ziel aus, Nichtangriffspakte mit ihnen abzuschließen42. Die von Schweden 1948 vorgeschlagene Nordische Union stieß auf heftige Kritik Moskaus, weil der Kreml darin eher einen NATO-Ableger denn einen möglichen Ersatz für die skandinavischen Länder sah, wie ursprünglich von ihren Befürwortern beabsichtigt. Die Sowjets meinten, die Union würde das Elnde der schwedischen Neutralität und die Integration ganz Skandinaviens in das westliche Verteidigungssystem bedeuten"3. Am 29. Januar forderte die sowjetische Regierung Norwegen auf, seine Absichten darzulegen. Trotz Oslos Beteuerung, ausländische

36 37 38

•VJ 40 41 42

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Atlantikpakt], 15.1.1949, 06/11/15/2 und 16/2, AVPRF. Vgl. Egorova, NATO i evropejskaja bezopasnost', S. 2 9 2 - 3 1 4 . Sowjetische Erklärung vom 29.1.1949, in: DIA, 1949/50, S. 1 4 - 3 3 . Wall, French Communism, S. 97. Verbali Direzione P.C.I., 2.2.1949, S. 1, IG. Wall, French Communism, S. 77, Shulman, Stalin's Foreign Policy, S. 17; Harmsen, Nederlands Kommunisme, S. 55. Wall, French Communism, S. 97. Shulman, Stalin's Foreign Policy, S. 63. CIA Office of Reports and Estimates, Weeklv Summary, 11.3.1949, in: Assessing the Soviet Threat, S. 292. Holtsmark, Enemy Springboard, S. 63 f.

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Truppen nur im Falle eines Angriffs oder einer Drohung mit einem Angriff in sein Land zu lassen, bestand Moskau auf dem Abschluß eines Freundschaftsvertrags und torpedierte damit die norwegische Entscheidung für einen Beitritt zur NATO 44 . Durch das spätere Scheitern der Nordischen Union wurde der Sowjetunion diese für sie günstigere Alternative verschlossen, da sowohl Norwegen als auch Dänemark der NATO beitraten und sich somit der von den Vereinigten Staaten garantierte Sicherheitsschirm bis in die Nord- und Ostsee hinein ausbreitete45. Am 31. März 1949 faßte die Sowjetunion ihre Einwände gegen die unterschriftsreife Allianz in einer Note an die westlichen Regierungen zusammen' 6 . Darin wurde Großbritannien und Frankreich vorgeworfen, ihre Politik unter dem Druck der USA geändert zu haben, wobei zwischen dieser Veränderung und Washingtons vermeintlicher Absicht zur Wiederherstellung der deutschen Militärmacht ein Junktim hergestellt wurde. Die NATO wurde als aggressiv, da exklusiv, bezeichnet, und ihr wurde die Absicht unterstellt, die Sowjetunion zu isolieren, ähnlich wie in den 1930er Jahren, als dies dazu beigetragen hatte, den Zweiten Weltkrieg zu entfesseln. Die Behauptung, Westeuropa müsse sich vor der Bedrohung durch die Sowjetunion schützen, wurde als absurd abgetan. Der damalige amerikanische Botschafter in Moskau, George F. Kennan, führte die sowjetische Reaktion auf die Bildung der NATO 1952 in einer retrospektiven Einschätzung auf ein »Mißverständnis kosmischen Ausmaßes« zurück. Seines Erachtens müsse es die Sowjets verwirrt haben, »genau jener Sache verdächtigt zu werden, die sie nicht getan hatten, und zwar, einen offenen und unprovozierten Einfall nach Westeuropa zu planen«47. Kennan zufolge war es — »aufgrund der Beobachtung der sowjetischen Führung [...], daß der Pakt durch eine Darstellung ihrer eigenen Absichten und Stärke, die sie nicht als ganz richtig gelten ließ, öffentlich unterstützt wurde — kein Wunder, daß sie unschwer zu dem Schluß kamen, der Atlantikpakt würde Intentionen folgen, die er vor der Öffentlichkeit verberge, und daß diese Absichten in der Entschlossenheit auf selten der Westmächte gipfelten, einen militärischen Konflikt mit der Sowjetunion, sobald die erforderliche Stärke auf westlicher Seite erlangt war, zur Entscheidung zu bringen« 48 . Mit seiner Annahme, die Allianz sei für die Sowjets sowohl bedrohlich als auch unverständlich, lag Kennan richtig; seine Begründung aber war falsch. Denn ihr Mißverständnis, obschon echt, war nicht »kosmisch«, sondern ganz simpel und weniger in dem Verhalten des Westens als in ihren eigenen ideologischen Prämissen zu suchen. Von jeher hatten sich die Sowjets von feindlichen kapitalistischen Staaten umzingelt gesehen, die jederzeit bereit seien, sich zusammenzurotten, um 44 45 46

47 4»

Norge og Sovjetunionen, S. 4 2 4 - 4 3 2 . Riste, Was 1949 a Turning Point?, S. 1 2 8 - 149. Memorandum of the Government of the USSR Concerning the North Atlantic Treaty, 31.3.1949, in: DIA, 1949 - 1 9 5 0 , S. 261 - 265. The Soviet Union and the Atlantic Pact, 8.9.1952, in: Kennan, Memoirs, S. 336. Ebd., S. 338.

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sie zu vernichten. Was die Sowjets nicht begreifen konnten, war, warum diese Staaten so handelten, zu diesem Zeitpunkt und auf diese ganz spezielle Art und Weise. Nach marxistisch-leninistischem Credo trat der Kapitalismus in das Endstadium seiner Krise ein, und die zum Endkampf angetretenen kapitalistischen Staaten, so wurde angenommen, sollten sich entzweien, anstatt sich zu vereinen. Daß die Westeuropäer aus freien Stücken den Wunsch hegten, sich unter amerikanischer Führung zu vereinigen, war für Moskau unvorstellbar. Dieses Mißverständnis sollte dazu führen, daß der Kreml ständig die bindende Kraft unterschätzte, welche die Allianz — ungeachtet der häufigen Streitigkeiten unter ihren Mitgliedern — zusammenhielt. 3. Die strategische Aufstellung Auf der Potsdamer Konferenz schockierte Stalin den amerikanischen Botschafter W. Averell Harriman mit der scharfen Bemerkung, »1815 sei Zar Aleksandr bis nach Paris gekommen«4'-1, womit er auf den unzureichenden sowjetischen Vorstoß nach Zentraleuropa während des Zweiten Weltkrieges anspielte. Als aber Marschall Semen M. Budennyj — ein Kavallerieoffizier von schlichtem Gemüt und Veteran des fehlgeschlagenen revolutionären Kreuzzuges der Roten Armee durch Polen 1920 — barsch dagegenhielt, die sowjetischen Truppen hätten weiter nach Westeuropa marschieren sollen, fragte Stalin zutreffend, wer dann all seine Menschen ernähren sollte5". Nunmehr vorliegende Forschungsergebnisse zeigen, daß Moskaus Eventualfallpläne aus der unmittelbaren Phase nach dem Zweiten Weltkrieg routinemäßig und zweifelsohne defensiv waren. Ohne den wahrscheinlichen Aggressor genau zu benennen, ging ein 1946 ausgearbeiteter Plan davon aus, daß im Falle eines Krieges sowjetische Truppen in Deutschland 50 bis 100 km ostwärts der westlichen Grenze der sowjetischen Besatzungszone Verteidigungsstellungen einnehmen und dort auf Verstärkungen warten würden, um einen Gegenangriff führen zu können 51 . In Annahme eines dem Zweiten Weltkrieg ähnelnden Szenarios hielt die sowjetische Militärführung ihre Offiziere dazu an, die Erfahrungen jener Zeit, insbesondere die große Panzerschlacht bei Kursk 1943, als Haupdeitfaden für ihre Maßnahmen zu studieren52. Der Ausbildungsplan für 1948 beinhaltete daher keine wesentlichen Änderungen 51 . Da die Massierung von Personal und Ausrüstung ein Merkmal der sowjetischen Strategie im Zweiten Weltkrieg gewesen war, suggerierte die substantielle Demobilisierung der sowjetischen Streitkräfte nach Beendigung des Krieges, daß Moskau, ungeachtet der kontinuierlichen Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen, Harriman, America, S. 44. ™ Izvestija vom 11.2.1992, S. 6. ^ Operativnyj plan dejstvija Gruppy, 5.11.1946, in: VIZ, (1989) 2, S. 2 6 - 3 1 . 52 Prikaz glavnokomandujuscego Gruppy, 19.1.1946, in: ebd., Nr. 8, S. 21 - 24. 53 Plan komandirskich zanjatij, in: ebd., S. 2 4 - 2 6 . 49

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einen neuen Ausbruch von Feindseligkeiten nicht für wahrscheinlich hielt. Gleichzeitig versuchte die sowjetische Führung, um den nuklearen Vorteil der Amerikaner und die generelle Überlegenheit des Westens an Ressourcen zu kompensieren, das Ausmaß der Demobilisierung des Landes wie auch die defensive Ausrichtung ihrer Strategie geheim zu halten. Da es indes nahezu unmöglich war, eine auf Gegenoffensiven angelegte Strategie von einer offensiven zu unterscheiden 54 , war den Interessen des Kreml durch dieses Verheimlichen schlecht gedient, denn es schürte die westliche Angst vor der Militärmacht Moskau und forderte Gegenmaßnahmen heraus. Die Berlinblockade, die 1948 den Westen erschütterte, weil sie vermuten ließ, Moskau sei bereit, wegen des Zugangs zur Stadt einen militärischen Konflikt zu riskieren, hatte auf sowjetischer Seite keine vergleichbare Wirkung. Die Sowjetunion ergriff während der Krise zu keiner Zeit vorbereitende Maßnahmen für einen möglichen Ernstfall 55 . Zwar war im Juli als Reaktion auf Trumans demonstrative Verlegung von nuklearfähigen, aber unbewaffneten Bombern auf Stützpunkte in Großbritannien die sowjetische Flugabwehr verstärkt worden; dies aber nur für den Fall, daß die Bomber mit ihrer Last in Zukunft eingesetzt würden56. Ansonsten setzte Moskau den Bau seiner immer noch primär defensiven U-Bootflotte fort — bereits die größte in der Welt — und straffte, um größere Kampfkraft zu erzielen, die Gliederung seiner Bodentruppen, die ihren westlichen Pendants quantitativ ebenfalls und schon immer überlegen gewesen waren57. Die Entstehung der NATO löste auf sowjetischer Seite keinen hektischen militärischen Aufbau aus. Trotz der offensichtlichen Besorgnis der Sowjets reagierten sie anfänglich nicht so, als machten ihr die angeblich aggressiven Absichten der Allianz viel zu schaffen. Ihre militärische Antwort auf die Entstehung der NATO fiel eher moderat denn alarmierend aus: eine hauptsächlich auf öffentliche Wirkung zielende 20prozentige Steigerung der Verteidigungsausgaben, die Verstärkung der in der DDR stationierten Truppen und die Einrichtung eines Büros zur Beaufsichtigung der Modernisierung der Streitkräfte der osteuropäischen Verbündeten58. Hatte es Moskau zuvor vorgezogen, sie aufgrund potentieller Illoyalität schwach zu halten, betrieb es nunmehr eine Säuberung ihres Offizierkorps, um alte Funktionsträger durch zuverlässigere Parteimitglieder zu ersetzen59. Die Sowjetunion hatte keinen Grund, über die militärischen Fähigkeiten der NATO besorgt zu sein. Obwohl die Allianz gegründet worden war, um vor einer sowjetischen Aggression abzuschrecken und so zur Beruhigung der Westeuropäer Obwohl nur halbmotorisiert und mehr in nicht-militärische Verpflichtungen eingebunden als die westlichen Armeen wäre die sowjetische Armee wahrscheinlich zu einem offensiven Vorstoß in der Lage gewesen, was sie im Zweiten Weltkrieg bewies. Villahermosa, Stalin's Postwar Army, S. 1 - 5. 55 Gobarev, Soviet Military Plans. 56 Evangelista, Stalin's Postwar Army, S. 132 f. 57 Wolfe, Soviet Power, S. 38, 45 f. 58 May, Steinbrunner/Wolfe, History, Teü 1, S. 2 4 6 - 250. 59 Wolfe, Soviet Power, S. 42 - 49; Sola Pool et al., Satellite Generals. 54

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beizutragen, waren ihre Fähigkeiten, sie zu verteidigen — geschweige denn, gegen den Feind offensiv vorzugehen —, unter den damaligen Umständen ziemlich eingeschränkt. 1949 standen der NATO weniger als 10 Divisionen und 400 Kampfflugzeuge zur Verfügung 60 . Nach ihrer Gründung im April war sie im Moskauer Politbüro kein Diskussionsgegenstand mehr bis Oktober, als die erfolglosen sowjetischen Bemühungen, Italiens Eintritt zu verhindern, auf der Tagesordnung standen61. Gemäß den amerikanischen Plänen für den Ernstfall — die wie die sowjetischen auf den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs beruhten — war zunächst ein strategischer Rückzug vom Kontinent und erst später, nach der Landung von Truppen aus Ubersee, dessen schließliche Befreiung vorgesehen. Das war eine derart düstere Perspektive, daß Washington es für angeraten hielt, seine Pläne vor den Verbündeten zu verbergen 62 . Gegenüber dem sowjetischen Feind, dessen Nachrichtendienst genügend präzise Informationen über das amerikanische Kampfpotential, inklusive der Anzahl von Atombomben in den Arsenalen, lieferte, war dies kaum möglich6''. Diese Bomben — und weniger die bescheidenen konventionellen Streitkräfte — stellten zusammen mit potentiellen Offensivwaffen die Hauptabschreckung Ger NATO dar. In späteren strategischen Plänen der USA wurde die Absicht bekräftigt, sie einzusetzen, wenn die Umstände es erforderten — gemäß dem »Trojan«Plan vom Januar 1949 für den Angriff von 70 Industriestädten mit einem geschätzten Verlust von 2 700 000 Menschenleben 64 . Fünf Monate später jedoch kamen die Joint Chiefs of Staff zu dem Schluß, daß die Sowjetunion durch den Einsatz von Atomwaffen allein nicht besiegt werden konntet5. Da dies auch der Einschätzung der sowjetischen Experten entsprach, sahen deren Kriegspläne vor, amerikanische Stützpunkte und Truppenkonzentrationen in Europa zu vernichten, bevor aus Übersee Verstärkungen eintreffen konnten. Dem Schlag sollte ein rascher Vorstoß sowjetischer Truppen nach Westeuropa und eventuell dem Mittleren Osten folgen66. Durch den defensiven Charakter der militärischen Planung beider Seiten war zwar grundsätzlich die Stabilität ihrer Beziehungen, nicht aber ihre Sicherheit gewährleistet. Als Stalin im Juli 1949 den neuen britischen Botschafter, David Kelly, empfing, beklagte er sich über die NATO, wobei er immer wieder von deren angeblich aggressiven Charakter sprach und sie mit den formell nur gegen Deutschland gerichteten vermeintlich harmlosen sowjetischen Bündnissen verglich67. Ungeachtet dessen, daß der Vergleich unredlich war, war Stalins Besorgnis nicht ge60

" 62 63 64 65 66 67

Kugler, Commitment, S. 45. Egorova, Soviet Perceptions, S. 14. Greiner, Defence of Western Europe, S. 151 f. Hollowav, Stalin and the Bomb, S. 240. Condit, History, Bd 2, S. 2 8 8 - 3 1 4 . Hollowav, Stalin and the Bomb, S. 229 f. Chlopov, Ο Charaktere, S. 6 7 - 7 8 . Zit. in: Hollowav, ebd., S. 238 f. Kirk (Moskau) an Secretary of State. 21.7.1949, FRL'S, 1949, V, S. 6 3 2 - 634.

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heuchelt. Als er einem seiner Berater — seinen Emissär in China, Ivan V. Kovalev — seine Meinung anvertraute, daß ein Krieg nicht bevorstehe, schränkte er seine Einschätzung durch die Äußerung ein, daß dies nur wegen »der möglichen Nachteile für die Imperialisten« so sei. »Ihre Krise hat begonnen; sie sind nicht fähig zu kämpfen. Sie schrecken uns mit der Atombombe, aber wir haben keine Angst. Es fehlen die materiellen Voraussetzungen, um anzugreifen und einen Krieg zu führen. Die Sowjetunion ist stark genug, um sich zu verteidigen68.« Das sowjetische Vertrauen darauf, einen militärischen Entscheidungskampf gegen die kapitalistischen Mächte vermeiden bzw. zumindest hinausschieben zu können, beruhte demnach auf der Annahme, daß diese sich einen Angriff nicht leisten konnten, und nicht, daß sie ihn nicht wollten. Die kommunistische Doktrin sah die feindlichen Absichten der kapitalistischen Staaten als gegeben an. In dem Bemühen, die Möglichkeiten dieser Staaten zu beschränken und lahmzulegen, versuchte Moskau, an deren Völker zu appellieren. Gleich nach Gründung der NATO bemühte sich die Sowjetunion, deren Entwicklung dadurch zu behindern, daß sie aus der weitverbreiteten Antikriegshaltung der Öffentlichkeit Kapital schlug. Sie ließ die westlichen Kommunisten und deren Sympathisanten zu diesem Zweck Massenversammlungen für den »Frieden« in Paris und Prag vom 20. bis 25. April 1949 inszenieren 69 . Da Moskau zwischen militärischer und nicht-militärischer Integration nicht differenzierte, verurteilte es die Gründung des Europarats am 5. Mai als vermeintliches »Instrument des aggressiven nordatlantischen Blocks«70. Ein Jahr später verurteilte es den Start des Schuman-Plans für eine europäische Kohle- und Stahlunion als einen vom amerikanischen Außenminister Dean Acheson nach vorheriger Absprache mit der Morgan-Bank, US-Steel und anderen kapitalistischen Drahtziehern ersonnenen Plan zur Wiederaufrüstung Westdeutschlands 71 . Da sich das Augenmerk der Sowjets mehr auf die USA als auf deren schwache Verbündete richtete, waren sie weder fähig noch willens, die auf die Einheit Europas zielende Bewegung zu begreifen. Sie unterschätzten zum wiederholten Mal den ihr eigenen Charakter und ihre unabhängige Dynamik. Die Berichte des sowjetischen Geheimdienstes führten die anfängliche Schwäche der NATO auf die angeblich unüberbrückbaren Gegensätze zwischen ihren Mitgliedern zurück 72 . Im Unterschied zur offiziellen Propaganda Moskaus wurde der Zweck der Allianz weniger darin gesehen, Krieg gegen den »Sozialismus« zu

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Zit. in: Kovalev, Dialog Stalina, S. 87. Shulman, Stalin's Foreign Policy, S. 131. Zellentin, Kommunisten, S. 49. Lange, Konfrontation, S. 537; Zellentin, ebd., S. 51. Ο dejatel'nosti organov Severo-atlanticeskogo Sojuza po voennym prigotovlenijam i raznoglasijach mezdu stranami-ucastnicami sojuza po voprosu ο voennych objazatel'stvach [Über die Aktivitäten der Organe des Nordatlantischen Bündnisses im Hinblick auf militärische Vorbereitungen und über die Unstimmigkeiten unter den Mitgliedsstaaten des Bündnisses zur Frage der militärischen Verpflichtungen], Dezember 1950, Α UV KSC 100/24, 92/1093, 34/41, SLIA.

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führen, als darin, den USA zu helfen, den Kollaps des Kapitalismus abzuwenden73. Die Berichte registrierten, daß Washington zögerte, sich seinen Verbündeten gegenüber zum automatischen militärischen Beistand zu verpflichten. In ihrer überzogenen marxistischen Fokussierung auf Interessenkonflikte wurden die internen Unstimmigkeiten der NATO beständig über- und die Bereitschaft der Europäer, sich mehr im eigenen Interesse als auf Geheiß der Amerikaner hin zusammenzuschließen, unterschätzt. Dank seiner klug eingesetzten Spione war Stalin über alles bestens informiert, was er über die Fähigkeiten und Absichten der NATO wissen mußte. Diese unbeabsichtigte »Transparenz« der Allianz zu einer Zeit, da diese eine bedenkliche Schwäche zeigte, war ein verkappter Segen gewesen. Zwar konnte der notorisch mißtrauische sowjetische Diktator sich nie absolut sicher sein, daß die Kapitalisten sich nicht doch zu einem Angriff verschworen hatten — was anzunehmen ihm ja seine Doktrin definitiv nahelegte. Aber wenigstens konnte er sicher sein, daß der Angriff nicht unmittelbar bevorstand. Es war von allergrößter Bedeutung, daß ihn die Geheimberichte aus den innersten NATO-Kreisen nicht dazu ermutigten, einen Präventivkrieg zu beginnen, als dieser machbar erschien, sondern ihn auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Mitte 1949 sprach Stalin gegenüber Liu Shaoqi, der zur zweiten Garnitur der chinesischen Kommunisten zählte, von der Unwahrscheinlichkeit eines Krieges, weil keiner stark genug sei, ihn zu führen74. Dies war eine angemessene Einschätzung sowohl der eigenen als auch der westlichen Selbstwahrnehmung. Sie unterschied sich erheblich von den übertriebenen Einschätzungen der sowjetischen Fähigkeiten, die den frühen Planungsdokumenten der NATO zugrunde lagen, insbesondere ihrem ersten strategischen Konzept vom Oktober 1949 und dem sechs Monate später verabschiedeten »Medium-term Defense Plan« für den auf fünf Jahre angelegten Ausbau ihrer konventionellen Streitkräfte75. Diese Einschätzungen beruhten auf amerikanischen Quellen, die sich ihrerseits an den zweifelhaften Berechnungsmethoden orientierten, die General Reinhard Gehlen, ehemals Leiter der Abteilung »Fremde Heere Ost« im Oberkommando des Heeres, entwikkelt hatte. Danach galten sowjetische Divisionen auch dann als kampfbereit, wenn sie nicht ihre volle Sollstärke besaßen76. Selbst wenn sie durch eine Mobilisierung von Reserven leichter auf diese Stärken gebracht werden konnten als ihre westlichen Gegenstücke, gibt es in den bisher zugänglichen Quellen keinen Hinweis, daß Stalin 1949/50 beabsichtigte, in Europa anzugreifen.

74 75 76

Vertrauliche Einschätzung z u m Gebrauch durch die tschechoslowakischen Sicherheitsdienste, »Mezinärodni organizace ve slu/bäch americkeho imperialismu« [Internationale Organisationen im Dienst des US-Imperialismus], 25.5.1949, 323-3-4, A M Z V . Shi Zhe, I Accompanied Mao, S. 127. M . C 3, 19.10.1949, und D C 13, 28.3.1950, in: N A T O Strategy Documents, S. 1 - 8 , U V - V . Karber/Combs, United States.

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Das Verfügen über die Atombombe änderte Stalins Auffassung nicht grundsätzlich77. Da er ihren Besitz mehr aus politischen als aus militärischen Gründen für wünschenswert hielt, wurde sie nicht in die Ausrüstung seiner Streitkräfte aufgenommen 78 . Entgegen den Einschätzungen des CIA wurde zu Stalins Lebzeiten nicht mit der Massenproduktion von Atomwaffen in der Sowjetunion begonnen. Und der sowjetische Langstreckenbomber TU-4 war auch nicht in der Lage, sie über jedem Ziel in den USA abzuwerfen, wie von offizieller amerikanischer Seite befürchtet 79 . Betrachtet man die wenigen, vor der Entstehung der NATO veröffentlichten sowjetischen militärischen Pläne als Indizien, so waren die sowjetischen Streitkräfte für die Verteidigung gegen einen zwar möglichen, aber unwahrscheinlichen westlichen Angriff ausgelegt und nicht, um selbst Feindseligkeiten zu beginnen. Wenn Stalin auch keine Vorbereitungen für einen Angriff in Europa traf, so überlegte er sich bereits zum Zeitpunkt der NATO-Gründung, ob dies in Asien angebracht sei. Ihm lag ein Plan vor, den ihm der nordkoreanische Führer Kim II Sung bereits im März 1949 als streng geheim vorgeschlagen hatte und der eine militärische Eroberung Südkoreas durch die Kommunisten vorsah80. Ein erfolgreich verlaufender Feldzug versprach einen Ausgleich für die zahlreichen, unlängst in Westeuropa erlittenen selbstverschuldeten Fehlschläge, unter denen der Aufstieg der NATO zwar der beeindruckendste, jedoch kaum der schmerzlichste war. Ermutigt durch die stillschweigende Hinnahme des erfolgreichen ersten sowjetischen Atombombentests durch die USA sowie deren Rückzug auf eine defensive Vorpostenlinie unter Ausschluß Koreas in Asien, gab er Kim II Sung im Januar 1950 grünes Licht zur Durchführung von Vorbereitungen für eine Invasion nach Südkorea und stellte neben militärischem Expertenwissen die erforderliche materielle Unterstützung zur Verfügung 81 . Nach der Niederlage, die den nationalistischen Schützlingen der USA in China durch die Kommunisten zugefügt worden war, wäre ein Sturz des Washingtoner Vasallenregimes in Südkorea ein derart niederschmetternder Schlag für das amerikanische Prestige gewesen, daß ein Überleben der NATO als funktionierende Allianz unwahrscheinlich gewesen wäre. Auch wenn Stalin gute Gründe hatte, die Möglichkeit einer militärischen Reaktion der USA außer acht zu lassen, konnte er sich doch nicht absolut sicher sein, und so schienen ihm Präventivmaßnahmen ratsam, um jegliche Reaktion in Europa im Keim zu ersticken. Er schürte die Hysterie über eine weitgehend imaginäre westliche Subversion und erreichte über seine Agenten, daß die internationale »Friedenskampagne« mit dem Stockholmer Appell vom März 1950 einen dramatischen Höhepunkt erreichte und mit dem

Zum sowjetischen Atomprogramm siehe neben Holloway, Stalin and the Bomb, Istorija sovetskogo atomnogo proekta. 78 Batjuk, Kak rozdalsja mif, S. 48. 79 Batjuk, Opasnyj samoobman. 8" Weathersby, To Attack, S. 8. Stalin an Stykov für Kim II Sung, 30.1.1950, in: CWIHP, Bull. 5, 1995, S. 9. 77

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Zeitpunkt zusammenfiel, als die Vorbereitungen für den Angriff im Fernen Osten in ihr entscheidendes Stadium traten. Bis dahin war die NATO für die Sowjetunion eine zwar weitgehend symbolische, aber gleichwohl intensiv wahrgenommene Bedrohung gewesen. Sie symbolisierte die feindliche kapitalistische Verschwörung, die immer Bestandteil des sowjetischen Denkens gewesen war. Sie zeugte von allem, was schief gelaufen war mit Stalins Sicherheitsbestreben nach dem Krieg und was ihm so unerwartet ein größeres Gefühl der Unsicherheit vermittelt hatte. Sie wies auf die materielle Überlegenheit des Westens hin, die mobilisiert werden konnte, um die Sowjetunion in einem Abnutzungswetdauf zu schlagen. Sie stand für das Schlimmste, was Stalin zu Recht in Europa fürchtete oder glaubte, fürchten zu müssen: die amerikanische Atombombe, die Wiederherstellung der deutschen Macht, die Attraktivität, die das sich freiwillig vereinigende Westeuropa für sein gewaltsam zusammengehaltenes Osteuropa bot. Was die NATO damals nicht repräsentierte, war eine glaubwürdige militärische Bedrohung 82 . Daß Stalin sie zu einer machte, war sein weiterer Irrtum.

«

Borowski, Hollow Threat, S. 186- 215.

II. Die Militarisierung des Kalten Krieges 1. Die Wirkung des Korea-Krieges Die Sowjets haben nie einen Zweifel an ihrer Uberzeugung zugelassen, daß die Entscheidungen für einen massiven westlichen militärischen Aufbau in Europa und besonders für die Wiederbewaffnung Westdeutschlands dem Ausbruch des Korea-Krieges vorangegangen waren, was lediglich eine nachträgliche Rechtfertigung lieferte1. Zwar trifft es zu, daß einschlägige Empfehlungen, vor allem das National Security Council Document NSC-68, gegeben worden sind und der Druck, sie umzusetzen, zugenommen hatte, bevor die Invasion stattfand. Doch ebenso richtig ist, daß sie sowohl aus politischen wie auch aus finanziellen Gründen auf heftigen Widerstand gestoßen waren, der ihre Annahme ungewiß machte, bis die kommunistische Aggression in Korea den erforderlichen Anstoß lieferte2. Gleichwohl konnten die Sowjets vermutlich nicht akzeptieren, daß die USA in der Tat improvisierten und nicht nach Plan vorgingen. Wäre Stalin durch seine Spione richtig darüber informiert worden, daß Washington nichts vom bevorstehenden Angriff wußte, hätte die rasche und entschlossene Entfaltung der amerikanischen Militärmacht zur Abwehr der Aggression in Korea ernste Besorgnis hervorrufen müssen, sowohl über die Zuverlässigkeit der Nachrichten, die er erhielt, als auch über die letztendlichen, durch Täuschung verborgenen Ziele des Feindes. In dem ersten großen Leitartikel der Pravda vom 28. Juni 1950 über die Feindseligkeiten wurden die USA beschuldigt, den Krieg planmäßig provoziert und ihn zum Vorteil des Westens ausgenutzt zu haben1. Je länger der Kampf dauerte, ohne daß der Norden den entscheidenden Sieg erringen konnte, desto mehr beunruhigte Stalin die Möglichkeit, daß die Amerikaner versuchen könnten, ihre Schlappe in Asien durch eine Offensive der NATO in Europa zu kompensieren. In seinen Erinnerungen schrieb Chruscev später über Moskaus »erhebliche Unruhe, daß die USA ihre Truppen in die Tschechoslowakei senden könnten« 4 . In der Tat, der Korea-Krieg war kaum ausgebrochen, da registrierten amerikanische Beobachter in Westdeutschland eine »nicht unerhebliche«

1 2 3 4

Thomas, Der Weg, S. 148. Wells, First Cold War, S. 183 f. Lowe, Origins, S. 164. Khrushchev Remembers, S. 189.

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Zunahme militärischer Aktivitäten an der tschechoslowakischen Grenze, einschließlich des Baus von Verteidigungsanlagen 5 . In der kritischen ersten Woche des Kampfes im Fernen Osten wurden an der sensiblen jugoslawischen, türkischen und iranischen Grenze keine ungewöhnlichen militärischen Bewegungen Moskaus oder seiner Verbündeten bemerkt?"'. Solange sich die Amerikaner im Fernen Osten mit einer wahrscheinlichen Niederlage konfrontiert sahen, war die Sowjetunion gut beraten, ihnen keinen Grund zu einem andernorts geführten Vergeltungsschlag zu liefern. Bald jedoch konnte Moskau erkennen, daß in Europa keine westliche militärische Aktion bevorstand, wie auch der Westen erkannte, daß die Sowjetunion nichts dergleichen beabsichtigte. Gleichzeitig begann der Westen jedoch, politisch zu handeln, um seine militärische Macht zu stärken. Auf Churchills Initiative hin wurde von der Beratenden Versammlung des Europarats am 11. August 1950 eine Resolution zur Schaffung einer europäischen Armee verabschiedet. Anfangs wollte Moskau die europäischen Verbündeten Amerikas präventiv einschüchtern. Gerüchte über eine bevorstehende sowjetische Militäraktion gegen Jugoslawien wurden später von Marschall Georgij A. Zukov bestätigt, der sich erinnerte, daß Stalin mit dem Gedanken eines Panzervorstoßes und Luftlandeunternehmens in Bosnien gespielt habe7. Der westliche Geheimdienst erhielt außerdem Informationen über die Lieferung von sowjetischen, für Offensivoperationen bestimmten gepanzerten Fahrzeugen an die 50 000 Mann starke Deutsche Volkspolizei Ostberlins 8 . Auch wenn sie falsch waren, paßten die Gerüchte zu der öffentlichen Drohung des ostdeutschen Parteichefs Walter Ulbricht — wonach die Bonner Regierung demnächst das Schicksal Seouls erleiden würde — sowie zu den neuen »Thesen« seiner Partei mit ihrem ominösen Bezug auf einen bevorstehenden »bewaffneten Aufstand« in Westdeutschland 9 . Diese Einschüchterungstaktik erwies sich als kontraproduktiv, da sie die Verbündeten dazu ermutigte, genau das zu tun, wovon Moskau sie abhalten wollte. Immer, wenn es so aussah, als würden die Vereinigten Staaten in Korea gewinnen, zeigte sich die Sowjetunion in Europa tendenziell versöhnlicher, schlug aber ins Gegenteil um, wenn die Gezeiten des Krieges wechselten. Nach dem Beginn der chinesischen Intervention, als deren Ausgang noch ungewiß war, nahm Moskau seine Kampagne für eine Regelung der deutschen Frage in einem scheinbar versöhnlichen Ton auf der Konferenz der osteuropäischen Außenminister wieder

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Political and Economic Developments in Czechoslovakia during September, October, November 1950, Tyler Thompson (Prag) an Secretary of State, 15.12.1950, 749.00/12-1250, RG 59, NARA. Memorandum über eine Unterredung zwischen D. Rusk und Wellington Koo, 3.7.1950, FRUS, 1950, VII, S. 286. Dedijer, Novi prilozi, S. 443. Wiggershaus, Bedrohungsvorstellungen, S. 103 f. McGeehan, German Rearmament, S. 24.

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auf, die für den 20. /21. Oktober 1950 nach Prag einberufen worden war1". »Wenn es uns gelingt, Westdeutschland von der [NATO-]Allianz zu lösen«, wie der Außenminister der DDR, Georg Dertinger, das zu erreichende Ziel zusammenfaßte, »wird dies wahrscheinlich die angloamerikanische Kriegsverschwörung in ihren Grundfesten erschüttern 11 «. Drei Tage später wurde der Pleven-Plan verkündet, den die Sowjetunion als amerikanischen Plan verurteilte, die Aufstellung einer westdeutschen Armee durchzusetzen, obwohl ihn die Franzosen zur Kontrolle der unvermeidbaren Wiederbewaffnung der Bundesrepublik entworfen hatten12. Moskau schlug vor, den schlummernden Viermächte-Außenministerrat wieder einzuberufen. Mit seiner Hilfe sollte eine befriedigende Lösung in Deutschland durch ein Junktim mit Korea gefunden werden 13 . Genau dies versuchte der sowjetgesteuerte »Friedenskongreß« in Warschau am 16. November zu erreichen, als er alle Großmächte, China eingeschlossen, aufrief, sich Forderungen anzuschließen, die auf einen amerikanischen Rückzug aus Asien und Europa hinausliefen 14 . Zu jenem Zeitpunkt hatten die Chinesen die erste Phase ihrer Offensive abgeschlossen und waren bereit, den vernichtenden Schlag gegen die amerikanischen Truppen zu führen. Die sowjetische Kompromißlosigkeit bewirkte, daß die USA sich stärker auf die Möglichkeit eines Krieges in Europa einstellten. Um den Kontinent gegen einen möglichen sowjetischen Angriff zu verteidigen — und die Wahrscheinlichkeit dafür war Washington zufolge am größten in den nächsten vier Jahren —, sah der »Reaper-Plan« vom 29. November 1950 vor, mehr als 100 Atombomben über der Sowjetunion abzuwerfen 15 . Diese Information konnte zumindest MacLean, einer der sowjetischen Topspione in der amerikanischen Hauptstadt, an seine Moskauer Auftraggeber weiterreichen 16 . In den folgenden ereignisreichen Wochen erhielt die NATO die militärische Substanz, mit der sie sich von einer lediglich auf dem Papier vorhandenen zu einer realen Allianz verwandelte. Die am 9. Dezember 1950 geschlossene »NATO-Vereinbarung über die Sicherheit Berlins« sah im Falle einer Bedrohung der westlichen Positionen in der Stadt militärische Maßnahmen gegen die DDR vor17. Vier Tage darauf beschloß die Allianz, Westeuropa so weit ostwärts wie möglich zu verteidigen und operativ seine nördlichen, zentralen und südlichen Flanken zu integrieren. Am 10

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Statement Issued by the Foreign Ministers of the U.S.S.R., the German Democratic Republic, Poland, Czechoslovakia, Hungary, Romania, Bulgaria and the Albanian Minister in Moscow, at a Meeting in Prague, October 21, 1950, in: Documents on Germany, S. 5 2 2 - 527. Telephonische Berichte über die erste und zweite Sitzung auf der Außenminister-Konferenz vom 20./21.10.1950, 100/24, 91/1091, AÜV K S C Zukov, Po ukazke, in: Pravda vom 30.10.1950. Note from the Soviet Government to the British Government Proposing a Meeting of the Council of Foreign Ministers to Discuss the Demilitarization of Germany, 2.11.1950, in: Documents on Germany, S. 5 2 2 - 5 2 7 , S. 535. Shulman, Stalin's Foreign Policy, S. 155 f. Ross, American War Plans, S. 142 f. Andrew/Gordievsky, KGB, S. 328. Wiggershaus, Bedrohungsvorstellungen, S. 100.

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18. Dezember 1950 stimmte der Nordatlantikrat im Prinzip einem militärischen Beitrag der Bundesrepublik zu ihrer Verteidigung zu. Die Rückkehr General Dwight D. Eisenhowers als Oberster Befehlshaber der Allianz gegen die Sowjetunion legte den Vergleich mit dem Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg nahe, als er Oberster Alliierter Befehlshaber gewesen war. Der beharrliche chinesische Vorstoß in Korea konnte auf Seiten der Sowjetunion die Erwartung wecken, daß die NATO durch eine amerikanische Niederlage in diesem Gebiet erschüttert würde. Nach der ergebnislosen Herbstsitzung der UNVollversammlung äußerte der sowjetische Außenminister Andrej Ja. Vysinskij vor seiner Abreise aus New York vor einer Gruppe osteuropäischer Diplomaten bei einem geheimen Briefing, daß »den USA die Kontrolle in Asien bereits entglitten sei«18. Gleichzeitig versicherte er, daß es keinen Weltkrieg geben werde, weil sich die Westeuropäer an dem amerikanischen Aufrüstungsprogramm stießen und die Amerikaner ohnehin nicht in der Lage seien, die Kosten dafür aufzubringen. Optimistisch äußerte er, das Kräfteverhältnis verschiebe sich zugunsten des Kommunismus. Deshalb müsse sich die Sowjetunion nicht die Mühe machen, Westeuropa zu überrennen, obwohl sie dazu in der Lage sei. Indes hatten die Chinesen den Korea-Krieg bis Januar 1951 immer noch zu keinem siegreichen Ende gebracht, während in Europa der Aufbau der NATO zügig voranging. Die einsetzende Verlegung von US-Truppen auf den Kontinent sowie die bevorstehende Wiederbewaffnung der Bundesrepublik riefen unter Westeuropäern die Befürchtung hervor, die Sowjetunion könnte zu einem Präventivkrieg provoziert werden, bevor der Westen in der Lage wäre, sich selbst zu verteidigen19. Der französische Premierminister Rene Pleven warnte bei seinem Besuch in Washington, die Sowjets könnten versucht sein, eine Veränderung des Kräfteverhältnisses zu ihren Ungunsten durch einen Vorstoß zu korrigieren, der sie befähigen könnte, ganz Europa zu überrennen 20 . Und in der Tat alarmierte Moskau Ende 1950 seine osteuropäischen Verbündeten, sich bis Ende 1952 auf einen Krieg einzustellen 21 . Dieses Datum entsprach beunruhigend dem Zeitpunkt, der in den geheimen amerikanischen Einschätzungen dieser Zeit22 — zu denen Stalins Spione in Washington Zugang hatten — als der Zeitpunkt galt, an dem die Gefahr eines sowjetischen Angriffs am größten war. Die daraus resultierende Transparenz sollte sich nicht unbedingt beruhigend auf Moskau auswirken. Wie ein gut unterrichteter ehemaliger Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes zutreffend feststellte, »wurden die zwar irrtümlichen, gleichwohl realen Befürchtungen des Westens im Hinblick auf einen sowjetischen 18

19

2» 21 22

Memorandum über ein Gespräch zwischen dem zuständigen polnischen Sachbearbeiter des State Department, Vedeler, und einer vertrauenswürdigen Quelle, 3.1.1951, FRUS, 1951, IV/2, S. 1522 f. Leffler, Preponderance, S. 404. Ebd., S. 409 f. Lichnovski, Bedrich Reicin, S. 84 f. Soviet Capabilities and Intentions, in: CIA Cold War Records, S. 169 f.

407 Angriff, wenn sie dem Kreml vorgetragen wurden, von Stalin nahezu zwangsläufig als Deckmantel für die eigenen aggressiven Pläne des Westens interpretiert^ 3 . Das Wissen, daß seine Feinde mit einem Angriff rechneten, gab ihm weiteren Grund zur Sorge, sie könnten ihm zuvorkommen wollen, was ihm wiederum den Erstschlag nahelegte. Der französische Botschafter in Moskau, Yves Chataigneau, vermutete, der Kreml fürchte eine derartige amerikanische Aufrüstung, die ihn vor die Wahl stellen könnte, entweder zu den Bedingungen der USA zu verhandeln oder mit Waffengewalt unterworfen zu werden 24 . In dieser kritischen Situation berief Stalin vom 9. bis 12. Januar 1951 osteuropäische Partei- und Militärführer zu einer wichtigen Konferenz nach Moskau ein. Informationen über das Treffen gelangten erstmalig 1978 bruchstückhaft ans Tageslicht, als der ehemalige tschechoslowakische Parteihistoriker Karel Kaplan nach seinem Ubertritt in den Westen in seinem Buch darüber berichtete25. Seine Quelle war der tschechoslowakische General Alexej Cepicka, der an dem Treffen teilgenommen hatte. Kaplans Bericht aus zweiter Hand wurde später durch einen polnischen Teilnehmer, das ehemalige Politbüro-Mitglied Edward Ochab, ergänzt, der sich mit seiner Darstellung gegen Teresa Toranska, eine aggressive antikommunistische Journalistin, verteidigtet 6 . Erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus erschien endlich ein zeitgenössischer Bericht aus erster Hand, verfaßt vom rumänischen Verteidigungsminister und Vertrauensmann des sowjetischen Geheimdienstes Emil Bodnäraj. Er ähnelt dem berüchtigten »Hoßbach-Protokoll« über Hitlers Geheimsitzung mit seinen Generälen und Wirtschaftsführern im November 1938, in dem der Diktator seine Pläne zur Führung eines Krieges darstellte. Wie dieses Protokoll Enthüllungen wie auch Zweideutigkeiten enthaltend, gibt der Bodnäras-Bericht einen kritischen Einblick in Stalins damaliges Denken27. Unter Verweis auf Amerikas angebliche Unfähigkeit, einen »großen Krieg« zu fuhren — die das Unvermögen augenfällig mache, selbst den »kleinen Krieg« gegen Korea zu gewinnen —, rief Stalin dazu auf, diesen »überaus günstigen Umstand für uns, für die weltrevolutionäre Bewegung auszunutzen«. Ohne nähere Angaben zu machen, forderte er die Schaf fung einer »modernen und schlagkräftigen militärischen Truppe, [...] die innerhalb der nächsten 2 - 3 Jahre einsatzbereit sein muß«; er ging davon aus, daß die Amerikaner weiterhin in Asien gebunden sein würden. Er rügte seine Zuhörer und sagte, »es ist nicht normal, schwache Armeen zu haben; diese Situation muß geändert werden«. Der Zeitpunkt für diese Äußerung hängt wahrscheinlich mit der Information zusammen, die ungefähr zu dieser Zeit vom sowjetischen Geheimdienst eingegangen war und nach der die Amerikaner — im Zusammenhang mit ihren Mißerfolgen in Korea — auf der NATO-Tagung im Dezember 1950 ihre Absicht enthüllt hät21 24 23

27

Andrew/Gordievsky, KGB, S. 326. Vgl. Heuser, Western Containment, S. 136. Kaplan, Dans les archives, S. 165 f. Toranska, »Them«, S. 46. Erwähnung findet die Begegnung auch in den Memoiren des gutinformierten polnischen Generals Piöro, Armja ze skaz% S. 161 f. Cristescu, Ianuarie 1951.

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ten, »im Sommer 1951 einen militärischen Konflikt in Osteuropa mit dem Ziel zu provozieren, sich die östliche Zone Österreichs anzueignen, und zu diesem Zweck beabsichtigten, sich Jugoslawien zunutze zu machen« 28 . Obwohl die Existenz eines solchen Plans durch westliche Quellen nicht bestätigt wurde, gab Moskau ihn als authentisch an die Spitze der osteuropäischen Parteichefs weiter. Bat Stalin darum, daß diese ihre Streitkräfte ausbauten, um sie auf eine Verteidigung gegen die erwartete amerikanische Aggression vorzubereiten? Oder wollte er, daß sie in der Lage waren, einer solchen Aggression durch einen Angriff zuvorzukommen? Seine Äußerung auf dem Moskauer Treffen Schloß weder die eine noch die andere Option aus, gab aber auch keinen Aufschluß über seine Motive. Stalin hatte das Treffen nicht einberufen, um auf einen unmittelbar bevorstehenden Notfall zu reagieren, sondern auf eine langfristige Gelegenheit. Stalin ging in seinen Ausführungen auf der Konferenz näher auf den zeitlichen Rahmen ein, in dem er starke Armeen aufgestellt haben wollte. Er gab damit zu verstehen, daß die dafür günstigen Umstände womöglich nicht anhalten würden. Hier besteht eine weitere Ähnlichkeit zu der erwähnten Sitzung Hitlers, der einen Eroberungskrieg plante. Vor seinen servilen Gefolgsleuten hatte der nationalsozialistische Diktator dozierend ausgeführt, Deutschland müsse zur Führung eines solchen Krieges bereit sein, bevor sich die Bedingungen dafür verschlechtert haben würden. Bedeutsamer ist, daß Stalins Dreijahreszeitplan sowohl den gängigen westlichen Einschätzungen über die Zeit der größten sowjetischen Gefahr entsprach als auch dem Zeitplan für die Erweiterung der NATO, durch die der Gefahr begegnet werden sollte. Stalins Zeitplan ist ein weiterer glaubhafter Beweis dafür, in welchem Maß er dank seiner fähigen Spione in das Denken und Planen seiner Feinde eingeweiht blieb. Weit davon entfernt, lediglich einen Konflikt mit Jugoslawien vorherzusehen — das als amerikanischer Schützling galt, so wie Nordkorea und China als sowjetische Stellvertreter angesehen wurden —, leitete Stalin einen Wechsel seiner Politik ein. Gemäß seiner Gewohnheit rügte er seine Vasallen dafür, ihr Militär vernachlässigt zu haben. Dagegen war es in Wirklichkeit er selbst, der die osteuropäischen Armeen schwach gehalten hatte, weil er ihnen nicht recht traute, und der sie durch brutale Säuberungen erheblich schwächte. Nachdem die erste Säuberungswelle abgeschlossen und das Offizierkorps durch sowjettreue Parteigänger ersetzt worden war, schwenkte Stalin um. Jetzt sollte das zu seiner Verfugung stehende militärische Potential verstärkt werden. Längerfristig betrachtet war die Moskauer Zusammenkunft wichtig, sowohl durch das, was im Ergebnis geschah, als auch durch das, was nicht geschah. Das Wichtigste: Anders als Hitler begann Stalin keinen Krieg, und so wie bei allem, was nicht eintrat, ist es nicht möglich, klar die Gründe dafür zu benennen. Abgesehen 28

Ο dejatel'nosti organov Severo-adanüceskogo Sojuza ν svjazi s sozdaniem atlanticeskoj armii i remilitarizaciej zapadnoj Germanii [Über die Aktivitäten der Organe des Nordadantischen Bündnisses im Zusammenhang mit der Schaffung der adantischen Armee und Remilitarisierung Westdeutschlands], Februar 1951, ALJV KSC, 100/24, 92/1093, SÜA.

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von anderen Störungen sollte Stalins Kalkül durch zwei Entwicklungen gestört werden. Ende Januar war die chinesische Offensive zum Stehen gekommen. Ihr folgte eine amerikanische Gegenoffensive und schließlich ein Stillstand an der koreanischen Front. Dann tauchten Ungewißheiten bezüglich der Absichten des Feindes auf, nachdem Stalins Hauptinformanten in Washington, das Gespann der Spione Guv Burgess und Donald MacLean, im Mai eiligst nach Moskau geschafft worden waren, um der Enttarnung zu entgehen. Als Konsequenz der Konferenz wurden, wie Stalin befohlen hatte, die sowjetischen und osteuropäischen Streitkräfte in einer Weise massiv ausgebaut, die Parallelen zum Wachstum der NATO aufwies, die schwächere kommunistische Wirtschaft aber ungleich stärker belastete. Die tschechoslowakische Armee zum Beispiel wuchs von 140 000 Mann im Jahre 1950 auf 250 000 ein Jahr später». Der eher quantitativ als qualitativ angesetzte militärische Aufbau, bei dem besonders auf Indoktrination und Stärkung der Kampfmoral gesetzt wurde, erinnerte an die sowjetische Kriegführung im Zweiten Weltkrieg. Darüber hinaus legte die erwähnte Konferenz die Grundlage für die nachfolgende militärische Planung. Auf sie bezogen sich die tschechoslowakischen Militärexperten 1968 in ihrem geheimen Memorandum. Sie riefen in Erinnerung, wie die Führer des sowjetischen Blocks Anfang der 1950er Jahre in Erwartung »eines bevorstehenden militärischen Konflikts in Europa« sich die Strategie zu eigen machten, die »auf dem Slogan von der Verteidigung gegen eine imperialistische Aggression beruhte, gleichzeitig jedoch die Möglichkeit des Ubergangs zu einer strategischen Offensive mit dem Ziel, die vollständige sowjetische Hegemonie in Europa zu erreichen, nicht ausschlössen«3". Eine derartige Strategie stand im Gegensatz zu der von Stalin 1945 gegenüber Budennyj geäußerten Skepsis über den eigentlichen Wert eines militärischen Vorstoßes nach Westeuropa. Sie stand aber im Einklang mit der Unterstützung, die er Kim II Sung für das Vordringen auf kapitalistisches Gebiet in Asien gegeben hatte, wie auch mit seiner Geringschätzung für die militärischen Fähigkeiten Amerikas. Die Möglichkeit zur Umsetzung dieser Strategie hing davon ab, ob die Ausweitung der NATO — welche die Aussicht eröffnete, »das militärische Gleichgewicht zugunsten des Westens in einem selbst in seinen kühnsten Träumen unvorstellbaren Ausmaß zu verbessern« 31 — ein stärkeres Abschreckungspotential abgab oder, wie die Sowjetunion zu glauben vorgab, die entgegengesetzte Wirkung haben würde.

29 10 11

Rice, The Soviet Union, S. 78 f. Memorandum von 30 wissenschaftlichen Mitarbeitern der Militärpolitischen und der Militärtechnischen Akademie für das ZK der KPC vom 4.6.1968, Mastnv, VC'e Are, S. 245. Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 37.

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2. Gegen die Europa-Armee Die Kriegspsychose in Europa legte sich, als sich die Front in Korea stabilisierte. Die einsetzende Wandlung der NATO von einer wenig ausgeprägten zu einer realen militärischen Allianz und die unter der Einwirkung des Korea-Krieges stehende geplante Wiederbewaffnung Westdeutschlands beunruhigten Moskau nicht unmittelbar. Sowjetische Agenten, die einige der vertraulichsten Unterredungen zwischen westlichen Staatsmännern heimlich belauschen und viele der als »Cosmic Top Secret« eingestuften Geheimdokumente der NATO lesen konnten, waren über die schwierigen Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft als Organisationsform für die deutsche Wiederbewaffnung informiert 32 . Ihren Einschätzungen nach war das Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Je mehr es indes voranschritt, desto größer wurde Stalins Besorgnis. Ihm, dem zuvor häufig Fehleinschätzungen der Deutschen mit katastrophalen Folgen unterliefen, waren deren sprichwörtliche Tüchtigkeit und militärische Tapferkeit zur fixen Idee geworden. Ihm galt das amerikanische Eintreten für die Integration der Bundesrepublik in die militärischen Strukturen des Westens als durch und durch bedrohlich; er versuchte, sie nach Kräften zu verhindern. In dem Bestreben, die weitere Entwicklung der NATO zu behindern, kritisierte die Sowjetunion sie scharf, während sie gleichzeitig ihre Bereitschaft zu Verhandlungen erklärte. Sie schmähte die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) als »Instrument zur Konsolidierung der Schwer- und Rüstungsindustrie für die militärischen Zwecke der NATO« 33 , während sie über den ihr hörigen Weltfriedensrat am 26. Februar 1951 den Vorschlag für den Abschluß eines Fünfmächte-»Friedenspaktes« wiederholen ließ34. Zusätzlich forderte die sowjetische Regierung nachdrücklich die Einberufung einer Konferenz der Außenminister zur Erörterung der deutschen Frage, um so die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik während der laufenden Verhandlungen zu blockieren. Die Vereinigten Staaten lehnten eine Erörterung des deutschen Problems ab, bevor nicht die größeren Fragen, die das Problem erst geschaffen hatten, ebenso thematisiert wurden. So reagierten sie auf die sowjetische Kampagne für eine Außenministerkonferenz mit dem Gegenvorschlag, ein Treffen ihrer Stellvertreter 32

33 34

Ο dejatel'nosti organov severo-atlanticeskogo sojuza po voennym prigotovlenijam i raznoglasijach mezdu stranami-ucastnicami sojuza po voennym objazatel'stvam [Über die Aktivitäten der Organe des Nordatlantischen Bündnisses im Hinblick auf militärische Vorbereitungen und über die Unstimmigkeiten unter den Mitgliedsstaaten des Bündnisses zur Frage der militärischen Verpflichtungen] und Ο dejatel'nosti organov severo-atlanticeskogo sojuza ν svjazi s sozdaniem atlanticeskoj armii i remilitarizaciej zapadnoj Germanii [Uber die Aktivitäten der Organe des Nordatlantischen Bündnisses im Zusammenhang mit der Schaffung der atlantischen Armee und Remilitarisierung Westdeutschlands], Dezember 1950 und Februar 1951, ALIV KSC, 100/24, 92/1093, SÜA. Peck, Das imperialistische Kriegspaktsystem, S. 52. The Appeal of the World Peace Council for the Conclusion of a Pact of Peace, 25.2.1951, in: New Times (Moskau), Nr. 9, 28.2.1951, S. 4 - 9 .

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durchzufuhren, um zunächst die Tagesordnung für die späteren Gespräche vorzubereiten35. Moskau stellte sich gegen diesen Vorschlag, bis die schwindenden Aussichten auf einen kommunistischen Sieg in Korea es zu einer Uberprüfung seiner Haltung veranlaßten. Am 6. März 1951 traf der Stellvertretende Außenminister Andrej A. Gromyko im Pariser Palais Rose mit seinen westlichen Amtskollegen zusammen. Diese nahmen in der Erwartung, daß sein Hauptinteresse Deutschland gelten würde, überrascht zur Kenntnis, daß inzwischen der »Rüstungswetdauf«, sprich die Ausweitung der NATO, auf der sowjetischen Prioritätenliste stand"·. Es kam zu keinen substantiellen Gesprächen, da Washington nicht darauf vorbereitet war, über Abrüstung zu sprechen, solange es einen Krieg führte, und Moskau noch nicht so weit war, dazu beizutragen, den Feindseligkeiten in Korea ein Ende zu setzen. Die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen in Korea ermutigten die Vereinigten Staaten dazu, am 31. Mai 1951 den Vorschlag zu unterbreiten, innerhalb von fünf Wochen eine Außenministerkonferenz nach Washington einzuberufen37. Unter nochmaliger Bekräftigung der sowjetischen Priorität machte Moskau seine Zusage davon abhängig, auf der Konferenz die beiden Kernfragen — NATO und amerikanische Militärstützpunkte im Ausland — zur Sprache zu bringen38. Die erste betraf Moskaus Besorgnis über die zunehmend wahrscheinlicher werdende Integration der Bundesrepublik in die Allianz, die zweite die wachsende Fähigkeit der USA, Macht und Einfluß in Europa auszuüben. Die Sowjets hatten sich überschätzt. Am 22. Juni 1951 brachen die Vereinigten Staaten das Pariser Treffen ab, und es wurde auch nichts aus der anderen vorgeschlagenen Konferenz. Moskau hatte überzogene Hoffnungen darauf gesetzt, die Ausweitung der NATO dadurch zum Scheitern zu bringen, daß es den Westen in ergebnislose Verhandlungen verwickelte. Als die Pariser Gespräche gescheitert waren, verbrachte Gromyko zwei Stunden damit, den Vereinigten Staaten mit dem Vorwurf auf die Nerven zu gehen, sie zunichte gemacht zu haben39. Bei den Vereinten Nationen führte der sowjetische Vertreter Jakov Malik Klage über das Ergebnis, über die Ausweitung der NATO, über Amerikas Luft- und Seestreitmacht sowie sein Atomwaffenarsenal 4 ". Gleichwohl wuchs die Allianz weiter. Im Juli genehmigte der Nationale Sicherheitsrat den sofortigen Beginn eines langfristigen amerikanischen militärischen Aufbaus — eine Entscheidung, die ein Jahr später die Stärke der NATO in Europa auf 17 Kampfdivisionen und 5 bis 7 Reservedivisionen bringen

56

37 38 v;

411

Secretary of State an die Botschaft in Frankreich, 8.1.1951, FRUS, 1951, III/1, S. 1058- 1060. Director of the Office of German Political Affairs (Laukhuff) an Director of the Bureau of German Affairs (Bvroade), 6.4.1951, ebd.. S. 1121 f. Acheson an Vvzinskij, 31.5.1951, ebd., S. 1148 f. US-Delegation bei den Viermächte-Informationsgesprächen an Secretary of State, 4.6.1951, ebd., S. 1150. US-Vertreter bei den Viermächte Vorgesprächen (Jessup) an Secretary of State, 22.6.1951, ebd., S. 1161 f. Memorandum über eine Unterredung zwischen Gross und Malik, 29.6.1951, FRUS, 1951, VII/1, S. 5 9 0 - 5 9 2 .

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und damit das Gleichgewicht der konventionellen Kräfte zu ihren Gunsten verbessern sollte41. Ein wachsendes, sich von Grönland und Island bis nach Spanien, Marokko und den Azoren spannendes Netz von Stützpunkten ergänzte diese Kräfte und stellte die Einrichtungen für die strategischen Luftkriegsoperationen gegen die Sowjetunion zur Verfügung. Am 24. Juli 1951 billigte die Konferenz über die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) ein westdeutsches Kontingent innerhalb einer Europa-Armee, womit eine Kompromißlösung gefunden war, die sowohl der amerikanischen Forderung nach einer deutschen Wiederbewaffnung als auch den französischen Wünschen nach Garantien gegen ein Wiederaufleben des deutschen Militarismus entgegenkam 42 . Aus sowjetischer Sicht war das EVG-Projekt sogar schlimmer als der ursprüngliche Pleven-Plan, der eine Mischung von deutschen mit anderen Soldaten bis hinunter zur Regimentsebene vorgesehen hatte, und auch schlimmer als Westdeutschlands mögliche Mitgliedschaft in der NATO, in der die US-Präsenz als Kontrollfaktor gewirkt hätte. Wie viele Franzosen fürchteten auch die Sowjets, daß Frankreichs Schwäche es der Bundesrepublik ermöglichen würde, rasch eine dominierende Stellung innerhalb der neuen Gruppierung zu erlangen, da weder Großbritannien noch die Vereinigten Staaten eingeschlossen werden sollten. Da die EVG operativ der NATO unterstellt werden sollte, war darüber hinaus damit zu rechnen, daß sich der deutsche Einfluß dort ebenfalls ausbreiten werde. In einer Reihe von Noten, die Moskau im Oktober und November an Frankreich richtete, wobei es dieses im Unterschied zu Großbritannien und den Vereinigten Staaten als potentiellen Verbündeten ansprach, wurde vor der EVG als mutmaßlichem deutschem Herrschaftsinstrument gewarnt 43 . Die Sowjetunion begegnete diesen negativen Entwicklungen durch eine verstärkte »Friedens«-Propaganda. Sie sollte die Westeuropäer hinsichtlich der eigenen Absichten beruhigen und durch wohlterminierte Proteste die Ratifizierung der EVG sowie die Ausweitung der NATO-Mitgliedschaft aufhalten. In dem Versuch, die Bildung einer NATO-Südflanke zu verhindern, stellte sich Moskau gegen die Revision des Friedensvertrags mit Italien, die eine aktive Beteiligung in der Allianz ermöglicht hätte, wobei es Italien vergeblich dazu aufforderte, sich aus ihr zurückzuziehen. Die Sowjetunion meldete gegenüber der Türkei, nicht aber gegenüber Griechenland Protest gegen den beabsichtigen Beitritt zur NATO an. Ferner kündigte sie Widerstand gegen den Vorschlag an, einen Befehlsbereich Nahost einzurichten — ein am Ende erfolgloser Versuch der Briten, anstelle der Türken die Araber in die Allianz zu holen44. Gemäß der im Dezember 1951 von der NATO angenommenen strategischen Direktive MC 14/1 war im Zuge der Integration der Verteidigung von Nord- und Südeuropa vorgesehen, die NATO-Verteidigungslinie im Laufe von fünf Jahren 41 42 43 44

Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 37. Kugler, Commitment, S. 67. DIA, 1951, S. 3 3 1 - 3 4 1 . Ebd., S. 546 f.

II. Die Militarisierung des Kalten Krieges

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vom Rhein nach Osten zu verschieben. Drei Monate später traten Griechenland und die Türkei der Allianz bei. Nachdem die französische Nationalversammlung den Verhandlungen über die EVG grünes Licht erteilt hatte, wurde der Bundesrepublik auf der Londoner Außenministertagung für die Zukunft eine wichtige Rolle darin zugewiesen. Das Wichtigste aber war: Die Lissaboner NATO-Tagung im Februar 1952 befürwortete eine gewaltige Vergrößerung ihrer konventionellen Streitkräfte wie auch gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen NATO und EVG. Großbritannien erweiterte sein Engagement auf dem Kontinent durch die Zusage, seine Rheinarmee dort zu belassen45. In der Erkenntnis, daß die ehrgeizigen »Lissaboner Ziele« der NATO wirtschaftlich und politisch nicht machbar waren, wurden sie von der Sowjetunion nicht ernst genommen 46 . Die Vergrößerung ihrer eigenen Streitkräfte ging langsamer vonstatten als die auf NATO-Ebene, und zu Stalins Lebzeiten fand lediglich ein Manöver statt, und zwar 1951 als Übung für den Kampf unter atomaren Bedingungen 47 . Im Winter 1951/52 wurden die sowjetischen Militärausgaben erheblich reduziert, was ein Hinweis darauf war, daß Stalin die Bedrohung seines Landes eher als eine politische denn militärische sah48. Der russische Historiker Aleksej Filitov meint: »Am bemerkenswertesten an der Analyse der Deutschlandexperten im sowjetischen Außenministerium ist, daß die so wichtige Frage, wie die westliche Wiederbewaffnung verhindert werden kann, nahezu völlig unberücksichtigt bleibt. Die im sowjetischen Außenministerium angestellten Überlegungen konzentrierten sich darauf, wie diese Tatsache propagandistisch auszunutzen sei. Und selbst in diesem Bereich war sehr viel ziemlich Formales und Nonchalance, zuweilen bis an Geringschätzung grenzend, kennzeichnend für die Haltung«49. Die Gefahr, die Stalin in seinen theoretischen Ausführungen über die »Unvermeidbarkeit eines Krieges« beschwor, bezog sich auf einen eher drohenden, denn einen unmittelbar bevorstehenden Krieg — einen Krieg, der verschoben werden konnte, vielleicht auf unbestimmte Zeit, bis die ungeduldig erwartete »allgemeine Krise« des Kapitalismus den Feind weit genug geschwächt haben würde, um das entscheidende wichtige »Kräfteverhältnis« irreversibel zugunsten der Sowjetunion zu verschieben. Inzwischen mußten alle westlichen Hoffnungen, ihre Macht von innen zu untergraben, vereitelt werden. Vor diesem Hintergrund ist das gewaltige Ausmaß des von Stalin entfesselten Terrors, selbst um den Preis der Auslösung lähmender Angst, zu sehen, als die Vereinigten Staaten ihre »psychologische Kriegführung« Anfang 1951 intensivierten. Andererseits war Moskau über die Einzelheiten der amerikanischen Planung informiert, mitsamt der Kopien über die geheimen Frankfurter Briefings der amerikanischen Diplomaten aus Osteuropa und 4:1

47 4B 4'J

Kugler, Commitment, S. 6 0 - 6 2 . O b itogach lissabonskoj sessii Soveta Severo-atlanticeskogo Sojuza [Über die Ergebnisse der Lissaboner Tagung des Rates des Nordatlantischen Bündnisses), Α UV KSC, 100/24, 92/1093, SUA. Holloway, Stalin and the Bomb, S. 241 f. May, Steinbrunner/Wolfe, History, S. 272. Filitov, Soviet Security Concepts, S. 152.

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der Washingtoner Konferenz der westlichen Außenminister. Doch die Botschaft war zweideutig: Während der amerikanische Botschafter in Moskau, Admiral Alan G. Kirk, auf der Frankfurter Tagung die Wirksamkeit von Anstrengungen, die kommunistische Herrschaft zu zerrütten, bezweifelte, wies Acheson seine Kollegen warnend darauf hin, daß der Westen sich auf einen »allgemeinen Krieg« einstellen sollte50. Nach den Erfahrungen in Korea zu schließen, soll das sowjetische Militär seine Planung in der Annahme vorgenommen haben, daß die Vereinigten Staaten in solch einem Krieg keine Atomwaffen einsetzen würden51. Der in Warschauer Archiven aufbewahrte ungewöhnliche Plan von 1951 für die Verteidigung Polens in einem derartigen Krieg untermauert weder die damalige Sicht der NATO hinsichtlich Moskaus großer Aggressionsbereitschaft noch die eigene Wahrnehmung einer akuten, von der westlichen Politik ausgehenden Kriegsgefahr 52 . Der Plan ging von der Annahme aus, daß einige Tage nach Beginn der Feindseligkeiten ein begrenzter Einfall anglo-amerikanischer See- und Luftlandetruppen aus Westeuropa in das Land erfolgen — fälschlicherweise wurde unterstellt, daß man diese Truppen dort seit der Landung in der Normandie 1944 in Bereitschaft gehalten habe — und dieser dann zurückgeworfen werde, ohne daß es zu einer Folgeoffensive kommen sollte. Als bedrohlicher wurde in den damaligen kommunistischen Einschätzungen ein wahrscheinlicher Balkankrieg eingestuft. Danach würde die NATO im Falle eines Konflikts in Zentraleuropa gegen den mutmaßlich weichen »Unterleib« vorgehen 53 — Churchills kontroverse Idee aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Im Februar 1951 schockierten Falschmeldungen über die Präsenz amerikanischer und britischer Kampfflugzeuge auf jugoslawischen Flugplätzen den rumänischen Generalstab 54 . Die Bulgaren, ebenfalls in ständiger Sorge über einen jugoslawischen Angriff, bauten Verteidigungsanlagen und bildeten Truppen aus, um einen solchen Angriff zurückzuschlagen. Aus unbekannten Quellen erhielten sie die beunruhigende Information, daß die NATO im Falle eines sowjetischen Angriffs in Zentraleuropa einen Vergeltungsschlag auf dem Balkan führen würde, indem sie Jugo-

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53 54

Ο konferencijach amerikanskich predstavitelej ν stranach vostocnoj i zapadnoj Evropy i Bliznego Vostoka [Uber die Konferenzen der amerikanischen Vertreter in den Ländern Ost- und Westeuropas und des Nahen Ostens], undatierter Geheimdienstbericht, ALJV KSC, 100/24, 92/1093, 34/34, SUA, sowie Ob amerikanskoj propagande metodom »psichologiceskogo nastuplenija« [Über die US-Propaganda der »psychologischen Offensive«], Juli 1951, ALJV, KSC, 100/23, 92/1093, SÜA; US-Bericht über die Frankfurter Tagung, 2.2.1951, FRUS, 1951, IV/1, S. 1 4 8 - 1 7 0 ; Statement von Acheson, ebd., III/3, S. 1238-1240. Zubok, Stalin, S. 59. Plan operacyjny rozwini^cia 1 i 2 Armii Wojska Polskiego na wypad dzialan wojennych w 1951 r. [Operationsplan für die Entfaltung der 1. und 2. Polnischen Armee im Falle von Feindseligkeiten 1951], Microfilm (ο) 96/6398, reel W-15, LC. Baev, Izgrazdane, S. 65 - 77, und Baev, Voennopoliticeskite, S. 42, 126 f. Nota cu nevoile informative ale direcpei operafii referitoare la Jugoslavia [Bericht über eine Information für die Operationszentrale bezüglich Jugoslawien], Dos. 77, Nr. 59.093, Marele Stat Major, Direcfia Operapi, AMR.

II. Die Militarisierung des Kalten Krieges

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slawen, Griechen und Türken gegen sie loslassen würde55. Zu Unrecht unterstellte die Sowjetunion Titos Jugoslawien, im geheimen Einverständnis mit den Westmächten zu handeln 56 . Zu Recht aber blieb sie unbeeindruckt von dem wackligen Balkanpakt, der Belgrad mit den NATO-Mitgliedern Griechenland und der Türkei verband 57 . Wie auch immer Moskaus I'erzeptionen und Pläne aussahen, sie rechtfertigten kaum die seit 1951 hauptsächlich von amerikanischen und britischen Nachrichtenquellen zusammengetragenen Schreckenseinschätzungen über »die Stärke und die Fähigkeiten der Sowjets«58. Danach wurden der sowjetischen Armee 175 kampfbereite Divisionen mit der Fähigkeit zu übermenschlichen Taten zugeschrieben: massive Überraschungsangriffe, die gleichzeitig gegen Westeuropa und Skandinavien, die Britischen Inseln und den Balkan, Italien und die Türkei, den Nahen und Mittleren Osten, sogar gegen Kanada und die Vereinigten Staaten, insbesondere in Alaska und auf den Aleuten, geführt würden — und all dies unter Beibehaltung von genügend Reserven zur Verteidigung des Heimatgebiets 5a . Der NATO-Kräftevergleich fiel derart beunruhigend aus, daß von seiner beabsichtigten Veröffentlichung, durch die die Moral unter den Verbündeten gestärkt werden sollte, abgesehen wurde, damit diese nicht in Panik gerieten. Die westlichen Einschätzungen, die sich »primär auf militärische Erwägungen«^·11 stützten, waren verzerrter als die sowjetische Beurteilung des Kräfteverhältnisses, wobei andere Attribute der Macht stärker berücksichtigt wurden. Die von den alliierten Außenministern auf ihrer Washingtoner Tagung am 14. September 1951 getroffene Entscheidung, dem Besatzungsstatus der Bundesrepublik in naher Zukunft ein Ende zu setzen und das Land in die EVG zu integrieren 61 , veranlaßte Moskau, eine neue Initiative im Hinblick auf die deutsche Baev, Voennopoliticeskite, S. 42, 126 f. Einige von ihnen haben später ihre Überraschung geschildert, als sie während ihres Belgradbesuchs 1955 erfuhren, daß es dort keine NATO-Kräfte und keine in Jugoslawien stationierten amerikanischen Atomwaffen gegeben hatte. Bericht des Plenums des ZK der KPdSU vom Juli 1955, 2/1/172/86-108, RGANI, Kopie im NSA. 17 Studien von V. Zimianin über den Balkan-Zusammenschluß, ca. Oktober 1954, Sekr. Min. 13a/28/27/89-92, AVPRF; Iatrides, Balkan Triangle, S. 110-112. 38 Bericht der 87. Sitzung der Standing Group, 24.9.1951; M.C. 33, 23.11.1951; M.C. 44, 17.12.1952; SG 161, 16.10.1951, und die folgende SG 161/Reihe, IMS. 59 Einschätzung der relativen Stärke und Fähigkeiten der NATO und der sowjetischen Block-Kräfte gegenwärtig und in der unmittelbaren Zukunft, M.C. 33, 23.11.1951, IMS. Bezüglich der AlaskaLandungen zeigen Beweise aus der UdSSR an, daß diese in der Tat erwogen wurden - eher 1948 als 1951 - , was nur aufgrund der Unfähigkeit der in den sowjetischen Fernen Osten zur Ausbildung beförderten Truppen ausgeschlossen wurde, die nicht mit dem rauhen Klima fertig wurden. Kommersant, Moskau, 24.1.1968. Die Behauptungen des russischen Archivars V. Naumov, die dieser im September 1999 auf der Konferenz »Stalin und der Kalte Krieg, 1945-1952« in der Yale-Universität aufgestellt hatte, wonach massive Vorbereitungen für Militäraktionen gegen Nordamerika im sowjetischen Fernen Osten in den letzten Lebensjahren Stalins getroffen worden seien, wurden nicht durch Beweise belegt. Iatrides, Balkan, S. 121. 115 Hinterhoff, Disengagement, S. 164 f. " Memorandum von Dulles, 6.9.1953, FRUS, 1952-1954, II, S. 457 - 460. 117 Jensen, Den lange befrielse.

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ren. Für sie waren diese Konzessionen ein gewichtiger, gleichwohl immer noch nicht ausreichender Preis dafür" 8 . Sie zeigten sich unbeeindruckt von der von Churchill in seiner »Locarno«-Rede aufgeworfenen westlichen Debatte über Sicherheitsgarantien für die Sowjetunion. Sie ignorierten auch den von Bundeskanzler Adenauer während des Wahlkampfes verbreiteten Gedanken, wonach die EVG durch Beschränkung der Stärke der deutschen Streitmacht zur Gewährleistung der sowjetischen Sicherheit beitragen würde119. Im Herbst 1953 bediente sich Moskau der Verzögerungstaktik, indem es unakzeptable Forderungen für die Außenministerkonferenz stellte, die von der deutschen Vereinigung zu sowjetischen Bedingungen bis zur Beteiligung Chinas als fünften Teilnehmerstaat reichten120. Doch die Situation veränderte sich mit Adenauers überwältigendem Wahlsieg, der die Zweifel hinsichtlich einer Fortsetzung des Kurses in Richtung Wiederbewaffnung innerhalb der westlichen Allianz ausräumte. Deren Aussichten auf Einigkeit verbesserten sich als Folge des Beschlusses, den verschobenen Dreimächtegipfel Ende des Jahres auf den Bermudas abzuhalten. Ulbricht versuchte, die Konfrontation dadurch anzuheizen, daß er seinen Moskauer Mentoren vorschlug, gleich nach der bevorstehenden Bermuda-Konferenz der westlichen Führer mit dem Treffen prosowjetischer Parlamentarier und weiterer Persönlichkeiten aus Ost und West zu reagieren. Dadurch lasse sich der öffentliche Widerstand gegen die EVG und gegen die politische Integration Westeuropas mobilisieren und gleichzeitig der sowjetische deutschlandpolitische Vorschlag fördern 121 . Doch der Kreml zog statt dessen vor, das Steuer herumzuwerfen. Am 26. November stimmte er der Außenministerkonferenz vorbehaltlos zu122. Parallel dazu versuchte die Sowjetunion, die Vorbereitungen für die Konferenz zu steuern, um ihre eigenen Prioritäten geltend zu machen. Sie lehnte die westliche Tagesordnung ab, in der vornehmlich die Organisation von freien deutschen Wahlen und die Bildung einer freien gesamtdeutschen Regierung aufgeführt waren. Sie bestand darauf, daß die Minister ohne eine im voraus abgesprochene Tagesordnung zusammenkamen. Dies sah für Adenauer wie eine »stillschweigende Tagesordnung aus [...] die die europäische Sicherheit vor die Lösung des deutschen Problems stellte«121. Als die EVG ins Stocken geriet, hat die Aussicht auf ihr Scheitern — das der NATO einen möglicherweise vernichtenden Schlag versetzen konnte — es den sowjetischen Führern ermöglicht, der für Januar 1954 in Berlin angesetzten Konferenz mit größerem Vertrauen in ihre Fähigkeit entgegenzusehen, dem Westen die Zustimmung zu einem Umbau der europäischen Sicherheitslandschaft nach sowjetischen Vorstellungen abzuringen.

IIK Zubok, Soviet Intelligence, S. 23. >" Young, Winston Churchül, S. 200. Auszug aus der sowjetischen Note v o m 11.11.1953, in: DIA, 1953, S. 1 0 0 - 106. 121 Ulbricht an ZK der KPdSU, 17.11.1953, ZPA J IV 2/202-332, S A P M O - B A . Auszug aus der sowjetischen Note v o m 26.11.1953, in: DIA, 1953, S. 10 7 . !- 3 Conant an Department of State, FRL'S, 1 9 5 2 - 1954, YII/1, S. 682.

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4. Militärisches Denken der Übergangszeit Ungeachtet der wachsenden Zahl nuklearer Waffen hatte sich die sowjetische Militärdoktrin zu Stalins Lebzeiten nicht substantiell verändert. Vor dem Hintergrund der während des Zweiten Weltkriegs gewonnenen Erfahrungen, ging sie davon aus, daß sich der nächste Krieg in seiner Destruktivität nur wenig von dem vorausgegangenen unterscheiden würde. Selbst nachdem die Sowjetunion seit 1949 ihre eigene Atombombe besaß und die NATO im Frühjahr 1952 mit der Einführung amerikanischer taktischer Atomwaffen in Europa begonnen hatte, blieb das sowjetische militärische Denken Stalins banaler Doktrin der »permanent wirkenden Faktoren« verhaftet, nach der Zahl, Ausrüstung und Moral der Truppen, die Qualität ihrer Führung und die Standhaftigkeit der »Heimatfront« den Ausgang eines Krieges bestimmten. Die Doktrin spiegelte Stalins Vertrauen auf die gewaltigen menschlichen und materiellen Ressourcen wider, die von dem totalitären Regierungssystem, das dem Diktator zur Verfügung stand, gelenkt wurden. In einem privaten Gespräch mit dem italienischen sozialistischen Politiker Pietro Nenni zweifelte Stalin zu Recht die Fähigkeit des Westens an, das sowjetische Territorium tatsächlich besetzen zu können. Ungeachtet des öffentlichen Geschreis, das Moskau über die westlichen Kriegshetzer anstimmte, stellte er insbesondere die Fähigkeit Amerikas in Frage, die zur Führung eines weiteren Weltkriegs erforderlichen Millionen von Soldaten zur Verfügung zu haben124. Die sowjetische Planung konzentrierte sich daher auf eine Verteidigung gegen Atombomben, die die USA, wie Stalin wußte, im Falle eines Krieges einzusetzen bereit waren. Die sowjetischen Pläne sahen Schläge vorwiegend gegen die europäischen Stützpunkte vor, wo die Bomber aller Wahrscheinlichkeit nach stationiert werden sollten, sowie gegen weitere Ziele in den NATO-Ländern, die für die Führung militärischer Operationen von ausschlaggebender Bedeutung sein würden. Anfang der 1950er Jahre hatte sich die Sowjetunion eine Langstreckenflotte von ca. 1700 Flugzeugen zugelegt, von denen zwei Drittel gegen Westeuropa eingesetzt werden sollten125. Obwohl Stalin seine Ingenieure zur Entwicklung von Flugzeugen und Raketen antrieb, welche die Vereinigten Staaten glaubwürdig bedrohen konnten, hat er diese Waffen nie als kriegsentscheidend betrachtet. Er setzte statt dessen auf die konventionelle Bedrohung, die die sowjetische Armee für Westeuropa darstellte. Und Moskaus konventionelle Überlegenheit blieb immens, ungeachtet des Anwachsens von NATO und EVG während des Korea-Krieges — ein hinlänglicher Grund für die Sowjetunion, ihre Militärmacht langsamer auszubauen, als dies der Westen tat. Ein beschleunigter Ausbau wäre zudem auch überflüssig gewesen, nachdem sich klar herausgestellt hatte, daß die ehrgeizigen »Lissaboner Ziele« der NATO 124 125

Eintragung vom 17.7.1952, in: Nenni, Tempo, S. 537. Holloway, Stalin and the Bomb, S. 243 - 245.

II. Die Militarisierung des Kalten Krieges

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vom Februar 1952 nicht zu verwirklichen waren. Ein Jahr darauf reduzierte der Nordatlantikrat auf seiner Pariser Tagung vom April 1953 diese Ziele erheblich, unbeschadet seiner Warnung, daß auch nach Stalins Tod die sowjetische Bedrohung für die westliche Sicherheit unverändert bestehen blieb126. Außerdem hielten sich weiterhin Zweifel, ob selbst die reduzierten Ziele erreichbar waren, weil die westliche Öffentlichkeit es ablehnte, das wirtschaftliche Wachstum für etwas zu opfern, das sie als stark verminderte Bedrohung wahrnahm. Entsprechend senkte die Sowjetunion innerhalb eines Jahres nach Stalins Tod ihre hohen Militärausgaben und baute ihre überdimensionierten Streitkräfte ab, auch wenn sie diese Aktionen weder ankündigte noch sich dadurch ihr militärischer Zustand substantiell änderte127. Die mit der Einführung des »neuen Kurses« im Juni 1953 in Osteuropa einhergehende Reduzierung spiegelte die erhöhte Aufmerksamkeit wider, die die neue Führung den drängenden internen Problemen widmete, insbesondere der Konsolidierung der durch das unrentable stalinistische System belasteten Wirtschaft 128 . In der Tschechoslowakei beispielsweise wurde der unter Stalin begonnene Truppenausbau verlangsamt; 1954 wurden die Militärinvestitionen des Landes um ein Drittel und die Produktion von Rüstungsgütern um 16,5 Prozent reduziert. Obwohl die im Januar 1953 in Washington an die Macht gekommene republikanische Regierung schon lange ihre Absicht kundgetan hatte, sie wolle für die Verteidigung Westeuropas hauptsächlich auf Atomwaffen setzen, zog die Sowjetunion daraus nicht sofort die notwendigen Schlüsse. Erst nachdem der erfolgreiche Test ihrer eigenen Wasserstoffbombe am 12. August 1953 die furchteinflößende Wirkung dieser Waffe wie auch die sowjetische Fähigkeit zu ihrer Herstellung vor Augen geführt hatte, ging Moskau daran, sich auf die bevorstehende Veränderung der NATO-Strategie einzustellen. Im Oktober trafen die ersten amerikanischen Atom-Artilleriegeschütze in Europa ein, und im gleichen Monat führte die sowjetische Armee unter der Leitung hochrangiger Generäle in den Karpaten ihre erste Gefechtsübung mit dem Ziel durch, »Methoden der Gefechtsführung zu testen, in denen der >Feind< Atomwaffen einsetzt«129. Die Hauptsorge der Sowjets galt weiterhin mehr der Verteidigung gegen Atomwaffen als deren Einführung bei der Truppe. Im September 1953 jedoch setzte ein Aufsatz von General Talenskij in der als Verschlußsache eingestuften Militärzeitschrift Voennaja mysl' eine Diskussion darüber in Gang, ob und welche Bedeutung Atomwaffen in der Kriegführung hätten. Neben viel marxistischleninistischem Gerede über die Anwendbarkeit von »Gesetzen der Militärwissenschaft« wurde der stalinistischen Vorstellung widersprochen, wonach der nächste Krieg eine Wiederholung des Zweiten Weltkrieges sein würde. Statt dessen wurde

12(1 127 128 129

Young, Winston Churchill, S. 155; Spencer, Alliance Perception, S. 17. Evangelista, Whv Keep, S. 4. Pioro, W kleszczach, S. 150. Hollowav, Stalin and the Bomb, S. 325; Krasnoznamennyj, S. 118.

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argumentiert, daß Fortschritte auf dem Gebiet der Waffentechnik eine entscheidende Niederlage des Feindes in kurzer Zeit möglich machen würden130. Bei der im Westen aufmerksam verfolgten Debatte ging es um die Notwendigkeit, den Gegner von einem Überraschungsangriff abzuhalten, der unter atomaren Bedingungen zu einem schnellen Sieg fuhren konnte. Das Thema schien einigen westlichen Beobachtern revolutionär 131 , obwohl seine Diskussion nur im sowjetischen Kontext revolutionär war, während es der erklärten Absicht der NATO entsprach, »einen sofortigen, uneingeschränkten Angriff gegen die sowjetische Luft- und atomare Bedrohung« zu führen, bevor diese konkrete Form annehmen konnte — eine Strategie, die sich vom Präventivschlag nicht unterschied132. Die Frage gewann zunehmend an Aktualität, als sich die NATO dazu entschloß, ihren Mangel an konventionellen Streitkräften und den Unwillen ihrer Mitglieder, deren Ausbau zu finanzieren, durch Atomwaffen auszugleichen. Am 12. Januar 1954 gab Dulles öffentlich die Einführung der Strategie der massiven Vergeltung bekannt, wobei er feierlich erklärte, Amerika werde jedweder sowjetischen Aggression mit dem massiven Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel, Atomwaffen eingeschlossen, begegnen133. In der Theorie hieß dies, daß der Einsatz von Atomwaffen im Falle eines sowjetischen Angriffs auf Westeuropa, der in früheren Eventualfallplänen als letztes Mittel gegolten hatte, nunmehr zum Kernstück der NATO-Strategie wurde mit dem Ziel der totalen Zerstörung der gegnerischen Ziele134. In der Praxis jedoch hieß dies, daß beide Seiten damit fertig werden mußten, daß sie über Atomwaffen mit wachsender Zerstörungskraft verfügten und nicht wußten, wie sie damit umgehen sollten. Da die Sowjets mutmaßlich keine Vorbereitungen für einen Angriff trafen, sahen sie eine Reaktion auf die Veränderung in der westlichen Strategie nicht als dringlich an. Gleichwohl konnte die Anpassung ihrer militärischen Planung an die Veränderung in dem von der NATO bestimmten strategischen Umfeld, insbesondere an die gewachsene Verwundbarkeit einer massiven Truppenkonzentration im Falle eines Krieges, die einen so großen Stellenwert in ihrer Strategie einnahm, nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden 135 . Darüber hinaus nervte die fordaufende Sondierung ihrer Luftverteidigungsfähigkeiten durch die in ihren Luftraum eingedrungenen amerikanischen Aufklärungsflugzeuge. Ein sowjetischer Kampfpilot zum Beispiel beschrieb rückblickend, wie er am 9. Mai 1954 verzweifelt und erfolglos versucht hatte, eine eingedrungene NATO-RB-47-Maschine abzufangen, die von Moskau als Aufklärungsvariante eines nuklearfähigen Flugzeugs angesehen worden war136. Schließlich entwickelte die Sowjetunion zusätzlich 130 131 132

133 134 135 136

Garthoff, Soviet Strategy, S. 6 6 - 6 9 . Dinerstein, Revolution. Report by the Standing Group to the Military Committee on the Capabilities, Study Allied Command Europe 1957, M.C. 49, 18.11.1954, IMS. Dulles Rede vom 12.1.1954, in: American Defense Policy, S. 3 2 6 - 330. Kugler, Commitment, S. 80. Hines, Petersen/Trulock III, Soviet Military Thought, S. 120. Dudin/Kosenko, Zaplanirovannaja, S. 17 f.

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zu den strategischen Langstreckenbombern ihre eigenen taktischen Nuklearwaffen, die sie ab 1954 bei ihren Truppen in Europa einführte137. Für die sowjetischen Planer waren sowohl strategische wie Nuklearwaffen hauptsächlich zur Unterstützung von Bodentruppen gedacht und weniger als Instrument für einen massiven Atomschlag 138 . Auf amerikanischer wie auch auf sowjetischer Seite begünstigte die schleichende Nuklearisierung eine potentiell gefährliche Aufspaltung zwischen militärischer Planung und politischer Führung. Die an der Debatte in der Zeitschrift Voennaja mysl' Beteiligten wiesen auf die Notwendigkeit hin, spezifische militärische Fragen von den größeren Fragen von Krieg und Frieden zu trennen139. Nachdenkliche, am sowjetischen Nuklearprogramm arbeitende Menschen wurden sich des Dilemmas bewußt zwischen dem Wunsch, die todbringenden Waffen zu besitzen, und der Abneigung, sie einzusetzen. Sie fanden es verständlicherweise schwierig, eine Lösung zu finden. Im März 1954 wurde die Sowjetführung von Igor Kurcatov und mehreren anderen Spitzenfachleuten des Nuklearsektors in einem geheimen Bericht davor gewarnt, daß die Waffen, die sie gerade entwickelten, die menschliche Zivilisation mit dem Untergang bedrohen könnten14". Am 12. März wich Malenkov in einer öffentlichen Rede von der nonchalanten stalinistischen Sichtweise ab, wonach solche Waffen »etwas seien, um Menschen mit schwachen Nerven zu schrekken«141. Er beschrieb den Atomkrieg als eine um jeden Preis zu verhindernde furchtbare Katastrophe — eine Auffassung, die im Gegensatz zu der immer noch vorherrschenden sowjetischen Position stand, nach der ein derartiger Krieg den Kapitalismus vernichten, dem Kommunismus aber zur Macht verhelfen würde142. Symptomatisch für das Widerstreben der weniger scharfsichtigen Männer im Kreml, sich den nuklearen Realitäten zu stellen, war, daß sie Kuicatovs Gedanken nicht öffentlich werden ließen und Malenkov durch seine erneute Beteuerung, wie notwendig eine starke Verteidigung gegen eine atomare Erpressung sei, zum Widerruf zwangen 143 . Derweil konzentrierte sich die Debatte unter den Berufsmilitärs in der Zeitschrift Voennaja mysl' auf die beunruhigende Frage eines Präventivschlags. Aber ein dafür grundlegender Aufsatz von Marschall Pavel A. Rotmistrov, der die potentiell entscheidende Bedeutung des Überraschungsmoments in der Kriegführung postulierte, durfte nicht erscheinen144. Am 14. September 1954 ließ das sowjetische Oberkommando in Anwesenheit hochrangiger Offiziere aus osteuropäischen Ländern und China im Ural eine Atombombe detonieren, um die Fähigkeit seiner Truppen zu testen, in einem nuklearen Umfeld in den Kampf einzugreifen, und setzte damit Hunderte von 1.7 1.8 lw 140 141 142 141 144

Evangelista, Innovation, S. 178. Zisk, Engaging the Enemy, S. 63. Garthoff, Soviet Strategy, S. 6 6 - 6 9 . Smirnov/Zubok, Nuclear Weapons. Antwort auf Fragen von A. Werth, 17.9.1946, At. in: Hollowav, Stalin and the Bomb, S. 1 7 1. Izvestija v o m 13.3.1954. Richter, Khrushchev's Double Bind, S. 48 f. Garthoff, Deterrence, S. 24.

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Soldaten radioaktivem Niederschlag aus145. Die Aussicht, daß jeder Krieg in Europa wahrscheinlich ein atomarer sein würde, wurde bald durch die Entscheidung der NATO im Dezember bestätigt, ihren Mitgliedern Atomsprengkörper mit niedrigem Detonationswert zur Verfügung zu stellen und die Luftstreitmacht des Bündnisses um ein Drittel zu erhöhen. Gleichzeitig wurde die Anzahl der für Zentraleuropa vorgesehenen Heeresdivisionen von 54 auf 30 reduziert146. Die Sowjetunion besaß sowohl leichte wie mittlere Bomber, die geeignet waren, Atombomben auf westeuropäische Ziele abzuwerfen, als auch ein Luftverteidigungssystem, das mit solchen Bomben bestückte amerikanische Flugzeuge daran hindern konnte, in ihr Territorium einzudringen147. Im Januar 1955 berief Marschall Zukov hochrangige Offiziere ein, um das Ergebnis der Debatte zu diskutieren, wie die sowjetische Militärdoktrin an die veränderten strategischen Rahmenbedingungen anzupassen sei148. Wie er später gegenüber dem US-Botschafter Bohlen ausführte, hielt er die Wasserstoffbombe für zerstörerischer, als dies die Parteilinie zuließ149. Mittlerweile konfrontierte die überraschende Wende in der Entwicklung von EVG und NATO, die mit einer Spaltung innerhalb der Kremlführung einherging, Moskau mit einer neuen Sicherheitslage.

5. Von der EVG zu den Pariser Verträgen Als die Außenministerkonferenz am 25. Januar 1954 in Berlin zusammentrat, hatten die Sowjets Grund zu der Besorgnis, daß die EVG, wenn sie erst etabliert war, von der Bundesrepublik dominiert werde. Denn weder die Vereinigten Staaten noch Großbritannien gehörten der Organisation an, und Frankreich war schwach. Es zeichnete sich aber auch klar die Möglichkeit ab, daß das Vorhaben niemals zustandekam, und zwar aufgrund der französischen Opposition und der schwachen Unterstützung von selten der anderen angehenden europäischen EVGMitglieder, die auf die sowjetische Gefahr allmählich immer entspannter reagierten. Wenn der EVG-Vertrag nicht ratifiziert wurde, konnte sich darüber hinaus das »schmerzliche Überdenken« des amerikanischen Engagements für Europas Verteidigung, mit der Dulles gedroht hatte15", zugunsten Moskaus auswirken. Auch wenn es unklug war, sich auf eine derartige Entwicklung zu verlassen, handelte Molotov in Berlin so, als hielte er die Differenzen unter den westlichen Verbündeten für derart gravierend, daß der Versuch, die EVG zu verhindern, auch ohne substantielle sowjetische Anreize erfolgen könne. Er hatte keinen neuen Vorschlag zur deutschen Frage im Gepäck, sondern wiederholte die von Moskau Holloway, Stalin and the Bomb, S. 3 2 6 - 328. 146 Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 44. 147 Kugler, Commitment, S. 69. Garthoff, Soviet Strategy, S. 67 - 69. Hayter an Foreign Office, Tel. Nr. 569, NS 1242/156, FO 371/116 742, PRO. 15» Dulles an Nordatlantikrat, 14.12.1953, FRUS, 1952- 1954, V, S. 463.

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in den vergangenen zwei Jahren verfolgten Themen — mit einer einzigen Ausnahme: Er schlug vor, daß eine zukünftige gesamtdeutsche Regierung durch keinerlei von ihren Vorgängern im Westen bzw. im Osten geschlossenen Verträge gebunden sein sollte151. Damit sollte insbesondere der EVG-Vertrag eliminiert werden, dessen Gültigkeitsdauer von 50 Jahren nach Auffassung Molotovs die hypothetische Entscheidungsfreiheit eines vereinigten Deutschlands einschränkte152. Molotov stellte sich in einem Gespräch mit Dulles am 6. Februar taub gegenüber dessen Hinweis, daß sich die Sowjetunion sicherer fühlen müsse, wenn Westdeutschland in der EVG statt in der NATO wäre, da die EVG die Stärke der nationalen Streitkräfte ihrer Mitglieder effektiver beschränken würde151. Der sowjetische Außenminister reagierte auch nicht auf die Erklärung seines amerikanischen Amtskollegen, daß die Vereinigten Staaten bei einem NichtZustandekommen der EVG den westdeutschen Beitritt zur NATO unterstützen würden. Er ignorierte beide Optionen und legte der Konferenz vier Tage später einen derart absurden Vorschlag für ein europäisches kollektives Sicherheitsabkommen vor, daß die westlichen Vertreter »laut auflachten« 154 . Dieser Vorschlag lief darauf hinaus, daß die europäischen Staaten einen auf 50 Jahre angelegten Vertrag unterzeichneten, der nicht nur die Sowjetunion als Ganzes einschloß, sondern auch — wie aus Molotovs Aufzählung der 32 zukünftigen Signatarstaaten hervorging — ihre angeblich souveränen zugehörigen »Republiken«. Dagegen sollte den Vereinigten Staaten lediglich ein mit China zu teilender Beobachterstatus zugestanden werden. Während der Vertrag allen europäischen Staaten offenstehen sollte — was aus Moskauer Sicht bei EVG und NATO nicht zutraf - , sollte er ihre anderen vertraglichen Verpflichtungen nicht beeinträchtigen, mit Ausnahme jener, die gegen seinen Geist verstießen — wie dies in sowjetischen Augen bei der NATO der Fall war155. Der amerikanische Präsidentenberater Jackson war überrascht, daß sich Molotov eine recht günstige Gelegenheit entgehen ließ. Er hätte einräumen können, daß er mit der NATO, aber nicht mit der EVG leben könne. Denn damit hätte er ohne Zweifel die EVG mit den Franzosen und Deutschen torpediert. Statt dessen wählte er die extremste Position überhaupt, indem er forderte, der Plan zur Gründung der EVG müsse aufgegeben und die NATO aufgelöst werden; die USA sollten im Hinblick auf die europäischen Angelegenheiten lediglich Beobachterstatus erhalten, und alle möglichen regionalen Verteidigungsbündnisse müßten verboten werden156. Molotovs Vorschlag wurde auch nicht akzeptabler dadurch, daß er vier Tage später hervorhob, ihn lediglich

Sowjetische Vorschläge zur deutschen Frage, 10.2.1954, in: DIA, 1954, S. 77. US-Delegation auf der Berlin-Konferenz an Secretary of State, 2.2.1954, FRUS, 1952-1954, VII/1,S. 9 4 8 - 9 5 0 , S. 950. 153 Memorandum über ein Gespräch zwischen Dulles und Molotov, 6.2.1954, ebd., S. 984-988. 1SJ C.D.Jackson an M. McCrum, 10.2.1954, ebd., S. 1032 f. i " Siehe DIA, 1954, S. 3 7 - 3 9 . 156 C.D. Jackson, Post-Berlin Thoughts on the Current Soviet Psyche, 22.2.1954, FRUS, 1952- 1954, VII/1,S. 1215-1220, S. 1218. 151

152

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als »direkte Alternative zur EVG« und nicht als Versuch zur Abschaffung der NATO gemeint zu haben157. Der Sache näher kam der sowjetische Außenminister, als er deutlich zu verstehen gab, daß seine Regierung dazu beitragen könnte, den Indochina-Krieg zu beenden, wenn sich nur Frankreich gegen die EVG stellen würde158. Alles, was Molotov bis zum 15. Februar zugestanden hatte, lief auf die Bereitschaft hinaus, über eine Aufwertung der Beteiligung der USA und Kanadas an dem von ihm vorgeschlagenen Sicherheitspakt als Vollmitglieder, anstatt als Beobachter zu diskutieren159. Er reflektierte über die vermeintliche Ähnlichkeit der NATO mit dem Antikominternpakt, der aus seiner Sicht den Zweiten Weltkrieg herbeigeführt hatte"50. Angesichts dieser Haltung waren die intensiven Bemühungen des britischen Außenministers Anthony Eden, Molotov in privaten Gesprächen von dem absolut defensiven Zweck der NATO zu überzeugen, reine Zeitverschwendung? 61 . In einer geheimen Rede vor dem ZK der KPdSU am 2. März 1954 gab Molotov seiner Uberzeugung Ausdruck, daß die NATO scheitern würde, und zwar aufgrund des von der westlichen öffentlichen Meinung ausgeübten Drucks nach einer Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion 162 . Weniger optimistisch war er aber im Hinblick auf das zu erwartende Ergebnis der Berliner Konferenz, und er hatte auch nichts anzubieten, was eine geeignete Basis für eine Diskussion mit dem Westen hätte abgeben können. Statt dessen ließ er seine Mitarbeiter einen Vorschlag für eine »gesamteuropäische Sicherheitskonferenz« ausarbeiten, der die Ratifizierung der EVG vereiteln sollte, indem insbesondere an deren Gegner in der französischen Nationalversammlung appelliert wurde163. Dem ergebnislosen Ende der Konferenz folgte von sowjetischer Seite am 31. März 1954 der bizarre Vorschlag, der NATO einen »wirklich defensiven Charakter« zu geben und über einen Beitritt der Sowjetunion zusammen mit ihren osteuropäischen Satellitenstaaten zum Bündnis zu diskutieren164. Diese Idee wurde am 27. Juli erneut vorgebracht 165 . Gegen geschlossene Staatenbündnisse wetternd, forderte Moskau nachdrücklich dazu auf, eine Konferenz einzuberufen, diesmal unter Einbeziehung der Vereinigten Staaten, um einen europäischen kollektiven Sicherheitspakt auszuarbeiten. Jedoch das sowjetische Beharren auf einer Beteiligung Chinas als Beobachter und die zusätzliche Forderung, daß der Vertrag die Resümee der Sitzung vom 15./16.2.1954, in: ebd., S. 1122. 158 Memorandum über die Unterredung des Assistant Secretary of State for European Affairs, 29.1.1954, in: ebd., S. 833 f. 159 Resümee der Sitzung vom 15./16.2.1954, in: ebd., S. 1122. km Soviet Union and the Safeguarding of European Security, 10.2.1954, in: Molotov, Statements, S. 94 f. 161 Eden, Anthony, The Memoirs. 162 Molotovs Rede auf der Sitzung des Plenums des ZK der KPdSU vom 2.3.1954, 2/1/87, RGANI, Kopie im NSA. 163 Empfohlene Maßnahmen in Verbindung mit dem bevorstehenden Vorschlag für eine gesamteuropäische Sicherheitskonferenz, 06/13/9/2/1-1, AVPRF. Sowjetische Note vom 31.3.1954, in: DIA, 1954, S. 3 9 - 4 3 . 165 Sowjetische Note vom 24.7.1954, in: ebd., S. 4 6 - 5 1 . 157

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wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern und so die westlichen Handelsbeschränkungen gegenüber dem kommunistischen Block abschaffen solle, war kaum geeignet, den Eindruck eines ernst gemeinten Vorschlags zu vermitteln. Zwei Wochen darauf ersetzte ihn die sowjetische Regierung durch die neue Idee, die Vorbereitung der Konferenz einem anderen Außenministertreffen zu überlassen — und zwar für den Zeitraum August/September, in dem die entscheidende Abstimmung über eine Ratifizierung der EVG in Frankreich erwartet wurde166. Die Ablehnung der EVG durch die Pariser Nationalversammlung am 30. August 1954 konnte kaum auf irgendeine Finesse in der Kampagne zurückgeführt werden, die von Moskau geführt worden war, um das Vorhaben zu verhindern. Gleichwohl pries die Sowjetunion die Franzosen für ihre »zutiefst patriotische Handlung« und feierte den Premierminister Pierre Mendes France als Helden167. Sie wiederholte den Vorschlag für ein europäisches kollektives Sicherheitssystem, das militärische Gruppierungen ersetzen würde, die genauso gut geeignet seien, »Frankreichs Bestimmung als Großmacht« zu bewahren, anstatt es auf einen »zweitrangigen Status innerhalb der NATO« zu reduzieren. Mit der Warnung, daß der Kampf noch nicht gewonnen sei, wurden die Franzosen in der Erklärung ermahnt, sich von keinerlei Versuch »verleiten« zu lassen, Deutschland durch eine Mitgliedschaft in der NATO zu remilitarisieren168. Der Rückschlag für die westliche Einheit war derart gravierend, daß es Moskau nicht für notwendig hielt, der möglichen Remilitarisierung der Deutschen mit einer energischen Kampagne zu begegnen, bis diese Alternative plötzlich aktuell wurde. Denn genau sie war auf der Londoner Konferenz der NATO-Vertreter Anfang Oktober prompt gebilligt worden. Zudem zeichnete sich ihre baldige Umsetzung als Ergebnis der Vereinbarungen ab, die gegen Ende des Monats in Paris paraphiert werden sollten. Erst am Tag der Unterzeichnung der Vereinbarungen, am 23. Oktober 1954, unternahm Moskau den Versuch, sie zu unterminieren, indem es seinen Vorschlag wiederholte, ein Außenministertreffen zur Vorbereitung einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz durchzuführen 169 . Drei Tage später beschwor ein Leitartikel in dem Zentralorgan der SED, dem Neuen Deutschland, die quälende Aussicht auf eine Vereinigung Deutschlands und den Abzug aller ausländischen Truppen »noch vor Weihnachten«17". Vom Westen kam keine Antwort, als die seit ihrer Gründung wichtigste Erweiterung der NATO in Kraft trat. Die Bestimmungen der Pariser Verträge, an denen sich Moskau stieß, beinhalteten mehr als die Wiederherstellung der Souveränität der Bundesrepublik und deren NATO-Beitritt. Im Gegenzug für den deutschen militärischen Beitrag sagte das Bündnis ebenfalls zu, seine Verteidigungslinie weiter nach Osten auszuweiten und Bonns Wiedervereinigungspolitik zu unter'«' Department of State Bulletin, 20.9.1954, S. 402. 167 Roubinski, Pierre Mendes France. 16K Erklärung des sowjetischen Außenministeriums v o m 9.9.1954, in: DIA, 1954, S. 5 1 - 5 5 . ">'' Sowjetische Note v o m 23.10.1954, in: ebd., S. 9 6 - 101. 1711 Noack, Das Scheitern, S. 140 f.

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stützen. Außerdem verpflichteten sich die USA formell dazu, ihren NATOVerbündeten atomaren Schutz zu geben und auf unbestimmte Zeit beträchtliche Truppenkontingente auf dem Kontinent zu unterhalten. Moskau war zu Recht von der unheimlichen Eile überrascht, mit der es das westliche Bündnis geschafft hatte, seine Krise zu überwinden und einen für die sowjetischen Interessen potentiell sogar nachteiligeren Ersatz für die EVG auszudenken sowie ein Datum zu setzen — den 5. Mai 1955 —, an dem die westdeutsche Integration in die NATO ihren Abschluß finden sollte. Konfrontiert mit dem Zeitplan waren die Kremlführer sich anscheinend uneinig darüber, wie am besten zu verfahren sei. Malenkov schlug am 8. November gegenüber Bohlen und dessen britischen Amtskollegen William Hayter konziliante Töne an, als er den sowjetischen Wunsch nach guten Beziehungen zum Westen beteuerte171. Eine sowjetische Reaktion auf die Pariser Verträge vom 23. Oktober, die den Zeitplan für den westdeutschen NATO-Beitritt festgelegt und als Zieldatum den 5. Mai 1955 angesetzt hatten, folgte aber dennoch und bekräftigte gewissermaßen die wohlbekannte Molotovsche Linie. Am Tag der Unterzeichnung der Vereinbarungen wiederholte Molotov seinen Vorschlag für eine gesamteuropäische Sicherheitskonferenz, indem er dazu aufrief, zu ihrer Vorbereitung ein Treffen der ViermächteAußenminister durchzuführen 172 . Als der Westen den Vorschlag ignorierte, drohte die sowjetische Regierung, die Konferenz auf jeden Fall einzuberufen, was sie in der Folge auch am 29. November in Moskau tat, wobei lediglich seine eigenen Verbündeten teilnahmen 173 . Auf der Rumpfversammlung ließ sich der tschechoslowakische Premier Viliam Siroky über die Notwendigkeit von speziellen Sicherheitsvorkehrungen zwischen seinem Land, Polen und der DDR als den durch die jüngsten Entwicklungen im Westen wahrscheinlich am meisten unmittelbar bedrohten Ländern aus174. Abgesehen davon, daß die Konferenzteilnehmer organisatorische und andere Maßnahmen zum Ausbau ihrer Verteidigung anvisierten, erklärten sie, daß, wenn die Bundesrepublik ihre eigenen Streitkräfte etabliere, die DDR das Gleiche tun müsse175. Der Versammlung folgte einen Monat später eine Zusammenkunft von Parlamentariern aus den drei Ländern des »nördlichen Dreiecks« in Prag, auf der am 30. Dezember 1954 vergeblich in letzter Minute ein Appell an die französische Nationalversammlung erging, von der Ratifizierung der Pariser Verträge Abstand zu nehmen 176 . Es mag schwierig anmuten, Moskaus Absicht, deutsche Streitkräfte ins Leben zu rufen, mit seiner allgegenwärtigen Angst vor dem deutschen Militarismus in Einklang zu bringen. Indes hatten die sowjetischen Behörden 1952 bereits eine größtenteils aus repatriierten Kriegsgefangenen, die während ihrer Gefangenschaft Bohlen, Witness to History, S. 369 f.; Hayter, Double Life, S. 114. ' 7 2 Note der sowjetischen Regierung vom 23.10.1954, in: DIA, 1954, S. 9 6 - 101. 173 Note der sowjetischen Regierung vom 13.11.1954, in: ebd., S. 5 8 - 6 1 . 174 Rede von Siroky, A 14631, MfAA, PAAA. i " Erklärung vom 2.12.1954, in: DIA, 1954, S. 6 4 - 70. 176 Ihme-Tuchel, Das »nördliche Dreieck«, S. 6 4 - 68. 171

II. Die Militarisierung des Kalten Krieges

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mit Erfolg indoktriniert worden waren, zusammengesetzte beträchtliche Streitmacht in Form einer militarisierten Polizei (KVP) geschaffen, der man allerdings nicht genug traute, um sie auch für Kampfeinsätze zu organisieren177. Erst die sich anbahnende westdeutsche Aufrüstung machte es Moskau aus politischen wie Prestigegründen nahezu unmöglich, sich so zu verhalten, als traute es »seinen« Deutschen nicht in der Weise, wie es die Westmächte im Hinblick auf »ihre« Deutschen taten. Darüber hinaus brauchten die ostdeutschen Kommunisten dringend eine richtige Armee, um ihrem Staat zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen178. Die Notwendigkeit, einen geeigneten institutionellen Rahmen für eine solche Armee zu finden, verstärkte den Druck auf die sowjetische Führung, sich über die deutsche Frage schlüssig zu werden, während der von den Pariser Verträgen ausgelöste Countdown lief. Auf der geheimen Versammlung des Plenums des ZK der KPdSU im Januar 1955 wurde Malenkov für seinen bis 1953 währenden engen Kontakt zu dem in Ungnade gefallenen Berija kritisiert, der sich für ein neutrales vereinigtes Deutschland anstatt für die Bewahrung eines kommunistischen Regimes in seinem östlichen Teil ausgesprochen hatte179. Bei den späteren taktischen Schachzügen, durch welche die westdeutsche Wiederbewaffnung vereitelt werden sollte, brachte Moskau eine solch ketzerische Idee nicht zur Sprache, auch wenn die von sowjetischer Seite geförderte Konferenz ausgesuchter Parlamentarier und anderer Personen des öffentlichen Lebens über die deutsche Frage im Februar 1955 in Warschau einer Wiederbelebung dieser Idee beängstigend nahe kam. Die Konferenz verabschiedete eine Resolution. In ihr wurde nicht nur der unlängst vom britischen Premierminister Anthony Eden verkündete Plan, international überwachte gesamtdeutsche Wahlen durchzuführen, begrüßt — ein Mittel, um das Ostberliner Regime abzuschaffen. Darüber hinaus wurde der Rückzug aller fremden Truppen aus Deutschland und aller sowjetischen Streitkräfte aus Polen gefordert. Unter dem Hinweis, daß von Moskau unterschiedliche Signale ausgegangen waren, wurde die Resolution am 9. Februar 1955 in der polnischen Presse veröffentlicht, nicht jedoch in den sowjetischen Medien1*". Diese gaben an jenem Tag die sensationelle Nachricht von Malenkovs Amtsenthebung bekannt. Auch wenn es im Fall Malenkov hauptsächlich um seine angeblich schlechte Führung der Innenpolitik ging, hatten die gegen ihn gerichteten Anschuldigungen starke Auswirkungen auf die sowjetische Sicherheitspolitik. Auf der JanuarVollversammlung attackierte ihn Chruscev heftig wegen seiner »fehlenden politischen Reife und seiner fehlenden Durchsetzungskraft als Führer der Bolschewiki«. Chruscev, der Malenkovs Redlichkeit nicht in Frage stellte, kritisierte, daß es diesem an Charakter und Rückgrat fehle. Mit dem besonderen Hinweis auf den Wunsch des britischen Premierministers Churchill nach einem Gipfeltreffen äuNaimark, To Know Even thing. ^'gl. Volksarmee schaffen. 17Vernichtung der Weltzivilisation< oder über die Vernichtung der menschlichen Rasse< zu sprechen habe, sondern alle Kräfte für die Vernichtung der Bourgeoisie vorbereiten und mobilisieren müsse«183. Im Mittelpunkt des Disputs stand die Einschätzung der Situation nach Stalins Tod und die Frage, welche politischen Konsequenzen zu ziehen seien. Dabei ging es insbesondere darum, ob es machbar und wünschenswert wäre, die sowjetische Politik sowie die gesamten Ost-West-Beziehungen just zu einem Zeitpunkt zu entmilitarisieren, da die NATO mit der Einbeziehung Westdeutschlands eine Ausweitung erwog und dabei war, den so entscheidenden Beschluß umzusetzen, Europa hauptsächlich mit Atomwaffen zu verteidigen.

1»1 Postanovlenie Plenuma CK KPSS ο tov. Malenkove, 31.1.1955, 2/1/110/38-42, RGANI. Vgl. Malenkov, Ο moem otce. 183 Openkin, Na istoticeskom, S. 109 f.

182

III. Eritspannungsversuche 1. Die Gründung des Warschauer Pakts Die Abfolge der Ereignisse — die mit der Ablehnung der EVG begann, sich mit deren Ersatz durch die Pariser Verträge und der westdeutschen Wiederbewaffnung im Rahmen des zur Westeuropäischen Union wiederbelebten Brüsseler Paktes fortsetzte und schließlich im NATO-Beitritt der Bundesrepublik gipfelte - führte zu einer radikalen Überprüfung der sowjetischen Sicherheitspolitik, deren Ausmaß sich erst heute aus internen Unterlagen erschließt1. Sie lief unter Chruscevs Führung auf den Versuch hinaus, eine Entspannung der strategischen Ost-WestBeziehungen herbeizuführen, und zwar derart, daß Moskau seine Verluste reduzieren, auf diplomatischem Wege wieder die Initiative erlangen und schließlich durch die Neudefinition des europäischen Sicherheitsumfeldes zugunsten der Sowjetunion das Blatt gegen den Westen wenden konnte. Die Beseitigung der NATO stand im Mittelpunkt des Plans. Wenn die Pläne für den Aufbau der NATO der Auslöser für Malenkovs Fall waren, so war ihre Umsetzung ein schlechtes Omen für die Beziehungen zwischen den beiden anderen Mitgliedern des Kreml-Triumvirats, Chruscev und Molotov. Sie hatten sich zeitweise gegen Malenkov verbündet, um riskante Initiativen zu verhindern, die eine kohärente neue Politik wahrscheinlich im voraus vereitelt hätten. Was Hayter an Chruscev, im Gegensatz zu Molotov, auffiel, war dessen »erschreckende Ignoranz in außenpolitischen Belangen ...; [aber] sobald er seine starke Intelligenz und sein enzyklopädisches Gedächtnis einsetzte, war er absoluter Meister auf diesem Gebiet2.« Das bewies Chruscev — der sich auf die Unterstützung des neuen Ministerpräsidenten, Marschall Nikolaj Bulganin, einer Gallionsfigur, sowie auf dessen Nachfolger im Amt des Verteidigungsministers, Zukov, \rerließ —, nachdem sich Molotovs Strategie, das westliche Bündnis an einer Ausweitung zu hindern, als kontraproduktiv erwiesen hatte. Parallel zu Malenkovs Amtsenthebung begann also die diplomatische Offensive der Sowjets Anfang 1955 mit einer Zusammenarbeit zwischen Chruscev und Molotov. Molotovs richtungweisende Rede vom 8. Februar wurde von Zeitgenossen als Zeichen für eine Verhärtung der sowjetischen Politik gedeutet, die in erster Linie die Ratifizierung der Pariser Verträge verhindern sollte. Molotov verwies auf 1 2

Analyse der Pariser Verträge durch Gromvko, 28.10.1954, Sekr. Min./13a/28/27/20-39, A Y P R F . Hayter, Double Lite, S. 104, 114.

440

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die Möglichkeit besserer Beziehungen zu Jugoslawien, auch wenn er dies auf die angeblich konziliantere Haltung der Belgrader Regierung und weniger auf irgendeine Revision der sowjetischen Politik zurückführte. Lediglich die Andeutung der möglichen Unterzeichnung des lange verschleppten Staats Vertrags mit Osterreich wies potentiell, wenn auch nicht eindeutig, in eine neue Richtung. Die Initiative in Richtung Osterreich war ursprünglich weniger mit dem Ziel größerer Entspannung gestartet worden als vielmehr, um weitere Positionsverluste in Zentraleuropa zu vermeiden; schließlich drohte die Ausweitung des sich entwikkelnden westlichen Verteidigungssystems über Deutschland hinaus in den vom Westen besetzten größeren Teil Österreichs 3 . Bezeichnenderweise begann die Initiative, als Molotov an den für seine prosowjetische Einstellung bekannten österreichischen Botschafter in Moskau, Norbert Bischoff, mit einem Verhandlungsangebot herantrat, mit dem die westlichen Verbündeten umgangen und mit einem Fait accompli konfrontiert werden sollten. Wachsame westliche Beobachter argwöhnten, daß sich dahinter eine List verbarg, um die von Deutschland via Osterreich nach Italien führenden Verbindungswege der NATO zu unterbrechen 4 . Für Moskau war dies aber lediglich ein Nebenprodukt. Es fiel ab, indem es das vorrangige Ziel verfolgte, Österreichs »Anschluß« an Deutschland zu verhindern — Codewort für Österreichs wahrscheinliche Integration in das sich weiterentwikkelnde westliche Bündnis, das zu beherrschen sich die Bundesrepublik anschickte. Es waren eher die politischen als die militärischen Folgen der bevorstehenden westdeutschen NATO-Mitgliedschaft, die zu einem Zeitpunkt den Ausschlag gaben, daß die Sowjetunion sich auf eine Entspannung des Ost-West-Konflikts einließ, bei dem Chruscev, wenn auch nicht Molotov, überzeugt war, daß sich die Kriegsgefahr erheblich reduziert hatte. Im Falle einer Ratifizierung der Pariser Verträge, die immer wahrscheinlicher wurde, bekam die sowjetische Initiative größere Tragweite, und die Sowjetunion mußte die mißliche Aussicht auf ein wiederbewaffnetes Westdeutschland in einer wachsenden NATO einfach hinnehmen. Uber die Tragweite der Initiative gerieten Molotov und Chruscev aneinander. Ersterer bestand darauf, daß sich Moskau das Recht auf eine erneute Einführung von Truppen nach Österreich sichern sollte, wenn es die sowjetische Sicherheit verlange. Er argumentierte mit dem Beispiel Polens im Jahre 1939, als sich Hitlers Aggression abzeichnete. Dagegen fragte Chruscev zugespitzt, ob Molotov einen Krieg wolle; und wenn nicht, »was willst Du dann mit unseren Truppen in Wien erreichen? Wenn Du für einen Krieg bist, dann wäre es richtig, in Österreich zu bleiben. Es ist ein strategisches Gebiet, und nur ein Tor würde ein strategisches Gebiet aufgeben, wenn er sich zu einem Krieg rüstet. Wenn wir aber gegen einen Krieg sind, müssen wir gehen5.« 3

Ί 5

Bischof, Österreich. Vigor, Soviet View, S. 182 f. Bericht der Plenarsitzung des ZK der KPdSU vom 12.7.1955, 2/1/176/282-95, RGANI, Kopie in NSA. Chruscev wiederholte diese Äußerung fast wörtlich in seiner Unterredung mit Nixon am 26.7.1959, FRUS, 1958-1960, X / l , S. 366.

III. Entspannungsversuche

441

Molotovs widerwilliges Eingehen auf Chruscevs Forderung nach einem Abzug der sowjetischen Truppen aus Osterreich Anfang April markierte den Wendepunkt in Richtung Entspannung 6 . Auch wenn sie von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde, so registrierten scharfe Beobachter bereits Mitte März eine allmähliche Veränderung der sowjetischen Politik. Wir wissen heute, daß das Moskauer Parteipräsidium damals ebenfalls beschlossen hatte, die rigide Haltung der Beauftragten Molotovs, die den Fortschritt in der UN-Abrüstungskommission in London blockierten, zu ändern7. Statt auf proportionalen, für den Westen unvorteilhaften Kürzungen zu bestehen, wurden sie in der Folge angewiesen, gemäß einem früheren Vorschlag der Westmächte substantielle Reduzierungen bei den konventionellen Streitkräften sowie ein Verbot von Atomwaffen anzustreben. Anfang des Monats hatte die Central Intelligence Agency berichtet, daß sowjetische Militärattaches aus osteuropäischen Hauptstädten nach Moskau gerufen worden waren — ein Schritt, der nach der richtigen Einschätzung des CIA-Direktors Allen W. Dulles die Bildung einer militärischen Allianz unter sowjetischer Führung erahnen ließ8. Noch am letzten Tag des Jahres 1955 hatten Molotovs Mitarbeiter Entwürfe für ein multilaterales Bündnis und einen Beistandspakt zwischen der Sowjetunion und der DDR ausgearbeitet 9 . Zum ersten Mal seit Beginn des Kalten Krieges hatte die vorsichtige Suche der Sowjets nach einer Antwort auf die bevorstehende Ausweitung der NATO den Osteuropäern die Gelegenheit verschafft, im Einklang mit ihren eigenen Interessen einen bescheidenen Beitrag zu Moskaus Politik zu leisten. Unterstützt von den Tschechoslowaken, sprachen sich die Ostdeutschen für eine dreiseitige militärische Ubereinkunft zwischen ihren beiden Ländern und Polen aus - eine kleine Gruppierung zur Aufwertung der im Entstehen begriffenen ostdeutschen Armee. Als andere Möglichkeit gaben die Polen einem kollektiven Verteidigungsabkommen den Vorzug. Es sollte alle sowjetischen Verbündeten mit Moskau in einem größeren Bündnis verbinden und der polnischen Armee einen Rang gleich nach der sowjetischen sichern sowie die ostdeutschen Truppen enger einbeziehen1". Ende Februar hatte sich die zweite Option im Kreml durchgesetzt, wie auch die Wahl Warschaus als Ort für die Gründungssitzung des Bündnisses zeigte. Der Wortlaut des vorgeschlagenen Paktes ging an Molotov zur weiteren Bearbeitung, während der Entwurf für den Vertrag mit der DDR zu den Akten gelegt wurde 11 . Während der Anteil von Molotovs Außenministerium bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich darin bestanden hatte, die entsprechenden Texte auszuarbeiten, traf Chruscev Vorkehrungen, um später die politische Ernte einzufahren. Als er den 6 7 8

11

Stourzh, Um Einheit, S. 405 f. Bericht der Plenarsitzung des ZK der KPdSU, 9.7.1955, in: CW1HP, Bull. 10, 1998, S. 39 f. Memorandum der Diskussion auf der 239. Sitzung des NSC, 3.3.1955, FRUS, 1955- 1957, XXIV, S. 29. Entwürfe von Gromyko, Zonn und Semenov, 31.12.1955, 06/14/12/1/1-11, AVPRF. Ihme- Tuchel, Das »nördliche Dreieck«, S. 7 5 - 8 0 . Gromyko und Semenov an Molotov, 19.2.1955, 06/14/54/4/1-8, AVPRF.

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Vertragsentwurf am 4. März an die Ersten Sekretäre der kommunistischen Parteien der zukünftigen Signatarstaaten sandte, rechtfertigte er den vorgeschlagenen Pakt mit einer Anspielung auf die nahezu sichere Ratifizierung der Pariser Verträge12. Darüber hinaus aber bezeichnete er angesichts der sowjetisch inspirierten Sicherheitskonferenz in Moskau im vorangegangenen Dezember die bevorstehende Tagung in Warschau als »zweite Konferenz europäischer Länder für die Bewahrung von Frieden und Sicherheit in Europa«. Die Bezeichnung legte nahe, daß mehr erreicht werden sollte als lediglich die Formalisierung der militärischen Verbindungen innerhalb des sowjetischen Blocks. Moskaus Absicht, ein östliches Pendant zur N A T O zu schaffen, wurde am 21. März publik, kurz vor der entscheidenden Abstimmung über die Ratifizierung der Pariser Verträge im französischen Senat. In einer sowjetischen Presseerklärung13 hieß es, daß kürzlich Konsultationen unter den Teilnehmern der Moskauer Dezember-Konferenz stattgefunden hätten, obwohl sich dort nicht mehr ereignet hatte als die zaghafte Kommentierung des sowjetischen Entwurfs 14 . Als Anreiz für eine gegen die N A T O gerichtete Opposition in Westdeutschland schlugen die Ostdeutschen dem sowjetischen Botschafter Puskin »vorsichtig« eine Erklärung vor, wonach der Pakt im Falle einer Vereinigung Deutschlands annulliert werden sollte — eine Idee, die Molotov als »angebracht« billigte15. Keine Anerkennung fand hingegen der polnische Vorschlag, in die Präambel des Paktes eine Forderung nach Aufgabe der amerikanischen Stützpunkte in Westeuropa aufzunehmen, denn das hätte die Rechtfertigung für die sowjetische militärische Präsenz in Osteuropa erschweren können16. Am 1. April beschloß das Z K der KPdSU, die Warschauer Konferenz einzuberufen, um den Vertrag drei Wochen später zu ratifizieren. Erst in diesem späten Stadium wurde das Militär eingeschaltet und Zukov instruiert, innerhalb eines überaus kurzen Zeitraums ein Papier über die Einrichtung eines vereinten Kommandos für das Bündnis auszuarbeiten17. Als der Verteidigungsminister den Wortlaut am 18. April vorlegte, war die Zusammenkunft auf Mitte Mai verschoben worden. Vier Tage später erhielt der polnische Ministerpräsident Jozef Cyrankiewicz in Moskau Anweisungen darüber, wie das Ereignis zu organisieren sei18. Chruscev für seinen Teil spielte bei einem Polenbesuch im gleichen Monat die militärische Bedeutung der angehenden Allianz öffentlich herunter und ließ sich statt dessen darüber aus, wie wünschenswert eine europäische kollektive Sicherheitsorganisation sei, die, wie er hervorhob, die notwendigen Garantien gegen eine Z K der KPdSU an Z K der KPC, 4.3.1955, AUV KSC, 62/2/36/48, SÜA; Chruscev an Ulbricht, 5.3.1955, ZPA J IV 2/202/-244, Bd 1, SAPMO-BA. 13 Pravda vom 21.3.1955. 14 Der Mangel an Beweisen für irgendwelche formale Konsultationen ist im Dossier des MfAA der DDR vermerkt, A 14630, S. 31-34, MfAA, Ρ AAA. is Molotov an das Z K der KPdSU, 9.5.1955, 06/14/54/4/99, AVPRF. 16 Beschluß des Z K der KPdSU, 1.4.1955, 06/14/54/4/39, AVPRF. " Ebd. i» Bericht vom 22.4.1955, 06/14/54/4/88, AVPRF. 12

III. Entspannungsversuche

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deutsche Aggression gewährleisten würde 19 . Dadurch daß er die Vereinigten Staaten in eine solche Organisation einbeziehen wollte, erschien sie ihm attraktiver als die zuvor von Molotov ausgearbeiteten Varianten. Zu diesem Zeitpunkt war die letzte Hürde auf dem Weg zur Umsetzung der Pariser Verträge bereits genommen und die Bühne damit frei für die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO am 5. Mai sowie für Moskaus Gegenmaßnahmen. Diese begannen mit der formellen Kündigung der veralteten, aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Bündnisse der Sowjetunion mit Frankreich und Großbritannien2". Von größerer Bedeutung war, daß die Sowjetunion am 10. Mai 1955 in London ihren bislang umfassendsten Abrüstungsvorschlag vorlegte21. Das auf Chruscevs Initiative vom Außenministerium trotz der Obstruktion des Molotov-Beraters Malik ausgearbeitete Dokument 22 vertrat mehrere der westlichen, aber eher der britischen und französischen als der amerikanischen Positionen, die Moskau zuvor als unannehmbar abgelehnt hatte. Das galt besonders für die Begrenzung der konventionellen Streitkräfte durch eine numerische Obergrenze statt proportionaler Kürzungen. Der Vorschlag enthielt auch neue Ideen, so ein Moratorium für Atomtests ab 1956 und den Abzug aller fremden Truppen aus Deutschland. Wie ein Initiator des Vorschlags, A.A. Roscin, berichtete, rechnete Moskau mit einer positiven Reaktion. Es zeigte sich enttäuscht, als Washington — das noch immer Aufrüstung und nicht Abrüstung als vorrangiges Ziel betrachtete — Hindernisse aufbaute, um ein Ubereinkommen zu verhindern 23 . Wie die Joint Chiefs of Staff ausführten, »liegt es nicht im Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten, in der überschaubaren Zukunft abzurüsten«. Da die Sowjetunion schwächer werde, meinten sie, daß »wir den Boden unter ihren Füßen heiß halten [...] und lieber das Wettrüsten fortsetzen als mit den Sowjets Vereinbarungen treffen sollten«24. Die Abrüstungsinitiative, die mit der westlichen Einladung zu einem von Moskau lang ersehnten Viermächtegipfel einherging25, war ein Vorspiel für das Warschauer Treffen, auf dem die Unterzeichnung des neuen militärischen Paktes einen weiteren Anreiz für den Westen bieten sollte, die strategische Lage in Europa erneut zu überprüfen. Der aus sowjetischer Feder stammende Text, der bei dieser Zusammenkunft ohne auch nur den geringsten Hauch einer Diskussion verabschiedet wurde 26 , wies Ähnlichkeiten zum NATO-Vertrag auf. Er enthielt namentlich die Absichtserklärung der Unterzeichnerstaaten, Gewalt weder anzuwenden, 19 20 21

22 2Λ 24 25 26

Pravda vom 21.4.1955. Sowjetische Note an die britische Regierung vom 20.12.1954, in: DIA, 1954, S. 212-215; Pravda vom 7.5.1955. Vorschlag der sowjetischen Regierung vom 10.5.1955 zur Reduzierung der Rüstung, zum Verbot von Atomwaffen und der Beseitigung der Gefahr eines neuen Krieges, in: Documents on Disarmament, Bd 1, S. 456 - 467. Bericht der Plenarsitzung des ZK der KPdSU vom 9.7.1955, in: CW1HP, Bull. 10, 1998, S. 39 f. Roscin, Gody obnovlenija, S. 131. Zit. in: Immerman, Trust in the Lord. Dreimächte-Note an die Sowjetunion vom 10.5.1955, in: Geneva Conference, S. 6 f. Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe, 14.5.1955, in: DIA, 1955, S. 1 9 3 - 1 9 7 .

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noch mit deren Anwendung zu drohen; dann die nahezu identische Beschreibung der gegenseitigen Konsultationen, die sie im Falle eines feindlichen Angriffs durchzuführen gelobten; ihre explizite und qualifizierte Zusicherung, sich bei einem solchen Angriff nötigenfalls mit »allen als notwendig erachteten Mitteln« beizustehen, sowie die Vereinbarkeit des Vertrags mit all ihren sonstigen Verpflichtungen. Weniger entscheidende, gleichwohl wichtige Ubereinstimmungen zwischen den beiden Verträgen betrafen die Prinzipien der UN-Charta, auf die sie sich beriefen, die Gültigkeit von 20 Jahren sowie die Bestimmungen für den Beitritt weiterer Länder, der nach dem Warschauer leichter war als nach dem NATODokument27. Die Unterschiede betrafen Bereiche von geringerer praktischer Bedeutung, die aber den Hauptzweck des Warschauer Paktes klarer erkennen ließen. Im Unterschied zu der NATO-Verpflichtung, die gemeinsamen Werte und Institutionen ihrer Mitglieder zu wahren, bestätigte die Allianz sowjetischer Machart lediglich solche Allgemeinplätze wie die Förderung von Frieden und Freundschaft sowie die Verbesserung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Konkreter war die Aussage im Warschauer Dokument, es sei wünschenswert, in Europa ein kollektives Sicherheitssystem zu errichten, die Waffen zu reduzieren und Massenvernichtungswaffen zu ächten — damals alles Leitmotive der sowjetischen Diplomatie. Doch abgesehen von der Ankündigung der neuen Allianz wurde kaum etwas für ihren Aufbau unternommen — ganz im Gegensatz zu den fieberhaften Bemühungen der NATO während ihres Gründungsprozesses. Chruscev modellierte den Warschauer Pakt zwar nach dem Bild der NATO, traf indes keine Vorkehrungen, ihn mit Substanz zu füllen. Damit konnte er leicht das, was westliche Persönlichkeiten zu Recht als »Potemkinsches Dorf« ansahen28, über Bord werfen, hätte er denn deren Zustimmung dazu erlangt, den Pakt durch das von ihm gewollte kollektive Sicherheitssystem zu ersetzen. Nach der Auflösung der östlichen Phantom-Allianz und dem real bestehenden westlichen Bündnis unter Beibehaltung des Netzes bilateraler militärischer Verträge Moskaus mit seinen Satelliten hätte ein derartiges System der Sowjetunion als stärkstem Mitglied gestattet, als Schiedsrichter in Fragen der europäischen Sicherheit aufzutreten. Gemäß dem russischen Wortlaut des Warschauer Vertrages gelobte jeder Signatarstaat, die anderen zu konsultieren und dann die Hilfe zu leisten, die »er als notwendig ansah«. In der deutschen Textversion jedoch stand das Pronomen »sie«, und zwar im Plural, was eine eher kollektive denn individuelle Entscheidungsfindung implizierte29. Als Parteichef Walter Ulbricht die Formulierung, die offenkundig den Ostdeutschen das Recht zu unabhängigen Entscheidungen absprach, kommentierte, wies er auf die Diskrepanz hin, wobei er sich aber klugerweise eines

27

28 29

Die entsprechenden, oft nachgedruckten Texte sind u.a. zu finden in: NATO: Basic Documents, S. 1 0 - 1 3 , und DIA, 1955, S. 1 9 3 - 1 9 7 . Zit. in: Spencer, Alliance Perceptions, S. 19. Abdruck und Analyse des deutschen Wortlauts, in: Warschauer Pakt, S. 9 7 - 101, 4 0 - 4 8 .

III. Entspannungsversuche

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Protests enthielt3". Die Vertragsbestimmung, nach der es anderen Staaten freistand, beizutreten — ungeachtet ihres gesellschaftlichen und staatlichen Systems —, interpretierte er zudem in dem Sinne, daß diese nicht unbedingt ein Recht darauf hätten, verteidigt zu werden. Vor dem Hintergrund der sowjetischen Bemühungen um ein neutrales Osterreich und die Versöhnung mit Jugoslawien gab die Formulierung Chruscevs innovative Idee wieder, die dem stalinistischen Denken Molotovs fremd war, nämlich daß blockfreie Staaten für die sowjetische Seite eher als politische denn als militärische Verbündete gewonnen werden konnten. Auch aus anderen Gründen eignete sich der offenkundig militärische Pakt primär als politisches Dokument. Die in ihm enthaltene Aufforderung, »die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen« unter den Signatarstaaten zu intensivieren — Kürzel für deren organisatorische und ideologische Anpassung —, gewann besondere Bedeutung in Erwartung des Abschlusses eines Staatsvertrags mit Osterreich am darauffolgenden Tag. Denn dessen beneidenswerte Neutralität hätte einige der sowjetischen Verbündeten dazu verleiten können, darin ein attraktives Vorbild für eigene Bestrebungen zu erkennen. Unter Moskaus Regie präsentierte die Warschauer Konferenz das Ritual einer »Diskussion«, bei der unbedeutende Änderungen vorgeschlagen wurden, die höchstwahrscheinlich zuvor von den sowjetischen Organisatoren in Auftrag gegeben worden waren 31 . Alle von ihnen im voraus ausgearbeiteten Dokumente wurden später veröffentlicht, mit einer Ausnahme, bei der es um die von den verschiedenen Mitgliedern der Allianz zu stellenden Truppenkontingente ging. Nachdem nicht ganz zwei Wochen zuvor eine Kopie davon an die Ersten Sekretäre der kommunistischen Parteien gegangen war32, wurden die einzelnen Punkte nun von Zukov auf einer geheimen Sitzung ohne die geringste Diskussion lediglich bekannt gegeben. Der polnische Oberst Tadeusz Pioro, der das Protokoll führte, erinnerte sich später daran, wie dieses in der Folge von den sowjetischen Organisatoren auf ein bedeutungsloses, einseitiges Dokument zurechtgestutzt wurde, das die militärischen Dimensionen der Allianz gänzlich in Moskaus Ermessen stellte33. Alles in allem war der Start des Warschauer Paktes von Stalins Nachfolgern weitaus gründlicher arrangiert als die Gründung der Kominform 1947 durch den Meister selbst. Chruscevs Sprachrohr Bulganin erklärte in seiner Tour d'horizon vor den in Warschau versammelten sowjetischen Verbündeten, die aus den Pariser Verträgen resultierende internationale Situation erfordere eine größere Koordination als dies unter dem bestehenden System der bilateralen Verträge möglich sei, ohne jedoch ausdrücklich eine militärische Koordination anzusprechen. Er betonte, daß die neue Allianz nicht das Ende der Bemühungen bedeutete, einen gesamteuropäi-

30 51 32 33

Ulbricht an Chruscev, 9.3.1955, ZPA, J IV 2/202-244, Bd 1, SAPMO-BA. Stenographischer Bericht der Zusammenkunft, 12.5.1955, 0447/1/1/1, AVPRF. Chruscev an Ulbricht, 2.5.1955, ΖΡΛ, J IV 2/202-244, Bd 1, SAPMO-BA. Pioro, Armia ze skaz^, S. 2 1 0 - 2 1 3 ; Kopie des Berichts im Privatbesitz von Gen. Pioro.

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sehen Sicherheitspakt zu erzielen34. In der Tat hatte der Abschluß eines solchen Paktes für Chruscev bei seinem bevorstehenden, für den 18. Juli in Genf anberaumten Gipfel mit den westlichen Führern absoluten Vorrang.

2. Für ein neues europäisches Sicherheitssystem Unmittelbar nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, mit dem sich die Sowjetunion wohl oder übel abfinden mußte, ging Chruscev in die Offensive. Er wollte günstige Bedingungen schaffen, um in Genf einen radikalen Plan vorzulegen, der auf eine Änderung des Sicherheitsumfeldes in Europa abzielte. Am letzten Tag der Warschauer Konferenz verblüffte er die Welt mit der Nachricht über seinen bevorstehenden Jugoslawienbesuch, bei dem ein wichtiges Ziel darin bestand, die mögliche Einbindung Belgrads in das westliche Verteidigungssystem auszuschließen35. Der Besuch erfolgte vom 26. Mai bis 2. Juni 1955 und fand das Lob Vulko Cervenkovs, dem Führer des benachbarten Bulgarien, dafür, daß er die 40 jugoslawischen Divisionen »neutralisiert« habe, indem sie der NATO vorenthalten wurden 36 . Am 7. Juni verkündete Chruscev die Absicht der Sowjetunion, mit der DDR einen Vertrag zu schließen, der ihr formell einen souveränen Status — ähnlich dem der Bundesrepublik — geben würde. Er äußerte ferner die Bereitschaft zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bonner Regierung, die er mit der Aussicht auf nicht näher erläuterte Zugeständnisse zu gewinnen suchte37. Chruscev ergriff auch in der Dritten Welt die Initiative und absolvierte höchst erfolgreiche Staatsbesuche in Indien und Burma. Aufgrund der ihm innewohnenden Risiken stellte ein solcher »Kalter Bewegungskrieg« ein Anathema gegenüber dem von Molotov bevorzugten »Kalten Stellungskrieg« dar. Das andererseits ambivalente Ergebnis der Reise Chruscevs nach Belgrad — wo die Versöhnung mit Tito mit der Legitimierung seiner Einmischung in Osteuropa bezahlt worden war38 — und die Aussicht auf das Ende der feindlichen Isolation Westdeutschlands durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verschärften die Differenzen im Kreml. Auf der konfliktreichen geheimen Sitzung des ZK der KPdSU Anfang Juli stießen Chruscev und Molotov in der Frage der Politik gegenüber Österreich und Jugoslawien aneinander — wobei Chruscev sich für eine Aufnahme Jugoslawiens in den Warschauer Pakt ausgesprochen haben soll39. Dies wäre zwar militärisch nicht sehr sinnvoll gewesen,

Bulganin-Rede vom 11.5.1955, ZPA, NL 90/461, SAPMO-BA. Egorova, NATO i Evropejskaja, S. 73. 36 Cervenkov im bulgarischen Politbüro, 6.6.1955, l-B/7/1764/1-23, S. 7, TsDA. " Sowjetische Note vom 7.6.1955, in: DIA, 1955, S. 245-248. 38 Khrushchev Remembers, S. 379 - 382. 3·> Bericht von S. Bialer über das Juli-Plenum des ZK der KPdSU 1955 im US-Senat, Rechtsausschuß, in: Scope of Soviet Activity, S. 1590 f. 35

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hätte aber den Druck auf den Westen verstärkt, die sowjetische Initiative zur Neuordnung der europäischen Sicherheit ernster zu nehmen. Als sich die Kontrahenten des Kalten Krieges für den Gipfel positionierten, hing vieles von der Eigen- bzw. der Fremdwahrnehmung des jeweils anderen ab. Die Vereinigten Staaten interpretierten die sowjetischen Konzessionen gegenüber Osterreich als ein Zeichen der Schwäche. Außenminister J o h n Foster Dulles, der die Gründung des Warschauer Paktes als Taktieren abtat, kam zu dem Schluß, »daß wir jetzt die Gelegenheit haben [...] die sowjetische Macht zurückzudrängen. Dadurch würden die gegenwärtigen Satellitenstaaten möglicherweise einen ähnlichen Status erlangen wie Finnland [...] Ideal wäre es, die Russen aus den Satellitenstaaten hinauszudrängen und diesen ein echtes Gefühl für ihre Freiheit zu geben. Zum ersten Mal liegt dies jetzt im Bereich des Möglichen 40 .« Nach Einschätzung von Dulles würden die Sowjets, die »ihre Politik grundlegend geändert« 41 hatten, nicht in der Lage sein, mit der gleichen Energie und Phantasie wie bisher weiterzumachen. Er hielt »Chruscev zwar für einen fähigen und einflußreichen Mann, der auf ihn aber den Eindruck von jemand gemacht habe, der spreche, ohne vorher nachzudenken [...] Molotov sei wohl in einer geschwächten und unangenehmen Position. In Wien sei ihm dessen im Vergleich zu früheren Gelegenheiten unsicheres Auftreten aufgefallen 42 .« Solch geringschätzige Kommentare aus amerikanischem Munde verhießen, wie übrigens auch die sowjetische Haltung, nichts Gutes für das bevorstehende Genfer Gipfeltreffen. Chruscev beschrieb später in seinen Memoiren, wie schmerzlich bewußt ihm die Rückständigkeit seines Landes gewesen war, selbst bei dem Vergleich der altmodischen sowjetischen Maschine, mit der er nach G e n f gekommen war, mit den tollen Flugzeugen seiner kapitalistischen Amtskollegen 43 . Um so mehr appellierte er mit Bulganin an die westlichen Repräsentanten, nicht den Fehler zu begehen, die Sowjetunion für schwach zu halten 44 . Gleichwohl war genau dies der Schluß, zu dem diese kamen, auch wenn sie gönnerhaft bekundeten, wie beeindruckt sie von der sowjetischen Stärke seien. D o c h auch die westlichen Politiker waren nicht so selbstsicher, wie zu sein sie vorgaben. Selbst Dulles gestand privat auf dem Weg zum Gipfel, er sei angesichts der Haltung seiner NATO-Verbündeten »schrecklich besorgt wegen der Genfer Konferenz« 4 5 . Der Außenminister war »sehr besorgt darüber, daß unsere Verbündeten nicht ihren Mann stehen« — daß sogar Eisenhower dem russischen Lächeln erliege, »insbesondere dem Zukovs, seinem Waffengefährten aus der Kriegszeit« — und »die 411

41 42

4i 44

Memorandum über die Diskussion aut dem 249. Treffen des N S C in \\ ashington vom 19.5.1955, FRUS, 1955-195^, V, S. 1 8 2 - 1 8 9 , S. 184. Äußerung auf der gleichen Sitzung, zit. bei Pruessen, Beyond, S. 66. Memorandum über die Unterredung zwischen Dulles und Adenauer, Washington, 13.6.1955, FRUS, 1955-1957, V, S. 2 2 4 - 2 2 8 , S. 226. Khrushchev Remembers, S. 395. Memorandum der Gespräche be: dem Präsidenten-Dinner in Genf am 18. 7 .1955, FRUS, 1955-1957, v , S . 3 7 2 - 3 7 8 . C D. Jacksons Tagebucheintragung vom 19.7.1955, in: ebd., S. 301 f.

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Pläne über den Haufen werfen« könnten. Dulles war über die Bereitschaft der Franzosen und Briten, den Warschauer Pakt ernst zu nehmen, verärgert. Der französische Premierminister Edgar Faure fand »die Idee attraktiv, eine Analogie zwischen dem westlichen Block und der Warschauer Organisation herzustellen und sie als Organisationen gleichen Typs anzusehen, zwischen denen Verträge angestrebt werden sollten«46. Und sein britischer Kollege — der sich der Illusion hingab, die Sowjets seien erpicht darauf, den Status seines Landes dadurch aufzuwerten, daß sie ihm eine Art Brückenfunktion zwischen den beiden Supermächten zusprachen47 — schien total vernarrt in die Idee, etwas hervorzubringen, was als »EdenPlan« etikettiert werden könnte, beispielsweise die Errichtung einer entmilitarisierten Zone in Zentraleuropa mittels einer gewissen »Harmonisierung« zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt48. Um dergleichen auszuschließen, suchte Dulles den amerikanischen Verbündeten auf dem den Gipfel vorbereitenden Pariser Dreimächtetreffen einzuschärfen, daß »die Sowjetunion mit dem Warschauer Pakt lediglich ihre Grenzen geschickt in das Zentrum Europas vorschiebt«. Er beharrte darauf, daß »der Westen nichts tun solle, was eine Situation sanktionieren bzw. konsolidieren würde, die er für anormal und veränderungsbedürftig hielt, bevor der Frieden gefestigt werden könne«. Folglich sollte die »Organisation tunlichst so wenig wie möglich« erwähnt werden, um ihr nicht den »Anschein eines realen Sicherheitssystems« zu verleihen49. In Genf konzentrierte sich dann jede Seite ängstlich auf die eigenen Schwächen, während sie die Bereitschaft der anderen überschätzte, aus Schwäche heraus Konzessionen zu machen. Man versuchte, die Grenzen des anderen durch das Unterbreiten von eindeutig unrealistischen Vorschlägen auszuloten. So provozierten die Vereinigten Staaten die Sowjets mit dem Vorschlag, in Osteuropa Veränderungen zuzulassen, die darauf hinausgelaufen wären, deren Kontrolle über diese Region aufzugeben. Sie schlugen Abrüstungsmaßnahmen vor, insbesondere Eisenhowers »Open Skies«-Plan, der das Ende der geschlossenen sowjetischen Gesellschaft bedeutet hätte50. Die Sowjets ihrerseits wiederholten ihren Abrüstungsvorschlag vom 10. Mai (als wenn Washington die Unvereinbarkeit mit den amerikanischen Sicherheitsbedürfnissen nicht hinlänglich klargemacht hätte) und betrieben mit Nachdruck ihre Idee eines europäischen kollektiven Sicherheitssystems (als wenn von der NATO erwartet werden konnte, an ihrem eigenen Untergang mitzuwirken, nachdem sie sich unlängst so erfolgreich vergrößert hatte). Memorandum über die Unterredung beim Dreimächte-Essen in Genf vom 17.7.1955, in: ebd., S. 3 4 3 - 3 5 4 , S. 349. 47 Varsori, Le gouvernement, S. 284. Μ C.D. Jacksons Tagebucheintragung vom 19.7.1955, FRUS, 1955-1957, V, S. 3 0 1 - 3 0 5 , S. 301, und Delegation auf dem Dreimächte-Außenministertreffen an Department of State, 15.7.1955, ebd., S. 3 1 9 - 3 2 1 , S. 320. 49 Memorandum über die Unterredung beim Dreimächte-Essen in Genf vom 17.7.1955, ebd., S. 3 4 3 - 3 5 4 , S. 349. 50 Rostow, Open Skies. 46

I I I . Entspannungsversuche

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Der amerikanische Stellvertretende Verteidigungsminister Robert B. Anderson und der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, Admiral Arthur W. Radford, stimmten in ihrer Einschätzung überein, daß die Sowjets nur »bereit waren, die mageren Ergebnisse ihrer eigenen jüngsten Anstrengungen wie den Warschauer Pakt aufzugeben, mit denen sie solche Einrichtungen wie den Nordadantikpakt und die Pariser Verträge konterkarieren wollten«51. Den von Moskau angebotenen Änderungen jedoch, die die sowjetischen Vorschläge attraktiver machen sollten, lag die Uberzeugung zugrunde, der Westen könne gezwungen werden, sie in Erwägung zu ziehen. Geplant war, schrittweise vorzugehen: Zuerst würden N A T O und Warschauer Pakt bestehen bleiben, dann aufgelöst werden, und schließlich sollten alle ausländischen Truppen Europa verlassen52. Im Gegensatz zu Molotovs früheren Vorschlägen und im Einklang mit Chruscevs Aprilrede in Polen sollte das erhoffte kollektive Sicherheitssystem die Vereinigten Staaten (nicht jedoch Kanada) als Vollmitglied und nicht bloß als Beobachter einschließen. Der auf der Genfer Konferenz am 20. Juli 1955 vorgelegte sowjetische Entwurf eines »Allgemeinen europäischen Vertrages über kollektive Sicherheit in Europa«53 enthüllte überdeutlich den eigentlichen Zweck des Warschauer Paktes als Modell für das neue Sicherheitssystem des Kontinents. Viele Bestimmungen in dem neuen Dokument waren identisch mit dem Warschauer Modell bzw. waren nach ihm gestaltet. Zu den identischen Bestimmungen zählten das Prinzip des offenen Beitritts, das Verbot jeglicher Verträge, die im Widerspruch zum vorliegenden standen (aber auch die Beibehaltung von Verpflichtungen aus zuvor von den Unterzeichnern eingegangenen Verträgen), die Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit und die Bildung eines Politisch Beratenden Ausschusses (mit einem noch zu spezifizierenden Aufgabenfeld) sowie eines »militärischen Konsultativorgans«. Das Genfer Dokument enthielt in Einklang mit dem Warschauer Text stehende, aber darüber hinausreichende Passagen, die gegenseitige Garantien vorsahen: gegen den Einsatz von bzw. die Drohung mit Gewalt, für das Einfrieren der gegenwärtigen Truppen- und Rüstungsstärken als Vorbereitung für ihre Reduzierung sowie Konsultationen im Falle eines bewaffneten Angriffs auf einen der Unterzeichnerstaaten. Die Beratungsklausel war weniger eindeutig als im Warschauer Pakt. Ihr ausgemachtes Ziel war es lediglich, das Prozedere bei der kollektiven Anstrengung zur Bewahrung des Friedens zu bestimmen, wodurch der vorgeschlagene Vertrag als Instrument zur Abwehr einer Aggression nahezu nutzlos wurde. Offenbar hatten die sowjetischen Verfasser den Vertrag nicht dazu vorgesehen, in einer Krise getestet zu werden, sondern vielmehr dafür, die Ost-West-Balance in einer Weise zu

51

12 53

Anderson und Radford an Secretary o f State, Pans, 19.7.1955, FRUS, 1955-195" 7 , V, S. 3 8 4 - 3 8 6 , S. 385. Aussage von Bulganin in G e n f vom 18.7.1955, in: Geneva Conference, S. 3 5 - 4 3 . General European Treaty on Collective Security in Europe, 20.7.1955, FRUS, 1 9 5 5 - 1957, V, S. 5 1 6 - 5 1 9 .

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verändern, die Moskau nicht nur mehr Sicherheit geben, sondern es auch in die Lage versetzen würde, den Schiedsrichter der europäischen Sicherheit zu spielen. In dem Bemühen, eine offene und umfassende Diskussion in Gang zu bringen, strebten die sowjetischen Vertreter in Genf neben einer Reduzierung der konventionellen Streitkräfte und der schrittweisen Abschaffung von Nuklearwaffen weiterhin den Abschluß eines »Vertrags zwischen den nunmehr in Europa bestehenden Staatengruppen« 54 an. In der Zwischenzeit sollten die Unterzeichnerstaaten sich zusichern, gegeneinander keine Gewalt anzuwenden und »als eine der ersten Maßnahmen« die Atomversuche einzustellen55. Bulganin nannte die Prioritäten seiner Regierung in dieser Reihenfolge: europäische Sicherheit, Abrüstung und die deutsche Frage56. Da dies die umgekehrte Reihenfolge der amerikanischen Prioritätenliste war, folgte keine substantielle Diskussion über die Sicherheitsfrage. Die Außenminister wurden vor dem Ende der Konferenz von ihren Staatschefs angewiesen, sich der ungelösten Fragen zu einem anderen Zeitpunkt auf einem weiteren Treffen anzunehmen. Später sollten sowohl Chruscev als auch seine westlichen Partner im Rückblick den Gipfel mißbilligen. Nach Chruscevs höhnischem Kommentar seien Bulganin faul und nicht ordentlich vorbereitet, Faure ineffektiv, Eden zwar clever, aber unentschlossen und Eisenhower — der »sich nicht als Macher von Politik, sondern Erfüller von Mr. Dulles' Politik« aufgeführt habe — der Aufgabe ebenfalls nicht gewachsen gewesen 57 . Damals jedoch waren die meisten Einschätzungen positiver. Dulles, der das Ergebnis »für den Westen auf der Aktivseite verbuchte«, träumte sogar davon, daß »wir in den nächsten zwei Jahren die [deutsche] Vereinigung bekommen könnten« 58 . Aber Chruscev schlußfolgerte das genaue Gegenteil. Für ihn war die Konferenz ein Erfolg, weil sie Adenauer wahrscheinlich zu keinem guten Schlaf verhelfen würde 59 . Daß beide Seiten lieber glaubten, was sie glauben wollten, zeigt, wie weit das gegenseitige Verständnis auseinanderklaffte. Wie Chruscev später in seinen Memoiren resümierte, bestand das Wesentliche darin, daß der Gipfel ihn davon überzeugt hatte, daß »keine Vorkriegs situation vorlag, da unsere Feinde genau so viel Angst vor uns hatten wie wir vor ihnen2. Dies sorgte zwar später für einige Verstimmung unter den »nachgeordneten« Paktmitgliedern, hatte aber ansonsten für Chruscevs großen europäischen Sicherheitsplan keine besondere Bedeutung 63 . Solange das Ergebnis des Plans ungewiß war, bestand der unmittelbare Nutzen des Warschauer Paktes in der im Entstehen begriffenen ostdeutschen Armee. Aufgrund des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unentschiedenen Status der DDR war ihr Beitrag als einziger unter den Signatarstaaten offen gelassen worden. Das Ergebnis von Genf jedoch veranlaßte Chruscev, sein Konzept der zwei deutschen Staaten zu forcieren; dazu mußte die DDR mit den entsprechenden Attributen der Souveränität ausgestattet werden. Auf seinem Rückweg vom Gipfel machte er in Berlin Station. Dort erklärte er öffentlich, er werde keine deutschlandpolitische Lösung akzeptieren, die zu Lasten des kommunistischen Staates ging 64 . Parallel dazu tat Chruscev ungeachtet der Befürchtungen Molotovs den ersten Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik, als dessen Kanzler Adenauer im September Moskau einen Besuch abstattete. Die Sowjetunion zementierte die Teilung Deutschlands, indem sie die Deutsche Demokratische Republik am 20. September 1955 formell zum souveränen Staat erklärte65. Der Vertrag war der Ersatz für ein bilaterales Bündnis zwischen den beiden Ländern, dessen Nichtexistenz bis dahin Ostdeutschland von Moskaus anderen europäischen Satellitenstaaten unterschieden hatte. Er beschleunigte die militärische Zusammenarbeit, indem er die Verteidigung der Landesgrenzen den ostdeutschen Grenztruppen übertrug66. Prompt bat Ulbricht um sowjetische Waffen für seine im Entstehen begriffene Armee und ergänzte das mit dem Aufbau einer eigenen ostdeutschen Produktion von Kleinwaffen 67 . Chruscev gab sich keinen Illusionen über einen Erfolg der Außenministerkonferenz hin. Damit konnte vernünftigerweise auch gar nicht gerechnet werden, denkt man an die Wünsche, die gegenüber dem kanadischen Premierminister Lester Pearson anläßlich seines Besuches in Moskau am 12. Oktober geäußert wurden6S. Indem Chruscev den Vorschlag westlicher Sicherheitsgarantien für die So61 62

61 ω 65

«· 68

Chruscev an Bierut, 12.8.1955, KC PZPR 2661/3, ΛΑΝ; Izvestija vom 13.8.1955. Polozenie ob ob'edinennom komandovanii vooruzennych sil gosudarstv-ucastnikov Varsavskogo sovescanija [Bestimmung über das Vereinte Kommando der Streitkräfte der Teilnehmerstaaten an der Warschauer Konferenz], Chruscev an Bierut, 7.9.1955, KC PZPR 2661/2, 1 6 - 1 9 , AAN. Mastnv, We are in a Bind, S. 2 3 - 4 3 . Pravda vom 27.7.1955. Sowjetisch-ostdeutscher Vertrag vom 20.9.1955, in: DIA, 1955, S. 2 0 0 - 2 0 2 . Aktennotiz vom 20.9.1955, Strausb. AZN 32437, BA-MA. Ulbricht an Bulganin vom 6.12.1955, ZPA, J IV 2/202-244, Bd 1, SAPMO-BA. Pearson, Memoirs, S. 206 f.

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wjetunion im Gegenzug für eine deutsche Einigung als demütigend zurückwies, beharrte er darauf: »Ihr solltet uns in die NATO lassen — wir klopfen schon seit zwei Jahren an die Tür«. Damit hätte seiner Ansicht nach die Sowjetunion zumindest auf gleicher Ebene mit den anderen NATO-Mitgliedern gestanden, statt sicherheitspolitisch vom guten Willen des Westens abhängig zu sein. Er sagte, er könne die Garantien in Betracht ziehen, wenn die Anzahl der sie unterschreibenden Ländern ausgeweitet würde durch den Einschluß beider deutscher Staaten, der Tschechoslowakei, Belgiens, Kanadas und vielleicht weiterer — eine heruntergeschraubte Version des kollektiven Sicherheitspaktes. Als die Außenminister im Oktober 1955 in Genf erneut zusammentrafen, betrieb Molotov, der mittlerweile unverkennbar an Macht verlor, die sowjetische Sache ohne großen Nachdruck. Er legte Moskaus bereits abgelehnte Vorschläge für Verträge über die europäische Sicherheit und die Bildung eines gemeinsamen Rats der beiden deutschen Staaten vor69. Ansonsten trat die Konferenz auf der Stelle; es gab sinnlose Diskussionen über solch hypothetische Fragen wie der, was geschehen würde, wenn ein vereinigtes Deutschland der NATO bzw. dem Warschauer Pakt beiträte70. Zum Schluß versuchte Molotov ein Dokument unterzuschieben, das in vagen Punkten die Themen resümierte, über die vermeintlich Ubereinkunft erzielt worden war; er wurde aber von Dulles korrigiert, daß dem nicht so war. Die Konferenz ging auseinander, ohne irgend etwas erreicht zu haben. Derweil war Chruscev, nunmehr Alleinherrscher in der sowjetischen Außenpolitik, dabei, sein Ziel zu verfolgen, die NATO mit anderen Mitteln aus dem Gleis zu werfen.

3. Disengagement Außerhalb des sowjetischen Machtblocks unterstützte nur Jugoslawien Moskaus Konzept eines europäischen Sicherheitsvertrags. Am 25. Juli erklärte Tito in einem Interview, daß die Mitglieder des Balkanpaktes, der sein Land mit Griechenland und der Türkei verband, sich keiner Gefahr mehr ausgesetzt sähen. Er prophezeite darüber hinaus, daß »dieser Pakt, wenn eine kollektive Sicherheit geschaffen ist, seinen militärischen Charakter verlieren werde wie auch die anderen Pakte«, d.h. der Warschauer Pakt und die NATO 71 . Als er spürte, daß sich zwischen seinen beiden Balkanverbündeten Zwietracht zusammenbraute, distanzierte er sich von ihnen, kaum daß der griechisch-türkische Konflikt in Zypern blutige antigriechische Zusammenstöße in Istanbul ausgelöst hatte, die die verwundbare Südflanke der NATO zum Wanken brachten72. 69

70 71 72

Sowjetischer Vertragsentwurf über Sicherheit in Europa vom 31.10.1955, in: DIA, 1955, S. 5 3 - 5 5 . FRUS, 1955-1957, V , S . 6 3 3 - 8 0 2 . Iatrides, Balkan Triangle, S. 163 f. Höpker, Europäisches Niemandsland, S. 116 f.

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Moskaus Unterstützung für die jugoslawische Neutralitätspolitik wurde weithin als Teil eines sowjetischen Plans betrachtet, in Europa eine Disengagement-Zone zu schaffen, die Länder umfaßte, aus denen ausländische Truppen abgezogen werden sollten. Bald nach Chruscevs Belgradreise breiteten sich im Westen Gerüchte über einen möglichen Abzug sowjetischer Truppen aus Rumänien aus73. In Anbetracht der reduzierten Spannungen in dieser Region wurde die Möglichkeit im Bukarester Politbüro tatsächlich als wünschenswert diskutiert, dann aber, ohne Zweifel auf Moskaus Geheiß hin, am 12. August von Parteichef Gheorghe Gheorghi-Dej öffentlich als nicht aktuell dementiert, solange ausländische Truppen in NATO-Ländern nicht ebenfalls abgezogen würden. Gleichwohl brachte Verteidigungsminister Emil Bodnära§ anläßlich Chruscevs Rumänienbesuch das Thema erneut zur Sprache 74 . Zuerst war der Sowjetführer über den Vorschlag entsetzt und verließ verärgert das Land. Später jedoch begann ihm das Positive im rumänischen Argument einzuleuchten, und zwar, daß der Truppenabzug — vor dem Hintergrund, daß das Land keine kapitalistischen Nachbarn hatte, die es angreifen konnten — eine wirkungsvolle Demonstration des sowjetischen Vertrauens in die Stärke seines kommunistischen Systems sein würde75. Im November überraschte Chruscev Bodnäras mit der Äußerung, »daß wir beschlossen haben, die sowjetischen Truppen von Rumäniens Territorium abzuziehen« 76 . Der Vorschlag für einen Nichtangriffsvertrag zwischen NATO und Warschauer Pakt, den Moskau über den Politisch Beratenden Ausschuß des Paktes bei seiner Eröffnungssitzung am 28. Januar 1956 in Prag unterbreitete, konnte als Hinweis auf die sowjetische Bereitschaft gesehen werden, den Truppenabzug durchzufuhren, was Chruscev aber tatsächlich erst zwei Jahre später in Angriff nahm. Auf der Tagung des Ausschusses wurde auch der zuvor von Molotov auf der Genfer Außenministerkonferenz vorgetragene Vorschlag nach einer entmilitarisierten Zone erneut unterbreitet, die beide deutschen Staaten und einige ihrer Nachbarn, neben weiteren Ländern, umfassen sollte77. Während aber Moskau den Abzug ausländischer Truppen aus Europa als Teil umfassenderer Sicherheitsmaßnahmen für den Kontinent unterstützte, reagierte es kühl gegenüber Vorschlägen, die österreichische Neutralität als Modell für die Errichtung eines, die beiden Militärblöcke voneinander trennenden Gürtels neutraler Staaten zu betrachten. Insbesondere gab es nie auch nur einen Hinweis darauf, daß irgendeiner seiner Satellitenstaaten in Osteuropa Teil eines solchen Gürtels werden könnte78. Die österreichische Neutralität sollte nie als Modellfall für die Lösung der deutschen Frage 73 74 75 76 77

78

Verona, Military Occupation. Romania, S. 61 f. Khrushchev Remembers, S. 513 f. Romania, S. 62. Memorandum of the Conversation at the Soviet Luncheon, 21.7.1955, FRUS, 1955-1957, V, S. 4 3 9 - 4 4 1 ; Warschauer Pakt Deklaration, 28.1.1956, in: Warschauer Pakt, S. 105 - 110. Plans of the Western Powers Concerning the Creation of a »Zone of Reduced Tension« in Europe, by Foreign Ministry Committee on Information, 18.10.1955, 89/70/1, RGANI.

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interpretiert werden. Selbst wenn sowjetische Sprecher gelegentlich auf die konziliante Haltung österreichischer Politiker als ein für die Deutschen beherzigenswertes Beispiel verwiesen, gingen sie nie so weit, die österreichische Lösung in Deutschland als durchführbar anzusehen 79 . Als sowjetische Repräsentanten von österreichischer Seite darauf ausdrücklich angesprochen wurden, antworteten sie ausweichend80. Bonn sollte für seinen Beitritt zur NATO zahlen, und deshalb bekräftigte Chruscev erneut den sowjetischen Entschluß zu einem geteilten Deutschland. Bei den Verhandlungen, die er am 10. September mit Adenauer in Moskau über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen führte, verurteilte er die westdeutsche NATO-Mitgliedschaft, räumte jedoch ein, daß der Zeitpunkt für eine Annullierung verstrichen war, und versuchte statt dessen, Bonn mit dem Vorschlag näher an Moskau heranzulocken, daß sein Land ein besserer Handelspartner für Bonn sein könnte als jedes andere Land 8 '. Die Verleihung der formalen Insignien für Ostdeutschlands Souveränität kurz nach Adenauers Besuch war eher eine verzögerte Reaktion auf die Pariser Verträge als das Vorspiel für eine neue sowjetische Initiative zur deutschen Frage. Auf dem Papier wurde dem Moskauer Satellitenstaat laut Vertrag vom 20. September ein ähnliches Maß an Souveränität zugestanden wie Westdeutschland es von den Alliierten erhalten hatte82. Auch die ostdeutsche Armee wurde nach ihrer Gründung zu Beginn des folgenden Jahres — wie ihr westliches Pendant — vollständig in den Pakt integriert, was sie von den anderen Mitgliedern unterschied. Diese Parallelität sollte den von Moskau vorgeschlagenen symmetrischen Abbau der beiden Bündnisse, wenn er je eintreten sollte, wesentlich erleichtern. Bei dem Versuch, ein Disengagement voranzutreiben, das im Endeffekt den Westen zwingen würde, beide Bündnisse auf dem Verhandlungsweg abzuschaffen und durch ein gesamteuropäisches, von Moskau garantiertes Sicherheitssystem zu ersetzen, nahm man die nordischen Länder ins Visier. Um die Wiederwahl des finnischen Präsidenten Urho Kekkonen und die Fortsetzung seiner prosowjetischen Außenpolitik zu sichern, erklärte Moskau im September seine Bereitschaft, die Porkkala-Udd-Militär- und Marinebasis bei Helsinki zu räumen83. Diese einseitige Konzession verkaufte Moskau als ein Beispiel, dem die NATO folgen sollte. Parallel dazu vollzog die Sowjetunion eine Kehrtwendung und gab ihren Widerstand gegen eine finnische Mitgliedschaft im Nordischen Rat auf, der von Moskau lange Zeit als Vertretung der NATO geschmäht worden war, nun aber als ein potentielles Instrument gesehen wurde, diese zu unterminieren 84 . Norwegen stand im Mittelpunkt der sowjetischen Bemühungen. Nachdem dessen sozialdemokratischer Ministerpräsident Einar Gerhardsen seinen Wunsch 19 8"

«ι 82 83 84

Thoß, Modellfall Österreich? Mastny, Kremlin Politics, S. 48; Kreisky, Die österreichische Neutralität, S. 7 - 11. Warschauer Pakt, S. 96 - 98. Sowjetisch-ostdeutscher Vertrag vom 20.9.1955, in: DIA, 1955, S. 2 0 0 - 2 0 2 . Rentola, From Half-Adversary. Fiedler, Der sowjetische Neutralitätsbegriff, S. 231.

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nach Aufnahme guter Beziehungen zur Sowjetunion erklärt hatte, wurde er nach Moskau eingeladen. Bei seinem Besuch, der vom 10. bis 22. November 1955 stattfand, belehrten ihn die sowjetischen Gastgeber darüber, wie wünschenswert es sei, daß die nordischen Länder engere Beziehungen untereinander anstatt zur NATO entwickelten. Chruscev versuchte — allerdings ohne Erfolg —, ihn dazu zu überreden, Norwegens freiwilligen Verzicht auf die Präsenz ausländischer Truppen auf seinem Territorium (außer im Falle eines Krieges bzw. einer Kriegsgefahr) in ein internationales Abkommen umzuwandeln, das die Sowjetunion mitunterzeichnen würde. Damit hätte sie Einblick in Entscheidungen über Norwegens Sicherheit erhalten. Chruscev bot an, die sowjetische Armee so weit von ihren nördlichen Grenzen abzuziehen, wie es die Norweger wünschten 85 . Und er drängte sie — ebenfalls vergeblich —, »symbolisch« dem Handel mit zumindest einigen, von der NATO verbotenen strategischen Gütern zuzustimmen. »Wer steht Ihnen vom sozialen Hintergrund näher«, so Chruscevs Appell an den Politiker aus der Arbeiterpartei, »die US-Kapitalisten oder die Vertreter von Rußlands Arbeiterklasse*''?« Beim Besuch des dänischen Ministerpräsidenten Hans-Christian Hansen im März 1956 breitete Chruscev seine Gedanken darüber aus, daß »wir unseren friedliebenden Charakter bewiesen haben, es weiterhin tun und damit ein Auseinanderbrechen der NATO erreichen werden. Wir werden die Truppenreduzierungen einseitig fortsetzen [...] Es wird Ihnen schwerfallen, die NATO vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen 37 .« In der Tat reduzierte er die Truppen stärker, als dies vom ZK der KPdSU auf der Grundlage dessen, was das sowjetische Militär für akzeptabel hielt, genehmigt worden war88. Und die NATO war tatsächlich betroffen, aber auch skeptisch. Bei dem Besuch des schwedischen Ministerpräsidenten Tage Erlander im selben Monat pries Moskau die schwedische Neutralität und warb für die Idee einer Ostsee als »Meer des Friedens«. Er verstand darunter ein Gewässer, aus dem die Schiffe der NATO, nicht jedoch die des Warschauer Pakts, ausgeschlossen sein würden 89 . Er legte Norwegen und Dänemark dringend nahe, ihre Neutralität zu verkünden und Sicherheit in Verträgen mit der Sowjetunion zu suchen. Der Abzug der sowjetischen Truppen aus Porkkala-Udd führte zumindest dazu, daß das isländische Parlament mit dem Ersuchen an die Vereinigten Staaten herantrat, deren Keflavik-Luft- und Marinestützpunkt ebenfalls aufzugeben9". Allerdings hatten die Isländer mit ihrem Wunsch genauso wenig Erfolg wie die Sowjetunion im Hinblick auf Norwegen und Dänemark. Die Sowjetunion hegte überzogene Hoffnungen hinsichtlich der Fähigkeit und Bereitschaft der westeuropäischen Linken, durch engere Verbindungen mit Mos81

87 sti B24 125

The Soviet Disarmament Proposal of March 27, 1956, April 3, 1956, IR7216, RG 59, NARA; Draft Statement on Disarmament, 24.4.1956, NATO-Min Mtg of the Council (papers 26.4.-26.6.56), 90-91/008, vol. 217, 50102-N-40, part 2, RG 25, PAC. T h e J I C Semi-Annual Review of Trends in Communist Bloc Policv Including Communist China (1 October 1 9 5 5 - 2 9 Februar)· 1956), Adm. Radford ftle, 091 Russia (1956), RG 218, NARA. USNMR Paris France to OASD/ISA Washington DC, July 18, and Exchange of Visits of Military Personnel between the U.S. and Soviet Commands in Germany, July 21, 1956, CCS 350.09 USSR (12-19-49) Sec. 12, RG 218, NARA. Bloomfield/Clemens/Griffith, Khrushchev, S. 29.

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in einer Krise126. Das war auch die Meinung des Nordatlantikrats, der darauf hinwies, daß sich Chruscevs einseitiger Truppenabbau und seine »zuckersüßen« Appelle für eine friedliche Koexistenz auf die westliche Solidarität zersetzend auswirkten127. Gleichwohl war der Bestand des sowjetischen Blocks und nicht der der NATO in Gefahr, als es in Polen im Juni 1956 zu Aufständen kam, die im weiteren Verlauf des Jahres zu einer Krise größten Ausmaßes in Osteuropa führten128. 5. Das Ende der Entspannung Der Westen verkannte die Lage in Osteuropa völlig. Nach den polnischen Unruhen waren, so die Einschätzung führender amerikanischer Repräsentanten, »die osteuropäischen Satelliten weiterhin fest unter sowjetischer Herrschaft, und es bestehen gegenwärtig diesbezüglich wenig Aussichten auf eine radikale Änderung«129. Die sowjetische Führung war freilich nicht dieser Auffassung. Sie bereitete ein militärisches Eingreifen in Polen vor, um die dortige Entwicklung aufzuhalten, die in einer Niederlage der Kommunisten zu enden drohte130. Zwar gärte es auch in der polnischen Armee. Dennoch behielt ihr sowjetischer Befehlshaber, Verteidigungsminister Rokossovskij, so weit die Kontrolle, um die polnischen Streitkräfte von einem wirksamen Widerstand gegen die Intervention abzuhalten. Das war beim Innenministerium, das von der Partei beherrscht wurde, nicht so sicher131. In der Auseinandersetzung vom 18. Oktober 1956 zwischen dem polnischen und dem sowjetischen Politbüro — das in toto ohne Einladung in Warschau eingetroffen war stand die Mitgliedschaft Polens im Warschauer Pakt zur Debatte. Der unlängst berufene, reformorientierte Parteichef Wladyslaw Gomulka versuchte seine mißtrauischen Gäste davon zu überzeugen, daß die Loyalität des Landes gegenüber der sowjetischen Allianz fortdauere und über jeden Zweifel erhaben sei. Dagegen drohte Chruscev, daß die Sowjetunion aller Bekundungen der Polen zum Trotz einzugreifen habe132. Es war mithin ein beachtliches Kunststück Gomulkas, die sowjetische Führung davon zu überzeugen, daß er alles unter Kontrolle hatte und sie mithin auf ihr Vorhaben verzichten konnten. Nachdem diese Kraftprobe die unmittelbare militärische Intervention verhindert hatte, war sogar Dulles bereit zu glauben, daß die sowjetischen Konzessionen zu freien Wahlen in Polen führen und somit eine wohlwollende amerikanische

126 Peck, Das imperialistische Kriegspaktsystem. 127 Spencer, Alliance Perceptions, S. 20. 128 Nalepa, Polnische Armee. 129 US Policy toward the Soviet Satellites in Eastern Europe, July 18, 1956, NSC 5608/1, RG 273, NARA. 130 Nalepa, Polnische Armee, S. 6 0 - 7 3 . 131 Gluchowski, The Soviet-Polish Confrontation. 132 Record of Gomulka-Zhou Enlai, in: Soudobe dejiny (Prag), 4 (1997) 2, S. 347.

III. Entspannungsversuche

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Politik gegenüber seiner neuen kommunistischen Führung rechtfertigen würden133. Als aber die späteren Ereignisse in Ungarn eine völlig neue Richtung nahmen, machte sich Eisenhower — und nicht Dulles — die weit hergeholte Auffassung zu eigen, daß die Sowjetunion »versucht sein könnte, zu äußerst extremen Mitteln zu greifen und sogar einen Weltkrieg heraufzubeschwören« 134 . Überzeugt davon, daß das sowjetische Vorgehen wesentlich von der Haltung der USA abhing, hielt er es für angebracht, den Kremlführern sowohl öffentlich als auch über diplomatische Kanäle zu versichern, daß Washington nicht beabsichtigte, ihre Notlage zu ihrem militärischen Nachteil auszunutzen 135 . Harold Stassen, der für Abrüstungsfragen zuständige Sonderberater des Präsidenten, schlug vor, ihnen zu sagen, daß »wir für die Satelliten einen gewissen neutralen Status wie den von Osterreich akzeptieren« und Ungarn nicht in die NATO aufnehmen würden, was Dulles in einer öffentlichen Rede am 27. Oktober bekräftigte 136 . In Wirklichkeit hat die sowjetische Führung nie mit einer Reaktion der NATO gerechnet; tatsächlich wurde das Bündnis in ihren Diskussionen fast nie erwähnt. Auch wenn sie in Unterredungen mit ungarischen Kommunisten versuchten, die sowjetische militärische Präsenz im Land damit zu rechtfertigen, daß »der Rückzug sowjetischer Truppen unweigerlich den Einmarsch von US-Truppen herbeifuhren würde«, zogen sie die Möglichkeit einer Militäraktion des Westens nicht in Betracht137. Bei ihrer Sorge um das sich verschiebende Ost-West-Gleichgewicht spielte die tatsächliche bzw. voraussichtliche westliche Reaktion bei ihren Entscheidungen eine unbedeutende Rolle. Die Haltung Chinas war ihnen wichtiger. Entgegen westlichen Einschätzungen waren sie immer noch bereit, Gomulka gewaltsam zu entfernen — selbst nachdem er ihnen versichert hatte, daß Polen im Warschauer Pakt bleiben würde —, und konnten nur durch den starken Widerstand der chinesischen Kommunisten davon abgehalten werden138. Während der Kreml sich noch unschlüssig über sein Vorgehen in Ungarn war, reflektierte er über die mögliche Rolle des Warschauer Pakts bei der Lösung der Krise. Zukov sagte gegenüber dem amerikanischen Botschafter Bohlen, daß nicht nur der Rückzug der gegenwärtig in Ungarn stehenden sowjetischen Truppen, sondern auch eine mögliche Intervention dorthin eine Angelegenheit sei, die der Pakt zu entscheiden habe139. In der Tat war dies die vorherrschende Meinung innerhalb der Parteiführung; sogar Molotov vertrat die Auffassung, die Entscheidung müsse in Absprache mit den Verbündeten getroffen werden14". Mehrere von Memorandum der Unterredung mit B. Yarrow vom 22.10.1956, zit. in: Machcewicz, U.S. Policv, S. 6 f. 13-> Memorandum über eine Diskussion im NSC vom 29.10.1955, FRUS, 1955-1957, XXV, S. 2 9 5 - 2 9 9 , S. 299. 133 Garthoff, Hungary· 1956. 1,6 Memorandum über eine Unterredung zwischen Dulles und Stassen vom 26.10.1955, FRUS, 1955-1957, XXV, S. 305,318. 137 Mikojan und Suslov an das ZK der KPdSU vom 26.10.1956, in: Hidden Historv, Dok. Nr. 3. 138 Kramer, Soviet Union, S. 172, 1 8 6 - 190; Cheng Jian, Beijing, S. 7 - 9, 13. Bohlen an Department of State am 26.10.1956, FRUS, 1955- 1957, XXV, S. 336 f. ,4 " Arbeitsnotizen von der Präsidiumssitzung der KPdSU vom 30.10.1956, in: Hidden Historv. 133

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ihnen, insbesondere die Tschechoslowakei, Rumänien und Bulgarien, waren nur allzu bereit, »Freiwillige« zu entsenden, um eine Ausbreitung des ansteckenden ungarischen Einflusses zu verhindern 141 . Titos Haltung dazu war für die sowjetische Führung so wichtig, daß Chruscev und mehrere andere Präsidiumsmitglieder eine anstrengende Reise unternahmen, um sich mit ihm in seiner Sommerresidenz in Brioni zu beraten. Unter starkem chinesischen Druck, die »Souveränität« sozialistischer Länder zu respektieren, traf das Präsidium am 30. Oktober 1956 einmütig die Entscheidung, Ungarn seinen Weg gehen zu lassen, ungeachtet des damit geschaffenen gefährlichen Präzedenzfalles. Kein anderer als Molotov räumte ein, daß »der Verlauf der Ereignisse die Krise in unseren Beziehungen zu den Volksdemokratien offenbart [...]. Wenn die ungarische Regierung zustimmt, sind wir bereit, unsere Truppen abzuziehen 142 .« Die gleichzeitig ablaufende britisch-französische Militäraktion gegen Ägypten am Suezkanal bestärkte den Kreml zusätzlich in seiner Abneigung, in Ungarn einzugreifen. Nach Chruscevs Worten war die schwierige Lage, in die sich die Briten und Franzosen gebracht hatten, kein nachahmenswertes Beispiel143. Das Präsidium verabschiedete den Wortlaut einer Erklärung über die Beziehungen zu den sozialistischen Staaten, die über alle zuvor gemachten sowjetischen Statements hinausging, in denen die Bereitschaft signalisiert wurde, deren autonome Entwicklung stillschweigend zu akzeptieren. Als sie am 31. Oktober veröffentlicht wurde, enthielt sie das Angebot, die sowjetischen Berater zurückzurufen und die Präsenz sowjetischer Truppen in Polen, Ungarn und Rumänien zu diskutieren, wobei darauf bestanden wurde, ausländische Truppen auf dem Territorium der Warschauer Pakt-Staaten nur nach Absprache unter ihnen allen sowie mit Zustimmung des betroffenen Landes zu stationieren144. Am selben Tag jedoch machte der Kreml seine am Vortag getroffene Entscheidung rückgängig und sprach sich für den Einsatz von Truppen in Ungarn aus145. In Washington zeigte man sich besorgt über »eine Reihe von unweigerlich zu einem Krieg führenden Aktionen und Gegenaktionen«, während die sowjetische Führung überzeugt blieb, daß »es keinen großen Krieg geben wird«146. Die Erklärung der Budapester Regierung vom 1. November 1956, die die Mitgliedschaft des Landes im Warschauer Pakt aufkündigte und die Großmächte um Garantien für seine Neutralität ersuchte, spielte bei der Kehrtwende keine Rolle. Sie kam, nachdem die Entscheidung in Moskau bereits gefallen war, hat sie lediglich bekräftigt. Ebensowenig haben die Untätigkeit des Westens in der Ungarn141 142 143 144 145 146

Aufzeichnungen der Gespräche zwischen sowjetischen und polnischen Partei- und Staatsdelegationen, 24./25.5.1957, ebd. Zit. in: Zubok, The Kremlin Power, S. 10. Arbeitsaufzeichnungen von der Präsidiumssitzung der KPdSU vom 28.10.1956, ebd. Sowjetische Erklärung vom 30.10.1956, in: Warschauer Pakt, S. 111-113. Arbeitsaufzeichnungen von der Sitzung des Präsidiums der KPdSU vom 31.10.1956, in: Hidden History. U.S. Policy toward Developments in Poland and Hungary, NSC-5616, 31.10.1956, in: ebd., Dok. Nr. 7.

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Frage und das britisch-französische Vorgehen gegen Ägypten, das den Widerspruch der Amerikaner hervorrief und zu einer Krise in der NATO führte, dabei eine Rolle gespielt. Was letzten Endes die zögernden sowjetischen Führer zu ihrer Kehrtwendung veranlaßte, war der rapide Verlust der kommunistischen Kontrolle in Ungarn. Auch die Chinesen und Tito votierten jetzt für eine Intervention. Als die Sowjetunion zur Wiederherstellung der kommunistischen Herrschaft in Ungarn Truppen entsandte, tat sie dies nicht unter dem Vorwand, im Rahmen des Warschauer Paktes zu verfahren, auch wenn sie sich in der Tat zuvor mit den Mitgliedsstaaten beraten hatte147. Im Unterschied zu den Amerikanern dachten die Sowjets eher in politischen als in militärischen Kategorien. Ihre Hauptsorge galt den voraussichtlichen Auswirkungen der polnischen und ungarischen Ereignisse auf die Stabilität ihres Reiches. Das heißt nicht, daß Chruscev und seinen Genossen die Wirkung der gewaltsamen Niederschlagung des Ungarn-Aufstands auf die Ο st-West-Beziehungen gleichgültig war. Es ging ihnen aber mehr um die Wahrnehmung von Stärke und Schwäche als um die Zukunft der Entspannung. »Wenn wir aus Ungarn weggehen«, erklärte Chruscev auf der Präsidiumssitzung vom 31. Oktober, als er die Maßregelung rechtfertigte, »wird dies den Amerikanern, Engländern und Franzosen — den Imperialisten — Auftrieb geben. Sie werden es als Schwäche unsererseits auslegen und in die Offensive gehen. Wir würden dann die Schwäche unserer Positionen offenlegen [...] Nach Ägypten komm: dann Ungarn. Uns bleibt keine Wahl14*.« Ungeachtet ihrer Passivität hat die NATO gleichwohl Einfluß ausgeübt — und dies auf eine unerwartete Art und Weise. Der ursprünglich am Leitbild der NATO orientierte Aufbau des Warschauer Paktes suchte den Kreml in Polen in dem Sinne heim, daß polnische Generäle sich motiviert sahen, eine Reform des kommunistischen Bündnisses vorzuschlagen, um es mehr dem westlichen Modell anzugleichen. Sie stützten sich dabei auf die Erklärung vom 30. Oktober, in der die Sowjets zugestimmt hatten, die einseitigen Bestimmungen des Warschauer Vertrags zu revidieren, die Präsenz der sowjetischen Truppen auf dem Territorium seiner Mitgliedsstaaten zu regeln und die dort unerwünschten sowjetischen Militärberater abzuziehen 149 . Ungeachtet der fortschreitenden Niederschlagung des Aufstands in Ungarn, die Moskau als angeblich durch den Vertrag gerechtfertigt verteidigte15", bildete der polnische Generalstab eine Sonderkommission zur Ausarbeitung von Reformvorschlägen und der künftigen Rolle des Landes im Bündnis. Der stellvertretende Stabschef, General Jan Drzewiecki, formulierte eine Kritik an den geheimen Bestimmungen von 1955 über die Vollmachten des Oberkommandierenden des Warschauer Pakts sowie ein »Rechtsgutachten« über die Vereinbarungen des 10-Jahres-Entwicklungsplans für die polnischen Streitkräfte, der 14: 14K

149

Pronko, Ungarn - UdSSR, S. 7 5 - 9 4 , 87 f. Arbeitsnotizen von der Präsidiumssitzung der KPdSU v o m 31.10.1956, in: Hidden Historv, Dok. Nr. 6. Erklärung v o m 30.10.1956, in: Jain, Documentary Study, S. 1 6 8 - 171. A. Sobolev bei einer Sitzung des L'N-Sicherheitsrats v o m 4.11.1956, FRUS, 1 9 5 5 - 1 9 5 7 , X X V . S. 388.

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von Moskau vor und nach der Unterzeichnung des Paktes auferlegt worden war151. Er führte aus, daß den Vereinbarungen die gebührende gesetzliche Grundlage fehlte und sie nicht wirklich bilateral seien, da sie nur aus polnischen Verpflichtungen bestanden. Unter Bezug auf die geheimen militärischen Anlagen wies Drzewiecki darauf hin, daß nicht einmal der Außenminister seines Landes darüber in Kenntnis gesetzt worden war. In dem am 7. November 1956 fertiggestellten endgültigen Text waren die polnischen Argumente für eine Reform des Bündnisses zusammengefaßt worden und die vorgeschlagenen Verpflichtungen des Landes im Bündnis aufgeführt 152 . Unter Berücksichtigung der internationalen Lage — konkret: des schwebenden Anspruchs des NATO-Mitglieds Bundesrepublik auf die von Polen nach dem Zweiten Weltkrieg annektierten Gebiete — stellte das Dokument nicht das Bedürfnis des Bündnisses nach Sicherheit für die Nation in Frage, beanstandete aber seine militärischen Bestimmungen. Der Autor erhob Einwendungen gegen den Status des Oberbefehlshabers und seines Stabschefs als supranationale Offizielle mit Vorrechten, die mit der polnischen Unabhängigkeit und Souveränität unvereinbar waren, gegen die »rein formale« Vertretung der Unterzeichner in dem Vereinten Kommando, gegen die willkürliche Festsetzung der nationalen Kontingente für das Bündnis und — höchst aktuell in Anbetracht der Intervention in Ungarn — gegen unzureichende Regelungen im Hinblick auf sowjetische Truppenstationierungen auf den Territorien der anderen Mitgliedsstaaten 153 . Als die Intervention zu einem Fait accompli geworden war, hielten es die Polen für ratsam, ihre radikale Kritik am Warschauer Pakt von der Forderung nach einer Regelung für die seit dem Zweiten Weltkrieg auf ihrem Territorium stationierten sowjetischen Truppen zu trennen, hauptsächlich, um die Verbindungen zu den Besatzungskräften in der DDR zu erleichtern. Die Forderung kam zeitlich günstig, weil darin das Beispiel vom Status der ausländischen Truppen in den NATOLändern angeführt und sogar die Art und Weise angedeutet wurde, mit der die amerikanische Militärpräsenz auf den Philippinen, in Libyen und Äthiopien ak-

Uwagi i propozycje odnosnie dokumentu p.n. »Polozenie ob ob'edinennom komandovanii vooruzennymi silami gosudarstv-ucastnikov Varsavskogo dogovora« [Überlegungen und Vorschläge bezüglich des Dokuments mit dem Titel »Bestimmungen über das Vereinte Kommando der Streitkräfte der Mitgliederstaaten des Warschauer Vertrags«] und Analiza strony prawnej dokumentu p.n. »Protokol sovescanija po planu razvitija Vooruzennych Sil Pol'skoj Narodnoj Respubliki na 1 9 5 5 - 1 9 6 5 gg.« oraz nastgpnych protokölöw wnosz^cych do niego zmiany [Analyse der legalen Aspekte des Dokuments mit dem Titel »Protokoll über die Beratung des Plans für die Entwicklung der Streitkräfte der Polnischen Volksarmee 1955-1965« sowie seine späteren Abänderungen], 3.11.1956, Mikrofilm (o) 96/6398, rel W-15, LC. 152 Der Stellvertretende Verteidigungsminister Bordzilowski an Gomulka am 7.11.1956, KC PZPR 2661/53, AAN; Memorandum w sprawie Ukladu Warszawskiego oraz planu rozwoju Sil Zbrojnych PRL [Memorandum über den Warschauer Vertrag und den Plan für die Entwicklung der polnischen Streitkräfte], Mikrofilm (o) 96/6398, reel W-25, LC. 153 Vgl, Wykaz zagadnien wojskowych wymagaj^cych omöwienia i uregulowania na nowych zasadach [Skizzierung militärischer Probleme, die einer Diskussion und Regelung gemäß den neuen Prinzipien bedürfen], von Drzewiecki vom 8.11.1956, KC PZPR 2661/137-38, AAN. 151

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zeptabel gemacht wurde 154 . Moskau, das vor dem Hintergrund des Vorgehens in Ungarn immer noch in der Defensive war, sicherte Polen am 17. Dezember 1956 ein günstigeres Abkommen über den Status der Streitkräfte zu als jedem anderen Land. Es gestand der Gastnation die Gerichtsbarkeit im Falle eines Verstoßes gegen polnische Gesetze von selten des sowjetischen Militärpersonals zu und sah vor, die polnische Regierung im voraus über jedwede Truppenbewegung zu informieren. Auch wenn der erste Punkt in der Folge umgangen wurde, fand der zweite im allgemeinen Beachtung 155 . Nach diesem bedeutenden Zugeständnis an den polnischen Sonderstatus war Moskau nicht geneigt, auch noch die Reform des Warschauer Pakts anzugehen. Als der polnische Verteidigungsminister Marian Spychalski dieses Thema bei seinem Besuch in der sowjetischen Hauptstadt im Januar 1957 ansprach, fühlte sich der Oberkommandierende des Paktes, Marschall Ivan S. Konev, persönlich beleidigt. Er war entsetzt über die Idee, sein Amt solle im Rotationsverfahren besetzt werden. »Bilden Sie sich etwa ein, daß wir hier eine Art NATO schaffen werden?156«, brach es aus ihm heraus. Der Vorschlag wurde zu den Akten gelegt457 — und damit auch für ein weiteres [ahrzehnt die Reform des Warschauer Pakts. Als die sowjetische Intervention in Ungarn ihren Höhepunkt erreichte, wollte Chruscev davon ablenken, indem er öffentlich damit drohte, Paris und London mit Atomraketen auszulöschen, wenn die Briten und Franzosen nicht ihre Intervention am Suez beendeten. Da er die Raketen nicht hatte und die Briten und Franzosen aufgrund der amerikanischen Opposition ohnehin bereits dabei waren, die Intervention zu beenden, bluffte er nur. Gleichwohl galten sowohl die in Ägypten erzielten Ergebnisse wie auch die für die Wiederaufnahme der Entspannung geschaffenen Voraussetzungen dem Genossen Anastas Mikojan im Rückblick als Erfolg von Chruscevs »Zähnezeigen« 158 . Auch wenn das sowjetische Verhalten im Westen anders gesehen wurde, machte Moskau dessen ungeachtet auf der Grundlage dieser Annahme weiter. Das in den Straßen von Budapest vergossene Blut war kaum getrocknet, da legte die Sowjetunion tatsächlich einen weiteren Abrüstungsvorschlag vor, mit dem einigen Wünschen der Vereinigten Staaten entsprochen werden sollte. Abgesehen von der Zustimmung zu Eisenhowers Idee der »Open Skies« — ein Versuchsmodell innerhalb des Korridors zu beiden Seiten der Ost-WestTrennungslinie — sah der Vorschlag den Abbau von konventionellen wie atomaren Kräften als Vorbereitung zum Abzug aller ausländischen Truppen aus Europa vor. Zufällig wurde in Washington zur selben Zeit gerade ein eigener Vorschlag erwo-

lä4

Kommentar von Drzewiecki, ohne Datum (November/Dezember 1956), KC PZPR 2661/124,

AAN.

Pioro, Armia ze skaz% S. 277 - 280. 15« Ebd., S. 2 8 0 - 2 8 2 . '5' Randnotiz auf Dok. Nr. 2, in: CWIHP, Bull. 11, S. 2 3 6 - 2 3 8 . 158 Sitzung des ZK-Plenums der KPdSU vom 24.6.1957, in: Istoriceskij Archiv (1993) 4, S. 4 - 3 6 , S. 33. 155

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gen, mit dem im Gegenzug der Abzug sowjetischer Truppen aus Osteuropa erreicht werden sollte159. Beide Vorschläge waren vor dem ungarischen Aufstand ausgearbeitet worden und hätten vielleicht zu Verhandlungen geführt, wenn Moskau nur den Eindruck hätte vermeiden können, aus Schwäche heraus zu verhandeln. Doch die Ereignisse in Osteuropa machten das unmöglich. Amerikanische Beobachter verwarfen den sowjetischen Abrüstungsvorschlag als alten Wein in neuen Schläuchen, und Dulles dementierte öffentlich, daß Washington die Möglichkeit von Verhandlungen über einen gegenseitigen Truppenabzug erwäge16". Amerikanischen Einschätzungen zufolge war Moskau nicht bereit, seine Truppen aus Osteuropa zurückzuziehen, selbst wenn es dafür den Abzug der Amerikaner aus Westeuropa erreichen konnte. Ungeachtet des Dramas sowjetischer Unterdrückung in Ungarn, befürchtete die Führung der NATO nach wie vor, es könne Moskau gelingen, ihre Wähler von seiner Friedensliebe und seinen guten Absichten zu überzeugen161. Darüber hinaus kam die Ständige Gruppe der NATO zu dem beunruhigenden Schluß, daß im Falle eines Angriffs aus dem Osten ein Rückzug zum Rhein innerhalb von 48 Stunden unvermeidlich war162 — und die Reduzierung der amerikanischen und britischen Truppen in Europa hatte infolge der Verlagerung zur Strategie der massiven nuklearen Vergeltung gerade erst begonnen163. Die Möglichkeit eines Einsatzes von Nuklearwaffen auf dem dicht besiedelten Kontinent blieb jedoch fragwürdig164. Um den mit ihrem angekündigten Einsatz als Vergeltung entstandenen Druck zu mindern, plädierte der SACEUR, General Lauris Norstad, dafür, »zuerst eine Pause« mit konventionellen Waffen einzulegen, wodurch der Sinn der ganzen neuen Strategie angezweifelt wurde, bevor sie überhaupt umgesetzt werden konnte165. Es waren die Vereinigten Staaten und nicht annähernd so intensiv ihre europäischen Verbündeten, die auf der weiteren Entwicklung der atomaren Abschreckung als notwendige Voraussetzung für mögliche Verhandlungen mit Moskau über politische Kernfragen bestanden. Was die Sowjetunion anging, so empfand sie ungeachtet ihrer massiven Verurteilung der NATO-Strategie das westliche Engagement für eine massive Vergeltung nicht sonderlich besorgniserregend, da sie nicht ernstlich an einen Angriff des Westens glaubte — es sei denn, er würde massiv herausgefordert, was zu tun sie nicht beabsichtigte166. Chruscev übertraf die westliche Führung in puncto Flexibilität und der Bereitschaft zur EntmilitarisieNSC 5616/2, 19.11.1956, und Possible Withdrawal of Forces from Central Europe, Mill 178, Box 3, RG 273, NARA. 160 Soviet Disarmament Proposal Has Few New Points, November 20, 1956, IR 7379, RG 59, NARA; Hinterhoff, Disengagement, S. 193. Osgood, NATO, S. 4. 162 Wiggershaus, Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen, S. 47 f. 163 Stromseth, Origins, S. 89. "•· Osgood, NATO, S. 135. 165 Kugler, Commitment, S. 88. "'China Lobby< Politics, 1953-1971, New York 1976 Backer, John H., The Decision to Divide Germany. American Foreign Policy in Transition, Durham N.C. 1978 Backer, John H., Priming the German Economy. American Occupational Policies, 1945-1948, Durham N.C. 1971 Backer, John H., Winds of History. The German Years of Lucius DuBignon Clay, New York 1983 (Die deutschen Jahre des Generals Lucius D. Clay. Der Weg zur Bundesrepublik 1945-1949, München 1983) Baev, Jordan, Izgrazdane na voennata struktura na organizatsijata na Varsavskija dogovor 1955-1969 g.[Über den Militäraufbau im Warschauer Pakt], in: Voennoistoriceski sbornik, 66 (1998) 5 Baev, Jordan, Voennopoliticeskite konflikti sled vtorata svetovna vojna i B'lgarija [Militärisch-politische Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg in Bulgarien], Sofia 1955 Bajanov, E., Assessing the Politics of the Korean War, 1949-51, in: CWIHP, 6/7 (Winter 1995/6) Bald, Detlef, Militär und Gesellschaft 1945-1990. Die Bundeswehr der Bonner Republik, Baden-Baden 1994 Militär und Sozialwissenschaften, Bd 13) Ball, Desmond, Politics and Force Levels. The Strategic Missile Program of the Kennedy Administration, Berkeley 1980 Ball, Desmond, U.S. Strategic Forces. How Would They Be Used?, in: IS, 7 (1982/83) 3, S. 31-60 Ball, Simon, Military Nuclear Relations Between the US and Great Britain Under the Terms of the McMahon Act, 1946-1958, in: HJ, 38 (1995), S. 439-454

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