106 84 8MB
German Pages 47 [50] Year 2016
4. Petra Plättner (Hrsg.) Der schwierige Neubeginn – Vier deutsche Dichter 1949. Beiträge von Heinrich Detering, Dirk von Petersdorff, Hans Dieter Schäfer und Albert von Schirnding anlässlich des 60jährigen Bestehens der Klasse der Literatur ISBN 978-3-515-09637-9 79 S., € 14,– Jahrgang 2010 1. Karl-Heinz Ott Die vielen Abschiede von der Mimesis ISBN 978-3-515-09803-8 20 S., € 6,– 2. Klaus Böldl Dämon und Göttergünstling. Anmerkungen zu einer isländischen Dichterpersönlichkeit des 10. Jahrhunderts ISBN 978-3-515-09804-5 20 S., € 6,– Jahrgang 2011 1. Hans Dieter Schäfer Verteidigung des Lebens durch Poesie. Über die Moderne von Klopstock bis Benn ISBN 978-3-515-09968-4 72 S., mit 31 Abb., € 14,– 2. Albert von Schirnding Nach dem »Sündenfall«. Droht eine neue pädagogische Eiszeit? ISBN 978-3-515-09969-1 20 S., € 6,–
Jahrgang 2013 1. Hans Dieter Schäfer Kommunikationslosigkeit und Gewalt. Über Georg Büchners ›Woyzeck‹ ISBN 978-3-515-10443-2 48 S., mit 13 Abb., € 11,– 2. Arnold Stadler Bilder als Partituren des Lebens: Ein Ausflug in die Welt des Malers Arnold Bräckle. Eine Vergegenwärtigung ISBN 978-3-515-10444-9 48 S., mit 19 z.T. farbigen Abb., € 11,–
Preisänderungen vorbehalten
Jahrgang 2014 1. Jan Wagner Der Poet als Maskenball. Über imaginäre Dichter ISBN 978-3-515-10822-5 20 S., € 6,–
Ulrich Konrad Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹ op. 140 von Max Reger
2. Ulrich Konrad Werkstattblicke. Haydn, Beethoven und Wagner beim Komponieren beobachtet ISBN 978-3-515-10823-2 32 S., mit 14 Abb., 9 Notenbeispielen und einer CD als Beilage, € 11,– Jahrgang 2015 1. Uwe Pörksen ›In Stahlgewittern‹ oder als ›Überläufer‹ zur Natur? Ernst Jüngers Erlebnis und Wilhelm Lehmanns Deserteur und Luftmensch im Ersten Weltkrieg ISBN 978-3-515-11105-8 32 S., mit 3 Abb., € 8,– 2. Paul-Michael Lützeler Napoleons caesaristischer Ehrgeiz im Hinblick auf den Europa-Diskurs ISBN 978-3-515-11106-5 32 S., mit 23 Abb., € 8,– Jahrgang 2016 1. Hans Dieter Schäfer Hermann Lenz – Das Tagebuch aus dem Nachlaß. Mit einer Spurensuche und einer Familienerinnerung von Hanne Lenz ISBN 978-3-515-11607-7 ISBN für das E-Book: 978-3-515-11608-4 84 S., mit 46 teils farbigen Abb., € 14,2. Ulrich Konrad Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹ op. 140 von Max Reger ISBN 978-3-515-11609-1 ISBN für das E-Book: 978-3-515-11610-7 48 S., mit 3 Abb. und 7 Notenbeispielen, € 11,-
ISSN 0002-2985
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR • MAINZ FRANZ STEINER VERLAG • STUTTGART
Klasse der Literatur und der Musik
weitere Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Klasse der Literatur (ab 2014: Klasse der Literatur und der Musik)
akademie der wissenschaften und der literatur Abhandlungen der Klasse der Literatur und der Musik Jahrgang 2016 · Nr. 2
Ulrich Konrad Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹ op. 140 von Max Reger
akademie der wissenschaften und der literatur · mainz franz steiner verlag · stuttgart
Vorgelegt in der Plenarsitzung am 18. Juni 2016, zum Druck genehmigt am selben Tag, ausgegeben am 4. November 2016.
Für Professor Dr. Susanne Popp, Doyenne der Max Reger-Forschung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abruf bar. ISBN: 978-3-515-11609-1 ISBN für das E-Book: 978-3-515-11610-7
© 2016 by Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz Alle Rechte einschließlich des Rechts zur Vervielfältigung, zur Einspeisung in elektronische Systeme sowie der Übersetzung vorbehalten. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne ausdrückliche Genehmigung der Akademie und des Verlages unzulässig und straf bar. Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier, Deiningen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany
I Wiesbaden, Großer Saal des Kurhauses, 8. Januar 1915: Unter Stabführung seines Leiters Carl Schuricht sowie des Gastdirigenten Max Reger gibt das Städtische Kurorchester ein gesellschaftlich wie künstlerisch repräsentatives Symphoniekonzert. Der Programmzettel kündigt die Uraufführungen gleich zweier Werke des Komponisten Reger an, nämlich zum einen die der ›Variationen und Fuge über ein Thema von Wolfgang Amadeus Mozart‹ (op. 132), zum andern die der ›Vaterländischen Ouvertüre‹ (op. 140).1 Der Abend gestaltet sich für alle Beteiligten als großer Erfolg. Die beiden erstmals zu hörenden Kompositionen lösen starke Resonanz aus und bringen ihrem Urheber begeisterte Akklamationen der vielköpfigen Zuhörerschaft ein. Das sollte sich in den kommenden Jahren bei Konzerten an anderen Orten in Deutschland, bei denen Reger die Verbindung von op. 132 und op. 140 aufs Programm setzte, stets wiederholen.2 Ganz offensichtlich hatte der Komponist sowohl mit den für seine Verhältnisse kunstvoll entspannten ›Mozart-Variationen‹ als auch mit der Ouvertüre, die schon im Titel die patriotische Stimmung aufnahm, wie sie in der ersten Phase des Ersten Weltkriegs herrschte, den Nerv der Zeit getroffen. Einhundert Jahre später ist dieser Befund weitgehend überholt. Zwar gelten Regers ›Mozart-Variationen‹ gegenwärtig als sein wirkungsgeschichtlich stärkstes Orchesterwerk – sie behaupten sich unangefochten im Repertoire des internationalen Konzertlebens –, doch die ›Vaterländische Ouvertüre‹ gehört zu den am gründlichsten vergessenen Schöpfungen eines Komponisten von höchstem Rang, als welcher Reger seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu Recht angesehen wurde und wird.3 Seit 70 Jahren ist das einstige Erfolgsstück kaum mehr aufgeführt worden sein; greif bar davon ist – neben dem Notenmaterial – derzeit lediglich eine klangtechnisch wenig befriedigende Aufnahme aus dem Jahr 1942 sowie eine jüngere Produktion des vom Komponisten eingerichteten Arrangements für Klavier vierhändig.4 Selbst die seit den 1970er Jahren stetig intensivierte musikwissenschaftliche Reger-Forschung hat sich der Ouvertüre, immerhin dem letzten Orchesterwerk des Komponisten überhaupt, erst in jüngster Zeit zugewandt.5 Nach dem Hauptgrund für diese Vernachlässigung muss niemand lange suchen: Die Propaganda des sogenannten Dritten Reichs hatte sich der Ouvertüre bemächtigt und deren patriotische Gehalte – über diese wird zu sprechen sein – für ihre pervertierten Ziele genutzt. Eine Komposition, die, wie es offen am Tage zu liegen schien und scheint, aus dem Geist des Wilhelminismus und des Nationalismus heraus entstanden war, die mit musikalischen Mitteln deutsch-vaterländische Hegemonialgesinnung bezeugen und verstärken wollte, eine derartige Komposition mochte zwar nicht intentional
4
Ulrich Konrad
1 Armin Reumann (1889–1952), Max Reger. Kohlezeichnung; Meiningen, 23. Juli 1912. Max-Reger-Institut, Karlsruhe. Mit freundlicher Genehmigung.
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
5
dem Nationalsozialismus zugearbeitet, aber sich immerhin auf dessen weitem geschichtlichen Vorfeld bewegt und damit diskreditiert haben.6 An dieser Stelle könnte eine apologetisch gesinnte Reger-Historiographie auf den Weg der Verteidigung einbiegen und das Ziel anvisieren, ein sträflicherweise verkanntes Meisterwerk der Musikgeschichte zu rehabilitieren, verbunden mit der moralisch grundierten Aufforderung zur Wiedergutmachung, sprich zur neuerlichen Aufführung der ›Vaterländischen Ouvertüre‹. Abgesehen von dem aus musikbezogener Perspektive berechtigten Wunsch, die Komposition einmal in technisch wie künstlerisch möglichst vollkommener Weise gespielt zu hören, dann abgesehen auch von der fragwürdigen Rede von einer zu Unrecht vergessenen Kunstsache – wo ist denn ein Recht auf Erinnern an musikalische Hervorbringungen der Vergangenheit verbrieft? – abgesehen also von derlei peripheren Gedanken muss es dem kritisch reflektierenden Historiker primär darum gehen, in aller Nüchternheit den geschichtlichen Ort eines Ereignisses genau zu vermessen. Im Falle von Regers op. 140 warten elementare Fragen auf begründete Antworten, etwa: Wie sieht der Zeitkontext im September 1914 aus, in den Wochen, in denen und aus deren Situation heraus das Werk entstanden ist? Welche Umstände herrschen im Leben des Komponisten, als er sich – aus welchen Motiven? – an die Arbeit dieser ambitionierten Partitur macht? Wie ist die Werkgestalt beschaffen? Was lässt sich zu ihr aus kompositionstechnischem Blickwinkel sagen? Auf welche Weise korrespondieren kompositorische Faktur und außermusikalischer Gehalt miteinander, vorausgesetzt, eine solche Korrespondenz besteht nicht nur in Außenzuschreibungen, sondern eingelassen in die res facta? Einer eigenen, hier nicht zu führenden Auseinandersetzung bedürften die ästhetischen Urteile über die Ouvertüre in der Vergangenheit sowie eine entsprechende Positionierung in der Gegenwart, ausgehend von der Dekonstruktion einer spezifisch deutschen, wohl im Idealismus des frühen 19. Jahrhunderts gründenden Tradition, politisch motivierten Kompositionen mit ausgesprochener Skepsis zu begegnen. Ob es sich bei Regers ›Vaterländischer Ouvertüre‹ um gute oder schlechte Musik handelt, ist für den Historiker allerdings eine entbehrliche Frage. In den folgenden kursorischen Darlegungen kann es nur um eine Annäherung an die grundsätzliche Frage gehen, welche produktiven Reaktionen der Erste Weltkrieg in Musik ausgelöst habe. Sofern diese Reflexe Widerwärtigkeit und Grauen des Geschehens vor Ohren führen, somit dazu beitragen, die Geschichte als Lehrmeisterin für eine bessere Zukunft zu begreifen, dürfen sie der Beachtung gewiss sein, einer freilich immer auch ein wenig treuherzigen. Denn um den Krieg zu verurteilen, bedarf es keiner Kunst, und verhindern kann sie ihn erst recht nicht. Viel provozierender, auch verstörender erscheinen der Nachwelt dagegen doch die affirmativen, den Krieg verherrlichenden Kompositionen. Sich diesen Zeugnissen zu stellen, statt sie zu verdrängen, und zu ergründen suchen,
6
Ulrich Konrad
warum und wie Kunstwerken phasenweise eine Faszination für die Macht kriegerischer Gewalt eingeschrieben werden konnte, scheint die potentiell lehrreichere Herausforderung zu sein. Das gilt umso mehr für Kunstwerke, die aus Perioden der Unentschiedenheit stammen, das heißt aus Zeitabschnitten, in denen beispielsweise die Entscheidung über Sieg und Niederlage noch bevorstand. Regers ›Vaterländische Ouvertüre‹ wird sich im folgenden als bedenkenswertes Beispiel für die Ambivalenz einer Komposition erweisen, in der sich Zweifel und Gewissheit, Furcht und Mut, Wirklichkeitssinn und Überlegenheitsgetue wahrnehmen lassen. Sie kann, so die These, auch heute noch als Speicher individueller wie kollektiver Emotionen erkannt werden, als tönendes Gefühlsarchiv. Sie vermag die Einsicht zu vertiefen, dass Nachgeborene die emotionale Verfassung von Kollektiven, die in Begriffen wie ›Zeitstimmung‹ oder ›geschichtliche Atmosphäre‹ nur ungenau zu fassen sind, in einer sprachlos-auditiven Form vermittelt bekommen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dass eine Hörerschaft des frühen 21. Jahrhunderts die spezifisch historische Emotionalität nicht mehr erreicht, dürfte nur diejenigen bekümmern, die von der Zeitlosigkeit und universalen Verständlichkeit musikalischer Werke schwärmen. Aber immerhin eine Ahnung davon zu erhalten, warum Hörer vor 100 Jahren von Regers ›Vaterländischer Ouvertüre‹ hingerissen waren, lohnt die Anstrengung einer etwas mühsameren historischen Erkundung, auch im Gestrüpp geschichtlichen Unterholzes.
II Um das Mikroelement der hier in Rede stehenden Komposition lassen sich zwei konzentrische Kreise ziehen. Der äußere umfasst die »große Welt«, will sagen, die Lage in Europa unmittelbar nach den wechselseitigen Kriegserklärungen während der ersten Augustwochen des Jahres 1914, und den Verlauf der Kampf handlungen an der sogenannten Westfront zwischen Deutschem Reich und Frankreich bis in den Spätherbst. Im zweiten, inneren Kreis ist die »kleine Welt« von Regers 41. Lebensjahr eingeschlossen, einem annus horribilis für den Komponisten, in dem er zu Beginn einen Zusammenbruch erleidet, der seine physische Existenz aufs schwerste erschüttert, in dessen zweiter Hälfte sich aber auch neue Perspektiven für sein Leben und Arbeiten eröffnen.
1 Zunächst seien einige wenige Fakten aus dem Geschehen in der »großen Welt« in Erinnerung gerufen.7 Nachdem Österreich-Ungarn am 28. Juli 1914, Deutsches und Russisches Kaiserreich am 1. August, Frankreich am 3. August und Großbritannien am 4. August in den Krieg eingetreten waren, kamen im Westen rasch massive Kampf handlungen in Gang. Der deutsche Generalstab
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
7
verfolgte den sogenannten Schlieffen-Plan, nach dem ein Großteil der Truppen zunächst über Belgien von Norden her die französischen Befestigungen umgehen, das französische Heer im Rücken fassen und möglichst rasch besiegen sollte. Anschließend würden die deutschen Soldaten gegen Russland eingesetzt werden. Auf diese Weise wollte der Generalstab erreichen, den Krieg an West- und Ostfront nicht gleichzeitig führen zu müssen. Nach Anfangserfolgen sah sich die deutsche Seite in den ersten Septemberwochen einer französischen Gegenoffensive ausgesetzt; Mitte des Monats war die verlustreiche »Schlacht an der Marne« verloren. Bis Ende November 1914 verfestigte sich der Frontverlauf auf einer 800 km langen Linie von Reims über Arras und Ypern bis zur Kanalküste. Der Bewegungskrieg erstarrte endgültig zum Stellungskrieg, und spätestens zu diesem Zeitpunkt war einem Teil der Verantwortlichen in Heer und Politik klar, dass an einen deutschen Sieg nicht mehr zu denken war. Neben den, wenn man so will, technisch-militärischen Schwierigkeiten der eigentlichen Kriegsführung sahen sich die Deutschen dem geistig-moralischen Problem ausgesetzt, »auf die Frage nach dem Sinn des Krieges eine angemessene Antwort zu finden.«8 Warum überhaupt und für was kämpften sie? Wer war der Hauptfeind – Russland, England oder Frankreich? Um Antworten auf diese und andere prinzipielle Fragen bemühten sich weniger die deutsche Regierung und Heeresleitung als vielmehr die bildungsbürgerlichen Funktionseliten des Landes, allen voran Theologen und Philosophen, sowie Künstler und Schriftsteller.9 Nirgendwo anders innerhalb und außerhalb Europas wurde eine derart intensive Kriegszieldebatte geführt wie im Deutschen Reich, dokumentiert in unzähligen Publikationen aus der Feder auch herausragender Köpfe. Beispielhaft seien hier das sogenannte ›Manifest der 93‹ vom 4. Oktober 1914 aus der Feder des Bühnenautors Ludwig Fulda und die ›Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches‹ vom 16. Oktober 1914 genannt, unterzeichnet von über 3000 an 53 deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen lehrenden Wissenschaftlern.10 Die hier und anderswo vorgeführten Sinnkonstruktionen liefen darauf hinaus, das Geschehen zu entpolitisieren und als wesentliches Motiv die Verteidigung des deutschen Wesens, des deutschen Geistes und der deutschen Kultur gegen fremde Mächte stark zu machen. Thomas Mann etwa publizierte im September 1914 seine weit ausgreifenden ›Gedanken im Kriege‹ mit der exponierten, aber seinerzeit von einer breiten Mehrheit geteilten Gegenüberstellung von westlicher Zivilisation auf der einen Seite, deutscher Kultur auf der anderen. Für Mann waren die Deutschen das »innerlichste Volk« Europas, ein »Volk der Metaphysik, der Pädagogik und der Musik«, ein »nicht politisch, sondern moralisch orientiertes Volk.«11 Selbst der gegen die Deutschen immer wieder erhobene Vorwurf des Militarismus ließ sich von daher ins positive wenden: »Mit unserem Moralismus aber hängt unser Soldatentum zusammen, ja, während
8
Ulrich Konrad
a ndere K ulturen bis ins Feinste, bis in die Kunst hinein die Tendenz zeigen, völlig die Gestalt der zivilen Gesittung anzunehmen, ist der deutsche Militarismus in Wahrheit Form und Erscheinung der deutschen Moralität«12. Aus diesen krausen Überzeugungen, die allerdings mit der Zerstörung der Altstadt von Leuven und der Beschießung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen eine allerorts wahrgenommene schrille Dissonanz bildeten, nährte sich die Begeisterung vor allem der bürgerlichen Mittelschichten, waren sie es doch vor allem, die sich im sogenannten Augusterlebnis 1914 zu einer in dieser Emphase nie gekannten nationalistischen Euphorie emporjubelten. Diese kollektive Begeisterung erstreckte sich selbstverständlich auch tief ins Musikleben hinein. Ein Spiegel dessen liefern etwa die Beiträge in allen großen Musikperiodika wie den ›Signalen für die Musikalische Welt‹, der ›Neuen Zeitschrift für Musik‹, der ›Allgemeinen Musik-Zeitung‹ oder ›Die Musik‹ zum Thema Musik und Krieg in den Sommer-/ Herbstmonaten 1914 und danach.13 Ebenso aufschlussreich ist die Entwicklung des Musikalienangebots, wie sie aus ›Hofmeisters Musikalisch-literarische[m] Monatsbericht‹ 86ff. (1914ff.) abzulesen ist: Kompositionen in allen denkbaren Besetzungen mit kriegsbezogener Thematik nehmen rasch einen signifikant hohen Anteil an der Gesamtproduktion ein. Unter Musikern war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Stimmung ebenfalls beinahe fieberhaft erregt. Der österreichische Komponist Anton Webern etwa, zehn Jahre jünger als Reger, schrieb am 8. September 1914 an seinen Lehrer Arnold Schönberg: »[…] ich kann meine Einberufung nicht mehr erwarten. Mich verfolgt Tag u. Nacht der Wunsch: kämpfen zu können für diese große, hehre Sache. Nicht wahr, dieser ungeheure Krieg hat doch keine politischen Ursachen? Es ist der Kampf der Engeln mit den Teufeln. | Denn alles was sich im Lauf dieser Wochen über die feindlichen Nationen offenbarte zeigt doch nur das eine: daß sie Lügner, Gauner sind. Nichts wie Völkerrechtsbrüche: die offenbar längst längst vollzogene Mobilisierung der Russen, die hinterfotzigen Verhandlungen, Bestechungen untereinander, die Dum Dum Geschosse u.s.w., ein ekelerregender Schmutz. Dem gegenüber die klare, ehrenhafte Haltung unserer Mächte. Herrgott, gib, daß diese Teufeln zu Schanden werden. Er gibt es ja schon. Dieser Siegesmarsch der Deutschen nach Paris Heil, Heil diesem Volke […].«14 Die jüngere Geschichtswissenschaft hat den dahinterstehenden »mentalen Heroisierungsprozess« beschrieben, den das deutsche Bürgertum im 19. Jahrhundert durchgemacht hatte und an dessen Ende nun die »Vorstellung von Opfer und Ehre stand«, eine Idee, die »eine bis dahin unvorstellbare Relevanz für den Zusammenhalt der Gesellschaft bekommen« hatte.15 Wenn die Deutschen nicht zum Opfer der sie umzingelnden Feinde werden wollten, dann war es für jeden eine
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
9
Ehre, das eigene Leben für die Zukunft des Volkes zu opfern. Im Augusterlebnis vollzog sich die »Transformation der viktimen Gesellschaft in eine sakrifizielle Gemeinschaft«16. Dass dabei nach allgemeiner Überzeugung höhere Mächte die Geschicke des unrechtmäßig angefochtenen deutschen Volkes lenkten, bekräftigte Kaiser Wilhelm II. am 5. August 1914 in einer von allen Kanzeln des Reichs verlesenen Erklärung: »Reinen Gewissens über den Ursprung des Krieges bin Ich der Gerechtigkeit unserer Sache vor Gott gewiß. Schwere Opfer an Gut und Blut wird die dem deutschen Volke durch feindliche Herausforderung aufgedrungene Verteidigung des Vaterlandes fordern. […] Wie Ich von Jugend an gelernt habe, auf Gott den Herrn meine Zuversicht zu setzen, so empfinde ich in diesen ernsten Tagen das Bedürfnis, vor Ihm mich zu beugen und seine Barmherzigkeit anzurufen.«17
2 Max Reger erlebte den Kriegsausbruch in Meiningen. Dort bekleidete er seit 1911 den Posten des herzoglichen Kapellmeisters am Hof Georgs II. von SachsenMeiningen und leitete mit der Hof kapelle einen der berühmtesten Klangkörper Europas.18 Als rastlos konzertierender Pianist, Dirigent und Komponist hatte er sich in den zurückliegenden Jahren ein übermenschliches Arbeitspensum aufgebürdet.19 Unter dessen Last war er Ende Februar 1914 zusammengebrochen. Mühsam erholte er sich in den folgenden Monaten während einer Kur in Meran und einem Urlaub in Berchtesgaden von diesem physischen und psychischen Kollaps, entschloss sich darüber hinaus zur Aufgabe seines Meininger Amts. Da im Juni 1914 sein ihm stets wohlgesinnter Dienstherr hochbetagt verstarb und die Zukunft der Hof kapelle im Ungewissen lag, befand sich Reger in einer Phase der Neuordnung seiner Existenz, aber auch seiner künstlerischen Arbeit. Schon bald stand fest, dass er sich künftig in Jena, frei von höfischen und beruflichen Zwängen, überwiegend dem kompositorischen Schaffen widmen würde, wobei sich freilich der Rückfall in seine frühere selbstzerstörerische Lebensweise bereits in den letzten Meininger Monaten abzeichnete. So wundert es denn auch nicht, dass ihn die hochaufgeregte Stimmung des Augusts 1914 kaum erfasste, er im Gegenteil und atypisch für diese Zeit die Geschehnisse eher skeptisch beobachtete und kommentierte. Gewiss, wie die Mehrheit der Deutschen glaubte er an einen raschen Sieg der heimischen Truppen, einen Sieg, den er vornehmlich aus Künstleregoismus vor allem in Bezug auf seinen Status als schaffender Musiker herbeiwünschte: »Dieser jetzige Krieg dürfte sicherlich in Deutschland uns deutschen Componisten Segen bringen; denn nachher wird man sicherlich mit der leider so »echt deutschen« Ausländerei […] mal gründlich aufräumen u. an uns deutsche Componisten mehr denken«20, oder, noch unmißverständlicher: »Jetzt müssen doch endlich die deutschen Komponisten auf den Programmen der deutschen Konzertinstitute berücksichtigt
10
Ulrich Konrad
werden, nachdem jahrzehntelang wir Deutschen zugunsten der Ausländer haben zurückstehen müssen.«21 Als Soldat würde Reger, das stand seit dem 18. August unverrückbar fest, zum Sieg nicht beitragen können, erhielt er doch an diesem Tag amtlicherseits seine dauerhafte Feld- und Garnisonsdienstunfähigkeit attestiert – der endgültig Ausgemusterte nannte sich fortan teils selbstironisch, teils etwas verlegen einen »Vaterlandskrüppel«.22 Die innere Verfassung Regers lässt sich nirgends deutlicher ablesen als an den Werken, die in diesen ersten Wochen des Krieges entstehen. In fieberhafter Produktivität vollendete der Komponist im August das ›Klavierquartett‹ a-Moll (op. 133) und die für seine Verhältnisse hörbar entspannten ›Telemann-Variationen‹ (op. 134), anschließend den ›Hymnus der Liebe‹ (op. 136) für Bariton und Orchester auf Worte des früh verstorbenen Dichters Ludwig Jacobowski (1868–1900) sowie die ›Zwölf Geistlichen Lieder‹ (op. 137). Bis in den September hinein begleitete ihn sodann die Arbeit an den ›30 Kleinen Choralvorspielen‹ (op. 135a) sowie den ›Acht Geistlichen Gesängen‹ (op. 138).23 Schon die bloße Nennung der Titel zeigt an, dass Reger sich in seiner Musik vom hohen Ton patriotischer Erregung auf beinahe provozierende Weise fernhielt und stattdessen entweder serene Spielfreude walten ließ oder kontemplativen Stimmungen Raum gewährte. In seiner unmittelbaren Umgebung stieß er mit dieser desinteressiert anmutenden Haltung zur Lage der Zeit auf wenig Verständnis. Regers Ehefrau Elsa stammte aus einer preußischen Offiziersfamilie, und selbstverständlich stand die ganze soldatische Verwandtschaft im Feld, so wie auch Elsa sich bald nach Kriegsausbruch als Sanitätsschwester beim Bahnhofsdienst des Roten Kreuzes gemeldet hatte.24 Der Komponist stand außen vor (sieht man von »Musikalischen Andachten« ab, die er zum Benefiz verschiedener karitativer Einrichtungen durchführte) und dürfte schließlich dem wachsenden moralischen Druck von Familie und Freundeskreis nachgegeben haben: Weniger von patriotischer Begeisterung als von sozialer Anpassung motiviert entschloss er sich zum »Kriegsdienst am Schreibtisch«25. Die Waffe in die Hand zu nehmen war ihm verwehrt, doch eine kriegerische Feder vermochte er notfalls zu führen, wenn das auch in den Augen der Zeitgenossen kein vollwertiger Ersatz zu sein schien: »ich Vaterlandskrüppel kann unser Heer nur ankomponieren«, heißt es bedauernd in einem Brief des Komponisten aus diesen Tagen.26 Als erster erfuhr am 11. September 1914 Wilhelm Graf, Prokurist im Berliner Musikverlag Simrock, von Regers Plänen für ein neues Orchesterwerk: »Es wird nun wieder längere Zeit dauern, bis ich Ihnen wieder ein Manuskript senden kann, ganz entre nous gesagt, ich arbeite jetzt an einer ›Vaterländischen Ouverture‹, an deren Schlusse ich die folgenden Lieder zusammen bringe: ›Nun danket alle Gott‹ ›Deutschland Deutschland über alles‹ ›Die Wacht am Rhein‹ u. ›Ich hab
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
11
mich ergeben‹! Aber ich bitte um strengstes Silentium, sonst kommt mir irgend einer mit der Combinierung dieser 4 Lieder zuvor! Das ist nämlich ein kontrapunktisches »Wunder« sozusagen! Natürlich am Schlusse mächtiges Orchester!«27 Bereits neun Tage später lag die 48 Seiten umfassende Partitur so gut wie fertig vor; es fehlten nur noch die Vortragsbezeichnungen. Am 29. September ging die Manuskriptsendung an Simrock, verbunden mit der Bitte, das Werk »sogleich in den Stich« zu geben. Reger wollte offensichtlich mit eben dieser ›Vaterländischen Ouvertüre‹ schnellstmöglich an die Öffentlichkeit treten, zumal er vom prekären Kampfverlauf im Westen nur ungenügend unterrichtet war und weiterhin an einen Sieg, vielleicht sogar an einen raschen glaubte, weswegen die neue Komposition umgehend herauskommen musste, sollte sie nicht am Ende überholt sein – hier taten die von Zensur und Propaganda gesteuerten, die Lage nur verschleiert schildernden Pressenachrichten wie bei den meisten Deutschen ihre täuschende Wirkung. Deutlich wird das auch an den Überlegungen zur Dedikation der Komposition. Im Brief an Simrock heißt es dazu: »Ob wir auf der Widmung des Werks drucken: Unserem ruhmreichen oder siegreichen deutschen Heere – das läßt sich ja endgültig noch definitiv machen kurz vor dem Erscheinen des Werkes.«28 Im Hintergrund dieser Formulierungsoptionen stand die öffentliche Debatte zwischen gemäßigten und radikaleren Kräften darüber, ob unbedingt ein siegreicher Totalfrieden mit der Triple Entente erreicht werden müsse oder ob fürs erste eher ein ruhmreicher Sonderfrieden mit mindestens einem der Kriegsgegner, etwa Russland, anzustreben sei. Reger erwies sich über diesen Sachverhalt gut informiert. Als allerdings Anfang November 1914 die Entscheidung in der Widmungsfrage dringend anstand, teilte Reger dem Verlag knapp mit, dieser möge nach Gutdünken verfahren. Simrock wählte darauf hin die neutrale Formulierung: »Dem deutschen Heere!«, und diese wurde vom Komponisten ausdrücklich bestätigt.29 Sie hatte gegenüber dem Publikum den nicht zu unterschätzenden Vorteil, unabhängig von den Fährnissen des Kriegsverlaufs als Reverenz des Komponisten vor den kämpfenden Truppen verstanden werden zu können. Am 7. November 1914 sandte Reger die ihm am 1. des Monats zugeschickten Korrekturfahnen der Partitur an den Verlag zurück; die Abzüge der Orchesterstimmen hatte er am 18. Dezember abschließend durchgesehen. Dank dieser äußerst zügigen Produktion konnte er bereits am 30. Dezember das erste Partiturexemplar in Händen halten. Unterdessen bemühte sich Reger eifrig um Aufführungen der Ouvertüre, und zwar mit wachsendem Erfolg. Eher zufällig ergab sich Wiesbaden als Premierenort, was eine erste Adresse darstellte, gehörten doch das Große Kurorchester der Stadt trotz seinem heute vielleicht andere Assoziationen weckenden Namen zu den leistungsstärksten Ensembles im
12
Ulrich Konrad
eutschen Reich, und der Große Saal des Kurhauses zu den schönsten KonzertD stätten, ausgestattet mit einer neuen großen Orgel der Firma Wilhelm Sauer, diese wiederum damals eine der renommiertesten Orgelmanufakturen überhaupt. Wiesbaden erfreute sich seit dem späten 19. Jahrhundert des glänzenden Rufs als »Weltkurstadt« und zog eine mondäne adelige wie großbürgerliche Besucherschaft an.30 Die Uraufführung der ›Vaterländischen Ouvertüre‹ fand also vor repräsentativer Kulisse statt; die positive Aufnahme des durchaus nicht leicht verständlichen Werks bei dessen erster Darbietung bedeutete demnach alles andere als einen höflichen Provinzerfolg.
III
1 Die ›Vaterländische Ouvertüre‹ bildete am 8. Januar 1914 den Schlusspunkt des umfangreichen Wiesbadener Konzertprogramms mit Stücken von Joseph Haydn, Hugo Wolf, Johannes Brahms und den beiden von Reger. Dass eine Komposition, deren Gattungstitel vordergründig eher auf die Position eines Eröffnungsstücks weist, als Finale fungierte, bedeutete damals nichts ungewöhnliches mehr, stand der Genrename doch bereits seit Jahrzehnten auch für einsätzige selbständige Orchesterwerke mittlerer Dauer, vorzugsweise für symphonische Sätze mit außermusikalisch-programmatischen Bezügen.31 Reger konnte auf prominente Vorbilder dieser Art zurückgreifen, vor allem auf die ›Akademische Festouvertüre‹ (op. 80) (1880) und die ›Tragische Ouvertüre‹ (op. 81) (1880) von Johannes Brahms, beides Werke, die nach Umfang, Besetzung und ideellem Gehalt Muster für die Gattung darstellen.32 Letzterer als außermusikalisches Element der Ouvertüre muss mit einem charakteristischen Epitheton verbal angezeigt werden, denn – diese für viele immer wieder ernüchternde Feststellung ist unumgänglich –, Musik alleine »sagt« nichts. Sie ist das faszinierende Medium des Unsagbaren, und ihr eigentümlich-abstraktes Wesen wird verfehlt, wenn von ihr sprachähnlich fixierte Auskünfte erwartet werden. Ist vom Inhalt der Musik die Rede und dabei nicht gemeint, dieser koinzidiere mit seinem hörbaren Substrat, dann muss klar sein, dass über außermusikalische Inhalte in Bezug auf Musik geredet wird. Diese sind in den meisten Fällen zeit- und kontextabhängig, notwendigerweise begrifflich vage, appellieren bei den Hörern jedoch – und darin liegt ihre Stärke – an typisch affektive oder subjektiv emotionale Grunderfahrungen oder zumindest an ein Wissen darüber. Wenn Reger als deutscher Komponist seine Ouvertüre op. 140 »vaterländisch« nennt, dann erzeugt das bloße Wort im Jahre 1914 eine lauttönende, positiv konnotierte Resonanz, so unscharf im Kern wie an den Rändern das Assoziationsfeld auch sein mag, das mit ihm eröffnet wird.33 »Vaterländisch« gehörte, so lässt
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
13
sich ohne Übertreibung sagen, zu den zentralen sprachlichen Ausdrücken der Lebenswirklichkeit im Deutschland des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Dass dies heute in vergleichbarer Intensität nicht mehr der Fall ist, weil Wort und Sache durch Überdehnung und schließlich Perversion für lange Zeit in Misskredit geraten sind und partiell noch stehen, muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Aber es sollte uns bewusst sein, bildet es doch den Hintergrund für unsere emotionalen Schwierigkeiten mit musikalischen Kunstwerken von der Art der ›Vaterländischen Ouvertüre‹ Regers.
2 Die kompositorische Hauptidee dieses Werks hat der Komponist selbst in dem zitierten Brief an seinen Verlag herausgestellt, nämlich die kontrapunktische Verbindung von vier Liedmelodien. Dieser kunsthandwerkliche Sachverhalt schien dem Komponisten ein ›Wunder‹ zu sein; etwas nüchterner bewertet handelt es sich um ein bemerkenswertes Beispiel kombinatorischer Satztechnik in der Tradition der Kontrapunktik.34 Deren ehrwürdige Geschichte wiederum, und darin liegt eine Pointe des ›Wunders‹, galt zumindest aus national verengtem Blickwinkel als genuin deutsch, verbürgt in der unüberbietbaren Könnerschaft Johann Sebastian Bachs,35 bewahrt in den Œuvres der deutschen Meister, hier besonders von Johannes Brahms, und aktuell vertreten durch Reger, der nach eigenem Bekunden nicht anders leben konnte als in Fugen.36 »Prügelhart« auf der Heerbahn der »deutschen Polyphonie«37 losgehend, und zwar vermeintlich nur auf dieser, ließen sich also vier Melodien Arm in Arm ins kontrapunktische Getümmel führen. Hätte Reger seine Themen selbst komponiert, so wäre das ›Wunder‹ musikalisch weniger spektakulär zu bewerten als angesichts der vom Komponisten entdeckten, im vorfindlichen Material verborgenen Verbindungsmöglichkeiten. Er war daher, wie erwähnt, sehr bemüht, die von ihm ins Werk gesetzte Kombination zu erläutern, und noch im Uraufführungsjahr erschien ein gründlicher, von Reger autorisierter Führer durch die Ouvertüre aus der Feder seines ehemaligen Schülers Hermann Poppen (1885–1956), nunmehr Universitätsmusikdirektor in Jena.38 Aus heutiger Sicht bezeichnend daran ist unter anderem die Tatsache, dass die patriotische Geschichte und Bedeutung der vier verarbeiteten Lieder mit keinem Wort erwähnt wird – sie waren damals offenkundig im kollektiven Gedächtnis tief verwurzelt und jedermann präsent.39 a Davon kann in der damaligen Selbstverständlichkeit heute keine Rede mehr sein. Im strengen Sinne allbekannt ist nur das ›Lied der Deutschen‹ (siehe Abbildung 2a), dessen dritte Strophe als Nationalhymne der Bundesrepublik dient: Umfragen zufolge ist es das unter unseren Landsleuten bekannteste Musikstück überhaupt.40 Dazu geworden ist es erst im Laufe des 20. Jahrhunderts. Das Deutsche Reich besaß nämlich keine Nationalhymne, sondern, wie das Habsburgerreich,
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
15
nur eine Herrscherhymne. Im Jahr 1914 sangen die Österreicher zu Ehren ihres Monarchen Franz Joseph I. das Kaiserlied auf eben die Melodie Joseph Haydns, die später für das ›Lied der Deutschen‹ adaptiert wurde. Den deutschen Kaisern dagegen diente das Lied ›Heil dir im Siegerkranz‹ als offizielle Hymne, gesungen auf die Melodie der britischen Nationalhymne. Das im August 1841 von Hoffmann von Fallersleben auf der Insel Helgoland gedichtete ›Lied der Deutschen‹ befand sich in Deutschland ohne offizielle Funktion als beliebtes und immer beliebter werdendes patriotisches Lied im Umlauf; erst der sozialdemokratische Reichspräsident Friedrich Ebert erklärte es 1922 zur deutschen Nationalhymne, zu singen auf Haydns Melodie, was von Österreich ohne weiteres akzeptiert wurde, da es nach dem Untergang der Monarchie das Kaiserlied aufgegeben hatte. Die ungemeine Popularität des ›Lieds der Deutschen‹ gründete 1914 in den Anfangszeilen der ersten Strophe: »Deutschland, Deutschland über Alles / über Alles in der Welt« und steigerte sich zum Mythos seit dem Gefecht bei Langemarck am 10. November der ersten Kriegsjahres.41 Die ursprüngliche Aussage Hofmanns von Fallersleben, die aus der Zeit territorialer Zersplitterung lange vor 1871 stammte und mit der ihr Autor die »über Allem« stehende Idee einer nationalen Vereinigung der deutschen Länder beschwor, war längst zum nationalistischen Schlachtruf hegemonialen Bedeutungswahns verdreht worden. Aus diesem Verständnis heraus lag es auch für Reger nahe, die Melodie des ›Lieds der Deutschen‹ in seine Ouvertüre zu übernehmen, wobei als bedeutungstragender Hintergrund beim Hören der nicht gesungene Text als stumme Stimme mitklingt. In der ›Vaterländischen Ouvertüre‹ bildet das ›Lied der Deutschen‹ die motivischthematische Grundlage des Werks. Bereits in den Takten 1 bis 6 des Werks ist die Melodie mit Partikeln präsent, nämlich in Klarinetten, Hörnern und Bratschen mit der tastend-verfremdeten Wendung c’–h–c’–a–b’ (die ersten beiden Töne entsprechen dem Textwort »über«, die letzten drei Töne dem Textwort »a–lles«; das Tonrepertoire enthält die Buchstaben des Namens »Bach«, was Reger bemerkt haben dürfte) und in Flöten, Oboen und Bratschen mit dem Sekundaufgang f ’’–g’’–a’’ (= »Deutschland, Deutsch–«), ehe erstmals in T. 12–19 in Oboen und 1. Violine die erste Melodiezeile vollständig erklingt (»Deutschland, Deutschland, über alles, über alles in der Welt«). Im weiteren Verlauf der Ouvertüre werden immer wieder Motive der Melodie durchführungsartig behandelt. links: 2a »171. Das Lied der Deutschen«, aus: Sangeslust. Sammlung gemischter Chorgesänge für Gymnasien und Realschulen mit besonderer Berücksichtigung des Stimmumfangs, hrsg. von Rudolph Palme, Leipzig [1886], S. 342
16
Ulrich Konrad
Notenbeispiel 1: M. Reger, Vaterländische Ouvertüre, T. 1–6 (Auszug)
b Letzteres trifft auch für die weiteren drei Liedzitate zu. In der Bevölkerung wohl noch verbreiteter als das ›Lied der Deutschen‹ behauptete sich das 1840 von Max Schneckenburger verfasste und 1854 von Carl Wilhelm vertonte Gedicht ›Die Wacht am Rhein‹ (siehe Abbildung 2b).42 Entstanden als unmittelbarer lyrischer Ausfluss der Rheinkrise von 1840/41 – diese ausgelöst durch die Forderung an den Deutschen Bund, den Rhein als Ostgrenze Frankreichs anzuerkennen –, konzentrierten sich in den markigen Versen Trotz und Widerstand deutscher Patrioten gegen die Bedrohung durch den westlichen Nachbarn: »Es braust ein Ruf wie Donnerhall, Wie Schwertgeklirr und Wogenprall zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein Wer will des Stromes Hüter sein? Lieb Vaterland magst ruhig sein: Fest steht und treu die Wacht die Wacht am Rhein!« Was zunächst als kollektives Bekenntnis in einem konkreten politischen Konflikt wirkte, verfestigte sich nach der Reichsgründung zu einer Art emotionaler Gründungsakte deutschen Selbstbewusstseins: So wurde das Lied am 17. Juni 1871 in der Berliner Hofoper zum Abschluss der Siegesfeier über Frankreich gesungen und fortan als inoffizielle Nationalhymne behandelt. Eine buchstäblich in Stein gemeißelte Gültigkeit erhielt der Liedtext durch seine Platzierung unter dem Hauptrelief des 1883 eingeweihten Niederwalddenkmals oberhalb der Stadt Rüdesheim am Rhein, eines der monumentalen Gedenkbauwerke des Kaiserreichs.43 Reger konnte in seiner Ouvertüre also nicht nur weiteste Bekanntheit von rechts: 2b »167. Die Wacht am Rhein«, aus: Sangeslust, S. 334
18
Ulrich Konrad
edicht und Melodie der ›Wacht am Rhein‹ voraussetzen, sondern – in ÜberG einstimmung mit der Mehrheit der Deutschen – eine unmissverständliche Antwort auf die Frage geben, gegen wen sich der im August 1914 begonnene Krieg in erster Linie richtete, eben gegen Frankreich. Im Verlauf der Ouvertüre sind zunächst nur Fragmente der Melodie zu hören. Mit dem Kopfmotiv »Es braust ein Ruf« wird der Höhepunkt T. 85f. der Steigerungswelle vor dem zweiten Thema (dazu unten mehr) marcatissimo in den vier Hörnern profiliert. Bei einer Steigerung vor der Reprise des lyrischen Seitensatzes erklingt in T. 143–145 (Bass-Posaune, Tuba, Violoncelli, Kontrabass) und T. 146f. (Flöten, Violinen, Bratschen) das Motiv »Fest steht und treu die Wacht«. Im Rahmen der Apotheose wird sie vollständig in Basslage von T. 256–275 zitiert. Außerdem bildet der Dreiton-Aufstieg es’’–f ’’–g’’ (»Wacht am Rhein«) die Takte 4 und 5 des Hauptthemas (T. 45–51).
Notenbeispiel 2a: M. Reger, Vaterländische Ouvertüre, T. 85f. (Auszug)
Notenbeispiel 2b: M. Reger, Vaterländische Ouvertüre, T. 143–145 (Auszug)
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
19
c Hinter der geradezu machtgepanzerten und erst mit dem Untergang Deutschlands im Zweiten Weltkrieg erledigten Position dieses Liedes trat das im Jahr 1820 von Hans Ferdinand Maßmann gedichtete ›Gelübde‹ mit dem Anfangsvers »Ich hab mich ergeben« um einiges zurück (siehe Abbildung 2c).44 Dessen zeitgeschichtlicher Kontext lag in der Oppositionsbewegung gegen die reaktionären Kräfte des Deutschen Bundes und im Protest gegen die sogenannte Demagogenverfolgung. Als nationales Bekenntnislied fand es einen festen Platz im Milieu der Studentenund Turnerschaft des 19. Jahrhunderts, gehörte als solches auch zum Standardrepertoire der Männerchöre: »Ich hab mich ergeben Mit Herz und mit Hand, Dir, Land voll Lieb’ und Leben, Mein teutsches Vaterland!« Die lyrisch-gesangliche Innigkeit der aus thüringischem Volksliedgut stammenden Weise des ausgesprochenen Ich-Liedes bildet ein musikalisches Gegengewicht zur marschmäßig auftrumpfenden Wir-Gestik der ›Wacht am Rhein‹. Mit dem ›Gelübde‹ verbindet sich in höherem Maße der Zug zur Innerlichkeit, der dem deutschen Wesen stets zugeschrieben worden ist. Vielleicht wollte Reger die Gefühlssphäre von Treue, Frömmigkeit und hingebungsvoller Vaterlandsliebe, die in den Versen besonders angesprochen wird, nicht fehlen lassen, vielleicht stand ihm hauptsächlich die Melodie im Ohr, wie er sie aus Brahms’ ›Akademischer Festouvertüre‹ bestens kannte. Die Geschichte auch dieses Liedes verliert sich weitgehend nach dem Zweiten Weltkrieg, freilich mit einem friedlichen Schlusspunkt: Am 23. Mai 1949 sang es das Plenum des Parlamentarischen Rates zum Abschluss seiner 12. Sitzung, nachdem das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland angenommen worden war.
Notenbeispiel 3: M. Reger, ›Vaterländische Ouvertüre‹, T. 66f. (Auszug)
20
Ulrich Konrad
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
21
Im motivischen Geschehen von Regers Ouvertüre spielt das ›Gelübde‹ eine etwas stärkere Rolle als die ›Wacht am Rhein‹. So erklingen immer wieder Melodieausschnitte: T. 61f. (Trompeten), T. 66f. (Flöten, Trompeten), T. 68f. (Fagotte, Violoncello, Kontrabass), T. 70–73 (Flöten, Violinen, siehe Notenbespiel 3), T. 188–191 (Oboe); T. 194–196 (Trompeten, Klarinetten, Oboen), ehe die Melodie in T. 268–280 vollständig in den strahlenden Trompeten zu hören ist. d Nicht eines der drei bislang betrachteten Lieder bildet den Dreh- und Angelpunkt der Liedkombination am Schluss von Regers opus 140, sondern, was überraschen mag, der protestantische Choral ›Nun danket alle Gott‹ (siehe Abbildung 3).45 »Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen. Der große Dinge tut an uns und allen Enden, Der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an Unzählig viel zu gut bis hierher hat getan.« Gedichtet von dem Pfarrer Martin Rinckart, gehört das als Tischgebet intendierte Lied seit seinem Erstdruck im Jahr 1636 ohne Melodie und 1647 mit der ebenfalls von Rinckart geschaffenen Weise zum festen Bestand evangelischen, inzwischen längst auch ökumenischen Kirchengesangs. Über dieser seit Jahrzehnten wieder rein geistlichen Wirkungsgeschichte des Liedes ist die Erinnerung an seine über Jahrhunderte bestehende enge Verbindung mit Ereignissen der deutschen Militärgeschichte verblasst. Diese wurzelte in einer legendären Begebenheit am 5. Dezember 1757, dem Abend nach dem Sieg Preußens unter Friedrich II. über die zahlenmäßig drückend überlegenen Truppen Österreichs in der Schlacht von Leuthen. Der überraschende Ausgang des Waffengangs soll 25.000 erschöpfte preußische Soldaten im Heerlager spontan dazu bewegt haben, »Nun danket alle Gott« anzustimmen. Das als ›Choral von Leuthen‹ tief im Bewusstsein der Deutschen verankerte Lied war fortan mit dem in dieser Schlacht gründenden Mythos von der Unbesiegbarkeit des preußischen Heeres verwoben. Als am späten Nachmittag des 1. Augusts 1914 am Tor des Berliner Schlosses tausenden von wartenden Menschen die Mobilmachung verkündet wurde, reagierte die Menge mit eben dem Choral ›Nun danket alle Gott‹. Das emotionale Gemenge aus preußischer Schlachtgesinnung, Kampfesmut, Überzeugung von der Gerechtigkeit der blutigen Sache und frommer Ergebung in das von Gott den Deutschen auferlegte Schicksal brach sich links 2c »175. Gelübde«, aus: Sangeslust, S. 350
22
Ulrich Konrad
3 125. Nun danket alle Gott«, aus: Kleine Ausgabe des vierstimmigen Choralbuches zu dem Gesangbuch für die evangelisch-lutherische Landeskirche des Königreichs Sachsen, Leipzig 1883, S. 90
im Massengesang Bahn (ohne diese nationalistische und militaristische Emphase, aber noch vor dem Hintergrund von Kriegsgeschehen ist die ergreifende Begebenheit vom Oktober 1955 im Lager Friedland zu verstehen, als nach Ankunft der offiziell letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion die Heimkehrer und ihre Angehörigen auf dem Versammlungsplatz den Choral anstimmten). Dass der Choral für Reger die geistig-ideale Mitte des Werks bildete, lässt sich auch an den überlieferten Skizzen ablesen. In der vom Komponisten für die Melodie herangezogenen Vorlage (Abbildung 3) steht die Weise in G-Dur, und diese Tonart behält Reger in drei mit Bleistift niedergeschriebenen Entwürfen bei, in denen er die Themenkombination skizzierte.46 Bis dahin dürfte er G-Dur als
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
23
Notenbeispiel 4: M. Reger, ›Vaterländische Ouvertüre‹, T. 35–39 (Auszug)
Grundtonart der Ouvertüre gedacht haben. Erst nach Abschluss der kompositorischen Vorarbeiten entschied er sich nach F-Dur um. Im Werk erklingt das Kopfmotiv der Melodie bereits in der Einleitung T. 35–39 in einem homophonchoralmäßigen Blechbläsersatz. Wenn Reger die Kombination der vier Melodien als Höhepunkt der ›Vaterländischen Ouvertüre‹ mit allen Mitteln des Orchesters ins Werk setzt, dann erhält der als erstes einsetzende ›Choral von Leuthen‹ eine exponierte klangliche Rolle zugewiesen: Er ertönt zeilenweise in der Orgel und in einer eigens aus drei bis vier Trompeten oder ebenso vielen Tenorposaunen gebildeten Blechbläsergruppe, die von einem erhöhten Platz im Saal aus als Fernensemble musizieren soll (I. Zeile T. 234–237, II. Zeile T. 240–244, III. Zeile T. 245–248, IV. Zeile T. 251–255, V. Zeile T. 258–261, VI. Zeile T. 264–267, VII. Zeile T. 274–277, VIII. Zeile T. 280–283; siehe Notenbeispiel 5, S. 24f.).47 Die geistliche Weise bildet in charakteristisch sakralem Klanggewand den alles überstrahlenden cantus firmus; um ihn ranken sich die patriotischen Gesänge. Wie Kaiser Wilhelm II. in der zitierten Kanzelrede vom 5. August 1914 die Barmherzigkeit Gottes anrief, um Deutschlands heiligen Krieg unter den Schutz des Allmächtigen zu stellen, so ordnet der Komponist die Polyphonie der vaterländischen Gesänge der geistlichen Weise des Chorals unter. Das auf solcherart machtvoll-demütige »kontrapunktische Wunder«, das Reger in siegreicher Auseinandersetzung mit der vielgestaltigen Tonmaterie vollbringt, stellt die klingende Analogie zum ersehnten Sieg des deutschen Heers dar, des Widmungsträgers der ›Vaterländischen Ouvertüre‹. Was an emotionalen patriotischen wie geistlichen Gehalten und Gedanken in den Liedmelodien und den ihnen eigenen Texten in der Musik simultan präsent wird, soll in Tönen die Stimmung der Deutschen widerspiegeln.
24
Ulrich Konrad
Notenbeispiel 5: M. Reger, ›Vaterländische Ouvertüre‹, Themenkombination T. 235–289 (Auszug). I–VIII Zeilen des Chorals ›Nun danket alle Gott‹; A ›Lied der Deutschen‹; B ›Die Wacht am Rhein‹; C ›Gelübde‹
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
25
26
Ulrich Konrad
Exkurs : Felix Weingartners Ouvertüre ›Aus ernster Zeit‹ op. 56 Am 21. September 1914 schrieb Reger an Karl Straube einen Brief, in dem er auch diesen Vertrauten, wie zuvor schon den N. Simrock Verlag und Fritz Stein, unter dem Siegel der Verschwiegenheit in das kompositorische Wunder der beinahe vollendeten ›Vaterländischen Ouvertüre‹ einweihte, in diesem Falle sogar mit einem beigelegten Blatt, auf dem sich die Verbindung der vier Liedweisen aufgezeichnet fand. Auch hier durfte die dringende Bitte nicht fehlen: »Aber bitte, zeig niemand, niemand das Blatt, damit mir nicht irgend ein Kerl diese Kombination nachmacht!«48 Nun dürfte die Gefahr, dass jemand aus der Kenntnis von Regers Melodienverbindung eine eigene Komposition hätte entwickeln können, sehr gering gewesen sein. Allerdings ist dem Komponisten mit dem Plan zu einem einsätzigen Orchesterwerk, das auf die herrschenden Zeitereignisse musikalisch Bezug nimmt, ein Kollege knapp zuvorgekommen, nämlich der Österreicher Felix Weingartner (1863–1942), damals Generalmusikdirektor am Darmstädter Hoftheater und zugleich Leiter der Wiener Philharmonischen Konzerte. Hatte er bereits 1912 mit einer ›Lustigen Ouvertüre‹ (op. 53) einen seiner größten Erfolge erzielt, so fühlte er sich durch den Kriegsausbruch zu einem Gegenstück inspiriert, der Ouvertüre ›Aus ernster Zeit‹ (op. 56).49 Zeitgleich arbeiteten er und Reger an ihren »Kriegsouvertüren« – Weingartner schloss seine Partitur am 19. September 1914 ab, also einen Tag bevor Reger den Schluss-Strich hinter seine zog. Uraufgeführt wurde das neue Werk bereits am 8. November 1914 von den Wiener Philharmonikern unter Leitung des Komponisten; weitere begeistert aufgenommene Produktionen fanden in rascher Folge in Darmstadt, Graz, Brünn und am 18. Dezember in Wiesbaden statt: Das Publikum am Premierenort von Regers Ouvertüre hatte also Gelegenheit, beide Kompositionen innerhalb weniger Wochen zu hören. Im Druck erschienen Partitur und Materiale Ende des Jahres in der Universal-Edition Leipzig-Wien.50 Der Verlag pries seinen neuen Artikel in höchsten Tönen: »Felix Weingartner’s Ouvertüre ›Aus ernster Zeit‹ hat bei allen bisherigen Aufführungen stürmischen Jubel ausgelöst. Die grossangelegte, äusserst wirkungsvolle Schöpfung eignet sich wie keine zweite zur Aufführung gerade in dieser Zeit erhöhten patriotischen Empfindens und erstarkter Vaterlandsliebe.«51 Weingartner konzipierte seine Ouvertüre auf der traditionellen Bahn von Schlachtenmusiken (»Battaglien«), wie sie besonders seit dem 18. Jahrhundert sehr beliebt gewesen waren.52 Exempla classica des vielgestaltigen Genres sind Ludwig van Beethovens ›Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria‹ (op. 91) (1813), Franz Liszts symphonische Dichtung Nr. 11 ›Hunnenschlacht‹ (1857) oder Peter Tschaikowskis ›Ouverture solenelle »1812«‹ (op. 49) (1882). Die grundlegende Formidee derartiger Kompositionen ist es, feindliche Parteien durch
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
27
c harakteristische Melodien (bei Beethoven: England durch ›Rule, Britannia‹ und ›God save the Queen‹, Frankreich durch ›Marlborough s’en va-t-en guerre‹) oder Hymnen (bei Tschaikowski: Frankreich durch ›Marseillaise‹, Russland durch die Zarenhymne ›Bosche, Zarja chrani!‹) zu repräsentieren und in Durchführungsabschnitten gegeneinander zu stellen, ehe am Ende der Sieger mit seiner Musik triumphiert. Weingartner wählte für die Kennzeichnung der kriegsteilnehmenden Nationen deren Hymnen, also die englische, französische, russische sowie die österreichische Kaiserhymne ›Gott erhalte unsern Kaiser‹ (es war also nicht der Text des ›Lieds der Deutschen‹ mitzudenken, obwohl das im Raum des Deutschen Reichs kaum anders geschehen sein dürfte) und die deutsche ›Heil dir im Siegerkranz‹ (die im deutschen Bereich nicht mit ›God save the King‹ konnotiert war). Auch wenn in seiner Ouvertüre kein Verlauf einer konkreten Schlacht nachgezeichnet werden sollte, wird der Feind doch insofern bekämpft und besiegt, als dessen Musik durch melodische, rhythmische, harmonische und satztechnische Verzerrungen karikiert, der Lächerlichkeit preisgegeben und schließlich zum Verstummen gebracht wird. Das gilt besonders für die ›Marseillaise‹ im Abschnitt T. 95–120 mit ihren grotesken Vorschlägen und der ganztönig verfremdeten Harmonisierung, aber auch für die Zarenhymne, die in der Passage T. 181–187 in ein ungestalt-tapsiges Fugato hineingetrieben wird. Davon hebt sich die quasi religioso, pp und »weit entfernt« in der Orgel einsetzende österreichische Kaiserhymne ab (erstmals T. 230–234), und in diesem solennen Ton »siegt« sie am Ende, vereinigt mit der wilhelminischen Hymne, triumphal dröhnend (T. 25–369). Während Reger eine dezidiert nationale Innensicht einnimmt und »der Feind« musikalisch ›tonlos‹ bleibt, seine Ouvertüre von innen heraus deutschvaterländisch sein soll, komponiert Weingartner zwar unmissverständlich aus der deutsch-österreichischen Musiktradition heraus, nutzt deren Mittel aber in einer gewiss kunstvollen, jedoch stereotyp-konventionellen Weise. Das Werk vermittelt seine Botschaft »Aus ernster Zeit« auf diese Weise unmittelbarer, effektvoller und publikumsnäher als Reger, nicht zuletzt wegen des klarer konturierten, auf kontrapunktische Verdichtung verzichtenden Ton- und Orchestersatzes. Nachsatz: Die in Regers und Weingartners Ouvertüren angewandten Verfahren der Zusammenführung und Kombination von national oder patriotisch konnotierten Melodien lassen sich einige Jahrzehnte später und nun im Kontext des Zweiten Weltkriegs an einer prominenten Stelle in einem anderen Medium beobachten, nämlich in dem 1942 entstandenen amerikanischen Film ›Casablanca‹ von Michael Curtiz. Die Musik zu diesem Streifen schrieb der seit 1929 in Holly wood tätige Komponist österreichischer Herkunft Max Steiner (1888–1971)..53
28
Ulrich Konrad
In einer Szene des Films – sie spielt in Rick’s Café Américain, in dem sich eine buntgemischte Gesellschaft unter anderem aus Franzosen (in deren Herrschaftsbereich Marokko während des Zweiten Weltkriegs noch gehörte) und Deutschen (zu letzteren gehört eine Gruppe von Wehrmachtsoffizieren) abendlich vergnügt – kommt es zu einer politisch motivierten Konfrontation. Die deutschen Soldaten stimmen, allgemein provozierend, das klavierbegleitete Lied ›Die Wacht am Rhein‹ an. Der tschechische Widerstandskämpfer Victor László ergreift daraufhin die Initiative, stellt sich vor die Kapelle des Cafés und fordert die Musiker auf, die ›Marseillaise‹ anzustimmen. Der führende Trompeter zögert, doch nach einem aufmunternden Kopfnicken des Amerikaners Rick Blaine ertönt das französische Kampflied. Max Steiner hat es an dieser Stelle verstanden, die beiden Melodien zunächst in einem Quodlibet zu verbinden, dann aber im Sinne einer »Battaglia« die ›Wacht am Rhein‹ untergehen zu lassen. Während der deutsche Major Strasser beim Beginn der ›Marseillaise‹ seine Kameraden durch auffordernde Handzeichen noch zu stimmkräftigerem Singen animieren kann, muss er sich schließlich, als zum Instrumentalspiel der Kapelle auch die übrige CaféGesellschaft singend in den Vortrag der Hymne einfällt, musikalisch geschlagen geben: 1942 konnte dieser lokale Untergang nur als Menetekel für eine viel größere Niederlage der Deutschen verstanden werden (wie auch die leitmotivische Verwendung der ersten – harmonisch verfremdeten – Melodiezeile des ›Lieds der Deutschen‹ im Film).
3 Es würde nun Regers Ouvertüre nicht gerecht, sie auf den zweifellos apotheotisch angelegten Schlussabschnitt zu reduzieren, also auf etwa ein Fünftel des Gesamtumfangs, und darüber den ausgedehnten symphonischen Weg hin zu diesem kontrapunktischen Triumph zu vernachlässigen. Denn ungeachtet der in den vier Liedern offenbaren programmatischen Ausrichtung strebte der Komponist vor allem danach, ein absolut-musikalisches Tongefüge zu formen, einen Verlauf, der aus der innermusikalischen Logik motivisch-thematischer Arbeit und harmonischer Disposition erwuchs. Auch dieser kompositorische Ansatz wurde als Charakteristikum deutscher Musik angesehen, zumal sich in nationaler Sicht mit dem zugleich moralisch konnotierten Begriff der ›Arbeit‹ die Höherwertigkeit der eigenen Tonkunst im Vergleich mit der angeblich leichtfertigeren Schreibweise etwa der französischen oder italienischen Musik begründen ließ. Reger legte stets größten Wert darauf, seine Tonsätze »bis ins kleinste Zweiglein«54 durchzugestalten. Auch in der ›Vaterländischen Ouvertüre‹ waltet vom ersten Takt an ein detailfreudiges Entfalten und Abwandeln von Motivbestandteilen zunächst aus, wie erwähnt, der Melodie des ›Lieds der Deutschen‹, dann auch von Mikroelementen der anderen Weisen. Was Arnold Schönberg
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
29
die »entwickelnde Variation« nannte, womit er, von Brahms herkommend, die permanente Ableitung musikalischer Elemente aus kleinen thematischen Zellen meinte, findet sich in höchst ausdifferenzierter Form auch bei Reger.55 Das bedingt beim Hörer den Eindruck einer gewissen Schwerfälligkeit der Musik, läuft sie doch Gefahr, über einer unablässig auf Kleinstrukturen konzentrierten Durchführungsarbeit ihre großformalen Linien zu verschleiern. Parallel zu dieser Eigenart sorgt überdies die chromatische Harmonik sowie Regers unablässiges Modulieren für eine Schwächung formbildender Kräfte, so dass eine Orientierung über den blockhaften Auf bau der Ouvertüre und die ihn prägenden Steigerungswellen schwerfällt. Es ist sehr bezeichnend, dass der Komponist bei einem Werk, das seinem Entstehungskontext gemäß kollektive Emotionen aufnehmen und verstärken will, überdies auf den ersten Blick ein Gelegenheitsstück aus patriotischem Anlass darstellt, auf Massenverständlichkeit der dafür eingesetzten musikalischen Mittel weitgehend verzichtet. Konservativ eingestellte Musikkritiker haben dies von Anfang an bemängelt: »Im allgemeinen: auch diese Musik trägt die Kainszeichen der ›Moderne‹ an der Stirn. ›Von wissenschaftlichen Kenntnissen voll‹ – sprechen viele ihrer Töne nachdrücklich zum Verstande; manche Töne, selbst wo sie ›von ausschweifender Wildheit‹ sind, – sprechen lebhaft zur Phantasie; kein Ton – spricht wahrhaft zum Herzen.«56 Reger ergänzt das populäre melodische Material der Lieder noch um zwei eigene Themen. In Anlehnung an deren Funktion in Sonatenhauptsätzen bilden sie einen ausgesprochenen Kontrast. Das erste Thema (T. 45–51; siehe Notenbeispiel 6, S. 30) wächst aus dem introvertierten Einleitungsteil heraus und wird von Reger wie ein musikalischer Schlusspunkt gesetzt, von dem neue, nun extravertierte Entwicklungen ausgehen könnten. Das siebentaktige Gebilde, das episodisch bleibt und nur an dieser einen Stelle vollständig erklingt, beschreibt einen durch fast zwei Oktaven aufwärts gerichteten Linienzug von d nach cis, legt im ersten Abschnitt unisono den zweimal unterbrochenen Skalengang d-es-f-g-a-b-h-c zurück und mündet in den ausharmonisierten Doppel-Zweitakter mit der Bewegung es-f-g (= »Wacht am Rhein, siehe oben S. 18) und g-a-cis über der Akkordfolge As/3-Des/5-G/3 // e d A. Es ist aufschlussreich, die hermeneutische Deutung dieses musikalischen Sachverhalts durch Regers Schüler Hermann Poppen in seinem bereits erwähnten Werkführer zu lesen: »Das ist Kampf! Ruhig, im Frieden, hatte die Einleitung geträumt und von ihren Liedern gelebt, ohne recht Ernst mit ihnen zu machen. Jetzt aber gilt’s! Das ist die Kampfansage, nach dem kurzen Grollen der aufgepeitschten Überleitung: Animato ff, rit. più ff [crescendo Fermate]; halt an, jetzt wird’s Ernst!«57
30
Ulrich Konrad
Notenbeispiel 6: M. Reger, Vaterländische Ouvertüre, T. 44–51, aus: Reger, Sämtliche Werke 6 (wie Anm. 4), S. 7
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
31
In den theoretischen Reflexionen der Sonatensatzform im 19. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ist dem Hauptthema gerne das Ausdrucksattribut des ›Männlichen‹ beigegeben worden, dementsprechend dem Seitenthema dasjenige des ›Weiblichen‹, beide mit jeweils reichen Gender-Zuschreibungen wie kämpferisch, vorwärtsdrängend, entschlossen dort oder stimmungsvoll, lyrisch, gesanglich hier.58 In diesen Konventionen bewegt sich, wenig überraschend, Poppen und mit ihm, wie mit Recht angenommen werden darf, auch Reger. Dass das zweite Thema (T. 96–106; siehe Notenbeispiel 7, S. 32f.) der Ouvertüre in jeder Hinsicht einen signif kanten musikalischen Gegensatz zu seinem Vorgänger ausprägt, ist daher geradezu erwartbar, genau wie seine gegenüber dem Hauptthema genau umgekehrt gestaltete Herleitung. Stand dieses am Ende einer großen Steigerungswelle, setzt die über elf Takte gezogene Kantilene des Seitengedankens nach Abschluss eines planmäßig herbeigeführten Spannungsabbaus ein, harmonisch vollzogen in einem einfachen, bezogen auf die tonale Umgebung regelrecht elementar wirkenden Dominant-Tonika-Schritt G-Dur / C-Dur (T. 95f.). Anders als das erste Thema wird das zweite nicht episodisch behandelt, sondern bleibt im weiteren Verlauf des Werks gegenwärtig. In Poppens poetischer Paraphrase des im Seitenthema wahrnehmbaren »Inhalts« heißt es: es hebt an »der Sang der sich sehnenden und hoffenden, des dichtenden und träumenden Gemütes, das Thema des »idealen Sinnes«.«59 Da tritt sie insgesamt hervor, die den Deutschen seit langem zugeschriebene Mischung aus Militarismus und Gemütlichkeit, aus Trutzgeist und Idyllik, aus rücksichtslosem Materialismus und vergeistigter Idealität. In den mit Ausbruch des Krieges überall einsetzenden propagandistischen Gefechten in Publikationen mannigfaltiger Art wurden derartige Nationalcharaktere wechselseitig gegeneinander ausgespielt, Negativklischees jeweils in krassesten Farben gezeichnet, war das Denken breitester Bevölkerungsschichten in Europa blockiert durch die in der Sprache manifest werdende Verachtung der Feindvölker. Nur wenige Wochen nach der Komposition seiner ›Vaterländischen Ouvertüre‹ hatte Reger die traurige Pflicht, einer guten Bekannten brieflich zum Tod ihres gefallenen Bruders zu kondolieren. Den heutigen Leser befremdet das rhetorische Geschütz, mit der Reger Trost spenden möchte, und doch dürfte es im Oktober 1914 der übliche Ton solcher Schreiben gewesen sein: »Glauben Sie mir: mir ist’s direkt eine Qual, jetzt als Civilist herumzulaufen und nichts tun zu können in dem schmachvollen Krieg – d. h. schmachvoll für unsere Gegner, deren Niederträchtigkeit, Verlogenheit etc. etc. man im Jahre 1914 nicht mehr für möglich halten sollte! Ihr Herr Bruder […] hat auch sein Teil dazu beigetragen, dass das Deutschtum eines Bach, Goethe, Beethoven von asiatischem
32
Ulrich Konrad
Notenbeispiel 7: M. Reger, Vaterländische Ouvertüre, T. 96–110, aus: Reger, Sämtliche Werke 6 (wie Anm. 4), S. 17f.
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
33
34
Ulrich Konrad
Russengesindel, belgischen und französischen größenwahnsinnigen Prahlhänsen und englischen elenden Krämerseelen [nicht] vernichtet wird – ihm wird Ehre im höchsten Sinne des Wortes beschieden sein für immer! […]; er hat sein Leben dahingegeben für andere, für das Deutschtum, für das höchste also, was die Erde aufzuweisen hat! Ich wünsche sehnlichst mein Leben auch hingeben zu können, damit man nicht sich als ›gebrandmarkt‹ ›gestäupt‹ fühlen muss.«60
IV Regers Ouvertüre könne auch heute noch als Speicher individueller wie kollektiver Emotionen erkannt werden, als tönendes Gefühlsarchiv, so lautete unsere Ausgangsthese. Dass dies eine realistische Erwartung war, sollte am Ende unserer Überlegungen deutlich geworden sein, deutlich zum einen in den dargelegten Bezügen zwischen »großer« und »kleiner« Welt, zum andern in den signifikanten kompositorischen Merkmalen des Werks, allen voran in Art und Auf bereitung des eigengeschaffenen wie des zitierten Themenmaterials. Aber zwischen rationaler Durchdringung musikalischer Sachverhalte auf der einen Seite und dem erlebnishaften Nachvollzug außermusikalischer Gehalte auf der anderen klafft eine Lücke. Die beobachteten Wirkmechanismen, wie sie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihren unmittelbar etwa in Liedern präsenten Verständigungscodes eigen waren, haben ihre Kraft weitgehend eingebüßt. Regers ›Vaterländische Ouvertüre‹ tritt uns in erster Linie als historische Quelle aus der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs entgegen, als Notendokument, aus dem Kenntnis der Vergangenheit zu gewinnen ist, nicht aber als Musik, zu der wir einen Gegenwartsbezug herstellen, wie wir das üblicherweise beim Musikhören tun (oder uns zumindest einbilden, zu tun). Somit scheint diese Komposition bis auf weiteres im übervollen musikgeschichtlichen Museum ihren angemessen Platz behalten zu sollen.61 Doch was wird geschehen, wenn das Wissen über die historischen Kontexte mehr und mehr schwindet, die Distanz zum einstigen Geschehen weiter wächst, die ›Entprogrammatisierung‹ des Nationalen von Regers op. 140 voranschreitet und Zusammenhänge, die uns heute noch problematisch vorkommen, ihre Brisanz verloren haben (so wie etwa der Napoleon-Bezug der ›Eroica‹ Beethovens oder der militärische Hintergrund der Risorgimento-Gegner beim populären Marsch op. 228, den Johann Strauss (Vater) 1848 dem Feldmarschall Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz widmete)? Schon jetzt würde, gäbe es nicht den unablässigen Drang zum Inszenieren von Gedenkereignissen (und damit auch den Anstoß für die hier vorgenommene Erkundung), schon jetzt also würde die rein ästhetische Wahrnehmung der Ouvertüre Regers als eines
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
35
kunstvollen symphonischen Satzes in F-Dur aus den Tagen der frühen Moderne eigentlich näher liegen als das mühevoll partielle Wiederherstellen längst vergessener Zeitverhältnisse, näher als das schwierige Übersetzungsgeschäft auf dem Feld der kollektiven und individuellen Emotionen. Aber darüber endgültig zu bescheiden, liegt außerhalb der Zuständigkeit des Musikhistorikers, überhaupt außerhalb derjenigen des Wissenschaftlers.62 Soviel immerhin lässt sich sagen: Regers ›Vaterländische Ouvertüre‹ ist die kritische Auseinandersetzung mit ihr allemal wert, und ihre künstlerische Qualität steht quer zur rezeptionsgeschichtlichen, letztlich moralisch gegründeten Missachtung, der sie anheimgefallen ist. Vielleicht ist das letzte Wort über diese Komposition doch noch nicht gesprochen.
36
Ulrich Konrad
Anhang Auszüge aus: [Hermann Poppen], ›Max Reger op. 140 Eine Vaterländische Ouvertüre für grosses Orchester. Dem Deutschen Heere!, Berlin u.a. [1915] (= Musikalische Erläuterungen und Einführungen, 7); siehe dazu Anm. 38. 1 Einleitung (S. 3f.) »Trotzig, in ungeberdiger, knorriger Kraft, wie der Eichbaum im Sturm, bereit zu splittern und zu fallen, aber nicht, sich zu beugen, steht das deutsche Volk im Aufruhr der Welt. Wer hätte es gestern noch geglaubt? In der Zeit des sich verfeinernden Weltstils, der sich glättenden Sitten? Was die draußen unsere Armut schalten, das Feststecken in der Unbeholfenheit früherer Zeiten, ist heute plötzlich unsere Rettung geworden. Trotzig, in ungeberdiger knorriger Kraft ragt Max Regers Musik in die Zeit. Feinem Weltstil, modischer Glätte abhold, ist sie seltsam eigenartig unter uns gewachsen, ein eigenwilliges, gern auch einmal derbes Kind bodenständiger Freiheit, ihre Wurzeln weit hinunter senkend in frühere Zeit. »Dem deutschen Heere« schenkt sie in der Zeit des ungeheuren Ringens die »Vaterländische Ouverture«, einen in Kraft dastehenden Schlachtensang, das 140. Werk des kaum erst Vierzigjährigen. Zwei Themengruppen eigener Erfindung sind’s, die des Werkes Auf bau tragen: trotzend, wie in Zorn und Kampf begier reckt sich das eine, um einer Welt die Stirn zu bieten; sehnsuchtsvoll steigt das andere auf, nach Unfaßbarem verlangend, von unerfülltem Sein gepeinigt, fähig, noch im Kampfgewühl zu dichten und zu träumen. Und um deren Ausweitung und Widerstreit herum singt ohn’ Ende des deutschen Volkes Heimatslied, dröhnt sein Kampfgesang als der unmittelbarste Ausdruck seines Fühlens und Wollens. Freilich, des deutschen Volkes Lied, nicht, wie man’s im Salon der »besseren Familie« finden kann, hübsch glatt herfrisiert – und auch gefühlvoll. »Für die höhere Tochter« schreibt Max Reger nun einmal nicht. Wir wissen schon, hier gilt’s Musik nach dem Beethovenschen Wort, die »dem Mann Feuer aus dem Geist schlagen« muß. Ecken und Kanten gehören dazu; auf- und übereinander werden Melodien und Motive getürmt, in mehrfachen, immer wieder gehäuften Engführungen zusammengeballt, oder bruchstückweise hier und da auftauchend, von einem ehernen Mund dem anderen zugeworfen, in schlagender Folge aufeinander treffend. Das ist Regersche Strategie. 2 Zum Schluss der ›Vaterländischen Ouvertüre‹; Resümee (S. 21–23) »Und so türmt sich denn im Ausklingen dieser Liedmelodien, unter dem vieltönigen Rufen der Siegesfanfaren, in die sich die altbekannten Schlachtrufe verwandelt haben, und durch die sich unermüdlich der chromatische Aufstieg des
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
37
Themas vom sieghaften Ideal emporzwängt, mit einem letzten Aufrauschen der Akkordbrechungen im Streichorchester Largo rit. – – – ein Schluß empor, wie ihn unter den Heutigen im Grund eben doch nur Max Reger so hinzustellen vermag mit einem breiten Pathos, einer Wucht ohnegleichen. So schließt das Werk feierlich, ungeheuer pompös, das so zart, wie tastend, begonnen hatte. Sein Auf bau ist, wie gesagt, durchsichtig und einfach: In kurzer Einleitung ein friedliches Mit-sich-beschäftigt-sein; dann ein Teil für sich dem erwachenden Entschluß zum Trutzkampf gewidmet; ein zweiter für das durch keine Feindschaft zu tilgende Sehnen nach dem Übersinnlichen; schließlich in breiter, unmittelbar in den Schluß gipfelnder Anlage die Vereinigung der beiden gegensätzlichen Bestrebungen, über der Antithese als Synthese die freudige Aufnahme und innerlich reinigende, innerlich siegreiche Durchführung des Kampfes. Kompositionstechnisch herausgearbeitet wird das mit der fabelhaften Kunst polyphoner Stimmführung, die nun einmal Meister Regers ureigene Domäne ist. Es ist bekannt, daß sie aus der gleichartigen Joh. Seb. Bachs erwachsen ist. Wer geglaubt hat, aus einigen der neueren Werke Regers schließen zu können, daß diese Bahn verlassen sei zugunsten einer »moderneren« Schreibweise, die mehr in Klang- und Instrumentierungsfarben malt als deutliche Linien zeichnet, der mag sich von der »Vaterländischen Ouverture« eines besseren belehren lassen. Hier ist durchaus Bachsche Technik; im modernen Gewand natürlich; aber Bachscher Geist auf Schritt und Tritt. Wie es bei Bach unter den »Orgelchorälen« welche gibt, in denen eigentlich alles und jedes abgeleitet ist aus der Linienführung des behandelten Liedes, so ist hier die Motivbildung bis ins kleinste hinein beherrscht von den vaterländischen Weisen, die das Werk durchziehen und krönen. Und dieser Gedanke selbst, Liedmelodien mit ihrem, dem Hörer bekannten Texthintergrund gleichsam wie handelnde Personen auftreten und ausprechen zu lassen, was keine »absolute« Musik mit solcher Bestimmtheit zu sagen vermöchte, – – ist das nicht Bachsche Art? Ist das nicht dort in dem blühenden Reichtum der kirchlichen wie der weltlichen Kantaten im weitesten Umfang vorgemacht, viel mehr, als man früher geahnt hat? Haben uns nicht gerade in letzter Zeit Männer, die die Melodien jener Zeit kennen, die Augen dafür aufgetan? So ist auch in dieser Hinsicht die »Vaterländische Ouverture« nach mancherlei Liebäugeln unserer neuzeitlichen Komposition mit der Art des Auslandes, namentlich der Franzosen, eine Bekräftigung deutscher Eigenart, eine vaterländische Tat. Die Mittel der Darstellung sind einfach im Vergleich zu dem, was dem heutigen Komponisten alles zur Verfügung steht: […]. Daß diese Mittel mit raffiniertester Virtuosität verwendet, daß sie richtig ausgenutzt sind, versteht sich bei Regers Meisterschaft hierin von selber. Und daß
38
Ulrich Konrad
der Schluß, nachdem zu der angegebenen Besetzung noch die Orgel mit ihrem Bläserchor von 3–4 Trompeten und ebensovielen Posaunen hinzugetreten ist, kräftig aufträgt, liegt in der Natur der Sache. Wenn ein Volk aufsteht und steht im Aufruhr der Welt, eignet sich der Stil der Serenade schlecht zum musikalischen Ausdruck. Wir preisen unser Geschick, daß wir noch fähig sind, mit der »deutschen Faust« drein zu schlagen. Preisen wir es auch, daß wir eine Musik haben, der es gegeben ist, das Unaussprechliche zu künden, wie das Zarteste und Feinste, für das jedes Wort Entweihung wäre, so auch das Ungeheure, wo es Worte nicht mehr gibt. So redet die »Vaterländische Ouverture«, im Rahmen jeder nichtdeutschen Kultur undenkbar, die Sprache ihres Volkes, des versonnenen und verträumten, des so wunderlich knorrig geratenen, des auch in ungeberdiger Kraft zuschlagen könnenden Volkes: eine deutsche, eine »Vaterländische« Ouverture.
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
39
Anmerkungen * Für förderliche Auskünfte, wertvolle Hinweise und die Übermittlung von Quellenkopien danke ich vielmals den Herren Dr. Stefan König (Max-Reger-Institut, Karlsruhe), Prof. Dr. Friedhelm Brusniak (Universität Würzburg) und Alexander Arlt M.A. (Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens). Herrn Dr. Oliver Wiener (Universität Würzburg) bin ich für den Satz der Notenbeispiele verbunden. – Mein jugendliches Interesse an Reger wurde 1973 beim Bonner Reger-Fest anlässlich des 100jährigen Geburtstagsjubiläums in Bonn geweckt und damals von Susanne Popp in Bad Godesberg freundlich erwidert. Seither ist die Verbindung zu ihr nicht abgerissen, meine Bewunderung für das Reger gewidmete Forscherleben von Susanne Popp stetig gestiegen. Ihr sei die vorliegende Studie zum Reger-Jahr 2016 mit herzlichem Dank zugeeignet. 1 Zur Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der beiden Kompositionen siehe ›Thematisch-chronologisches Verzeichnis der Werke Max Regers und ihrer Quellen. RegerWerk-Verzeichnis (RWV )‹, im Auftrag des Max-Reger-Instituts hrsg. von Susanne Popp, 2 Bände, München 2011, Bd. 1, S. 754–763 (op. 132), S. 806–811 (op. 140). 2 Die Werke standen im Uraufführungsjahr noch bei folgenden Konzerten unter Regers Leitung gemeinsam auf dem Programm: 1.2. (München), 5.2. (Berlin; mit Reger und Richard Strauss als Dirigenten, dabei op. 140 als Uraufführung angekündigt!), 10.2. (Heidelberg), 19.2. (Frankfurt am Main), 2.10. (Duisburg), 1.12. (Braunschweig), 7.12. (Mannheim), 10.12. (Kassel). Daneben und in den Folgejahren gab es eine weitere Reihe von Aufführungen der opera 132 und 140 je für sich; siehe Ingeborg Schreiber, Max Reger in seinen Konzerten, Teil 2: Programme der Konzerte Regers, Bonn 1981 (= Veröffentlichungen des Max-RegerInstitutes Elsa Reger Stiftung Bonn, 7/2), passim. – Zu den Publikumsreaktionen vgl. die Mitteilung Regers an Karl Straube vom 7. Dezember 1915: »Ich dirigiere jetzt »egal« in allen möglichen Städten meine Mozart-Variationen und die Vaterländische Ouvertüre – überall mit dem denkbar größten Erfolg! Es ist oft nicht zu glauben, wie diese zwei Werke direkt »einschlagen«. In Braunschweig und Hannover waren die Leute wie verrückt! Hochrufe, »Hoch soll er leben« aus dem Publikum heraus nach den Konzerten!«, in: Max Reger. Briefe an Karl Straube, hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1986 (= Veröffentlichungen des Max-RegerInstitutes Elsa-Reger-Stiftung Bonn, 10), S. 256. 3 Der Sachverhalt hat sich auch im Reger-Jahr 2016 nicht geändert: Das Portal zum Jubiläum (http://www.reger2016.de; aufgerufen am 20. Juli 2016) weist zahlreiche Aufführungen der ›Mozart-Variationen‹, aber keine der Ouvertüre nach. Aus jüngerer Zeit ist nur die Produktion am 30. Mai 2014 durch das American Symphony Orchestra unter Leon Botstein in der Carnegie Hall New York nachzuweisen; siehe die verhaltene Kritik von George Grella, American Symphony’s mixed season finale proves less than the sum of ist parts, in: New York Classical Review, 31. Mai 2014, newyorkclassicalreview.com (Archive, zuletzt aufgerufen 24. Juli 2016). 4 Das Autograph wird seit 1939 in der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek aufbewahrt; Signatur: M 17 454/46. Die Partitur ist im Druck greif bar in ›Max Reger, Sämtliche Werke‹, Band 6: Orchesterwerke VI, hrsg. von Ottmar Schreiber, Wiesbaden 1965, S. 1–60 (auch als Datei in der Petrucci Music Library / International Music Score Library Project: imslp.com [aufgerufen am 20. Juli 2016]); Auszug vom Komponisten für Klavier zu vier Händen, Berlin u.a.: N. Simrock (1915). – Eine Aufführung des Städtischen Orchesters Berlin unter der Leitung von Robert Heger vom 10. November 1942 (Polydor 59194-95, gs 2013-
40
Ulrich Konrad
2016 gs) ist vom Label Guild GmbH zugänglich gemacht worden: GHCD 2400/01 © 2013 (auch auf YouTube abhörbar); die von Cadenbach, Ouvertüre (wie Anm. 5), S. 444 erwähnte Aufnahme, die am 19. September 1939 in Berlin mit dem Orchester des Deutschlandsenders unter Leitung von Alois Melichar entstanden und im Rundfunkarchiv Frankfurt erhalten geblieben ist, wurde bislang nicht veröffentlicht. Das Piano Duo Trenkner-Seidel spielte Regers Bearbeitung für Klavier vierhändig ein: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm, MDG 3301134-2 ( P + © 2002). 5 Rainer Cadenbach, Max Regers Vaterländische Ouvertüre op. 140 als Paradebeispiel deutscher Musik, in: Nationale Musik im 20. Jahrhundert. Kompositorische und soziokulturelle Aspekte der Musikgeschichte zwischen Ost- und Westeuropa, Konferenzbericht Leipzig 2002, hrsg. von Helmut Loss und Stefan Keym, Leipzig 2004, S. 422–446. Susanne Popp, Max Regers Weltkriegskompositionenen und die Zwangsläufigkeit ihrer Rezeption, in: »… dass alles auch hätte anders kommen können.« Beiträge zur Musik des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Susanne Schaal-Gotthardt, Luitgard Schader und Heinz-Jürgen Winkler, Mainz u.a. 2009 (= Frankfurter Studien, XII ), S. 58–74. Esteban Buch, Composer pendant la guerre, composer avec la guerre, in: La Grande Guerre des musiciens, hrsg. von Stéphane AudoinRouzeau, Esteban Buch, Myriam Chimènes und Georgie Durosoir, Monts 2009, S. 135–159, bes. S. 139–149. Zum weiteren Kontext vgl. Musik bezieht Stellung. Funktionalisierungen der Musik im Ersten Weltkrieg, hrsg. von Stefan Hanheide, Dietrich Helms, Claudia Glunz und Thomas F. Schneider, Göttingen 2013 (= Krieg und Literatur, XIX ). 6 Zur Rezeption der Regers und seiner Musik im Nationalsozialismus siehe Susanne Popp und Susanne Shigihara, Max Reger. Am Wendepunkt zur Moderne. Ein Bildband mit Dokumenten aus den Beständen des Max-Reger-Instituts, Bonn 1987 (= Schriften des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute, 7), S. 171–185. 7 Aus den vielen Studien zu Ursachen, Verlauf und Folgen des Ersten Weltkriegs seien hier nur zwei aktuelle Publikationen genannt; sie wurden der vorliegenden Darstellung zugrundegelegt: Herfried Münkler, Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, Berlin 2013; Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandorra. Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 2014. 8 Münkler, Der Große Krieg (Anm. 7), S. 216. 9 Umfassend zu diesem Sachverhalt unter Einbezug der Sozial- und Geschichtswissenschaften, der Bildenden Kunst und der Literatur (nicht aber der Musik) siehe den Sammelband Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, hrsg. von Wolfgang J. Mommsen, München 1996 (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, 34), weiterhin Kurt Flasch, Die geistige Mobilmachung. Die deutschen Intellektuellen und der Erste Weltkrieg, Berlin 2000, und Ernst Piper, Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs, Berlin 2013. 10 Aufruf an die Kulturwelt: siehe Jürgen von Ungern-Sternberg, Wolfgang von Ungern-Sternberg, Der Aufruf »An die Kulturwelt!« Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, mit einem Beitrag von Trude Maurer, Menschen und Strukturen, Stuttgart 1996, 2., erweiterte Auflage, Frankfurt am Main u. a. 2013 (= Historisch-sozialwissenschaftliche Studien, 21). – Erklärung: Die von dem evangelischen Theologen Reinhold Seeberg konzipierte und auf Berlin, 23. Oktober 1914 datierte Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches im Wortlaut: »Wir Lehrer an Deutschlands Universitäten und Hochschulen dienen der Wissenschaft und treiben ein Werk des Friedens. Aber es erfüllt uns mit Entrüstung, daß die Feinde Deutschlands, England an der Spitze, angeblich zu unsern Gunsten einen Gegensatz machen wollen zwischen dem Geiste der deutschen Wissenschaft und dem, was sie den preußischen Militarismus nennen. In dem
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
41
deutschen Heere ist kein anderer Geist als in dem deutschen Volke, denn beide sind eins, und wir gehören auch dazu. Unser Heer pflegt auch die Wissenschaft und dankt ihr nicht zum wenigsten seine Leistungen. Der Dienst im Heere macht unsere Jugend tüchtig auch für alle Werke des Friedens, auch für die Wissenschaft. Denn er erzieht sie zu selbstentsagender Pflichttreue und verleiht ihr das Selbstbewußtsein und das Ehrgefühl des wahrhaft freien Mannes, der sich willig dem Ganzen unterordnet. Dieser Geist lebt nicht nur in Preußen, sondern ist derselbe in allen Landen des Deutschen Reiches. Er ist der gleiche in Krieg und Frieden. Jetzt steht unser Heer im Kampfe für Deutschlands Freiheit und damit für alle Güter des Friedens und der Gesittung nicht nur in Deutschland. Unser Glaube ist, daß für die ganze Kultur Europas das Heil an dem Siege hängt, den der deutsche »Militarismus« erkämpfen wird, die Manneszucht, die Treue, der Opfermut des einträchtigen freien deutschen Volkes.« Im Anschluss folgen die Namen der unterzeichnenden Professoren und Dozenten, geordnet nach den Standorten ihrer Universitäten und Hochschulen. – Zu weiteren Verlautbarungen siehe Hermann Kellermann, Der Krieg der Geister. Eine Auslese deutscher und ausländischer Stimmen zum Weltkriege 1914, Weimar 1915. 11 Thomas Mann, Gedanken im Kriege, in: Die Neue Rundschau 25 (1914), Heft 11, hier zit. nach Ders., Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Bd. XIII : Nachträge, 2., durchgesehene Auflage, Frankfurt am Main 1974, S. 527–545, bes. S. 537. 12 Ebenda, S. 537f. 13 Als Beispiel diene Die Musik, die als Halbmonatsschrift ausgegeben wurde. In Heft 23 (1. September-Heft 1914) des 13. Jahrgangs 1913/14 wurde in einem kurzen Editorial lediglich darauf hingewiesen, dass trotz »des Krieges […] im Erscheinen der MUSIK natürlich keine Unterbrechung« eintrete. Zu Beginn von Heft 24 (2. Septemberheft) wandte sich die Schriftleitung dann aber bekenntnishaft an die Leserschaft: »Krieg und Kunst reimt sich schlecht. Und doch! Denken wir an den Verfasser von »Rembrandt als Erzieher« [= Julius Langbehn, UK], der in seltsamen Bildern, aber geistvoller Erkenntnis Krieg und Kunst als die beiden untrennbaren Grundpfeiler germanischer Kultur bezeichnet hat, eine Feststellung, der sich keine deutsch empfindende Seele heute zu entziehen vermag, so dürfen wir getrost in zukünftige Zeiten schauen, getrost und beruhigt. Mehr noch: befestigt und stolz. Der lawinenartige Siegeszug unseres Heeres, die geniale Führung der Dirigenten dieses übergewaltigen Orchesters werden dem Deutschtum und seinem unauf haltsamen Vordringen Aussichten eröffnen, deren Segnungen vorläufig unabsehbar sind.«, S. [287]. Typisch für die Zeit auch die Beiträge des Arztes, Musikschrifstellers und Bibliophilen Leopold Hirschberg (1867–1929), siehe Ders., Die Kriegsmusik der deutschen Klassiker und Romantiker. Aufsätze zur vaterländischen Musikgeschichte als Zeitbild zusammengestellt, Leipzig 1919 (enthält 33 Aufsätze Hirschbergs aus den Kriegsjahren). 14 Übertragen nach dem Scan des Autographs in der Briefdatenbank des Arnold Schönberg Centers Wien, www.schoenberg.at, ID: 22109. 15 Münkler, Der Große Krieg (Anm. 7), S. 224. Dazu auch von Dems., Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist 2007, S. 322–337. 16 Münkler, Der Große Krieg (Anm. 7), S. 226. 17 Aufruf zu einem »Kriegsbettag« am 5. August 1914 durch Kaiser Wilhelm II., zit. nach Ein feste burg. predigten und reden aus eherner zeit. Zum besten der nationalstiftung für die hinterbliebenen der im kriege gefallenen, hrsg. von Bruno Doehring, 2 Bände, Berlin 1914, hier Bd. 1, S. 20. 18 Neueste und für das weitere grundlegende Darstellung von Susanne Popp, Werk statt Leben. Biographie, Wiesbaden 2015, bes. S. 404–434; an älteren Arbeiten noch Rainer Ca-
42
Ulrich Konrad
denbach, Max Reger und seine Zeit, Laaber 1991 (= Große Komponisten und ihre Zeit). Zu Regers »Augusterlebnis« auch: Auf der Suche nach dem Werk. Max Reger – Sein Schaffen – Seine Sammlung. Eine Ausstellung des Max-Reger-Instituts Karlsruhe in der Badischen Landesbibliothek zum 125. Geburtstag Max Regers, hrsg. von Susanne Popp und Susanne Shigihara, Karlsruhe 1998, S. 186–189. 19 Zu Regers Konzertkalender siehe Schreiber, Max Reger in seinen Konzerten (Anm. 1), dazu Ottmar Schreiber, Max Reger in seinen Konzerten, Teil 1: Reger konzertiert, Bonn 1981 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Institutes Elsa Reger Stiftung Bonn, 7/1). 20 Brief an N. Simrock Verlag (Wilhelm Graf ), 7. August 1914, in: Max Reger. Briefe an den Verlag N. Simrock, hrsg. von Susanne Popp, Stuttgart 2005 (= Schriftenreihe des MaxReger-Instituts Karlsruhe, XVIII), S. 103–106, hier S. 105. 21 Brief an Reinhold Anschütz, 19. September 1914, in: Max Reger. Briefe eines deutschen Meisters. Ein Lebensbild, hrsg. Von Else von Hase-Koehler, Leipzig 1928, S. 286f., hier S. 287. 22 Am 24. August 1914 schrieb Reger an den Organisten Karl Straube: »Ich habe mich, als der Landsturm 2. Aufgebots einberufen wurde, zu dem ich gehöre, natürlich sofort gestellt, bin aber sogleich nach ärztlicher Untersuchung nach Hause geschickt worden, sodaß ich totaler Vaterlandskrüppel bin.« Reger. Briefe an Karl Straube (Anm. 2), S. 240. 23 Kompositionsdaten nach RWV (Anm. 1), passim. 24 Dazu in Reger, Briefe an Simrock (Anm. 20), S. 127–129. – In den Memoiren der Witwe heißt es zur Situation der Kriegszeit: »Von meiner Familie waren alle Männer an der Front, außer meinem Bruder [Ernst] noch zehn Vettern, und die bangen Gedanken flogen von Ost nach West. Daß Reger untauglich für den Dienst in Feld und Heimat beiseite stehen sollte, wo es galt, dem Vaterlande Dienste zu leisten, war ihm ein unerträglicher Gedanke.«, Elsa Reger, Mein Leben mit und für Max Reger, Leipzig 1930, S. 133. 25 Zit. nach Reger, Briefe an Simrock (Anm. 20), S. 128. 26 Reger an Reinhold Anschütz, 25. September 1914, zit. nach Reger, Briefe an Simrock (Anm. 20), S. 128. 27 Brief an N. Simrock Verlag (Wilhelm Graf ), 11. September 1914, in: Reger, Briefe an Simrock (Anm. 19), S. 129f. – Als Quelle für die Lieder diente Reger der von Rudolph Palme herausgegebene Band Sangeslust. Sammlung gemischter Chorgesänge für Gymnasien und Realschulen mit besonderer Berücksichtigung des Stimmumfangs, Leipzig [1886], dort S. 342 (Lied der Deutschen), 334f. (Wacht am Rhein), 350 (Gelübde); Angaben nach RWV (Anm. 1), S. 807. Abbildungen der entsprechenden Seiten unten S. 14, 17, 20. 28 Brief an N. Simrock Verlag (Wilhelm Graf ), 29. September 1914, in: Reger, Briefe an Simrock (Anm. 20), S. 138f., hier S. 138. 29 Postkarte an N. Simrock Verlag (Wilhelm Graf ), 11. November 1914, in: Reger, Briefe an Simrock (Anm. 19), S. 159–161, hier S. 159. 30 Fritz Mielert, Wiesbaden, Dortmund 1926 (= Berühmte Städte, Bäder, Landschaften, 1). Wiesbaden – Hinterhof und Kurkonzert. Eine illustrierte Alltagsgeschichte von 1800 bis heute, hrsg. von Gerhard Honekamp, Gudensberg-Gleichen 1996. Manfred Gerber, Das Kurhaus Wiesbaden. Kaleidoskop eines Jahrhunderts, Bonn 2007. 31 Zur Gattungsgeschichte siehe Susanne Steinbeck, Die Ouvertüre in der Zeit von Beethoven bis Wagner. Probleme und Lösungen, München 1973 (= Freiburger Schriften zur Musikwissenschaft, 19); Bärbel Pelker, Die deutsche Konzertouvertüre (1825–1865). Werkkatalog und Rezeptionsdokumente, 2 Bände, Frankfurt am Main 1993 (= Europäische Hochschulschriften, 36/99). 32 Reger dirigierte die beiden Ouvertüren von Brahms mehrmals zwischen 1908 und 1914,
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
43
siehe Schreiber, Max Reger in seinen Konzerten (Anm. 2), S. 549, passim. Zum spezifischen Gehalt des erstgenannten Werks siehe Albrecht Riethmüller, Wagner, Brahms und die Akademische Fest-Ouvertüre, in: AfMw 61 (2004), S. 79–105. 33 »Vaterland« im Titel von Orchesterkompositionen ist keine Seltenheit, etwa bei Bedřich Smetana (Má vlast / Mein Vaterland, 1874–1879), Joachim Raff (»An das Vaterland«. Eine Preis-Symphonie in fünf Abteilungen op. 96, 1859–1861) oder Hugo Kaun (Symphonie Nr. 1 d-Moll »An mein Vaterland« op. 22, 1892/93). – Das Adjektiv »vaterländisch«, laut Deutschem Wörterbuch von Grimm erst im 18. Jahrhundert als Eindeutschung von »patriotisch« in Gebrauch gekommen, findet sich dagegen in Musiktiteln jedenfalls an prominenterer Stelle nicht. Regers Titel ruft am unmittelbarsten die Assoziation mit der singulären Formulierung »Ein deutsches Requiem« op. 45 von Johannes Brahms hervor (weniger dagegen, obwohl zeitnäher zur Ouvertüre op. 140, mit »Deutsche Motette« op. 62 von Richard Strauss, uraufgeführt im Dezember 1913). 34 Auch wenn Reger den Begriff selbst nie gebraucht und er auch in der Sekundärliteratur zu seinem op. 140 kaum eine Rolle spielt, so handelt es sich bei dem entsprechenden Abschnitt der Ouvertüre um eine polyphone Sonderform, nämlich um ein Quodlibet. Die damit einhergehende Technik der Kombination von Melodien, die unabhängig voneinander entstanden sind und bestehen, geht ins 14. Jahrhundert zurück. Das für Reger markanteste Beispiel eines Quodlibets dürfte der Schluss-Satz aus Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen BWV 988 gewesen sein (ein Arrangement des Werks von Josef Rheinberger revidierte Reger Ende 1914/Anfang 1915, RWV Bach-H13). Zur Begriffsgeschichte siehe Markus Bandur, Quodlibet, in: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, hrsg. von Hans Heinrich Eggebrecht, [Loseblattausgabe]. Wiesbaden u.a. 1991. 35 Bach galt Reger von frühauf als der »Urquell musikalischen Schaffens u. göttlichster Kunst« (Brief an Ferruccio Busoni, 11. Mai 1895, in: Der junge Reger. Briefe und Dokumente vor 1900, hrsg. von Susanne Popp, Wiesbaden u.a. 2000 [= Schriftenreihe des Max-RegerInstituts Karlsruhe, XV], S. 237). Der Thomaskantor stand ihm für Musik schlechthin, freilich für eine, die ihren überzeitlichen Nährboden in der deutschen Kultur hatte: »Was ich nun unter ›Deutschthum‹ bei Orgelmusik verstehe, ist natürlich nicht Chauvinismus – ist ganz u. gar unpolitisch; der Ausdruck Deutschthum ist für mich da eben nur ›Gattungsbegriff‹; wir könnten ebenso sagen ›bachisch‹; d.h. aus Bachischem Geiste geboren.« (Brief an Joseph Renner, 26. November 1900, zit. nach Popp, Max Reger (Anm. 18), S. 88). Sein Bekenntnis zu Bach fasste Reger 1905 in der Antwort auf eine Zeitschriftenumfrage zusammen (»Was ist mir Johann Sebastian Bach und was bedeutet er für unsere Zeit?«): »Seb. Bach ist für mich Anfang und Ende aller Musik; auf ihm ruht und fusst jeder wahre Fortschritt! Was Seb. Bach für unsere Zeit bedeutet – pardon – bedeuten sollte? Ein gar kräftigliches, nie versiegendes Heilmittel nicht nur für alle jene Komponisten und Musiker, die an »missverstandenem Wagner« erkrankt sind, sondern für alle jene »Zeitgenossen«, die an Rückenmarksschwindsucht jeder Art leiden. »Bachisch« sein heisst: urgermanisch, unbeugsam sein. Dass Bach so lange verkannt sein konnte, ist die grösste Blamage für die »kritische« Weisheit des 18. und 19. Jahrhunderts.« in: Die Musik 5 (1905), 1. Quartalsband = Bd. XVII , S. 74. 36 »Andere machen Fugen, ich kann nicht anders als darin leben«, in: Hermann Poppen, Max Reger, Leipzig 1918, S. 17. 37 Reger an Karl Straube, 3. Februar 1910, S. 188 (»Wo ich prügelhart mit meiner deutschen Polyphonie losgehe – da ist im »Neuen Leben« [gemeint ist Ermanno Wolf-Ferraris Oratorium La vita nuova] eitel Gesäusel!«), in: Reger, Briefe an Straube (Anm. 2), S. 188f., hier S. 188. 38 [Hermann Poppen], Max Reger op. 140 Eine Vaterländische Ouvertüre für grosses
44
Ulrich Konrad
Orchester. Dem Deutschen Heere!, Berlin u.a. [1915] (= Musikalische Erläuterungen und Einführungen, 7). Das Entstehen dieser Schrift, die Reger ursprünglich selbst hatte verfassen wollen, ehe er die Aufgabe im März 1915 Poppen übertrug, verfolgte er aufmerksam, las im Mai 1915 sogar die Korrekturen, da Poppen sich im Kriegseinsatz befand; vgl. Reger, Briefe an Simrock (wie Anm. 18), S. 222, 234, 240–242. Das Heft enthält neben der Analyse (siehe Auszüge daraus im Anhang S. 36-38) einen ausführlichen Anhang mit durchweg positiven Pressestimmen (S. 24–30), darunter auch eine preisende Anzeige der Ausgabe für Klavier zu vier Händen aus der ›Chemnitzer Allgemeinen Zeitung‹: »Der leicht gesetzte und bequem zu spielende Klavierauszug verschafft einen guten Einblick in die Struktur des herrlichen Werkes und bringt jedem Klavierspieler vollkommene Gelegenheit, sich daheim mit dieser neuesten Schöpfung Regers, die so garnichts von Schwächen der Gelegenheitskomposition an sich hat, vielmehr völlig klar gereift ist, vertraut zu machen. So erhalten die Musikfreunde gerade zu rechter Zeit ein Stück vornehmster Hausmusik.« (S. 30). 39 Das in Anm. 13 herangezogene Heft 24 der Zeitschrift ›Die Musik‹ (2. Septemberheft 1914) enthielt eine neunseitige Kunstbeilage mit Autographen-Faksimiles, darunter die Handschriften der »Wacht am Rhein« (Carl Wilhelm, Max Schneckenburger) und des »Deutschland-Liedes« (Hoffmann von Fallersleben; Klavierversion Joseph Haydn). Dazu heißt es in »Anmerkungen« (S. 332): Wir »tragen dabei den Stimmungen und Empfindungen Rechnung, die in der gewaltigen Zeit, die wir miterleben dürfen, jedes Herz »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt« erfüllen. Nicht weniger als zehn vaterländische Autographe legen wir heute unseren Lesern vor […]«. 40 Eberhard Rohse, »Das Lied der Deutschen« in seiner politischen, literarischen und literaturwissenschaftlichen Rezeption, in: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798– 1998. Festschrift zum 200. Geburtstag, hrsg. von Hans-Joachim Behr, Herbert Blume und Eberhard Rohse, Bielefeld 1999 (= Braunschweiger Beiträge zur deutschen Sprache und Literatur, 1), S. 51–100. Bernhard Höfele, Deutsche Nationalhymnen. Geschichte – Melodien – Texte, Norderstedt 2006. Jürgen Zeichner, Einigkeit und Recht und Freiheit. Zur Rezeptionsgeschichte von Text und Melodie des Deutschlandlieds von 1933 bis heute, Köln 2008. 41 Im Kommuniqué der Obersten Heeresleitung vom 11. November hieß es dazu: »Westlich von Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesang ›Deutschland, Deutschland über alles‹ gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie. Etwa 2000 Mann französischer Linien-Infanterie wurden gefangen und sechs Maschinengewehre erbeutet.« Zit. nach Uwe K. Ketelsen, Die Jugend von Langemarck. Ein poetisch-politisches Motiv der Zwischenkriegszeit, in: ,Mit uns zieht die neue Zeit‘. Der Mythos Jugend, hrsg. von Thomas Koebner, Rolf-Peter Janz und Frank Trommler, Frankfurt am Main 1987 (= edition suhrkamp, 1229 = NF 229), S. 68–98, hier S. 70. 42 Walter Moßmann, Die Wacht am Rhein, in: Ders., Alte und neue Lieder. Entstehung und Gebrauch, Texte und Noten, hrsg. von Peter Schleuning, Hamburg 1978, S. 17–80. 43 Ralph Erbar, Deutschland – einig Vaterland? Das Niederwalddenkmal bei Rüdesheim als Ausdruck des Nationalismus im Deutschen Reich, in: Geschichte für heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung 2 (2009), Heft 1, S. 20–35. 44 Joachim Burkhard Richter, Hans Ferdinand Maßmann. Altdeutscher Patriotismus im 19. Jahrhundert, Berlin u.a. 1992 (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, NF 100), bes. S. 111–115 u. S. 422 (Kapitel III.3: »Ich hab mich‘ ergeben«. Lyrische Bewältigungsversuche). Tobias Widmaier, Ich hab mich ergeben (2011), in: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: http://www. liederlexikon.de/lieder/ich_habe_mich_ergeben/ (zuletzt aufgerufen 20. Juli 2016).
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
45
45 Als Vorlage diente Reger die Kleine Ausgabe des vierstimmigen Choralbuches zu dem Gesangbuch für die evangelisch-lutherische Landeskirche des Königreichs Sachsen, Leipzig 1883, S. 90. – Bernhard R. Kroener, »Nun danket alle Gott.« Der Choral von Leuthen und Friedrich der Große als protestantischer Held. Die Produktion politischer Mythen im 19. und 20. Jahrhundert, in: »Gott mit uns«. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hrsg. von Gerd Krumeich und Hartmut Lehmann, Göttingen 2000 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 162), S. 103–134. Siegmar Keil, Der »Choral von Leuthen« – ein preußisch-deutscher Mythos, in: Die Tonkunst 4 (2007), S. 442–449; Michael Fischer, Nun danket alle Gott (2007), in: Populäre und traditionelle Lieder. Historischkritisches Liederlexikon, URL: http://www.liederlexikon.de/lieder/nun_danket_alle_gott/ (zuletzt aufgerufen 20. Juli 2016). – Als historisch ebenfalls vielfältig konnotierter Choral hätte sich für Reger auch Luthers Psalmlied »Ein feste Burg ist unser Gott« angeboten, siehe dazu Michael Fischer, Religion, Nation, Krieg. Der Lutherchoral Ein feste Burg ist unser Gott zwischen Befreiungskriegen und Erstem Weltkrieg, Münster 2014 (= Populäre Kultur und Musik, 11). 46 Vgl. Popp, Regers Weltkriegskompositionen (Anm. 5), S. 62–64 (mit Abbildung des dritten Entwurfs, Max-Reger-Institut, Signatur: Mus. Ms. 168, fol. 3r). 47 Anweisung in der gedruckten Partitur (Anm. 4, S. 44): »Diese 3 oder 4 Trompeten in C u. 3 oder 4 Tenorposaunen sollen nicht im Orchester plaziert sein, sondern an irgend einem Platze im Saal, oberhalb des Orchesters, oder in einer Loge, doch so, daß diese Bläser den Dirigenten gut sehen können!« – Die Idee der extern aufgestellten Blechbläsergruppe scheint, soweit ersichtlich, erstmals 1906 im Zusammenhang mit dem unausgeführt gebliebenen Vorhaben eines großbesetzten Hymnus vom Tod und ewigen Leben WoO V/5 aufgekommen zu sein. In einem Brief an Karl Straube vom 6. September des Jahres heißt es bei Überlegungen zum Höhepunkt der Schlussfuge: »Dadurch, daß diese 3 Trompeten u. 3 Posaunen (es können auch mehr sein) im Nebensaal aufgestellt sind, beim Einsatz der Orgel u. des Knabenchores würde deren Klang sozusagen idealisiert u. müßte das wohl so klingen, als wenn dieser Posaunen u. Trompetenchor direkt aus dem Himmel käme.«, in: Reger, Briefe an Straube (Anm. 2), S. 116. Am Schluss der Doppelfuge des 100. Psalms op. 106 von 1909 (»Denn der Herr ist freundlich«) ist der Effekt dann realisiert: Der Choral »Ein feste Burg ist unser Gott« erklingt ab T. 288 in einem »Nebenorchester« von 4 Trompeten und 4 Tenorposaunen. 48 Reger, Briefe an Straube (Anm. 2), S. 241. Das erwähnte Blatt befindet sich im MaxReger-Institut Karlsruhe, Signatur: Mus. Ms. 141; es wurde bereits mehrfach abgebildet, zuerst in Popp / Shigihara, Max Reger (Anm. 6), S. 179 (farbig), dann s/w etwa in Cadenbach, Reger (Anm. 18), S. 341 oder Reger, Briefe an Simrock (Anm. 20), S. 131. – Zum Brief an den Simrock-Verlag siehe oben Anm. 27; an Fritz Stein, 11. September 1914, in: Max Reger, Briefe an Fritz Stein, hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1982 (= Veröffentlichungen des MaxReger-Institutes Elas-Reger-Stiftung Bonn, 8), S. 187. 49 Simon Obert, Komponieren im Krieg. Felix Weingartners Ouvertüre ‹Aus ernster Zeit›, in: Ders. und Matthias Schmidt, Im Mass der Moderne. Felix Weingartner – Dirigent, Komponist, Autor, Reisender, Basel 2009, S. 187–216. 50 Den folgenden Ausführungen liegt die Dirigierpartitur von 1914 mit der Nummer Universal-Edition 5533 zugrunde. Eine CD-Einspielung der Ouvertüre ist greif bar beim Label classic production osnabrück (cpo), 777101–2 (©2007); Ausführende sind das Sinfonieorchester Basel unter Leitung von Marko Letinja. 51 Anzeige in: Signale für die Musikalische Welt 73 (1915), 6. Januar, S. 11, zit. nach Obert, Komponieren (wie Anm. 49), S. 210. 52 Karin Schulin, Musikalische Schlachtengemälde in der Zeit von 1756 bis 1815, Tutzing 1986 (= Eichstätter Abhandlungen zur Musikwissenschaft, 3).
46
Ulrich Konrad
53 Peter Wegele, Der Filmkomponist Max Steiner, Wien u.a. 2012 (= exil.arte-Schriften, 2), darin ausführlich zu Casablanca S. 119–241. 54 »die Leute […] ahnen gar nicht, wie thematisch gerade im Klavierconcert [op. 114] alles bis in die äußersten Zweiglein durchgebildet ist.« Brief Regers vom 26. Februar 1911 an Georg Stern, zit. nach Popp, Weltkriegskompositionen (wie Anm. 5), S. 68, Anm. 27. 55 Besonders ertragreich neben anderen die beiden ausführlichen Studien von Lukas Haselböck, Analytische Untersuchungen zur motivischen Logik bei Max Reger, Wiesbaden u.a. 2000 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts Karlsruhe, XIV ), und Christoph Wünsch, Technik und Form in den Variationsreihen von Max Reger, Wiesbaden u.a. 2002 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts Karlsruhe, XVI ). 56 So Otto Dorn in seiner Uraufführungskritik im Wiesbadener Tagblatt Nr. 14 (9. 1. 1915), Abend-Ausgabe, 1. Blatt. Konkret auf op. 140 bezogen heißt es weiter: die Ouvertüre »ist in schwer lastenden Formationen angelegt, die aber mehr nur nebeneinander gestellt sind, ohne organisch zu verschmelzen. Dies wiederholte Auf begehren und Wiederabbrechen ist dem Gesamteindruck nicht gerade günstig. In der Hauptsache treten patriotische Klänge hervor […]: diese und andere werden im Schlußteil nebst dem Dankes-Choral zu einem Triumphgesang von kolossalischer Steigerung kombiniert; Orgel und ein besonderer Trompetenchor treten hinzu. Man kennt solche niederschmetternden Orchester-Anstürme […]: sie verfehlen bei so populären Motiven nie ihre Wirkung und bewährten sich auch gestern.« Zit. nach Max Reger in seinen Konzerten, Teil 3: Rezensionen, hrsg. von Ottmar und Ingeborg Schreiber, Bonn 1981 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Institutes Elsa Reger Stiftung Bonn, 7/3), S. 369f. 57 Max Reger op. 140 (Anm. 38), S. 6. 58 Zu dem von Adolf Bernhard Marx im dritten Band seiner Lehre von der musikalischen Komposition (3. Auflage Leipzig 1857, S. 281f.) auf die Sonatenform übertragenen Dualismus der Geschlechter (wohl im Anschluss an Wilhelm von Humboldt), die einander zu einem idealisch Humanen ergänzen, siehe Carl Dahlhaus, Ästhetische Prämissen der »Sonatenform« bei Adolf Bernhard Marx, in: AfMw 41 (1984), S. 73–85 (auch in Ders., Klassische und romantische Musikästhetik, Laaber 1988, S. 347–359, 363f.). Ingeborg Pfingsten, ›Männlich‹ / ›Weiblich‹: nicht nur im Sprachgebrauch von Adolf Bernhard Marx, in: Der »männliche« und der »weibliche« Beethoven, hrsg. von Cornelia Bartsch, Beatrix Borchard und Rainer Cadenbach Bonn 2003 (= Schriften zur Beethoven-Forschung, 18), S. 59–76, und aus Gender-Perspektive Ruth Heckmann, Tonsetzerinnen. Zur Rezeption von Komponistinnen um 1800, Wiesbaden 2016 (= Edition Centaurus – Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Musik), bes. S. 49–58 (»Musik verschriftlicht: Das Männliche und das Weibliche«). 59 Max Reger op. 140 (Anm. 38), S. 8f. 60 Reger an Johanna (genannt Hertha) Straube, Meiningen, 12. Oktober 1914, zit. nach einer Abschrift im Max-Reger-Institut Karlsruhe, Signatur: Ep. As. 4422. Der Brief ist auszugsweise wiedergegeben in Max Reger. Briefe eines deutschen Meisters (Anm. 21), S. 290 (mit falscher Adressatenangabe). – Es würde Regers ambivalente Haltung einseitig verzerrt darstellen, beließe man es beim Zitat dieser pointierten Briefstelle. Zum einen gibt es anderslautende, viel moderatere Äußerungen von ihm. Auch beteiligte er sich 1914 weder am Manifest der 93 noch an der Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches (Anm. 10) – zu dem prachtvoll ausgestatteten Bekenntnisband Das Land Goethes 1914/16. Ein vaterländisches Gedenkbuch, Stuttgart u.a. 1916 (https://archive.org/details/1916_Land_Goethes; aufgerufen 20. Juli 2016) steuerte er eine ganz auf den Tonsatz konzentrierte, unspektakuläre Fughette über das Deutschlandlied WoO III/24 bei (Nr. 94). Zum anderen – und bedeut samer – sind fast alle Kompositionen Regers aus den Jahren 1914 bis 1916 in ihrer ästhetischen
Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹
47
Ausrichtung alles andere als kriegsverherrlichend oder triumphalistisch. Im Gegenteil: Das gewaltige Fragment eines Requiem WoO V/9 – »Dem Andenken der im Kriege 1914/15 gefallenen deutschen Helden!« gewidmet – vergegenwärtigt vor allem im Dies irae geradezu apokalyptische Szenarien; das Requiem op. 144b – »Dem Andenken der im großen Krieg gefallnen deutschen Helden« – ist dagegen auf Trauer und Melancholie gestimmt (dazu Susanne Shigihara, Spannungsfelder – Max Regers Requiemkompositionen im Kontext der Gattungsgeschichte, in: Reger-Studien 5. Beiträge zur Reger-Forschung, hrsg. von Susanne Shigihara, Wiesbaden 1993 [= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts Karlsruhe, X] , S. 333–368). Auf engem Raum erfahrbar ist Regers Ambivalenz in den späten Orgelstücken op. 145: Die dunkle Nr. 1 Trauerode (mit Choral »Was Gott tut, das ist wohlgetan«; Jena, Juli 1915) ist »Dem Gedenken der im Kriege 1914/15 Gefallenen« gewidmet, die aufgehellte Nr. 2 Dankpsalm (mit Choral »Lobe den Herren«; ebda.) »Dem deutschen Heere«, und die dröhnende Nr. 7 Siegesfeier (Februar/März 1916) mit der erneuten Kombination von Lied der Deutschen und Choral »Nun danket alle Gott« macht schließlich ihrem Titel alle Ehre. 61 Sofern in jüngerer Zeit zu diesem Werk Regers überhaupt Stellung bezogen wurde, fiel diese beinahe reflexhaft sehr kritisch aus. Schon 1943 hatte der ins Exil gezwungene deutsche Musikwissenschaftler Alfred Einstein festgestellt, dass es während des Ersten Weltkrieges keine neue Musik gegeben habe, »die die Tragik der Zeit mit einiger Wahrhaftigkeit zum Ausdruck gebracht hätte. Es gab natürlich patriotische Musik, als deren grausigstes Exempel etwa die »Vaterländische Ouvertüre« Max Regers […] angeführt sei«; Germany, in: Ders., Nationale und universale Musik. Neue Essays, Zürich u.a. 1958, S. 244. Der deutsche Komponist Michael Denhoff gab in einer Musikerbefragung (»Max Reger, ein für die Musik des 20. Jahrhunderts zu Recht unterschätzter Komponist!?«) 1987 folgende Auskunft: »Die […] intensivere Beschäftigung mit Reger meinerseits war gleichzeitig der Versuch, manche eigenen Vorurteile zumindest teilweise zu entkräften. Es war eine musikalische Erlebnis- und Entdeckungsreise. Sie wurde zu einem steten Wechselbad zwischen Belanglosem und Tiefgründigem und hat das persönliche Reger-Bild in beide Richtungen erweitert. So ist die Vaterländische Ouvertüre op. 140 von geradezu erschreckender Banalität, im krassen Widerspruch dazu stehen Werke wie etwa der Symphonische Prolog zu einer Tragödie op. 108 oder der dritte Satz Die Toteninsel aus den Vier Tondichtungen nach Böcklin op. 128.«, in: Reger-Studien 4. Deutsch-französisches Kolloquium Paris 1987, hrsg. von Susanne Shigihara, Wiesbaden 1989 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, 9), S. 250. Rainer Cadenbach schließlich sprach davon, dass »die Geschichte […] auch nicht die Treuherzigkeit seiner Vaterländischen Ouvertüre op. 140 bestätigt« habe, in: Ders., Reger (Anm. 18), S. 172. 62 Nicht außer Acht zu lassen ist zudem die in der Musikhistoriographie obwaltende Tendenz, Gelegenheitswerke, und erst recht Werke aus politisch motivierter Gelegenheit, grundsätzlich unter den Verdacht ästhetischer Minderwertigkeit zu stellen, ein immer auch moralisch grundierter Verdacht, der die Rezeptionsgeschichte derartiger Kompositionen bis in die Gegenwart begleitet; als Beispiele seien nur genannt Ludwig van Beethovens Kantate Der glorreiche Augenblick op. 136 zur Eröffnungsphase des Wiener Kongresses im November 1814, oder das Triumphlied op. 55 von Johannes Brahms, komponiert 1870 unter dem Eindruck des deutschen Sieges im Krieg mit Frankreich (dem deutschen Kaiser Wilhelm I. gewidmet). Zu dieser Frage aus anderem Blickwinkel auch Ulrich Konrad, Benjamin Britten, Cantata academica, Carmen basiliense op. 62. Eine Festmusik zur Fünf hundertjahrfeier der Universität Basel, in: Musikalische Quellen – Quellen zur Musikgeschichte. Festschrift für Martin Staehelin zum 65. Geburtstag, hrsg. von Ulrich Konrad, Göttingen 2002, S. 457–492.
4. Petra Plättner (Hrsg.) Der schwierige Neubeginn – Vier deutsche Dichter 1949. Beiträge von Heinrich Detering, Dirk von Petersdorff, Hans Dieter Schäfer und Albert von Schirnding anlässlich des 60jährigen Bestehens der Klasse der Literatur ISBN 978-3-515-09637-9 79 S., € 14,– Jahrgang 2010 1. Karl-Heinz Ott Die vielen Abschiede von der Mimesis ISBN 978-3-515-09803-8 20 S., € 6,– 2. Klaus Böldl Dämon und Göttergünstling. Anmerkungen zu einer isländischen Dichterpersönlichkeit des 10. Jahrhunderts ISBN 978-3-515-09804-5 20 S., € 6,– Jahrgang 2011 1. Hans Dieter Schäfer Verteidigung des Lebens durch Poesie. Über die Moderne von Klopstock bis Benn ISBN 978-3-515-09968-4 72 S., mit 31 Abb., € 14,– 2. Albert von Schirnding Nach dem »Sündenfall«. Droht eine neue pädagogische Eiszeit? ISBN 978-3-515-09969-1 20 S., € 6,–
Jahrgang 2013 1. Hans Dieter Schäfer Kommunikationslosigkeit und Gewalt. Über Georg Büchners ›Woyzeck‹ ISBN 978-3-515-10443-2 48 S., mit 13 Abb., € 11,– 2. Arnold Stadler Bilder als Partituren des Lebens: Ein Ausflug in die Welt des Malers Arnold Bräckle. Eine Vergegenwärtigung ISBN 978-3-515-10444-9 48 S., mit 19 z.T. farbigen Abb., € 11,–
Preisänderungen vorbehalten
Jahrgang 2014 1. Jan Wagner Der Poet als Maskenball. Über imaginäre Dichter ISBN 978-3-515-10822-5 20 S., € 6,–
Ulrich Konrad Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹ op. 140 von Max Reger
2. Ulrich Konrad Werkstattblicke. Haydn, Beethoven und Wagner beim Komponieren beobachtet ISBN 978-3-515-10823-2 32 S., mit 14 Abb., 9 Notenbeispielen und einer CD als Beilage, € 11,– Jahrgang 2015 1. Uwe Pörksen ›In Stahlgewittern‹ oder als ›Überläufer‹ zur Natur? Ernst Jüngers Erlebnis und Wilhelm Lehmanns Deserteur und Luftmensch im Ersten Weltkrieg ISBN 978-3-515-11105-8 32 S., mit 3 Abb., € 8,– 2. Paul-Michael Lützeler Napoleons caesaristischer Ehrgeiz im Hinblick auf den Europa-Diskurs ISBN 978-3-515-11106-5 32 S., mit 23 Abb., € 8,– Jahrgang 2016 1. Hans Dieter Schäfer Hermann Lenz – Das Tagebuch aus dem Nachlaß. Mit einer Spurensuche und einer Familienerinnerung von Hanne Lenz ISBN 978-3-515-11607-7 ISBN für das E-Book: 978-3-515-11608-4 84 S., mit 46 teils farbigen Abb., € 14,2. Ulrich Konrad Komponieren in kriegerischer Zeit. ›Eine Vaterländische Ouvertüre‹ op. 140 von Max Reger ISBN 978-3-515-11609-1 ISBN für das E-Book: 978-3-515-11610-7 48 S., mit 3 Abb. und 7 Notenbeispielen, € 11,-
ISSN 0002-2985
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR • MAINZ FRANZ STEINER VERLAG • STUTTGART
Klasse der Literatur und der Musik
weitere Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Klasse der Literatur (ab 2014: Klasse der Literatur und der Musik)