Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und Allgemeine Versicherungsbedingungen unter Einschluß des Versicherungsvermittlerrechts: Band 6/Halbband 1 §§ 179 - 185 VVG (Unfallversicherung) [Reprint 2012 ed.] 9783110898026, 9783110074949


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German Pages 574 [576] Year 1978

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Table of contents :
Schrifttum zur privaten Unfallversicherung
A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung
I. Gesetzes- und Bedingungstexte
II. Anwendbarkeit weiterer gesetzlicher Vorschriften
III. Ordnung der Rechtsquellen
B. Bedeutung der privaten Uniallversicherung
I. Entwicklung der privaten Unfallversicherung
II. Einordnung der privaten Unfallversicherung
III. Einteilung der Unfallversicherung
IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Haftungsrecht
C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages
I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages
II. Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages
D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages
I. Vorbemerkung
II. Beginn der Unfallversicherung
III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages
E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers
I. Überblick und Abgrenzung
II. Prämienzahlungspflicht
III. Die Geschäftsgebühr des Versicherers
F. Obliegenheiten
I. Vorbemerkung
II. Vor Vertragsschluß vom Versicherungsnehmer zu erfüllende Obliegenheiten
III. Obliegenheiten, die nach Vertragsschluß, aber vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind
IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
G. Rechtspflichten des Unfallversicherers
I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs
II. Die Merkmale des Unfallbegriffs
III. Einschlüsse
IV. Ausschlüsse
V. Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt-Unfallversicherung
VI. Exkurs: Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfallversicherung
VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung
H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherangsvertrag
I. Gestaltungsmöglichkeiten
II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung
III. Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung
IV. Bezugsrecht
V. Gruppen-Unfallversicherung
Sachverzeichnis
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Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und Allgemeine Versicherungsbedingungen unter Einschluß des Versicherungsvermittlerrechts: Band 6/Halbband 1 §§ 179 - 185 VVG (Unfallversicherung) [Reprint 2012 ed.]
 9783110898026, 9783110074949

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Großkommentare der Praxis

w DE

G

BRUCK-MÖLLER Kommentar zum

Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluß des Versicherungsvermittlerrechtes begründet von Prof. Dr. jur. ERNST BRUCK f neubearbeitet von Prof. Dr. jur. HANS MÖLLER Hamburg

8. Auflage Sechster Band, Erster Halbband Unfallversicherung (§§ 179-185 W G ) von Dr. KLAUS WAGNER Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg

W DE G_ 1978 WALTER DE GRUYTER

BERLIN

NEW YORK

Zitiermethode Bruck-Möller-Wagner W G

CIΡ-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz and za den allgemeinen Verächeruiigsbedingnngen unter EfauddoB des VersicherungsvermittlerTedites / begr. von Ernst Bruck. Neubearb. von Hans Möller. - Berlin, New York : de Gruyter. Auf d. Haupttitels, auch: Bruck-Möller. NE: Bruck, Ernst [Begr.]; Möller, Hans [Bearb.]; Bruck-Möller,... Bd. 6. Halbbd. 1. Unfallversicherung (§§ 179-185 VVG) / von Klaus Wagner. - 8. Aufl. - 1978. (GroBkommentare der Praxis) ISBN 3-11-007494-X NE: Wagner, Klaus [Mitarb.]

© Copyright 1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe GmbH, Berlin 61

Inhalt des sechsten Bandes 1. Halbband Weitere Untergliederungen finden sich am Anfang des jeweiligen Abschnitts: Im Abschnitt A im Anschluß an die Gesetzes- und Bedingungstexte vor Anm. A 10, in den Abschnitten Β—H jeweils in Anm. 1. Umfangreichen Unterabschnitten — insbesondere im Abschnitt G — sind weitere Gliederungen vorangestellt, vgl. hierzu die Übersicht vor Anm. G 1. Hinweise auf Fundstellen innerhalb der Kommentierung finden sich außer im Sachverzeichnis neben den in Anm. A 2—8 abgedruckten Gesetzes- und Bedingungstexten. Anm.

Seite

Schrifttum zur privaten Unfallversicherung A. Rechtsqnellen der privaten Unfallversicherung I. Gesetzes- und Bedingungstexte II. Anwendbarkeit weiterer gesetzlicher Vorschriften III. Ordnung der Rechtsquellen

A 2—9 A 10—35 A 36-69

1 37 41

Β 1-6 Β 7—23 Β 24—46 Β 47-85

66 69 79 88

C 1—37 C 38—46

116 148

D 2 D 3—12 D 13—49

154 154 160

E 2 E 3—24 E 25

182 183 196

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung I. II. III. IV.

Entwicklung der privaten Unfallversicherung Einordnung der privaten Unfallversicherung Einteilung der Unfallversicherung Bedeutung der Unfallversicherung für das Haftungsrecht .

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages II. Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages D. Daner des Unfallversicherungsvertrages I. Vorbemerkung II. Beginn der Unfallversicherung III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers I. Überblick und Abgrenzung II. Prämienzahlungspflicht III. Die Geschäftsgebühr des Versicherers F. Obliegenheiten I. Vorbemerkung F II. Vor Vertragsschluß vom Versicherungsnehmer zu erfüllende Obliegenheiten F III. Obliegenheiten, die nach Vertragsschluß, aber vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind F IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles . . . . F

2-14

199

15-21

211

22—33 34—53

215 224

V

Anm.

Seite

G. Rechtopffichten des Unfallveiskherers I. II. III. IV. V. VI.

Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs G 2-20 Die Merkmale des Unfallbegriffs G 21-94 Einschlüsse G 95-129 Ausschlüsse G 130-269 Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt-Unfallversicherung G 270-278 Exkurs: Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfallversicherung G 279-287 VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung G 289—322

244 256 315 337 442 447 451

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag I. II. III. IV. V.

Gestaltungsmöglichkeiten Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung Bezugsrecht Gruppen-Unfallversicherung

Sachverzeichnis

VI

H H H H H

2-15 16—43 44-59 60-62 63-68

507 513 527 533 535 541

Schrifttum Biihring-Mertins = Erläuterungen zu den Unfall-Versicherungsbedingungen Bd I und II, Stuttgart o.J. Carus = Unfallversicherung, Berlin 1931 Grewing = Unfallversicherung, Wiesbaden 1967 Henke = Die Ausschlüsse und Grenzfälle in der Unfallversicherung, Hamburg 1950 Hiestand = Grundzüge der privaten Unfallversicherung, Stuttgart 1900 Hofmann = Die private Unfallversicherung, Karlsruhe 1970 Wüstney = Die private Unfallversicherung, Berlin 1936 Wussow = Allgemeine Versicherungsbedingungen für Unfallversicherung, 4. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1973 Ziegler = Der Unfallbegriff in der privaten Unfallversicherung, Naumburg/Saale 1931

VII

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung Gliederung: Schrifttum Anm. A 1 I. Gesetzes- und Bedingungstexte Anm. A 2 - 9 1. §§ 179-185 W G Anm. A 2 2. Allgemeine Unfallvs-Bedingungen (AUB) Anm. A 3 3. Zusatzbedingungen für die KinderUnfallv Anm. A 4 4. Musterbedingungen für die UnfallZusatzv Anm. AS 5. Zusatzbedingungen für die GruppenUnfallv Anm. A 6 6. Besondere Bedingungen für die obligatorische Unfallv von Fluggästen in Flugzeugen von Luftfahrtunternehmen (Opuv) Anm. A 7 7. Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtv (AKB) (Auszug) Anm. A 8 8. Hinweise auf weitere genehmigte und veröffentlichte Sonderbedingungen Anm. A 9 II. Anwendbarkeit weiterer gesetzlicher Vorschriften 1. W G Anm. A 1 0 - A 30 2. VAG Anm. A 31 3. Verordnung vom 29. XI. 1940 Anm. A 32 4. Vergleichsordnung Anm. A 33 5. Geschäftsplanmäßige Erklärung als Rechtsquelle? Anm. A 3 4 - A 35

III. Ordnung der Rechtsquellen 1. Gesetzliche und vertragliche Rechtsquellen Anm. A 36 2. Das Verhältnis der Rechtsquellen zueinander Anm. A 37—A 39 a) Allgemeines Anm. A 37 b) Verhältnis geschlossener Bedingungswerke zur gesetzlichen Regelung Anm. A 38 c) Stellungnahme Anm. A 39 3. Zur Auslegung gesetzlicher Rechtsquellen Anm. A 4 0 - A 43 a) Vorbemerkung Anm. A 40 b) Zur Bedeutung des § 179 III Anm. A 41 c) Fassung und Bedeutung des § 180 a Anm. A 42 d) Milderung der Verwirkungsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen Anm. A 43 4. Auslegung von AVB Anm. A 4 4 - A 69 a) Vorbemerkung Anm. A 44 b) Bedeutung des AGB-Gesetzes Anm. A 4 5 - A 48 c) Das Ziel der Auslegung von AVB Anm. A 49 d) Nichteinbeziehung überraschender Klauseln Anm. A 50 e) Ermittlung des Inhalts von AVB Anm. A 5 1 - A 60 f) Inhaltskontrolle Anm. A 6 1 - A 69

[A 1 ] Schrifttum: André, Die geschäftsplanmäßige Erklärung, Karlsruhe 1969, Bentlage VersR 1976 S. 1118— 1119, Dörstling VersR 1952 S. 105-107, Ehrenzweig VersR 1952 S. 251-252, Fromm JRPV 1

B r u c k - M ö l l e r . W G , 8. Aufl. VI. 1 (Wagner)

1

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Anni. A 2

1942 S. 126—128, Fromm-Goldberg, Versicherungsaufsichtsgesetz, Berlin 1966, Fußhoeller VersR 1972 S. 1 1 6 7 - 1 1 6 8 , Grewing VersR 1974 S. 8 - 1 0 , Hauß ZVersWiss 1975 S. 2 2 3 - 2 2 5 , Junge ZVersWiss 1975 S. 211—217, Kirsch, Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles in der privaten Unfallversicherung, Kölner Diss. 1970, Löwe VW 1977 S. 3 7 3 - 3 7 8 , Löwe-Graf von Westphalen-Trinkner, Komm, zum AGB-Gesetz, Heidelberg 1977, Möller JW 1938 S. 9 1 6 - 9 2 0 , ders. VersPrax 1952 S. 8 - 9 , ders. ZVersWiss 1975 S. 2 1 9 - 2 2 1 , ders. Versicherungsvertragsrecht, 3. Aufl., Wiesbaden 1977, Sasse ZVersWiss 1975 S. 2 3 3 - 2 3 5 , SchmidtSalzer NJW 1977 S. 1 2 9 - 1 4 1 , ders. Das Recht der Allgemeinen Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, Berlin 1967, ders. Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2. Aufl., München 1977, Sieg BB 1975 S. 8 4 6 - 8 4 7 , ders. ZVersWiss 1975 S. 1 6 1 - 1 6 7 , Thees WallmannsZ 1940 S. 2 7 0 - 2 7 1 , Ulmer-Brandner-Hensen, Komm, zum AGB-Gesetz, Köln 1977, Wagner ZVersWiss 1975 S. 6 1 9 - 6 4 7 , ders. ZVersWiss 1977 S. 1 1 9 - 1 4 4 , Winter ZVersWiss 1977 S. 1 4 5 - 1 6 8 .

[A 2]

I. Gesetzes- und Bedingungstexte

1. § § 1 7 9 - 1 8 5 W G

§179 A 10, 36 B 16, 17, 55, 57, C 6 H 2 A 41 B 48, 58, 67, 68, C4 F 21 H 3, 6, 29—31, A 41 Β 17, 23, 55, 58, 69, 74 C 4, 6 F 8 H 5, 1 6 - 4 3

F 6, 8 H 5

58, 74 71, 74 44—59 61, 65,

Die Unfallversicherung kann gegen Unfälle, die dem VerSicherungsnehmer oder gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, genommen werden. Eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, gilt im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen. Die Vorschriften der §§ 75 bis 79 finden entsprechende Anwendung. Wird eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, von dem Versicherungsnehmer für eigene Rechnung genommen, so ist zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich. Ist der andere geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungsnehmer zu, so kann dieser den anderen bei der Erteilung der Einwilligung nicht vertreten. Soweit im Falle des Abs. 3 die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers nach den Vorschriften dieses Gesetzes von rechtlicher Bedeutung ist, kommt auch die Kenntnis und das Verhalten des anderen in Betracht.

§180 Β 20 li 6 0 - 6 2

Ist als Leistung des Versicherers die Zahlung eines Rapitais vereinbart, so gelten die Vorschriften der §§ 166 bis

168.

§ 180 a A 42 G 42—43, 67—78 2

Hängt die Leistungspflicht des Versicherers davon ab, daß der Betroffene unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung Wagner

I. Gesetzes- und Bedingungstexte

Anm. A 2

erlitten hat, so wird die Unfreiwilligkeit bis zum Beweise des Gegenteils vermutet. Auf eine Vereinbarung, durch die von den Vorschriften des Absatzes 1 zum Nachteil des Betroffenen abgewichen wird, kann sich der Versicherer nicht berufen.

§181 Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn im Falle des § 179 Abs. 3 der Versicherung«nehmer vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Unfall herbeigeführt hat. Ist ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, so gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Unfall herbeiführt.

Β 69 G 221 H 40, 57

§182 Die Pflicht zur Anzeige des Versicherungsfalls liegt, wenn das Recht auf die Leistung einem bezugsberechtigten Dritten zusteht, diesem ob; das gleiche gilt von der Pflicht zur Auskunft und zur Beschaffung von Belegen.

F 9, 42

§ 1 8 3 Der Versicherungsnehmer hat für die Abwendung und Minderung der Folgen des Unfalls nach Möglichkeit zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen, soweit ihm nicht etwas Unbilliges zugemutet wird. Auf eine Vereinbarung, durch welche von dieser Vorschrift zum Nachteile des Versicherungsnehmers abgewichen wird, kann sich der Versicherer nicht berufen.

F 50-52

§ 1 8 4 Sollen nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder das Maß der durch den Unfall herbeigeführten Einbuße an Erwerbsfähigkeit durch Sachverständige festgestellt werden, so ist die getroffene Feststellung nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Feststellung erfolgt in diesem Falle durch Urteffl. Das gleiche gilt, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern. Sind nach dem Vertrage die Sachverständigen durch das Gericht zu ernennen, so finden auf die Ernennung die Vorschriften des § 64 Abs. 2 entsprechende Anwendung. ι

Wagner

3

Anm. A 3

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung Eine Vereinbarung, durch welche von der Vorschrift des Abs. 1 Satz 1 abgewichen wird, ist nichtig.

§185 F 46

Β 46

Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer die Kosten, welche durch die Ermittlung und Feststellung des Unfalls sowie des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers entstehen, insoweit zu erstatten, als ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war.

[A 3] 2. Allgemeine Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) (VA 1961 S. 211, 1962 S. 218, 1972 S. 251, 1977 S. 129) A.Versicherte Gefahr § 1 Gegenstand der Versicherung

D 3

Der Versicherer gewährt entsprechend den versicherten Leistungen Versicherungsschutz gegen die Folgen der dem Versicherten während der Vertragsdauer zustoßenden Unfälle. § 2 Unfallbegriff und Grenzfálle

G 2-94

G 99—116

G 117-127

A G G G G

39, 67 Β 34 207-215 81, 90, 251—257 31—33, 222—227 228-234

Β 45 G 237-242

G 39, 243-247 A 54, G 6, 127, 235, 236, 246 4

(1) Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. (2) Unter den Versicherungsschutz fallen auch: a) durch Kraftanstrengung des Versicherten hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gfiedmaßen und Wirbelsäule; b) Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1 in den Körper gelangt ist. (3) Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz: a) Berufe- und Gewerbekrankheiten; b) Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung; c) Vergiftungen infolge Einführung fester oder flüssiger Stoffe durch den Schhind, Malaria, Flecktyphus und sonstige Infektionskrankheiten; Gesundheitsschädigungen durch energiereiche Strahlen mit einer Härte von mindestens 100 Elektronen-Volt, durch Neutronen jeder Energie, durch Laser- oder Maserstrahlen und durch künstlich erzeugte ultraviolette Strahlen; Gesundheitsschädigungen durch Licht-, Temperatur- und Witterungseinfliisse. Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn es sich um Folgen eines unter die Versicherung lallenden Wagner

Anm. A 3

I. Gesetzes- und Bedingungstexte Unfallereignisses handelt. Die Entstefaungsuisacfae der Infektionskrankheiten selbst gilt nicht als Unfallereignis. § 3 Ausschlüsse Ausgeschlossen von der Versicherung sind: (1) Unfälle, die unmittelbar oder mittelbar durch Kriegsereignisse oder die durch innere Unruhen, sofern der Versicherte auf sehen der Unruhestifter teilgenommen hat, verursacht werden; (2) Unfälle, die der Versicherte erleidet infolge der vorsätzlichen Ausführung oder des Versuches von Verbrechen oder Vergehen; (3) Gesundheitsschädigungen durch Heihnafinahmen und Eingriffe, die der Versicherte an seinem Körper vornimmt oder vornehmen läBt, soweit die Heilmaßnahmen oder Eingriffe nicht durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis veranlaßt waren. Das Schneiden von Nägeln, Hühneraugen, Hornhaut gilt nicht als solcher Eingriff; (4) Unfälle infolge von Schlaganfällen, epileptischen Anfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen, von Geistes- oder Bewußtsemsstörungen, auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind. Die Ausschlüsse gelten nicht, wenn diese Anfälle oder Störungen durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen waren; (5) Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre, die durch einen Unfall herbeigeführt oder verschlimmert worden sind.

G A Β G

131 —137 39, 67 36 92, 138—143

G 92, 144-151

G 152-157

C7 G 38, 40, 41, 158-206

G 90, 263-266

§ 4 Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung Sondergefahren (1) Änderungen in der sich aus dem Antrag ergebenden Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten sind ohne EinfluB auf den Fortbestand des Vertrages, sofera der Versicherer für die neue Berufstätigkeit oder Beschäftigung überhaupt Versicherungsschutz gewährt. (2) a) Ergibt sich für die neue Berufstätigkeit oder Beschäftigung nach dem zur Zeit der Veränderung gültigen Tarif des Versicherers ein niedrigerer Beitrag, so ist nach Ablauf eines Monats vom Zugang der Anzeige (§ 15 I.) an nur dieser zu zahlen, b) Ergibt sich ein höherer Beitrag, so wird auf die Dauer eines Monats von dem Zeitpunkt an, an dem dem Versicherer die Anzeige hätte zugehen müssen, auch für die erhöhte Gefahr der volle Versicherungsschutz gewährt. Tritt ein auf die erhöhte Gefahr zurückzuführender VersicherungsWagner

A 39 C3 D 21, 22 E 5 F 14, 22, 25—33 E 5, 11 F 25—33

Ell

5

Anm. A 3

G 218

E 13

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

fall nach dem Ablauf dieses Monats ein, ohne daß inzwischen eine Einigung über den Mehrbeitrag erzielt worden ist, so bemessen sich die Leistungen des Versicherers nach den im Verhältnis des neuerdings erforderlichen zu dem bisherigen Beitrag herabgesetzten Versicherungssummen. (3) a) Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf Unfälle, die der Versicherte bei Reise- oder Rundflügen über Gebieten mit organisiertem Luftverkehr erleidet 1. als Fluggast eines zum zivilen Luftverkehr zugelassenen Motorflugzeuges (Propeller-, Strahlflugzeuges oder Hubschraubers) oder 2. als Fluggast eines zur Personenbeförderung eingesetzten Militännotorflngzeuges (Propeller-, Strahlflugzeuges oder Hubschraubers). b) Versicherungsschutz wird für die in Abs. a) genannte Gefahr je versicherte Person nach den vereinbarten Versicherungssummen, höchstens jedoch nach folgenden Versicherungssummen gewährt: DM 500000,- für den Todesfall DM 1000000,- für den Invaliditätsfall DM 150,- für Tagegeld DM 150,— für Krankenhaustagegeld/Genesungsgeld DM 10000,- für Heilkosten DM 50000,- für Übergangsentschädigung.

G 7, 216—220

6

Laufen für eine versicherte Person bei demselben Versicherer oder anderen in der Bundesrepublik Deutschland oder nur im Land Berlin zugelassenen Versicherern weitere Unfallversicherungen, so gelten diese Höchstbeträge auch als Höchstversicherungssummen für alle Versicherungen zusammen. c) Absatz b) Satz 2 findet nur auf solche Unfallversicherungen Anwendung, die die gleichlautende Begrenzung der Versicherungssummen enthalten, nicht jedoch für spezielle Luftfahrtunfallversicherungen. (4) Besondere Vereinbarung ist erforderlich für die Ausdehnung der Versicherung auf Unfälle: a) bei Beteiligung an Fahrtveranstaltungen mit Kraftfohrzeugen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, und den dazugehörigen Übungsfahrten; b) bei Luftfahrten, falls weitergehender Versicherungsschutz als unter Ziffer (3) aufgeführt, gewährt werden soll. Wagner

Anm. A 3

I. Gesetzes- und Bedingungstexte (5) Für den Dienst In einer militärischen oder ähnlichen Formation gilt folgendes: a) Im Frieden Ziffern (1) und (2) gelten entsprechend. Unfälle bei militärischen Reserveübungen sind im Rahmen dieser Bedingungen in die Versicherung eingeschlossen. b) Im Krieg oder im kriegsmäßigen Einsatz Der Versicherungsschutz und die Pflicht, Beiträge zu zahlen, werden unterbrochen. Über den laufenden Monat hinaus bezahlte Beiträge werden auf die spätere Versicherungszeit angerechnet oder, falls das Verskherungsverhältnis vorzeitig beendigt wird, gemäß § 7 II (4) und (5) zurückerstattet. Der Versicherungsschutz lebt nach Entlassung des Versicherten aus einer militärischen oder ähnlichen Formation, frühestens mit Eingang der Anzeige hiervon an den Versicherer, wieder auf.

C 33-35

G 220

§ 5 Nicht versicherungsfähige Personen (1) Nicht versicherungsfällig und trotz Beitragszahlung nicht versichert sind Geisteskranke und Personen, die von schwerem Nervenleiden befallen oder dauernd vollständig arbeitsunfähig sind. Der für sie seit Vertragsabschluß entrichtete Beitrag ist zurückzuzahlen. Vollständige Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit oder Gebrechen außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. (2) Der Versicherungsschutz erlischt, sobald der Versicherte im Sinne der Ziffer (1) versicherungsunfähig geworden ist. Gleichzeitig endet der Vertrag für den Versicherten.

A 39, 67 Β 36 C7 D 21, 23 F 25 G 131

D 23

§ 6 Ortliche Geltung Die Versicherung umfaßt Unfälle auf der ganzen Erde.

A 67

§ 7 Beginn der LeistungspfKcht, Vertragsdauer I. Die LeistungspfKcht des Versicherers beginnt, wenn nicht ein späterer Zeitpunkt im Versicherungsschein selbst bestimmt oder ein früherer Zeitpunkt von dem Versicherer schriftlich zugesagt ist, mit der Einlösung des Versicherungsscheines. Wird der erste Beitrag erst nach dem als Beginn der Versicherung festgesetzten Zeitpunkt auf Anforderung ohne Verzug gezahlt, so beginnt der Versicherungsschutz mit dem vereinbarten Zeitpunkt. Π. (1) Der Vertrag ist zunächst für die in dem Versieherangsschein festgesetzte Zeit abgeschlossen. Beträgt die Dauer des Vertrages mindestens ein Jahr, so kann er Wagner

A 39 D 3, 5—12 E 15 — 17, 2 1 - 2 4

A 65 C 5, 13 D 14, 19, 31—33, 42 7

Anm. A 3

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Η 41-42 D 32 D 20

schriftlich gekündigt werden. Die Kündigung mu8 spätestens drei Monate vor dem jeweilig« Ablauf des Verträges der anderen Partei zugegangen sein. Sie soll durch eingeschriebenen Brief erfolgen. Wird die rechtzeitige Kündigung unterlassen, so verlängert sich der Vertrag jeweils um ein Jahr. (2) a) Der Vertrag kann ferner gekündigt werden, wenn eine Entschädigung gezahlt, wegen des Entschädigungsanspruchs Klage erhoben oder nach § 12 Entscheidung des Ärzteausschusses beantragt worden ist. b) Das Recht zur Kündigung, die durch den Versicherer mit einer Frist von einem Monat, durch den Versicherungsnehmer mit sofortiger Wirkung auszusprechen ist, erlischt, wenn es nicht spätestens innerhalb eines Monats ausgeübt wird, nachdem die Zahlung geleistet, der Rechtsstreit durch Klagerücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich beigelegt, das Urteil rechtskräftig geworden oder der Spruch des Ärzteausschusses dem Versicherungsnehmer bekanntgegeben worden ist. (3) Dem Versicherer gebührt der Beitrag für das laufende Versicheningsjahr, wenn das Versicherungsverhältnis endet: a) durch den unter die Versicherung hütenden Tod des Versicherten; b) infolge Kündigung durch den Versicherungsnehmer, wenn eine Entschädigung gezahlt worden ist (4) In allen übrigen Fällen der vorzeitigen Beendigung gebührt dem Versicherer nur der Teil des Beitrages, welcher der abgelaufenen Versicherungszeit entspricht. (5) War der Beitrag auf mehrere Jahre vorausbezahlt, so ist der Berechnung des dem Versicherer zustehenden Betrages der Beitrag zugrunde zu legen, der bei Vorauszahlung auf die Zeit, während der die Versicherung tatsächlich in Kraft war, zu zahlen gewesen wäre.

C3 D 31, 33-39, E 8-9 D 33, 40-44

E 8, 9

D 24, 48 E 8, 9

B. Leistungen des Versicherers § 8 Art und Voraussetzungen der Leistungen A 64, 67 Β 20 DIS F 13 G 6—9, 11, 62—66, 92, 306

I. Todesfallentschädigung Führt ein Unfall innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet zum Tode, so wird Entschädigung nach der verscherten Todesfallsumme geleistet.

A 65 Β 10, 20 D 18

Π. Invaliditätsentschädigung (1) Eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfallfolge muß innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein; sie muß

8

Wagner

I. Gesetzes- und Bedingungstexte

Anm. A 3

spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und gel· tend gemacht sein. Der Versicherer zahlt bei Ganzinvalidität die volle für den Invaliditäts&ül versicherte Summe, bei Teilinvalidität den dem Grade der Invalidität entsprechenden Teil gemäß den nachfolgenden Bestimmungen: (2) Als feste Invaliditätsgrade unter AusschiuB des Nachweises eines höheren oder geringeren Grades werden angenommen: a) Bei Verlust eines Armes im Schultergelenk 70 Prozent eines Armes bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65 Prozent eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenks 60 Prozent einer Hand nn Handgelenk 55 Prozent eines Daumens 20 Prozent eines Zeigefingers 10 Prozent eines anderen Fingers 5 Prozent b) Bei Verlust eines Beines über Mitte des Oberschenkels 70 Prozent eines Beines bis zur Mitte des Oberschenkels 60 Prozent eines Beines bis unterhalb des Knies 50 Prozent eines Beines bis zur Mitte des Unterschenkels 45 Prozent eines Fußes im Fußgelenk 40 Prozent eines Fußes mit Erhaltung der Ferse (nach Pirogoff) 30 Prozent einer großen Zehe 5 Prozent einer anderen Zehe 2 Prozent c) Bei Verlust beider Augen 100 Prozent eines Auges 30 Prozent sofern jedoch das andere Auge vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war 70 Prozent bei gänzlichem Verlust des Gehörs auf beiden Ohren 60 Prozent auf einem Ohr 15 Prozent sofern jedoch das Gehör auf dem anderen Ohr vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren wiif · · · · · » · · · · · · · · · · « · · « · · · · » · 45Prozent bei gänzlichem Verlust des Geruchs. 10 Prozent bei gänzlichem Verlust des Geschmacks 5 Prozent (3) Die vollständige Gebrauchsunfähigkeit eines Körperteils oder Sinnesorgans bemißt sich nach dem für den Verlust geltenden Satz. Bei teilweisem Verlust oder teilWagner

F 12, 13 G 307-310

G 309

G 309

9

Anni. A 3

G 310

G 308

G 306, 308

G 309

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung weiser Gebrauchsunfkhigkeit wird der entsprechende Teil des Satzes nach Ziffer (2) angenommen. (4) Bei Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit von mehreren der vorgenannten Körperteile oder Sinnesorgane werden die sich nach Ziffern (2) und (3) ergebenden Prozentsätze zusammengerechnet, jedoch nie mehr als 100% angenommen. (5) Soweit sich der Invaliditätsgrad nach Vorstehendem nicht bestimmen läßt, wird bei der Bemessung in Betracht gezogen, inwieweit der Versicherte imstande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und die ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufe zugemutet werden kann. (6) Stirbt der Versicherte infolge des Unfalles innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet, so besteht kein Anspruch auf Invaliditätsentschädigung. Etwa bereits geleistete Invaliditätsentschädigungen werden von der Todesfallentschädigung abgezogen (§ 13 (1)). (7) Hat der Versicherte am Unfalltage das 65. Lebensjahr vollendet, so wird die Invaliditätsentschädigung in Form einer Rente gemäß § 20 gewährt.

A 64 Β 10, 13-14 G 12, 311

ΠΙ. Tagegeld (1) Im Falle der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit wird für die Dauer der ärztlichen Behandlung Tagegeld gezahlt. Das Tagegeld wird nach dem Grad der Beeinträchtigung abgestuft. Für die Bemessung des Grades der Beeinträchtigung ist die Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten maßgebend. (2) Wird geltend gemacht, daß die Arbeitsfähigkeit auch nach AbschluB der ärztlichen Behandlung noch beeinträchtigt sei, so sind weitere Leistungen des Versicherers davon abhängig, daß die Fortdauer der Beeinträchtigung von dem behandelnden Arzt bescheinigt wird. Nach Feststellung der Invalidität (§ 8 II.) kann weiteres Tagegeld jedoch nur bei erneuter ärztlicher Behandlung beansprucht werden.

G 315

(3) Ist die Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht beeinträchtigt worden, werden für die Dauer der fortlaufenden ärztlichen Behandlung die notwendigen Kosten für den Arzt und die ärztlich verordneten Arznei- und Verbandsmittel bis zur Hälfte des für diese Zeit versicherten Tagegeldes ersetzt, vorausgesetzt, daß die Behandlung mindestens alle 14 Tage stattgefunden hat. § 8 VI. (3) a) Sätze 1 und 2 finden entsprechende Anwendung. (4) Die in Ziffern ( l ) - ( 3 ) aufgeführten Leistungen werden höchstens für ein Jahr vom Unfalltage an gerechnet gewährt.

10

Wagner

Anm. A 3

I. Gesetzes- und Bedingungstexte IV. Krankenhaustagegeld (1) Krankenhaustagegeld wird für jeden Kalenderlag gezahlt, an dem sich der Versicherte wegen eines Unfalles (§§ 2 und 3) aus medizinischen Gründen in stationärer Krankenhausbehandlung befindet, höchstens jedoch für ein Jahr vom Unfalltage an gerechnet. Aufnahme- und Entlassungstag werden je als ein Kalendertag gerechnet. (2) Die Leistungen entfallen für einen Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten. V. Genesungsgeld (1) Im Anschluß an den Krankenhausaufenthalt wird Genesungsgeld für die gleiche Anzahl von Kalendertagen, für die Krankenhaustagegeld gezahlt wird, höchstens jedoch für 100 Tage, in folgender Höhe gewährt: für den 1. bis 10. Tag 100 Prozent für den 11. bis 20. Tag 50 Prozent für den 21. bis 100. Tag 25 Prozent des versicherten Krankenhaustagegeldes. (2) Mehrere stationäre Krankenhausaufenthalte wegen desselben Unfalles werden wie ein ununterbrochener Krankenhausaufenthalt gewertet. VI. Heilkosten (1) Für die Behebung der Unfallfolgen werden die innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall erwachsenen notwendigen Kosten des Heilverfahrens, für künstliche Glieder und anderweitige nach dem ärztlichen Ermessen erforderliche Anschaffungen bis zum versicherten Betrag für jeden Versicherungsfall ersetzt. Als Kosten des Heilverfahrens gelten Arzthonorare, soweit sie nach einer amtlichen Gebührenordnung unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Versicherten begründet sind, Kosten für Arzneien und sonstige ärztlich verordnete Heilmittel, Verbandszeug, notwendige Krankentransporte, stationäre Behandlung und Verpflegung sowie für Röntgenaufnahmen. (2) Ausgeschlossen vom Ersatz sind die Kosten für Nahrungs- und Genußmittel, für Bade- und Erholungsreisen sowie für Krankenpflege, soweit nicht die Zuziehung von beruflichem Pflegepersonal ärztlich angeordnet wird. (3) a) Bei gleichzeitigem Bestehen einer Einzel-Krankheitskostenversicherung und einer Einzel-Unfallheilkostenversicherung wird Heilkostenersatz im Rahmen der Unfallversicherung nur insoweit gewährt, als der Krankenversicherer seine vertraglichen Leistungen voll erfüllt hat und diese zur Dekkung der entstandenen Kosten nicht ausgereicht haben. Ist der Krankenversicherer leistungsfrei oder bestreitet er seine Leistungspflicht, so kann der Wagner

A Β D G

64 10, 13—14 18 12, 312

G 313

Β 11 G 314—317

Β 36, 81, 82 E 12 G 317

11

Anm. A 3

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Versicherungsnehmer sich unmittelbar an den Unfallversicherer hatten. Sobald der Unfallversicherer von dem Zusammentreffen einer Einzel-Krankheitskosten- und einer Einzel-Unfallheilkosten· Versicherung Kenntnis erhalten hat, wird der anteilige Beitrag für die Unfallheilkostenversichening vom nächsten Monatsersten an auf die Hälfte herabgesetzt. Der Unfallverskherer hat den zuviel gezahlten Beitrag zurückzuerstatten. Bei Wegfall einer Einzel-Krankheitskostenversicherung hat der Versicherungsnehmer vom nächsten Monatsersten an den vollen Unfallheilkostenbeitrag zu zahlen und erwirbt damit Anspruch auf die vollen Leistungen, b) Der Versicherungsnehmer hat einen Wegfall der Einzel-Krankheitskostenversicherung dem Unfallversicherer unverzüglich anzuzeigen. Unterläßt der Versicherungsnehmer die Anzeige des Wegfalls der Einzel-Krankheitskostenversicherung oder ist er mit der erstmaligen Entrichtung des wegen des Wegfalls zu zahlenden weiteren Beitragsanteils länger als einen Monat im Verzug, so hat er aus der Einzel-Unfallheilkostenverskherung nur Anspruch auf die halben Leistungen. BIO G 318

VII. Ubergangsentschädigung (1) Besteht nach Ablauf von sechs Monaten vom Eintritt des Unfalles an gerechnet ohne Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen noch eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von mehr als 50% und hat diese Beeinträchtigung bis dahin ununterbrochen bestanden, so wird die versicherte Ubergangsentschädigung gezahlt. Für die Bemessung des Grades der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ist die Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten maßgebend. (2) Der Versicherungsnehmer hat den Anspruch auf Zahlung der Ubergangsentschädigung unverzüglich geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Attestes zu begründen. § 9 Nebenleistungen

F 46

12

Die Kosten der vom Versicherer zugezogenen oder befragten Ärzte übernimmt der Versicherer, desgleichen die notwendigen Kosten, die für die Erfüllung der in § 15 II. (6) aufgeführten Obliegenheiten erwachsen, einschließlich eines nachgewiesenen Lohnausfalls, dagegen die Gebühren für die zur Begründung des Versicherungsanspruchs erforderlichen Zeugnisse für Gewährung des Tagegeldes nur bis zum Betrage eines versicherten Tagegeldsatzes, für Gewährung der Invaliditätsentschädigung bis zu 1°/^ Wagner

I. Gesetzes- und Bedingungstexte

Anm. A 3

der versicherten Invaliditätssumme, für Gewährung der Obergangsentschädigung bis zu 1% der versicherten Summe; etwaige Mehrkosten hat der Versicherungsnehmer zu tragen. § 10 Einschränkung der Leistungspflicht (1) Haben bei den Unfallfolgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt, so ist die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen, sofern dieser Anteil mindestens 25% beträgt. (2) Bei Blutungen aus inneren Organen und bei Gehirnblutungen wird eine Leistung nur gewährt, wenn für diese Schäden die überwiegende Ursache ein Verskherungsfall, nicht aber eine innere Erkrankung oder ein Gebrechen gewesen ist. (3) Bauch- oder Unterleibsbrüche irgendwelcher Art werden nur dann entschädigt, wenn sie durch eine gewaltsame von außen kommende Einwirkung entstanden sind. (4) Wenn vor Eintritt des Unfalls der Versicherte schon durch Krankheit oder Gebrechen in seiner Arbeitsfähigkeit dauernd behindert war oder Körperteile oder Sinnesorgane ganz oder teilweise verloren oder gebrauchsunfähig gewesen sind, so wird von der nach dem Unfall vorhandenen Gesamtinvalidität ein Abzug gemacht, der der schon vorher vorhanden gewesenen Invalidität entspricht. Für dessen Bemessung werden die Grundsätze unter § 8 II. mit der Maßgabe angewandt, daß gegebenenfalls auch ein höherer Grad der Gesamtinvalidität als 100 % anzunehmen ist, sofern der Unfall Körperteile oder Sinnesorgane betrifft, die nicht schon vor diesem Unfall beschädigt waren. (5) Für die Folgen psychischer und nervöser Störungen, die im Anschluß an einen Unfall eintreten, wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder eine durch den Unfall neu entstandene Epilepsie zurückzuführen sind.

D 23 G 89, 306, 310

G 89, 267—269

G 248-250

G 89, 310

A 50, 58, 67 G 90, 93, 94, 258—262

§ 11 Erklärung über die Leistungspflicht Der Versicherer ist verpflichtet, sich, soweit Todesfallsumme, Tagegeld, Krankenhaustagegeld, Heilkosten oder Übergangsentschädigung beansprucht werden, spätestens innerhalb eines Monats, soweit Invaliditätsentschädigung beansprucht wird, innerhalb dreier Monate, darüber zu erklären, ob und inwieweit eine Entschädigungspflicht anerkannt wird. Die Fristen beginnen mit dem Eingang der Unterlagen, die der Ansprucherhebende zur Feststellung des Unfallhergangs und der Unfallfolgen sowie zum Nachweis des Abschlusses des für die Feststellung Wagner

G 290-292

13

Anm. A 3

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung der Invalidität notwendigen Heilverfahrens beizubringen hat. § 12 Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten

G 297-304

F 13 G 298

G 294

G 299

G 300

14

I. (1) Im Falle von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen oder darüber, ob und in welchem Umfang der eingetretene Schaden auf den Versicherungsfall zurückzuführen ist, entscheidet ein ÄrzteausschuB; für alle sonstigen Streitpunkte sind die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 19). (2) Die Entscheidung des Ärzteausschusses ist von dem Versicherungsnehmer bis zum Ablauf von sechs Monaten, nachdem ihm die Erklärung des Versicherers nach § 11 zugegangen ist, zu beantragen. Versicherer und Versicherungsnehmer können jedoch bis zum Ablauf dieser Frist verlangen, daß anstelle des Ärzteausschusses die ordentlichen Gerichte entscheiden. Wird dieses Verlangen gestellt, so kann der Versicherungsnehmer nur Klage erheben. (3) Läßt der Ansprucherhebende die unter (2) genannte Frist verstreichen, ohne daß er entweder die Entscheidung des Ärzteausschusses verlangt oder Klage erhebt, so sind weitergehende Ansprüche, als sie vom Versicherer anerkannt sind, ausgeschlossen. Auf diese Rechtsfolge hat der Versicherer in seiner Erklärung hinzuweisen. II. Für den Ärzteausschuß gelten folgende Bestimmungen: (1) Zusammensetzung: a) Der Ärtzeausschuß setzt sich zusammen aus zwei Ärzten, von denen jede Partei einen benennt, und einem Obmann. Dieser wird von den beiden von den Parteien benannten Ärzten gewählt und soll ein auf dem Gebiet der Unfallbegutachtung erfahrener Arzt sein, der nicht in einem Abhängigkeitskeitsverhältnis zu einer der Parteien steht. Einigen sich die von den Parteien gewählten Ärzte nicht binnen einem Monat über den Obmann, so wird dieser auf Antrag einer Partei von dem Vorsitzenden der für den letzten inländischen Wohnsitz des Versicherten zuständigen Ärztekammer benannt. Hat der Versicherte keinen inländischen Wohnsitz, so ist die für den Sitz des Versicherers zuständige Ärztekammer maßgebend, b) Benennt eine Partei ihr Ausschußmitglied nicht binnen einem Monat, nachdem sie von der anderen Partei hierzu aufgefordert ist, so wird dieses Ausschußmitglied gleichfalls durch den Vorsitzenden der Ärztekammer ernannt. (2) Verfahren: a) Sobald der Ausschuß zusammengesetzt ist, hat der Versicherer unter Einsendung der erforderlichen Wagner

I. Gesetzes- und Bedingungstexte

Aron. A 3

Unterlagen den Obmann um die Durchführung des Verfahrens zu ersuchen. b) Der Obmann bestimmt im Benehmen mit den beiden Ausschußmitgliedern Ort und Zeit des Zusammentritts und gibt hiervon den Parteien mindestens eine Woche vor dem Tennin Nachricht. Es bleibt ihm unbenommen, sich wegen weiterer Aufklärung des Sachverhaltes an die Parteien zu wenden. In der Sitzung ist der Versicherte, soweit möglich, zu hören und erforderlichenfalls zu untersuchen. Erscheint der Versicherte unentschuldigt nicht, so kann der AusschuB aufgrund der Unterlagen entscheiden. c) Die Entscheidung ist schriftlich zu begründen und vom Obmann zu unterzeichnen. (3) Kosten: Ist die Entscheidung des Ärzteausschusses für den Versicherten günstiger als das vor seinem Zusammentritt abgegebene Angebot des Versicherers, so sind die Kosten voll von diesem zu tragen. Andernfalls werden sie dem Versicherungsnehmer auferlegt: Wenn nur Tagegeld strittig ist, bis zum 2(Hachen Betrag des versicherten Tagegeldsatzes, wenn nur Krankenhaustagegeld strittig ist, bis zum lOfachen Betrag des versicherten Krankenhaustagegeldsatzes, wenn nur Heilkosten oder nur Obergangsentschädigung strittig sind, jeweils bis zu 10 % der versicherten Summe, sonst bis zu 2 % der versicherten Invaliditäts- oder Todesfallsumme.

G 300

§ 13 Zahlung der Entschädigung (1) Die Zahlung erfolgt binnen zwei Wochen, nachdem die Entschädigung gemäß §§ 11 und 12 festgestellt ist. Festgestellt ist die Entschädigung im Falle des § 12 II. (2) mit der Bekanntgabe der Entscheidung des Ärzteausschusses an die Parteien. Innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet kann jedoch eine Invaliditätsentschädigung nur dann beansprucht werden, wenn eine Todesfallsumme versichert war, und zwar äußerstens bis zu deren Höhe (§ 8 Π. (6)). (2) Steht die Entschädigungspflicht dem Grunde nach fest, so werden nach Ablauf eines Monats von der Anzeige des Unfalls an auf Verlangen des Versicherungsnehmers angemessene Vorschüsse auf die Todesfall- oder Invaliditätssumme geleistet. Vorher können auf Verlangen des Versicherungsnehmers schon nach Ablauf je eines Monats Vorschüsse auf Heilkosten, Tagegeld und Krankenhaustagegeld geleistet werden; jedoch kann hieraus die Anerkennung einer Entschädigungspflicht weder dem Grunde noch der Höhe nach hergeleitet werden. Wagner

G 289-292 G 306

F 46 G 309

15

Anni. A 3

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung (3) a) Der Versicherer und der Versicherungsnehmer sind berechtigt, den Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit während der eisten zwei Jahre nach Abschluß der ärztlichen Behandlung, längstens jedoch drei Jahre vom Unfalltage an, jährlich neu feststellen zu lassen, b) Macht der Versicherer von dem Redit gemäß vorstehendem Absatz Gebrauch, so hat dieser von der noch ausstehenden Entschädigungssumme, die dem vorläufig festgestellten Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit entspricht, vom Tage ihrer jeweiligen Feststellung ab als Zinsen jährlich 1 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % und höchstens 6 %, vierteljährlich im voraus zu entrichten. Macht der Versicherungsnehmer von dem Recht Gebrauch, so hat der Versicherer als Zinsen jährlich 1 % unter dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % und höchstens 6 %, vierteljährlich im voraus zu entrichten. Stirbt der Versicherte nach Ablauf des auf den Unfall folgenden Jahres, aber vor endgültiger Feststellung der Entschädigung, so hat der Versicherer nach dem zuletzt festgestellten Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit Entschädigung zu leisten.

C. Pflichten des Versicherungsnehmers § 14 Beitragszahlung D 5 E 2-5 H 39, 56

D 5, 29 E 18-20

F 25 H 40

16

(1) Der Versicherungsnehmer hat den ersten Beitrag bei Vorlegung des Versicherungsscheines, Folgebeiträge am jeweiligen Fälligkeitstage zu bezahlen. Mit dem Beitrag sind die aus dem Versicherungsschein oder den Beitragsrechnungen ersichtlichen Kosten (öffentliche Abgaben, Ausfertigungs- und Hebegebühren) zu entrichten. (2) Bei nicht rechtzeitiger Zahlung des Beitrages treten die gesetzlichen Folgen der §§ 38 und 39 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag ( W G ) ein. Rückständige Folgebeiträge nebst Kosten können nur innerhalb eines Jahres seit Ablauf der nach § 39 Abs. 1 W G gesetzten Zahlungsfristen gerichtlich geltend gemacht werden. Bei Teilzahlung des Jahresbeitrages werden die noch ausstehenden Raten des Jahresbeitrages sofort fällig, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung einer Rate in Verzug gerät. § 15 Obliegenheiten I. Während der Vertragsdauer eintretende Änderungen der beruflichen Tätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten sind unverzüglich anzuzeigen (§ 4 (1) und (2)). Wagner

I. Gesetzes- und Bedingungstexte Π. Nach Eintritt eines Unfalls sind dem Versicherer gegenüber folgende Obliegenheiten zu erfüllen: (1) Ein Unfall, der voraussichtlich eine Entschädigungspflicht herbeiführen wird, ist unverzüglich anzuzeigen

Anm. A 3 A 67 F 3, 35 F 13, 3 6 - 3 7

(§ 18). (2) Hat der Unfall den Tod zur Folge, so ist dies spätestens innerhalb von 48 Stunden telegrafisch anzuzeigen (§ 18), und zwar auch dann, wenn der Unfall bereits angemeldet ist. Der Versicherer hat das Recht, durch einen von ihm beauftragten Arzt die Lekhe besichtigen und öffnen zu lassen. (3) Spätestens am vierten Tage nach dem Unteli ist ein staatlich zugelassener Arzt (Ärztin) zuzuziehen; die ärztliche Behandlung ist bis zum Abschluß des Heilverfahrens regelmäßig fortzusetzen; ebenso ist für angemessene Krankenpflege sowie überhaupt nach Möglichkeit für Abwendung und Minderung der Unfallfolgen zu sorgen. (4) Binnen einer Woche nach Zustellung des von dem Versicherer zu liefernden Vordrucks für Schadenanzeigen ist dieser sorgfaltig auszufüllen und ihm zuzusenden; außerdem sind alle weiter verlangten sachdienlichen Auskünfte zu erteilen. (5) a) Auf Verlangen des Versicherers ist der behandelnde Arzt zu veranlassen, auf den Vordrucken des Versicherers alsbald einen Bericht über den Unfall und nach Abschluß der ärztlichen Behandlung einen Schhißbericht zu erstatten; außerdem ist dafür Sorge zu tragen, daß alle etwa weiter noch von dem Versicherer eingeforderten Berichte des behandelnden Arztes geliefert werden. b) Die behandelnden Ärzte, auch diejenigen, von denen der Versicherte aus anderen Anlässen behandelt oder untersucht worden ist, und die Berufegenossenschaften, wenn dort der Unfall gemeldet ist, sind zu ermächtigen, dem Versicherer auf Verlangen Auskunft zu erteilen. (6) a) Der Versicherte ist verpflichtet, sich, sofern dies sein Zustand erlaubt, den von dem Versicherer bezeichneten Ärzten zu Untersuchung zu stellen. Im Falle der aufgeschobenen Kapitalzahlung (§ 13 (3)) hat er sich auf Verlangen des Versicherers von Jahr zu Jahr einer ärztlichen Untersuchung und Begutachtung zu unterwerfen. b) Den von dem Versicherer beauftragen Ärzten ist jederzeit Zutritt zum Versicherten und dessen Untersuchung zu gestatten. c) Den von diesen Ärzten nach gewissenhaftem Ermessen zur Förderung der Heilung getroffenen sachdienlichen Anordnungen ist Folge zu leisten. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, daß die 2

B r u c k - M ö l l e r . W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

F 39, 40, 4 3 - 4 5

F 5, 7, 4 9 - 5 2

F 36, 38

F 5, 47

F 48

F 5, 49

F 49

F 50—52

17

Anni. A 3

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung Behandlung oder Untersuchung des Versicherten in einer Heilanstalt angeordnet wird. In beiden Fällen darf dem Versicherten nichts Unbilliges zugemutet werden. § 16 Rechtsverhältnis Dritter

A 39 F 5, 9, 42

H 8—15

(1) Der Versicherungsnehmer ist für die Erfüllung der Obliegenheiten auch verantwortlich, wenn die Versicherung gegen Unfälle genommen ist, die einem anderen zustoßen (Frerndversicherung). Im Falle der Fremdversicherung steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu. (2) Alle für den Versicherungsnehmer geltenden Vorschriften finden auf dessen Rechtsnachfolger und auf sonstige Ansprucherhebende entsprechende Anwendung. (3) Die Versicherungsansprüche können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers weder übertragen noch verpfändet werden. § 17 Folgen von Obliegenheitsverletzungen

A 43 D 29 F S, 9, 4 0 - 4 2 , 4 4 - 4 5

A 65 D 32

Wird eine Obliegenheit verletzt, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. § 18 Anzeigen und Willenserklärungen Alle für den Versicherer bestimmten Anzeigen und Erklärungen sind schriftlich an den Vorstand des Versicherers oder an die im Versicherungsschein oder dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle zu richten. Die Vertreter sind zu deren Entgegennahme nicht bevollmächtigt. D § 19 Gerichtsstand

G 296

18

Für die aus diesem Versicherungsverhältnis entstehenden Rechtsstreitigkeiten ist neben den gesetzlich zuständigen Gerichten das Gericht des inländischen Wohnsitzes des Versicherungsnehmers zuständig. Wagner

Anm. A 3

I. Gesetzes- uñd Bedingungstexte

ε § 20 Rentenzahlungen bei dauernder Arbeitsunfähigkeit

F 46 G 30

(1) Ist für den Fall der dauernden Arbeitsunfähigkeit (§ 8 II.) anstelle von Kapitalzahlung Rentenzahlung vorgesehen, so wird die Rente nach der untenstehenden Rententabelle berechnet und dabei für Ganzinvalidität die volle, für teilweise Invalidität die dem festgesetzten Invaliditätsgrade entsprechende Invaliditätssumnie zugrunde gelegt. (2) Die Rente wird von dem Tage an, an dem die Zahlung des Tagegeldes aufhört, entrichtet Ist Tagegeld nicht versichert, so beginnt sie mit Abschluß der ärztlichen Behandlung, spätestens mit Ablauf des auf den Unfall folgenden Jahres. Sie wird bis zum Ende des Vierteljahres, in dem der Versicherte stirbt, entrichtet und jeweils am Vierteljahres-Ersten im voraus gezahlt. (3) Während der auf die erstmalige Festsetzung (§§ 11 und 12) folgenden drei Jahre haben beide Teile jeweils nach Ablauf eines Jahres das Recht, eine Änderung der Rente zu verlangen. (4) Für eine Invaliditätssumme von 100,— DM ergeben sich die nachstehend aufgeführten Jahresrentenbeträge. Der Berechnung wird das am Unfalltag vollendete Lebensjahr zugrunde gelegt. Alter

Betrag der Jahresrente

Alter

Betrag der Jahresrente

Jahre bis 20 21 22 23 24 25

DM 44,09 44,41 44,74 45,09 45,46 45,85

Jahre

DM

46 47 48 49 50

61,19 62,47 63,82 65,27 66,81

26 27 28 29 30

46,26 46,69 47,14 47,62 48,12

51 52 53 54 55

68,44 70,17 72,02 73,98 76,07

31 32 33 34 35

48,65 49,21 49,80 50,41 51,05

56 57 58 59 60

78,30 80,71 83,29 86,04 88,98

2'

Wagner

19

Anni. A 4

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung Alter

Betrag der Jahresrente

Alter

Betrag der Jahresrente

Jahre 36 37 38 39 40

DM 51,74 52,46 53,23 54,04 54,89

Jahre 61 62 63 64 65

DM 91,14 95,54 99,21 103,16 107,40

41 42 43 44 45

55,80 56,76 57,77 58,85 59,98

66 67 68 69 70 und darüber

111,95 116,87 122,19 127,93 134,17

[A 4] 3. Zusatzbedingungen für die Kinder-Unfallversicherung (VA 1974 S. 359) Β 36 C 3

20

1· Die Versicherung wird zum vereinbarten Beitrag bis zum Ende des Verskherungsjahres fortgeführt, in dem das versicherte Kind das 17. Lebensjahr vollendet. Damit endet die Anwendung des Tarife für Kinder und es ist der Beitrag zu entrichten, der sich aus dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Tarif des Versicherers für Erwachsene ergibt. 2. Tritt nach Ablauf eines Monats ab Beginn des Versicherungsjahres, für das gemäß Ziffer 1 der erhöhte Beitrag zu entrichten ist, ein Versicherungsfall ein, ohne daß inzwischen eine Einigung über den Mehrbeitrag erzielt worden ist, so bemessen sich die Leistungen des Versicherers nach den im Verhältnis des neuerdings erforderlichen zu dem bisherigen Beitrag herabgesetzten Versicherungssummen. 3. Anstelle von § 8 I. AUB gilt: Führt ein Unfall innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet zum Tode, so werden die nachweislich aufgewendeten Bestattungskosten einschließlich Grabstein bis zur Höhe der hierfür versicherten Summe ersetzt; nicht ersetzt werden Kosten, die für Trauerkleider entstehen. Hatte das versicherte Kind am Unfalltage das 14. Lebensjahr vollendet, wird anstelle von Bestattungskosten eine Kapitalentschädigung nach der versicherten Summe geleistet. 4. In Ergänzung von § 8 VI. (1) AUB wird bei Verlust von Zähnen die Frist von einem Jahr bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres verlängert. 5. In Abweichung von § 13 (3) a) AUB wird bei Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres die Frist von Wagner

Anm. A 5

I. Gesetzes- und Bedingungstexte 3 Jahren auf 5 Jahre verlängert, jedoch nicht über die Vollendung des 17. Lebensjahres hinaus.

[A 5] 4. Musterbedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung (VA 1975 S. 295) § 1 Gegenstand der Versicherung 1. Tritt während der Verskherungsdauer der UnfallZusatzversicherung und vor dem Ende des Verskherungsjahres, in dem der Versicherte das 70. Lebensjahr vollendet, sein Tod als Folge eines nach Inkrafttreten der Unfall-Zusatzversicherung erlittenen Unfalls innerhalb eines Jahres nach dem Unfall ein, so zahlt der Versicherer neben der Leistung aus der Hauptversicherung die vereinbarte Unfall-Zusatzversicherungssumme, und zwar nach Beibringung der erforderlichen Nachweise auch dann sofort, wenn die Leistung aus der Hauptversicherung erst zu einem späteren Auszahlungstermin fällig wird. 2. Tritt der Tod des Versicherten nach Vollendung des 70. Lebensjahres ein und sind die sonstigen Leistungsvoraussetzungen nach Ziff. 1 erfüllt, so zahlt der Versicherer die vereinbarte Unfall-Zusatzversicherungssumme dann, wenn der Versicherte den Unfall bei Benutzung eines dem öffentlichen Personenverkehr dienenden Verkehrsmittel dadurch erlitten hat, daß das Verkehrsmittel dem Ereignis, das den Unfalltod des Versicherten verursacht hat, selbst ausgesetzt war.

Β 20

3. Bei der Versicherung auf verbundene Leben wird die Unfall-Zusatzversicherungssumme nur einmal ausgezahlt, selbst wenn die Versicherten gleichzeitig durch Unfall sterben. § 2 Unfallbegriff und Grenzfälle 1. Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. 2. Unter den Versicherungsschutz fallen auch: a) durch Kraftanstrengung des Versicherten hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gliedmaßen und Wirbelsäule, b) Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1 in den Körper gelangt ist. 3. Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz: a) Berufe- und Gewerbekrankheiten; b) Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung; c) Vergiftungen infolge Einführung fester oder fliissiWagner

21

Anm. A 5

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

ger Stoffe durch den Schhmd, Malaria, Flecktyphus und sonstige Infektionskrankheiten ; Gesundheitsschädigungen durch energiereiche Strahlen mit einer Härte von mindestens 100 Elektronen-Voh, durch Neutronen jeder Energie, durch Laser- oder Maserstrahlen und durch künstlich erzeugte ultraviolette Strahlen; Gesundheitsschädigungen durch Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüsse ; Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn es sich um Folgen eines unter die Versicherang fallenden Unfallereignisses handelt. Die Entstehungsursache der Infektionskrankheiten selbst gilt nicht als Unfallereignis ; d) Selbsttötung, und zwar auch dann, wenn der Versicherte die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, es sei denn, daß dieser durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen wurde. § 3 Ausschlüsse und Begrenzungen des Versicherungsschutzes 1. Ausgeschlossen von der Versicherung sind: a) Unfälle, die unmittelbar oder mittelbar durch Kriegsereignisse oder die durch innere Unruhen, sofern der Versicherte auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat, verursacht werden; b) Unfälle, die der Versicherte erleidet infolge der vorsätzlichen Ausführung oder des Versuchs von Verbrechen oder Vergehen; c) Gesundheitsschädigungen durch HeihnaBnahmen und Eingriffe, die der Versicherte an seinem Körper vornimmt oder vornehmen läßt, soweit die Heilmaßnahmen oder Eingriffe nicht durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis veranlaßt waren. Das Schneiden von Nägeln, Hühneraugen, Hornhaut gilt nicht als solcher Eingriff; d) Unfälle infolge von Schlaganfällen und solchen Krampfanfallen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen, von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen, auch insoweit diese durch Trunkenheit verursacht and. Die Ausschlüsse gelten nicht, wenn diese Anfälle oder Störungen durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen waren; e) Unfälle bei Beteiligung an Fahrtveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, und den dazugehörigen Übungsfahrten. 22

Wagner

Aran. A 5

I. Gesetzes- und Bedingungstexte 2. Bei Luftfahrten erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Unfälle, die der Versicherte bei Reise- oder Rundflügen über Gebieten mit organisiertem Luftverkehr erleidet, a) Als Fluggast eines zum zivilen Luftverkehr zugelassenen Motorflugzeuges (Propeller-, Strahlflugzeuges oder Hubschraubers) oder b) als Fluggast eines zur Personenbeförderung eingesetzten Militärflugzeuges (Propeller-, Strahlflugzeuges oder Hubschraubers). § 4 Einschränkung der Leistungspflicht Haben zur Herbeiführung des Todes neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt, so ist die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen, sofern dieser Anteil mindestens 25 Prozent beträgt. § 5 Anzeige 1. Der Tod des Versicherten durch Unfall ist dem Versicherer spätestens innerhalb von 48 Stunden telegrafisch anzuzeigen. 2. Der Versicherer hat das Recht, auf seine Kosten durch einen von ihm beauftragten Arzt die Leiche besichtigen und öffnen zu lassen. § 6 Erklärung über die Leistungspflicht Nach Prüfung der ihm eingereichten und von ihm beigezogenen Unterlagen erklärt der Versicherer innerhalb eines Monats gegenüber dem Ansprucherhebenden, ob und in welchem Umfang er eine Leistungspflicht anerkennt. § 7 Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten 1.1. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten darüber, ob und in welchem Umfang der Tod auf den Unfall zurückzuführen ist, entscheidet ein Ärzteausschuß. Für alle sonstigen Streitpunkte sind die ordentlichen Gerichte zuständig. 2. Die Entscheidung des Ärzteausschusses ist von dem Ansprucherhebenden bis zum Ablauf von sechs Monaten, nachdem ihm die Erklärung des Versicherers nach § 6 zugegangen ist, zu beantragen. Der Versicherer und der Ansprucherhebende können jedoch bis zum Ablauf dieser Frist verlangen, daß an Stelle des Ärzteausschusses die ordentlichen Gerichte entscheiden. Wird dieses Verlangen gestellt, so fa™ der Anspruch nur durch Klage geltend gemacht werden. Wagner

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AIUTI. A 5

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung 3. Läßt der Ansprucherhebende die unter Ziffer 2 genannte Frist verstreichen, ohne daß er entweder die Entscheidung des Ärzteausschusses verlangt oder Klage erhebt, so sind weitergehende Ansprüche, als sie von dem Versicherer anerkannt sind, ausgeschlossen. Auf diese Rechtsfolge hat der Versicherer in seiner Erklärung hinzuweisen. II. Für den Ärzteausschuß gelten folgende Bestimmungen: 1. Zusammensetzung a) Der Ärzteausschuß setzt sich zusammen aus zwei Ärzten, von denen jede Partei einen benennt, und einem Obmann. Dieser wird von den beiden von den Parteien benannten Ärzten gewählt und soll ein auf dem Gebiet der Unfallbegutachtung erfahrener Arzt sein, der nicht in einem Abhängigkeitsveihältnis zu einer der Parteien steht. Einigen sich die von den Parteien gewählten Ärzte nicht binnen einem Monat über den Obmann, so wird dieser auf Antrag einer Partei von dem Vorsitzenden der für den letzten inländischen Wohnsitz des Versicherten zuständigen Ärztekammer benannt. Hat der Versicherte keinen inländischen Wohnsitz, so ist die für den Sitz des Versicherers zuständige Ärztekammer maßgebend. b) Benennt eine Partei ihr Ausschußmitglied nicht binnen einem Monat, nachdem sie von der anderen Partei hierzu aufgefordert ist, so wird dieses Ausschußmitglied gleichfalls durch den Vorsitzenden der Ärztekammer ernannt. 2. Verfahren a) Sobald der Ausschuti zusammengesetzt ist, hat der Versicherer unter Einsendung der erforderlichen Unterlagen den Obmann um die Durchführung des Verfahrens zu ersuchen. b) Der Obmann bestimmt im Benehmen mit den beiden Ausschußmitgliedern Ort und Zeit des Zusammentritts und gibt hiervon den Parteien mindestens eine Woche vor dem Termin Nachricht. Es bleibt ihm unbenommen, sich wegen weiterer Aufklärung des Sachverhalts an die Parteien zu wenden. c) Die Entscheidung ist schriftlich zu begründen und vom Obmann zu unterzeichnen. 3. Kosten Ist die Entscheidung des Ärzteausschusses für den Ansprucherhebenden günstiger als das vor seinem Zusammentritt abgegebene Angebot des Versicherers, so sind die Kosten voll von diesem zu

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I. Gesetzes- und Bedingungstexte

Aran. A 5

tragen; anderenfalls hat der Ansprucherhebende die Kosten bis zu 2 Prozent der Unfall-Zusatzversicherungssunune selbst zu tragen. § 8 Folgen von Obliegenheitsverletzungen Wird eine Obliegenheit (§ 5) verletzt, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Obliegenheitsverletzung weder auf Vonatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. § 9 Verhältnis zur Hauptversicherung 1. Die Unfall-Zusatzversicherung bildet mit der Hauptversicherung eine Einheit; sie kann ohne die Hauptversicherung nicht fortgesetzt werden. Die Unfall-Zusatzverskherung erlischt, wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung endet. 2. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Hauptversicherung finden, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf die Unfall-Zusatzversicherung sinngemäß Anwendung. 3. Wird die Leistung der Hauptversicherung herabgesetzt, so vermindert sich der Versicherungsschutz aus der Unfall-Zusatzversicherung auf den Betrag, der dem Teil der Hauptversicherung entspricht, für den der Beitrag weitergezahlt wird. Verringert sich dabei die UnfaU-Zusatzsumme stärker als die Leistung aus der Hauptversicherung, kann der Versicherungsnehmer innerhalb von 3 Monaten verlangen, daß die Unfall-Zusatzsumme gegen 7oHliing eines Einmalbeitrages soweit erhöht wird, daß das vorherige Verhältnis zur Leistung aus der Hauptversicherung wieder hergestellt wird. 4. Bei Kündigung einer Unfall-Zusatzversicherung mit laufender Beitragszahlung wird weder ein Rückkaufswert noch eine beitragsfreie Leistung gewährt. Bei einer Unfall-Zusatzversteherung gegen Einmalbeitrag ist eine Kündigung stets nur in Verbindung mit der Hauptversicherung möglich; dabei wird der geschäftsplanmäBige Rückkaufswert gewährt. 5. Lebt die aus irgendeinem Grunde erloschene oder auf die beitragsfreie Versicherung beschränkte Leistungspflicht des Versicherers aus der Hauptversicherung ganz oder teilweise wieder auf und tritt die Unfall Wagner

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Amn. A 6

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung Zusatzversicherung insoweit wieder in Kraft, so können Ansprüche aus dem wieder in Kraft gesetzten Teil nicht aufgrund solcher Unfälle geltend gemacht werden, die während der Unterbrechung des vollen Versicherungsschutzes eingetreten sind. 6. Die Unfall-Zusatzversicherung ist / nach Maßgabe des jeweiligen von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplans am Uberschuß des Versicherers beteiligt / nicht ttberschußberechtigt.

[A 6] 5. Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallversicherung (VA 1961 S. 217; 1962 S. 218; 1977 S. 130) Β 37, 75 C3 Η 63-68

§ 1 Bestimmungen für Versicherangen ohne Namensangäbe

Η 65

(1) Die zu versichernden Personen sind so zu bezeichnen, daß bei Eintritt des Versicherungsfalls ein Zweifel über die Zugehörigkeit zu dem versicherten Personenkreis nicht entstehen kann. (2) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, geordnete Personal-, Lohn- oder Mitgliederlisten zu führen und auf Verlangen den von dem Versicherer beauftragten Organen Einsicht in diese zu gestatten. (3) Der Versicherer fordert den Versicherungsnehmer jeweils am Schhiß des Zeitabschnitts, auf welchen der Jahresbeitrag anteilig entrichtet wird, auf, die Zahl der in diesem Zeitabschnitt versichert gewesenen Personen anzugeben. Diese Angabe hat nach Monaten und nach dem höchsten Stande jedes Monats zu erfolgen. Eine Durchschnittsberechnung ist nicht zulässig. (4) Aufgrund der festgestellten Kopfzahl der Versicherten erfolgt die Berechnung des jeweiligen Beitrags. Ist für den verflossenen Zeitabschnitt ein zu hoher oder zu niedriger Beitrag gezahlt worden, so ist der entsprechende Betrag im ersteren Falle von dem Versicherer zurückzuerstatten, im letzteren Falle vom Versicherungsnehmer nachzuzahlen. (5) Unterläßt der Versicherungsnehmer die Angaben der Personenzahl innerhalb eines Monats nach Empfang der Aufforderung, so ist der Versicherer berechtigt, den Beitrag unter Zugrundelegung der zuletzt angegebenen Personenhöchstzahl zu fordern. Dem Versicherungsnehmer ist jedoch das Recht vorbehalten, im Laufe des neuen Zeitabschnitts die richtige Personenzahl nachzuweisen. Ist diese Zahl geringer als die bei der Beitragsberechnung angenommene, so ist der zuviel gezahlte Beitrag dem Versicherungsnehmer zurückzuerstatten. Ist die Zahl höher, so ist der Mehrbeitrag nachzuzahlen.

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Anm. Λ 6

I. Gesetzes- und Bedingungstexte § 2 Bestimmungen für Versicherungen mit Namensangabe (1) Aus der Versicherung ausscheidende Personen sind ab- und an deren Stelle tretende anzumelden. Diese gelten von der Absendung der Anmeldung an als versichert. (2) Außerdem können noch nicht versicherte Personen jederzeit zur Versicherung angemeldet werden, wenn Beruf oder Beschäftigung die gleichen sind, wie die der bereits versicherten Personen. Sie gelten von der Absendung der Anmeldung an zu denselben Beträgen versichert wie diese. (3) Personen in anderen Berufen oder mit anderer Beschäftigung gelten erst nach Vereinbarung der Versicherungssummen und des Beitrages als versichert. (4) Der Versicherer hat das Recht, die Versicherung des Einzelnen ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Für den Fall der Ablehnung scheidet der Betreffende einen Monat nach dem Tage der Ablehnung aus der Versicherung aus. Als Beitrag ist für ihn nur der auf die tatsächliche Versicherungsdauer entfallende Teil zu zahlen.

Η 66

§ 3 Fluggastwagnis (Zusatz zu § 4 (3) AUB) Benutzen mehrere durch diesen Gruppenverskherungsvertrag versicherte Personen dasselbe Flugzeug und überschreiten die Versicherungssummen aus dem Vertrag für diese Personen insgesamt die Versicherungssummen von DM 2000000,- für den Todesfall DM 4000000,- für den Invaliditätsfall DM 2 0 0 0 , - für Tagegeld DM 2000,— für Krankenhaustagegeld/Genesungsgeld DM 60000,- für Heilkosten DM 200000,- für Übergangsentschädigung, so ist der Versicherer mindestens drei Tage vor Antritt der Flugreise zu verständigen. Hat der Versicherer keine Deckungszusage für Versicherungssummen erteilt, die die vorgenannten Beträge überschreiten, so gelten diese Beträge als gemeinsame Höchstversicherungssummen für alle Versicherten, die sich in demselben Flugzeug befinden, und die für die Einzelperson vereinbarten Versicherungssummen ermäßigen sich im entsprechenden Verhältnis, mindestens auf die in § 4 (3) Abs. b) aufgeführten Höchstbeträge. Im übrigen bleibt Abs. b) unberührt. § 4 Vertragsdauer (Zusatz zu § 7 Π AUB) (1) Der Versicherungsvertrag endet, wenn der Betrieb oder die Vereinigung aufgelöst wird. Wagner

D 13, 25 Η 67 27

Anm. A 7

D 22

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

(2) Der Versicherungsschutz des einzelnen Versicherten erlischt: a) wenn er aus dem Dienstverhältnis des Versicherungsnehmers oder aus der Vereinigung ausscheidet, b) wenn der Versicherte eine neue Beschäftigung aufnimmt, für die vereinbarungsgemäß keine Unfallversicherung vorgesehen ist, c) Wenn bei einem Unfall eine Invalidität erstmalig festgestellt ist (§§ 11 und 12 AUB) und der Versicherer mit Frist von einem Monat nach erstmaliger Feststellung durch eingeschriebenen Brief darauf hingewiesen hat, daB der Versicherungsschutz einen Monat nach Eingang dieses Schreibens erlischt. Unterbleibt der Hinweis des Versicherers innerhalb der Monatsfrist, so besteht der Versicherungsschutz weiter.

[A 7] 6. Besondere Bedingungen für die obligatorische Unfallversicherung von Fluggästen in Flugzeugen von Luftfahrtuntemehmen (Opuv) (VA 1972 S. 290, VA 1975 S. 271) Β 36, 41, 56, 85 C9

Der Versicherung liegen die beigefügten „Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen" (AUB) mit folgenden Abänderungen und Ergänzungen zugrunde: 1. Es sind auf Grund der gesetzlichen Auflage (§ 50 Luft VG) die Fluggäste des im Versicherungsschein oder Nachtrag deklarierten Luftfahrzeugs gegen Unfall versichert. Die Versicherung ist an das betreffende Luftfahrzeug gebunden. 2. Der Versicherungsschutz erstreckt sich nur auf Unfälle, von denen die Fluggäste a) vom Besteigen bis zum Verlassen des Luftfahrzeugs, b) während des Ein- und Aussteigens, c) während des Aufenthaltes auf Zwischenlandungsund Notlandungsplätzen betroffen werden. Als Fluggäste gelten die berechtigten Passagiere (zahlende und nicht zahlende) der im Versicherungsschein deklarierten Luftfahrzeuge. Ausgenommen sind die mit der Bedienung des Luftfohrzeugs oder der Passagiere betrauten Personen (Besatzung). 3. Die aus der Versicherung berechtigten Personen können ihre Ansprüche selbständig geltend machen. 4. Der Versicherungsschutz wird, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, nur dann gewährt, wenn

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Aiun. A 8

I. Gesetzes- und Bedingungstexte

5.

6.

7.

8.

a) das Luftfahrtunternehmen behördlicfa genehmigt ist, b) das Luftfahrzeug ani seine Verkehrssicherheit nachgeprüft und behördlich zugelassen ist. Bei Fluggästen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres wird a) in Ergänzung von § 8, VI (1) AUB bei Verlust von Zähnen die Frist von einem Jahr bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres verlängert; b) in Abweichung von § 13 (3) a) AUB die Frist von 3 Jahren auf 5 Jahre verlängert, jedoch nicht über die Vollendung des 17. Lebensjahres hinaus. In Abänderung von § 5 AUB wird auch für die dort bezeichneten Personen Versicherungsschutz geboten, sofern sie Unfälle gemäß Ziffer 2 erleiden. Für die Bemessung der Invalidität gelten die Bestimmungen des § 8 II AUB. An die Stelle des deklarierten Luftfahrzeugs kann mit Zustimmung des Versicherers für die restliche Versicherungsperiode ein anderes Luftfahrzeug treten, wenn a) für das ausscheidende Luftfahrzeug, kein Versicherungsfall eingetreten ist, b) das aasscheidende Luftfahrzeug für die restliche Versicherungsperiode außer Betrieb gesetzt und seine Zulassung eingezogen wird. In Ergänzung von § 7 II (3) AUB gebührt dem Versicherer der Beitrag für das laufende Versicherungsjahr, wenn das Versicherungsverhältnis endet durch dauernden Fortfall des versicherten Interesses infolge Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des im Versicherungsschein oder in seinen Nachträgen bezeichneten Luftfahrzeugs, wenn hierbei ein Versicherungsfall eingetreten ist.

[A 8] 7. Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtver Versicherung (AKB) (Auszug) (VA 1971 S. 4)* §16 (1) Bei der Insassenversicherung ist jeder berechtigte Insasse des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs unter Ausschluß von Kraftfahrer^ und Beifahrern, die beim Versicherungsnehmer als solche angestellt sind (Berufsfahrer), mit dem der Anzahl der Versicherten entsprechenden Teilbetrag der versicherten Summe gedeckt (Pauschalsystem), sofern keine andere nach dem Tarif

Β 42, 43, 58, 59 F 10, 11 G 271-278, 320-322

* Die nachfolgenden Änderungen beziehen sich nicht auf §§ 1 6 - 2 1 AKB

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Anm. A 8

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung mögliche Vereinbarung getroffen ist Berechtigte Insassen sind Personen, die sich mit Wissen und Willen der über die Verwendung des Fahrzeugs Verfügungsberechtigten in oder auf dem versicherten Fahrzeug befinden oder im ursächlichen Zusammenhang mit ihrer Beförderung beim Gebrauch des Fahrzeugs im Rahmen des § 17 Abs. 1 tätig werden.

G 272

G 321

Β 58, 63

(2) Die Berufsfahrerversicherung bezieht sich entweder a) auf den jeweiligen Kraftfahrer oder Beifahrer des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs oder b) unabhängig von einem bestimmten Fahrzeug auf namentlich bezeichnete Kraftfahrer und Beifahrer oder c) unabhängig von einem bestimmten Fahrzeug und ohne Namensnennung auf sämtliche beim Versicherungsnehmer angestellten Kraftfahrer oder Beifahrer. (3) Die namentliche Versicherung sonstiger Personen ist unabhängig von einem bestimmten Fahrzeug. (4) Ist eine Unfallversicherung für eine bestimmte Zahl von Personen oder Plätzen abgeschlossen worden und sind zur Zeit des Unfalles mehr Personen versichert als Personen oder Plätze angegeben sind, so wird die Entschädigung für die einzelne Person entsprechend gekürzt. (5) Namentlich versicherte Personen können ihre Versicherungsansprüche selbständig geltend machen. §17

Β 58 G 83, 273, 274

G 278

G 275

G 278

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(1) Die Versicherung bezieht sich auf Unfälle in ursächliebem Zusammenhang mit dem Lenken, Benutzen, Behandeln, dem Be- und Entladen sowie Abstellen des Kraftfahrzeugs oder Anhängers. Unfälle beim Ein- und Aussteigen sind mitversichert. (2) Die Versicherung umfaßt die Gesundheitsschädigung, die der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig erleidet. Eine Erkrankung infolge psychischer Einwirkung gilt nicht als Unfall. (3) Ausgeschlossen von der Versicherung sind a) Unfälle, die der Versicherte erleidet infolge der vorsätzlichen Ausführung oder eines Versuchs von Verbrechen oder Vergehen, b) Unfälle bei Fahrten, die ohne Wissen und Willen des Halters vorbereitet, ausgeführt oder ausgedehnt werden. (4) Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf Personen, die von Geisteskrankheit, von einer Lähmung durch Schlaganfall, von Epilepsie oder schwerem Nervenleiden befallen sind. Wagner

Anm. A 8

I. Gesetzes- und Bedingungstexte §18 I. (1) Die Leistung des Versicherers richtet sich nach den Versicherungssummen, die im Vertrag a) für den Fall vorübergehender Unfallfolgen, b) für den Fall dauernder Unfallfolgen, c) für den Fall des Todes vereinbart sind und bei vorübergehenden oder dauernden Unfallfolgen nach dem Grad der Arbeitsbehinderung (§ 19). (2) Bei zwei und mehr berechtigten Insassen erhöhen sich bei einer Versicherung nach dem Pauschalsystem die Versicherungssummen um 50 v. H. (3) Haben bei den Unfallfolgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt, so ist die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen, sofern dieser Anteil mindestens 25 v. H. beträgt. (4) Der Versicherer übernimmt die erforderlichen Kosten, die durch die Erfüllung der im § 7, IV. Abs. 2, 3 bestimmten Obliegenheiten entstehen.

G 319-322

Β 42, 43

II. (1) Im Falle vorübergehender Unfallfolgen werden nach dem Inhalt des Vertrages längstens für ein Jahr von dem Unfälle an Heilkosten oder Tagegeld gezahlt. (2) Sind Heilkosten versichert, so werden die für die Behandlung der Unfallfolgen erwachsenen erforderlichen Kosten des Heilverfahrens bis zur versicherten Höhe unter Ausschluß von Nahrungs- und Genußmitteln, Erholungs- und Badereisen ersetzt. (3) Ist Tagegeld versichert und wird geltend gemacht, daß der Versicherte auch nach dem Absdiluß der ärztlichen Behandlung noch arbeitsbehindert sei, so sind weitere Leistungen des Versicherers davon abhängig, daß die Fortdauer der Behinderung in angemessenen Zeiträumen ärztlich bescheinigt wird. Die Kosten dieser Bescheinigung hat der Versicherte zu tragen. (4) Ist Tagegeld versichert und keine Arbeitsbehinderung eingetreten, so werden für die Dauer der ärztlichen Behandlung, längstens für ein Jahr, die erforderlichen Kosten bis zur Hälfte des für diese Zeit versicherten Tagegeldes vergütet. (5) Bei Personen unter 16 Jahren werden ohne Rücksicht auf etwaigen Verdienstausfall statt des Tagegeldes die erforderlichen Kosten der ärztlichen Behandlung bis zur Höhe des versicherten Tagegeldes ersetzt. III. (1) Ergibt sich innerhalb eines Jahres, vom Unfall an gerechnet, daß eine dauernde Arbeitsbehinderung zurückbleibt, so wird von der für dauernde Unfallfolgen versicherten Leistung der dem Grade der Arbeitsbehinderung entsprechende Betrag gezahlt. Wagner

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Anm. A 8

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

(2) Ein Anspruch auf Entschädigung für dauernde Arbeitsbehinderung ist spätestens bis zum Ablauf von drei Monaten nach dem SchluB des auf den Unfall folgenden Jahres anzumelden und unter Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zu begründen. (3) Bei Personen über 65 Jahre wird die Entschädigung für dauernde Unfallfolgen in Form einer Rente gewährt; die Rente beträgt 10 v. H. der nach dem Grade der Arbeitsbehinderung in Betracht kommenden Summe. F 12

IV. (1) Tritt innerhalb eines Jahres, vom Unfall an gerechnet, der Tod als Folge des Unfalls ein, so wird die für den Todesfall versicherte Summe gezahlt. (2) Bei Personen unter 14 Jahren beträgt die Entschädigung für den Todesfall höchstens DM 3000,—. Bei einer Versicherung nach dem Pauschalsystem wird der auf andere Insassen entfallende Teilbetrag aus der versicherten Todesfallsumme um den durch diese Summenbegrenzung freiwerdenden Betrag verhältnismäßig erhöht, jedoch ist der Anteil des einzelnen Insassen im Höchstfalle auf die im Vertrag vereinbarte Versicherungssumme beschränkt; I. Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung. (3) Auf die Todesfallentschädigung werden Zahlungen, die für dauernde Unfallfolgen aus demselben Ereignis geleistet worden sind, angerechnet. §19

G 319-320

I. Im Falle vorübergehender Unfallfolgen (§ 18, II) ist für die Bemessung des Grades der Arbeitsbehinderung die Berufetätigkeit und Beschäftigung des Versicherten maßgebend. II. (1) Als feste Invaliditätsgrade unter Ausschluß des Nachweises eines höheren oder geringeren Grades werden angenommen: a) Bei Verlust oder vollständiger Gebrauchsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk 70 v. H. eines Armes bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65 v. H. eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenks 60 v. H. einer Hand im Handgelenk 55 v. H. eines Daumens 20 v. H. eines Zeigefingers 10 v. H. eines anderen Fingers 5 v. H. b) bei Verlust oder vollständiger Gebrauchsunfähigkeit eines Beines über Mitte des Oberschenkels 70 v. H.

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Anm. A 8

I. Gesetzes- und Bedingungstexte eines Beines bis zur Mitte des Oberschenkels eines Beines bis unterhalb des Knies eines Beines bis zur Mitte des Unterschenkels eines Fußes im Fußgelenk eines Fußes mit Erhaltung der Ferse (nach Pirogoff) einer großen Zehe einer anderen Zehe c) bei gänzlichem Verlust der Sehkraft beider Augen eines Auges sofern jedoch die Sehkraft des anderen Auges vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war bei gänzlichem Verlust des Gehörs auf beiden Ohren auf einem Ohr sofern jedoch das Gehör auf dem anderen Ohr vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war bei gänzlichem Verlust des Geruchs bei gänzlichem Verlust des Geschmacks

60 v.H. 50 v.H. 45 v.H. 40 v.H. 30 v. H. 5 v.E 2 v.H. 100 v.H. 30 v. H. 70 v. H. 60 v.H. 15 v. H. 45 v.H. 10 v.H. 5 v.H.

(2) Bei teilweisem Verlust oder teilweiser Gebrauchsunfähigkeh der vorgenannten Glieder oder Sinnesorgane werden die vorstehenden Sätze entsprechend herabgesetzt. Bei dem Verlust oder der Gebrauchsunfähigkeit von mehreren der vorgenannten Glieder oder Sinnesorgane werden die vorstehenden Sätze bis höchstens 100 v. H. zusammengerechnet. (3) Ist die Arbeitsbehinderung auf andere als die vorerwähnten Ursachen zurückzuführen, so ist maßgebend, inwieweit der Versicherte imstande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und die ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufe zugemutet werden kann. (4) Der Versicherer ist berechtigt, den Grad der Arbeitsbehinderung während der ersten drei Jahre nach Abschluß der ärztlichen Behandlung, längstens jedoch vier Jahre vom Unfalltag an, jährlich neu festzustellen. Will er von diesem Recht später als nach zwei Jahren vom Unfalltage an Gebrauch machen, so ist dazu ein Gutachten des Ärzteausschusses (§ 20 Abs. 3) erforderlich; die Kosten hierfür trägt der Versicherer. ΠΙ. Wenn vor Eintritt des Unfalles der Versicherte schon durch Krankheit oder Gebrechen in seiner Arbeitsfähigkeit dauernd behindert war oder Glieder oder Sinnes3

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung organe ganz oder teilweise verloren oder gebrauchsunfähig gewesen sind, so wird von dem Grad der Arbeitsbehinderung ein Abzug gemacht, der der schon vorher vorhandenen Arbeitsbehinderung entspricht. Für deren Bemessung werden die Grundsätze unter Π. mit der Maßgabe angewandt, daß auch ein höherer Grad der Arbeitsbehinderung als 100 v. H. angenommen werden kann, sofern der Versicherte für einen Unfall nicht schon von dem gleichen Versicherer entschädigt worden ist. IV. Für psychische und nervöse Störungen, durch die der Versicherte nach einem Unfall in seiner Arbeitsfähigkeit behindert ist, wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder auf eine Epilepsie zurückzuführen sind, die durch den Unfall neu entstanden ist.

§20 (1) Der Versicherer ist verpflichtet, bei Ansprüchen auf Heilkosten, Tagegeld oder Todesfallentschädigung innerhalb eines Monats, bei Ansprüchen auf Entschädigung für dauernde Arbeitsbehinderung innerhalb dreier Monate zu erklären, ob und inwieweit er eine Entschädigungspflicht anerkennt. Die Fristen beginnen mit Eingang der Nachweise über den AbschluB des Heilverfahrens und die Unfallfolgen.

(2) a) Im Falle von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen oder darüber, ob und in welchem Umfang der eingetretene Schaden auf den Versicherungsfall zurückzuführen ist, entscheidet ein Ärzteausschuß; für alle sonstigen Streitpunkte sind die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 8). b) Die Entscheidung des Ärzteausschusses ist von dem Versicherungsnehmer bis zum Ablauf von sechs Monaten, nachdem ihm die Erklärung des Versicherers nach Abs. 1 zugegangen ist, zu beantragen. Versicherer und Versicherungsnehmer können jedoch bis zum Ablauf dieser Frist verlangen, daß anstelle des Ärzteausschusses die ordentlichen Gerichte entscheiden. Wird dieses Verlangen gestellt, so kann der Versicherungsnehmer nur Klage erheben. c) Läßt der Versicherungsnehmer die unter b) genannte Frist verstreichen, ohne daß er entweder die Entscheidung des Ärzteausschusses verlangt oder Klage erhebt, so sind weitergehende Ansprüche, als sie vom Versicherer anerkannt sind, ausgeschlossen. Auf diese Rechtsfolge hat der Versicherer in seiner Erklärung hinzuweisen. Wagner

Anm. A 8

I. Gesetzes- und Bedingungstexte (3) Der Ausschuß besteht aus zwei Mitgliedern, von denen der Versicherer und der Versicherungsnehmer je eines benennt, und aus dem für den Wohnort des Verletzten zuständigen Kreis-, Amts- oder Bezirksarzt als Obmann. Ist dieser verhindert oder behandelnder Arzt, so trifft an seine Stelle der beamtete Arzt eines Nachbarbezirks. Zum Obmann kann auf Verlangen des Versicherers oder des Versicherungsnehmers an Stelle des beamteten Arztes der leitende Arzt einer öffentlichen Heilanstalt oder ein deutscher Hochschullehrer berufen werden. Seine Benennung ist Sache des Versicherers. Dem Versicherungsnehmer steht innerhalb zweier Wochen, nachdem ihm die Benennung zugegangen ist, das Recht der Ablehnung zu. Im Falle der Ablehnung wird der Obmann von dem Vorsitzenden der für den inländischen Wohnsitz des Versicherten zuständigen Ärztekammer ernannt. Hat der Versicherte einen inländischen Wohnsitz nicht, so ist die Ärztekammer am Sitz des Versicherers zuständig. Wenn der Versicherer oder der Versicherungsnehmer innerhalb zweier Wochen nach schriftlicher Aufforderung sein Ausschußmitglied nicht benennt, so wird dieses von der nach vorigem zuständigen Ärztekammer ernannt. (4) Ist die Entscheidung des Ärzteausschusses für den Versicherten günstiger als das vor seinem Zusammentritt vom Versicherer gemachte Angebot, so sind die Kosten voll von diesem zu tragen; andernfalls werden sie dem Versicherungsnehmer auferlegt, jedoch höchstens je nach dem Streitfall bis zu 10 v. H. der versicherten Heilkosten oder bis zum 20fachen des versicherten Tagegeldes oder bis zu 2 v. H. der für Dauerbehinderung oder Todesfall versicherten Summe. §21 (1) Die Entschädigung wird innerhalb zweier Wochen nach ihrer endgültigen Feststellung gezahlt. Steht die Entschädigungspflicht dem Grunde nach fest, so werden nach Ablauf eines Monats von der Anzeige des Unfalls an auf Verlangen des Versicherungsnehmers angemessene Vorschlüsse geleistet. Vorher können auf Verlangen des Versicherungsnehmers schon nach Ablauf je eines Monats Vorschüsse auf Heilkosten und Tagegeld geleistet werden; jedoch kann hieraus die Anerkennung einer Entschädigungspflicht weder dem Grande noch der Höhe nach hergeleitet werden. (2) Macht der Versicherer von seinem Recht gemäß § 19, II, 4 Gebrauch, so hat er von der noch ausstehenden Entschädigungssumme, die dem vorläufig festgestellten Grad der Arbeitsbehinderung entspricht, jährlich 4 v. H. Zinsen in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten. 3·

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G 322

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Amn. A 9

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung Stirbt der Versicherte nach Ablauf des auf den Unfall folgenden Jahres, aber vor endgültiger Feststellung der Entschädigung, so hat der Versicherer nach dem zuletzt festgestellten Grad der Arbeitsbehinderung Entschädigung zu leisten.

[A 9] 8. Hinweise auf weitere genehmigte und veröffentlichte Sonderbedingungen 1. Besondere Bedingungen für den Einschluß von Bergungskosten in die Allgemeine Unfallv, VA 1970 S. 151 2. Besondere Bedingungen fiir die persönliche Luftfahrt-Unfallv von Luftfahrerscheininhabern und beruflich mitfliegenden Personen in Luftfahrzeugen Lu U 1, VA 1972 S. 289 3. Besondere Bedingungen für die Luftfahrt-Unfallv von Flug-/Fahrgästen in Luftfahrzeugen Lu U 2, VA 1972 S. 290 4. Besondere Bedingungen für die Sitzplatz-Unfallv in Luftfahrzeugen Lu U 4, VA 1972 S. 291 5. Besondere Bedingungen für die Unfallv mit Zuwachs von Leistung und Beitrag — Modell 1 - 3 , VA 1974 S. 360; 1977 S. 131 6. Besondere Bedingungen für die Versicherung gegen außerberufliche Unfälle, VA 1964 S. 119; 1975 S. 459 7. Besondere Bedingungen für Mehrleistungen bei einem Invaliditätsgrad ab 90%, VA 1973 S. 154 8. Besondere Bedingungen für die Strahlenunfallv von Personen, die beruflich mit strahlenerzeugenden Stoffen oder Geräten in Berührung kommen, VA 1965 S. 6; 1975 S. 459 Die den Vsschutz ausdehnenden Strahlen- und Infektionsklauseln werden im Zusammenhang mit der Gefahrbeschreibung abgedruckt und erörtert.

II. Anwendbarkeit weiterer gesetzlicher Vorschriften 1. W G Gliederung: a) Vorbemerkung Anm. A 10 b) Anwendbarkeit allgemeiner Vorschriften des W G Anm. A 1 1 - A 30

und 57 A 16 A 17 A 18 A 19

jj) §61

aa) § 49 Anm. A l l bb) § 50 Anm. A 12 cc) § 5 1 Anm. A 13 dd) §§ 5 2 - 5 4 Anm. A 14 ee) § 55 Anm. A 15

36

ff) §§56 Anm. gg) § 5 8 Anm. hh) § 59 Anm. ü) § 60 Anm. Anm. kk) § 62 Anm. 11) § 63 Anm. mm) § 64 Anm. nn) § 65 Anm.

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A 20 A 21 A 22 A 23 A 24

II. Anwendbarkeit weiterer gesetzlicher Vorschriften oo) § 66 Anm. A 25 PP) § 67 Anm. A 26 qq) § 68 Anm. A 27

Anm. A 13

rr) § 68a Anm. A 28 ss) §§ 6 9 - 7 3 Anm. A 29 tt) §§ 7 4 - 8 0 Anm. A 30

[A 10] a) Vorbemeikung Das W G enthält in §§ 179 bis 185 unter dem IV. Abschnitt einige Vorschriften für die private Unfallv. Daneben bleiben nach der Konzeption des Gesetzes die Vorschriften des I. Abschnittes — Vorschriften für sämtliche Versicheningszweige — für den ganzen Bereich der privaten Unfallv und kraft der in § 179 II 2 ausgesprochenen Verweisung auf den ersten Titel des II. Abschnittes - Vorschriften für die gesamte Schadensv — die Bestimmungen der §§ 75—79 für die Unfallv für fremde Rechnung anwendbar. Diese Verweisung ist unvollständig: Sie müßte nach heutigem Verständnis § 80 II einschließen (Anm. Β 59). Das hieraus sich ergebende Bild der Bedeutung des W G für die private Unfallv ist ungenau. Das Gesetz stellt in § 1 I 2 die Lebens- und Unfallv als Personenv der Schadensv gegenüber. Diese Begriffsverwendung war schon aus der Sicht des Gesetzgebers von 1908 nicht korrekt. Zu diesem Zeitpunkt war bekannt, daß auch Personenv als Schadensv betrieben wurde (Nachweise Anm. Β 6). In § 1 I hätte deshalb dem Begriff der Schadensv der Begriff der Summenv gegenübergestellt werden müssen. Heute ist anerkannt, daß für die private Unfallv, soweit sie als Schadensv betrieben wird (bedeutsamster Fall: Heilkostenersatz), die Vorschriften für die gesamte Schadensv unmittelbar anzuwenden sind, soweit nicht die Besonderheiten der Unfallv dem entgegenstehen (vgl. für das gleichliegende Problem der PKV Wriede Bd VI Anm. A 4 m. Ν.). Die private Unfallv wird als Schadensv betrieben, soweit sie Heilkostenersatz, Beerdigungskosten, Kurkosten und Bergungskosten nach dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung gewährt. [A 11] b) Anwendbarkeit allgemeiner Vorschriften des W G aa) § 4 9 W G ist anwendbar, jedoch angesichts der speziellen Regelungen der für die private Unfallv maßgeblichen AVB ohne Bedeutung. Die Vorschrift ist abdingbar: Die AVB können vorsehen, daß der Ver, indem er die Heilbehandlung unmittelbar an Arzt oder Krankenhaus bezahlt, Naturalersatz leistet, vgl. Wriede Bd VI Anm. A 5 m. Ν. [A 12] bb) § 50 W G ist anwendbar, aber für die Unfallv ohne Bedeutung. Im jeweiligen Unfallvsvertrag werden Höchstsummen für die einzelnen Entschädigungsleistungen vereinbart. Auf diese Summen wird im Text der AVB im Zusammenhang mit der jeweiligen Entschädigungsleistung Bezug genommen (vgl. § 8 I. II. IV. (1) S. 1 AUB). Die im Vertrag für die einzelnen Entschädigungsarten genannten Höchstsummen sind, soweit es sich um Summenv handelt, unerheblich für die Frage, ob eine Uber- oder Unterv i. S. der §§ 51, 56 und 59 vorliegt (vgl. Wriede Bd VI Anm. A 6). [Α 13] cc) § 51 W G ist nicht anwendbar, weil es in der als Schadensv betriebenen Unfallv einen „Wert des versicherten Interesses" nicht gibt. Das würde auch dann gelten, wenn man entgegen der h. M. die Krankheitskostenv nicht als Passivenv, sondern als Aktivenv und Wagner

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Anm. A 18

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Interessev ansehen würde. Denn die Wertbeziehung des Vten zu seiner Gesundheit oder seiner Arbeitskraft als vtes Interesse könnte nicht mit einem als Geldsumme ausgedrückten Wert beziffert werden. Der Restitutionsaufwand (§ 249 S. 1 BGB) kann unendlich sein. Wegen der insoweit gleichliegenden Problematik in der PKV vgl. Wriede Bd VI Anm. A 7, zum Problem Bruck-Möller § 52 Anm. 15. [A 14] dd) §§ 52-54 W G sind, weil speziell auf die Sachv bezogen, für die Unfallv ohne Bedeutung. [A15] ee) § 55 W G bringt das für alle Zweige der Schadensv als grundlegend angesehene vsrechtliche Bereicherungsverbot zum Ausdruck und gilt demgemäß auch für die als Schadensv betriebene Unfallv, vgl. Möller JW 1938 S. 916-920, Bruck-Möller Anm. 45-50 vor §§ 4 9 - 8 0 W G und Wriede Bd VI Anm. A 10 für die PKV; im Ergebnis ebenso Strauß JRPV 1933 S. 149-151. [A 16] ff) §§ 56 und 57 W G sind für die als Schadensv betriebene Unfallv ohne Bedeutung. Übersteigt der notwendige Aufwand für Heilkosten, Kurkosten oder Beerdigungskosten die vte Summe, so endet die Leistungspflicht des Vers. Eine der Regelung des § 57 W G entsprechende Pauschalierung der Vsleistung findet im Hinblick auf Tage- und Genesungsgeld sowie für die Übergangsentschädigung (§ 8 III.—V. und VII. AUB) statt. Sie ist dort abschließend geregelt.

[A 17] gg) § 58 W G findet für die private Unfallv, da diese nicht als Interessev angesehen wird, nicht unmittelbar Anwendung. Die Vorschrift enthält jedoch einen für alle Vszweige wesentlichen Grundgedanken: Für die Einschätzung des subjektiven Risikos durch den Ver ist es erforderlich, daß dieser vom Bestehen mehrfacher V erfährt. Sie kann ein Indiz für die Bereitschaft des Vmers zur Vortäuschung eines Vsfalles sein. Soweit Heilkostenersatz mehrfach vert wird, ist dies auch deshalb bedeutsam, weil der Umfang der Inanspruchnahme von Heilbehandlungsmaßnahmen mit von der persönlichen Einstellung und Veranlagung der Gefahrsperson (zum Begriff Anm. H 17) abhängt (vgl. Wriede Bd VI Anm. A 12). — Die Antragsformulare in der privaten Unfallv enthalten üblicherweise Fragen nach dem Vorabschluß sonstiger Personenvn. Grundsätzlich abweichend OLG Köln 27. VI. 1928 JRPV 1928 S. 282: Es sei nicht einzusehen, warum der Doppelvte sich eher als andere Menschen in Gefahr begebe. Diese Wertung wird durch die Rechtsprechung zum linken Daumen (Anm. G 74) widerlegt. Zur Kumulierung mehrerer Summenven Bruck-Möller § 58 Anm. 5 und unten Anm. E 13; zum Abschluß mehrerer Schadensven Bruck-Möller aaO Anm. 12, Einzelheiten zur Unfallv unten Anm. E 12. [A 18] hh) § 59 W G ist anwendbar, soweit die Unfallv Schadensv ist. Die Vorschrift gilt nicht nur für die Interessev im engeren Sinne (zum Begriff Anm. Β 15), sondern ist anwendbar, wenn das gleiche Risiko bei mehreren Vern vert ist und die Summe der zu zahlenden Entschädigungen den Betrag des Schadens übersteigt (Wriede Bd VI Anm. A 13 m.N., ebenso im Ergebnis Strauß JRPV 1933 S. 150, der die als Schadensv betriebene Unfallv „ihrer Natur nach als Sachv" bezeichnet), vgl. im übrigen Bruck-Möller § 59 Anm. 11 — 12 und unten Anm. E 13. 38

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II. Anwendbarkeit weiterer gesetzlicher Vorschriften

Anm. A 27

[A 19] ü) § 60 W G ist aus den gleichen Erwägungen anwendbar, die zu § 59 dargestellt worden sind, österr. OGH 21. XII. 1960 VersR 1961 S. 476-477 mit Anm. Wahle S. 476-480 erwägt Anwendung des § 60 W G auch für Summenv, ohne dieser Frage nachzugehen. Zutr. dagegen Wahle S. 479 m.N. auch aus dem deutschen vsrechtlichen Schrifttum. Ein Beispiel für die Beschränkung von Entschädigungssummen findet sich in § 4 (3)b AUB, vgl. dazu Anm. E 13 und Bruck-Möller § 60 Anm. 5. [A 20] jj) § 61 W G ist für die private Unfallv nicht anwendbar. Ein vom Vten bewußt und gewollt herbeigeführtes Ereignis ist kein Unfallereignis im Sinne des hier einheitlich geltenden Unfallbegriffs (vgl. § 2 (1) AUB). Da es zur Zeit des Inkrafttretens des W G einen gesicherten Unfallbegriff nicht gab, hieß es zunächst in § 1811 1, daß der Ver nicht zu leisten brauche, „wenn der von dem Unfälle Betroffene den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat". Dieser Satz ist in der seit 1967 geltenden Fassung des § 181 nicht mehr enthalten. [A 21] kk) § 62 W G ist für die Unfallv ohne Bedeutung. Der Unfall als Vsfall setzt voraus, daß der Vte plötzlich, d.h. unerwartet, betroffen wird (Anm. G 57—60). Für eine schadensabwendende Tätigkeit des Vten ist hier kein Raum. Von dieser Vorstellung geht ersichtlich auch das Gesetz aus, wenn es in § 183 die Abwendungsobliegenheit des Vten auf die Unfallfolgen beschränkt. [A 22] 11) § 63 W G ist aus den zu § 62 ausgeführten Gründen in der Unfallv ohne Bedeutung. [A 23] nun) § 64 W G wird für die Unfallv durch § 184 als lex specialis ersetzt. [A 24] nn) § 65 W G ist anwendbar, aber ohne Bedeutung für die Regulierungspraxis in der Unfallv. [A 25] oo) § 66 W G ist nicht anwendbar. Die Vorschrift wird durch § 185 als lex specialis verdrängt. [A 26] pp) § 67 W G ist anwendbar, so schon Strauß JRPV 1933 S. 150-151. Durch diese Vorschrift wird das in § 55 als Prinzip ausgedrückte vsrechtliche Bereicherungsverbot verwirklicht. Einzelheiten bei Sieg Bd II § 67 Anm. 20 und unten Anm. Β 11. Die bei BGH 24. IX. 1969 BGHZ Bd 52 S. 352 zitierten abweichenden Entscheidungen sind überholt. [A 27] qq) § 68 W G bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf die Interessev und wäre hiemach für die private Unfallv nicht anwendbar. Die Vorschrift enthält jedoch als lex specialis für einen Ausschnitt der Unmöglichkeitsregelung des BGB eine auf die Besonderheiten des Vsvertrages Rücksicht nehmende Spezialregelung. Sie ist deshalb auch in der Personenv anwendbar, und zwar nicht nur für den Bereich der als Schadensv betriebenen Unfallv. Das wird bedeutsam, wenn ζ. B. der Vte (Gefahrsperson) vor oder nach Vertragsabschluß stirbt, ohne einen Unfall erlitten zu haben oder an der in einem Wagner

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Aiun. A 32

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Gruppenvsvertrag vorgesehenen Veranstaltung nicht teilnimmt (vgl. Wriede Bd VI Anm. A 20 und Sieg Bd II § 68 Anm. 14, 15, 34 und 37). [A 28] rr) § 68a W G ist anwendbar, soweit vorstehend die dort zitierten Vorschriften als für die Unfallv bedeutsam genannt worden sind. [A 29] ss) §§ 6 9 - 7 3 W G sind nicht anwendbar, weil sie sich nur auf die Interessev im engeren Sinne beziehen (vgl. Wriede Bd VI Anm. A 22). [A 30] ft) §§ 7 4 - 8 0 W G sind für die Unfallfremdv für fremde Rechnung anwendbar, und zwar für die Summenv kraft Verweisung in § 179 II 2 - dort ist sie als auch auf § 80 bezogen zu ergänzen — ; für die als Schadensv betriebene Unfallv gelten die genannten Vorschriften unmittelbar. [A 31] 2. VAG Vorschriften des VAG sind als Recht der Vsaufsicht mittelbar für den Inhalt von Unfallvsverträgen bedeutsam, soweit sie Bestimmungen über den (Soll-) Inhalt von AVB enthalten (§ 10 VAG), die nach § 5 Abs. 3 VAG als Bestandteil des Geschäftsplans der Aufsichtsbehörde besonders einzureichen sind. Unmittelbar auf bestehende Unfallvsverträge einwirken kann die Regelung der §§79 i. V. m. 77 III, 78 VAG im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vers. — Den Konkursantrag kann, abweichend von den Bestimmungen der §§ 103, 104, 208 KO, nur die Aufsichtsbehörde stellen (§ 88 VAG). Gemäß § 81 a VAG kann die Aufsichtsbehörde, wenn es zur Wahrung der Belange der Vten notwendig erscheint, einen Geschäftsplan - d. h. einschließlich der AVB mit Wirkung für bestehende oder noch nicht abgewickelte Vsverhältnisse ändern oder aufheben. Auf Grund dieser Vorschrift ist im Jahre 1950 § 9 a in die AKB eingefügt worden (VA 1950 S. 181). Diese Bestimmung bildet in der seit 1977 geltenden Fassung die Grundlage für die regelmäßigen Tarifänderungen in der Kraftfahrtv (§ 9 (2) AKB, geändert per 1. 1. 1977 - VA 1977 S. 49). Wegen der vorstehend aufgezählten Möglichkeiten sowie für weitere Maßnahmen der Aufsichtsbehörde, die auch für den Bereich des Unfallvsrechts bedeutsam werden können, wird insgesamt auf die Darstellung von Wriede Bd VI Anm. A 25 und die dort genannten Nachweise verwiesen. [A 32] 3. Verordnung vom 29. XI. 1940 (RGBl. I S. 1543) Nach dieser Verordnimg hat die Aufsichtsbehörde das Recht, im Verordnungswege die Anpassung bestehender Vsverträge, insbesondere der durch sie geregelten AVB an geänderte gesetzliche Bestimmungen oder neue (geänderte) AVB zu verfügen. Eine solche Anordnung ist für die private Unfallv nicht ergangen. Diese Verordnung ist bisher nicht außer Kraft gesetzt worden. Wegen der durch sie aufgeworfenen Fragen vgl. Weber in: 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht S. 56—61, Fromm JRPV 1942 S. 126-128, Möller VersPrax 1952 S. 8 - 9 , Thees WallmannsZ 1940 S. 271-272, OLG Hamm 16. V. 1947 MDR 1947 S. 262-265. 40

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III. Ordnung der Rechtsquellen

Anm. A 36

[A 33] 4. Vergleichsordnung Gemäß § 112 VglO kann über ein der Vsaufsicht unterliegendes Vsunternehmen kein Vergleichsverfahren eröffnet werden. Wegen der Gründe ist auf Wriede Bd VI Anm. A 27 m. Ν. hinzuweisen. [A 34] 5. Geschäftsplanmäßige Erklärung ab Rechtsquelle? a) Fragestellung Sog. „geschäftsplanmäßige Erklärungen" sind schriftliche Erklärungen von Vsunternehmungen gegenüber dem Bundesaufsichtsamt. Sie enthalten — soweit sie hier bedeutsam sind - das Versprechen, dort genannte Vorschriften von AVB (nur) in einem bestimmten Sinne anzuwenden, vgl. Prölss-Schmidt-Sasse VAG7 § 5 Anm. 4 A m.N. Es wird die Meinung vertreten, daß dem einzelnen Vmer analog § 328 BGB aus einer solchen Erklärung jedenfalls dann ein ihrem Inhalt entsprechender privatrechtlicher Anspruch erwächst, wenn die Erklärung veröffentlicht worden ist, OLG Oldenburg 21. VI. 1974 NJW 1974 S. 2133, Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 Einf. Anm. 4, weitere Nachweise bei Sieg VersR 1977 S. 490 Fußn. 10. Von anderen wird dagegen nur ein Recht der Aufsichtsbehörde angenommen, den Ver zur Einhaltung seiner — öffentlich-rechtlichen — Verpflichtung mit Mitteln der Vsaufsicht anzuhalten, vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 29 unter ee, Fromm-Goldberg, VAG, § 5 Anm. 6, Prölss-Schmidt-Sasse,7 § 5 Anm. 4 D ; zum Sachstand vgl. auch André S. 113-139. Geschäftsplanmäßige Erklärungen werden üblicherweise im Verlauf des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens abgegeben, weil sie von der Aufsichtsbehörde zur Voraussetzung für die Genehmigung gemacht werden. Ihre Wirkung zugunsten der Vten äußert sich hiernach als Reflex der aufsichtsbehördlichen Tätigkeit, die primär auf die Wahrung der Belange der Vten gerichtet ist. Würdigt man die Veranlassung des Vers zur Abgabe einer solchen Erklärung unter aufsichtsbehördlichem - verwaltungsrechtlichem - Druck, so spricht dies eher gegen ihre Einordnung als privatrechtliche Willenserklärung. Für eine solche Erklärung wäre die Aufsichtsbehörde auch nicht der richtige Adressat als Versprechensempfänger im Sinne des § 328 BGB. Dementsprechend würde sie, soweit sich der Ver nicht an seine Erklärung hält, nicht gemäß § 335 BGB zivilrechtlich, sondern im Wege des Verwaltungszwanges gegen ihn vorgehen. [A35] b) Stellungnahme Für die private Unfallv stellt sich die vorstehend erörterte Frage, weil ein Vter, der bei rechtmäßiger Verteidigung oder bei Bemühung zur Rettung von Menschenleben eine Gesundheitsschädigung erleidet, Deckungsschutz nach Maßgabe des von ihm geschlossenen Unfallvsvertrages erwarten kann. Das ergibt sich aus der in VA 1958 S. 236 veröffentlichten geschäftsplanmäßigen Erklärung, die für die AUB von 1961 in VA 1961 S. 211 — vor dem eigentlichen Abdruck des Bedingungstextes — wiederholt worden ist. Eine zivilrechtliche Deckungsklage des Vten müßte hiernach erfolglos bleiben. Ihm bliebe nur der Weg, die Aufsichtsbehörde zum Eingreifen zu seinen Gunsten zu veranlassen. III. Ordnung der Rechtsquellen [A 36] 1. Gesetzliche und vertragliche Rechtsquellen Die für alle Vszweige geltenden Vorschriften der §§ 1—48 und die Bestimmungen der §§ 49—80, soweit sie für die Unfallv anwendbar sind, bilden zusammen mit Wagner

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Anm. A 38

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

§§ 179—185 Gegenstand und Rahmen der gesetzlichen Regelung des Unfallvsvertrages. Das W G enthält indes keine Vorschriften über Voraussetzungen und Vorgang des Vertragsschlusses. Insoweit sind die Vorschriften des BGB (§§ 104 ff., 145 ff. BGB) und, speziell für die Frage der Einbeziehung von AVB in den Vsvertrag, §§ 2, 23 Abs. 3 AGB-Gesetz maßgeblich. Auch für die Bestimmung des Inhalts und der Beendigung von Vsverträgen ist ergänzend auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts zurückzugreifen (z.B. §§ 119, 123, 133, 134, 138, 157 BGB). Ein alle wesentlichen Punkte regelnder Unfallvsvertrag kann jedoch lediglich unter Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung nicht geschlossen werden. Auch die besonderen Vorschriften für die private Unfallv der §§ 179 bis 185 enthalten keine Beschreibung der Leistung des Vers (vte Gefahr). Das Gesetz hat die Bestimmung der Leistung des Vers in den Vsvertrag verwiesen. Dieser muß deshalb in allen Fällen eine Leistungsbeschreibung — „Produktgestaltung", vgl. Möller, Versicherungsvertragsrecht3 S. 25 — enthalten. Die Produktgestaltung ist der bedeutsamste Teil der für die Unfallv maßgeblichen AVB. Jedoch bemühen sich die AVB, da sie nach der Vorstellung des Vertragspartners des Vers den wesentlichen Inhalt des Vertrages wiedergeben, um eine möglichst eingehende Regelung aller für die Abwicklung des Vertrages bedeutsamen Rechtsfragen. Wegen des Verhältnisses der jeweiligen Regelung durch AVB und des eventuell notwendig werdenden Rückgriffs auf die gesetzliche Regelung vgl. Anm. A 38. In die vorstehend skizzierte Trennung der gesetzlichen von den vertraglichen Rechtsquellen für den Unfallvsvertrag fügt sich das ABG-Gesetz nicht nahtlos ein. Als gesetzliche Rechtsquelle in dem Sinne, daß es unmittelbar auf den Inhalt des Vsvertrages einwirkt, kann es nur im Zusammenhang mit der die Einbeziehung einschränkenden Regelung des § 3 (überraschende Klausel), der Auslegungsregel des § 5 (Unklarheitenregel) und den Vorschriften über die Inhaltskontrolle (§§ 9 bis 11) angesehen werden. Insoweit steht das AGB-Gesetz nach Rang und Funktion denjenigen Vorschriften des W G gleich, die durch zwingende oder halbzwingende Regelungen insbesondere den Vmer vor nachteiligen Vertragsbestimmungen schützen. [A 37] 2. Das Verhältnis der Rechtsquellen zueinander a) Allgemeines Nach dem Grundsatz der Spezialität geht eine besondere vertragliche — auch in AVB getroffene — Abrede dem dispositiven Gesetzestext vor. Erweist sich die vertragliche Vereinbarung als unwirksam, so tritt an ihre Stelle, wenn nicht der gesamte Vertrag gemäß § 139 BGB hinfällig wird, die dispositive Regelung des Gesetzes. Das ergibt sich für durch AVB geregelte Vsverträge nunmehr aus § 6 Abs. 2 AGBGesetz. Eine solche Hilfsfunktion der dispositiven gesetzlichen Regelung ist im Vsvertragsrecht jedoch ohne große Bedeutung. Lücken in der Gefahrbeschreibung (Produktgestaltung) sind nicht in dieser Weise aus dem Gesetz zu ergänzen, weil das W G hierzu nichts enthält. Im Zusammenhang mit anderen Regelungen halten sich AVB weitgehend an das „Leitbild" des dispositiven Rechts (zur Leitbildfunktion Schmidt-Salzer NJW 1977 S. 138). Eine besondere Problematik ergibt sich hier nur aus dem Umstand, daß die Leitbildfunktion des W G in bestimmten Bereichen von der Rechtsprechung in Frage gestellt worden ist. Das gilt insbesondere für die Behandlung von Verwirkungstatbeständen im Zusammenhang mit Obliegenheiten, Fristversäumungen usw. (Näheres Anm. A 43). [A 38] b) Verhältnis geschlossener Bedingungswerke zur gesetzlichen Regelung Die für den Vertragsinhalt maßgeblichen AVB werden dem Vmer im Zusammenhang mit der Ausfüllung des Antragsformulars oder unter Beifügung des ihm über42

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III. Ordnung der Rechtsquellen

sandten Vsscheines zugänglich gemacht. Der Bedingungstext erweckt in dem Vmer den Eindruck eines vollständigen, in sich abgeschlossenen Vertragswerkes, neben dem weitere Regelungen - auch des W G — ohne Bedeutung sind. Das folgt einmal aus der minutiösen Einzelregelung der als wichtig erscheinenden Fragen, deutlicher aber noch aus dem Umstand, daß in einzelnen Bestimmungen des Bedingungswerks auf Vorschriften des W G verwiesen wird und diese in den Text der AVB in einer Art Anhang aufgenommen werden. So muß z. B. ein Vmer, der in 20 Vorschriften der AUB eine eingehende Regelung des Vertragsinhalts, in § 17 AUB eine verdeckte Verweisung auf § 6 W G (wörtliche Wiedergabe) und in § 14 (2) eine ausdrückliche Verweisung auf §§ 38 und 39 W G mit Abdruck dieser Vorschriften am Schluß des Bedingungsformulars vorfindet, unter dem Eindruck stehen, daß der ihm so vermittelte Bedingungstext den vollständigen Vertragsinhalt wiedergibt. Das gleiche wie für den Leser der AUB muß für denjenigen gelten, der einen Vsvertrag nach Maßgabe der AKB liest. Hierzu heißt es bei Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 Einf. Anm. 3 S. 25: „Die Systematik der AKB in ihrem Zusammenwirken mit den Bestimmungen des W G ist keineswegs glücklich. Die Bestimmungen des Gesetzes sind in ziemlich wahlloser Weise teils wörtlich wiederholt, teils auszugsweise nochmals angeführt und zum anderen Teil überhaupt nicht erwähnt worden. Da für den unbefangenen Leser nicht ersichtlich ist, warum diese unklare Systematik gewählt wurde, so können daraus leicht Meinungsverschiedenheiten entstehen.... Wenn es schon nicht möglich ist, die AKB selbst in das W G hineinzuarbeiten, so würde es nach unserer Auffassung jedenfalls richtig sein, entweder durch Wiedergabe sämtlicher einschlägigen Bestimmungen des W G eine erschöpfende Regelung der Kraftfahrtversicherung in den AKB zu schaffen oder aber jede Wiederholung streng zu vermeiden und am besten unter Anknüpfung an die Paragraphen des W G lediglich Zusatzbestimmungen zu schaffen." Die Frage, ob eine in sich geschlossene Regelung des Bedingungswerkes dispositive Vorschriften des W G als Spezialregelung verdrängt, wird von Wussow AUB 4 § 4 Anm. 1, Wüstney Vorbem. zu § 4 AUB S. 25 und Bühring-Mertins Bd II S. 114 für das Verhältnis der in § 4 AUB getroffenen Regelung über die Gefahränderung zu den Vorschriften der §§ 23 ff. W G bejaht. Für die AKB a.M. Stiefel-Wussow-Hofmann AKB 10 S. 24—25, wo es als unstreitig bezeichnet wird, daß neben den AKB die gesetzlichen Bestimmungen des W G maßgebend bleiben. In der Rechtsprechung ist nur vereinzelt zu der Frage Stellung genommen worden, ob neben den AUB die Vorschriften über die Gefahrerhöhung des W G anwendbar seien: OLG Celle 8.X. 1953 NJW 1954 S. 396-397 entscheidet über die Deckungsklage der Erbin eines verunglückten Kraftfahrers nach AUB (nicht AKB) und verneint eine relevante Trunkenheit des Vten (jetzt: § 3 (4) AUB). Eine im Sinne des § 23 bedeutsame Gefahrerhöhung wird erwogen und mit einem Satz unter Hinweis auf BGH 18.X. 1952 BGHZ Bd 7 S. 311-NJW 1952 S. 1291 verneint. Die Frage, ob neben § 4 AUB auf die Regelung des § 23 W G zurückgegriffen werden kann, war hiernach nicht entscheidungserheblich. OLG Düsseldorf 28. X. 1969 VersR 1970 S. 172 mit Anm. Oehm bejaht diese Frage, zieht aber zu Unrecht für die Insassen-Unfallv neben den AKB die AUB heran. OLG Celle 6. V. 1970 VersR 1971 S. 854 entscheidet über eine Gefahrerhöhung nach § 23 W G im Rahmen der Kraftfahrt-Unfallv und bejaht die Anwendung allgemeiner Vorschriften des W G neben der Regelung der AKB. Das Gericht bezieht die Frage ein, ob die AUB (§ 4) die Anwendung der §§ 2 3 - 2 9 W G ausschließen und verneint dies. Daß die allgemeinen Bestimmungen der AKB (§§ 1—9 a) die Anwendung allgemeiner Vorschriften des W G nicht ausschließen, ist für die Haftpflichtv gesicherte Wagner

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Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Rechtsprechung, vgl. BGH 25. IX. 1968 BGHZ Bd 50 S. 385 = NJW 1969 S. 42 = VersR 1968 S. 1153. Die Rechtsprechung erörtert diese Frage speziell unter dem Gesichtspunkt, ob die Sonderregelung des § 2 (2) a—e AKB die Anwendung der Vorschriften des W G über die Gefahrerhöhung ausschließe. Die weitergehende Frage, ob die AKB als Gesamtregelung den Rückgriff auf allgemeine Vorschriften des W G überhaupt verbieten, wird nicht erwogen. [A 39] c) Stellungnahme Für die durch die AKB geregelte Kraftfahrtv ist unbestritten (vgl. vorstehend Anm. A 38 und die Nachweise bei Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 S. 24-25), daß die Vorschriften des W G über die Gefahrerhöhung nicht durch die Spezialregelung der §§ 1—9 a AKB verdrängt werden. Das ist nicht selbstverständlich. § 2 (2) a—e AKB enthält eine speziell auf die Risiken der Kraftfahrtv zugeschnittene Regelung, die dem Vmer durch Auferlegung von Obliegenheiten ein Verhalten (Unterlassen) aufgibt, das dem vorbeugenden Verbot willkürlicher Gefahrerhöhung weitgehend entspricht (vgl. Bruck-Möller § 32 Anm. 10). Der Gedanke, daß diese Spezialregelung die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des W G ausschließt, liegt angesichts dieser recht weitgehenden Sonderregelung für die AKB näher als für die Allgemeine Unfallv. Die AUB enthalten für die Allgemeine Unfallv in §§ 4 und 5 ebenfalls Regelungen, die der Sache nach Rechtsfolgen von Gefahrerhöhungen zum Inhalt haben. Diese speziellen Regelungen rechtfertigen es nicht, die Anwendung allgemeiner Vorschriften des W G als unter dem Gesichtspunkt der Spezialität ausgeschlossen zu betrachten. Es wäre im Sinne einer verständlichen und klaren Darstellung geboten gewesen, einen solchen Ausschluß kraft Spezialität in den Text der AUB aufzunehmen. Ein solcher Hinweis wäre nicht unüblich, wie das Beispiel des § 6 AFB (abgedruckt bei PrölssMartin 21 Anh. II zu §§ 81-107 c, S. 480) zeigt. Die Problemstellung war bei Neufassung der AUB im Jahre 1961 bekannt (vgl. hierzu unten Anm. F. 25). Die hiermit unmittelbar im Zusammenhang stehende Frage, ob die Regelung des § 4 ( 1 ) und (2) AUB mit § 25 W G vereinbar sei, wurde schon für die vor Inkrafttreten des W G eingeführten Verbands-Bedingungen von 1904 erörtert (Gerhard-Hagen S. 744—745 und Wüstney S. 25). Der Inhalt der §§ 4 und 5 AUB rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer Spezialität gegenüber §§ 23—29 W G . Beide Vorschriften greifen aus vielfachen Möglichkeiten von Änderungen der Gefahrenlage nur wenige heraus und lassen — für sich gesehen — die jeweils anderen Möglichkeiten ungeregelt. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Erwägung, daß die Allgemeine Unfallv (möglicherweise) mit dem Anspruch auftritt, grundsätzlich das Unfallrisiko in allen Lebensbereichen zu decken. Der Katalog der dem Antragsteller vor Vertragsschluß gestellten Fragen (Anm. C 11), die Ausschlußtatbestände der §§ 2 (3), 3 und 4 (4) AUB und die Regelung des § 5 AUB machen deutlich, daß der Ver nur die Gefahrtragung übernehmen will, die sich aus den angegebenen persönlichen Verhältnissen dieses Antragstellers ergibt und daß dieses Risiko als normale Gefahrenlage dem Vertrag zugrunde gelegt wird (vgl. Anm. G 131). Es gibt keine sachliche Rechtfertigung dafür, die allgemeinen Vorschriften des W G über die Veränderung der Gefahrenlage, die auf dem Rechtsgedanken der Veränderung der Geschäftsgrundlage beruhen (Anm. F 23—24), als für den Bereich der Allgemeinen Unfallv ausgeschlossen zu betrachten. Es wäre auch inkonsequent, den Rückgriff auf allgemeine Vorschriften in der Allgemeinen Unfallv auszuschließen, während dies in der Kraftfahrtv für zulässig gehalten wird, obwohl die AKB eine für die speziellen Risiken der Kraftfahrzeugverwendung ausgeformte Regelung vorbeugender Obliegenheiten enthalten. 44

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III. Ordnung der Rechtsquellen

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß sich die AUB nicht als abschließende Regelung verstehen. Das ergibt sich ζ. B. aus §§ 7 (4), 16 (1) AUB: In § 7 (4) AUB ist von „allen übrigen Fällen der vorzeitigen Beendigung" die Rede, ohne daß diese Fälle dort oder an anderer Stelle in den AUB erschöpfend genannt werden. In § 16 (1) AUB wird im Hinblick auf die Fremdv nicht zwischen Fremdv für eigene und für fremde Rechnung unterschieden. Die zwingende Regelung des § 179 III, deren Maßgeblichkeit für den ganzen Bereich der privaten Unfallv unbestritten ist, wird ebensowenig erwähnt wie die Möglichkeit, ein Bezugsrecht zu vereinbaren (§ 180). - Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß durch § 6 AGB-Gesetz erneut klargestellt wird, daß auf die dispositiven Regelungen des Schuldrechts zur Ergänzung von AGB, soweit notwendig, auch dann zurückgegriffen werden muß, wenn diese Regelungen den Vertragsschließenden im einzelnen nicht bekannt sind und in ihrer rechtlichen Bedeutung und wirtschaftlichen Auswirkung angesichts ihres oftmals nicht leicht erfaßbaren Inhalts auch nicht bekannt sein können. Die Unfallver sollten allerdings diese nicht abschließend geklärte Frage zum Anlaß nehmen, die von ihnen jeweils verwendete Fassung der AUB entsprechend zu ergänzen. [A 40] 3. Zur Auslegung gesetzlicher Rechtsquellen a) Vorbemerkung In einer auf die private Unfallv beschränkten Darstellung erübrigt es sich, auf Auslegungsprobleme im Zusammenhang mit dem W G einzugehen, die sich für alle Zweige des Vsrechtes gleichermaßen stellen. Insoweit wird auf Bruck-Möller Einl. Anm. 52 bis 54 m.N. und Prölss-Martin21 Vorbem. II S. 12-18 hingewiesen. Die nachfolgenden Hinweise beschränken sich auf Auslegungsfragen zum W G , die für die Unfallv entweder unmittelbar bedeutsam sind oder sich, ihrer Problemstruktur nach, auch für die Unfallv auswirken können und zugleich Auslegungstendenzen deutlich machen, die auch für das Recht der Unfallv Bedeutung erlangen können. Denn jede Änderung der Auslegung bedeutsamer Vorschriften des W G wirkt auf die Auslegung von AVB zurück. [A 41] b) Zur Bedeutung des § 179 III Eine Unfallv kann gegen Unfälle genommen werden, die einem anderen als dem Vmer zustoßen (§ 179 I). Soll sie für Rechnung des Vmers, d. h. in der Weise, daß ihm der Anspruch auf Entschädigungsleistung zusteht, genommen werden, so muß der Dritte, die Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17), vorher dem Vertragsschluß zustimmen (§ 179 III 1). Diese Vorschrift hat den Zweck, die Gefahrsperson zu schützen: Kraft Vertragsschlusses wird ein Anreiz für den Vmer geschaffen, die Herbeiführung des Unfalls zu beeinflussen. Die Gefahrsperson soll hierüber informiert werden und entscheiden, ob sie diese Gefährdung auf sich nehmen will. Dementsprechend ist das Einwilligungserfordernis zwingend. Fehlt es an der erforderlichen Einwilligung der Gefahrsperson, so kann der Vsvertrag nur als für ihre Rechnung selbst genommen wirksam sein (vgl. § 179 II 1). In der zur Zeit des Inkrafttretens des W G noch nicht bekannten Insassen-Unfallv ist es regelmäßig ausgeschlossen, die Einwilligung der bei Vertragsschluß nur bestimmbaren Gefahrsperson (jeweiliger Insasse) einzuholen. Nach der der Regelung des § 179 III zugrunde liegenden Wertung kann die Insassen-Unfallv deshalb nur als Unfallfremdv für Rechnung des jeweiligen Insassen angesehen werden. Das bedeutet, daß die Entschädigungsleistung jedenfalls nicht dem Vmer zufließen darf. Das Gesetz weist in §§ 179 II in Verbindung mit § 75 I 1 dem Insassen den materiellen Anspruch gegen Wagner

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den Ver zu. Der Vte ist jedoch gehindert, den Anspruch geltend zu machen (§ 3 (2) S. 2 AKB entsprechend § 76 II und III). Deshalb ist umstritten, ob der Vmer befugt ist, die von ihm durch Vertragsschluß und Prämienzahlung besorgte, materiell dem Insassen oder seinen Erben zustehende Entschädigungsleistung zur Tilgung der dem Insassen oder seinen Erben zustehenden Haftpflichtansprüche zu verwenden. BGH 7. V. 1975 BGH Bd 64 S. 260-268 bejaht diese Frage unter einschränkender Interpretation der in § 179 III getroffenen Regelung: Vgl. hierzu Sieg Bd II § 80 Anm. 3 5 - 3 8 und die Darstellung Anm. Β 6 8 - B 70. [A 42] c) Fassung und Bedeutung des § 180 a Durch Gesetz vom 30. VI. 1967 (BGBl. I S. 609) ist vor § 181 die Vorschrift des § 180 a eingefügt worden. Die Bestimmung ist nach ihrem Abs. 2 zugunsten des „Betroffenen" (Vmer) relativ zwingend. Ihr Abs. 1 lautet: „Hängt die Leistungspflicht des Versicherers davon ab, daß der Betroffene unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, so wird die Unfreiwilligkeit bis zum Beweise des Gegenteils vermutet." § 180 a I ist hiernach als Beweistlastregelung formuliert. Die Vorschrift ist gesetzestechnisch wenig glücklich gefaßt. Denn die Vermutungsfolge wird nicht an Tatsachen, sondern — der Formulierung des Gesetzes nach — an eine Rechtsfolge geknüpft, nämlich daran, ob die Leistungspflicht des Vers von näher bezeichneten Umständen abhängt; berechtigte Kritik bei Kirsch, Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles in der privaten Unfallversicherung, Kölner Diss. 1970, S. 7 m. Ν. Zu dieser verfehlten Formulierung ist es wahrscheinlich deshalb gekommen, weil der Gesetzgeber seiner Regelung zwar die seit 1920 geltende und zur Zeit nicht angefochtene primäre Risikobegrenzung in der Unfallv (Unfallbegriff vgl. § 2 (1) AUB) zugrunde gelegt hat, den Unfallbegriff jedoch nicht in das W G aufnehmen und dadurch der Disposition durch AVB entziehen wollte. Die durch § 180 a bewirkte Neuregelung betrifft die Beweislast zum Merkmal „unfreiwillig" des Unfallbegriffs. Dieses Merkmal ist Teil des anspruchsbegriindenden Tatbestandes in der Unfallv. Die Neuregelung gehört demnach dem materiellen Recht an und äußert deshalb nach herrschender Meinung keine Rückwirkung. Das ergibt sich nicht unmittelbar aus Inhalt und Stellung der neuen Vorschrift. Die hierzu einhellig vertretene Auffassung folgt jedoch dem Satz, daß materiell-rechtlichen Bestimmungen in der Regel keine rückwirkende Kraft beizulegen ist (Nachweise Anm. G 75). [A 43] d) Milderung der Verwirkungsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen Die neuere Rechtsprechung hat die in § 6 gegen den Vmer vorgesehenen Verwirkungsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen eingeschränkt: Seit BGH 31.1.1952 BGHZ Bd 4 S. 369-380 wird vom Ver, der sich auf eine Obliegenheitsverletzung des Vmers berufen will, zum Zwecke der Klarstellung in jedem Falle die Kündigung des Vsvertrages verlangt (weitere Nachweise und Kritik bei Möller, Versicherungsvertragsrecht3 S. 119-120). In der Kraftfahrzeug-Haftpflichtv wird dem Haftpflichtver die Berufung auf eine unrichtige — auch vorsätzliche — Schadensmeldung und Leistungsfreiheit verwehrt, wenn er den Vmer nicht auf die drohende Möglichkeit eines Anspruchsverlustes hingewiesen hat. BGH 16.11.1967 BGHZ Bd 47 S. 101-109 erkennt zunächst an (S. 105), daß damit eine Gesetzeskorrektur vollzogen wird. Das Gericht weicht alsdann dieser Folgerung jedoch aus, indem es der Obliegenheit des Vmers zur wahrheitsgemäßen Schadensmeldung eine Obliegenheit (Belehrungspflicht) des Vers oder dessen Agenten gegenüberstellt und sein Ergebnis — die Korrektur der Verwirkungsregelung des § 6 Abs. 3 — aus einer Abwägung der beiderseitigen 46

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Obliegenheitsverletzungen gewinnt; vgl. auch BGH 8. V. 1967 BGHZ Bd 48 S. 7 - 1 1 . Einen weiteren Schritt in diese Richtung vollzieht BGH 16.1.1970 BGHZ Bd 53 S. 160—166. Der Haftpflichtver könne sich wegen einer vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Vmer nicht auf seine Leistungsfreiheit berufen, wenn der Verstoß nicht geeignet gewesen sei, seine — des Vers — Interessen in ernster Weise zu gefährden. Die durch die vorgenannte Rechtsprechung begründete Modifizierung der Regelung des § 6 hat zu einer Änderung der Vorschrift über die Obliegenheiten des Vmers in der Kraftfahrzeugv geführt. § 7 V AKB enthielt in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung für Obliegenheitsverletzungen „im Versicherungsfall" eine Regelung, die der des § 6 Abs. 3 W G entsprach. Mit Wirkung vom 1. Januar 1975 ist die Vorschrift des § 7 V AKB im Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung geändert worden (Überblick und Nachweise bei Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 7 AKB Anm. 1, S. 266-268). Diese Neuregelung ist auf die Haftpflichtv beschränkt worden, § 7 V (4) AKB. BGH 20. XII. 1972 VersR 1973 S. 174-176 hatte ausgesprochen, daß sich die Milderung der Verwirkungsfolgen auch auf die Kaskov beziehe. Danach hätte sie möglicherweise auch für die Kraftfahrt-Unfallv beachtet werden müssen. Aus dem vorstehend dargestellten Vorgang wird deutlich, daß und in welcher Weise sich Änderungen in der Auslegung des W G auf die Fassung der Bedingungswerke auswirken müssen. Der einer solchen Änderung im Verständnis des W G nachfolgenden Änderung der entsprechenden AVB kommt nur deklaratorische Bedeutung zu. Die als „unrichtig" erkannte Auslegung des § 6 Abs. 3 wirkt sich unmittelbar auch auf bestehende Vsverträge aus. Das folgt schon daraus, daß die Regelung des § 6 gemäß § 15 a zugunsten des Vmers relativ zwingend ist. Es ist deshalb konsequent, wenn BGH 22. XII. 1976 VersR 1977 S. 272-275 die auf seiner Rechtsprechung beruhende korrigierte Fassung von § 7 V AKB auch auf Vsfälle bezieht, die am 1. Januar 1975 noch nicht abgewickelt waren. 4. Auslegung von AVB Gliederung: a) Vorbemerkung Anm. A 4 4 - A 48 b) Bedeutung des AGB-Gesetzes Anm. A 45 aa) Entwicklung der AGB Anm. A 46 bb) Entwicklung der AVB Anm. A 47 cc) Schlußfolgerung Anm. A 48 c) Das Ziel der Auslegung von AVB Anm. A 49 d) Nichteinbeziehung überraschender Klauseln Anm. A 50 e) Ermittlung des Inhalts von AVB Anm. A 5 1 - A 60 aa) Abgrenzimg von Ermittlung und Kontrolle des Vertragsinhalts Anm. A 51 bb) Der Grundsatz objektiver Auslegung von AVB Anm. A 52

aaa) Wortlaut als Ausgangspunkt Anm. A 53 bbb) Darstellungszusammenhang Anm. A 54 ccc) Zweck der Regelung Anm. A 55 ddd) Historische Entwicklung einer AVB-Bestimmung Anm. A 56 eee) Einschränkende Auslegung von Ausschlußklauseln Anm. A 57 fff) Unklarheitenregel Anm. A 58 ggg) Ergänzende Auslegung von AVB Anm. A 59 cc) Abgrenzung von Auslegung und Vertragsergänzung Anm. A 60 f) Inhaltskontrolle Anm. A 6 1 - A 69 aa) Vorbemerkung Anm. A 61

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A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

bb) Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde Anm. A 62 cc) Inzidentkontrolle durch das Prozeßgericht Anm. A 6 3 - A 67 aaa) Rechtsprechung vor ErlaB des AGB-Gesetzes Anm. A 64 bbb) Verstoß gegen (relativ) zwingende Vorschriften des W G Anm. A 65 dd) Inhaltskontrolle nach §§ 8 - 1 1 AGBGesetz Anm. A 6 6 - A 67 aaa) Einschränkung der Inhaltskon-

trolle nach § 8 AGB-Gesetz Anm. A 66 bbb) Abgrenzung der Gefahrbeschreibung von AVB-Bestimmungen, die der Inhaltskontrolle unterliegen Anm. A 67 cc) Inhaltskontrolle nach §§ 1 3 - 2 2 AGBGesetz Anm. A 68 aaa) Allgemeines Anm. A 68 bbb) Verfahrensrechtliche Besonderheiten Anm. A 69

[A 44] a) Vorbemerkung Für die Grundsätze, nach denen AVB auszulegen sind, ist zunächst auf BruckMöller Einl. Anm. 69-75, Prölss-Martin21 Vorbem. III S. 18-22, Wussow AUB4 Anm. 1 und 4 vor § 1 AUB und Schmidt-Salzer, Das Recht der Allgemeinen Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, S. 188—212 — jeweils m.w.N. — hinzuweisen. Die nachfolgende Darstellung kann sich indes nicht darauf beschränken, die dort behandelte Problematik der Auslegung von AVB unter Berücksichtigung danach erschienenen Schrifttums und Rechtsprechimg zusammenfassend und auf die für die Unfallv sich ergebenden Probleme konzentriert zu referieren. Denn am 1. IV. 1977 ist das „Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen" vom 9. XII. 1976 in Kraft getreten. Seine Regelung schließt den Bereich von AVB ein (vgl. § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz). Das AGB-Gesetz ist das Ergebnis der seit dem Erscheinen der Monographie von Raiser im Jahre 1935 geführten Diskussion um die Einordnung und Behandlung von AGB, denen auch die AVB zugeordnet werden. Von den Vorschriften des AGB-Gesetzes sind für den hier darzustellenden Zusammenhang §§ 2 und 3 für die Einbeziehung von AVB in den Vsvertrag, § 5 für die Auslegung und §§ 8—11 für die Inhaltskontrolle unmittelbar bedeutsam. [A 45] b) Bedeutung des AGB-Gesetzes Das AGB-Gesetz bringt Ordnung in die bisher in Rechtsprechung und Schrifttum kontroversen Auffassungen zur rechtlichen Behandlung und Kontrolle von AGB (vgl. Wagner ZVersWiss 1977 S. 124). Es wird zu einer Beruhigung der Diskussion um AGB führen und durch eine insgesamt gelungene Kodifizierung zur Rechtssicherheit beitragen. Dagegen werden die Besonderheiten von AVB, deren Zuordnung zum Bereich der AGB nur vordergründig als richtig erscheint, in dem neuen Gesetz nicht hinreichend berücksichtigt. Ihre Einbeziehung in die Regelung dieses Gesetzes wird sich weitgehend als verfehlt erweisen (a.A. Löwe VW 1977 S. 373—378), weil die für die Kontrolle von AGB entwickelten Rechtsgrundsätze für AVB nicht passen und für sie von der bisherigen Rechtsprechung auch nicht angewendet worden sind. Dies ist an einem Vergleich der Entwicklung des Rechts der AGB und der von AVB zu zeigen. [A 46] aa) Entwicklung der AGB Im bürgerlichen Recht war zur Zeit der Entstehung des BGB das Phänomen einseitig vorformulierter Vertragsbedingungen und ihrer Verwendung in einer Vielzahl von Fällen (vgl. die Definition in § 1 I 1 AGB-Gesetz) zwar nicht bedeutsam, aber 48

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auch nicht unbekannt: Versorgungsbetriebe der öffentlichen Hand und Banken verwendeten solche Vertragsbedingungen (Hinweise bei RG 18.V. 1904 RGZ Bd 58 S. 151 — 156). Außerdem waren im Vsrecht und im Seefrachtrecht vorgedruckte „Bedingungen" eine geläufige Erscheinung. Gleichwohl hat der Gesetzgeber des BGB zur Erscheinung der AGB im Zusammenhang mit der Rechtsgeschäftslehre gar nicht, im Zusammenhang mit generellen Beschränkungen der Vertragsfreiheit (z. B. §§ 134, 138, 276 II, 306, 476, 637 etc. BGB) nur mittelbar Stellung genommen. Die Rechtsprechung hatte sich indes schon im ersten Jahrzehnt seit Inkrafttreten des BGB mit dem Problem der AGB zu befassen: RG 18. V. 1904 RGZ Bd 58 S. 151 nimmt Stellung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen AGB eines Vertragspartners Vertragsinhalt werden. Das Gericht verlangt nicht, daß der Vertragspartner des Verwenders von AGB deren Bestehen und Inhalt im einzelnen kenne, sondern läßt es genügen, daß er mit ihrer Verwendung nach Lage der Dinge habe rechnen müssen. Die „Unterwerfung" unter AGB beschränke sich jedoch auf solche Klauseln des Bedingungswerkes, mit denen der Kunde billigerweise habe rechnen müssen (im gleichen Sinne RG 26. X. 1921 RGZ Bd 103 S. 84-87; ähnlich RG 22. XII. 1925 RGZ Bd 112 S. 253-260). Für die Auslegung des als vereinbart anzusehenden Bedingungswerkes wurde die im Vsrecht seit langem anerkannte sog. Unklarheitenregel fortentwickelt. Sie bezog sich vorwiegend auf die Auslegung von AGB-Bestimmungen, die Ausschlüsse der Haftung und der Gewährleistung des Verwenders zum Gegenstand hatten. Eine Inhaltskontrolle von AGB wurde zunächst ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Monopolmißbrauchs vollzogen. Sie stützte sich allein auf § 138 BGB (Überblick bei Raiser S. 308-310). BGH 29. X. 1956 BGHZ Bd 22 S. 90-100 zog zusätzlich die Generalklausel des § 242 BGB zur Inhaltskontrolle heran: Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob AGB in angemessener Weise auch die Interessen des Vertragspartners des Verwenders berücksichtigten. Diese Ausweitung der Inhaltskontrolle auf eine „Angemessenheitskontrolle" war durch einige Entscheidungen des RG vorgezeichnet worden (Hinweise bei BGH a.a.O. S. 96). Im Jahre 1942 sprach sich RG 13. X. 1942 RGZ Bd 170 S. 233—245 für den Grundsatz der objektiven, gesetzesähnlichen Auslegung von AGB aus. Daß AGB revisionsrechtlich wie Rechtsnormen nachprüfbar seien (§ 549 ZPO), hatte für AGB schon RG 12. VII. 1919 RGZ Bd 96 S. 204-210 entschieden. [A 47] bb) Entwicklung der AVB Die rechtshistorische Entwicklung von AVB zeigt ein anderes Bild: Während es für das Seerecht und Seevsrecht Nachweise für „häufig wiederkehrende Vertragsinhalte" (vgl. Sieg ZVersWiss 1975 S. 161-167) schon im 15. Jahrhundert gibt, werden in der neueren Binnenv seit etwa 1870 vorformulierte Vertragstexte verwendet, die als AVB bezeichnet werden können. Ihre Geschichte verläuft parallel mit der Entwicklung u. a. der privaten Unfallv, deren moderne Geschichte in Deutschland im Jahre 1853 beginnt (Nachweise Anm. Β 3). Bis 1904 verwendete jeder Unfallver seine eigenen Bedingungen. Seit 1904 werden in der privaten Unfallv die ersten Verbandsbedingungen von mehreren Gesellschaften übereinstimmend gebraucht. Das am 12. V. 1901 verkündete Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen (RGBl. I S. 139) bezeichnet AVB in § 4 Abs. 3 Ziff. 2 als Bestandteil des Geschäftsplans, legt in § 9 Abs. 1 Ziff. 1—8 ihren Soll-Inhalt fest und verbietet in § 9 Abs. 3 grundsätzlich Abweichungen zuungunsten des Vmers. Diese Regelung zeigt, daß AVB für das private Vsrecht schon zu Beginn dieses Jahrhunderts eine normale Erscheinung waren. Dem entspricht es, daß das im Jahre 1908 verkündete W G wie selbstverständlich davon ausgeht, daß der Vsvertrag wesentlich durch AVB gestaltet wird: Es enthält für manche Vszweige 4

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keine eigenständige, für andere Vszweige — wie für die Unfallv — gar keine Risikobeschreibung, sondern verweist insoweit auf den von den Parteien abzuschließenden Vertrag, wobei außer Zweifel steht, daß die Vswirtschaft mit generell vorformulierten Vertragsbedingungen, d. h. mit AVB, arbeiten würde (vgl. Amtliche Begründung zu § 179 W G , Motive Neudruck 1963 S. 241). Das W G verweist nicht nur für die Gefahrbeschreibung auf künftige AVB. Es enthält auch für aus dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft sich ergebende Verhaltensnormen (Obliegenheiten) in § 6 nur eine Rahmenregelung, die durch den jeweiligen Vsvertrag ausgefüllt werden soll und macht durch eine Reihe von relativ zwingenden Vorschriften deutlich, daß es sich auch im übrigen als Rahmen für den künftig abzuschließenden Vsvertrag versteht. Dieser zeitliche Vorsprung in der Entwicklung der juristischen Erfassung, den AVB gegenüber (sonstigen) AGB aufweisen, wird auch aus einem Vergleich der zu beiden Arten der Vertragsgestaltung ergangenen Judikatur deutlich: Das für AGB heute unbestritten geltende Prinzip der objektiven (gesetzesähnlichen) Auslegung, das für AGB erst im Jahre 1942 in grundsätzlicher Weise von RG 13. X. 1942 RGZ Bd 170 S. 233—235 formuliert wurde, tritt in der Rechtsprechung zu AVB schon deutlich früher hervor: Für die Unfallv spricht RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189-191 aus, daß es für die Auslegung von AVB primär auf den Sprachgebrauch des täglichen Lebens ankomme. Das ist objektive Interpretation nach dem Vorbild der Auslegung von Gesetzen. Dementsprechend wird die revisionsrechtliche Nachprüfbarkeit von AVB (§ 549 ZPO) schon von RG 13. XII. 1912 RGZ Bd 81 S. 117-120, für „allgemeine Vertragsbedingungen" dagegen erst 7 Jahre später von RG 12. VII. 1919 RGZ Bd 96 S. 204-210 anerkannt. Die Unklarheitenregel wird speziell im Vsrecht entwickelt und als Auslegungsprinzip für AGB von dorther übernommen (Nachweise bei Bruck-Möller Einl. Anm. 70). Hinsichtlich der Inhaltskontrollen von AGB, die heute das inhaltliche Kernstück der Regelung des AGB-Gesetzes darstellt, fehlt es nahezu ganz an der Parallelität in der Entwicklung von AVB und AGB. Für das private Vsrecht wird Inhaltskontrolle weitgehend durch Auslegung vollzogen (vgl. Wagner ZVersWiss 1977 S. 126—129; Löwe in: Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Kommentar zum AGB-Gesetz, § 8 Rz. 10, S. 146—147). Das geschieht für den Bereich der Gefahrenbeschreibung durch weite Auslegung der primären Risikobegrenzung (Unfallbegriff) und deutlich restriktive Interpretation der sekundären Risikobeschränkungen (Ausschlüsse im weitesten Sinne), Nachweise bei Wagner ZVersWiss 1975 S. 619—647. - Dagegen fehlt es an bedeutsamen Entscheidungen zu der Fragestellung, ob Einzelbestimmungen in AVB sittenwidrig seien, § 138 BGB, oder dem Erfordernis eines angemessenen Interessenausgleichs unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB nicht genügten (Nachweise Anm. A 64). Diese Frage ist in keiner der hierzu veröffentlichten Entscheidungen bejaht worden. Für das private Unfallvsrecht ist eine bedeutsame Entscheidung zur Inhaltskontrolle, die den vom BGH entwickelten Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle nahekommt, nicht im Zusammenhang mit einer Deckungsklage eines Vmers, sondern anläßlich der behördlichen Vorkontrolle des Inhalts (Fassung) von AVB ergangen: BVerwG 22. I. 1960 BVerwGE Bd 11 S. 245 bestätigt einen Beschluß des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen, wonach entgegen der vor 1961 geltenden Fassung der AVB beide Vertragspartner berechtigt sein müßten, anstelle der Ärztekommission sogleich das ordentliche Gericht anzurufen. [A 48] cc) Sddußfolgening Gesetzgeberischer Anlaß für die Schaffung eines AGB-Gesetzes war die Sicherung des Verbrauchers vor der wirtschaftlichen und intellektuellen Übermacht des Verwen50

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ders von AGB. Dieser Schutz wird materiell durch Klarstellung und Verschärfung der Einbeziehungsvoraussetzungen (§ 2 AGB-Gesetz - gemäß § 23 Abs. 3 für behördlich genehmigte AVB nicht geltend), Nichteinbeziehung überraschender Klauseln in den Vertrag (§ 3 AGB-Gesetz), Übernahme der Unklarheitenregel (§ 5 AGB-Gesetz) und die besonders ausgestaltete Inhaltskontrolle (§§ 8 - 1 1 AGB-Gesetz) bewirkt. Diese Kontrollvorgänge sind — sieht man auf die bisherige Rechtspraxis — für AVB nicht repräsentativ. Fragen der Einbeziehung waren auch bisher nicht problematisch. Der Gesichtspunkt überraschender Klauseln ist von der Rechtsprechung für AVB bisher nicht gesehen worden. Die Unklarheitenregel ist zwar im Vsrecht von nicht unerheblicher Bedeutung gewesen. Als Auslegungsprinzip war ihre Geltung und Bedeutung von der Aufnahme in das AGB-Gesetz unabhängig. Denn die Unklarheitenregel ist nur eines von mehreren Auslegungsprinzipien, in deren Reihe sie an der letzten Stelle steht (vgl. Anm. A 58). Die Inhaltskontrolle im übrigen wurde durch Auslegung vollzogen. Die Gefahrbeschreibung durch AVB ist einer Inhaltskontrolle nach den vom AGB-Gesetz hierfür vorgesehenen Grundsätzen wesensmäßig entzogen (Einzelheiten Anm. A 65—66). Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das vom AGB-Gesetz geschaffene Instrumentarium der Rechtskontrolle für behördlich genehmigte AVB nicht paßt. AVB sind nicht im gleichen Sinne ein Politikum für die Rechtspraxis wie AGB: Soweit Ver ihre wirtschaftliche und/oder intellektuelle Übermacht gegenüber dem Vmer durch Gestaltung der AVB ausgenutzt und mißbraucht haben sollten, unterliegen sie der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde (§§ 5, 8 und 10 VAG) und der Inhaltskontrolle durch zugunsten des Vmers relativ zwingend wirkende Vorschriften des W G , die durch die Rechtsprechung vollzogen wird. Die Rechtsprechung ist überdies durch Auslegung auf den Schutz des Vmers bedacht, außerdem wahrt sie dessen Interessen dadurch, daß sie dem Ver übergesetzliche Hinweis- und Klarstellungsobliegenheiten auferlegt (Nachweise Anm. A 43). [A 49] c) Das Ziel der Auslegung von AVB Die Auslegung von AVB findet unter drei Gesichtspunkten statt, die voneinander unabhängig sind: Ob eine AVB-Bestimmung den Charakter einer überraschenden Klausel i. S. des § 3 AGB-Gesetz hat, betrifft die Frage nach dem Umfang des Einbeziehungskonsenses. Ihr Ergebnis gibt Auskunft darüber, welche AVBBestimmungen den konkreten Vsvertrag gestalten, seinen Inhalt bilden. Es setzt eine Auslegung des Bedingungswerkes unter dem besonderen Gesichtspunkt voraus, welche seiner Bestimmungen nach dem Gesamtcharakter und dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages als unerwartet und versteckt zu werten sind. Diese durch § 3 AGB-Gesetz aufgegebene Wertung ist zwar nicht neu: Der Gesichtspunkt überraschender Klauseln hat insbesondere in der jüngeren Rechtsprechung eine Rolle gespielt, vgl. die Nachweise bei Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen § 3 AGB-Gesetz Rz. 5 und 6. Ihr Bezug allein auf die Frage nach dem Umfang des Konsenses ist jedoch erst durch das AGB-Gesetz klargestellt worden. Der zweite Auslegungsgesichtspunkt ist die Ermittlung des Vertragsinhalts. An den hierfür maßgeblichen Grundsätzen hat das AGB-Gesetz nichts geändert. Die — logisch — letzte, weil von den vorangegangenen Ergebnissen abhängige, ebenfalls durch Auslegung zu treffende Wertung hat die Inhaltskontrolle zum Ziel. Sie gibt Antwort auf die Frage, ob der durch Auslegung ermittelte Inhalt der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt eines gerechten und angemessenen Interessenausgleichs Anlaß zu Bedenken gibt. - Nachstehend wird die Auslegung von AVB in der hier dargestellten Reihenfolge behandelt werden. 4*

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[A 50] d) Nichteiiibeziehung überraschender Klauseln Nach § 3 AGB-Gesetz werden Bestimmungen in AVB, „die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, daß der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht,... nicht Vertragsbestandteil". Diese Vorschrift betrifft den Einbeziehungskonsens (§ 2 AGBGesetz). Sie nimmt die im vorgenannten Sinne überraschenden, d. h. im Gesamtbild und nach dem Gesamtcharakter des Vertrages als im Bedingungswerk versteckt zu wertenden Klauseln von der Einbeziehimg in den Vertrag aus. Solche versteckten Klauseln haben in der neueren Rechtsprechung eine gewisse Bedeutung erlangt, vgl. die Nachweise bei Ulmer in Ulmer-Brandner—Hensen § 3 AGB-Gesetz Rz. 5 und 6. Im Zusammenhang mit behördlich genehmigten AVB haben sie, soweit ersichtlich, keinen Anlaß für gerichtliche Entscheidungen gegeben. In der amtlichen Begründung zum AGB-Gesetz (BT Drucksache 7/3919 S. 20 1. Sp. oben) heißt es dementsprechend: „Das Überraschungsmoment muß sich . . . . aus einer deutlichen Diskrepanz zwischen der durch die Umstände bei Vertragsschluß begründeten Erwartung des anderen Vertragsteils und dem tatsächlichen Inhalt der AGB ergeben. . . . . Bei aufsichtsbehördlich genehmigten AGB wie z. B. für das Versicherungswesen . . . . bietet schon die der Genehmigung vorausgehende behördliche Kontrolle Gewähr dafür, daß die genehmigten Bedingungen als solche nicht überraschend sind. Finden sie Verwendung in einem Vertrag, der nach seinem äußeren Erscheinungsbild unter Zugrundelegung genehmigter Bedingungen der jeweils in Betracht kommenden Art geschlossen zu werden pflegt, so bleibt für die Anwendung des § 3 kein Raum " Die der zitierten amtlichen Begründung zugrunde liegende Wertung der Gesetzesverfasser hat in § 3 AGB-Gesetz keinen Ausdruck gefunden. Sie ist nicht mehr als eine wertende Zusammenfassung des Inhalts, daß die derzeit verwendeten behördlich genehmigten AGB (hier: AVB) keine überraschenden Klauseln enthielten. Den kritischen Bemerkungen von Ulmer in Ulmer-Brandner-Hensen § 3 AGB-Gesetz Rz. 4 ist voll zuzustimmen. Eine Würdigung der derzeit für die Unfallv genehmigten und verwendeten AVB führt nämlich zu dem Ergebnis, daß die in § 10 (2) und (5) AUB enthaltenen Ausschlußklauseln im vorgenannten Sinne überraschende, d. h. versteckte Klauseln sind (vgl. im einzelnen Wagner ZVersWiss 1977 S. 135—137). Das ergibt sich deutlich aus dem Umstand, daß die zu § 10 (5) AUB ergangenen Entscheidungen der Instanzgerichte vor BGH 28. VI. 1972 VersR 1972 S. 927-929 diese Vorschrift offensichtlich übersehen haben. Wegen der Einzelheiten wird auf Anm. G 258 hingewiesen. [A 51] e) Ermittlung des Inhalts von AVB aa) Abgrenzung von Ermittlung und Kontrolle des Vertragsinhalts Das AGB-Gesetz hat die für die Auslegung von AGB und AVB maßgeblichen Grundsätze, die von Rechtsprechung und Schrifttum erarbeitet worden sind, nicht verändert. Es gilt also weiterhin der Grundsatz der objektiven Auslegung von AGB und AVB (Anm. A 52). Jedoch darf erwartet werden, daß die klare Trennung bisher nicht eindeutig abgegrenzter Gesichtspunkte für Kontrolle und Auslegung durch das AGB-Gesetz zu einer neuen Schwerpunktbildung führt. Insbesondere die eigenständig ausgestaltete Inhaltskontrolle (§§ 8—11 AGB-Gesetz) wird die Rechtspraxis zwingen, Auslegung und Inhaltskontrolle schärfer als bisher voneinander abzugrenzen (Löwe in: 52

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Amn. A 53

III. Ordnung der Rechtsquellen

Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Kommentar zum AGB-Gesetz, § 5 Rz. 6 S. 111 — 112). Das kann dazu führen, daß die für AVB bisher geübte Praxis der „verdeckten Inhaltskontrolle durch Auslegung" (vgl. Löwe a.a.O. § 5 Rz. 7 S. 112 und § 8 Rz. 10 S. 146-147 sowie Wagner ZVersWiss 1977 S. 126-129) der offenen Inhaltskontrolle weichen muß. Hierfür spricht auch, daß das vom ABG-Gesetz in §§ 13-22 vorgesehene besondere Kontrollverfahren nur für die Inhaltskontrolle, nicht jedoch für Fragen der Auslegung zur Verfügung steht. [A 52] bb) Der Grundsatz objektiver Auslegung von AVB AVB sind, ähnlich wie Gesetze, objektiv, d. h. ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls auszulegen. Das ist für AGB seit langem anerkannt, vgl. Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen, § 5 AGB-Gesetz, Rz. 6, Löwe in: Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Kommentar zum AGB-Gesetz, § 5 Rz. 4 — jeweils m. w. N. - und Wagner ZVersWiss 1975 S. 620-623. Dieser Auslegungsgrundsatz ist für AVB in der Rechtsprechung früher hervorgetreten als für AGB (vgl. Anm. A 45-47). Schon RG 31. III. 1911 VA 1911 Anh. S. 105-107 Nr. 626 gewinnt sein Ergebnis, daß Deckungsschutz zu versagen sei, weil der Tod der Gefahrperson nicht allein auf dem Unfall, sondern auf einem bei dem Vten bestehenden Darmknick beruhe, aufgrund objektiver Interpretation: Es nimmt als Revisionsgericht die Befugnis zu eigener Auslegung in Anspruch (§ 549 ZPO) und schließt aus der Gesamtheit der AVB-Bestimmungen „. . . . daß die Beklagte die Versicherungspflicht für Todesfälle, die sich ursächlich auf einen körperlichen Unfall zurückführen lassen, nur dann übernehmen wollte, wenn der Unfall allein und unmittelbar . . . . zum Tode geführt hat." RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189-191 führt - ebenfalls im Zusammenhang mit der Unfallv — aus, daß es bei der Auslegung von AVB nicht auf die fachwissenschaftliche Terminologie der ärztlichen Wissenschaft, sondern darauf ankomme, was nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens unter dem gebrauchten Ausdruck verstanden werde. — Dieser Hinweis auf den allgemeinen Lebenssprachgebrauch ist ebenfalls nur auf der Grundlage objektiver Interpretation verständlich, weil die Maßgeblichkeit des Lebenssprachgebrauchs die Nichtberücksichtigung individueller Vorstellungen der am Vertragsabschluß Beteiligten voraussetzt. An diesem Grundsatz objektiver Interpretation von AVB hat das AGB-Gesetz nichts geändert. [A 53] aaa) Wortlaut als Ausgangspunkt der Auslegung Die Auslegung von AVB orientiert sich zunächst am Wortlaut der einzelnen Bestimmung. Er wird in der Weise gedeutet, wie es dem präsumtiven Verständnis des durchschnittlich redlichen und verständigen Rechtsgenossen entspricht, nämlich nach dem sog. L e b e n s s p r a c h g e b r a u c h : Das Abstellen auf das Verständnis des mutmaßlichen breitesten Adressatenkreises wird dadurch korrigiert, daß der Vmer als durchschnittlich redlich und verständig gekennzeichnet wird. Ein solcher Gebrauch hat bei der Auslegung von AVB den Vorrang vor einer jeweiligen „fachwissenschaftlichen Terminologie", die in der privaten Unfallv insbesondere die Fachterminologie des Arztes sein kann. So heißt es bei RG 2. VI. 1911 VA 1911 Anh. S. 103-104 Nr. 624, daß der Tod nach Einatmen von Kohlenoxydgas im Sinne der maßgeblichen AVB nicht „Vergiftung" — diese wäre bedingungsgemäß ausgeschlossen gewesen —, sondern „Ersticken" sei und deshalb unter den Deckungsschutz falle. RG 21. VI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189-191 sieht eine Röntgenbestrahlung, die Verbrennungen an beiden Händen zur Folge hatte, nicht als „Operation" im Sinne Wagner

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Anni. A 54

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

eines Ausschlußtatbestandes an. Bei der Auslegung von AVB komme es nicht auf die fachwissenschaftliche Terminologie der ärztlichen Wissenschaft, sondern darauf an, was nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens unter dem gebrauchten Ausdruck verstanden werde und was der nicht ärztlich gebildete Vmer nach der allgemeinen Verkehrsanschauung darunter habe verstehen dürfen. Auf diese Formulierung nimmt RG 10. I. 1928 RGZ Bd 120 S. 18-20 Bezug, um zu begründen, daß Tod infolge Einatmen von Kohlenoxydgas nicht als Vergiftung zu deuten sei. — Vergleicht man diese Entscheidung mit RG 2. VI. 1911 VA 1911 Anh. S. 103 Nr. 624 (vorstehend), so wird der rechtspolitische Hintergrund der Auslegung von Ausschlußklauseln deutlich. Während die der früheren Entscheidung zugrunde liegenden AVB (von 1910 = VA 1910 S. 182) Deckungsschutz für „Ersticken durch ausströmende . . . Gase" gewährten, hatten die seit 1920 geltenden AVB (VA 1920 S. 103) diese Bestimmung fortgelassen, den Ausschluß von Vergiftungen im Rahmen der negativen Grenzfälle aber bestehen lassen. Deshalb mußte eine Auslegung, die eine Entscheidung im Sinne des Vmers anstrebte, zwar daran festhalten, daß „Gasvergiftung" keine Vergiftung sei den Deckungsschutz aber, da Ersticken als Ausschluß nicht mehr genannt war, auf Subsumtion unter den allgemeinen Unfallbegriff stützen. Sachlich war die Entscheidung durch eine Stellungnahme des Reichsaufsichtsamtes aus dem Jahre 1926 (VA 1926 S. 136) vorbereitet und empfohlen und von KG 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 245-247 als Vorinstanz vor RG 10. I. 1928 RGZ Bd 120 S. 18 vollzogen worden. BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 = VA 1955 S. 222-223 Nr. 106 übernimmt die Formel vom Vorrang des allgemeinen Lebenssprachgebrauchs vor der fachwissenschaftlichen Terminologie und verwendet sie zur Begründung dafür, daß innere Verätzung oder Verbrennung nach dem Verschlucken von Säure oder Lauge keine Vergiftung sei. Dieses Urteil und die ihm vorangegangenen Entscheidungen der Instanzgerichte machen deutlich, daß der Rückgriff auf einen allgemeinen Lebenssprachgebrauch ein problematisches Interpretationsmittel sein kann. LG Heidelberg 11. VI. 1953 VersR 1953 S. 283 und OLG Karlsruhe 4. XI. 1953 VersR 1953 S. 474 bemühen sich — wie vom Berufungsgericht a.a.O. S. 474 r. Sp. eingeräumt wird — erfolglos um die Ermittlung eines einheitlichen, einem Lebenssprachgebrauch entsprechenden Begriffs der Vergiftung. Der Lebenssprachgebrauch muß als Auslegungsgrundlage zurücktreten, soweit in AVB Ausdrücke verwendet werden, mit denen die Rechtssprache einen fest umrissenen Begriff verbindet. Das ist allgemein anerkannt, vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 57 m. w. N., Prölss-Martin21 Vorbem. III A 4, S. 19 und für die Unfallv BGH 19. XII. 1955 VersR 1956 S. 4 1 - 4 2 zur Frage, ob Fahrräder mit Hilfsmotor als Krafträder i. S. der Unfallzusatzv für die Lebensv anzusehen seien ; ausführlich für diesen Zusammenhang (Haftpflichtv) BGH 24. VI. 1963 NJW 1963 S. 2171-2173 (Luftpistole als Waffe). [A 54] bbb) Darstellungszusaminenhang Ein in sich geschlossenes Bedingungswerk, das nach Inhalt und Erscheinung die Regelung aller bedeutsamen Fragen eines Vsvertrages zum Inhalt hat — das gilt in gleicher Weise für die AUB und die AKB —, ist in dem Sinne als Einheit zu werten, daß der darstellerische Zusammenhang, der Wortlaut und Inhalt anderer Bestimmungen zum gleichen Themenkreis (z.B. Gefahrbeschreibung) und eventuell die darstellerische Anordnung innerhalb einer Vorschrift oder in der Aufeinanderfolge der Bestimmungen für die Auslegung bedeutsam sein können. Für die Ermittlung der vom Unfallver zu tragenden Gefahr kommt es auf die Gesamtregelung der unter A in §§ 1 - 7 AUB zusammengefaßten Vorschriften an. Der Katalog der „negativen Grenzfälle" (§ 2 (3) AUB) und der Ausschlüsse (§ 3 AUB) 54

Wagner

Anm. A 55

III. Ordnung der Rechtsquellen

sowie die Vorschriften über die Gefahränderung in § 4 (1) und (2) AUB machen deutlich, daß der Ver nur das „normale" Unfallrisiko decken will. Diese Feststellung kann auf die Auslegung einzelner Ausschlußtatbestände zurückwirken, vgl. Wagner ZVersWiss 1975 S. 643 und unten Anm. A 55. In der Rechtsprechung ist die Forderung erhoben worden, daß Ausschlußtatbestände innerhalb der hierfür ausgewiesenen Vorschriften aufzuführen seien und nicht als negative Grenzfälle dargestellt werden dürfen, KG 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 245-247; BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 (bei BGH obiter dictum). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Die AVB dienen keinem rechtssystematischen Anliegen. Ihr Zweck erschöpft sich darin, den Vertragsinhalt hinreichend klar und geordnet darzustellen. Dabei ist auf das Verständnis des Vmers, nicht aber auf rechtssystematische Gesichtspunkte abzustellen, zu denen der Vmer i. d. R. keinen Zugang hat und die überdies in ihrer Bedeutung nicht hinreichend gesichert sind. (Wagner ZVersWiss 1977 S. 132-133). Auch die drucktechnische Anordnung innerhalb einer AVB-Bestimmung kann für die Auslegung von Bedeutung sein. Es wird die Auffassung vertreten, daß die in § 2 (3) IV S. 1 AUB geregelte Ausnahme von negativen Grenzfällen auch für die in § 2 (3) lit. a und b AUB genannten Fälle gelten soll (vgl. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584). Zwar ist Prölss-Martin20 § 2 AUB Anm. 3 darin zuzustimmen, daß „drucktechnische Anordnung redaktionelle Genauigkeit nicht ersetzt", jedoch ergibt sich aus der Überlegung, daß die in § 2 (3) lit. a und b AUB genannten Fälle bedeutungslos wären, wenn sich die in Abs. 4 S. 1 a.a.O. ausgesprochene Einschränkung auch auf sie beziehen würde, daß der vom BGH vertretenen Auffassung nicht zu folgen ist. Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 12 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Bedingungsverfasser der Auffassung gewesen seien, sie hätten durch drucktechnische Anordnung hinreichend deutlich gemacht, daß die Einschränkung der negativen Grenzfälle nur für die in § 2 (3) c genannten Fälle gelten soll. [A 55] ccc) Zweck der Regelung Fehlt es an einem sicher festzustellenden allgemeinen Lebenssprachgebrauch, so kann sich die richtige Auslegung einer AVB-Bestimmung aus deren Zweck ergeben. Das setzt voraus, daß er in dem Regelungsbereich, dem die auszulegende Bestimmung zuzuordnen ist, hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Die Grenze zwischen Wortinterpretation einerseits und Auslegung aus dem Zweck der Vorschrift andererseits machen Entscheidungen zur Auslegung des Begriffs der Wettfahrt in der Unfallv deutlich: OLG Oldenburg 16. X. 1953 VersR 1954 S. 8 - 9 (Unfallzusatz), LG Braunschweig 23. II. 1966 VersR 1966 S. 729-730 mit Anm. Klaiber (Unfallzusatz) und BGH 12. III. 1976 VersR 1976 S. 383-384 (zu § 3 (1) AKB). BGH erwägt hier im Zusammenhang mit der Auslegung, welche Deutung eine praktikable einheitliche Rechtsanwendung sichern könne (a.a.O. S. 383). Für die Auslegung selbst wird auch auf die Auffassung der „interessierten Kreise" abgestellt; zum Urteil vgl. Bentlage VersR 1976 S. 1118-1119. Für die PKV stellt BGH 19. IX. 1975 VersR 1975 S. 1093-1094 (1094 1. Sp. oben m. w. N.) entscheidend auf den Zweck der Ausschlußklausel (Suchtklausel) ab. In gleichem Sinne überprüft BGH 19. XII. 1955 VersR 1956 S. 41-42 seine Auslegung, daß Fahrräder mit Hilfsmotor Krafträder im Sinne des Ausschlußtatbestandes der damals geltenden Unfallzusatzv seien mit der Überlegung, daß diese Auslegung mit Sinn und Zweck der Ausschlußklausel in Einklang stehe. Dabei stellt das Gericht auf das vom Unfallver übernommene „normale Risiko" ab. Auf diese Erwägung gründet sich auch die Rechtsprechung zu § 3 (4) AUB, wonach der Begriff der Bewußtseinsstörung für Verkehrsteilnehmer Wagner

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Anm. A 56

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

mit dem von der Rechtsprechung jeweils verwendeten Begriff der Fahruntüchtigkeit gleichgestellt wird (Nachweise Anm. G 170-173). Ebenfalls mit dem Zweck des Ausschlußtatbestandes des § 17 (3) (a) AKB) begründet BGH 10.1. 1957 BGHZ Bd 23 S. 76—86 seine Auffassung, daß nur ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen den Ausschlußtatbestand verwirkliche (Nachweise Anm. G 145). Den vom Vmer mit dem Abschluß eines Unfallvertrages verfolgten Zweck stellt BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 583 in den Vordergrund: In der Unfallv könne ein Zusammenwirken von Unfallereignis und Krankheit des Vten für die Unfallfolgen nicht ausgeschlossen werden, weil die Unfallv sonst für die meisten Vten keinen praktischen Wert mehr habe. Für die Auslegung der Kriegsklausel in der privaten Unfallv stellt OGH 7. X. 1949 OGHZ Bd 2 S. 298—303 auf den wirtschaftlichen Sinn der Unfallv im Zusammenhang mit dem Umfang des vom Unfallver übernommenen Risikos ab. [A 56] ddd) Historische Entwicklung einer AVB-Bestimmung AVB sind dazu bestimmt, einer unbestimmten Vielzahl künftiger Verträge Inhalt zu geben. In dieser Funktion und im Hinblick auf ihren Entstehungsvorgang im Rahmen des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahrens stehen sie einem Gesetz näher als einem ausgehandelten Vertragstext. Diese soziologische Erscheinungsform der AVB (vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 21) führt zu der vorstehend (Anm. A 52) beschriebenen objektiven Auslegung, die die individuellen Vorstellungen des Vertragschließenden, insbesondere des einzelnen Vmers, unberücksichtigt läßt. Die Maßgeblichkeit allein des (Formular-) Vertragstextes, in der Praxis häufig durch den Hinweis verstärkt, daß nur der schriftliche Vertragstext gelte und daß zu seiner Änderung Schriftform erforderlich sei, verbietet grundsätzlich einen Rückgriff auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zur Ermittlung des Vertragsinhalts. Die vielfach anzutreffende Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte einer AVB-Bestimmung oder eine Interpretation, die den Inhalt früher geltender Bedingung unter der Fragestellung berücksichtigt, inwieweit durch die im Wortlaut geänderte Fassimg auch eine inhaltliche Änderung gewollt sei, ist unzulässig. Die Rechtsprechung hält sich insoweit an diesen Grundsatz, als sie eine historische Interpretation nur in Betracht zieht, wenn diese sich zugunsten des Vmers auswirkt. RG 10. I. 1928 RGZ Bd 120 S. 18-20 beruft sich für die Auslegung einer Ausschlußklausel auf eine Äußerung des Reichsaufsichtsamtes vom 15. V. 1926 (VA 1926 S. 136), wo ausgeführt wird, daß nach Auffassung des Amtes bei der Neufassung der Bedingungen „nicht beabsichtigt gewesen sein (könne), Unfälle wie den beschriebenen künftig auszuschließen und damit die . . . Bedingungen erheblich zu verschlechtern". Einen ähnlichen Gedankengang deutet BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 mit dem Hinweis darauf an, daß die AUB von 1961 gegenüber dem durch eine ständige Rechtsprechung geprägten Rechtszustand nicht zum Nachteil des Vmers eine Änderung hätten herbeiführen sollen; zur Kritik vgl. Grewing VersR 1974 S. 9 und Fußhoeller VersR 1972 S. 1167. Außerhalb der Unfallv läßt BGH 11. XII. 1951 VersR 1952 S. 117-119 mit Anm. Prölss Erwägungen zur historischen Interpretation der ADS einfließen; wegen weiterer Beispiele vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 62-63. Sehr weitgehend schließlich BGH 27. X. 1966 VersR 1966 S. 1152—1153: Das Ergebnis, daß nur vorsätzlich begangene Verbrechen oder Vergehen Ausschlußwirkung nach § 17 (3) a AKB hätten, wird aus der Änderung des entsprechenden Ausschlußtatbestandes in § 3 (2) n. F. AUB — bei unverändertem Wortlaut der hier maßgeblichen AKB — geschlossen. Diese Änderung sei einer für beide Bestimmungen maßgeblichen authentischen I n t e r p r e t a t i o n zu vergleichen, so daß beide Vorschriften so anzusehen seien, als ob ihr Inhalt bereits in der früheren Fassung zum Ausdruck gebracht worden sei (S. 1152 r. Spalte). 56

Wagner

Aran. A 59

III. Ordnung der Rechtsquellen

[A 57] eee) Einschränkende Auslegung von Aussdüußklauseln (Restriktionsprinzip) In einer Reihe von — zumeist älteren — Entscheidungen findet sich der Satz, Ausschlußbestimmungen seien als Ausnahmeregelung, bezogen auf die primäre Risikobegrenzung, eng auszulegen; Nachweise Anm. G 136 und Bruck-Möller Einl. Anm. 65. Dieser Satz wird auch zur Auslegung von Freizeichnungs-, Haftungsbeschränkungs- und sonstigen Ausschlußklauseln im Interesse des Verwenders seit langem für die Auslegung von AGB zitiert, und zwar bis in die jüngste Zeit (Nachweise bei Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen § 5 AGB-Gesetz Rz. 11). Dieser als Restriktionsprinzip bezeichnete Grundsatz (Ulmer a.a.O. und Löwe in: Löwe/Graf von Westphalen/ Trinkner § 5 AGB-Gesetz Rdz. 10) lehnt sich an ein auch für die Auslegung von Gesetzen vertretenes Prinzip an, wonach Ausnahmeregelungen stets eng auszulegen seien; Nachweise bei Larenz, Methodenlehre3 1975 S. 343. Dieser Auslegungsgrundsatz ist in allen zitierten Zusammenhängen unrichtig und kann in der Rechtspraxis als für die Auslegung von AVB überwunden gelten; vgl. Wagner ZVersWiss 1977 S. 125-126, Winter ZVersWiss 1977 S. 151 und unten Anm. G 136. [A 58] fff) Unklarheftenregel Die zunächst nur für die Auslegung von AVB entwickelte Unklarheitenregel geht auf eine lange Rechtstradition zurück, Nachweise bei Bruck-Möller Einl. Anm. 7 0 - 7 1 , vgl. auch Wagner ZVersWiss 1977 S. 121-123. In der Rechtsprechung nach 1945 hat sich ihre Bedeutung auf die Auslegung von AGB verlagert, während sie für die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Vsrecht nahezu bedeutungslos geworden ist: BGH 26. XI. 1975 VersR 1976 S. 383 greift bezeichnenderweise nicht auf sie zurück, obwohl der Wortlaut der dort ausgelegten Ausschlußklausel ausdrücklich als „nicht eindeutig" bezeichnet wird, vgl. im übrigen Wagner ZVersWiss 1977 S. 125. Es muß befürchtet werden, daß die Übernahme der Unklarheitenregel in § 5 AGB-Gesetz ihre Bedeutung für die Rechtsprechung beleben wird. Deshalb ist darauf hinzuweisen, daß die Unklarheitenregel von allen für die Auslegung von AVB maßgeblichen Grundsätzen rangmäßig an letzter Stelle steht. Sie wird erst bedeutsam, wenn die übrigen Auslegungsmittel zu keinem Ergebnis führen, vgl. Anm. A 51, Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen § 5 AGB-Gesetz Rz. 18 und die zutreffende Stellungnahme der Bundesregierung zum Vorschlag des Bundesrates, die Unklarheitenregel in das AGB-Gesetz zu übernehmen, abgedruckt in BT-Drucksache 7/3919 S. 60. Im Hinblick auf den derzeit maßgeblichen Text der AUB kann die Unklarheitenregel für die Bestimmungen der §§ 2 (3) lit a und b und 10 (5) bedeutsam werden (vgl. Anm. G 208 und 254 und Wagner ZVersWiss 1977 S. 137-141). Fallen diese Vorschriften der Unklarheitenregel zum Opfer, so sind sie ersatzlos zu streichen. Sie sind Teil der Produktgestaltung, es fehlt an einer dispositiven gesetzlichen Regelung, die an ihre Stelle treten könnte. Auch im übrigen ist für die hilfsweise Geltung des dispositiven Rechts bei Beeinflussung des AVB-Textes durch die Unklarheitenregel kein Raum. § 6 AGB-Gesetz, bezieht sich nur auf den Fall, daß eine AVB-Bestimmung kraft Inhaltskontrolle als wirkungslos zu behandeln ist, vgl. Löwe in Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner § 5 AGB-Ges. Rz. 10 Seite 113. [A 59] ggg) Ergänzende Auslegung von AVB AVB sind ihrer Entstehung nach Vertragsrecht. Ihre Auslegung ist Vertragsauslegung, auch wenn sie sich weitgehend nach den Regeln der Gesetzesauslegung vollzieht. Die Befugnis zu ergänzender Vertragsauslegung hat die Rechtsprechung seit jeher für sich in Anspruch genommen. Das deutlichste Beispiel hierfür ist die Lehre von Fehlen, Fortfall und Veränderung der Geschäftsgrundlage. Maßstab für die Wagner

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Anm. A 60

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Auslegung ist hier der hypothetische Wille der Vertragsparteien: Der Vertrag wird mit dem Inhalt „ergänzt", den die Parteien ihm, wenn sie die Vertragslücke gekannt hätten, gegeben haben würden. Für eine ergänzende Auslegung von AVB in diesem Sinne ist kein Raum. Da die Auslegung von AVB den individuellen Willen der Vertragsparteien nicht berücksichtigt, kann sie nicht im Wege ergänzender Auslegung auf einen hypothetischen Parteiwillen zurückgreifen. Da es andererseits anerkannt und notwendig ist, die Unwirksamkeit einer AGB-Bestimmung nicht zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages führen zu lassen (jetzt: § 6 Abs. 1 AGB-Gesetz), kann der Vertragsinhalt nur durch Rückgriff auf objektive Kriterien ergänzt werden. Dem entspricht die Regelung des § 6 Abs. 2 AGB-Gesetz: Soweit AVB-Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften. Dem entspricht die Handhabung ergänzender Vertragsauslegung durch die bisherige Rechtsprechung, vgl. BGH 10.1.1974 BGHZ Bd 62 S. 8 3 - 9 0 (insbes. S. 8 8 - 8 9 m.N.). Eine ergänzende Auslegung in diesem Sinne ist nicht möglich, soweit AVB produktgestaltend wirken. Insoweit fehlt es an einer dispositiven Regelung des Gesetzes (hier: W G ) , die an die Stelle einer unwirksamen Bestimmung innerhalb der Gefahrbeschreibung treten könnte. Auch deshalb nimmt § 8 AGB-Gesetz Bestimmungen in AGB, die nicht die Funktion haben, dispositives Gesetzesrecht für diesen Vertrag zu ändern oder zu ergänzen, von der Inhaltskontrolle aus (Anm. A 61). In der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes findet sich keine Entscheidung, die im vorstehend beschriebenen Sinne eine Vertragsergänzung von AVB, insbesondere der darin enthaltenen Gefahrbeschreibung, vollzieht. [A 60] cc) Abgrenzung von Auslegung und Vertragsergänzung Die Rechtsprechung zur privaten Unfallv neigt zu einer extensiven Interpretation des Unfallbegriffs, Nachweise bei Wagner ZVersWiss 1975 S. 626-628. Das Merkmal eines von a u ß e n auf den Körper des Betroffenen wirkenden Ereignisses wird ζ. B. auch dann bejaht, wenn eine schädliche Substanz in den Körper gelangt und erst innerhalb des Körpers zerstörend wirkt: Fälle der Gasvergiftung, des Erstickens an Speisen, die in die Luftröhre geraten sind, innerer Verätzung und Verbrennung durch Säure oder Lauge, vgl. die Nachweise bei Wagner a.a.O. S. 627 und unten Anm. G 31—33. Diese Fälle lassen sich als Ergebnis ausdehnender Auslegung des Unfallbegriffs verstehen. Entsprechendes gilt jedoch nicht für eine weitere Fallgruppe, die dadurch gekennzeichnet wird, daß Gesundheitsschädigung oder Tod des Vten nicht unmittelbare Folge eines plötzlich von außen auf seinen Körper wirkenden Ereignisses sind. BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341-342 gewährt Deckungsschutz für den Tod eines Bergsteigers, der infolge Verhängens und Vereisens seines Kletterseils unverletzt in der Bergwand hängen bleibt und später infolge seiner Bewegungsunfähigkeit erfriert. Ähnliche Fälle sind früher auch vom Reichsgericht entschieden worden (Nachweise Anm. G 55). Soweit hier der Vte unverletzt bleibt oder eine Verletzung nicht für den späteren Tod durch Verhungern oder Erfrieren ursächlich wird, fehlt es an einem Unfallereignis im Sinne des § 2 (1) AUB. Das erkennt auch BGH a.a.O. S. 342, wenn er ausführt, „ein solcher vollständiger Verlust der Bewegungsmöglichkeit (sei) nach natürlicher Auffassung einer Einwirkung auf den Körper i. S. des § 2 AUB gleichzustellen". In dem Ausdruck „gleichstellen" liegt das Eingeständnis einer über den Vorgang der Auslegung des Unfallbegriffs hinausgehenden und damit entsprechenden Anwendung der Vorschrift des § 2 (1) AUB. Ihr ist zuzustimmen, weil nach der Vorstellung des Vmers ein solcher Vorgang als Unfall bezeichnet werden würde. Dementsprechend haben sich die Unfallver darauf eingerichtet, Vorgänge dieser Art als deckungspflichtige Unfälle anzuerkennen (vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte 58

Wagner

III. Ordnung der Rechtsquellen

Anm. A 61

S. 12—13). Indessen ist darauf hinzuweisen, daß Auslegung oder Analogie damit einen Punkt erreicht haben, der eine zuverlässige Abgrenzung des Unfallbegriffs erschwert: Wird ζ. B. ein Bergsteiger nicht infolge Verhängens des Seiles, sondern wegen totaler körperlicher Erschöpfung „bewegungsunfähig", so liegt unzweifelhaft kein Unfall vor, wenn er anschließend erfriert oder verhungert. Hier fehlt es an einem „von außen wirkenden Ereignis". Entsprechendes muß gelten, wenn er sich verläuft oder versteigt, weil er die Orientierung verloren hat (vgl. Henke Ausschlüsse S. 52). Der Unterschied zum Fall des Verhängens und Vereisens des Seiles ist sehr fein. Er kann nicht ohne weiteres in dem Merkmal des Einwirkens auf den Körper des Vten gesehen werden, denn eine für den Deckungsschutz relevante Einwirkung ist erst im Verhungern oder Erfrieren zu sehen. Eine unzulässige Analogie innerhalb der Gefahrbeschreibung von AVB vollziehen AG Hamburg 18. IV. 1951 VersR 1952 S. 80 und, ihm als Berufungsgericht folgend, LG Hamburg 29. XI. 1951 VersR 1952 S. 80-81. Dort wird ein Blutüberdruck im Gehirn des Vten den in § 2 II a AUB a.F. genannten Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen gleichgestellt. Die Analogie bezieht sich hier auf einen Einschlußtatbestand, durch den der Vsschutz über die primäre Risikoumgrenzung hinaus (Unfallbegriff) auf enumerativ beschriebene Tatbestände erweitert wird. Solche Erweiterung der Gefahrtragung des Vers kann weder durch Vertragsauslegung noch im Wege der Rechtsanalogie weiter „ergänzt" werden. Die enumerative Aufzählung bringt den Willen des Vers, keine weiteren Fälle zu decken als die genannten, hinreichend klar und abschließend zum Ausdruck; zur Kritik vgl. Dörstling VersR 1952 S. 105-107, Ehrenzweig VersR 1952 S. 251-252 und AG Frankfurt/Main 3. VI. 1954 VersR 1954 S. 529. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die analoge Anwendung von Vorschriften der Gefahrbeschreibung in AVB unzulässig ist. Sie würde ohne Rechtfertigung in das Verhältnis von Leistung (Gefahrtragung) und Gegenleistung (Prämie) eingreifen und dieses als gleichwertig (aequivalent) gedachte Verhältnis zum Nachteil des Vers und damit der Gefahrengemeinschaft verändern. Ein solcher Vorgang kann auch nicht mit dem Hinweis auf eine gesetzesähnliche Wirkung von AVB gerechtfertigt werden. Sie müßte folgerichtig zu dem Ergebnis führen, daß eine Analogie auch zum Nachteil des Vmers möglich und zulässig ist. Das könnte ζ. B. bedeutsam werden, wenn der Unfall Folge einer Gefahrensituation ist, die über das normale Unfallrisiko hinausgeht. Eine im vorgenannten Sinne „gesetzesähnliche Auslegung" der AUB müßte hier zu dem Ergebnis führen, daß der Unfall nicht deckungspflichtig ist, weil in der Gesamtheit der Gefahrbeschreibung in den AUB hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, daß der Ver nur das normale Unfallrisiko decken will. Eine solche Konsequenz ist, soweit ersichtlich, bisher nicht erwogen worden. [A 61] f) InhaltskontroUe aa) Vorbemerkung Unter dem Begriff der Inhaltskontrolle lassen sich eine Reihe von Wertungsgesichtspunkten zusammenfassen, die im Zusammenhang mit der Kritik an AGB oder AVB vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes nicht immer streng voneinander getrennt wurden, Nachweise bei Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen § 3 AGB-Gesetz Rz. 5—6. Seit Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ist der Begriff der materiellen Inhaltskontrolle — im Gegensatz zur formellen Kontrolle durch die besondere Kontrollklage gemäß § 13 AGB-Gesetz - in dem in § § 8 - 1 1 AGB-Gesetz zugrunde gelegten Sinne zu verstehen. Sie betrifft die Frage, ob AVB „den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen" ( § 9 1 AGB-Gesetz). Wagner

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Anm. A 64

Α. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

[A 62] bb) Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde Die — im Vorgang der Entstehung von AVB — zeitlich erste Kontrolle übt die Aufsichtsbehörde dadurch aus, daß sie entsprechend § 8 I Nr. 2 VAG nachprüft, ob der ihr eingereichte Geschäftsplan, zu dem auch die zur Verwendung vorgesehenen AVB gehören, „die Belange der Versicherten ausreichend wahrt". Diese Bestimmung wird durch den in § 10 VAG enthaltenen Katalog der Mindestvoraussetzungen für AVB - als Sollvorschriften formuliert - ergänzt. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen hat im Jahre 1958 die Genehmigung neuer Musterbedingungen für die Unfallzusatzv unter Hinweis auf § 8 I Nr. 2 VAG verweigert mit der Begründung, daß die Interessen der Vten durch den Ausschluß des Rechtsweges für die Feststellung von Todesursachen nicht hinreichend gewahrt würde, Beschluß vom 6. XII. 1957 VA 1958 S. 35. Diese Entscheidung ist durch BVerwG 22. XI. 1960 BVerwGE Bd 11 S. 145 = VA 1961 S. 65-67 bestätigt worden. [A 63] cc) Inzidentkontrolle durch das Prozeßgericht AVB, die Vertragsinhalt geworden und nach einem Vsfall Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sind, unterliegen der Inhaltskontrolle durch das Gericht ungeachtet des Umstandes, daß eine Vorprüfung durch die Aufsichtsbehörde stattgefunden hat. Das ist unbestritten. [A 64] aaa) Rechtsprechung vor Erlaß des AGB-Gesetzes Für die private Unfallv sind nur wenige Entscheidungen veröffentlicht worden, die eine Inhaltskontrolle von AVB zum Gegenstand haben. RG 17. XII. 1912 VA 1913 Anh. S. 55-56 Nr. 737 und LG Berlin III 18. XI. 1930 JRPV 1932 S. 205 kritisieren, daß der Vmer nach den seit 1910 geltenden AVB entgegen der Regel des § 181 W G a. F. die Beweislast für das Merkmal unfreiwillig habe. Diese Frage ist durch Einfügung des § 180 a W G im Jahre 1967 gegenstandslos geworden. RG 28. II. 1908 RGZ Bd 68 S. 67—69 befaßt sich mit der Frage, inwieweit den Rechtsnachfolgern des Vten der Beweis für eine „ausschließliche" Kausalität zugemutet werden könne. BGH 1. IV. 1965 VersR 1965 S. 505-506 spricht aus, daß der Ver nicht arglistig handele, wenn er sich auf die in § 8 II (1) AUB genannte Ausschlußfrist berufe. LG Hamburg 22. V. 1975 VersR 1976 S. 455-456 führt aus, daß die in § 8 II (1) AUB enthaltene Befristung nicht sittenwidrig sei. Für die entsprechende Regelung des § 8 I AUB, wonach eine Todesfallentschädigung nur zu zahlen ist, wenn der Tod innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltage eintritt, vgl. die bei Wussow AUB4 § 8 Anm. 2 S. 155 zitierten Entscheidungen. LG Berlin 2. XII. 1937 JRPV 1938 S. 16-17 befaßt sich mit der Frage, ob eine Beschränkung des Vsschutzes aus einer Unfallv unsittlich sei oder gegen Treu und Glauben verstoße, weil vorausgesetzt werde, daß auch dem benutzten Eisenbahnfahrzeug selbst ein Unglück zustoße. Das Gericht verneint die Frage u. a. unter Hinweis auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. In einem weitergefaßten Sinne sind auch diejenigen Entscheidungen als Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle aufzufassen, die auf Deckungsklage des Vmers veranlaßt werden, zur Auslegung der AVB-Bestimmungen über die Gefahrbeschreibung Stellung zu nehmen. Diese Rechtsprechung läßt sehr deutlich die Tendenz erkennen, die primäre Risikobeschreibung (Unfallbegriff) extensiv, die Risikobegrenzung dagegen eng auszulegen. Hierzu ist auf die Anm. A 55 zitierte Rechtsprechung sowie auf Wagner ZVersWiss 1975 S. 619-647 zu verweisen. Diese Rechtsprechung kann als „verdeckte Inhaltskontrolle" bezeichnet werden, so Löwe in: Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner Komm, zum AGB-Gesetz § 8 Rz. 10 S. 147.

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Anm. A 6 6

III. Ordnung der Rechtsquellen [A 65] bbb) Verstoß gegen (relativ) zwingende Vorschriften des W G

Hängt die Sachentscheidung eines Gerichts von der Wirksamkeit von AVB ab, so hat es (auch) zu prüfen, ob die für die Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen des Bedingungswerkes gegen zwingende oder relativ zwingende (Bruck-Möller Einl. Anm. 4 6 - 4 7 ) Vorschriften des W G verstoßen. Für die Unfallv kommt ein Verstoß gegen §§ 6, 15 a unter dem Gesichtspunkt einer verhüllten Obliegenheit (Anm. F 12—13) für einige Fälle der Fristwahrung und für Ausschlußtatbestände (Anm. G 134) in Betracht. Zweifelhaft ist auch die Vereinbarkeit der Regelung der Vsfähigkeit (§ 5 A U B ) mit §§ 34a, 68a (Anm. C 7 und D 23) und des Schriftlichkeitserfordernisses für die Kündigung eines Dauervertrages (§§ 7, 18 AUB) mit § 15 a (in Verbindung mit § 8 II) (Anm. D 20). Für solche möglichen Kollisionen von Bedingungsrecht mit zwingenden Vorschriften des W G fehlt es an einer kritischen Stellungnahme durch die Rechtsprechung. Wegen der Behandlung der Vsfähigkeit durch ältere Entscheidungen ist auf die Nachweise Anm. C 7 hinzuweisen. Die Wahrung der Geltendmachungsfrist in § 8 II. (1) S. 1 AUB ist in zwei neueren Entscheidungen als verhüllte Obliegenheit gewertet worden (Anm. F 13). Entscheidungen zum Verstoß des Schriftlichkeitserfordernisses gegen §§ 8 II, 15 a gibt es nicht. [A 66] dd) Inhaltskontrolle nach §§ 8 - 1 1 AGB-Gesetz aaa) Einschränkung der Inhaltskontrolle nach § 8 AGB-Gesetz Die besonderen Vorschriften über die Inhaltskontrolle der §§ 9—11 AGB-Gesetz gelten nach § 8 AGB-Gesetz „nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden." — Diese Formulierung soll (positiv) zum Ausdruck bringen, daß sich die Inhaltskontrolle auf Regelungen durch AGB beschränkt, für die es (auch) eine gesetzliche Regelung gibt. Auf die gesetzliche Regelung ist nach § 6 II AGB-Gesetz zurückzugreifen, wenn und soweit die AGB-Bestimmung unwirksam ist. Damit wird (negativ) zum Ausdruck gebracht, daß andere als gesetzesändemde oder gesetzesergänzende Regelungen in AGB nicht der Inhaltskontrolle unterliegen. Zu diesen in § 8 AGB-Gesetz negativ umschriebenen Arten von AGB-Bestimmungen, die von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind, gehört die Gefahrbeschreibung in AVB, soweit diese eigenständig durch die AVB vollzogen und damit die Leistung des Vers gestaltet wird (zur Funktion der AVB als Produktgestaltung vgl. Möller ZVersWiss 1975 S. 2 1 9 - 2 2 2 ) . Das gilt jedenfalls dann, wenn das Gesetz (hier: W G ) keine oder nur eine unvollständige Gefahrbeschreibung enthält, wie in der privaten Unfallv, für die das Gesetz auf eine Definition des Unfallbegriffs verzichtet und abgesehen von der hier nicht bedeutsamen Vorschrift des § 181 — sich auch zur Risikobegrenzung im übrigen nicht äußert. Die Herausnahme der Gefahrbeschreibung in AVB aus der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ergibt sich unabhängig von der Formulierung in § 8 AGB-Gesetz aus der Funktion des leistungsbeschreibenden Teils von AVB: Das Verhältnis von Leistung (Gefahrtragung, in der Gefahrbeschreibung inhaltlich konkretisiert) und Gegenleistung (Prämie) entzieht sich einer auf den Inhalt bezogenen Kontrolle. Diese wäre in Wahrheit Preiskontrolle, die vom AGB-Gesetz nicht vorgesehen und von seinen Initiatoren auch nicht gewollt ist. Die Bewertung eines Risikoausschlusses als unangemessen im Sinne des § 9 AGB-Gesetz und seine Behandlung als unwirksam würde unmittelbar in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreifen und deren Gleichgewicht stören. Die Gefahrtragung des Vers würde erweitert, während die Gegenleistung des Vmers unberührt bleiben würde. „Die Aufgabe der richterlichen Inhaltskontrolle würde . . . gründlich mißverstanden, wenn der Richter . . . unter Wagner

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Anni. A 67

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

Hinweis auf Treu und Glauben die Leistungspflicht des Versicherers ausweiten und das Gleichgewicht zwischen Prämie und Gefahrtragung stören würde", so Hauß in der AVB-Diskussion ZVersWiss 1975 S. 224. Das AGB-Gesetz enthält für die in einem solchen Falle gebotene Anpassung der Prämie an die vom Ver erbrachte erweiterte Gefahrtragung keine Regelung. Der nach § 6 II AGB-Gesetz vorgesehene Rückgriff auf die gesetzliche Regelung ist nicht möglich, weil es hieran — jedenfalls in der privaten Unfallv — fehlt. Soweit die Diskrepanz von Gefahrtragung und Prämie in einem solchen Falle die Grenzen einer „unzumutbaren Härte" für den Ver überschreiten würde, wäre der ganze Vertrag als unwirksam anzusehen (§ 6 III AGBGesetz). Dieses Ergebnis würde dem berechtigten Interesse des Vmers stets widersprechen. Es entspricht deshalb weitaus h.M., daß produktgestaltende AVB nicht der Inhaltskontrolle unterliegen: Sieg BB 1975 S. 846, Möller ZVersWiss 1975 S. 219 unter Hinweis auf den Unterschied zwischen produktgestaltenden AVB und sonstigen AGB, die Nebenprodukte regelten, Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen § 1 AGBGesetz Rz. 33, Junge ZVersWiss 1975 S. 215, Sasse ZVersWiss 1975 S. 234, PalandtHeinrichs36 § 8 AGB-Gesetz Anm. 1, Schmidt-Salzer NJW 1977 S. 138 - einschränkend dagegen ders. in Allgemeine Geschäftsbedingungen2 Anm. F 30—31 - , Löwe in: Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner § 8 AGB-Gesetz Rz. 7, Wagner ZVersWiss 1977 S. 142-143. Abweichend Prölss-Martin21 Vorbem. 16CS. 8 - 9 , die - ähnlich wie Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen2 Anm. F 30 — auf die Gefahr der Enttäuschung berechtigter Erwartungen des Vmers im Hinblick auf den Umfang des Deckungsschutzes hinweisen. Hier bedarf es indessen einer scharfen Abgrenzung der Inhaltskontrolle gemäß § 8 AGB-Gesetz von der Bedeutung des § 3 AGB-Gesetz (Nichteinbeziehung überraschender Klauseln) und dem Schutz des Vmers aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo. [A 67] bbb) Abgrenzung der Gefahrbeschreibung von AVB-Bestbnmungen, die der Inhaltskontrolle unterliegen Gegenstand der Gefahrbeschreibung im Sinne einer der Inhaltskontrolle entzogenen Produktgestaltung sind in der privaten Unfallv die Definition des Unfallbegriffs (§§ 2 (1) AUB, 17 (2) AKB) sowie die Einschlüsse (§ 2 (2) AUB) und Ausschlüsse (insbesondere § 3 AUB). Hierzu gehören jedoch auch die weiteren Voraussetzungen der Leistungspflicht des Vers, soweit sie aus der Sicht der Vertragsparteien unmittelbar die Gefahrtragung betreffen, wie etwa räumliche Begrenzungen des Vsschutzes (§ 6 AUB in der bis 1972 geltenden Fassung) und solche Obliegenheiten, deren Einhaltung durch den Vmer Voraussetzung dafür ist, daß der Ver die vertragsgemäß übernommene Gefahr zu tragen vermag. In diesem Zusammenhang kommen für die Kraftfahrt-Unfallv insbesondere die in § 2 AKB genannten Voraussetzungen in Betracht. Dabei ist es für die Einordnung dieser Regelungen im Zusammenhang mit § 8 AGB-Gesetz unerheblich, ob sie im Sinne vsrechtlicher Begriffsverwendung als Bedingungen, Ausschlüsse oder Obliegenheiten anzusehen sind. Löwe a.a.O. § 8 AGB-Gesetz Rz. 7 S. 145: „Soweit AVB die quantitativen und qualitativen, zeitlichen und örtlichen Kriterien des Versicherungsschutzes im Hinblick auf die versicherten Gefahren, versicherten Sachen und versicherten Schäden enthalten, sind sie als Leistungsbeschreibung anzusehen und von der Inhaltskontrolle nach §9—11 ausgenommen". Löwe a.a.O. bezieht hier auch die Festlegung von Obliegenheiten in den Begriff der Leistungsbeschreibung ein, soweit es sich nicht um die Regelung der Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen handelt, die in zulässiger Weise über § 6 W G hinausgeht. Gegenstand der Leistungsbeschreibung im vorgenannten Sinne sind auch die in §§ 8 AUB, 18 und 19 AKB getroffenen Regelungen über Art und Voraussetzungen der

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III. Ordnung der Rechtsquellen

Anm. A 68

Entschädigungsleistungen. Das ist für die Beschreibung und Bemessung der Entschädigungsleistung eindeutig, muß aber auch für Fristen gelten, soweit diese den Inhalt der Gefahrtragung mitbestimmen, wie insbesondere die in § 8 I. AUB enthaltene Jahresfrist: Für Unfälle, die nicht innerhalb eines Jahres nach dem Unfall zum Tode des Vten führen, übernimmt der Ver nicht die Gefahrtragung. Dagegen sind Obliegenheiten, die nach Eintritt des Vsfalles zu erfüllen sind (vgl. § 15 II. AUB), nicht Gegenstand der Gefahrbeschreibung. Sie betreffen das dem Vmer zum Zwecke richtiger Abwicklung des Schadensfalles aufgegebene Verhalten. Zwar kann sich auch hier das vom Ver tatsächlich getragene subjektive Risiko einer Unredlichkeit des Vmers auswirken. Das gilt indes für alle Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Begründung, Durchführung und Beendigung des Vsvertrages. Die Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles setzen begrifflich die Verwirklichung der Gefahr voraus, sie tragen zu ihrer Beschreibung, Abgrenzung und Konkretisierung nicht bei. Dabei kann die Frage, ob vsrechtliche Obliegenheiten im Sinne des § 8 AGB-Gesetz als „Rechtsvorschriften ergänzende Regelung" anzusehen sind, hier offenbleiben. Die Inhaltskontrolle wird sich hier auch weiterhin nach vsrechtlichen Grundsätzen, nämlich nach der Rahmenregelung des § 6 W G unter Berücksichtigung der erheblich ausweitenden Auslegung durch die Rechtsprechung (Anm. A 43) vollziehen. Diese Rechtsprechung zeigt zugleich, daß die Vorstellung des AGB-Gesetzes vom „Leitbild des positiven Rechts" (§ 6 AGB-Gesetz) im Vsrecht nur in deutlich eingeschränktem Maße gilt: Die Rechtsprechung hat das Gesetzesrecht bereits weiter zugunsten des Vmers verändert. Rechtsergänzende Bestimmungen von AVB im Sinne der §§ 9 - 1 1 AGB-Gesetz sind Bestimmungen über Entstehung, Dauer und Beendigung des Vertrages, über die Möglichkeit der Kündigung und über Verlängerungen des Vertrages. Das gilt nicht, soweit in AVB auf Bestimmungen des W G verwiesen oder die Regelung des W G in die AVB übernommen wird; vgl. Löwe a. a. O. § 8 AGB-Gesetz Rz. 8. Die AUB in der derzeit geltenden Fassung enthalten keine Bestimmung, die nach den Maßstäben der §§9—11 AGB-Gesetz zu beanstanden ist. Das bedeutet nicht, daß sie nicht unter anderen Gesichtspunkten Bedenken ausgesetzt sind: Soweit in § 10 AUB Risikoausschlüsse im Sinne echter Gefahrumstandsausschlußklauseln enthalten sind, dürften sie als überraschende Klauseln im Sinne des § 3 AGB-Gesetz zu werten sein, vgl. Wagner ZVersWiss 1977 S. 135-137. Die Regelung des § 5 AUB stößt im Hinblick auf § 34 a W G auf Bedenken, vgl. Bruck-Möller § 16 Anm. 59 und unten Anm. C 7. [A 68] cc) Inhaltskontrolle nach §§ 13-22 AGB-Gesetz Die Inzidentkontrolle durch das Prozeßgericht (Anm. A 63) wird durch eine vom AGB-Gesetz (§§ 13—22) neu eingeführte Klage auf Unterlassung und Widerruf ergänzt. Klagebefugt sind die in § 13 I Ziff. 1 - 3 AGB-Gesetz genannten Interessenverbände (im weiteren Sinne) sowie die Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern. Die Klage richtet sich gegen den Verwender (Unterlassung) und ggf. gegen den Empfehler (Unterlassung und Widerruf). Als Verwender kommt hier nur der Ver in Betracht. Empfehler kann nach der gewollten weiten Auslegung (vgl. Hensen in: Ulmer-Brandner-Hensen AGB-Gesetz, § 13 Rz. 6—11) z.B. der Berufsoder Interessenverband sein, der nach den Wünschen und Vorschlägen der Unternehmen AVB entwirft und den Entwurf in Genehmigungsverfahren vor der Aufsichtsbehörde (mit) vertritt, der Verfasser eines Formularbuches mit AGB-Mustern (Hensen, a.a.O., Rz. 9), nicht aber der Verleger eines solches Formularbuches und auch nicht, wer in wissenschaftlichen Veröffentlichungen AGB behandelt und in Wagner

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Aran. A 68

A. Rechtsquellen der privaten Unfallversicherung

diesem Rahmen ausdrücklich oder schlüssig zur Verwendung vorschlägt oder empfiehlt (Hensen, a.a.O., Rz. 9-12). Diese Haftung von Verwender und Empfehler nach Maßgabe des § 13 AGB-Gesetz ist verfehlt. Sie dürfte — jeweils aus verschiedenen rechtlichen Erwägungen — auch verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sein. Soweit der Ver als Verwender behördlich genehmigte AVB in den Vertrag einführt, ist er regelmäßig außerstande, dem Unterlassungsbegehren einer der in § 13 II Ziff. 1—3 genannten Kläger zu entsprechen. Er ist aufsichtsbehördlich gehalten, (nur) diese AVB zu verwenden, kann regelmäßig nicht auf die Verwendung anderer AVB ausweichen und müßte hiernach, um dem Unterlassungsbegehren nachzukommen, sein Geschäft, soweit es auf den beanstandeten AVB beruht, vorübergehend einstellen, wenn nicht der Bedingungstext unter Auslassung der beanstandeten Klausel weiterhin verwendbar ist. Die Genehmigung neuer AVB unter Berücksichtigung der Beanstandung würde geraume Zeit in Anspruch nehmen. Da diese Folge wirtschaftlich außer Verhältnis zu dem Risiko steht, in einem Unterlassungsprozeß rechtskräftig und kostenpflichtig zu unterliegen, hat der Ver regelmäßig keine andere Wahl, als dem Unterlassungsbegehren nicht nachzukommen und es auf einen Prozeß ankommen zu lassen. Der Ver, der auf Unterlassung in Anspruch genommen wird, befindet sich hiernach, soweit das Unterlassungsbegehren gerechtfertigt sein sollte, in einer Pflichtenkollision: Zivilrechtlich ist er zur Unterlassung verpflichtet, aufsichtsrechtlich (öffentlich-rechtlich) ist er gehalten, diese AVB unverändert in den Vertrag einzuführen. diese Pflichtenkollision beruht auf der aufsichtsrechtlichen Gebundenheit des Vers. Sie ist Folge seiner unternehmerischen Unfreiheit im Hinblick auf die Verwendung von AVB und macht ihn im Prozeß nach § 13 AGB-Gesetz in einer Weise handlungsunfähig, daß bezweifelt werden darf, ob diese rechtliche Bindung mit Art. 2 GG und die wirtschaftliche Beeinträchtigung mit Art. 14 GG vereinbar ist (zu dieser Problematik vgl. Sieg VersR 1977 S. 489-496). Noch deutlicher — wenn auch aus anderen Gründen — verfehlt ist die Haftung des Empfehlers auf Unterlassung und Widerruf nach Maßgabe des § 13 AGB-Gesetz. Die Möglichkeit, ihn in Anspruch zu nehmen, beruht auf einer Wertung seiner Verantwortlichkeit für die Verwendung unzulässiger AGB, die der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit des Empfehlers nicht entspricht. Denn über die Einführung von AGB in den Einzelvertrag entscheidet allein der Verwender. Er trägt die geschäftlichen und juristischen (Wirksamkeit der AGB) Risiken der Verwendung. Ein Empfehler, der als Verfasser eines Formularbuches, als Angestellter in der Rechtsabteilung eines Unternehmers oder als dessen Rechtsberater (freier Anwalt) die Verwendung bestimmter AGB vorschlägt, trifft damit nicht in juristisch verantwortlicher Weise die Entscheidung darüber, ob seinem Vorschlag gefolgt wird. Eine juristische Verantwortung trifft ihn gegenüber dem Verwender, wenn er diesem gegenüber vertraglich zur Sorgfalt im Hinblick auf den vorgeschlagenen Inhalt der AGB verpflichtet ist. Er haftet dann dem Verwender auf Ersatz desjenigen Schadens, der dem Verwender durch die Einführung dieser AGB in den Vertrag entsteht. Dazu würden auch die Kosten eines Unterlassungsprozesses, den der Verwender verliert, gehören. Diese Haftung des Empfehlers setzt Verschulden voraus, ist also abhängig davon, ob der Empfehler einen juristisch nicht vertretbaren Rat erteilt hat. Neben diesen Fällen vertraglich begründeter Verantwortlichkeit für den Inhalt empfohlener AGB kam eine Haftung bisher nicht in Betracht. Der Verfasser eines Formularbuches schlägt nicht im gleichen Sinne die Verwendung von ihm vorformulierter AGB vor. Für das einzelne Unternehmen ist seine Empfehlung im wörtlichen Sinne unverbindlich, sie stellt für den Unternehmer, der über die Verwendung zu entscheiden hat, nur einen Vorschlag unter mehreren dar, und über die Autorität dieser Empfehlung 64

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III. Ordnung der Rechtsquellen

Aran. A 69

sagt allenfalls der wissenschaftliche Ruf des Verfassers etwas aus. Seine Verurteilung zu Unterlassung und Widerruf im Sinne des § 13 AGB-Gesetz ist überdies ungeeignet, den Verwender zu veranlassen, die kaufmännische Entscheidung über die Verwendung dieser AGB rückgängig zu machen. Dem Kläger dürfte an einer solchen Verurteilung regelmäßig das Rechtsschutzinteresse, in einem noch so weiten Sinne verstanden, fehlen. Soweit der Empfehler seine Empfehlung aufgrund vertretbarer juristischer (wissenschaftlicher) Deduktion gewinnt, dürfte seine Inanspruchnahme nach § 13 AGB-Gesetz mit Art. 5 Abs. 3 GG nicht vereinbar sein. Die Abgrenzung des Verfassers eines Formularbuches einerseits von dem eines wissenschaftlichen Aufsatzes oder einer sonstigen wissenschaftlichen Abhandlung andererseits, auf deren fachlicher Qualifikation die von ihnen jeweils empfohlene Verwendung von AGB beruht, wird sich als undurchführbar erweisen. [A 69] bbb) Verfahrensrechtliche Besonderheiten Für Klagen nach § 13 AGB-Gesetz ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der in Anspruch genommene Verwender oder Empfehler seine gewerbliche Niederlassung oder (hilfsweise) seinen Wohnsitz hat (§ 13 11 AGB-Gesetz). Für das Verfahren selbst gelten die Vorschriften der ZPO (§ 15 I AGB-Gesetz). Richtet sich die Klage gegen behördlich genehmigte AGB (AVB), so ist die Anhörung der zuständigen Aufsichtsbehörde durch das Gericht zwingend vorgeschrieben (§16 AGBGesetz). Für die Urteilsformel enthält § 17 AGB-Gesetz zum Zwecke der Klarstellung das Gebot, daß sie enthalten muß: 1. die beanstandeten Bestimmungen der AGB im Wortlaut; 2. die Bezeichnung der Art der Rechtsgeschäfte, für die diese Bestimmungen nicht verwendet werden dürfen; 3. das Gebot, die Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen zu unterlassen und 4. für den Fall der Verurteilung zum Widerruf das Gebot, das Urteil in gleicher Weise bekannt zu geben, wie die Empfehlung verbreitet wurde. Die Klage ist als Leistungsklage ausgestaltet. Das Urteil ist dementsprechend ein Leistungsurteil. Seine Vollstreckung richtet sich nach § 888, 890 ZPO (Einzelheiten bei Hensen in Ulmer-Brandner-Hensen § 15 AGB-Gesetz Rz. 36—37). Neben der Vollstreckung nach Maßgabe dieser Vorschriften steht die Veröffentlichungsbefugnis gemäß § 18 AGB-Gesetz. Das Unterlassungsgebot als Teil des Leistungsurteils hat aber auch die Feststellung zum Inhalt, daß eine AGB-Bestimmung des beanstandeten Inhalts bei Verwendung für eine bestimmte Art von Geschäften unwirksam sei (Sieg VersR 1977 S. 492 1. Sp.). Auf diese Unwirksamkeit muß ein nicht an diesem Prozeß beteiligter Vertragspartner des Verwenders oder eines anderen Verwenders sich berufen ( § 2 1 AGB-Gesetz). Der Gesetzgeber hat sich für die „Einredelösung" (Hensen a.a.O. § 21 AGB-Gesetz Rz. 1) entschieden und damit die Grundsätze der ZPO, wonach Urteile in Zivilverfahren, die unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime stehen, nur inter partes (§ 322 ZPO) Rechtskraft entfalten, durchbrochen. Eine nicht weniger einschneidende Einschränkung bisher geltender Verfahrensgrundsätze ergibt sich aus § 19 AGB-Gesetz: Der Verwender — nicht der Empfehler: vgl. Hensen a.a.O. § 19 AGB-Gesetz Rz. 2 - kann nach § 767 ZPO geltend machen, daß die zu seinem Nachteil ergangene Entscheidung durch eine spätere Entscheidung des BGH oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes sachlich überholt sei.

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B r u c k - M ö l l e r . W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung IV. Bedeutung der Unfallv für das Haftungsrecht Anm. Β 4 7 - Β 85 Schrifttum jeweils vor den einzelnen Abschnitten.

Gliederung: I. Entwicklung der privaten Unfallv Anm. B 1 - B 6 II. Einordnung der privaten Unfallv Anm. Β 7 - B 23 III. Einteilung der Unfallv Anm. Β 2 4 - B 46

I. Entwicklung der privaten Unfallversicherung Gliederung: Schrifttum Anm. Β 1 1. Vergleichbare Erscheinungen seit Mitte des 16. Jahrhunderts Anm. Β 2 2. Neubeginn und Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts Anm. Β 3

3. Einführung der sozialen Unfallv Anm. Β 4 4. Auswirkungen der Verbandsgründung im Jahre 1900 Anm. Β 5 5. Entwicklung im Anschluß an das W G Anm. Β 6

[Β 1] Schrifttum: Böhm VersR 1956 S. 7 3 7 - 7 3 9 , Carus, Unfallversicherung, Berlin 1931, Hof VersR 1974 S. 111 — 115, Grewing, Unfallversicherung, Wiesbaden 1967, Hiestand, Grundzüge der privaten Unfallversicherung, Stuttgart 1900, Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., 1975 B d l S . 4 2 - 8 9 , Manes, Versicherungswesen, III. Bd Personenversicherung, Stuttgart-Leipzig-Berlin 1932, Möller JW 1938 S. 9 1 6 - 9 2 1 , Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, Hamburg 1952, S. 41-44.

[B 2] 1. Vergleichbare Erscheinungen seit Mitte des 16. Jahrhunderts Die ersten einer Unfallv ähnlichen Erscheinungen betreffen den Schutz gegen Gefahren der Seefahrt. Hierzu ist zwar nicht die frühe V von Sklaven gegen Seegefahr zu zählen (vgl. Carus S. 9 und Hiestand S. 7), weil Sklaven als Sachen behandelt wurden; dagegen kann die im „Alten Seerecht von Wisby" aus dem Jahre 1541 genannte Möglichkeit, daß Schiffseigentümer das Leben ihrer Kapitäne gegen Seeunfall vten, als Vorläufer einer Unfallv gedeutet werden (Manes S. 149). In einer französischen Schrift aus dem Jahre 1661 wird eine Reiseunfallv erwähnt. Im Jahre 1665 vte die Niederländische Republik ihre für den Kriegsdienst angestellten Söldner in einer nach Art der Gliedertaxe gestaffelten Weise gegen den Verlust von Gliedmaßen und Sinnesorganen (Manes S. 149). Aus dem von Daniel Defoe im Jahre 1697 veröffentlichten „Essay on Projects" ist bekannt, daß es schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in England Gesellschaften — Friendly Societies — gab, die im Anschluß an gildenmäßige Gedankengänge Hilfe bei Unfällen gewährten (Carus S. 9—10). Defoe selbst schlug für Seeleute eine Unfallv vor, die Entschädigungsleistungen nach einer von ihm entworfenen Gliedertaxe (abgedruckt bei Carus S. 10 und Grewing S. 20) differenziert

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I. Entwicklung der privaten Unfallversicherung

Anm. Β 4

erbringen sollte. Im 18. Jahrhundert gab es in Deutschland Arm- und Beinbruchgilden (Carus S. 11, Manes S. 149). In diesem Zusammenhang wird aus dem Statut einer Holsteinischen Brandgilde, an die sich eine Unfallgilde anschloß, zitiert: „Dieweil oft die tägliche Erfahrung ausweist, daß die Menschen oft Arme und Beine unversehens entzwei brechen können, sind derowegen die sämtlichen Gildebrüder entschlossen, eine Bruchgilde zu stiften und einer dem anderen in solchen Fällen Hilfe und Beistand zu leisten" (zitiert nach Manes S. 149 und Carus S. 11). Als Hindernis für die weitere Entwicklung einer Unfallv in dieser Zeit wird der römisch-rechtliche Satz zitiert: in libero corpore hominis nulla aestimatio est. Nach diesem Satz wurde die Unfallv in einer Reihe von Seegesetzen als widernatürlich und unmoralisch bezeichnet (Manes S. 150 m.N.). [Β 3] 2. Neubeginn und Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts Es kann hier unerörtert bleiben, ob die vorgenannten Erscheinungen als Vorläufer einer modernen Unfallv zu werten sind (bejahend Carus S. 9 gegen Hiestand S. 7). Eine Unfallv, die als Beginn der Entwicklung der heute gebräuchlichen Form dieses Vszweiges anzusehen ist, gibt es in Deutschland seit Mitte des vorigen Jahrhunderts: Im Jahre 1853 nahmen zwei deutsche Versicherungsgesellschaften, die Victoria Versicherung und die Thuringia Versicherung, die in erster Linie das Lebensversicherungsgeschäft betrieben, als Nebenzweig die „Versicherung gegen Reiseunfall" auf (Manes S. 151). In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts gingen in Belgien und Frankreich Unternehmer dazu über, ihre Arbeiter im Wege der Kollektiv-Unfallv gegen haftpflichtige und nichthaftpflichtige Unfälle zu vern. Hier zeigte sich erstmalig die Verwandtschaft der Unfallv mit der Haftpflichtv: Der Unternehmer befreite sich durch eine Unfallv von drohenden Haftpflichtansprüchen; zugleich stellte er seine Arbeiter durch eine Unfallv sicher, die seine Haftpflicht nicht voraussetzte (zum ganzen Sieg S. 42). Mit Erlaß des Reichshaftpflichtgesetzes (RHG) vom 5. Juni 1871 ergab sich für die in diesem Gesetz als haftpflichtig genannten Unternehmer (u. a. Eisenbahnen) die Notwendigkeit, das Haftungsrisiko durch Versicherung zu mindern. Das geschah — wie in Belgien und Frankreich — durch Haftpflichtv und KollektivUnfallv (Sieg S. 42, Manes S. 149, Carus S. 13). Die Unternehmer waren nach § 4 R H G berechtigt, die Vssumme aus einer Kollektiv-Arbeiterv auf Haftpflichtansprüche anzurechnen, wenn sie selbst mindestens ein Drittel der Prämien trugen. Im Anschluß an den dem § 4 R H G zugrunde liegenden Gedanken der „Haftungsersetzung durch Vsschutz" wurden in den 70er Jahren in Deutschland zwei Formen der industriellen Unfallv eingeführt: Die eine gewährte nur Deckung gegen haftpflichtige Unfälle, die andere bezog auch nichthaftpflichtige Unfälle in den Vsschutz ein (Sieg S. 42 m.N. in Fußnote 175). [B 4] 3. Einführung der sozialen Unfallversicherung Die Kollektiv-Arbeiterunfallv verlor zunächst ihre Funktion, als im Jahre 1885 das Unfallversicherungsgesetz vom 6. VII. 1884 in Kraft trat. Der Kreis der durch dieses Gesetz vten Personen deckte sich im wesentlichen mit denen, die als Arbeiter durch das R H G geschützt waren (Einzelheiten bei Lauterbach S. 57). Bis zum Jahre 1900 wurden die Arbeiter weiterer Betriebsarten in den Vsschutz einbezogen (Lauterbach S. 61). In gleichem Maße wurde jeweils der für die Individualv verbleibende Bereich der Arbeiterv verkürzt. Unterdessen hatte sich neben der Kollektiv die Einzel-Unfallv entwickelt (Manes S. 151). Sie weitete sich nunmehr stark aus, da „die Gesellschaften es verstanden, das Publikum über die mit dem wachsenden Verkehr häufig zunehmenden Unfallmöglichkeiten aufzuklären und ihre Bedingungen an die individuellen Bedürfnisse anzu5'

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Anm. Β 6

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

passen" (Manes S. 151, vgl. auch Grewing S. 24-25). Hierdurch erlebte die Unfallv einen Aufschwung, der alsbald eine verschärfte Wettbewerbssituation zur Folge hatte. Diese war (u. a.) Anlaß für die Gründung eines Interessenverbandes im Jahre 1900: „Zur Vertretung, Wahrung und Förderung aller gemeinsamen Interessen des Unfallund Haftpflichtwesens der beteiligten (29) Gesellschaften" wurde am 26. Januar 1900 der Verband der in Deutschland arbeitenden Unfallversicherungsgesellschaften (Unfall-Versicherungs-Verband) gegründet (vgl. Grewing S. 26, Manes S. 151 — 152). [Β S] 4. Auswirkungen der Verbandsgründung Diese Verbandsgründung war Voraussetzung für die Entwicklung allgemeiner Vsbedingungen für die private Unfallv. Von der Tarifvereinigung des Verbandes wurden im Jahre 1903 die ersten „Verbandsbedingungen" - so bezeichnet vom Kaiserlichen Aufsichtsamt in VA 1904 S. 92 — diesem als Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt und am 14. Juni 1904 genehmigt (Grewing S. 30). Sie sind abgedruckt in der „Sammlung von Versicherungsbedingungen Deutscher Versicherungsanstalten", Berlin 1910 und bei Gerhard-Hagen S. 731—761. Zum Zwecke der Anpassung an das im Jahre 1908 verkündete Versicherungsvertragsgesetz ( W G ) wurde ein neuer Bedingungs-Entwurf erarbeitet, der im Jahre 1909 in zwei Fassungen - Lit. A und Lit. Β - , die sich nur hinsichtlich der Form der Entschädigungsleistungen unterschieden, vorgelegt und im Jahre 1910 genehmigt (Entwürfe abgedruckt in VA 1910 S. 182). Die Aufsichtsbehörde — seit 1919 das Reichsaufsichtsamt — genehmigte im Jahre 1920 die von ihm (VA 1920 S. 93 oben) so bezeichneten „Neuen VerbandsBedingungen" (abgedruckt VA 1920 S. 103), die die Struktur der ABV für die Einzelunfallv bis heute bestimmen und weder durch die Neufassung im Jahre 1937 noch durch die AUB von 1961 grundlegend verändert worden sind. Auf die Entwicklung der Bedingungen für die private Unfallv seit 1904, die für das Verständnis von Aufbau und Wortlaut auch der heute geltenden AVB und damit für deren Auslegung von Bedeutung ist, wird im Zusammenhang mit der Gefahrbeschreibung (Anm. zu G) jeweils näher eingegangen werden. [B 6] 5. Entwicklung im AnschluB an das W G Das am 30. Mai 1908 verkündete und am 1. Januar 1910 in Kraft getretene W G nennt in § 1 I 1 die Unfallv als eine der (möglichen) Arten der Personenv und enthält in §§ 179—185 einige Vorschriften über die Unfallv, die sich nur als eine Art Rahmenregelung verstehen: „Die Bezeichnung der Ereignisse, gegen welche die Unfallversicherung Deckung gewähren soll,... bleibt dem Versicherungsvertrag, also vor allem den dem Vertrag zugrunde liegenden Vesicherungsbedingungen überlassen. Den Begriff des Unfalls als solchen gesetzlich zu bestimmen, ist nicht ausführbar, aber auch nicht erforderlich . . . " ; so die amtliche Begründung zu § 179, abgedruckt bei GerhardHagen zu § 179 S. 720. Es besteht nunmehr Einigkeit darüber, daß das dem § 1 I 2 zugrunde gelegte Begriffspaar Schadensv — Personenv nur dann in korrekter Weise eine Gegensätzlichkeit bezeichnet wenn man Personenv mit Summenv gleichsetzt; vgl. Möller JW 1938 S. 916, Böhm VersR 1956 S. 737 und den Überblick bei BGH 24. IX. 1969 BGHZ Bd 52 S. 350—355 (352—354). Hiernach ist der Schadensv als Gegensatz die Summenv gegenüberzustellen, und die Personenv bildet den Konträrbegriff zur Nichtpersonenv (Bruck-Möller, § 1 Anm. 20—25). Die ungenaue Begriffsverwendung in § 1 I 2 wird darauf zurückgeführt, daß zum Zeitpunkt der Entstehung des Gesetzes die Lebensund Unfallv nur als Summenv betrieben worden seien (Bruck-Möller, § 1 Anm. 23). Dementsprechend heißt es in der amtlichen Begründung zu § 179 (abgedruckt bei 68

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II. Einordnung der privaten Unfallversicherung

Anm. Β 6

Gerhard-Hagen S. 719): „Als Leistung des Versicherers kommt auch bei der Unfallversicherung die Zahlung eines Kapitals oder einer Rente in Betracht". Indessen hielt es der Gesetzgeber für zulässig, daß der Unfallver auch andersartige Leistungen erbringen dürfe: „Übrigens geht die Leistungspflicht des Versicherers mitunter auch auf die Gewährung der ärztlichen Behandlung selbst sowie auf die Beschaffung der nötigen Heilmittel" (amtliche Begründung, abgedruckt bei Gerhard-Hagen S. 720 oben). Hieraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber für die Unfallv die Möglichkeit, sie als Schadensv zu betreiben, in Betracht gezogen hat. Entsprechendes gilt für die im W G nicht als besonderer Vszweig geregelte private Krankenv; vgl. die Nachweise bei Hof VersR 1974 S. 11-112. Hierzu ergibt sich indes aus den Motiven zum W G , daß die Redaktoren eine genaue (konkrete) Schadensberechnung bei der Personenv für „nicht durchführbar" (Motive, Neudruck 1963 S. 71) gehalten und überdies gemeint haben, daß es vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus an einer ausreichenden Veranlassung fehle, . . . die Ersatzpflicht des Versicherers auf den Betrag des Schadens zu beschränken". Diese Bemerkungen entsprechen der heute h.M., wonach nur für die Personenv eine abstrakte Bedarfsdeckung vereinbart werden darf (Möller JW 1938 S. 918 r.Sp.). Die Verbands-Bedingungen von 1910, die der Anpassung des Bedingungswerkes für die Unfallv an das W G dienen sollten, bestimmen in § 10 Ziff. 3 Abs. 2: „Hat ein Unfall keine Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt, so findet ein Ersatz der nachweislich aufgewendeten notwendigen Kosten der ärztlichen Behandlung . . . statt." Mit dieser Bestimmung wurde bereits im Jahre des Inkrafttretens des W G deutlich gemacht, daß die in § 1 I 2 getroffene Unterscheidung zwischen Schadensv einerseits und Personenv andererseits ungenau war.

Π. Einordnung der privaten Unfallversicherung Gliederung: Schrifttum Anm. Β 7 1. Allgemeines Anm. Β 8 2. Unfallv als Personenv Anm. Β 9 3. Unfallv als Summen ν Anm. Β 10 4. Unfallv als Schadensv Anm. Β 11 5. Abgrenzung abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung Anm. Β 12-14 b) Auswirkungen der Entwicklung des allgemeinen Haftungsrechts Anm. Β 12 b) Auswirkungen auf das Vsrecht Anm. Β 13 c) Eigene Stellungnahme Anm. Β 14 6. Unfallv und vtes Interesse Anm. Β 15-17

a) Vorbemerkung Anm. Β 15 b) Bedeutung für die Unfallv Anm. Β 16 c) Bedenken gegen die Regelung in §§ 179 I und III Anm. Β 17 7. Unfallv als Aktiven- oder Passivenv Anm. Β 18 8. Unfallv als Risikov Anm. Β 19 9. Abgrenzung der Unfallv von anderen Vszweigen Anm. Β 2 0 - 2 3 a) Lebensv Anm. Β 20 b) Haftpflichtv Anm. Β 21 c) Krankheitskostenv Anm. Β 22 d) Filmausfallv Anm. Β 23

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Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

[B 7] Schrifttum: Anders JRPV 1933 S. 1 - 2 , Böhm VersR1956 S. 7 3 7 - 7 3 9 , Ehrenberg JherJb Bd 30 (1891) S. 4 2 4 - 3 8 2 , Esser, Schuldrecht, Bd I, 4. Aufl., Karlsruhe 1970, Fuchs, Die Gefahrsperson im Versicherungsrecht, Berliner Diss. 1974, Gärtner, Das Bereicherungsverbot, Berlin 1970, Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens, Bad Homburg v. d. Höhe— Berlin-Zürich 1968, Heck, Grundriß des Schuldrechts, Tübingen 1929 (Nachdruck 1958), Heinz, Entsprechungen und Abwandlungen des privaten Unfall- und Haftpflichtversicherungsrechts in der gesetzlichen Unfallversicherung der Reichsversicherungsordnung, Berlin 1973, v. Hippel, Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen, Berlin-Tübingen 1968, Hof VersR 1974 S. 1 1 1 - 1 1 5 , Hofmann VersR 1960 S. 9 7 - 1 0 3 , Koenig, Die Anspruchsberechtigung in der Versicherung für fremde Rechnung; in: Ausblick und Rückblick, Erich R. Prölss zum 60. Geburtstag, München 1967, S. 2 2 1 - 2 3 9 , Kötz Gutachten A zum 50. Deutschen Juristentag, München 1974, Larenz, Schuldrecht, Bd I, 11. Aufl., 1976, Lenné, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, Marburg 1911, Marschall v. Bieberstein, Reflexschäden und Regreßrechte, Stuttgart-Berlin— Köln—Mainz 1967, Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im bürgerlichen Recht, Stuttgart—Berlin—Köln—Mainz 1967, Mitsdörfer, Rechtsfragen der Insassen-Unfallversicherung bei Kraftfahrzeugen, Kölner Diss. 1974, Möller, Summen- und Einzelschaden, Hamburg 1937, ZVersWiss 1970 S. 1 7 - 2 0 , Neeße VersR 1976 S. 7 0 4 - 7 0 7 , Orlowski VersR 1954 S. 45, Schmidt-Rimpler VersR 1963 S. 4 9 3 - 5 0 5 , Sieg VersRdsch 1968 S. 1 8 1 - 1 9 9 , Strauß JRPV 1933 S. 1 4 9 - 1 5 1 , Thiel VersR 1955 S. 7 2 6 - 7 3 1 , v. d. Thüsen VW 1953 S. 4 3 4 - 4 3 6 , derselbe, Ansprüche aus kollektiven Unfallven; in: Rechtsfragen der Individualv, Festgabe für Erich R. Prölss, Karlsruhe 1957, S. 2 5 6 - 2 6 5 .

[B 8 ] 1. Allgemeines Es kann als heute unstreitig bezeichnet werden, daß die Einordnung der Unfallv als (reine) Personenv im Sinne einer Summenv durch § 11 2 historisch überholt und durch die Begriffspaare Schadensv—Summenv ud Nichtpersonenv—Personenv zu ersetzen ist (Anm. Β 6 und Böhm VersR 1956 S. 737 m. N.). Dieser Gruppierung folgt die nachstehende Darstellung. Hiernach ist zwar die Gleichsetzung von Personenv und Summenv im Sinne einer sauberen Begriffssystematik zu beanstanden. Indessen ergeben die Gesetzesmaterialien (Motive Neudruck 1963 S. 71), daß der Gesetzgeber durch die Fassung des § 1 (nur) zum Ausdruck bringen wollte, daß er innerhalb der Personenv auf die Anwendung der insbesondere auf das Verbot einer Bereicherung des Vmers gerichteten Vorschriften der §§ 49—80 (insbesondere §§ 55, 67) glaubte verzichten zu können und zu müssen (vgl. Anm. Β 6). Die Gesetzesverfasser haben auch die Gefahr erkannt, die sich aus der Möglichkeit der Personenv für fremde Rechnung ergibt (für die Unfallv: § 179): Den Anreiz für den Vmer, die für seine Rechnung vte Gefahrsperson durch Einflußnahme auf die Herbeiführung des Vsfalles zu schädigen (vgl. im einzelnen Anm. Β 17). Die amtliche Begründung begnügt sich in diesem Zusammenhang mit dem Hinweis, daß diese Mißbrauchsmöglichkeit eine „verhältnismäßig geringe" sei (vgl. Motive Neudruck 1963 S. 71). Dabei berücksichtigt das Gesetz indessen nur eine der Mißbrauchsmöglichkeiten, und zwar nur unvollkommen, indem es für die Unfallv für fremde Rechnung eine Gestaltungsmöglichkeit eröffnet, die der Wettv sehr nahe kommt, jedenfalls der Schutzwürdigkeit der Gefahrsperson nicht genügend Beachtung schenkt (zur Widersprüchlichkeit der Vorstellung des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang vgl. insbes. Hof VersR 1974 S. 112 1. Sp. m. N. und unten Anm. Β 17.) [Β 9] 2. Unfallversicherung als Personenversicherung Die Bezeichnung der Unfallv als Personenv bedeutet im Hinblick auf § 1 I 2 zunächst nicht mehr, als daß hier der R i s i k o g e g e n s t a n d b e z e i c h n e t wird (Böhm VersR 1956 S. 737 1. Sp.). Die Gefahr verwirklicht sich im Zusammenhang mit der Körperlichkeit eines Menschen (Bruck-Möller Anm. 3 vor § § 4 9 - 8 0 ) , und zwar in der 70

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II. Einordnung der privaten Unfallversicherung

Vilm. Β 11

Unfallv — insoweit im Gegensatz zur Lebensv im Hinblick auf die Erlebensfallv - wie in der PKV durch Beeinträchtigung der körperlichen Integrität (§ 2 (1) AUB). Die Einordnung der Unfallv als Personenv hat zwei bedeutsame Folgen: Sie darf als Summenv, d.h. nach dem Prinzip der a b s t r a k t e n Bedarfsdeckung betrieben werden, während die Nicht-Personenv nur als Schadensv zulässig ist. Das ist aus § 11 1 und 2 in Verbindung mit dem „ausgeklügelten System von Vorschriften" zu schließen, „die . . . dafür sorgen, daß der Vmer nicht mehr als seinen Schaden ersetzt erhält", Möller JW 1938 S. 918 r. Sp. Die weitere Folge ergibt sich aus dem Umstand, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers und der herrschenden Meinung die Personenv kein vtes Interesse kennt. U. a. ergibt sich hieraus, daß das Gesetz die Versicherung fremden Lebens und fremder Gesundheit ohne weiteren Nachweis eines eigenen schutzwürdigen Interesses als V für eigene Rechnung zuläßt und lediglich von der Zustimmung des Vten — der Gefahrsperson — abhängig macht (vgl. Anm. Β 17). [Β 10] 3. Unfallversicherung als Summenversicherung Die Unfallv ist Summenv, soweit sie nach dem Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung betrieben wird. Diese ist im Anschluß an Bruck-Möller Anm. 2 vor §§ 49—80 in der Weise zu beschreiben, daß bei ihr die Gefahrverwirklichung (hier: Unfall) eine Situation schafft, die zwar typischerweise nachteilig ist und deshalb regelmäßig auch einen Bedarf verursacht, daß ein Bedarf indes nicht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Höhe nicht entsprechend der Schadensberechnung im Haftpflichtrecht zu ermitteln ist. Die Summenv bezweckt hiernach Deckung eines nur (unwiderleglich) vermuteten Bedarfs (Bruck-Möller Anm. 2 vor §§ 4 9 - 8 0 ) unter Abstrahierung von einer tatsächlichen und feststellbaren Schadenslage. Die Unfallv ist Summenv, soweit sie Todesfallentschädigung, Invaliditätsentschädigung, Tagegeld, Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld und Übergangsentschädigung (§ 8 I . - V . , VII AUB) gewährt. [B 11] 4. Unfallversicherung als Schadensversicherung Die Unfallv ist Schadensv, soweit die Entschädigungsleistung des Vers auf der Grundlage eines durch den Unfall verursachten Bedarfs „auf Heller und Pfennig" errechnet wird (Bruck-Möller Anm. 2 vor §§ 49—80). Das gilt in der Allgemeinen Unfallv für die in § 8 VI. AUB genannten Heilkosten sowie die in der Kinder-Unfallv nach Ziff. 3 der Zusatzbedingungen zu erbringende Entschädigungsleistung von Bestattungskosten (vgl. auch OLG Nürnberg 27. III. 1973 MDR 1974 S. 235-236) und für im Einzelfall vereinbarte Kurkosten und Bergungskosten. Soweit die Unfallv hiernach als Schadensv Entschädigung leistet, sind die allgemeinen Vorschriften über die Schadensv grundsätzlich direkt, nicht nur analog anwendbar. Das wird in BGH 15. II. 1968 VersR 1968 S. 3 6 2 - 3 6 3 = VA 1969 S. 102-104 nur (obiter) angedeutet — dort ging es um die Anrechnung nur summenmäßig bestimmter Leistungen aus einer Unfallv gemäß § 158 c I a.F. - , von BGH 24. IX. 1969 BGHZ Bd 52 S. 3 5 0 - 3 5 5 (355) für die PKV ausdrücklich und für die private Unfallv obiter, von B G H 20. XII. 1972 VersR 1973 S. 2 2 4 - 2 2 5 für die Unfallv im Hinblick auf § 671 ausgesprochen. Abweichende ältere Entscheidungen (Nachweise bei BGH 24. 9. 1969 B G H Z Bd 52 S. 352) sind als überholt anzusehen. - Die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Schadensv (§§ 49—80) beschränkt sich in der Praxis auf die §§ 55 und 67. Die Parteien des Vsvertrages bestimmen durch ihre Vereinbarung, ob Entschädigungsleistung nach dem Prinzip der konkreten (Schadensv) oder abstrakten (Summenv) geleistet wird. Es ist anerkannt, daß insoweit Vertragsfreiheit herrscht, d. h. daß Wagner

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Ajim. Β 13

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

eine Personenv auch nach dem Prinzip der Schadensv betrieben werden darf (BGH 20.12. 1972 VersR 1973 S. 224 r. Sp. unten m.N.). [B 12] 5. Abgrenzung abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung a) Auswirkungen der Entwickhing des allgemeinen Haftungsrechts Der Begriff des Schadens im bürgerlichen Recht ist personenbezogen: Schaden ist der Nachteil, der eine Person in den ihr zugeordneten Rechten oder Rechtsgütern trifft (Möller, Summen- und Einzelschaden S. 10-15, hierzu Mertens S. 41-42, Esser S. 270—271). Diese Feststellung besagt nur, daß es keinen „Schaden an sich" gibt: die Vernichtung einer wertvollen, aber herrenlosen Sache schädigt niemanden (Möller a. a. O. S. 11). Die angesichts der jüngeren Rechtsprechung zum Schadensbegriff neu belebte wissenschaftliche Diskussion (vgl. die Fallgruppen bei Grunsky S. 12—15) stellt nicht die vorgenannte Feststellung in Frage (hierzu Mertens S. 165), sondern betrifft — grob formuliert — nur das Problem der Schadensermittlung nach der Fragestellung, ob und inwieweit Besonderheiten aus dem Rechts- und Lebenskreis des Geschädigten bei der Ermittlung des zu ersetzenden Schadens zu berücksichtigen sind. Für den hier darzustellenden Zusammenhang ist nur die in der Rechtsprechung deutlich gewordene Tendenz erheblich, bei der Ermittlung des Schadens in zunehmendem Maße von diesen Besonderheiten zu abstrahieren: Das gilt z.B. für die viel erörterten Fälle des Ersatzes nicht in Anspruch genommener Mietwagenkosten bei Beschädigung von Kraftfahrzeugen, BGH 30. XI. 1963 BGHZ Bd 40 S. 345-355, BGH 15. IV. 1966 BGHZ Bd 45 S. 212-221; dazu Grunsky S. 16-49 m. N. Dieser Rechtsprechung entspricht die in der Wirtschaft im Zusammenhang mit AGB zu beobachtende Erscheinung, die Berechnung möglicher vertraglicher Schadensersatzansprüche vorwegzunehmen. Der p a u s c h a l i e r t e Schadensersatz vereinfacht die Berechnung und hält den Haftpflichtprozeß von Schwierigkeiten frei, die sich aus der Notwendigkeit der Schadensermittlung und des Nachweises regelmäßig ergeben (vgl. den Überblick bei Kötz S. 75-77 m. N.). [B 13] b) Auswirkungen auf das Versicherungsredit Vor dem Hintergrund dieser der Ökonomie der Schadensregulierung dienenden Tendenz des Haftungsrechtes ist die von Sieg in bewußter Abkehr von der h. M. vertretene Auffassung zu werten, daß die Tagegelder der Kranken- und Unfallv (einschließlich des Krankenhaustagegeldes) Entschädigungsleistungen nach dem Prinzip der Schadensv seien und deshalb dem Regreß des Vers nach § 67 I unterlägen, vgl. Sieg VersRdSch 1968 S. 185-187 und Bd II § 67 Anm. 20 und 21. Sieg weist darauf hin, daß diese Leistungen Zweck und Funktion konkreter Bedarfedeckung hätten und vsrechtlich entsprechend behandelt werden müßten, obwohl die Berechnung des konkreten Bedarfs durch Pauschalierung vereinfacht werde. So werde auch die schwer verständliche Divergenz zur Sozialv vermieden, wo das funktionsgleiche Krankengeld von § 1542 RVO und gleichstehenden Regreßnormen erfaßt würde (Sieg a. a. O. § 67 Anm. 21). Dieser Auffassung hat sich Hof VersR 1974 S. 111-115 für die PKV im Hinblick auf die Krankentagegeldv ohne Einschränkung, für die Krankenhaustagegeldv differenzierend (nach der Regelung der AVB im Einzelfall) angeschlossen; ebenso Prölss-Martin 19. und 20. Aufl. § 67 Anm. 1 B: Die Krankentagegeldv sei Schadensv, soweit die AVB einen tatsächlichen Verdienstausfall hierfür forderten. Der Bundesgerichtshof steht der Auffassung von Sieg nicht allzu fern, wenn es in BGH 19. XII. 1973 VersR 1974 S. 184-185 heißt, eine Krankenhaustagegeldv sei Schadensv, wenn sich die Höhe des Krankenhaustagegeldes automatisch e n t s p r e c h e n d dem Einkommensverlust mindere. Denn der BGH verlangt nicht, daß das Kranken72

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II. Einordnung der privaten Unfallversicherung

Anm. Β 14

haustagegeld „auf Heller und Pfennig" mit dem Einkommensverlust übereinstimmt, sondern er läßt es genügen, daß das zunächst summenmäßig bestimmte Krankenhaustagegeld e n t s p r e c h e n d dem Einkommensverlust gemindert wird. Hier handelt es sich, weil die Grundlage der Berechnung der Entschädigungsleistung summenmäßig bestimmt ist, nach herkömmlicher Auffassung um Summenversicherung. BGH a. a. O. lehnt den Charakter der Krankenhaustagegeldv als Schadensv im entschiedenen Falle ab, weil die Minderung nach dem Vertrag nicht automatisch, sondern durch Parteierklärung herbeigeführt wird. Dieser Entscheidung stimmt zu BGH 13. III. 1974 NJW 1974 S. 1429—1431 (1430) r. Sp. unten); eindeutig gegen die Einordnung der Tagegeldleistungen als Schadensv BGH 28. IV. 1971 VersR 1971 S. 662-663 = NJW 1971 S. 1891, OLG Hamm 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 968-970 (Berufungsentscheidung vor BGH 19. XII. 1973), OLG Köln 3. VIII. 1973 VersR 1974 S. 851-852 und Neeße VersR 1976 S. 704-707. [B 14] c) Eigene Stellungnahme Es ist anerkannt und in der PKV angesichts der nach Verdienstausfall abgestuften Tagegeldleistungen sowie der Abstufungen der Entschädigungsleistung in der Unfallv durch die Gliedertaxe (§ 8 II. AUB) unbestreitbar, daß auch die Summenv der Bedarfsdeckung dient und vielfach materiell Schadensdeckung leistet (Marschall v. Bieberstein S. 144—145 m.N. in Fußn. 17 und 18); betont in diesem Sinne auch OLG Hamm 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 969. Die Grenzen zwischen konkreter und abstrakter Bedarfsdeckung verwischen sich überdies nicht nur in Fällen pauschalierter Vsleistungen, sondern auch dadurch, daß im allgemeinen Haftungsrecht die Schadensberechnung nach verschiedenen Prinzipien unterschiedlich ausfallen kann, wie z.B. bei der dem Käufer nach § 373 HGB zustehenden Wahl zwischen abstrakter und konkreter Schadensberechnung. Auch das Vsrecht kennt pauschalierte Schadensberechnungen in Zusammenhängen, die der Schadensv zugeordnet werden (Nachweise bei Bruck-Möller Anm. 4 6 - 4 8 vor §§ 49-80; § 55 Anm. 9-12). So kann nicht bezweifelt werden, daß die Zeit für eine Überprüfung der strengen Trennung von Summen- und Schadensv reif ist. Es ist konsequent, daß Sieg VersRdSch 1968 S. 187 ihre Berechtigung verneint. Demgegenüber wäre es ein methodisch unzulässiger und sachlich vordergründiger Einwand, daß der Vte nach herkömmlicher Abgrenzung von Schadensv und Summenv davon ausgeht, daß ein ihm gegen einen verantwortlichen Drittschädiger zustehender Schadensersatzanspruch nicht zu seinem Nachteil gemäß § 67 I auf den Unfallver übergeht. Auch der Hinweis darauf, daß die Unfallver bisher keinen Regreß für die Leistung von Tagegeld genommen haben, verschlägt nichts: Die Abgrenzung der Schadensv von der Summenv ergibt sich aus der von der Vorstellung der Vertragsparteien zu abstrahierenden objektiven Auslegung des Vertragsinhaltes. Im übrigen würde — und sollte — das jeweilige Bedingungswerk durch einen Hinweis auf die entsprechenden Rechtsfolgen, d. h. durch eine dem § 67 entsprechende Vorschrift ergänzt werden. Gleichwohl ist der Anstoß von Sieg dem Einwand ausgesetzt, daß er auf eine Gesetzeskorrektur hinausläuft. Ihre sachliche Berechtigung ergibt sich aus den von Sieg angeführten Gründen. Ihre Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt sachgemäßer Rechtsfortbildung steht indes nicht außer Zweifel angesichts des Umstandes, daß die Beteiligten (Prämienkalkulation!) sich mit dieser Abgrenzung eingerichtet haben, ihre Aufgabe mutmaßlich nicht für vordringlich halten und ein Regreß des Vers insoweit Unruhe in die Schadensregulierung tragen würde. Berücksichtigt man ferner, daß das W G von dieser Trennung von Summen- und Schadensv als zwingend gebotener Unterscheidung ausgeht und auf dieser Trennung aufbaut (vgl. Anm. G 13 zum Vsfall in der Unfallv), so wird man für eine im Sinne Siegs durchzuführende Veränderung dieser Abgrenzung auf ein Tätigwerden des GesetzWagner

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gebers warten müssen. Sie würde eine grundlegende Neukonzeption des privaten Vsrechts erfordern. [B 15] 6. Unfallversicherung und versichertes Interesse a) Vorbemerkung Der Begriff des vten Interesses wird vom W G in einer Reihe von Vorschriften verwendet; §§ 51, 58, 59, 68, 80. Seine Funktion und Bedeutung sind nicht für alle Vorschriften gleich. Möller hat sechs voneinander zu unterscheidende Funktionen des vsrechtlichen Interessebegriffes aufgezählt und beschrieben (Bruck-Möller § 49 A n m . 36). Dem ist speziell für die Personenv hinzuzufügen, daß die Regelung des § 68 I und II auch den Mangel oder Fortfall der vten Gefahr umfaßt und insoweit für die Unfallv auch bedeutsam werden kann, wenn diese als Summenv betrieben wird (Sieg Bd II § 68 Anm. 15 und unten Anm. C 2 und D 25). Der vsrechtliche Interessebegriff ist vorzugsweise in der Sachv bedeutsam und ist dort als Wertbeziehung einer Person zu einem Vermögensgut zu bezeichnen (Bruck-Möller § 49 Anm. 49—50 S. 66). Dieser Begriff des vsrechtlichen Interesses im engeren Sinn hat folgende Funktionen: E r ermöglicht die Erfassung des subjektiven Risikos: Nicht eine Sache schlechthin wird vert, sondern die Wertbeziehung des Eigentümers X. In dieser Funktion konkretisiert der Interessebegriff zugleich das volle Risiko, das der Gefahrtragung zugrunde liegt, d. h. einschließlich des subjektiven Risikos, das sich aus den Eigenschaften des Interesseträgers ergibt. Zum anderen ist der Interessebegriff geeignet, die Höhe der in Betracht kommenden Vsleistung abzugrenzen; diese ergibt sich aus der Beziehung des Vten zu dem Vermögensgut (Vswert). Und schließlich erfüllt der Interessebegriff für die Schadensv die Aufgabe, die Entschädigung dem wirklich Geschädigten zuzuweisen. Nur der Träger des vten Interesses selbst ist legitimiert, die Entschädigungsleistung zu erheben (vorstehende Darstellung übernommen von Möller in Bruck-Möller § 49 Anm. 36 S. 61; zur letztgenannten Funktion des Interessebegriffes vgl. auch Sieg Anm. 14—16 vor §§ 74—80). [B 16] b) Bedeutung für die Unfallversicherung Soweit die Unfallv Schadensv ist (hierzu oben Anm. A 10 und Β 11), sind die vorstehend genannten Vorschriften (Anm. Β 15), die nach der Systematik des Gesetzes für die gesamte Schadensv gelten sollen (vgl. Überschrift zum 2. Abschnitt 1. Titel vor § 49), unmittelbar anzuwenden. Dem steht jedoch entgegen, daß die Unfallv, soweit sie Schadensv ist, nach einhelliger Auffassung als Passivenv (Anm. Β 18) ausgestaltet ist. Eine Wertbeziehung des Vmers oder Vten zu einem Vermögenswerten Gut ist nicht Gegenstand der Gefahrtragung im vorgenannten Sinne. Vielmehr wird der Vmer von notwendigen Aufwendungen freigehalten, oder ihr Betrag, soweit von ihm verauslagt, wird ihm ersetzt (für Heilkosten vgl. § 8 VI (1) AUB; zur schadensrechtlichen und vsrechtlichen Einordnung Bruck-Möller § 49 Anm. 78 S. 90 für die Krankheitskostenv und Anm. 48 S. 66 allgemein für die Passivenv). Die von Möller (Bruck-Möller § 49 Anm. 48 S. 66) verwendete Kennzeichnung der Passivenv als Schutz vor der Entstehung einer Unwertbeziehung (insbesondere Belastung mit einer Verbindlichkeit) dient der begrifflichen Systematik. Sie gibt keine für die Rechtsanwendung bedeutsame Antwort auf die Frage, inwieweit die Vorschriften, deren Tatbestand den Begriff des vten Interesses enthalten, für die Unfallv anwendbar sind. Dies entscheidet sich vielmehr nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften, vgl. oben Anm. A 13, A 1 7 - 1 9 und A 27. Für die Unfallv als Summenv sind diese Vorschriften nach der Systematik des Gesetzes nicht anwendbar. Indes enthalten sie z.T. Regelungen, die auf allgemeinen 74

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II. Einordnung der privaten Unfallversicherung

Anni. Β 17

vsrechtlichen Rechtsgedanken beruhen und deshalb für die Personenv auch insoweit heranzuziehen sind, als diese Summenv ist; vgl. oben Anm. A 17—A 19. Der vsrechtliche Interessebegriff ist für die Unfallv auch insoweit bedeutsam, als er dazu dient, die V von Spiel und Wette abzugrenzen; zu dieser Funktion Bruck-Möller § 49 Anm. 36, Sieg Anm. 16 vor §§ 7 4 - 8 0 und Prölss-Martin21 Anm. 2 vor § 51, S. 278—279. Die für diesen Zusammenhang wesentliche Bedeutung des vsrechtlichen Interesses läßt sich dahingehend formulieren, daß der Vsvertrag — im Gegensatz zu Spiel und Wette — voraussetzt, daß der Vmer am Nichteintritt des Vsfalles interessiert sein muß; vgl. hierzu Prölss-Martin21 Anm. 4 A vor § 51, S. 279. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Eintritt des Vsfalles dem Vmer vermögensmäßig nur vorteilhaft sein kann. Typische Beispiele hierfür sind die V fremder Werte und fremden Lebens für eigene Rechnung (vgl. §§ 74 II, 80 II, 159 und 179). Das W G hat der hier drohenden Gefahr, daß die Grenze von der V zu Spiel und Wette überschritten wird, nur im Zusammenhang mit der V für fremde Rechnung in § 75 I 1 Rechnung getragen; vgl. hierzu Sieg Anm. 16 vor §§ 74—80, der diese Vorschrift als zum ordre public gehörend wertet. Dagegen ist dieses Problem für die Lebens- und Unfallv unzureichend geregelt (nachstehend Anm. Β 17). [Β 17] c) Bedenken gegen die Regelung in § 179 I und ΠΙ Die Regelung des § 179 läßt eine den Grundsätzen des W G zur Vermeidung einer Wettv zuwiderlaufende Vertragsgestaltung und damit zugleich die Spekulation mit fremdem Leben und fremder Gesundheit zu, wenn nur die Gefahrsperson zustimmt: Unter dieser Voraussetzung kann der Vmer gemäß § 179 I und III 1 Leben und Gesundheit eines Dritten „für eigene Rechnung" vern. Hierfür könnte angesichts der derzeit günstigen Prämiengestaltung in der Unfallv ein echter Anreiz bestehen. So kann ein Vmer geneigt sein, eine Unfallfremdv für eigene Rechnung auf Leben und Gesundheit eines Bekannten abzuschließen, der als leichtsinniger Kraftfahrzeugfahrer bekannt ist und dessen Fahrweise einen Unfall erwarten läßt. Bestehen hier zwischen dem Vmer und der Gefahrsperson (Begriff: Anm. Η 17) keine Beziehungen, die ein im weitesten Sinne verstanden — Versorgungsverhältnis begründen, so ist ein schutzwürdiges Interesse des Vmers an einer solchen Vertragsgestaltung nicht erkennbar. Der Vmer muß nach Sachlage auf den Eintritt des Vsfalls hoffen, denn nur diese Erwartung rechtfertigt aus seiner Sicht die Prämienzahlung. Würde in einem solchen Falle zugleich eine Krankheitskostenv gemäß § 8 VI. AUB vereinbart werden, so müßte die Frage gestellt werden, ob mit Zahlung der Krankheitskosten — entstanden aus Anlaß der Heilung der Gefahrsperson — an den Vmer gemäß § 67 I ein Schadensersatzanspruch der Gefahrsperson gegen einen verantwortlichen Dritten auf den Ver übergehen würde. Für dieses Ergebnis sprechen der Wortlaut der Vorschrift des § 67 I und die Erwägung, daß der Ver anderenfalls seinen Regreß verlieren würde. Es ist anerkannt, daß der Ver nicht die Nachteile der Rollenspaltung — Ver einerseits und Gefahrsperson andererseits — tragen soll, die sich für alle Fälle der Unfallfremdv ergeben. Ein Anspruchsübergang für Fälle dieser Art gemäß § 67 I wird verneint von Sieg § 67 Anm. 136 (für PKV): Es heiße, dem § 67 Gewalt anzutun, wenn die Ansprüche der Gefahrsperson, die keinerlei Rechte aus dem Vsvertrag habe, auf den Ver übergehen würden. Dagegen geht Thiel VersR 1955 S. 729 r. Sp. offensichtlich davon aus, daß § 67 I auch in Fällen dieser Art anwendbar ist. Gleichwohl entspricht die vorbezeichnete Vertragsgestaltung geltendem Recht : Die Gesetzesverfasser haben diese Möglichkeit des Mißbrauchs nicht übersehen, vgl. Motive Neudruck 1963 S. 148 und 240, Fuchs S. 77 m.N. und die historischen Bezüge, erwähnt bei Schmidt-Rimpler VersR 1963 S. 497. Da in der Alltagspraxis Mißbräuche dieser Art nicht in Erscheinung getreten sind, sich vielmehr die Form des Wagner

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Anm. Β 18

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Vsbetruges in der privaten Unfallv auf Selbstverstümmelungen konzentriert (vgl. Anm. G 74), kommt den vorstehenden Hinweisen ein weniger praktisches als rechtstheoretisches Gewicht im Hinblick auf die systemfremde Regelung in der Unfallv zu; vgl. hierzu im übrigen die Ausführungen unten H 20—25. [Β 18] 7. Unfallversicherung als Aktiven- oder Passivenversicherang Passivenv ist V gegen die Entstehung von Verbindlichkeiten oder anderen „Ungütern", die das Vermögen des Vten belasten (Bruck-Möller Anm. 17-21 vor §§ 49—80). Sie steht im Gegensatz zur Aktivenv, deren Gegenstand die Wertbeziehung des Vten zu einem Vermögenswerten Gut ist. Soweit sich das Schrifttum zu der Frage äußert, ob die private Unfallv Aktiven- oder Passivenv sei, geschieht dies nur im Hinblick auf Entschädigungsleistungen, die nach dem Prinzip der Schadensv geschuldet werden. Hierzu wird ausschließlich die Meinung vertreten, daß die Unfallv, wie auch die PKV, Passivenv sei; Bruck-Möller § 49 Anm. 78, Wriede Bd VI Anm. A 4 und Schmidt—Rimpler VersR 1963 S. 494, jeweils m.w.N. Prölss-Martin21 Anm. 1 C, S. 278 distanzieren sich vom Begriffspaar Passivenv und Aktivenv; sie kennzeichnen die Passivenv als V „ohne spezielles Schutzobjekt", als deren wichtigstes Beispiel die Personenv genannt wird; vgl. auch Prölss-Martin a.a.O. Anm. 1 Β a vor § 51. Ein sachlicher Unterschied gegenüber der Begriffsverwendung von Möller, der sich für die Rechtsanwendung auswirkt, ergibt sich insoweit nicht. Die Einordnung der Unfallv als Passivenv — soweit sie Schadensv ist — ist nicht selbstverständlich. Sie beruht auf mehreren voneinander unabhängigen Erwägungen. Im allgemeinen Haftungsrecht wird Körperschaden als immaterieller Schaden bezeichnet (Larenz Schuldrecht I 11 S. 348). Diese Auffassung entspricht der einhelligen Meinung im Haftungsrecht. Diese Einordnung des Körperschadens als immaterieller Schaden beeinflußt auch die vsrechtliche Wertung. Sie steht der Vorstellung einer Wertbeziehung des Vmers zu seiner Gesundheit entgegen. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß das bürgerliche Recht diese Unterscheidung nicht vollzieht. Das ergibt sich aus der Regelung des § 249 S. 2 BGB. Dort wird im Hinblick auf die Art der Schadensersatzleistung zwischen Personen und Sache rechtlich nicht unterschieden. Sieht man vom entgangenen Gewinn ab, für den § 842 BGB gegenüber § 252 BGB eine Sonderregelung enthält, so unterscheiden sich Sach- und Personenschaden strukturell nicht voneinander. Das wird durch die Regelung des § 253 BGB bestätigt. Angesichts der Regelung des § 249 BGB kann nicht zweifelhaft sein, daß Körperschaden nicht als immaterieller Schaden im Sinne des § 253 BGB betrachtet wird. Gleichwohl ist der h. M. in der Einordnung der Unfallv als Passivenv zu folgen. Das ergibt sich zwar nicht aus der Erwägung, daß die Notwendigkeit, Aufwendungen zur Wiederherstellung des Körpers zu machen, der Belastung mit einer Verbindlichkeit nach dem Vorbild der Haftpflichtv gleichzustellen ist. Der Unterschied ist evident: Der Verletzte kann davon absehen, Arzt oder Krankenhaus zum Zwecke der Heilung in Anspruch zu nehmen. Diese tatsächliche Möglichkeit besteht für denjenigen, der sich durch eine Haftpflichtv gegen die Belastung mit Verbindlichkeiten schützt, nicht. Wird er aus einer solchen Verbindlichkeit von einem Dritten in Anspruch genommen, so kann er der Notwendigkeit, diese Verbindlichkeit zu erfüllen, nicht ausweichen. Aber der Charakter der Unfallv (insbesondere Heilkosten) als Passivenv ergibt sich aus ihrer rechtlichen Ausgestaltung: Heilungskosten werden nur unter der Voraussetzung erstattet, daß sie die Form von Verbindlichkeiten angenommen haben in dem Sinne, daß sie dem Arzt oder Krankenhaus geschuldet werden oder gezahlt worden sind. Das bedeutet: Vsrechtlich bedeutsam wird ein Körperschaden erst und nur dann, wenn sich als Folge der Heilbehandlung ein echtes Passivum im Sinne einer Belastung des Vmers 76

Wagner

II. Einordnung der privaten Unfallversicherung

Anm. Β 20

mit einer Verbindlichkeit ergibt. Auch sonst würde die Einordnung der Krankheitskostenv als Aktivenv nicht passen: Der legitime Restitutionsaufwand wird beim Sachschaden durch den Wert (Wertbeziehung) des vten Gegenstandes begrenzt (vgl. § 251 BGB). Dem entspricht die Regelung über den Wert der vten Sache in §§ 51 und 52. Demgegenüber kann der Restitutionsaufwand bei Körperschäden unendlich sein, weil das Regulativ der Wertbegrenzung fehlt. Diese Begrenzung ist nur für das Vsrecht durchzuführen. Das geschieht in der Unfallv durch Angabe einer zeitlichen Begrenzung und einer Höchstsumme („innerhalb des ersten Jahres . . . bis zum vten Betrag"), vgl. hierzu Anm. A 13. [Β 19] 8. Unfallversicherung als Risikoversicherung Die Unfallv ist Risikov: Der Eintritt des Vsfalles ist ungewiß. Ihr Zweck ist es, „bei dem — nur als möglich vorgestellten — Eintritt des Vsfalles die im voraus . . . festgelegten Beträge ohne Rücksicht darauf zu erhalten, wie hoch der Schaden tatsächlich ist und ob ein Dritter Ersatz zu leisten hat . . . " , BGH 19. IV. 1963 BGHZ Bd 39 S. 249-255 = NJW 1963 S. 1604-1906 = VersR 1963 S. 545-547. Im Gegensatz hierzu ist die nicht abgekürzte Lebensv als S par ν dazu bestimmt, in jedem Fall zur Auszahlung eines festen Kapitals zu führen. Ungewiß ist lediglich der Zeitpunkt der Leistung (BGH a.a.O.). Der BGH zieht aus dieser Unterscheidung Folgerungen für die Anrechnung der Vssumme im Wege der Vorteilsausgleichung: Die Erträgnisse des verfrüht dem Erben zugefallenen Kapitals werden bei der Berechnung des Schadens des Unterhaltsberechtigten (§ 844 Abs. 2 BGB) berücksichtigt. [B 20] 9. Abgrenzung der Unfallversicherung von anderen Versicherungszweigen a) Lebensversicherung Soweit aus der Unfallv Entschädigung für den Todesfall geleistet wird, steht sie der Lebensv am nächsten. Sie könnte in diesem Zusammenhang als besondere Form der Lebensv bezeichnet werden: Vsfall ist nicht der Tod (allein), sondern der Tod durch Unfall (§§ 2 (1), 8 I. AUB). Dem entspricht es, daß sich im W G inhaltsgleiche Vorschriften für die Lebensv und die Unfallv finden (§§ 159, 170 einerseits und §§ 179 und 181 andererseits), und daß in § 180 für das Bezugsrecht in der Unfallv generell auf die Vorschriften der §§ 166-168 für die Lebensv verwiesen wird. Die Unfallv mit Prämienrückgewähr wird gelegentlich als V bezeichnet, die Elemente der Unfallv und der Lebensv vereine, FinanzG München 18. III. 1964 VersR 1965 S. 272 mit Nachweisen a. a. O. r. Sp. oben und Anm. Β 42. Hinsichtlich der vom Ver übernommenen Gefahr handelt es sich indes um eine Unfallv (FinanzG München 17. VII. 1964 VersR 1965 S. 447 - nur Leitsatz). Ihre Besonderheit liegt allein in der Art der Prämienzahlung: Der Vmer leistet ein bestimmtes Kapital, das ihm zurückerstattet wird. Die Deckung des Risikos erfolgt aus dem vom Ver gezogenen Zinsertrag (vgl. die Stellungnahme des Bundesfinanzministers, wiedergegeben in BFH 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 362-364. Eine Kombination von Lebens- und Unfallv bietet die in der Praxis regelmäßig mit dem Lebensv-Vertrag abgeschlossene Unfall-Zusatz ν (VA 1975 S. 295; abgedruckt auch oben Anm. A 5), die mit der Lebensv einen einheitlichen Vertrag bildet und deshalb als besondere Form der Lebensv zu bezeichnen ist (Prölss-Martin21 Anm. 4 vor § 159, S. 935). Der Unfallzusatz führt zu einer Erhöhung der Entschädigungsleistung von 100 Prozent für den Fall, daß der Tod durch Unfall herbeigeführt worden ist. Der Unfall als Voraussetzung der Zusatzleistung entspricht dem Unfallbegriff des § 2 (1) AUB, er wird in ähnlicher Weise wie bei der Allgemeinen Unfallv durch Ausschlüsse modifiziert. Wagner

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Aran. Β 21

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Auch die B e r u f s u n f ä h i g k e i t s v hat Berührungspunkte sowohl zur Lebensv als auch zur Unfallv. Als Zusatzv zur Lebensv hat sie in erster Linie Prämienbefreiung des Vmers für den Fall vorzeitiger Berufsunfähigkeit zum Gegenstand (VA 1975 S. 2). Sie kann aber auch in der Weise abgeschlossen werden, daß die Berufsunfähigkeit zusätzlich zur Prämienbefreiung die Pflicht des Vers auslöst, Rentenleistungen zu erbringen. Daneben ist die Berufsunfähigkeitsv auch als selbständige V in der Weise möglich, daß sie, unabhängig von einer gleichzeitig genommenen Lebensv, für den Fall der Berufsunfähigkeit Rentenleistungen an den Vten erbringt (VA 1974 S. 351). Der Begriff der Berufsunfähigkeit (§ 2 BUV) ist weiter als der der Invalidität im Sinne des § 8 II (1) AUB: Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Vte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere nach seinen persönlichen Verhältnissen ihm zumutbare Tätigkeit auszuüben. Auch die selbständige Berufsunfähigkeitsv ist Lebens·, nicht Unfallv, vgl. BGH 18. XII. 1954 BGHZ Bd 16 S. 3 7 - 5 0 (42-44). [B 21] b) Haftpflichtversicherung Die H a f t p f l i c h t hat sich historisch aus der Unfallv entwickelt (Anm. Β 3 m. Ν.). Die Funktion der Haftungsersetzung war zunächst von der Unfallv übernommen worden. Insoweit werden beide Vsarten noch heute als „austauschbar" bezeichnet, B G H 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 266, Marschall v. Bieberstein S. 251-252; hinsichtlich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtv wird erwogen, sie durch eine entsprechende (Pflicht-) Unfallv zu ersetzen, hierzu v. Hippel, Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen, München 1968 und die Referate von Sieg, v. Hippel und Schäfer anläßlich der Verhandlungen des Deutschen Sozialgerichtstages 1974, veröffentlicht in der Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes Bd XIII, 1975, im gleichen Sinne schon Möller JW 1934 S. 1076-1080. Diese Erwägungen knüpfen an die Vorteile an, die die Unfallv gegenüber der Haftpflichtv für den Gläubiger des Vsanspruchs bietet: Die Leistung des Vers ist überwiegend summenmäßig bestimmt und erspart durch Pauschalierung die Schadensberechnung (Marschall v. Bieberstein S. 144—145 m.N.). Soweit die Unfallv als Summenv leistet, bleibt dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen der Beweis für die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches erspart. Diese Vereinfachung der Schadensregulierung führt zu der Möglichkeit, den Verletzten schneller zu entschädigen. Anschauliche Beispiele hierfür bieten die obligatorische Unfallv des Luftfahrtunternehmers ( § 5 0 LVG) und die Regelung des Schadensausgleich bei Betriebsunfällen durch die soziale Unfallv. In beiden Fällen wird zugleich durch Ausschluß der Haftung des Unternehmers (§§ 50 S. 3 LVG, 636 RVO) wirtschaftlich eine der Haftpflichtv ähnliche Wirkung herbeigeführt. In der rechtlichen Ausgestaltung weisen Unfallv und Haftpflichtv grundlegende Unterschiede auf: Die Haftpflichtv ist Schadensv, die Unfallv ist es in ihren bedeutsamen Entschädigungsleistungen nicht (Anm. Β 7—Β 9), sie unterliegt damit nicht den Vorschriften über das vsrechtliche Bereicherungsverbot (§§ 55, 67). Der Anspruch aus der Haftpflichtv steht nicht dem Verletzten (bzw. dessen Erben oder Bezugsberechtigten), sondern dem Schädiger zu (§ 149); anders nur die insoweit atypische Regelung des § 3 PflichtVG. Als juristisch gemeinsames Merkmal von Unfallv und Haftpflichtv bleibt hiernach nur die Feststellung, daß die Unfallv, soweit sie Ersatz für Heilkosten und sonstige notwendige Aufwendungen nach dem Prinzip der Schadensv gewährt, wie die Haftpflichtv Passivenv ist. Der Unfallv steht nahe die in § 40 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. VIII. 1976 (AMG) vorgeschriebene Probandenv. Sie sieht die V derjenigen Personen vor, die sich zum Zwecke des Testens eines neu einzuführenden 78

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Anni. Β 23

III. Einteilung der Unfallversicherung

Arzneimittels zur Verfügung stellen. Sie ist nicht Haftpflichtv, weil dem Probanden selbst ein Vsanspruch verschafft werden muß, aber auch nicht Lebens- oder Krankheitskostenv, denn dem Vten wird Entschädigung nicht (nur) für den Fall des Todes gewährt und die Entschädigungsleistung wird nicht auf die effektiv entstandenen Krankheitskosten begrenzt. Die in § 40 AMG in ihrer Ausgestaltung nur unvollständig beschriebene Probandenv steht deshalb einer Unfallv am nächsten. Sie als Unfallv im hergebrachten Sinne zu bezeichnen und einzuordnen, stößt wegen des Unfallbegriffs auf Bedenken: Die Schädigung des Probanden wird sich regelmäßig nicht plötzlich vollziehen. Es fehlt hierfür am Merkmal des Unerwarteten und des zeitlich begrenzten Einwirkens, wenn ein neues Medikament, dessen gesundheitsschädigende Wirkung kalkuliert ist und zugleich den Anlaß für den Test bildet, über längere Zeit ausprobiert wird. [B 22] c) Krankheitskostenversicherung Die PKV ist, wie die Unfallv, i.d.R. eine Kombination von Summen- und Schadensv. Sie ist Summenv, soweit Leistungen als Tagegeld und für den Todesfall vereinbart werden, Schadensv, soweit es um den Ersatz der Krankheitskosten im weitesten Sinne geht. Die PKV schließt gleichsam die private Unfallv ein: Die die Entschädigungspflicht auslösenden Ereignisse sind Krankheit oder Unfall (§ 1 MB KK, abgedruckt bei Wriede Bd VI Anm. A 45 S. 36); das Ausmaß der Entschädigung bemißt sich nach Art und Dauer der Krankheit oder ergibt sich aus den Unfallfolgen (§ 1 (2) MB KK). Der Unfallbegriff ist auch für den Beginn der materiellen Vsdauer bedeutsam: Die regelmäßige Wartezeit entfällt u. a. bei Unfällen (§ 3 (2) a MB KK). [B 23] d) Filmausfallversicherung Als Beispiel für eine Vsform, die Elemente der PKV und der Unfallv in sich vereinigt, kann die Film-Ausfallv (AVB abgedruckt VA 1965 S. 7 4 - 7 5 ) bezeichnet werden. Nach § 1 Ziff. 2 der AVB liegt ein Vsfall vor, wenn eine oder mehrere der im Antrag genannten Personen innerhalb der versicherten Zeit vorübergehend oder dauernd durch Unfall, Krankheit oder Tod ausscheiden, sofern hierdurch in der Herstellung des Films Störungen oder Unterbrechungen verursacht werden. . . . Hiernach sind „Risikoträger" (vgl. Möller UFITA Bd VIII S. 222 unten) der Filmausfallv natürliche Personen, die an der Herstellung eines Films beteiligt sind und deren Ausfall die Herstellung verzögert oder in Frage stellt. Dem Hinweis von Möller a . a . O . S. 223, daß diese Personen im gleichen Sinne schutzbedürftig seien, wie dies bei der Lebens- und Unfallv eines anderen für eigene Rechnung in §§ 159 II 1, 179 III 1 anerkannt ist, folgen die neuen AVB, indem sie in § 3 Ziff. 2 den Vmer — im Sinne einer Obliegenheit — verpflichten, die Einwilligung dieser Personen zum Vertragsschluß einzuholen. Wegen der besonderen Probleme, die diese als Kombination (auch) von Sach- und Personenv ausgestaltete V aufwirft, ist auf Möller a.a.O. S. 219—240 und Rehbinder, Die Filmversicherung, Baden-Baden 1964, S. 65—75 hinzuweisen.

III. Einteilung der Unfallversicherung Gliederung: 1. Soziale und private Unfallv Anm. Β 2 4 - 3 4

2. Uberblick über die Arten der privaten Unfallv Anm. Β 3 5 - 4 6

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Anm. Β 25

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung 1. Soziale und private Unfallversicherung

Gliederung: Schrifttum Anm. Β 24 a) Allgemeines Anm. Β 25 b) Besonderheiten der sozialen Unfallv Anm. Β 2 6 - 3 4 aa) Beteiligte Anm. Β 26 bb) Innenverhältnis zwischen Vtem und Vsträger Anm. Β 27 cc) Innenverhältnis zwischen Vtem und Unternehmer Anm. Β 28

dd) Voraussetzungen des Vsschutzes Anm. Β 2 9 - B 32 aaa) V kraft Gesetzes Anm. Β 30 bbb) V kraft Satzung Anm. Β 31 ccc) V kraft freiwilligen Beitritts Anm. Β 32 ee) Leistungen aus der sozialen Unfallv Anm. Β 33 c) Überschneidungen der sozialen und privaten Unfallv Anm. Β 34

[Β 24] Schrifttum: Bronisch, Die Abonnentenversicherung in: 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, Berlin 1957, S. 107, Burkardsmaier DB 1972 Beilage zu Heft 11, Eckart VA 1965 S. 61-63, Grewing VW 1964 S. 618-619, Die Strahlenunfallversicherung, Karlsruhe 1965, Hauschildt, Der Begriff des Unfalls im Sinne der privaten und sozialen Versicherung, ungedruckte Diss. Hamburg 1925, Hofmann, Ernst, Die private Unfallversicherung, Karlsruhe 1970, Jäger, Sozialversicherungsrecht, 7. Aufl., Berlin 1975, Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl., Karlsruhe 1966, Möller VW 1964 S. 605-612, Opitz BB 1957, Beilage zu Heft 10, Storck DB 1961 Beilage zu Heft 9, Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd I, Tübingen 1965.

[B 25] a) Allgemeines Der Vsvertrag in der privaten Unfallv ist seiner bürgerlich-rechtlichen Einordnung nach ein dem Besonderen Schuldrecht zugehöriges, durch Willensübereinstimmung der Vertragschließenden herbeigeführtes Rechtsverhältnis. Im Sinne der Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung (Gefahrtragung und Prämienzahlung) ist er ein synallagmatischer Vertrag mit Spezialregelungen, die die Vorschriften über Leistungsstörungen ζ. T. den besonderen Erfordernissen dieses Vertragstyps anpassen, vgl. im einzelnen Bruck-Möller § 1 Anm. 34—51, Eichler S. 17—37, jeweils m.w.N. Der aleatorische Charakter des Vsvertrages und der Gedanke der Gefahrengemeinschaft erfordern Vorschriften, die eine unerlaubte Spekulation auf Kosten der Gefahrengemeinschaft ausschließen (ζ. B. §§ 2, 38, 39) und die Begründung „vielfach nuancierter Gruppen von Verhaltensnormen", außer den eigentlichen Rechtspflichten auch sog. Obliegenheiten (Bruck-Möller § 6 Anm. 3), die ein vertragsgerechtes, d. h. der Gefahrengemeinschaft entsprechendes Verhalten des Vten sicherstellen. Daß die V der Bedarfsdeckung diene, bezeichnet in erster Linie eine wirtschaftliche Funktion, dagegen ist die Unterscheidung von abstrakter und konkreter Bedarfsdeckung (Anm. Β 12—Β 14) von juristischer Bedeutung. Von diesen — hier nur skizzierten - Merkmalen der privaten V finden sich in der öffentlich-rechtlichen Unfallv nur solche, die innerhalb des Definitionskems „Versicherung" deren wirtschaftswissenschaftliche Einordnung betreffen (Wannagat S. 17): Auch die Sozialversicherung ist als „gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit geschätzten Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit" zu verstehen (Wannagat S. 17 m.N.). Diese Funktionsgleichheit der privaten und öffentlich-rechtlichen V führt zu Parallelen in der rechtlichen Ausgestaltung. Sie zeigen sich

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III. Einteilung der Unfallversicherung

Anm. Β 28

insbesondere im Bereich der Gefahrbeschreibung (ausführlicher hierzu Anm. G 279— 288). Diese Parallelität sollte nicht überschätzt werden: Das Recht der sozialen Unfallv ist Besonderes Verwaltungsrecht. Vsschutz wird nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen gewährt, seine Voraussetzungen und sein Umfang sind vom Gesetz weitgehend zwingend ausgestaltet. Die gesetzliche Regelung läßt zwar für die Gestaltung der Vsleistung im Einzelfall einen erheblichen Spielraum, da sie nach Art und Höhe der jeweils aus den Unfallfolgen sich ergebenden Notwendigkeit anzupassen sind. Aber die Gestaltung im Einzelfall ist der Entscheidung des Vsträgers anheimgegeben; glaubt der Vte, weitergehende oder andersgeartete Ansprüche zu haben, so macht er sie im Verfahren vor den Sozialgerichten geltend. Dieses Verfahren ist weitgehend dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgebildet (vgl. hierzu die grundsätzlichen Bemerkungen von Wannagat S. 2 5 - 3 1 m.N.). Die soziale Unfallv ist in der RVO geregelt. Sie wird in das Sozialgesetzbuch übernommen werden, dessen Allgemeiner Teil am 11. XII. 1975 verkündet worden ist (BGBl. 1975 I S. 3015). Nach Art. II § 1 des SGB gilt (u. a.) die RVO mit den zu ihrer Ergänzung und Änderung erlassenen Gesetzen als Besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs. Die Regelung der sozialen Unfallv ist hiernach weiterhin den Vorschriften der §§ 537-895 RVO zu entnehmen. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf einen Überblick über die allgemeine Unfallv unter Ausschluß der landwirtschaftlichen und der See-Unfallv. [B 26] b) Besonderheiten der sozialen Unfallversicherung aa) Am ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n V s v e r h ä l t n i s beteiligt'sind in jedem Falle der Vsträger und der Vte. Für den Bereich des Arbeitsrechts ergibt sich dagegen ein für die soziale Unfallv eigentümliches Dreiecksverhältnis zwischen Vsträger, Unternehmer und Vtem. Vsträger sind gemäß § 646 Abs. 1 RVO grundsätzlich die in der Anlage 1 zu § 646 RVO aufgeführten B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t e n und in den Fällen der §§ 653-657 RVO (öffentliche Hand als Unternehmer) die dort genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Hier sind Vsträger und Unternehmer identisch. Der Vsträger ist Schuldner der Entschädigungsleistung. Er wird vom Vten, soweit dessen geltendgemachter Anspruch nicht befriedigt wird, vor dem Sozialgericht verklagt (§51 SGG). Mitglieder der Berufsgenossenschaft sind kraft Gesetzes (§ 658 Abs. 1 RVO) die U n t e r n e h m e r . Wer Unternehmer ist, bestimmt sich nach § 658 II RVO. Nach § 658 II Ziff. 1 RVO ist Unternehmer derjenige, „für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) geht . . . " Die Unternehmer haben durch ihre Beitragsleistung an die Berufsgenossenschaft die Mittel für die Leistungen der sozialen Unfallv aufzubringen (§ 723 RVO). Der Vte ist an der Aufbringung der Mittel nicht beteiligt. [B 27] bb) Das Innenverhältnis zwischen Vtem und Vsträger richtet sich nach den Vorschriften über die Entschädigungsleistung (§§ 547, 556-635 RVO). Es stellt sich als ein den Vsträger einseitig verpflichtendes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis dar. Die Gewährung der Entschädigungsleistung geschieht von Amts wegen und setzt — im Gegensatz zur gesetzlichen Kranken- und Rentenv — einen Antrag des Geschädigten nicht voraus. [B 28] cc) Das Innenverhältnis zwischen Vtem und Unternehmer ist für den Anspruch auf Entschädigungsleistung und damit für den eigentlichen Inhalt des öffentlich-rechtlichen Vsverhältnisses insoweit von Bedeutung, als es den sachlichen Bereich der Gefahrtragung abgrenzt. Das gilt insbesondere, wenn der Vte Arbeitnehmer ist. 6

B r u c k - M ö l l e r , W O , 8.Aufl. VI. 1 (Wagner)

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Anm. Β 33

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Gemäß § 548 I i.V.m. § 539 I Ziff. 1 RVO ist ein Arbeitsunfall vert, den der Vte im Zusammenhang mit der für den Unternehmer geleisteten Arbeit erleidet. Für den Unternehmer hat die Unfallv wirtschaftlich zugleich die Wirkung einer Haftpflichtv: Gemäß § 636 RVO ist er seinem Arbeitnehmer für einen Arbeitsunfall auch dann nicht entschädigungspflichtig, wenn eine Schadensersatzpflicht sich aus allgemeinem Haftungsrecht (ζ. B. §§ 618, 823 BGB, 7, 18 StVG oder aus dem RHG) ergeben würde. Insoweit „erkauft" der Unternehmer durch seine Beitragsleistung eine Haftungsbefreiung, die (entsprechend § 152 W G für die private Haftpflichtv) nur dann nicht wirksam wird, wenn der Unternehmer den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. [B 29] dd) Voraussetzung für den Schutz durch soziale Unfallv ist nicht ein V e r t r a g s s c h l u ß . Ein dem privatrechtlichen Vsvertrag entsprechender Vertragsschluß zwischen Unternehmer und Berufsgenossenschaft ist weder notwendig noch möglich. Der Unternehmer ist Mitglied kraft Gesetzes. Soweit der Deckungsschutz des Vten durch die soziale Unfallv nach dem Wortlaut des Gesetzes (z. B. § 539 I Ziff. 1, 2 und 3 RVO) einen (Dienst-)Vertrag vorauszusetzen scheint, ist dessen Wirksamkeit zur Erlangung des Deckungsschutzes nicht erforderlich (Lauterbach, Unfallversicherung, Bd I, § 539 RVO Anm. 6). Das Gesetz macht in allen Fällen den Vsschutz nur von der tatsächlichen Situation abhängig, wobei im Arbeitsrecht vorausgesetzt wird, daß der Arbeitnehmer mit Willen des Unternehmers in dessen Betrieb tätig ist. [B30] D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s des Vten zum T r ä g e r der V wird in der Regel durch Gesetz, in zwei Sonderfällen durch Satzung oder kraft freiwilligen Beitritts begründet. aaa) Kraft Gesetzes gegen Unfall vert sind in der allgemeinen gesetzlichen Unfallv die in §§ 539 und 540 RVO genannten Personen, von denen hier beispielhaft nur die Arbeitnehmer (§ 539 I Ziff. 1 RVO), Personen, die Hilfe leisten oder Rettungshandlungen unternehmen (§ 539 I Ziff. 9 RVO), sowie Kinder in Kindergärten und Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen (§ 539 I Ziff. 14 RVO) genannt werden sollen. [B 31] bbb) Kraft Satzung des U n f a l l v s t r ä g e r s (§§ 670, 671 RVO) können Besucher eines Unternehmens sowie die Mitglieder und Organe der Vsträger für ihre Tätigkeit in den Organen und Verbänden der Vsträger vert sein (§ 544 RVO; Einzelheiten bei Lauterbach Anm. 4 zu § 544 RVO). [B 32] ccc) Kraft freiwilligen Beitritts können vert sein Unternehmer, soweit sie nicht schon kraft Gesetzes oder kraft Satzung vert sind. Der Beitritt setzt einen an den Vsträger gerichteten Antrag voraus. Die Wirksamkeit des Antrages beurteilt sich nach §§ 104ff. BGB. Mit Eingang des Antrages - eine Annahme im Sinne des § 146 BGB oder ein gleichbedeutender Akt ist nicht erforderlich - wird ein öffentlich-rechtliches Vsverhältnis begründet (vgl. Lauterbach Anm. 3 zu § 545 RVO). [B33] ee) D e r V s t r ä g e r e r b r i n g t f o l g e n d e Leistungen: Vor Eintritt des Vsfalles leistet er Unfallverhütung und ggf. Erste Hilfe (§ 546 RVO). Für die Durchsetzung der zur Unfallverhütung für notwendig gehaltenen Maßnahmen stehen dem Vorstand des Vsträgers Zwangsmittel zur Verfügung (vgl. die in § 546 II RVO genannten Vorschriften). Nach Eintritt des Vsfalles leistet der Vsträger Entschädigung nach Maßgabe der §§ 556 bis 635 RVO, nämlich (§ 547 RVO): 82

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III. Einteilung der Unfallversicherung

Anm. Β 34

Heilbehandlung Übergangsgeld besondere Unterstützung Wiederherstellung oder Erneuerung von Körperersatzstücken Berufshilfe Verletztenrente Sterbegeld Rente an Hinterbliebene Vsfall in der gesetzlichen Unfallv ist ein Unfall, den ein Vter bei einer der in den §§ 539, 540, 543-545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Er setzt voraus, daß ein den Körper des Vten schädigendes zeitlich begrenztes Ereignis mit der vten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Der in der Praxis bedeutsamste A r b e i t s u n f a l l liegt vor, wenn der Arbeitnehmer durch ein auf seinen Körper wirkendes zeitlich auf längstens eine Arbeitsschicht begrenztes Ereignis, das mit seiner vten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang steht, verletzt oder getötet wird (Lauterbach § 548 Anm. 3, Jäger S. 105-106 und unten Anm. G 283). Einem Arbeitsunfall im e n g e r e n S i n n e sind gleichgestellt als A r b e i t s u n f ä l l e im w e i t e r e n S i n n e der Wegeunfall (§ 550 RVO), die Berufskrankheit (§ 551 RVO — aufgezählt in der 7. Berufskrankheitenverordnung, abgedruckt unten G 215) und — in der Seeunfallv - bestimmte Ereignisse der See- und Binnenschiffahrt (§§ 552, 838 RVO). [B 34] c) Überschneidung der sozialen und privaten Unfallversicherung Zwischen den Bereichen der sozialen und der privaten Unfallv besteht kein Alternatiwerhältnis in dem Sinne, daß Vsschutz nur aus privater oder aus sozialer Unfallv in Anspruch genommen werden kann. Deshalb sind grundsätzlich auch Unfälle am Arbeitsplatz von der privaten Unfallv zu decken, soweit sie die Voraussetzungen des § 2 (1) und (2) AUB erfüllen und nicht nach § 2 (3) a AUB vom Deckungsschutz ausgenommen sind (dazu Anm. G 212). Das ist praktisch bedeutsam für die von privaten Unternehmern oftmals zugunsten der Arbeitnehmer abgeschlossenen Gruppen-Unfallvsverträge, deren Deckungsschutz über den der sozialen Unfallv hinausgeht und sich teilweise mit ihm deckt (Opitz BB 1957 Beilage zu Heft 10). Auch die private Unfallv für Kinder (unten Anm. Β 36) gewährt Deckungsschutz neben der sozialen Unfallv, soweit zugleich die Voraussetzungen des § 539 I Ziff. 14 a—c RVO bestehen. Wegen weiterer Möglichkeiten, die soziale Unfallv für Arbeitnehmer durch eine private Unfallv im betrieblichen Bereich zu ergänzen, vgl. auch Burkardsmaier DB 1972 Beilage zu Heft 11 und Storck DB 1961 Beilage zu Heft 9. 2. Überblick über die Arten der privaten Unfallversicherung Gliederung: a) Einteilung der Übersicht Anm. Β 35 b) Allgemeine Unfallv Anm. Β 36 c) Gruppen-Unfallv Anm. Β 37 d) Volks-Unfallv Anm. Β 38 e) Unfallv mit Prämienrückgewähr Anm. Β 39

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f) Familien-Unfallv Anm. Β 40 g) Luftfahrt-Unfallv Anm. Β 41 h) Kraftfahrt-Unfallv Anm. Β 4 2 - B 43 i) Strahlen-Unfallv Anm. Β 4 4 - B 45 k) Weitere Vertragsgestaltungen Anm. Β 46

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Amn. Β 37

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

[B 35] a) Einteilung der Ubersicht Der nachfolgende Überblick über Vertragsgestaltungen in der privaten Unfallv verzichtet auf eine Einteilung der Arten der Unfallv nach systematischen Gesichtspunkten. Zwar wäre es möglich, zu einer „Einteilung . . . oder Struktur" der Unfallv eine Reihe von wissenschaftlich und logisch vertretbaren Systemen zu finden, die jeweils auf verschiedenen Unterscheidungskriterien aufbauen (vgl. Grewing VW 1964 S. 618). Solche als System angelegte Unterscheidung kann aus didaktischen Gründen erforderlich und fruchtbar sein (Beispiel: Einteilung bei Grewing, Unfallversicherung, S. 80—89). Eine Erkenntnisquelle für vsrechtliche Theorie und Praxis ergibt sich aus ihr nicht. Die hier anschließende Darstellung folgt dem Gesichtspunkt, daß zunächst Unfallvn mit gleichsam normalem Deckungsumfang und sodann Unfallvn, die ein spezielles Risiko decken, kurz skizziert werden. In den jeweiligen Zusammenhang gehörende Sonder- oder Zusatzbedingungen werden dabei mitberücksichtigt. [B 36] b) Allgemeine Unfallversicherung Grundmodell der privaten Unfallv und damit zugleich Leitbild auch für spezielle Ausgestaltungen der privaten Unfallv ist die in den AUB von 1961 (VA 1961 S. 211—217 mit nachfolgenden Änderungen) im einzelnen geregelte Allgemeine Unfallv. Sie gewährt Deckungsschutz für alle Unfälle, die einem körperlich (gesundheitlich) normal verfaßten Vten (vgl. § 5 AUB) in einer gleichsam normalen Gefahrenlage (deutlich insoweit § 3 (1—3) AUB) zustoßen. Subsidiär ist die Allgemeine Unfallv nur im Hinblick auf die Leistung von Heilkosten (§ 8 VI. (3) AUB) und auch insoweit nur gegenüber der PKV. Im übrigen wird, soweit nicht die Unfallv als Schadensv betrieben wird und sich deshalb aus dem Bereicherungsverbot (§§ 55, 67) etwas anderes ergibt, volle Entschädigung neben Leistungen aus spezielleren Formen der Unfallv erbracht. Ein Vmer ζ. B., der eine allgemeine Unfallv neben einer auch als Eigenv wirkenden Insassen-Unfallv genommen hat, erhält die summenmäßig bestimmten Leistungen aus beiden Ven. Entsprechendes gilt für das Verhältnis der allgemeinen Unfallv zur obligatorischen Luftfahrt-Unfallv: Beide gewähren Deckungsschutz gegen Unfälle, die der V bei Reisen oder Rundflügen über Gebieten mit organisiertem Luftverkehr erleidet (vgl. § 4 (3) AUB einerseits und Opuv Ziff. 2 andererseits, hierzu Anm. Β 41). Die AUB gelten seit 1974 auch für die Unfallv von Kindern, die bis dahin in den Allgemeinen Kinder-Unfallvs-Bedingungen (AKiUB: VA 1964 S. 31) geregelt waren. Die Besonderheiten der Kinder-Unfallv sind nunmehr in Zusatzbedingungen für die Kinder-Unfallv (VA 1974 S. 359) behandelt. Sie gelten für die Unfallv von Kindern bis zum Ende desjenigen Vsjahres, in dem das vte Kind das 17. Lebensjahr vollendet und enthalten Sonderbestimmungen für Entschädigungsleistungen: So werden ζ. B. für Kinder bis zum 14. Lebensjahr keine Todesfallentschädigung, statt dessen aber Bestattungskosten und stets Kosten für Zahnersatz geleistet. Im Hinblick auf die inflationäre Entwicklung bieten die Unfallver wie die Lebensver eine V mit p l a n m ä ß i g e r E r h ö h u n g d e r V e r s i c h e r u n g s s u m m e n und B e i t r ä g e an. Hierfür sind vorerst drei Modelle entwickelt worden, für deren rechtliche Bedeutung auf Anm. E 10 verwiesen wird (abgedruckt in VA 1974 S. 359-360). [B 37] c) Gruppen-Unfallversicherung Die Gruppen-Unfallv ist die V einer Vielzahl von Personen durch einen Vmer in einem Vsvertrag (Hofmann S. 13). Diese Definition dient nur einer einleitenden groben Kennzeichnung; für eine juristisch präzise Erfassung des Gruppenvs-Vertrages 84

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III. Einteilung der Unfallversicherung

Amn. Β 40

ist sie ungeeignet (Millauer S. 5-15). Die Besonderheiten der Gruppen-Unfallv liegen nicht im Umfang des Deckungsschutzes. Die AVB für die Gruppen-Unfallv verstehen sich als Zusatzbedingungen (Überschrift VA 1961 S. 217) zu den AUB, auf die sie im Zusammenhang mit Fluggastwagnis und Vertragsdauer ( § § 3 und 4 der Zusatzbedingungen) verweisen. Die Besonderheit der Gruppen-Unfallv liegt darin, daß die Gefahrspersonen ohne jeweils erneuten Vertragsschluß auswechselbar und, soweit sie nicht namentlich im Gruppenvertrag genannt, nicht bestimmt, sondern nur bestimmbar sind. Die Gruppen-Unfallv wird ζ. B. von Unternehmern zur zusätzlichen Sicherung ihrer Arbeitnehmer vor Betriebsunfällen oder zur eigenen Sicherung im Sinne der Finanzierung betrieblicher Versorgungseinrichtungen genommen (hierzu Storck DB 1961 Beilage 9 und unten Anm. Η 63). Außerhalb des Arbeitsrechts dient die Gruppen-Unfallv auch der Sicherung vor zeitlich begrenzten Gefahren, ζ. B. für Sportveranstaltungen und Reisen oder als Dauerv zum Schutze der Mitglieder und/oder Besucher von Vereinen und Anstalten (Schulen), vgl. den Uberblick bei Millauer S. 83—84. Ein Anreiz zum Abschluß einer Gruppen-Unfallv durch günstige Prämiengestaltung ist den Vern nur in beschränktem Umfang gestattet (hierzu Millauer S. 115-121 und S. 162-164). [B 38] d) Volks-Unfallversichening Nach den Allgemeinen Volks-Unfallversicherungs-Bedingungen (AVuB) in der jetzt geltenden Fassung von 1966 (VA 1966 S. 127-130) wird vom Ver derselbe Umfang der Unfallgefahr gedeckt wie nach den AUB. Zweck der Volks-Unfallv ist es, durch Vereinfachung der Vertragsgestaltung, inbesondere der Regulierung, Kosten zu sparen und so eine günstigere Prämienkalkulation zu ermöglichen. Die Volks-Unfallv ist eine „Unfallversicherung mit kleineren Beträgen" im Sinne des § 189 I Ziff. 3. Die Vorschriften der §§ 38, 39, 42 sind hier nicht anwendbar. Die Vssumme darf für den Todesfall den Betrag von DM 3.000,— und für Invalidität den Betrag von DM 15.000,- nicht übersteigen. An die Stelle des Ärzteausschusses in der Allgemeinen Unfallv (§ 12 AUB) tritt ein ärztlicher Obergutachter (Einzelheiten bei Grewing, Unfallversicherung, S. 86-87). [B 39] e) Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr Auch die Unfallv mit Beitragsrückgewähr unterscheidet sich von der Allgemeinen Unfallv nicht durch den Umfang des Deckungsschutzes oder durch besondere Formen der Entschädigungsleistung. Ihre Besonderheit liegt in der Art der Prämienzahlung. Der Vmer stellt dem Ver ein Kapital zur Verfügung, das er nach einem bestimmten Zeitraum oder nach Kündigung voll zurückerhält, und zwar unabhängig davon, ob während dieser Zeit vom Ver Deckungsschutz gewährt worden ist oder nicht. Die Risikoprämie erwirtschaftet der Ver während der Laufzeit aus der Nutzung des Kapitals (vgl. Anm. Β 20). Diese Art der Unfallv wird häufig im Zusammenhang mit einer betrieblichen (Gruppen-) Unfallv gewählt (Beispiele und Gestaltungsmöglichkeiten bei Opitz BB 1957 Beilage zu Heft 10 unter II). [B 40] f) Familien-Unfallversicherung Die Familien-Unfallv ist an die Stelle der als Abonnentenv in Deutschland eingeführten und später als Zeitschriftenv bezeichneten Unfallv getreten. Die Unfallv wurde hier mit einer Sterbegeldv kombiniert und mit dem Bezug einer Zeitschrift oder mit der Teilnahme an einem Lesezirkel verbunden. Die zeitlich letzten AVB für Zeitschriftenv wurden von Präsidenten des Zonenamts mit Anordnung vom 27. Juli 1948 (VA 1948 S. 55—59) erlassen, durch Anordnung vom 1. Juni 1950 wurde die verwaltungsmäßige Trennung von Zeitschriftenbezug und Versicherung angeordnet Wagner

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Anm. Β 43

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

(VA 1950 S. 79-81; hierzu und zur Beurteilung dieser Vorgänge OLG Hamm 9. X. 1952 VA 1953 S. 36-39). [B 41] g) Luftfahrt-Unfallversicherung Die Unfallver bieten für die jeweils sehr verschiedenartigen Gefahren der Luftfahrt eine Reihe von „Besonderen Bedingungen . . . " an, wegen deren Inhalt auf die Veröffentlichung in VA 1972 S. 289-291 verwiesen wird. Diese Ven decken Gefahren, die in die Allgemeine Unfallv nicht eingeschlossen sind (§ 4 (3) AUB). Im folgenden soll nur ein kurzer Überblick über den Inhalt derjenigen Unfallv gegeben werden, die vom Luftfahrtuntemehmer gemäß § 50 S. 1 LVG pflichtgemäß zugunsten der Reisenden genommen wird. Diese als Lu U 3 in VA 1972 S. 290 abgedruckten „Besonderen Bedingungen für die obligatorische Unfallversicherung von Fluggästen in Luftfahrzeugen von Luftfahrtunternehmen (Opuv)" verstehen sich ebenfalls als Ergänzung zu den AUB, auf die sie eingangs verweisen. Die V ist an ein bestimmtes Flugzeug gebunden (Opuv Ziff. 1), sie erstreckt sich auf Unfälle, von denen die Fluggäste vom Besteigen bis zum Verlassen des Flugzeuges, während des Ein- und Aussteigens und während des Aufenthaltes auf Zwischenlandungs- und Notlandungsplätzen betroffen werden (Opuv Ziff. 2 Lit. a—c). Diese Luftfahrt-Unfallv ist V für Unfälle, die einem anderen zustoßen im Sinne des § 179 I und II. Deshalb ist es bedeutsam, daß die „aus ihr versicherungsberechtigten Personen . . . ihre Ansprüche selbständig geltend machen" können (Opuv Ziff. 3). Gemäß § 50 S. 2 LVG beträgt die Mindesthöhe der Vssumme für den Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit 35.000,- DM. [B 42] h) Kraftfahit-Unfallversicherung Die Kraftfahrt-Unfallv (§§ 16-21 AKB) gewährt Vsschutz gegen Unfälle, die im weitesten Sinne verstanden — im Zusammenhang mit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers erlitten werden (§ 17 (1) AKB). Nach § 16 AKB ist hinsichtlich der möglichen Vertragsgestaltungen zu unterscheiden: Vter kann der Halter des Fahrzeugs selbst sein. Insoweit handelt es sich um eine Eigenv des Vmers. Der Vmer kann aber auch (zugleich) die Insassen des Fahrzeuges gegen Unfall vern, und zwar entweder mit (§ 16 (5) AKB) oder ohne namentliche Benennung. Werden die vten Dritten nicht namentlich benannt, so können sie in der Weise bestimmt werden, daß sie als Berufsfahrer oder Beifahrer beim Vmer tätig sind. Hier kann weiter danach differenziert werden, ob Berufsfahrer oder Beifahrer nach dem Kraftfahrzeug oder nur kraft Anstellungsverhältnisses zum Vmer als Vte bestimmbar sind (§ 16 (2) b und c AKB). Außerhalb der sog. Berufsfahrerv wird der vte Insasse durch seine Eigenschaft als Insasse als Vter bestimmt. Vt ist der b e r e c h t i g t e Insasse. Das ist derjenige, der sich mit Wissen und Willen des über die Verwendung des Fahrzeuges Verfügungsberechtigten in oder auf dem vten Fahrzeug befindet oder im ursächlichen Zusammenhang mit seiner Beförderung beim Gebrauch des Fahrzeugs im Rahmen des § 17 (1) AKB tätig wird (§ 16 (1) S. 2 AKB). [B43] Hinsichtlich der B e r e c h n u n g der E n t s c h ä d i g u n g s l e i s t u n g unterscheiden die AKB für die Insassen-Unfallv zwischen P a u s c h a l s y s t e m und dem P l a t z s y s t e m (§§ 16 (1,4), 18 (2) AKB): Bei der Insassen-Unfallv nach dem Pauschalsystem wird die einheitliche Vssumme durch die Anzahl der zur Zeit des Unfalls im Fahrzeug befindlichen Insassen geteilt, wobei angestellte Kraftfahrer nicht mitgezählt werden. Dieses System der Entschädigungsleistung herrscht in der Praxis vor. Im Platzsystem, das ohne praktische Bedeutung ist und (selten) nur noch für Omnibusse und andere Kraftfahrzeuge, die als Verkehrsmittel für eine Vielzahl von Personen in

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Anm. Β 46

III. Einteilung der Unfallversicherung

Betracht kommen, gewählt wird, ist jeder Platz mit der gleichen Summe vert. Hier erhöht sich bei einem Unfall die Entschädigungsleistung nicht, wenn sich weniger Insassen im Fahrzeug befinden, als dieses Plätze bietet. [B 44] i) Strahlen-Unfallversicherung Die Strahlen-Unfallv gewährt Schutz gegen diejenigen schädlichen Einwirkungen durch Strahlen auf den Körper des Vten, die durch § 2 (3) c Abs. 2 AUB vom Vsschutz ausgenommen sind. Die „Besonderen Bedingungen für die Strahlen-Unfallversicherung von Personen, die beruflich mit strahlenerzeugenden Stoffen oder Geräten in Verbindung kommen" (abgedruckt VA 1965 S. 6 mit Änderungen VA 1974 S. 459), verweisen in ihrer Präambel auf die AUB. Die Strahlen-Unfallv (zur Schreibweise vgl. VA 1974 S. 459 zur Präambel) gewährt Schutz gegen Strahleneinwirkung von außen auf den Körper des Vten oder durch Inkorporation strahlender Stoffe, wenn der Vte hierdurch unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet (§ 2 (1) Struv). Sie wird nur einem beschränkten Personenkreis angeboten (vgl. die Überschrift des Bedingungstextes und Grewing, Die Strahlenunfallversicherung, S. 11). Die Besonderheit der Schädigung durch Strahlen bedingt einen modifizierten Unfallbegriff: Auf das Merkmal der Plötzlichkeit muß hier verzichtet werden (Grewing, a.a.O. S. 9, 14). Wegen der typischerweise zunächst latent bleibenden Strahlenwirkungen mußten die Erscheinungsfristen für die Folgen der Strahlung verlängert werden (§§ 3 und 6 Struv). Als besondere Entschädigungsform wird gemäß § 6 II. Struv eine Übergangsrente gewährt, die „eine gewisse Zwitterstellung zwischen Tagegeld und Invaliditätsentschädigung" (Grewing a. a. O. S. 21) einnimmt. [B45] Im Anschluß an die Strahlen-Unfallv ist auf eine weitere Möglichkeit hinzuweisen, den Ausschluß der Gesundheitsschädigung durch Strahlen (§ 2 (3) c Abs. 3 AUB) durch besondere Vereinbarung zu modifizieren: Nach der für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte angebotenen sog. R ö n t g e n k l a u s e l (VA 1963 S. 79) kann der in § 2 (3) c AUB angeordnete Ausschluß von Strahlenwirkungen mit der Maßgabe geändert werden, daß Gesundheitsschädigungen durch Röntgenstrahlungen und künstlich erzeugte ultraviolette Strahlen vert sind, die sich als Unfälle im Sinne des § 2 (1) AUB darstellen. „Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind demnach ζ. B. Röntgenschäden, die sich als Folge regelmäßigen Hantierens mit Röntgenapparaten darstellen und Berufskrankheiten sind". [B 46] Weitere Vertragsgestaltungen Das derzeit in Deutschland von etwa 100 Unfallvern betriebene Geschäft beruht zum Teil auf AVB, die nicht im Veröffentlichungsblatt der Aufsichtsbehörde abgedruckt worden sind. Die AUB in der VA 1961 S. 211 veröffentlichten Fassung (Anm. A 2) geben den Inhalt des vorherrschenden AVB-Textes für die Allgemeine Unfallv wieder. Den Unfallvern ist es nicht verwehrt, im Einzelfall Individualverträge mit ihren Kunden auszuhandeln und abzuschließen und dabei den Besonderheiten des von ihren Kunden gewünschten Vsschutzes Rechnung zu tragen. Für solche Verträge stellt sich das Problem der Rechtskontrolle nach Maßgabe des AGBGesetzes nicht. Atypische Vertragsgestaltungen dieser Art werden vorwiegend von größeren Unternehmen zum Zwecke der Beschaffung von Vsschutz für den Betriebsbereich abgeschlossen. Sie sind vielfach Gruppen-Unfallvsverträge, die im Hinblick auf die Prämienleistung nicht selten als Unfallv mit Beitragsrückgewähr (Anm. Β 39) ausgestaltet sind. Wagner

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Anm. Β 47

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Die AUB als Grundmodell der AVB für die private Unfallv werden außer in den vorstehend genannten (Anm. Β 41, Β 4 4 - B 45) auch in weiteren Fällen zum Zwecke der Anpassung an besondere Gestaltungswünsche des Vmers durch Besondere Bedingungen abgewandelt. Solche Besonderen Bedingungen reduzieren z.T. den von den AUB vorgesehenen Umfang des Deckungsschutzes, oder sie erweitern ihn, indem sie den Deckungsschutz auf Tatbestände erstrecken, die nach den AUB ausgeschlossen sind. So reduzieren die Besonderen Bedingungen für die V gegen außerberufliche Unfälle (VA S. 119) den Vsschutz speziell für Arbeitnehmer — im weitesten Sinne verstanden, d. h. unter Einschluß von Beamten und Richtern — auf diejenigen Unfälle, die nicht kraft sozialer Unfallv durch die RVO oder durch beamtenrechtliche Versorgungsvorschriften — jetzt: Beamtenversorgungsgesetz vom 24. VIII. 1976 BGBl. I. S. 2483 — gedeckt sind. Dementsprechend ist gemäß Ziff. 2 a dieser Bedingungen ein Wechsel der Berufstätigkeit entgegen §§ 4 (1), 15 I. AUB nicht anzeigepflichtig, wenn auch für die neue Beschäftigung der öffentlich-rechtliche Unfallschutz besteht. Dagegen sind die Besonderen Bedingungen für den Einschluß von Bergungskosten in die Allgemeine Unfallv (VA 1970 S. 151) eine Erweiterung des durch die AUB gewährten Dekkungsschutzes. Diese Bedingungen beziehen für Unfälle auf Reisen Bergungs- und Heimschaffungskosten bis zum Betrag von 500,- DM pro vte Person in die Allgemeine Unfallv ein. Diese Vsleistung ist nach § 2 dieser Bedingungen gegenüber einer gleichzeitig bestehenden PKV subsidiär. Ebenfalls als Ergänzung der AUB, nämlich im Hinblick auf den Ausschlußtatbestand des § 4 (4) b AUB sind diejenigen Sonderbedingungen anzusehen, die auf der Grundlage der AUB die besonderen Gefahren von Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Luftfahrt decken (Zusammenstellung vgl. Anm. A 9). IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Haftungsrecht Gliederung: Schrifttum Anm. Β 47 1. Überblick Anm. Β 48 2. Anspruch aus Unfallv als anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anm. Β 49 3. Unfallv und Vorteilsausgleichung Anm. Β 5 0 - B 53 4. Haftungsersetzung durch Unfallv (Überblick) Anm. Β 54 5. Die Regelung des §4RHG vom 5. Juni 1871 Anm. Β 55

6. Haftungsersetzung durch Unfallv durch den Luftfahrtunternehmer Anm. Β 56 7. Insassen-Unfallv als Haftungsersetzung für den verantwortlichen Kraftfahrzeughalter Anm. Β 5 7 - B 72 8. Verwendung der Leistung aus der InsassenUnfallv gemäß vertraglicher Regelung zwischen Vmer und Vtem Anm. Β 7 3 - B 79 9. Verhältnis von Ansprüchen des Vten aus einem Unfall gegen mehrere private Ver Anm. Β 8 0 - B 82 10. Regreßansprüche aus dem Zusammentreffen von privater und sozialer Unfallv Anm. Β 8 3 - B 85

[B 47] Schrifttum: Asmus ZVersWiss 1970 S. 56-58, Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, München 1976, Bodenschatz ZLR 1959 S. 230-255, Enge, Der Anspruch des Insassen in der Kraftfahrtunfallversicherung, Hamburg o.J., Engelbrecht VersR 1954 S. 110-111, Esser, Schuldrecht, 4. Aufl., Bd I, Karlsruhe 1970, Bd II, Karlsruhe 1971, Friese, Reichshaftpflichtgesetz, München 1950, Grünberg JRPV 1937 S. 1 - 2 , Hagemann JRPV 1932 S. 365-367, Heinzelmann JRPV 1937 S. 100-101, Hofmann VersR 1960 S. 9 7 - 1 0 3 , Kaulbach VersR 1975 S. 114-115, Klingmüller VersR 1973 S. 385-389, Lohmar, Rechtfertigung der Vorteilsausgleichung im Versicherungsrecht, Karlsruhe 1968, Marschall v. Bieberstein, Reflexschäden und Regreßrechte, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1967, Millauer, Rechts-

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anni. Β 48

grundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl., Karlsruhe 1966, Mitsdörfer, Rechtsfragen der Insassenunfallversicherung bei Kraftfahrzeugen, Kölner Diss. 1974, Möller VersR 1952 S. 82, DAR 1952 S. 107-111, ZLR 1965 S. 263-267, ZVersWiss 1970S. 17-20,MunzelNJW 1966S. 1341-1345, Orlowski VersR 1954 S. 45, Prölss JW 1936 S. 2788-2789, VersR 1952 S. 391, Röpke JRPV 1935 S. 337—340, Rokas, Summenversicherung und Schadensersatz, Berlin 1975, Ruscher, Die Besonderheiten des Versicherungsanspruchs bei der Versicherung für fremde Rechnung, Kölner Diss. 1961, Schwan, Der Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Gruppenunfallversicherung, Kölner Diss. 1961, S. 3 7 3 - 3 7 5 , Senz VersR 1973 S. 14-16, Söltzer JRPV 1930 S. 213-215, Stiefel-Wussow-Hofmann, Kraftfahrt-Versicherung, 10. Aufl., München 1976, Theda VersR 1974 S. 1 3 - 1 6 , Thiel VersR 1955 S. 726-731, Thiele AcP Bd 167 (1967) S. 193-240, v. d. Thüsen, Festgabe für Erich R. Prölss, 1957, S. 256-265, VW 1953 S. 434-436, Trautmann, Das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung, Hamburger Diss. 1971, Waldeyer NJW 1972 S. 1249-1254, Weber VersR 1954 S. 5 2 3 - 5 2 6 , Werner NJW 1955 S. 769-773, Wussow VersR 1964 S. 459-461, Das Unfallhaftpflichtrecht, 13. Aufl., Köln-Berlin- Bonn-München 1975. [ B 4 8 ] 1. Ü b e r b l i c k

Die Bedeutung der privaten Unfallv für das Haftungsrecht zeigt sich in der für alle Haftpflichttatbestände bedeutsamen Frage, ob ein Vter, dem durch einen Unfall als Vsfall zugleich ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten erwächst, die Entschädigungsleistung aus der Unfallv dem haftpflichtigen Schädiger gutzubringen hat. Sie wird verneint für den Fall, daß der Verletzte selbst als Vmer eine Unfallv (für eigene Rechnung) genommen hatte. Die Auszahlung einer Entschädigung durch den Unfallver an den Vmer berührt dessen Haftpflichtanspruch gegen einen Dritten nicht (Anm. Β 51). Hatte dagegen der haftpflichtige Dritte selbst als Vmer eine Unfallfremdv für fremde Rechnimg (§ 179 II 2) zugunsten des Verletzten abgeschlossen, so stellt sich die Frage dahingehend, ob der Vmer diese von ihm — wenn auch zugunsten des Verletzten — genommene und bezahlte Unfallv dazu verwenden darf, den gegen ihn gerichteten Haftpflichtanspruch des Vten in Höhe der Entschädigungsleistung zu tilgen. Dieses in neuerer Zeit vielfach erörterte Problem der sog. Anrechnungsbefugnis ist praktisch bedeutsam für die Insassen-Unfallv, die als Unfallfremdv für fremde Rechnung ausgestaltet ist (vgl. unten Β 58-60). Bejaht man eine solche Anrechnungsbefugnis des Vmers, so findet zu seinen Gunsten eine der Vorteilsausgleichung entsprechende Minderung (oder ein Ausschluß) seiner Haftpflichtverbindlichkeit statt (unten Anm. Β 69). Die Probleme der Vorteilsausgleichung und der Anrechnung in dem vorgenannten Sinne stellen sich nebeneinander, wenn dem bei einem Kraftfahrzeugunfall verletzten Insassen eines Fahrzeuges gegen desses Halter einerseits und den Halter eines ebenfalls an diesem Unfall beteiligten anderen Fahrzeuges andererseits Haftpflichtansprüche zustehen. Die Frage nach der Anrechnungsbefugnis desjenigen Halters, der zugunsten seiner Insassen eine Unfallfremdv für fremde Rechnung genommen hat, beantwortet sich nach anderen Kriterien als diejenige, ob eine solche Anrechnung auch dem (ebenfalls) haftpflichtigen Halter des anderen Fahrzeuges zugutekommt, undeutlich insoweit BGH 19. XI. 1955 BGHZ Bd 19 S. 94-102 für eine solche Fallgestaltung (Einzelheiten Anm. 57-70). Während in den vorgenannten Fällen die Unfallv in erster Linie für die Höhe eines Haftpflichtanspruchs unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung oder Anrechnung bedeutsam ist, kann sie als „anderweitige Ersatzmöglichkeit" im Sinne des § 839 I 2 BGB einen Ersatzanspruch auch dem Grunde nach ausschließen (nachstehend Anm. Β 49). Zum Problemkreis des Haftungsrechtes in dem hier verstandenen weiten Sinne gehört schließlich auch die Frage, in welchem Verhältnis die vom Unfallver geschuldete Leistung zu Leistungen anderer Ver steht, die ebenfalls durch den vom Vmer Wagner

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Anm. Β 49

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

erlittenen Unfall ausgelöst worden sind. Dabei stellt sich vor der Leistung des Unfallvers die Frage nach einer eventuellen Subsidiarität der Unfallv und nach der von ihm erbrachten Leistung die nach einem möglichen Regreß (Anm. Β 80—85). [Β 49] 2. Ansprach aus Unfallversicherung als anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts, dem sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, stellt ein Anspruch aus der vom Geschädigten selbst genommenen Unfallv eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 I 2 BGB dar. Dieser von RG 14. 7. 1936 RGZ Bd 152 S. 20-23 für die Unfallv als Summenv im Stile einer Grundsatzentscheidung formulierte Satz ist in der Folgezeit für die Rechtsprechung maßgeblich geblieben, RG 26. VII. 1931 RGZ Bd 158 S. 176-179, und vom Bundesgerichtshof fortgeführt worden: BGH 19. VI. 1963 BGHZ Bd 39 S. 253 = VersR 1963 S. 545-547 = NJW 1963 S. 1604-1605, OLG München 17. V. 1954 VersR 1954 S. 371. Das Schrifttum ist dieser Auffassung weitgehend gefolgt: Möller DAR 1953 S. 107-111, Palandt-Thomas 34. Aufl. 1975 § 839 Anm. 7 b, Soergel-Siebert-Glaser 10. Aufl. 1967 § 839 Anm. 90 und die bei Theda VersR 1974 S. 14 Fußn. 9 Zitierten. Gegen diese Auffassung sind berechtigte Bedenken erhoben worden von Sieg Bd II § 67 Anm. 29 m.N., Waldeyer NJW 1972 S. 1249-1253 und Theda VersR 1974 S. 13-16. Die vom Reichsgericht RG 14. VII. 1936 RGZ Bd 152 S. 22 gegebene „versicherungsrechtliche Begründung" — spätere Entscheidungen verzichten auf eine eigenständige Begründung — ist, worauf Theda VersR 1974 S. 15 zutreffend hinweist, überholt: Der Hinweis des RG darauf, daß der Unfallver die Summe „als Entschädigung" gezahlt habe, ist schon deshalb unerheblich, weil der Unfallver aufgrund seiner Vertragspflicht leistet und zu einer Zweckbestimmung seiner Leistung im Sinne der §§ 267, 366 BGB nicht befugt ist. Der weitere Hinweis darauf, daß die Unfallv auch als Summenv eine Schadensdeckung bezwecke (RG a. a. O. S. 23), setzt wirtschaftliche Motivierung mit rechtlicher Gestaltung gleich. Bei der Schadensv verbleibt der Anspruch des vom Ver entschädigten Vmers gegen den Drittschädiger nach § 67 I ohnehin nicht beim Verletzten. Die Wirkung der Schadensv erschöpft sich insoweit in der besseren Möglichkeit, den Anspruch zu realisieren (Marschall v. Bieberstein S. 248). Zu Zweck und Wirkung der Unfallv als Summenv hat BGH 15. II. 1968 VersR 1968 S. 361—363 klar herausgestellt, daß auf Ansprüche eines Dritten gegen einen nur nach § 158 c IV a. F. leistungspflichtigen Haftpflichtver summenmäßig bestimmte Leistungen, die der Dritte aus einer privaten Unfallv erhalte, nicht anzurechnen seien. Als Begründung verweist der BGH darauf, daß die nach § 158 c IV a.F. subsidiäre Haftung des Haftpflichtvers aus einem kranken Vsverhältnis nur gegenüber einer anderen V gelte, die Schadensv sei (a. a. O. S. 362), nicht aber gegenüber einer Summenv, deren Zweck es nicht sei, einen konkret berechneten Schaden zu decken. Berücksichtigt man ferner, daß das Verweisungsprivileg innerhalb der Staatshaftung als „antiquiert" bezeichnet worden ist (Begründung zum Entwurf eines Staatshaftungsgesetzes - Kommissionsbericht - S. 38 unter Hinweis auf BGH 16. IV. 1964 BGHZ Bd 42 S. 176 (181)) und daß es keinen überzeugenden Grund dafür gibt, die vom Vmer durch Prämienleistung erkaufte Entschädigung dem für einen Schaden seines Amtsträgers verantwortlichen Staat zugute kommen zu lassen, dann muß der Auffassung der Vorzug gegeben werden, wonach der Anspruch aus einer privaten Unfallv jedenfalls dann nicht als anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 I 2 BGB zu werten ist, wenn die Entschädigung nach dem Prinzip der Summenv geleistet wird (ebenso Münzel NJW 1966 S. 1341-1345 und Bonsmann ZRP 1969 S. 52). 90

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 51

In ähnlicher Weise fragwürdig ist die Auffassung, daß eine nach dem Prinzip der Schadensv geleistete Entschädigung eine anderweitige Ersatzmöglichkeit darstellt (Sieg Bd II § 67 Anm. 29). Auch hier kommt eine vom Geschädigten erkaufte Leistung eines Dritten dem verantwortlichen Schädiger zugute. Dieses Ergebnis widerspricht den Grundsätzen, die zur Vorteilsausgleichung entwickelt und inzwischen selbstverständlich geworden sind (Anm. Β 50) ; sie beruhen auf einem überholten Verständnis der Verantwortlichkeit des Staates für das Handeln seiner Hoheitsträger. 3. Unfallversicherung and Vorteilsausglekhung Gliederung: a) Grundsätzliches Anm. Β 50 b) Keine Anrechnung von Summenv, die der Geschädigte als Eigenv genommen hat Anm. Β 51

c) Anrechnung einer von einem Dritten zugunsten des Geschädigten genommenen Unfallv Anm. Β 52 d) Vorteilsausgleichung bei Unfallv als Schadensv Anm. Β 53

[Β 50] a) Grundsätzliches Das Prinzip der Vorteilsausgleichung dient im Haftungsrecht einem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot. Der Geschädigte soll durch das Schadensereignis unter Berücksichtigung der Ersatzleistung des Schädigers nicht günstiger gestellt werden, als er ohne das Schadensereignis stehen würde. Dieser Grundsatz wird im Prinzip der Naturalrestitution (§ 249 S. 1 BGB), aus dem den §§ 249-251 BGB zugrunde liegenden Gedanken und aus § 255 BGB sichtbar. Er wird allerdings in der Praxis des Schadensrechtes durch so viele Ausnahmen durchbrochen, daß für zugunsten des Schädigers anrechenbare Vorteile nur ein geringer Raum verbleibt. So ist anerkannt, daß freigebige Leistungen eines Dritten, die an den Geschädigten nicht zu dem Zweck geleistet werden, den Schädiger zu entlasten (§§ 267, 366 BGB), die Schadensersatzpflicht unberührt lassen. Entsprechendes gilt für Leistungen, die von Dritten kraft vertraglicher oder gesetzlicher Pflicht erbracht werden (vgl. die Nachweise bei PalandtHeinrichs35 Vorbem. 7 c (bb) vor § 249 BGB und Thiele AcP 167 (1967) S. 193—240). Für die Anrechnung einer vom Vmer als Eigenv genommenen Personenv bleibt nach diesen Grundsätzen wenig Raum: Sie beschränkt sich auf solche Fälle, in denen dem Geschädigten kraft eines vom Vmer angezahlten Kapitals dessen Nutzung kraft Erbgangs oder Bezugsberechtigung früher anfällt, als dies ohne das Schadensereignis der Fall gewesen wäre, so BGH 19. IV. 1963 BGHZ 39 S. 249-255. Aus der Entscheidung ergibt sich, daß der BGH die Vorteilsausgleichung auf eine von ihm so genannte Sparv (a. a. O. S. 252 für die Lebensv) und zum anderen auf Schadensersatzansprüche beschränkt, die Dritten durch Verlust des Unterhaltsschuldners zustehen (§ 844 II BGB). [B 51] b) Keine Anrechnung von Summenversicherung, die der Geschädigte als Eigenversicfaerang genommen hat Soweit der Unfallver seine Leistung nach dem Prinzip der Summenv erbringt, läßt sie eine Schadensersatzforderung des Vmers gegen einen Dritten unberührt. Ihre Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung würde dem Zweck der vom Geschädigten (Vmer) getroffenen Vorsorge widersprechen. „Hat der Verletzte freiwillig Prämien aufgewandt, um sich oder seinen Angehörigen bei Eintritt eines Unfalls die vereinbarten Summen als in jedem Falle zur Verfügung stehenden Ausgleich zu sichern, so läßt es sich nicht vertreten, das Ergebnis dieser nur an den Schadensfall Wagner

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Anm. Β 51

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

geknüpften Vorsorge dem Schädiger in irgendeiner Weise zugute kommen zu lassen. Denn Sinn und Zweck einer solchen Versicherung ist es, bei dem — nur als möglich vorgestellten — Eintritt des Versicherungsfalles die im voraus summenmäßig festgelegten Beträge ohne Rücksicht darauf zu erhalten, wie hoch der Schaden tatsächlich ist und ob ein Dritter Ersatz zu leisten hat. Ist ein solcher Ersatz zu erlangen, so bleiben hierneben die Versicherungsleistungen als ein besonderer, durch die Prämien erkaufter Vorteil bestehen", so BGH 19. IV. 1963 BGHZ Bd 39 S. 251, zustimmend Thiele a.a.O. S. 229-230 m.N.; jetzt h.M. Diese Grundsätze schließen an die Rechtsprechung des RG an, die allerdings die vom BGH getroffene Unterscheidung zwischen Sparv und Risikov nicht vollzogen hat: RG 17. XI. 1930 RGZ Bd 130 S. 258-262 lehnt die Berücksichtigung von Leistungen aus einer Ruhegeldkasse, die nach Art einer Erlebensfallv erbracht werden, im Wege der Vorteilsausgleichung mit der Begründung ab, daß das vom Unfall unabhängige Vertragsverhältnis nicht zu diesem in einem adäquaten Zusammenhang stehe (a.a.O. S. 261). RG 10.1. 1935 RGZ Bd 146 S. 87-290 verneint die Anrechnung einer Unfallv im Wege der Vorteilsausgleichung, die ein Arbeitgeber des Getöteten genommen und bezahlt hatte. Das RG rückt hier erstmals von der Maßgeblichkeit der Unterscheidung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen als Kriterium für die Vorteilsausgleichung ab, entscheidet diese Frage jedoch nicht abschließend. Jedenfalls widerspreche es dem Sinn des Vsverhältnisses, daß die Leistungen des Vers dem Schädiger zugute kommen. Anderenfalls würde die Unfallv wie eine Haftpflichtv zugunsten des Schädigers wirken, ohne daß dieser die Prämie bezahlt habe. Dieses Ergebnis werde für die Schadensv durch § 67 I verhindert. Bei der Lebens- und Unfallv finde zwar ein solcher Übergang nicht statt, weil diese Vszweige nicht zur Schadensv gehörten. Das Ergebnis würde indessen nicht weniger widersinnig sein. RG 8. VI. 1936 RGZ Bd 151 S. 330-336 nimmt auf die Grundsätze der vorgenannten Entscheidung Bezug und verneint Anrechenbarkeit von Ruhegeldbezügen eines Arbeitgebers im Wege der Vorteilsausgleichung. RG 13. VII. 1936 RGZ Bd 152 S. 199-201 bejaht für den, wie es meint, besonderen Fall der InsassenUnfallv eine Anrechnung der Unfallvssumme im Wege der Vorteilsausgleichung. Es geht dabei von dem Gedanken aus, daß es sich hier um eine vom Halter veranlaßts Vorsorge für seine Insassen handele. Soweit diese aus der Unfallv Zahlung erhalten hätten, könnten sie nicht noch einmal Zahlung vom Kraftfahrzeughalter verlangen. Hier zeigt sich die gelegentlich zu beobachtende Unklarheit der Problembehandlung in der Abgrenzung der Vorteilsausgleichung einerseits und der Frage der Haftungsersetzung durch Unfallv andererseits. RG 18. I. 1937 RGZ Bd 153 S. 264-267 verneint die Anrechnung von Versorgungsleistungen aus der Kasse eines Pensionsvereins für Notare, zu dem diese sich zusammengeschlossen und Beiträge nach Art einer Vsprämie geleistet haben. Der BGH ist in der Sache dieser Rechtsprechung gefolgt: BGH 17. VI. 1953 BGHZ Bd 10 S. 107—110 nimmt für einen Fall der Zusatzleistung eines Arbeitgebers auf diese Rechtsprechung Bezug: Leistungen aus einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Geschädigtem dürften den Schädiger grundsätzlich nicht begünstigen. Indes beruft sich der BGH — insoweit im Gegensatz zu den vom RG formulierten Begründungen — auf den Sinn und Zweck des Schadensersatzrechtes. BGH 19. XI. 1955 BGHZ Bd 19 S. 94-102 verneint Anrechnung der den Geschädigten (§ 844 II BGB) aus einer Insassen-Unfallv zugeflossenen Summe auf den Schadensersatzanspruch gegen den Halter eines anderen Fahrzeuges, das an dem Unfall, durch den der Unterhaltsverpflichtete ums Leben gekommen war, beteiligt war. Die Entscheidungsgründe machen nicht deutlich, daß dies ein Fall der Vorteilsausgleichung in dem hier erörterten Sinne, nicht aber ein Problem der Haftungsersetzung durch vom Vmer zum 92

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 53

eigenen Schutz genommener Unfallv ist. Indessen verneint der BGH a. a. O. S. 99 die Anrechnung der Leistung aus der Insassen-Unfallv. Ebenso entscheidet BGH 5. II. 1957 Vers 1957 S. 265-266 = NJW 1957 S. 905-906. Der BGH beruft sich hier auf die zu dieser Frage feststehende Rechtsprechung und führt aus, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter keinen Anlaß gebe dafür, daß die Vsleistung „weder mit der Stammsumme noch mit den Erträgnissen zugunsten des Schädigers als auszugleichender Vorteil in Ansatz gebracht" werde. Diese Rechtsprechung, die mit der zitierten Entscheidung BGH 19. IV. 1963 BGHZ Bd 39 S. 249 ihren vorläufigen Abschluß gefunden hat, entspricht der Auffasung auch der Literatur. Von ihr weicht nur Werner NJW 1955 S. 769-773 - entsprechend Staudinger-Werner Anm. 111 vor § 249 — infolge seiner unzutreffenden Gleichstellung von Sparv und Risikov ab. [B 52] c) Anrechnung einer von einem Dritten zugunsten des Geschädigten genommenen Unfallversicherung Die vorstehend genannten Grundsätze für die Anrechnung einer als Summenv genommenen Unfallv zugunsten des Geschädigten gelten auch dann, wenn die Unfallv nicht vom Geschädigten (Verletzten) selbst, sondern von einem Dritten, der nicht mit dem Schädiger identisch ist, für Rechnung des Geschädigten genommen ist (§ 179 II), vgl. Thiele a.a.O. S. 230. War der Vmer im Verhältnis zum Vten verpflichtet, ihn gegen Unfall zu vem, so ist eine Vorteilsausgleichung zugunsten des Schädigers nach allgemein anerkannten Grundsätzen ausgeschlossen: Leistungen, die der Geschädigte aufgrund Vertrages von Dritten erhält, werden nicht im Wege der Vorteilsausgleichung angerechnet. Entsprechendes gilt für den Fall fürsorglicher (freigebiger) Zuwendung der Unfallv durch einen Dritten. Nach allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung (Anm. Β 50) ist ebenfalls anerkannt, daß freigebige Leistungen Dritter, sofern dies nicht der Zweckbestimmung des leistenden Dritten (hier: Vmer) gemäß §§ 267, 366 BGB entspricht, dem Schädiger nicht zugute kommen sollen. Der vom BGH 19. XI. 1955 BGHZ Bd 19 S. 94-102 entschiedene Fall stellt insoweit einen Grenzfall dar: Hier ist dem Geschädigten aus der Unfallv eines Dritten Entschädigung zugeflossen. Die in diesem Prozeß zu entscheidende Frage war, ob diese Leistungen auf Ansprüche gegen einen ebenfalls am Unfall beteiligten Kraftfahrzeughalter anzurechnen sind. Das ist in dieser Gestaltung eine Frage der Vorteilsausgleichung. Dementsprechend verneint das Gericht eine Anrechnung. Dabei ist indes zu berücksichtigen, daß möglicherweise der Vmer dem Geschädigten ebenfalls aus §§ 7, 18 StVG, 823, 844 BGB zum Schadensersatz verpflichtet war, so daß sich die Anrechnung der von ihm zugunsten des Insassen erkauften Unfallvsleistung bei der Abwicklung des Regresses im Verhältnis zum Zweitschädiger auswirken könnte. In der Entscheidung werden hierüber weder tatsächliche Angaben noch rechtliche Ausführungen gemacht. [B 53] d) Vorteilsausgleichung bei Unfallversicherung als Schadensversicherung Wird die Unfallvsleistung nach dem Prinzip der Schadensv gewährt (Heilungskosten, Beerdigungskosten, Kurkosten), so geht der Anspruch des Geschädigten gemäß § 67 I auf den Unfallver über. Damit wird das Problem der Vorteilsausgleichung insoweit gegenstandslos. Über dieses Ergebnis besteht Einigkeit; daß man daran zweifeln kann, ob die Vorschrift des § 67 I die Lösung des Problems der bürgerlichrechtlichen Vorteilsausgleichung in einem bestimmten Sinne präjudizieren wollte, wird von Sieg Bd II § 67 Anm. 7 hervorgehoben. Dieser Frage braucht in diesem Zusammenhang nicht weiter nachgegangen zu werden. Wagner

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Anm. Β 55

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

[B 54] 4. Haftungsersetzung durch Unfallversicherung (Überblick) Die Unfallv ist historisch vor der eigens zu diesem Zweck entwickelten Haftpflichtv dazu verwendet worden, gegen den Vmer gerichtete Haftpflichtansprüche aufzufangen. Insoweit ist die Haftpflichtv aus der Unfallv hervorgegangen (Nachweise Anm. Β 3). Die Unfallv hat indessen zu keiner Zeit diese Funktion völlig eingebüßt: In § 4 RHG vom 5. VI. 1871, aufgehoben durch Gesetz v. 16. VIII. 1977 BGBl. I S. 1577, wurde den nach diesem Gesetz haftpflichtigen Unternehmern die Möglichkeit eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen ihre Haftpflicht durch Unfallv zugunsten der künftig Geschädigten abzuwenden (Einzelheiten Anm. Β 55). Diese Funktion hat heute über den im RHG genannten vergleichsweise kleinen Kreis der „besonders gefährlichen Betriebe" hinaus für nahezu das gesamte Arbeitsrecht die soziale Unfallv übernommen (Anm. Β 26—Β 34), die durch den Ausschluß der Haftung des Unternehmers wirtschaftlich zugleich wie eine Haftpflichtv wirkt (§ 636 RVO). Die seit 1943 für den Luftfrachtführer obligatorische Unfallv läßt dessen Haftpflicht entfallen, soweit aus der Unfallv gezahlt wird (§ 50 S. 3 LVG). Im Bereich des Haftungsrechts des Kraftfahrzeughalters wird erwogen, die obligatorische Haftpflichtv durch eine private oder öffentlich-rechtliche Unfallv zu ersetzen (Nachweise Anm. Β 22). Für die Insassen-Unfallv ist es strittig und nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen der Vmer die Entschädigungssumme zur Erfüllung einer gegen ihn gerichteten Schadensersatzforderung des verletzten Insassen oder dessen Erben (§ 844 II BGB) verwenden darf. Eine Stellungnahme hierzu kann die historische Entwicklung der privaten Unfallv und die für entsprechende Fallgestaltungen maßgeblichen Vorschriften der §§ 4 RHG, 50 LVG nicht unberücksichtigt lassen (Anm. Β 5 5 - Β 56). [Β 55] 5. Die Regelung des § 4 RHG vom 5. Juni 1871 § 4 RHG lautete: „War der Getötete oder Verletzte unter Mitleistung von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebsunternehmer oder den in § 1 a bezeichneten Inhaber der Anlage bei einer Versicherungsanstalt, Knappschafts-, Unterstützungs-, Kranken· oder ähnlichen Kasse gegen den Unfall versichert, so ist die Leistung der Letzteren an den Ersatzberechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die Mitleistung des Betriebsunternehmers oder des in § 1 a bezeichneten Inhabers der Anlage nicht unter einem Drittel der Gesamtleistung beträgt." Diese Vorschrift ist angesichts der seit dem Jahre 1885 eingeführten sozialen Unfallv ohne praktische Bedeutung geblieben. Ehrenberg JherJbd 30 (1891) S. 427 bezeichnet sie bereits 20 Jahre nach ihrem Inkrafttreten als überholt („historisches Factum"). Die Haftungsbestimmungen der §§ 1, 1 a RHG sind heute nur noch für den Eisenbahnunternehmer bedeutsam, der indes die in § 4 vorgesehene Unfallv nicht nimmt. Die Bedeutung des § 4 RHG liegt aus heutiger Sicht darin, daß sie, knapp 40 Jahre vor dem W G in Kraft getreten, die „Versicherung eines anderen" (§ 179 I) ohne dessen Einwilligung und im Eigeninteresse des haftpflichtigen Unternehmers gestattet. Eine Kollision dieser Vorschrift mit der Regelung des § 179 ist bei dessen Entstehung, soweit ersichtlich, nicht erwogen worden. Die in § 4 RHG vorgesehene Unfallv hat den Zweck, unter den dort genannten Voraussetzungen den Unternehmer gegen die Belastung mit Haftpflichtansprüchen Dritter zu schützen. Ihre auch im Hinblick auf § 1 7 9 unbezweifelte Zulässigkeit könnte als richtungsweisend für die Beantwortung der Frage gewertet werden, ob der Kraftfahrzeughalter, der eine Insassen-Unfallv nach dem Pauschal- oder Platzsystem ohne die nach § 179 III 1 erforderliche — praktisch 94

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 56

nicht mögliche — Zustimmung des Vten abschließt, berechtigt ist, die aus dieser Unfallv entstehende Entschädigungsforderung zur Erfüllung des Haftpflichtanspruchs des Insassen zu verwenden (in diesem Sinne Sieg Bd II § 80 Anm. 39 letzter Absatz). [B 56] 6. Haftungsersetzung durch Unfallversicherung durch den Luftfahrtuntemehmer Die vorstehend angedeuteten Erwägungen für die Zulässigkeit der Anrechnung einer vom Schädiger zugunsten des Geschädigten genommenen Unfallv auf dessen Haftpflichtansprüche gegen den Vmer werden ferner durch die Regelung der §§ 44, 50 LVG bestätigt. § 44 I 1 LVG lautet: „Wird ein Fluggast an Bord eines Luftfahrtzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich geschädigt, so ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den Schaden zu ersetzen . . ." § 50 LVG besagt: „Die Luftfahrtunternehmen sind verpflichtet, die Fluggäste gegen Unfälle (§ 44) zu versichern. Die Mindesthöhe der Versicherungssumme beträgt für den Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit fünfunddreißigtausend Deutsche Mark. Soweit aus der Unfallversicherung geleistet wird, erlischt der Anspruch auf Schadensersatz. Die dem Luftfahrtuntemehmer nach § 50 S. 1 LVG aufgegebene Unfallv ist näher geregelt in den „Besonderen Bedingungen für die obligatorische Unfallversicherung von Fluggästen in Motorflugzeugen von Luftfahrtunternehmen" (Opuv). Diese sind nach der Neufassung der AUB im Jahre 1961 zum Zwecke der Angleichung zunächst 1962 und später im Jahre 1972 (abgedruckt Anm. A 7) neu gefaßt und nunmehr in VA 1972 S. 290 veröffentlicht. Für diese Bedingungen in ihrer jeweiligen Fassung hat sich die Abkürzung Opuv eingebürgert (Bodenschatz S. 230 Fußn. 1). Die Opuv nehmen inhaltlich Bezug auf die AUB. Für den hier dargestellten Zusammenhang ist bedeutsam, daß die Opuv, obwohl sie die Luftfahrt-Unfallv als V für Rechnung, wen es angeht ausgestalten — der Vte wird nicht namentlich bezeichnet, sondern erst durch Antritt des Fluges bestimmbar —, dem Fluggast das Recht geben, die für ihn aus der Unfallv entstehenden Rechte selbständig geltend zu machen (Ziff. 3 Opuv). Auch für die obligatorische Luftfahrtv ist es bedeutsam, daß sie eine Unfallv für fremde Rechnung im Interesse des Vmers ermöglicht mit der Folge (§ 50 S. 3 LVG), daß dessen Schadensersatzpflicht aus § 44 LVG erlischt, soweit aus der Unfallv geleistet wird. Das Erlöschen der Schadensersatzpflicht des Luftfahrtunternehmers gemäß § 50 S. 3 LVG setzt sich auch gegenüber einem Regreß des Sozialversicherungsträgers durch (Nachweise Anm. Β 85). 7. Insassen- Unfallversicherung als Haftungsersetzung für den verantwortlichen Kraftfahrzeughalter Gliederung: a) Allgemeines Anm. Β 57 b) Vsrechtliche Regelung der Insassen-Unfallv Anm. Β 5 8 - 6 4 aa) Die Insassen-Unfallv als Eigen- und Fremdv Anm. Β 5 8 - 6 0 bb) Rechtsstellung des Vten Anm. Β 6 1 - 6 4

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aaa) Anspruch des Vten auf Geltendmachung des Vsànspruchs zu seinen Gunsten aus § 179 III Anm. Β 61 bbb) Anspruch des Vten aus Treuhandverhältnis? Anm. Β 62 ccc) Anspruch des Vten aus §§ 3 2 8 335 BGB Anm. Β 63

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Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

ddd) Ergebnis Anm. Β 64 c) Geschäftsführung ohne Auftrag Anm. Β 65 d) Anspruch des verletzten Insassen oder seiner Erben gegen den Vmer auf Auskehrung der an ihn gezahlten Entschädigungssumme aus § 816 II BGB Anm. Β 66 e) Folgerungen für die Anrechnungsbefugnis des Vmers Anm. Β 6 7 - B 72 aa) Interessenlage Anm. Β 67

bb) Bedeutung des § 179 III Anm. Β 68 cc) Eigene Stellungnahme Anm. Β 69 dd) Zusammenfassung Anm. Β 70 f) Bewirkung der Anrechnung durch den Vmer Anm. Β 7 1 - 7 2 aa) In Schrifttum und Rechtsprechung vertretene Auffassungen Anm. Β 71 bb) Eigene Stellungnahme Anm. Β 72

[Β 57] a) Allgemeines Für die Insassen-Unfallv fehlt es an einer den §§ 4 RHG, 50 S. 3 LVG entsprechenden Regelung. Insoweit muß auf die Vorschriften der §§ 179, 75—79 W G , 3 AKB zurückgegriffen werden. Die aus diesen Vorschriften sich ergebenden Grundsätze sind hier nur insoweit darzustellen, als dies notwendig ist, um die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen der Vmer für berechtigt zu halten ist, den Entschädigungsanspruch aus der Insassen-Unfallv zur Erfüllung eines dem (verletzten) Insassen oder dessen Erben gegen ihn aus §§ 7, 18, 10 II StVG, 823, 844 II BGB zustehenden Schadensersatzanspruchs zu verwenden. Diese Frage ist in Schrifttum und Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt. Indes kann erwartet werden, daß nach der grundsätzlichen Entscheidung BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 260-266 für die Rechtspraxis eine Klärung und für die wissenschaftliche Diskussion eine Beruhigung eintreten wird (Sieg Bd II § 80 Anm. 39). Die nachfolgende Darstellung wird das Anrechnungsproblem zunächst für den Fall behandeln, daß zwischen dem Vmer und dem Vten neben der gemeinsamen Beteiligung an demselben Vsvertrag kein vertraglich begründetes Rechtsverhältnis besteht (Anm. Β 61—72). Anschließend werden Gestaltungen dargestellt, für die ein vertraglicher Anspruch auf Auskehrung erwogen wird (Anm. Β 73—79). [Β 58] b) Versicherungsrechtliche Regelung der Insassen-Unfallversicherung aa) Die Insassen-Unfallversicherung als Eigen- und Fremdversicherung Die Insassen-Unfallv ist Eigenv, soweit der Vmer als Insasse selbst vert ist. Es handelt sich im Sinne des § 179 11. Alt. um eine Unfallv gegen Unfälle, die dem Vmer zustoßen (vgl. hierzu Mitsdörfer S. 23—24). Diese Form der Insassen-Unfallv ist für den hier erörterten Problemkreis unerheblich. Die Insassen-Unfallv ist Fremdv im Sinne des § 179 I 2. Alt., soweit sie gegen Unfälle genommen wird, die einem anderen, nämlich dem berechtigten Insassen, zustoßen. Berechtigte Insassen sind Personen, die sich mit Wissen und Willen des über die Verwendung des Fahrzeugs Verfügungsberechtigten in oder auf dem vten Fahrzeug befinden oder im ursächlichen Zusammenhang mit ihrer Beförderung beim Gebrauch des Fahrzeugs im Rahmen des § 17 (1) AKB tätig werden (§ 16 (1) S. 2 AKB). Soll eine solche V — in der Ausdrucksweise des W G — „für Rechnung des Versicherungsnehmers", d. h. in der Weise genommen werden, daß die Ansprüche gegen den Ver im Falle eines dem anderen (der Gefahrsperson) zustoßenden Unfalles dem Vmer zustehen, so bedarf der Unfallvs-Vertrag zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Gefahrsperson (§ 179 III 1). Das Gesetz hat 96

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Anm. Β 59

diese Zustimmung für erforderlich, aber auch für genügend erachtet, um dem Schutzbedürfnis der Gefahrsperson Rechnung zu tragen. Sie ist deshalb schutzbedürftig, weil für den Vmer ein Anreiz bestehen kann, auf die Herbeiführung des Vsfalles (Unfall) Einfluß zu nehmen. Bei der Insassen-Unfallv wird durch den standardisierten Vertragstext der Ver klargestellt, daß die Unfallv zugunsten der zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht bestimmten, sondern durch einen etwa eintretenden Unfall bestimmbaren Vten abgeschlossen wird. Das geschieht zumindest mittelbar durch Verweisung auf den Text der AKB im Antragsformular. Die Vorschriften der §§ 3 (2) S. 2, 16 (5) AKB machen dies deutlich: Würde es sich um eine Unfallv für eigene Rechnung des Vmers handeln, so wäre es nicht verständlich, daß nach § 3 (2) S. 2 AKB die Entschädigungssumme nur mit Zustimmung des Vten an den Vmer ausgezahlt wird und daß nach § 16 (5) AKB namentlich als Insassen benannte Personen ihre Ansprüche selbständig geltend machen können. Damit ist für die „Zweifelsregelung" des § 179 II 1 kein Raum. Nach § 179 II 2 finden auf diese V die Vorschriften der §§ 75—79 entsprechende Anwendung.

[B 59] Bei der Insassen-Unfallv nach dem Pauschal- oder Platzsystem (§ 16 (1) S. 1, (4) AKB) ist die Person des Vten regelmäßig zur Zeit des Vertragsschlusses nur bestimmbar. Sie wird erst dadurch bestimmt, daß sie die Voraussetzungen eines berechtigten Insassen erfüllt und in dieser Eigenschaft einen Unfall erleidet. Die Möglichkeit, einen namentlich benannten Insassen zu vern (§ 16 (5) AKB), ist für den hier darzustellenden Problemkreis unerheblich. Im Hinblick auf die fehlende Individualisierung der vten Personen zur Zeit des Vertragsschlusses wird diese Form der Insassen-Unfallv, bei der das Pauschalsystem zahlenmäßig vorherrscht, als „Versicherung für Rechnung, wen es angeht" im Sinne des § 80 II angesehen (Orlowski VersR 1954 S. 45, Sieg Bd II § 80 Anm. 34, Trautmann S. 5, 61, Mitsdörfer S. 25). Diese vsrechtliche Einordnung führt nicht zu dem Ergebnis, daß entgegen der Regelung des § 179 II 1 die Insassen-Unfallv gemäß § 80 I als im Zweifel für Rechnung des Vmers genommen angesehen wird (unzutreffend insoweit Weber VersR 1954 S. 525). Insoweit geht die besondere Regelung für die Unfallv (§ 179) der allgemeineren und für die Unfallv, die nicht Interessev ist, nur entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 80 I vor (zutreffend Mitsdörfer S. 25—28 m.N.). Gemäß § 179 II 2 in Verb, mit § 75 I 1 steht materiell der Anspruch aus der Insassen-Unfallv dem Insassen als Vten zu. Indes ist die Verweisung des § 179 II 2 auf § 75 I 1 zu weit gefaßt: Die Verweisung hat nicht den Zweck, dem Vten „die Rechte aus dem Vsvertrage" zuzuwenden (vgl. den Text des § 75 I 1). Sie soll lediglich zum Ausdruck bringen, daß die mit dem Vsfall entstehende Entschädigungsforderung nicht dem Vmer, sondern dem Vten zusteht (zutr. Fuchs S. 43 m.N.). Denn vor dem Vsfall ist das Bestehen einer Insassen-Unfallv für den Insassen ohne Bedeutung. Dem entspricht es, daß „die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag" ausschließlich dem Vmer zusteht (§ 3 (2) S. 1 AKB) Nach Eintritt des Vsfalles darf dagegen der Ver die Entschädigungssumme nur mit Zustimmung des Vten an den Vmer auszahlen (§ 3 (2) S. 2 AKB). Diese Regelung modifiziert die des § 76 III: Der Ver leistet ohne Zustimmung des Vten nicht mit befreiender Wirkung an den Vmer. § 3 (2) S. 2 AKB ist durch Bekanntmachung vom 18. November 1970 (BA Nr. 243 vom 31.12.1970) mit Wirkung vom 1. Januar 1971 geändert worden. Demgegenüber steht in der Allgemeinen Unfallv die Ausübung der Rechte aus dem Vsvertrag auch nach Eintritt des Vsfalles ausschließlich dem Vmer zu (§ 16 (1) S. 2 AUB). Für die Insassen-Unfallv ergibt sich aus der vorgenannten vsrechtlichen 7

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anni. Β 62

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Regelung, daß der Ver die Vsleistung nur auskehren darf, wenn Vmer und Vter untereinander einig sind. [B 60] Die Antwort auf die hier untersuchte Frage, ob der Vmer den Anspruch aus der Insassen-Unfallv zur Erfüllung eines dem verletzten Insassen oder dessen Erben ihm gegenüber zustehenden Schadensersatzanspruches aus dem Unfall verwenden kann, hängt davon ab, in welchem Verhältnis die in § 75 I 1 zugunsten des Vten angeordnete materielle Inhaberschaft zu der aus §§ 76 W G , 3 (2) S. 2 AKB sich ergebenden Teilung der Verfügungsbefugnis zwischem Vtem und Vmer steht, die für sich gesehen — dazu führt, daß die Auszahlung der Vsleistung sowohl vom Vmer als auch vom Vten verhindert werden kann. Dabei besteht Einigkeit darüber, daß der Vmer nicht befugt ist, die von ihm eingezogene Vsentschädigung zu behalten und ohne Zweckbindung in seinem Interesse zu verwenden (ein solches Inkasso durch den Vmer war bis Ende 1970 kraft der Regelung des § 3 AKB und ist seitdem noch möglich, wenn der Vte — etwa in der Erwartung, der Vmer werde ihm die Summe auszahlen dem zustimmt). Eine bindungsfreie Verwendung der Vssumme durch den Vmer widerspräche der Vorschrift des § 75 I 1 und würde dem als zwingend gemeinten (amtliche Begründung zu § 179 W G , abgedruckt bei Gerhard-Hagen S. 720 oben), aus § 179 III zu entnehmenden Verbot der Unfallv für eigene Rechnung ohne Zustimmung der Gefahrsperson widersprechen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der per 1. Januar 1971 in § 3 (2) AKB eingefügte Satz 2 auf einem Vorschlag von Enge S. 81—82 beruht (Nachweis bei Mitsdörfer S. 35), und zwar unter Anerkennung des von Enge in den Vordergrund gestellten Bestrebens, dem Vten eine Rechtsposition zu gewährleisten, die nicht durch den Vmer selbst oder seine Gläubiger gefährdet werden kann. Enge geht als selbstverständlich davon aus, daß dem Vten nach Auszahlung der Entschädigungssumme an den Vmer ein Bereicherungsanspruch gegen diesen zusteht (Enge S. 79—80); er ist indes der Auffassung, daß die Berechtigung des Vten durch einen solchen Anspruch nicht hinreichend gesichert sei. Im folgenden soll zunächst untersucht werden, ob dem Vten gegen den Vmer ein Anspruch auf Zustimmung zur Auskehrung der Entschädigungssumme an ihn, den Vten, oder, wenn die Vssumme bereits an den Vmer ausgezahlt worden ist, ein Anspruch auf Auszahlung allein aufgrund der vsrechtlichen Regelung zusteht. [B 61] bb) Die Rechtsstellung des Versicherten aaa) Anspruch des Versicherten auf Geltendmachung des Versicherungsanspruchs zu seinen Gunsten aus § 179 III? Die vorstehend (Anm. Β 5 8 - Β 60) dargestellte vsrechtliche Regelung des Dreiecksverhältnisses Ver — Vmer — Vter enthält keine als Anspruchsnorm formulierte Bestimmung, die dem Vten einen Anspruch auf Zustimmung und/oder Auskehrung der Vssumme gegen den Vmer gewährt. Eine solche Regelung würde das in § 3 (2) S. 2 AKB normierte Zustimmungserfordernis gegenstandslos machen; sie gehört nach dem Selbstverständnis der vsrechtlichen Regelung nicht in deren Rahmen. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht „aus dem Gedanken des § 179 III," wie Ruscher S. 119 meint (wie hier Trautmann S. 54-55 und Sieg Bd II § 77 Anm. 24). [B 62] bbb) Anspruch des Versicherten aus Treuhandverhältnis? Das aus der vsrechtlichen Regelung sich ergebende Verhältnis der Berechtigung hinsichtlich der Vsforderung zwischen Vtem und Vmer wird vielfach als gesetzliches Treuhandverhältnis oder — abschwächend — als „eine Art Treuhandverhältnis" (v.d. Thüsen, Festgabe für Prölss, S. 260, ähnlich Asmus ZVersWiss 1970 S. 57) bezeichnet, 98

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 63

so Prölss bis zur 17. Aufl. § 76 Anm. 1 und mehrfach, Koenig S. 238, Prölss-Martin 19. und 20. Aufl. § 76 Anm. 1, Thiel VersR 1955 S. 731, Schwan S. 86-88, Esser, Schuldrecht, Bd II, 4. Aufl., 1971, S. 323, weitere Nachweise bei Trautmann S. 83-93; aus der Rechtsprechung BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 264. 264; BGH 4. IV. 1973 VersR 1973 S. 635 und OLG Karlsruhe 17. XII. 1975 VersR 1976 S. 239 mit Anm. Martin S. 240. Die Bemerkung von Martin VersR 1976 S. 240 r.Sp. unten, BGH 7. V. 1975 „stütze den Herausgabeanspruch auf das gesetzliche Treuhandverhältnis" trifft nicht für diese Entscheidung, sondern für BGH 4. IV. 1973 VersR 1973 5. 635 zu. Die Annahme eines Treuhandverhältnisses zwischen Vmer und Vtem ist in der Konstruktion verfehlt und — hiervon unabhängig — nicht geeignet, einen Anspruch des Vten gegen den Vmer im hier erörterten Sinne allein aufgrund der vsrechtlichen Regelung zu begründen: Ein Treuhandverhältnis, sei es durch Gesetz oder durch Vertrag begründet, setzt voraus, daß der Inhaber eines Rechts in der Ausübung der ihm kraft der Inhaberschaft zustehenden Verfügungsbefugnis schuldrechtlich gebunden ist (vgl. Siebert S. 10—11 und 401-402 und die sich an die Siebertsche Einteilung anlehnenden Ausführungen von Trautmann S. 84—91). Soweit für das vsrechtliche Innenverhältnis die Auffassung vertreten wird, es entspreche einem Treuhandverhältnis, wird der Vmer als Treuhänder betrachtet. Seine Treuhandschaft bezieht sich hiernach nicht auf die gegen den Ver gerichtete Entschädigungsforderung, denn diese ist gemäß § 75 I 1 dem Vten zugeordnet, sondern auf die dem Vmer zustehende Verfügungsmacht. Indessen ist die Verfügungsmacht nur eine akzessorische Rechtsposition, die sich auf ein subjektives Recht (Eigentum oder Forderung) bezieht. Die Konstruktion einer Treuhandstellung im Hinblick auf ein Verfügungsrecht verzichtet in Wahrheit auf die Aufhellung der Problemstruktur. Das wird hier besonders deutlich: Sachlich geht es um die Frage, in welchem Verhältnis die materielle Berechtigung des Vten zur Verfügungsmacht des Vmers steht. Diese Frage stellt sich indes nur unter dem Gesichtspunkt, welche Bedeutung der materiellen Zuordnung der Vsforderung gemäß § 75 I 1 zukommt. Die Regelung der V für fremde Rechnung im Sinne des § 75 entspricht deshalb eher dem Spiegelbild einer Treuhandschaft: Die sachenrechtliche Zuordnung (zugunsten des Vten) ist der Verfügungsbefugnis entkleidet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die vorstehenden Zitate überwiegend die Rechtslage betreffen, die vor der Änderung des § 3 (2) AKB bestanden hat. Die Annahme einer Treuhänderstellung des Vmers dürfte vollends unhaltbar geworden sein, seitdem in der Insassen-Unfallv der Vmer seine Verfügungsbefugnis mit dem Vten zu teilen hat (§ 3 (2) AKB). Unabhängig hiervon ist die Konstruktion eines Treuhandverhältnisses auch ungeeignet, einen aus der vsrechtlichen Regelung sich ergebenden Anspruch des Vten gegen den Vmer zu begründen. Für die Insassen-Unfallv würde eine solche Konstruktion die Regelung des § 3 (2) AKB gegenstandslos machen. Aus der vsrechtlichen Regelung ergibt sich nach allem ein Anspruch des Vten gegen den Vmer auf Zustimmung und/oder Auskehrung der Vssumme an ihn nicht (Sieg Bd II §§ 75, 76 Anm. 22, Trautmann S. 94—95 - jeweils mit weiteren Nachweisen). [B 63] ccc) Ansprach des Versicherten aus §§ 328-335 BGB? Die Insassen-Unfallv steht in ihrer rechtlichen Konstruktion einem Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB nahe. Der Vmer und der Ver schließen einen Vertrag, durch den einem Dritten, dem Vten, ein Anspruch gegen den Ver zugewendet wird (§ 75 I 1). Stellt man entsprechend dem Wortlaut des § 328 I BGB darauf ab, ob der Dritte „unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern", so liegt ein Vertrag zugunsten Dritter nur bei der Insassen-Unfallv mit namentlicher Benennung τ

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Anm. Β 65

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

des Vten vor (§ 16 (5) AKB). In allen übrigen Fällen ist diese Voraussetzung des § 328 I BGB, da die Einziehungsbefugnis Vmer und Vtem nur gemeinsam zusteht (§ 3 (2) AKB), nicht gegeben. Enge S. 3 2 - 3 3 verneint deshalb - für die Rechtslage vor Änderung der AKB im Jahre 1970 — das Vorliegen eines Vertrages zugunsten Dritter. Für die hier untersuchte Frage, ob sich aus der vsrechtlichen Regelung der §§ 179, 75—79 ein Anspruch des Vten gegen den Vmer auf Zustimmung zur Auszahlung der Vssumme an den Vten oder auf Auskehrung ergibt, braucht hierauf nicht näher eingegangen zu werden. Soweit die vsrechtliche Regelung einem Vertrag zugunsten Dritter nahesteht, werden die Vorschriften der §§ 328—335 BGB durch die vsrechtlichen Vorschriften modifiziert. Ein Anspruch des Vten gegen den Vmer, der überdies von § 328 BGB gerade nicht vorgesehen wird, folgt daraus nicht (vgl. BAG 30.1.1958 VersR 1958 S. 360 m.N.). [B 64] ddd) Ergebnis Aus Vorstehendem ergibt sieh, daß sich aus der vsrechtlichen Regelung der §§ 179, 75—79 keine Antwort auf die Frage finden läßt, ob und in welcher Weise der Vte das ihm nach § 75 I 1 materiell zustehende Recht verwirklichen kann. Die Beantwortung dieser Frage wird vom Vsrecht bewußt der schuldrechtlichen Beziehung außerhalb des Vsrechtes überlassen, die zwischen Vmer und Vtem besteht. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß solche schuldrechtlichen Beziehungen in jedem Falle bestehen (vgl. amtliche Begründung zu §§ 75, 76, abgedruckt bei Gerhard-Hagen S. 352 unten, vgl. auch Enge S. 70-71, Kisch Bd III S. 429, KG 27. III. 1936 JRPV 1936 S. 220-221 und Sieg Bd II §§ 77 Anm. 2 und 80 Anm. 35). Im Anschluß an diese Feststellung wurde in Schrifttum und Rechtsprechung vielfach die Auffassung vertreten, daß es „undenkbar" sei, daß es an einem solchen schuldrechtlichen Innenverhältnis fehle (so wörtlich OLG Oldenburg 16. XI. 1964 MDR 1965 S. 300 im Anschluß an Wussow VersR 1964 S. 460 r.Sp. oben, ebenso Senz VersR 1973 S. 15, Lohmar S. 60, LG Berlin 18.1.1955 VersR 1955 S. 166-167, OLG Nürnberg 1. II. 1965 VersR 1965 S. 1145 — das jedoch einen Anspruch des Vten gegen den Vmer auf Weiterführung der Geschäftsführung, d. h. auf Geltendmachung des Anspruch zu seinen, des Vten, Gunsten verneint - , OLG Hamburg 1. III. 1960 VersR 1960 S. 1132-1133, BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 138-140, Pienitz-Flöter § 16 I A; vgl. im übrigen Anm. Β 65). [Β 65] c) Geschäftsführung ohne Auftrag als der Insassen-Unfallversicherung zugrunde liegendes Schuldverhältnis? Nach bisher herrschender Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung hatte das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677-687 BGB) die Funktion, mangels anderweitiger Rechtsbeziehungen zwischen Vmer und Vtem deren Innenverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten im Rahmen des Valutaverhältnisses zu regeln (Nachweise Anm. Β 64). Die Anwendung der §§ 677 ff. BGB beruhte auf der Annahme, daß der Kfz-Halter, der eine Insassen-Unfallv zugunsten nicht bestimmter Insassen ohne deren Einwilligung (§ 179 III 1 W G ) abschließt, stets ein „Geschäft für einen anderen" im Sinne des § 677 BGB besorgt. Der Rückgriff auf dieses Rechtsinstitut diente indessen nur der Begründung eines Anspruchs des vten Insassen im Falle eines Unfalls: Gemäß §§ 681 S. 2, 667 BGB ist der Vmer als Geschäftsherr verpflichtet, eine eingezogene Entschädigungssumme als aus der Geschäftsführung Erlangtes an den Vten als Geschäftsherrn auszukehren. Nur ausnahmsweise setzte sich die Rechtsprechung mit den Fragen auseinander, die sich aus dem Rückgriff auf die Geschäftsführung ohne Auftrag im übrigen ergeben: Ist der Vmer verpflichtet, die einmal genommene Insassen-Unfallv aufrechtzuerhalten (§ 677 BGB — die Frage wird 100

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 66

verneint von OLG Nürnberg 1. II. 1965 VersR 1965 S. 1145), verstößt ein ihm zustehender Erlaß der Entschädigungsforderung gegen seine Pflichten als Geschäftsführer und macht er ihn schadensersatzpflichtig, erwogen von BGH 23. IV. 1963 VersR 1963 S. 5 2 1 - 5 2 3 = NJW 1963 S. 1201-1203 oder ist ein solcher Erlaß oder ein Verzicht des Vmers auf sein Recht zur Geltendmachung der Vsforderung schon deshalb sittenwidrig, weil eine solche Verfügung das dem Vten nach § 75 I 1 zustehende Recht vereitelt (in diesem Sinne KG 29. VII. 1954 VersR 1954 S. 4 5 4 - 4 5 5 ) oder ist Nichtigkeit nur oder jedenfalls dann anzunehmen, wenn Ver und Vmer eigensüchtig zum Nachteil des Vten zusammenwirken (OLG Hamburg 1. III. 1960 VersR 1960 S. 1132—1133). Die Auffassung, die von einer Geschäftsführung ohne Auftrag durch Abschluß des Insassen-Unfallv-Vertrages ausgeht, kann schwerlich begründen, daß es im Belieben des Vmers steht, auf die Geltendmachung des Anspruchs nach Eintritt des Vsfalles zu verzichten, wie es Lohmar S. 59—61 und OLG Nürnberg 1. II. 1965 VersR 1965 S. 1145 tun. Auffällig ist schließlich, daß die von der herrschenden Meinung angenommene Geschäftsführung ohne Auftrag nicht dazu geführt hat, daß man den Vten, wenn er Auszahlung der Vssumme an sich verlangt, nicht für verpflichtet hält, gemäß § 683 B G B dem Vmer die von ihm gezahlten Prämien zu ersetzen. Überdies ist darauf hinzuweisen, daß ein Vmer, der die Notwendigkeit einer Zustimmung des Vten gemäß § 179 III 1 kennt, eine unerlaubte Eigengeschäftsführung im Sinne des § 687 II B G B vollzieht (Möller VersR 1950 S. 82 l.Sp. a.E.). Die Beweggründe des Vmers, eine Insassen-Unfallv nach dem Pauschalsystem zu nehmen, sind vielfältiger Art: Er kann die Absicht haben, „seinen" Insassen mit der Insassen-Unfallv im Schadensfall unabhängig von den Voraussetzungen eines Haftpflichtanspruchs (§ 8 a StVG) eine Mindestentschädigung zu gewährleisten. Durch Arbeitsvertrag oder andere vertragliche Gestaltung kann er zu einer solchen Sicherung seiner Insassen verpflichtet sein (Anm. Β 74—79). Möglicherweise will er auch den Insassen neben einem Haftpflichtanspruch, für den eine gleichzeitig genommene Haftpflichtv einzutreten hat, zusätzlich eine summenmäßige Entschädigung aus der Insassen-Unfallv zukommen lassen. Diese Verschiedenartigkeit der Motivation des Vmers schließt es aus, sein Innenverhältnis im Hinblick auf die Insassen-Unfallv zum Vten mangels anderweitigen Rechtsverhältnisses undifferenziert nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag zu beurteilen; so zutreffend Weber VersR 1954 S. 111, Enge S. 7 2 - 7 5 , Esser, Schuldrecht, II, 4. Aufl., 1970, S. 323, Marschall v. Bieberstein S. 254, Mitsdörfer S. 8 8 - 8 9 , Sieg Bd II § 80 Anm. 35 und aus der Rechtsprechung OLG München 27. V. 1952 VersR 1952 S. 391 mit Anm. Prölss, LG Berlin 17. V. 1954 VersR 1954 S. 324, B A G 30.1.1958 VersR 1958 S. 3 6 0 - 3 6 1 (361 1. Sp. a.E.), zweifelnd BGH 4. IV. 1973 VersR 1973 S. 6 3 4 - 6 3 6 (635 r.Sp. oben); gegen die Annahme, der Vmer handele regelmäßig beim Abschluß der Insassen-Unfallv als Geschäftsführer ohne Auftrag BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 264 = VersR 1975 S. 703—705. Dabei steht außer Zweifel, daß im Einzelfall die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen können: Vgl. BAG 30.1. 1958 VersR 1958 S. 361 und die differenzierende Darstellung bei Trautmann S. 64—74 m.N. Der von BGH 7. V. 1975 BGHZ 64 Bd 64 S. 2 6 0 - 2 6 6 überzeugend begründeten Auffassung, daß bei Fehlen sonstiger vertraglicher Vereinbarungen nicht g e n e r e l l auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgegriffen werden kann, ist zu folgen (vgl. auch Sieg Bd III § 80 Anm. 35 und 39). [B 66] d) Anspruch des verletzten Insassen oder seiner Erben gegen den Versicherungsnehmer auf Auskehrung der an ihn gezahlten Entschädigungssumme Nach der bis zum 31. Dezember 1970 geltenden Fassung des § 3 (2) AKB war es möglich, daß der Ver mit befreiender Wirkung die Entschädigungssumme an den Wagner

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Anm. Β 67

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Vmer auszahlte. Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin, wenn der Vte in der Erwartung, der Vmer werde die Summe an ihn weiterleiten, der Auszahlung an den Vmer zustimmt. Kommt der Vmer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt zu fragen, ob dem Vten gegen ihn ein Anspruch auf Auszahlung auch dann zusteht, wenn vertragliche Beziehungen zwischen Vmer und Vten nicht bestehen. Nach § 3 (2) AKB steht die Ausübung der Rechte aus dem Vsvertrag allein dem Vmer zu. Etwas anderes gilt nur für die Auszahlung der Summe (§ 3 (2) S. 2 AKB). Die Rechtsprechung zieht hieraus den Schluß, daß der Vmer im Verhältnis zum Ver das Recht habe, „auf die Auszahlung der Vssumme zu verzichten" (BGH 23. IV. 1963 VersR 1963 S. 521-523, BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 260-266 m.N.), wobei es auf die Frage, ob ein solcher Verzicht generell oder im Einzelfall sittenwidrig ist (OLG Hamburg 1. III. 1960 VersR 1960 S. 1132-1133 und KG 29. VII. 1954 VersR 1954 S. 454—455) oder eventuell den Vmer schadensersatzpflichtig macht, hier nicht ankommt (vgl. Anm. Β 65). BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 263 führt hierzu aus, nur ein besonderes Innenverhältnis zwischen Vtem und Vmer könne diesen zur Verfolgung des Entschädigungsanspruchs verpflichten oder im Verzichtsfalle Schadensersatzansprüche auslösen. — Diese Entscheidung ist indes zu § 3 (2) AKB a.F. ergangen. Sie bedarf im Hinblick auf die Änderung dieser Vorschrift der Überprüfung, weil die Auffassung vertretbar ist, daß eine Verfügung durch Auszahlung der Entschädigungssumme einer Verfügung durch Erlaß so ähnlich ist, daß auch sie nur unter Mitwirkung des Vten wirksam stattfinden kann. Hat der Ver die Entschädigungssumme an den Vmer ausgezahlt, so steht dem Vten ein Bereicherungsanspruch gegen den Vmer zu. Dabei ist es gleichgültig, ob der Ver — nach § 3 (2) AKB a.F. — mit befreiender Wirkung oder nach der seit dem 1. Januar 1971 geltenden Rechtslage ohne diese Wirkung geleistet hat. Der Anspruch des Vten ergibt sich aus § 816 II BGB. Der Vte ist gemäß § 75 I 1 materiell Berechtigter. Der Ver hat an den Vmer geleistet; ist dies mit befreiender Wirkung geschehen, so sind die Voraussetzungen des § 816 II BGB schon deshalb erfüllt: Die Verfügungsbefugnis des Vmers macht diesen nicht zum Berechtigten, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 185 I BGB ergibt (Sieg Bd II § 80 Anm. 31). „Wer lediglich ermächtigt ist, über ein fremdes Recht zu verfügen, bleibt Nichtberechtigter; die Ermächtigung hat nur Bedeutung für die Wirksamkeit der Leistung des Schuldners, dieser wird frei", Sieg a.a.O.; ebenso Möller VersR 1950 S. 82, v.d. Thüsen VW 1953 S. 434, Millauer S. 81, Erman-Seiler, 5. Aufl., München, 1972, § 816 BGB Rdz. 16, Ruscher S. 122; anderer Meinung für einen nach den ADS zu entscheidenden Fall BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 42, Enge S. 79 (der jedoch einen Anspruch aus § 812 BGB gewährt), Trautmann S. 76-82 m.N., Mitsdörfer S. 37-39. [B 67] e) Folgerungen für die Anrechnungsbefugnis des Versicherungsnehmers aa) Interessenlage Hat der Vmer eine Insassen-Unfallv abgeschlossen, ohne dem (später verletzten) Insassen gegenüber hierzu kraft Gesetzes oder vertraglich verpflichtet zu sein, so kommt der Vte kraft des ihm nach §§ 179 II 2, 75 I 1 zustehenden Anspruchs in den Genuß einer Leistung, die ihm im Verhältnis zum Vmer nicht zusteht. Das Valutaverhältnis enthält keinen Rechtsgrund für diese Zuwendung im Sinne des § 812 BGB, und zwar auch dann nicht, wenn man den verletzten Insassen für verpflichtet hält, dem Vmer die von diesem geleisteten Prämien zu erstatten (vgl. hierzu Sieg Bd II § 80 Anm. 31). Die aufgrund der Insassen-Unfallv dem Insassen zufließende Leistung wird deshalb in einem weiteren Sinne als „Liberalität" (Freigebigkeit), d. h. als eine Leistung gewertet, für die er keinen Gegenwert erbringt und für deren Empfang ihm ein 102

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 68

besonderes schutzwürdiges Interesse fehlt. Der Empfang der Leistung aus der Insassen-Unfallv ist fur den Vten auch dann vorteilhaft, wenn ihm daneben Schadensersatzansprüche zustehen: Die überwiegend summenmäßig bestimmten Leistungen aus der Unfallv setzen keine Schadensberechnung und nicht den Beweis dafür voraus, daß die Voraussetzungen eines Haftpflichtanspruchs gegen den verantwortlichen Kraftfahrzeughalter gegeben sind. Die Schadensregulierung erfolgt vergleichsweise schnell und bietet dem verletzten Insassen oder seinen nach § 844 II BGB ersatzberechtigten Hinterbliebenen, auch wenn die Vssumme hinter dem tatsächlichen Schaden zurückbleibt, den Vorteil schneller und nicht mit den besonderen Risiken der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs belasteten Hilfe. Angesichts dieser Erwägungen kann die Anrechnung der aus der Insassen-Unfallv gezahlten Summe auf den dem Vten gegen den Vmer zustehenden Haftpflichtanspruch nur dann als unzulässig bezeichnet werden, wenn zwingende gesetzliche Vorschriften (hier: § 179) dem entgegenstehen. [B 68] bb) Bedeutung des § 179 III Das vorstehend erörterte Problem der Anrechnung von Ansprüchen aus der Insassen-Unfallv auf Haftpflichtansprüche des Vten gegen den Vmer aus dem Unfallereignis ist von den ersten Entscheidungen des RG nicht im Hinblick auf die Frage erörtert worden, ob § 179 III einer solchen Anrechnung entgegensteht: RG 13. VII. 1936 RGZ Bd 152 S. 199-201 = JW 1936 S. 2788 mit Anm. Prölss S. 2788—2789 erörtert diese Frage nach Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des RG für die Vorteilsausgleichung maßgeblich sind. Die Insassen-Unfallv sei eine vom Vmer „veranlaßte Vorsorge dafür, daß ein .Schadensersatz', wenn auch in Gestalt einer Versicherungsleistung, dem Geschädigten bei jedem unter die Versicherung fallenden Unfall mit körperlicher Beschädigung zuteil wird . . . " . Soweit aus der Unfallv geleistet werde, sei der Schaden bereits abgedeckt und damit beseitigt worden. Mit entsprechenden Erwägungen kommt RG 2. IX. 1943 DR 1944 S. 29-30 zu dem gleichen Ergebnis (zust. Anm. Wussow a.a.O. S. 30—31). Diese Entscheidungen entsprachen der damals herrschenden Meinung im Schrifttum; vgl. Söltzer JRPV 1930 S. 213, Ruckas JRPV 1933 S. 373, Röpke JRPV 1935 S. 337, Hagemann JRPV 1936 S. 305, Heinzelmann JRPV 1937 S. 100 und die weiteren Zitate bei BGH 19. XI. 1955 BGHZ Bd 19 S. 97. Die Gegenmeinung stützte sich nicht auf die Vorschrift des § 179, sondern darauf, daß eine solche Anrechnung vom Vmer befugterweise getroffen worden sein müsse, Kramer JRPV 1930 S. 294, Hagemann JRPV 1932 S. 365, Grünberg JRPV 1937 S. 1, Blaesner VW 1950 S. 207 sowie Prölss und Wussow in den oben zitierten Anmerkungen. Der BGH ging zunächst im Hinblick auf § 179 III von der gegenteiligen Auffassung aus: BGH 19. XI. 1955 BGHZ Bd 19 S. 94-102 hatte einen Fall zu entscheiden, der der Sache nach das Problem der Vorteilsausgleichung betraf. Die nach § 844 II BGB zum Schadensersatz berechtigte Ehefrau des getöteten Insassen nahm nicht den Halter (Vmer) desjenigen Fahrzeuges in Anspruch, in dem ihr Ehemann getötet worden war, sondern den Halter des ebenfalls am Unfall beteiligten Omnibusses. Aus der vom Vmer abgeschlossenen Insassen-Unfallv waren ihr bereits 10.000,- DM zugeflossen. Der Halter des Omnibusses verlangte die Anrechnung dieses Betrages auf seine Schadensersatzpflicht. BGH a.a.O. S. 99 verneint die Anrechenbarkeit dieser Leistung aus der Unfallv in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zur Vorteilsausgleichung; seine Ausführungen zum Sinn des § 179 und der Möglichkeit einer Anrechnung sind für diese Entscheidung obiter dicta, sie können allenfalls für den Regreß zwischen den beteiligten KfZ-Haltern (§§ 426 BGB, 17 StVG) von Bedeutung sein. BGH 8. II. 1960 BGHZ Bd 32 S. 44-53 entscheidet, daß die an die Witwe des durch Unfall getöteten Insassen gezahlte Entschädigung aus der Insassen-Unfallv auf Wagner

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Amn. Β 69

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

den den Kindern und der Witwe zustehenden Anspruch aus § 844 II BGB gegen den Vmer nicht anzurechnen sei. Der Klage des Nachlaßverwalters gegen den Vmer und Kfe-Halter aus §§ 844, 845 BGB wurde stattgegeben: Aus der Regelung der §§ 179, 75—79 folge zwingend, daß bei einer ohne schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson genommenen Unfallv nur diese Vter im Sinne der §§ 75ff. sein könne (a.a.O. S. 49). Das bedeute, daß nach § 75 nur ihr — der Gefahrsperson — die Rechte aus dem Vsvertrag zustünden, einen Teil ihres Vermögens und damit ihres Nachlasses bildeten (a.a.O. S. 50 m.N.). Eine Anrechnung der Entschädigung aus der Insassen-Unfallv widerspreche dem Zweck des § 179 III, weil sie auf eine Verwendung im eigenen Interesse des Vmers hinausliefe. Zweck des § 179 III sei es, eine Spekulation des Vmers mit Leben und Gesundheit eines Dritten zu verhindern. Den Auskehrungsanspruch begründet der BGH — ohne daß es hier darauf ankam — mit einem Hinweis auf §§ 677 ff. BGB. - Dieser Entscheidung folgen BGH 24. IV. 1963 VersR 1963 S. 521-523 mit Anm. Seltzer VersR 1963 S. 711, BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 138-140, OLG Hamburg 1. III. 1960 VersR 1960 S. 1132-1133 (obiter), im Schrifttum Thiel VersR 1955 S. 727 und Wahle VersR 1964 S. 1161. Den grundsätzlichen Erwägungen der vorgenannten Entscheidung stehen nicht entgegen BGH 30. XI. 1973 VersR 1973 S. 125 und BGH 4. IV. 1973 VersR 1973 S. 634—636, wonach dem Vmer gestattet wird, gegen den Anspruch des Vten auf Auskehrung der an den Vmer gezahlten Entschädigungssumme mit einem Anspruch aufzurechnen, der dem Vmer aus demselben Unfallereignis gegen den Vten zusteht. Denn diese Entscheidungen setzen voraus, daß dem Vten ein Anspruch gegen den Vmer zusteht, respektieren also die nach Auffassung von BGH 8. II. 1960 BGHZ Bd 32 S. 44 gebotene strenge Auslegung des § 179 III. In einer Reihe von Entscheidungen wird die Anrechnung der Entschädigungsforderung auf den Haftpflichtanspruch des Insassen deshalb abgelehnt, weil der Vmer weder im Vsvertrag noch durch Erklärung gegenüber dem Vten die Anrechnung wirksam erklärt habe: OLG München 27. V. 1952 VersR 1952 S. 391 mit Anm. Prölss, OLG Neustadt 5. VI. 1953 VersR 1953 S. 309-310 - beide Gerichte folgen den Ausführungen von Prölss JW 1936 S. 2788-2789 - , BGH 24. X. 1961 VersR 1962 S. 84—85 (unter Verkennung der Problemlage). Die Entwicklung findet ihren vorläufigen Abschluß in BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 260-266, wo der Vmer für den Fall, daß er dem Vten aus demselben Unfallereignis Schadensersatz schuldet, als grundsätzlich berechtigt angesehen wird, die Anrechnung der Entschädigung aus der von ihm besorgten Unfallv auf seine Haftpflichtschuld zu verlangen, sofern er hieran ein anzuerkennendes Interesse hat und keine abweichenden Zusagen entgegenstehen (a.a.O. S. 266). Auch diese Sätze sind obiter dicta: Zur Entscheidung stand die Frage, ob der Vmer dem Vten gegenüber verpflichtet sei, die Rechte aus der Unfallv geltend zu machen. Entsprechend den Gründen der vorgenannten Entscheidung - aber zeitlich vor ihr — haben sich für die Anrechnungsmöglichkeit des Vmers ausgesprochen Wussow VersR 1954 S. 459-461, Engelbrecht VersR 1954 S. 110-111, Weber VersR 1954 S. 523-526, Marschall v. Bieberstein S. 253, Mitsdörfer S. 82-99, 105-107, PienitzFlöter AKB § 16 A I Fußn. 5, Lohmar S. 61-62; Sieg Bd II § 80 Anm. 31 und Anm. 39 stimmt BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 260-266 insoweit zu. [B 69] cc) Eigene Stellungnahme Der von BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 265 im Anschluß an Stiefel-WussowHofmann AKB9 § 16 Anm. 2 - ebenso schon Wussow VersR 1954 S. 461 l.Sp. formulierten restriktiven Auslegung des § 179 III ist zu folgen: Diese Vorschrift will (nur) „die Schaffung einer Rechtslage verhindern, durch die der Vmer ein vermögens104

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 71

wertes Interesse an der Verletzung des V erlangt". Eine solche Situation und damit ein Anreiz für den Vmer, den Eintritt des Vsfalles zu beeinflussen, werde nicht herbeigeführt, wenn der Vmer die Unfallv abschließt und dazu verwendet, um sich „gegen die aus einem Unfall entstehenden Belastungen seines Vermögens zu schützen (Marschall v. Bieberstein S. 253). Die Zulässigkeit einer solchen einschränkenden Auslegung wird durch die — nach dem Inkrafttreten des W G getroffene — Regelung des § 50 LVG bestätigt (Sieg Bd II § 80 Anm. 39), die insoweit an die aus dem Jahre 1871 stammenden Vorschrift des § 4 RHG anschließt. Der Vmer hat ein schutzwürdiges Interesse an einer solchen Verwendung der von ihm selbst genommenen und bezahlten Insassen-Unfallv, wenn sich aus den vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem Vten nicht etwas anderes ergibt (BGH a.a.O. S. 266) und wenn die Anrechnung nicht im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Anm. Β 73). Eine Anrechnung (in der juristischen Form der Aufrechnung) zum Zwecke der Tilgung anderer Ansprüche des Vten gegen den Vmer als solcher, die aus dem Unfall entstanden sind, läßt die Rechtsprechung wegen der Zweckbindung der aus der Insassen-Unfallv sich ergebenden Entschädigungsforderung nicht zu, BGH 4. IV. 1973 VersR 1973 S. 634—636 (635 r. Sp. oben) unter Hinweis auf treuhänderische Bindung des Vmers: Der Vmer darf gegenüber dem Anspruch des verletzten Insassen auf Herausgabe der Entschädigung nur mit einer Schadensersatzforderung aufrechnen, die er aus demselben Unfallereignis gegen den vten Insassen herleitet. Entsprechendes muß gelten, wenn der Vmer den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat (Mitsdörfer S. 113—116). Für diesen Fall schließt die Vorschrift des § 181 I n.F. die Leistungspflicht des Vers nicht aus (Mitsdörfer S. 113-116; für § 181 a.F. Ehrenzweig S. 446-447). [B 70] dd) Zusammenfassung Vor Eintritt des Vsfalles steht dem Vmer als Vertragspartner des Vers die Ausübung aller Rechte (im weitesten Sinne) aus dem Vsvertrag zu: Er kann den Vertrag inhaltlich umgestalten, indem er die Vssumme verringert oder erhöht, den Vertrag kündigen oder durch Verletzung von Obliegenheiten Leistungsfreiheit des Vers herbeiführen. Nach Eintritt des Vsfalles kann er — vorbehaltlich der aus § 138 I BGB sich ergebenden Schranke — dem Ver die Vsverbindlichkeit erlassen. Wird die Entschädigung jedoch entsprechend der bis 31. Dezember 1970 geltenden Regelung (§ 3 (2). AKB a.F.) in für den Ver befreiender Weise oder nach diesem Zeitpunkt entgegen § 3 (2) S. 2 AKB an den Vmer ausgezahlt, so kann der Vte Auskehrung der Vssumme an sich gemäß § 816 II BGB verlangen. Im letzteren Fall liegt in dem Auszahlungsverlangen des Vten gegen den Vmer die nach § 3 (2) S. 2 AKB notwendige (nachträgliche) Zustimmung des Vten (§ 185 I BGB). Der Vmer ist nicht befugt, die an ihn ausgezahlte Entschädigung zu freier Verwendung zu behalten. Er ist jedoch unter den vorstehend (Anm. Β 69) genannten Voraussetzungen berechtigt, die Entschädigung zur Erfüllung eines dem Vten aus demselben Unfallereignis zustehenden und gegen den Vmer gerichteten Haftpflichtanspruchs zu verwenden. [B 71] f) Bewirkung der Anrechnung durch den Versicherungsnehmer aa) In Schrifttum und Rechtsprechung vertretene Auffassungen Das Reichsgericht hat in zwei Entscheidungen die Anrechnung der Entschädigung aus der Insassen-Unfallv auf den Haftpflichtanspruch des Vten mit Formulierungen bejaht, die darauf hindeuten, daß es die Zahlung der Entschädigung aus der Unfallv an den Vten als Erfüllung des dem Vten zustehenden Haftpflichtanspruchs im Sinne des § 362 I BGB ansah, RG 13. VII. 1936 RGZ Bd 162 S. 201 = JW 1936 S. 2788 und für eine andere Fallgestaltung: zwischen Vmer und Vten bestanden arbeitsrechtliche Wagner

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Anm. Β 72

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Beziehungen - RG 2. IX. 1943 DR 1944 S. 29-30. OLG München 27. V. 1952 VersR 1952 S. 391 mit Anm. Prölss hat sich der erstgenannten Entscheidung angeschlossen und — insoweit deutlicher als das RG — ausgesprochen, daß durch Zahlung der Entschädigung aus der Unfallv der Haftpflichtanspruch des Vten erfüllt sei. Dementsprechend wird bei Stiefel-Wussow-Hofmann® § 16 Anm. 2 S. 667—670 die Frage u. a. unter dem Gesichtspunkt behandelt, ob der Vmer gegenüber dem Haftpflichtanspruch des Vten den „Erfüllungseinwand" erheben könne. Daneben wird erwogen, die Anrechnung aus dem Gedanken des § 328 II BGB zu begründen: Der Vmer wendet dem Vten den Anspruch aus dem Vsvertrag (§§ 179 II, 75 I 1) nur mit der Maßgabe zu, daß der Vte in Höhe der an ihn geleisteten Entschädigungsleistung auf den Haftpflichtanspruch verzichten müsse (Wussow VersR 1964 S. 459 und Mitsdörfer S. 103 m.N.). Wussow kann sich indes für diesen Gedanken nur auf die erste der von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (a.a.O. Fußn. 6 - 9 ) berufen: BGH 19. XI. 1955 BGHZ Bd 19 S. 101 erwägt, „ob nicht in Anwendung des § 328 BGB anzunehmen ist, daß dem verunglückten Insassen bzw. seinen Rechtsnachfolgern das Recht auf die Versicherungssumme nur unter der Voraussetzung erwachsen ist, daß sie ihn . . . (insoweit) . . . nicht für die Folgen des Unfalls schadensersatzpflichtig machen". BGH 8. II. 1960 BGHZ Bd 32 S. 44—53 erwähnt S. 53 lediglich die Möglichkeit, daß der Insasse mit dem Vmer eine Vereinbarung über die Auskehrung der Vssumme treffen könne. Auf diesen Hinweis beschränkt sich auch BGH 24. X. 1961 VersR 1962 S. 84-85 (S. 85 r. Sp. unten). Senz VersR 1973 S. 16 schließt sich dem Vorschlag von Wussow hinsichtlich der Anwendung des § 328 II BGB an, erkennt jedoch, daß die nach dieser Vorschrift gebotene Auslegung sich hier auf die Erforschung (allein) des Willens des Vmers beschränke. Die daraus sich ergebenden Bedenken vermeidet Mitsdörfer (S. 100—102), indem er darauf hinweist, daß angesichts der vielfältigen Motive und Absichten, die zum Abschluß einer Insassen-Unfallv für zunächst nicht bestimmte Personen führen können, eine objektive Auslegung entsprechend § 328 II BGB dahingehend geboten sei, daß sich der Vmer jedenfalls die Möglichkeit einer späteren A n r e c h n u n g v o r b e h a l t e n will. Auch Marschall v. Bieberstein S. 255-256 bevorzugt diese Konstruktion: Es entspreche den zu berücksichtigenden Zwecken einer solchen Fremd-Unfallv am besten, schon aus dem Vsvertrag eine inhaltliche Begrenzung der Leistungspflicht dahin anzunehmen, daß die Vsleistung nur zu erbringen sei, wenn der Empfänger auf Verlangen des Haftpflichtigen bis zur Höhe der Vssumme auf Schadensersatzansprüche gegenüber dem Haftpflichtigen verzichte. Schließlich wird die Meinung vertreten, daß der Vmer unabhängig von der Frage, ob ihm der Vsvertrag eine solche Befugnis vorbehalte, befugt sei, durch einseitige Erklärung entsprechend § 366 I BGB gegenüber dem Vten die Anrechnung zu bewirken (Sieg Bd II § 80 Anm. 37 unter Hinweis auf BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 266). Dort wird indes ein solcher vertraglicher Vorbehalt nicht vorausgesetzt; über die juristische Konstruktion der Anrechnung durch den Vmer äußert sich der Bundesgerichtshof nicht. [B 72] bb) Eigene Stellungnahme Die Auffassung, wonach die Auszahlung der Entschädigung seitens des Vers aus der Insassen-Unfallv oh ne e n t s p r e c h e n d e E r k l ä r u n g gegenüber dem Vten als Erfüllung des diesem zustehenden Haftpflichtanspruchs anzusehen ist, darf als überholt bezeichnet werden. In der Rechtsprechung ist sie nach OLG München 27. V. 1952 VersR 1952 S. 391 mit Anm. Prölss nicht mehr in Erscheinung getreten. Sie ist nicht vereinbar mit der Feststellung, daß dem verletzten Insassen oder seinen Hinter-

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anni. Β 72

bliebenen aus dem Unfall in Gestalt der Haftpflichtansprüche einerseits und des Anspruchs aus der Insassen-Unfallv andererseits Forderungen zustehen, deren Inhalt und Voraussetzungen nicht identisch sind: Der Anspruch aus der Insassen-Unfallv ist auf (überwiegend) summenmäßig bestimmte Geldleistung gerichtet, er setzt tatbestandlich voraus, daß ein Unfall im Sinne des § 17 (1 und 2) AKB stattgefunden hat. Dagegen verlangen Haftpflichtansprüche aus §§ 7, 18 StVG, 823 BGB die Erfüllung der dort genannten andersartigen Tatbestandsmerkmale: Gemäß § 249 S. 1 BGB kann der zum Schadensersatz Berechtigte in erster Linie Naturalrestitution verlangen. Sein mitwirkendes Verschulden mindert ipso iure die Höhe seines Anspruchs sowohl innerhalb der Gefährdungshaftung (§ 9 StVG) als auch im Rahmen der Verschuldenshaftung (§ 254 BGB). Wer Erfüllung des Schadensersatzanspruchs des Vten, durch Leistung der Entschädigung aus der Insassen-Unfallv annimmt, muß überdies Gesamtschuldnerschaft im Sinne des § 421 BGB zwischen Vmer und Ver annehmen. Diese Annahme ist nicht haltbar: Vor Auszahlung der Entschädigungssumme schuldet der Ver Zahlung der Geldsumme allein (§ 50), der Vmer schuldet allenfalls die Zustimmung gemäß § 3 (2) S. 2 AKB. Nach Auszahlung der Vssumme durch den Ver an den Vmer schuldet dieser die Summe dem Vten, wenn er die Auszahlung an den Vmer genehmigt (Anm. Β 69). Zwar hat der Ver nicht mit befreiender Wirkung an den Vmer geleistet § 3 (2) S. 2 AKB), einen Anspruch gegen den Ver hat der Vte jedoch nur, wenn der Vmer zustimmt. — Nur hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs des Vten, soweit ihm dieser angesichts des § 8 a StVG zustehen sollte, schulden ihm Vmer und Ver Schadensersatz als Gesamtschuldner unter der Voraussetzung, daß der Unfallver zugleich Haftpflichtver ist ( § 3 1 Ziff. 2 PflVG). Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Annahme, der Haftpflichtanspruch des Vten werde durch Auszahlung der Unfallvssumme an ihn erfüllt im Sinne der §§ 362,422 I BGB, in unzutreffender Weise von einer Identität der Haftpflichtverbindlichkeit des Vmers und der Verbindlichkeit des Vers aus der Unfallv ausgeht. Begründet man dagegen mit BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 260-266 die Anrechnungsbefugnis des Vmers aus der dem Abschluß der Insassen-Unfallv zugrunde liegenden Interessensituation und folgt man zugleich der Auffassung, daß die Anrechnung dem Zweck des § 179 III nicht zuwiderlaufe (Anm. Β 68), so erübrigt es sich, die Anrechnungsbefugnis aus dem Gedanken eines nur beschränkt zugewendeten Rechts zu rechtfertigen. Die Anrechnungsbefugnis steht dem Vmer kraft seiner Rechtsstellung als Kontrahent des Vsvertrages zu, soweit sie nicht durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Vten oder bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist. Die Annahme eines solchen Vorbehalts im Vsvertrag ist überdies fiktiv: Die als Massenverträge formularmäßig abgefaßten Vertragstexte enthalten über die Anrechnungsbefugnis des Vmers nichts. Der Ver als Vertragspartner des Vmers wäre auch nicht der richtige Adressat für eine solche Erklärung, die sich nur im Valutaverhältnis (des Vmers zum Vten) auswirkt (so zutreffend Hofmann VersR 1960 S. 97; vgl. auch Mitsdörfer S. 100). Mit Sieg Bd II § 80 Anm. 37 ist deshalb dem Vmer unter den in Anm. Β 69 genannten Voraussetzungen in entsprechender Anwendung des § 366 I BGB das Recht zuzugestehen, durch Erklärung gegenüber dem Vten die Anrechnung der Entschädigung aus der Unfallv auf den aus dem gleichen Unfall entstandenen Haftpflichtanspruch, soweit dieser aus Verletzung oder Tötung einer Person entstanden ist, zu bestimmen. Die Vorschrift des § 366 I BGB ist nur entsprechend anzuwenden, weil der Vmer nicht Schuldner der Vsleistung ist, sondern nur auf sie Einfluß nehmen kann (Sieg a.a.O.). Daß dieses Recht dagegen nicht dem mit dem Unfallver identischen Haftpflichtver kraft seiner Vollmacht gemäß § 10 (5) AKB zusteht, ist unstreitig (Sieg Bd II § 80 Anm. 37, Mitsdörfer S. 106-107 m.N., Wussow VersR 1954 S. 461). Wagner

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Anm. Β 74

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

Entsprechend dem Wortlaut des § 366 I BGB ist vorauszusetzen, daß der Vmer die Anrechnung spätestens „bei" der Leistung aus der Unfallv bestimmt. Seine schutzwürdigen Interessen stehen dem nicht entgegen: Läßt er die Entschädigung aus der Unfallv dem verletzten Insassen oder dessen Hinterbliebenen auszahlen, so steht fest, daß er dem Ver diesen Anspruch nicht erlassen bzw. auf sein Recht, die in § 3 (2) S. 2 AKB vorgesehene Zustimmung zu verweigern, nicht verzichten will. Auszahlung an sich selbst oder eine anderweitige Verwendung der Entschädigungssumme kann er nach der den §§ 179 III, 75 11 zugrunde liegenden Wertung nicht beanspruchen. Sollte zum Zeitpunkt der Auszahlung der Entschädigungssumme noch nicht feststehen, ob dem Verletzten oder dessen Hinterbliebenen auch Schadensersatzansprüche zustehen, so kann die Anrechnung durch den Vmer vorsorglich, d. h. für den Fall, daß Haftpflichtansprüche bestehen, mit der Maßgabe erklärt werden, daß auf sie die Entschädigungsleistung aus der Unfallv bis zu deren Höhe anzurechnen sei. Der Vte hat ein schutzwürdiges Interesse an Klarheit darüber, ob er weitere Leistungen aus dem Unfallereignis unter dem Gesichtspunkt von Schadensersatz erwarten darf (a.A., d.h. für die Möglichkeit nachträglicher Anrechnung Sieg Bd II § 80 Anm. 37 und wohl auch Mitsdörfer S. 102-103). Der Vmer hat die tatsächliche Möglichkeit, den Ver anzuweisen, die Leistung an den Vten mit dieser Erklärung - der Ver wird insoweit zum Boten der Anrechnungserklärung des Vmers — zu erbringen oder die Anrechnung vorsorglich durch eigene Erklärung gegenüber dem Vten sicherzustellen. 8. Verwendung der Leistung aus der Insassen-Unfallversicherung gemäß vertraglicher Regelung zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem Gliederung: a) Allgemeines Anm. Β 73 b) Arbeitsverhältnis Anm. Β 7 4 - 7 7

c) Auftrag oder Geschäftsbesorgung Anm. Β 78 d) Schenkung Anm. Β 79

[Β 73] a) Allgemeines Die vorstehend für den Fall des Fehlens eines vertraglichen Innenverhältnisses erörterte Frage nach der Anrechnungsbefugnis des Vmers stellt sich nicht als vsrechtliches Problem, soweit sich ihre Beantwortung aus einem zwischen Vmer und Vten bestehenden vertraglich begründeten Rechtsverhältnis ergibt. Hierfür kommen Arbeitsverhältnis, Auftrag oder Geschäftsbesorgung, Gesellschaftsrecht und Schenkung in Betracht (vgl. Sieg Bd II § 80 Anm. 35 und Trautmann S. 56-82 m.N.). Die hier zu erörternde Frage nach einem Auskehrungsanspruch des Vten betrifft der Sache nach Vertragsauslegung. Sie ist hier kurz darzustellen, weil (auch) sie die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Unfallv deutlich macht. [B74] b) Arbeitsverhältnis Schließt ein Arbeitgeber eine Unfallv in der Weise ab, daß er seine Arbeitnehmer als Gefahrspersonen benennt, so können hierfür verschiedenartige Gründe maßgeblich sein: Er kann den Zweck verfolgen, sich selbst gegen den Schaden zu vern, der ihm aus dem Ausfall der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers infolge Unfalls erwächst. Dann handelt es sich um eine Unfallv für eigene Rechnung gegen Unfälle eines anderen im Sinne des § 179 Γ und III. Diese Gestaltung setzt die schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers als Gefahrsperson voraus (§ 179 III 1). Ähnlich liegt es, wenn eine Unfallv dem Zweck dient, betriebliche Versorgungseinrichtungen zu finanzieren (vgl. hierzu Storck DB 1961 Beilage 9): Schafft sich der Unternehmer durch die Unfallv die

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 76

Möglichkeit der „Rückdeckung" (Storck a.a.O.) für eine von ihm versprochene Versorgungsleistung, so handelt es sich ebenfalls um die V eines anderen für eigene Rechnung im Sinne des § 179 I. Denn der Arbeitgeber nimmt beim Unfallver „Regreß" für eine Leistung, die er unabhängig vom Bestehen der Unfallv aufgrund eigener Verpflichtung an den Arbeitnehmer erbracht hat. Die Leistung aus der Unfallv fließt ihm im eigenen Interesse zu. [B 75] Den Übergang von einer Unfallv für eigene Rechnung im vorgenannten Sinne zu einer Unfallv für fremde Rechnung bildet eine Gestaltung, bei der der Arbeitgeber eine Unfallv zugunsten seiner Arbeitnehmer abschließt, sei es, um die soziale Unfallv zu ergänzen (vgl. Opitz BB 1957 Beilage zu Heft 10), sei es, um sie zu ersetzen (vgl. den Sachverhalt bei BGH 23. X. 1958 VersR 1958 S. 797-798). Solche Unfallven werden überwiegend als Gruppenv abgeschlossen; nicht selten so, daß den Arbeitnehmern der Vertragsschluß zunächst unbekannt bleibt (Trautmann S. 62, LAG Stuttgart 30. IV. 1960 VersR 1961 S. 207-208). Regelt der Arbeitsvertrag diese Frage nicht ausdrücklich, so kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Unfallv zugunsten des vom Unfall betroffenen Arbeitnehmers geltend zu machen. Wird der betroffene Arbeitnehmer durch die soziale Unfallv oder durch einen verantwortlichen Dritten, dessen Haftung nicht nach § 637 RVO ausgeschlossen ist, entschädigt, oder erhält er Schadensersatz vom Arbeitgeber nach § 618 BGB, weil eine gesetzliche Unfallv nicht besteht, so folgt aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht nicht ohne weiteres, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Entschädigung aus der Unfallv verschaffen muß (im gleichen Sinne Sieg Bd II § 80 Anm. 35). Wenn LAG Stuttgart 30. IV. 1960 VersR 1961 S. 207-208 als Regel (Leitsatz 1) davon ausgeht, daß der Vsvertrag der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht entspringe und daher (!) bei Eintritt des Vsfalles die Vssumme dem Vten zustehen solle, so trennt es, wie sich auch aus den Entscheidungsgründen ergibt, nicht hinreichend zwischen der Auslegung des Arbeitsvertrages einerseits und der aus § 179 III sich ergebenden Wertung andererseits. In dem dort entschiedenen Fall wurde die Ünfallv im Arbeitsvertrag nicht erwähnt. Es ist inkonsequent, eine Pflicht des Arbeitgebers anzunehmen, dem Arbeitnehmer die Vssumme zu verschaffen, wenn der Arbeitgeber zum Abschluß der Unfallv nicht verpflichtet war (vgl. auch BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 263). [B 76] Entsprechend den Ausführungen zur Insassen-Unfallv (Zusammenfassung Anm. Β 70) ist wie folgt zu differenzieren: Hat der Arbeitgeber freiwillig eine Unfallv zugunsten seiner Arbeitnehmer genommen, so ist er grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob er sie nach Eintritt eines Vsfalles geltend machen will oder nicht (BGH 7. V. 1975 BGHZ Bd 64 S. 260-266). Eine Pflicht hierzu k a n n (Sieg Bd II § 80 Anm. 35) sich aus dem Gesichtspunkt der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht ergeben, wenn der Arbeitnehmer auf andere Weise nicht hinreichend entschädigt wird, unter Berücksichtigung seines eigenen Verhaltens seine Schutzwürdigkeit nicht verneint werden muß (LAG Düsseldorf 25. VIII. 1955 BB 1955 S. 931) und demgegenüber schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers, die Unfallv nicht in Anspruch zu nehmen, nicht erkennbar sind (im Sinne einer solchen Abwägung BAG 30.1.1958 VersR 1958 S. 360-361 [S. 361 1. Sp. unten] und Trautmann S. 63 letzter Absatz). Hat dagegen der Arbeitgeber als Vmer die Entschädigungssumme aus der Unfallv erhalten, so darf er sie — abgesehen von den in Anm. Β 75 genannten Fällen - nicht für sich verwenden. Das würde dem Sinn des § 179 II und III widersprechen. Er hat sie dann an die Gefahrsperson auszukehren (BAG 18. II. 1971 VersR 1971 S. 5 4 2 Wagner

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543 = B B 1971 S. 873). Diese Pflicht folgt indes, wie bereits erwähnt, nicht ohne nähere Anhaltspunkte aus dem Arbeitsvertrag oder aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht, sie ergibt sich aus dem Zweck und Inhalt der Regelung der §§ 179 II und III, wobei als Anspruchsnorm § 816 II B G B in Betracht kommt. Soweit der Arbeitsvertrag eine solche Unfallv zugunsten des Arbeitnehmers vorsieht, regelt sich die Pflicht des Arbeitnehmers zur Geltendmachung der Vsforderung und Auskehrung einer an ihn gezahlten Entschädigimg nach dem Vertragsinhalt (vgl. den Fall B G H 23. X. 1958 VersR 1958 S. 7 9 7 - 7 9 8 ) . Die aus § 179 sich ergebenden Schranken sind ohne Bedeutung, weil der Vertragsschluß die Zustimmung des Vten auch zu einer eventuell vereinbarten Unfallv für eigene Rechnung des Arbeitgebers zum Inhalt haben würde. [B 77] Neben der arbeitsrechtlichen Regelung ist kein Raum für die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (anders BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 1 3 0 - 1 4 0 für Geschäftsführung ohne Auftrag neben einem beamtenrechtlichen Verhältnis, B A G 3 0 . 1 . 1 9 5 8 VersR 1958 S. 361 und L A G Stuttgart 30. IV. 1960 VersR 1961 S. 2 0 7 - 2 0 8 , die eine solche Möglichkeit in Betracht ziehen). Schließt der Arbeitgeber freiwillig eine Unfallv zugunsten der Arbeitnehmer, so will er über die Fortführung des Vsverhältnisses in gleicher Weise allein bestimmen wie über den Abschluß (widersprüchlich insoweit Trautmann S. 63 2. Absatz im Hinblick auf den nachfolgenden 3. Absatz). Es gibt keine Rechtfertigung für die Annahme, daß der Vmer sich verpflichten will, entsprechend § 677 B G B das Vsverhältnis im Interesse seiner Arbeitnehmer fortzuführen, ohne hierzu kraft des Arbeitsvertrages und ihn ergänzender Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge verpflichtet zu sein. Dieser von BGH 7. V. 1975 B G H Z Bd 64 S. 263 für die Insassen-Unfallv formulierte Gesichtspunkt gilt in gleicher Weise für das Arbeitsrecht.

[B 78] c) Auftrag oder Geschäftsbesorgung Eine Verpflichtung des Vmers zum Abschluß einer Unfallv zugunsten (auch) Dritter kann sich aus einem Auftragsverhältnis im weitesten Sinne, nämlich einschließlich einer aufgrund Dienst- oder Werkvertrages geschuldeten Geschäftsbesorgung (§ 675 B G B ) ergeben. Als Beispiel hierfür kann eine Insassen-Unfallv genannt werden, die zugunsten der Mitglieder einer Reisegesellschaft abgeschlossen wird, und zwar von dem Mieter oder Halter des Fahrzeuges (Kleinbus oder Omnibus), der möglicherweise allein im Besitz eines Führerscheins ist. Ereignet sich ein Unfall, der die Voraussetzungen des § 17 (1) S. 2 A K B erfüllt, so ist der Vmer aus Auftragsrecht verpflichtet (§§ 675, 667 B G B ) , die Forderung aus der Unfallv zugunsten der verletzten Mitglieder der Reisegesellschaft geltend zu machen und, soweit sie an ihn ausgezahlt wird, an sie auszukehren. Handelt es sich um eine kleinere Reisegesellschaft, so kann das Innenverhältnis der Beteiligten einschließlich des Vmers auch gesellschaftsrechtlicher Art sein, so daß der Vmer insoweit als geschäftsführender Gesellschafter zur Wahrnehmung der Rechte der vten Insassen gemäß § 713 B G B verpflichtet ist. Auch diese Vorschrift verweist für seine Pflicht gegenüber den übrigen Mitgliedern der Reisegesellschaft auf Auftragsrecht.

[B 79] d) Schenkung

Der Zuwendung der Vsforderung an den Vten durch Vertragsschluß des Vmers mit dem Ver kann eine Schenkung im Sinne des § 516 B G B zugrunde liegen. Diese im Schrifttum gelegentlich erörterte Möglichkeit ist ersichtlich ohne praktische Bedeu110

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 79

tung. Die Ausführungen von Trautmann S. 59—61 hierzu enthalten kein Zitat aus der Rechtsprechung. Liegt eine wirksam vereinbarte (§ 518 II BGB) Schenkung vor, so kann der Vmer nicht vom Vten Erstattung der Prämien verlangen, die Rechte aus § 77 stehen ihm in diesem Zusammenhang nicht zu. Nimmt man mit Sieg Bd II § 80 Anm. 35 die Zulässigkeit einer nachträglichen Anrechnung auf eine Haftpflichtverbindlichkeit gemäß § 366 I BGB an, so scheitert die Anrechnungsbefugnis hier am Rechtscharakter der Zuwendung als Schenkung (Sieg a.a.O. zweiter Absatz). Ein von Beginn an wirksames Schenkungsversprechen des Vmers gegenüber dem Vten würde notarielle Beurkundung des Vsvertrages voraussetzen (§ 518 I BGB). Sie kommt praktisch nicht vor, so daß sich die Frage stellt, in welchem Stadium des Vsvertrages der Mangel der Form gemäß § 518 II BGB geheilt werden kann: Durch Zuwendung des Entschädigungsanspruchs gemäß § 75 I 1 kraft Vertragsschlusses, durch Konkretisierung der Gefahrtragung mit Eintritt des Vsfalles (Unfall) oder erst nach Auszahlung der Vssumme an den Vten. Mit Sieg Bd II § 80 Anm. 35 ist anzunehmen, daß erst die Auszahlung der Vssumme an den Vten die „Bewirkung der versprochenen Leistung" im Sinne des § 518 II BGB darstellt. Nur diese Auslegung entspricht dem vom Gesetz gewollten Schutz des Schenkers vor Übereilung. Die von Enge S. 76, Schwan S. 42 und Trautmann S. 60—61 vertretene Auffassung, der Vollzug liege in der Zuwendung des Anspruchs, ermöglicht eine Umgehung des § 518 I BGB durch formlosen Abschluß eines schuldrechtlichen Vertrages, wenn nur die besondere Form eines Vertrages zugunsten Dritter gewählt wird. Ihm dürfte die Erwägung zugrunde liegen (vgl. Enge S. 76), daß der Vertrag zwischen Vmer und Ver für den Dritten dingliche Wirkung entfaltet, weil für ihn ein Forderungsrecht gemäß § 328 BGB entsteht. Dabei wird übersehen, daß dieses Forderungsrecht ein Akzessorium des Rechts des Versprechensempfängers (Vmers) ist, vom Versprechenden (Ver) die Leistung zu verlangen (vgl. § 335 BGB). Diese in § 335 BGB als möglich vorgesehene Aufspaltung des Forderungsrechtes hat nicht zur Folge, daß die vom Versprechenden geschuldete Leistung im Sinne des § 518 I BGB als bewirkt anzusehen ist (vgl. Palandt-Putzo3S § 518 Anm. 3 b). Die von Schwan S. 42 und ihm folgend Trautmann S. 60 vertretene Auffassung, daß ein Auskehrungsanspruch des Vten gegenüber dem Vmer sich auf Auftragsvorschriften oder aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag herleiten lasse, vermag die vorstehend genannten Bedenken nicht auszuräumen. Ein solcher Anspruch ergibt sich bei Fehlen eines Rechtsverhältnisses zwischen Vmer und Vtem aus § 816 II BGB; auf der Grundlage eines nur schuldrechtlichen und als Schenkung formunwirksamen Vertrages kann er nicht beruhen, denn sie führt zu dem Ergebnis, daß eine Verpflichtung des Vmers als Schenkers vor der Bewirkung der versprochenen Leistung trotz Fehlens der vom Gesetz vorgeschriebenen Form begründet wird (zutreffend Sieg Bd II § 80 Anm. 35 zweiter Absatz).

9. Verhältnis von Ansprüchen des Versicherten ans einem Unfall gegen mehrere private Versicherer Gliederung: a) Ansprüche des Vmers aus dem gleichen Unfall gegen mehrere Unfallver bei summenmäßig bestimmter Entschädigungsleistung Anm. Β 80 b) Verhältnis mehrerer Ansprüche des Vmers

aus einem UnfalUgegen mehrere Unfallver bei Vereinbarung von Schadensv Anm. Β 81 c) Verhältnis des Anspruchs aus einer Unfallv zu einer von demselben Vmer genommenen privaten Krankenv Anm. Β 82

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Anm. Β 82

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

[B 80] a) Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem gleichen Unfall gegen mehrere Unfallversicherer bei summenmäßig bestimmter Entschädigungsleistung Soweit die Unfallv nach dem Prinzip der Summenv leistet, bestehen mehrere Ansprüche des Vmers gegen mehrere Unfallver unabhängig voneinander: Der Vmer bezieht die volle Vsleistung aus demselben Unfall von allen Unfallvern. Dieses Prinzip der Unabhängigkeit mehrerer Summenvn voneinander kann dadurch durchbrochen werden, daß der Vmer bei Vertragsschluß trotz entsprechender Nachfrage verschweigt, daß er schon eine (oder mehrere) Unfallv bei einem anderen Ver genommen hat. Dem durch eine solche unrichtige Angabe getäuschten zweiten (oder weiteren) Ver kann ein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht zustehen (§§ 16—20). Denn diese Frage ist wegen des „subjektiven Risikos" für den Ver gefahrerheblich im Sinne des § 16 I 1. Für einen Vmer, der mehrere Unfallven abschließt, erhöht sich der Anreiz zur Vortäuschung eines Vsfalles durch Selbstverstümmelung. Die Unfallv kennt als Summenv keinen „Versicherungswert" und keinen „Gesamtschaden" im Sinne des § 59 I. Der Tatbestand der „Doppelversicherung" (vgl. die Legaldefinition in § 59 I) kann demnach für die Unfallv als Summenv nicht erfüllt sein, so daß auch eine Nichtigkeit gemäß § 59 III nicht in Betracht kommt. Für die Luftfahrtunfallv wird die aus einem Unfall von mehreren Vern zu leistende Gesamtentschädigung durch Höchstsummen begrenzt, vgl. Anm. E 13. [Β 81] b) Verhältnis mehrerer Ansprüche des Versicherungsnehmers aus einem Unfall gegen mehrere Unfallversicherer bei Vereinbarung von Schadensverversicherung Soweit die Unfallv Entschädigung als Schadensv leistet, gilt für sie das in § 55 als Prinzip formulierte und u. a. in §§ 59, 67 näher ausgestaltete Bereicherungsverbot. Hat ζ. B. der Vmer aus mit mehreren Unfallvera abgeschlossenen Vsverträgen gegen jeden von ihnen einen Anspruch auf Ersatz seiner Heilkosten (§ 8 VI. AUB), so haften die Ver ihm nach § 59 I bis zur gemeinsam geschuldeten Höhe der Heilkosten als Gesamtschuldner, vgl. Bruck-Möller § 59 Anm. 11, 16—22. Ein Ausgleich der Ver untereinander findet nach Maßgabe des § 59 II 1 statt. Beim Abschluß mehrerer Unfallven, deren vereinbarte Höchstentschädigung den Gesamtschaden im Sinne des § 59 I übersteigen kann, ist eine in betrügerischer Absicht genommene Doppelv im Sinne des § 59 III 1. Halbsatz möglich. Der in dieser Absicht geschlossene Vsvertrag ist nichtig; nach der Regel des § 139 BGB ist anzunehmen, daß die Nichtigkeit nicht nur den nach dem Prinzip der Schadensv bestimmten Teil der Gefahrtragung, sondern den gesamten Vsvertrag ergreift. Wegen der Voraussetzungen der betrügerischen Doppelv im einzelnen vgl. Bruck-Möller § 59 Anm. 40—44. [B 82] c) Verhältnis des Anspruchs aus einer Unfallversicherung zu einer von demselben Versicherungsnehmer genommenen privaten Krankenversicherung Die Frage nach dem Verhältnis einer privaten Unfallv zu einer von demselben Vmer abgeschlossenen PKV ergibt sich nur, soweit die Unfallv Heilkostenersatz nach § 8 III. (3) und/oder § 8 VI. AUB vorsieht. In diesem Falle ist die Unfallv, soweit Entschädigung (Heilkostenersatz) aus ihr und aus der PKV verlangt werden kann, gegenüber der PKV s u b s i d i ä r (§ 8 VI. (3) AUB). Der Vmer muß zunächst die Leistung aus der PKV in Anspruch nehmen, auf die Unfallv kann er nur zurückgreifen, soweit er aus der PKV nicht vollen Ersatz der Heilkosten zu beanspruchen hat. Der Vmer ist jedoch nicht genötigt, die Leistung aus der PKV im Klagewege zu erzwingen. Er kann die Leistung aus der Unfallv gemäß § 8 VI. AUB schon dann in Anspruch 112

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 83

nehmen, wenn der Krankenver seine Leistungspflicht bestreitet (Wussow AUB4 § 8 Anm. 19). Leistet der Unfallver Heilkostenersatz, nachdem sich die PKV zu Unrecht geweigert hat, insoweit Deckung zu gewähren, so kann der Unfallver gegenüber dem Krankenver Regreß nehmen. Es ist zweifelhaft, ob sich ein Regreßrecht des Unfallvers gemäß § 67 I daraus ergibt, daß der Ansprach des Vmers gegen den Krankenver kraft Gesetzes auf den Unfallver übergeht (so Wussow AUB4 § 8 Anm. 19 unter Hinweis auf Böhm VersR 1956 S. 739, dessen Bemerkungen in Fußn. 23 zu einem geplanten Regreßverzichtsabkommen wohl in diesem Sinne gedeutet werden müssen). Der Wortlaut des § 67 I 1 steht dieser Auslegung nicht entgegen, da der Krankenver im Verhältnis von Vmer zu Vtem ein Dritter ist, gegen den der Vmer Anspruch auf Ersatz des Schadens hat. Indessen ist zweifelhaft, ob sich der Forderungsübergang gemäß § 67 I 1 nicht auf Ansprüche gegen Dritte beschränkt, die keine Ver sind (in diesem Sinne — zweifelnd — Bruck-Möller § 59 Anm. 53, während Sieg Bd II § 67 Anm. 35 grundsätzlich auch Ansprüche gegen einen anderen Ver für übergangsfähig hält). Da die Ausgleichsregelung nach § 59 II hier nicht als lex specialis eingreift (Sieg a.a.O.), wird man den Regreßanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 I 1 BGB herleiten müssen: Erweist sich, daß der Krankenver leistungspflichtig war, so hat der Unfallver durch seine Leistung an den Vmer (insoweit) die Befreiung des Krankenvers bewirkt. Das ist ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 812 BGB geschehen, weil der Unfallver gegenüber dem Krankenver nur subsidiär haftet. Diese Begründung vermeidet Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn ein Dritter den Unfall des Vmers in einer Weise herbeigeführt hat, daß er ihm nach allgemeinen Vorschriften schadensersatzpflichtig ist. Leistet der Unfallver anstelle des Krankenvers an den Vmer, so gehen dessen Ansprüche gemäß § 67 I 1 insoweit auf den Unfallver über, als er Heilkostenersatz geleistet hat und nicht ein Ubergang auf einen Sozialvsträger gemäß § 1542 RVO (unten Anm. Β 83-84) den Übergang auf den privaten Unfallver verhindert. Man kann nicht annehmen, daß gemäß § 67 I 1 sowohl Ansprüche gegen einen Drittschädiger als auch gegen den privaten Krankenver auf den Unfallver übergehen. Soweit ein Drittschädiger, gemäß § 67 vom Unfallver in Anspruch genommen, an diesen leistet, entfällt die Bereicherung des Unfallvers gegenüber dem Krankenver. 10. Regreßansprüdie aus dem Zusammentreffen von privater und sozialer Unfallversicherung Gliederung: a) Allgemeines Anm. Β 83 b) Vorrang des Regresses der sozialen Unfallv Anm. Β 84

c) Besonderheiten des Regresses im Rahmen der obligatorischen Luftunfallv Anm. Β 85

[Β 83] a) Allgemeines Ansprüche des Vmers aus der privaten Unfallv können mit Ansprüchen aus der sozialen Unfallv konkurrieren. So kann ζ. B. ein Arbeitnehmer, der nach § 539 RVO gegen Unfall vert ist, zugleich aufgrund einer selbst genommenen oder von seinem Arbeitgeber als Gruppenv abgeschlossenen privaten Unfallv Entschädigungsansprüche haben. Solche Ansprüche stehen dem Vmer/Vten grundsätzlich nebeneinander (kumulativ) zu. Weder die private noch die öffentliche Unfallv ist gegenüber der jeweils anderen subsidiär. Hat eine von ihnen Entschädigung geleistet, so steht ihr ein Regreßanspruch gegen die jeweils andere nicht zu: Der zugunsten der sozialen Unfallv angeordnete gesetzliche Forderungsübergang nach § 1542 RVO setzt voraus, daß der aus 8

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, I (Wagner)

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Anm. Β 85

Β. Bedeutung der privaten Unfallversicherung

der Unfallv Berechtigte von einem anderen „nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz eines Schadens beanspruchen kann". Hierunter fällt ein Anspruch aus einer privaten Unfallv nicht, und zwar auch dann nicht, wenn sie Entschädigungsleistung nach dem Prinzip der Schadensv erbringt (Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., 1975, § 1542 RVO Anm. 3 und 15-19). Dem entspricht es, daß LG Karlsruhe 15. V. 1968 VA 1969 S. 109-110 einer Ersatzkrankenkasse für ärztliche Behandlungskosten einen Ausgleichsanspruch gegen den privaten Unfallver aus allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung, Rechtsübergang gemäß § 1542 RVO oder entsprechende Anwendung des § 59 II W G ) versagt. Das Prinzip der Unabhängigkeit der privaten von der sozialen Unfallv hat zur Folge, daß auch dem privaten Unfallver kein Regreßanspruch gegen den sozialen Unfallver zustehen kann. Ein solcher wird, soweit ersichtlich, auch nirgends erwogen. Leistet der private Unfallver nach dem Prinzip der Schadensv, so geht auf ihn nur der Anspruch gegen einen Drittschädiger gemäß § 67 I 1 W G über (vgl. oben Anm. 82 und wegen der Einschränkung nachfolgend Anm. Β 84). [Β 84] b) Vorrang des Regresses der sozialen Unfallversicherung Regreßansprüche der privaten Unfallv können mit solchen der sozialen Unfallv nur konkurrieren, soweit die private Unfallv als Schadensv betrieben wird und § 67 I 1 anwendbar ist. Die Konkurrenz der Regreßansprüche kraft gesetzlichen Forderungsüberganges gemäß §§ 67 W G einerseits und 1542 RVO andererseits wird von der nunmehr einhelligen Meinung zugunsten der sozialen V entschieden: Während nach § 67 I 1 W G der Regreßanspruch erst mit Zahlung des Vers an den Vmer auf den ersteren übergeht, findet der Übergang auf den Sozialvsträger gemäß § 1542 RVO bereits mit dem Schadensfall statt (Sieg Bd II § 67 Anm. 23 und BGH 10. VII. 1967 B G H Z Bd 48 S. 181-193 m.N. S. 189-190 und Lauterbach a.a.O. § 1542 RVO Anm. 36). Erhält ζ. B. der Vmer aus einer privaten Unfallv Heilkostenersatz gemäß § 8 VI. AUB und standen ihm aus dem Unfall Haftpflichtansprüche gegen einen Drittschädiger zu, so ist dem privaten Unfallver der Regreß gegen den Drittschädiger nach § 67 I W G versperrt, weil diese Ansprüche bereits mit dem Unfall auf die soziale Unfallv gemäß § 1542 RVO übergegangen sind (vgl. auch Sieg JZ 1960 S. 437 r. Sp. a.E.). — Man wird vom Vmer, soweit er aus der privaten Unfallv volle Schadensdeckung im vorgenannten Sinne in Anspruch genommen und erhalten hat, verlangen müssen, daß er auf die Leistung aus der Sozialv verzichtet. Ein solcher Verzicht ist zulässig, OLG Schleswig 6. IV. 1955 NJW 1955 S. 1234-1245, Sieg JZ 1960 S. 437 a.E. Er eröffnet, da er den Forderungsübergang zugunsten der sozialen Unfallv hinfällig macht, dem privaten Unfallver die Regreßmöglichkeit nach § 67 W G . [Β 85] c) Besonderheiten des Regresses im Rahmen der obligatorischen Luftunfallversichenmg Soweit aus der vom Luftfahrtunternehmer pflichtgemäß genommenen Unfallv (§ 50 LVG) an den Berechtigten geleistet worden ist, geht der aus § 44 LVG begründete Schadensersatzanspruch kraft Gesetzes unter (§ 50 S. 3 LVG). Stand dem Verletzten oder im Falle des Todes seinen Hinterbliebenen ein Anspruch aus sozialer Unfallv zu, so war dieser Anspruch im Zeitpunkt des Unfalles gemäß § 1542 RVO auf den Sozialvsträger übergegangen (BGH 20. II. 1958 BGHZ Bd 26 S. 365 = NJW 1958 S. 710 = VersR 1958 S. 339 gegen RG 5. VII. 1939 RGZ Bd 161 S. 76 - hierzu Wussow DR 1944 S. 566 und ders. VersR 1963 S. 651). Dieser Ubergang des Ersatzanspruchs gegen den Luftfahrtuntemehmer gemäß § 1542 RVO führt indes nicht dazu, daß der Sozialvsträger gegen den Luftfahrtunternehmer Regreß nehmen 114

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IV. Bedeutung der Unfallversicherung für das Handelsrecht

Anm. Β 85

kann. Die Regelung des § 50 S. 3 LVG, „soweit aus der Unfallversicherung geleistet wird, erlischt der Anspruch auf Schadensersatz", wirkt auch zu Lasten des Sozialvsträgers. Der Anspruch aus der obligatorischen Luftfahrtunfallv (Opuv) tritt nicht in dem Sinne an die Stelle des Anspruchs gegen den Luftfahrtunternehmer aus § 44 LVG, daß der Sozialvsträger nunmehr Regreß bei dem Luftfahrtver nehmen kann. Das kann heute als unbestritten bezeichnet werden (Bodenschatz ZLR 1959 S. 252, Weimar ZLR 1953 S. 221, Möller ZLR 1955 S. 252, Abraham, Der Luftbeförderungsvertrag, S. 77 und BGH 14. V. 1963 VersR 1963 S. 773-774). Diese Lösung ist Einwänden ausgesetzt, die sich nur aus dem besonderen Zweck der obligatorischen Luftfahrtunfallv überwinden lassen: Der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs aus § 44 I LVG braucht nicht mit dem aus der Unfallv Berechtigten identisch zu sein. Er ist es ζ. B. dann nicht, wenn Schadensersatzansprüche von Unterhaltsberechtigten nach §§ 35 LVG, 844 BGB in Frage stehen, die nicht zugleich Erben des Getöteten sind. Die kraft Unterhaltsverpflichtung des Getöteten Geschädigten gehen in solchen Fällen leer aus. BGH 14. V. 1963 VersR 1963 S. 774 1. Sp. führt hierzu aus, daß dieses Ergebnis als zwangsläufige Folge des § 50 S. 3 LVG hinzunehmen sei; der Gesetzgeber könne sie nicht übersehen haben. Der BGH weist ergänzend darauf hin, daß die Vorschrift des § 50 S. 3 LVG den Schutz des Luftfahrtunternehmers bezwecke. Er solle durch Einführung einer Unfallv nicht schlechter gestellt werden als im Falle einer obligatorischen Haftpflichtv. Deshalb müsse gewährleistet sein, daß der Unternehmer in Höhe der Deckungssumme aus der Unfallv schlechthin frei werde. Ebenso schon LG Kiel 16. XI. 1962 VersR 1963 S. 446-448. Dagegen schlägt Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 12. Aufl., 1975 TZ 805 und WJ 1966 S. 153 vor, § 50 S. 3 LVG nicht anzuwenden, soweit die Rechte aus §§ 44, 35 LVG einerseits und aus der obligatorischen Unfallv (Opuv) andererseits auseinanderfielen. Gegen die Lösung des BGH spricht sich auch Wahle VersR 1965 S. 472 in Anm. zum Österreich. OGH 19. XII. 1963 VersR 1965 S. 471-472 aus: Eme die Haftung des Luftfrachtführers ausschließende Unfallv setze voraus, daß den nach dem LVG zum Schadensersatz Berechtigten die Unfallv auch tatsächlich zugute komme. — Diesen Bedenken kann die Berechtigung nicht abgesprochen werden. Ihnen kann angesichts der eindeutigen Rëgelung des § 50 S. 3 LVG nur durch den Gesetzgeber Rechnung getragen werden.

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C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages Gliederung: Schrifttum Anm. C 1 I. Abschluß des Unfallvsvertrages 1. Allgemeines Anm. C 2 2. Einschränkungen der Abschlußfreiheit Anm. C 3 3. Vertragsantrag Anm. C 4 - 1 4 a) Antragsteller Anm. C 4 aa) Geschäftsfähigkeit Anm. C 5 bb) Vertragsschluß durch Ehegatten Anm. C 6 cc) Vsfähigkeit Anm. C 7 dd) Antragsstellung durch Vertreter Anm. C 8 b) Unfallv aus dem Automaten Anm. C 9 c) Form des Antrages Anm. C 10-13 d) Inhalt des Antrages Anm. C 11 aa) Allgemeines Anm. C 11 bb) Bezugnahme auf AVB Anm. C 12 cc) Mündliche Erklärungen des Antragstellers Anm. C 13 e) Zugang des Antrages Anm. C 14 4. Annahme des Antrages Anm. C 15-19 a) Allgemeines Anm. C 15 b) Annahmefrist Anm. C 16 c) Vertragsschluß bei verspäteter Annahme durch den Ver Anm. C 17

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d) Form und Inhalt deT Annahmeerklärung Anm. C 18 e) Wirkung der Annahme Anm. C 19 5. Verschulden bei Vertragsschluß Anm. C 20-23 a) Allgemeines Anm. C 20 b) Bearbeitung des Antrages durch den Ver Anm. C 21 c) Haftung des Vers für das Verhalten seines Agenten Anm. C 22-23 aa) Agent als Erfüllungsgehilfe des Vers Anm. C 22 bb) Erfüllungspflicht des Vers für Zusagen des Agenten Anm. C 23 6. Vorläufige Deckungszusage Anm. C 24-28 a) Allgemeines Anm. C 24 b) Begriff der vorläufigen Deckung Anm. C 25 c) Abschluß des Vertrages über eine vorläufige Deckung Anm. C 26 d) Verhältnis der vorläufigen Dekkungszusage zum Hauptvertrag Anm. C 27 e) Beendigung der vorläufigen Deckung Anm. C 28 7. Änderung des Unfallvsvertrages Anm. C 29-32 a) Änderung durch Parteivereinbarung Anm. C 29 b) Vorweggenommene Einigung Anm. C 30 c) Änderung der AVB Anm. C 31 d) Restfälle Anm. C 32

I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages 8. Ruhen des Vertrages Anm. C 3 3 - 3 7 a) Allgemeines Anm. C 33 b) Ruhen des Vertrages in der Allgemeinen Unfallv Anm. C 34-35 aa) Voraussetzungen Anm. C 34 bb) Wirkungen Anm. C 35 c) Ruhen des Kraftfahrt-Unfallvsvertrages Anm. C 3 6 - 3 7 aa) Voraussetzungen Anm. C 36 bb) Wirkungen Anm. C 37 II. Verbriefung des Vertrages Anm. C 3 8 - 4 6 1. Vorbemerkung Anm. C 38

Anm. C 3 2. Bedeutung des Vsscheines Anm. C 39 3. Anspruch auf Ausstellung des Vsscheines Anm. C 40 4. Bedeutung im Rahmen des Vertragsschlusses Anm. C 41 5. Billigungsklausel Anm. C 4 2 - 4 6 a) Allgemeines Anm. C 42 b) Tatbestand des § 5 W G Anm. C 43 c) Sonderfall: Antragsnebenerklärung Anm. C 44 d) Wirkungen Anm. C 4 5 - 4 6 aa) bei Widerspruch des Vmers Anm. C 45 bb) bei unterlassenem Widerspruch Anm. C 46

[C 1] Schrifttum: Büdenbender FamRZ 1976 S. 662-673, Burck NJW 1975 S. 1173-1174, Diederichsen NJW 1977 S. 217-223, Groh, Nebenabreden bei Versicherungsverträgen, Karlsruhe 1965, Köbler VersR 1969 S. 774-779, Martin ZVersWiss 1976 S. 549-564, Möller JRPV 1937 S. 209-213, ders. DAR 1954 S. 250-255, ders. in: Festschrift für Emst Klingmüller, Karlsruhe 1974 S. 301-316, Prölss JZ 1963 S. 680-681, Schmidt VersR 1966 S. 313-316, Starke VW 1949 S. 354-356, Winter ZVersWiss 1977 S. 145-168.

I. Abschluß des Unfaliversicheningsvertrages [C 2] 1. Allgemeines Das W G enthält keine Sonderregelung für den Abschluß eines Unfallvsvertrages. Hierfür gelten die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Insoweit ist auf die Ausführungen von Bruck-Möller § 1 Anm. 52—130 zu verweisen. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf Fragen, die sich insbesondere für den Abschluß eines Unfallvsvertrages ergeben. Weiterhin wird auf Rechtsprechung und Schrifttum aus neuerer Zeit hingewiesen werden, das (auch) für den Abschluß eines Unfallvsvertrages bedeutsam werden kann. Die für den Vertragsschluß in der privaten Unfallv bedeutsamen Gesichtspunkte entsprechen weitgehend denen, die für den Vertragsschluß in der PKV maßgeblich sind. Die nachfolgende Darstellung lehnt sich deshalb an die Ausführungen von Wriede Bd VI Lieferung 3 Anm. zu C an. Auf sie wird durchgehend verwiesen. [C 3] 2. Einschränkungen der Abschluftfreiheit Für die private Unfallv gilt der Grundsatz der Abschlußfreiheit. Die durch § 1 PflVG begründete Verpflichtung, eine Kraftfahrzeugv zu nehmen, gilt nur für die Haftpflichtv. Ihr entspricht der Kontrahierungszwang des Haftpflichtvers (§ 5 II und IV PflVG) und die Fiktion der Annahme eines Antrages auf Abschluß einer Haftpflichtv (§ 5 III PflVG). Diese Bestimmungen gelten für die Kraftfahrt-Unfallv auch dann nicht, wenn der Antrag auf Abschluß des Vsvertrages gleichzeitig — und auf Wagner

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Anm. C 3

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

demselben Formular - mit dem Antrag auf Abschluß der Pflicht-Haftpflichtv gestellt wird, BGH 23. II. 1973 VersR 1973 S. 409 = NJW 1973 S. 751. Deutsche Luftfahrtunternehmer sind nach § 50 S. 1 LVG verpflichtet, Fluggäste gegen Unfall zu vern. Flugschüler müssen von Ausbildungsunternehmen gegen Unfälle im Zusammenhang mit der Ausbildung (VO über die Unfallv der Luftausbildungsunternehmen vom 28.1. 1943 RGBl. I S. 74) und Hebammenschülerinnen von ihren Ausbildern gegen Unfälle (§ 6 II S. 1 VO vom 16. IX. 1941 RGBl. I S. 561) vert werden. Die Pflicht, eine Unfallv abzuschließen oder einer schon bestehenden „beizutreten", kann durch Vertrag begründet werden. Das geschieht im Arbeitsrecht, wenn ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag verpflichtet wird, einer Gruppen-Unfallv beizutreten. Für die Teilnehmer einer bestimmten zeitlich begrenzten Veranstaltung wird gelegentlich der Abschluß einer Unfallv vorausgesetzt. Er kann mit dem Erwerb der Teilnahmeberechtigung (Eintrittskarte) in der Weise verbunden werden, daß die Eintrittsberechtigung nicht ohne Unfallv erworben wird. Auch hier handelt es sich um einen Gruppenvsvertrag, und zwar in der Form einer Unfallfremdv für fremde Rechnung (§§ 179 II, 75 I 1). Nicht in diesem Sinne als vertraglich begründete Verpflichtung zum Abschluß eines neuen Vsvertrages ist die Regelung in Ziff. 1 der Zusatzbedingungen für die KinderUnfallv anzusehen. Zwar richtet sich der Vertragsinhalt nach Vollendung des 17. Lebensjahres nicht mehr nach den Zusatzbedingungen. Der Vertrag besteht jedoch mit verändertem Inhalt fort. Sein Inhalt ergibt sich nunmehr allein aus den AUB. Die in Ziff. 2 der Zusatzbedingungen für die Prämienanpassung vorgesehene „Einigung über den Mehrbeitrag" entscheidet nicht über den Fortbestand des Vertrages, sondern über die Höhe der nunmehr zu zahlenden Prämie und zugleich über die Höhe der Entschädigungsleistung. Die notwendig gewordene Prämienanpassung setzt, wie im Fall der Veränderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung (§ 4 (2) b AUB), eine Gestaltungserklärung des Vmers voraus (Einzelheiten Anm. E l l ) . Hierfür ist es unerheblich, ob der Vertrag von den gesetzlichen Vertretern im Namen des Kindes (Anm. C 5) oder im eigenen Namen geschlossen worden ist. Im ersten Fall kann der volljährig gewordene Vmer es bei der alten Prämie belassen, dann kürzt sich die Entschädigungsleistung entsprechend dem Verhältnis von Soll-Prämie zur Ist-Prämie (Ziff. 2 der Zusatzbedingungen). Er kann den Vertrag nach Maßgabe des § 7 II. (2) AUB kündigen. Sofern allerdings diese Kündigimg erst für einen Zeitpunkt wirksam wird, der später als ein Jahr nach Eintritt der Volljährigkeit liegt, verstößt diese Folge gegen § 1822 Ziff. 5 BGB, wenn nicht die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt worden ist. Dann muß dem volljährig gewordenen Vmer das Recht zur Kündigung mit Wirkung binnen eines Jahres nach Volljährigwerden möglich sein. Auf dieses Recht verzichtet er, wenn er sich nach Volljährigkeit mit einer Prämienanpassung entsprechend Ziff. 2 der Zusatzbedingungen einverstanden erklärt. — Haben die gesetzlichen Vertreter den Vertrag im eigenen Namen geschlossen, so entscheiden sie allein über Fortführung oder Beendigung des Vertrages nach Maßgabe des § 7 II. AUB und über Beibehaltung oder Veränderung der Prämie entsprechend Ziff. 2 der Zusatzbedingungen. Der Abschluß eines Unfallvsvertrages kann gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und deshalb gemäß § 134 BGB nichtig sein. Als Verbotsgesetz in diesem Sinne kamen früher §§ 50 IV BRRG und gleichlautende Vorschriften des BBG und landesrechtliche Vorschriften für Beamte und Richter in Betracht. Diese sind durch § 3 des Beamtenversorgungsgesetzes vom 24. VIII. 1976 BGBl. I S. 2483 gegenstandslos geworden. Hiernach sind Verträge unwirksam, die dem Beamten oder Richter im Bundes- oder Landesdienst eine höhere als nach öffentlichem Dienstrecht zulässige 118

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 5

Versorgung zusichern. Durch § 3 II S. 2 BeamtenVG ist nunmehr klargestellt, daß das gleiche für Vsverträge gilt, die zu diesem Zweck abgeschlossen werden. Anlaß für diese Klarstellung dürfte die Entscheidung BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 138 gewesen sein. BGH a.a.O. S. 139 r.Sp. erwägt und verneint unter diesem Gesichtspunkt die Unwirksamkeit eines Unfallvsvertrages (Insassen-Unfallv) für ein Behördenfahrzeug mit der Begründung, daß eine Insassen-Unfallv (hier) nicht zu dem beamtenrechtlich mißbilligten Zweck abgeschlossen worden sei, weil als vter Insasse zwar ein Beamter, aber auch jeder beliebige Dritte in Betracht komme. Demgegenüber wird eine Insassen-Unfallv für ein Behördenfahrzeug, das ausschließlich von Beamten benutzt wird, als gemäß § 3 II S. 2 Beamten VG i. V.m. § 134 BGB nichtig anzusehen sein. Eine Einschränkung der Inhaltsfreiheit für den Unfallvsvertrag ergibt sich für die Kraftfahrtunfallv hinsichtlich der Prämie aus der Verbindlichkeit genehmigter Tarifbestimmungen. Wegen der Einzelheiten wird auf Anm. E 6 verwiesen. Ein Unfallvsvertrag kann nicht gemäß § 306 BGB wegen anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung des Vers nichtig sein. Das folgt einmal aus dem Inhalt der Gefahrtragungsleistung, die dem Ver stets möglich ist, und zwar — im Sinne zivilrechtlicher Verbindlichkeit — auch dann, wenn ihm hierfür die aufsichtsbehördliche Genehmigung fehlt. Beruht die anfängliche Unmöglichkeit darauf, daß ein vsrechtlich relevantes Risiko nicht besteht, so geht insoweit die Regelung des § 68 I der des § 306 BGB vor, vgl. hierzu die Ausführungen und Nachweise in Anm. Β 16 und D 24. [C4] 3. Vertragsantrag a) Antragsteller Antragsteller eines Unfallvsvertrages ist i.d.R. eine natürliche Person, da überwiegend der Vmer zugleich Gefahrsperson (Begriff: Anm. Η 17) sein soll. Der Vertrag kann aber auch von einer juristischen Person — für eigene oder für fremde Rechnung, vgl. § 179 II — abgeschlossen werden, wenn Vmer und Gefahrsperson nicht identisch sein sollen. Gefahrsperson kann nur eine natürliche Person sein. Unter dieser Voraussetzung kann der Unfallvsvertrag auch von einem nichtrechtsfähigen Verein oder einer als rechtsfähig auftretenden (§ 124 HGB) OHG oder KG abgeschlossen werden. Als Vmer kann auch eine Personenmehrheit, etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auftreten. Auch Eltern können gemeinsam, d.h. beide nach außen als Vmer auftretend, einen Unfallvsvertrag mit ihren Kindern als Gefahrspersonen abschließen. In der Praxis sind solche Fälle nicht bedeutsam. Auf rechtliche Bedenken stoßen sie, wenn mehrere Vmer die Unfallv für eigene Rechnung, d. h. in der Weise nehmen, daß ihnen bei Eintritt des Vsfalles die Entschädigungsleistung zustehen soll (§ 179 III). Ist Gefahrsperson ein Dritter, so bedarf es seiner Zustimmung (§ 179 III 1). Diese können die Eltern regelmäßig nicht als gesetzliche Vertreter ihres Kindes erteilen (§ 179 III 2). Soll einer der Vmer zugleich Gefahrsperson sein, so kann in seiner Vertragserklärung (Antrag gemäß § 145 BGB) zugleich die Einwilligung nach §179 III 1 gesehen werden, die immer dann erforderlich ist, wenn für einen Vmer ein Anreiz besteht, den Vsfall herbeizuführen. Die im Vertragsschluß liegende Erklärung desjenigen Vmers, der zugleich Gefahrsperson ist, kann aber nur dann zugleich als Einwilligung in diesem Sinne gedeutet werden, wenn er sich über die besondere Gefährdungssituation im klaren ist. Auf eine entsprechende Klärung wird der Ver hinzuwirken haben. [CS] aa) Geschäftsfähigkeit Der Antragsteller muß, um sich im Sinne des § 145 BGB wirksam verpflichten zu können, vollgeschäftsfähig sein. Ist er geschäftsunfähig (§ 104 BGB), so müssen seine Wagner

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Anm. C 5

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gesetzlichen Vertreter an seiner Stelle handeln (Anm. C 8). Im Falle des Abschlusses einer Unfallfremdv für eigene Rechnung können die Eltern als gesetzliche Vertreter die nach § 179 III 1 und 2 erforderliche Zustimmung nicht im Namen des vertretenen Kindes geben. - Wer das 18. Lebensjahr nicht vollendet hat (§ 2 BGB i.d.F. des Gesetzes vom 31. VII. 1974 BGBl. I S. 1713), wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht entmündigt oder gemäß § 1906 BGB unter vorläufige Vermundschaft gestellt ist, kann als beschränkt Geschäftsfähiger (§ 114 BGB) den Antrag auf Abschluß eines Unfallvsvertrages nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters stellen (§§ 107, 108 BGB). Gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen sind seine Eltem, die die Vertretung des Kindes gemeinsam wahrnehmen. Hierfür fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung, seitdem das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung der Alleinvertretung durch den Vater (§ 1629 I BGB) mit Urteil v. 29. VII. 1959 BGBl. 1959 I S. 633 = NJW 1959 S. 1483-1487 für nichtig erklärt hat. Der Grundsatz der gemeinsamen Vertretung durch beide Eltern steht aber außer Zweifel (Palandt-Diederichsen35 § 1629 Anm. 1 und 2). Es ist anerkannt, daß die Vertretung nach außen von einem Eltemteil wahrgenommen werden kann, wenn der andere Teil ihn hierzu ermächtigt (Palandt-Diederichsen35 § 1629 Anm. 3), was insbesondere im Falle einer „Funktionsteilung" unter den Eltern der Fall sein dürfte. Der Unfallver sollte sich als Vertragspartner eines Minderjährigen jedoch die Zustimmung beider Elternteile sichern. Stimmt nur ein Eltemteil zu und handelt er dabei zugleich im Namen des anderen Elternteils, so ist dieser — in fremdem Namen abgegebene — Teil seiner Zustimmungserklärung als bedingungsfeindliche einseitige Gestaltungserklärung nichtig, vgl. §§ 182 III, 111 BGB und Palandt-Heinrichs35 Vorbem. 3 d vor § 104 BGB. Das bedeutet: Der andere Elternteil, der bisher vom Vertragsschluß nichts gewußt hat, kann nicht nachträglich formlos den Vertrag nach Maßgabe der §§ 108, 183 BGB genehmigen. Ist der Vsvertrag zwischen dem Ver und dem minderjährigen Vmer ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters geschlossen worden, so wird durch eine nachträgliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters auch eine vom Ver dem Minderjährigen gegenüber abgegebene Vertragserklärung (§ 131 II BGB) wirksam (BGH 17. IV. 1967 BGHZ Bd 47 S. 352—364, entschieden für den Fall einer vorläufigen Deckungszusage). Eine auf den konkreten Vertragsschluß bezogene Zustimmung der gesetzlichen Vertreter ist nicht erforderlich in den Fällen der §§ 110, 112 und 113 BGB. Alle dort genannten Voraussetzungen können für den Abschluß eines Unfallvsvertrages durch einen Minderjährigen bedeutsam werden. Der durch einen Minderjährigen abgeschlossene Unfallvsvertrag wird gemäß § 110 BGB wirksam, wenn die Prämienzahlung mit Mitteln „bewirkt" wird, die den minderjährigen Vmer zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung . . . überlassen worden sind. Diese in § 110 BGB genannten Voraussetzungen werden im Sinne einer allgemeinen Zustimmung („Generalkonsens") als Unterfall des § 107 BGB angesehen, vgl. Palandt-Heinrichs35 § 110 Anm. 1 m.N. und für das Vsrecht Hans Schmidt VersR 1966 S. 313: Die Zustimmung wird durch Überlassung oder Hingabe der (Geld-) Mittel zum Zwecke des Abschlusses eines Vsvertrages oder zur freien Verfügung konkludent erklärt. Diese der h.M. entsprechende Auffassung von einem generellen (vorherigen) Konsens der gesetzlichen Vertreter entspricht nicht ganz der vom Gesetz ausgestalteten Regelung: Der Vertrag ist nicht, wie er es im Falle einer Einwilligung sein müßte, sogleich wirksam, er wird es erst dann, wenn der Minderjährige die ihm obliegende Leistung, d. h. die Prämienzahlung, bewirkt hat. Für den regelmäßig über längere Zeit abgeschlossenen Unfallvsvertrag bedeutet dies, daß er (nur) wirksam wird, wenn und soweit der minderjährige Vmer die Prämie bezahlt hat. Ist der Unfall120

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 5

vsvertrag, wie in der Allgemeinen Unfallv üblich, zunächst auf die Dauer von fünf Jahren — mit Verlängerungsklausel — abgeschlossen worden, so wird der Vertrag für die Dauer eines Jahres wirksam, wenn der Vmer die erste Jahresprämie bezahlt, LG Bochum 5. V. 1969 VA 1969 S. 345 Nr. 547. Ist der Vmer auch bei Fälligkeit der Folgeprämie noch minderjährig, so gilt für das Wirksamwerden des Vertrages entsprechendes für die nächste Periode. Ist er inzwischen volljährig geworden, so kann er entscheiden, ob er den Vertrag nunmehr wirksam fortsetzen will oder nicht (arg. § 108 III BGB). Dieses Ergebnis erscheint als überraschend, da der als einheitlich für fünf Jahre abgeschlossene Vertrag während der Dauer der Minderjährigkeit des Vmers in mehrere Teile aufgespalten wird. Es ist gleichwohl interessengerecht: Das (teilweise) Wirksamwerden des Vertrages für die der Erstprämie entsprechende Vsdauer entspricht dem Willen beider Vertragspartner. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 139 BGB ist ein Vertragsschluß nicht zu verneinen. Das dem Vmer in § 7 II. (1) AUB eingeräumte Kündigungsrecht macht deutlich, daß der Ver an einem Vertragsschluß auch für kürzere als die ursprünglich vereinbarte Dauer interessiert ist. Der Gesichtspunkt der Gefahrveränderung durch Erhöhung der Krankheitsanfälligkeit wie bei der PKV, der zu einer abweichenden Beurteilung der Interessensituation führen könnte (vgl. Wriede Anm. C 4 S. 46-47), gilt für die Unfallv nicht. Der volljährig gewordene Vmer kann frei entscheiden, ob er den Vertrag fortsetzen will oder nicht. Er ist nicht deshalb zur Fortsetzung des Vertrages verpflichtet, weil der Vertrag zunächst gemäß § 110 BGB (teilweise) wirksam war. Eine über die Voraussetzungen des § 110 BGB hinausgehende Bindung würde dem vom Gesetz ausgestalteten Schutz des Minderjährigen widersprechen. Er würde sich entgegen dem Sinn des § 1 1 0 BGB über den Zeitpunkt der Erreichung der Volljährigkeit hinaus binden. — Als Bewirkung der Leistung im Sinne des §110 BGB ist es auch anzusehen, wenn der Ver kraft wirksamer Einziehungsermächtigung die fällige Prämie vom Konto des Vmers abruft, LG Bochum a.a.O. S. 346. Unter den Voraussetzungen des § 112 BGB kann der Minderjährige im Rahmen eines selbständigen Betriebes eines Erwerbsgeschäftes auch eine Gruppen-Unfallv zugunsten seiner Arbeitnehmer abschließen. Eine Unfallv für sich selbst als Gefahrsperson fällt nur dann in den Rahmen des selbständigen Betriebes eines Erwerbsgeschäftes, wenn dieser den Abschluß eines Unfallvsvertrages nahelegt, wie etwa der Abschluß einer Insassenunfallv für einen selbständigen reisenden Handelsvertreter. Die Zustimmung des (der) gesetzlichen Vertreter zum Abschluß des konkreten Unfallvsvertrages ist nach § 113 BGB überflüssig, wenn dieser Vertragsschluß in untrennbarem Zusammenhang mit der Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder mit der Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen steht und der Minderjährige zur Eingehung eines solchen Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ermächtigt worden ist. In einem solchen Zusammenhang mit Eingehung oder Erfüllung dienstvertraglicher Pflichten kann der Abschluß (Beitritt) eines Unfallvsvertrages im Zusammenhang mit einer betrieblichen Gruppen-Unfallv stehen. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Art der Beschäftigung den Abschluß einer Unfallv nahelegt, wie z.B. wiederum der Abschluß einer InsassenUnfallv für die Tätigkeit eines unselbständigen reisenden Handelsvertreters. Der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gemäß §§ 1643, 1822 Ziff. 5 BGB neben der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf es, wenn der Unfallvsvertrag für eine längere Dauer als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Vmers abgeschlossen wird. An dieser Voraussetzung für die Notwendigkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung fehlt es, wenn der Vmer den Vertrag nach Eintritt der Volljährigkeit so kündigen kann, daß die Vertragspflichten vor Ablauf eines Jahres enden. Das ist in der Allgemeinen Unfallv gemäß § 7 II. (2) AUB und in Wagner

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der Kraftfahrtv gemäß § 4 (1) a AKB der Fall. Hier fehlt es an einer Bindung des volljährig gewordenen Vmers der Art, wie sie in § 1822 Ziff. 5 BGB vermieden werden soll. Dagegen spricht nicht, daß der Vmer möglicherweise das Kündigungsrecht nicht kennt oder es trotz Kenntnis nicht ausübt (erwogen vom BGH 30. VI. 1958 BGHZ Bd 28 S. 81 für Lebensv; im gleichen Sinn Wriede Anm. C 4, S. 46-47, dort auch w.N. zum Streitstand). Das in § 1822 Ziff. 5 BGB angeordnete Erfordernis vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung soll den Vmer davor schützen, daß während des Zustandes beschränkter Geschäftsfähigkeit zu seinen Lasten vertragliche Bindungen eingegangen werden, die er nach Eintritt der Volljährigkeit für länger als ein Jahr als unabänderlich hinnehmen muß. Dagegen besteht kein Anlaß, ihn nach Volljährigkeit vor den Folgen nicht interessengerechten Handelns zu schützen. Der Würdigung von Winter ZVersWiss 1977 S. 150-161 ist (auch) insoweit voll zuzustimmen. Die dort dargestellten Überlegungen haben auch für die Unfallv ohne Einschränkung Gültigkeit. Zum Vertragsschluß durch Vertreter, auch durch gesetzliche Vertreter, vgl. Anm. C 8. [C 6] bb) Vertragsschluß durch Ehegatten Ehegatten können selbständig jeder für sich als Vmer einen Antrag auf Abschluß einer Unfallv stellen. Insoweit ergeben sich aus der Rechtsstellung als Ehegatten keine Besonderheiten. Dagegen kann die Haftung für die Prämienverbindlichkeit von der Gestaltung des Güterstandes abhängig sein. Beim Güterstand der Gütertrennung — mit oder ohne Zugewinnausgleich — haftet der Ehegatte, der Vmer geworden ist, (nur) mit seinem Vermögen; für die Zwangsvollstreckung gelten die Besonderheiten aus §§ 1362 BGB, 739 ZPO. Bei vereinbarter Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB) haftet das Gesamtgut für die Prämienverbindlichkeit nur, wenn der verwaltende Ehegatte, bei gemeinsamer Verwaltung des Gesamtgutes beide Ehegatten, Antragsteller sind oder wenn der Antragsteller dem Vertragsschluß durch den jeweils anderen zugestimmt hat (§§ 1438, 1460 BGB). Es ist zweifelhaft, ob die sog. Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB) für den Abschluß eines Unfallvsvertrages bedeutsam ist. Für die Regelung des § 1357 BGB in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung gilt folgendes: Der Abschluß einer privaten Unfallv gehört nicht zum häuslichen Wirkungskreis der Ehefrau. Es handelt sich dabei nicht um ein Geschäft, für das der Ehefrau kraft Haushaltsführung (§ 1356 I 1 BGB in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung) die in § 1357 BGB a.F. ihr eingeräumte Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis notwendigerweise zugestanden werden muß. Der Abschluß eines Unfallvsvertrages gehört zu den „Geschäften größeren Umfangs, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden können" (so die Formulierung der amtlichen Begründung zur Neufassung des § 1357, BT-Drucksache 7/650 S. 99). Der innere Zusammenhang von Haushaltsführung und Schlüsselgewalt ist für die alte und neue Regelung anerkannt (Diederichsen NJW 1977 S. 221, Büdenbender FamRZ 1976 S. 666—667). Dementsprechend ist, soweit ersichtlich, bisher auch die Auffassung nicht vertreten worden, daß der Abschluß einer privaten Unfallv zum häuslichen Wirkungskreis der Ehefrau gehört. Diese Frage ist auch für die PKV für § 1357 BGB a. F. verneint worden (Nachweise bei Wriede Anm. C 4 S. 47). - Hierauf kommt es im Ergebnis nicht an, weil sich im Hinblick auf die Besonderheiten des Unfallvsvertrages „aus den Umständen etwas anderes ergibt" im Sinne des § 1357 BGB alter und neuer Fassung. Es entspricht einem Grundprinzip des Unfallvsrechtes, daß aus dem Unfallvsvertrag grundsätzlich nur der Vmer selbst als Gefahrsperson berechtigt und verpflichtet werden soll. Die Möglichkeit, daß ein anderer als die Gefahrsperson aus dem Unfallvsvertrag berechtigt wird, ist gemäß § 179 II und III 122

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davon abhängig, daß die Gefahrsperson dieser Rechtsgestaltung zustimmt. Diese Zustimmung muß in Kenntnis der tatsächlichen Gefährdung gegeben werden, die sich aus dem Umstand ergibt, daß für einen Dritten durch diese Art des Vertragsschlusses ein Anreiz für die Herbeiführung des Vsfalles geschaffen wird. Wäre der Ehemann gemäß § 1357 BGB a.F. aus dem Unfallvsvertrag verpflichtet und berechtigt, so bestünde für ihn der Anreiz, den Vsfall (scheinbar) herbeizuführen, ohne daß die kontrahierende Ehefrau, der Regelung und Auswirkung der Schlüsselgewalt oftmals nicht bekannt sein wird, sich dieser Gefahr bewußt wird. Das bedeutet: Die Besonderheiten des Unfallvsvertrages, die sich aus der Regelung des § 179 II und III ergeben, lassen die Anwendung der Vorschrift über die Schlüsselgewalt für den Abschluß einer Unfallv nicht zu. Etwas anderes gilt auch nicht für § 1357 BGB n.F.: Die Neuregelung hat zwei Änderungen zum Inhalt. Die Schlüsselgewalt wird nunmehr nicht nur der Ehefrau, sondern beiden Ehegatten eingeräumt. Und aus Geschäften, die im Rahmen der Schlüsselgewalt abgeschlossen werden, folgt nunmehr die Berechtigimg und Verpflichtung beider Ehegatten. Zweifelhaft ist, ob die Neuregelung darüber hinaus eine Erweiterung des Umfangs der Schlüsselgewalt zum Inhalt hat. Nach der Formulierung der Neuregelung wird nicht mehr vorausgesetzt, daß das Geschäft dem „häuslichen Wirkungskreis" zugehört, sondern der „angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie" dient. Zwar ist nicht beabsichtigt, durch die neue Formulierung den Umfang der Schlüsselgewalt zu erweitern (amtliche Begründung: BT-Drucksache 7/650 S. 99). Zu Recht weist Diederichsen NJW 1977 S. 221 darauf hin, daß die Neuformulierung den Schluß auf eine Erweiterung des Umfangs der Schlüsselgewalt nahelegt und daß die Absicht des Gesetzgebers, es insoweit bei der alten Regelung zu belassen, in der Formulierung des Gesetzes keinen Ausdruck gefunden hat. Für den hier erörterten Zusammenhang kann dahinstehen, ob sich die von Büdenbender FamRZ 1977 S. 668—669 vertretene restriktive Auslegung durchsetzt, wonach im Ergebnis die Voraussetzungen des „angemessenen Lebensbedarfs" denen des „häuslichen Wirkungskreises" entsprechen. Denn auch für die Neufassung gilt das vorstehend ausgeführte Bedenken, das sich aus den Besonderheiten der Regelung des Unfallvsrechtes ergibt. Gemäß § 1357 I 2 BGB n. F. soll aus Geschäften im Rahmen der Schlüsselgewalt auch der andere Ehegatte berechtigt und verpflichtet werden. Der nicht als Vmer kontrahierende Ehegatte würde also aus einem Unfallvsvertrag (auch) berechtigt werden, in dem er nicht als Gefahrsperson auftritt. Eine solche Vertragsgestaltung würde einer Unfallfremdv für eigene Rechnung im Sinne des § 179 II und III gleichzuachten sein. Er würde nach der zwingenden Regelung des § 179 III ohne Zustimmung der Gefahrsperson unwirksam sein. Diese Zustimmung kann nicht darin gesehen werden, daß der im Rahmen der Schlüsselgewalt handelnde Ehegatte den Vertrag mit sich selbst als Gefahrsperson abschließt. Dieses Handeln steht einer Einwilligung im Sinne des § 179 III 1, die die Kenntnis der Bedeutung dieser Vertragsgestaltung voraussetzt, nicht gleich. [C 7] cc) Versicherungsfähigkeit Nach § 5 AUB in der seit März 1977 (VA 1977 S. 130) genehmigten Fassung sind „nicht versicherungsfähig und trotz Beitragszahlung nicht versichert... Geisteskranke und Personen, die von schwerem Nervenleiden befallen oder dauernd vollständig arbeitsunfähig sind. Der für sie seit Vertragsabschluß entrichtete Beitrag ist zurückzuzahlen. Vollständige Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit oder Gebrechen außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Wagner

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Anm. C 7

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Solche Beschränkungen des zu vernden Personenkreises sind in der Personenv Tradition. Es gibt sie seit jeher in der PKV und in der privaten Unfallv. Für die Unfallv ist diese Regelung in der jetzt geltenden Form erst seit der Änderung der AUB im Jahre 1961 maßgeblich. Vorher waren die in § 5 AUB beschriebenen Faktoren für die Vsunfähigkeit als Ausschlüsse in § 3 (7) AUB geregelt, und zwar bis zum Jahre 1937 nur als relative, d.h. für den Fall, daß der Unfall auf einem der dort genannten Gebrechen beruhte. Die AUB von 1937 gestalteten diese Gebrechen als absolute Ausschlußgründe: Gemäß § 3 (7) AUB wurde Deckungsschutz nicht gewährt für Unfälle, die der Vte erlitt, nachdem er von Geisteskrankheit pp. befallen war. Wegen der rechtlichen Einordnung dieses Ausschlusses vgl. Henke Ausschlüsse S. 7 5 - 7 6 m.N. Der Unfallver hat das Recht (die Möglichkeit), denjenigen, der den Abschluß eines Unfallvsvertrages beantragt, eingehend nach seinem Gesundheitszustand zu fragen und den Vertragsschluß von einer ärtzlichen Untersuchung abhängig zu machen. Die von den Unfallvern verwendeten Antragsformulare enthalten ins einzelne gehende Fragen nach dem Gesundheitszustand des Antragstellers; eine ärztliche Untersuchung wird in der Regel nicht verlangt. Er kann aufgrund des Ergebnisses dieser Befragung oder der ärztlichen Untersuchung vom Vertragsschluß absehen. Hat er jedoch den Vertrag geschlossen, und ist dieser Vertrag nicht deshalb nichtig, weil der Vmer gemäß §§ 104, 105 BGB eine wirksame Verpflichtungserklärung nicht abgeben konnte, so kann sich der Unfallver grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 16—22 und in den dort vorgesehenen rechtlichen Formen vom Vertrag lösen. Denn diese Regelung ist gemäß § 34a zum Schutze des Vmers zwingend. Das bedeutet: Der Ver kann — innerhalb eines Monats nach Kenntnis, § 20 I — vom Vertrag zurücktreten, wenn der Vmer als Antragsteller einen gefahrerheblichen Umstand schuldhaft nicht angezeigt (§ 16 II), über einen erheblichen Gefahrumstand eine unrichtige Anzeige gemacht (§ 17) oder unter den Voraussetzungen des § 18 einen Gefahrumstand arglistig verschwiegen hat. Bei arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) kann er den Vsvertrag anfechten (§ 22). Der Ver muß hiernach den Vertrag durch eigene Gestaltungserklärung beseitigen. Diese ist fristgebunden und an die vorstehend genannten besonderen Voraussetzungen geknüpft (insbesondere: Verschulden oder Arglist des Vmers). Der Ver kann nicht diese zugunsten des Vmers zwingende Regelung durch eine Vertragsbestimmung des Inhalts umgehen, daß er für die Nichtanzeige von Umständen, die eine Vsunfähigkeit des Vmers im Sinne des § 5 AUB begründen, den Vertrag von vornherein als nichtig erklärt. Insoweit ist der überzeugenden Begründung von Möller JRPV 1937 S. 209-213 (vgl. auch DAR 1954 S. 250-255 und Wriede a.a.O. Anm. C 4 S. 47—49) nichts hinzuzufügen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Regelung des § 5 AUB „per Saldo" dem Vmer günstiger sei als die der §§ 16—21 und 68 (Prölss-Martin21 § 5 AUB Anm. 1 S. 1073). Der Vmer, der im konkreten Fall durch § 5 AUB im vorgenannten Sinne benachteiligt wird, kann nicht darauf verwiesen werden, daß ihn diese Vorschrift bei anderer Fallgestaltung begünstigt haben würde (wie hier: Sieg Bd II § 68 Anm. 119). Richtig ist jedoch, daß auf die Regelung des § 5 AUB zurückzugreifen ist, wenn sie im Einzelfall den Vmer gegenüber der gesetzlichen Regelung besser stellt. Denn nur der Ver kann sich auf eine zum Nachteil des Vmers getroffene abweichende Regelung von relativ zwingendem Recht nicht berufen, vgl. Bruck-Möller § 34 a Anm. 4, Sieg Bd II § 68 a Anm. 3. Eine solche Besserstellung des Vmers kann sich bei Voraussetzungen für die Vsunfähigkeit ergeben, die auch für die Anwendung des § 68 bedeutsam sind (Anm. D 23—24). Nimmt z.B. ein Blinder, der den Vertrag durch einen gutgläubigen Vertreter abschließt, eine Unfallv nur gegen die Folgen der Invalidität, so ist der Unfallvsvertrag gemäß § 68 1 unwirksam. Blindheit begründet 124

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hundertprozentige Invalidität (vgl. § 8 II. (2) AUB), der Unfallver würde durch einen solchen Vertrag keine unfallvsrechtlich relevante Gefahr übernehmen. Nach § 68 I müßte der Vmer eine angemessene Geschäftsgebühr zahlen. Angesichts der Regelung des § 5 AUB ist er von jeder Leistungspflicht frei. Das vorstehend erörterte Problem ist für die Praxis der privaten Unfallv ersichtlich nicht von erheblicher Bedeutung. Seit 1949 sind zu diesem Fragenkreis keine Entscheidungen von Gerichten mehr veröffentlicht worden. Die Aufsichtsbehörde teilt die von Möller JRPV 1937 S. 209-213 dargestellten Bedenken nicht. Die Übernahme des Begriffs der Vsunfähigkeit in die Allgemeine Unfallv beruhte maßgeblich auf zwei Erwägungen: Einmal sollte die in ihrer Anwendung unsichere Ausschlußregelung in § 3 (7) AUB a. F. (hierzu Henke, Ausschlüsse, S. 75-77) durch eine klare Bestimmung ersetzt werden. Zum anderen war man bestrebt, zugunsten des Vmers eine größere Prämiengerechtigkeit herbeizuführen: In den in § 3 (7) AUB a. F. und § 5 AUB n. F. genannten Fällen könne es vorkommen, daß der Vmer trotz voller Beitragszahlung infolge der Berücksichtigung mitwirkender Leiden bei der Berechnung der Entschädigung eine vergleichsweise geringe oder gar keine Entschädigung zu erwarten habe (vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte S. 24-27). - Auch die Änderung des § 5 AUB im Jahre 1977 (VA 1977 S. 129) sollte den Vsschutz zugunsten des Vmers verbessern: Epileptiker sollen nicht mehr als vsunfähig behandelt werden, die Unfallver nehmen es auf sich, die Ursächlichkeit dieses Leidens für einen von einem Epileptiker erlittenen Unfall — als Ausschlußgrund, § 3 (4) AUB n.F. — zu beweisen. Bei der Neufassung des § 5 AUB 1961 waren sich die Beteiligten darüber einig, „daß diese Fälle (seil: der Vsunfähigkeit) sehr selten sein werden" (Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 26 oben). Der erst 1961 in die AUB übernommene Begriff der Vsunfähigkeit war für andere Arten der Unfallv schon vorher bekannt, nämlich in der Kollektiv-Unfallv, der Volksunfallv und der Kraftfahrt-Unfallv, vgl. Grewing a.a.O. S. 25 und die nachstehend zitierten Entscheidungen. Folgt man der ärztlicherseits überwiegend vertretenen Auffassung, daß Epilepsie vollständige Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe, so wäre dieses erklärte Ziel der Neufassung 1977, Epileptiker aus dem Kreis der vsunfähigen Personen herauszunehmen, durch die geänderte Fassung des § 5 (1) 2. Alt. AUB im Ergebnis vereitelt worden. Deshalb kann dieser ärztlichen Auffassung im Zusammenhang mit der Regelung des § 5 AUB nicht gefolgt werden. Das ergibt eine objektive — systematische, vgl. Anm. A 52 - Auslegung der AUB : Da Epilepsie in § 3 (4) AUB nunmehr als Ausschlußgrund genannt wird, diese Regelung aber gegenstandslos wäre, wenn Epileptiker angesichts des Inhalts von § 5 AUB als schlechthin vsunfähig angesehen werden müßten, ist hier auf das Krankheitsbild im Einzelfall abzustellen. Die nachfolgend dargestellte Rechtsprechung bezieht sich sowohl auf AVB-Bestimmungen, die — im Sinne des § 5 AUB in der seit 1961 geltenden Fassung — bestimmte Leiden und Gebrechen genügen lassen, um einen wirksamen Vertragsschluß auszuschließen, als auch auf solche AVB, die diese Leiden im Rahmen der Regelung für Ausschlüsse berücksichtigen. Dabei wurde oftmals dieses Problem (Kollision mit relativ zwingendem Recht) gar nicht oder nur obiter angesprochen: KG 12. XII. 1928 JRPV 1929 S. 52 erklärt eine AVB-Bestimmung über die Vsunfähigkeit von Personen, die an Krampf- oder Schwindelanfällen leiden, ausdrücklich für wirksam. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, daß die V „unbedingt abgeschlossen worden" sei, wenn der Ver dem Vmer einen Vsschein übersandt habe. Damit sei ein unbedingt geschlossener Vertrag zustandegekommen. DerVer müsse sich durch entsprechende Fragen vorher informieren. KG 12. XII. 1931 JRPV 1932 S. 104-105 versagt Vsschutz aus der Unfallv, weil der Vmer vsunfähig gewesen sei (Arteriosklerose). Das Problem der Umgehung zwingenden Rechts durch AVB stellte sich hier nicht, weil der Vmer seine Wagner

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C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

Krankheit bei Vertragsschluß (Anmeldung zur Kollektiv-Unfallv) gekannt hatte. KG 4. VI. 1932 JRPV 1932 S. 261-262 entscheidet über die Deckungsklage des Vten unter dem Gesichtspunkt, ob der bedingungsgemäße Ausschluß von Unfällen, „die der Versicherte erleidet, nachdem er von . . . schwerem Nervenleiden befallen ist", hier wirksam wird. An einem wirksamen Vertragsschluß bestand kein Zweifel. Das Gericht legt die AVB dahingehend aus, daß das Wort „nachdem" nicht rein zeitlich aufgefaßt werden dürfe, sondern (auch) das Erfordernis der Kausalität zum Ausdruck bringe. Das wird aus dem „verständigen Willen der Parteien" und den „zugunsten der Versicherten in den §§ 16 ff. W G enthaltenen Schutzvorschriften" geschlossen. Diese Vorschriften fänden zwar auf einen von der V ausgeschlossenen Unfall nicht unmittelbar Anwendung. Aus ihnen sei jedoch zu folgern, daß alle Umstände auf die Leistungspflicht des Vers ohne Einfluß bleiben sollten, die weder den Vsfall noch seine Folgen mitverursacht hätten. Diesen Erwägungen des Vorderrichters tritt das KG bei. Es weist die Deckungsklage ab, da das schwere Nervenleiden des Klägers auf die Folgen des Unfalles eingewirkt habe. OLG Celle 12. VII. 1932 JRPV 1932 S. 362 befaßt sich nur mit der Frage, ob der Vmer zur Zeit des Unfalles an einer schweren Nervenerkrankung erkrankt gewesen sei. Es kommt zu dem Ergebnis, daß eine nur latente Gehirnlues nicht als schweres Nervenleiden anzusehen sei. KG 24. VI. 1933 JRPV 1933 S. 322—323 läßt die Frage, ob die Erkrankung des Vmers für den Unfall ursächlich gewesen sein müsse, offen. Dort wird der ursächliche Zusammenhang zwischen der die Vsunfähigkeit begründenden Krankheit (Schlaganfall) und Unfall als bewiesen angesehen. Kritisch hierzu Do. JRPV 1934 S. 133-134 und Bn. JRPV 1934 S. 150-151. RG 19. II. 1935 JRPV 1935 S. 122-123 nimmt für den besonderen Fall einer Insassen-Unfallv zugunsten eines zunächst nicht benannten Dritten (Lenker bzw. Herrenfahrer) Wirksamkeit einer AUB-Bestimmung an, nach der nicht vert sei, wer zur Zeit des Vertragsschlusses mehr als 60% arbeitsunfähig sei. Das ist unter dem Gesichtspunkt einer Kollision mit den Vorschriften der §§ 16-20 nicht zu beanstanden, weil bei einer V für wen es angeht für fremde Rechnung (§§ 80 II, 179 II 2) die vorvertragliche Anzeigepflicht hinsichtlich des erst durch den Unfall bestimmten, vorher nur bestimmbaren Vten aus tatsächlichen Gründen nicht erfüllt werden kann. Unrichtig dagegen LG Bremen 11. VII. 1935 JRPV 1936 S. 108-109, das die Deckungsklage aus einer Kollektiv-Unfallv abweist mit der Begründung, daß der Vte schon bei Vertragsschluß vsunfähig gewesen sei (luetisch bedingtes Rückenmarksleiden). Es sei zulässig, in einem Kollektiv-Vsvertrag den Kreis der Vten nach objektiven Gesichtspunkten in der Weise zu beschränken, daß bestimmbare Personen keinen Vsschutz genießen. Das widerspreche der Vorschrift des § 31 (jetzt 29 a) nicht, weil es in §§ 16—29 nur um besondere Pflichten des Vmers, nicht aber darum gehe, ob eine Person vsfähig sei und inwieweit persönliche Eigenschaften einer Person zur Geschäftsgrundlage gemacht werden könnten. Im gleichen Sinne äußert sich KG 14. XII. 1935 JRPV 1936 S. 143 über eine AVB-Klausel, nach der Personen (u. a.) mit „erheblichen Gebrechen" für vsunfähig erklärt werden. Dies sei unbedenklich, weil es um die Voraussetzungen für den Vertragsschluß gehe. LG Berlin 27. XI. 1936 JRPV 1937 S. 238-239 geht (obiter) von der Wirksamkeit einer Bestimmung über Vsunfähigkeit aus. OLG Naumburg (Saale) 24. IX. 1937 HansRGZ 1938 A Sp. 393—394 entscheidet über die Frage, ob die Voraussetzungen eines Ausschlusses gegeben seien. Die Ausschlußgründe (Geisteskrankheit pp.) stimmten mit den Gründen für eine Vsunfähigkeit überein. „Von der Versicherung ausgeschlossen" sollten Personen sein, welche an bestimmten Krankheiten litten und diese Leiden zur Zeit des Vsbeginns gekannt hätten oder hätten kennen müssen. Diese Voraussetzungen werden, teilweise unter Anwendung der Unklarheitenregel, hier verneint. LG Köln 9. IX. 1948 VW 1949 S. 80 weist Deckungsklage ab, weil der Vte zur Zeit des 126

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 8

Unfalles an Arteriosklerose und Apoplexie gelitten und damit die Voraussetzungen eines Ausschlusses erfüllt habe. Kausalität sei nicht erforderlich. OLG Hamm 5. X. 1948 VW 1949 S. 80 verlangt für einen ähnlich liegenden Fall Kausalität von Krankheit und Unfall. [C 8] dd) Antragstellung durch Vertreter Der Antrag auf Abschluß eines Unfallvsvertrages kann durch einen Vertreter des (späteren) Vmers gestellt werden. Auch insoweit gilt für den Abschluß eines Unfallvsvertrages nichts Besonderes. Einschränkungen der Zulässigkeit ergeben sich nur aus §179 III für den Fall der Unfallfremdv für eigene Rechnung: Sie bedarf der Einwilligung der Gefahrsperson (Begriff Anm H 17). Bei dieser Einwilligungserklärung kann die Gefahrsperson nicht vertreten werden. Diese Vorschrift ist, ihrem Schutzzweck entsprechend, sowohl für gesetzliche Vertreter als auch für Bevollmächtigte anzuwenden (Einzelheiten Anm. H 35). Die gesetzlichen Vertreter beschränkt geschäftsfähiger oder geschäftsunfähiger Vmer können den Unfallvsvertrag kraft der gesetzlichen Vertretungsmacht allein — d. h. ohne Mitwirkung des Vertretenen — in dessen Namen abschließen. Handeln die gesetzlichen Vertreter, so ist es oftmals schwierig zu entscheiden, ob sie im eigenen Namen für den beschränkt geschäftsfähigen oder geschäftsunfähigen Vmer gehandelt oder den Vertrag in dessen Namen als Vertreter abgeschlossen haben. Solche Auslegungsschwierigkeiten ergeben sich insbesondere bei sog. Familienven, die als kombinierte Ven (Reisegepäckv, Krankenv und Unfallv) anläßlich einer Urlaubsreise abgeschlossen werden. Beim Abschluß tritt oftmals nur ein Familienmitglied handelnd hervor. Aus dem Antragstext ergeben sich keinerlei Hinweise für die Frage, ob dieser Antragsteller zugleich im eigenen Namen (ihn selbst betreffend) und im fremden Namen (der Ehefrau und der Kinder) handelt. Weniger gekünstelt ist die Annahme, daß der Antragsteller hier allein im eigenen Namen handelt und dabei, soweit Ehefrau und Kinder begünstigt werden, eine Fremdv für fremde Rechnung abschließt (für Unfallv: § 179 II). Ehegatten können im Namen ihres Ehepartners auftreten und hierzu kraft Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB) berechtigt sein. Oben (Anm. C 6) ist bereits ausgeführt worden, daß der Abschluß von Vsverträgen nicht in den häuslichen Wirkungskreis der Ehefrau (§ 1357 BGB a.F.) gehört und deshalb auch nicht in den Rahmen der „Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie" (§ 1357 BGB n.F.) fällt. Insoweit kann etwas anderes für den Abschluß einer Reisev im vorgenannten Sinne gelten, wenn diese üblicherweise von einem der beiden Ehegatten besorgt wird. Nimmt man an, daß er hinsichtlich des anderen Ehegatten als dessen Vertreter handelt, so steht ihm Vertretungsmacht kraft Gesetzes (Schlüsselgewalt) zu. Aus der besonderen Regelung der Unfallv ergibt sich jedoch, daß er selbst aus diesem Vertrage nicht berechtigt wird (vgl. hierzu Anm. C 6). Insoweit bedarf die Regelung des § 1357 BGB n.F. der Modifizierung im Hinblick auf die Besonderheiten des Unfallvsvertrages. Wird also ein solcher Reisevsvertrag von einem Ehegatten im Namen beider Ehegatten abgeschlossen, so ist jeder von ihnen hinsichtlich ihn selbst betreffender Unfälle Gefahrsperson und insoweit allein aus dem Vertrage berechtigt. Die Abgrenzung von Stellvertretung und Botenschaft ist, soweit die Antragserklärung in Frage steht, ohne Bedeutung. Die Antragserklärung selbst kann stets außer vom Antragsteller selbst nur von dessen Stellvertreter abgegeben werden. Mit einem Grenzfall befaßt sich OLG Hamburg 24. V. 1955 VersR 1957 S. 106-107: Die nach § 159 II 1 notwendige Einwilligungserklärung der Gefahrsperson war in Form der Unterschrift nicht von dieser selbst, sondern von einem Dritten in Gegenwart der Gefahrsperson auf das Antragsformular gesetzt worden. Im Gegensatz zur VorinWagner

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Anm. C 10

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

stanz - LG Hamburg 2. VI. 1953 VersR 1954 S. 316-317 - sieht OLG Hamburg a. a. O. S. 107 diese Unterschriftsleistung als Vertretungshandlung an und hält sie für wirksam im Sinne des § 159 II. In Wahrheit liegt hier, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hatte, eine „Schreibhilfe" vor, durch die in zulässiger Weise eine gültige Einwilligungserklärung der Gefahrsperson bewirkt worden ist. [C 9] b) Unfallversicherung aus dem Automaten Der Abschluß einer Luft-Unfallv für einen bestimmten Flug ist in einigen Ländern üblich. Insbesondere im inneramerikanischen Flugverkehr besteht diese Möglichkeit. Sie kann durch Vertragsschluß am Schalter, aber auch mit Hilfe eines Automaten abgeschlossen werden. — In Deutschland wurde eine solche Unfallv vom Deutschen Luftpool in München besorgt. Diese Form der Unfallv wurde jedoch zum Beginn der 70er Jahre eingestellt. Eine Wiederaufnahme einer solchen Automatenv durch deutsche Unfallver ist derzeit nicht geplant. Dem Vertragsschluß mit Hilfe eines Automaten liegt ein tatsächlicher Vorgang zugrunde, dessen Reihenfolge sich zwangsläufig aus der Natur der Sache ergibt und deshalb nicht variabel ist: Der Antragsteller (Passagier) gibt eine Münze in den Automaten und erhält dafür einen Antragsvordruck, der später die Funktion einer Police übernimmt. Für die in Amerika gebräuchliche Flugunfallv trifft der Antragsteller durch die Höhe des eingeworfenen Betrages die Wahl zwischen mehreren nach Art (Entschädigungsleistung) und Umfang (Höhe der Entschädigungsleistung) gestaffelten Unfallvsverträgen. Der Antragsteller füllt nunmehr den Antragsvordruck aus, setzt dabei auch einen Bezugsberechtigten ein und wirft eine Ausfertigung des Antragsvordrucks in den Automaten zurück. Erst in diesem Eingeben der Durchschrift des Antrages kann der Antrag des Vmers im Sinne des § 145 BGB gesehen werden. Dieser ist damit zugleich dem Ver zugegangen. Auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Vers muß ebenso verzichtet werden wie auf deren Zugang. Eine generelle Annahmeerklärung für den Fall, daß die tatsächlichen Voraussetzungen eines wirksamen Antrags erfüllt sind (Geschäftsfähigkeit), ist in dem Aufstellen des betriebsbereiten Automaten zu sehen. [C 10] c) Form des Antrages Der Antrag auf Abschluß eines Unfallvsvertrages ist formlos wirksam. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß das Antragsformular der Ver in der Regel Schriftform vorschreibt und zugleich zum Ausdruck gebracht wird, daß nicht in diesem Antragsformular enthaltene Erklärungen vom Ver nicht beachtet würden. Daraus ergibt sich nicht, daß die noch im Verhandlungsstadium befindlichen Parteien des Vsvertrages vor Antragstellung oder während dieses Vorganges Schriftform vereinbaren. Für eine solche Annahme fehlt es an entsprechendem Willen und entsprechender Erklärung des Antragstellers (Vmers), vgl. hierzu Groh S. 18, im gleichen Sinne Wriede Anm. C 5, S. 49. Eine solche Annahme verbietet sich aus diesen Gründen auch dann, wenn im Antragsformular auf AVB Bezug genommen wird, die Schriftform für den ganzen Vertrag voraussetzen, vgl. die bei Wriede a.a.O. zitierten Bestimmungen aus der PKV. Solche Vorschriften in AVB können ebenfalls nur als Erklärung des Vers des Inhalts verstanden werden, daß er nicht bereit sei, mündliche oder teilweise mündliche Anträge entgegen- und anzunehmen (Wriede a. a. O.). Unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten ist für den Antrag auf Abschluß eines Unfallvsvertrages jeweils eine bestimmte Form einzuhalten; ein Verstoß gegen diese aufsichtsrechtlichen Gebote berührt jedoch die zivilrechtliche Wirksamkeit des Unfallvsvertrages nicht. Das Reichsaufsichtsamt hatte in den Jahren 1936/37 (VA 1938 S. 61) im Interesse der guten Lesbarkeit generell für die von Vern verwendeten 128

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 12

Druckstücke die Mindestschriftgröße „petit" vorgeschrieben. Als Zeilenabstand sollte mindestens ein Punkt Durchschuß eingehalten werden. Diese Anordnung ist im Jahre 1971 (VA 1971 S. 363) aufgehoben worden. „Bei der Gestaltung der von den Versicherungsunternehmen verwendeten Druckstücke (vor allem Allgemeine Versicherungsbedingungen, Antragsvordrucke und Versicherungsscheine) ist jedoch darauf zu achten, daß diese Druckstücke in allen Teilen übersichtlich und gut lesbar sind. Auch die vielfach übliche maschinelle Bearbeitung darf die notwendige Übersichtlichkeit und Klarheit nicht beeinträchtigen." Für die Kraftfahrtv hat die Aufsichtsbehörde im Jahre 1969 (VA 1969 S. 78-79) eine Geschäftsplanmäßige Erklärung von insgesamt 18 Punkten verlangt, die auch Vorschriften über die Gestaltung der Antragsvordrucke enthält. Soweit hier die vorgenannte Mindestgröße des Drucksatzes — insoweit in Übereinstimmung mit der Anordnung aus dem Jahre 1938 — noch verlangt wird (Ziff. 2 der Geschäftsplanmäßigen Erklärung), ist dies durch die vorgenannte Anordnung aus dem Jahre 1971 erledigt. Der Antrag des Vmers in der Kraftfahrtv wird nunmehr auf einem Formular gestellt, das vom HUK-Verband mit dem Bundesaufsichtsamt abgestimmt worden ist (abgedruckt als Anhang 3 bei Stiefel-Wussow-Hofmann10 S. 816-819). [C 11] d) Inhalt des Antrages aa) Allgemeines Der Antrag ist Willenserklärung. Er enthält die Erklärung des Willens des Antragstellenden, einen Vsvertrag mit dem aus dem Text des Antrages sich ergebenden Inhalt abzuschließen. Der Antrag muß alle Elemente eines Unfallvsvertrages enthalten, so daß der Ver ihn durch einfache bejahende Erklärung annehmen kann. Dem äußeren Bild nach kann hinsichtlich des Vertragsinhaltes zwischen Willenserklärungen und Wissenserklärungen unterschieden werden (Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 § 1 Anm. 4). Hier muß indes unterschieden werden: Die vom Antragsteller durch den Fragenkatalog des Antragsformulars erfragten „Auskünfte" sind Wissenserklärungen, deren Inhalt aus der Sicht des Antragstellers mit seinem Begehren nach Vsschutz durch den Vertragsschluß nichts zu tun hat. Dem entspricht es, daß die Anzeigepflicht in §§ 16—21 als Obliegenheit ausgestaltet ist. Aus der Sicht des Vers dienen diese Auskünfte jedoch nicht einem vom Vorgang des Vertragsschlusses zu trennenden Informationsbedürfnis. Sie individualisieren vielmehr erst das übernommene Wagnis und bestimmen damit den Inhalt der Gefahrtragung. Das Unfallrisiko ist für einen im Büro arbeitenden Vmer geringer als für einen Werftarbeiter. Deshalb ist es nicht zutreffend zu formulieren, die Einigung der Parteien beziehe sich „auf einen Unfall schlechthin", so aber OLG Kiel 21. IX. 1936 JRPV 1937 S. 312. Ein Ver, der nach dem Antrag des Vmers das Unfallrisiko für einen gesunden kaufmännischen Angestellten deckt, während es sich in Wahrheit um einen herzkranken Gelegenheitsarbeiter handelt, könnte den Vertrag, sieht man auf den Inhalt seiner Erklärung, wegen Inhaltsirrtums nach § 119 I 1. Alt. BGB und wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 II BGB anfechten. Dem steht jedoch die vsrechtliche Sonderregelung der §§ 16—21 entgegen. [C 12] bb) Bezugnahme auf AVB Die gebräuchlichen Antragsformulare der allgemeinen Unfallv und der Kraftfahrtunfallv enthalten eine Bezugnahme auf die AUB bzw. AKB (Anm. C 10). Eine solche Bezugnahme würde nach § 2 AGB-Gesetz nicht genügen, um die genannten Bedingungen zum Gegenstand des Antrages und — nach dessen Annahme — zum Inhalt des Vertrages zu machen. Nach § 2 I AGB-Gesetz werden AGB nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn der Verwender bei Vertragsabschluß die andere Vertragspartei 9

B r u c k - M ö l l e r . W O , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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(grundsätzlich) ausdrücklich auf die AGB hinweist, der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen u n d wenn die andere Vertragspartei mit der Geltung der AGB einverstanden ist. Jedenfalls an dem an zweiter Stelle genannten Erfordernis fehlt es, wenn dem Antragsteller die AVB nicht zugänglich gemacht werden. Ausgeschlossen wäre nach dieser Vorschrift eine Einbeziehung von AVB in den Unfallsvsvertrag, wenn im Antragsformular keine Bezugnahme auf die AVB enthalten ist. Für den vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes geltenden Rechtszustand war anerkannt, daß üblicherweise verwendete AVB Inhalt des Antrages des Vmers waren, wenn er vom Bestehen solcher AVB wußte oder aber bei gehöriger Sorgfalt wissen mußte (Nachweise bei Ulmer in: Ulmer-Brandner-Hensen § 2 AGB-Gesetz Rz. 6). Deshalb war es nicht zweifelhaft, daß bei Abschluß eines Unfallvsvertrages in der Allgemeinen Unfallv die AUB auch dann Vertragsinhalt wurden, wenn das Antragsformular einen Hinweis auf ihre Geltung nicht enthielt. Diese Situation hat sich durch das am 1. IV. 1977 in Kraft getretene AGB-Gesetz nicht geändert. Zwar werden die in § 2 I AGB-Gesetz genannten drei Voraussetzungen für die Einbeziehung von AVB in den Einzelvertrag oftmals nicht erfüllt. Diese Vorschrift gilt jedoch gemäß § 23 III AGB-Gesetz nicht für behördlich genehmigte AVB. Danach unterliegt ein Vsvertrag den von der zuständigen Behörde genehmigten AVB auch dann, wenn die in § 2 II Nr. 1 und 2 AGB-Gesetz bezeichneten Erfordernisse nicht eingehalten sind. — Diese Fassung des § 23 III AGB-Gesetz enthält eine redaktionelle Ungenauigkeit. Möglicherweise wird der in § 2 I nach Ziff. 2 stehende Nachsatz „und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist" nicht von der Verweisung erfaßt. Auch dieser Nachsatz ist jedoch als von der Verweisung in § 23 III AGB-Gesetz erfaßt anzusehen (Graf von Westphalen in: Löwe-Graf von Westphalen-Trinkner § 23 AGB-Gesetz Rz. 2), so daß in der Allgemeinen Unfallv die AUB auch dann als in den Antrag und damit in den Vsvertrag einbezogen gelten, wenn der Antragsteller (Vmer) mit ihrer Geltung nicht einverstanden ist. Die AUB sind behördlich genehmigte AVB i. S. des § 23 III AGB-Gesetz. Sie sind die üblicherweise in der Allgemeinen Unfallv verwendeten Bedingungen, und soweit ein Unfallver hiervon abweichende — auch hinsichtlich der Abweichung genehmigte — AVB verwenden will, muß er sie, um insoweit den Voraussetzungen des § 2 I AGBGesetz zu genügen, dem Antragsteller zugänglich machen. Die AUB werden Inhalt des Antrages in derjenigen Fassung, in der sie zur Zeit der Antragstellung gelten. Als Antragstellung in diesem Sinne muß die Absendung des schriftlich ausgeführten Antrages an den Ver oder die Übergabe an den Vsagenten angesehen werden. Denn nur auf AUB in dieser Fassung kann sich die — wenn auch in der Praxis idR fiktive — Bezugnahme der Antragserklärung beziehen. Auf die Fassung der AUB zur Zeit des formellen Vertragsschlusses kann es daher, wenn inzwischen eine Neufassung der AVB veröffentlicht worden ist, nicht ankommen; anders Wriede Anm. C 6, S. 51 unter Hinweis auf KG 6. III. 1935 JRPV 1935 S. 216-217. In der Kraftfahrt-Unfallv gelten gemäß § 9a AKB die Bestimmungen der AKB und der Tarife in ihrer jeweils geltenden Fassung (Form). § 9a AKB gilt nicht nur für die Kraftfahrt-Haftpflichtv, sondern auch für die anderen in den AKB genannten Vsarten (vgl. Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 9a AKB Anm. 3). Angesichts dieser Regelung kann für den Inhalt der Bezugnahme in der Kraftfahrtunfallv nicht, wie im vorstehenden Absatz für die Allgemeine Unfallv ausgeführt, der Zeitpunkt des Antrags gelten. Hier sind die jeweiligen Vorschriften der AKB Vertragsinhalt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Antrag gestellt worden oder der Vertrag zustandegekommen ist. Die AKB werden auch dann Vertragsinhalt, wenn der Antrag130

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Anm. C 14

steller (Vmer) Ausländer ist und weder den Inhalt der AKB noch ihre generelle Verwendung bei Abschluß von Kraftfahrtvsverträgen kennt (OLG Stuttgart 2. III. 1972 VersR 1972 S. 824-826, für Haftpflichtv). Andererseits darf der Antragsteller auch ohne entsprechenden Hinweis im Antragsformular darauf vertrauen, daß dem Vsvertrag die allgemein geltende Fassung der Bedingungen zugrunde liegt, BGH 28. V. 1969 VA 1969 S. 346-350 Nr. 548 (entschieden für Haftpflichtv für Architekten pp.).

[C 13] cc) Mündliche Erklärungen des Antragstellers Es kommt vor, daß der Antragsteller anläßlich der Verhandlungen mit dem Vsagenten oder dem Ver Wünsche äußert, die nicht in den schriftlichen Antrag aufgenommen werden. Solche Wünsche können ein Prämienlimit, ein besonderes Kündigungsrecht oder eine besondere Kündigungsfrist, den Ausschluß der Verlängerungsklausel (§ 7 II (1) S. 5 AUB), die Art der Prämienzahlung, Stundung der Prämie, aber auch außerhalb dieses Antrages liegende Umstände wie die Regulierung eines anderen Schadens oder die Gewährung eines Darlehens sein (Überblick über die hierzu ergangene Judikatur bei Groh S. 73—74). Werden solche Erklärungen des Antragstellers dem Vsagenten gegenüber abgegeben, so gelten sie insoweit auch als dem Ver zugegangen, obwohl sie nicht im schriftlichen Antrag enthalten sind, vgl. § 43 und hierzu Groh S. 31. Die mündlichen Erklärungen sind also Bestandteil der Antragserklärung. Das gilt auch dann, wenn der Ver im Antragsformular zum Ausdruck bringt, daß er nur eine schriftliche Antragserklärung, die in diesem Formular enthalten ist, entgegenzunehmen bereit ist. Denn niemand kann einseitig bestimmen, daß ihm gegenüber abzugebende Angebote nur bei Wahrung einer bestimmten Form wirksam sein sollen (Groh S. 18; vgl. zum ganzen auch Wriede Anm. C 5, S. 50 und die dort gegebenen Hinweise). Betrifft die mündliche Nebenerklärung des Antragstellers keinen Punkt, der den Inhalt des Unfallvsvertrages modifiziert, sondern den Vertragsschluß von außerhalb des Unfallvsvertrages liegenden Umständen abhängig macht (Beispiele: Regulierung eines Altschadens, Darlehensgewährung), so ist nicht die Antragserklärung bedingt abgegeben im Sinne des § 158 BGB, sondern es wird auf Abschluß eines bedingten Vsvertrages angetragen, vgl. Groh S. 10.

[C 14] e) Zugang des Antrages Der Antrag des Vmers wird für den Antragsteller verbindlich, sobald er dem Adressaten zugegangen ist (§ 130 I 1 BGB). Eine mündliche oder fernmündliche Erklärung ist dem Antragsgegner zugegangen, wenn er von ihrem Inhalt Kenntnis genommen hat, eine schriftliche, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, daß bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit gerechnet werden kann, daß er von ihr Kenntnis nehmen konnte, BGH 31.1.1951 VersR 1951 S. 114-115, Wriede Anm. C 7, S. 52. Ein dem Vsagenten gegenüber erklärter Antrag ist mit Zugang bei ihm zugleich dem Ver zugegangen (vgl. § 43 Ziff. 1 und Wriede Anm. C 7, S. 53). Eine Einschränkung der Vertretungsmacht gemäß § 47 setzt einen unübersehbar deutlichen Hinweis im Antragsformular voraus. Anderenfalls kann dem Antragsteller nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden (zutreffend Wriede Anm. C 7, S, 53). Andere Personen gelten nicht kraft Gesetzes als zur Entgegennahme von Erklärungen für den Ver bevollmächtigt. Soweit sie eine Erklärung des Antragstellers entgegennehmen, sind sie dessen Boten. 9·

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[C 15] 4. Annahme des Antrages a) Allgemeines Auch für die Annahme des Antrages gelten zunächst die Vorschriften des BGB: Der fernmündlich oder an den anwesenden Ver gerichtete Antrag kann nur sofort angenommen werden (§ 147 I BGB), anderenfalls erlischt er (§ 146 BGB). Der an den abwesenden Ver gerichtete Antrag muß innerhalb eines Zeitraums angenommen werden, bis zu dessen Ablauf der Antragende unter regelmäßigen Umständen eine Antwort erwarten kann (§ 147 II BGB). Hierzu und wegen der weiteren Voraussetzungen der Annahmeerklärung vgl. auch Wriede Anm. C 8. [C 16] b) Annahmefrist Der Ver vermerkt vielfach im Antragsvordruck, daß er binnen einer bestimmten Frist über die Annahme des Antrags entscheiden werde. Solche Bestimmungen sind wirksam und haben zur Folge, daß der Antrag des Vmers nach Ablauf dieser Frist nicht mehr wirksam angenommen werden kann. Eine nach diesem Zeitpunkt dem Antragsteller zugehende „Annahmeerklärung" ist rechtlich als Antrag des Vers gemäß § 150 I BGB anzusehen. Diese kann nur durch eine (weitere) Erklärung des Antragstellers angenommen werden, die grundsätzlich auch dem Ver gemäß § 130 BGB zugehen muß. Ist die Frist, binnen derer der Ver sich die Erklärung der Annahme vorbehält, nicht im Antragsformular, sondern in AVB enthalten, so ist diese Fristbestimmung für die Beurteilung der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Antrag vom Ver im Sinne der §§ 146—148 BGB wirksam angenommen werden kann, nur dann von Bedeutung, wenn der Antragsteller insoweit hinreichend deutlich auf diese Frist hingewiesen worden ist. Ob das geschehen ist, beantwortet sich nicht nach §§ 2,23 III AGB-Gesetz. Diese Vorschriften betreffen die Einbeziehung des Inhalts von AVB in den Vertrag. Sie können für die Frage, in welcher Weise der Antragsteller die Verbindlichkeit seines Antrages befristen will (§ 148 BGB), auch nicht entsprechend angewendet werden. Denn der Vmer als Antragsteller wird normalerweise eine solche Bestimmung in AVB nicht erwarten und braucht deshalb auch nicht als üblich damit zu rechnen. Ob insoweit für die PKV etwas anderes gelten muß, weil der Ver dort das zu übernehmende Wagnis eingehend prüfen muß (vgl. Wriede Anm. C 8, S. 54), ist hier nicht zu erörtern. In der privaten Unfallv sind solche Fristbestimmungen in den üblicherweise verwendeten AVB nicht enthalten. LG Berlin 10. II. 1955 VersR 1955 S. 209—210, wo eine sechswöchige Bindungsfrist in AVB genannt und vom Gericht für maßgeblich erachtet worden ist, kann deshalb für den derzeitigen Rechtszustand nichts aussagen. [C 17] c) VertragssdüuB bei verspäteter Annahme durch den Versicherer Die verspätete Annahmeerklärung des Vers gilt als neuer Antrag (§ 150 I BGB). Diesen Antrag muß der Vmer annehmen. Eine solche ausdrückliche Annahmeerklärung unterbleibt vielfach deshalb, weil der Vmer die Fristüberschreitung durch den Ver nicht bemerkt oder nicht für rechtserheblich hält. Zahlt er bald darauf die Erstprämie und behandeln die Beteiligten den Vertrag auch sonst als wirksam abgeschlossen, so stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen eines wirksamen Vertragsschlusses auch tatsächlich gegeben sind. BGH 31.1.1951 VersR 1951 S. 115 bejaht diese Frage unter Hinweis auf Rechtsprechung und Schrifttum: Die Annahme des Antrages durch den Vmer könne auch stillschweigend erfolgen. Nach anerkanntem Recht entspreche es gerade bei dem in einer verspäteten Annahme liegenden, nur formell neuen Angebot überaus häufig der Verkehrsübung, das bloße Schweigen auf 132

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die verspätete Annahmeerklärung als Annahme der neuen Offerte aufzufassen. Die Beteiligten nähmen es häufig mit der Wahrung der Annahmefrist nicht so genau und verließen sich darauf, daß der andere Teil sich mit der verzögerten Annahmeerklärung zufrieden gebe. Dann aber könne nach Treu und Glauben das Schweigen des anderen Teils regelmäßig nur dahin aufgefaßt werden, daß er mit dieser Annahme einverstanden sei, so daß durch sein Schweigen der Vertrag zustandekomme. Ein anderes Ergebnis und die daraus folgenden Konsequenzen führten zu untragbaren und dem mutmaßlichen Willen der Parteien offensichtlich widersprechenden Ergebnissen. Das gelte jedenfalls dann, wenn keine Umstände vorlägen, die die Möglichkeit einer Änderung der sachlichen Entschließung des Vmers nahelegten. - Gegen diese Auffassung, die der Handhabung in der Praxis entspricht, hat Martin ZVersWiss 1976 S. 554 Bedenken erhoben: Das Schweigen des Vmers könne allein nicht Indiz für das Vorhandensein eines auf Vertragsschluß gerichteten Willens des Vmers sein. Die Rechtsprechung würde auch anders entschieden haben, wenn der Ver die Erstprämie einklagen würde, nachdem sich der Vmer nach Zugang der verspäteten Annahmeerklärung passiv verhalten hätte. Selbst eine Prämienzahlung nach verspätetem Zugang der Annahmeerklärung könne nur dann als Annahmeerklärung des Vmers gewertet werden, wenn die Prämie in dem Bewußtsein gezahlt werde, dazu (noch) nicht verpflichtet zu sein, sondern durch die Prämie den Vertrag erst rechtswirksam zu machen. Martin a.a.O. S. 555 stützt dieses Ergebnis mit einem Schluß a maiore ad minus aus § 5: Da § 5 schon besondere Kennzeichnung einzelner Abweichungen des Vsscheines als Voraussetzung dafür verlange, daß ein Schweigen des Vmers als Annahme gelten könne, müsse dies um so mehr gelten, wenn nicht nur einzelne Teile des Vsscheines von der Rechtslage abwichen, sondern entgegen dem Anschein und dem Wortlaut der Police ein Vertrag überhaupt noch nicht zustandegekommen sei. Jedenfalls sei § 5 dann analog anzuwenden, wenn der Vsschein bei verspäteter Annahme außerdem vom ursprünglichen Antrag abweiche (Hinweis auf OLG München 25. VI. 1975 VersR 1976 S. 745—746, Entscheidung ergangen zur Vertragserweiterung). Der vom BGH 31.1. 1951 VersR 1951 S. 114-115 und BGH 14. X. 1955 VersR 1955 S. 738-739 = VA 1957 S. 13-16 Nr. 153 begründeten Auffassung ist der Vorzug zu geben. Das Schweigen des Vmers auf verspäteten Zugang der Annahmeerklärung des Vers kann vernünftigerweise nur als Einverständnis mit dem Inhalt der Annahmeerklärung (idR: Übersendung des Vsscheins) gedeutet werden. Aus seiner Sicht hat der Vmer mit Antragstellung das zum Vertragsschluß Erforderliche getan. Er schweigt nicht, weil er der Meinung ist, er müsse sich zum verspäteten Antrag im Hinblick auf die Regelung des § 150 BGB äußern, sondern gerade, weil er eine solche Äußerung für nicht notwendig hält. Hat sich sein Wille zum Vertragsschluß zwischenzeitlich geändert, so ist er angesichts des aus seiner Antragstellung zu schließenden, weil dort geäußerten Willens gehalten, diese Willensänderung kundzutun. Der Hinweis auf die Regelung des § 5 läßt unerwähnt, daß sich diese Vorschrift ihrem Sinn und Inhalt nach nicht auf die Frage des Ob, sondern des Inhalts des Vertragsschlusses bezieht. Hinsichtlich des Inhalts des Vertrages ist der Wille des Vmers als (ursprünglichen) Antragstellers hinreichend deutlich geworden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß er auch mit einem Vertrage anderen Inhalts einverstanden wäre. Wohl aber kann angenommen werden, daß er mit einem Vertragsschluß auch dann einverstanden ist, wenn der formelle Vertragsschluß erst einige Zeit später stattfindet, als sich dies aus der Bindungsfrist ergibt. [C 18] d) Form und Inhalt der Annahmeerklärung Auch für Form und Inhalt der Annahmeerklärung enthält das Versicherungsrecht keine Besonderheiten. Solche ergeben sich auch nicht aus den hier üblicherweise verWagner

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wendeten AVB. Die Annahme kann deshalb auch konkludent erklärt werden, vgl. Bruck-Möller § 1 Anm. 77 m.N. Der praktischen Handhabung entspricht dies nicht. Üblicherweise erklärt der Ver die Annahme des Vmers ausdrücklich, und zwar durch Übersendung des Vsscheines mit der ersten Prämienrechnung. BGH 1. X. 1975 VersR 1975 S. 1090-1093 = NJW 1976 S. 289-290 erklärt diese so bezeichnete „Verkehrsübung" aus den Besonderheiten der Versicherungsbranche. Diese brächten es mit sich, daß der Ver häufig eine längere Zeit zur Prüfung des Antrages zur eigenen Willensäußerung benötige. Typischerweise ließen sich daher die Ver bereits im vorgedruckten Antrag eine längere Bindungsfrist (Annahmefrist) von zwei bis zu sechs Wochen einräumen. Während dieser Zeit sei der Antragsteller bis zur etwaigen Erklärung des Vers im Ungewissen über das Schicksal seines Antrages, zumal die eigentliche Vertragsleistung des Vers, die Übernahme der vten Gefahr, sinnlich nicht wahrnehmbar sei, anders als etwa die Übersendung der bestellten Ware, die eine erkennbare, konkludente Annahmeerklärung darstelle. „Nicht zuletzt diese Gründe dürften zu der Verkehrsübung geführt haben, daß der Versicherer die Annahme des Versicherungsantrages ausdrücklich erklärt: In der Regel schriftlich, wobei die besondere Mitteilung der Annahme oder die gleichbedeutende Benachrichtigung, daß der Versicherungsschein zur Einlösung beim Versicherungsagenten bereit liege, aus Vereinfachungsgründen sehr häufig durch die Übersendung des Versicherungsscheins selbst (nebst erster Prämienrechnung) ersetzt wird" (BGH a.a.O. VersR 1975 S. 1092 = NJW 1976 S. 290). Wenn auch der BGH diese Verkehrsübung aus den Besonderheiten der Vszweige erklärt, für die eine Antragsfrist typisch ist (PKV, Lebensv), wird man sie doch grundsätzlich auf alle Vszweige beziehen können. Denn das beiden Parteien erkennbare Informationsbedürfnis des Antragstellers, der sich gegebenenfalls bei einem anderen Ver Vsschutz beschaffen muß, ist auf eine ausdrückliche Erklärung des Vers darüber gerichtet, ob er den Antrag annehme oder nicht. BGH a. a. O. geht von einer Verkehrssitte des Inhalts aus, daß in der Vspraxis der Aushändigung des Vsscheines an den Vmer unmittelbare Bedeutung für das Zustandekommen des Vertrages zukomme. Das Gericht schließt hieraus, daß die Entgegennahme einer vom Vmer unaufgefordert gezahlten Erstprämie durch den Ver selbst oder seinen Agenten für sich allein nicht als konkludente Antragsannahme gewertet werden könne, weil ein solches Verhalten des Vers noch nicht ohne weiteres den Schluß auf einen Vertragsabschlußwillen zulasse; ähnlich OLG Stuttgart 28. X. 1958 VersR 1959 S. 261—262: Die Entgegennahme des Einlösungsbetrages durch den lediglich als Vermittler auftretenden Generalagenten eines Lebensvers könne die Anzeige der Antragsannahme und die Erteilung des Vsscheines nicht ersetzen und OLG München 5. X. 1962 VersR 1963 S. 373-374: Die Anmahnung der Erstprämie könne nicht als Annahmeerklärung des Vers angesehen werden; ebenso OLG Hamm 21. XII. 1970 VersR 1971 S. 1031: Die bloße Entgegennahme eines Antrags auf Abschluß eines Vsvertrages enthalte auch dann nicht ohne weiteres eine Annahmeerklärung, wenn der Antragsteller zugleich eine Einziehungsermächtigung übersandt habe. Mache indessen der Ver von der Einziehungsermächtigung Gebrauch, so muß er dies auch vor Aushändigung des Vsscheines nach Treu und Glauben als (konkludente) Annahmeerklärung gegen sich gelten lassen, weil der Vmer diese Handlungsweise in der Weise verstehen dürfe, daß dies im redlichen Geschäftsverkehr nur nach positivem Abschluß der Antragsprüfung geschehen sein könne, BGH l.X. 1975 VersR 1975 S. 1092 Ii. Sp. unten = NJW 1976 S. 290 r. Sp. oben. Aus Vorstehendem ergibt sich, daß es im Vsrecht eine Verkehrssitte des Inhalts nicht gibt, daß eine Annahmeerklärung des Vers nicht zu erwarten ist. Das entspricht einhelliger Meinung, BGH 31.1. 1951 VersR 1951 S. 114 und Wriede Anm. C 10, S. 56 m.N. 134

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 21

[C 19] e) Wirkung der Annahme Durch den Zugang der Annahmeerklärung (§§ 130—132 BGB) wird die Annahmeerklärung wirksam; der Unfallvsvertrag ist damit zustandegekommen. Dieser Zeitpunkt wird als der formelle Beginn des Vsvertrages bezeichnet (Anm. D 3). Ist der Antragsteller in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder geschäftsunfähig, so muß der Antrag seinem gesetzlichen Vertreter zugehen (§ 131 BGB). Weicht die Annahmeerklärung des Vers in wesentlichen Punkten von dem Antrag des Vmers ab, so ist die Annahmeerklärung in gleicher Weise wie die verspätete Annahmeerkiärung als neuer Antrag zu werten (§ 150 II BGB). Diese Möglichkeit ist im Unfallvsrecht ohne praktische Bedeutung. Das ergibt sich einmal aus dem Umstand, daß für den Inhalt des Vertrages die AVB maßgeblich sind, so daß insoweit abweichende Erklärungen nicht möglich sind. Zum anderen schließt die Regelung des § 5 die Anwendung des § ISO II BGB praktisch aus (vgl. Anm. C 42-46). Die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Vertragsschlusses obliegt demjenigen, der Rechte aus diesem Vertrage herleitet. Der Ver kann hier in Schwierigkeiten geraten, wenn er nicht den Beweis für die Zusendung des Vsscheines als Annahmeerklärung sicherstellt. Eine tatsächliche Vermutung dafür, daß eine zur Post gegebene Sendung den Adressaten auch erreicht hat, besteht nicht, OLG München 5. X. 1962 VersR 1963 S. 373-374 m.N. [C 20] 5. Verschulden bei Vertragsschhiß a) Allgemeines Unter dem Stichwort „Verschulden bei Vertragsschluß" (culpa in contrahendo) werden sehr verschiedenartige Tatbestände einer zum Schadensersatz verpflichtenden Verletzung vorvertraglicher Schutz- und Treuepflichten zusammengefaßt (Überblick bei Köbler VersR 1969 S. 774-775). Solche Schutz- und Treuepflichten des Inhalts, auf für den Vertragspartner erkennbar schutzwürdige Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen, rechtfertigen sich aus dem Erfordernis redlichen Verhaltens (§ 242 BGB) angesichts des Umstandes, daß die Verhandelnden sich bzw. ihre Rechtsgüter und Interessen schon kraft der Vertragsverhandlung selbst einer erhöhten Gefährdung aussetzen. Diese kann sich darin äußern, daß in Erwartung des Vertragsschlusses Vermögensdispositionen getroffen, z. B. Aufwendungen gemacht werden, die sich beim Scheitern des Vertragsschlusses als vergeblich erweisen oder daß die Möglichkeit eines anderweitigen Vertragsschlusses unwiederbringlich versäumt ist. Für den hier darzustellenden Zusammenhang ist nur eine Pflichtverletzung des Vers im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Antrages des Vmers im Hinblick auf diejenigen Nachteile von Bedeutung, die dem Vmer aus verzögerter Mitteilung der Ablehnung des Vertragsschlusses entstanden sind. Im Zusammenhang damit kann auch pflichtwidriges Verhalten eines für den Ver tätigen Agenten bedeutsam werden. [C 21] b) Bearbeitung des Antrages durch den Versicherer In der Rechtsprechung ist die Auffassung vertreten worden, daß der Ver verpflichtet sei, Anträge des Vmers innerhalb der darin genannten Frist oder in der Zeit bis zu dem vorgesehenen „Inkrafttreten" zu bearbeiten und gegebenenfalls dem Antragsteller vor Ablauf der Frist die Ablehnung seines Antrages zu erklären (vgl. die bei Wriede C 15, S. 59 zitierten Entscheidungen und Köbler VersR 1969 S. 777778 m.N.). Köbler a.a.O. S. 777 weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß die Interessen des Antragstellers eine solche Erklärung des Vers innerhalb der Bindungsfrist nahelegen. Die Verneinung einer entsprechenden Verpflichtung des Vers, deren Verletzung ihn nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo ersatzWagner

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C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

pflichtig machen würde, kann nicht aus der Regelung der §§ 146-149 BGB geschlossen werden. Denn aus dieser Regelung folgt nur, daß unter den dort genannten Umständen ein Vertragsschluß scheitert; sie hat nur die Voraussetzungen zum Inhalt, die für das Zustandekommen eines Vertrages gefordert werden. Eine Pflicht des Vers, den Antragsteller im vorgenannten Sinne rechtzeitig zu bescheiden, muß jedoch deshalb verneint werden, weil der Antragsteller in der Lage und deshalb primär dafür zuständig ist, seine Interessen selbst zu wahren. Soweit nicht vstechnische Erfordernisse entgegenstehen (ärztliche Untersuchung bei der Lebens- und Krankenv), kann der Antragsteller darauf dringen, daß sich der Ver innerhalb einer Frist entscheiden möge, die seinen, des Antragstellers, Interessen entspricht. Angesichts der derzeitigen Situation des Vsmarktes kann eine solche Möglichkeit nicht zweifelhaft sein. Die unter Berücksichtigung dieser Interessen gesetzte Annahmefrist (§ 148 BGB) kann der Ver ausnutzen, ohne sich hierdurch ersatzpflichtig zu machen. Von diesem Grundsatz geht die neuere Rechtsprechung aus: BGH 17. III. 1966 VersR 1966 S. 457-458 führt hierzu aus: „ . . . Der bloße Eintritt in Vertragsverhandlungen über die Einzelheiten des beabsichtigten Vertrages hat noch keine Änderung der Rechtslage zur Folge. Insbesondere wird der Empfänger des Antrages nicht ohne weiteres dazu verpflichtet, einen etwa bereits vor Ablauf der Annahmefrist gefaßten Entschluß zur Annahme oder Ablehnung des Antrages alsbald mitzuteilen. Auch die besonderen Verhältnisse bei Versicherungsanträgen können zu keiner anderen Auffassung führen. Zwar sind dem Antragsteller während des Laufes der Frist die Hände gebunden, weil er nicht mit anderen Versicherern in Verbindung treten kann und daher das unter Umständen für ihn lebenswichtige Risiko nicht wie beabsichtigt unter Versicherung bringen kann, wenn der Versicherer, an den er sich gewandt hat, den Antrag im letzten Augenblick ablehnt oder sich überhaupt nicht äußert. Das ist die rechtliche Folge der dem Empfänger eingeräumten gesetzlichen Annahmefrist, die durch Vereinbarung der Parteien (hier: Feuerv, für die die Annahmefrist in § 81 W G bestimmt wird) kürzer bemessen werden kann ..." In gleichem Sinne entscheidet OLG München 1. II. 1965 VersR 1965 S. 529 für eine rückdatierte Lebensv und OLG Stuttgart 28. X. 1958 VersR 1959 S. 261-262, ebenfalls für Lebensv. - BGH l . X . 1975 VersR 1975 S. 1090-1093 (in NJW 1976 S. 289—290 insoweit nicht abgedruckt) folgt dieser Rechtsprechung: „ . . . Mag die Vereinbarung einer solchen Frist den Versicherer auch nicht ausnahmslos und unter allen Umständen von der Verpflichtung entbinden, eme Entscheidung über den Antrag nach Möglichkeit schon vor Fristablauf herbeizuführen und dem Antragsteller mitzuteilen, so darf er die Frist doch jedenfalls dann voll ausschöpfen, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit des Antrages nicht ersichtlich ist. . . . " Die in diesem Zusammenhang weiter zitierte Entscheidung BGH 20. VI. 1963 VersR 1963 S. 768-769 = JZ 1963 S. 678—680 mit Anm. Prölss S. 680—681 betrifft den anders gelagerten Fall unzureichender Aufklärung des Vmers über Inhalt und Umfang des Vsschutzes durch den Vsagenten. Standen die Parteien zur Zeit der Vertragsverhandlungen schon in vertraglichen Beziehungen oder ist für den Ver die besondere Bedeutung möglichst umgehender Unterrichtung des Antragstellers angesichts dessen schutzwürdiger Interessen erkennbar, so kann sich im Einzelfall eine andere Beurteilung ergeben, vgl. Wriede Anm. C 15, S. 59 und die dort zitierten Entscheidungen. Im übrigen ist der Stellungnahme von Martin ZVersWiss 1976 S. 556—564 zuzustimmen. 136

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 23

[C 22] c) Haftung des Versicherers für das Verhalten seines Agenten aa) Agent als Erfüllungsgehilfe des Versicherers Der Ver schuldet dem Antragsteller sorgfältige Beratung und Aufklärung über diejenigen Umstände, die für den Vertragsschluß aus der Sicht des Antragstellers von Bedeutung sind. Insoweit gilt für das Vsrecht nichts anderes als für das allgemeine Vertragsrecht (Bruck-Möller § 44 Anm. 41). In der Praxis wird diese Aufgabe durch den Agenten erfüllt. Die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zur Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten etc. betreffen deshalb weit überwiegend das Verhalten von Vsagenten. Er nimmt in der Praxis die Pflicht des Vers wahr, den Antragsteller im einzelnen wahrheitsgemäß über Art und Umfang des Vsschutzes, über die Reichweite und Wirkimg von Ausschlußtatbeständen und Obliegenheiten und über alle sonstigen Voraussetzungen eines wirksamen Vsschutzes aufzuklären, soweit diese für die Entschließung des Antragstellers von Bedeutung sind. Verletzt der Vsagent diese Pflicht, so schuldet der Ver dem Antragsteller Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß. Voraussetzung ist, daß der Agent selbst schuldhaft gehandelt hat (§§ 278, 276 BGB) und daß seine Handlungsweise für den Schaden ursächlich geworden ist. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn eine V der vom Vmer ihrer vorgestellten und gewünschten Art nach weder von diesem Ver noch von einem anderen übernommen worden wäre. Eigenes mitwirkendes Verschulden des Antragstellers mindert dessen Schadensersatzanspruch nach Maßgabe des § 254 BGB und kann ihn unter Umständen ganz ausschließen. Entsprechend diesen Grundsätzen bejaht BGH 20. VI. 1963 BGHZ Bd 40 S. 22-28 = VersR 1963 S. 768-769 = JZ 1963 S. 678-680 mit Anm. Prölss S. 680-681 eine Haftung des Vers für die Hälfte desjenigen Schadens, der dem Vmer durch mangelnde Aufklärung darüber entstanden ist, daß die AKB in der damaligen Fassung Vsschutz (Kaskov) außerhalb Europas nicht vorsahen. BGH 28. X. 1963 VersR 1964 S. 36-38 bejaht Schadensersatzpflicht des Vers wegen Verletzung der Beratungspflicht durch seine Agenten, die den Vmer nicht hinreichend über die Notwendigkeit einer Nachv (Feuerv) aufgeklärt hätten. BGH 1. III. 1972 VersR 1972 S. 530-532 = NJW 1972 S. 822-824 bejaht die Möglichkeit einer Schadensersatzpflicht des Vers, dessen Agent einen vom Antragsteller blanko unterschriebenen Antrag im Hinblick auf die Verwendung des vten Fahrzeuges unrichtig ausgefüllt hat. Wegen weiterer Beispiele wird auf den Überblick bei Bruck-Möller § 44 Anm. 42-43 hingewiesen. Schadensersatz ist vom Ver in der Weise zu leisten, daß der Antragsteller durch die Leistung des Vers vermögensmäßig so gestellt wird, wie er ohne das pflichtwidrige Verhalten des Vsagenten stehen würde. Da sich ein solches pflichtwidriges Verhalten überwiegend erst anläßlich der Abwicklung nach einem Vsfall herausstellt, wird Schadensersatz in der Mehrzahl der Fälle dadurch geleistet, daß der Ver die Entschädigung nach Maßgabe des Vertragsinhalts zahlt, der bei pflichtgemäßen Verhalten des Agenten vereinbart worden wäre. Im Falle BGH 1. III. 1972 VersR 1972 S. 530532 = NJW 1972 S. 822-824 war vom Ver Schadensersatz in der Weise zu leisten, daß er sich auf die Verletzung der Verwendungsklausel nicht berufen konnte. [C 23] bb) Erfüllungspflkht des Versicherers für Zusagen des Agenten Von der Rechtsprechung ist der Satz entwickelt worden, daß der Agent verpflichtet sei, den Vmer aufzuklären und zu belehren. Erkenne er, daß sich der Vmer über einen wesentlichen Punkt des Vsvertrages unrichtige Vorstellungen mache, sei er gehalten, diese richtigzustellen. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, so müsse der Ver für ihn einstehen. Wegen der Entwicklung dieser Rechtssprechung ist auf die ausführliche Darstellung bei Bruck-Möller § 44 Anm. 55, BGH 20. VI. 1963 BGHZ Bd 40 Wagner

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Anm. C 24

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

S. 2 2 - 2 8 = VersR 1963 S. 768-769 = JZ 1963 S. 678-680, BGH 28. X. 1963 VersR 1964 S. 36-38 und BGH 6. XI. 1967 VersR 1968 S. 35-36 = NJW 1968 S. 299-300 sowie auf Prölss-Martin21 § 43 Anm. 7 A hinzuweisen. Diesem Rechtssatz wird g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h e Bedeutung beigemessen. Seine tatsächlichen Voraussetzungen überschneiden sich mit denen der Schadensersatzverpflichtung des Vers für Agentenverschulden aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo. In beiden Fällen ist das Verhalten des Agenten Grundlage der Haftung. Der Unterschied verwischt sich auch dadurch, daß (auch) die Schadensersatzleistung des Vers wegen culpa in contrahendo hier nach Maßgabe dessen bemessen wird, was als Erfüllung eines ohne culpa geschlossenen Vertrages geschuldet würde. Die Erfüllungshaftung unterscheidet sich von der Schadensersatzpflicht des Vers aus culpa in contrahendo wie folgt: „Im Rahmen der Erfüllungshaftung muß der Versicherer den Versicherungsschutz gemäß den irrigen Vorstellungen des Versicherungsnehmers gewähren. Der Versicherungsnehmer kann den Versicherer auch dann in Anspruch nehmen, wenn der Versicherer das Wagnis, über dessen Versicherung sich der Versicherungsnehmer geirrt hat, nicht versichert und andere Versicherer eine derartige Versicherung ebenfalls ablehnen. Der Versicherer muß im übrigen auch dann Versicherungsschutz gewähren, wenn den Versicherungsagenten kein Verschulden treffen sollte. Die Haftung des Versicherers ist also streng. Dem entspricht es, daß sie in vollem Umfang wegfällt, wenn den Versicherungsnehmer ein erhebliches eigenes Verschulden an seinem Irrtum trifft; die Grundsätze des § 254 BGB sind nicht anwendbar", BGH 20. VI. 1963 BGHZ Bd 40 S. 26-27 = JZ 1963 S. 679 r. Sp. = VersR 1963 S. 769. Ein erhebliches Mitverschulden des Vmers im vorgenannten Sinne, das die Erfüllungshaftung des Vers ausschließt, sieht BGH a.a.O. in dem Umstand, daß er von der in den AKB „klar und eindeutig" ausgesprochenen Beschränkung des Vsschutzes auf Europa nicht Kenntnis genommen habe. Das ist deshalb bedeutsam, weil der Vmer Türke war und weil die AKB üblicherweise dem Vmer nicht ausgehändigt werden. In gleichem Sinne entscheidet LG Essen 11.1.1971 VersR 1972 S. 27-28, indem es Erfüllungshaftung des Vers wegen erheblichen eigenen Verschuldens des Antragstellers verneint. Dieser hätte die Unrichtigkeit einer Erklärung des Agenten aus dem Inhalt der AVB entnehmen können und müssen.

[C 24] 6. Vorläufige Deckungszusage a) Allgemeines Die Zusage vorläufiger Deckung durch den Ver spielt in der allgemeinen Unfallv keine Rolle. Praktisch bedeutsam ist sie dagegen in der Kraftfahrt-Unfallv, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob die in der Aushändigung der Deckungskarte gemäß § 29 b StVZO zu sehende Deckungszusage sich bei entsprechendem Antrag des Vmers auch auf die Kraftfahrt-Unfallv bezieht. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich deshalb auf die für die Kraftfahrt-Unfallv bedeutsamen Fragen der vorläufigen Deckungszusage. Indes ist darauf hinzuweisen, daß eine vorläufige Deckungszusage in allen Vszweigen gegeben werden kann. Sie ist zwar ungebräuchlich für Vszweige, in denen der Ver das zu übernehmende Risiko vor Vertragsschluß eingehend prüfen muß wie in der PKV und in der Lebensv, vgl. Möller Versicherungsvertragsrecht3 S. 69 und für die PKV Wriede Anm. C 17 S. 60. Auch in diesen Vszweigen kann sie aber vorkommen (vgl. AG Wolfach 25. V. 1976 VersR 1977 S. 319—320), und sie ist stets dann zu erwägen, wenn der Ver im Verlaufe von länger dauernden Vertragsverhandlungen erkennt, daß dem Antragsteller an baldigem Vsschutz gelegen ist und er auf dieses Interesse des Antragstellers Rücksicht nehmen 138

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 26

will, vgl. BGH 31.1.1951 VersR 1951 S. 114-115 = NJW 1951 S. 314, wo die Annahme einer Deckungszusage in Betracht gezogen und im Ergebnis verneint wird. [C 25] b) Begriff der vorläufigen Deckung Die vorläufige Deckungszusage ist ein zwischen Ver und Vmer abgeschlossener Vertrag, aufgrund dessen der Ver Deckungsschutz nach Maßgabe eines vom Vmer gestellten Antrages gewährt, der noch nicht im Sinne eines endgültigen Vertragsschlusses angenommen werden soll. Weniger im Sinne einer Definition als im Sinne einer Beschreibung heißt es hierzu bei RG 16. X. 1923 RGZ Bd 107 S. 200: „Eine Deckungszusage erteilt der Versicherer, wenn zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer über den Abschluß eines Versicherungsvertrages oder die Abänderung eines bestehenden Versicherungsvertrages soweit Einigung erzielt ist, daß der künftige Abschluß in Aussicht genommen werden kann, während der endgültige Abschluß, namentlich die Ausfertigung der Versicherungspapiere, vielleicht auch die Besprechung minder wesentlicher Einzelheiten, mutmaßlich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden. Für diese Zwischenzeit bis zum endgültigen Abschluß will und soll der Versicherte nicht ohne den Versicherungsschutz bleiben. Zu dem Zweck gewährt ihm der Versicherer mittels der Deckungszusage einen vorläufigen Schutz, d. h. das Versprechen, bei etwaigem Eintritt des Versicherungsfalles die vorgesehene Entschädigung in gleicher Weise auszubezahlen, wie wenn der Vertrag jetzt schon fertig abgeschlossen wäre. . . . " Diese Erwägungen liegen auch der in § 1 (2) AKB vorausgesetzten „vorläufigen Deckung" zugrunde. Sie ist Abschluß eines Vertrages über eine Haftpflichtv nach Maßgabe der in § 1 PflVG vorausgesetzten Pflicht-Haftpflichtv. Die vom Haftpflichtver gemäß § 29 b StVZO auszustellende Deckungskarte, die Voraussetzung für die Zulassung eines Kraftfahrzeuges ist, hat nicht begriffsnotwendig die Zusage vorläufiger Deckung im Hinblick auf die notwendige Haftpflichtv zum Inhalt. Ihre Bedeutung könnte sich — sieht man auf den damit verfolgten Zweck — auf die Zusage beschränken, den geschädigten Dritten, die aus §§ 7, 18 StVG im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeuges Ansprüche gegen den Kraftfahrzeughalter und -führer haben werden, nach Maßgabe des § 3 PflichtVG Entschädigung zu leisten. Durch § 1 (2) S. 2 AKB in der seit dem 1.1.1971 geltenden Fassung (VA 1971 S. 4) wird jedoch (auch) klargestellt, daß die Aushändigung der für die behördliche Zulassung notwendigen Vsbestätigung für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtv als Zusage einer vorläufigen Deckung gilt. [C 26] c) Abschluß des Vertrages über eine vorläufige Deckung Schon für die vor dem 1.1.1971 geltende Fassung der AKB hat BGH 25. VI. 1956 BGHZ Bd 21 S. 122-128 = VersR 1956 S. 482-485 = NJW 1956 S. 1634-1635 entschieden, daß in der Aushändigung der Versicherungsbestätigung gemäß § 29 b StVZO idR eine vorläufige Deckungszusage zu sehen sei. Es war nicht selbstverständlich, daß die Zusage vorläufiger Deckung, die nur im Hinblick auf die Haftpflichtv Voraussetzung für die Zulassung des Fahrzeuges ist, auch für eine gleichzeitig beantragte Kaskov oder Unfallv gelten sollte. BGH 8. X. 1969 VersR 1969 S. 1088-1089 bejahte dies jedoch für den Fall, daß mit der Haftpflichtv auch der Abschluß einer Kaskov beantragt worden war. Das Gericht begründet diese Auslegung aus der Sicht des Wagner

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Anm. C 27

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Vmers: Er werde, wenn er nach Stellung eines Antrages auf kombinierte Haftpflichtund Kaskov ohne weiteres die Doppelkarte mit der Bestätigung des Vsschutzes erhalte, durchweg annehmen, er genieße bis zur Annahme seines Antrages in dessen Umfang vorläufigen Vsschutz und könne im Vertrauen hierauf sein Fahrzeug benutzen. Der Ver müsse damit rechnen, daß seinem Verhalten eine solche Bedeutung beigemessen werde. Das gilt, obwohl — soweit ersichtlich — von der Rechtsprechung nicht entschieden, entsprechend auch für die Annahme einer vorläufigen Deckungszusage bei zugleich mit der Haftpflichtv beantragter Insassenunfallv. In § 1 (2) S. 2 AKB in der seit dem 1.1.1971 geltenden Fassung wird nunmehr klargestellt, daß die Aushändigung der Vsbestätigung nur für die Kraftfahrzeughaftpflichtv als Zusage einer vorläufigen Deckung gelte. Damit ist es ausgeschlossen, in der Aushändigung einer Vsbestätigung gemäß § 29 b StVZO auf einen Antrag des Vmers, dem die AKB in der seit dem 1.1.1971 geltenden Fassung zugrundeliegen, eine vorläufige Deckungszusage auch für die Insassenunfallv zu erblicken. Denn in dem Antrag auf Abschluß einer Kraftfahrtv wird auf die AKB in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen. Sie sind damit Inhalt dieses Antrages (Anm. C 12) unabhängig davon, ob der Antragsteller den Text der AKB im einzelnen kennt oder nicht. Er ist gehalten, sich gegebenenfalls den Text zu beschaffen - der Ver wird ihn dem Antragsteller auf Verlangen aushändigen. Daß die AKB dem Vertrag zwischen Ver und Vmer zugrundezulegen sind, ergibt sich nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes aus § 23 III AGB-Gesetz. Denn die AKB sind behördlich genehmigte AVB, sie sind diejenigen Bedingungen, die gemäß § 4 PflVG dem Vsvertrag zugrundezulegen sind. Hiernach ist die Feststellung unausweichlich, daß sie auch Inhalt des Antrags des Vmers sind. Für den Rechtszustand vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes hat BGH 20. VI. 1963 BGHZ Bd 40 S. 2 2 - 2 8 = VersR 1963 S. 768-769 = JZ 1963 S. 678-680 m. Anm. Prölss zu Lasten eines türkischen Vmers angenommen, daß die AKB Vertragsinhalt seien und daß den Vmer ein erhebliches eigenes Verschulden hinsichtlich einer durch Vsfall eintretenden Schädigung (hier: Kaskov) treffe, wenn die AVB die Haftung für den Fall, für den sich der Vmer vert glaube, ausdrücklich ausschlössen und dabei klar und eindeutig gefaßt seien. Hiemach ist der Ver angesichts der klaren Regelung in § 1 (2) S. 2 AKB nicht gehalten, gegenüber einem Vmer, der außer einer Haftpflichtv auch eine Kaskov und/oder Unfallv beantragt hat, bei Aushändigung der Vsbestätigung noch einmal darauf hinzuweisen, daß sie eine vorläufige Deckungszusage nur für die Haftpflichtv bewirke. Eine solche Belehrungspflicht nehmen an: OLG Schleswig 18. VI. 1974 VersR 1976 S. 385-386 für den Fall, daß der Ver die Bestätigung gemäß § 29 a StVZO direkt an den Händler gegeben und auf dem Antragsformular die Rubriken über die vorläufige Deckung mit einem Stempel versehen habe und OLG Köln 5. VI. 1974 VersR 1974 S. 898-901 unter der Voraussetzung, daß der Ver die Anfertigung des Vsscheines unangemessen verzögert habe. Gegen eine solche Belehrungsobliegenheit OLG Karlsruhe 17. XII. 1975 VersR 1976 S. 384-385 (geschäftsgewandter Antragsteller) und ohne Einschränkung OLG Hamm 25. IX. 1974 VersR 1975 S. 754-756 = NJW 1975 S. 223-224 mit Anm. Burck NJW 1975 S. 11731174. Burck versäumt es, sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Einbeziehung von allgemein geltenden AVB in den einzelnen Vsvertrag auseinanderzusetzen. Die von ihm vertretene Auffassung ist durch die Regelung des § 23 III AGB-Gesetz überholt. [C 27] d) Verhältnis der vorläufigen Deckungszusage zum Hauptvertrag Ihrer vstechnischen Behandlung nach geht die vorläufige Deckungszusage ohne erkennbare Zäsur in den endgültig abzuschließenden Vertrag (Hauptvertrag) über. Die Prämie wird regelmäßig für den Hauptvertrag unter Einschluß der Dauer der vor140

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Anm. C 28

läufigen Deckung berechnet, dabei wird von einer einheitlichen, wiederum die vorläufige Deckung einbeziehenden Vszeit ausgegangen (Möller Versicherungsvertragsrecht 3 S. 70 und Bruck-Möller § 1 Anm. 94). Angesichts dieser Handhabung liegt es nahe, den Vertrag über die vorläufige Deckung und den Hauptvertrag als einen einheitlichen Vsvertrag anzusehen, so die insbesondere von Möller a.a.O. vertretene Einheitstheorie (weitere Anhänger der Einheitstheorie bei Bruck-Möller § 1 Anm. 95). Demgegenüber geht die für die Praxis vorherrschende Trennungstheorie davon aus, daß der Vertrag über die vorläufige Deckung ein vom Hauptvertrag völlig unabhängiger, selbständiger Vsvertrag sei (Nachweise bei Stiefel-Wussow-Hofmann10 AKB § 1 Anm. 26 S. 62). Aus dem Trennungsgedanken wird gefolgert, daß die Wirksamkeit der vorläufigen Deckung vom Schicksal des endgültigen Vsvertrages unabhängig sei. Eine Verletzung des Hauptvertrages berechtigte nicht zur Anfechtung der Deckungszusage, die jedoch ihrerseits selbständig angefochten werden könne. Wenn der Hauptvertrag scheitere und inzwischen ein Vsfall eingetreten sei, so werde aus der Deckungszusage gehaftet, vgl. BGH 25. VI. 1956 BGHZ Bd 21 S. 122-128 = VersR 1956 S. 482-486 = NJW 1956 S. 1634-1636 und die Nachweise bei Stiefel-WussowHofmann 10 § 1 AKB Anm. 26 S. 63.

[C 28] e) Beendigung der vorläufigen Deckung Die vorläufige Deckungszusage endet ihrem Zweck entsprechend mit dem Beginn der materiellen Vsdauer des Hauptvertrages. Insofern liegt ein Fall der Zweckerreichung vor, der auch im übrigen Vertragsrecht bedeutsam sein kann (§ 726 BGB), vgl. hierzu Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 1 AKB Anm. 31 S. 70. Die vorläufige Deckung endet ferner mit dem Scheitern der Verhandlung über den Abschluß des Hauptvertrages, weil sie — für den Vmer erkennbar — aus der Sicht des Vers nur den Zweck hat, vorläufige Deckung bis zur Entscheidung über den Abschluß des Hauptvertrages zu gewähren (vgl. hierzu Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 1 AKB Anm. 32 S. 71). Schließlich kann die vorläufige Deckungszusage bei entsprechender Befristung durch die Parteien kraft Fristablaufs und gemäß § 1 (2) S. 6 AKB durch Kündigung des Vers unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist beendet werden. Nach § 1 (2) S. 4 AKB tritt die vorläufige Deckung „rückwirkend außer Kraft, wenn der Antrag unverändert angenommen, der Versicherungsschein aber nicht spätestens innerhalb von 14 Tagen eingelöst wird und der Versicherungsnehmer die Verspätung zu vertreten hat." Diese nach Konstruktion und Wirkung ungewöhnliche Vorschrift wird von BGH 17. IV. 1967 BGHZ Bd 47 S. 363 = VersR 1967 S. 571 als gerade „noch rechtlich zulässig" bezeichnet (zur Kritik vgl. Möller in Festschrift für Ernst Klingmüller, Karlsruhe 1974 S. 315—316). Sie hat den Zweck, demjenigen Vmer die vorläufige Deckung zu entziehen, der von Anfang an nicht gewillt oder imstande ist, die Prämien pünktlich und gewissenhaft zu zahlen (BGH 25. VI. 1956 BGHZ Bd 21 S. 122-128 = VersR 1956 S. 482-486 = NJW 1956 S. 1634-1636). Um sicherzustellen, daß der rückwirkende Fortfall des Deckungsschutzes nur unter diesen Voraussetzungen eintritt, wird weiter gefordert, daß der Vmer die Verspätung der Zahlung zu vertreten hat. Alle diese Voraussetzungen muß der Ver beweisen. Er ist überdies gehalten, den Vmer bei Einforderung der Erstprämie noch einmal besonders auf die Folgen einer nicht unverzüglichen Zahlung hinzuweisen (Geschäftsplanmäßige Erklärung VA 1969 S. 79 zu Ziff. 6; vgl. zum ganzen Stiefel-WussowHofmann 10 § 1 AKB Anm. 30 S. 67-68). Zu Recht weist Möller a.a.O. S. 315-316 darauf hin, daß damit — aus der Sicht der Trennungstheorie — die Erstprämie des Hauptvertrages im Ergebnis nicht gemäß § 38, sondern nach § 39 behandelt werde, weil eine qualifizierte Mahnung notwendig sei. Wagner

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Anm. C 2 9

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

[C 29] 7. Änderung des Unfallverskherungsvertrages a) Änderung durch Parteivereinbarung Für die Änderung eines Unfallvsvertrages gelten keine Besonderheiten. Der Vertrag kann durch erneuten Konsens der Vertragspartner gemäß § 305 BGB in seinem Inhalt geändert werden. Das kann auch dann formlos geschehen, wenn die Parteien für den ursprünglich geschlossenen Vertrag Schriftform vereinbart haben und diese Vereinbarung ausdrücklich auf künftige Vertragsänderungen bezogen wird. Denn (auch) über diese Vereinbarung können die Parteien durch Vertragsänderung in gleicher Weise disponieren wie über den sonstigen Vertragsinhalt, BGH 2. VI. 1976 BGHZ Bd 66 S. 378-384 m.N. S. 380. Ändern die Vertragsparteien durch formlose Erklärung den materiellen Inhalt eines Vsvertrages, so liegt hierin zugleich eine Vereinbarung über die Änderung der Schriftformklausel (BGH a.a.O. S. 381 m.N.). Erhebliche praktische Bedeutung kommt dieser Frage nicht zu, weil die Ver aufsichtsrechtlich gehalten sind, auch den Änderungsvertrag schriftlich abzuschließen. Die Aufsichtsbehörden stellen überdies Anforderungen an den Inhalt des (regelmäßig) vom Vmer zu diesem Zweck auszufüllenden Antragsformulars (VA 1925 S. 59, 63; 1933 S. 253; 1934 S. 120-121; 1935 S. 89; VW 1949 S. 433; VA 1948 S. 5 - 6 = VW 1949 S. 433 - vgl. auch Wriede Anm. C 19, S. 63). Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vertragsänderung hängt von der Einhaltung dieser aufsichtsbehördlich vorgeschriebenen Form nicht ab. Wegen der Einzelheiten einer auf Vereinbarung beruhenden Vertragsänderung vgl. Bruck-Möller § 1 Anm. 122—128 und Wriede Anm. C 18— C 20. Für den Abschluß des Änderungsvertrages ergeben sich gegenüber dem Abschluß des Erstvertrages einige Besonderheiten. Die etwa vom Antragsteller bei Abschluß des ursprünglichen Vertrages gesetzte Antragsfrist (Anm. C 16) gilt nicht für den Antrag auf Abschluß eines Änderungsvertrages, OLG Nürnberg 19. IX. 1974 VersR 1975 S. 228—229 m.N. Die Voraussetzungen eines Vertragsschlusses richten sich, wenn insoweit nichts anderes bestimmt wird, nach den Voraussetzungen der §§ 145—150 BGB. Das bedeutet: Gemäß § 147 II BGB kann der Antrag nur angenommen werden bis zu dem Zeitpunkt, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (OLG Nürnberg a.a.O. S. 228 r.Sp.). Der Vorgang des Abschlusses eines Änderungsvertrages untersteht mehr als der Erstabschluß dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Der schon zwischen den Parteien bestehende Vertrag begründet gegenseitige Schutz- und Treuepflichten, die insbesondere im Zusammenhang mit einem geplanten Abschluß über die Änderung dieses Vertrages Bedeutung erlangen. Hieraus können sich Klarstellungspflichten (nicht nur Obliegenheiten) des Vers im Hinblick auf den Inhalt des abgeänderten Vertrages ergeben. BGH 24. XI. 1972 VersR 1973 S. 176-177: „Wenn ein Vmer . . . die Änderung eines bestehenden Vertragsverhältnisses dahin begehrt, daß er gegen erhöhte Beiträge höhere Vsleistungen erhält, so geht er beim Empfang eines seinem Wunsch entsprechenden Nachtrags davon aus, daß sich, abgesehen von der vereinbarten Höherv, an dem Vsverhältnis im übrigen jedenfalls nichts Wesentliches geändert hat. Will der Ver dem Antrag nur unter der Voraussetzung stattgeben, daß sich der Vmer nicht unbedeutend geänderten AVB unterwirft, so muß er ihm dies zu erkennen geben. Er kann nicht, ohne den Vmer darauf hinzuweisen, eine diesen benachteiligende Klausel in das bestehende Vsverhältnis lediglich dadurch einführen, daß er in den Vordruck des Änderungsantrags die . . . Bestimmung (Hinweis auf Neufassung der AVB) aufnimmt und im Nachtrag zum Vsschein auf die Tarifbedingungen der nunmehr vorliegenden Fassung Bezug nimmt" (entschieden für PKV: Einführung einer dem § 3 (4) AUB entsprechenden Klausel). 142

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anni. C 30

Das bestehende Vertragsverhältnis, das durch den Änderungsvertrag umgestaltet werden soll, begründet auch im übrigen Schutz- und Treuepflichten der Vertragspartner, deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zur Folge hat. So muß der Ver den Antrag des Vmers mit möglichster Beschleunigung bearbeiten, damit sich der Vmer gegebenenfalls nach anderweitiger Deckimg umsehen oder einen anstehenden Kündigungstermin wahrnehmen kann. Für ein Verschulden seiner Hilfspersonen, die der Ver im Zusammenhang mit der Übermittlung und Bearbeitung des Antrages verwendet, insbesondere für Versäumnisse seiner Agenten, hat er gemäß § 278 BGB einzustehen. Das gilt auch dann, wenn die Agenten zur Entgegennahme des Antrages nicht bevollmächtigt sind. Ein solcher Ausschluß ihrer Empfangsvollmacht hat nur die Wirkung, daß der Antrag des Vmers nicht schon bei Entgegennahme durch den Agenten als dem Ver zugegangen gilt; der Agent ist hier nur Bote. Seine Versäumnisse bei dieser Tätigkeit hat der Ver zu vertreten. Der Ver hat Schadensersatz in der Weise zu leisten, daß er den Vmer so stellt, wie wenn der Antrag zeitgerecht, insbesondere noch vor Eintritt eines Vsfalles, bearbeitet worden wäre. Wäre dann der Änderungsvertrag noch rechtzeitig zustandegekommen oder hätte sich der Vmer bei rechtzeitiger Ablehnung seines Antrages anderweitig Vsschutz beschafft, hat der Ver Schadensersatz nach Maßgabe des bei rechtzeitiger Bearbeitung voraussichtlich zustandegekommenen Vertrages zu leisten (vgl. OLG Neustadt 6. VII. 1956 VersR 1957 S. 311-312 = MDR 1957 S. 34; RG 31.1.1922 RGZ Bd 104 S. 20-23; RG 13. III. 1923 VA 1923 Anh. S. 7 9 - 8 0 Nr. 1334; KG 13. VII. 1921 VA 1922 Anh. S. 56-57 Nr. 1281; KG 14. IV. 1937 VA 1937 S. 197 Nr. 3002). Entsprechendes gilt, wenn der Vmer infolge der Säumnis des Vers daran gehindert worden ist, seinen bereits bestehenden Vertrag rechtzeitig zu kündigen. Hier ist er so zu stellen, als hätte er fristgerecht gekündigt. Er ist von der Prämienzahlungspflicht freizustellen. Ein mitwirkendes eigenes Verschulden oder ein Verschulden seiner Hilfspersonen hat der Vmer gemäß §§ 254, 278 BGB mit der Wirkung etwaiger Minderung der Schadensersatzverpflichtung des Vers zu vertreten. (Vorstehende Darstellung übernommen von Wriede Anm. C 19, S. 62.) [C 30] b) Vorweggenommene Einigung Die Parteien des Vsvertrages können sich bei Vertragsschluß für den Fall des Eintritts bestimmter Voraussetzungen mit einer Änderung des Vertragsschlusses vorweg einverstanden erklären (Bruck-Möller § 1 Anm. 120). Ein solcher vorweggenommener Änderungskonsens kann nur solche künftigen Änderungen umfassen, die ihrer Art nach voraussehbar und nicht für einen Vertragsteil in unbilliger Weise belastend sind. Insoweit sind die Grundgedanken der §§ 315—319 BGB, wonach eine Billigkeitskontrolle zwingend vorbehalten bleibt, auch hier maßgeblich. - Für den Inhalt eines Vertrages über eine Kraftfahrt-Unfallv gelten die AKB (Anm. C 12). § 9 a (1) AKB in der seit dem 1. VIII. 1971 geltenden Fassung (VA 1971 S. 239 = BAnZ Nr. 134 v. 24. VII. 1971) enthält in Satz 1 eine Bestimmung, die wie folgt lautet: „Änderungen der Allgemeinen Bedingungen und der Tarife für die Kraftfahrtversicherung finden auf die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Versicherungsverhältnisse vom Beginn der nächsten Versicherungsperiode ab Abwendung, es sei denn, daß in dem Tarif oder bei Erteilung der Genehmigung etwas anderes bestimmt wird." Diese Bestimmung ist inhaltlich die Vereinbarung einer vorweggenommenen Einigung über eine künftige Vertragsänderung. Eine solche Einordnung des § 9 a (1) AKB, als kraft Konsenses der Parteien in den Vsvertrag einbezogen, widerspricht indes der Wagner

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Anm. C 31

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

Lebenswirklichkeit: Gemäß § 23 III AGB-Gesetz gelten behördlich genehmigte AVB auch dann als Bestandteil des Antrages des Vmers, wenn er mit ihrer Einbeziehung nicht einverstanden ist (Nachweise oben Anm. C 12). Auch von einem Konsens des Vers kann nicht die Rede sein: Er ist aufsichtsrechtlich gezwungen, die AKB dem Kraftfahrt-Vsvertrag — auch für die Unfallv — zugrunde zu legen. Das ergibt sich aus der Anordnung vom 28. XII. 1940 (Reichsanz. 1/41) des (damaligen) Reichsaufsichtsamts, das zum Erlaß dieser Anordnung durch VO vom 29. XI. 1940 (RGBl. 1940 S. 1543 — vgl. Anm. A 32) ermächtigt worden ist. Zwar folgt die Verpflichtung der Ver, die AKB ihren Verträgen zugrunde zu legen, aus §§ 3 II und 4 I PflVG. Für die Fahrzeugv sowie für die Unfallv und die Gepäckv wird diese Verpflichtung jedoch in der vorgenannten Anordnung des Reichsaufsichtsamts ausgesprochen (vgl. zum ganzen Stiefel-Wussow-Hofmann10 AKB Einf. Anm. 1 S. 22). Ist hiernach für die Einbeziehung (auch) des § 9 a (1) AKB in den Vertrag über die Kraftfahrt-Unfallv ein echter Konsens der Parteien nicht erforderlich, so erscheint die Vertragsänderung nach Maßgabe des § 9 a AKB in der Sache weniger als Änderung kraft vorweggenommener Einigung, sondern vielmehr als Änderung kraft Hoheitsaktes. [C 31] c) Änderung der AVB Eine Änderung der für den Vsvertrag maßgeblichen AVB (Anm. C 12) bleibt grundsätzlich für den Vertragsinhalt ohne Bedeutung, vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 29 S. 59 unf BGH 24. XI. 1972 VersR 1973 S. 176-177. Will der Ver anläßlich einer Vertragsänderung (auch) neue AVB in den Vertrag einführen, so ist er gehalten, den Vmer über Inhalt und Wirkung dieser Vertragsänderung eingehend zu belehren (BGH a.a.O. S. 177). Denn für den Ver ist schon aufgrund seiner überlegenen Geschäftserfahrung erkennbar, daß der Vmer mit erheblichen Änderungen der bisherigen Bedingungen, soweit er diese Änderungen nicht selbst ausdrücklich wünscht, in aller Regel bei einem Nachtrag nicht rechnet. Seiner Hinweispflicht kann der Ver dadurch genügen, daß er dem Vmer die Bedingungen in der Fassung, wie sie künftig gelten soll, aushändigt und ihn dabei auf die wesentlichen Änderungen hinweist (BGH a.a.O. S. 177 Ii. Sp. unten). Genügt der Ver diesen Anforderungen nicht, so kann er dem Vmer diese geänderte Fassung der AVB nicht entgegenhalten. Der Vmer muß in jedem Falle seine Zustimmung zur Änderung erklären, d. h. das Änderungsangebot annehmen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung von grundlegenden Bestimmungen von AVB oder zum W G kann sich (praktisch) wie eine Änderung des Wortlauts des Vertrages auswirken. Anschauliches Beispiel für eine solche Vertragsänderung „kraft Änderung der Interpretation" bietet die Rechtsprechung des BGH zu den Rechtsfolgen bei Obliegenheitsverletzungen (§ 7 V. AKB). Nachdem BGH 16. I. 1970 BGHZ Bd 53 S. 160-166 entschieden hatte, der Haftpflichtver könne sich wegen einer vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Vmer nicht auf seine Leistungsfreiheit berufen, wenn der Verstoß seine Interessen nicht in ernster Weise gefährdet habe, beanspruchte diese (neue) Auslegung der Vorschrift des § 6 III uneingeschränkte Geltung für die Rechtsanwendung. Denn die Auslegung der zugunsten des Vmers zwingenden (§ 15 a) Regelung des § 6 kann in ihrer als richtig erkannten Form nicht auf die Abwicklung künftiger Schadensfälle begrenzt werden. Dem entspricht es, daß BGH 22. XII. 1976 VersR 1977 S. 272275 diese Auslegung auch auf Vsfälle bezieht, die vor dem 1. I. 1975 noch nicht abgewickelt waren. Die der neuen Auslegung angepaßte Fassung von § 7 V. AKB stellte nur eine deklaratorisch wirkende Anpassung des Bedingungswerkes an die zwingende Vorschrift des § 6 dar. Das übersieht OLG Karlsruhe 16. IX. 1976 VersR 1977 S. 247. Vgl. auch Anm. A 43. - Dieser Vorgang ist für die Kraftfahrt-Unfallv 144

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 34

nicht unmittelbar bedeutsam, weil sich die Rechtsprechung und ihr folgend die Änderung von § 7 V. AKB auf die Haftpflicht beschränken. Die von BGH 20. XII. 1972 VersR 1973 S. 174—176 ausgesprochene Erstreckung dieser Grundsätze auf die Kaskov hat sich nicht durchgesetzt. [C 32] d) Restfälle Wegen Änderungen des Vertragsinhalts, die sich kraft Gesetzes ergeben, von der Aufsichtsbehörde kraft Verwaltungsaktes mit Wirkung für bestehende Vsverhältnisse angeordnet werden können, sich aus der Satzungsänderung eines Gegenseitigkeitsvereines ergeben oder kraft einseitiger Willenserklärung des Vers oder Vmers eintreten, ist auf Bruck-Möller § 1 Anm. 113—119 zu verweisen. Für die private Unfallv sind diese Möglichkeiten ohne besondere praktische Bedeutung. Die Rechtsprechung zur Unfallv hat sich mit ihr nicht in grundlegender Weise befaßt. Auf die Darstellung von Bruck-Möller a.a.O. ist auch für den derzeitigen Stand, soweit es nicht um die Neuregelung des § 9a AKB geht, ohne Einschränkung zu verweisen. Zur Vertragsänderung bei der Unfallv mit variabler Prämie und Vsleistung vgl. Anm. E 10. [C 33] 8. Ruhen des Vertrages a) Allgemeines Ein Vsvertrag kann durch Vereinbarung der Parteien in seinem Inhalt mit der Wirkung verändert werden, daß die aus ihm sich ergebenden Rechte und Pflichten vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. Eine solche Vertragsänderung ist angezeigt für die Fälle „zeitlicher partieller Interessemängel" (vgl. Sieg Bd II § 68 Anm. 101). Demgemäß spricht man vom Ruhen des Vsvertrages, wenn trotz seines formellen Fortbestandes vereinbarungsgemäß weder der Ver noch der Vmer Leistungen zu erbringen haben, Bruck-Möller § 2 Anm. 10, Starke VW 1949 S. 345-356 und Wriede Anm. C 22 S. 67 Vereinbarungen über das Ruhen des Vsvertrages kommen im Bereich der Personenv insbesondere in der Lebensv, der PKV (hierzu Wriede a.a.O.) und in der Unfallv vor. Für die Allgemeine Unfallv ist ein Fall des Ruhens in § 4 (5) AUB, für die Kraftfahrtv in § 5 (1) und (3) AKB geregelt. Diese Fälle vorübergehenden Fortfalls des Interesses sind nicht bereits durch § 68 II und III erfaßt. Zwar scheitert die Anwendung dieser Vorschrift nicht daran, daß es in der Personenv kein vtes Interesse gibt. Insoweit ist der Begriff des vten Interesses in § 68 weiter zu fassen, als er nach der Interesselehre für die Aktivenv verwendet wird (Sieg Bd II § 68 Anm. 14—15 und oben Anm. Β 14—16). Indessen gilt die Regelung des § 68 II und III nicht für die Fälle vorübergehenden Interessefortfalls. Hierfür ist auf die Begründung von Sieg Bd II § 68 Anm. 101 zu verweisen. [C 34] bb) Ruhen des Vertrages in der Allgemeinen Unfallversicherung aaa) Voraussetzungen Das Ruhen des Vsvertrages setzt zunächst voraus, daß der Vte nach Vertragsschluß den Dienst in einer militärischen oder militärähnlichen Formation aufnimmt. Die AUB werten diesen Vorgang für Friedenszeiten als einen Unterfall der Gefahrerhöhung durch Änderung der Berufstätigkeit (vgl. Wussow AUB4 § 4 Anm. 20, Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 23). Zum Ruhen des Vertrages führt der Dienst in einer militärischen oder militärähnlichen Formation nur unter der weiteren Voraussetzung, daß diese im Dienste eines Landes steht, das sich im Kriegszustand befindet, oder daß die Formation einschließlich des Vten in kriegsmäßigen Einsatz gestellt wird. Dieser Zusammenhang wird in § 4 (5)b AUB im Eingangssatz in der Darstellung so verkürzt, daß er nicht bei erstem Lesen verständlich wird. 10

B r u c k - M ö l l e r , W G . 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. C 34

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

Der Begriff der m i l i t ä r i s c h e n F o r m a t i o n schließt in der Formulierung an § 3 (2) AUB in der bis 1961 geltenden Fassung an. Dort heißt es: „Ausgeschlossen von der Versicherung sind: 2) Unfälle eines Angehörigen der Wehrmacht oder einer ähnlichen Formation irgendeines Staates, auch bei Reserveübungen, ausgenommen Polizei-, Zollund Grenzschutz." Eine militärische Formation im Sinne des § 4 (5)b AUB n.F. ist die Wehrmacht eines beliebigen Staates, in Deutschland also der Bundeswehr (Wussow AUB 4 § 4 Anm. 20). Eine (militär-)ähnliche Formation ist eine truppenartige Organisation, die primär zu dem Zweck gebildet wird, unter bestimmten Voraussetzungen einen Konflikt mit Waffengewalt zu lösen. Durch diese Zweckbestimmung wird die militärähnliche Formation von Polizeikräften abgegrenzt. Zwar verwirklichen auch diese notfalls ihr Ziel mit Waffengewalt. Dies entspricht aber nicht ihrer primären Zwecksetzung; ihr stehen für den Schutz von Sicherheit und Ordnung eine Reihe von Möglichkeiten zu Gebote, von denen unmittelbarer Zwang nur das äußerste Mittel darstellt. Entsprechendes gilt für Zollformationen, auch wenn diese, etwa zum Zwecke der Bekämpfung des Bandenschmuggels, zu truppenartiger Stärke zusammengestellt werden. Dagegen wird der Bundesgrenzschutz nach Auffassung der Ver in Deutschland zu den militärähnlichen Formationen gezählt, Wussow AUB 4 § 4 Anm. 21, Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 23. Illegale Organisationen wie „Befreiungsbewegungen" oder Vereinigungen von Anarchisten sind nicht militärähnliche Formationen in diesem Sinne. Zwar ist ihre Tätigkeit oftmals primär auf gewaltsame Auseinandersetzung mit Polizei oder Militär gerichtet. Der hergebrachte Begriff des Militärischen umfaßt jedoch nur legale Organisationsformen. Wer als Mitglied einer illegalen Vereinigung einen Unfall erleidet, genießt gemäß § 3 (2) AUB keinen Vsschutz. Weitere Voraussetzungen für das Ruhen des Unfallvsvertrages ist, daß Krieg herrscht oder daß sich der Vte in kriegsmäßigem Einsatz befindet. Gehört der Vte einer militärischen oder ähnlichen Formation im Dienste eines Landes an, das sich im Kriegszustand befindet, so wird der Vsvertrag „unterbrochen". Dabei ist Krieg als tatsächlicher Zustand aufzufassen. Es kommt darauf an, ob tatsächlich eine bewaffnete Auseinandersetzung geführt wird oder unmittelbar bevorsteht. Nicht erforderlich ist eine formelle Kriegserklärung oder sonstige Anerkennung eines Kriegszustandes nach völkerrechtlichen Maßstäben. Der Truppenteil, dem der Vte angehört, braucht an dieser Auseinandersetzung nicht teilzunehmen. Das Ruhen des Vertrages rechtfertigt sich aus der Situation erhöhter Gefahr, der der Vte als Angehöriger der zu Kampf bestimmten Truppe in besonderem Maße ausgesetzt ist. Demgegenüber hat die Alternative „kriegsmäßiger Einsatz" eigenständige Bedeutung, wenn dieser Einsatz nicht im Dienste eines Landes geschieht, das sich im vorgenannten Sinne im Kriege befindet. Das ist z. B. der Fall, wenn Teile der Wehrmacht eines Landes zur Abwehr einer von außen kommenden Gefahr, die nicht durch die Kriegsführung eines anderen Landes bedingt sein darf, eingesetzt werden (vgl. Wussow AUB 4 § 4 Anm. 25). Dabei kann die Abgrenzung kriegsmäßigen Einsatzes von polizeilicher Tätigkeit schwierig sein: Durch die Bekämpfung innerer Unruhen kann die Grenze zum Bürgerkrieg überschritten werden. Wann das der Fall ist, entscheidet die Verkehrsauffassung. Wird diese Grenze überschritten, so liegt kriegsmäßiger Einsatz im Sinne des § 4 (5)b AUB vor. 146

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I. Abschluß des Unfallversicherungsvertrages

Anni. C 35

[C 35] bbb) Wirkungen Nach der Ausdrucksweise des § 4 (5)b AUB werden Vsschutz und Beitragspflicht unterbrochen. Damit ist ein „Ruhen des Vsvertrages" in dem hier erörterten Sinn gemeint (vgl. Wussow AUB 4 § 4 Anm. 26 S. 128). Die AUB beschränken sich indes auf die Feststellung, daß der Ver nicht mehr Gefahrtragung, der Vmer nicht mehr die Prämienzahlung schuldet. Die h. M. geht von der Konstruktion eines Erlaßvertrages im Hinblick auf die beiderseits geschuldeten Leistungen aus (vgl. Bruck-Möller § 2 Anm. 10 und eingehend Wriede Anm. C 22, S. 68-70). Aus dem Text der AUB ergibt sich nicht, ob nach Beendigung der Unterbrechung der Unterbrechungszeitraum auf die Vertragsdauer angerechnet oder ob die Vertragsdauer um die Zeit der Unterbrechung verlängert wird. Hieraus ergeben sich Folgerungen für das Kündigungsrecht des Vmers und die Art der Prämienberechnung. Beispiel: Der Vmer hat am 1. III. 1975 eine Unfallv auf die Dauer von fünf Jahren genommen. In der Zeit vom 1. XI. 1975 bis zum 31. I. 1976 befindet er sich in kriegsmäßigem Einsatz im Sinne des § 4 (5)b AUB. Wirkt sich die Unterbrechungszeit für die Vertragsdauer nicht aus, so hat der Vmer die Kündigungsfrist (§ 7 II. S. 3 AUB) versäumt. Er kann den Vertrag erst wieder zum 29. II. 1976 kündigen. Die erste Folgeprämie wäre am 1. III. 1976 fällig. Auf sie wäre der durch die Unterbrechung ersparte Teil der Erstprämie anzurechnen (§ 4 (5)b S. 2 AUB). — Würde sich dagegen die Vertragsdauer um die Unterbrechungszeit verlängern, so würde das erste Vsjahr am 30. VI. 1976 enden. Der Vmer könnte sein Kündigungsrecht noch bis zum 31. III. 1976 ausüben. Die Prämie für das zweite Vsjahr wäre am 1. VII. 1976 fällig. Die vorstehend aufgeworfene Frage ist nicht mit Erwägungen darüber zu beantworten, ob das Ruhen des Vertrages eine Stundung der Vertragspflichten oder ihren partiellen Erlaß zum Inhalt hat. Die Frage nach der juristischen Konstruktion der Ruhensvereinbarung beantwortet sich danach, welchen Inhalt § 4 (5) AUB hat. Darüber entscheidet die Auslegung dieser Vorschrift. Für diese Auslegung bietet der Bedingungstext wenig Anhaltspunkte. Aus § 4 (5)b S. 2 AUB folgt nur, daß die auf die Unterbrechungszeit gezahlten Prämien (Beiträge) angerechnet oder zurückgezahlt werden. Diese Bestimmung ist mit beiden vorgenannten Lösungsmöglichkeiten in gleicher Weise vereinbar. Denn sie besagt — für sich gesehen - nicht mehr, als daß die für den Unterbrechungszeitraum gezahlte Prämie nicht geschuldet wird. Demgegenüber ist der Umstand, daß die Parteien bei Vertragsschluß eine bestimmte Vertragsdauer vereinbart haben, ein durch die Unterbrechung nicht entkräftetes Indiz dafür, daß diese Vertragsdauer auch jetzt noch gewollt ist. Diese Erwägung spricht eher gegen eine Verlängerung der Vertragsdauer um die Unterbrechungszeit. Die Regelung des § 4 (5)b AUB ist insoweit unvollständig. Das wird besonders deutlich im Vergleich zu § 5 (5) AKB. Dort ist bestimmt, daß sich der Vsvertrag um die Dauer der Stillegung des Fahrzeuges verlängert. Nach § 4 (5)b S. 3 AUB lebt der Vsschutz erst dann wieder auf, wenn der Vmer den Fortfall der Voraussetzungen für das Ruhen des Vertrages angezeigt hat. Er hat also den Zeitpunkt des Wiederauflebens des Vertrages in der Hand. Es mag dahinstehen, ob diese Anzeige als Obliegenheit im Sinne des § 6 anzusehen ist. Denn unter den in § 15 I. AUB aufgezählten Obliegenheiten vor Eintritt eines Unfalles ist diese Anzeige nicht genannt. Das Unterlassen dieser Anzeige bleibt álso ohne Sanktion. Folgerichtig verneint Wussow AUB 4 § 4 Anm. 26 S. 129 eine Verpflichtung des Vmers, diese Anzeige zu erstatten. Daraus ergibt sich die tatsächliche Möglichkeit des Vmers, den Vertrag endgültig außer Kraft io·

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C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

zu setzen. Diese Möglichkeit ist jedoch mit der Gefahr belastet, daß der Vmer die überzahlte Prämie nicht zurückerhält. Nach § 4 (5)b Satz 2 AUB wird der Prämienanteil nur zurückerstattet, falls das Vsverhältnis vorzeitig beendet wird. Daß das bloße Unterlassen der Anzeige, die das Ruhen des Vertrages beenden würde, keine Beendigung des Vsvertrages herbeiführt, folgt (e contrario) aus der Regelung des § 7 AUB. Hiernach könnte der Ver den überzahlten Teil der Prämie zurückhalten, solange der Vertrag nicht beendet worden ist. Diese Gestaltung spricht dafür, eine Verlängerung des Vertrages um die jeweilige Unterbrechungszeit anzunehmen. Der Vmer behält dann die Möglichkeit, fristgemäß zu kündigen und hierdurch auch die Voraussetzungen für die Rückzahlung der Prämie zu schaffen. [C 36] cc) Ruhen des Kraftfahrt-UnfaJlverskherungsvertrages aaa) Vorausetzungen Das Ruhen des Vertrages setzt gemäß § 5 (1) AKB voraus, daß das Fahrzeug „vorübergehend aus dem Verkehr gezogen" wird. Das geschieht durch Stillegung im Sinne des Straßenverkehrsrechts (§ 27 StVZO), d. h. durch Ablieferung des Kraftfahrzeugscheines, Entstempelung des amtlichen Kennzeichens und Vermerk im Kraftfahrzeugbrief. Nach Erfüllung dieser Voraussetzungen „kann der Vmer Unterbrechung des Vsschutzes verlangen", wenn er eine Abmeldebescheinigung der Zulassungsstelle vorlegt und die Stillegung mindestens ein Monat beträgt (§ 5 (1) S. 2 AKB). Dieses „Verlangen" des Vmers ist eine einseitige Gestaltungserklärung, mit deren Eingang beim Ver in der Kraftfahrt-Unfallv, soweit sie sich auf ein bestimmtes Fahrzeug bezieht, die Unterbrechung herbeigeführt wird. Denn in der Kraftfahrt-Unfallv wird während der Zeit der Stillegung kein Vsschutz gewährt (§ 5 (3) AKB). Die Unterbrechung der Unfallv geht in eine Vertragsbeendigung über, wenn das Ende der Stillegung dem Ver nicht innerhalb eines Jahres seit der behördlichen Abmeldung angezeigt worden ist und sich der Ver innerhalb dieser Frist nicht dem Vmer oder einem anderen Ver gegenüber auf den Fortbestand des Vertrages berufen hat. Das Gleiche gilt, wenn das Fahrzeug nicht innerhalb eines Jahres seit der Stillegung wieder zum Verkehr angemeldet wird (§ 5 (6) S. 1 und 2 AKB). [C 37] bbb) Wirkungen Die Unterbrechung des Vsschutzes nach Maßgabe des § 5 (1) und (3) AKB ist ein Ruhen des Vsvertrages in dem hier erörterten Sinne (Stiefel-Wussow-Hofmann AKB § 5 Anm. 1—3) Das Ruhen wird jedoch nicht erst durch Anzeige des Vmers an den Ver (§ 5 (4) Satz 3 AKB), sondern durch Anmeldung des Fahrzeuges zum Verkehr, und zwar bereits für Fahrten im Zusammenhang mit der Abstempelung des Kennzeichens (§ 5 (4) S. 1 und 2 AKB) beendet. Der Vsvertrag verlängert sich um die Dauer der Stillegung (§ 5 (5) AKB).

II. Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages [C 38] 1. Vorbemerkung Die für die private Unfallv vorwiegend verwendeten AVB enthalten keine Bestimmungen, in denen von der Regelung der §§ 3 - 5 abgewichen wird. Da der Unfallvsvertrag insoweit keine Besonderheiten aufweist, ist in erster Linie auf die Kommentierung in Bruck-Möller zu §§ 3—5 zu verweisen. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich deshalb auf einen Uberblick über die Rechtsfragen, die sich aus der Verbriefung eines Unfallvsvertrages ergeben können. Rechtsprechung und Schrifttum 148

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II. Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 40

aus neuerer Zeit werden, soweit für die Unfallv bedeutsam oder von grundsätzlichem Interesse, berücksichtigt werden. Auf die Kommentierung von Wriede Bd VI Anm. zu C wird auch hier durchgehend Bezug genommen. [C 39] 2. Bedeutung des Versicherungsscheines Nach der Legaldefinition des § 3 I ist der Vsschein eine vom Ver unterzeichnete Urkunde über den Vsvertrag. Diese Funktion erfüllt der Vsschein nur, wenn er über alle Vertragspunkte, nicht nur über die Essentialia, Auskunft gibt (Bruck-Möller § 3 Anm. 12). In der Unfallv sind also anzugeben die vertragsschließenden Parteien, gegebenenfalls die Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17), die vte Gefahr, Art und Höhe der Entschädigungsleistung und die vom Vmer zu zahlende Prämie. Soweit der Vertragsinhalt sich aus genehmigten AVB ergibt, brauchen diese allerdings nicht in den Vsschein aufgenommen zu werden. Es genügt eine Verweisung. Auch die Aushändigung an den Vmer ist nicht erforderlich. Sie ist in der allgemeinen Unfallv üblich, in der Kraftfahrt-Unfallv wird der Text der AKB nur auf Wunsch des Vmers ausgehändigt. Sonderformen des Vsscheins sind Block- oder Kuponpolicen, die den Inhalt des Vsscheines weitgehend standardisieren und in der Unfallv insbesondere für die Reiseunfallv bedeutsam sind (Bruck-Möller § 3 Anm. 10). Nicht zu den Vsscheinen gehören: Der in der Gruppenv gebräuchliche Vsausweis, der dem Vten zur Information über den Umfang seines Vsschutzes ausgehändigt wird — während der Vmer den Vsschein erhält — ; ein solcher Vsausweis kam auch bei der früheren Abonnenten-Unfallfremdv für fremde Rechnung vor (Bruck-Möller § 3 Anm. 4), und die in der Kraftfahrtv zum Zwecke der Zulassung eines Fahrzeuges notwendige Vsbestätigung gemäß § 29 b StVZO, die auch für den Abschluß eines Kraftfahrt-Unfallvsvertrages Bedeutung erlangen kann (Anm. C 24—28). Zur Abgrenzung des Vsscheines von anderen Urkunden vgl. im übrigen Bruck-Möller § 3 Anm. 3 - 9 . Als Vertragsurkunde dient der Vsschein dem Beweise dafür, daß und mit welchem Inhalt ein Vsvertrag abgeschlossen worden ist. Er begründet die widerlegbare Vermutung dafür, daß der Vertragsinhalt in ihm vollständig und richtig wiedergegeben ist (Bruck-Möller § 3 Anm. 25—26). Der Vsschein ist auch Schuldschein im Sinne des § 3 7 1 BGB. Der Ver kann zum Zwecke der Leistung Vorlage und nach formellem Ende der Unfallv auch Rückgabe des Vsscheines verlangen (Einzelheiten bei BruckMöller § 4 Anm. 3—6). Wertpapier in dem Sinne, daß das Forderungsrecht gegen den Ver dem Eigentum am Vsschein folgt, ist der Vsschein in der privaten Unfallv nicht. [C 40] 3. Anspruch auf Ausstellung des Versicherungsscheines Nach formellem Zustandekommen des Vsvertrages hat der Vmer einen Anspruch auf Aushändigung eines Vsscheines ( § 3 1 1 ) . Diesen Anspruch kann der Vmer notfalls im Wege der Klage durchsetzen. Diese Pflicht des Vers ergibt sich aus dem Gesetz, sie beruht jedoch auf dem vorher zustandegekommenen Vertrag und steht als Pflicht des Vers neben der Verpflichtung zur Gefahrtragung (Bruck-Möller § 3 Anm. 14). Verzögert der Ver die Aushändigung des Vsscheines, so kann er dem Vmer aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§ 286 BGB) schadensersatzpflichtig werden. Die Rechte aus §§ 320-326 BGB stehen dem Vmer indes nicht zu: Die Pflicht des Vers zur Aushändigung des Vsscheines steht außerhalb des Gegenseitigkeitsverhältnisses. Zur Zahlung der Erstprämie ist der Vmer nur gegen Aushändigung des Vsscheines verpflichtet (§ 35 S. 2). Wagner

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Anm. C 43

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

[C 41] 4. Bedeutung im Rahmen des Vertragssdüusses Nach der der Regelung des § 3 I zugrundeliegenden Vorstellung folgt die Aushändigung des Vsscheines dem formellen Vertragsschluß nach. Der Praxis entspricht dies nicht. Regelmäßig kommt der Aushändigung des Vsscheines unmittelbare Bedeutung für das Zustandekommen des Vertrages zu, BGH 1. X. 1975 VersR 1975 S. 1091 = NJW 1976 S. 290, vgl. auch Anm. C 18. In der Mehrzahl der Fälle erklärt der Ver durch Übersendung des Vsscheines an den Vmer (Antragsteller), daß er dessen Offerte annehme. Diese Bedeutung hat die Übersendung (und Zugang) des Vsscheines jedoch nur, wenn der Vsschein dem Antragsteller innerhalb der für die Wirksamkeit des Antrages maßgeblichen Frist (§§ 146, 147 BGB) zugeht. Eine hiernach verspätete Annahme gilt gemäß § 150 I BGB als neuer Antrag. Dieser wird vom Vmer regelmäßig durch Zahlung der Erstprämie angenommen (Einzelheiten Anm. C 18 und Bruck-Möller § 3 Anm. 19). Nach § 150 II. BGB ist eine solche „Annahme" des Antrags des Vmers auch dann als neue Offerte des Vers anzusehen, wenn der Inhalt des dem Vmer übersandten Vsscheines inhaltlich von dessen Antrag abweicht. Auch hier kann der Vmer den neuen Antrag des Vers konkludent, d. h. regelmäßig durch Zahlung der Erstprämie, annehmen. Die Regelung des § 150 II BGB wird jedoch unter den in § 5 genannten Voraussetzungen modifiziert (Anm. C 42—46). [C 42] 5. Billigungsklausel a) Allgemeines Funktion und Wirkung des Vsscheines als Beweisurkunde sind nur insoweit gerechtfertigt, als sein Inhalt dem tatsächlichen Vereinbarten entspricht. Die Regelung des § 5 ist einmal aus dem Bestreben des Gesetzes zu verstehen, diese Ordnungsfunktion des Vsscheines sicherzustellen. Zum anderen muß dabei auf die schutzwürdigen Belange des oftmals nicht geschäftserfahrenen und aufmerksamen Vmers Rücksicht genommen werden, der vor den Wirkungen eines Vsscheines geschützt werden muß, dessen Inhalt zu seinem Nachteil vom Vereinbarten abweicht. Die Regelung des § 5 entspricht diesem Bestreben: Nach § 5 I ist der Inhalt des Vsscheines grundsätzlich auch dann Vertragsinhalt, wenn er vom Antrag des Vmers oder den getroffenen Vereinbarungen abweicht, wenn dies vom Vmer widerspruchslos hingenommen wird. Diese konstitutive Wirkung des Vsscheines setzt jedoch voraus, daß der Vmer auf diese Folge gebührend hingewiesen und vor ihr gewarnt wird (§ 5 II und III). Diese Regelung bedeutet: Ist vor Ausstellung und Aushändigung des Vsscheines ein Vsvertrag zustandegekommen, so hat die Entgegennahme des Vsscheines mit abweichendem Inhalt unter den Voraussetzungen des § 5 I und II die Wirkung einer Vertragsänderung. Übersendet dagegen der Ver dem Antragsteller einen inhaltlich vom Antrag abweichenden Vsschein, so ist dieser Vorgang entsprechend § 150 II als neuer Antrag aufzufassen. Die Genehmigungsfiktion nach § 5 I führt jedoch — unter den Voraussetzungen des § 5 II - dazu, daß dieser Antrag durch Unterlassen (des Widerspruchs), also durch Schweigen des Vmers als angenommen gewertet wird. Das ist keine Annahme durch den Vmer nach Maßgabe des § 151 BGB. Es wird weder eine Annahmeerklärung des Vmers noch deren Zugang oder Verzicht auf den Zugang vorausgesetzt. Und schließlich bezieht sich die Wirkung des Schweigens des Vmers auf den Zeitpunkt des Zugangs des Vsscheines. Das Schweigen äußert also Rückwirkung. [C 43] b) Tatbestand des § 5 W G Dem Vmer bzw. Antragsteller muß ein Vsschein ausgehändigt worden sein. Zum Vsschein im Sinne des § 5 I gehört nicht nur die als „Versicherungsschein" überschriebene Urkunde selbst, sondern dazu gehören auch gegebenenfalls die gleichzeitig 150

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II. Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. C 44

übergebenen weiteren Urkunden, die für den Vertragsinhalt von Bedeutung sein können (Wriede Anm. C 30, S. 75). Der hieraus zu ermittelnde Inhalt des Vsscheines muß vom Vertragsinhalt, falls der Vertrag bereits vorher abgeschlossen worden ist, oder, falls der Antrag des Vmers durch Aushändigung des Scheines angenommen werden soll, von diesem abweichen. Dabei ist als Inhalt des Antrages auch eine etwa mündlich geäußerte und als Teil des Antrages wirksame (Neben-)Erklärung des Vmers anzusehen (vgl. Anm. C 13). Als Abweichung in diesem Sinne kommt nach dem Wortlaut des § 5 jede Divergenz zwischen Vereinbarung oder Antrag einerseits und Inhalt des Vsscheines andererseits in Betracht. Es wird nicht danach unterschieden, ob die Abweichung dem Vmer ungünstig oder günstig ist. Eine solche Unterscheidung ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu treffen. Sie würde dem Zweck der Regelung des § 5 widersprechen. Dieser geht in erster Linie dahin, die Funktion des Vsscheines als Beweisurkunde für den Inhalt des Vertrages zu sichern. Dieser Klarstellungszweck wird innerhalb der Regelung des § 5 nur insoweit eingeschränkt, als schutzwürdige Interessen des Vmers entgegenstehen. Soweit dies nicht der Fall ist, tritt allein die Klarstellungsfunktion des Vsscheines in den Vordergrund; wie hier Wriede Anm. C 30, S. 76 m.N.; anders Bruck-Möller § 5 Anm. 9; Ehrenzweig S. 72-73; Prölss-Martin21 § 5 Anm. 2. Die Genehmigungsfiktion setzt weiter voraus, daß der Ver den Vmer „bei Aushändigung des Versicherungsscheins" darauf hinweist, daß Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Vmer nicht innerhalb eines Monat nach Empfang des Vsscheines schriftlich widerspricht. Dieser Hinweis muß also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorgang der Übergabe des Vsscheines stehen, vgl. OLG Celle 19. VI. 1952 VersR 1952 S. 283. Dieser Hinweis muß durch eine gesonderte, nicht im Vsschein selbst enthaltene schriftliche Mitteilung oder auch durch einen auffälligen Vermerk im Vsschein selbst gegeben werden. Neben diesem allgemeinen Hinweis ist gemäß § 5 II 2 2. Halbs, ein besonderer Hinweis auf jede einzelne Abweichung erforderlich. Diese Erfordernisse sind zugunsten des Vmers gemäß § 15 a zwingend vorgeschrieben. Die Genehmigungsfiktion setzt schließlich voraus, daß der Vmer nicht binnen Monatsfrist nach Empfang des Vsscheines schriftlich widersprochen hat. Die Frist beginnt, wenn der Vmer oder ein hierzu bestellter Vertreter tatsächlich in die Lage versetzt worden ist, von dem Inhalt des Vsscheines und der entsprechenden Hinweise Kenntnis zu nehmen (Wriede Anm. C 30, S. 77). Der Widerspruch muß schriftlich erklärt werden, er muß dem Ver innerhalb der Monatsfrist zugegangen sein. In der allgemeinen Unfallv muß die Erklärung gemäß § 18 AUB an den Vorstand des Vers oder an die im Vsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle gerichtet werden. Agenten sind zur Entgegennahme einer solchen Erklärung nicht bevollmächtigt. Entsprechendes gilt nach § 9 AKB für die KraftfahrtUnfallv. [C 44] c) Sonderfall: Antragsnebenerklärung Gibt der Antragsteller gegenüber dem Agenten neben seinem schriftlich abgefaßten Antrag mündlich eine Erklärung ab, die den Antrag inhaltlich modifiziert, insbesondere erweitert (vgl. Anm. C 13) und gibt der Agent die mündliche Zusatzerklärung des Antragstellers nicht an den Ver weiter, so ist dieser aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, seiner Hinweisobliegenheit gemäß § 5 II nachzukommen. In einem solchen Falle bestimmt sich der Inhalt des Vertrages nicht aus dem Inhalt des Vsscheines, sondern aus der Antragserklärung des Vmers, deren Inhalt aus mündlicher und schriftlicher Erklärung besteht. Die Genehmigungsfiktion nach § 5 I wird nicht wirksam. Nur diese Lösung entspricht der Risikoverteilung, wie sie der Gesetzgeber insbesondere in Wagner

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Anm. C 46

C. Abschluß und Verbriefung des Unfallversicherungsvertrages

§ 43 Ziff. 1 gestaltet hat. Hiernach trägt der Ver die Risiken, die sich aus nachlässigem oder arglistigem Verhalten seines Agenten ergeben. Der durch § 43 Ziff. 1 dem Kontrahenten eines mit Hilfe eines Agenten arbeitenden Vers gewährte Schutz würde gegenstandslos, wenn der Vmer als Antragsteller das Risiko für die korrekte Übermittlung seines Antrages durch den Agenten tragen müßte, so überzeugend Groh S. 29-30, ihm folgend Wriede Anm. C 30, S. 76. [C 45] d) Wirkungen aa) bei Widerspruch des Versicherungsnehmers Widerspricht der Vmer dem Inhalt des ihm zugegangenen Vsscheines, so äußert dieser, sofern er vom Vereinbarten abweicht, keine Wirkung. Der Ver hat die ihm gemäß § 3 I obliegende Pflicht nicht erfüllt: Er ist verpflichtet, dem Vmer einen dem Vertragsinhalt entsprechenden neuen Vsschein auszustellen. War dagegen vor Übersendung des Vsscheines — wie regelmäßig — ein Vertrag noch nicht zustandegekommen, so liegt in der Übersendung des vom Antrag des Antragstellers abweichenden Vsscheines ein neues Angebot des Vers gemäß § 150 II BGB. Dieses Angebot lehnt der Antragsteller durch seinen Widerspruch ab. Antrag und Annahme müssen in diesem Falle wiederholt werden. [C 46] bb) bei unterlassenem Widerspruch Widerspricht der Antragsteller dem Inhalt eines Vsscheines nicht, der ihm als Annahme seines Antrages zugeht, so hängt die Wirkung seines Schweigens davon ab, ob der Ver seiner Hinweislast gemäß § 5 II genügt hat. Hat der Ver in der hiernach erforderlichen Weise auf die Änderung hingewiesen, so wird der Vertrag nach Maßgabe des Inhalts des Vsscheines mit Ablauf der Monatsfrist wirksam. Der formelle Vertragsschiuß wird in diesem Falle auf den Zeitpunkt des Zugangs des (abweichenden) Vsscheines zurückbezogen. Hat dagegen der Ver seiner Hinweislast nicht genügt, so ist für den Vertragsinhalt der Antrag des Vmers maßgebend. Da er im Regelfalle schriftlich gestellt wird, fällt es dem Vmer nicht schwer, den aus seinem Antrag sich ergebenden Vertragsinhalt zu beweisen.

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D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages Gliederung:

Schrifttum D 1 I. Vorbemerkung Anm. D 2 II. Beginn der Unfallv Anm. D 3 - D 12 1. Begriffsverwendung Anm. D 3 2. Materieller Vsbeginn Anm. D 4 - 1 2 a) Allgemeines Anm. D 4 b) Einlösungsprinzip in der Allgemeinen Unfallv Anm. D 5 c) Gefahrtragung vor Zahlung der Erstprämie Anm. D 6 - 1 2 aa) Vorläufige Deckungszusage Anm. D 6 bb) Rückwärtsv Anm. D 7 cc) Unechte Rückwärtsv Anm. D 8 dd) Erweiterte Einlösungsklausel Anm. D 9 - 1 2 aaa) Bedeutung Anm. D 9 bbb) Tatbestand des § 7 I. S. 2 AUB Anm. D 1 0 - 1 2 aaaa) Festsetzung eines Zeitpunktes Anm. D 10 bbbb) Anforderung der Erstprämie Anm. D 11 cccc) Unverzügliche Zahlung Anm. D 12 III. Beendigung des Unfallvsvertrages Anm. D 1 3 - 4 9 1. Vorbemerkung Anm. D 1 3 - 1 8 a) Begriffsverwendung Anm. D 13 b) Rechtsquellen Anm. D 14 Wagner

c) Sonderproblem: Gedehnter Vsfall und materielles Vsende Anm. D 1 5 - 1 8 aa) Problemstellung Anm. D 15 bb) Gedehntes Unfallereignis Anm. D 16 cc) Zeitliche Trennung von Unfallereignis und Unfallfolgen Anm. D 17 dd) Zeitlich gedehnte Unfallfolgen Anm. D 18 2. Beendigung durch Zeitablauf Anm. D 1 9 - 2 0 a) Allgemeines Anm. D 19 b) Verlängerungsklausel Anm. D 20 3. Beendigung des Unfallvsvertrages durch Veränderung der Verhältnisse des Vten Anm. D 2 1 - 2 5 a) Allgemeines Anm. D 21 b) Kein vsrechtliches „Veränderungsverbot" Anm. D 22 c) Nachträgliche Vsunfähigkeit Anm. D 23 d) Tod der Gefahrsperson Anm. D 24 e) Restfälle Anm. D 25 4. Anfechtung des Unfallvsvertrages Anm. D 2 6 - 2 8 a) Allgemeines Anm. D 26 b) Arglistige Täuschung durch den Vmer Anm. D 27 c) Rechtsfolgen der Anfechtung durch den Ver Anm. D 28 5. Rücktritt vom Unfallvsvertrag Anm. D 2 9 - 3 0 a) Allgemeines Anm. D 29 b) Wirkungen Anm. D 30

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D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 3 6. Kündigung Anm. D 3 1 - 4 1 a) Allgemeines Anm. D 31 b) Form Anm. D 32 c) Frist Anm. D 33 d) Kündigungsrechte des Vmers Anm. D 3 4 - 4 1 aa) Ordentliche Kündigung Anm. D 34 bb) Außerordentliche Kündigung Anm. D 3 5 - 4 1 aaa) Begriff Anm. D 35 bbb) Zahlung einer Entschädigung Anm. D 36 ccc) Klageerhebung wegen des Entschädigungsanspruchs Anm. D 37 ddd) Antrag auf Entscheidung Äizteausschusses Anm. D 38 eee) Mißbrauch des Kündigungsrechts Anm. D 39 fff) Wirkung und Befristung der Kündigung des Vmers Anm. D 40

ggg) Kündigung aus wichtigem Grunde in anderen Fällen Anm. D 41 e) Kündigungsrechte des Vers Anm. D 4 2 - 4 4 aa) Ordentliche Kündigung Anm. D 42 bb) Außerordentliche Kündigung Anm. D 4 3 - 4 4 aaa) Überblick Anm. D 43 bbb) Frist und Wirkung Anm. D 44 f) Rechtswirkung einer nicht fristgemäß erklärten Kündigung Anm. D 45 g) Nachträgliches Unwirksamwerden einer zunächst wirksamen Kündigung Anm. D 4 6 - 4 7 aa) Unwirksamwerden kraft Gesetzes Anm. D 46 bb) Vertragliche Aufhebung der Kündigungswirkung Anm. D 47 7. Konkurrenz gründe Anm. D 48

mehrerer

Beendigungs-

[ D l ] Schrifttum: Bach VersR 1977 S. 881-888, Grewing VersR 1968 S. 238-239, Josef LZ 1910 Sp. 285-287, Prölss VersR 1963 S. 893 Surminski NJW 1972 S. 343-344, Weber VersR 1951 S. 162.

[ D 2 ] I. Vorbemerkung Die nachfolgende Darstellung über Beginn und Ende der Unfallv beschränkt sich auf deren Besonderheiten. Diese ergeben sich indes nur teilweise aus den AUB. Die Notwendigkeit, auf das W G und allgemeine vsrechtliche Grundsätze zurückzugreifen (Anm. A 38—39), wird hier besonders deutlich. Der Aufbau der Kommentierung lehnt sich auch hier an die Darstellung von Wriede Bd VI an. Auf seine Ausführungen zu D wird durchgehend Bezug genommen. [D 3] Π. Beginn der Unfallversicherung 1. Begriffsverwendung Für den Beginn der V haben sich drei Begriffe herausgebildet, die das Anfangsstadium eines Vsvertrages in einem jeweils besonderen funktionalen Zusammenhang bezeichnen, vgl. Bruck-Möller § 2 Anm. 3, Wriede Anm. D 3, RG 25. VI. 1932 JW 1933 S. 761 und Wussow AUB 4 § 7 Anm. 1. Danach bezeichnet der f o r m e l l e V s b e g i n n den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages, der m a t e r i e l l e V s b e g i n n den Zeitpunkt der Übernahme der Gefahrtragung durch den Ver und der 154

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Anm. D 5

II. Beginn der Unfallversicherung

t e c h n i s c h e Vsbeginn den Beginn desjenigen Zeitraumes, für den jeweils eine einheitliche Prämie zu entrichten ist (Anm. E 3). In § 1 AUB wird seit 1961 ferner der Begriff der V e r t r a g s d a u e r verwendet. Hierzu heißt es bei Grewing, Entstehungsgeschichte S. 8, der „unscharfe Ausdruck Versicherungsdauer" sei durch den klareren Ausdruck „Vertragsdauer" ersetzt worden. Dagegen bezeichnet Wussow AUB4 § 1 Anm. 4 diese Änderung als „irreführend und schlechthin falsch". Diese Kritik ist berechtigt. Der Ausdruck Vertragsdauer ist nicht weniger unscharf als der vorher verwendete der Versicherungsdauer. Beide Ausdrücke unterscheiden nicht zwischen materieller Vsdauer einerseits und formellem Vsbeginn bzw. formeller Beendigung (Anm. D 14) andererseits. Der Sinnzusammenhang in § 1 AUB weist auf die Bedeutung der Vertragsdauer als materieller Vsdauer hin. Denn der Unfallver gewährt Vsschutz nur für Unfälle, die dem Vten während der materiellen Vsdauer zustoßen. Davon geht auch Grewing VersR 1968 S. 238—239 in seiner Stellungnahme zur Kritik von Wussow aus. Wenn Grewing a. a. O. S. 239 r. Sp. darauf hinweist, daß die materielle Vsdauer in § 7 I AUB geregelt sei und gleichzeitig hervorhebt, daß § 1 AUB festlege, Vsschutz werde nur dann gewährt, wenn der Unfall in die Vertragsdauer falle, so kann hieraus nur geschlossen werden, daß der Begriff der materiellen Vsdauer in § 1 und 7 AUB in unterschiedlicher Weise beschrieben wird. Die hieraus sich ergebende Undeutlichkeit der Fassung des § 1 AUB könnte vermieden werden, wenn die Bestimmung insoweit wie folgt formuliert werden würde: „Der Versicherer gewährt . . . Versicherungsschutz gegen die Folgen der dem Versicherten während des in dem Vertrag näher bezeichneten Zeitraumes zustoßenden Unfälle." [D 4] 2. Materieller Versicherungsbeginn a) Allgemeines Aufsichtsrechtlich ist vorgeschrieben (VA 1937 S. 77), daß Beginn und Ende der materiellen Vsdauer in Antragsformular und Vsschein angegeben werden. Unterbleibt diese Angabe, so richtet sich der materielle Vsbeginn nach § 7 W G . Der so bezeichnete Zeitpunkt gibt aber nur den Sollbeginn der materiellen Vsdauer an (vgl. Wriede Anm. D 5, S. 82). AVB und/oder W G beschreiben die Voraussetzungen, die der Vmer erfüllen muß, um den Vsbeginn herbeizuführen. Die bedeutsamste Voraussetzung wird in § 38 II genannt: Die Gefahrtragung beginnt grundsätzlich nicht vor Zahlung der Erstprämie. Dieser Grundsatz wird als Einlösungsprinzip bezeichnet, vgl. Bruck-Möller § 38 Anm. 17. Das Einlösungsprinzip wird in den AVB vielfach zugunsten des Vmers (vgl. § 42) durchbrochen. [D 5] b) Einlösungsprinzip in der Allgemeinen Unfallversicherung Das Einlösungsprinzip ist in § 7 I S. 1 AUB als Regelfall formuliert: „Die Leistungspflicht des Versicherers beginnt . . . mit der Einlösung des Versicherungsscheines." Der Begriff der Einlösung wird weder im W G — er wird dort nicht einmal verwendet — noch in den AUB definiert. Aber aus § 14 (1) AUB ergibt sich, was gemeint ist: „Der Versicherungsnehmer hat den ersten Beitrag bei Vorlegung des Versicherungsscheines . . . zu bezahlen. Mit dem Beitrag sind die aus dem Versicherungsschein oder den Beitragsrechnungen ersichtlichen Kosten (öffentliche Abgaben, Ausfertigungs- und Hebegebühren) zu entichten." Wagner

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Anm. D 6

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

Deutlicher insoweit hieß es in den bis 1961 geltenden Bedingungen für die allgemeine Unfallv (§ 16 1.): „Die Leistungspflicht des Versicherers beginnt . . . mit der Einlösung des Versicherungsscheins durch Zahlung der Prämie nebst den im Antrage angegebenen Kosten und etwaigen öffentlichen Abgaben." Der Betrag der im Antrag angegebenen Kosten war dem Aufsichtsamt durch geschäftsplanmäßige Erklärung des Vers vorher mitzuteilen, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 58. Der als Fußnote zu § 16 AUB a.F. in den Text aufgenommene Hinweis auf die geschäftsplanmäßige Erklärung des Vers ist in die Neufassung der Bedingungen (jetzt: § 7 1 AUB) nicht übernommen worden, weil die vom Vmer zu tragenden Kosten jetzt im einzelnen genannt werden, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 59. Es ist zweifelhaft, ob der Beginn der Gefahrtragung durch Einlösung des Vsscheines voraussetzt, daß neben der Erstprämie auch die aus der Beitragsrechnung ersichtlichen Kosten bezahlt werden. Allerdings verstößt es nicht gegen den relativ zwingenden Charakter des § 38 (§ 40), die Kosten dem Einlösungsbetrag hinzuzurechnen mit der Folge, daß auch ihre Bezahlung Voraussetzung für den Beginn der Gefahrtragung ist (Bruck-Möller § 38 Anm. 6 und Anm. 30). Für diese Einbeziehung der Kosten in die Erstprämie im Sinne des § 38 I bedarf es indes einer Vereinbarung, die im Hinblick auf die Unklarheitenregel des § 5 AGB-Gesetz hinreichend deutlich formuliert sein muß. Diesen Erfordernissen genügt der Wortlaut des § 14 AUB nicht. In Abs. 1 der Vorschrift wird die Erstprämie — dort bezeichnet als „erster Beitrag" — deutlich von den in Satz 2 genannten Kosten unterschieden. § 14 (2) AUB verweist für die Rechtsfolgen nicht rechtzeitiger Zahlung des B e i t r a g e s auf §§ 38 und 39. Da in § 38 — insoweit im Gegensatz zu § 39 II — rückständige Kosten nicht genannt sind, und in § 14 (2) AUB von den Kosten auch nur im Zusammenhang mit rückständigen Folgebeiträgen die Rede ist, fehlt es an einer hinreichend deutlichen Regelung des Inhalts, daß auch die Nichtzahlung der in § 14 (1) S. 2 AUB genannten Kosten den Eintritt der Gefahrtragung suspendiert. Nach dem Bericht von Grewing (Entstehungsgeschichte S. 59) muß angenommen werden, daß sich die Verfasser der Bedingungen über diese Folge der Neufassung nicht im klaren waren. Eine sachliche Änderung gegenüber der Regelung des § 16 1. AUB a.F. war insoweit nicht beabsichtigt. Dort war indes hinreichend deutlich formuliert, daß zur Einlösung des Vsscheines außer der Zahlung der (Erst)prämie auch die Begleichung der im Antrage angegebenen Kosten gehörte. Dieser Frage dürfte erhebliche praktische Bedeutung nicht zukommen. Die Ver müssen indes damit rechnen, daß die neubelebte Unklarenheitenregel (§ 5 AGBGesetz) sich in der vorstehend geschilderten Weise auswirken wird. Eine Überprüfung des Wortlauts der Bestimmung des § 14 AUB und evtl. Änderung im Sinne des insoweit deutlicheren § 16 1. AUB a.F. sollte erwogen werden. [D 6] c) Gefahrtragung vor Zahlung der Erstprämie aa) Vorläufige Deckungszusage Gefahrtragung vor Einlösung des Vsscheines kann nach § 7 I. S. 1 AUB vom Ver „schriftlich zugesagt" werden. Das ist der Fall der vorläufigen Deckungszusage (Anm. C 25). Er spielt in der Praxis der Allgemeinen Unfallv keine bedeutsame Rolle. Wegen der Bedeutung der vorläufigen Deckungszusage in der Kraftfahrt-Unfallv vgl. Anm. C 26. Das Erfordernis der Schriftform für eine vorläufige Deckungszusage in der Allgemeinen Unfallv ist in § 7 I. S. 1 AUB mißverständlich formuliert: Da ein Vs156

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Anm. D 7

II. Beginn der Unfallversicherung

vertrag formlos geschlossen werden kann (Anm. C 10), kann auch die Übernahme der Gefahrtragung vor Zahlung der Erstprämie formlos zugesagt werden. Geschieht dies unter Hinweis auf die AUB, so ist damit im Zweifel das Erfordernis der Schriftform nicht gemeint. Der Ver würde anderenfalls durch diesen Hinweis seine Zusage wirkungslos machen und sich damit in treuwidriger Weise zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen (vgl. auch § 116 BGB; in gleichem Sinne Wüstney S. 87). Die Schriftformklausel des § 7 I. S. 1 AUB hat deshalb nur die Bedeutung klarzustellen, daß die Einlösungsklausel nur bei ausdrücklicher und eindeutiger Erklärung des Vers als abbedungen gilt. Die formularmäßig für den Beginn der Gefahrtragung vorgesehene Angabe im Vsschein genügt hierfür nicht. [D 7] bb) Rückwärtsversicherung Es wird bezweifelt, ob die durch § 2 eröffnete Möglichkeit, den Vsvertrag rückwirkend in der Weise abzuschließen, daß die Gefahrtragung vor dem Vertragsschluß beginnt, auch für die Personenv gilt. Soweit Vmer und Gefahrsperson identisch sind, wird dies mit dem Hinweis darauf verneint, daß dem Vmer nicht der in seiner Person sich verwirklichende Vsfall unbekannt geblieben sein könne, vgl. die Nachweise für die PKV bei Wriede Anm. D 8, S. 23, für die Unfallv Bruck-Möller § 2 Anm. 15, der es für selbstverständlich hält, daß in der Personenv Rückwärtsv nur bei Fremdv möglich ist, nicht deutlich insoweit Wussow AUB 4 § 7 Anm. 1: Die dort zitierten Entscheidungen betreffen nicht die Unfallv. Eine Rückwärtsv eigenen Lebens wird einhellig für ausgeschlossen gehalten, vgl. Prölss-Martin21 § 2 Anm. 1 S. 42, OLG München 1. II. 1965 VersR 1965 S. 373. Für die Fremdv soll eine Rückwärtsv in allen Zweigen der Personenv zulässig sein, soweit nicht die Kenntnis der Gefahrsperson dem Vmer gemäß §§ 79, 179 IV und 161 zugerechnet wird, vgl. Bruck-Möller § 2 Anm. 39 und Sieg Bd II § 79 Anm. 8. Die vorstehend skizzierte (wohl noch) vorherrschende Auffassung bedarf der Überprüfung. In Fällen eines gedehnten Vsfalles ist es denkbar, daß dessen „Eintritt" (vgl. § 2 II) ohne Kenntnis des Vmers begonnen hat. Das kann geschehen, wenn der Vmer von einem Vorgang betroffen wird, den er nicht als Unfallereignis wertet, so z. B., wenn der Vmer vor Vertragsschluß ohne zunächst sichtbare und merkbare Folge gestürzt ist, und sich später nach Vertragsschluß Lähmungserscheinungen als Folge dieses Sturzes einstellen. Hier ist der Vsfall bei Vertragsschluß schon „eingetreten" im Sinne des § 2 II. Denn bei gedehnten Vsfällen wird man grundsätzlich den Beginn der tatbestandlichen Verwirklichung als Eintritt zu werten haben, vgl. Bruck-Möller Vorbem. 34—35 vor §§ 49—80 (ohne Stellungnahme zu der hier dargestellte Problematik). In der Regel verliert das Vsverhältnis mit Beginn der Gefahrverwirklichung das ihm eigentümliche ungewisse (aleatorische) Element, auf das die Regelung des § 2 II abstellt; in gleichem Sinne Wriede Anm. D 8 mit dem Hinweis, daß der Vmer von einem objektiven Krankheitsbeginn — dieser als Eintritt des Vsfall gewertet - nicht sogleich Kenntnis zu haben braucht. Der für die Lebensv zitierte Satz, daß es eine Rückwärtsv des eigenen Lebens nicht geben könne, würde auch eine Rückwärtsv bei der Unfalltodv ausschließen. Er bedarf ebenfalls der Überprüfung und Einschränkung. Seine Prämisse, daß dem Vmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht unbekannt geblieben sein könne, daß der Vsfall — sein eigener Tod — eingetreten sei, trägt die Folgerung (Auschluß der Rückwärtsv) nicht. Denn die Regelung des § 2 II W G wird durch § 7 I S. 2 AUB abgeändert, und zwar auch, soweit eine Unfallv für den Fall des Todes des Vmers genommen wird. Kraft der erweiterten Einlösungsklausel (Anm. D 9) kann eine Gefahrtragung des Unfallvers auch auf einen vor Vertragsschluß liegenden Zeitpunkt zurückbezogen werden. Zwar kann der inzwischen verstorbene Vmer die Voraussetzungen des § 7 I. 2 Wagner

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Anm. D 9

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

AUB nicht mehr selbst herbeiführen. Man wird aber diese Bestimmung, die eine Einschränkung für die Unfallv auf den Todesfall nicht enthält, zu seinen - d. h. seiner Erben oder Bezugsberechtigten — Gunsten anzuwenden haben, wenn diese alsbald die Erstprämie zahlen (Anm. E 12) oder wenn der Vmer dem Ver auf dessen Anregung eine Einziehungsermächtigung erteilt hat, kraft derer der Ver in der Lage ist, sich die Prämienzahlung zu verschaffen (Anm. E 24). Diese Art der Prämienzahlung ist im Vordringen. In einem solchen Falle muß kraft der erweiterten Einlösungsklausel auch für den Tod durch Unfall die Regelung des § 2 II 2 als wirksam abbedungen gelten. Eine Rückwärtsv kraft besonderer — außerhalb der AUB - getroffener Vereinbarung kommt in der Unfallv praktisch nicht vor. Sie bedarf einer deutlichen, im Regelfall ausdrücklichen Vereinbarung und kann sich nur ausnahmsweise aus den Umständen des Vertragsschlusses ergeben, vgl. Bruck-Möller § 2 Anm. 16 m.N. und den instruktiven Fall der Abkürzung einer Wartefrist bei einer Unfall- und Sterbegeldv, OLG Saarbrücken 18. VI. 1971 VersR 1963 S. 461-462. Ohne Vorliegen besonderer Umstände kann (allein) aus der Rückdatierung des Vertragsschlusses nicht die Vereinbarung einer Rückwärtsv geschlossen werden (Anm. D 8). [D 8] cc) Unechte Rückwärtsversicherung Von den vorgenannten Fällen der Rückwärtsv im Sinne des § 2 ist die Möglichkeit zu unterscheiden, den Vertragsschluß rückzudatieren. Solche Fälle sind in der PKV (Wriede Anm. D 9) und in der Lebensv bedeutsam. Hier soll dem Vmer eine Prämie gewährleistet werden, die sich nach einem bestimmten Lebensalter richtet, das z. B. in Fällen der verzögerten Annahme des Vertragsantrages überschritten sein kann, vgl. Wriede Anm. D 9, S. 84; Beispiel für PKV: OLG München 26. V. 1972 VersR 1972 S. 1112-1113, für Lebensv OLG Oldenburg 28. IX. 1972 VersR 1972 S. 1113. Aus solcher Rückdatierung ergibt sich regelmäßig keine Vereinbarung einer Rückwärtsv im Sinne des § 2 (OLG Oldenburg a.a.O., Wussow AUB4 § 7 Anm. 1 S. 137 oben), weil sie, zumal im Bereich der Personenv, ungewöhnlich und suspekt ist (Anm. D 7). Für die Unfallv spielt eine Rückdatierung des Vertragsschlusses keine praktisch bedeutsame Rolle, weil das Lebensalter nicht für die Prämienhöhe, sondern nur für die Abgrenzung der Allgemeinen Unfallv von der Kinder-Unfallv und für die V älterer Personen unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsunfähigkeit (§ 5 AUB) von Bedeutung ist. [D 9] dd) Erweiterte Einlösungsklausel (§ 7 I. S. 2 AUB) aaa) Bedeutung Der auf vom Ver vorformuliertem Antragsformular schriftlich gestellte Antrag des (künftigen) Vmers sieht für den Zeitpunkt des materiellen Vsbeginns eine nach Tag und Uhrzeit bestimmte Angabe vor. Es geschieht nicht selten, daß die regelmäßig durch Übersendung des Vsscheines erklärte Annahme des Antrages durch den Ver zeitlich nach diesem im Antrag angegebenen Zeitpunkt liegt. Ist in der Zeit zwischen Antragstellung und Zugang der Annahmeerklärung ein Vsfall eingetreten, so wäre dieser nach der gesetzlichen Regelung auch dann nicht gedeckt, wenn er nach dem für den materiellen Vsbeginn im Antrag genannten und in den Vsschein übernommenen Zeitpunkt liegt. Denn der Vmer weiß in diesem Falle „bei der Schließung des Vertrags, daß der Vsfall schon eingetreten ist . . . " (§ 2 II 2). Zwar ist die Regelung des § 2 II 2 nicht zwingend (Bruck-Möller § 2 Anm. 43 mit der Einschränkung, daß der Antragsteller bei Antragstellung nicht weiß, daß der Vsfall eingetreten ist; für PKV OLG München 28.1. 1966 VersR 1966 S. 438-439 und Wriede Anm. D 8, S. 83). Allein der Umstand, daß in Antrag und Vsschein ein vor dem tatsächlich voll158

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II. Beginn der Unfallversicherung

Anm. D 10

zogenen Vertragsschluß liegender Zeitpunkt für den Beginn der Gefahrtragung angegeben ist, genügt aber nicht für die Annahme, daß beide Parteien eine Rückwärtsv wollten. Das Datum beruht regelmäßig auf einer Schätzung des Agenten über die Dauer der Bearbeitung des Antrages durch den Ver. Unabhängig hiervon folgt aus dem Einlösungsprinzip (Anm. D S), daß der Ver auch nach Vertragsschluß bis zur Zahlung der Erstprämie nicht die Gefahrtragung schuldet. Damit würde die Zeitangabe in Antrag und Vsschein über den Beginn der Gefahrtragung vielfach bedeutungslos werden können. Das verhindert die sog. e r w e i t e r t e E i n l ö s u n g s k l a u s e l des § 7 I. S. 2 AUB: Wird die Erstprämie vom Vmer „auf Anforderung ohne Verzug gezahlt", so bleibt der in Antrag und Vsschein genannte Zeitpunkt für den Beginn der Gefahrtragung maßgeblich. Diese Bestimmung ist auf Veranlassung der Aufsichtsbehörde im Jahre 1910 in die AVB für die Allgemeine Unfallv aufgenommen (VA 1910 S. 185), vgl. hierzu Bühring-Mertins S. 131 und Wüstney S. 87, und seitdem nahezu unverändert beibehalten worden; zur Änderung des Wortlauts in den AUB von 1961 vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 29—30. Sie bewahrt den Vmer unter den in § 7 I. S. 2 AUB genannten Voraussetzungen vor den Rechtsfolgen sowohl des § 2 II 2 als auch des § 38 II: Zahlt er die Erstprämie auf Anfordern ohne schuldhaftes Zögern (Anm. D 10), so genießt er rückwirkend Vsschutz auch für Vsfälle, die sich nach dem Antrag, aber vor der Annahme und vor Zahlung der Erstprämie ereignet haben unabhängig davon, ob ihm der Eintritt des Vsfalles nach Antragstellung bekanntgeworden ist. [D 10] bbb) Tatbestand des § 7 I. S. 2 AUB aaaa) Festsetzung eines Zeitpunktes Die Vorschrift setzt voraus, daß ein bestimmter Zeitpunkt festgesetzt und vereinbart worden ist. Damit ist gefordert, daß der Antrag des (künftigen) Vmers einen solchen Zeitpunkt enthält — wie es die Aufsichtsbehörde vorschreibt, vgl. Anm. D 4 — und daß dieser Zeitpunkt in den Vsschein übernommen wird, so daß hinsichtlich des Beginns der Gefahrtragung Konsens der Vertragschließenden besteht. Der von Bühring-Mertins S. 130 dargestellte Vorgang, daß zunächst der Ver den Zeitpunkt einseitig willkürlich festlegt, entspricht nicht (mehr) der Praxis. Der durch den Antrag festgelegte („festgesetzte") und kraft Annahme „vereinbarte" Zeitpunkt muß in jedem Falle Gegenstand und Ergebnis einer vertraglichen Einigung sein, wobei diese regelmäßig mit dem Zugang des Vsscheines zustandekommt (Anm. C 18). Der Vsschein wird heute überwiegend per Post übersandt. Deshalb weisen Zugang des Vsscheines und seine Einlösung durch Zahlung der Erstprämie einen deutlichen zeitlichen Abstand auf; von anderer Gestaltung, nämlich als Regelfall davon ausgehend, daß der Agent den Vsschein Zug um Zug gegen Zahlung der Erstprämie aushändigt, sind die Ausführungen von Wüstney § 16 Anm. 2 S. 87—88 zu verstehen. Weicht der im Vsschein angegebene Zeitpunkt für den Vsbeginn von dem im Antrag angegebenen ab, so ist der Vsschein ein neues Angebot des Vers im Sinne des § 150 II BGB, das der Vmer durch Zahlung der zugleich zugegangenen Erstprämie annehmen kann. Dasselbe Ergebnis folgt aus § 5 II, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Abweichung erfüllt sind. Dabei ist zu unterscheiden: Liegt der in den Vsschein aufgenommene Zeitpunkt deutlich hinter dem im Antrag angegebenen, so erklärt der Ver, daß er den Vertrag erst später wirksam werden lassen will. Der Vmer genießt dann keinen Vsschutz für einen vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Vsfall. Liegt der Zeitpunkt im Vsschein früher, so kann der Vmer allemal die Rückbeziehung der Gefahrtragung auf diesen Zeitpunkt herbeiführen, nämlich durch Annahme des darin liegenden neuen Angebots. Zahlt er nunmehr die Prämie „ohne Wagner

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Anm. D 13

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

Verzug", dann bewirkt er damit die Rückwirkung der Gefahrtragung. Wegen der Bedeutung für den technischen Vsbeginn vgl. Anm. E 16. [D 11] bbbb) Anforderung der Erstprämie ist die bestimmte an den Vmer als Schuldner gerichtete Aufforderung zur Zahlung der Prämie. Sie geschieht regelmäßig durch Übersendung der Prämienrechnung (wegen der vom Vmer geschuldeten Kosten vgl. Anm. D 5) zugleich mit dem Vsschein. Nach neuerer Praxis übersendet der Ver dem Vmer zugleich eine Zahl- oder Überweisungskarte oder fordert ihn zur Erteilung einer Einziehungsermächtigung auf (Anm. E 24). Die alsbaldige Erteilung einer Einziehungsermächtigung muß der Zahlung gleichgeachtet werden. Die Aufforderung muß dem Vmer grundsätzlich nach Vertragsschluß zugehen, da er vorher die Prämie nicht schuldet. Sollte indes dem (künftigen) Vmer eine Prämienrechnung vor Vertragsschluß zugehen — und diese nicht als Annahme des Antrages auszulegen sein —, so ist hierin nach Treu und Glauben ein wirksames Anfordern im Sinne des § 7 I. S. 2 AUB zu sehen, wenn der Vsschein alsbald nachfolgt. Solche Gestaltungen können vorkommen, wenn Ausfertigung des Vsscheines und Erstellung der Prämienrechnung von verschiedenen Abteilungen des Vers vorgenommen werden. Die mit dem Ausdruck „ohne Verzug" bezeichnete Frist beginnt allerdings frühestens mit Vertragsschluß zu laufen. Geschieht das Anfordern — wie regelmäßig — nach Vertragsschluß, so ist es für die Wirkung des § 7 I. S. 2 AUB gleichgültig, ob die Aufforderung dem Vmer vor oder nach dem als Vsbeginn genannten Zeitpunkt zugeht. Hierzu hieß es in § 16 Ziff. 1 S. 2 der vor 1961 geltenden AVB: „Wird die erste Prämie erst nach dem als Beginn der Versicherung festgesetzten Zeitpunkt eingefordert, alsdann aber ohne Verzug gezahlt, so beginnt der Versicherungsschutz mit dem vereinbarten Zeitpunkt." Die Fassung der nunmehr in § 7 I. S. 1 AUB enthaltenen entsprechenden Bestimmung soll klarstellen, daß die Gefahrtragung auch dann auf den vereinbarten Zeitpunkt zurückbezogen wird, wenn die Anforderung vor ihm, die Zahlung aber nach ihm erfolgt, vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte S. 29—30. Das Gebot unverzüglicher Zahlung bezieht sich indes nicht auf den als Vsbeginn genannten Zeitpunkt, sondern auf den des Anforderns. [D 12] cccc) Unverzügliche Zahlung Zahlung „ohne Verzug" bedeutet unverzüglich im Sinne des § 121 BGB, vgl. Bruck-Möller § 35 Anm. 39 m.N., noch offengelassen von RG 4. X. 1912 JW 1912 S. 1111 (1112). Der Vmer muß beweisen, daß er in dem hier vorausgesetzten Sinne unverzüglich gezahlt hat, RG 25. V. 1937 RGZ Bd 155 S. 103108 = VA 1937 S. 189 Nr. 2997 = JRPV 1937 S. 200. Diese Auslegung der Voraussetzung „ohne Verzug" kann eine erhebliche Benachteiligung des Vmers zur Folge haben. In dem von RG 4. X. 1912 JW 1912 S. U l i entschiedenen Fall war dem Vmer für die Zahlung der Erstprämie eine Frist von zwei Wochen nachgelassen worden. Vorher konnte er also nicht in Verzug geraten. Darauf kam es nur deshalb nicht an, weil er nach Auffassung des Gerichts rechtzeitig, nämlich am 4. Tage nach Erhalt des Vsscheines, gezahlt hatte. Hier wird der Begriff des Verzuges in AVB gegen seine Bedeutung im BGB zum Nachteil des Vmers ausgelegt. [D 13] III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages 1. Vorbemerkung a) Begriffsverwendung Für die Beendigung des Unfallvsvertrages wird in entsprechender Weise wie für den Beginn zwischen formellem, materiellem und technischem Ende des Vertrages 160

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 15

unterschieden, Bruck-Möller § 2 Anm. 8 und Wriede Anm. D 16. Der Begriff der formellen Beendigung ist mehrdeutig: Er kann den Zustand nach Erfüllung aller sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen oder (enger) den Zustand nach Zeitablauf oder vertragsbeendend wirkender Gestaltungserklärung (Kündigung, Rücktritt, Anfechtung) bezeichnen (Bruck-Möller § 2 Anm. 8; zusammenfassende Definition bei Wriede Anm. D 16, S. 92). Im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die formelle Beendigung wird in § 8 II zwischen Zeit- und Dauerverträgen unterschieden. Indes sind Verträge, die nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen werden, nicht notwendig Zeitverträge im Sinne der §§ 8 II, 7. Die Vertragsdauer kann durch andere Umstände als Zeitablauf, etwa durch die Dauer einer Veranstaltung, einer Reise oder eines Dienstverhältnisses bestimmt werden und sich damit bei Betrachtung ex ante als nur bestimmbar erweisen (BruckMöller § 7 Anm. 4). Solche Verträge mit nur bestimmbarer Dauer spielen in der Unfallv (Gruppenv) eine nicht unbedeutende Rolle. [D 14] b) RechtsqueUen Die A U B befassen sich nur in § 7 II. mit der Beendigung des Unfallvsvertrages und enthalten hier Voraussetzungen für Kündigungsrechte des Vers und Vmers. Auf die Möglichkeit der Beendigung durch Zeitablauf ist in § 7 II. (1) S. 2 AUB konkludent hingewiesen (mißverständlich, vgl. Anm. D 19). Daß diese Regelung sich selbst nicht als abschließende Aufzählung für die rechtlichen Möglichkeiten der Beendigung des Vertrages versteht, folgt aus § 7 II. (4) AUB: Dort wird für die Prämie eine Bestimmimg für „alle übrigen Fälle der vorzeitigen Beendigung" getroffen. Eine mittelbare Regelung für weitere Beendigungsgriinde ergibt sich aus der in § 14 (2) A U B enthaltenen Verweisung auf §§ 38, 39 (Rücktritt und Kündigung). Hieraus folgt, daß die AUB sich auch im Hinblick auf die Beendigung des Unfallvsvertrages nicht als abschließende Regelung verstehen (zu dieser Frage Anm. A 38). Das ist selbstverständlich, soweit auf bürgerlich-rechtliche Grundsätze des Vertragsrechts zurückgegriffen werden muß, weil das W G hierfür keine Regelung enthält, wie auf die Vorschriften zum Vertragsschluß (§§ 145—155 BGB), zu den Willensmängeln (§§ 1 1 9 - 1 2 2 B G B ) und zur Einschränkung der Vertragsfreiheit (§§ 134, 138, 306 B G B ) . Entsprechendes gilt für den für Dauerschuldverhältnisse anerkannten Grundsatz, daß der Vertrag aus wichtigem Grunde kündbar ist, vgl. Bruck-Möller § 1 Anm. 46, § 8 Anm. 25 m.N. Aber dieser Rückgriff auf das bürgerliche Recht steht unter dem Vorbehalt einer Sonderregelung durch das W G . So wird das Recht des Vers, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, durch die Vorschriften der §§ 16—20 eingeschränkt (Einzelheiten bei Bruck-Möller § 22 Anm. 6), die Wirkungen des Rücktritts werden in § 21 gegenüber § 346 B G B modifiziert und die Regelung für Leistungsstörungen nach Vertragsschluß ergibt sich weitgehend nicht aus §§ 323—326 BGB, sondern aus §§ 38, 39 und 68. [D 15] c) Sonderproblem : Gedehnter Versicherungsfall und materielles Versicherungsende aa) Problemstellung Der Zeitpunkt der formellen Beendigung des Unfallvsvertrages durch Zeitablauf, Wirksamwerden einer Gestaltungserklärung oder eines sonstigen Beendigungsgrundes kann sich mit der Verwirklichung eines Vsfalles überschneiden in der Weise, daß sich ein Teil der Tatbestandsverwirklichung (Unfall) vor der materiellen Beendigung, der andere Teil aber danach vollzieht. Es wird die Auffassung vertreten, daß in solchen Fällen „überhängender Vsfälle" der Ver ohne Einschränkung deckungspflichtig sei, 11

B r u c k - M ö l l e r , VVG, 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. D 16

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

vgl. Bruck-Möller Anm. 34 vor §§ 49-80, Wriede Anm. D 16 - jeweils m.w.N., a.A. Josef LZ 1910 Sp. 285-287. KG l l . V . 1932 JRPV 1932 S. 264 geht wie selbstverständlich von einem entsprechenden Grundsatz aus: Wenn der Brand eines PKW vor dem materiellen Vsende begonnen habe, sei der Ver für den ganzen Schaden eintrittspflichtig, auch wenn Teile des Fahrzeuges erst nach dem Ende der Vsdauer gebrannt hätten. Für die Unfallv gibt es keine Entscheidung, die einen vergleichbaren Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Beendigung der Gefahrtragung behandelt. RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297 Nr. 2482 - JRPV 1932 S. 370 befaßt sich mit der Frage, ob ein Vter, der infolge eines Unfalles unter Neigung zur Ohnmacht leidet, Deckungsschutz für eine Gasvergiftung genießt, die er zehn Monate nach dem (ersten) Unfall infolge einer Ohnmacht erleidet. Das Gericht befaßt sich mit der Struktur des Unfalls und macht mit seiner zugunsten des Vten ergehenden Entscheidung deutlich, daß es einen gedehnten Unfall anerkennt. Die vielfältigen Möglichkeiten gedehnter Vsfälle in der Unfallv (Anm. G 9—12) lassen sich in drei Fallgmppen zusammenfassen: Zunächst kann das Unfallereignis selbst eine gewisse Zeitdauer in Anspruch nehmen: Der Vte wird in der Neujahrsnacht von einem Betrunkenen mißhandelt. Sodann kann die Folge des Unfallereignisses diesem nach Ablauf einer nicht unerheblichen Zeit nachfolgen. Ein Beispiel hierfür ist in § 8 I. AUB genannt und geregelt: Ist der Tod des Vten Folge des Unfallereignisses, so wird Entschädigung geleistet, wenn dazwischen ein Zeitraum von höchstens einem Jahr liegt. Und schließlich kann die Gesundheitsschädigung über einen längeren Zeitraum wirksam sein, indem sie - gesehen aus dem Blickfeld der Art der Entschädigungsleistung — z.B. als Invalidität oder Heilbedürftigkeit über längere Zeit bestehen bleibt. Die rechtliche Würdigung dieser Fallgruppen unter dem Gesichtspunkt überhängender Vsfälle führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. [D 16] bb) Gedehntes Unfallereignis Den aus der Sachv bekannten Beispielen eines länger dauernden Brandes oder Diebstahls oder allmählicher Zerstörung eines gestrandeten Schiffes (übernommen von Bruck-Möller Anm. 34 vor §§ 49—80 S. 20) entspricht am ehesten das Beispiel eines anhaltenden Unfallereignisses: Der Vsvertrag läuft mit Jahresende 24.00 Uhr ab. Um 23.58 Uhr beginnt ein Betrunkener auf den Vmer einzuschlagen, erst um 0,15 Uhr läßt er von seinem Opfer ab. Hat der Unfallver auch für diejenigen Folgen der Mißhandlung einzustehen, für die die nach Mitternacht erlittenen Verletzungen ursächlich sind? Diese Frage kann nicht mit der Erwägung bejaht werden, daß mit dem Eintritt des Unfallereignisses dem Grunde nach die Eintrittspflicht des Vers feststehe, die Art der Gefahrtragungsleistung beginne, sich zu verwandeln, und nach der Lebensanschauung erscheine der Beginn eines Vorganges als besonders einschneidend und eindrucksvoll (in diesem Sinne Wriede Anm. D 16, S. 93). Denn inwieweit sich die Gefahrtragungsleistung des Vers noch zur Entschädigungspflicht zu konkretisieren vermag, ist nicht Ergebnis, sondern Ausgangspunkt der Problemstellung. Daß dies auch für einen Vorgang geschieht, der — wenn auch als Teil eines lebensmäßig zusammengehörigen Geschehens — außerhalb der materiellen Vsdauer liegt, bedarf angesichts der synallagmatischen Verknüpfung von Prämienzahlung und Gefahrtragung einer Begründung, die sich aus den Besonderheiten des Vsverhältnisses ergibt. Es darf angenommen werden, daß die h.M. ihr Ergebnis u.a. auf der Grundlage der Vorstellung findet, daß der Vsfall in der Regel ein punktuelles Ereignis sei, das nicht in trennbare Abschnitte aufgegliedert werden könne. Dieser Vorstellung entspricht sowohl die Ausdrucksweise Versicherungs-„Fall" — es gibt sprachlich keinen zeitlich gedehnten Fall — als auch die Begriffsverwendung innerhalb der einzelnen Vorschriften des W G , die ersichtlich nicht von einem — gedehnten — Vorgang, sondern von

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 18

einem bestimmten Zeitpunkt ausgeht. Hält man an dieser Vorstellung fest, so liegt es nahe, innerhalb des Dehnungszeitraumes einen Punkt auszuwählen und für maßgeblich zu halten. Hierfür bietet sich aus den von Wriede a.a.O. genannten Erwägungen primär der Beginn des Vorganges an. Den gesamten Vorgang (Brand, Prügelei) als Einheit zu werten und auch den nach Vsende liegenden Teil für die Deckungspflicht einzubeziehen, ist aber nur dann gerechtfertigt und notwendig, wenn die Einheitlichkeit des Vorganges seine Aufspaltung in einen unter die Gefahrtragung fallenden und einen vsrechtlich nicht gedeckten Teil unmöglich macht. So liegt es in den von Bruck-Möller Anm. 34 vor §§ 49—80 zitierten Beispielen aus der Rechtsprechung. Entsprechendes müßte für die Prügelei in der Neujahrsnacht gelten, wenn nachträglich nicht mehr feststellbar ist, welche unfallvsrechtlich relevanten Verletzungen Folge des vor oder des nach Vsende liegenden Teils der Mißhandlung sind. Etwas anderes muß gelten, soweit eindeutig trennbare Teile des Unfallereignisses nach Vsende geschehen, so, wenn im vorgenannten Beispiel ein Schlag ins Gesicht zum Verlust mehrerer Zähne führt und dieser Schlag nachweislich nach Mitternacht stattgefunden hat. [D 17] cc) Zeitliche Trennung von Unfallereignis and Unfallfolgen Eine Gesundheitsschädigung in der gemäß § 8 AUB vsrechtlich relevanten Form kann dem Unfallereignis in deutlichem zeitlichen Abstand nachfolgen, so ζ. B., wenn ein zunächst als harmlos erscheinender Sturz die Wirbelsäule in Mitleidenschaft gezogen hat und erst nach mehreren Tagen zu Lähmungserscheinungen führt (vgl. im übrigen Anm. G). Damit stellt sich die Frage, ob Vsschutz besteht, wenn das Unfallereignis in die materielle Vsdauer fällt, die Gesundheitsschädigung aber erst danach hervortritt. Sie beantwortet sich aus der objektiven (Anm. A 52) Auslegung der AVB und führt zu dem Ergebnis, daß es genügt, daß das Unfallereignis in die Zeit der materiellen Vsdauer fällt: In § 8 AUB wird durchgehend zwischen Unfall und Unfallfolgen unterschieden. Diese Unterscheidung ist zwar im Hinblick auf den in § 2 (1) AUB definierten Unfallbegriff zweifelhaft. Denn die als Unfallfolgen bezeichneten Zustände sind Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 2 (1) AUB. Sie werden nur aus darstellungstechnischen Gründen in § 8 als jeweilige Voraussetzung einer bestimmten Art der Entschädigungsleistung noch einmal näher beschrieben und klassifiziert. Aber diese — streng logisch gewertet — Inkonsequenz in der Begriffsbildung kehrt in § 1 AUB wieder. Dort heißt es, der Ver gewähre Schutz gegen die Folgen von Unfällen, die dem Vten während der Vertragsdauer zugestoßen seien. Diese in der einleitenden Vorschrift des Bedingungswerkes anzutreffende und in der für die Information des Vten über den Umfang des Vsschutzes wesentlichen Vorschrift des § 8 sich wiederholenden Trennung von Unfall und Unfallfolgen muß für das Verständnis des Vten Vorrang haben vor einer Auslegung des Unfallbegriffs, die sich erst durch eine Analyse erschließt und noch nicht einmal vsrechtliches Allgemeingut ist. Objektive Interpretation führt hier zu dem Ergebnis, daß es für die Deckungspflicht des Vers genügt, wenn das Unfallereignis in die Zeit der materiellen Vsdauer fällt. Wer dieses Interpretationsergebnis für zweifelhaft hält, müßte aufgrund der Unklarheitenregel gemäß § 5 AGB-Gesetz zu demselben Ergebnis kommen. [D 18] dd) Zeitlich gedehnte UnfaUfolgen Invalidität und Heilbedürftigkeit erstrecken sich regelmäßig über einen gewissen Zeitraum. Er gehört begrifflich zum Vsfall (Unfall), weil Invalidität und Heilbedürftigkeit (§ 8 II. und VI. AUB) gleichbedeutend sind mit Gesundheitsschädigung im Sinne des § 2 (1) AUB und deren Fortdauer voraussetzen. Die Invalidität z. B. bezeichnet diejenige Gesundheitsschädigung im Sinne des Unfallbegriffs, die den Vten arbeitsunfähig macht. 11*

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Amn. D 2 0

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

Inwieweit dieser Dehnungszeitraum für den Umfang der Leistung des Vers bedeutsam ist, ergibt sich für die jeweils unterschiedliche Entschädigungsleistung aus § 8 AUB: Invaliditätsentschädigung, Tagegeld, Krankenhaustagegeld, Heilkosten und Ubergangsentschädigung sind summenmäßig begrenzt und werden für höchstens ein Jahr, Genesungsgeld für 100 Tage gewährt. Dieser für die Folgen des Unfallereignisses festzustellende Dehnungszeitraum entspricht einem gedehnten Vsfall in der PKV. [D 19] 2. Beendigung durch Zeitablauf a) Allgemeines Der Unfallvsvertrag wird in der Regel für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen. Von dieser Gestaltung geht auch § 7 II. (1) S. 1 AUB aus. Beginn und Ende der Vsdauer werden im Antrag des (künftigen) Vmers und im Vsschein nach Tag (Datum) und Stunde genannt. In der Praxis der Allgemeinen Unfallv herrscht der Vertragsschluß für die Dauer (zunächst) eines Jahres (mit Verlängerungsklausel, vgl. Anm. D 21) vor (§ 7 II. (1) S. 2 AUB). Daß Beginn und Ende der Unfallv im Einzelfall — etwa infolge Versehens der Beteiligten — nicht ausdrücklich vereinbart werden, ist für die Allgemeine Unfallv unschädlich: Gemäß § 23 III AGB-Gesetz gelten die aufsichtsbehördlich genehmigten AVB. Danach ergibt sich der Vsbeginn aus § 7 I. AUB. Für die Beendigung des Vertrages fehlt es an einer entsprechenden Regelung in § 7 AUB. Da beide Parteien den Abschluß eines Unfallvsvertrages wollen und dies auch erklären, ist gemäß § 157 BGB ein Abschluß auf unbestimmte Zeit (§ 8 II W G ) anzunehmen. Dann kann jeder der Beteiligten das Vertragsverhältnis zum Schluß der Vsperiode (§ 9 W G : ein Jahr) mit einmonatiger Kündigungsfrist kündigen, vgl. Bruck-Möller § 8 Anm. 16. Beginn und Ende der materiellen Vsdauer ergeben sich aus § 7 W G . [D 20] b) Verlängerungsklausel Die AVB für die Allgemeine Unfallv enthalten seit 1910 eine dem § 8 I W G entsprechende Bestimmung, wonach sich der Vertrag um jeweils ein Jahr verlängert, wenn er nicht wirksam gekündigt wird. Dementsprechend heißt es in § 7 II. (2) S. 4 AUB: „Wird die rechtzeitige Kündigung unterlassen, so verlängert sich der Vertrag um jeweils ein Jahr." Die juristische Einordnung der Verlängerungsklausel muß als ungeklärt bezeichnet werden. Einigkeit besteht über das Ergebnis: das Vertragsverhältnis kraft Verlängerung ist mit dem ursprünglich vereinbarten identisch, Bruck-Möller § 8 Anm. 9, Prölss-Martin21 § 8 Anm. 2, RG 3. II. 1926 RGZ Bd 112 S. 387 (Transportv), OLG Dresden 29.1. 1926 JRPV 1926 S. 58 = HansRZ 1926 Sp. 332. Es bedarf keiner neuen Anzeige gemäß § 16 W G ; Prämien, die nach Verlängerung fällig werden, sind Folgeprämien gemäß § 39 W G . Deshalb ist zweifelhaft, ob der Ver jeweils nach Verlängerung verpflichtet ist, dem Vmer einen Verlängerungsschein gemäß § 3 I 1 W G auszuhändigen (so Bruck-Möller § 8 Anm. 9). In der Praxis der Allgemeinen Unfallv geschieht dies nicht. Dafür besteht, weil sich der Vertragsinhalt nicht verändert, auch keine Notwendigkeit. Reduziert man die in der Unfallv übliche Vereinbarung eines Zeitvertrages (ein Jahr) mit Verlängerungsklausel auf ihren sachlichen Gehalt, so ergibt sich, daß es sich in Wahrheit um eine dauernde V im Sinne des § 8 II 1 W G handelt. Unterbleibt eine vertragsbeendende Gestaltungserklärung, so dauert das Vsverhältnis fort. Die Beschränkung der Fortdauer auf jeweils (nur) ein Jahr entspricht der zwingenden Regelung des § 8 I W G . Die Vorstellung von einer alljährlich „automatisch" sich 164

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 2 2

vollziehenden Verlängerung verdeckt den Umstand, daß der Vertrag in Wahrheit ohne inhaltliche Veränderung und unabhängig vom Willen der Parteien fortdauert. Sinn und Zweck des § 8 W G - Schutz der Vertragspartner vor überlanger Bindung — wird durch diese Auslegung genügt. Die Bestimmung des § 7 II. (1) AUB hält sich in den durch § 8 W G gezogenen Grenzen. Sieht man dagegen in dem jeweiligen Unterlassen der Kündigung eine (fingierte) Willenserklärung der Vertragspartner (Bruck-Möller § 8 Anm. 9), so scheitert die Verlängerung, wenn z. B. der Vmer wegen zeitweiliger Geschäftsunfähigkeit nicht kündigen konnte. Diese Annahme würde zwar seinem Schutze dienen, wenn die Kündigung geboten gewesen wäre. Das Risiko, aus in eigener Sphäre liegenden Gründen nicht eine wirksame Kündigung herbeiführen zu können, trägt der Vmer aber unabhängig von § 8 W G für alle Fälle möglicher Vertragsbeendigung. Dieses spezielle Risiko soll nicht durch § 8 W G vermindert werden. Wie hier, d. h. Deutung der Verlängerungsklausel als Vereinbarung einer V mit unbestimmter Dauer, Wriede Anm. D 18, S. 94. [D 21] 3. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages durch Veränderung der Verhältnisse des Versicherten a) Allgemeines Die Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17) ist Träger (oder Gegenstand) des vten Risikos in der Unfallv. Von ihren Eigenschaften, ihrer Einordnung in einen bestimmten Berufs- und Gefahrenkreis, von ihrem Gesundheitszustand und Alter ist das Ausmaß der vom Unfallver übernommenen Gefahr abhängig. In der Unfallv kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß im Antragsformular Fragen nach Gesundheit, Alter und Beruf schriftlich zu beantworten sind, daß sich die Prämienhöhe danach richtet und daß Veränderung hinsichtlich Berufstätigkeit und Gesundheitszustand nach Vertragsschluss die in §§ 4 und 5 AUB vorgesehenen Auswirkungen haben sollen. Nichts ausgesagt ist in den AUB über die Wirkung eines nicht als Unfallfolge deckungspflichtigen Todes der Gefahrsperson (vgl. Anm. D 24). [D 22] b) Kein versicherungsrechtliches „Veränderungsverbot" Der für das bürgerliche Recht geltende Grundsatz, daß sich der Schuldner nicht durch freie, willkürliche Handlung von einer vertraglich begründeten Verpflichtung einseitig lösen oder diese verändern kann, gilt für das Vsrecht nur mit Einschränkungen: Ändert z. B. der Vte seine Berufstätigkeit und übt er nunmehr eine Tätigkeit aus, für die der Ver keinen Deckungsschutz übernimmt (§ 4 (1) AUB), so endet der Unfallvsvertrag, der Vmer wird von der Verpflichtung zur Prämienzahlung frei (§ 7 II. (4) AUB). Entsprechendes gilt, wenn der Vte aus einem Dienstverhältnis ausscheidet, für das eine Gruppen-Unfallv besteht (§ 4 der Zusatzbedingungen für die GruppenUnfallv) oder für die Insassen-Unfall ν nach § 6 (1) AKB: Der Vertrag endet, wenn der Vmer das Fahrzeug veräußert, vgl. Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 6 AKB Anm. 9. Indessen ist außerhalb der von Gesetz (§ 68) oder AVB vorgesehenen Fälle ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, daß der Vmer sich vom Vertrage lösen kann, wenn er am Unfallvsschutz nicht mehr interessiert ist, nicht anzuerkennen; zutreffend AG Hamburg 2. II. 1977 VersR 1977 S. 540: Ein Vmer, der als Rechtsanwalt eine Unfallv genommen hat, sodann in den Richterdienst übernommen wird und angesichts seiner Versorgungsansprüche an der Fortdauer der privaten Unfallv nicht interessiert ist, kann sich nicht zum Zwecke der Lösung vom Vertrage auf den Berufswechsel berufen. Rechtsanwalt und Richter gehören regelmäßig derselben Gefahrengruppe im Sinne des § 4 (1) und (2) AUB an. Wagner

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Anm. D 23

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

[D 23] c) Nachträgliche Versicheningsunfähigkeit Nach § 5 (2) A U B „erlischt der Versicherungsschutz", sobald der Vte im Sinne der Ziffer (1) vsunfähig geworden ist. „Gleichzeitig endet der Vertrag für den Versicherten". Dieser Beendigungsgrund ist in die Konstruktion einer auflösenden Bedingung gekleidet. Die Vorschrift ist wegen Verstoßes gegen relativ zwingendes Recht unwirksam, soweit der „Verlust der Vsfähigkeit" zugleich eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 27 darstellt (§ 34 a), Wriede Anm. D 26. Durch die Regelung des § 5 (2) AUB wird der Vmer in der Regel gegenüber der gesetzlichen Regelung schlechter gestellt: Gemäß § 27 I steht dem Ver in diesen Fällen nur ein befristetes Kündigungsrecht zu. Der Ver bleibt — grundsätzlich — zur Gefahrtragung bis zur Beendigung durch (seine) Kündigung verpflichtet. Unterläßt er die Kündigung, weil ihm die Gefahrerhöhung nicht angezeigt worden ist, so ist er nur von der Deckungspflicht frei, soweit die Gefahrerhöhung den Eintritt des Unfallereignisses und das Ausmaß seiner Folgen beeinflußt hat (§ 28 II). Soweit die in § 5 (1) A U B genannten Voraussetzungen keine Erhöhung der Unfallgefahr bewirken, scheitert die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Fall des Eintritts der Vsunfähigkeit nicht an § 34 a. Solche Fallgestaltungen werden praktisch nicht bedeutsam werden, weil die in § 5 (1) und (2) A U B genannten Faktoren für den Eintritt der Vsunfähigkeit generell die Unfallgefahr erhöhen: Es handelt sich insgesamt um Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Vten, die seine Fähigkeit, eine Unfallgefahr zu erkennen und/oder ihr zu begegnen, auf Dauer vermindern. Der Eintritt der Vsunfähigkeit kann den Fortfall der vten Gefahr zur Folge haben. Gefahrenfortfall ist in der Unfallv, gleichviel, ob sie als Summen- oder Schadensv betrieben wird, dem Interessefortfall im Sinne des § 68 II gleichzustellen, vgl. nachfolgend Anm. D 24. Da vor dem Unfall bestehende Krankheiten oder Gebrechen bei der Berechnung der Entschädigung zu berücksichtigen sind, wenn sie mindestens 2 5 % betragen (§ 10 (1) AUB), kann z.B. eine nach Vertragsschluß unabhängig von einem Unfall eingetretene Vollinvalidität jede an die Invalidität anknüpfende Entschädigungsleistung (§ 8 II., III. und VII. A U B ) ausschließen. Solche Fallgestaltungen können insbesondere deshalb vorkommen, weil die Unfallver die V von Invalidität als (eigentlichen) bedeutsamsten Teil der Unfallv betrachten und bereit sind, Invalidität allein zu vern, während sie andere Entschädigungsleistungen (Todesfall, Tagegeld pp.) nur in Verbindung mit einer Invaliditätsv vern. Wäre hiernach bei Berechnung der Entschädigung eine hundertprozentige Vorinvalidität zu berücksichtigen (§§ 10 (1), 8 II. III. und VII. AUB), so wäre für eine Entschädigungsleistung bei ausschließlich für Invalidität genommene Unfallv kein Raum mehr. Dann kann von Gefahrtragung des Vers nicht gesprochen werden; der Vertrag endet nach § 68 II. Der Ver hat die Prämie bis zum Zeitpunkt der Kenntnis vom Fortfall der Gefahr zu beanspruchen. Für diesen Fall ist die Regelung des § 5 (2) A U B günstiger: Es kommt für die Beendigung des Vertrages und damit für den Fortfall der Prämienzahlungspflicht auf den objektiven Eintritt des maßgeblichen Ereignisses (Eintritt der Invalidität) an, nicht auf die evtl. spätere Kenntnis des Vers hiervon. Insoweit findet sich in § 5 AUB eine zugunsten des Vmers abweichende (§ 68 a) Vereinbarung von der Regelung des §68. Hierzu und wegen der Nachweise wird ergänzend auf die Ausführungen in Anm. C 7 verwiesen: Für die gleichliegenden Fälle einer nach § 5 (1) A U B anfänglichen Vsunfähigkeit, die den Vertrag nach § 68 I unwirksam macht, ist ebenfalls u. U. auf § 5 A U B zurückzugreifen. Vgl. auch Prölss-Martin21 § 5 AUB Anm. 1 und § 42 Anm. 1.

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 26

[D 24] d) Tod der Gefahrsperson Mit dem Tod der Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17) wird die Gefahrtragung des Vers unmöglich. Das ist unabhängig davon, ob der Vmer mit der Gefahrsperson identisch ist. Die Rechtsfolgen würden sich nach bürgerlichem Recht aus § 323 BGB ergeben, vgl. Sieg Bd II § 68 Anm. 6; zum Problem der vsunfähigen Gefahrsperson oben Anm. C 7 und Anm. D 23. Für den Vsvertrag ergibt sich die Regelung aus § 68. Diese Vorschrift enthält eine für die Besonderheiten des Vsvertrages ausgeformte Regelung (Sieg Bd II § 68 Anm. 7), die einen Rückgriff auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 323-324 BGB überflüssig macht. Die vsrechtliche Regelung des § 68 ist dem Vmer insofern günstiger, als es auf Vertretenmüssen oder auf Zurechnung des Unmöglichwerdens zur Gläubigersphäre nicht ankommt. Für das Schicksal der Prämie — hierauf beschränkt sich dem Wortlaut nach die Regelung des § 68 — ist sie eher dem Ver günstig, weil für ihn das maßgebliche Ereignis — Tod der Gefahrsperson — erst dann die in § 68 II vorgesehene Wirkung äußert, wenn er - der Ver — hiervon Kenntnis erlangt hat; zur Gesamtwertung der vsrechtlichen Sonderregelung vgl. Sieg a.a.O. Anm. 8. § 68 gilt für die Unfallv unabhängig davon, ob sie als Schadensv oder als Summenv ausgestaltet ist, Sieg Bd II § 68 Anm. 14 und 15. Denn die spezifisch vsrechtliche Bestimmung des § 68 schließt den Tatbestand des (dauernden) Gefahrmangels ein. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 681: Die hier vorgenommene Gleichstellung von Unternehmen und Interesse zeigt, daß § 68 von einem weiteren Interessebegriff ausgeht als andere Vorschriften des W G ; vgl. hierzu Sieg a.a.O. Anm. 25. Über das Ergebnis herrscht Einigkeit : Der Vsvertrag erlischt, die Gefahrtragungsleistung des Vers wird unmöglich (gegenstandslos), der Vmer hat die Prämie pro rata temporis zu zahlen. Dem entspricht die Regelung des § 7 II. (4) AUB, wonach dem Ver nur der Teil der Prämie gebührt, der der abgelaufenen Vszeit entspricht. Dabei kommt es entgegen der Regelung des § 68 II jedoch nicht auf die Kenntnis des Vers, sondern auf den objektiven Tatbestand (Tod der Gefahrsperson) an. § 7 II. (4) AUB enthält keine der Regelung des § 68 II entsprechende Einschränkung. Unter den in § 15 AUB aufgezählten Obliegenheiten des Vmers ist die Anzeige des Todes der Gefahrsperson nicht genannt. Undeutlich insoweit Wussow AUB 4 § 7 Anm. 16 S. 149 und Wüstney § 17 Anm. 8 S. 92—93, die aber ebenfalls nicht auf die Kenntnis des Vers abstellen. [D 25] e) Restfälle Wird die Unfallv für eine bestimmte Veranstaltung, eine bestimmte Reise oder für ein sonstiges zeitlich begrenztes Geschehen abgeschlossen, so endet der Unfallvsvertrag mit dem Ende dieser Veranstaltung. Der Vsschutz für den einzelnen Teilnehmer, für den die Unfallv vielfach als Fremdv für fremde Rechnung abgeschlossen wird (§§ 179 II, 75 I), endet z.B. mit Beendigung der Reise (genaue Bezeichnung des Ankunftsortes oder mit Verlassen des Veranstaltungsraumes oder -geländes — Beispiel: Zuschauer eines Fußballspiels verläßt die Tribüne oder den Platz). Solche Verträge werden überwiegend als Gruppenverträge abgeschlossen. Entsprechendes gilt für eine (Gruppen-)Unfallv für einen Arbeitnehmer: Sein Vsschutz erlischt in der Regel mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Beispiel: KG 7. XI. 1931 VA 1932 S. 30 Nr. 2389. [D 26] 4. Anfechtung des Unfallversicherungsvertrages a) Allgemeines Jeder der am Abschluß eines Unfallvsvertrages Beteiligten kann seine zum Vertragsschluß führende Willenserklärung wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung Wagner

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Anm. D 27

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

anfechten, §§ 119, 120, 123 BGB. Aus den Besonderheiten des Vsrechtes ergibt sich für das Anfechtungsrecht nur eine Einschränkung: Das Recht des Vers, den Vertrag wegen I r r t u m s ü b e r G e f a h r u m s t ä n d e anzufechten, ist ausgeschlossen (arg. § 22), vgl. den Überblick bei Bruck-Möller § 22 Anm. 3—6. Das aus § 123 BGB sich ergebende Recht zur Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung bleibt unberührt. Eine Anfechtung wegen Drohung ist praktisch ohne Bedeutung. [D 27] b) Arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer In der Praxis ist Gegenstand einer gemäß § 123 BGB bedeutsamen Täuschung durch den Vmer überwiegend das Verschweigen eines im Sinne des § 16 I erheblichen Gefahrumstandes. Das folgt aus der Notwendigkeit der Arglist, die den Gegenstand der Täuschung auf solche Informationen begrenzt, die für den Entschluß des Vers, den Vertrag überhaupt oder mit dem angetragenen Inhalt zu schließen, von Bedeutung sein können. Ob daneben aus den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Offenbarungspflicht folgt, ζ. B. den Ver über schlechte Vermögensverhältnisse aufzuklären (BruckMöller § 22 Anm. I I S . 359), ist praktisch ohne Bedeutung: Angesichts der von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen für den vom Ver zu führenden Nachweis der Arglist (grundsätzlich - für Lebensv - OLG Hamburg 4. III. 1954 VA 1954 S. 84 Nr. 67) wird der Ver nicht beweisen können, daß der Vmer die Möglichkeit, die Prämie alsbald schuldig bleiben zu müssen, bewußt in Kauf genommen hat. Die in der Rechtsprechung behandelten Fälle konzentrieren sich auf die Frage, ob die unrichtige Beantwortung von im Antragsvordruck gestellten Fragen die Feststellung a r g l i s t i g e r Täuschung ermöglicht. Diese Feststellung (Beweis) ergibt sich nicht allein aus dem Umstand, daß der Vmer eine Frage unrichtig beantwortet hat; ausführlich hierzu Bruck-Möller § 22 Anm. 17 m.N., im gleichen Sinne BGH 13. V. 1957 NJW 1957 S. 988 = VersR 1957 S. 351 und OLG Frankfurt/M 13. X. 1966 NJW 1967 S. 680 (für Unfallv), ebenso Prölss-Martin21 § 22 Anm. 2. Der BGH begründet diesen Satz u. a. auf der Grundlage seiner Auffassung, daß die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins nicht für die Frage gelten, aus welcher inneren Einstellung ein Mensch gehandelt habe, BGH 13. V. 1957 NJW 1957 S. 989 = VersR 1957 S. 352. Dem ist für diesen Zusammenhang zu folgen, da jedenfalls die unrichtige Beantwortung einer formularmäßig vom Ver gestellten Frage anders motiviert sein kann, etwa weil der Antragsteller die Beantwortung für unerheblich hält oder vom Vsagenten Zweifel beschwichtigt werden. Der Beweis arglistiger Täuschung ist in der Unfallv als g e f ü h r t a n g e s e h e n w o r d e n von OLG Düsseldorf 1. XII. 1932 JRPV S. 304-306 (Verschweigen einer Syphilis-Erkrankung), von KG 18. I. 1933 JRPV 1933 S. 137-138 (wahrheitswidrige Verneinung früherer Unfälle) und KG 6. V. 1936 JRPV 1936 S. 318-320 (Verschweigen von Syphilis-Vorerkrankung). Beweis f ü r Arglist des Vmers v e r n e i n t haben KG 15. XI. 1929 JRPV 1929 S. 419, LG Stuttgart 19. X. 1954 VersR 1955 S. 145 — nach Sachlage nur verständlich, weil Leistungsfreiheit gemäß § 10 AUB a.F. bejaht wird - und OLG Karlsruhe 28. I. 1977 VersR 1977 S. 635 mit dem nicht zutreffenden Hinweis darauf, daß bei einer reinen Unfalltagegeldv das Risiko weniger als sonst bei einer Kranken- oder Lebensv von Vorerkrankungen abhängig sei. Denn die Einschränkung des § 21 gilt nur für den Rücktritt des Vers. Die Anfechtung muß binnen Jahresfrist nach Kenntnis von der Täuschung erklärt werden (§ 124 BGB). Versäumt der Ver diese Frist, so kann er die arglistige Täuschung gegenüber dem Verlangen des Vmers nach Entschädigung gleichwohl einredeweise entgegenhalten, wenn der Vmer durch die Täuschung zugleich eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 II, 826 BGB begangen hat, BGH 29. I. 1969 NJW 1969 S. 604 = VersR 1969 S. 319. 168

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 30

[D 28] c) Rechtsfolgen der Anfechtung durch den Versicherer Die Anfechtungserklärung des Vers macht den Vsvertrag von Anfang an nichtig (§ 142 I BGB). Der Ausgleich der gegenseitig erbrachten Leistungen wird nach § 812 BGB vollzogen. Indes kann der Vmer die Gefahrtragung bzw. ihren Wert (§ 818 III BGB) nur zurückgeben, wenn zwischen Vertragsschluß und Anfechtung ein Vsfall eingetreten ist und der Ver eine Entschädigung geleistet hat. Diese Entschädigung muß der Vmer nach §§ 812 I 2, 819, 291 BGB mit Zinsen zurückgewähren. Ob der Umstand, über den der Vmer getäuscht hat, auf den Eintritt des Vsfalles oder den Umfang der Entschädigungsleistung Einfluß gehabt hat, ist ohne Bedeutung. Hierin liegt der praktisch bedeutsame Unterschied zum Rücktritt (§ 21, vgl. zum ganzen Bruck-Möller § 22 Anm. 27). Ist zwischenzeitlich ein Vsfall nicht eingetreten, so ist der Vmer außerstande, die Gefahrtragung zurückzugewähren. Dem trägt die Regelung des § 40 I 1 Rechnung: Der Ver hat Anspruch auf die Prämie für die laufende, gegebenenfalls auch für die frühere Vsperiode; Einzelheiten bei Bruck-Möller § 22 Anm. 28. [D 29] 5. Rücktritt vom Unfallversicheningsvertrag a) Allgemeines In den AUB wird dem Ver ein Rücktrittsrecht nur mittelbar eingeräumt: Es ergibt sich aus der Verweisung auf § 38 in § 14 (2) AUB. Daneben bleibt auch für die Allgemeine Unfallv das Rücktrittsrecht des Vers nach § 16 II bedeutsam. Es kann mit dem Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung konkurrieren. Dann ist die Anfechtung, sofern der Ver Arglist des Vmers beweisen kann, für ihn vorteilhafter, weil die Beschränkung der Rücktrittswirkung gemäß § 21 für die Anfechtung nicht gilt. Das übersieht OLG Karlsruhe 28. I. 1977 VersR 1977 S. 635. Andererseits sind die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht insofern leichter darzutun, als der Nachweis des Verschweigens eines gefahrerheblichen Umstandes oder die Falschbeantwortung einer entsprechenden Frage genügt. Der dem Vmer dann obliegende Nachweis mangelnden Verschuldens (§ 17 II) wird ihm dann schwerlich gelingen. [D 30] b) Wirkungen Der Rücktritt erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 20 II 1). Die wirksame Rücktrittserklärung löst entsprechend § 346 BGB beiderseitige Rückgewährpflichten aus, die wegen der Besonderheiten des Vsvertrages und zum Schutze des Vmers modifiziert sind: Der Rücktritt äußert keine echte Rückwirkung auf den Vertragsschluß. Dem Ver gebührt die Prämie bis zum Schluß der Vsperiode (§ 40 I 1). Die Gefahr trägt er bis zum Zugang seiner Rücktrittserklärung (§ 130 BGB), er ist für bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Vsfälle entschädigungspflichtig, soweit der verschwiegene Gefahrumstand auf den Eintritt des Unfallereignisses oder den Umfang seiner Folgen ohne Einfluß geblieben ist (§ 21); wegen der Einzelheiten wird auf Bruck-Möller § 21 Anm. 4, 9 und 10 verwiesen. Dafür genügt es nicht, daß der Ver bei ordnungsgemäßer Aufklärung über den Gefahrumstand den Vertrag nicht oder nur zu höheren Prämiensätzen abgeschlossen haben würde. § 21 stellt allein darauf ab, ob - bezogen auf die Unfallv - der verschwiegene Gefahrumstand auf den Eintritt des Unfallereignisses oder/und auf den Umfang seiner Folgen Einfluß genommen hat, vgl. RG 20. IX. 1927 RGZ Bd 118 S. 57 für Lebensv, RG 15. XI. 1929 JRPV 1929 S. 419 für Unfallv. Hier wird die Ursächlichkeit verneint, weil Rückenmarksschwindsucht oder Syphilis keinen Einfluß auf den Unfall (Kollision mit PKW) gehabt hätten. Wagner

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Anm. D 32

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

Angesichts der vom BGH 28. IV. 1971 NJW 1971 S. 1891 = VersR 1971 S. 662 angestellten Erwägungen ist zweifelhaft geworden, ob das in § 21 genannte Kausalitätserfordernis auch dann gilt, wenn der verschwiegene Gefahrumstand (§ 16 I) das „Vertragsrisiko" betrifft. Das ist der Fall bei verschwiegener anderweitiger Unfalloder Krankenv mit möglicherweise erheblichen Vssummen, weil ein solches Verhalten die Befürchtung betrügerischer Machenschaften begründen kann (Formulierung nach BGH a.a.O.). In der zitierten Entscheidung wird das in § 6 II normierte Kausalitätserfordernis für unerheblich erklärt: Der vertragswidrige Abschluß weiterer Krankentagegeldven bedeute die Verletzung einer Obliegenheit der in § 6 II genannten Art, da § 11 I 1 AVB den weiteren Abschluß solcher Ven ohne Einwilligung des Vers verbiete. Auf das Kausalitätserfordernis gemäß § 6 II komme es hier nicht an; es passe seiner Natur nach nicht für Obliegenheitsverletzungen, die das subjektive Risiko (Vertragsgefahr) beträfen, da solche Obliegenheiten dann vielfach sanktionslos blieben. Dem zutreffenden Hinweis von Surminski NJW 1972 S. 343—344, daß diese Erwägungen u.a. auch für § 21 gelten müßten, ist BGH 8. VI. 1977 VersR 1977 S. 660-661 nicht gefolgt: Die eingehende gesetzliche Regelung der §§ 16—21 schließe eine Regelung der Vertragsgefahr ein, sie sei nicht im Sinne der vorgenannten Entscheidung, die auf Sinn und Inhalt einer vertraglichen Obliegenheit abstelle, zu modifizieren.

[D 31] 6. Kündigung a) Allgemeines Die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige ex nunc wirkende Gestaltungserklärung eines Vertragsteils ist die reguläre Art der Beendigung eines auf unbestimmte Zeit eingegangenen Dauerschuldverhältnisses. Insoweit gilt für den Vsvertrag nichts anderes als für die im BGB genannten Dauerschuldverhältnisse. Sie ist für die Allgemeine Unfallv in § 7 II. (1). AUB geregelt. Neben diesen Regelfall der ordentlichen Kündigung treten die in § 7 II. (2) a AUB genannten Fälle der außerordentlichen Kündigung und kraft Verweisung auf § 39 III 1 in § 14 (2) AUB die Kündigung des Vers wegen Verzuges des Vmers mit einer Folgeprämie. Diese Fälle außerordentlicher Kündigung sind zu ergänzen um die analog §§ 626, 723 BGB für alle Dauerschuldverhältnisse zwingend eröffnete Möglichkeit, aus wichtigem Grunde zu kündigen. Die in § 7 II. (2) a AUB genannten Kündigungsgründe sowie das Recht des Vers, den Vsvertrag wegen Gefahrerhöhung zu kündigen (§§ 24, 27), das auch für die Allgemeine Unfallv gilt, ist nur ein (modifizierter) Unterfall der Kündigung aus wichtigem Grunde.

[D 32] b) Form Nach § 7 II (1) S. 4 AUB soll die Kündigung durch eingeschriebenen Brief erfolgen. Diese Vorschrift hat den Zweck, den Beweis für das Ob und Wann der Kündigungserklärung sicherzustellen. Wird mit gewöhnlichem Brief schriftlich gekündigt, so ist diese Kündigung ohne Einschränkung formwirksam, Wüstney § 18 Anm. 1 B, S. 94, ebenso Wriede Anm. D 32. Fraglich ist, ob nicht in der für das Einschreiben durch Sollvorschrift bestimmten Form zugleich die kraft AVB für alle Kündigungserklärungen geltende Vereinbarung einfacher Schriftform als minus gelten soll. Das kann indes angesichts der Regelung des § 18 AUB nicht angenommen werden: Dort wird Schriftform für alle Erklärungen — also auch Kündigungen — verlangt, die dem Ver gegenüber abzugeben sind. Eine entsprechende Vorschrift für Erklärungen des Vers an den Vmer fehlt. Die daraus folgende Ungleichheit bleibt 170

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 33

praktisch ohne Auswirkungen, weil der Ver heute ausnahmslos durch schriftliche Erklärung handelnd hervortritt. Der Vmer muß hiernach seine Kündigungserklärung schriftlich abgeben (§ 18 AUB). Welchen Erfordernissen er dabei zu genügen hat, ergibt sich aus §§ 126, 127 BGB. Telegrafische Übermittlung reicht aus, Einzelheiten bei Bruck-Möller § 8 Anm. 34, vgl. auch Wussow AUB 4 § 18 Anm. 1. Wird die Erklärung des Vmers mündlich einer zuständigen Stelle des Vers gegenüber (vgl. § 18 AUB) abgegeben oder sonst in einer nicht den Voraussetzungen des § 126 I BGB genügenden Form erklärt, so muß die Erklärung als nicht der vorgeschriebenen Form entsprechend zurückgewiesen werden. Geschieht das nicht, so muß der Ver die Erklärung gegen sich gelten lassen, vgl. Bruck-Möller § 8 Anm. 34 a.E. und Wussow a.a.O. § 18 Anm. 3, differenzierend Wriede Anm. D 36, S. 110-111. Der Ver muß schriftlich kündigen, wenn er die Kündigungserklärung mit der qualifizierten Mahnung verbindet (§ 39 I 1 mit III 2). Dann genügt faksimilierte Unterschrift auch für die mit der Mahnung verbundene Kündigung, einhellige Meinung vgl. nur Bruck-Möller § 39 Anm. 47. [D 33] c) Frist Der Begriff der „Kündigungsfrist" ist mehrdeutig: Er kann einen Zeitraum bezeichnen, innerhalb dessen dem Vertragspartner die Kündigungserklärung zugegangen sein muß (Erklärungsfrist). Bedeutsam ist hier in Wahrheit nicht der Zeitraum, sondern dessen Endpunkt, der in AVB vielfach mit dem Adverb „spätestens" versehen wird (vgl. § 7 II. (1) S. 3 AUB). Die in § 7 II. (1) vorgesehene „ordentliche Kündigung" (Begriff: Anm. D 34) kann dem Vertragspartner, ohne deshalb unwirksam zu sein, auch vor dem Beginn der dort genannten Dreimonatsfrist zugehen. Die Kündigungsfrist kann aber auch den Zeitraum betreffen, der zwischen Zugang der Kündigungserklärung und ihrem Wirksamwerden (im Sinne der vertragsbeendenden Gestaltungswirkung) liegt. Diese „Wirkungsfrist" ist z.B. in § 7 II. (2) b 1. Halbsatz AUB gemeint, während die vorstehend beschriebene Erklärungsfrist in dieser Bestimmung im nachfolgenden Konditionalsatz („erlischt, wenn es nicht spätestens") enthalten ist. Dabei wird die undeutliche Terminologie im Bedingungstext sichtbar: Die Wirkungsfrist wird nur für die Kündigung des Vmers deutlich als solche formuliert („durch den Versicherungsnehmer mit s o f o r t i g e r Wirkung auszusprechen"), während es an einer entsprechend klaren Fassung für die Erklärung des Vers fehlt (wegen der daraus sich ergebenden Schwierigkeiten vgl. Anm. D 40). Die Erklärungsfrist wird nach §§ 187, 188, 193 BUB berechnet (Beispiel: nachfolgend Anm. D 34). Ihre Versäumung macht die Kündigungserklärung unwirksam, eine die Unwirksamkeit heilende Exkulpation des Erklärenden ist nicht möglich, Wriede Anm. D 35. Ob sie als Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt oder als Offerte zur einverständlichen Aufhebung des Vertrages zu deuten ist, kann nicht generell, sondern nur als Ergebnis der Auslegung im Einzelfall beantwortet werden. Dabei ist auf die Besonderheiten des Vsvertrages Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet aus der Sicht des Vers, der eine wegen Form- oder Fristmangel unwirksame Kündigungserklärung entgegennimmt, daß er aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben regelmäßig gehalten ist, den Vmer auf diesen Mangel aufmerksam zu machen, z.B. um ihn vor den Folgen eines evtl. unwirtschaftlichen (Mehrfach- bzw. Doppelv) Neuabschlusses eines Vsvertrages zu bewahren. Für diesen Zusammenhang, soweit er nicht spezifisch für die Unfallv ist, wird auf Bruck-Möller § 8 Anm. 28—40, Wriede Anm. D 36 und den informativen Überblick bei Bach VersR 1977 S. 881-888 (entgegen dem Titel nicht nur für die PKV bedeutsam) verwiesen. Wegen der Besonderheiten für die Unfallv vgl. Anm. D 47. Wagner

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D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

[D 34] d) Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aa) Ordentliche Kündigung Die ordentliche Kündigung setzt keinen besonderen Kündigungsgrund voraus, vgl. Wriede Anm. D 37, S. 112. Sie steht dem Vmer bei Vsverträgen, die auf unbestimmte Zeit geschlossen werden, gemäß § 8 II zwingend zu. Die Wirkung der Kündigung ist an bestimmte Fristen gebunden, für deren Vereinbarung sich aus § 8 II ein Rahmen ergibt. Die Regelung des § 7 II. (2) AUB hält sich in diesem Rahmen. Der in den AUB als Regel vorgesehene Vertrag wird für die Dauer von zunächst einem Jahr unter gleichzeitiger Vereinbarung einer Verlängerungsklausel geschlossen ( § 7 1 AUB). Die Verlängerungsklausel macht den Vertrag zu einem Vertrag mit unbestimmter Dauer (Anm. D 18). Das ist deshalb bedeutsam, weil nach h. M. das vom Gesetz (§ 8 II) zwingend vorgesehene Recht des Vmers zur (formlos wirksamen) Kündigung durch ein Schriftlichkeitserfordernis in unzulässiger Weise eingeschränkt werden würde, Bruck-Möller § 8 Anm. 17, Wriede Anm. D 37, Prölss-Martin21 § 8 Anm. 5 D. Der Unfallver kann sich deshalb in solchen Fällen der Vereinbarung einer Verlängerungsklausel nicht darauf berufen, daß der Vmer nicht wirksam, weil nicht schriftlich, § 18 AUB gekündigt habe. Die Kündigungsfrist ist eingehalten, wenn die Erklärung dem Ver, d.h. seinem Vorstand oder der im Vsschein bezeichneten Geschäftsstelle (§18 AUB) drei Monate vor dem beabsichtigten Ablauf des Vertrages zugegangen (§ 130 BGB) ist. Soll z. B. das Vertragsverhältnis zum 31. März beendet werden, so muß die Kündigungserklärung dem Ver spätestens am 31. Dezember des vorangehenden Jahres zugehen, wenn dieser Tag nicht auf einen Sonntag, Samstag oder Feiertag fällt (§§ 187, 193 BGB). In einem solchen Falle würde es genügen, wenn die Kündigung dem Ver am 2. Januar zugeht — sie würde dann zum 31. März desselben Jahres wirksam werden, Wriede Anm. D 35 m. N. [D 35] bb) Außerordentliche Kündigung aaa) Begriff Eine außerordentliche Kündigung ist auf eine irreguläre Beendigung des Vertrages gerichtet. Sie setzt regelmäßig voraus, daß eine Änderung der tatsächlichen (oder rechtlichen) Grundlagen des Vertrages es nahelegt, den Parteien das Recht zur Lösung vom Vertrage zu geben, vgl. Wriede Anm. D 38, sie wirkt indes nicht notwendig sofort (fristlos). Die AUB sehen drei solcher Fälle außerordentlicher Kündigung für beide Vertragsparteien vor (§ 7 II. (2) a AUB). Sie entsprechen für die private Unfallv einer langen Tradition: Schon in § 9 der Verbandsbedingungen von 1904 (abgedruckt bei Gerhard-Hagen S. 756— 757) stand dem Ver ein Kündigungsrecht „nach einem jeden Schadenfalle, auch wenn er eine Entschädigungspflicht der Gesellschaft nicht begründet" zu, während es für den Vmer voraussetzte, daß er einen Entschädigungsanspruch „klagend geltend gemacht hat". Nachdem das W G von 1908 ähnliche Bestimmungen für die Feuerv (§ 96), für die Hagelv (§§ 113) und für die Haftpflichtv (§ 158) getroffen hatte, präzisierten die AVB für die Allgemeine Unfallv von 1910 (VA 1910 S. 189—190) die Voraussetzungen dieser außerordentlichen Kündigung in § 13 III dahingehend, daß dem Ver ein Kündigungsrecht „nach jeder Entschädigungsleistung und jeder Ablehnung der Entschädigungsleistung", dem Vmer aber dann zustehe, „wenn er einen Versicherungsanspruch klagend geltend gemacht oder die Einberufung einer Kommission beantragt" habe. Die AVB von 1920 (VA 1920 S. 109) machten dieses Kündigungsrecht in § 18 III. 1 von gleichen Voraussetzungen für beide Vertragsparteien abhängig (vgl. die Gegenüberstellung in der Begründung der Aufsichtsbehörde VA 1920 S. 94). Das Kündigungsrecht setzte hiernach voraus, daß entweder eine Entschädigung gezahlt worden, es zu einem Prozeß über den Entschä172

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 36

digungsanspruch oder zum Zusammentritt der Kommission gekommen sei (§ 18 II. 1). Femer wurde ein Kündigungsrecht für den Eintritt einer der in § 3 (6) genannten Krankheitszustände des Vten gewährt (§ 18 II. 1. c). Bei dieser Regelung blieb es trotz einiger Änderungen der AVB im übrigen bis zu ihrer Neufassung im Jahre 1961. Ihr Standort war durch die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung von 1952" in § 17 AUB a. F. verlegt worden. Mit den AUB von 1961 wurde diese Regelung in § 7 übernommen (Gegenüberstellung der Texte bei Grewing, Entstehungsgeschichte S. 28) und sachlich nur insoweit verändert, als die Voraussetzungen für die Entstehung des Kündigungsrechtes zeitlich vorverlegt wurden (vgl. Grewing a.a.O. S. 30). Der Hinweis auf den Ausschlußtatbestand des § 3 (7) der AUB von 1952 = § 3 (6) der AUB von 1920 wurde überflüssig, weil die dort genannten Ausschlußgründe nach der Neufassung des § 5 AUB zur Vertragsbeendigung ipso iure wegen Eintritts der Vsunfähigkeit führten. Es ist nicht zweifelhaft, daß die jetzt in § 7 II. (2) a AUB beschriebenen Kündigungstatbestände auf demselben Gedanken beruhen, wie die in §§ 96, 113 und 158 genannten außerordentlichen Kündigungsgründe. Hierzu heißt es in der amtlichen Begründung: „Die Wahrnehmungen, zu welchen die Ermittlung und Feststellung des Schadens Anlaß geben, rufen häufig bei dem einen oder anderen Teil den begründeten Wunsch hervor, an den Vertrag nicht weiter gebunden zu bleiben"; in diesem Sinne schon Gerhard-Hagen Anm. zu § 13 der Verbandsbedingungen von 1904 (S. 757). Dabei kann hier dahinstehen, ob der Gedanke, daß die Erfahrungen, die die Vertragsparteien anläßlich eines tatsächlichen oder behaupteten Vsfalles miteinander machen, für alle Fälle der Schadensv — als allgemeiner Rechtsgrundsatz — eine außerordentliche Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn es an einer entsprechenden Regelung fehlt (mit überzeugenden Gründen verneinend OLG Düsseldorf 31. X. 1967 VersR 1968 S. 243 für Rechtsschutzv). Denn dieser für die Unfallv traditionelle Kündigungsgrund ist von ihrem Charakter als Summen- oder Schadensv unabhängig. Die tatsächlichen Voraussetzungen für diese Kündigungsrechte sehen, wie der zitierte Satz der amtlichen Begründung zeigt, bewußt von der Notwendigkeit ab, die Ausübung des Kündigungsrechts mit einer Wertung des Verhaltens des Vertragsgegners zu begründen, vgl. hierzu Prölss VersR 1963 S. 893. Gerade der damit verbundene Zwang, etwaige Verdächtigungen und Verärgerungen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu machen, soll den Parteien erspart bleiben. Andererseits muß der Tatbestand für diese außerordentliche Kündigung so gestaltet werden, daß keiner der Parteien eine „frivole Konstruktion eines Kündigungsanlasses" an die Hand gegeben wird (so schon Gerhard-Hagen a.a.O. S. 757). Aus diesem Grunde setzen die AUB für die Entstehung des Kündigungsrechts mehr voraus, als die Vorschriften der §§ 96, 113 und 158, wo der „Eintritt eines Vsfalles" als ausreichend bezeichnet wird. Diese weiteren Voraussetzungen sind auf die Formel zu bringen, daß beide Vertragsparteien ihren Rechtsstandpunkt.durch aktives Tun bestätigen müssen: Für das Kündigungsrecht des Vers genügt nicht, daß der Vmer einen Vsfall behauptet und der Ver seine Entschädigungspflicht verneint. Der Vmer muß seine Behauptung durchzusetzen suchen durch Klageerhebung oder Antrag auf Entscheidung des Ärzteausschusses. Der Ver muß der Behauptung des Vmers, ein entschädigungspflichtiger Unfall habe stattgefunden, durch Zahlung einer Entschädigung Genüge tun. Eine solche Handlungsweise als Konsequenz der Auffassung, ein Vsfall sei gegeben, ist für die Entstehung des Kündigungsrechts und für den Beginn seiner Befristung konstitutiv. [D 36] bbb) Zahlung einer Entschädigung (§ 7 II. (2) a 1. Alt. AUB) Der Tatbestand setzt voraus, daß eine der in § 8 AUB vorgesehenen und im konkreten Vertrage vereinbarten Arten der Entschädigung tatsächlich geleistet worden Wagner

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Anni. D 37

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

ist. Dabei ist nicht erforderlich, daß jede der in Betracht kommenden Arten der Entschädigungsleistung erbracht — die Abwicklung also objektiv beendet — worden ist. Nach dem vorstehend dargestellten (Anm. D 35) Sinn der tatbestandlichen Voraussetzungen des Kündigungsrechts muß es genügen, daß der Ver durch Zahlung auch eines Teiles der geforderten Entschädigung den Rechtsstandpunkt des Vmers, es habe ein entschädigungspflichtiger Unfall stattgefunden, anerkennt. Denn eine solche „anerkannte" Entschädigung leistet der Ver auch dann, wenn er nicht sogleich die gesamte geforderte und/oder geschuldete Entschädigungsleistung erbringt. Dies zu fordern verbietet sich schon deshalb, weil dann z.B. im Falle einer Verrentung (§§ 8 II., 20 AUB) ein Kündigungsrecht überhaupt nicht entstehen oder bei Teilzahlungen aus anderen Gründen (evtl. teilweise Aufrechnung) seine Entstehung willkürlich hinausgezögert werden könnte (insoweit zutr. LG Stuttgart 7. IV. 1951 VersR 1951 S. 162 mit Anm. Weber). Andererseits entsteht das Kündigungsrecht für beide Teile auch dann, wenn der Vmer die tatsächlich angebotene Entschädigungsleistung nicht annimmt, weil eresie für zu gering hält (LG Berlin II 4. IV. 1928 JRPV 1928 S. 144, ebenso LG Köln 9. V. 1928 VA 1928 S. 205 Nr. 1861). Dagegen ist eine Einigung über eine Entschädigungspflicht des Vers, die aus seiner Sicht ein (deklaratorisches) Anerkenntnis zum Inhalt hat, angesichts des Wortlauts von § 7 II. (2) a AUB nicht genügend: Der Ver muß sein „Anerkenntnis", daß ein Vsfall stattgefunden habe, durch Zahlung oder tatsächliches Angebot manifestieren. Wie hier, d. h. Teilzahlung ausreichen lassend OLG Cöln 28. IV. 1906 VA 1906 Anh. S. 103-105 Nr. 248, die Gründe sind in der Methode der Begründung überholt und stellen weniger auf die Entstehung des Kündigungsrechts als auf den Beginn der Erklärungsfrist für die Kündigung des Vers ab. [D 37] ccc) Klageerhebung wegen des Entschädigungsanspruchs Der Kündigungsgrund nach § 7 II. (2) a 2. Alt. AUB setzt seinem Wortlaut nach voraus, daß der Anspruchsberechtigte (Vter oder Vmer) gegen den Ver Klage auf Zahlung des Entschädigungsanspruchs erhoben hat. Klageerhebung setzt Zustellung der Klagschrift voraus (§ 261 ZPO), Klageinreichung mit Zustellung „demnächst" genügt (§ 270 III ZPO). Der der Regelung des § 7 II. (2) a AUB zugrundeliegende Gedanke (Anm. D 35) spricht für eine weite Auslegung des Begriffs der Klagerhebung. Mit der Klage als Folge eines tatsächlichen oder vom Vmer behaupteten Unfalles manifestiert (Anm. D 35) der Vmer seine Auffassung, ein deckungspflichtiger Unfall habe stattgefunden. Dann kann es für das Entstehen des Kündigungsrechts nicht darauf ankommen, ob vor dem sachlich und/oder örtlich zuständigen Gericht Klage erhoben worden ist; für örtlich unzuständiges Gericht verneinend RG 12. IV. 1918 VA 1918 Anh. S. 49 Nr. 1053, für sachlich unzuständiges Gericht bejahend OLG Stuttgart 26. IV. 1927 VA 1928 S. 224 Nr. 1738 - wie hier Wussow AUB 4 § 7 Anm. 12 S. 146. Die Zustellung eines Zahlungsbefehls - jetzt: Mahnbescheid - genügt; RG 14. II. 1908 RGZ Bd 68 S. 108. Auch die Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 184 war Klagerhebung in diesem Sinne (Wussow a.a.O. S. 145), das ist jetzt ohne Bedeutung, da schon der Antrag gemäß § 12 AUB genügt. Zweifelhaft ist, ob ein Armenrechtsgesuch des Vmers einer Klage gleichzustellen ist. Den verneinenden Entscheidungen RG 4. XII. 1903 VA 1913 Anh. S. 3 Nr. 711 und OLG Hamm 11. V. 1955 VersR 1955 S. 385 ist im Ergebnis zuzustimmen, weil der das Armenrecht beantragende Vmer die Entscheidung, ob er Klage erheben will, noch nicht getroffen hat. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des Bedingungstextes. Die weitgefaßte Ausdrucksweise „wegen des Entschädigungsanspruchs Klage erhoben" würde auch eine negative Feststellungsklage des Vers umfassen. Denn auch sie 174

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 39

wirkt Rechtskraft für oder gegen den Anspruch des Vmers. Da ein solcher Fall sachlich eine besonders nachdrückliche Form der Ablehnung der Entschädigungsleistung darstellt, diese aber nicht als Kündigungsgrund genannt ist, kann eine solche Klage, die praktisch nicht vorkommt, nicht als Voraussetzung für eine Kündigung nach § 7 II. (2) a AUB angesehen werden. [D 38] ddd) Antrag auf Entscheidung des Ärzteausschusses Dieser Kündigungsgrund ist sachlich als Unterfall eines Kündigungsrechts wegen Klagerhebung (vorstehend Anm. D 37) zu werten; in diesem Sinne auch Wussow AUB 4 § 7 Anm. 12 S. 146. Der bei Meinungsverschiedenheiten auf Antrag für die in § 12 I (1) AUB genannten Fragen entscheidende Ärzteausschuß übernimmt vorbehaltlich einer Anfechtung seiner Entscheidung nach § 184 die Funktion des Gerichts. Der „Antrag auf Entscheidung des Ärzteausschusses" ist die dem Ver gegenüber abgegebene Erklärung des Vmers (Form: § 18 AUB), daß eine Entscheidung des Ärzteausschusses gewünscht werde, vgl. auch Wussow AUB4 § 12 Anm. 3 S. 195. [D 39] eee) Mißbraudi des Kündigungsrechts Die vorstehend Anm. D 37 und D 38 genannten Kündigungsrechte kann der Vmer willkürlich herbeiführen, indem er einen Vsfall (nur) behauptet oder sich mit der Beurteilung der Entschädigungspflicht durch den Ver nicht zufrieden gibt. Das kann wider bessere Einsicht und aus sachfremden Motiven geschehen, etwa um dem Werben eines Konkurrenzunternehmens mit günstigerem Tarif nachzugeben. Die von Wussow AUB 4 § 7 Anm. 13 unter der Überschrift „Erschleichen des Kündigungsrechts" aufgeführten Beispiele beschränken sich auf Fälle, in denen der Mißbrauch sich aus der Handlungsweise ergibt, diese zumindest ein Indiz für Mißbrauch sein kann. Wussow schlägt vor, in solchen Fällen dem Vmer das Kündigungsrecht gemäß § 162 BGB zu versagen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die in § 7 II. (2) a AUB genannten außerordentlichen Kündigungrechte sind wertfrei in dem Sinne, daß sie einen tatsächlichen oder gar streitig geführten Konflikt zwischen Ver und Vmer aus Anlaß der Regulierung nicht voraussetzen. Das zeigt deutlich der an erster Stelle genannte Kündigungsgrund, der nicht mehr verlangt als die Zahlung einer Entschädigung durch den Ver. Er ist — für sich gesehen — nur praktisch bedeutsam, wenn sich der Vmer mit dieser Leistung begnügt und es zu Klage oder Anrufung des Ärzteausschusses nicht gekommen ist. Dann spricht auch der äußere Ablauf für eine konfliktfreie Regulierung. Wenn hier gleichwohl ein Kündigungsrecht für beide Teile entsteht, so ist als Rechtfertigung hierfür ausreichend, daß das Vsverhältnis mit Eintritt des Vsfalles in ein neues Stadium getreten ist. Allein dieser Umstand rechtfertigt (bereits) die Kündigung. Die Beanstandungen des einen oder anderen Vertragsteils am Verhalten des anderen im Zusammenhang mit einem tatsächlichen oder behaupteten Vsfall und der Regulierung sind vielfach nicht beweisbar und oftmals als unbestimmter Verdacht nicht redlichen Verhaltens des anderen nicht einmal verbal zu präzisieren. Die Regelung des § 7 II. (2) AUB sieht deshalb ganz davon ab, den Kündigenden zur Offenbarung seiner Motive für die Vertragsbeendigung zu zwingen. Damit ist auch weitgehend die Möglichkeit für eine Feststellung (Wertung) des Inhaltes versperrt, der Kündigende mißbrauche sein Gestaltungsrecht. Ein Vmer, der sich „frivol" (vgl. Gerhard-Hagen S. 757) vom Vertrage lösen will, müßte nicht nur der Wahrheit zuwider einen Unfall behaupten, sondern auch noch Klage erheben oder die Entscheidung der Ärztekommission heimtragen. Macht er sich diese Mühe, um sich ein Kündigungsrecht „zu erschleichen" (vgl. Wussow a.a.O. S. 146), so besteht kein vernünftiger Grund, den Ver vor dieser Vertragsbeendigung zu schützen. Im übrigen fehlt es für diesen und für vergleichbare Fälle an der praktischen Relevanz. Wagner

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Anm. D 40

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

[D 40] fff) Erklärungsfrist und Wirkungsfrist der Kündigung des Versicherungsnehmen Das Kündigungsrecht des Vmers entsteht unter den in § 7 II. (2) a AUB im einzelnen genannten Voraussetzungen. Damit ist er auch berechtigt, die Kündigung zu erklären. Diese wird mit Zugang beim Ver sofort wirksam. Die Frist, die dem Vmer für die Überlegung zur Verfügung steht, ob er ein Kündigungsrecht erklären (ausüben) will oder nicht, kann sich über einen erheblichen Zeitraum erstrecken. Das gilt insbesondere, wenn wegen der Entschädigung eine Auseinandersetzung vor dem ordentlichen Gericht oder dem Ärzteausschuß stattfindet. Denn die Erklärungsfrist beginnt mit der Einleitung dieses Verfahrens und endet erst nach dessen Abschluß plus einer Ausschlußfrist von einem (weiteren) Monat. Sie beschränkt sich auf diese Ausschlußfrist nur dann, wenn sie mit der Auszahlung der Entschädigung durch den Ver beginnt und sich der Vmer hiermit zufrieden gibt. Im einzelnen: Das Kündigungsrecht des Vmers erlischt jeweils einen Monat, nachdem entweder der Ver unter Anerkennung einer Rechtspflicht - nicht: kulanzweise — einen Entschädigungsbetrag gezahlt hat und dieser dem Vmer zugeflossen ist. Dabei genügt die Zahlung eines Teilbetrages, gleichgültig, ob der Ver selbst diese Zahlung als Teilleistung wertet oder nicht. Notwendig ist ferner die Kenntnis des Vmers hiervon, die er regelmäßig durch Zusendung des Kontoauszuges erhält (Wussow AUB 4 § 7 Anm. 15 S. 148), oder der Rechtsstreit durch rechtskräftiges Urteil - nicht aber Grund- oder Teilurteil, weil sie den Rechtsstreit nicht beenden —, durch Klagrücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich „beigelegt" (beendet) worden ist. Für den Beginn dieser Ausschlußfrist maßgeblich ist die objektive Tatsache der Beendigung, soweit sie auf einer Handlung (Rücknahme der Klage oder Berufung, Anerkenntnis, Vergleich) beruht, auch wenn sie von einem Prozeßbevollmächtigten erklärt wird; wenn der Vmer nicht anwesend ist, ist ihm die Kenntnis seines Prozeßbevollmächtigten nach § 166 BGB zuzurechnen. — Der Vergleich braucht kein Prozeßvergleich im Sinne des § 794 I Ziff. 1 ZPO zu sein, entscheidend ist, daß es sich um eine Vereinbarung handelt, aufgrund derer der Prozeß nicht weiter betrieben wird (ebenso Wussow a.a.O. S. 148). Gleichzustellen ist eine Erledigungserklärung des Klägers (Vmers), wenn sie prozeßbeendend wirkt, was in der Regel voraussetzt, daß der beklagte Ver ihr zustimmt; in allen anderen Fällen (Rechtskraft, Rücknahme von Rechtsmitteln des Vers) ist maßgeblich die bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt mögliche Kenntnisnahme ; oder der Spruch des Ärzteausschusses dem Vmer bekanntgegeben worden ist. Bekanntgabe ist die Übermittlung des förmlichen Spruches des Ärzteausschusses, sie kann dem anwesenden Vmer vom Obmann des Ausschusses in einer der Verkündung einer Gerichtsentscheidung entsprechenden Weise mündlich mitgeteilt, ihm schriftlich durch den Obmann übersandt oder, wenn der schriftliche Spruch vorliegt, auch vom Ver dem Vmer übermittelt werden. Die nach der Fassung der AUB bis 1961 verlangte „Zustellung" erfolgte in der Praxis nicht, die Neufassung von 1961 hat an ihre Stelle das Erfordernis der Bekanntgabe gesetzt, vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte S. 31. 176

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 43

[D 41] ggg) Kündigung aus wichtigem Grunde in anderen Fällen Das Vsverhältnis begründet, sofern der Vertrag nicht für ein bestimmtes, zeitlich begrenztes Ereignis (Veranstaltung, kurze Reise) abgeschlossen wird, ein Dauerschuldverhältnis. Dauerschuldverhältnisse sind mit sofortiger Wirkung kündbar, wenn dem kündigenden Vertragsteil des Festhalten am Vertrage nicht mehr zuzumuten ist. Dieser in §§ 626, 723 BGB ausgedrückte Rechtssatz wird heute für alle Dauerschuldverhältnisse anerkannt und gilt auch für den Vsvertrag, vgl. Bruck-Möller § 8 Anm. 25 und Prölss-Martin 21 Anm. 5 J jeweils m.w.N. Neben den vorstehend (Anm. D 3 5 - 3 8 ) aufgezählten Tatbeständen sind in der Praxis als Kündigungsgründe für den Vmer Fälle nachträglich eintretender finanzieller Illiquidität des Vers (BGH 4. IV. 1951 B G H Z Bd 1 S. 334 mit grundsätzlichen Ausführungen S. 337—339) und schlechthin unbegründeter Verweigerung der Regulierung, vgl. die Nachweise bei Prölss-Martin21 § 8 Anm. 6, S. 108 bedeutsam geworden. Bei der letztgenannten Fallgruppe ist indes zu beachten, daß schwierige tatsächliche Ermittlungen und rechtliche Erwägungen vielfach den Ver zwingen können, die Regulierung zu verzögern. Es kommt hier auf eine Würdigung des Einzelfalles an. - Für das außerordentliche Kündigungsrecht wegen Tarifänderung in der Kraftfahrtv vgl. § 9a AKB. Diese Vorschrift gilt auch für die Kraftfahrt-Unfallv.

[D 42] e) Kündigungsrechte des Versicherers aa) Ordentliche Kündigung Zum Begriff der ordentlichen Kündigung vgl. Anm. D 34. Ein Recht zur ordentlichen Kündigung steht dem Ver in der Allgemeinen Unfallv gemäß § 7 II. (1) AUB in gleicher Weise zu wie dem Vmer. Wegen Form und Frist der Kündigungserklärung wird auf Anm. D 34 verwiesen; das Schriftlichkeitserfordernis ist für die Kündigung des Vers Wirksamkeitsvoraussetzung. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Ver mit eingeschriebenem Brief gekündigt hat; dieses Erfordernis „soll" nur den Beweis für das Ob und Wann des Kündigung sicherstellen. [D 43] bb) Außerordentliche Kündigung aaa) Uberblick Das Gesetz gewährt dem Ver in einer Reihe von Vorschriften Kündigungsrechte als — im weitesten Sinne verstanden — Reaktion auf vertragswidriges Verhalten des Vmers oder erhebliche Veränderung der Vertragsgrundlage (§§ 6, 24, 27, 39 und 41). Soweit eine Kündigung aus wichtigem Grunde analog §§ 626, 723 BGB in Betracht kommt (Anm. D 41), gehen die in diesen Vorschriften nach Voraussetzungen und Wirkung getroffenen Regelungen als lex specialis jeweils vor. Das gilt auch für das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 7 II. (2) b AUB für die in dem vorstehenden Absatz (§ 7 II. (2) a AUB) genannten Fälle. Das ist nicht selbstverständlich: Die Wirkungsfrist der außerordentlichen Kündigung beträgt hier einen Monat. Der als allgemeiner Rechtsgrundsatz für zwingend gehaltene Satz, ein Dauerschuldverhältnis sei aus wichtigem Grunde fristlos, d. h. mit sofortiger Wirkung zu kündigen, könnte eine solche Wirkungsfrist verbieten. Das kann jedoch nur für solche Fälle gelten, bei denen dem Kündigenden weder ein Festhalten am Vertrag noch eine Wirkungsfrist für die Kündigung zuzumuten ist. Für die in § 7 II (2) a AUB genannten Tatbestände fehlt es an beiden Voraussetzungen: Sie machen — für sich gesehen — weder dem Ver die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar noch ist eine Befristung der Wirkung zu beanstanden. Ein wichtiger Grund zur Kündigung wird hier 12

B r u c k - M ö l l e r . W G , 8. Aufl. VI. 1 (Wagner)

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Anm. D 45

D. Dauer des Unfallversicherungsvertrages

für beide Teile fingiert mit der Besonderheit, daß er keiner Begründung nach außen bedarf (vgl. Anm. D 35 und insbesondere Prölss VersR 1963 S. 893). [D 44] bbb) Erklarungsfrist und Wirkungsfrist für die Kündigung des Versicherers nach § 7 II. (2) AUB Das Kündigungsrecht des Vers gemäß § 7 II. (2) a AUB entsteht, wenn die dort genannten Voraussetzungen (Einzelheiten Anm. D 40) erfüllt sind. Sie endet - wie für den Vmer — spätestens einen Monat nach dem in § 7 II. (2) b AUB genannten Zeitpunkt. Dieser letzte Monat der Erklärungsfrist ist eine Ausschlußfrist. Die Kündigungserklärung des Vers wirkt nicht — wie die des Vmers — mit Zugang, sondern erst einen Monat danach. Auch diese Monatsfrist berechnet sich nach §§ 187, 188, 193 BGB. Dem Vmer wird durch diese Regelung (Hinausschieben der Wirkung der Kündigung) Gelegenheit gegeben, sich anderweitig Vsschutz zu beschaffen. Die Ausschlußfrist von einem Monat kann (auch) für den Ver nicht beginnen, bevor er von den Voraussetzungen für den Beginn des Fristlaufs Kenntnis hat oder sich diese Kenntnis in zumutbarer Weise beschaffen kann. Das bedeutet, daß diese Frist für den Ver bei Klageerhebung durch den Vmer oder Stellen des Antrags auf Entscheidung des Ärzteausschusses erst zu laufen beginnt, nachdem die Klage dem Ver zugestellt (§ 261 ZPO) oder ihm der Antrag gemäß § 12 AUB im ordentlichen Geschäftsgang zugegangen ist. Dagegen wird man, soweit die Zahlung einer Entschädigung die Ausschlußfrist auslöst, die Leistungshandlung durch den Ver selbst genügen lassen müssen. Schutzwürdige Belange des Vers stehen nicht entgegen: Die Überlegungen, die zur Zahlung dieser Entschädigung geführt haben, sind abgeschlossen. Sie sind auch bestimmend für die Entscheidung über die Ausübung des Kündigungsrechts. Wann (genau) die Zahlung beim Vmer eingegangen ist, kann der Ver nur vermuten. Erfordernisse der Rechtsklarheit sprechen ebenfalls dafür, insoweit auf seine eigene Handlung (Leistungshandlung, vgl. Anm. E 22) abzustellen (im Ergebnis - nicht ganz eindeutig — ebenso Wussow AUB 4 § 7 Anm. 11). [D 45] f) Rechtswirkungen einer nicht frist- oder formgerechten Kündigung des Versicherungsnehmers Die Vielzahl der veröffentlichten Entscheidungen zur Wirkung nicht form- oder fristgerecht erklärter Kündigung (vgl. Prölss-Martin21 § 8 Anm. 5 Β und G) macht es notwendig, die Gesichtspunkte aufzuzeigen, die für die rechtliche Behandlung einer solchen fehlerhaften Erklärung bedeutsam sein können. Die Überschreitung der Erklärungsfrist (ζ. B. durch verspäteten Zugang) hindert das Wirksamwerden dieser Kündigungserklärung zum beabsichtigten Termin. Das gilt auch bei „nur geringfügiger Überschreitung der Frist" (Bruck-Möller § 8 Anm. 28. S. 230 oben). Jede andere Behandlung verspäteter Kündigung würde die der Klarheit der Rechtsbeziehung dienende Funktion der Befristung beeinträchtigen. Mangels anderweitiger Erklärung des Vmers — vielfach wird erklärt, daß er unter keinen Umständen länger als (rechtlich) notwendig am Vertrage festhalten wolle — kann eine solche verspätete Kündigung nicht als Kündigung zum nächstzulässigen Termin gedeutet werden. Eine solche Auslegung verbietet sich schon deshalb, weil der Vmer möglicherweise nicht mit ihr rechnet und deshalb den Vsschutz zu einem Zeitpunkt verliert, für den er diese Wirkung selbst gar nicht in Betracht zieht, sehr str. vgl. Prölss-Martin21 § 8 Anm. 5 B. Ist aus der Sicht des Vers zweifelhaft, ob der Vmer seine Kündigung für rechtzeitig oder formgerecht gehalten hat, so ist er nach Treu und Glauben verpflichtet, den Vmer über die Rechtslage aufzuklären, d. h. eine verspätete oder formungültige Erklärung zurückzuweisen. Unterläßt er dies, so kann er sich auf die Unwirksamkeit nicht berufen, wie hier Prölss-Martin21 § 8 Anm. 5 G S. 106, zweifelnd Bruck-Möller § 8 Anm. 29. Etwas anderes gilt nur, wenn 178

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III. Beendigung des Unfallversicherungsvertrages

Anm. D 47

der Vmer ersichtlich in Kenntnis des Fehlens eines Kiindigungsgrundes oder der Fristversäumung handelt (vermittelnd, aber zur Verneinung einer Pflicht des Vers zur Reaktion neigend, Wriede Anm. D 36, S. 111). Der Ver sollte im Hinblick auf die Tendenz der Rechtsprechung, Belehrungspflichten des Vers auszuweiten, die vergleichsweise kleinere Mühe der Belehrung des Vmers auf sich nehmen. Fügt der Vmer seiner Kündigungserklärung eine Wirkungsfrist hinzu, die von Gesetz oder AVB nicht vorgesehen ist, so erklärt er keine Kündigung mit sofortiger Wirkung, zutr. insoweit OLG Stuttgart 12. IV. 1929 VA 1929 S. 314 Nr. 2066 für den Fall der Kündigung nach § 7 II. (2)b AUB (jetziger Fassung). Die Frage, ob der Ver, wenn nicht erkennbar schutzwürdige Interessen dagegenstehen, eine solche Kündigung nach Treu und Glauben nach Maßgabe der Befristung durch den Vmer als wirksam gelten lassen muß, wird von OLG Stuttgart nicht entschieden - dort war vor Ablauf der vom Vmer genannten Wirkungsfrist erneut ein Vsfall eingetreten, vgl. hierzu auch Bruck-Möller § 8 Anm. 37, S. 235. Erklärt der Vmer die Kündigung gemäß § 7 II (2) AUB, bevor die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür (§ 7 II. (2) a AUB) vorliegen, so ist die Kündigung grundsätzlich nichtig, weil einseitige Gestaltungsrechte nicht unter einer Bedingung ausgeübt werden können, vgl. §§ 111 S. 1, 182 III BGB und Bruck-Möller § 8 Anm. 33, S. 233. Dieser Rechtsgrundsatz gilt jedoch nur insoweit, als die für den Erklärungsempfänger unzumutbare Ungewißheit nicht von ihm selbst beseitigt werden kann (Beispiel: § 39 III, vgl. Anm. D 46). Danach ist eine nach § 7 II. (2) AUB ausgesprochene Kündigung eines Vmers „für den Fall einer Auszahlung der Entschädigung" durch den Ver „mit sofortiger Wirkung", d. h. im Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung beim Vmer, wirksam, Dagegen kann der Vmer seine „vorzeitige" Kündigung nicht in der Schwebe halten, bis er selbst Klage erhebt oder den Antrag nach § 12 AUB stellt: Er muß nach diesem Zeitpunkt (erneut) kündigen. Wie hier für einen Fall der Kündigung vor Zahlung der Entschädigung LG Stuttgart 7. IV. 1951 VersR 1951 S. 162 mit abl. Anm. Weber. [D 46] g) Nachträgliches Unwirksamwerden einer zunächst wirksamen Kündigung aa) Unwirksamwerden kraft Gesetzes Eine vom Ver nach Verzug des Vmers mit der Zahlung einer Folgeprämie erklärte Kündigung (§ 39 III 1) wird zwar sofort wirksam. Die Wirksamkeit steht aber unter der auflösenden Bedingung, daß der Vmer nicht binnen eines Monats die Zahlung der rückständigen Prämie nachholt. Vom Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung des Vers bis zum Ablauf der Nachholungsfrist ruht der Vertrag: Ein zwischenzeitlich eintretender Unfall führt nicht zur Entschädigungspflicht. Wegen der Einzelheiten ist auf BruckMöller § 39 Anm. 50 zu verweisen. [D 47] bb) Vertragliche Aufhebung der Kündigungswirkung Die Parteien des Unfallvsvertrages können die Wirkung einer Kündigung, gleichviel, von wem und aus welchem Grunde sie erklärt worden ist, einverständlich aufheben (§ 305 BGB). Das erscheint, soweit die Vertragspartner über ihre Rechtsbeziehungen disponieren können, als selbstverständlich, angesichts der für die Praxis bedeutsamen Fallgestaltungen bedarf es jedoch der Unterscheidung: Die nicht sofort wirkende Kündigung läßt den Bestand des Vertrages unberührt. Auf den Inhalt des Vertrages wirkt sie in der Weise ein, daß der Fristablauf der Wirkung eines vertragsbeendenden Zeitablaufs entspricht (vgl. Anm. D 19). Eine Vereinbarung, durch welche die Kündigung „rückgängig gemacht wird", ist hiernach eine Änderung eines bestehenden Vertrages. Dagegen ist eine sofort wirksam gewordene Kündigung nicht im vorstehend beschriebenen Sinne rückgängig zu machen. Eine nach wirksamgewordener Kündigung 12·

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Anm. D 48

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vereinbarte „Aufhebung ihrer Wirkungen" ist der Sache nach Neuabschluß eines Unfallvsvertrages, wobei die Handhabung durch die Parteien erkennen läßt, daß sie dem neuen Vertrag den Inhalt des zuvor beendeten geben wollen. [D 48] 7. Konkurrenz mehrerer Beendigungsgründe Einer Vertragspartei können nebeneinander mehrere Gestaltungsrechte zur Beendigung des Vsvertrages zustehen: So kann dem Ver ein Anfechtungsrecht wegen Täuschung neben einem Rücktrittsrecht (§§ 16,22) oder, wenn z. B. die Täuschung erst später bekannt wird (§ 124 BGB), auch neben einem Kündigungsrecht zustehen. Entsprechendes gilt für Gestaltungsrechte des Vmers. Hier entfaltet keines der Gestaltungsrechte Spezialität in dem Sinne, daß es die Ausübung eines anderen ausschließt. Die unterschiedliche Auswirkung auf die Prämienzahlungspflicht ist durch die Änderung des § 40 im Jahre 1939 beseitigt worden (Bruck-Möller § 40 Anm. 1). Die Wirkung einer Kündigung kann dagegen, wenn sie nicht sofort eintritt, durch eine kraft Gesetzes eintretende Beendigung entfallen: Hat z. B. der Vmer, der zugleich Gefahrsperson ist, fristgerecht am 30. September zum Jahresende gekündigt und stirbt er ohne Unfall noch am 30. September, so endet der Vertrag mit Ablauf dieses Tages (Anm. D 24), seine Erben schulden die Prämie nach § 7 II. (4) AUB nur pro rata temporis, d. h. bis einschließlich September, vgl. Sieg Bd II § 68 Anm. 68. Anders liegt es dagegen, wenn sich vertragsbeendende Gestaltungserklärungen beider Parteien überschneiden, z. B. wenn (vgl. vorstehendes Beispiel) der Vmer fristgerecht zum Quartalsende, der Ver aber wegen Verzuges des Vmers mit der Zahlung der Folgeprämie gemäß § 39 III 1 mit sofortiger Wirkung kündigt. Auch diese Frage ist nur wegen des Prämienschicksals bedeutsam und auch nur dann, wenn — abweichend von der Regelung des § 7 AUB — ein ordentliches Kündigungsrecht nicht nur jeweils für das Ende der einjährigen Vsperiode besteht. BGH 19.1.1956 VersR 1956 S. 121 entschieden für Lebensv — gesteht dem Ver hier abweichend von der Vorinstanz (OLG Braunschweig 6. IV. 1954 VersR 1954 S. 313, ebenso Bruck-Möller § 40 Anm. 11) und entgegen § 40 II 1 nur denjenigen Teil der Prämie zu, den er infolge wirksamer ordentlicher Kündigung des Vmers ohnehin erhalten hätte.

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E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers Gliederung: Schrifttum Anm. E 1 I. Uberblick und Abgrenzung Anm. E 2 II. Prämienzahlungspflicht Anm. E 3 - 2 4 1. Erstprämie und Folgeprämie Anm. E 3 2. Inhalt der Prämienzahlungspflicht Anm. E 4 3. Höhe der Prämie Anm. E 5 - 1 3 a) Grundsatz: Freie Vereinbarung Anm. E 5 b) Sonderregelung für die KraftfahrtUnfallv Anm. E 6 c) Teilprämie bei vorzeitiger Beendigung Anm. E 7 aa) Allgemeines Anm. E 7 - 9 bb) Vorzeitige Beendigung im Sinne von § 7 II. (3) und (4) AUB Anm. E 8 - 9 aaa) Grundsatz Anm. E 8 bbb) Prämienzahlung trotz Fortfalls der Gefahr Anm. E 9 d) Veränderung der Prämie bei Fortbestehen des Vertrages Anm. E 1 0 - 1 3 aa) Allgemeines Anm. E 10 bb) Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung Anm. E l l cc) Herabsetzung der Prämie bei Mehrfachv Anm. E 12

dd) Sonderfall: Beschränkung der Höchstsummen bei Summenv Anm. E 13 4. Die Zahlung der Prämie Anm. E 1 4 - 2 4 a) Prämienschuldner Anm. E 14 b) Fälligkeit der Prämie Anm. E 1 5 - 2 0 aa) Erst- oder Einmalprämie Anm.'E 1 5 - 1 7 bb) Stundung der Erstprämie Anm. E 1 6 - 1 7 aaa) Fallgestaltungen in der Praxis Anm. E 16 bbb) Wirkung der deckenden Stundung Anm. E 17 cc) Fälligkeit der Folgeprämie Anm. E 18 dd) Leistungsfreiheit des Vers gemäß § 39 II Anm. E 19 ee) Kündigungsrecht des Vers gemäß § 39 III Anm. E 20 c) Erfüllung der Prämienverbindlichkeit Anm. E 2 1 - 2 4 aa) Schickschuld Anm. E 21 bb) Leistungshandlung Anm. E 22 cc) Bewirkung der Leistungshandlung bei bargeldloser Zahlung Anm. E 23 dd) Sonderfall: Einziehungsermächtigung Anm. E 24 III. Die Geschäftsgebühr des Vers Anm. E 25

[ E l ] Schrifttum: Asmus in: Grundprobleme des Versicherungsrechts, Festgabe für Hans Möller, Karlsruhe 1972, S. 1 1 - 1 9 , Brockmann VersR 1953 S. 3 4 5 - 3 4 6 , ders. VersR 1954 S. 4 4 9 - 4 5 0 , ders. Wagner

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Anm. E 2

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

VersR 1960 S. 678, Buchner VersR 1950 S. 45, Canaris in: RGR-Komm. z. HGB, 3. Aufl., Berlin-New York 1973, Bd III Lief. 2, Ehrenzweig VersR 1954 S. 526-527, ders. VersR 1955 S. 68-71, Engel, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, Karlsruhe 1966, Frels VersR 1971 S. 591-594, Gärtner, Der Prämienzahlungsverzug, 2. Aufl. Neuwied 1977, GaBmann VersR 1966 S. 325, Haasen VersR 1955 S. 68, Kalka VersR 1967 S. 14-16, Larenz, Uhrbuch des Schuldrechts, 11. Aufl., Bd I München 1976, Reichert-Facilides in: Festschrift für Karl Sieg, Karlsruhe 1974, S. 424-434, Reimer Schmidt AcP Bd 166 (1966) S. 1-30, Surminski ZfV 1964 S. 6 7 4 676, Wahle VersR 1961 S. 478-480, ders. VersR 1964 S. 603-604.

[E 2] I. Überblick und Abgrenzung Der Unfallvsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320-327 BGB. Der Ver leistet Gefahrtragung in der nach dem jeweiligen Stand des Vsverhältnisses geschuldeten Form (Bruck-Möller § 1 Anm. 40—45, neuerdings Reichert-Facilides in: Festschrift für Karl Sieg 1976 S. 424—434 m.N.). Die synallagmatische Gegenleistung ist die vom Vmer zu zahlende Prämie, die in § 7 I. AUB als Beitrag bezeichnet wird (zur Entwicklung der Terminologie vgl. Möller, Versicherungsvertragsrecht3 1977 S. 87). Das als synallagmatisch bezeichnete Gegenseitigkeitsverhältnis bei gegenseitigen Verträgen (Larenz Schuldrecht I 11 S. 166) besteht nur zwischen Gefahrtragungsleistung des Vers und Prämienzahlung des Vmers. Es ist deshalb nicht selbstverständlich, daß die vom Vmer zu tragenden Kosten (§ 14 (1) S. 2 AUB), nämlich öffentliche Abgaben (§ 8 IV VStG), Ausfertigungs- und Hebegebühren, als Teil der Prämie behandelt werden. Das ist zwar für die Folgeprämie in § 39 IV — unter den dort genannten Voraussetzungen — ausdrücklich vorgesehen. Entsprechendes gilt aber nicht für die Erstprämie (§ 38), so daß es insoweit einer ausdrücklichen Bestimmung bedarf. Sie ist im Gesetz für die Vssteuer in § 8 IV VStG getroffen worden. Die AVB für die Allgemeine Unfallv enthielten für die Kosten eine solche Regelung bis zur Neufassung im Jahre 1961 auch für die Erstprämie. Die Fassung der §§ 7 I., 14 (1) AUB 1961 läßt eine solche Einbeziehung der Kosten in die Prämie jedoch nicht mehr erkennen (vgl. Anm. D 5). Aus dem Vsvertrag können sich sog. Schutz- und Treuepflichten ergeben, d. h. Verhaltensgebote, die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgen und deren Verletzung im Stadium der Vertragsverhandlungen als culpa in contrahendo (Anm. C 20), nach Vertragsschluß als positive Vertragsverletzung, bezeichnet wird. Sanktion der Verletzung solcher Pflichten ist regelmäßig die Verpflichtung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens, wobei in der Regel das sog. Erhaltungsinteresse (Larenz, Schuldrecht I 11 S. 351) in Betracht kommt. Solche Konstellationen sind für den Bereich der privaten Unfallv nicht typisch, an Rechtsprechung speziell hierfür fehlt es ganz. Von diesen Schutz- und Treuepflichten, die - unscharf — auch als Nebenpflichten bezeichnet werden, sind die Obliegenheiten zu unterscheiden. Diese Unterscheidung kann in Grenzfällen sehr problematisch sein, z. B. hinsichtlich der Frage, ob die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht neben der in §§ 16—21 enthaltenen vsrechtlichen Folgerung auch noch die Rechtsfolgen einer culpa in contrahendo auslösen kann. Diese Frage beurteilt sich nicht allein nach dem — eher formellen — Gesichtspunkt der Spezialität der §§ 16-21, sondern auch danach, ob Folgen der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten denkbar sind, für die nicht die Spezialregelung, sondern das allgemeinere Institut der culpa in contrahendo die angemessene Sanktion bietet. Daß solche Fälle möglich sind, ist von Köbler VersR 1969 S. 774 nachgewiesen worden. 182

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II. Prämienzahlungspflicht

Anm. E 3

Die AUB nehmen zu diesen Fragen nicht Stellung. Soweit dem Vmer Zahlungspflichten auferlegt werden, geschieht dies in §§ 7, 14 AUB im Zusammenhang mit der Prämienzahlung und in § 9 AUB für „etwaige Mehrkosten" im Zusammenhang mit Ermittlungen zum Umfang der Unfallfolgen. Diese stehen im Zusammenhang mit den Obliegenheiten des Vmers nach Eintritt des Vsfalles und werden dort behandelt (Anm. F 36-52). Weitere Zahlungspflichten des Vmers können sich aus dem W G und dem BGB ergeben (vgl. § 3 III W G , 288, 291 BGB und zum Ganzen auch Wriede Bd VI Anm. E 5); wegen der in §§ 40 II und 68 I genannten Geschäftsgebühr vgl. Anm. E 25.

[E 3] Π. Prämienzahliingspflicht 1. Erstprämie und Folgeprämie Das Gesetz unterscheidet — im Zusammenhang mit Verzug des Vmers - zwischen Erst- oder Einmalprämie einerseits und Folgeprämie andererseits (§§ 38, 39). Die Regelung des Verzuges geht von dem Grundsatz aus, daß an den Verlust des einmal erlangten Vsschutzes höhere Anforderungen zu stellen sind und gebietet dem Ver für den Verzug mit der Folgeprämie eine besondere Mahnung (Näheres Anm. E 18). Das Gesetz unterscheidet in § 35 zunächst zwischen einmaliger und laufender Prämie. Die Einmalprämie kommt in der Unfallv vor bei Ven für eine bestimmte Veranstaltung oder Reise — nicht jedoch für die obligatorische Luftfahrtv, die vom Luftfahrtunternehmer als laufende V genommen wird —, aber auch bei Ven von kürzerer, von vornherein zeitlich begrenzter Dauer ohne Verlängerungsklausel. Die in § 7 I (2) S. 1 AUB vorgesehene V für (zunächst) ein Jahr mit jeweiliger Verlängerung bei unterlassener Kündigung (Anm. D 20) ist, wenn nicht rechtzeitig zum Ablauf des ersten Jahres gekündigt wird, eine Unfallv mit laufenden Prämien im Sinne des § 35 S. 1. Die hier zu zahlende Prämie wird als Jahresprämie verstanden, so daß die Vsperiode, dem gesetzlichen Regelfall des § 9 W G entsprechend, sich mit dem (prämienbelasteten, vgl. Anm. D 3) jeweiligen Vsjahr deckt. Das wird durch die Bestimmung des § 7 II. (3) AUB verdeutlicht, deren Regelungsgehalt der Vorschrift des § 68 IV entspricht. Die Unterscheidung zwischen einmaliger und laufender Prämie wird undeutlich, wenn dem Vmer nachgelassen wird, eine der Vsperiode entsprechende, d. h. auf der Grundlage einer bestimmten Vsdauer berechnete Prämie in — monatlichen, vierteljährlichen oder halbjährlichen — Raten zu zahlen. Eine solche Vereinbarung hat eine teilweise, d. h. auf den jeweils später zu zahlenden Prämienteil beschränkte, Stundung zum Inhalt (Anm. E 16 und 18). Die gestundeten Teile der Prämie gelten, soweit sie nach der ersten Prämienrate fällig werden, im Zusammenhang mit dem Prämienzahlungsverzug als Folgeprämie im Sinne des § 39. Da der Tarif regelmäßig einen Zuschlag für die Gewährung von Ratenzahlung vorsieht, sich die Grundprämie also entsprechend erhöht, bleibt die Feststellung, daß die Prämie auf die Vsperiode von einem Jahr berechnet wird, nur für die Ermittlung der Grundprämie und für die Frage bedeutsam, für welchen Zeitraum die Prämie bei vorzeitigem Ende des Vsvertrages weiterzuzahlen ist. Erst- und Einmalprämien sind mit Vertragsschluß („sofort"), (vgl. § 35 S. 1) fällig. Die Frage, ob die Formulierung „sofort" im Sinne der Notwendigkeit unverzüglicher (§ 121 BGB) Zahlung abzumildern ist (vgl. hierzu Bruck-Möller § 35 Anm. 30), hat für die Praxis keine erhebliche Bedeutung: Soweit erweiterte Einlösungsklauseln bedingungsgemäß vereinbart sind (Anm. D 9), ist diese Frage hierdurch beantwortet (ungenau, vgl. Anm. D 12). Ist dies, wie ζ. B. in der Kraftfahrt-Unfallv, nicht entWagner 183

Anm. E 6

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

sprechend geregelt, so wirkt das Einlösungsprinzip als Anreiz zu baldmöglicher Zahlung. Über die Fälligkeit der Folgeprämien entscheidet die Vereinbarung. In § 14 (1) S. 1 A U B wird eine solche Regelung nicht getroffen, sondern vorausgesetzt. Man wird anzunehmen haben, daß die Folgeprämie nach dem Sinn des § 35 und entsprechend § 271 BGB am ersten Tag der neuen Vsperiode fällig wird, vgl. BruckMöller § 35 Anm. 32. [E 4] 2. Inhalt der Prämienzahlungspflicht Der Vmer schuldet die Prämie in der Regel als Geldleistung. Erfüllung durch Naturalleistungen, die historisch bei Gegenseitigkeitsvereinen eine Rolle gespielt haben (Bruck-Möller § 35 Anm. 7), sind derzeit ohne Bedeutung. Die Annäherung an eine Naturalleistung des Vmers hat die Unfallv mit Prämienrückgewähr (UPR) zum Inhalt. Hier wird als Gegenleistung für die Gefahrtragung des Vers nicht eine diesem verbleibende Geldzahlung geleistet, sondern eine Geldsumme zur Verfügung gestellt, die nach einem bestimmten Zeitraum ohne Abzug auch dann zurückgezahlt wird, wenn zwischenzeitlich Entschädigung für einen Unfall geleistet worden ist, vgl. zu Zweck und Ausgestaltung der UPR auch Anm. Β 39. Die Kapitalleistung kann durch einmalige Zahlung zu Beginn des Vsverhältnisses erbracht, sie kann aber auch durch regelmäßig wiederkehrende Zahlungen, ζ. B. jährlich oder vierteljährlich, gezahlt werden. Dann ist jede der ersten nachfolgende Teilzahlung Folgeprämie im Sinne des § 39. [E 5] 3. Höhe der Prämie a) Grundsatz: Freie Vereinbarung Die Höhe der Prämie unterliegt grundsätzlich freier Vereinbarung der Parteien des Unfallvsvertrages. Der Ver bietet die einzelnen Arten möglicher Entschädigungsleistungen (§ 8 AUB) in der Regel zu festen Sätzen an, die für jeweils bestimmte Gefahrengruppen verschieden hoch sind. Gefahrengruppen bestimmen sich in der Allgemeinen Unfallv primär nach der Berufstätigkeit der Gefahrsperson (Begriff: Anm. Η 17). Dem entspricht es, daß die Änderung der Berufstätigkeit eine Änderung der Prämienhöhe zur Folge haben kann § 4 (1) und (2) AUB. Für die vorausberechnete und gestaffelte Prämienberechnung wird die Bezeichnung Tarif verwendet. Der Begriff ist mehrdeutig: Er bezeichnet u. a. die Gesamtheit der unter Berücksichtigung aller Risikofaktoren vorausberechneten Prämien für alle Gefahrengruppen und auch die Prämienhöhe speziell für eine Gefahrengruppe. Zum Begriff des Tarifes im Vsrecht und im allgemeinen vgl. Asmus in: Grundprobleme des Versicherungsrechts, Festgabe für Hans Möller zum 65. Geburtstag, Karlsruhe 1972, S. 12 m.N. und Reimer Schmidt, Versicherungsalphabet, Stichwort „Tarif". Unter den in § 12 VAG genannten Voraussetzungen ist der Tarif Bestandteil des Geschäftsplans und unterliegt dann der Aufsicht durch die Aufsichtsbehörde. Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung einer bestimmten Prämienhöhe wird dadurch nicht berührt. In der Kraftfahrt-Unfallv bestimmt sich die Prämie unabhängig von der Vereinbarung nach dem amtlich genehmigten Tarif, vgl. nachfolgend Anm. E 6. [E 6] b) Sonderregelung für die Kraftfahrt-Unfallversicherung In der Kraftfahrt-Unfallv dürfen (und können) die Prämien nur auf der Grundlage von Tarifen (Beiträgen und Tarifbestimmungen) vereinbart werden, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind. Diese primär für die Kraftfahrzeughaftpflichtv als Pflichtv geltenden Grundsätze ( § 8 1 und II PflVG) gelten auch für die Unfallv. Der Bundesminister für Wirtschaft hat von der ihm in § 9 III PflVG erteilten 184

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Anm. E 8

II. Prämienzahlungspflicht

Ermächtigung durch Erlaß der Verordnung über die Tarife in der Kraftfahrtversicherung vom 20. XI. 1967 (nichtamtlicher Text abgedruckt in VA 1976 S. 61-70) Gebrauch gemacht. Gemäß § 2 dieser Verordnung sind die Tarife für die KraftfahrtUnfallv in gleicher Weise genehmigungspflichtig wie die Tarife für die Haftpflichtv. Der hiernach genehmigte Tarif ist der vertraglichen Disposition der Parteien entzogen: Er bestimmt die Prämienhöhe unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung und tritt gegebenenfalls an die Stelle einer bewußt oder irrtümlich hiervon abweichenden Vereinbarung, OLG Koblenz 19. II. 1976 VersR 1976 S. 977-979, ebenso Prölss-Martin21 § 35 Anm. 2 m.w.N. [E 7] c) Teilprämie bei vorzeitiger Beendigung aa) Allgemeines Das Gesetz enthält für die Fälle vorzeitiger Beendigimg des Vsvertrages Vorschriften über das Prämienschicksal in §§ 40 und 68. Es ist zweifelhaft, ob diesen Vorschriften ein als Grundsatz zu wertender allgemeiner Rechtsgedanke zugrundeliegt, vgl. Bruck-Möller § 40 Anm. 3 - 7 . Dagegen kann angesichts der Gesamtregelung nicht zweifelhaft sein, daß es für die Fälle vorzeitiger Vertragsbeendigung keine Grundregel des Inhalts gibt, daß der Ver grundsätzlich ungeachtet der Beendigung jeweils die volle Prämie für die laufende Vsperiode zu erhalten habe. Einen solchen Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie gibt es nach derzeitigem Rechtszustand nicht (Bruck-Möller § 40 Anm. 4 m.N.; Sieg Bd II § 68 Anm. 65 S. 815). Gleichwohl lassen sich aus den genannten Vorschriften einige Regeln herauslesen, die auch für das Verständnis der Regelung in den AVB für die Unfallv und wegen der zugunsten des Vmers zwingenden Wirkung der §§ 40, 68 (§§ 42, 68 a) bedeutsam sind: 1. Die Prämienzahlungspflicht kann die Vertragsbeendigung überdauern. Das wird in § 40 I und II 1 für solche Fälle ausgesprochen, in denen der Ver den Vertrag aus Gründen beendet, die in der Sphäre des Vmers liegen; Einzelheiten bei BruckMöller § 40 Anm. 6 - 1 2 . 2. Die gesetzliche Regelung knüpft für das Ende der Prämienzahlungspflicht vielfach nicht an das objektive Ereignis an, das ein Gestaltungsrecht des Vers zur Beendigung des Vertrages begründet (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt), sondern an denjenigen Zeitpunkt, in dem der Ver hiervon Kenntnis erlangt (§ 40 I 1). Entsprechendes gilt nach § 68 II für die Fälle nachträglichen Interessefortfalls (vgl. Anm. D 24). 3. Wird der Interessewegfall (hier: Wegfall der Gefahr, vgl. Anm. D 24) durch Eintritt des Vsfalles bewirkt, so gebührt dem Ver die Prämie für die laufende periode (§ 68 IV). Diese Regelung rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß Vmer seine Gegenleistung (Entschädigungsleistung durch den Ver) voll erhält, Sieg Bd II § 68 Anm. 75.

den Vsder vgl.

[E 8] bb) Vorzeitige Beendigung im Sinne von § 7 Π. (3) und (4) AUB aaa) Grundsatz Der Grundsatz ergibt sich aus § 7 II. (4) AUB: „In allen . . . Fällen der vorzeitigen Beendigung gebührt dem Versicherer nur der Teil des Beitrages, welcher der abgelaufenen Versicherungszeit entspricht." Damit verzichten die Unfallver im Rahmen der Regelung der AUB auf das ihnen für die in § 40 I und II 1 genannten Fälle zustehende Recht, bei Kündigimg oder Rücktritt wegen Obliegenheitsverletzung oder wirksamer Anfechtung die Prämie zumindest (vgl. § 40 I 2) bis zum Ende der Wagner

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Anm. £ 9

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

laufenden Vsperiode zu beanspruchen. Sowohl in diesen als auch in den Fällen der Kündigung gemäß § 39 wird die Prämie nur pro rata temporis erhoben. Da die Formulierung des § 7 II. (4) AUB keinerlei Einschränkung erkennen läßt, gilt sie für jede ex nunc wirkenden Beendigung des Vertrages, d. h. für die Kündigung aus wichtigem Grunde (Anm. D 43—44), gleichviel, ob sie vom Ver oder vom Vmer ausgesprochen wird (Ausnahme: § 7 II. (3) b AUB) und die aus § 68 II sich ergebende Vertragsbeendigung wegen Fortfalls der Gefahr (Anm. D 24). Die Formulierung der Bestimmung „vorzeitige Beendigung" macht zweifelhaft, ob § 7 II. (4) AUB auf Fälle rückwirkender Vernichtung des Vertrages durch Anfechtung anwendbar ist. Dann würde es für die Anfechtung durch beide Vertragsteile, soweit sie zulässig ist (Anm. D 26), bei der Abwicklung nach Bereicherungsrecht bleiben. Das kann jedoch für die Anfechtung durch den Ver — gleich aus welchem Grunde — nicht gelten, weil die Regelung des § 40 I 1 insoweit die Rückwirkung ausschließt: Der Ver behält einen — zeitlich beschränkten — Anspruch auf die Prämie. Insoweit muß die Regelung des § 7 II. (4) AUB als Sonderregelung zu § 40 I 1 angesehen werden: Der Ver behält nur den Anspruch auf die pro rata temporis berechnete Prämie. Ficht der Vmer wirksam wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung an, so wirkt die Anfechtung grundsätzlich auf den Vertragsschluß zurück (§ 142 I BGB). Indes kann der Ver gegenüber der Rückwirkung einer Anfechtung wegen Irrtums des Vmers einwenden, er habe die Gefahr bis zur Anfechtungserklärung tatsächlich getragen: Der vom Vmer ihrem Werte nach (§ 818 II BGB) zurückzugewährenden Leistung entspricht regelmäßig die pro-rata-Prämie für die Zeit bis zum Zugang der Anfechtungserklärung. Danach gilt die Regelung des § 7 II. (4) AUB im Ergebnis auch hier. Ficht dagegen der Vmer wegen Täuschung oder Drohung des Vers an, so kann sich dieser nicht darauf berufen, er habe die Gefahr tatsächlich getragen. Er muß die geleistete Prämie voll zurückzahlen, vgl. Bruck-Möller § 22 Anm. 4 und § 40 Anm. 18.

[E 9] bbb) Prämienzahlung trotz Fortfalls der Gefahr Der Unfallvsvertrag kann vorzeitig beendet werden durch Fortfall der Gefahr (Anm. D 24 und Anm. E 7). Beruht der Fortfall der Gefahr auf dem Eintritt eines Vsfalles, so erhält der Vmer mit der Entschädigungsleistung des Vers nach Maßgabe des § 8 AUB die volle Gegenleistung seines Vertragspartners (Sieg Bd II § 68 Anm. 75). Es ist dann gerechtfertigt und entspricht der Regelung des § 68 IV (Anm. E 7 zu 3.), daß der Ver in solchen Fällen den Anspruch auf die Prämie für die laufende Vsperiode behält. Auf diesem Gedanken beruht die Regelung des § 7 II. (3) AUB. Stirbt die Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17), so ist für eine weitere Gefahrtragung des Vers kein Raum (Anm. D 24). Das gilt in der Unfallv unabhängig von der Frage, welche Art von Entschädigungsleistung (§81. — VII. AUB) vereinbart worden ist. Der Anspruch für das laufende Vsjahr gebührt dem Ver gemäß § 7 II (3) a AUB jedoch nur dann, wenn er eine Entschädigungsleistung für den Unfalltod zu erbringen hat (§ 8 I. AUB). Das ergibt sich aus der Wortfassung „durch den unter die Versicherung fallenden Tod des Versicherten". Überdies wäre eine Regelung, wonach der Ver die volle Jahresprämie bei Tod der Gefahrsperson auch dann erhielte, wenn er keine Todesfallentschädigung leisten muß, wegen Verstoßes gegen § 68 IV unwirksam (§ 68 a). Kündigt der Vmer, nachdem ihm eine Entschädigungsleistung ausgezahlt worden ist (§ 7 II. (2) a 1. Alt. AUB), so hat er ebenfalls die Gegenleistung seines Vertragspartners erhalten und muß die Prämie für das laufende Vsjahr entrichten (§ 7 II. (3) b AUB). Das gilt indes nur, wenn er die volle Entschädigungsleistung erhalten hat. 186

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Anm. E 11

II. Prämienzahlungspflicht

[E 10] d) Veränderung der Prämie bei Fortbestehen des Vertrages aa) Allgemeines Die Prämie ist das Entgelt für die Gefahrtragung, ihre Höhe richtet sich nach der Einschätzung des übernommenen Risikos (vgl. die Hinweise Anm. E 5) und nach der Höhe der für den Vsfall versprochenen Entschädigungsleistung. Veränderungen dieser Faktoren nach Vertragsschluß legen eine Anpassung (Erhöhung oder Verminderung) der Prämie nahe. Soweit W G oder AVB eine solche Anpassung der Prämie vorsehen, stellen sie sich als anschauliches Beispiel für die Rechtsfolgen einer Veränderung der Geschäftsgrundlage dar. Die Parteien des Vsvertrages können vereinbaren, daß die Prämie aus Gründen erhöht wird, die nicht auf einer Veränderung des Verhältnisses von Leistung (Gefahrtragung) und Gegenleistung (Prämienzahlung) beruhen. Diese Möglichkeit eröffnen die Besonderen Bedingungen für die Unfallv mit Zuwachs von Leistung und Beitrag (VA 1974 S. 360). Der Grund für die Erhöhung der Prämie liegt in der Erhöhung der Entschädigungsleistung, die dem Vmer wegen der fortschreitenden Geldentwertung angeboten wird. Die Prämie erhöht sich hier im gleichen Verhältnis wie die Vssummen. Die Erhöhung der Vssummen kann sich nach der Anhebung des Höchstbeitrages zur gesetzlichen Renten ν der Angestellten richten (Modell 1). Die Vssummen können aber auch jährlich um einen bestimmten Prozentsatz erhöht werden (Modell 2 und 3). In allen Fällen vollzieht sich die — vorher vereinbarte — Erhöhung von Vssumme und Prämie ipso iure; die Vereinbarung der automatischen Erhöhung kann aber für alle Modelle vom Vmer bei Fortbestehen des Vertrages im übrigen widerrufen werden. Die Ver haben vor Genehmigung der Erhöhungsmodelle die Geschäftsplanmäßige Erklärung abgegeben (VA 1974 S. 360 r. Sp. a.E.), daß sie dem Vmer Vsschutz nach Maßgabe des jeweils nicht erhöhten Beitrages gewähren, wenn sich der Vmer mit der aus der Erhöhung sich ergebenden Differenz des Beitrages im Sinne des § 39 in Verzug befindet.

[E 11] bb) Änderungen der Berufstätigkeit oder Beschäftigung Während des Vertrages (materielle Vsdauer) eintretende Änderungen der beruflichen Tätigkeit oder Beschäftigung wirken auf den Vertragsinhalt ein, wenn sich aus der Änderung für die Prämienberechnung die Maßgeblichkeit einer anderen Gefahrengruppe ergibt. Dem Vmer obliegt es, diese Veränderung dem Ver (§18 AUB) unverzüglich schriftlich anzuzeigen (§ 15 I. AUB). Wegen der Voraussetzungen einer solchen Änderung im einzelnen wird auf Anm. F 25 verwiesen. Die Erfüllung dieser Obliegenheit liegt im unmittelbaren Interesse des Vmers: Nach einem Monat ab Zugang der Anzeige ist der niedrigere Beitragssatz zu zahlen (§ 4 (2) a AUB). Bewirkt die Änderung der Tätigkeit der Gefahrsperson eine für die Prämienhöhe erhebliche Gefahrerhöhung, so muß bei gleichbleibender Höhe der Entschädigungsleistung (§ 8 AUB) die Prämie entsprechend erhöht werden. Dem entspricht die Regelung des § 4 (2) b AUB. Sie ist in ihrem Inhalt konsequent und sachentsprechend, in ihrer juristischen Einordnung indes nicht ganz eindeutig: Die Obliegenheit des Vmers, auch eine gefahrerhöhende Änderung seiner Tätigkeit anzuzeigen, ist sanktionslos in dem Sinne, daß eine für Obliegenheitsverletzung typische Verwirkungsfolge nicht vereinbart ist. Unterbleibt die Anzeige, so erhöht sich nicht ipso iure die Prämienschuld des Vmers, sondern die Leistungspflicht des Vers vermindert sich im Verhältnis der tatsächlich geleisteten Istprämie zu der nach dem Tarif des Vers für die nunmehr maßgebliche Gefahrengruppe geschuldeten Sollprämie. Diese Veränderung des Vertrages wird einen Monat nach dem (fiktiven) Zeitpunkt wirksam, in dem dem Wagner

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Aran. E 12

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

Ver eine unverzügliche erstattete Anzeige des Vmers zugegangen wäre (§ 4 (2) b AUB). Hiernach liegt das Prämienschicksal bei Gefahrerhöhung durch Änderung der Tätigkeit im Belieben des Vmers. Er kann sich mit der Minderung der Entschädigungsleistung zufriedengeben, hat aber auch die Möglichkeit, Auskunft über den nunmehr für ihn maßgeblichen Tarif vom Ver zu verlangen und sich alsdann darüber erklären, ob er eine Anpassung der Prämie wünscht. Eine solche Erklärung ist nicht Teil einer vertraglichen Einigung im Sinne des § 145 BGB. Insofern ist der Ausdruck „Einigung" (über den Mehrbeitrag) in § 4 (2) b S. 2 AUB ungenau. Denn der Ver ist nicht berechtigt, dem Vmer die seinem Tarif entsprechende und in § 4 (2) b AUB vorgesehene Anpassung zu verweigern. Das ergibt sich aus Sinn und Wortlaut des § 4 (1) AUB. Diese Bestimmung ist gleichsam als Präambel für die mögliche Änderung der Tätigkeit des Vten nach Vertragsschluß zu verstehen in dem Sinne, daß der Ver grundsätzlich bereit ist, auch ein verändertes Risiko zu vern. Anderenfalls wäre um der Klarheit des Vertragsinhalts willen die ausdrückliche Regelung eines Kündigungsrechtes geboten gewesen. Eine Einigung im Sinne des § 4 (2) b S. 2 AUB setzt deshalb nicht mehr voraus, als die — rechtsgestaltende — einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Vmers, er sei mit der ihm aufgrund des Tarifes bekanntgegebenen neuen (höheren) Prämie einverstanden; wie hier Wussow AUB 4 § 4 Anm. 6 S. 110—111, wohl auch Wüstney § 4 Anm. 3 und 4 (S. 27), der den Tarif des Vers als Vertragsbestandteil bezeichnet. Zur Minderung der Entschädigungsleistung kommt es nur insoweit, als der Vsfall auf die Gefahrerhöhung zurückzuführen ist, § 4 (2) b S. 2 AUB. Auch diese Regelung ist unklar gefaßt: Gemeint sein kann, daß das Unfallereignis (Begriff: Anm. G 6) „auf die erhöhte Gefahr zurückzuführen" sein muß. Das würde für jedes Unfallereignis gelten, das den Vten im Zusammenhang mit der vorherigen Tätigkeit nicht betroffen haben würde. Eine so weitgehende Folge der Gefahrerhöhung kann nicht gemeint sein, weil sie zu einem sehr weitgehenden Ausschluß der Gefahrtragung überhaupt führen würde. Vielmehr ist darauf abzustellen, wieweit die Folgen des Unfallereignisses auf die erhöhte Gefahrenlage zurückzuführen sind. Das entspricht dem Regelungsgehalt des § 4 (2) b AUB, der eine Minderung der Gefahrtragung nur für die Höhe, nicht für den Grund der Entschädigungsleistung vorsieht. Damit erweist sich die Kritik von Wüstney § 4 Anm. 5 S. 28 als im Ergebnis berechtigt: Der Vmer, der sich mit einer erhöhten Prämie nicht einverstanden erklärt, erreicht Vsschutz für einen Gefahrenbereich, der bisher nicht gedeckt war (Unfallereignis, das Folge der veränderten Tätigkeit ist) bei gleichbleibender Prämienleistung. Die Erweiterung des Deckungsschutzes dem Grunde nach dürfte durch die Einschränkung der Entschädigungsleistung der Höhe nach nicht kompensiert werden. [E 12] cc) Herabsetzung der Prämie bei Mehrfachversichening Eine Mehrfachv im Sinne des § 58 I liegt vor, wenn dasselbe Risiko bei mehreren Vern gedeckt wird. Die Vorschrift enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken und ist für die private Unfallv anwendbar, auch soweit diese als Summenv betrieben wird (Anm. A 17), obwohl sie ihrer Stellung im Gesetz nach nur für die Schadensv und ihrem Wortlaut nach nur für die Interessev gilt. Der Begriff der Doppelv ist enger (§ 59 I): Er setzt weiter voraus, daß die mehrfache V zu einer Bereicherung des Vmers führen könnte (Bruck-Möller § 58 Anm. 4 und § 59 Anm. 3). Das ist bei der privaten Unfallv nur möglich, soweit sie als Schadensv betrieben wird, also Heilkostenersatz, Kurkosten oder Beerdigungskosten leistet (Anm. Β 11). Eine der Doppelv in der Schadensv entsprechende Problematik tritt auf, wenn bei mehrfacher Summenv die

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Anm. E 13

II. Prämienzahlungspflicht

insgesamt von allen Vern zu leistende Entschädigung summenmäßig begrenzt ist (§4 (3) b AUB, dazu Anm. E 13). Das Problem der Doppelv (§§ 59, 60) stellt sich in der Unfallv insbesondere für die Fälle mehrfacher V von Heilkosten (§ 8 VI. AUB), so z. B. wenn der Vmer neben einer laufenden Allgemeinen Unfallv im Rahmen eines von einem Reiseveranstalter angebotenen „Versicherungspakets" mehrere zusammengefaßte Ven nimmt, die eine V für Heilkosten einschließen oder wenn neben einer Allgemeinen Unfallv, die Heilkostenersatz einschließt, eine PKV besteht. Angesichts der Vielzahl der sich teilweise überschneidenden Vsleistungen wird die Möglichkeit einer betrügerischen Doppelv (§ 59 III) regelmäßig nicht zu erwägen, jedenfalls werden ihre subjektiven Voraussetzungen vom Ver nicht zu beweisen sein. Soweit neben einer privaten Unfallv, die Heilkostenersatz einschließt (§ 8 VI. AUB), eine PKV besteht, ergibt sich die Regelung aus § 8 VI. (3) AUB: Die Entschädigungsleistung des Unfallvers tritt als subsidiär zurück, der auf den Heilkostenersatz entfallende Prämienteil wird halbiert, § 8 VI. (3) a S. 3 AUB. Das geschieht ipso iure mit Wirkung von dem Zeitpunkt an, in dem der Ver vom Bestehen einer PKV Kenntnis erhalten hat. Der Vmer, der sich auf die Kenntnis des Vers beruft, um nur die entsprechend verminderte Prämie zu zahlen, muß die Kenntnis des Vers beweisen. Zur Bedeutung und zum Umfang der Subsidiarität vgl. Anm. B. 80—82. Hat der Vmer bei mehreren Vern (§ 59 I 1) Unfallvsverträge unter Einschluß von Heilkostenersatz (§ 8 VI. AUB) abgeschlossen, so könnte es sich um eine Doppelv im Sinne der §§ 59 I 1, 60 handeln. Dann könnte der Vmer hinsichtlich des zweiten Vertrages Herabsetzung der Prämie nach Maßgabe des § 60 12. Alt. verlangen. Da die im Rahmen der Unfallv zu ersetzenden Heilkosten von vornherein durch Höchstsummen begrenzt werden, steht keineswegs bei Abschluß des zweiten Vertrages fest, daß „die Summe der Entschädigungen, die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden" (übersteigt) (§ 59 I 2. Alt.). Es kann vorkommen, daß nur die Leistungen beider Ver gemäß § 8 VI. AUB vollen Schadensausgleich bieten. Andererseits kann nicht übersehen werden, daß bis zur gemeinsamen Höhe der beiden vereinbarten Deckungssummen beide Ver vollen Ersatz der Heilkosten schulden. Eine Herabsetzung der Prämie für den zweiten Vertrag nach Maßgabe des § 60 I kann der Vmer deshalb nur dann verlangen, wenn er zugleich für den zweiten Vertrag Subsidiarität des Heilkostenersatzes vereinbart oder sein Aufhebungsverlangen auf die Heilkostenentschädigung beschränkt. Fälle dieser Art kommen offensichtlich in der Praxis kaum vor. Die Unfallver pflegen bei Entgegennahme von Anträgen sehr eingehend nach schon bestehenden Unfallven zu fragen. Vgl. zum ganzen Bruck-Möller § 60 Anm. 5 zur Doppelv bei der V von Heilkosten (S. 498—499), zur Möglichkeit einer Anpassung über den Wortlaut des § 60 I hinaus § 60 Anm. 19, S. 508, zum Prämienschicksal nach Anpassung § 60 Anm. 26, S. 510.

[E 13] dd) Sonderfall: Beschränkung der Höchstsummen bei Summenverskhening Die Vorschriften über die Mehrfach- oder Doppelv sind entsprechend anzuwenden für Fälle der Beschränkung auf Höchstsummen, die z. B. bei Bestehen mehrerer Unfallven gelten, vgl. § 4 (3) b AUB für die dort genannten Fluggastrisiken. Solche Fälle werden praktisch, wenn ein Fluggast einen Unfall erleidet, der selbst eine Unfalleigenv nach AUB genommen hat und der entsprechend § 50 LVG vom Luftfahrtunternehmer durch eine Fremdv für fremde Rechnung gegen Unfälle im Zusammenhang mit dem Luftverkehr vert wird, vgl. hierzu Bruck-Möller § 58 Anm. 5, § 59 Anm. 12 und für die Anwendbarkeit des § 60 1 Bruck-Möller § 60 Anm. 5; entsprechende Wagner

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Anni. E 15

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

Anwendung von § 60 erwogen von OGH Wien 21. XII. 1960 VersR 1961 S. 476-478 mit (insoweit abl.) Anm. Wahle S. 479—480. Eine Herabsetzung der Prämie entsprechend § 60 I 2. Alt. ist praktisch nicht bedeutsam: Die Prämie aus der laufenden Unfallv wäre in jedem Falle bis zum Ablauf der laufenden Vsperiode geschuldet (§ 60 III), die hiernach geminderte Gefahrtragung wirkt sich in der Regel nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes (Flug) aus, in dem für eine Prämienanpassung kein Raum ist. [E 14] 4. Die Zahlung der Prämie a) Prämienschuldner ist der Vmer als Vertragspartner des Vers. Als solcher ist er auch Adressat von Erklärungen des Vers, die den Inhalt der Verbindlichkeit berühren, wie z. B. Stundung oder Mahnung. Ist der Vmer beschränkt geschäftsfähig oder geschäftsunfähig, so kann eine solche Erklärung nur seinem gesetzlichen Vertreter wirksam zugehen (§ 131 BGB). Der Ehegatte des Vmers wird kraft Abschlusses im Rahmen einer Unfallv auch dann nicht zur Prämienzahlung verpflichtet, wenn der Vertragsschluß der „angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie" dient (§ 1357 BGB n.F.). Angesichts der Besonderheiten der Unfallfremdv (§ 179 II und III) ist die Vorschrift über die Schlüsselgewalt nicht anwendbar, weil sie voraussetzt, daß der jeweils andere Ehegatte nicht nur verpflichtet, sondern auch berechtigt wird. Damit würde eine Sonderform der Unfallfremdv ermöglicht, die der abschließenden Regelung des § 179 widerspricht (Anm. C 6). Prämienzahlung durch einen Dritten kann der Ver entgegen § 267 II BGB trotz Widerspruchs des Vmers nicht zurückweisen, wenn der Dritte Gefahrsperson bei einer Unfallfremdv für fremde Rechnung ist, ein Recht auf Leistung aus einer Bezugsberechtigung erworben oder ein Pfandrecht an der Entschädigungsforderung innehat, Einzelheiten bei Bruck-Möller § 35 a Anm. 5. Die vorstehend genannten Personen, die zur Befriedigung des Vers im eigenen Interesse berechtigt sind, müssen sich gemäß § 35 b vom Ver, soweit er ihnen die Entschädigungsleistung schuldet, den Abzug rückständiger Prämien oder sonst dem Vmer aus dem Unfallvsvertrag obliegender Leistungen (Einzelheiten: Bruck-Möller § 35 Anm. 6—10) entgegenhalten lassen. Zu Bedeutung und Voraussetzungen der Vorschrift des § 35b vgl. Bruck-Möller § 35b Anm. 3 - 5 . [E 15] b) Fälligkeit der Prämie aa) Erst- oder Einmalprämie Der Anspruch des Vmers auf Zahlung der Erst- oder Einmalprämie (im folgenden nur: Erstprämie) entsteht mit Vertragsschluß und wird nach dem Wortlaut des § 35 S. 1 „sofort" fällig. Daß der Vmer nur gegen Aushändigung des Vsscheines zu zahlen braucht (§ 35 S. 2), ändert an der Fälligkeit nichts, diese Vorschrift gibt ihm nur ein Zurückbehaltungsrecht, das der Vmer geltend machen muß, vgl. BGH 21. XI. 1975 VersR 1976 S. 136 und Bruck-Möller § 35 Anm. 48. Die die Fälligkeit der Erstprämie betreffende Regelung des § 35 S. 1 ist in erster Linie bedeutsam im Hinblick auf § 38 : Der Ver kann im Falle „nicht rechtzeitiger" Zahlung vom Vertrag zurücktreten (§ 38 I 1) und der Vsschutz beginnt grundsätzlich erst mit Zahlung der Erstprämie (Einlösungsprinzip, § 38 II, vgl. Anm. D 4). Rechtzeitige Zahlung im Sinne des § 38 I 1 hat der Vmer geleistet, wenn er alsbald nach Zugang der Prämienrechnung seine Leistungshandlung (Anm. E 22) erbringt, vorausgesetzt, der Leistungserfolg tritt tatsächlich ein. Der Ver ist nicht berechtigt, sich nach dieser Vorschrift von einem unerwünschten Vertrage zu lösen mit der Begründung, der Vmer habe nicht umgehend („sofort") gezahlt. Die vom Ver erstellte 190

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II. Prämienzahlungspflicht

Anm. E 16

Prämienrechnung enthält regelmäßig die Angabe darüber, binnen welcher Frist der Ver Zahlung erwartet. In jedem Falle steht dem Vmer eine angemessene Frist zur Bewirkung der Zahlung zu. Die für den Vmer aus § 38 I 1 sich ergebende „Bedrohung" mit einem willkürlichen Rücktritt des Vers ist ohne praktische Bedeutung. Für die Allgemeine Unfallv folgt dies schon aus § 7 I AUB : Der erste Beitrag ist „auf Anfordern ohne Verzug" (Anm. D 11-12) zu zahlen. Geschieht dies, so gilt nicht nur das strenge Einlösungsprinzip (§ 38 II) als abbedungen, dem Ver kann in diesem Falle auch das Rücktrittsrecht gemäß § 38 I 1 erst nach Ablauf der Frist für eine unverzügliche Zahlung zustehen. Für die Kraftfahrt-Unfallv ist zu unterscheiden: Wird eine vorläufige Deckung auch für die Unfallv zugesagt (§ 1 II AKB), so gilt die gesamte Regelung des § 38 als abbedungen: Rechtsfolgen aus verzögerter Prämienzahlung ergeben sich nur, wenn die Erstprämie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang des Vsscheines bezahlt wird (§ 1 II S. 4 AKB) und der Vmer dies zu vertreten hat. Wird für die Kraftfahrtv keine vorläufige Deckung gewährt, so verbleibt es bei der Regelung der §§ 35, 38: Die Erstprämie ist „sofort" fällig, der Vsschutz beginnt mit der Einlösung des Vsscheins ( § 1 1 AKB). Die Frage, ob dem Ver das in § 38 I 1 genannte Rücktrittsrecht zusteht, ist nur für den Fall praktisch bedeutsam, daß der Ver den Prämienanspruch nicht innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend macht, vgl. OLG Hamburg 13. X. 1967 VersR 1968 S. 485. Nach Ablauf dieser Frist wird der Rücktritt des Vers fingiert (§ 38 I 2). [E 16] bb) Stundung der Erstprämie aaa)Fallgestaltungen in der Praxis Die aus § 35 S. 1 sich ergebende sofortige Fälligkeit der Erstprämie kann durch Vertrag der Beteiligten (§ 305 BGB) abbedungen werden. Die Fälligkeit wird auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben, vgl. Bruck-Möller § 35 Anm. 33—39. Geschieht das durch ausdrückliche Vereinbarung zwischen Ver und Vmer - etwa weil der Vmer mangels Liquidität nicht in der Lage ist, die Erstprämie sogleich zu zahlen —, so ist regelmäßig deckende Stundung anzunehmen. Vsschutz besteht entgegen § 38 II schon vor Zahlung der Erstprämie, OGH Wien 28. XI. 1962 VersR 1964 S. 602 mit Anm. Wahle S. 603, Bruck-Möller § 35 Anm. 38 m.N. und Wriede Anm. E 10, S. 146. Der Antrag des (künftigen) Vmers enthält regelmäßig eine Angabe nach Tag und Stunde für den materiellen Vsbeginn (Anm. D 4). Diese Angabe wird in den Vsschein übernommen. Es hängt von der vom Ver in Anspruch genommenen Bearbeitungszeit ab, ob Vertragsschluß und materieller Vsbeginn sich zeitlich decken. In der Praxis wird der Zeitpunkt im Antragsformular unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Bearbeitungszeit gewählt. Kommt der formelle Vertragsschluß vor diesem Zeitpunkt zustande, so gilt die Fälligkeitsregel des § 35 S. 1 für diesen Zeitpunkt. Das ist für die Rücktrittsfiktion gemäß § 38 I 2 von Bedeutung. Ist der Zeitpunkt für den materiellen Vsbeginn so gewählt, daß er deutlich nach dem mutmaßlichen (formellen) Vertragsschluß liegt, so spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Stundung der Erstprämie bis zu dem für den materiellen Vsbeginn angegebenen Zeitpunkt. Das gilt jedenfalls dann, wenn kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist, die Prämienzahlungspflicht erhebliche Zeit vor der Gefahrtragung beginnen zu lassen. Instruktiv LG Hildesheim 6. X. 1965 VersR 1965 S. 1165: Als Vsbeginn war der 1. 12. vorgesehen, der Vertrag war mit Zugang des Schreibens des Vers vom 16. 11. zustandegekommen. Mit diesem Schreiben hatte der Ver zugleich Stundung der Erstprämie bis zum 1. 12. angeboten. Wagner

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Anm. E 18

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

Das Gericht sah das Schweigen des Vmers hierauf als Annahme des Stundungsangebots an (§ 151 BGB). Ob eine Stundung bereits aufgrund des Umstandes anzunehmen gewesen wäre, daß formeller und materieller Vsbeginn zwei Wochen auseinanderliegen, ist zweifelhaft ; die Verneinung durch das Gericht dürfte bei dieser Zeitdifferenz näherliegen, ablehnend aber Gaßmann VersR 1966 S. 325. Eine deckende Stundung der Erstprämie liegt stets in einer vorläufigen Deckungszusage, vgl. Anm. C 25. [E 17] bbb) Wirkung der deckenden Stundung Nach vorherrschender Auffassung verändert die Stundung den Charakter der Prämie als Erstprämie nicht: Die Rechtsfolgen verzögerter Zahlung der ersten Prämie ergeben sich auch im Falle der Stundung nicht aus § 39. Diese insbesondere vom BGH vertretene Auffassung stützt sich auf den Gedanken, daß der Vmer, der schon die Erstprämie nicht zahle, im Hinblick auf die Rechte des Vers, sich vom Vertrage zu lösen, weniger schutzwürdig sei als der Vmer, der (erst) mit einer Folgeprämie in Rückstand gerate, vgl. BGH 25. VI. 1956 BGHZ Bd 21 S. 122 = VersR 1956 S. 482 = NJW 1956 S. 1634. Der gegenteilige Standpunkt von Möller (kritische Stellungnahme zur Rechtsprechung des BGH zusammengefaßt in Festschrift für Ernst Klingmüller, Karlsruhe 1974, S. 314—316) beruht auf dem Gedanken, daß derjenige Vmer, der bereits eine Rechtsposition (Gefahrtragung) erworben habe, unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes schutzwürdiger sei als derjenige, der diese Position erst durch Einlösung (§ 38 II) erwerbe. Der BGH hat sich im Ergebnis der Auffassung von Möller bis zur Übereinstimmung angenähert, indem er vom Ver verlangt, daß der Vmer auf die Folgen nicht unverzüglicher Zahlung nach Ablauf der Stundung ausdrücklich hinzuweisen sei, vgl. BGH 17. IV. 1967 BGHZ Bd 47 S. 352, BGH 4. VII. 1973 VersR 1973 S. 811 = NJW 1973 S. 1746. Damit wird dem Ver ein der qualifizierten Mahnung gemäß § 39 I 2 ähnliches Verhalten auferlegt. [E 18] cc) Fälligkeit der Folgeprämie Die Folgeprämie ist mangels anderweitiger Vereinbarung am ersten Tag der auf die erste folgenden Vsperiode fällig, Bruck-Möller § 35 Anm. 7, Wriede Anm. E 11, S. 147. Soweit nicht die Vsperiode (§ 9) für den Zeitpunkt der jeweiligen Prämienzahlung maßgeblich ist, wird der Zeitpunkt im Vertrag angegeben. Das geschieht regelmäßig bei Vereinbarung von Ratenzahlungen, bei denen dem Vmer nachgelassen wird, die — als Jahresprämie berechnete — Teilprämie in monatlichen, vierteljährlichen oder halbjährlichen Raten zu zahlen. Hierbei wird das jeweilige Zahlungsdatum im Vsschein angegeben. Solche Vereinbarungen machen auch denjenigen Teil der Prämie für das erste Vsjahr, der nicht als erste Rate zu zahlen ist, zur Folgeprämie im Sinne des § 39; hierzu und wegen ihres Rechtscharakters Bruck-Möller § 35 Anm. 43. Sie werden jeweils zu dem angegebenen Tage fällig (z.B. bei halbjährlichen Zahlungen: 1. Juli), am Tage danach kommt der Vmer in Verzug (bei vorgenanntem Beispiel: 2. Juli) gemäß §§ 284 II, 187 I BGB. Vielfach wird dem Vmer jedoch nach dem genannten Fälligkeitsdatum noch eine Zahlungsfrist (z.B. von zwei Wochen) gewährt. Dann treten Fälligkeit und Verzug erst entsprechend später ein (BruckMöller § 35 Anm. 32, § 39 Anm. 40, insbes. für Stundung vor Eintritt des Verzuges). Die Fälligkeit der Folgeprämie bleibt (Ausnahme: § 352 HGB) ohne Rechtsfolgen. Indes ist sie tatbestandliche Voraussetzung des Verzuges (§ 284 BGB) und des Merkmales „nicht rechtzeitig gezahlt" in § 39 I 1. Prämienzahlungsverzug löst die Rechtsfolgen der §§ 286, 288 BGB aus (Einzelheiten bei Bruck-Möller § 38 Anm. 15 und 16). Im Zusammenhang mit der Folge192

Wagner

II. Prämienzahlungspflicht

Anm. E 20

prämie ist Verzug des Vmers Voraussetzung für Leistungsfreiheit des Vers nach § 39 II (Anm. E 19) und für das Kündigungsrecht des Vers gemäß § 39 III 1 (Anm. E 20). [E 19] dd) Leistungsfreiheit des Versicherers gemati § 39 II Der Ver muß dem Vmer, der eine Folgeprämie trotz Fälligkeit, d.h. „nicht rechtzeitig" zahlt (§ 39 I), schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen setzen und darin zugleich auf die möglichen Rechtsfolgen nicht fristgerechter Zahlung (§ 39 II und III), hinweisen, vgl. BGH 13. II. 1967 BGHZ Bd 44 S. 88-94. Spätestens mit Zugang dieser qualifizierten Mahnung gerät der Prämienschuldner in Verzug, es sei denn, er hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten (§ 285 BGB), dabei kommt wegen § 279 BGB zur Entlastung des Schuldners nur ein Umstand in Betracht, der nicht in seiner mangelnden Zahlungsfähigkeit liegt. Wegen des Inhalts und der Form der qualifizierten Mahnung vgl. Bruck-Möller § 39 Anm. 18-25 und BGH a.a.O. S. 9 0 - 9 4 . Hat der Vmer innerhalb der wirksam gesetzten Frist nicht geleistet (Leistungsverhalten: Anm. E 22), so ist der Ver für einen nach Fristablauf eintretenden Vsfall nicht deckungspflichtig (§ 39 II). Zweifelhaft ist, ob der Ver auch dann leistungsfrei wird, wenn der gemahnte Vmer zwar den als Folgeprämie (plus Zinsen und/oder Kosten, vgl. § 39 II) geschuldeten Betrag innerhalb der gesetzten Frist zahlt, mit einer vorher fälligen Erst- oder Folgeprämie aber noch in Rückstand ist. Hier ist zu unterscheiden: Vor Zahlung der Erstprämie entsteht wegen § 38 II ohnehin kein Deckungsschutz. Das gilt für Fälle der hier genannten Art auch dann, wenn AVB eine erweiterte Einlösungsklausel enthalten. Denn wenn bei Verzug mit der Folgeprämie die Erstprämie noch nicht gezahlt ist, liegt eine unverzügliche (Anm. D 12) Zahlung der Erstprämie nach Anfordern nicht vor. Hier ist es gleichgültig, ob der Ver die auf qualifizierte Mahnung eingehende Zahlung auf die Erst- oder Folgeprämie verrechnet, er ist leistungsfrei nach § 38 II oder § 39 II (vgl. den instruktiven Fall BGH 24. I. 1963 VersR S. 376—378). Dabei gilt jedoch die Einschränkung, daß der Ver den Vmer in der qualifizierten Mahnung nach § 39 I nach Treu und Glauben auch darauf hinweisen muß, daß er, um durch die Zahlung Vsschutz zu erreichen, auch noch die Erstprämie leisten müsse. Das soll jedenfalls dann gelten, wenn der Vmer sich über dieses Erfordernis in einem entschuldbaren Irrtum befunden hat (BGH 24. I. 1963 VersR 1963 S. 378 für Haftpflicht^ noch weitergehend BGH 7. XI. 1973 VersR 1974 S. 121 für Einbruchdiebstahlsv). Der Ver ist nicht nach § 39 II leistungsfrei, wenn der Vmer die rückständige Folgeprämie zwar nach Fristablauf (§ 39 I), aber vor Eintritt des Vsfalles geleistet hat, vgl. Brockmann VersR 1954 S. 449, Bruck-Möller § 39 Anm. 34. Das gilt auch dann, wenn der Vmer inzwischen mit einer weiteren Folgeprämie in Verzug geraten ist, wenn nicht nunmehr hierfür ebenfalls die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit gemäß § 39 II geschaffen worden sind, wie hier: Haasen VersR 1955 S. 68, a.A. Ehrenzweig VersR 1954 S. 526 und VersR 1955 S. 6 8 - 7 1 . [E 20] ee) Kiindigungsrecht des Versicherers gemäß § 39 III Hat der Vmer innerhalb der ihm mit der qualifizierten Mahnung (§ 39 I 1) gesetzten Frist nicht gezahlt, so kann der Ver den Vsvertrag kündigen (§ 39 III). Die Kündigung kann (bedingt) schon mit der qualifizierten Mahnung, aber auch nach Fristablauf erklärt werden. Sie wird - auflösend bedingt, vgl. § 39 III 3 - sofort wirksam (§ 39 III 1). Zweifelhaft ist, ob dem Ver für die Ausübung des Kündigungsrechtes nach Fristablauf eine Überlegungsfrist verbleibt. Sofern man anerkennt, daß ihm ein Prämienanspruch nicht über die in § 40 II 1 genannte Frist hinaus zustehen kann, ist ihm das Recht zuzugestehen, bis zum Ablauf der laufenden Vsperiode zu kündigen. 13

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Aron. E 22

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

Für den Vmer ist dies nur vorteilhaft, weil ihm das Recht, den gekündigten Vertrag durch nachträgliche Zahlung wieder aufleben zu lassen, entsprechend länger verbleibt (wie hier Bruck-Möller § 39 Anm. 45, teilw. abw. Prölss-Martin21 § 39 Anm. 7 b, S. 234). [E 21] c) Erfüllung der Prämlenverbindlichkeit aa) Schickschuld Die Prämienzahlungspflicht hat regelmäßig (Anm. E 4) eine Geldschuld zum Inhalt. Geldschulden sind nach § 270 BGB Schickschulden mit der Besonderheit, daß der Schuldner Kosten und Gefahr der Übermittlung trägt (§ 270IV BGB, vgl. Larenz, Schuldrecht I 11 S. 163). Das bedeutet: Der Schuldner erbringt die Leistungshandlung an seinem Wohnort. Der Zeitpunkt der Leistungshandlung ist maßgeblich für die Frage, ob er rechtzeitig geleistet hat. Der Leistungserfolg (Erfüllung) tritt dagegen erst ein, wenn der Gläubiger über die gezahlte Summe verfügen kann. Die vsrechtliche Regelung entspricht der Vorschrift des § 270 BGB: Leistungsort ist der (jeweilige) Wohnsitz des Vmers (§ 36 I), u.U. der Ort seiner gewerblichen Niederlassung (§ 36 II), das ist bedeutsam für betriebliche Gruppen-Unfallven. Die Leistungshandlung führt indes nur dann zur Erfüllung, wenn der Leistungserfolg (Ankunft des Geldes beim Ver oder seinem empfangsberechtigten Agenten) eintritt. Der Prämienschuldner trägt das Risiko der erfolgreichen Übermittlung. Insoweit gilt jedoch eine Einschränkung: Hat er die Leistungshandlung rechtzeitig bewirkt, erreicht die Zahlung den Gläubiger aber nicht, so gerät der Vmer als Schuldner zunächst nicht in Prämienzahlungsverzug, wenn er eine als zulässig anerkannte Übermittlungsmodalität (Anm. E 23) gewählt hat. Er hat das Scheitern der Übermittlung nicht zu vertreten (§ 285 BGB), muß die Zahlung (Leistungshandlung) jedoch wiederholen, nachdem er vom Scheitern des ersten Erfüllungsversuches Kenntnis erhalten hat. Die Bezeichnung der Prämienzahlungsschuld als „Bringschuld" bei Wussow AUB 4 § 7 Anm. 4, S. 139 ist, wie sich aus seinen Ausführungen zur Leistungshandlung (a. a. O. S. 138) ergibt, in dem hier dargestellten Sinne einer qualifizierten Schickschuld gemeint. [E 22] bb) Leistungshandlung Die vom Vmer als Prämienschuldner zu erbringende Leistungshandlung ist ein Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der gebräuchlichen Möglichkeiten bargeldloser Zahlung alsbald zur Übermittlung der geschuldeten Summe an den Ver führt. Dabei spielt die Barzahlung an den Ver oder seinen Agenten allenfalls für die Erstprämie eine gewisse Rolle, in der Praxis überwiegt bargeldlose Zahlung in den von der Post und von der Bankpraxis angebotenen Formen. Die Rechtsprechung hat alle üblichen Formen der bargeldlosen Zahlung als für das geschuldete Leistungsverhalten des Vmers geeignet anerkannt. Dazu gehören neben Postanweisung und Wertbrief direkte Einzahlung auf ein Konto des Vers oder des bevollmächtigten (§ 43 Ziff. 4) Agenten, die Überweisung auf ein solches Konto durch Bank oder im Postscheckverkehr, die einfache oder telegrafische Anweisung an das Postscheckamt, zu Lasten des Kontos des Vmers an den Ver (bar) auszuzahlen oder die Erteilung einer Einzugsermächtigung an den Ver. Die Übersendung oder Übergabe eines Schecks - Bar- oder Verrechnungsscheck — braucht der Ver nicht anzunehmen; tut er es, so steht sie der sofortigen Zahlung gleich, wenn der Scheck ordnungsgemäß eingelöst wird (BGH 7. X. 1965 BGHZ Bd 44 S. 178 = NJW 1966 S. 46 = VersR 1965 S. 1141). Der - praktisch nicht bedeutsame - Fall, daß der Vmer mittels Wechsels zahlt, steht einer solchen Zahlung gleich, wenn der Wechsel termingemäß eingelöst wird. Diese Zahlungsweise ist nur sinnvoll, wenn Fälligkeit der 194

Wagner

II. Prämienzahlungspflicht

Anm. E 23

Prämie und Verfalldatum des Wechsels übereinstimmen. Nimmt der Ver einen — nicht auf Sicht zahlbaren - Wechsel entgegen, so ist Stundung der Prämie bis zum Verfall anzunehmen. [E 23] cc) Bewirkung der Leistungshandlung bei bargeldloser Zahlung Während über die Eignung bargeldloser „Zahlung" zur Erfüllung der Prämienschuld angesichts des „Wandels der Formen des Zahlungsverkehrs in den letzten Jahrzehnten" (vgl. BGH 7. X. 1965 BGHZ Bd 44 S. 180) Einigkeit besteht, ist weiterhin zweifelhaft, auf welches Stadium des Ablaufs einer Überweisung es für die Frage ankommt, ob der Schuldner „rechtzeitig" gezahlt hat. Übersendet der Vmer z.B. per Post einen Überweisungsauftrag an seine Bank, führt diese den Auftrag aus, indem sie den Überweisungsbetrag von seinem Konto abbucht und übermittelt sie den Überweisungsträger an die Bank des Vers, die den Betrag alsdann dessen Konto gutschreibt, so kommt jeder einzelne Punkt dieses Geschehens als für die Zahlung des Vmers maßgeblich in Betracht, vgl. hierzu Larenz, Schuldrecht I n S. 164 N. 1 und Canaris in RGR-Komm. z. HGB 3 Bd III Anh. § 357 HGB Anm. 242-243 jeweils m.w.N. In vsrechtlichen neueren Entscheidungen ist die Frage, soweit ersichtlich, noch nicht abschließend entschieden worden: BGH 5. XII. 1963 VersR 1964 S. 129 = NJW 1964 S. 499 = VA 1964 S. 27 Nr. 379 läßt sie ausdrücklich offen. BGH 15. IV. 1959 NJW 1959 S. 1176 entscheidet zu § 326 BGB, die Begründung ist auf eine besondere Fallgestaltung zugeschnitten. OGH Wien 16. VI. 1965 VersR 1966 S. 551 bejaht rechtzeitige Zahlung im Sinne des § 38 II für den Fall, daß der Vmer „die Bank rechtzeitig beauftragt" habe (Sachverhalt nicht ganz klar wiedergegeben). BGH 29.1. 1969 NJW 1969 S. 875 = VersR 1969 S. 368 stellt für die Übermittlung eines Schecks an den Ver darauf ab, wann sich der Vmer „der uneingeschränkten Verfügungsgewalt über den Scheck begeben" habe, das sei der Fall, wenn der Vmer den Scheck der Post zur Beförderung oder wenn ein von ihm beauftragter Bote den Scheck dem Ver (zuständige Stelle) übergeben habe. Würde man den Gedanken, daß es auf die tatsächliche Leistungshandlung des Schuldners (Vmers) ankommt (vgl. § 243 II BGB) konsequent durchführen, so müßte es genügen, daß er einen Überweisungsauftrag an Bank oder Postscheckamt — durch Einwurf in einen Briefkasten - absendet. Bei regelmäßigem Ablauf ist dann mit der Durchführung des Auftrages binnen zwei bis drei Tagen zu rechnen. Auf die Möglichkeit, den Auftrag anzuhalten, zu widerrufen oder sonst seine Ausführung zu hindern, kann es nicht ankommen. Sie besteht auch bei Übersendung eines Schecks, der gesperrt werden kann und dessen Sperrung die Bank üblicherweise auch vor Ablauf der Vorlegungsfrist (Art 32 SchG) respektieren wird. Diese Möglichkeit ist für die schutzwürdigen Belange des Gläubigers belanglos: Macht der Schuldner hiervon Gebrauch, so trägt er den Rechtsnachteil der Nichtzahlung in gleicher Weise, wie wenn er gar nicht gezahlt hätte. — Eine so weitgehende Vorverlegung der für die Rechtzeitigkeit maßgeblichen Leistungshandlung des Vmers wird jedoch, soweit ersichtlich, nicht angenommen. Berücksichtigt man einerseits, daß Leistungsort der Wohnort oder die Geschäftsniederlassung des Schuldners (Vmers) ist (§§ 270 IV BGB) und behält andererseits im Blick, daß der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan haben muß, um den die Zahlung repräsentierenden Überweisungsträger „auf den Weg zu bringen", so wird man für die rechtzeitige Leistungshandlung fordern, aber auch genügen lassen müssen, daß der Vmer seiner Bank oder dem am Leistungsort befindlichen Postscheckamt den ordnungsgemäß ausgefüllten Überweisungsauftrag einreicht; in diesem Sinne LG Essen 8. II. 1963 VersR 1964 S. 525, ähnlich, aber auf besondere Fallgestaltung abstellend, LG Hamburg 9. XII. 1954 VersR 1955 S. 433, wie hier wohl auch Prölss-Martin21 § 35 Anm. 6 A b, S. 214. Dagegen ist zur Vollen13'

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Anm. E 25

E. Rechtspflichten des Versicherungsnehmers

dung der Leistungshandlung nicht zu verlangen, daß die Überweisungsbank (des Vmers) den Überweisungsträger weitergibt (so Canaris a.a.O. Anm. 243 S. 699 m. N.). Diese ist zwar im wörtlichen Sinne „Erfüllungsgehilfin" des Vmers, der Vmer haftet aber für ihr Verhalten nur insofern, als er einen nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführten Auftrag zu wiederholen hat (Anm. E 21). Gesteht man dem Vmer generell das Recht zu, durch Überweisung bargeldlos zu zahlen (zweifelnd im Anschluß an die ältere Rechtsprechung noch Bruck-Möller § 35 Anm. 53), so ist es notwendig und konsequent, als rite bewirkte Leistungshandlung die Übergabe des Überweisungsauftrages an die Bank selbst anzusehen. Wie der Vmer diese Übergabe besorgt, ist seine Sache, insoweit handelt er auf eigenes Risiko. [E 24] dd) Sonderfall: Einziehungsermächtigung In zunehmendem Maße lassen sich die Ver vom Vmer zum Einzug der Prämie vom Konto des Vmers „ermächtigen". Die bargeldlose Zahlung (Überweisung) der Prämie wird dann jeweils nicht vom Ver durch einen an seine Bank erteilten Auftrag, sondern vom Ver durch „Einzug" oder Abruf, in der Regel vermittels seiner (des Vers) Bank, veranlaßt. Die rechtliche Konstruktion dieses Verfahrens ist zweifelhaft, vgl. Reimer Schmidt AcP 166 (1966) S. 14, Engel S. 20 und Canaris a.a.O. Anm. 188 S. 665. Der Gläubiger (Ver) erhält das Recht vom Vmer, den Betrag vom Konto des Schuldners (Vmers) abbuchen zu lassen, die Bank des Schuldners muß verpflichtet sein, den abgerufenen Betrag zu Lasten des Kontos des Schuldners abzubuchen. Auf die hiermit zusammenhängenden Rechtsprobleme ist hier nicht näher einzugehen. Denn für die Prämienzahlungspflicht des Vmers hat eine dem Ver auf dessen Wunsch erteilte Einziehungsermächtigung, der die Bank des Vmers jeweils entspricht, die Wirkung, daß der Vmer seiner Verpflichtung, die Zahlung zu bewirken, schon dadurch nachkommt, daß er für ein entsprechendes Guthaben oder eine Kreditgewährung durch seine Bank sorgt. Mit der (vereinbarungsgemäß) durch den Vmer erklärten Einziehungsermächtigung übernimmt der Ver das Prämieninkasso in eigener Verantwortung. Der Vertrag wird in der Weise umgestaltet, daß der Vmer seine Prämienzahlungspflicht erfüllt, wenn er den Betrag auf seinem Konto bereithält. In diesem Sinne auch BGH 19. X. 1977 NJW 1978 S. 215-217. Dieser (vereinbarte) Vorgang der Prämienzahlung kraft Einziehungsermächtigung ist nicht mit der in § 37 zugrundegelegten Handhabung zu verwechseln. Diese Vorschrift setzt voraus, daß eine von der Regelung der §§ 35—39 abweichende Vereinbarung nicht getroffen worden ist. Vielmehr vertraut der Vmer kraft tatsächlicher Übung darauf, daß die Prämie weiterhin bei ihm abgeholt werden wird, vgl. BruckMöller § 37 Anm. 8. Der Vmer kann mit der Prämienzahlungspflicht erst (wieder) in Verzug geraten, wenn der Ver den durch tatsächliche Übung geschaffenen Vertrauenstatbestand zerstört. Dieser Unterschied zwischen vertraglich vereinbarter Einziehungspflicht des Vers und dem in § 37 vorausgesetzten Tatbestand wird von OLG Celle 30. IV. 1976 VersR 1976 S. 854 nicht klar abgegrenzt, wenn dort ohne weiteres davon ausgegangen wird, daß der Vmer trotz Einziehungsermächtigung in Prämienverzug geraten kann (vgl. Gärtner, Prämienzahlungsverzug2 S. 59 und 92 mit N. 6). [E 25] 5. Die Geschäftsgebühr des Versicherers In den Fällen des § 40 II 2, 68 I kann der Ver (nur) eine „angemessene Geschäftsgebühr" verlangen. Sie dient der Schadloshaltung des Vers im Hinblick auf die von ihm im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß aufgewendeten Kosten, wobei auch die allgemeinen Geschäftsunkosten mit zu berücksichtigen sind, vgl. Bruck-Möller § 40 Anm. 12 und Sieg Bd II § 68 Anm. 49-53. In der Praxis schätzen Gerichte die Geschäftsgebühr gemäß § 287 II ZPO, vgl. die bei Sieg a.a.O. Anm. 49 zitierten Urteile. 196

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F. Obliegenheiten Gliederung Schrifttum Anm. F 1 I. Vorbemerkung Anm. F 2 - 1 4 1. Beschränkung der Darstellung Anm. F 2 2. Bedeutung für die private Unfallv Anm. F 3 - 1 3 a) Allgemeines Anm. F 3 b) Obliegenheitstheorien Anm. F 4 c) Folgerungen Anm. F 5 - 1 1 aa) Allgemeines Anm. F 5 bb) Einstehen des Vmers für Wissen und Verhalten Dritter Anm. F 6 - 1 1 aaa) Abgrenzimg Anm. F 6 bbb) Obliegenheitsverletzung bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung (Bedeutung der Regelung des § 79 Anm. F 7 ccc) Obliegenheitsverletzung bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung (Bedeutung der Regelung des § 179 IV) Anm. F 8 ddd) Obliegenheitsverletzung durch Bezugsberechtigten Anm. F 9 eee) Obliegenheitsverletzung durch Dritte in der Kraftfahrt-Unfallv Anm. F 10-11 aaaa) Allgemeines Anm. F 10 bbbb) Besonderheiten der KraftfahrtUnfallv Anm. F 11

d) Verhüllte Obliegenheiten Anm. F 1 2 - 1 3 aa) Allgemeines Anm. F 12 bb) Abgrenzung von Obliegenheiten und Fristversäumung Anm. F 13 3. Abschließende Regelung von Obliegenheitsverletzungen in AVB? Anm. F 14 II. Vor Vertragsschluß vom Vmer zu erfüllende Obliegenheiten Anm. F 1 5 - 2 1 1. Anzeige gefahrerheblicher Umstände bei Antragstellung Anm. F 1 5 - 1 8 a) Allgemeines Anm. F 15 b) Abgrenzung erheblicher Gefahrumstände Anm. F 16 c) Wissensvertretung Anm. F 17 d) Rechtsprechung Anm. F 18 2. Anzeige gefahrerheblicher Umstände nach Antrag vor Vertragsschluß (§ 29 a) Anm. F 19 3. Restfälle gesetzlicher vorvertraglicher Obliegenheiten Anm. F 2 0 - 2 1 a) Anzeige bestehender Personenven Anm. F 20 b) Anzeige auftragloser V für fremde Rechnung Anm. F 21 III. Obliegenheiten, die nach Vertragsschluß, aber vor Eintritt des Vsfalles zu erfüllen sind Anm. F 2 2 - 3 3 1. Vorbemerkung Anm. F 22 2. Gefahrstandspflicht Anm. F 23 a) Allgemeines Anm. F 23 b) Überblick über die Regelung Anm. F 24

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Anm. F 1

F. Obliegenheiten

c) Sonderregelung in §§ 4 (1) und (2), 15 I. AUB Anm. F 25-32 aa) Überblick Anm. F 25 bb) Berufsänderung als erlaubte Gefahrerhöhung Anm. F 26 cc) Verstoß gegen § 34 a W G ? Anm. F 27 aaa) Stellungnahme in Schrifttum und Rechtsprechung Anm. F 27 bbb) Eigene Stellungnahme Anm. F 28 dd) Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung Anm. F 29-31 aaa) Vorbemerkung Anm. F 29 bbb) Berufstätigkeit oder Beschäftigung Anm. F 30 ccc) Schuldner der Anzeigepflicht Anm. F 31 ee) Sonderfall: Der Ver gewährt keinen Vsschutz für die neue Berufstätigkeit oder Beschäftigung Anm. F 32 d) Bedeutung anderer Gefahrerhöhungen Anm. F 33 IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles Anm. F 3 4 - 5 3 1. Allgemeines Anm. F 34 2. Zweck und Inhalt der Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles Anm. F 35 3. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles in der Allgemeinen Unfallv Anm. F 36 a) Anzeige eines Unfalls (§ 15 II. (1) und (4) AUB Anm. F 36-45 aa) Vorbemerkung Anm. F 36 bb) Anzeige nach § 15 II. (1) AUB Anm. F 37 cc) Auskunft nach § 15 II. (4) AUB

Anm. F 38 dd) Anzeige des Todes (§ 15 II. (2) AUB) Anm. F 39 ee) Verschulden bei Verletzung der Auskunfts- und Anzeigeobliegenheit Anm. F 40-42 aaa) Fristversäumung Anm. F 40 bbb) Verschuldete Versäumung der Frist Anm. F 41 ccc) Fristversäumung durch Erben und Bezugsberechtigte Anm. F 42 ff) Gestattung der Leichenöffnung Anm. F 43-44 aaa) Allgemeines Anm. F 43 bbb) Verschulden Anm. F 44 gg) Exhumierung Anm. F 45 b) Auskunft durch Ärzte Anm. F 46-52 aa) Allgemeines Anm. F 46 bb) Veranlassung eines Arztberichts Anm. F 47 cc) Ermächtigung anderer Ärzte und der Berufsgenossenschaft zur Auskunftserteilung Anm. F 48 dd) Duldung der Untersuchung durch Vertrauensarzt des Unfallvers Anm. F 49 c) Schadensminderung Anm. F 50-52 aa) Allgemeines Anm. F 50 bb) Zuziehung eines Arztes Anm. F 51 cc) Befolgung ärztlicher Anordnungen Anm. F 52 d) Exkurs: Einsicht des Vmers in Untersuchungsberichte Anm. F 53

[ F l ] Schrifttum: Capitain JRPV 1935 S. 343-346, ders. JRPV 1936 S. 114-115, Do. JRPV 1935 S. 346, Gucht JR 1973 S. 234-236, Habe JRPV 1936 S. 153-155, Hirsch JRPV 1937 S. 33-35, Josef

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Anm. F 3

I. Vorbemerkung

DAR 1929 Sp. 15-16, ders. JRPV 1929 S. 114-115, Kramer JRPV 1931 S. 363-365, Krebs VersR 1962 S. 13-15, Matt ZfV 1962 S. 240-241, Meyer-Classen JRPV 1929 S. 58-59, Möller, Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter, Berlin 1939, ders. VersRdsch 1970 S. 329-337, ders. in: Festschrift für Ernst Klingmüller, Karlsruhe 1974, S. 301-316, Oberländer DAR 1928 Sp. 363-364, Prölss VersR 1967 S. 309-311, ders. VersR 1968 S. 269-270, H. P. JRPV 1938 S. 4 - 5 , Reimann NJW 1973 S. 2240-2241, Schaer, Rechtsprobleme der Verletzung versicherungsrechtlicher Obliegenheiten, Bern 1972, Schirmer in: Festschrift für Reimer Schmidt, Karlsruhe 1974, S. 821-843, Reimer Schmidt, Die Obliegenheiten, Karlsruhe 1953 (zitiert: Reimer Schmidt, Obliegenheiten), ders. ZVersWiss 1968 S. 83-86, ders. in: Grundprobleme des Versicherungsrechts, Festgabe für Hans Möller, Karlsruhe 1972, S. 443-462, Sieg ZVersWiss 1973 S. 437-449, Werber, Die Gefahrerhöhung, Karlsruhe 1967, Wieland JRPV 1937 S. 333—337, Winter in: Grundprobleme des Versicherungsrechts, Festgabe für Hans Möller, Karlsruhe 1972 S. 537-552.

[F 2] I. Vorbemerkung 1. Beschränkung der Darstellung Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf Obliegenheiten, die den Vmer belasten. Diese Beschränkung entspricht dem Sprachgebrauch des W G , in dem nur von Obliegenheiten des Vmers die Rede ist und trägt dem Umstand Rechnung, daß die für die Vspraxis bedeutsamen Rechtsprobleme — Frage nach verhüllten Obliegenheiten, Begrenzung der Verwirkungsfolgen und Repräsentantenhaftung — sich überwiegend für Obliegenheiten des Vmers stellen. Dabei kann nicht zweifelhaft sein, daß es auch Obliegenheiten gibt, die den Ver belasten; hierzu sowie zum Sprachgebrauch in BGB und W G mit Hinweisen auf die geschichtliche Entwicklung Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 102—103 m. N. Auf Obliegenheiten des Vers wird in diesem die Unfallv betreffenden Teil des Kommentars im jeweiligen Sachzusammenhang hingewiesen. Sie treten typischerweise als Hinweispflichten in Erscheinung, vgl. hierzu die Zusammenstellung und kritische Würdigung der neueren Rechtsprechung bei Möller in: Festschrift für Ernst Klingmüller S. 301—316. In dem hier erörterten Zusammenhang werden sie insoweit berücksichtigt werden, als dies für die Beleuchtung der juristischen Struktur von Bedeutung ist und sich daraus Folgerungen für die private Unfallv ergeben. [F 3] 2. Bedeutung für die private Unfallversicherung a) Allgemeines Die praktische Bedeutung der rechtlichen Behandlung von Obliegenheiten konzentriert sich in der Allgemeinen Unfallv auf die Fragen, unter welchen Voraussetzungen lückenhafte oder unrichtige Angaben zu Gefahrumständen (§ 16 W G ) oder die Versäumung der Anzeige eines Vsfalles — überwiegend durch Angehörige des durch Unfall getöteten Vmers — Verwirkungsfolgen nach sich ziehen. Die Abgrenzung der Obliegenheiten von Gefahrumstandsausschlußklauseln ist zwar im Schrifttum auch für die Allgemeine Unfallv erörtert worden (Nachweise und Problemdarstellung Anm. G 134), praktisch bedeutsam geworden ist sie in der Rechtsprechung bisher nicht. Dagegen bedarf die Abgrenzung der Obliegenheitsverletzung von der Fristversäumung der Klärung (Anm. F 13). Nicht zum eigentlichen Problemkreis der Obliegenheiten gehört die Frage, ob in AUB und AKB die Rechtsfolgen von Gefahrerhöhungen abschließend geregelt sind: Sie beantwortet sich - im weiteren Sinne - aus Gesichtspunkten der Auslegung von AVB, nämlich unter der Fragestellung, ob und inwieweit ein Bedingungswerk als gegenüber dem W G abschließende Regelung zu verstehen ist. Hierzu ist unter Anm. A 38—39 Stellung genommen worden, sie ist für Wagner

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F. Obliegenheiten

Amn. F 4

die Besonderheiten der AKB zu ergänzen (Anm. F 14). Die in älteren Entscheidungen wiederholt angeschnittenen Fragen, wer nach dem Tode (Unfalltod) des Vmers für eine Sektionsgenehmigung zuständig ist (vgl. § 15 II. (2) AUB) und welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn der Vmer eine solche Genehmigung nicht sichergestellt hat oder wenn diese Genehmigung nach seinem Tode aus - tatsächlich gegebenen oder vorgeschobenen — Pietätsgründen verweigert wird, fehlt es an neuerer Judikatur. Anfragen bei mehreren Vern lassen vermuten, daß solche Weigerungen weitgehend respektiert und nicht als schuldhafte Obliegenheitsverletzungen von den Vern geltend gemacht werden. Soweit von einer Leichenöffnung bei verständiger Würdigung Aufschlüsse über Grund und Höhe einer Entschädigungspflicht zu erwarten ist, muß solches Verhalten des Vers als Kulanz gewertet werden. [F 4] b) Obliegenheitstheorien Begriff und Bedeutung vsrechtlicher Obliegenheiten sind von Möller in Bd I § 6 Anm. 8—11 dargestellt worden. Auf diese Ausführungen wird verwiesen. Sie bezieht die von Reimer Schmidt, Obliegenheiten, begründete Lehre ein, für die der Ausdruck „Rechtszwangstheorie" verwendet wird (vgl. Bruck-Möller § 6 Anm. 10) und gibt damit den bis heute unveränderten Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um Begriff und Wirkungsweise der Obliegenheiten wieder. Eine auf die private Unfallv beschränkte Darstellung hat sich mit diesem Theorienstreit nur insoweit zu befassen, als er für diesen Vszweig von Bedeutung ist. Das ist der Fall insbesondere im Zusammenhang mit dem Problemkreis des Einstehenmüssens des Vmers für Obliegenheitsverletzungen durch Dritte (Anm. F 6—10), aber auch für die Frage nach der Abgrenzung des vsrechtlichen Obliegenheitsbegriffs unter dem Gesichtspunkt der verhüllten Obliegenheiten (Anm. F 13). Die Auslegung der für die Unfallfremdv bedeutsamen §§ 79,179 IV und die Abgrenzung der Obliegenheiten von Risikobeschränkungen und sonstigen Verhaltensgeboten würden ohne Stellungnahme zu den Obliegenheitstheorien unvollständig bleiben. Die herrschende Voraussetzungstheorie sieht sich wesentlich durch die Regelung des § 79 bestätigt (vgl. Bruck-Möller § 6 Anm. 11), während die Verbindlichkeitstheorie diese Vorschrift als gesetzlich geregelten Ausnahmefall eines Vertrages zu Lasten Dritter glaubt anerkennen zu müssen (Prölss-Martin21 § 75 Anm. 3, S. 408). Die Stellungnahmen in Bd I und II dieses Kommentars, Bruck-Möller § 6 Anm. 61 einerseits und Sieg Bd II § 79 Anm. 23 andererseits zeigen, daß die Auslegung des § 179 IV nicht abschließend geklärt ist. Die bedeutsame Abhandlung von Schirmer klammert diese im Schrifttum auch sonst wenig erörterte Vorschrift ausdrücklich aus (Schirmer S. 826 oben). Von der herrschenden Voraussetzungstheorie, die von Möller als speziellere Ausprägung einer allgemeineren Obliegenheitstheorie bezeichnet wird (vgl. Bruck-Möller § 6 Anm. 9—10), werden Obliegenheiten als „Voraussetzungen für die Erhaltung des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrage" betrachtet (Nachweise bei Bruck-Möller § 6 Anm. 10, S. 188 und Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 139-140). Der ihr zugrundeliegende Rückgriff auf den gemeinrechtlichen Begriff der Voraussetzung erklärte sich zunächst u.a. aus der Abneigung gegen eine eigenständige vsrechtliche Begriffsbildung, die sich in das System der subjektiven Rechte nicht einfügte (hierzu und zur Kritik Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 63—66), während spätere Vertreter der Voraussetzungslehre die Eigenständigkeit des Obliegenheitsbegriffes eher als notwendig hervorheben (vgl. Bruck-Möller § 6 Anm. 9 a. E., S. 187). Maßgebliches Ziel dieser Lehre ist es, deutlich zu machen, daß das Einstehenmüssen des Vmers für das Verhalten Dritter (Anm. F 6) nicht allein durch direkte oder entsprechende Anwendung des § 278 BGB begründet werden kann (vgl. insbes. Möller, Verantwortlichkeit S. 90—105) und daß sich auch sonst Obliegenheiten und Rechtspflichten grundlegend 200

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Anm. F 4

I. Vorbemerkung

unterscheiden: Die Obliegenheit gewährt keinen klagbaren Anspruch, ihre Verletzung löst keine Schadensersatzpflicht aus, sie bleibt überhaupt sanktionslos, soweit nicht die Verletzungsfolge vertraglich oder durch Gesetz festgelegt wird (vgl. den Überblick bei Bruck-Möller § 6 Anm. 5 - 1 1 ) . Demgegenüber sieht die Verbindlichkeitstheorie (zum modernsten Stand ihrer Begründung: Prölss-Martin21 § 6 Anm. 4, S. 73—75) in der Obliegenheit nur eine besondere Form der Rechtspflicht. Sie stellt das an den Vmer gerichtete Verhaltensgebot in den Vordergrund, verweist auf den Sprachgebrauch des Gesetzes, das vielfach im Zusammenhang mit Obliegenheiten von der „Pflicht" des Vmers spreche und leugnet die Notwendigkeit (und Zulässigkeit) eines eigenständigen, im Hinblick auf die schuldrechtliche Begriffsverwendung als systemfremd bezeichneten Obliegenheitsbegriffs (Einzelheiten bei Prölss-Martin a.a.O. S. 74, weitere Nachweise bei Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 140-142 mit Würdigung des Streitstandes N. 713). Die subtile Untersuchung von Reimer Schmidt, Obliegenheiten, passim, hat zwar der Sache nach die gegensätzlichen wissenschaftlichen Positionen der Voraussetzungsund Verbindlichkeitstheorie durch differenzierende Einzelwürdigung aller zivilrechtlichen Obliegenheitsstatbestände relativiert und die Unhaltbarkeit einer Einheitslösung nachgewiesen (zur Methode vgl. a.a.O. S. 58—62, Zusammenfassung S. 312-321). Zu einer „Erledigung" des wissenschaftlichen Meinungsstreits hat die Rechtszwangtheorie — trotz weitgehender Übereinstimmung hinsichtlich der Ergebnisse — nicht geführt. Das liegt (auch) daran, daß in jüngster Zeit in der Rechtspraxis Probleme hervorgetreten sind, deren Behandlung in Rechtsprechung und Schrifttum die Abgrenzung von Obliegenheiten und echten Rechtspflichten erneut in Frage gestellt haben: Die Anerkennung sog. übergesetzlicher Hinweispflichten des Vers wirft die Frage auf, ob diese als Obliegenheiten oder als echte Rechtspflichten einzuordnen sind. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich: Die dem Ver (insbesondere) in der Haftpflichtv auferlegte „Pflicht", den Vmer auf die Rechtsfolgen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung (Aufklärungspflicht) hinzuweisen, wird als Obliegenheit behandelt. Der Ver verliert bei Versäumung sein Gestaltungsrecht, er kann sich gegenüber dem Deckungsanspruch des Vmers nicht auf Leistungsfreiheit berufen (Überblick und Kritik bei Möller in: Festschrift für Klingmüller S. 305-308). Dagegen wird die (aus § 242 BGB hergeleitete) Hinweispflicht des Vers in den Fällen des Prämienverzuges als echte Rechtspflicht aufgefaßt: Unterläßt es der Ver, den Vmer mit der qualifizierten Mahnung nach § 39 I gegebenenfalls auch darauf hinzuweisen, daß der Vmer zur Erlangung (Erhaltung) des Vsschutzes zusätzlich die Erstprämie nachzahlen müsse, so könne der Vmer vom Ver Schadensersatz — Naturalersatz: nämlich in Gestalt des vsrechtlichen Deckungsschutzes — verlangen, vgl. BGH 24.1.1963 VersR 1963 S. 378 und BGH 7. XI. 1973 VersR 1974 S. 121. Die von der Rechtsprechung seit BGH 16. I. 1970 Bd 53 S. 160 vollzogene Einschränkung der Verwirkungsfolge vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Vmer — Beschränkung auf relevante Verstöße gegen das Aufklärungsinteresse des Vers — in der Kraftfahrt-Haftpflichtv und die dazu geführte wissenschaftliche Diskussion erscheinen in ihrer Diktion und Argumentationsstruktur wie eine Bestätigung der Verbindlichkeitstheorie: Sie machen deutlich, daß die Aufklärungsobliegenheit dem Informationsinteresse des Vers dient, die Frage nach der Relevanz des Verstoßes entspricht dem Erfordernis des für Schadensersatzpflichten als erforderlich anerkannten Rechtswidrigkeitszusammenhanges (für Obliegenheiten vgl. auch BGH 3. XII. 1975 VersR 1976 S. 134), der drohende Verlust des Vsanspruchs könnte — so wird erwogen — entsprechend § 343 BGB abgemildert werden; damit wird die Funktionsgleichheit des Anspruchsverlustes (Sieg ZVersWiss 1973 S. 439 und Schaer S. 113) mit einer Schadensersatzleistung des Vmers ebenso deutlich gemacht Wagner

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Anm. F 5

F. Obliegenheiten

(vgl. § 340 II BGB) wie durch das Erfordernis der konkreten Kausalität bei grob fahrlässigem Verstoß (§ 6 III 2). In der Pflichtv kann der Verlust des Deckungsschutzes auch äußerlich die Form der positiven Ersatzleistung — statt bloßer Verwirkung des Vsanspruchs — des Vmers annehmen, so wenn der Haftpflichtver den geschädigten Dritten befriedigt und beim Vmer Regreß nimmt (§§ 3 PflichtVG, 158 c, 158f W G ) . Die Kennzeichnung der Obliegenheit als Pflicht minderer Zwangsintensität konkretisiert sich hier als „Beschränkung der Haftung des Vmers auf den Vsanspruch" (in diesem Sinne ausdrücklich: Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 316 oben). Aber diese Beschränkung verliert gerade in der Haftpflichtv, in der der Gegenstand des Verlustes (Vsanspruch) mit der Schadensersatzpflicht des Vmers gegenüber dem Dritten wirtschaftlich kongruent ist, eine greifbare und die Obliegenheit als mindere Rechtspflicht anschaulich kennzeichnende Bedeutung. Dieser Exkurs macht deutlich, daß die Einordnung bestimmter Obliegenheiten in einen — weitgefaßt verstandenen - Bereich der Rechtspflichten des Vmers zulässig ist, wenn man ihre aus Funktion und Inhalt sich ergebenden Besonderheiten nicht vernachlässigt. Damit ist ein dogmatisch ungezwungener Weg frei für eine Lösung offener Probleme, der auf der Ähnlichkeit von Obliegenheit und Rechtspflicht aufbaut und z.B. eine sachgerechte Zurechnung des Verhaltens Dritter bei Obliegenheitsverletzungen zu begründen vermag: Er steht den Erwägungen nahe, die für eine Zurechnung des Fremdverschuldens nach § 278 BGB maßgeblich sind: Der Vmer hat die seinen Interessen dienende und von ihm beherrschte Delegation von Befugnissen und Pflichten, kraft derer er sich von Dritten — im weitesten Sinne verstanden — repräsentieren läßt, dem Ver gegenüber im Sinne einer Einstandspflicht für die Erfüllung von solchen Obliegenheiten zu vertreten, deren Erfüllbarkeit von der Arbeitsteilung betroffen ist, vgl. im einzelnen Möller, Verantwortlichkeit S. 90—100, Bruck-Möller § 6 Anm. 73-87, Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 283-291 und die Zusammenstellung bei Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 2 Anm. 15-19. Das Ergebnis, das nur in Grenzfällen als zweifelhaft gelten kann, darf mit Reimer Schmidt ZVersWiss 1968 S. 85 als gewohnheitsrechtlich abgesichert bezeichnet werden. Die Regelung der für die Unfallfremdv bedeutsamen §§ 79, 179 IV spricht allenfalls scheinbar gegen die hier vertretene „Nachbarschaft von Verbindlichkeiten und Obliegenheiten" (abweichend insoweit Bruck-Möller § 6 Anm. 8 S. 187). Bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung muß sich der Vmer das Verhalten der Gefahrsperson nach Sinn und Inhalt des Vertrages voll zurechnen lassen: Da die Rollenspaltung von Vmer und Gefahrsperson allein dem Wunsch und Interesse des Vmers dient, ist er gehalten, für ein vertragsgerechtes Verhalten der Gefahrsperson zu sorgen (näheres Anm. F 7—8). Bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung führt die Regelung des § 79 I auch nicht zwingend zur Annahme eines Vertrages zu Lasten eines Dritten: Sieht man einen solchen Vertrag als Vertrag zugunsten des Vten im Sinne des § 328 BGB an (Sieg Bd II § 74 Anm 2), so entspricht die Regelung des § 79 I dem Rechtsgedanken des § 334 BGB: Der Dritte erwirbt den Anspruch von vornherein „belastet" mit den Verhaltensgeboten, die sich aus seiner Rechtsnatur, d.h. den Erfordernissen eines dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft entsprechenden Verhaltens ergeben. Das bedeutet nicht, daß dem Dritten echte Rechtspflichten auferlegt werden, die der Versprechende (Ver) einklagen könnte. [F 5] c) Folgerungen aa) Allgemeines Die vorstehend dargestellte Ähnlichkeit von Obliegenheiten und Rechtspflichten legt es nahe zu fragen, ob diejenigen Erwägungen, die im allgemeinen Vertragsrecht 202

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Anm. F 5

I. Vorbemerkung

zur Annahme einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht des Schuldners (hier: Vmers) fuhren, für entsprechend liegende Fälle auch zu einer Gewährleistungspflicht des Vmers für die Erfüllung von Obliegenheiten durch Dritte führen. Für solche Erwägungen sprechen auch die Bestimmungen der §§ 16 (1) S. 1 AUB, 3 (2) S. 1 AKB, nach deren Wortlaut in allen Fällen der Fremdv — gleichgültig ob für eigene oder für fremde Rechnung genommen - der Vmer für die Erfüllung der Obliegenheiten, soweit sie ein Verhalten der Gefahrsperson betrifft, ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden verantwortlich bleibt. Die hier durch die AVB vollzogene Gleichstellung von Vmer und Gefahrsperson für die Erfüllung von Obliegenheiten könnte auch für die Auslegung der — im maßgeblichen Teil gleichlautenden — Vorschriften der §§ 79 I und 179 IV bedeutsam sein (Anm. F 7—8) und schließlich eine Überprüfung der Grundsätze der Repräsentantenhaftung notwendig machen, die allerdings nur in der Kraftfahrt-Unfallv im hergebrachten Sinne (vgl. den Überblick bei Bruck-Möller § 6 Anm. 91-100) bedeutsam ist (Anm. F 10). Die Übernahme von Gewährleistungsgrundsätzen aus dem allgemeinen Vertragsrecht in den Zusammenhang der Erfüllung von Obliegenheiten liegt insoweit nahe, als die Annahme einer Garantie des Schuldners auf allgemeinen Rechtsgedanken beruht. Das gilt einmal für die nach weitaus h. M. verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Schuldners für anfängliches Unvermögen, soweit sich diese aus der fehlenden „Zulänglichkeit des eigenen Geschäftskreises" (Ausdruck von Oertmann, zitiert nach Larenz Schuldrecht I 11 S. 90, dessen Gesamtwürdigung S. 89-92 voll zuzustimmen ist) rechtfertigt. Die Übertragung dieses Grundsatzes auf die Rechtsposition des Vmers könnte es nahelegen, den Vmer für die Erfüllung derjenigen Verhaltensgebote ohne Rücksicht auf Verschulden einstehen zu lassen, die angesichts der besonderen Vertragsgestaltung nur von Dritten erbracht werden können, wie etwa die Erfüllung höchstpersönlich zu leistender Obliegenheiten, ζ. B. Beiziehung eines Arztes und Duldung seiner Untersuchung und Behandlung (§ 15 II. (3), (5) und (6) AUB) in allen Fällen der Nichtidentität von Vmer und Gefahrsperson. Entsprechendes könnte — wie bereits erwähnt, Anm. F 4 und vorstehend — für das Verhalten sonstiger Dritter gelten, die der Vmer mit Aufgaben betraut, kraft derer sie an dessen Stelle für ein dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft entsprechendes Verhalten zuständig werden. Die Besonderheiten des Rechtscharakters der Obliegenheiten stehen dem nicht entgegen: Dem Vmer droht als Sanktion nicht mehr als der Verlust des Vsanspruchs, einem klagbaren Anspruch des Vers und einer weitergehenden Schadensersatzpflicht ist er nicht ausgesetzt. Bedenken gegen eine solche Gewährleistung des Vmers könnten sich eher aus § 6 ergeben: Die zugunsten des Vmers überwiegend zwingende (§ 15a) Vorschrift erklärt nur das Verschulden des Vmers selbst für bedeutsam. Es fehlt an einer dem § 278 BGB entsprechenden Zurechnung fremden Verschuldens. Indes greift auch dieses Bedenken nicht durch: In § 6 ist nur der Regelfall der Obliegenheitsverletzung, nämlich der durch den Vmer selbst begangenen, geregelt. Für die atypischen Fälle der Rollenspaltung von Vmer und Gefahrsperson z.B. enthalten §§ 79, 179 IV eine Regelung, die der des § 278 BGB ähnlich ist und in § 79 III für den dort genannten Fall noch weiter geht: Für Obliegenheitsverletzungen des Vten hat der Vmer ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden und unabhängig vom Verschulden des Vten einzustehen, wenn er die V auftragslos genommen und dies nicht angezeigt hat (zu Zweck und Bedeutung dieser Regelung Sieg Bd II § 79 Anm. 2). Dagegen ergeben sich aus § 182 keine Aufschlüsse für den hier erörterten Zusammenhang. Liest man diese Vorschrift im Zusammenhang mit §§ 16 (2) AUB, 3(1) AKB, so liegt es nahe, die Verwirkungsfolge bei Verletzung der dem Bezugsberechtigten auferlegten Obliegenheiten auf Fälle des Eigenverschuldens des Bezugsberechtigten zu beschränken. Denn die genannten Vorschriften stellen die dort genannten Dritten (u. a.) für OblieWagner

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Anm. F 7

F. Obliegenheiten

genheitsverletzungen dem Vmer gleich. Diese Verweisungstechnik macht §§17 AUB, 7 V. (4) AKB unmittelbar für den Bezugsberechtigten anwendbar.

[F 6] bb) Einstehen des Versicherungsnehmers für das Wissen und Verhalten Dritter aaa) Abgrenzung Das Verhalten Dritter kann dem Vmer im Zusammenhang mit der Herbeiführung des Vsfalles, Wissen und Verhalten Dritter können ihm als Obliegenheitsverletzung zugerechnet werden. Soweit die Herbeiführung des Vsfalles — einschließlich seiner Vortäuschung durch Selbstverstümmelung — in Frage steht, wird auf Anm. G 74 verwiesen. Das Problem der Repräsentantenhaftung stellt sich in diesem Zusammenhang nicht, weil auch Körperverletzung und Tötung durch beliebige Dritte — auch Familienangehörige — als Unfälle deckungspflichtig sind, wenn zugleich die übrigen Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt sind. Im Zusammenhang mit Obliegenheitsverletzungen ist zwischen der Bedeutung fremden Wissens und fremden Verhaltens zu unterscheiden, vgl. den Wortlaut der §§ 79 I, 179 IV, wo von Wissen und Verhalten gesprochen wird und die Regelung des § 19, die nur das Wissen betrifft. Diese Differenzierung ist notwendig (Bruck-Möller § 6 Anm. 80-90, 92-100, 102, Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 285 und PrölssMartin 21 § 6 Anm. 8 A, S. 79), weil die Zurechnung fremden Wissens auf anderen Gesichtspunkten aufbaut, als die Zurechnung fremden Verhaltens. Das wird im bürgerlichen Recht durch einen Vergleich von § 166 BGB einerseits mit §§ 278, 831 BGB andererseits verdeutlicht; hierzu und zur Übertragung dieser Grundsätze auf den vsrechtlichen Zusammenhang vgl. insbesondere Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 285—291. Eine grundsätzliche Stellungnahme für den hier darzustellenden Zusammenhang erübrigt sich: Der primär für die Sachv geprägte und bedeutsame Begriff der Repräsentantenhaftung (Bruck-Möller § 6 Anm. 101) spielt nur in der KraftfahrtUnfallv eine gewisse Rolle (Anm. F 11). Dort umfaßt der Begriff der Repräsentanz, wie er insbesondere von der neueren Rechtsprechung verwendet wird, sowohl Elemente des Wissens als auch des Handelns (einschl. Unterlassens). Die für die speziellen Regelungen der §§ 79, 179 IV maßgeblichen Erwägungen (Einzelheiten Anm. F 7—8) sind denen, die der sog. Repräsentantenhaftung zugrundeliegen, so ähnlich, daß es hier als zulässig erscheint, den Begriff der Repräsentanz in einem vergröbernden, auch die Fälle der Zurechnung des Wissens, der Wissenserklärung und der Regelungen der §§ 79, 179 IV einbeziehenden Sinne zu verwenden.

[F7] bbb) Obliegenheitsverletzung bei der Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung (Bedeutung der Regelung des § 79) Für die Unfallfremdv für fremde Rechnung verweist § 179 II 2 auf die Vorschriften der §§ 75—79. Nach § 79 I kommt für die Rechtswirkung einer Obliegenheitsverletzung „auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten in Betracht". Wegen der Entstehungsgeschichte der Bestimmung in der geltenden Fassung wird auf Sieg Bd II § 79 Anm. 1 hingewiesen: Zweck und Ziel der Gesetzesänderungen von 1939 und 1942 ergeben sich aus dem von Möller, Verantwortlichkeit S. 18 formulierten Vorschlag für eine Neuregelung; zur Würdigung im einzelnen vgl. Reimer Schmidt Obliegenheiten S. 279—280 m.N. Im Schrifttum ist die Frage aufgeworfen worden, ob nach dieser Vorschrift dem Vten neben dem Vmer Obliegenheiten auferlegt werden oder ob § 79 nur als Zurechnungsnonn aufzufassen sei (Uberblick 204

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I. Vorbemerkung

Anm. F 7

bei Schirmer S. 826-829). Hinter dieser Fragestellung steht möglicherweise nur ein Scheinproblem: Wird die Obliegenheit (zum Tun, vgl. Sieg Bd II § 79 Anm. 6) erfüllt, so ist es unerheblich, von wem das Verhalten geleistet worden ist. Wird sie nicht erfüllt, so kommt es — mit den aus § 79 II und III sich ergebenden Einschränkungen darauf an, ob Vmer oder Vten ein Verschulden trifft. Ist diese Frage für einen der Beteiligten zu bejahen, so wirkt sich die Obliegenheitsverletzung als schuldhaft in der gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Weise aus. Das bedeutet: In der Verschuldensfrage repräsentieren sich grundsätzlich Vmer und Vter gegenseitig (vgl. die insoweit ähnliche Formulierung von Sieg Bd II § 79 Anm. 5 a.E.). Entsprechendes gilt für Unterlassungsobliegenheiten: Die für den Verstoß vorgesehene Rechtsfolge tritt ein, wenn Vmer o d e r Vter schuldhaft dagegen verstößt (Sieg a.a.O. § 79 Anm. 6). Daß die Gefahrsperson selbst die Obliegenheit „schuldet", folgt nicht daraus, daß gerade in der Personenv höchstpersönliche Obliegenheiten bedeutsam sind. Die Hinzuziehung eines Arztes z. B. (§ 15 II. (3) AUB) kann nur der Vte als Gefahrsperson selbst veranlassen. Er schuldet dieses Verhalten im Sinne einer Obliegenheit aber deshalb, weil ihre Verletzung durch Unterlassen oder Verspätung sich u. U. auf seinen (§ 75 I 1) Vsanspruch auswirkt, die Verletzungssanktion also allein ihn trifft. Deshalb ist es folgerichtig, ihn selbst als Schuldner der Obliegenheiten anzusehen; in diesem Sinne Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 280 („Gesamtschuldtatbestand"), Bruck-Möller § 6 Anm. 57-58, Schirmer S. 826, Sieg Bd II § 79 Anm. 5 - 8 und Johannsen Bd IV Anm. H 19. Diese Auffassung entspricht der Regelung und der Formulierung („Pflicht zur Anzeige" und „Pflicht zur Auskunft und zur Beschaffung von Belegen") für die Obliegenheiten des Bezugsberechtigten durch § 182. Von dem von Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 280 in Parenthese gesetzt verwendeten Bild eines Gesamtschuldtatbestandes ist das der Regelung des § 425 BGB zugrundeliegende Prinzip der Unabhängigkeit der Verpflichtung mehrerer Gesamtschuldner auszunehmen: Bei der Tunsobliegenheit schadet schuldhafte Unterlassung des einen Beteiligten (Vter oder Vmer) dem Vsanspruch des Vten, auch wenn der jeweils andere mangels Kenntnis nicht schuldhaft unterlassen konnte, wenn nicht der andere erfüllt. Bei der Unterlassungsobliegenheit schadet der schuldhafte Verstoß nur eines von ihnen (vgl. zum ganzen Sieg Bd II § 79 Anm. 6—8). Insoweit haben Vter und Vmer füreinander einzustehen. Diese Regelung wird durch § 79 II und III teils abgemildert, teils verschärft: Auf die Kenntnis des Vten kommt es nicht an, wenn der Vertrag ohne sein Wissen geschlossen worden ist (§ 79 II 1. Halbs.). Der Vte kann ein ihn belastendes Gebot oder Verbot nicht schuldhaft verletzen, wenn er nicht weiß, was ihm obliegt. § 79 II schützt den Vten aber nur, soweit nicht der Vmer es schuldhaft unterlassen hat, den Vten vom Vertragsschluß zu informieren (Sieg Bd II § 79 Anm. 13). Das ist nach § 79 III stets dann der Fall, wenn der Vmer das Fehlen des Auftrages dem Ver nicht bei Vertragsschluß angezeigt und damit dem Ver Gelegenheit gegeben hat, den Vten seinerseits zu informieren. Die Anzeige gehört systematisch zur Anzeigepflicht gemäß § 16. Es handelt sich also um eine vorvertragliche Obliegenheit des Vmers (Sieg Bd II § 79 Anm. 14). Sein Verschulden bei Unterlassen der Anzeige gemäß § 79 III wird unwiderleglich vermutet (Sieg a.a.O. Anm. 14). Zusammenfassend läßt sich die Regelung des § 79 dahingehend werten, daß in der Unfallfremdv für fremde Rechnung Vter und Vmer sich gegenseitig repräsentieren in dem Sinne, daß die schuldhafte Verletzung einer Obliegenheit durch einen von ihnen dem Vsanspruch schadet, wenn nicht der andere sie erfüllt. Die hierin liegende Gewährleistungspflicht für die Einhaltung der Obliegenheiten macht deutlich, daß das Gesetz den Ver von den aus der Rollenspaltung von Gefahrsperson und Vmer sich ergebenden Risiken entlasten und sie der Gegenseite, dem Vertragspartner (Vmer) und dem Anspruchsinhaber (Vter) auferlegen wollte. Wagner

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F. Obliegenheiten

Anm. F 8

[F 8] cc) Obliegenheitsverletzung bei der Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung (Bedeutung der Regehing des § 179 IV) Bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung bleibt der Vmer Inhaber des Vsanspruches (vgl. § 179 III 1). Wegen der Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer solchen Vertragsgestaltung vgl. Anm. H 20—26. Man kann zweifeln, ob hier die Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17) als obliegenheitsbelastet im vorstehend (Anm. F 7) gemeinten Sinne angesehen werden kann. Der Gefahrsperson droht im Hinblick auf den Vsanspruch kein Nachteil durch Obliegenheitsverletzung. Für ihn besteht unter diesem Gesichtspunkt keinerlei Anreiz zur Beobachtung des ihm durch Obliegenheiten auferlegten Verhaltens (vgl. Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 21—23). Daß er sich aus Rücksicht auf die Interessen des Vmers, die er durch seine Einwilligung in den Vertragsschluß als aus seiner Sicht schutzwürdig anerkannt hat — zu Bedenken vgl. Anm. H 25—26 — regelmäßig obliegenheitsgemäß verhalten wird, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung: Die Nötigungs- und Anreizwirkungen der vsrechtlichen Obliegenheiten beruhen ausschließlich auf Rechtsnachteilen, die sich aus dem Vsverhältnis selbst ergeben. Dagegen spricht die Formulierung des § 179 IV, die insoweit mit der des § 79 I identisch ist, für eine Belastung der Gefahrsperson mit Obliegenheiten. Die Rechtsfolgen beider Vorschriften sind neutral (nichtssagend) formuliert („kommt . . . in Betracht"), ihre Fassung spricht aber für das Bestreben, eine Präjudizierung ihrer dogmatischen Einordnung zu vermeiden. Auch der Umstand, daß das als Obliegenheit geforderte tatsächliche Verhalten weitgehend nur von der Gefahrsperson selbst erbracht werden kann (vgl. § 15 II. (3)-(6) AUB), besagt nichts darüber, daß die Gefahrsperson es als Obliegenheit schuldet. Berücksichtigt man schließlich, daß die Gefahrsperson hier außerhalb des Gefüges der Rechte und Pflichten aus dem Vsvertrag steht und sie von der Sanktion für eine Obliegenheitsverletzung nicht betroffen wird, so bleibt für die Annahme, sie sei mit Obliegenheiten belastet, kein Raum. Hiernach ist festzustellen, daß § 179 IV eine Zurechnungsnorm darstellt, die Elemente der §§ 166 und 278 BGB in sich vereinigt. Entsprechend § 166 BGB wird dem Vmer das tatsächliche Wissen der Gefahrsperson und damit die eventuelle Unrichtigkeit einer eigenen Wissenserklärung zugerechnet, und wie nach § 278 BGB hat er für vertragsgerechtes Verhalten (hier: Erfüllung der Obliegenheiten) ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden einzustehen, obwohl er auf das Verhalten der Gefahrsperson möglicherweise keinen Einfluß nehmen kann. Wie bei § 278 BGB die den Interessen des Schuldners dienende Arbeitsteilung ist es hier die dem Interesse des Vmers dienende Rollenspaltung, die seine Gewährleistungspflicht rechtfertigt. Da das Gesetz die hieraus sich ergebenden Risiken, wie vorstehend festgestellt (Anm. F 7), bei der Fremdv für fremde Rechnung nicht dem Ver aufbürdet, kann nicht angenommen werden, daß dies bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung anders sein soll. Denn bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung ist die Erfüllung der Obliegenheiten aus der Sicht des Vers weniger gefährdet: Beide auf der Gegenseite Beteiligten sind an der Erfüllung der Obliegenheit interessiert: Der Vmer, der den Vsschutz durch den Vertragsschluß besorgt und an seiner Erhaltung präsumtiv dasselbe Interesse hat, und der Vte, der bestrebt sein muß, seinen Anspruch (§ 75 I 1) zu erhalten. Demgegenüber ist bei der Fremdv für eigene Rechnung nur der Vmer an der Erhaltung seines Anspruchs und damit an der Erfüllung der Obliegenheiten interessiert. Hieraus folgt, daß die Verletzung einer Obliegenheit, für deren Erfüllung es des — zumindest mitwirkenden — Verhaltens der Gefahrsperson bedarf, nur dann nicht als schuldhaft gewertet werden kann, wenn weder der Vmer noch die Gefahrsperson das

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I. Vorbemerkung

Anm. F 10

kraft der Obliegenheit zu beobachtende Verhalten trotz Einhaltung der gebotenen Sorgfalt (entsprechend § 276 BGB) erbringen konnten (wie hier Sieg Bd II § 79 Anm. 23). Daß eine Obliegenheit verletzt wird, weil die Gefahrsperson vom Vertrage nichts weiß, kann für die Unfallfremdv wegen des Einwilligungserfordemisses (§ 179 III 1) nur in den — praktisch bedeutungslosen — Fällen vorkommen, für die eine Vertretung bei der Einwilligung zulässig ist. Hier dürfte § 79 II erste Alt. analog anzuwenden sein (anders wohl Bruck-Möller § 6 Anm. 61). Denn (u.a.) diese Vorschrift bringt zum Ausdruck, daß der Ver von den Risiken der Rollenspaltung entlastet bleiben soll (Anm. F 7 a.E.). [F 9] dd) Obliegenheitsverletzung durch Bezugsberechtigten Die Formulierung des § 182 läßt erkennen, daß der Bezugsberechtigte mit Obliegenheiten belastet wird: Er hat den Vsfall anzuzeigen, die erforderlichen (§ 34 I) Auskünfte zu erteilen und Belege zu beschaffen (§ 34 II). Diese Obliegenheiten sind inhaltlich in § 15 II. AUB präzisiert und werden durch § 16 (2) AUB auf alle sonstigen Anspruchserhebenden erstreckt. Die Regelung des § 182 gilt nur für Kapitalleistungen, da nur für diesen Fall eine Bezugsberechtigung vorgesehen ist (§§ 81., II., VII. AUB, 180, 167 II W G ) . Dem entspricht die Formulierung des § 182, die ersichtlich nur den Bezugsberechtigten — nicht auch den Vmer oder dessen Erben — für obliegenheitsbelastet erklärt. Der Bezugsberechtigte tritt damit kraft Gesetzes an die Stelle des — verstorbenen — Vmers bzw. dessen Erben. Er schuldet Erfüllung der Obliegenheiten an dessen Stelle, d. h. daß Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen sein Verschulden voraussetzen: Gemäß § 6 III W G — wiederholt in §§ 17 AUB, durch Verweisung einbezogen in die Kraftfahrt-Unfallv in § 7 V (4) AKB - tritt die dort vorgesehene, nach Verschulden abgestufte Verwirkungsfolge nach Maßgabe des Verschuldens des Bezugsberechtigten ein. Der Bezugsberechtigte, der sein Recht nicht kennt, kann die ihm nach § 182 obliegenden Anzeigen und Auskünfte nicht schuldhaft unterlassen (Sieg Bd II § 79 Anm. 24). Hieraus ergibt sich eine deutliche Gefährdung des Aufklärungsinteresses des Unfallvers. Die in der Praxis vorherrschende Übung, dem Bezugsberechtigten von seiner Benennung keine Mitteilung zu machen, erhöht diese Gefahr und dürfte nur aus dem Umstand erklärbar sein, das Bezugsberechtigungen in der Unfallv selten sind (vgl. Prölss-Martin § 182 Anm. 1, S. 1053). [F 10] ee) Obliegenheitsverietzung durch Dritte in der Kraftfahrt- Unfallversicherung aaaa) Allgemeines Soweit die Kraftfahrt-Unfallv als Insassen-Unfallv genommen wird, ist sie Eigenv für den Vmer, der zugleich Insasse ist und Fremdv — für fremde Rechnung vgl. Anm. Β 58 — für die übrigen Insassen. Eine Obliegenheitsverletzung des Vmers vor dem Vsfall müssen sie sich nach dem Rechtsgedanken des § 334 BGB entgegenhalten lassen. Eine isolierte Wortinterpretation des § 79 I könnte dasselbe Ergebnis aus dem Worte „auch" entnehmen. Dem entspricht die Regelung des § 3 AKB: Nach § 3 (1) müssen sich mitverte Personen und solche, die Ansprüche aus dem Vsvertrag geltend machen, in ihrer gesamten Rechtsstellung wie der Vmer selbst behandeln lassen. Durch § 3 (2) S. 1 AKB wird klargestellt, daß Vter und Vmer für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich sind. Das bedeutet: Auch in der Kraftfahrt-Unfallv repräsentieren sich Vmer und Vter gegenseitig (vgl. Anm. F 7). Etwas anderes folgt nicht aus BGH 14. XII. 1967 BGHZ Bd 49 S. 130 = VersR 1968 S. 185 = VA 1968 S. I l l Nr. 480, wonach sich in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtv Wagner

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Anni. F i l

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der Ver gegenüber dem (mitverten) Fahrer nicht auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Vmers berufen kann. Diese Entscheidung ist trotz der einschränkenden Formulierungen zur Auslegung des § 79 (a.a.O. S. 134) auf die Besonderheiten der Pflichtv zugeschnitten, vgl. Sieg Bd II § 79 Anm. 6 und Prölss VersR 1968 S. 2 6 9 - 2 7 0 . Für die Berufsfahrerv (§ 16 (2) AKB) gilt nichts Besonderes: Wird sie nicht vom Berufsfahrer selbst als Eigenv, sondern — wie regelmäßig — von seinem Arbeitgeber als Fremdv genommen, so ist dem Berufsfahrer als Vtem eine eigene Obliegenheitsverletzung nach § § 7 9 W G und 7 AKB zuzurechnen, eine Obliegenheitsverletzung des Vmers wirkt sich nach dem Rechtsgedanken des § 334 BGB gegen ihn als Vten aus. Das gilt auch dann, wenn er als namentlich Bezeichneter seinen Anspruch (§ 75 I 1) selbständig geltend machen kann (§ 16 (5) AKB).

[F 11] bbb) Besonderheiten der Kraftfahrt-Unfallversicherung Der in der Allgemeinen Unfallv nur für die Fälle der Beteiligung Dritter am Vertrage (Fremdv, Bezugsberechtigung) bedeutsame Begriff der Repräsentation (Anm. F 6—8) hat in der Kraftfahrt-Unfallv weitergehende Bedeutung. Sowohl die für die Kraftfahrtv spezifischen Obliegenheiten des § 2 (2) a ) - c ) AKB, als auch die Gefahrstandspflicht (§§ 2 3 - 2 5 W G ) , als auch schließlich die nach Eintritt des Vsfalles zu erfüllenden Obliegenheiten (§ 7 AKB) können in vsrechtlich erheblicher Weise außer vom Vmer und Vtem auch von einem Dritten verletzt werden. Der Vmer muß sich die schuldhafte Verletzung einer Obliegenheit durch einen Dritten als eigene zurechnen lassen, wenn ihn der Dritte im Sinne der für den vsrechtlichen Zusammenhang entwickelten Regeln repräsentiert. Die von der älteren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Wissenszurechnung und Repräsentantenhaftung sind in ihren Phasen und den für die jeweilige Fortentwicklung maßgeblichen Gedanken von Möller, Verantwortlichkeit S. 3 3 - 8 6 und in Bruck-Möller § 6 Anm. 92—100, 102—105 dargestellt worden, speziell für Entscheidungen zur Repräsentanteneigenschaft in der Kraftfahrtv vgl. den Überblick bei Stiefel-Wussow-Hofmann 10 § 2 Anm. 17. Die dort herausgestellten Erwägungen zur Repräsentanz beziehen sich vornehmlich auf Fälle der Sachv. Hierzu heißt es bei Bruck-Möller § 6 Anm. 101, daß die Repräsentantenhaftung nur in der Sachv praktisch eine Rolle spiele. Dem entspricht es, daß - soweit ersichtlich — keine der zur Repräsentanteneigenschaft und -haftung veröffentlichten Entscheidungen einen Fall betrifft, in dem der Ver die Entschädigungsleistung aus einer Kraftfahrt-Unfallv wegen der Obliegenheitsverletzung eines Repräsentanten verweigert hat. Dagegen werden Entscheidungen häufiger, bei denen es um die Bedeutung eines Repräsentanten im Zusammenhang mit der Kraftfahrzeughaftpflichtv oder Kaskov geht, vgl. StiefelWussow-Hofmann 10 § 2 Anm. 16 und Prölss-Martin 21 § 6 Anm. 8 B. Die hierzu von der neueren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können indes für die KraftfahrtUnfallv in gleicher Weise bedeutsam werden: Auch aus der Kraftfahrt-Unfallv ist der Ver nicht leistungspflichtig, wenn ein Repräsentant des Vmers unter den in §§ 2 (2) a—c AKB, 6 I, II W G genannten Voraussetzungen eine Obliegenheitsverletzung begangen, gemäß §§ 23, 25 W G gegen die Gefahrstandspflicht verstoßen oder nach Maßgabe des § 7 V. (4) AKB Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles verletzt hat. Die Grundsätze, nach denen in der Kraftfahrtv Repräsentanz bejaht oder verneint wird, entsprechen dem von Möller, Verantwortlichkeit S. 90—105 herausgearbeiteten Grundprinzip, das sich im wesentlichen mit dem von Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 290 (N. 1539) in den Vordergrund gestellten Vorschlag deckt, die Abgrenzung relevanter Repräsentation — nach dem Vorgang von Esser - an der Funktion des repräsentierenden Dritten unter Berücksichtigung der besonderen Ausgestaltung des

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I. Vorbemerkung

Anm. F 13

konkreten Vsverhältnisses vorzunehmen. Dementsprechend wird für die Kraftfahrtv Repräsentanz allein kraft Eigenschaft als Fahrer verneint (BGH l.X. 1969 VersR 1969 S. 1086 = NJW 1970 S. 43), weil sie ein selbständiges Handeln für den Vmer in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang voraussetze (Formulierung dort übernommen von BGH 27. II. 1964 VersR 1964 S. 475, im gleichen Sinne BGH 14. IV. 1971 VersR 1971 S. 538). Dagegen ist ein Angestellter, der nach Maßgabe dessen, was ihm die Fahrer des Betriebes an vorhandenen Mängeln mitteilen, dafür zu sorgen hat, daß die Kraftfahrzeuge in einwandfreiem Zustand am Straßenverkehr teilnehmen, auch dann Repräsentant des Inhabers, wenn er selbst keine kraftfahrtechnischen Kenntnisse hat, BGH 14. IV. 1971 VersR 1971 S. 539 (Gefahrerhöhung in der Kraftfahrt-Haftpflichtv). Der Leitsatz BGH l . X . 1969 VersR 1969 S. 1086 = NJW 1970 S. 43: In der Kraftfahrzeugv ist Repräsentant des Vmers, wer an seiner Stelle die Wartung und Haltung des vten Fahrzeugs übernommen hat. Die Befugnis, für den Vmer rechtsgeschäftlich zu handeln, ist nicht erforderlich gibt den derzeitigen Stand der Auffassung von der Repräsentantenhaftung in der Kraftfahrtv in Rechtsprechung und Schrifttum wieder. Die Abgrenzung der Repräsentanz in der Kraftfahrt-Unfallv von der Wissenszurechnung ist bei Bruck-Möller § 6 Anm. 84—87 dargestellt worden. Auf diese Darstellung wird Bezug genommen und sie wird, soweit erforderlich, bei der Erläuterung der einzelnen Obliegenheiten berücksichtigt werden. [F12] ff) Verhüllte Obliegenheiten aaa) Allgemeines AVB enthalten Beschränkungen des vom Ver zu übernehmenden Risikos in vielfach unterschiedlicher juristischer Konstruktion: Durch Einschränkungen bereits in der primären Risikobeschreibung, zu denen z. B. die Voraussetzungen zählen, unter denen in der Kraftfahrt-Unfallv ein Insasse als vert gilt (§ 16 (1) S. 2 AKB), durch sekundäre Risikobeschreibungen (Ausschlüsse, vgl. §§ 2 (3) 3 AUB 2 (3), 17 (3) AKB) und durch Beschränkung auf Folgen des Unfallereignisses, die innerhalb einer bestimmten Frist eintreten (§§ 8 I. AUB, 18 IV. AKB). Solchen Risikobeschränkungen steht die Rechtsprechung mit Zurückhaltung gegenüber: Sie neigt zu einschränkender Interpretation zugunsten des Vmers und wird sie nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes weiterhin unter dem Gesichtspunkt überraschender Klauseln und der Unklarheitenregel kontrollieren, vgl. Wagner ZVersWiss 1977 S. 124—141. Der Freiheit der Ver, durch Vertragsgestaltungen der vorstehend genannten Arten das übernommene Risiko zu begrenzen, wird ferner durch § 6 I—III eine Schranke gesetzt: Soweit Risikobeschränkungen dadurch bewirkt werden sollen, daß dem Vmer Obliegenheiten auferlegt werden, sind die in § 6 genannten Verschuldens- und Kausalitätserfordernisse zugunsten des Vmers zwingend (§ 15 a W G ) ausgestaltet. Diese Vorschrift darf nicht dadurch umgangen werden, daß Risikobeschränkungen, die der Sache nach Obliegenheiten zum Inhalt haben, in die Gestalt objektiver, verschuldensunabhängiger Ausschluß- oder Verwirkungstatbestände gekleidet und damit ihr Charakter als Obliegenheit „verhüllt" wird, vgl. hierzu die Nachweise bei Anm. G 134, dort insbesondere zur Abgrenzung der Obliegenheiten von Ausschlüssen. [F 13] bbb) Insbesondere: Abgrenzung der Obliegenheiten Fristversäumung Soweit innerhalb der Risikobeschreibung in der Unfallv Fristen bedeutsam sind, die keinen Bezug zu einem Verhalten des Vmers haben, stellt sich schon deshalb nicht die Frage nach einer verhüllten Obliegenheit. Demgemäß ist die das Risiko beschränkende Jahresfrist in § 8 I., II. und VI. AUB als objektive Risikobeschränkung nicht zu 14

B r u c k - M ö l l e r , W O , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. F 13

beanstanden (Nachweise Anm. A 64). Anders liegt es, wenn der Vmer durch sein Verhalten eine Frist zu wahren hat: Nach § 8 II. (1) AUB muß die Invalidität innerhalb „weiterer drei Monate festgestellt und geltend gemacht worden sein", bei Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen muß der Vmer binnen 6 Monaten nach Zugang der Ablehnungserklärung des Vers eine Entscheidung des Ärzteausschusses beantragen (§ 12 I. (2) AUB). OLG Köln 12. VII. 1966 VersR 1966 S. 948-950 hält die Frist für die Geltendmachung der Invalidität nach § 8 II. (2) S. 1 AUB für eine Obliegenheit gemäß § 6 III W G : Ausschlaggebend hierfür sei der materielle Gehalt der Regelung. Hiernach werde der Vmer zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, welches auf die vte Gefahr selbst keinerlei Einfluß ausübe, aber der Erhaltung des bereits entstandenen Vsanspruchs dienen solle. Der Pflicht zur Geltendmachung liege das gleiche Klarstellungsbedürfnis zugrunde wie der Anzeigepflicht nach~§ 15 II. (1) AUB (OLG Köln a.a.O. S. 949). Dem schließt sich OLG Zweibrücken 17.1.1967 VA 1973 S. 218-221 Nr. 644 an. Beide Gerichte heben hervor, daß die in § 8 II. (1) S. 1 AUB genannte Jahresfrist, binnen derer die Invalidität eingetreten sein muß, als objektive Risikobegrenzung zu respektieren sei. Gegen diese Entscheidung wenden sich Erich R. Prölss VersR 1967 S. 309-311 unter Hinweis auf die Systematik der AUB (S. 310), Prölss-Martin21 § 8 AUB Anm. 5 c, S. 1080 mit dem Hinweis darauf, daß wegen der Exkulpationsmöglichkeit des Vmers ein wirksamer Schutz des Vers gegen unklare Spätschäden nicht gewährleistet sei und Reimer Schmidt ZVersWiss 1968 S. 83, weil es sich nur um einen funktionellen Nötigungstatbestand handele; im Ergebnis ebenso Wussow AUB4 § 8 Anm. 7, der die dreimonatige Geltendmachungsfrist für eine (vertraglich begründete) Ausschlußfrist hält und sich hierfür auf die Regelung des § 12 III W G beruft: Aus dieser Vorschrift ergebe sich, daß Ausschlußfristen nicht als Obliegenheiten zu behandeln seien. Da sich der Vmer bei Versäumung von Ausschlußfristen zur Wahrung seines an sich verwirkten Rechts exkulpieren kann (zu § 12 III W G : Bruck-Möller § 12 Anm. 4 3 - 4 7 m.N. und BGH 8. II. 1965 BGHZ Bd 43 S. 235 = VersR 1965 S. 426 = NJW 1965 S. 1137), beschränkt sich die praktische Auswirkung der Unterscheidung auf das Erfordernis der Kausalität und des Vorwurfs zumindest grober Fahrlässigkeit (§ 6 III W G ) . In dem vom OLG Köln a.a.O. entschiedenen Fall wurde die Kausalität (für Feststellung oder Umfang der Vsleistung, vgl. a.a.O. VersR 1966 S. 949 r. Sp.), vom OLG Zweibrücken dagegen grobe Fahrlässigkeit (a.a.O. VA 1973 S. 221 Ii. Sp.) verneint. Die Streitfrage hätte sich hiernach auf den von OLG Köln entschiedenen Sachverhalt ausgewirkt. Sie ist in dem vom OLG Köln entschiedenen Sinn zu beantworten: Der BGH hat sich der von Möller (Bruck-Möller § 6 Anm. 12—15) nach dem Vorgang von Ehrenzweig (vgl. den Hinweis bei Möller VersRdsch 1970 S. 329 N. 1) entwickelten Lehre von den verhüllten Obliegenheiten angeschlossen. BGH 26. II. 1969 BGHZ Bd 51 S. 356-363 = VersR 1969 S. 507-508 = NJW 1969 S. 1116 bekennt sich zu dem Grundsatz, daß es dem Ver angesichts der relativ zwingenden Regelung des § 15 a W G verwehrt sei, Obliegenheiten in den AVB in die Form eines objektiven Risikoausschlusses zu kleiden (a.a.O. S. 360 = VersR 1969 S. 508 Ii. Sp. = NJW 1969 S. 1116 r.Sp.). Das Gericht hat auch nicht versäumt, den herkömmlich bestimmten materiellen Gehalt vsrechtlicher Obliegenheiten im Umriß zu umschreiben: „Das dem Vmer obliegende Tun oder Unterlassen bezieht sich bei Obliegenheiten immer auf die versicherte Gefahr, vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalles; es soll eine bestimmte Gefahrenlage klarstellen, festhalten, vermindern und verbessern oder den eintretenden Schaden abwenden und mindern oder den eingetretenen Schaden anzeigen und aufdecken" (Zusammenstellung der Merkmale verhüllter Obliegenheiten und Abgrenzung von Risikobeschränkungen anderer Art bei Möller VersRdsch 1970 S. 333-337 m.N.). Hiernach sprechen erhebliche Gründe

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II. Vor Vertragsschluß vom Vmer zu erfüllende Obliegenheiten

Anm. F 15

für die Annahme, daß die dem Vmer nach § 8 II. (1) S. 1 AUB obliegende Pflicht, die Voraussetzungen einer Invalidität innerhalb der dort genannten Frist ärztlich feststellen zu lassen und geltend zu machen, ihrem materiellen Gehalt nach der Anzeigeund Aufklärungsobliegenheit entspricht und deshalb als Obliegenheit nach Eintritt des Vsfalles (§ 15. II. AUB) zu werten ist. [F 14] 3. Abschließende Regelung von Obliegenheitsverletzungen in AVB? Unter Anm. A 38—39 ist bereits die Frage erörtert und verneint worden, ob die in §§ 4, 15 und 17 AUB, 2, 3 und 7 AKB für Obliegenheitsverletzungen getroffene Regelung als abschließend zu werten ist in dem Sinne, daß die genannten Vorschriften einen Rückgriff auf das W G für den gleichen Regelungsbereich ausschließen. Für die Kraftfahrt-Unfallv ist zum Zwecke der Klarstellung darauf hinzuweisen, daß die Vorschriften über Obliegenheiten in § 2 (2) AKB zu b) und c) Regelungen enthalten, die zugunsten des Vmers teilweise die Rechtsfolgen der Verletzung der Gefahrstandspflicht (Anm. F 23) in wirksamer und zulässiger Weise (§ 34 a W G ) abbedingen. Wird z. B. das Fahrzeug über längere Zeit (vgl. BGH 18. X. 1952 BGHZ Bd 7 S. 311) von einem Schwarzfahrer benutzt, so kann hierin eine Gefahrerhöhung nach §§ 23, 27 liegen. Für einen hierauf beruhenden Vsfall ist der Ver aber ungeachtet der §§ 25, 28 deckungspflichtig, soweit dies in § 2 (2) b AKB bestimmt wird, d. h. gegenüber dem Vmer, Halter oder Eigentümer. Soweit diese Entschädigung aus der Insassen-Unfallv beanspruchen, wird es vielfach an den Voraussetzungen des § 2 (2) b AKB fehlen: Soweit sie über die Verwendung im Einzelfall bestimmen dürfen - wie regelmäßig der Halter — nimmt seine Mitfahrt dem Fahrer die Eigenschaft eines Unberechtigten. Entsprechendes gilt — unter den dort genannten einschränkenden Voraussetzungen - für die Verletzung der Führerscheinklausel (§ 2 (2) c AKB). Die Verpflichtung des Vers auch aus der Kraftfahrt-Unfallv bleibt bestehen, wenn der Verfügungsberechtigte (Vmer, Halter oder Eigentümer) ohne Verschulden annehmen durfte, der Fahrer habe die notwendige Fahrerlaubnis (vgl. zum Ausschluß des Rückgriffs auf §§ 23—28 für diese Fälle BGH 20. IV. 1961 VersR 1961 S. 529 = NJW 1961 S. 1403 m.N. und Stiefel-Wussow-Hofmann10 § 2 Anm. 24 m.N.). Soweit aber hiernach die Rechtsfolgen von Gefahrerhöhungen nicht durch AKB und AUB (§ 4 I. AUB) ausdrücklich abschließend und von §§ 23—28 abweichend geregelt sind, ist auf diese allgemeinen Vorschriften auch im Bereich der Kraftfahrt-Unfallv zurückzugreifen, so (insoweit) in Übereinstimmung mit der wohl einhelligen Meinung zutr. OLG Düsseldorf 28. X. 1969 VersR 1970 S. 172 mit zust. Anm. Oehm VersR 1970 S. 172-174. Unrichtig ist es, daß das Gericht die AUB als auch für die Kraftfahrt-Unfallv geltende Rechtsquelle neben den AKB heranzieht.

[F 15] II. Vor Vertragsschluß vom Versicherungsnehmer zu erfüllende Obliegenheiten 1. Anzeige gefahrerheblicher Umstände bei Antragstellung a) Allgemeines Den Antragsteller als (künftigen) Vertragspartner des Vers trifft kraft Gesetzes die Obliegenheit, diesem alle für die Übernahme der Gefahr erheblichen Umstände anzuzeigen (§ 16 I). Die Verletzung dieser Obliegenheit bleibt naturgemäß sanktionslos, wenn der Antrag des Vmers nicht angenommen wird. Die Anzeige ist — für sich gesehen — Wissenserklärung des Vmers, ihre rechtliche Wirkung et indes mit dieser Bezeichnung nicht abschließend umschrieben: Die Angabe der I gefahrerheblichçn Umstände durch den Vmer konkretisiert zugleich den Inhalt des Antrages auf Ver14·

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F. Obliegenheiten

Anm. F 17

tragsschluß. Der Vmer trägt dem Ver an, das so beschriebene Risiko zu vern. Die Annahmeerklärung des Vers macht die benannten Gefahrumstände zum Inhalt der Gefahrtragung. Ein Unfall, der auf einem hiernach nicht offenbarten Gefahrumstand beruht, steht außerhalb der Gefahren, die der Ver mit seiner Annahmeerklärung übernommen hat. Gleichwohl wird ihm die Berufung auf Dissens oder Irrtum verwehrt: Er kann sich der aus der Gefahrtragung entstehenden Deckungspflicht nur unter den Voraussetzungen der §§ 16—20 entziehen, d. h. durch befristeten Rücktritt für den Fall, daß der Vmer oder sein Vertreter (§ 19) schuldhaft einen Gefahrumstand verfälscht angezeigt oder ihn verschwiegen hat. Diese Regelung ist unter dem Gesichtspunkt der Inhaltsfreiheit als Teil der Privatautonomie nicht sachgerecht, weil dem Ver u. U. ein Vertrag des Inhalts aufgezwungen wird, den er (so) nicht abschließen will. Ihre — relativ zwingende, vgl. § 34 a — Ausgestaltung mag sich aus der Rechtswirklichkeit rechtfertigen: Vsverträge werden überwiegend durch Vsagenten abgeschlossen, die nicht selten versucht sind, aus Gründen eigenen Provisionsinteresses vertragsschädliche Angaben des Antragstellers beiseitezuschieben. [F16] b) Abgrenzung erheblicher Gefahrumstände Die Formulierung des Gesetzes, der Vmer habe die „für die Übernahme der Gefahr erheblichen" Umstände anzuzeigen, könnte zu der Annahme veranlassen, daß nur die für die Verwirklichimg der Unfallgefahr (§ 2 (1) AUB) objektiv in Betracht kommenden Umstände anzuzeigen seien. Dagegen spricht, daß sich der Ver stets zugleich der als „Vertragsgefahr" bezeichneten (Bruck-Möller § 16 Anm. 17) Möglichkeit aussetzt, daß der Vmer einen Vsfall vortäuscht, um sich zu Unrecht zu bereichern. Dafür bietet die Rechtsprechung zum Verlust des linken Daumes (Anm. G 74) ein anschauliches und eindrucksvolles Beispiel. Soweit der Ver Abschlußfreiheit genießt, d. h. nach Belieben entscheiden kann, ob und mit wem er den Unfallvsvertrag abschließt, entscheidet er grundsätzlich auch über das Ausmaß der Information über die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, von deren Würdigung er den Vertragsschluß abhängig macht. Das kommt in § 16 I zum Ausdruck, wenn dort der Umstand, daß eine Frage „ausdrücklich und schriftlich" gestellt wird, eine tatsächliche Vermutung für die Erheblichkeit ihrer Beantwortung begründet. Deshalb entspricht die Praxis der Unfallver, formularmäßig nicht nur nach Beruf, Gewerbe, Gesundheitszustand und Alter, sondern auch nach dem Bestehen weiterer Personenven zu fragen, dem wohlverstandenen Interesse der Gefahrengemeinschaft. In der Mehrzahl bekanntgewordener Zivilprozesse, bei denen der Verdacht der Vortäuschung eines Vsfalles hervortrat, war die Gefahrsperson bei mehreren Vern und oftmals mit hohen Invaliditätssummen vert. Die Formulierung des § 16 I 1 ist, bezieht man sie auf die Beurteilungsmöglichkeit des Antragstellers, wenig realistisch: Der (künftige) Vmer vermag regelmäßig nicht zu beurteilen, welche tatsächlichen Umstände der Ver für erheblich hält. Dem trägt die Praxis der Personenver — hier: Unfallver — in der Weise Rechnung, daß sie alle aus ihrer Sicht bedeutsamen Fragen vorformulieren, so daß sich aus § 16 I 3 eine Vermutung für die Erheblichkeit aller erfragten Umstände ergibt. [F17] c) Wissensvertretung Die dem § 16 I entsprechende Erfüllung der (gesetzlichen) vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit setzt entsprechendes Wissen (Kenntnis) des Antragstellers voraus. Wird der Antrag von einem Bevollmächtigten gestellt, so kommt es nach § 1661 BGB auf dessen Kenntnis an. Das auch für das bürgerlich-rechtliche und handelsrechtliche Vertragsrecht erkannte Problem (vgl. Palandt-Heinrichs36 § 166 Anm. 3 b), daß diese Vorschrift es dem bösgläubigen Vertreter ermöglichen kann, 212

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II. Vor Vertragsschluß vom Vmer zu erfüllende Obliegenheiten

Amn. F 18

einen gutgläubigen Vertreter vorzuschicken, ist für die vorvertragliche Anzeigepflicht in § 19 W G erkannt und gelöst: Es kommt auf Kenntnis und Arglist sowohl des Vertreters als auch des Vertretenen an, vgl. Bruck-Möller § 19 Anm. 5. Bezieht man die Wissenszurechnung in die Repräsentanz ein, so läßt sich auch hier sagen, daß sich im Zusammenhang mit der Erfüllung der Anzeigepflicht Vertreter und Vertretener gegenseitig repräsentieren (vgl. Anm. F 7 zu § 79). Nach Bruck-Möller § 19 Anm. 10 ist bei Rollenspaltung zwischen Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17) und Vmer jeweils auch die Gefahrsperson im Sinne des § 16 anzeigepflichtig, und zwar sowohl bei der Fremdv für eigene wie für fremde Rechnung. Dem ist in dem vorstehend (Anm. F 7—8) dargestellten Sinne zuzustimmen: Da der Ver von den speziell aus der Rollenspaltung sich ergebenden Risiken zu entlasten ist, hat in beiden Fällen der Vmer für die im Sinne des § 16 I richtige und vollständige Unterrichtung des Vers einzustehen. Insoweit muß er auch dafür Sorge tragen, daß die Gefahrsperson gefahrerhebliche Umstände aus der Intimsphäre (Krankheiten pp.) preisgibt. Obliegenheitsbelastet in dem Sinne, daß ihn Rechtsfolgen der Verletzung treffen können, ist nur der Vte bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung: Sein Vsanspruch wird durch Obliegenheitsverletzung gefährdet. Anders liegt es bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung. Hier steht die Gefahrsperson außerhalb des vsrechtlich bedeutsamen Zusammenhangs: Die Folgen einer Obliegenheitsverletzung bedrohen nur den Anspruch des Vmers selbst. Wegen der weitergehenden Probleme der Wissenszurechnung bei gesetzlichen Vertretern und Verwaltern wird auf Bruck-Möller § 19 Anm. 7—13 verwiesen. [F 18] d) Rechtsprechung Einige der zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit ergangenen Entscheidungen lassen die Tendenz erkennen, die Anzeigenobliegenheit des Antragstellers in eine „Frageobliegenheit" des Vers umzuwerten: KG 13. III. 1926 JRPV 1926 S. 183 verneint Erheblichkeit unvollständiger Angaben des Vmers gemäß § 16 I, weil die tatsächlich gemachten Angaben die Übernahme eines „außerordentlich ungünstigen Risikos" indiziert hätten, so daß der Ver vernünftigerweise weiter hätte nachfragen müssen (zur Kritik vgl. die „Bemerkungen des Berichterstatters a.a.O. 5. 184 r.Sp.). Im gleichen Sinne OLG Bremen 23. III. 1927 JRPV 1927 S. 181, das Verschulden bei Nichtangabe eines bestehenden Herzleidens verneint, weil der Ver den vom Antragsteller völlig unausgefüllt gelassenen Fragebogen nach Vorerkrankungen unbeanstandet entgegengenommen und damit habe erkennen lassen, daß er auf die Beantwortung dieser Fragen keinen Wert gelegt habe. LG I Berlin 23. II. 1932 JRPV 1932 S. 330 läßt erkennen, daß es das Verschweigen eines früheren Unfalles trotz Nachfrage als erheblich im Sinne des § 16 I ansehe — die Entscheidung befaßt sich aber primär mit der Wirksamkeit einer auf den Verzicht auf die Entschädigung gerichteten Anfechtungserklärung des Vmers nach § 123 BGB und verneint sie. In nahezu allen hierzu ergangenen Entscheidungen hatte der Ver vorsorglich neben dem Rücktritt (§ 20) auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt (§§ 22 W G , 123 BGB). Eine erfolgreiche Anfechtung beseitigt seine Deckungspflicht rückwirkend (§ 142 BGB) ohne die aus § 21 W G sich ergebende Einschränkung. KG 6. V. 1936 JRPV 1936 S. 138 läßt eine solche Anfechtung wegen Verschweigens einer Syphiliserkrankung durchgreifen, während OLG Kiel 21. IX. 1936 JRPV 1937 S. 312 ihre Berechtigung verneint, obwohl die Gesamtumstände den Gedanken an eine von vornherein geplante betrügerische Selbstverstümmelung nahelegten: Im Antragsformular sei nach den Vermögensverhältnissen des Antragstellers (Vmers) nicht gefragt worden. Sie seien auch zur Zeit des Vertragsschlusses nicht so ungünstig gewesen, daß Wagner

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F. Obliegenheiten

Anni. F 19

die Beklagte (Ver) den Vertragsschluß deshalb abgelehnt haben würde. Rücktritt nach § 16 II 1 W G und wirksame Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB bejaht AG Essen 9. III. 1938 JRPV 1938 S. 240 wegen Verschweigens einer Nabelbruchoperation trotz Nachfrage des Vers. LG Bielefeld 30. IV. 1954 VersR 1954 S. 489 läßt es dahingestellt, ob das Verschweigen eines früheren Unfalls zu Rücktritt oder Anfechtung berechtigte, weil der Ver die hierfür geltenden Erklärungsfristen (§§ 20 W G , 124 BGB) versäumt habe. LG Stuttgart 19. X. 1954 VersR 1955 S. 145 verneint arglistige Täuschung durch den Antragsteller, begangen durch Verschweigen einer Mehrzahl bereits bestehender Unfallven. Auf die Frage eines Rücktritts gemäß §§ 16, 20, 21 W G geht das Gericht nicht ein, vermutlich, weil sich die Mehrfachv wegen § 21 W G auf die Entschädigungspflicht nicht ausgewirkt haben würde. Ebenso begründet OLG Schleswig 25.11.1971 VersR 1972 S. 433 den Umstand, daß das Verschweigen weiterer Ven, nach denen ausdrücklich gefragt worden war, nicht zur Leistungsfreiheit des Vers führe: Es fehle an der in § 21 W G vorausgesetzten Kausalität. Unrichtig OLG Karlsruhe 28.1.1977 VersR 1977 S. 635, soweit zur Verneinung einer arglistischen Täuschung durch Verschweigen einer Vorerkrankung zusätzlich auf den Gedanken des § 21 W G zurückgegriffen wird (a.a.O. S. 636 r. Sp.). [F 19] 2. Anzeige gefahrerheblicher Umstände nach Antrag, vor Vertragsschhiii (§ 29 a) Die vorvertragliche, auf Gesetz beruhende Obliegenheit zur Anzeige von Gefahrumständen (§ 16 I) wandelt sich mit Vertragsschluß in die Pflicht, die Gefahrslage unverändert zu lassen (§ 23 I) oder eine Veränderung dem Ver anzuzeigen (§§ 23 II, 27). Die für den Ver bestehenden Möglichkeiten, auf Gefahrsanzeige oder Gefahrerhöhung zu reagieren, verändern sich dementsprechend: Er kann angesichts der zutreffend oder unrichtig beschriebenen Gefahrslage vom Vertragsschluß absehen, notfalls durch rechtzeitigen Widerruf der Annahmeerklärung (§ 130 I 2 BGB). Nach formellem Vertragsschluß (Anm. D 3) kann er zurücktreten (§ 16 III) oder anfechten (Anm. D 26—27). An die Stelle des ex tunc wirkenden Rücktritts, dessen Rückwirkung sich aus der (schuldhaft) verfälschten Beschreibung der Gefahrslage rechtfertigt, die den Vertrag von vornherein mit der unrichtigen Vorstellung des Vers vom Umfang seiner Gefahrtragungsleistung belastet, tritt bei nachträglicher Änderung der Gefahrslage die Kündigung (§§ 24, 27) und, im Falle konkreter Kausalität für den Eintritt des Vsfalles oder den Umfang der Entschädigungspflicht, Leistungsfreiheit des Vers (§ 25 III). Die Folgen für die Prämienzahlungspflicht ergeben sich aus § 40, I, II 1. Die Berechtigung dieser klaren Abgrenzung von vorvertraglicher Anzeige einerseits und mit Vertragsschluß wirksam werdenden Obliegenheiten, die den Stand der Gefahrslage betreffen, andererseits wird fragwürdig, wenn sich nach Absendung des Antrags des (künftigen) Vmers die Gefahrslage verändert. Der Antragsteller ist zwar nach § 16 I gehalten, dies nachträglich anzuzeigen; geschieht dies indes unverzüglich, so würden sich keine Rechtsfolgen zu seinen Lasten ergeben, wenn der Ver inzwischen die Annahmeerklärung abgesandt hat und außerstande ist, sie zu widerrufen (hierzu: Bruck-Möller § 29 a Anm. 4—5) Da hier dem Vmer nichts vorzuwerfen ist, kommen Rücktritt oder Anfechtung durch den Ver nicht in Betracht. Leistungsfreiheit ist für diesen Fall nicht vorgesehen, die Regelung des § 25 setzt Gefahrerhöhung nach Vertragsschluß voraus. Das Recht des Vers, die Prämie nach § 41 anzugleichen, ist vielfach kein Äquivalent für die erhöhte Gefahr, die er hiernach kraft Vertragsschlusses zu tragen hätte (Bruck-Möller § 29 a Anm. 4). Dem trägt die im Jahre 1939 eingefügte Vorschrift des § 29 a Rechnung: Gefahrerhöhung nach Antragstellung begründet Obliegenheiten des Antragstellers sowohl nach Maßgabe der §§ 16—21, als auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahrstandspflicht und der Pflicht zur Anzeige willkürlicher oder objektiver Gefahrerhöhung. Wegen der Einzelheiten, die sich in der 214

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III. Obliegenheiten, die vor Eintritt der Vsfalles zu erfüllen sind

Anm. F 22

Unfallv als praktisch nicht bedeutsam erwiesen haben, wird auf Bruck-Möller § 29 a Anm. 6—8 verwiesen. [F 20] 3. Restfälle gesetzlicher vorvertraglicher Obliegenheiten a) Anzeige bestehender Personenverskherangen Der üblicherweise verwendete Fragenkatalog der privaten Unfallver enthält auch Fragen nach weiteren Personenven, d. h. insbesondere nach Unfallven, Lebensven und privaten Krankenven. Solche Fragen sind im Sinne des § 16 I erheblich; sie betreffen vielfach die vom Ver zu übernehmende Vertragsgefahr (Bruck-Möller § 16 Anm. 17), ihre unrichtige oder unvollständige Beantwortung löst Rechtsfolgen nach Maßgabe der §§ 16 11-22 aus. Unabhängig von ausdrücklicher Fragestellung durch den Ver (Agenten) ist der Antragsteller nach dem Rechtsgedanken des § 58 gehalten, von einer anderen Personenv Mitteilung zu machen (Anm. A 17). Die (analoge) Anwendung dieser Vorschrift begründet indes nicht mehr als eine sanktionslose Obliegenheit des Antragstellers, soweit aus der Unfallv nicht nach dem Prinzip der Schadensv zu leisten ist. Denn die für die Mehrfach- und Doppelv in §§ 59, 60 vorgesehenen Sanktionen passen für die Summenv nicht (Ausnahme: Vgl. Anm. E 13) und sind auch nicht als Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen typisch, wie etwa Rücktritt, Kündigung und Leistungsfreiheit. [F21] b) Anzeige auftragsloser Versicherung für fremde Rechnung Nimmt der Vmer eine Unfallfremdv für fremde Rechnung unter namentlicher Bezeichnung der Gefahrsperson, so ist er gehalten, dem Ver gegebenenfalls mitzuteilen, daß er den Vertrag ohne Auftrag der Gefahrsperson geschlossen hat. Das ergibt sich aus § 79 III: Unterläßt der Vmer diese Anzeige, so braucht sich der Ver die Unkenntnis des Vten vom Vertragsschluß und damit sein fehlendes Verschulden für die Verletzung einer ihn belastenden Obliegenheit nicht entgegenhalten zu lassen. Anders ausgedrückt: Der Vmer muß durch Unterrichtung des Vten diesen in die Lage versetzen, die ihn belastenden Obliegenheiten zu erfüllen. Tut er es nicht, so muß er (wenigstens) dem Ver durch entsprechende Anzeige gemäß § 79 III Gelegenheit geben, den Vten zu informieren (zum ganzen: Sieg Bd II § 79 Anm. 14 und oben Anm. F 7). Die Anzeigeobliegenheit des Vmers nach § 79 III gehört zwar systematisch zu den nach § 16 anzuzeigenden Gefahrumständen. Denn die Unwissenheit des Vten von dem zu seinen Gunsten (§ 75 I 1) geschlossenen Vertrag ist geeignet, die üblicherweise durch Obliegenheiten bewirkte Nötigungswirkung im Hinblick auf ein der Gefahrengemeinschaft entsprechendes Verhalten auszuschließen. Die Rechtsfolge ergibt sich hier indessen nicht aus §§ 16—21, da aus § 79 III eine eigenständige und gegenüber den vorgenannten Vorschriften speziellere Sanktion folgt: Der Vte kann sich für objektive von ihm begangene Obliegenheitsverletzungen nicht mit der Begründung exkulpieren, er habe das Verhaltensge- oder -verbot nicht gekannt. Ihn trifft die vertraglich vorgesehene Sanktion der Obliegenheitsverletzung insoweit ohne Rücksicht auf Verschulden.

[F 22] ΙΠ. Obliegenheiten, die nach Vertragsschluß, aber vor Eintritt des Versieherungsfalles zu erfüllen sind 1. Vorbemerkung Für Obliegenheiten, die von Seiten des Vmers - oder seines Repräsentanten einschließlich der Gefahrsperson — vor Eintritt des Vsfalles zu erfüllen sind, ist die Unterscheidimg zwischen gesetzlichen und vertraglichen Obliegenheiten bedeutsam. Wagner

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Anm. F 24

F. Obliegenheiten

Hierfür wird auf die Ausführungen von Bruck-Möller § 6 Anm. 16 verwiesen. Für die Unfallv sind beide Arten von Bedeutung; vertraglich wird der Vmer in der Allgemeinen Unfallv mit der Anzeige einer Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung belastet (§ 4 I. AUB); für die Kraftfahrt-Unfallv ergeben sich Obliegenheiten aus § 2 (2) a - c , 5 (1) und (3) und 6 (1) S. 2 AKB. Als gesetzliche Obliegenheiten gelten für alle Arten der Unfallv Verhaltenspflichten gemäß §§ 23—27. [F23] 2. Gefahrstandspflicht a) Allgemeines Die Vorschriften der §§ 23-29 gelten auch für die private Unfallv. Das entspricht für die Kraftfahrt-Unfallv der einhelligen Auffassung, ist aber für die Allgemeine Unfallv bestritten (Anm. A 38—39). Einschränkungen ergeben sich aus der gesetzlichen Regelung (§ 29) selbst: Unberücksichtigt bleiben unerhebliche Gefahrerhöhungen und solche, die nach dem Sinn des Vsvertrages nicht bedeutsam sein sollen. Augenfälliges Beispiel hierfür war die bis 1961 geltende Regelung des § 4 (2) AUB, wonach eine Verschlechterung in den Gesundheitsverhältnissen des Vten „ohne Einfluß auf den Fortbestand der Versicherung" blieb. Diese Bestimmung wurde für die AUB 1961 „als überflüssig gestrichen", vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte S. 19. Entsprechendes gilt - ohne, daß dies in Bedingungstexten ausgedrückt wurde - für eine allgemeine Erhöhung der Unfallgefahr durch fortschreitende Technisierung (Verwendimg von Elektrogeräten im Haushalt), Ausweitung des Kraftfahizeugverkehrs oder Ansiedlung gefahrerhöhender Industrie (Munitionsfabrik) in der Nachbarschaft des Vmers (grundsätzlich hierzu schon RG 2. IV. 1907 JW 1907 S. 338, weitere Nachweise bei Bühring-Mertins S. 114). Dies ist, soweit ersichtlich, in neuerer Rechtsprechung und neuerem Schrifttum nicht mehr erörtert worden (vgl. etwa Weiland JRPV 1937 S. 333-337). [F 24] b) Überblick über die Regelung Die Vorschriften der §§ 23—29 bilden ein Beispiel für eine gesetzliche Regelung der Veränderung der Geschäftsgrundlage, vgl. Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 204—205. Die Änderung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung (Prämie) und Gegenleistung (Gefahrtragung) durch Gefahrerhöhung löst ein Kündigungsrecht des Vers aus, dessen Wirkung (Wirkungsfrist, vgl. Anm. D 33) vom Verschulden des Vmers abhängt: Hat er die Gefahrerhöhung schuldhaft vorgenommen oder gestattet, so wirkt die Kündigung sogleich, andernfalls erst nach Ablauf eines Monats (§ 24 I, 27 I). Das Kündigungsrecht ist befristet (Erklärungsfrist, vgl. auch hierzu Anm. D 33): Es erlischt in allen Fällen einen Monat nach — evtl. fingierter — Kenntnis des Vers von der Gefahrerhöhung oder mit Wiederherstellung der alten Gefahrslage (§ 24 II). Das Recht des Vers, wegen der Gefahrerhöhung innerhalb eines Monats zu kündigen, wird ergänzt durch das Recht, sich bei Vsfällen nach Gefahrerhöhung auf Leistungsfreiheit zu berufen (§ 25 I). Man kann diese Rechtsfolge nicht aus der Vorstellung herleiten, daß die Gefahränderung die Identität des Vertrages berührt, so daß für eine Entschädigungspflicht aus dem in seinen Gefahrenfaktoren umgestalteten Vertrag kein Raum sei: Denn der Ver bleibt für Unfälle nach Gefahrerhöhung (während eines Monats) leistungspflichtig, wenn der Vmer die Veränderung nicht verschuldet hat, § 25 II 1. Diese Folge wäre mit der Vorstellung eines in seiner Identität veränderten Vertrages ebenso unvereinbar wie der Umstand, daß der Ver sich mit der erhöhten Gefahrtragung abfinden und davon absehen kann, den Vertrag zu kündigen (§ 25 III). Die gesetzliche Regelung geht von der Vorstellung aus, daß kraft Gefahrerhöhung zwei Gefahrslagen bestehen, die bei unverschuldeter Gefahränderung für eine Übergangszeit von einem Monat jeweils von verschiedener Bedeutung sind: Die 216

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III. Obliegenheiten, die vor Eintritt der Vsfalles zu erfüllen sind

Anm. F 26

alte (vormalige) Gefahrslage, die der Gefahrtragung des Vers weiterhin zugrundeliegt, bis er (gegebenenfalls) den Vertrag durch Kündigung beendet und die neue (erhöhte) Gefahrensituation, für die der Ver nur dann die Gefahr trägt, wenn er es unterläßt, von seinem Recht zur Kündigung Gebrauch zu machen. - Das ist Sinn und Inhalt der in ihrer Darstellung nicht ohne weiteres durchschaubaren Regelung der §§ 25, 28: Der Ver bleibt vor Vertragsbeendigung durch Kündigung in jedem Falle entschädigungspflichtig, wenn die Gefahrerhöhung weder für den Eintritt des Unfallereignisses noch für den Umfang der Entschädigungsleistung ursächlich geworden ist (§ 25 II 2. Alt.). Dem Vmer obliegt es, dem Ver eine Gefahrerhöhung, gleich welcher Art, unverzüglich anzuzeigen (§§ 23 II, 27 II). Diese Anzeigeobliegenheit hat nur Hilfsfunktion: Sie soll den Ver in die Lage versetzen, auf die Gefahrerhöhung zu reagieren. Dementsprechend ist ihre Sanktion ausgestaltet: Die unterlassene Anzeige bleibt sanktionslos, wenn der Ver unabhängig von ihr Kenntnis von der Gefahrerhöhung erlangt hat (§ 24 II, 28 II 1); im übrigen bewirkt das Unterlassen - oder die Verzögerung - der Anzeige lediglich, daß der Schwebezustand verlängert wird, innerhalb dessen der Ver kündigen kann (Erklärungsfrist) und der Ver nur für die alte Gefahrslage einzustehen hat. [F 25] c) Sonderregelung in §§ 4 (1) und (2), 15 I. AUB aa) Überblick Vor dem Hintergrund der vorstehend (Anm. F 24) dargestellten Struktur der gesetzlichen Regelung wird die Bedeutung der in den AUB getroffenen Sonderregelung, soweit sie eine Erhöhung der Gefahr betrifft, deutlich: Zunächst ergibt sich aus § 4 (1) AUB, daß es der Gefahrsperson freisteht, Berufstätigkeit und Beschäftigung beliebig zu ändern. Folgt hieraus eine Gefahrerhöhung, so steht dem Ver nach der Regelung der AUB nur das Recht zu, eine Prämienanpassung zu erzwingen (Einzelheiten: Anm. E 11); er kann den Vertrag grundsätzlich (Ausnahmen: Anm. F 32) nicht unter Berufung auf die Gefahrerhöhung kündigen. Die Anzeigeobliegenheit (§ 15 I. AUB) hat auch hier nur Hilfsfunktion: Der Zeitpunkt der Prämienkorrektur bestimmt sich danach, wann die Anzeige hätte eingehen müssen (§ 4 (2) b AUB). Es entspricht zutreffender und vorherrschender Auffassung, daß die Regelung des § 4 (1) und (2) AUB der gesetzlichen Regelung der §§ 23—29 insoweit als vertragliche Sonderregelung vorgeht, als in den AUB die Gefahränderung durch Änderung der Berufstätigkeit besonders gestaltet ist, Prölss-Martin21 § 5 AUB Anm. 2, S. 1072, Winter S. 543 N. 18. Damit ist weder etwas ausgesagt über die Frage, ob andere Gefahrerhöhungen schlechthin unbeachtlich sein sollen (Anm. A 38), noch darüber, inwieweit die Regelung des § 4 AUB mit relativ zwingendem Recht (§ 34 a in der seit Einführung der Vorschrift geltenden Fassung, bis 1939: § 31 W G ) vereinbar ist (Anm. F 27-28). [F 26] bb) Berubänderung als erlaubte Gefahrerhöhung Die Regelung des § 4 (1) und (2) AUB ist undeutlich und unvollständig. Von ihrer Auslegung hängt die Beantwortung der Frage ab, ob und inwieweit sie gegen zwingendes Recht (§ 34a) verstößt (Anm. F 27-28). Ihrem Wortlaut nach erscheint § 4 (1) AUB als auf § 23 11. Alt.bezogene Spezialvorschrift. Dort wird dem Vmer verboten („darf . . . nicht"), eine Erhöhung der Gefahr vorzunehmen. Daß mit dieser Ausdrucksweise eine rechtswidrige Verhaltensweise in dem auf Obliegenheiten zu übertragenden Sinne (Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 206) gemeint ist, wird aus dem Sprachgebrauch der §§ 24, 25 deutlich: In beiden Vorschriften wird die Gefahrerhöhung — ohne Einwilligung des Vers — als „Verletzung" bezeichnet. Dieser Ausdruck paßt nur für vertragswidriges Verhalten. Wagner

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F. Obliegenheiten

Anm. F 27

Für § 25 II 1 ist es bedeutsam, ob der Vmer die Verletzung verschuldet hat. Auch ein Schuldvorwurf kann sich nur auf rechtswidriges Verhalten beziehen. Wenn es demgegenüber in § 4 (1) AUB heißt, daß Änderungen der Berufstätigkeit oder Beschäftigung (grundsätzlich) ohne Einfluß auf den Fortbestand des Vertrages seien, so folgt hieraus im Zusammenhang mit § 4 (2) b AUB, daß eine gefahrerhöhende Änderung der Berufstätigkeit nicht im Sinne des § 23 I verboten ist. Daraus ergibt sich, daß §§ 23-25 schon mangels Tatbestandes nicht anwendbar sind: Der Ver gibt in § 4 (1) AUB die Einwilligung (§ 23 I) zu Gefahränderungen, die durch Berufswechsel bedingt sind. Wegen Wechsels in einen Beruf, für den der Ver keinen Vsschutz gewährt, vgl. unten Anm. F 32.

[F 27] cc) Verstoß gegen § 34a W G ? aaa) Stellungnahme in Schrifttum und Rechtsprechung Ein Verstoß der Sonderregelung der AVB gegen §§ 23-25 wurde nach Verkündung des W G schon für die Verbands-Bedingungen von 1904 erwogen. Nach § 4 I der Verbands-Bedingungen erstreckte sich die Unfallv nach Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung erst und nur dann auf Unfälle bei der Ausübung der neuen Tätigkeit, wenn sich der Ver auf Anzeige des Vmers hiermit einverstanden erklärt und der Ver die Mehrprämie entrichtet hatte. Gerhard-Hagen S. 744— 745 deuten das Problem einer Kollision dieser Regelung mit §§ 23—25 an, weichen ihm aber ohne nähere Stellungnahme dadurch aus, daß sie die Änderung der Tätigkeit des Vten nicht als Gefahrerhöhung, sondern als „vertragsmäßige Begrenzung des Risikos" (a. a. O. S. 744 unten) bezeichnen. Hieraus folge, daß es auf Verschulden des Vmers nicht ankomme und daß auch das Unterlassen einer Kündigung durch den Ver ohne Bedeutung sei (24 II), vgl. Gerhard-Hagen a.a.O. S. 745 oben, im gleichen Sinne Bühring-Mertins S. 114. Durch die AVB von 1910 wurden die Verbands-Bedingungen von 1904 in diesem Punkt geändert: Nach § 6 I 3 der Bedingungen von 1910 wurde die V auch auf das neue Risko erstreckt mit der Maßgabe, daß sich die vten Beträge vom Eintritt der Änderung an im Verhältnis der bisherigen Istprämie zu der der Erhöhung entsprechenden Sollprämie minderten, solange nicht eine Vereinbarung über die erhöhte Prämie zustande gekommen war. Die Bedingungen von 1920 brachten in § 4 I. 1 b eine weitere Verbesserung zugunsten des Vmers: für einen Monat nach Änderung der Tätigkeit des Vten wurde auch für die erhöhte Gefahr voller Vsschutz ohne Erhöhung der Prämie gewährt. Danach minderten sich die Entschädigungssummen im Verhältnis der Ist- zur Sollprämie. — Diese Regelung ist bis zu den heute geltenden AUB von 1961 (§ 4 (2) b AUB) beibehalten worden (Einzelheiten Anm. E 11). Wüstney, Vorbem. zu § 4 S. 24—25 hält diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen die (halb-)zwingenden Vorschriften über die Gefahrerhöhung für unwirksam: ein begrifflicher Gegensatz zwischen Gefahrerhöhung und Begrenzung des Risikos bestehe nicht. Die hierzu zitierte Rechtsprechung, die nach dem Inhalt des Zitates den gegenteiligen Standpunkt einnimmt und diese Vorschrift für wirksam hält, ist allerdings nicht einschlägig, weil sie ausnahmslos Vsfälle vor Inkrafttreten des W G betrifft. So befindet auch die zeitlich letzte Entscheidung RG 20. V. 1910 RGZ Bd 73 S. 362 über einen Unfall, der sich am 21. VIII. 1905 zugetragen hat. Erst OGH 23. VI. 1950 OGHZ Bd 4 S. 91 geht von der Wirksamkeit der Regelung des § 4 AVB. aus (obiter dictum, es geht um die Anwendung der Kriegsklausel und die [abgelehnte] Wertung einer Internierung als Gefahrerhöhung). Bruck-Möller § 23 Anm. 39 erklären die Bestimmung des § 4 AVB für insoweit ungültig, als sie den Vmer ungünstiger stelle als § 25, z. B. wegen § 25 III. 218

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III. Obliegenheiten, die vor Eintritt der Vsfalles zu erfüllen sind

Anm. F 29

[F 28] bbb) Eigene Stellungnahme Die Regelung des § 4 (2) b AUB verstößt nicht gegen zugunsten des Vmers zwingendes Recht (§ 34 a). Sie stellt den Vmer nicht schlechter, als er nach der Regelung der §§ 23—27 stehen würde (Überblick über diese Regelung oben Anm. F 24). Das ergibt sich insbesondere daraus, daß dem Ver entgegen § 24 kein Kündigungsrecht zusteht: Der Vmer kann es bei der bisherigen Prämie belassen und erhält dementsprechend nach Ablauf eines Monats für Unfälle, die auf der erhöhten Gefahrslage beruhen, eine im Verhältnis der Sollprämie zur Istprämie gekürzte Entschädigungsleistung (Anm. E 11). Die Kürzung nach Ablauf eines Monats unterläuft nicht den Schutz, den die Regelung des § 25 III dem Vmer gewährt: Diese Vorschrift garantiert dem Vmer, der unverschuldet die Gefahrstandspflicht verletzt hat, Vsschutz für die erhöhte Gefahrslage nach Maßgabe des ursprünglichen Vertrages ohne Prämienerhöhung für einen Monat. Von einer unverschuldeten Gefahrerhöhung ist hier stets auszugehen, weil die Gefahrerhöhung durch Änderung der Berufstätigkeit nicht rechtswidrig ist (Anm. F 25). Den Vsschutz während dieses Monats hat der Vmer auch nach § 25 III nicht, soweit die Gefahrerhöhung Einfluß auf das Unfallereignis oder dessen Folgen hatte (§ 25 III letzter Halbs.). Insoweit ist die Regelung des § 4 (2) b AUB dem Vmer deutlich günstiger. Er erhält für einen Monat Vsschutz für die neue Gefahrslage bei unveränderter Prämie. An eine gegenüber dieser Regelung ungünstigere Stellung des Vmers nach § 4 (2) b AUB könnte allenfalls insoweit gedacht werden, als der Vmer, der sich nicht mit einer höheren Prämie einverstanden erklärt, nach Ablauf eines Monats eine geminderte Entschädigungsleistung erhält, während sich sein Anspruch nach § 25 III trotz gleichbleibender Prämie nicht schmälern würde, wenn der Ver nicht kündigt. Dieser Nachteil für den Vmer wird aber dadurch ausgeglichen, daß ihm die Bedrohung durch das Kündigungsrecht des Vers (§ 24 I 2) genommen wird. Hiernach hätte es der Ver in der Hand, dem Vmer den Vsschutz nach Ablauf eines Monats ganz zu entziehen. Diese Möglichkeit macht die Aussicht des Vmers, bei gleichbleibender Prämie Vsschutz für eine erhöhte Gefahrslage zu erhalten, praktisch und rechtlich bedeutungslos. Dem Vmer wird der Vsschutz nach Maßgabe des ursprünglichen Vertrages nicht genommen und nicht geschmälert. Die Minderung der Entschädigungsleistung bezieht sich, wie bereits erwähnt, nur auf solche Unfälle, die auf die erhöhte Gefahr zurückzuführen sind, § 4 (2) b AUB. [F 29] dd) Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung aaa) Vorbemerkung Auf die historische Entwicklung der Regelung der Rechtsfolgen von gefahrerhöhenden Änderungen der Berufstätigkeit ist bereits oben Anm. F 27 hingewiesen worden. Dem ist hinzuzufügen, daß in § 4 1. der bis 1961 geltenden AVB auch die Anzeigepflicht des Vmers genannt war. Die AUB von 1961 haben diese Anzeigepflicht als Obliegenheit in die Vorschrift des § 15 übernommen. Der Hinweis von Grewing, Entstehungsgeschichte S. 18 unter (1), mit der Neufassung sei auch eine Übereinstimmung mit den an die Obliegenheitsverletzung geknüpften Rechtsfolgen (Rücktritt vom Vertrag!) hergestellt, ist mißverständlich. Die Anzeige gemäß § 15 I. AUB ist keine Obliegenheit im Sinne des § 6 I 1. Ihre Verletzung führt nicht zur Verwirkung des Vsschutzes, auch eine Kündigung des Vers gemäß § 6 1 2 kommt nicht in Betracht; zutreffend Wussow AUB 4 § 15 Anm. 1. Die Rechtsfolgen der Verletzung dieser Obliegenheit ergeben sich allein aus § 4 (2) AUB, sie erschöpfen sich, wenn der Ver auch für die geänderte Tätigkeit Vsschutz gewährt, in einer Anpassung der Prämie (Einzelheiten Anm. E 11). Die Anzeige hat hier nur die Funktion, den für die Änpassung maßgeblichen Zeitpunkt zu fixieren. Wagner

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F. Obliegenheiten

Anm. F 30

[F 30] bbb) Berufstätigkeit oder Beschäftigung Im Antrag des (künftigen) Vmers auf Vertragsschluß wird dessen Beruf angegeben. Aus ihm ergibt sich die Gefahrengruppe, die für die Prämienberechnung maßgebend ist (Anm. E 5). Änderungen der aus der Berufsangabe sich ergebenden Gefahrslage sind nur bedeutsam, wenn die geänderte Tätigkeit in eine andere Gefahrengruppe fällt. Ist das nicht der Fall, so bleibt die Änderung ohne Folgen, und zwar unabhängig davon, ob sie angezeigt worden ist oder nicht. Der Inhalt der in § 15 I. AUB - entsprechend § 4 (1) AUB - verwendeten Begriffe Berufstätigkeit und Beschäftigung bestimmt sich nach dem Lebenssprachgebrauch unter Berücksichtigung des Zwecks der Anzeigepflicht. Die vom Schrifttum aus der Rechtsprechung übernommene Definition der Berufstätigkeit (vgl. Wüstney § 4 Anm. 1, S. 26 und Wussow AUB 4 § 4 Anm. 2, S. 105) ist nicht für diesen vsrechtlichen Zusammenhang entwickelt worden und deshalb für die Rechtsanwendung hier wenig hilfreich. Für die private Unfallv läßt RG 8. VI. 1928 VA 1928 S. 229 Nr. 1885 = JRPV 1928 S. 199 erkennen, daß es für die Berufstätigkeit auf den Inhalt der regelmäßigen Beschäftigung ankommen, während die Beschäftigung sich aus der tatsächlichen Gestaltung dieser Tätigkeit ergeben soll: Der Vte hatte die Frage nach Amt, Beruf, Gewerbe, mit „Prokurist der Frankfurter Assekuranz Bank" und die weitere Frage über seine Tätigkeit im Geschäft mit „Angestellter, Bürotätigkeit und Stadtgeschäft" im Vsantrag angegeben. 2 Jahre später wurde er Geschäftsführer einer Versicherungs-Vermittlungs-AG. In dieser Eigenschaft mußte er einen Kraftwagen lenken. Diesen Wechsel seiner Stellung hatte er nicht angezeigt. RG a.a.O. führt aus, daß sich die berufliche Tätigkeit des Vten durch den Wechsel der Stellung nicht verändert habe, auch wenn die Bürotätigkeit nunmehr in den Hintergrund getreten sei und der Vte anstatt städtischer Kundschaft nunmehr ländliche geworben habe. „Dagegen kann eine Änderung der Beschäftigung vielleicht darin gefunden werden, daß der Vte in seiner neuen Stellung einen Kraftwagen zu lenken bekam". — Für die Einbeziehung von Kraftfahrzeugunfällen war nach § 4 II. 1. a der AVB (von 1920, abgedruckt VA 1920 S. 104) besondere Vereinbarung notwendig; der Ver gewährte aber — entsprechend § 4 (2) b S. 1 AUB — für eine Ubergangszeit von einem Monat Vsschutz auch für die insoweit erhöhte Gefahr. Die vorgenannte Entscheidung ist insofern noch von Bedeutung, als sie deutlich macht, daß es für die Gefahränderung durch Änderung von Beruf oder Beschäftigung entscheidend nur auf die Art der nach dem Wechsel ausgeübten Tätigkeit ankommt. Die AVB verwenden seit den Verbands-Bedingungen von 1904 nebeneinander die Begriffe Berufstätigkeit und Beschäftigung. Für die Rechtsfolge einer Änderung dieser Voraussetzung kommt es nicht darauf an, ob die neue Tätigkeit einem hergebrachten oder in neuerer Zeit anerkannten Berufsbild zuzuordnen ist, ob sie besondere Kenntnisse und damit eine besondere Ausbildung erfordert oder ob sie entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt wird. Denn der normative Begriff des Berufes wird hier durch den der Beschäftigung ergänzt, der allein auf die Art der tatsächlichen Tätigkeit abstellt. Das entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung des § 4 (1) und (2) AUB, wonach sich die Rechtsfolge aus dem Tarif des Vers, d. h. daraus ergibt, welche Prämie für das neue Risiko geschuldet wird. Beide Begriffe — Berufstätigkeit und Beschäftigung — setzen eine Tätigkeit voraus, die über eine gewisse Zeit planmäßig ausgeübt wird. Eine nur kurzfristige Änderung oder Unterbrechung ist nicht im Sinne der §§ 15 I., 4 (1) und (2) AUB bedeutsam. Das folgt aus Sinn und Inhalt der Unfallv und dem Gebot der Praktikabilität: Beide Vertragspartner müssen redlicherweise mit der Möglichkeit rechnen, daß sich der Vmer als Gefahrsperson vorübergehend einer besonderen Gefährdung aussetzt, so z. B. wenn ein Vmer, der als „kaufmännischer Angestellter" vert ist, sich für einige 220

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III. Obliegenheiten, die vor Eintritt der Vsfalles zu erfüllen sind

Anm. F 32

Tage der freiwilligen Feuerwehr anschließt oder bei Bauarbeiten eines Nachbarn hilft. Solche Erhöhungen des Risikos sind, wenn sie ihrer Natur nach vorübergehend bleiben, vom Schutz des Unfallvsvertrages ohne Prämienanpassung gedeckt. Eine Anzeige nach § 15 I. AUB mit Prämienanpassung nach § 4 (2) b AUB wäre nicht praktikabel, sie müßte alsbald rückgängig gemacht werden und würde einen nicht angemessenen Verwaltungsaufwand erfordern. Überdies ist auch für die Regelung des § 23 anerkannt, daß ihrer Natur nach kurzfristige und vorübergehende Gefahrerhöhungen nicht relevant sind (vgl. Bruck-Möller § 23 Anm. 9). Dem entspricht die Regelung der Ausschlüsse in § 3 AUB. Sie nimmt einige enumerativ aufgezählte vorübergehend wirksame Gefahren vom Deckungsschutz aus; das wird deutlich ζ. B. für den Ausschluß von Unfällen, die auf Kriegsereignissen oder inneren Unruhen beruhen oder Folge eines Verbrechens oder Vergehens der Gefahrsperson sind ( § 3 (1) und (2) AUB). Es handelt sich um typische Gefahrensituationen, denen sich der Vte nur vorübergehend aussetzt. Sie werden indes als Ausschlußtatbestände von vornherein ganz vom Deckungsschutz ausgenommen, nicht aber als Gefahrerhöhung im Sinne der §§ 23—27 behandelt. Etwas anderes muß gelten, wenn der Vte neben seiner im Antrag genannten Tätigkeit — nicht nur vorübergehend — eine weitere Tätigkeit aufnimmt, die zu einer anderen Beurteilung der Gefahrslage führt. Hier ist die aus der jeweils gefährlicheren Tätigkeit sich ergebende Gefahrslage für die Prämienberechnung maßgeblich. Eine nicht nur vorübergehend ausgeübte andere Tätigkeit als die im Antrag angegebene kann auch eine solche sein, die in der Strafhaft oder in Internierung ausgeübt wird, vgl. OGH 23. VI. 1950 OGHZ Bd 4 S. 91 = VersR 1950 S. 127 mit Anm. Prölss S. 129. Das Gericht hält die Internierung des Vten für unerheblich und stellt allein darauf ab, welche Tätigkeit er als Internierter verrichtet. Dem ist zuzustimmen; ebenso Wussow AUB 4 § 4 Anm. 2, S. 106 gegen Prölss a.a.O. S. 129. Der Frage, ob Internierung oder Strafhaft — für sich gesehen — eine maßgebliche Erhöhung der Gefahr bewirken und ob sie nach § 4 AUB oder nach § 23 zu behandeln ist, geht das Gericht nicht nach (hierzu unten Anm. F 32). [F 31] ccc) Schuldner der Anzeigepilicht Anzeigepflichtig, d. h. im Sinne des § 15 I. AUB obliegenheitsbelastet ist der Vmer als Vertragspartner des Vers. Das gilt auch dann, wenn er nicht zugleich Gefahrsperson (Anm. H 17), die Unfallv also gegen Unfälle genommen worden ist, die einem anderen zustoßen (§ 179 I). Es ist Aufgabe des Vmers, die Benachrichtigung des Vers von einer Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung der Gefahrsperson sicherzustellen, er trägt insoweit das Risiko der Rollenspaltung, vgl. zu § 79 I Anm. F 7 und zu § 179 IV Anm. F 8. Den anzeigepflichtigen Tatbestand setzt dagegen nur die Gefahrsperson: Nur ihr Wechsel in Beruf oder Beschäftigung ist gemäß § 15 I. AUB anzuzeigen. Die Änderung ist nach § 15 I. AUB unverzüglich anzuzeigen, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB). Welcher Zeitraum dem Vmer hiernach zur Verfügung steht, ergibt sich aus der Würdigung des Einzelfalles. Ein Rechtsnachteil aus verzögerter Anzeige entsteht dem Vmer nur in dem Sinne, daß die Monatsfrist für die V des erhöhten Risikos nach alter Prämie gemäß § 4 (2) b S. 1 AUB in dem Zeitpunkt beginnt, in dem dem Ver eine unverzüglich erstattete Anzeige zugegangen wäre. [F32] ee) Sonderfall: Der Versicherer gewährt keinen Versicherungsschutz für die neue Berufetätigkeit oder Beschäftigung Die in § 4 (2) AUB vorgesehene Rechtsfolge der Prämienanpassung (Anm. E l l ) bei Fortbestehen des Vertrages ( § 4 ( 1 ) AUB) setzt voraus, daß der Ver für die neue Wagner

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F. Obliegenheiten

Anm. F 32

Berufstätigkeit oder Beschäftigung überhaupt Vsschutz gewährt. Ist das nicht der Fall, so ist zweifelhaft, ob der Vertrag wegen Fortfalls eines verbaren Risikos ipso iure endet (so Wussow AUB 4 § 4 Anm. 4, S. 108, Wüstney § 4 Anm. 2, S. 26 und Erich R. Prölss (bis zur 17. Aufl. § 4 AUB Anm. 2) oder als Gefahrerhöhung nach §§ 2 3 27 zu behandeln ist (so Prölss-Martin21 § 4 AUB Anm. 1 A und 2, S. 10711072). Der Wortlaut des Bedingungstextes spricht für eine Vertragsbeendigung (arg. e contrario - vgl. auch Prölss-Martin21 § 4 AUB Anm. 1 A). Ob sich aus einem Umkehrschluß zu § 4 (5) b AUB etwas anderes ergibt, wie Prölss-Martin a.a.O. meinen, ist zweifelhaft: Die AUB werten den Kriegseinsatz, wie § 4 (5) S. 2 zeigt, als vorübergehende Änderung der Gefahrensituation, vgl. Sieg Bd II § 68 Anm. 106, während ein Berufswechsel als Gefahränderung auf Dauer angesehen wird. Das Problem ist von geringer praktischer Bedeutimg. Die Unfallver haben vor etwa 20 Jahren die Zahl ihrer Gefahrengruppen erheblich reduziert (vgl. Matt ZfV 1962 S. 240-241). Das Tarifbuch für die Unfallv des HUK-Verbandes verteilt die herkömmlichen Berufe auf nur zwei Gefahrengruppen, sieht aber auch die V besonders gefährlicher Berufe wie Artisten, Berufssportler, Munitionssuch- und Räumtrupps, Sprengpersonal vor. Für sie ist (durch den Agenten) „Anfrage bei der Direktion" erforderlich. Hieraus wird deutlich, daß es Berufe, für die ein Unfallver normalerweise nach seinem Geschäftsplan keine Unfallv übernimmt, kaum noch gibt. Es darf auch angenommen werden, daß der Wechsel eines Vten zu einem besonders gefährlichen Beruf nicht häufig ist — andernfalls wäre die Beibehaltung der Unfallv zu alter Prämie für das neue Risiko für einen Monat (§ 4 (2) b S. 1 AUB) nicht tragbar. Soweit indes hiernach für die neue Beschäftigung des Vten im Sinne des § 4 (1) S. 1 AUB von diesem Ver kein Unfallvsschutz gewährt wird, ergibt sich die Rechtsfolge aus § § 2 4 und 27: Das generell erklärte Einverständnis des Unfallvers mit einem Berufswechsel des Vten, das die Vornahme der Gefahränderung im Sinne des § 23 I gestattet (Anm. F 25), kann sich hierauf nicht erstrecken. Der Annahme, daß der Vertrag sofort ende, stehen §§ 68, 68 a entgegen. Es handelt sich demnach um eine Verletzung der Gefahrstandspflicht, die den Ver zur Kündigung berechtigt (§ 24). Die Kündigimg wirkt erst nach einem Monat, wenn der Vmer nicht schuldhaft gehandelt hat (§ 24 I). Es wird regelmäßig davon auszugehen sein, daß der Vmer nicht schuldhaft im Sinne des § 24 I gehandelt hat, denn ihm ist der Wechsel einer Berufstätigkeit oder Beschäftigung „grundsätzlich" gestattet und er kann regelmäßig nicht wissen, ob der Ver auch das neue Risiko vert, wie hier Prölss-Martin21 § 4 AUB Anm. 2, S. 1072. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Unfallvsvertrag auch fortdauert, wenn der Vte in nicht unvorhersehbarer Weise nicht nur vorübergehend in eine Gefahrensituation gerät, die kein Unfallver zu decken bereit ist. Als eine solche Gefahrenlage wird teilweise (Prölss17 § 4 AUB Anm. 2 und VersR 1950 S. 129) Strafhaft oder Internierung angesehen. OGH 23. VI. 1950 OHGZ Bd 4 S. 9 1 - 9 9 = VersR 1950 S. 127—128 lehnt eine solche generelle Wertung von Strafhaft und Internierung ab und hält die tatsächlich dort ausgeübte Tätigkeit für entscheidend; zustimmend Wussow AUB 4 § 4 Anm. 2, S. 106. Dem ist mit der Einschränkung zu folgen, daß eine sofortige Beendigung des Unfallvsvertrages wegen Eintritts eines nicht verbaren Risikos jedenfalls dann angenommen werden muß, wenn bereits der Aufenthalt in Strafhaft oder einem Internierungslager angesichts dort herrschender Willkür und Rechtlosigkeit eine ständige akute Lebensbedrohung bewirkt. Das wird man für politische Internierungslager in totalitären Staaten nicht verneinen können. Da die Unfallv Vsschutz ohne örtliche Einschränkung gewährt (§ 6 AUB), kann eine solche Möglichkeit nicht als praktisch bedeutungslos bezeichnet werden. Der Frage, ob die Beendigung des Vertrages hier mit analoger oder ausdehnender Anwendung des 222

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III. Obliegenheiten, die vor Eintritt der Vsfalles zu erfüllen sind

Anm. F 33

§ 68 III oder mit dem Gesichtspunkt des Fortfalls der Geschäftsgrundlage zu begründen ist, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. [F 33] d) Bedeutung anderer Gefahrerböhungen Die Regelung des § 4 (2) AUB schließt die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Gefahrerhöhung (§§ 23-29) nur insoweit aus, als die AVB keine Sonderregelung treffen (Anm. A 38-39). § 4 (2) AUB hat in diesem Zusammenhang die Bedeutung, daß dem Vmer eine Gefahränderung durch Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung entgegen § 23 I gestattet wird. Für andere willkürliche oder objektive Gefahrerhöhungen (zu beiden Begriffen: Bruck-Möller § 23 Anm. 3) gilt Ohne Einschränkung die gesetzliche Regelung. Diese ist für die Allgemeine Unfallv nicht von großer Bedeutung, wie das Fehlen von Rechtsprechung und Schrifttum aus neuerer Zeit deutlich macht. Das mag auch Folge der Vorschrift des § 29 S. 2 sein, wonach eine relevante Gefahrerhöhung nicht vorliegt, wenn „nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist", daß das Vsverhältnis von einer Gefahrerhöhung nicht berührt werden soll. Diese Voraussetzung entspricht dem durch die vor Inkrafttreten des W G ergangene Rechtsprechung (RG 12. II. 1907 JW 1907 S. 210 und RG 13. XI. 1908 JW 1909 S. 57) herausgestellten Grundsatz, dall allgemeine Änderungen der Unfallgefahr, z. B. durch erhöhten Kraftfahrzeugverkehr, Industrialisierung oder durch natürliche Entwicklung bedingte Gefahrerhöhung (Verschlechterung des Gesundheitszustandes, Älterwerden) nicht als Gefahrerhöhungen relevant sind. Angesichts der Ausgestaltung der Unfallv als einer grundsätzlich alle Unfallgefahren deckenden V bleibt für relevante Gefahrerhöhungen wenig Raum: Als subjektive Gefahrerhöhung kommt ein Verhalten in Betracht, das über einige Dauer und mit einiger Regelmäßigkeit die Unfallgefahr erhöht wie z. B. allabendliches Trinken außerhalb der Wohnung mit anschließendem Heimweg oder regelmäßige Einnahme von Rauschgift oder anderen Medikamenten, die die Körperbeherrschung deutlich mindern und dementsprechend die Unfallgefahr erhöhen. Zur Abgrenzung der entsprechenden Ausschlußtatbestände von einer Gefahrerhöhung vgl. Anm. G 135. Wegen der Rechtsfolgen einer willkürlichen Gefahrerhöhung vgl. den Überblick über die gesetzliche Regelung Anm. F 24. Als ungewollte (objektive) Gefahrerhöhungen kann der nicht betriebssichere Zustand von Haushaltsgeräten (nicht ausreichend isoliertes Elektrogerät), baufälliger Zustand von Wohnung oder Arbeitsplatz oder freiliegende Starkstromleitungen im Bereich von Wohnung oder Arbeitsplatz bedeutsam werden. Der Vmer ist nach § 27 II gehalten, eine solche Gefahrerhöhung unverzüglich anzuzeigen; der Ver ist berechtigt, den Vertrag mit Wirkung nach einem Monat (Wirkungsfrist: Anm, D 33) zu kündigen. Der Vmer kann die Kündigung durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abwenden, Einzelheiten bei Bruck-Möller § 24 Anm. 4. Weitergehend als die AUB enthalten die AKB für die Kraftfahrt-Unfallv vorbeugende Obliegenheiten in § 2 (2) a—c. Sie schließen die Anwendung der §§ 23-27 aus, soweit in dieser Sonderregelung Tatbestände einer Gefahrerhöhung nach §§ 23, 27 zu sehen sind. Dagegen sind §§ 23-27 ohne Einschränkung anwendbar für Gefahrerhöhungen, die nicht unter diese Spezialregelung fallen. Insoweit ist die gesetzliche Regelung auch für die Kraftfahrt-Unfallv von Bedeutung. Der BGH hat die Abgrenzung der gewillkürten von der objektiven Gefahrerhöhung, den Inhalt der Obliegenheiten des Vmers und die Anforderungen an ein Verschulden insbesondere für die Kraftfahrtv in einer Reihe von Entscheidungen überprüft und fortgebildet. Diese Entscheidungen sind überwiegend für die Kraftfahrt-Haftpflichtv ergangen. Die für die Haftpflichtv entwickelten Grundsätze sind indes unverändert in die Unfallv zu übernehmen: Die aus der Verwendung eines Kraftfahrzeuges sich ergebende GefahWagner

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F. Obliegenheiten

Aiun. F 34

rensituation ist für die Haftpflicht und die Unfallv im wesentlichen kongruent. Hiernach liegt eine gewollte oder gestattete Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 I vor, wenn der Vmer die Änderung der Gefahrslage — bedingt durch den nicht verkehrssicheren Zustand des Fahrzeuges — erkennt, den Mangel nicht beseitigt, das Fahrzeug aber gleichwohl entweder selbst weiter benutzt oder die weitere Benutzung einem Dritten gestattet, BGH 25. IX. 1968 BGHZ Bd 50 S. 385-391 (384 oben) = VersR 1968 S. 1153-1155, vgl. auch BGH 25. IX. 1968 BGHZ Bd 50 S. 392-397 (396). Eine solche willkürliche Gefahrerhöhung schließt subjektive Handlungselemente ein: Der Vmer muß den verkehrsunsicheren Zustand des Fahrzeuges kennen und entschlossen sein, es gleichwohl weiter zu verwenden, BGH a. a. O. Bd 50 S. 390. Schon an dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der verkehrsunsichere Zustand dem Vmer nicht bekannt ist, auf sein Verschulden kommt es dann nicht an, BGH 12. III. 1975 VersR 1975 S. 461—462. Er ist nicht verpflichtet, die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges ständig zu überprüfen, darf sich allerdings der Kenntnis von ihrem Fehlen nicht arglistig entziehen, BGH 12. III. 1975 VersR 1975 S. 461-462. Die vom BGH 25. IX. 1968 BGHZ Bd 50 S. 391 unten zitierte frühere Rechtsprechung ist insoweit überholt. Eine ungewollte Gefahrerhöhung (§ 27) ist anzunehmen, wenn wichtige Teile des Fahrzeuges wie Bremsen oder Reifen unterwegs die Mindestanforderungen der StVZO unterschreiten und damit verkehrsunsicher werden, die eingetretene Gefahrerhöhung vom Vmer aber nicht bemerkt wird, BGH 25. IX. 1968 BGHZ Bd 50 S. 389-390.

[F 34] IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles 1. Allgemeines Das Gesetz unterscheidet zwischen Obliegenheiten, die vor und solchen, die nach Eintritt des Vsfalles zu erfüllen sind (vgl. § 6 I und II einerseits und III andererseits). Diese Unterscheidung hat an Schärfe verloren angesichts der Erkenntnis, daß der als Vsfall bezeichnete Vorgang sich vielfach nicht in einem punktuellen Ereignis erschöpft, sondern als meßbares, zeitlich ausgedehntes Geschehen darstellt (Einzelheiten Anm. D 15-18, G 9-12). Die AKB tragen dieser Entwicklung Rechnung: § 7 AKB trägt die Überschrift „Obliegenheiten im Versicherungsfall". Diese Formulierung ist gewählt worden, weil es notwendig sein kann, daß Obliegenheiten „schon während seines Ablaufs" erfüllt werden, so Stiefel-Wussow-Hofinann AKB10 § 7 Anm. 1 S. 267 oben. Die Ausdrucksweise der AVB für die Allgemeine Unfallv ist dagegen seit 1904 insoweit nicht verändert worden: In den Verbands-Bedingungen von 1904 heißt es in § 5 einleitend: „Hat ein Unfall stattgefunden . . .". Bei dieser Formulierung bleibt es auch im Einleitungssatz des § 9 der AVB von 1910. Seit 1920 wird diese Bestimmung mit dem Satz eingeleitet: „Ist ein Unfall eingetreten . . .". Diese Fassung ist auch von den AUB von 1961 beibehalten worden (§ 15 II.). Aus der Erkenntnis, daß (auch) der Unfall ein gedehnter Vsfall sein kann, ergibt sich die Notwendigkeit, die vom Vmer nach dem Beginn des Unfalles zu erfüllenden Obliegenheiten jeweils einem bestimmten Punkt oder Zeitraum dieses Geschehensablaufes zuzuordnen, vgl. hierzu Bruck-Möller § 33 Anm. 7 und Anm. 34 vor §§ 49—80. Für die nach Eintritt des Unfalls dem Vmer auferlegten Obliegenheiten ergeben sich hieraus für die Rechtsanwendung keine Schwierigkeiten: Wann eine der in § 15 II. AUB genannten Obliegenheiten zu erfüllen ist, folgt für den (durchschnittlich redlichen und verständigen) Vmer aus Inhalt und Zweck des ihm vorgeschriebenen Verhaltens: Art und Folgen eines Unfallereignisses (Begriff: Anm. G 6) kann der Vmer nicht mitteilen, bevor es sich abgespielt hat, zu seiner Kenntnis gelangt 224

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IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles

Anm. F 35

und von ihm in seiner Bedeutung erkannt worden ist. Daß er es alsdann unverzüglich mitzuteilen hat, ergibt sich zweifelsfrei aus § 15 II. AUB. [F 35] 2. Zweck und Inhalt der Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles Die Erfüllung einer Obliegenheit, die dem Vmer eine Information im weitesten Sinne aufgibt, dient verschiedenartigen Interessen des Vers. Ihr Zweck wird aus der Reaktion des Vers auf die Anzeige deutlich: Soweit die Information dazu dient, den Ver über ein bevorstehendes Regulierungsverlangen des Vmers ins Bild zu setzen, hat sie den Zweck, ihm — im untechnischen Sinne verstanden - die Beweissicherung zu ermöglichen und sich in die Lage zu versetzen, von sich aus Nachforschungen über Grund und Höhe eines bevorstehenden Entschädigungsanspruchs anzustellen. Einem weitergehenden Zweck dienen diejenigen Obliegenheiten, die es dem Ver ermöglichen sollen, den Schaden zu mindern oder ihn gering zu halten. Die diesem Zweck dienenden Obliegenheiten werden in einem Stufenverhältnis (vgl. Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 227) bedeutsam: Der vorrangig zu erstattenden Anzeige folgt die weitere Obliegenheit, dem Ver oder den ihn in dieser Funktion vertretenden Ärzten eine Abwendung der Minderung der Folgen des Unfallereignisses zu ermöglichen (Zutritt der Vertrauensärzte des Vers, Behandlung). Dem gleichen Zweck — Minderung bzw. teilweise Abwendung der „Unfallfolgen" — dienen schließlich diejenigen Obliegenheiten, die dem Vmer aufgeben, von sich aus Ärzte zuzuziehen, deren Weisungen zu folgen und auch sonst jede gebotene und geeignete Maßnahme zur Minderung der Folgen des Unfallereignisses zu treffen (§ 15 II. (3) AUB). Dieser jeweils festzustellende Zweck der vom Vmer zu erfüllenden Obliegenheiten bestimmt die Auslegung der §§ 15 II. AUB, 7 IV AKB. Er konkretisiert Inhalt und Grenzen des vom Vmer geschuldeten Verhaltens und ist auch für die Frage nach der Sanktion bei schuldhafter Obliegenheitsverletzung bedeutsam (§ 17 AUB). Das ergibt sich zunächst aus dem Text des § 17 AUB (entsprechend § 6 III W G ) , der sinngemäß so zu lesen ist, daß die Obliegenheitsverletzung sanktionslos bleibt, wenn sie weder auf das Beweissicherungsinteresse (Feststellung des Vsfalles und der Folgen des Unfallereignisses) noch auf das Abwendungs- oder Minderungsinteresse (Umfang der dem Ver obliegenden Leistung) Einfluß gehabt hat. Dem entspricht die Regelung des § 33 II, wonach in keinem Falle Leistungsfreiheit als Sanktion zulässig ist, wenn dem Informationsinteresse des Vers auf andere Weise als durch Anzeige des Vmers genügt wird. Dem widerspricht die in § 6 III zugelassene Verwirkungsfolge als Sanktion vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung, die der Regelung des § 654 BGB entspricht (vgl. Sieg ZVersWiss 1973 S. 437—449). Indes soll für die Sanktion einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung nach BGH 16. I. 1970 BGHZ Bd 53 S. 160 = VersR 1970 S. 241 — entschieden für Kraftfahrzeughaftpflichtv — ebenfalls nach dem Informationsinteresse des Vers gefragt werden. Er könne sich wegen einer vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungspflicht nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn der Verstoß nicht geeignet gewesen sei, seine Interessen in ernster Weise zu gefährden (Kritik hierzu und Übersicht über weitere Entscheidungen bei Möller in: Festschrift für Ernst Klingmüller, Karlsruhe 1974, S. 304-313, vgl. auch oben Anm. A 43). Das Gericht überträgt hier den Gedanken vom Schutzzweck der Norm bzw. dem Rechtswidrigkeitszusammenhang (ausdrücklich in diesem Sinne: BGH 3. XII. 1975 VersR 1976 S. 134) auf Obliegenheiten und lehnt damit zugleich die Wertung einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung als parallele Erscheinung zu § 654 BGB und anderen Verwirkungstatbeständen mit Strafcharakter (hierzu insbesondere Sieg a. a. O. S. 441—442) ab. Es ist zu erwarten, daß sich diese Beurteilung der Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles allgemein durchsetzen wird, vgl. Möller a.a.O. S. 312. Für den hier dargestellten Zusammenhang bedeutet dies, daß Inhalt 15

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Anni. F 37

und Sanktion aller in § 15 II. AUB genannten Obliegenheiten vom Interesse des Vers her gestaltet werden und daß sich die Sanktion vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung in ähnlicher Weise beschränkt, wie dies für grob fahrlässige Verletzungen in § 17 S. 2 AUB (entsprechend § 6 III 2 W G ) ausgesprochen wird. Für die KraftfahrtUnfallv soll nach § 7 V. (4) AKB die Regelung des § 6 III W G maßgeblich bleiben. Diese Einschränkung wird sich gegen die Rechtsprechung nicht durchsetzen, vgl. BGH 30. XI. 1977 VersR 1978 S. 121-124 (für Einbruchdiebstahlv). Daraus folgt, daß ein erheblicher Teil der zu Obliegenheitsverletzungen ergangen Entscheidungen (vgl. insbesondere unten Anm. F 39 und 41) nur noch in eingeschränktem Maße verwendbar ist. Leistungsfreiheit des Vers wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Vmers setzt stets voraus, daß schutzwürdige Informationsinteressen des Vers (hierzu vorstehend) berührt werden. Ist das offenkundig nicht der Fall - anschaulich insoweit OLG Neustadt 28. VII. 1958 VersR 1958 S. 837-838 - , so kann sich der Ver nur dann auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung berufen, wenn er den Vmer vorher besonders auf die drohende Verwirkungsfolge hingewiesen hat. [F36] 3. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles in der Allgemeinen Unfallversicherung a) Anzeige eines Unfalles (§ 15 II. (1) und (4) AUB aa) Vorbemerkung Die in § 33 W G vorgesehene Obliegenheit zur Anzeige eines Vsfalles bedarf der Ergänzung durch AVB, da in § 33 eine Vereinbarung über die Rechtsfolge einer Verletzung vorausgesetzt wird, vgl. hierzu Bruck-Möller § 33 Anm. 4. In AVB wird üblicherweise die Anzeigeobliegenheit wiederholt und als Sanktion Leistungsfreiheit des Vers entsprechend § 6 III W G bestimmt, vgl. den Überblick bei Bruck-Möller § 33 Anm. 4—6 und § 33 Anm. 7 für die besondere Gestaltung gedehnter Vsfälle. Es entspricht den Erfahrungen der Vspraxis, daß der Vmer vielfach nicht in der Lage ist, eine Schadensanzeige zu erstatten, die dem Informationsinteresse des Vers genügt. Das gilt besonders für die Personenv, wenn der Vmer als Gefahrsperson betroffen und dadurch in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die AVB für die private Unfallv nehmen hierauf - wie andere AVB — Rücksicht, indem sie davon ausgehen, daß der Ver dem Vmer einen Fragebogen zuschickt, der in sehr eingehender Form alle wesentlichen Fragen enthält und so für Zweifel des Vmers, welche Fragen bedeutsam sind, wenig Raum läßt. Die Zusendung eines solchen Fragebogens setzt Kenntnis des Vers von der Notwendigkeit voraus. Dem dient die Anzeige nach § 15 II. (1) AUB, die vielfach nicht mehr enthält als eine kurze Mitteilung, daß ein Unfall stattgefunden habe. Diese erste Anzeige ist unverzüglich zu erstatten. Auf sie reagiert der Unfallver mit der Zusendung des Fragebogens, der binnen einer Woche zurückzusenden ist (§ 15 II. (4) AUB). Die Anzeige nach § 15 II. (1) AUB und die Beantwortung des Fragebogens sowie die weiteren Auskünfte, die nach § 15 II. (4) AUB als Obliegenheit geschuldet werden, gehören deshalb funktionell zusammen: Sie sind Bestandteil der Obliegenheit des Vmers, dem Ver alle Auskünfte zu geben, die dem schutzwürdigen Interesse des Vers (Anm. F 35) zu dienen geeignet sind. [F 37] bb) Anzeige nach § 15 IL (1) AUB Nach § 15 II. (1) AUB ist ein Unfall, der voraussichtlich eine Entschädigungspflicht herbeiführen wird, unverzüglich anzuzeigen. Die Beschränkung der Obliegenheit auf Unfälle, die voraussichtlich eine Entschädigungspflicht herbeiführen, ist mit den AUB

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IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles

Anm. F 38

im Jahre 1961 in den Bedingungstext aufgenommen worden. Ihr Zweck besteht darin, die Anzeigepflicht auf mutmaßlich relevante Unfälle zu beschränken und den Vmer insoweit zu entlasten (Grewing, Entstehungsgeschichte S. 61). Der Sache nach bringt dieser Zusatz ein Verschuldenselement in den objektiven Tatbestand der Obliegenheit: Die Nichtanzeige eines Unfalles ist nur vorwerfbar, wenn erkennbar ist, daß der Unfall möglicherweise eine Entschädigungspflicht nach sich zieht. Anlaß hierfür war eine Reihe von Entscheidungen, die sich mit unterlassener Anzeige zu befassen hatten und in denen sich der Vmer dahingehend eingelassen hatte, daß er nicht mit relevanten Folgen eines Unfallereignisses gerechnet habe, vgl. schon RG 11. XI. 1904 DJZ 1905 Sp. 71, OLG Breslau 21. VI. 1906 VA 1906 Anh. S. 96 Nr. 242, RG 19. XI. 1909 VA 1910 Anh. S. 91 Nr. 548, für die Zeit nach Inkrafttreten des W G OLG Breslau 13. V. 1931 JRPV 1931 S. 306-307, OLG Düsseldorf 12. IX. 1938 JRPV 1939 S. 318 (besonders anschaulicher Fall) und LG Bielefeld 6. III. 1959 VersR 1959 S. 605-606. Die Anzeigepflicht nach § 15 II. (1) AUB tritt in ihrer Bedeutung hinter die Auskunftspflicht nach § 15 II. (4) AUB zurück. Eigenständige Bedeutung behält die Anzeigepflicht jedoch, wenn alsbald Abwendung und/oder Minderung der Folgen des Unfallereignisses möglich und geboten sind und der Ver in der Lage ist, solche Maßnahmen kraft seiner besonderen Sachkunde anzuordnen und sachgemäß durchzuführen. Soweit der Ver eine solche Maßnahme infolge Verspätung oder Unterlassen einer dem Vmer obliegenden Schadensanzeige versäumt, ist dieser Verstoß relevant in dem oben (Anm. F 35) dargestellten Sinn. Zur Abgrenzung der Anzeigepflicht nach § 15 II. (1) AUB von der Auskunftspflicht nach § 15 II. (4) AUB ist im übrigen auf Bruck-Möller § 34 Anm. 7 zu verweisen. Wegen des Verschuldenserfordernisses vgl. unten Anm. F 41—42. [F 38] cc) Auskunft nach § 15 II. (4) AUB Während die Anzeige (vorstehend Anm. F 37) den Zweck hat, den Ver allgemein darüber zu informieren, daß ein deckungspflichtiger Unfall stattgefunden hat, dient die weitergehende Auskunft der Information und Beweissicherung im Zusammenhang mit allen für die Regulierung wichtigen Fragen; vgl. hierzu Bruck-Möller § 34 Anm. 1. Diese Auskunftsobliegenheit des Vmers entsteht erst durch ein entsprechendes Verlangen des Vers, es handelt sich um eine verhaltene Obliegenheit des Vmers, Einzelheiten bei Bruck-Möller § 34 Anm. 6. Mit der Erstellung und Übersendung eines Fragebogens übernimmt der Unfallver die Verantwortung dafür, daß keine relevante Frage ungestellt bleibt. Wird eine nach Sachlage bedeutsame Frage nicht beantwortet, so folgt daraus nicht ohne weiteres eine Obliegenheitsverletzung des Vmers, der Ver muß dann nachfragen, BGH 21. XII. 1961 VersR 1962 S. 153 (entschieden für Kraftfahrt-Kaskov). Aber auch hier muß das Unterlassen einer Auskunft für die Höhe des Entschädigungsanspruchs relevant werden, so z. B. wenn der Ver infolge mangelnder Information gebotene und mögliche Maßnahmen zur Schadensminderung nicht anordnen oder durchführen kann. Relevant sind auch solche Auskünfte, die Vorhandensein und Stand schon bestehender Leiden betreffen, soweit sie nach § 10 (1), (2) und (4) AUB für die Berechnung der Entschädigungsleistung von Bedeutung sind, vgl. den von LG Ravensburg 17. IV. 1958 VersR 1958 S. 558 entschiedenen Sachverhalt sowie LG Bielefeld 30. IV. 1954 VersR 1954 S. 489-490 und die Darstellung bei Bruck-Möller § 34 Anm. 45-60. Nicht relevant dagegen ist eine unrichtige oder unterlassene Beantwortung, wenn die Frage nicht der Regulierung, sondern nur der Entscheidung darüber dient, ob das Vsverhältnis fortgesetzt werden soll (OLG Hamm 12. XI. 1969 VersR 1970 S. 319, im gleichen Sinne schon OLG Hamburg 7. V. 1913 VA 1914 Anh. S. 9 Nr. 785). 15'

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F. Obliegenheiten

[F 39] dd) Anzeige des Todes (§ 15 II. (2) AUB) Eine Sonderregelung der allgemeinen Anzeigeobliegenheit enthält § 15 II. (2) AUB: Hat der Unfall den Tod zur Folge, so ist dies spätestens innerhalb von 48 Stunden telegrafisch anzuzeigen. Das gilt auch dann, wenn der Unfall bereits angezeigt worden war. Form und Frist dieser Anzeige erklären und rechtfertigen sich aus der erhöhten Gefahr des Verlustes von Beweismitteln: Bestattung erschwert die Möglichkeit, die Todesursache durch Obduktion festzustellen; Einäscherung vereitelt sie endgültig. Der Vmer hat dieser Anzeigeobliegenheit genügt, wenn der Tod des Vten fernmündlich mitgeteilt und von der zuständigen Stelle des Vers zur Kenntnis genommen worden ist. Die Einhaltung der Form (Telegramm) ist nicht Selbstzweck, sondern soll die Eilbedürftigkeit unterstreichen. Zwar fehlt es dann auch an dem Erfordernis der Schriftlichkeit (§ 18 AUB). Hierauf kann - und wird — sich indes der Ver nicht berufen, wenn seinem schutzwürdigen Informationsinteresse durch eine mündlich oder fernmündlich erstattete Azeige gemäß § 15 II. (2) AUB Genüge getan ist; in diesem Sinne schon RG 24. IV. 1908 VA 1908 Anh. S. 80 Nr. 401 und OLG Hamburg 7. V. 1913 VA 1914 Anh. S. 9 Nr. 785, ebenso Wussow AUB 4 § 15 Anm. 5, S. 236, der aber schriftliche Bestätigung der mündlichen oder fernmündlichen Anzeige durch den Anzeigenden selbst verlangt. Eine einfache schriftliche Anzeige genügt — anstelle des Telegramms — in jedem Falle, wenn sie beim Ver nicht später eingeht als ein im Sinne des § 15 II. (2) AUB rechtzeitig abgesandtes Telegramm (Wussow a.a.O. S. 236). Die Absendungsfrist von 48 Stunden ist nicht im Sinne eines zeitlich genau bestimmten und begrenzten Zeitraumes aufzufassen. Der verkehrsübliche Sprachgebrauch spricht dafür, sie im Sinne eines Zeitraumes von zwei Werktagen mit ihrer normalen Geschäftszeit plus zwei Nächten zu verstehen, OLG Hamburg 7. V. 1913 VA 1914 Anh. S. 10 Nr. 785, übernommen von Wussow AUB 4 § 15 Anm. 5, S. 235 und Prölss-Martin21 § 15 AUB Anm. 2, S. 1092. Der Todestag bleibt nicht entsprechend § 187 BGB bei der Fristberechnung unberücksichtigt; undeutlich insoweit Wussow AUB 4 § 15 Anm. 2, S. 235, vielmehr beginnt die Zweitagefrist mit der Kenntnis des Anzeigepflichtigen vom Eintritt des Todes, ihm stehen danach insgesamt 2 Werktage zur Verfügung, so daß er, wenn z. B. der Tod am Mittag eines Montags eintritt, die Anzeige bis Mittwochmittag absenden muß.

[F 40] ee) Verschulden bei Verletzung der Auskunfts- und Anzeigeobliegenheit aaa) Fristversäumung Soweit eine Frist durch ein Zeitmaß bestimmt wird (48 Stunden: § 15 II. (2) AUB) erscheint die Feststellung einer — objektiven - Fristversäumung nur als Ergebnis einer Berechnung. Das wäre indes unzutreffend: Der Fristbeginn bestimmt sich nicht allein nach objektiven Gesichtspunkten, sondern aus Umständen, in deren Beurteilung Zumutbarkeitserwägungen und sonstige Wertungen einfließen. Ist nicht der Vmer selbst, sondern sind seine Erben oder ein Bezugsberechtigter (§ 182) anzeigepflichtig, so löst nicht der Tod der Gefahrsperson die Anzeigepflicht nach § 15 II. (2) aus. Vielmehr bedarf es der Feststellung dahingehend, zu welchem Zeitpunkt der Anzeigepflichtige bei gebotener Sorgfalt von dem anzuzeigenden Ereignis Kenntnis nimmt. Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich für den Fristbeginn. Die Frage, ob diese Frist schuldhaft versäumt worden ist, kann erst beantwortet werden, wenn Beginn und Dauer der Frist in dieser Weise festgestellt worden sind. Ist die Anzeige unverzüglich zu erstatten (§ 15 II. (1) AUB), so bedeutet dies, daß die Obliegenheit entsprechend § 271 BGB „sofort fällig" ist. Eine Verzögerung der 228

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IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles

Anm. F 42

Anzeige ist nur dann unschädlich im Sinne fehlender Rechtzeitigkeit, wenn sie nicht vorwerfbar ist. — In der Rechtsprechung werden Fristbeginn und Verschulden im vorgenannten Zusammenhang überwiegend nicht klar voneinander abgegrenzt (Einzelheiten nachstehend Anm. F 41-42). [F 41] bbb) Verschuldete Versäumung der Frist Die Versäumung einer Anzeigefrist kann dem Anzeigepflichtigen nur zugerechnet werden, wenn er sie kannte oder gehalten war, sich über Bestehen und Voraussetzungen der Anzeigepflicht zu informieren. Das steht für den Vmer selbst außer Zweifel: Er muß den AVB-Text zur Kenntnis nehmen und kanft sich nicht darauf berufen, dieser Text sei ihm unbekannt geblieben. Das war schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes anerkannt, vgl. RG 22. V. 1917 VA 1917 Anh. S. 53 Nr. 999 und KG 9. VI. 1961 VersR 1962 S. 31 r. Sp. unten sowie Wussow AUB 4 § 15 Anm. 3, S. 233, nicht deutlich in diesem Sinne dagegen die von Wussow a.a.O. zitierte Entscheidung LG Bielefeld 30. IV. 1954 VersR 1954 S. 489-490. Seit Inkrafttreten des AGB-Gesetzes folgt dies aus § 23 III ABG-Gesetz; diese Vorschrift wäre nicht verständlich und ihre Rechtsfolgen wären nicht gerechtfertigt, wenn der Vertragspartner des Verwenders (Vers) nicht gehalten wäre, sich Kenntnis vom Inhalt der AVB zu verschaffen. In der Rechtsprechung zur Unfallv ist schuldhafte Versäumung der Anzeigepflicht bejaht worden von OLG Breslau 21. V. 1908 VA 1908 Anh. S. 80 Nr. 400, RG 16. VI. 1908 VA 1908 Anh. S. 81 Nr. 402, RG 22. V. 1917 VA 1917 Anh. S. 53 Nr. 999, OLG Breslau 17. IX. 1928 JRPV 1929 S. 223-224 (das Gericht läßt unentschieden, ob grobe Fahrlässigkeit des Vten selbst oder des Vmers maßgeblich sei), OLG Königsberg 9. XII. 1930 JRPV 1931 S. 60 (ebenfalls Unfallfremdv für fremde Rechnung, Versäumung durch Vten), OLG Düsseldorf 12. IX. 1938 JRPV 1938 S. 318 (Anzeige erst nach mehreren Monaten), LG Bielefeld 30. IV. 1954 VersR 1954 S. 489—490 (vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit, das Formular für Schadensanzeige binnen einer Woche zurückzusenden), LG Ravensburg 17. IV. 1958 VersR 1958 S. 558—559 (unrichtige Beantwortung der Fragen in dem zugesandten Fragebogen), LG Bielefeld 6. III. 1959 VersR 1959 S. 605-606 (Schadensanzeige nach etwa 8 Monaten). Eine schuldhafte Versäumung der Anzeige- oder Auskunftspflicht ist verneint worden von RG 24. IV. 1908 VA 1908 Anh. S. 80 Nr. 401 (Sektion nach Exhumierung ergab ein klares Bild), RG 19. XI. 1909 VA 1910 Anh. S. 91 Nr. 548 (Kausalität des Unfalls für Gesundheitsschädigung erst nach 5 Monaten erkannt), OLG Hamburg 7. V. 1913 VA 1914 Anh. S. 9 - 1 0 Nr. 785 (keine deutliche Trennung von Fristversäumung und Verschulden), KG 28. XI. 1917 VA 1918 Anh. S. 21 Nr. 1027, KG 25. V. 1927 JRPV 1927 S. 226-227 (Klägerin wußte zunächst nicht, daß ihr der Anspruch zugefallen war, weil der Bezugsberechtigte nach § 181 a.F. ausgefallen war), OLG Nürnberg 11. IX. 1936 JRPV 1936 S. 311-312 (Vmer hatte die maßgebliche Erkrankung für unbedeutend gehalten), OLG Neustadt 28. VIII. 1958 VersR 1958 S. 837-838 (bezugsberechtigte Verlobte hatte die Anzeige vom Tod erst 7 Tage nach Tod des Vten angezeigt, das sei nach Sachlage noch unverzüglich gewesen). [F 42] ccc) Fristversäumung durch Erben und Bezugsberechtigte Der Satz, daß eine Obliegenheit schuldhaft nur von demjenigen verletzt werden kann, der seine Verhaltenspflicht kennt oder kennen muß, gilt auch für Erben des Wagner

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F. Obliegenheiten

Vmers und für Bezugsberechtigte. Zugunsten der Erben muß in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, daß der Todesfall ihnen vielerlei Vorsorge abverlangt und daß sie sich möglicherweise erst aus der Sichtung des Nachlasses über das Bestehen einer Unfallv und die daraus folgenden Obliegenheiten unterrichten können. Insoweit ist den von KG 9. VI. 1961 VersR 1962 S. 31-33 = VA 1961 S. 272-276 Nr. 306 dargestellten Erwägungen voll zuzustimmen (ebenso schon KG 28. XI. 1917 VA 1918 Anh. S. 21 Nr. 1027). Das Kammergericht läßt die Frage unerörtert, ob es die Erblasserin der Klägerinnen schuldhaft versäumt hat, ihre Erbinnen auf die Notwendigkeit hinzuweisen, Obliegenheiten aus dem Vsvertrag zu erfüllen, und verneint damit diese Frage. Eine solche Verpflichtung des Vmers wird bejaht von OLG Breslau 21. V. 1908 VA 1908 Anh. S. 80 Nr. 400 ud RG 16. VI. 1908 RGZ Bd 69 S. 175 = VA 1908 Anh. S. 81 Nr. 401; RG 13. XII. 1912 VA 1913 Anh. S. 24 Nr. 722 läßt Tendenz zur Bejahung erkennen, stellt aber auf das Ergebnis der Auslegung der AVB ab und verweist zu diesem Zweck an das Berufungsgericht zurück. OLG Neustadt 28. VII. 1958 VersR 1959 S. 837 stellt dagegen bei einem Bezugsrecht allein auf das Verschulden der Bezugsberechtigten ab. Wüstney § 9 Anm. 2, S. 45 fordert für Verwirkung des Vsanspruchs ebenfalls eigenes Verschulden der Erben, ebenso Wussow AUB 4 § 15 Anm. 5, S. 236 und Prölss-Martin21 § 182 Anm. 7, S. 1057. Die Anzeige- und Auskunftsobliegenheit treffen die Erben kraft Erbganges (§§ 1922, 1967 BGB), den Bezugsberechtigten kraft Gesetzes (§ 182). Es geht hiernach nur um die Frage, ob es für die Versäumung der Obliegenheit auf ihr Verschulden ankommt. Stellt man für die Verschuldensfrage allein auf die Person des Erben oder Bezugsberechtigten ab, so ist die von KG 9. VI. 1961 VersR 1962 S. 31 = VA 1961 S. 272 Nr. 306 getroffene Wertung, eine Unterlassung sei allenfalls leicht fahrlässig, zutreffend. Das zugunsten des Vmers zwingend ausgestaltete Verschuldenserfordernis (§§ 15 a, 6 III VVG) könnte dafür sprechen, es für die Verschuldensfrage nach einem Todesfall allein auf die Vorwerfbarkeit in der Person der Erben oder des Bezugsberechtigten abzustellen. Dagegen spricht, daß erhebliche Informationsinteressen des Vers gefährdet sind. Die Formulierung RG 16. VI. 1908 RGZ Bd 69 S. 177: „Vorliegend hat aber der Berufungsrichter keineswegs besondere, gerade dem vorliegenden Fall eigene Umstände festgestellt, aus denen eine Entschuldbarkeit der Versäumung zu entnehmen wäre, vielmehr sieht er diese aus ganz allgemeinen Erwägungen mit Rücksicht auf die von den Klägerinnen nicht einmal behauptete regelmäßig bei dem Tode des Hausvaters eintretende Erregung und Beschäftigung mit dringenden Geschäften als gegeben an. Das würde dahin führen, daß die vertragsmäßig getroffene Bestimmung ganz allgemein jeder Wirksamkeit entkleidet würde, was nicht angängig ist" trifft in der Wertung auch heute zu. Bei Unübersichtlichkeit des Nachlasses oder sonstigen Schwierigkeiten und Hindernissen für eine Unterrichtung des Erben oder Bezugsberechtigten vom Bestehen der Unfallv droht dem Ver ein Verlust von Information, die möglicherweise für die Regulierung wesentlich ist. Wie oben (Anm. F 7 - 8 ) ausgeführt worden ist, verläßt das Gesetz (§§ 79 I und III, 179 IV) das strenge Verschuldensprinzip bei Obliegenheitsverletzungen in den Fällen der Rollenspaltung bei einer Unfallfremdv für eigene und fremde Rechnung. Den Vmer trifft hier eine Art Gewährleistungspflicht für die Erfüllung der Obliegenheiten durch die Gefahrsperson. An einer entsprechenden Vorschrift fehlt es für den Fall des Erbganges. Aber nach dem Gedanken der Rechtsnachfolge wäre es zulässig, die für das Vermögensrecht geltende Fiktion der Identität von Erblasser und Erben auf das 230

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IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles

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Vsrecht zu übertragen mit der Folge, daß der Erbe des Vmers an dessen Stelle tritt. Das Wissen des Vmers vom Bestehen einer Unfallv könnte dem Erben kraft Rechtsnachfolge zugerechnet werden, so daß das Unterlassen einer als Obliegenheit geschuldeten Anzeige oder Auskunft als schuldhaft im Sinne des § 6 III zu werten wäre. Dafür sprechen das Informationsinteresse des Vers und die Erwägung, daß der Vmer durch Abschluß eines Vertrages mit diesem Inhalt die Obliegenheiten als verbindlich anerkannt hat. Indem er eine Unfallv auf den Todesfall nimmt, könnte er als nach Treu und Glauben verpflichtet angesehen werden, dem Informationsinteresse des Vers Genüge zu tun und entsprechend Vorsorge zu treffen. In dieser Weise ist auch die Bestimmung des § 16 (2) 1. Alt. AUB zu verstehen, die gleichsam als Generalklausel den Ver von allen Nachteilen freihalten soll, die Rollenspaltung und Personenwechsel auf Seiten seines Vertragspartners mit sich bringen. Eine solche Einstandspflicht des Erben für die Erfüllung der Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles würde nicht dem Verschuldenserfordernis des § 6 III widersprechen. Auf den Erben geht die Rechtsposition des Erblassers nur in der Form über, wie sie in der Person des Erben begründet war. Für den Erben hatte Vsschutz aber zur Voraussetzung, daß er sich dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft entsprechend verhielt, d.h. dem relevanten Informationsinteresse des Vers durch vertragsgerechte Erfüllung der Obliegenheiten genügte. Praktisch würde dies bedeuten, daß sich aus der Gesamtregelung der §§ 15 II., 16 (2) AUB die weitere Obliegenheit des Erblassers ergibt, die rechtzeitige Anzeige des Todes durch seinen Erben sicherzustellen. Beachtliche Diskretionsinteressen des Erblassers stehen dem nicht entgegen. Er hat es in der Hand, seinem Erben die entsprechende Nachricht erst für den Fall seines Todes etwa durch Hinterlegung beim Notar — zukommen zu lassen. Die vorstehend dargestellten Erwägungen entsprechen nicht der h. M. im Schrifttum, vgl. Wüstney § 9 Anm. 2, S. 45, Wussow AUB4 § 15 Anm. 5, S. 236 und PrölssMartin21 § 182 Anm. 7, S. 1057. Sie widersprechen auch der Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung, den Inhaber eines Vsanspruchs möglichst weitgehend vor einem Anspruchsverlust durch Obliegenheitsverletzung zu schützen (Anm. A 43 und F 35). Der von der Rechtsprechung des BGH in den Vordergrund gestellten Notwendigkeit, den Vertragspartner in eindeutiger Form auf den drohenden Anspruchsverlust hinzuweisen, kommen die Unfallver derzeit weder in ihrer Formulargestaltung, noch sonst in ihrer Handhabung nach. Die Vorschrift des § 16 (2) AUB läßt nicht hinreichend deutlich erkennen, daß der Ver jedem Rechtsnachteil vorbeugen möchte, der ihm durch Rechtsnachfolge — im weitesten Sinne, d.h. einschließlich Erbgang, Bezugsberechtigimg, Pfändung — entstehen könnte. Deshalb ist für die derzeitige Vertragsgestaltung der h. M. zu folgen, wonach der Erbe des Vmers seinen Anspruch auf Todesfallentschädigung nur dann verwirkt (§ 17 AUB), wenn er die Obliegenheitsverletzung selbst vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat. Das gilt auch für den Bezugsberechtigten. Ihm werden kraft Gesetzes die entsprechenden Obliegenheiten auferlegt (§ 182). Diese Vorschrift ist als lex specialis zu § 334 BGB anzusehen: Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis kann der Versprechende (hier: der Ver) auch dem Dritten (hier: dem Bezugsberechtigten) entgegenhalten. Daraus ergibt sich noch kein Verhaltensgebot für den Bezugsberechtigten; erst die Verletzimg dieses Gebotes beeinträchtigt seinen Anspruch. Dieses Gebot als Voraussetzung einer Einwendung im Sinne des § 334 BGB wird durch § 182 ausgesprochen. Für die durch § 15 II. (2) und (4) AUB begründeten Obliegenheiten des Bezugsberechtigten gilt unmittelbar das Verschuldenserfordernis gemäß § 6 III. Denn das Gesetz enthält keine der Regelung der §§ 79, 179 IV entsprechende Regelung, die eine Gewährleistungspflicht des Vmers für das Verhalten der Gefahrsperson ausspricht (oben Anm. F 9). Wagner

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Amn. F 43 [F 43] ff) Gestattung der Leichenöffnung aaa) Allgemeines

Der Unfallver behält sich in § 15 II. (2) S. 2 AUB das Recht vor, die Leiche der Gefahrsperson durch einen von ihm beauftragten Arzt besichtigen und öffnen zu lassen. Es dient der Information des Vers über die Todesursache und damit über die Frage, ob eine Entschädigungspflicht dem Grunde nach entstanden ist, sowie der Sicherstellung der damit im Zusammenhang stehenden Beweise durch den von ihm beauftragten Arzt. Daneben kann die Sektion auch für die Höhe des Entschädigungsanspruchs bedeutsam sein, so wenn sie ergibt, daß als Todesursache auch ein Leiden in Betracht kommt (vgl. H. P. JRPV 1938 S. 4 - 5 ) . Die für diesen Zusammenhang wenig deutliche Fassung des Bedingungstextes ist in der Weise zu verstehen, daß es dem Erben oder Bezugsberechtigten oder — bei einer Unfallfremdv — dem Vmer selbst obliegt, die Leichenöffnung zu dulden oder zu gestatten oder die Erlaubnis hierfür zu beschaffen. Die hierfür bedeutsamen Rechtsfragen sind nicht abschließend geklärt. An neuerer Rechtsprechung fehlt es ganz. Das hat mutmaßlich zwei Gründe: Die Bedeutung der Sektion zur Feststellung der Todesursache tritt zurück. Der Fortschritt der Medizin läßt es weitgehend zu, die Todesursache auch ohne Sektion festzustellen. Für den praktisch bedeutsamsten Ausschlußgrund z. B. — Tod infolge Fahrens nach Alkoholgenuß — genügt das Entnehmen einer Blutprobe. Soweit Pietätsgründe von Angehörigen geltend gemacht werden und sich nicht der Verdacht aufdrängt, daß die Obduktion aus Gründen verweigert wird, die als Beweisvereitelung zu bezeichnen sind, respektieren die Unfallver oftmals die Gefühle der Angehörigen und lassen die Regulierung nicht an der fehlenden Obduktion scheitern. Eine Sektion setzt die Erlaubnis des zu Obduzierenden oder die seiner Angehörigen voraus. Rechtsprechung und Schrifttum halten die Bestimmung des Verstorbenen selbst für vorrangig. Sie kann nach seinem Tode von den Angehörigen nicht widerrufen werden, vgl. RG 5. IV. 1937 RGZ Bd 154 S. 269 und KG 24. I. 1969 FamRZ 1969 S. 414, beide Entscheidungen betreffen Art und Ort der Bestattung. Sie berufen sich auf § 2 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15. V. 1934 (RGBl. I S. 380). Die hierfür maßgeblichen Vorschriften der §§ 2, 4 und 5 dieses Gesetzes lauten:

§2 (1) Die Bestattungsart richtet sich nach dem Willen des Verstorbenen. (2) Liegt eine Willensbekundung des Verstorbenen über die Bestattungsart nicht vor, so haben die Angehörigen, soweit sie geschäftsfähig sind, diese zu bestimmen. Als Angehörige im Sinne dieser Bestimmung gelten der Ehegatte, Verwandte und Verschwägerte ab- und aufsteigender Linie, Geschwister und deren Kinder sowie der Verlobte. (3) Bestehen unter den Angehörigen Meinungsverschiedenheiten über die Art der Bestattung, so geht der Wille des Ehegatten demjenigen der Verwandten, der Wille der Kinder oder ihrer Ehegatten dem der übrigen Verwandten, der Wille näherer Verwandten dem der entfernteren Verwandten oder des Verlobten vor. (4) Bei Meinungsverschiedenheiten unter Angehörigen gleichen Grades hat die Polizeibehörde, bei der die Genehmigung der Feuerbestattung beantragt ist (§ 3 Abs. 1), ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Falles zu treffen. (5) Wer nicht zu den Angehörigen des Verstorbenen (Abs. 2) gehört, kann die Feuerbestattung nur beantragen, wenn der Verstorbene sie gewollt hat. 232

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Anm. F 43

§4 Der Nachweis, daß die Feuerbestattung dem Willen des Verstorbenen entspricht (§ 2 Abs. 1), kann erbracht werden 1. durch eine von dem Verstorbenen getroffene Verfügung von Todes wegen; 2. durch eine von dem Verstorbenen abgegebene mündliche Erklärung, die von einer zur Führung eines öffentlichen Siegels berechtigten Person als in ihrer Gegenwart abgegeben beurkundet ist; 3. durch eine unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung des Verstorbenen. §5 War der Verstorbene zur Zeit seines Todes noch nicht 16 Jahre alt oder war er geschäftsunfähig, so bestimmt derjenige, dem die Sorge für die Person des Verstorbenen oblag, die Bestattungsart. Durch diese Regelung ist nach h. M. Gewohnheitsrecht Gesetz geworden (KG a.a.O. S. 415). Sie gilt nicht nur für Art und Ort der Bestattung, sondern in gleicher Weise für sonstige Verfügungen über den Leichnam, wie Erlaubnis zur Obduktion, zur Überführung in eine Anatomie zu Lehrzwecken oder — neuerdings — zu Organtransplantationen (vgl. zur Sektionsklausel in Aufnahmebedingungen von Krankenhäusern Gucht JR 1973 S. 234—236, zur Übergabe des Leichnams zu Lehrzwecken Reimann NJW 1973 S. 2240-2241). Die Regelung des Feuerbestattungsgesetzes betrifft die Reihenfolge der Zuständigkeit für Verfügungen über den Leichnam, d.h. für die Erteilung der jeweils erforderlichen Erlaubnis. Jedoch gilt § 4 dieses Gesetzes nur für Verfügungen des Verstorbenen selbst für die Bestattungsart (a. A. Reimann NJW 1973 S. 2241). Hiernach stellt sich zunächst die Frage, ob es auf die Sektionserlaubnis der nahen Angehörigen überhaupt ankommen kann. Denn aus der Regelung des § 15 II. (2) AUB, die mangels Individualvereinbarung nach § 23 III AGB-Gesetz Vertragsinhalt wird (Anm. C 12), ergibt sich die Gestattung der Sektion durch den Vmer. Da indes erfahrungsgemäß der Vmer den Bedingungstext vor Vertragsschluß nicht in allen Einzelheiten durchliest und versteht, ist es schon deshalb zweifelhaft, ob hierin eine wirksame Sektionserlaubnis zu sehen ist (berechtigte Zweifel für Krankenhaus aufnähme bei Gucht JR 1973 S. 235). Diese Zweifel werden nicht allein durch einen Hinweis auf § 23 III AGB-Gesetz ausgeräumt. Zwar muß der Vmer den Inhalt der maßgeblichen AVB zur Kenntnis nehmen und sich gegebenenfalls so behandeln lassen, als habe er sie gekannt (Anm. C 12 und F 41). Diese rechtliche Erwägung hat indes, sieht man auf ihre tatsächliche Grundlage, oftmals den Charakter einer Fiktion: Daß ein Vmer vor oder bei dem Vertragsschluß den gesamten Text der maßgeblichen AVB tatsächlich durchliest, dürfte eine seltene Ausnahme sein. Anderenfalls wären die von der Rechtsprechung entwickelten und teilweise auch in den Gesetzestext eingeführten (§ 5 VVG) Pflichten, den Vmer auf bedeutsame rechtliche Zusammenhänge hinzuweisen (vgl. Anm. A 43), überflüssig. Man wird deshalb nicht zu dem Ergebnis kommen können, daß der Vmer kraft Einbeziehung der AUB in den Vertrag (§§ 2, 23 III AGB-Gesetz) in wirksamer Form die ihm vorrangig selbst als höchstpersönliches Recht zustehende Entscheidung über die Einwilligung in eine Sektion zugunsten des Vers getroffen hat. Sollte diese Frage in erhöhtem Maße praktisch bedeutsam werden, so muß den Vern empfohlen werden, sich eine solche Erlaubnis außerhalb der AVB erteilen zu lassen oder zumindest auf die Sektionsklausel gesondert hinzuweisen. — Diese Wertung der Sektionserlaubnis als höchstpersönliches Recht des Vmers entspricht der Regelung des § 4 des FeuerbestattungsG, wo für den Nachweis, daß die FeuerWagner

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Anm. F 44

bestattung dem Willen des Verstorbenen entspricht, besondere Voraussetzungen genannt werden. Folgt man dem, so kann die Sektionserlaubnis, sofern sie nicht gesondert vom Vmer — als Gefahrsperson — erteilt worden ist, von seinen Angehörigen in der durch § 2 II und III FeuerbestattungsG festgelegten Rangfolge erteilt werden. Die für den Fall von Meinungsverschiedenheit unter mehreren gleichrangig Bestimmungsberechtigten vorgesehene Art der Entscheidung durch die Polizeibehörde (§ 2 IV FeuerbestattungsG) kann hier nicht maßgeblich sein, weil polizeiliche Gesichtspunkte diese Entscheidung nicht bestimmen dürfen. Unterbleibt die Sektion wegen Fehlens der Gestattung aller Berechtigten, so liegt objektiv eine Obliegenheitsverletzung (§§ 15 II. (2), 17 AUB) vor, die bei relevantem Sektionsverlangen — d.h. wenn von der Sektion Aufschlüsse über für die Regulierung relevante Tatsachen zu erwarten sind — und bei Bejahung des notwendigen Verschuldens (nachfolgend Anm. F 44) zur Leistungsfreiheit des Vers führt. [F 44] bbb) Verschulden Die Frage nach einer vorwerfbaren Obliegenheitsverletzung stellt sich für die verweigerte Erlaubnis zur Sektion in anderer Weise als im Zusammenhang mit unterlassener Anzeige oder Auskunft: Eine Sektion kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn der Ver sie verlangt. Soweit der Berechtigte sie verweigert, geschieht dies nicht aus Gründen fehlender Unterrichtung oder mangelnder Sorgfalt, sondern bewußt und gewollt, so daß als Schuldform in erster Linie Vorsatz in Betracht kommt, wenn man davon absieht, daß nach für das Zivilrecht h. M. ein Rechtsirrtum den Vorsatz ausschließt, vgl. Palandt-Heinrichs37 § 276 Anm. 3 b m. N. Praktisch bedeutsam ist für diesen Zusammenhang die Verweigerung der Sektion aus Pietätsgründen. Hier ist zu unterscheiden: Soweit der Anspruchsberechtigte, sei er Erbe oder Bezugsberechtigter, für die Sektionserlaubnis zuständig ist (vorstehend Anm. F 43) und sie aus Pietätsgründen verweigert, verliert er gemäß § 17 AUB den Anspruch auf die Todesfallentschädigung, sofern die weiteren Voraussetzungen — mutmaßliche Relevanz der Sektion - gegeben sind. Eine Abwägung des Pietätsinteresses des Anspruchsberechtigten gegen das Aufklärungsinteresse des Vers ist nicht möglich. Die Pietät ist keine wägbare (meßbare) Größe, sie entzieht sich auch dann, wenn ihre Verität und Intensität außer Zweifel steht, einem Vergleich mit dem Aufklärungsinteresse des Vers. Dieses ist in Geldwert auszudrücken, jenes hat immateriellen Charakter. Daraus folgt nicht, daß das Pietätsinteresse höherwertig sei: Wer die Erlaubnis zur Sektion verweigert, vereitelt damit — Relevanz stets unterstellt — für den Ver die Möglichkeit des Nachweises, daß der Anspruch aus der Unfallv nicht besteht. Begehrt er gleichwohl die Todesfallentschädigung, so verlangt er Erfüllung eines Anspruchs, der möglicherweise nicht oder nicht in dieser Höhe besteht. Damit wahrt er zugleich sein Pietätsinteresse und sein Vermögensinteresse. Anders formuiert: Soweit das Pietätsinteresse dem schutzwürdigen (relevanten) Aufklärungsinteresse des Vers und damit einer vermögensrechtlich korrekten Regulierung entgegensteht, muß sich der Anspruchsberechtigte zwischen Pietät und Geldanspruch entscheiden. Von der Rechtsprechung ist bisher kein Fall entschieden worden, für den die Frage, ob Weigerung aus Pietät entschuldigt ist, entscheidungserheblich war. Im Falle RG 19.1. 1906 VA 1906 Anh. S. 12 Nr. 181 war nach dem Text der AVB eine Sektion nicht zu gestatten, weil es nur um Kurkosten und Invaliditätsentschädigung ging. Die dort angestellten Erwägungen zur Pietät sind obiter dictum. RG 22. V. 1917 VA 1917 Anh. S. 53—54 Nr. 999 versagt der Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung aus einer Kollektivunfallv, weil sie nicht sichergestellt habe, daß die Leiche des Arbeit234

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Anm. F 45

nehmers geöffnet werden konnte. Auf Pietätsfragen kam es hier nicht an. KG 2. V. 1931 JRPV 1931 S. 270-271 verneint Verwirkung des Vsanspruchs. Klägerin (Ehefrau und Erblasserin des Vmers) hatte nur teilweise Leichenöffnung gestattet. Das Gericht wirft hier dem Ver vor, die Klägerin nicht hinreichend deutlich darauf hingewiesen zu haben, daß dies nicht genüge. Die Urteilsgründe sind nur verständlich, wenn das Gericht davon ausgeht, daß die Klägerin notfalls die Pietätsgründe hätte hintanstellen müssen. Das Urteil wird von RG 19. IV. 1932 VA 1932 S. 245 Nr. 2439 ohne zusätzliche oder grundsätzliche Erwägungen bestätigt. Die Ausführungen von Wussow AUB 4 § 15 Anm. 6, S. 237, die Rechtsprechung nehme in erheblichem Umfang auf die Gefühle der Hinterbliebenen Rücksicht und entschuldige weitgehend eine Ablehnung der Obduktion, sofern nicht der Verdacht einer bewußten Beweisvereitelung bestehe, findet hiernach in den Entscheidungen zur Unfallv keine Stütze, das Zitat OLG Hamburg 13. I. 1913 VA 1913 Anh. S. 41 Nr. 730 ist unzutreffend. Der ebenfalls zitierte Aufsatz von Oberländer (DAR 1928 Sp. 363) befaßt sich nicht mit Obduktion, sondern mit Exhumierung (vgl. Wussow a.a.O. S. 237) und nachstehend Anm. F 45. Ist die Sektion nicht von demjenigen zu gestatten, der Inhaber des Anspruchs auf die Todesfallentschädigung ist, so muß sich der Gläubiger des Anspruchs darum bemühen, die Sektionserlaubnis zu beschaffen. Diese Gestaltung ist praktisch bedeutsam in den Fällen der Einräumung eines Bezugsrechtes für einen Begünstigten, der nicht zugleich Erbe ist und auch nicht zu den Angehörigen in dem oben Anm. F 43 genannten Sinne gehört. Verweigern die hierfür zuständigen Angehörigen die Sektionserlaubnis ernsthaft und endgültig, so kann dies dem Bezugsberechtigten nicht als Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden. Solche Fälle sind ersichtlich nicht von großer Bedeutung. Anderenfalls müßte den Vern geraten werden, eine Sektionserlaubnis durch den Vmer selbst sicherzustellen. [F 45] gg) Exhumierung Hat eine Sektion vor Bestattung nicht stattgefunden, so stellt sich die Frage, ob der Ver verlangen kann, daß die Leiche zum Zwecke der Nachholung der Sektion exhumiert werde. Das wird von RG 10. III. 1903 RGZ Bd 54 S. 117-120 (119) grundsätzlich bejaht mit der Einschränkung, daß der Ver „die Sektion nicht in unentschuldbarer Weise verzögert" haben dürfte. Da diese Voraussetzung hier angenommen wird, kommt es auf die weiteren Erwägungen zur Beachtlichkeit der religiös motivierten Weigerung der Erben, die Exhumierung zuzulassen, in Wahrheit nicht an. RG 19.1. 1906 VA 1906 Anh. S. 12 Nr. 181 spricht ebenfalls aus, daß „die mit Erwägungen religiöser und pietätvoller Natur" begründete Weigerung keinen Vorwurf gegen die Erben begründe. Zur Frage, ob der Ver die Sektion vorwerfbar verzögert hat, wird jedoch nichts mitgeteilt. Auch RG 24. IV. 1908 VA 1908 Anh. S. 80 Nr. 401 ergibt keine weiteren Aufschlüsse. Hier hatte eine Exhumierung stattgefunden und die notwendigen Aufschlüsse ergeben. Oberländer DAR 1928 Sp. 363—366 und Josef DAR 1929 Sp. 15—16 gehen als selbstverständlich davon aus, daß sich das Sektionsrecht im Falle der Bestattung als Recht, die Exhumierung zu verlangen, fortsetze. Meyer-Classen JRPV 1929 S. 58—59 verneint ein solches Recht auf Exhumierung und stellt für die Rechtsfolgen des Beweisverlustes - wie die eingangs zitierte Entscheidung des RG — darauf ab, ob der Ver die Gelegenheit zur Sektion schuldhaft versäumt habe oder nicht. Eine Abwägung der Pietät der Angehörigen einerseits gegenüber dem Aufklärungsinteresse des Vers andererseits ist im Zusammenhang mit der Exhumierung sowenig durchführbar wie bei der Frage, ob die Sektionserlaubnis verweigert werden darf, vgl. vorstehend Anm. F 44. Soweit der Exhumierung nicht öffentlichrechtliche Wagner

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Hindernisse entgegenstehen und ein relevantes Aufklärungsinteresse des Vers besteht (Anm. F 35), können die Angehörigen die Exhumierung nur dann ohne Rechtsverlust (§ 6 III W G ) verweigern, wenn sie den Tod der Gefahrsperson dem Ver so rechtzeitig mitgeteilt haben (§ 15 II. (2) AUB), daß der Ver bei gebührender Sorgfalt eine Sektion veranlassen konnte. [F 46] b) Auskunft durch Ärzte aa) Allgemeines Der Unfallver bedarf der vollständigen Information über die Folgen des Unfallereignisses sowohl für die Frage nach der Regulierung als auch für die Entscheidung über Maßnahmen zur Schadensminderung (Anm. F 50). Für Vorschußzahlungen (§ 13 AUB) und Verrentung (§ 20 AUB) sind Prognosen über den mutmaßlichen Heilungsverlauf erforderlich. Alle diese Informationen setzen das sachverständige Urteil von Ärzten voraus. Der Unfallver muß sich deshalb das Recht ausbedingen, seine Vertrauensärzte zum Zwecke seiner Information und zur Vorbereitung seiner Entscheidung über Maßnahmen zur Schadensminderung einzusetzen. Bei weniger bedeutsamen Fällen kann der Ver daran interessiert sein, den mit Kosten verbundenen Einsatz (§ 9 AUB) seiner Vertrauensärzte einzusparen und sich mit dem sachverständigen Urteil des vom Vmer gewählten Arztes zu begnügen. Hieraus ergeben sich die in § 15 II. (5) und (6) AUB genannten Obliegenheiten des Vmers, die zugleich zum Inhalt haben, daß alle untersuchenden und behandelnden Ärzte, soweit erforderlich, von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden werden. Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ist ein höchstpersönliches Recht des Vmers (Gefahrsperson). Er hat es nicht bereits durch Einbeziehung der in § 15 II. AUB genannten Obliegenheiten in den Vsvertrag zugunsten des Unfallvers ausgeübt. Insofern gilt dasselbe wie für die Sektionserlaubnis (Anm. F 44). Im übrigen kann der Vmer nicht eine unbestimmte Anzahl von Ärzten für in ihrer Gestaltung noch nicht bekannte zukünftige Fälle von ihrer Schweigepflicht entbinden. Ist der Vmer (Gefahrsperson) infolge des Unfalles verstorben oder unfähig, die Entbindung von der Schweigepflicht auszusprechen, so geht das Recht hierzu nicht ohne weiteres auf seine Angehörigen über. Die Rechtslage in solchen Fällen ist ungeklärt. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, im Rahmen der Neufassung der Vorschriften über den Geheimnisschutz (§ 203 StGB) die Zuständigkeit für die Entbindung von der Schweigepflicht zu regeln. Die Auffassungen im Schrifttum sind uneinheitlich, vgl. Lenckner in SchönkeSchröder, StGB 19 1978 § 203 Rz 25 m.N. Nach der von Lenckner a.a.O. vertretenen engen Auffassung kann nur der Betroffene selbst die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Das würde im Bereich der Unfallv zu nicht tragbaren Ergebnissen führen und nicht mit dem Umstand vereinbar sein, daß die Unfallver nunmehr in die Schweigepflicht einbezogen worden sind, vgl. § 203 I Ziff. 6 StGB. Diese Einbeziehung spricht eher dafür, ein Schutzbedürfnis des Vten in Richtung auf den Unfallver zu verneinen, so daß eine ausdrückliche Entbindung von der Schweigepflicht gegenüber den Vertrauensärzten des Vers nicht für notwendig zu halten ist. Einer solchen Entbindung von der Schweigepflicht bedarf es jedoch fiir den Vertrauensarzt des Vten. Verneint man ein Recht der Hinterbliebenen oder Erben hierzu, so kann und muß doch der Arzt selbst nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob er die geforderten Auskünfte gibt oder nicht. Soweit ein Geheimhaltungsinteresse des behandelten Vten nicht in Betracht kommt, ist der Arzt für verpflichtet zu halten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Das folgt bereits aus der Erwägung, daß es im vermuteten Interesse des Vten liegt, daß die ihm aufgegebenen Obliegenheiten erfüllt werden. Denn soweit es um den Beweis für den anspruchsbegründenden Tatbestand (Unfall 236

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Anm. F 50

oder Einschlußtatbestand) geht, würden Erben oder Bezugsberechtigte den Nachteil der fehlenden Aufklärungsmöglichkeit tragen. Das würde im Zweifel dem Willen und Interesse des Vten widersprechen. [F 47] bb) Veranlassung eines Arztberichts Nach § 15 II. (5) a AUB ist der behandelnde Arzt auf Verlangen des Vers zu veranlassen, diesem zu berichten. Die Unfallver erleichtern den behandelnden Ärzten diese Arbeit durch Zusendung von Fragebögen, die unter Mitwirkung von Ärzten erstellt worden sind. Der Vmer ist gehalten, den Arzt als seinen Vertragspartner zur Beantwortung solcher Fragebögen zu veranlassen. Das wird in der Alltagspraxis nicht problematisch sein. Stellt indes der Vte eine solche Verpflichtung des Arztes nicht bei Beginn der Behandlung sicher, so ist der Arzt ihm gegenüber aus einem gewöhnlichen Arztvertrag nicht verpflichtet, dem Ver solche Auskünfte zu erteilen. Der anderslautenden Entscheidung LG Trier 23. XII. 1958 VersR 1959 S. 281-282 ist nicht zu folgen; aus der Heranziehung von Vorschriften des Auftragsrechtes und der Geschäftsbesorgung (§§ 662, 675 BGB) folgt eine solche Pflicht nicht, weil der Arzt, wenn ihm von einer solchen Obliegenheit des Patienten als Vmer zur Zeit des Vertragsschlusses nichts bekannt ist, keine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB verspricht; im Ergebnis wie hier Wussow AUB 4 § 15 Anm. 10, S. 243. [F 48] cc) Ermächtigung anderer Ärzte und der Berufegenossenschaft zur Auskunftserteilung Nach § 15 II. (5) b AUB sind alle Ärzte, die den Vten jemals behandelt oder untersucht haben, zur Auskunftserteilung an den Unfallver zu ermächtigen. Diese Obliegenheit hat die Entbindung dieser Ärzte von der Schweigepflicht (§ 203 I Ziff. 1 StGB) zum Inhalt. Der Vte ist femer gehalten, die Berufsgenossenschaft von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Der private Unfallver wird damit berechtigt, in die Akten der Berufsgenossenschaft Einblick zu nehmen. Eine solche Entbindung von der Schweigepflicht wird — wie alle hier erörterten Obliegenheiten — nur geschuldet, soweit nach Sachlage eine für den Unfallver relevante Information (oben Anm. F 35) in Betracht kommt; in gleichem Sinne Wussow AUB 4 § 15 Anm. 10, S. 244. [F49] dd) Duldung der Untersuchung durch Vertrauensarzt des Unfallversicherers Nach § 15 II. (6) a AUB ist der Vte verpflichtet, sich den vom Ver bezeichneten Ärzten zur Untersuchung zu stellen. Diese Obliegenheit wird ergänzt dadurch, daß der Vte diesen Ärzten Zutritt und Untersuchung gestatten muß, § 15 II. (6) b AUB. Im Falle der aufgeschobenen Kapitalzahlung muß sich der Vte regelmäßig in Abständen von einem Jahr der Untersuchung und/oder Begutachtung stellen. [F50] c) Schadensminderung aa) Allgemeines Nach § 183 hat der Vmer für die Abwendung und Minderung der Folgen des Unfalls zu sorgen. Diese Vorschrift entspricht der Regelung des § 62 I 1, sie wird für die Unfallv wiederholt, weil sie regelmäßig nicht als Schadensv ausgestaltet ist (Anm. Β 11). Lex specialis ist § 183, soweit für die Minderungs- und Abwendungspflicht eine Einschränkung gemacht wird: Die Weisungen des Vers hat der Vmer nur zu befolgen, soweit ihm nicht etwas Unbilliges zugemutet wird (§ 183 S. 1 a. E.). Diese Einschränkung war im Gesetzgebungsgang heftig diskutiert worden, vgl. den Bericht von Gerhard-Hagen § 183 Anm. 2, S. 728—729. Sie ist heute ohne eigenständige Bedeutung. Denn es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß das Regulativ der Wagner

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Zumutbarkeit für alle Maßnahmen gilt, die ein Verletzter, der gehalten ist, den Schaden zu mindern oder gering zu halten (§ 254 BGB), im Hinblick auf Körper und Gesundheit trifft (Einzelheiten Anm. F 52). Der Regelungsgehalt des § 183 wird durch § 15 II. (3) und (6) c AUB wiederholt und inhaltlich konkretisiert. Für die Kraftfahrt-Unfallv gilt § 7 IV. (1) und (2) AKB, dort wird in weniger ausführlich formulierter Weise dasselbe ausgedrückt wie in den genannten Bestimmungen der AUB. Die Schadensminderungsobliegenheit des Vmers ist auf die kurze Formel zu bringen, daß er alle für eine schnelle Heilung der Folgen des Unfallereignisses erforderlichen Maßnahmen in gleicher Weise zu treffen hat, wie es ein Verletzter ohne Bestehen von Unfallvsschutz tun würde (unten Anm. F 52). Dieser Grundsatz entspricht der unbestrittenen Auslegung des § 254 II BGB. Für § 62 I ist anerkannt, daß eine Abwendungsobliegenheit des Vmers schon besteht, wenn der Vsfall unmittelbar bevorsteht, Prölss-Martin21 § 62 Anm. 1, S. 336— 337, Schmidt, Obliegenheiten S. 219 m.N. Nach Wussow AUB4 § 15 Anm. 8 S. 239—240 soll das auch für die Unfallv gelten (die von ihm S. 240 oben zitierte Entscheidung des OLG Köln 30. XI. 1931 VA 1932 S. 11 Nr. 2373 betrifft einen Fall der Sachv). Das ist für die derzeit maßgebliche Definition des Unfalls schwer vorstellbar: Es ist ein Merkmal des Unfallereignisses, daß es plötzlich, d. h. (u. a.) unerwartet eintritt und auf den Körper des Vten einwirkt. Ein konkret vorhergesehenes Unfallereignis wird regelmäßig nicht plötzlich eintreten, so daß es für die Anwendung des § 183 grundsätzlich bei der dem Wortlaut der Vorschrift entsprechenden Minderung der Folgen des Unfallereignisses sein Bewenden haben wird. In diesem Zusammenhang stellt sich indes die Frage, ob der Vte gehalten ist, einem als drohend erkannten Unfallereignis auszuweichen. Das kann bedeutsam werden, wenn Deckungsschutz verlangt wird für die Folgen einer Mißhandlung, die vorhersehbar war, vom Vten indes als unausweichlich empfunden wurde. Ähnlich liegt die Problematik bei masochistischer Veranlagung des Vten, die ihn veranlaßt, sich lebensgefährdenden Praktiken zu unterziehen. Für das Verlangen der Erben eines solchen Vten nach Auszahlung der Todesfallentschädigung verneint OLG Stuttgart 1. III. 1977 VersR 1977 S. 1026-1027 das Merkmal der Plötzlichkeit (unrichtig formuliert der Leitsatz zu 1.: Auf die Plötzlichkeit der Gesundheitsschädigung kommt es nicht an) und stützt die Entscheidung auf die Hilfserwägung, daß die Unfallv ihrem Zweck nach nicht für Folgen aufzukommen habe, die sich aus der bewußten Übernahme sozial inadäquater Risiken ergeben. Der Rückgriff auf allgemeine Schutzwürdigkeitserwägungen liegt hier nahe: An den Voraussetzungen eines Unfalles im Sinne des § 2 (1) AUB fehlt es nicht, wenn man Plötzlichkeit und — vom OLG Stuttgart nicht erwogen — Unfreiwilligkeit bejaht. Allerdings sollten die Möglichkeiten speziell vsrechtlicher Einordnung vorweg ausgeschöpft werden. OLG Stuttgart a. a. O. S. 1027 läßt offen, ob Ausschlußtatbestände verwirklicht worden sind und geht auf die Möglichkeit einer Leistungsfreiheit des Vers nach § 25 I nicht ein. Das hätte nahegelegen, weil bei entsprechender Veranlagung des Vten eine wiederholte, vielleicht regelmäßige Ausübung solcher Praktiken wahrscheinlich ist. [F 51] bb) Zuziehung eines Aiztes Nach § 15 II. (3) AUB ist spätestens am vierten Tage nach dem Unfall ein Arzt zuzuziehen, die ärztliche Behandlung ist, soweit notwendig, fortzusetzen. Dem entspricht die Vorschrift des § 7 IV. (1) AKB für die Kraftfahrt-Unfallv. Die hier genannte Viertagesfrist ist wenig glücklich: Soweit ärztliche Behandlung erkennbar geboten ist, muß sie vom Vten sofort herbeigeführt werden. Ist das, wie bei Kopf- und Rückenverletzungen, die sich oft erst nach längerer Zeit als bedeutsam herausstellen, nicht der Fall, so ist die Viertagesfrist ebenfalls überflüssig, die Nicht238

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einhaltung ist dann dem Vten nicht vorzuwerfen. Die Bedeutung der genannten Frist beschränkt sich deshalb auf diejenigen Fälle, in denen es zweifelhaft ist, ob ein Arzt zugezogen werden muß. Hier ist im Zweifel die im wohlverstandenen Interesse des Vten selbst und zugleich des Vers liegende sicherere Maßnahme geboten. Die Frage, ob der Vte die vorgenannte Obliegenheit schuldhaft im Sinne des § 17 AUB verletzt hat, ist in neuerer Zeit nicht mehr praktisch bedeutsam geworden. In den oben Anm. F 36 zitierten Entscheidungen, die sich mit verspäteter Unfallanzeige befassen und sich mit dem Einwand des Vten auseinandersetzen, er habe die Bedeutung eines Vorfalles als Unfallereignis nicht erkannt, war vielfach von den Vern auch geltend gemacht worden, daß sich der Vte nicht in ärztliche Behandlung begeben hatte. Diese Fallgestaltungen machen deutlich, daß Anzeige- und Minderungsobliegenheit des Vten in der Praxis in untrennbarem Zusammenhang stehen: Der Unfallver, dem ein Unfall angezeigt worden ist, wird sich selbst um die für Abwendung und Minderung notwendigen Maßnahmen kümmern und dem Vten entsprechende Weisungen erteilen (§ 15 II. (6) c AUB). Die Auswahl des Arztes wird nach § 15 II. (3) AUB dem Vten überlassen. Die daraus erwachsenden Kosten erhält der Vte nicht nach § 9 AUB, sondern nur dann vom Unfallver, wenn zugleich die Voraussetzungen für einen Ersatz der Heilungskosten, § 8 VI. AUB, gegeben sind. Dabei ist zu beachten, daß die Leistung des Unfallvers insoweit subsidiär ist (§ 8 VI. (3) a AUB). [F 52] cc) Befolgung ärztlicher Anordnungen Soweit sich der Vte gemäß § 15 II. (3) AUB in ärztliche Behandlung begibt und damit seiner Schadensminderungsobliegenheit nachkommt, ist er (selbstverständlich) auch gehalten, den nach den Regeln ärztlicher Behandlung gegebenen Anordnungen seines Arztes nachzukommen. Das wird in § 15 II. (3) AUB nicht gesondert ausgesprochen. Daß der Vte den Anordnungen der vom Ver beauftragten Ärzte nachkommen muß, ist nicht selbstverständlich, wenn man davon ausgeht, daß er, indem er sich seinem Vertrauensarzt zur Behandlung stellt, das seinerseits Erforderliche zur Schadensminderung tut. Der Unfallver hat aber ein schutzwürdiges Interesse daran, Behandlung und Heilungsverlauf durch seine Vertrauensärzte überwachen und, soweit erforderlich, die Behandlung ergänzen oder sogar korrigieren zu lassen. Den Interessen des Vten wird dabei Rechnung getragen: Weitergehende Kosten entstehen ihm nicht, diese werden gemäß § 9 AUB vom Ver getragen, vor unbilligen Zumutungen ist er gemäß § 15 II. (6) c S. 3 AUB - entsprechend § 183 - geschützt. Der Vte ist gehalten, den sachdienlichen Anordnungen der Vertrauensärzte des Vers nachzukommen, und zwar auch dann, wenn diese die Einweisung in ein Krankenhaus für notwendig halten. Die Frage, ob ihm damit etwas Unbilliges zugemutet wird (§ 15 II. (6) c S. 3 AUB), stellt sich in drei Zusammenhängen: Der Vte kann innerhalb der Familie zur Beaufsichtigung kleiner Kinder oder kranker Angehöriger gebraucht werden, ihm kann Arbeitsverdienst entgehen und ihm kann die vorgesehene Art der Heilbehandlung (Operation) unzumutbar sein. Für alle diese Belange des Vten bedarf es sorgfältiger und einfühlsamer Abwägung. Die AUB berücksichtigen das erstgenannte Hindernis für den Vten gar nicht, dagegen ist ihm der Lohnausfall gemäß § 9 AUB ohne Begrenzung zu ersetzen, und die Frage der Zumutbarkeit von Operationen und sonstigen ärztlichen Eingriffen richtet sich nach denselben Grundsätzen, wie die Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 II BGB. Allgemeine Grundsätze lassen sich hierfür nicht aufstellen: Zumutbar ist dem Vten ein Eingriff, der nach dem jeweiligen Stand der ärztlichen Wissenschaft nicht gefährlicher ist, als dies von jedem ärztlichen Eingriff gesagt werden muß, der mit einiger Sicherheit Heilung verspricht Wagner

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und den Vten nicht besonderen Schmerzen aussetzt. Augenfällig für den Wandel der rechtlichen Beurteilung angesichts des Fortschritts der ärztlichen Wissenschaft RG 15. XII. 1932 RGZ Bd 139 S. 131-136 (134): Die Gefährlichkeit einer Chloroformnarkose als Voraussetzung einer Operation sei anders zu beurteilen, als dies noch von RG 27. VI. 1913 RGZ Bd 83 S. 15 geschehen sei. Angesichts der großen Fortschritte der ärztlichen Wissenschaft in den letzten 30 Jahren ist die ältere Rechtsprechung zur Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 II BGB, die auch für die Auslegung des § 15 II. (6) AUB maßgeblich ist, nur noch für den Leitgedanken zumutbarer Schadensminderung heranzuziehen. Er geht dahin, daß dem Vten zuzumuten ist, was jeder Verletzte ohne Rücksicht auf einen Schadensersatzanspruch gegen einen deliktischen Schädiger (oder aus Gefährdungshaftung) oder auf einen Entschädigungsanspruch gegen einen Ver im eigenen Interesse verständigerweise zur Heilung unternehmen würde, vgl. Schmidt, Obliegenheiten S. 219-220 m. N. Die geringe Zahl neuerer Entscheidungen hierzu spricht dafür, daß die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze sich als praktikabel erwiesen haben. Sie sind von OLG Düsseldorf 19. XII. 1974 VersR 1975 S. 1031-1032 wie folgt zusammengefaßt worden: Eine Operation ist zumutbar, wenn sie einfach und gefahrlos und nicht mit besonderen Schmerzen verbunden ist und wenn sie sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bietet; unvorhersehbare Gefahrumstände, die auch bei sorgfältiger Operation im voraus nicht mit Sicherheit auszuschließen sind, machen eine Operation unzumutbar. Das Gericht hält hiernach eine Ellenbogenoperation für unzumutbar. OLG Hamm 4. X. 1935 VA 1935 S. 276 Nr. 2842 = JRPV 1936 Zus. S. 37 hält Operation einer Hand des Unfallvten für unzumutbar, weil die Erfolgsaussicht gering sei und die Kosten der Operation außer Verhältnis zur in Frage stehenden Entschädigungsleistung (Invaliditätsentschädigung) stünden. Zur Schadensminderungsobliegenheit des Vten in der Unfallv sind im Zusammenhang mit ärztlicher Behandlung und Befolgung ärztlicher Anordnungen — außer den vorstehend zitierten — folgende Entscheidungen ergangen: RG 27. II. 1906 VA 1906 Anh. S. 61—62 Nr. 218 hält die Weigerung des Vten, sich in Narkose der Operation des Schultergelenks zu unterziehen, um dessen Versteifung zu mildem, für nicht schuldhaft. Hier hatte der vom Vten selbst zugezogene Arzt erklärt, ohne Narkose gehe es nicht ab, er könne für die Folgen nicht einstehen. RG 3. IV. 1906 VA 1906 Anh. S. 60—61 Nr. 217 hält die Verweigerung einer Operation durch den Vten ebenfalls für nicht schuldhaft. Die Operation sei nicht zumutbar, weil der Erfolg unsicher und der Eingriff (Resektion unterer Rückenwirbel nach Steißbeinverletzung) mit größeren Gefahren verbunden sei. OLG Colmar 3. XI. 1905 VA 1906 Anh. S. 16-17 Nr. 184 hält den Vten für berechtigt, die Behandlung im Krankenhaus zu verweigern und sich ambulant behandeln zu lassen. Von der Vsentschädigung von täglich 3 Mark hätte der Vte sich und seine Familie ernähren müssen, so daß ihm nicht zugemutet werden konnte, seine Berufstätigkeit aufzugeben. RG 15. III. 1907 VA 1907 Anh. S. 54-55 Nr. 310 wertet die Unterbrechung eines Kuraufenthaltes durch den Vten nicht als Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit, weil hierfür ein triftiger Grund — so die Formulierung der maßgeblichen AVB — vorhanden gewesen sei. Einzelheiten hierüber werden nicht mitgeteilt. OLG Breslau 17. IX. 1928 JRPV 1929 S. 223-224 verneint ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und den vom Vten als dessen Folge behaupteten Beschwerden. Nur hilfsweise wird Deckungsschutz mit der Begründung versagt, der Vte habe gegen seine Schadensminderungsobliegenheit schuldhaft verstoßen, weil er entgegen ärztlicher Anordnung geturnt habe. KG 29. X. 1932 JRPV 1933 S. 74-75 verneint einen vom Ver als Beklagtem eingewandten Verstoß gegen Minderungsobliegenheit, den der Ver darin sah, daß der Vte nach Oberarmsplitterbruch das Krankenhaus verließ und sich auf die Behandlung durch 240

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IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Vsfalles

Anm. F 53

seinen Arzt beschränkte: Der Vte habe die Heilbehandlung bis zum Abschluß weitergeführt, er sei nicht gehalten gewesen, deshalb im Krankenhaus zu bleiben, das sei ihm auch nicht zuzumuten gewesen, weil der Aufenthalt erhebliche Kosten verursacht und ihn gehindert hätte, seine Geschäfte zu besorgen. LG Lüneburg 8. II. 1951 VA 1951 S. 9 0 - 9 2 = VersR 1953 S. 155-157 mit Anm. Reimer Schmidt stützt die Versagung des Vsschutzes nach einem Schulunfall hilfsweise auf die Erwägung, der Vte habe sich nicht, wie nach den AVB geboten, in regelmäßige ärztliche Behandlung begeben. [F 53] d) Exkurs: Einsicht des Versicherungsnehmers in Untersuchungsberichte Der Vmer, seine Erben oder Bezugsberechtigte können ein Interesse daran haben, Einblick in die Untersuchungsberichte zu nehmen, die die Vertrauensärzte des Vers diesem gegeben haben. Es ist die Meinung vertreten worden, daß ein solches Recht, in diese Berichte Einblick zu nehmen, den Interessierten nach § 810 BGB zustehe, vgl. Capitain JRPV 1935 S. 340-343, 1936 S. 114-115, dagegen Do. JRPV 1935 S. 356-358 und NeumZ 1934 S. 67-69, vermittelnd Habe JRPV 1936 S. 153-155. LG Hamburg 6.1.1951 VersR 1951 S. 46—47 verneint einen Anspruch des Vmers aus § 8 1 0 BGB mit der für den zu entscheidenden Fall maßgeblichen Erwägung, daß ein Informationsinteresse des Vmers nicht bestehe, weil er sich mit dem Ver im Wege des Vergleichs geeinigt habe. LG Stade 23.1.1953 VersR 1953 S. 154-155 geht davon aus, daß ein Attest des Arztes des (verstorbenen) Vmers, das dieser dem Ver übersandt habe, in dessen Eigentum übergehe und der Witwe und Erbin weder im Original noch in Abschrift herauszugeben sei. Die Voraussetzungen des § 810 BGB seien nicht gegeben, der Ver sei nicht verpflichtet, der Erbin des Vmers Unterlagen für einen Prozeß gegen sich selbst zu verschaffen. Dieser Streit, der in neueren Entscheidungen nicht wieder hervorgetreten ist, ist im Sinne der h. M. gegen Capitain a.a.O. zu entscheiden. Auf die Auslegung des § 810 BGB kommt es dabei nicht an. Es geht dem Vmer oder seinen Rechtsnachfolgern nicht um einen Urkundenbeweis, sondern um Information im Zusammenhang mit der Regulierung. Insoweit steht ihm ein Auskunftsanspruch im weitesten Sinne gegen den Ver nicht zu. Rechtsgrundlage und Grenzen eines solchen Anspruchs sind nicht erkennbar, die von Capitain a.a.O. in den Vordergrund gestellte Übermacht des Vers besteht gerade in diesem Zusammenhang nur scheinbar: Es geht um die Information über Vorgänge und Zustände, die sich im Bereich des Vten abspielen oder abgespielt haben. Dieser Information ist der Vmer naturgemäß näher als der Ver. Der Ver ist als möglicher Schuldner eines Entschädigungsanspruchs sowenig verpflichtet, über seine Entscheidungsbildung im Hinblick auf die Anerkennung und Befriedigung gegen ihn erhobener Ansprüche Rechenschaft abzulegen wie ein sonstiger Schuldner. Der Vmer oder seine Rechtsnachfolger haben nur Anspruch auf Mitteilung des Ergebnisses innerhalb der in § 11 AUB genannten Frist. Eine andere Frage ist, ob das Gericht in einer Entscheidung über die Deckungsklage des Vmers die Gutachten der Vertrauensärzte des Vers verwerten darf, ohne deren Inhalt dem Kläger zugänglich zu machen. Diese Frage ist nach allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen zu verneinen. Auch für diesen Zusammenhang kommt es auf die Vorschriften der §§ 422, 423 ZPO über den Urkundenbeweis nicht an: Wenn der Vmer oder seine Rechtsnachfolger den Beweis für das Vorliegen eines Vsfalles erbracht haben, muß der Ver Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, die seine Leistungspflicht ausschließen. Soweit er hierfür ärztliche Berichte und Gutachten vorlegt, muß ihr Inhalt vorgetragen und der Vortrag durch Vorlage des Gutachtens belegt werden. Mit dem OLG Köln 25.1.1954 VersR 1954 S. 121-122 ist darüberhinaus davon auszugehen, daß der Ver in einer Auseinandersetzung mit dem Vmer sein rechtmäßig 16

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

241

Anm. F 53

F. Obliegenheiten

durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens erworbenes Wissen auch gegen den Vmer verwenden darf, wenn er damit nicht gegen seine Schweigepflicht (§ 203 I Ziff. 6 StGB) verstößt oder seine prozessuale Wahrheitspflicht (§§ 138 ZPO, 263 StGB) verletzt, etwa, wenn er die sachliche Unrichtigkeit des Gutachtens kennt. In dem vom O L G Köln a. a. O. entschiedenen Fall hatte der Ver das ihm als Unfallver bekanntgewordene Gutachten auch als Haftpflichtver des als Schädiger in Anspruch genommenen Dritten verwandt, und zwar gegen den bei ihm gegen Unfall Vten. Ein Schadensersatzanspruch des gegen Unfall Vten gegen den Ver aus dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung wird hier zutreffend verneint. Die hiergegen von Wussow AUB 4 § 15 Anm. 12, S. 246 vorgebrachten Bedenken berücksichtigen nicht, daß der Vmer kein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, gegen den Inhalt eines — wovon hier auszugehen ist — zutreffenden ärztlichen Gutachtens Haftpflichtansprüche durchzusetzen.

242

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers Gliederung:

V.

Schrifttum Anm. G 1 I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs Anm. G 2 - 2 0 II. Die Merkmale des Unfallbegriffs Anm. G 2 1 - G 94 III. Einschlüsse Anm. G 9 5 - 1 2 9 IV. Ausschlüsse Anm. G 1 3 0 - 2 6 9

Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt-Unfallv Anm. G 2 7 0 - 2 7 8 VI. Exkurs: Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfall ν Anm. G 2 7 9 - 2 8 7 VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallv Anm. G 2 8 8 - 3 2 2

I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs Gliederung: Schrifttum Anm. G 1 1. Der Unfall als Zentralbegriff der Gefahrbeschreibung in den AUB Anm. G 2 2. Entwicklung des Unfallbegriffs Anm. G 3 3. Einheitlicher Unfallbegriff für Personenund Sachv? Anm. G 4 4. Die Struktur des Unfallbegriffes Anm. G 5 - 1 4 a) Vorbemerkung Anm. G 5 b) Unfall und Unfallereignis Anm. G 6 c) Unterscheidung von Unfall und Unfallfolgen Anm. G 7 d) Unfall und Vsfall Anm. G 8 e) Unfall und gedehnter Vsfall Anm. G 9 - 1 4 aa) Allgemeines Anm. G 9 bb) Gedehntes oder mehraktiges Unfallereignis Anm. G 10

cc) Zeitraum zwischen Unfallereignis und dessen Folgen Anm. G 11 dd) Gedehnte Unfallfolgen Anm. G 12 ee) Bedenken gegen die Gleichstellung von gedehntem Vsfall und Unfall Anm. G 13 aaa) Problemstellung Anm. G 13 bbb) Stellungnahme Anm. G 14 5. Primäre und sekundäre Risikobegrenzung Anm. G 1 5 - 2 0 a) Unfallbegriff und Grenzfälle Anm. G 15 b) Unfallbegriff und Einschlüsse Anm. G 16 c) Unfallbegriff und Ausschlüsse Anm. G 1 7 - 1 8 aa) Begriff des Ausschlusses Anm. G 17 bb) Darstellung der Ausschlüsse Anm. G 18 d) Klarstellungen Anm. G 19 e) Bedeutung des Lebenssprachgebrauchs für die Auslegung des Unfallbegriffs Anm. G 20

[G 1] Schrifttum: Büdenbender VersR 1974 S. 211-213, Bühring-Mertins, Erläuterungen zu den UnfallVersicherungsbedingungen, 1. Teil und 2. Teil, Stuttgart o.J., Carus, Unfallversicherung, Berlin 16*

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243

Anm. G 3

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

1931, Dörstling VersR 1952 S. 105-107, Ehrenzweig VersR 1952 S. 250-251, Fußhoeller VersR 1972 S. 1167-1168, Gerkrath ZVersWiss 1906 S. 1 - 1 9 , Grewing VW 1950 S. 332-333, ders. Entstehungsgeschichte der AUB von 1961, Karlsruhe 1962, ders. VersR 1973 S. 8 - 1 0 , Haidinger VersR 1952 S. 4 1 2 - 4 1 4 , Hauschildt, Der Begriff des Unfalls im Sinne der privaten und sozialen Versicherung, Diss. Hamburg 1925, Henke, Die Ausschlüsse und Grenzfalle in der Unfallversicherung, Hamburg 1950 (zit.: Henke Ausschlüsse), Hiestand, Grundzüge der privaten Unfallversicherung, Stuttgart 1900, Hofmann, Die private Unfallversicherung, Karlsruhe 1970, Jannott, Die Unfallversicherung in: Kernfragen der Versicherungsrechtsprechung, Berlin 1938, S. 9 4 - 1 0 9 , Kramer NeumannsZ 1930 S. 1076, Krebs VersR 1960 S. 289-292, Ladiges NeumannsZ 1930 S. 1076, Manthey VersR 1974 S. 225-226, Millert VersR 1964 S. 118-121, Möller JRPV 1929 S. 3 2 5 - 3 2 9 , ders. Hans RGZ 1929 A Sp. 549-562, ders. VersPrax 1936 S. 5 9 - 6 1 , ders. BG 1964 S. 323-329, ders. VW 1964 S. 605-612, Naeve-Wittram, Tödliche autoerotische Unfälle, Karlsruhe 1977, Neeße VersR 1959 S. 773-778, Perret, Was der Arzt von der privaten Unfallversicherung wissen muß, Frankfurt/M. 1973, Prölss JRPV 1941 S. 77-79, Rehberger ZfV 1959 S. 7 7 - 7 9 , Schilling ZfV 1962 S. 365-366, Wagner ZVersWiss 1975 S. 6 1 9 647, ders. ZVersWiss 1977 S. 119-144, Weber NJW 1965 S. 1997-1999, Weyer VersR 1969 S. 300—306, Wriede, Der gedehnte Versicherungsfall, ungedr. Diss. Hamburg 1949, Wüstney, Die private Unfallversicherung, Berlin 1936, Wussow, AUB Allgemeine Versicherungsbedingungen für Unfallversicherung, 4. Aufl., Köln-Berlin-Bonn-München 1973, Ziegler, Der Unfallbegriff in der privaten Unfallversicherung, Leipzig 1931. Weiteres Schrifttum Anm. G 35, G 67, G 79, G 267, G 279 und G 289.

[G 2] 1. Der Unfall als Zentralbegriff der Gefahrbeschreibung in den AUB Nach § 1 AUB gewährt der Ver Vsschutz gegen die Folgen der dem Vten zustoßenden Unfälle. Dieser Präambel des Bedingungstextes folgt in § 2 (1) AUB die Definition des Unfallbegriffs unmittelbar nach: „Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet." Mit dem Unfallbegriff ist der Gefahrenbereich beschrieben, innerhalb dessen dem Vten Vsschutz gewährt wird. Da die Voraussetzungen des Deckungsschutzes regelmäßig dann vorliegen, wenn ein den Vten betreffendes Ereignis ein Unfall im vorgenannten Sinne ist, kann die in § 2 (1) AUB enthaltene Definition des Unfallbegriffs als primäre Risikoumgrenzung bezeichnet werden, vgl. Henke, Ausschlüsse S. 19 und BGH 21.1.1957 BGHZ Bd 23 S. 355 = NJW 1957 S. 907 = VersR 1957 S. 212. Der Unfallbegriff enthält keine abschließende Beschreibung der Voraussetzungen für die Entstehung der Deckungspflicht. In nachfolgenden Vorschriften der AUB werden zum Teil Tatbestände genannt, nach denen Deckungsschutz auch dann gewährt wird, wenn die Voraussetzungen eines Unfalls i.S. des § 2 (1) AUB nicht gegeben sind (sog. Einschlüsse). Ferner enthalten die §§ 2 (3), 3, 4 (3) und (4) und 10 (2), (3) und (5) AUB Ausschlußtatbestände. Sie schließen unter den dort genannten Voraussetzungen den Deckungsschutz aus, obwohl die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt sind. Diese Ausschlußtatbestände im weitesten Sinne werden unter dem Sammelbegriff sekundärer Risikobegrenzungen zusammengefaßt. [G 3] 2. Entwicklung des Unfallbegriffs Die Entwicklung der privaten Unfallv seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im Anschluß an vorangegangene ähnliche Erscheinungsformen ist oben Anm. Β 3—Β 5 dargestellt worden. Hierauf sowie auf die Darstellung von Carus S. 9—12 ist zu verweisen. Hierzu ergibt sich, daß es zwar schon im Jahre 1873 AVB für die private 244

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I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs

Anm. G 3

Unfallv gab (Nachweise bei Henke, Diss. S. 63 Fußn. 309), ein für die private Unfallv einheitlich geltender Begriff des Unfalles jedoch bis zum Jahre 1904 nicht anerkannt war. Jeder Ver beschrieb die von ihm übernommene Gefahr mit jeweils eigener Formulierung; vgl. hierzu die Bern, bei Ziegler, Unfallbegriff S. 23-25 und die Auswahl von Beispielen bei Grewing, Unfallversicherung S. 33. RG 27. IV. 1899 JW 1899 S. 374 belehrt den Beklagten im Hinblick auf seine Revisionsrüge, daß es einen Unfallbegriff nicht gebe. Darüber, was im einzelnen Falle bei der auf Vertrag beruhenden V gegen die Folgen von Unfällen zu verstehen sei, entschieden immer die AVB derjenigen Gesellschaft, mit welcher der Vsvertrag abgeschlossen worden sei, also der Inhalt des Vertrages. Dagegen macht RG 23. X. 1903 RGZ Bd 55 S. 408—411 zu einem in einer Police von 1892 beschriebenen Unfallbegriff Ausführungen, die als Einleitung der Diskussion um den vsrechtlichen Unfallbegriff verstanden werden können (Näheres zu diesem Urteil Anm. G 48 und die zutr. Bemerkungen von Ziegler, Unfallbegriff S. 23-24). Im Jahre 1900 wurde der Verband der in Deutschland arbeitenden Unfall-Versicherungs-Gesellschaften gegründet, ein Jahr später das Kaiserliche Aufsichtsamt für die Privatversicherung errichtet. Im August 1903 legte die Tarifvereinigung des Verbandes im Namen fast aller ihm angehörenden Unternehmen die sog. ersten Verbandsbedingungen vor, die vom Kaiserlichen Aufsichtsamt im Jahre 1904 genehmigt wurden (abgedruckt bei Gerhard-Hagen S. 731). In § 1 dieser Bedingungen ist eine kasuistische Aufzählung von Vorgängen enthalten, die vom Vsschutz umfaßt oder nicht umfaßt sind. Ihr ist leitsatzartig in Abs. 1 S. 1 eine schon als Unfalldefinition zu wertende Generalklausel vorangestellt: „Als Unfälle im Sinne dieser Versicherung gelten alle ärztlicherseits sicher erkennbaren körperlichen Beschädigungen, von welchen der Versicherte unfreiwillig durch ein von außen plötzlich auf ihn einwirkendes Ereignis, ferner auch durch Blitz, durch elektrischen Schlag oder durch Verbrennung betroffen wird . . . " Nach Verkündung des W G von 1908 wurden zum Zwecke der Angleichung der Bedingungen im Jahre 1909 zwei neue Entwürfe zur Genehmigung vorgelegt, die im Jahre 1910 veröffentlicht (VA 1910 S. 182) wurden und in deren § 3 II der Unfall wie folgt definiert wird: „Unfall im Sinne dieser Versicherung ist jede ärztlicherseits sicher erkennbare Körperschädigung, von der der Versicherte unfreiwillig durch ein plötzliches, von außen mechanisch auf seinen Körper wirkendes Ereignis betroffen wird. Als solches Ereignis gelten auch Blitz und elektrischer Schlag." Die beiden Entwürfe, die in der veröffentlichten Form genehmigt und als Lit A und Lit Β bezeichnet wurden, unterscheiden sich in der Art der Entschädigungsleistung für den Eintritt der Invalidität. Mehrjährige Verhandlungen über eine grundlegende Neugestaltung der AVB für die allgemeine Unfallv endeten im Jahre 1920 mit der Genehmigung und Veröffentlichung neuer „Allgemeiner Versicherungsbedingungen für Einzel-Unfallversicherung" (VA 1920 S. 102). Dem Abdruck des Bedingungstextes wurde ein erläuternder Überblick über die Änderungen vorangestellt (VA 1920 S. 92—102). Eine solche Einführung in einen neuen Bedingungstext, die wegen dessen gesetzesähnlicher Wirkungsweise (vgl. Anm. A 52) für sein Verständnis wertvoll und erwünscht gewesen wäre, hat es für spätere Neufassungen der AVB für die Unfallv nicht mehr gegeben. Die Bestimmung des § 2 der Bedingungen von 1920 erhielt die Uberschrift „Unfallbegriff. Grenzfälle" Wagner

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Anm. G 4

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Abs. 1 derselben Vorschrift enthielt die Definition des Unfalles, die der heutigen Definition in § 2 (1) AUB entspricht. Dieser gestraffte Unfallbegriff verzichtete auf die Erfordernisse einer „ärztlicherseits sicher erkennbaren" Körperbeschädigung und auf ein „mechanisch" einwirkendes Ereignis. Grewing, Unfallversicherung S. 30 unten, bezeichnet die AVB von 1920 als grundlegenden Wandel in der Gestaltung des Vsschutzes und wertet sie als Reform gegenüber den bisherigen AVB. An eine Änderung der Unfalldefinition ist seither nicht gedacht worden. Nachfolgende Änderungen der AVB für die allgemeine Unfallv in den Jahren 1937, 1940, 1947, 1949 und 1961 haben nicht nur den Unfallbegriff als primäre Risikobeschreibung, sondern ihrer Struktur nach auch die sekundären Risikobeschreibungen überwiegend unverändert gelassen; vgl. hierzu - für die Zeit bis 1950 — die Bern, von Henke, Ausschlüsse S. 14 oben. Im Jahre 1953 wurde dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen ein vom „Fachausschuß Unfallversicherung" des HUK-Verbandes erarbeiteter Entwurf neuer Bedingungen für die allgemeine Unfallv vorgelegt. Bevor diese Bedingungen nach Genehmigung veröffentlicht wurden, genehmigte das Bundesaufsichtsamt einem einzelnen Unfallver im Jahre 1958 eine neue Fassung allgemeiner Unfallversicherungs-Bedingungen (VA 1958 S. 236 - nach geschäftsplanmäßiger Erklärung und kurzer Einleitung S. 235), die bereits weitgehend denjenigen Bedingungen entsprachen, die im Jahre 1961 nach Genehmigung veröffentlicht wurden (VA 1961 S. 211, wegen nachfolgender Änderungen vgl. die Fundstellen in Anm. A 3). Eine Gegenüberstellung der Neufassung von 1961 mit der vorher geltenden Fassung von 1940 (mit Änderungen) und eine Darstellung der Erwägungen, die der jeweils veränderten Fassung zugrunde liegen, enthält der Bericht von Grewing, Die Entstehungsgeschichte der AUB von 1961, Karlsruhe 1962, der in seiner Bedeutung einer „amtlichen Begründung" entspricht; Fußhoeller VersR 1972 S. 1168 und BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 584. Auf die historische Entwicklung einzelner Bestimmungen der sekundären Risikobeschränkung wird, soweit dies für ihr Verständnis wesentlich ist, im Zusammenhang mit ihrer Kommentierung eingegangen werden. [G 4] 3. Einheitlicher Unfallbegriff für Personen- und Sachversicherung? Der für die private Unfallv geprägte Unfallbegriff wird in gleichlautender oder ähnlicher Form auch in der Sachv verwendet, so ζ. B. in § 12 (1) II. e) AKB für die Fahrzeugvollv. Ohne Aufzählung seiner Voraussetzungen wird der Begriff eines Unfalles z. B. in § 1 der Fluß-Kasko-Police (abgedruckt bei Prölss-Martin21 Anh. III zu §§ 129-148, S. 667) und in § 40 ADS verwendet. Daneben findet sich der Gebrauch des Wortes Unfall in den Vorschriften über die soziale Unfallv (§§ 539-555 RVO), in den Vorschriften über die Versorgung der Beamten und Richter und in ähnlicher Weise (Unglücksfall) in § 330 c StGB. Die Gemeinsamkeit dieser Unfallbegriffe erschöpft sich in ihrem Bezug zum Lebenssprachgebrauch und der daraus folgenden Auslegung. Ein allgemein gültiger Unfallbegriff als Rechtsbegriff besteht dagegen nicht. Seine Auslegung innerhalb der unterschiedlichen Gesetze hängt von deren Sinn und Zweck, d. h. vom Regelungszusammenhang ab. Nur unter diesem Vorbehalt ist der Rechtsprechung zum Privatvsrecht zuzustimmen, wenn sie den Begriff des Unfalls innerhalb des Vsrechtes als einheitlich auffaßt: RG 25. XI. 1924 RGZ Bd 109 S. 240 führt hierzu aus, der Begriff des Unfalles sei in der Transportv kein anderer als in der Personenunfallv. Hierauf nimmt BGH 15. VI. 1970 VersR 1970 S. 753-754 Bezug: „Wenn in einer Entscheidung des RG (vorstehend) für die Transportv auf den Unfallbegriff der Personenunfallv und in einer Entscheidung des KG (JRPV 1939 S. 254) für 246

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I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs

Anm. G 6

die Fluß-Kasko-Police auf den allgemeinen Unfallbegriff verwiesen worden ist, so ist dem beizutreten, soweit unter „Unfall" ein plötzliches, von außen auf den vten Gegenstand wirkendes Ereignis verstanden wird . . . " (diese Entscheidung erging ebenfalls zur Fluß-Kaskov). [G 5] 4. Die Struktur des Unlallbegriffes a) Vorbemerkung Die wegen ihrer sprachlichen Klarheit und Kürze vorzügliche (Möller VW 1964 S. 608) Definition des Unfalls in § 2 (1) AUB bereitet der praktischen Rechtsanwendung in bestimmten Fallgestaltungen Schwierigkeiten; vgl. hierzu den Überblick bei Wagner ZVersWiss 1975 S. 626-629. Diese ergeben sich u. a. aus fehlender Klarheit über die Struktur des Unfallbegriffs. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund: Einmal geht es darum, in welchem Verhältnis „das auf den Körper wirkende Ereignis" einerseits zur Gesundheitsschädigung andererseits steht und wie sich der in manchen Bestimmungen der AUB (z. B. §§ 1, 8, 10 und 12) verwendete Begriff der Unfallfolgen in die Definition des § 2 (1) AUB einfügt. [G 6] b) Unfall und Unfallereignis Der Unfall als Vorgang der Außenwelt beginnt mit einem „Ereignis". Dieses muß auf den Körper des Vten einwirken. Nur hieraus ergibt sich seine Relevanz für die Unfallv. Die Art und Weise des Einwirkens ist durch zwei Adverben näher gekennzeichnet: Das Ereignis muß plötzlich und von außen wirken. Erst diese drei Merkmale der Wirkungsweise — auf den Körper, von außen und plötzlich - machen ein beliebiges Ereignis der Außenwelt zu einem für die Unfallv bedeutsamen Unfallereignis. Dieser Begriff des Unfallereignisses als Bestandteil des Unfallbegriffs ist von Henke, Ausschlüsse S. 49—54 im Zusammenhang mit den negativen Grenzfällen der Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüsse (§ 2 II 2 b AUB der bis 1961 geltenden Fassung) herausgearbeitet worden. Diese Bestimmung lautete: 2. Als Unfälle gelten nicht: b) Gesundheitsschädigungen durch Licht, Temperatur und Witterungseinflüsse, es sei denn, daß der Versicherte diesen Einflüssen infolge eines Versicherungsfalles ausgesetzt war; Henke wies nach, daß die dort genannte Einschränkung für die negativen Grenzfälle („es sei denn . . . " ) nur dann sinnvoll angewendet werden konnte, wenn anstelle des Wortes Vsfall der Begriff des Unfallereignisses gesetzt wurde. Es handelt sich hierbei um Fallgruppen, bei denen der Unfallvorgang sich mehraktig gestaltet: Der Vte kann sich der schädlichen Einwirkung von Licht, Temperatur und Witterung nicht entziehen, weil er infolge eines vorher erlittenen Unfallereignisses in seiner Bewegungsmöglichkeit beschränkt ist. Zur Verdeutlichung sollen von den von Henke gebildeten Beispielen zwei genannt werden: Der Vte stürzt am Meeresstrand und bricht sich ein Bein. Er stirbt infolge Einwirkung des kalten Wassers nach Einsetzen der Flut. Der Vte stürzt im Gebirge ohne Rücksteigemöglichkeit ab. Er erleidet dabei keine Verletzung. Sein Tod tritt (im Sommer) infolge Verhungerns oder (im Winter) infolge Erfrierens ein. Henke S. 49 erörtert diese Fälle unter der Überschrift „mittelbare Schäden". Darunter versteht er den Tod des Vten. Dieser Tod ist als Folge eines Unfallereignisses deckungspflichtig im Sinne des § 2 II 2 b AUB a.F., weil der Vte den Temperatureinflüssen infolge eines vorangegangenen Unfallereignisses ausgesetzt war. Wagner

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Anrn. G 7

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Dabei darf indes nicht der Umstand übersehen werden, daß schon das auf den Körper wirkende Ereignis aus zwei Vorgängen besteht: Der erste Vorgang besteht aus demjenigen Geschehen, das die Bewegungsunfähigkeit herbeiführt (Beinbruch am Strand oder Sturz im Gebirge ohne Rücksteigemöglichkeit), das zweite aus der Einwirkung von Temperatur und Witterung auf den Körper des Vten. Diese beiden Unfallereignisse gemeinsam wirken auf den Körper des Vten ein. Die im Sinne des § 2 II 2 b AUB a.F. maßgebliche Einwirkung, die wegen der besonderen Gestaltung aus dem Bereich der negativen Grenzfälle ausgenommen wird und zum Deckungsschutz führt, besteht in der Einwirkung der Temperatur. Bezogen auf diesen Unfall, als dessen deckungspflichtiges Ergebnis nur der Tod des Vten in Betracht kommt, bildet dagegen das erste Unfallereignis (Sturz am Strand oder im Gebirge) keinen relevanten Vsfall, weil der Beinbruch neben der Todesfallentschädigung nicht zu einer Deckungspflicht des Unfallvers führt. Zu einem Unfallereignis mit mehreren deckungspflichtigen Folgen kommt es, wenn der Beinbruch am Strand nur zu einer schweren Unterkühlung führt, die einen längeren Krankenhausaufenthalt (Lungenentzündung) notwendig macht. Die Untersuchung von Henke a. a. O. hat dazu geführt, daß in der § 2 II 2 b AUB a.F. entsprechenden Bestimmung des § 2 (3) c) IV AUB 1961 für die gleiche Bestimmung eine andere Formulierung verwendet wurde: (3) Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz: c) Gesundheitsschädigungen durch Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüsse. Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn es sich um Folgen eines unter die Versicherung fallenden Unfallereignisses handelt. . . . Die Aufspaltung des Unfallbegriffs in Unfallereignis einerseits und Gesundheitsschädigung andererseits ist das Ergebnis einer Begriffsanalyse. Sie darf nicht dazu verführen, Unfallereignis und Gesundheitsschädigung als stets nicht nur begrifflich, sondern auch zeitlich voneinander zu trennende Vorgänge zu verstehen. Denn in der Mehrzahl der in Betracht kommenden Fälle fallen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung (oder Tod) zeitlich zusammen. Ein Ereignis der Außenwelt wird nur dadurch zum Unfallereignis, daß es auf den Körper des Vten wirkt, diese Einwirkung manifestiert sich in der Regel bereits als Gesundheitsschädigung. Wer ein gleichsam isoliertes Unfallereignis anerkennt, dem eine relevante Gesundheitsschädigung in deutlichem zeitlichem Abstand nachfolgt, überschreitet leicht die Grenzen des Unfallbegriffs: Diese Gefahr wird deutlich bei Fallgestaltungen, bei denen der Vte in eine hilflose Lage gerät und anschließend verhungert oder erfriert (Nachweise Anm. G 55). Für diese Fälle hebt Henke a.a.O. S. 52 zutreffend hervor, daß ein deckungspflichtiger Unfall nur dann gegeben sei, wenn ein (echtes) erstes Unfallereignis vorangegangen sei. Daran fehle es z. B., wenn der Vte verhungere oder erfriere, weil er eingeschlossen worden sei oder sich selbst durch ein Schnappschloß versehentlich eingeschlossen habe. [G 7] c) Unterscheidung von Unfall und Unfallfolgen Die AUB verwenden (Anm. G 5) den Begriff der Unfallfolgen, sprechen aber auch von den Folgen der dem Vten zustoßenden Unfälle ( § 1 ) und von den Folgen eines Unfallereignisses (§ 2 (3) IV). Über die richtige Begriffsbildung herrscht Unklarheit. Diese hat eine Parallele in der allgemeinen vsrechtlichen Fragestellung, ob in der Schadensv die Entstehung von Bedarf und Schaden Merkmale des Begriffs Vsfall seien, vgl. hierzu Bruck-Möller Anm. 33 vor §§ 49—80. 248

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I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs

Anm. G 7

In der privaten Unfallv ergeben sich nicht alle Voraussetzungen für die Entschädigungspflicht des Vers aus dem Unfallbegriff. Dieser setzt lediglich voraus, daß der Vte infolge eines Unfallereignisses eine Gesundheitsschädigung (oder Tod) erlitten haben muß. Tod oder körperliche Schädigung lösen nur dann eine Leistungspflicht des Unfallvers aus, wenn ferner die Voraussetzungen des § 8 AUB erfüllt sind. Das bedeutet: Eine Gesundheitsschädigung ist nur dann im Unfallvsrecht relevant, wenn sie von der Qualität ist, daß sie eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) oder die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung (§ 8 IV., V. und VI.) zur Folge hat oder sich als eine der in § 8 II. (2) genannten Arten der Verletzung (Gliedertaxe) darstellt. Die Todesfallentschädigung gemäß § 8 I AUB ist nur dann zu zahlen, wenn das Unfallereignis (innerhalb eines Jahres) zum Tode des Vten führt. Hieraus ergibt sich: Eine Gesundheitsschädigung als Folge eines Unfallereignisses ist nur dann i.S. des Unfallvsrechts bedeutsam, wenn die Gesundheitsschädigung i. S. des § 8 AUB relevant ist. Sie ist es, wenn sie den Vten arbeitsunfähig macht oder zur Heilbehandlung nötigt, ferner, wenn sie seinen Tod zur Folge hat. Invalidität und Heilbedürftigkeit sind also (wiederum) nicht Folge eines Unfalles i. S. eines zeitlich daran anschließenden Geschehens, sie sind vielmehr dessen Teil, weil sie nichts anderes bedeuten als die Kennzeichnung der vom Vten erlittenen Gesundheitsschädigung in einem bestimmten Sinnzusammenhang. Anders ausgedrückt: Die Invalidität als Unfallfolge ist nicht ein zeitlich an eine Gesundheitsschädigung anschließender Vorgang oder Zustand, sondern die Bewertung dieser Gesundheitsschädigung in einem gleichsam arbeitsrechtlichen Sinnzusammenhang. Sie macht den Vten unfähig, seiner Arbeit nachzugehen. Dabei darf nicht verkannt werden, daß die als Folge des Unfallereignisses eintretende Gesundheitsschädigung auch einer zeitlichen Entwicklung unterliegen kann. So kann eine schwere Verletzung innerhalb kürzerer oder längerer zeitlicher Frist zum Tode führen (§ 8 I. AUB). Sie kann sich, ohne zum Tode zu führen, in dem an die Verletzung anschließenden Zeitraum verringern oder verschlimmern. Solche Veränderungen des Gesundheitszustandes nach einem Unfallereignis begünstigen die Vorstellung, daß Unfallfolgen dem Unfall als einem i.S. des § 2 (1) AUB abgeschlossenen Geschehen vielfach zeitlich nachfolgen. In Wahrheit ist die Gesundheitsschädigung, soweit sie adäquate Folge des Unfallereignisses ist, der jeweils bestehende tatsächliche Stand des Unfalls als Vsfall. Der Unfall erweist sich damit vielfach nicht als punktuelles Ereignis, innerhalb dessen das Merkmal Gesundheitsschädigung eine unveränderbare Größe darstellt, sondern als ein tatsächliches Geschehen von möglicherweise einiger oder erheblicher Dauer, als gedehnter Vsfall (Anm. G 9—13). Die Trennung von Unfall und Unfallfolgen entspricht auch einem praktischen Erfordernis: Der marktgerecht handelnde Ver muß die Möglichkeit haben, sowohl die Gefahrbeschreibung als auch die Art der Entschädigungsleistung zu variieren, ohne jeweils ein völlig neues, dem besonderen Wunsche des Kunden entsprechendes Vertragswerk erstellen zu müssen. So kann er z. B. durch Vereinbarung der Infektionsklausel für Ärzte pp. oder durch Übernahme von Risiken im Zusammenhang mit gefährlichen Veranstaltungen (§ 4 (4) AUB) seine Gefahrtragung erweitern, ohne daß die in § 8 AUB genannten Entschädigungsleistungen davon berührt werden. Andererseits kann sich ein Vmer mit der Übernahme der normalen Unfallgefahr begnügen, an einer Todesfallentschädigung dagegen uninteressiert sein, so daß von seinem Wunsch, das in den AUB normierte Vertragswerk zu verändern, nur die Bestimmung des § 8 AUB betroffen wird. Aus diesem — praktischen — Grunde empfiehlt Gerkrath ZVersWiss 1906 S. 2, die Lehre von den Unfallfolgen in ein besonderes, von der Begriffslehre des Unfalls (Risikobeschreibung) getrenntes Kapitel zu verweisen. In dieser Weise waren schon die Verfasser der Verbands-Bedingungen von 1904 verWagner

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Anm. G 8

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

fahren. Eine solche Trennung der Darstellung von Unfall und Unfallfolgen hat nichts mit der vielfach diskutierten Frage zu tun, ob der Unfall selbst eine Gesundheitsschädigung sei, deren Ursache ein Ereignis bildet, oder ob der Unfall ein Ereignis sei, das eine Gesundheitsschädigung zur Folge habe. Diese Fragestellung, die in BGH 23.1.1954 BGHZ Bd 12 S. 129, 18. XII. 1954 BGHZ Bd 16 S. 38 und 8. II. 1960 B G H Z Bd 32 S. 44 anklingt, beschreibt ein Scheinproblem, wie ebenfalls schon Gerkrath a.a.O. S. 1 - gegen Hiestand, Grundzüge S. 38 - klargestellt hat: Der Begriff des Unfalls ist ein Vorgang, der als Tatbestandsmerkmal ein auf den Körper wirkendes Ereignis und als dessen Folge eine Gesundheitsschädigung umfaßt. Der Gesamtvorgang bildet den Unfall und damit den Vsfall.

[G 8] d) Unfall und Versicherungsfell Die nahezu einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung setzt für die private Unfallv Vsfall mit Unfall gleich; Haidinger VersR 1952 S. 412, Wussow4 AUB § 2 Anm. 2, S. 54 oben, Prölss-Martin21 § 182 Anm. 3, Bruck, Voraufl. § 182 Anm. 5, Henke, Ausschlüsse S. 50; modifizierend Wriede, Der gedehnte Versicherungsfall S. 126—129 mit der Maßgabe, daß dies nur gelte, soweit die Unfallv nicht Schadensv sei, im gleichen Sinne, wenn auch nicht im Zusammenhang mit dem Vsfall, BruckMöller Anm. 31 vor §§ 49—80, wo die Gefahrverwirklichung erst für denjenigen Zeitpunkt bejaht wird, in dem — für die Unfallv als Schadensv — die Kosten eines Heilverfahrens notwendig werden. — In der Rechtsprechung werden Unfall und Vsfall ebenfalls als gleichbedeutend bezeichnet: OLG Hamm 25. IV. 1927 JRPV 1927 S. 261 bezeichnet den Unfall als Voraussetzung für den Anspruch des Klägers als Vsfall. Im Falle KG 20. IV. 1929 JW 1929 S. 2062 mit Anm. Gerhard = JRPV 1929 S. 222 war der Vte, nachdem er sich gemäß § 39 im Prämienzahlungsverzug befunden hatte, von der Straßenbahn überfahren worden. Danach zahlte seine Ehefrau die Prämie. Erst danach starb der Vte. KG nimmt Leistungsfreiheit nach § 39 an, es sei erst nach dem Unfall gezahlt worden. Dieser liege bereits im Überfahrenwerden des Vten. In einem obiter dictum bezeichnet KG 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 246 1. Sp. oben Gasvergiftung als Unfall und zugleich als Vsfall, wobei für die Kennzeichnung als Unfall der Lebenssprachgebrauch herangezogen wird. RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297-300 Nr. 2482 = JRPV 1932 S. 370-372 hält den Sturz des Vten auf einer Treppe, der für die Folgezeit zu Ohnmachtsanfällen führt, für einen Unfall und damit für einen Vsfall. Der 10 Monate später eintretende Tod durch Gasvergiftung, den der Vte infolge Sturzes nach einer Ohnmacht erlitten habe, sei Unfallfolge, nicht mehr Vsfall. Diese Frage wird hier wegen des Ausschlußgrundes der Ohnmacht für bedeutsam gehalten. BGH 23.1. 1954 BGHZ Bd 12 S. 129-139 erklärt im Zusammenhang mit Umstellungsrecht, in der Unfallv sei Unfall der Vsfall. Der Tod sei nur Unfallfolge. BGH 18. VII. 1954BGHZBd 16S.38-50(42-43)grenztdieLebensvmitInvaliditätszusatzv von der Unfallv ab und schließt sich in diesem Zusammenhang der herrschenden Meinung an, wonach der Vsfall bei der Unfallv der Unfall selbst sei, „also die Gesundheitsbeschädigung, die unter den in § 2 AUB bezeichneten Umständen eintritt". Auf den Eintritt der Unfallfolgen (Arbeitsunfähigkeit oder Tod) komme es nicht an. Sie bestimmten allerdings den Inhalt der Leistungspflicht des Unfallvers (a.a.O. S. 43). BGH 8.II. 1960 BGHZ Bd 32 S. 4 4 - 5 3 folgt dieser Auffassung für die Insassenunfallv mit einer kurzen Bemerkung. OLG Saarbrücken 18. VI. 1971 VersR 1973 S. 461 deutet Bedenken gegen die h. M. an. Das Gericht läßt es dahingestellt, ob ihr zu folgen sei, weil es für seine Entscheidung darauf nicht ankommt, vgl. Anm. G 12. 250

Wagner

I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs

Anm. G 11

[G 9] e) Unfall und gedehnter Versicherungsfall aa) Allgemeines Der Ausdruck Versicherungsfall ( § 1 1 1 W G ) deutet sprachlich auf ein in einem kurzen Zeitraum, oftmals momentan sich vollziehendes, gleichsam punktuelles Ereignis. Demgegenüber ist anerkannt, daß sich der Vsfall häufig nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt fixieren läßt, sondern einen längeren Zeitraum umfaßt. Hieraus rechtfertigt sich die Verwendung des Begriffs des gedehnten Vsfalles (im einzelnen BruckMöller § 1 Anm. 49 und Anm. 34 vor §§ 49-80). Diese Feststellung gilt auch für Geschehensabläufe, die als Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB zu werten sind. Das ist für das Problem sog. „überhängender Vsfälle" oben Anm. D 15-18 bereits dargestellt worden, vgl. auch Anm. G 7. Danach sind in der Unfallv drei Möglichkeiten gedehnter Vsfälle zu unterscheiden: Das Unfallereignis selbst kann eine gewisse Zeitdauer in Anspruch nehmen: Der Vte wird in der Neujahrsnacht von einem Betrunkenen mißhandelt. Sodann kann die Folge des Unfallereignisses diesem nach Ablauf einer nicht unerheblichen Zeit nachfolgen (Beispiel: § 8 I. AUB - der Tod als Folge des Unfallereignisses folgt diesem innerhalb eines Jahres zeitlich nach). Schließlich kann die Gesundheitsschädigung über einen längeren Zeitraum wirksam sein, indem sie bis zur endgültigen Heilung etwa mehrere Monate bestehen bleibt. Den oben (Anm. D 15) genannten drei Möglichkeiten ist im Hinblick auf die erstgenannte eine weitere hinzuzufügen: Eine Dehnung des Unfalles als Vsfall kann sich auch daraus ergeben, daß mehrere Unfallereignisse nacheinander stattfinden. Dabei ist an die unter Anm. G 6 genannten Fälle gedacht, bei denen Temperatur und Witterungseinflüsse nur dann als Einwirkung auf den Körper des Vten bedeutsam sind, wenn ihre Einwirkung kraft eines vorher stattgehabten Unfallereignisses (Beinbruch mit Folge der Bewegungsunfähigkeit) möglich ist. [G 10] bb) Gedehntes oder mehraktiges Unfallereignis Das Unfallereignis kann gedehnt sein, so z. B., wenn über einen längeren Zeitraum auf den Vten eingeschlagen wird. Fälle diese Art sind praktisch kaum bedeutsam; vgl. oben Anm. D 16. Von einiger Bedeutung sind dagegen mehraktige Unfallereignisse. Anschaulicher Beispielsfall: RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297-300 Nr. 2482 = JRPV 1932 S. 370—371. Hier war der Vte gestürzt. Als Folge dieses Sturzes war eine Ohnmachtsneigung Übriggeblieben. Sie führte einige Monate später zu einer Ohnmacht des Vten, der dabei durch ausströmendes Gas getötet wurde. Das Gericht sieht den gesamten Vorgang als einen Unfall an, formuliert aber mißverständlich, indem es in den Entscheidungsgründen vom ersten und vom zweiten Unfall spricht. Bezogen auf den deckungspflichtigen Unfall handelt es sich hier um ein gedehntes oder mehraktiges Unfallereignis, das vom ersten Sturz bis zum Einatmen des Gases einige Monate später andauert. Vgl. im übrigen Anm. G 7. [G 11] cc) Zeitraum zwischen Unfallereignis und dessen Folgen Dem Unfallereignis können verschiedenartige Gesundheitsschädigungen oder der Tod des Vten in deutlichem zeitlichem Abstand nachfolgen. Ein Beispiel hierfür ergibt sich aus § 8 I AUB: Der Tod ist eine deckungspflichtige Folge des Unfallereignisses, wenn er ihm innerhalb eines Jahres zeitlich nachfolgt. Weitere Beispiele für einen deutlichen zeitlichen Abstand zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung ergeben sich aus den oben Anm. F 37 zitierten Entscheidungen, bei denen vielfach zunächst als geringfügig angesehene Verletzungen nach einiger Zeit zu erheblichen Gesundheitsschädigungen führten. In der ärztlichen Praxis stehen hierfür Kopf- und Wagner

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Anm. G 14

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Rückgratsverletzungen im Vordergrund. In dem von KG 20. IV. 1929 JW 1929 S. 2062 mit Anm. Gerhard = JRPV 1929 S. 222 entschiedenen Falle war der Vte, nachdem er sich i.S. des § 39 im Prämienzahlungsverzug befunden hatte, von der Straßenbahn überfahren worden. Jetzt erst zahlte seine Ehefrau die Prämie, danach verstarb der Vte. Das Gericht nimmt Leistungsfreiheit nach § 39 an, die Zahlung sei erst nach dem Unfall erbracht worden, dieser liege bereits im Uberfahrenwerden des Vten. Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend. Bei gedehnten Vsfällen genügt es, daß der Vsfall begonnen hat (eingetreten ist), Bruck-Möller § 38 Anm. 19 und § 39 Anm. 35. [G 12] dd) Gedehnte Uniallfolgen Beispiele für gedehnte Unfallfolgen sind in § 8 II. III. IV und VI AUB mittelbar aufgeführt: Die dort genannten Entschädigungsleistungen setzen voraus, daß die jeweilige Gesundheitsschädigung in Gestalt von Invalidität oder Notwendigkeit der Heilbehandlung über einen längeren Zeitraum andauert. Die AUB begrenzen den entschädigungspflichtigen Dehnungszeitraum für die einzelnen Arten der Leistung auf ein Jahr. Dieser Dehnungsabschnitt entspricht dem gedehnten Vsfall in der PKV. In diesem Zusammenhang stellt sich ein in Rechtsprechung und Schrifttum bisher, soweit ersichtlich, nicht behandeltes Problem: Schließt sich der Tod zeitlich kausal an eine Gesundheitsschädigung an, so handelt es sich insoweit um einen Vsfall mit verschiedenartigen Folgen eines Unfallereignisses. Kommt es dagegen sogleich zum Tod des Vten als unmittelbare Folge des Unfallereignisses, so liegt im wörtlichen Sinne keine Gesundheitsschädigung vor. Dieser Unterschied kann bedeutsam sein für die Frage der Freiwilligkeit (unten Anm. G 70). In dem von OLG Stuttgart 1. III. 1977 VersR 1977 S. 1026 entschiedenen Fall war der Vte mit der Gesundheitsschädigung (Würgen) einverstanden gewesen, mit dem Tode jedoch nicht. Deshalb kam es nur darauf an, ob er mit derjenigen Einwirkung auf seinen Körper einverstanden war, die dann kausal zum Tode führte. [G13] ee) Bedenken gegen die Gleichstellung von gedehntem Versidierungsfall und Unfall aaa) Problemstellung Wriede, Der gedehnte Vsfall S. 126-129 äußert Bedenken gegen die aus der Deutung des Unfalls als gedehnten Vsfall folgende Vorverlegung des im Sinne des § 11 1 W G maßgeblichen Vorganges. Diese Vorverlegung sei unzulässig, soweit die Unfallv als Schadensv betrieben werde, vgl. auch Bruck-Möller Anm. 31 vor §§ 49—80, wo die Gefahrverwirklichung erst für den Zeitpunkt bejaht wird, in dem was die Unfallv als Schadenv anlangt — Kosten eines Heilverfahrens notwendig werden. Wriede a.a.O. ist der Auffassung, daß hier zum Nachteil des Vmers gegen relativ zwingendes Recht verstoßen wird. Was gemeint ist, wird deutlich in dem vom KG 20. IV 1929 JW 1929 S. 2062 = JRPV 1929 S. 222 entschiedenen Fall. Der für die Nachholung der verzögerten Prämienzahlung maßgebliche Zeitpunkt wird in der Weise vorverlegt, daß bereits das Unfallereignis die deckungswahrende Nachzahlung ausschließt. [G 14] bbb) Stellungnahme Gegen die von Wriede a.a.O. S. 126—129 dargestellten Bedenken soll hier der h. M. gefolgt werden, wonach der Unfall mit dem Vsfall identisch ist, und zwar auch dann, wenn es sich um einen gedehnten Vsfall handelt. Diese Auffassung vermeidet eine Zweiteilung des Vsfalles innerhalb eines einheitlichen Vsvertrages. Schutzwürdige Interessen des Vmers werden hierdurch nicht beeinträchtigt. Nach richtiger Auffassung 252

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I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs

Anni. G 15

ist für den Eintritt des Vsfalles im Sinne der §§ 38, 39 dessen Beginn maßgeblich. Er nimmt dem Vertrag das Element des Ungewissen, dessen Sinn es widerspricht, daß der Vmer noch mit anspruchserhaltender Wirkung zahlen kann, im Ergebnis ebenso Bruck-Möller § 38 Anm. 19, § 39 Anm. 35 und Anm. 36 vor §§ 49-80. Im übrigen erscheint es als zufällig, die Summenv im Hinblick auf diese Vorschriften anders zu behandeln als die Schadensv, da der den genannten Bestimmungen zugrundeliegende Zweck für beide Vsformen gleich ist. [G 15] 5. Primäre und sekundäre Risikobegrenzung a) Unfallbegriff und Grenzfälle Die AUB stellen in § 2 die Definition des Unfalles voran und lassen ihm unter § 2 (2) die sog. positiven und unter (3) die sog. negativen Grenzfälle folgen. Damit stellen sich die Grenzfälle für den Leser des Bedingungstextes als Erläuterungen zum Unfallbegriff in dem jeweils dargestellten Zusammenhang dar. In diesem Sinne könnten sie als Klarstellungen bezeichnet werden, so Grewing VW 1950 S. 332 r. Sp., ähnlich Henke, Ausschlüsse S. 36, der aber, wie sich aus seinen Ausführungen S. 24 ergibt, den Begriff der Klarstellungen auch als Oberbegriff für Ein- und Ausschlüsse verwendet. Aus dem Bericht von Grewing über die Entstehungsgeschichte der AUB von 1961 S. 9 ergibt sich, daß die Verfasser der neuen Bedingungen den Begriff der Grenzfälle weder im Sinne von Erläuterungen des Unfallbegriffs verstanden wissen wollten noch mit diesem Begriff ein systematisches Anliegen verfolgten. Mit der Überschrift Unfallbegriff und Grenzfälle sollte durch die Konjunktion deutlich gemacht werden, daß es sich hier um zwei verschiedene Begriffe handelt, Grewing a.a.O. S. 9. Das bedeutet, daß der Begriff des Grenzfalls von dem des Unfalls gelöst worden ist und nicht (mehr) dem Zweck dient, ihn zu erläutern oder zu ergänzen. Diese Loslösung des Grenzfalls vom Unfallbegriff wird durch die Eingangssätze der positiven und negativen Grenzfälle konsequent fortgeführt, wenn es dort jetzt nicht mehr heißt, „Als Unfälle gelten auch" bzw.: „. . . nicht" sondern „Unter den Versicherungsschutz fallen auch" und „Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz". Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß für die dort genannten Tatbestände Versicherungsschutz besteht oder nicht besteht, ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Merkmale des Unfallbegriffs. Man war der Auffassimg, daß hierdurch auch systematische Schwierigkeiten vermieden würden, die dadurch entstehen könnten, daß die in diesen Paragraphen aufgeführten Tatbestände sich hinsichtlich der Vollständigkeit der Begriffsmerkmale nicht einheitlich zum Unfallbegriff verhalten (Grewing a.a.O. S. 9). Hieraus ergibt sich, daß die im Jahre 1950 von Grewing (VW 1950 S. 332-333) formulierten Forderungen und Erwartungen im Hinblick auf eine in ihrer Systematik klar und folgerichtig aufgebaute Gefahrbeschreibung nicht erfüllt worden sind. Seine Befürchtungen, dies könne zu Unklarheiten und zu Verschiebungen der Beweislast führen, wiegen allerdings für die Praxis nicht schwer, denn der Vmer muß als Anspruchssteiler unabhängig von der Fassung der Grenzfälle beweisen, daß das ihm widerfahrene schädigende Ereignis die Merkmale des Unfallbegriffs oder eines Einschlusses erfüllt. Der Ver muß dagegen — erst danach - den Beweis führen, daß Deckungsschutz wegen eines Ausschlußtatbestandes nicht besteht. Nach allem erweist sich die Verwendung des Begriffs Grenzfall als überholt und für die GefahrbeschreiWagner

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Anm. G 18

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

bung in der Unfallv ohne greifbaren Wert. Er sollte in künftigen Fassungen der AUB durch klare Formulierung als Ein- oder Ausschluß ersetzt werden. [G 16] b) Unfallbegriff und Einschlüsse Dem Ver steht es frei, neben der primär übernommenen Gefahr weitere Risiken zu decken. Das geschieht in vielen Vszweigen hinsichtlich solcher Gefahren, die dem primären Risiko nahestehen, d.h. ihm in der Wertung durch den Vmer gleichsam benachbart sind. In der Allgemeinen Unfallv sind nach der Fassung der derzeit geltenden AUB die als positive Grenzfälle in § 2 (2) genannten Vorgänge als echte Einschlüsse anzusehen. Die in § 2 (2) a AUB genannten Kraftanstrengungen, die Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gliedmaßen und Wirbelsäule zur Folge haben, sind traditionsgemäß, nämlich in ähnlicher Form seit den Verbands-Bedingungen von 1904, in den Vsschutz eingeschlossen. Im Jahre 1972 sind sie dahingehend geändert worden, daß keine plötzliche Kraftanstrengung mehr gefordert, der Schutz aber auf bestimmte Schädigungen bestimmter Körperteile beschränkt wird. Die Vorschrift hat als Einschluß zu gelten, weil es hier an einem von außen wirkenden Ereignis fehlt. Ebenfalls als Einschluß aufzufassen sind nach dem Willen der Bedingungsverfasser die in § 2 (2)b AUB genannten Wundinfektionen. Näheres vgl. unten Anm. G 19. [G 17] c) Unfallbegriff und Ausschlüsse aa) Begriff des Ausschlusses Ein Ausschluß ist zunächst negativ dahingehend zu definieren, daß für den dort beschriebenen Vorgang Deckungsschutz nicht besteht, obwohl alle Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt sind. Im Unfallvsrecht sind Ausschlüsse in allen Zusammenhängen des Unfallbegriffs möglich, vgl. Bruck-Möller § 49 Anm. 131-132 und unten Anm. G 82. Gefahrenausschlüsse sind in §§ 3 ( l ) - ( 4 ) , 4 (4) und 10 (3) AUB enthalten, wegen einiger negativer Grenzfälle vgl. unten Anm. G 133. In anderen Fällen sind bestimmte Folgen eines Unfallereignisses vom Deckungsschutz ausgenommen, vgl. z. B. § 10 (2), 3 (5) AUB. Soweit die sog. negativen Grenzfälle Ausschlüsse enthalten, ist es im Sinne einer klaren und übersichtlichen Darstellung erwünscht, sie als Ausschlüsse zu bezeichnen und unter einer entsprechenden Überschrift - wie zur Zeit zu § 3 AUB — aufzuführen. [G 18] bb) Darstellung der Ausschlüsse Für den Bedingungstext und seine Kommentierung stellt sich in gleicher Weise die Frage, in welcher Weise die für die Gefahrbeschreibung besonders wichtigen Ausschlüsse in der Darstellung anzuordnen sind. Die Darstellung in den AUB derzeitiger Fassung muß als unübersichtlich bezeichnet werden. Ausschlüsse im vorstehend G 17 genannten Sinne finden sich in §§ 2 (3), 3, 4 (4) und 10 AUB. Zumindest die in § 10 AUB normierten Ausschlüsse müssen, bezogen auf die Systematik des Bedingungstextes, als versteckt im Sinne des § 3 AGB-Gesetz gewertet werden, vgl. Wagner ZVersWiss 1977 S. 135 — 137. Zwar ist es nicht Zweck und Anliegen von AVB, die Gefahrbeschreibung nach systematischen Gesichtspunkten zu ordnen (Wagner a.a.O. S. 133). Es kann jedoch nicht zweifelhaft sein, daß die notwendige Übersichtlichkeit und Verständlichkeit für den Vmer nur gewahrt ist, wenn die gesamte Gefahrbeschreibung innerhalb des Bedingungstextes in demselben Abschnitt dargestellt wird. Eine rechtssystematisch orientierte Darstellung sollte den Unfall als Vorgang werten und die Darstellung der Ausschlüsse in der logischen und zeitlichen Reihenfolge anordnen, die dem Unfallhergang entspricht. Hiernach sind Gefahrenausschlüsse 254

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I. Bedeutung und Entwicklung des Unfallbegriffs

Anni. G 20

an erster und die bestimmte Folgen des Unfallereignisses ausschließenden Tatbestände an letzter Stelle darzustellen. Diese Darstellungsform entspricht der Vorstellung von einem Unfall als kausalbedingtem Geschehensablauf. Er beginnt mit der Einwirkung und endet mit Gesundheitsschädigung oder Tod. [G 19] d) Klarstellungen Als Klarstellungen werden Erläuterungen der primären Risikobeschreibungen bezeichnet, die keine Veränderung der übernommenen Gefahr zum Inhalt haben, vgl. Möller VersPrax 1936 S. 59 und Henke, Ausschlüsse S. 25-26. Sie sind ein problematisches Instrument der Gefahrbeschreibung, weil sie das Gegenteil des bezweckten Erfolges bewirken können, so wenn sie inhaltlich etwas so Selbstverständliches ausdrücken, daß sie zu einer ihrem Zweck zuwiderlaufenden, nämlich den Gefahrenbereich verändernden Auslegung herausfordern. Ein Beispiel hierfür bildet die Auslegung des § 2 (2) b AUB als Einschluß, vgl. unten Anm. G 119. RG 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 313 begründet diese Auslegung mit der Erwägung, daß anderenfalls diese Bestimmung nur etwas zum Ausdruck bringe, was sich schon aus dem Unfallbegriff ergebe. Demgegenüber ergibt ein Vergleich mit § 3 III der AVB von 1910, daß die Aufzählung u.a. von Blutvergiftungen als positive Klarstellung gewertet wurde, weil sie anderenfalls in die Einschlüsse der § 4 übernommen worden wären. Die Notwendigkeit einer solchen Klarstellung ergab sich damals aus dem Ausschluß der Infektionskrankheiten in § 3 IV lit. a. An diesem Zustand haben die AVB von 1920, wie sich aus der Begründung VA 1920 S. 93 ergibt, nur insoweit etwas ändern wollen, als sie nunmehr weitgehend Wundinfektionen deckten, und zwar auch dann, wenn der Ansteckungsstoff erst zeitlich dem Unfall nachfolgend in den Körper eingedrungen war. Spätere AVB haben an dieser Fassung nichts mehr geändert, so daß die vom RG angestellte Überlegung durch die historische Entwicklung widerlegt wird, zutreffend Henke, Ausschlüsse S. 3 7 - 3 9 . [G 20] e) Bedeutung des Lebenssprachgebrauchs für die Auslegung des Unfallbegriffs Der Unfallbegriff hat sich aus dem Lebenssprachgebrauch entwickelt, vgl. Gerkrath ZVersWiss 1906 S. 1. Dieser wirkt sich bei der Auslegung des Unfallbegriffs im ganzen und seiner einzelnen Merkmale immer wieder aus. Das führt nicht selten zu Ungenauigkeiten und Fehlern in der Subsumtion und gelegentlich auch zu Begründungen von gerichtlichen Entscheidungen, die — gemessen am Wortlaut des Bedingungstextes - nicht nachvollziehbar sind. So heißt es bei KG 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 245—247 ohne weitere Begründung oder Nachweis - auch insoweit gebilligt durch RG 10. I. 1928 RGZ Bd 120 S. 1 8 - 2 0 als Revisionsgericht - , daß der Tod durch Einatmen von Kohlenoxydgas allgemein als Unfall bezeichnet werde. Beide Instanzen umgehen in kaum vertretbarer Weise unter Berufung auf den Lebenssprachgebrauch den bedingungsgemäßen Ausschluß der „Vergiftungen". In einer Reihe von Entscheidungen fehlt bei Stattgeben der Deckungsklage eine tragfähige Subsumtion des Unfallbegriffs. Die Gründe lassen in solchen Fällen gelegentlich vermuten, daß ein Unfall ohne juristische Reflexion im Sinne des weitgefaßten Begriffs eines „Unglücksfalles" angenommen wird: Vgl. etwa OLG Bremen 6. X. 1933 JRPV 1934 S. 109-110, wo der nicht problematische Deckungsschutz (der Vte war mit Kfz ins Hafenbecken gefahren und ertrunken) mit dem nicht vertretbaren Satz bejaht wird, auch plötzliche Bewußtseinsstörungen seien ein . . . von außen . . . wirkendes Ereignis. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 bejaht ein Unfallereignis für das Zerspringen der Windschutzscheibe eines PKW aufgrund eines dagegenfliegenden Steines und verwechselt damit, wenn nicht auch hier (außerjuristisch) Unfall mit Unglück gleichgesetzt wird, den Unfall i. S. des § 12 AKB (Sachschaden) mit dem des § 2 (1) AUB. Dagegen Wagner

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Anm. G 20

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

entspricht die Gewährung von Deckungsschutz trotz unvollständigen (kupierten, vgl. unten Anm. G 55) Unfallereignisses einem am Lebenssprachgebrauch orientierten Verständnis des Vmers vom Unfallbegriff; vgl. ζ. B. BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341—342, wo das Unbeweglichwerden eines Bergsteigers, dessen Seil sich nach Vereisung verhängt hatte und der infolge Erschöpfung und Erfrierens gestorben war, einem Unfallereignis „gleichgestellt" wird. Eine in Wahrheit weniger auf den Wortlaut des Unfallbegriffs als auf einen weitergefaßten Zusammenhang abstellende Auslegung liegt der Auskunft des Reichsaufsichtsamts VA 1938 S. 83 zugrunde, eine Hinrichtung sei kein Unfall, das natürliche Empfinden lehne sich dagegen auf, die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs als Unfall zu bezeichnen. Die weitere Bemerkung, es fehle an Plötzlichkeit und Unfreiwilligkeit weil sich der Täter mit der Tat freiwillig dem Hinrichtungstod ausgesetzt habe, gibt hier nur eine Hilfserwägung wieder, die hinsichtlich der Freiwilligkeit nicht vertretbar ist. In ähnlicher Weise dürfte OLG Düsseldorf 27. VII. 1936 VA 1936 S. 238-239 Nr. 2914 zu verstehen sein, das einen Unfall für den Tod durch Erschießen eines nach Verhaftung Flüchtenden mangels Plötzlichkeit und Unfreiwilligkeit verneint. Auch hier dürften teleologisch-rechtspolitische Gründe mitgewirkt haben. Schließlich wird der Tod in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager von KG 3. IV. 1950 VersR 1950 S. 99 und KG 11. VI. 1957 VersR 1957 S. 702 ohne Subsumtion im veröffentlichten Teil der Entscheidungen — nicht als Unfall anerkannt. - Die Verneinung der Unfallqualität für Hinrichtung und Tod durch Wachmannschaft eines Lagers, die mit dem Fehlen der Plötzlichkeit begründet wird, dürfte ebenfalls auf Gründen beruhen, die nur insoweit innerhalb des Unfallbegriffs und des Unfallvsrechts liegen, als — unabhängig von der Frage der Gefahrerhöhung — bezweifelt werden muß, daß der Unfallver solche Risiken decken wollte, sich ihr Ausschluß mithin nicht aus dem Wortlaut, wohl aber aus dem Sinne und der von beiden Seiten gemeinsam vorausgesetzten Gefahrensituation (Geschäftsgrundlage) ergibt. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Henke, Ausschlüsse S. 30—31 mit Nachweisen in Fußnoten 124—128 und oben Anm. F 32. II. Die Merkmale des Unfallbegriffs Gliederung: 1. Das Unfallereignis als erste Stufe des Unfallgeschehens Anm. G 21-26 a) Vorbemerkung Anm. G 21 b) Ereignis Anm. G 22 c) Wirken des Ereignisses Anm. G 23 d) Wirken auf den Körper des Vten Anm. G 24 e) Von außen wirkendes Ereignis Anm. G 25 f) Merkmal der Plötzlichkeit Anm. G 26 2. Praktisch bedeutsame Fallgruppen von Unfallereignissen Anm. G 27-56 a) Vorbemerkung Anm. G 27

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b) Unfallereignisse, bei denen der Vte ohne relevantes eigenes Verhalten betroffen ist Anm. G 28 aa) Korrektes (gesteuertes) Eigenverhalten des Vten Anm. G 28 bb) Gesteuertes Fremdverhalten Anm. G 29 cc) Verletzungen durch Tiere Anm. G 30 dd) Vergiftungen Anm. G 31-33 aaa) Gasvergiftungen Anm. G 31 bbb) Sonstige Vergiftungen Anm. G 32 ccc) Stellungnahme Anm. G 33 ee) Ersticken durch mechanische Vorgänge im Inneren Anm. G 34

Wagner

II. D i e Merkmale des Unfallbegriffs ff) Tod durch Ertrinken Anm. G 3 5 - 4 3 Schrifttum Anm. G 35 aaa) Ertrinken ist Unfall Anm. G 36 bbb) Ertrinken als mehraktiges Unfallereignis Anm. G 37 ccc) Ertrinken als Folge von Ohnmacht oder Schwindel Anm. G 38 ddd) Tod durch Einwirkung heißen oder kalten Wassers Anm. G 39 eee) Ertrinken infolge Erschöpfung oder Krampf Anm. G 40 fff) Ertrinken infolge Schlaganfalls oder infolge Krampfanfalls, der den ganzen Körper ergreift Anm. G 41 ggg) Beweislast und Beweis des ersten Anscheins Anm. G 4 2 - 4 3 aaaa) Beweislast Anm. G 42 bbbb) Erster Anschein Anm. G 43 c) Unfallereignisse, zu denen das eigene Verhalten des Vten beigetragen hat Anm. G 4 4 - 5 4 aa) Vorbemerkung Anm. G 44 bb) Vom Betroffenen nicht gewollte Kollision mit der Außenwelt Anm. G 45 aaa) Stürze Anm. G 45 bbb) Andere Eigenbewegungen mit nicht gewollter schädlicher Folge Anm. G 46 ccc) Nachträglicher Verlust der Beherrschungsmöglichkeit Anm. G 47 cc) Überblick über die Rechtsprechung Anm. G 4 8 - 5 0 aaa) Beherrschtes Eigenverhalten mit ungewollter Gesundheitsschädigung Anm. G 48 bbb) Unfall bejaht Anm. G 49 ccc) Unfall verneint Anm. G 50 17

B r u c k - M ö l l e r , V V G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

dd) Zusammenfassung und eigene Würdigung Anm. G 51 ee) Elektrizität und Blitzschlag Anm. G 5 2 - 5 3 aaa) Elektrischer Strom Anm. G 52 bbb) Einwirkung von Blitzschlag Anm. G 53 ff) Zustand als Unfallereignis? Anm. G 54 d) Erweiterung des Unfallbegriffs: „Kupiertes Unfallereignis" Anm. G 5 5 - 5 6 aa) Uberblick über die Rechtsprechung Anm. G 55 bb) Stellungnahme Anm. G 56 3. Das Merkmal der Plötzlichkeit Anm. G 5 7 - 6 1 a) Standort im Unfallbegriff Anm. G 57 b) Geschichte Anm. G 58 c) Zweck und Inhalt des Merkmals der Plötzlichkeit Anm. G 5 9 - 6 0 aa) Inhalt Anm. G 59 bb) Zweck Anm. G 60 d) Überblick über die Rechtsprechung zur Plötzlichkeit Anm. G 61 4. Gesundheitsschädigung Anm. G 6 2 - 6 6 a) Bedeutung innerhalb des Unfallbegriffs Anm. G 62 b) Sprachgebrauch Anm. G 63 c) Inhalt des Merkmals Gesundheitsschädigung Anm. G 6 4 - 6 6 aa) Inhalt im Rahmen des Unfallbegriffs Anm. G 64 bb) Bedeutung des § 8 AUB für den Begriff der Gesundheitsschädigung Anm. G 65 cc) Unfall und Unfallfolge Anm. G 66 5. Erfordernis der unfreiwillig erlittenen Gesundheitsschädigung Anm. G 6 7 - 7 8 Schrifttum Anm. G 67

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Aron. G 21

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

a) Bedeutung der Unfreiwilligkeit innerhalb des Unfallbegriffs Anm. G 68 b) Auslegung des Merkmals unfreiwillig Anm. G 6 9 - 7 1 aa) Sprachgebrauch Anm. G 69 bb) Begriff der Unfreiwilligkeit Anm. G 70 cc) Abgrenzung zur Freiwilligkeit Anm. G 71 c) Selbstmord im Zustand beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit oder Bewußtseinsstörung Anm. G 7 2 - 7 3 aa) Abgrenzung Anm. G 72 bb) Selbstmord oder Selbstverstümmelung als mittelbare Folge eines Unfallereignisses Anm. G 73 d) Beweislast für Unfreiwilligkeit Anm. G 7 4 - 7 8 aa) Rechtszustand bis 1967 Anm. G 74 bb) Änderung der Beweislast durch Gesetz vom 30. VI. 1967 Anm. G 7 5 - 7 8 aaa) Inhalt des Änderungsgesetzes Anm. G 75 bbb) Reichweite und Inkrafttreten der Neuregelung Anm. G 76 ccc) Auswirkung der Gesetzesänderung Anm. G 7 7 - 7 8 aaaa) Vorstellung des Gesetzgebers Anm. G 77 bbbb) Prognose Anm. G 78 6. Kausalität Anm. G 7 9 - 9 4 Schrifttum: Anm. G 79 a) Bedeutung der Kausalität im allgemeinen Haftungsrecht Anm. G 80

b) Bedeutung der Kausalität im Unfallvsrecht Anm. G 8 1 - 9 4 aa) Bedeutung der Kausalität innerhalb des Unfallgeschehens Anm. G 82 bb) Kausalitätsprobleme außerhalb des Unfallbegriffs Anm. G 8 3 - 8 4 aaa) Sog. positive Kausalität Anm. G 83 bbb) Sog. negative (haftungshindernde) Kausalität Anm. G 84 cc) Bedeutung der Kausalität im Rahmen des Unfallereignisses Anm. G 8 5 - 8 7 aaa) Haftungsbegründende Kausalität Anm. G 85 bbb) Kausalität und Hinwirkung Anm. G 86 ccc) Uneinheitliche Rechtsprechung Anm. G 87 dd) Folgen des Unfallereignisses Anm. G 8 8 - 9 4 aaa) Haftungsausfüllende Kausalität Anm. G 88 bbb) Konkurrierende Kausalität Anm. G 89 ccc) Überblick über Ausschluß und Begrenzung der Deckungspflicht nach den AUB Anm. G 90 ddd) Haftungsbegrenzung durch das Erfordernis der Adäquanz Anm. G 91 eee) Adäquanz und Schutzzwecklehre Anm. G 92 fff) Haftungsausfüllende Kausalität in der Rechtsprechung zum Unfallvsrecht Anm. G 93 ggg) Hypothetische Kausalität Anm. G 94

[G 21] 1. Das Unfallereignis als erste Stufe des Unfallgeschehens a) Vorbemerkung Nach § 2 ( 1 ) AUB liegt ein Unfall vor, wenn der Vte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Oben Anm. G 5 ist bereits darauf hingewiesen worden, daß diese Unfalldefinition 258

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Anm. G 23

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

auf ein zweiaktiges Geschehen deutet, dessen erste Stufe das auf den Körper . . . wirkende Ereignis darstellt, und das sich in der hieraus verursachten Gesundheitsschädigung als zweitem Akt fortsetzt. Für die Struktur des Unfallbegriffs in erster Linie bedeutsam ist das auf den Körper des Vten . . . wirkende Ereignis, für das von Henke, Die Ausschlüsse und Grenzfälle in der Unfallv, 1950, S. 50 der Begriff U n f a l l e r e i g n i s vorgeschlagen worden ist. Mutmaßlich unter dem Eindruck der Ausführungen von Henke haben die Verfasser der AUB von 1961 diesen Begriff in §§ 2 (3) Abs. 4, 3 (3) AUB übernommen, auf eine entsprechende Änderung indessen (leider) für § 10 AUB verzichtet. Im folgenden sollen die Merkmale des Unfallereignisses — mit Ausnahme der Plötzlichkeit, die eine besondere Darstellung erfordert, vgl. unten zu 3) — zunächst in ihrer Bedeutung als Tatbestandsmerkmal untersucht (a bis d) und sodann (unter 2) die praktisch bedeutsamen Unfallereignisse nach Fallgruppen geordnet dargestellt werden.

[G 22] b) Ereignis Das E r e i g n i s ist - für sich gesehen — ein farbloses Merkmal ohne Aussagewert, das erst im Zusammenhang mit den weiteren Voraussetzungen eines Unfallereignisses Bedeutung gewinnt. Sätze wie die, daß sich das Ereignis in der Außenwelt manifestieren muß (Wussow AUB 4. Aufl. § 2 Anm. 6), augenfällig sein muß (Möller VW 1964 S. 608 Ii. Sp. unten) oder daß unter Ereignissen immer nur Vorgänge in der Außenwelt zu verstehen sind (Henke, Ausschlüsse S. 27), stellen bereits die Verbindung zu dem weiteren Erfordernis des „von außen" Wirkens her und werden in der Rechtsanwendung auch nicht in dem zitierten wörtlichen Sinne beachtet (unten zu d).

[G 23] c) Wirken des Ereignisses Daß das Ereignis (auf den Körper des Vten) w i r k e n muß, macht deutlich, daß der Unfall ein Vorgang, d. h. ein von Dritten wahrnehmbares Geschehen ist. Über Art und Qualität des Wirkens sagt der Unfallbegriff nur dann etwas aus, wenn man alle seine Merkmale in einen Sinnzusammenhang stellt: Die Wirkung des Ereignisses muß geeignet sein, eine Gesundheitsschädigung auszulösen. Auch diese Eingrenzung der möglichen Wirkungsweise ist nicht hinreichend deutlich und läßt Raum für Fehldeutungen. Diese werden durch die historische Entwicklung des Unfallbegriffs gefördert: wie oben dargestellt (Anm. G 3), haben ältere Bedingungen nur eine m e c h a n i s c h e E i n w i r k u n g als Unfallereignis gelten lassen. Ein Rest dieses Erfordernisses findet sich in den geltenden AUB noch in § 10 (3), wo für bestimmte Gesundheitsschädigungen als Ursache eine „gewaltsame . . ." Einwirkung verlangt wird. Der Fortfall dieses Erfordernisses in den Allgemeinen Vsbedingungen seit 1920 (wegen der Gründe vgl. Ziegler, Unfallbegriff S. 65—69) führte indes dazu, daß nunmehr alle Wirkungen eines Ereignisses der Außenwelt als geeignete Einwirkungen bezeichnet wurden, so z.B. auch die Wahrnehmimg eines schrecklichen Geschehens, einer Trauerbotschaft oder einer beleidigenden, kränkenden Äußerung eines Dritten, vgl. hierzu Henke, Ausschlüsse S. 4 0 - 4 2 ; Wagner ZVersWiss 1975 S. 6 3 8 - 6 4 3 ; Wussow AUB 4. Aufl. § 2 Anm. 6; Prölss-Martin 21 § 2 AUB Anm. 3. Der Versuch der Bedingungsverfasser, sog. psychische Einwirkungen, deren Folgen zu decken die Ver vor unlösbare Kalkulationsschwierigkeiten stellt (vgl. Grewing VersR 1973 S. 8 - 1 0 ) , durch Aufnahme in die sog. negativen Grenzfälle vom Deckungsschutz auszunehmen, muß als gescheitert angesehen werden (vgl. unten G 251—257). Im übrigen hat der Fortfall des Erfordernisses der mechanischen Einwirkung die (damit beabsichtigte) Folge, daß nunmehr auch chemische, thermische (vgl. aber § 2 (3)c AUB) und elektrische Einwirkungen einen deckungspflichtigen Unfall einleiten können. 17'

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Anm. G 25

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 24] d) Wirken auf den Körper des Versicherten Ein als Unfallereignis zu wertendes Geschehen setzt (u. a.) voraus, daß das Ereignis auf d e n K ö r p e r des Vten in einer Weise einwirkt, die geeignet ist, zu einer Gesundheitsschädigung zu führen. Dieses Erfordernis könnte — bei strenger Wortinterpretation — zu Einschränkungen des Unfallbegriffs in zweierlei Hinsicht führen: Zunächst müßten durch diese Formulierung Einwirkungen als unerheblich ausgeschieden werden, die unmittelbar nur auf die Seele des Vten wirken, so z.B. die Wirkung einer Trauerbotschaft, eines Unfallschocks, einer beleidigenden Äußerung. Denn diese Einwirkungen treffen nicht unmittelbar den Körper des Vten — wenn sich auch die psychische Wirkung auf den Körper nachteilig auswirken kann —, sondern seine Seele. Dagegen kann nicht eingewendet werden, daß der Dualismus Seele/Körper von der modernen Medizin bezweifelt oder verneint wird. Denn die AUB gehen (noch) von diesem Dualismus aus, vgl. § 2 (3)b AUB, und für ihre Auslegung ist der allgemeine Sprachgebrauch des täglichen Lebens, nicht aber die fachwissenschaftliche Terminologie der ärztlichen Wissenschaft maßgeblich (BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung). Danach ist der als negativer Grenzfall formulierte Ausschluß des § 2 (3)b AUB überflüssig, weil Einwirkungen auf die Seele — etwa durch Hypnose - im Rahmen eines Unfallgeschehens nicht bedeutsam sind. Zur Behandlung dieser Klausel in der Rechtsprechung vgl. unten Anm. G 252. Daß das zur Gesundheitsschädigung führende Ereignis auf den Körper wirken muß, könnte — unabhängig von dem weiteren Erfordernis des von a u ß e n Wirkens für eine Auslegung sprechen, wonach die schädliche Wirkung des Ereignisses die Außenfläche des Körpers treffen muß, also nicht im Inneren des Körpers ihren Anfang nehmen darf. Die für die Regulierungspraxis maßgebliche Rechtsprechung hat solche Erwägungen nicht angestellt, sondern den Unfallbegriff, soweit er Merkmale der Externität enthält, weitgehend als Abgrenzung zur Gefahrbeschreibung der privaten Krankenv gedeutet. [G 25] e) Von außen wirkendes Ereignis Das schon vorstehend unter c) angesprochene Merkmal des von außen Wirkens entspricht dem Empfinden, das durch den Begriff des Unfalls oder Unglücks ausgelöst wird: Diese werden — synonym — als Vorgänge reflektiert, deren schädliche Wirkung nicht auf Eigenschaften und Handlungsweisen des Betroffenen selbst beruht, sondern ihn, unabhängig davon, in einer Weise trifft, die gleichsam jedermann widerfahren kann und in diesem Sinne die Bedeutung des Schicksalhaften in den Unfallbegriff einführt. Dieses Merkmal hat dagegen nicht die sprachliche oder sachliche Funktion, die Unfallv von der Krankenv abzugrenzen. Denn das Betroffensein von nicht beherrschbaren, von außen kommenden, widrigen Umständen ist nicht Abgrenzungsmerkmal von Krankheit und Unfall: Die überwiegende Anzahl der erforschten Krankheiten gründet sich (auch, d. h. abgesehen von der Empfänglichkeit des Betroffenen) auf Umstände, die außerhalb seiner Person liegen. Die Krankheit durch Infektion ist hierfür nur ein Beispiel. Die Infektionskrankheit bezeichnet zugleich einen Grenzpunkt zwischen Kranken- und Unfallv, indem die Unfallv zwar die Infektionskrankheit als solche vom Vsschutz ausnimmt (§ 2 (3) c I AUB), dagegen die Wundinfektion (§ 2(2)b AUB) im Wege des Einschlusses deckt, obwohl sie als Folge eines Unfallereignisses nicht typisch ist (vgl. hierzu Grewing, Entstehungsgeschichte S. 13 und Wagner ZVersWiss 1975 S. 645 oben). Die Rechtsprechung hat für die praktisch bedeutsamen Fallgruppen der Gasvergiftung (einhellig), des Erstickens nach Verschlucken zu großer Speisenstücke oder 260

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 28

hochgewürgter Speisen nach Verschlucken (uneinheitlich) und des Verschluckens ätzender Flüssigkeit überwiegend Unfälle angenommen. Dabei ist sie überwiegend der Fragestellung, ob ein von außen wirkendes Ereignis vorliegt, ausgewichen (Anm. G 31 und 34). Eine deutlichere Auseinandersetzung mit Bedenken wegen des möglichen Fehlens dieses Merkmals findet sich innerhalb der Fallgruppe, die in den Entscheidungen unter dem Stichwort „Eigenbewegungen" erscheint. Der Grund dafür, weshalb die Rechtsprechung sich hier veranlaßt sieht, sich mit Zweifeln auseinanderzusetzen, dürfte indessen weniger in dem Merkmal „von außen" des Unfallbegriffs zu sehen sein, als vielmehr darin, daß in den positiven Grenzfällen (§ 2 (2) a AUB) ein Beispiel für Schädigung durch Eigenbewegungen genannt wird, das für andere Fälle einen Gegenschluß nahelegt, Näheres Anm. G 4 8 - 5 1 und 100. [G 26] I) Merkmal der Plötzlichkeit Das Merkmal der P l ö t z l i c h k e i t soll im Anschluß an die nachfolgend dargestellten Fallgruppen eingehend gewürdigt werden, weil Inhalt und Bedeutung dieses Begriffs besonders problematisch sind. Wenn die als grundlegend zitierten Ausführungen des RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 190, die ohne Widerspruch geblieben sind, den Begriffsinhalt zutreffend wiedergeben, so ist festzustellen, daß die Rechtsprechung an den dort beschriebenen Voraussetzungen, die auch das Erfordernis der Schnelligkeit umfassen, nicht festhält, wenn der Deckungsschutz hieran zu scheitern droht. Das gilt nicht nur für den dort entschiedenen Sachverhalt, bei dem eine Bestrahlung von 40 Minuten als plötzliches Ereignis gewertet wurde, sondern weitaus deutlicher für Entscheidungen, die Ereignisse in Zeiträumen von mehreren Stunden noch als plötzlich behandeln (Nachweise unten Anm. G 61 und bei Henke, Ausschlüsse S. 29 Anm. 114). [G 27] 2. Praktisch bedeutsame Fallgruppen von Unfallereignissen a) Vorbemerkung Es gibt mehrere Gesichtspunkte für eine nach Sachproblemen angeordnete Darstellung typischer und problematischer Fallgruppen des Unfallereignisses. Die folgende Darstellung beginnt mit Unfallereignissen, bei denen das eigene Verhalten des Betroffenen ohne Bedeutung ist (b) und befaßt sich dann mit Vorgängen, innerhalb derer der Vte durch eigene Handlung einen Beitrag zum (möglichen) Unfallgeschehen leistet (c). [G 28] b) Unfallereignisse, bei denen der Versicherte ohne relevantes eigenes Verhalten betroffen ist aa) Korrektes (gesteuertes) Eigenverhalten des Versicherten Hierzu sind zunächst diejenigen Fälle zu zählen, bei denen der Vte trotz korrekten und durch normale Aufmerksamkeit gesteuerten Eigenverhaltens in der Öffentlichkeit Opfer eines plötzlich von außen auf ihn einwirkenden Ereignisses wird. Als Beispiel hierfür ist der Fußgänger zu nennen, der auf dem Fußweg von einem Kraftfahrzeug über- oder angefahren wird, ohne daß für ihn das regelwidrige Verhalten des Kraftfahrzeugfahrers erkennbar war. Als klassisches Beispiel eines Unfalles — auch im Sinne des Lebenssprachgebrauchs - haben auch die Fälle zu gelten, bei denen dem Vten beim Passieren einer nicht mit Warnschildern versehenen Strecke ein Ziegelstein, eine Dachziegel, ein Blumentopf oder ein sonstiger schwerer Gegenstand von oben auf Kopf oder Schulter fällt. Für solche Fälle fehlt es an veröffentlichten Entscheidungen, weil sie für die Regulierungspraxis unproblematisch sind. Dabei ist auch der Umstand zu beachten, daß selbst grobfahrlässiges Mitverschulden den Deckungsschutz nicht ausschließt (anders ζ. T. frühere Bedingungen), sofern der Vte die Gesundheitsschädigung Wagner

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Anm. G

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

nur unfreiwillig erlitten hat (Einzelheiten Anm. G 70—71). Der Passant, der von einem von Kindern geworfenen Gegenstand getroffen oder von einem anderen Passanten angerempelt wird, ist Opfer eines Unfallereignisses. [G 29] bb) Gesteuertes Fremdverhalten Während die vorgenannten Beispiele dem Lebenssprachgebrauch zum Unfall im wesentlichen entsprechen, ist dies nicht der Fall, wenn das auf den Körper einwirkende Ereignis in der gewollten Mißhandlung durch einen oder mehrere Dritte besteht. Der Mißhandelte wird sich hier nicht als „Unfallopfer" bezeichnen, er ist es indessen im Sinne des § 2 (1) AUB und genießt - vorbehaltlich der Ausschlüsse nach § 3 (1) und (2) AUB vollen Deckungsschutz, vgl. KG 4.1.1936 JRPV 1936 S. 217-218; OLG Nürnberg 28. XI. 1957 VersR 1958 S. 282-284 - behaupteter Überfall allerdings nicht bewiesen; OLG Düsseldorf 21. IX. 1938 JRPV 1938 S. 318-319 (Boxhieb ist Unfall); Schnittverletzung durch einen oder mehrere Dritte wäre Unfall - hier Klagabweisung wegen Verdacht des versuchten Selbstmords: OLG Karlsruhe 12.11.1975 VersR 1976 S. 183-185; Tod in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager wird nicht als Unfall anerkannt: KG 3. IV. 1950 VersR 1950 S. 99, ebenso KG 11. VI. 1957 VersR 1957 S. 702, vgl. Anm. G 61. Den Schuß eines Polizisten auf einen kurz zuvor Festgenommenen, der zu fliehen versucht, sieht OLG Düsseldorf 22.1.1938 JRPV 1938 S. 239-240 als Unfall an, ohne sich mit der Frage der Plötzlichkeit und der Unfreiwilligkeit auseinanderzusetzen; OLG Düsseldorf 27. VI. 1936 VA 1936 S. 238-239 Nr. 2914 verneint bei vergleichbarem Fall Unfall mangels Freiwilligkeit der Gesundheitsbeschädigung (zweifelhaft, weil der Fliehende in der Regel hoffen wird, zu entkommen und Verletzung nicht in Kauf nimmt). [G 30] cc) Verletzungen durch Tiere Verletzungen durch Tiere sind Unfallereignisse, ζ. B. Biß eines Hundes, Kratzen einer Katze, Schlag mit Huf oder Biß eines Pferdes — Pferdebiß als Möglichkeit erwähnt, aber nicht als erwiesen angesehen von OLG Hamm 13. XII. 1954 VersR 1955 S. 165; Insektenstich, der in dem vom RG 23. III. 1934 JRPV 1934 S. 119 = VA 1934 S. 22 Nr. 2677 entschiedenen Fall einen tödlichen Lippenfurunkel zur Folge hatte. Soweit Insektenstiche Ursache von Infektionskrankheiten sind, gelten sie nach § 2 (3) Abs. 4 Satz 2 AUB nicht als Unfallereignis. OLG Nürnberg 4. V. 1928 JRPV 1928 S. 191 sieht ebenfalls Insektenstich als Unfallereignis an, verneint aber dessen Kausalität für tödlich wirkende Blutvergiftung. [G 31] dd) Vergiftungen aaa) Gasvergiftungen Gasvergiftungen werden als Unfallereignisse gewertet. Inwieweit eine Vergiftung als Unfallereignis anzusehen ist, ist in den Bedingungstexten nach Zeitabschnitten unterschiedlich geregelt: Die Verbands-Bedingungen von 1904 enthielten in § 1 Abs. 1 Satz 2 eine Bestimmung, wonach auch das unfreiwillige Ersticken durch ausströmende Gase als Unfall anzusehen sei. Das KG 24. X. 1905 VA 1905 Anh. S. 99-100 Nr. 161 entschied auf der Grundlage von Bedingungen, nach deren § 3 Vergiftungen nicht als Unfall gelten sollten; dieser Bestimmung war aber ein Satz hinzugefügt, in dem es u. a. heißt: „Unfreiwilliges Ersticken durch ausströmende Gase . . . ist in die Versicherung eingeschlossen." Der Vte war hier sofort besinnungslos zu Boden gestürzt, nachdem er das Abstichloch geöffnet hatte. Da der Vte nicht gestorben war, sondern nur Lähmungen davongetragen hatte, beschwichtigt das Gericht Zweifel dahingehend, ob auch dieser Fall gedeckt sei, und bejaht dies mit der Erwägung, daß hier ein „be-

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anin. G 3 1

ginnendes Ersticken" vorliege. RG 13. VII. 1906 VA 1906 Anh. S. 93 Nr. 239 bestätigt dieses Urteil in der Revisionsinstanz mit der Erwägung, daß man zwar im gewöhnlichen Leben unter „Ersticken" nur das völlige Erlöschen des Lebens verstehe, die Bedingungen hätten aber nicht nur den Tod, sondern auch den Eintritt körperlicher Beschädigungen im Auge, da sie gegen beide Versicherung gewährten. Im gleichen Sinne KG 27. V. 1910 VA 1911 Anh. S. 1 8 - 1 9 Nr. 575: Auch hier war der Vte durch Einatmen von Gas geschädigt worden. Diesen Ausschluß läßt das Gericht unangewendet: Zwar pflege man die Folgen des Einatmens von Kohlenoxyd als Vergiftung zu bezeichnen, aber hierauf könne sich der beklagte Ver nicht berufen: Einmal handele es sich dabei in Wahrheit um Ersticken, zum anderen sei in einer anderen Vorschrift der Bedingungen der Ausdruck richtig verwandt worden, wenn es dort „Ersticken durch Gase" heiße. - RG 2. VI. 1911 VA 1911 Anh. S. 103-104 Nr. 624 bezeichnet Tod durch Einatmen von Kohlenoxydgas als „Ersticken infolge plötzlich ausströmender Gase" und bejaht Deckungsschutz nach diesem Bedingungstext. Daß nach anderer Bestimmung der AVB „Vergiftungen" ausgeschlossen seien, spreche nicht dagegen. Zwar sei dieser Tod im medizinischen Sinne eine Vergiftung. Hierauf komme es nicht an, weil für die Frage, was im Sinne des Vertrages als Ersticken zu gelten habe, nicht die fachwissenschaftliche Terminologie, sondern der gemeinverständliche, gewöhnliche Sprachgebrauch maßgebend sei, der den Tod infolge Einatmens giftiger Gase als Erstickung bezeichne. Nach § 2 II. 2. a) der im Jahre 1920 genehmigten AVB für Einzel-Unfallversicherung (VA 1920 S. 103) wurden Vergiftungen als negativer Grenzfall vom Vsschutz ausgeschlossen. Eine Bestimmung, die den Begriff der Erstickung enthielt, findet sich in diesen Bedingungen nicht mehr, während die im Jahre 1910 veröffentlichten AVB (VA 1910 S. 183) unter § 4 I. 3. noch „Ersticken durch ausströmende Dämpfe oder Gase" in den Vsschutz eingeschlossen hatten. Veranlaßt durch einen Streit zwischen einem Vmer und einem Unfallver darüber, ob das Einatmen von Schwefelwasserstoff mit der Folge einer Vergiftung gedeckt sei, führte das Reichsaufsichtsamt durch den Unfallversicherungsverband eine Umfrage durch, ob dieser Schaden nach der Neufassung der Bedingungen im Jahre 1920 nicht mehr gedeckt sei. Das Ergebnis der Rundfrage wird in VA 1926 S. 136 (gekürzt) wiedergegeben. Das Reichsaufsichtsamt gab der Auffassung Ausdruck, daß Gasvergiftungen gedeckt seien, wenn sie auf einem Unfall im Sinne der Bedingungen beruhten. Eine Verschlechterung des Vsschutzes durch die Änderung der Bedingungen sei nicht gewollt gewesen. Das Kammergericht erwähnt diese Stellungnahme in einem Urteil vom 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 2 4 5 - 2 4 6 = VA 1927 S. 246 Nr. 1752. In dieser ersten nach der Neufassung der AVB veröffentlichten Entscheidung gewährt es Deckungsschutz für den Tod eines Vten infolge Einatmens durch Kohlenoxydgas. Das Gericht führt aus, daß dieser Vorgang einen Unfall darstelle, zugleich aber auch als Vergiftung im Sinne des negativen Grenzfalles des § 2 II. 2. a. AVB anzusehen sei. Es bejaht gleichwohl Deckungsschutz mit der Begründung, daß ein Geschehen, das unzweifelhaft einen Unfall darstelle — das sei hier der Fall — nicht durch einen „Grenzfall" vom Deckungsschutz ausgeschlossen werden könne. Denn die Grenzfälle beschränkten sich auf solche Vorgänge, die „in die flüssigen Grenzen" der Begriffsbestimmung des Unfalles fielen. Das sei hier nicht der Fall, so daß diese Vergiftung nur durch die Aufnahme in den Katalog der „Ausschlüsse" (§ 3 AVB) wirksam vom Deckungsschutz ausgeschlossen werden könne. Das Gericht zeigt sich hier bestrebt, zum Schutze des Vertragspartners des Vers darstellerische Klarheit in die AVB zu bringen und hält deshalb die Behandlung eines Vorganges als Grenzfall nur im Sinne einer Klarstellung für zulässig (vgl. hierzu oben Anm. G 19 a. E. sowie Wagner ZVersWiss 1975 S. 626, 632—633). Bald nach Veröffentlichung dieses Urteils entstand eine literarische DisWagner

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Anm. G 33

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

kussion um dessen tragende Gründe zwischen Kramer (JRPV 1927 S. 269—270, S. 343-344 und JRPV 1928 S. 56) einerseits und Leibi (damals anonym, Identität bekanntgeworden durch Grewing VW 1950 S. 332-333) JRPV 1927 S. 329-330, 362, innerhalb derer Leibi die Position des Kammergerichts vertrat, ohne sich indessen damit in praktisch bedeutsamer Weise durchzusetzen (vgl. Grewing VW 1950 S. 332 und dessen Referat über die Bedeutung der Grenzfälle in den AUB von 1961 in: Entstehungsgeschichte S. 9). RG 10.1.1928 RGZ Bd 120 S. 18-20 verwirft die Revision des Vers gegen das Urteil des Kammergerichts ohne grundsätzliche Stellungnahme zu dessen Einordnung der „Grenzfälle" aufgrund der Erwägung, daß es sich beim Tod durch Kohlenoxydgas zwar im wissenschaftlichen Sinne um Vergiftungen handele, und er auch vom allgemeinen Sprachgebrauch hierzu gerechnet würde, daß jedoch bei unbefangener Auffassung allgemein zunächst nur an Vergiftungen durch Eindringen fester oder flüssiger Körper gedacht werde, während man zur Bezeichnung von Gasvergiftungen ausdrücklich das Wort „Gas" hinzuzusetzen pflege (a.a.O. S. 20). Angesichts dieser Doppelbedeutung stützt das Revisionsgericht sein Ergebnis mit einem ergänzenden Hinweis auf die Unklarheitenregel ab. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind in der Folgezeit maßgeblich geblieben, sie haben 34 Jahre später zu einer Änderung im Wortlaut der AVB dahingehend geführt, daß der negative Grenzfall „Vergiftungen" in § 2 (3) c Abs. 1 AUB durch den Zusatz . . . „infolge Einführung fester oder flüssiger Stoffe durch den Schlund . . . " ergänzt wurde. Daß diese Neufassung auf die genannte Entscheidung des Reichsgerichts zurückgeht, wird von Grewing, Geschichte der AUB S. 10 bestätigt, sie war überdies bereits in der Stellungnahme des Reichsaufsichtsamts — worauf Grewing a.a.O. hinweist — als Auslegungsergebnis vertreten worden. Der genannten Entscheidung folgen KG 16. XII. 1933 VA 1934 S. 416 Nr. 2637 = JRPV 1934 S. 91-92; KG 14. III. 1936 JRPV S. 234; OLG Breslau 2. IX. 1940 HRR 1941 Nr. 79 (Verätzung durch Giftgas). [G 32] bbb) Sonstige Vergiftungen Angesichts der Neufassung des „negativen Grenzfalles" in § 2 (3) c Abs. 1 AUB kommt eine Entschädigungsleistung aus der Unfallv für Gesundheitsschäden oder Tod infolge des Genusses verdorbener Speisen, des versehentlichen Schluckens von im Haushalt verwendeten Giftstoffen (Rattengift) nicht in Betracht. Insoweit ist OLG Nürnberg 10. V. 1929 VA 1929 S. 231-232 Nr. 1998, wo es um den - möglichen Genuß vergifteten Fleisches geht, überholt. Dabei ist indessen zu beachten, daß als Gift in diesem Sinne solche festen oder flüssigen Stoffe nicht anzusehen sind, die kraft ihrer Beschaffenheit und Eigenschaft innerhalb des Körpers sofort eine physikalisch wirkende Zerstörung bewirken. Solche Vorgänge, die nach dem Lebenssprachgebrauch primär als Verbrennungen oder Verätzungen — etwa durch Laugen oder Säuren — bezeichnet werden, fallen nicht unter die Ausschlußwirkung des negativen Tatbestandes gemäß § 2 (3) c I AUB, vgl. BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 = VA 1955 S. 222-223 Nr. 106. [G 33] ccc) Stellungnahme Die nunmehr herrschende und durch den Text der AUB von 1961 sanktionierte Rechtsprechung, wonach Gasvergiftungen den Tatbestand eines Unfalles erfüllen, versäumt es, sich mit dem Einwand auseinanderzusetzen, daß das Erfordernis eines von a u ß e n w i r k e n d e n Ereignisses zweifelhaft ist. Der hieraus sich ergebende Einwand ist nicht mit dem Hinweis auszuräumen, daß das Gas von außen in den Körper des Vten hineinströmt. Denn das Gas wirkt erst nach Eintritt in die Lunge „auf 264

Wagner

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 34

den Körper" ein, es wirkt also von innen, nicht aber, wie es der seit 1920 geltende Unfallbegriff voraussetzt, von außen auf den Körper ein. Ferner ist die Abgrenzung der Vergiftung von anderen Bezeichnungen für im Inneren des Betroffenen sich abspielende schädliche Wirkungen bisher nicht gelungen: BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 weicht dem Problem aus, indem dort zunächst - nach Sachlage geht es um die Wirkung von versehentlich geschluckter Lauge — überflüssige Erwägungen zur Abgrenzung der Gasvergiftung von sonstiger Vergiftung angestellt werden. Sodann schließt das Gericht ohne einsichtigen gedanklichen Ubergang an die augenfällige Wirkung von verschluckter Lauge oder Säure an und behauptet, daß der allgemeine Sprachgebrauch sie als Verätzung oder Verbrennung, nicht aber als Vergiftung zu bezeichnen pflege. Da solche Fälle selten bekannt werden (außer dem hier genannten Fall vgl. Auskunft der Redaktion der VW 1955 S. 462 für das Trinken von Salzsäure aus einer Bierflasche und OLG Breslau 2. IX. 1940 HRR 1941 Nr. 79), dürfte sich ein allgemeiner Sprachgebrauch hierzu schwerlich gebildet haben. Der BGH kann sich hierbei zwar auf Ausführungen des Berufungsgerichts des OLG Karlsruhe 4. XI. 1953 VesR 1953 S. 474 berufen, übersieht indessen, daß dieses einen im Sinne des Lebenssprachgebrauchs einheitlichen Begriff sogar für die Vergiftung verneint (a. a. O. Ii. Sp. unten) und durch die dargestellte Vielfalt von Giftquellen (Giftpilze, Zyankali bis Schlangengift), die in ihrer Wirkungsweise kaum vergleichbar sind - Zyankali wirkt durch Bildung von Blausäure im Körper zunächst chemisch, die zerstörende Wirkung der Blausäure indes ist physikalischer Art —, eher den Beweis gegen die Bildung eines einheitlichen Giftbegriffes führt. Unter diesen Umständen ist zu erwägen, ob in solchen Fällen nicht doch auf die fachwissenschaftliche Terminologie zurückgegriffen werden muß (vgl. BGH 24. VI. 1963 NJW 1963 S. 2171-2173 für die Behandlung von Druckluftwaffen, die als Spielzeug verwendet werden, als Schußwaffen im Sinne der Haftpflichtv aufgrund historischer Auslegung des SchußwaffenG). Dies würde nicht dazu führen, den Begriff der Vergiftung auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen der fragliche Stoff nach Aufnahme in die Blutbahn resorptiv wirkt (so das LG Heidelberg 11. VI. 1953 VersR 1953 S. 283 als erstinstanzliches Gericht im Anschluß an Prölss, ebenso noch Prölss-Martin 21 § 2 AUB Anm. 4, S. 1065), sondern nur voraussetzen, daß c h e m i s c h e V o r g ä n g e im Innern des Körpers nachteilige Wirkung äußern. Zu den Bedenken, die von den zur Gasvergiftung zitierten Entscheidungen im Hinblick auf die Plötzlichkeit erörtert werden, ist auf die Ausführungen unten zu 3 (Anm. G 59) zu verweisen. [G 34] ee) Ersticken durch mechanische Vorgänge im Inneren Das Merkmal des „ v o n - a u ß e n - - W i r k e n s " ist in gleicher Weise wie bei den oben dargestellten Fällen der Gasvergiftung z w e i f e l h a f t , wenn der Vte durch Vorgänge im Körperinneren den Tod durch Ersticken erleidet. Insoweit gehört diese Fallgruppe in den Zusammenhang derjenigen - möglichen - Unfälle, die vom eigenen Verhalten des Vten unabhängig geschehen, denn das Essen derjenigen Speisen, an denen der Vte später erstickt, ist zwar tatsächliche Voraussetzung des Unfalls, hat jedoch mit seinem Ablauf selbst nichts zu tun. — Deshalb wird im folgenden auch nicht auf die in manchen Entscheidungen aufgeworfene Frage nach der Freiwilligkeit eingegangen werden: Sie bezieht sich nur auf die Gesundheitsschädigung selbst — hier also auf den Erstickungsvorgang — so daß die Feststellung, daß der erstickte Vte „freiwillig gegessen" habe, nicht erheblich ist. Insoweit handelt es sich bei LG Schneidemühl 10. IX. 1930 HansRGZ 1930 A Sp. 318 um einen Grenzfall: Das Gericht lehnt das Armenrecht für die Feststellungsklage der Ehefrau des Vten ab, der beim Verzehren eines ungeteilten Herings Wagner

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Anm. G 35

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

verstorben war. Die Begründung, der Anlaß hätte von einer Maßnahme erfolgt sein müssen, die von außen her, und zwar gegen den Willen des Vmers, auf seine Gesundheit und seinen Körper gewirkt habe, diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, läßt nicht erkennen, ob auf das Fehlen der Unfreiwilligkeit - das wäre unrichtig oder auf den Mangel eines von außen wirkenden Ereignisses abgestellt wird. KG 5. XI. 1930 JRPV 1931 S. 10 verneint Unfall für den Tod eines Vten, der beim Genuß von Rollmöpsen infolge Erstickens gestorben ist; der Tod sei nicht durch ein von außen wirkendes Ereignis eingetreten. Für dieses Ergebnis und diese Begründung hält es das Gericht für unerheblich, ob die Speise durch Verschlucken sogleich in die Speiseröhre gelangt oder zunächst in den Magen und sodann infolge Erbrechens in die Speiseröhre geraten sei. Grund des Erstickens sei jedenfalls eine unrichtige Bewegung der betreffenden Organe gewesen, die nicht als von außen wirkendes Ereignis gewertet werden könne. Wenn Henke, Ausschlüsse S. 27 für diesen Fall einen Unfall bejahen will, so kann er die Frage, ob Verschlucken oder Erbrechen zum Erstickungstod führt, nicht dahinstehen lassen. Denn er will für die Abgrenzung rein innerer Vorgänge, die keinen Unfall begründen, darauf abstellen ob der Tod auf einer Reaktion innerer Organe (Erbrechen) beruht und nennt als Gegenbeispiel (Unfall) das Ertrinken, bei dem das Wasser durch Eindringen in Luftröhre und Lunge unmittelbar den Tod herbeiführt. OLG Hamburg 7. XII. 1951 VersR 1952 S. 19-20 hatte zu entscheiden, ob ein Vter, der in einem Sanatorium nach dem Genuß einer Flasche Bier verstorben war, einen Unfall erlitten hatte. Das Sektionsprotokoll hatte als Todesursache „Ersticken infolge Speiseaspiration", die Sektion überdies Reste von Schlafmitteln im Magen ergeben. Das Gericht erwägt alle Möglichkeiten eines zum Ersticken führenden Vorgangs und scheint zu dem Ergebnis zu kommen, daß nur ein nicht durch krankhafte innere Vorgänge bedingtes Hochwürgen des Mageninhalts ein von außen wirkendes Ereignis sein würde (a. a. O. S. 20 Ii. Sp.). Auf der Grundlage ähnlicher Erwägungen wie die bisher genannten Entscheidungen bejaht OLG Düsseldorf 29. V. 1935 JRPV 1935 S. 380-381 Unfall als Ursache des Todes nach dem Genuß eines großen - „nicht mundgerechten" — Stückes Wurst. Das Gericht läßt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen, ob der Vte sogleich an der Speise erstickt oder ob Todesursache „Verstopfung der Luftwege mit anschließendem Schocktod" war. Die Wirkung „von außen" wird mit der Erwägung bejaht, daß dieses Erfordernis nur der Abgrenzung von Gesundheitsschädigungen diene, die durch einen inneren organischen Vorgang im Körper verursacht worden seien. Auch hier wird darauf abgestellt, ob das Einführen der Speise unmittelbar zum Ersticken geführt habe, oder ob das Ersticken erst die Folge weiterer Vorgänge im Inneren des Körpers gewesen ist. Diese Rechtsprechung hält sich, soweit es um die Frage des von außen wirkenden Ereignisses geht, im Rahmen eines zwar zugunsten des Vmers weitherzigen, aber durch zulässige Wortinterpretation abgegrenzten Unfallbegriffs und widerspricht — obwohl der Lebenssprachgebrauch solche Vorgänge nicht spontan als Unfall bezeichnen würde — auch nicht dem Sinn der Gefahrtragung durch den Unfallver. Deshalb entspricht die Auskunft der Redaktion VW 1955 S. 462, es liege ein Unfall vor, wenn ein Gast bei dem Genuß von Karbonade an einem Teil des Knochens erstickt sei, der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, der die Literatur nicht entgegengetreten ist. [G 35] ff) Tod durch Ertrinken S c h r i f t t u m : Eichelmann VersR 1972 S. 4 1 1 - 4 1 4 , Gmelin, Der Tod im Wasser als Unfall, o . O . O.J., Möller VersPrax 1936 S. 5 9 - 6 1 , Perret Lebensversicherungsmedizin 1977 S. 1 0 2 - 1 0 3 , Stumpfe Lebensversicherungsmedizin 1977 S. 9 8 - 1 0 1 .

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Wagner

Anm. G 37

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

[G 36] aaa) Ertrinken ist Unfall Der Tod durch Ertrinken erfüllt die Merkmale des Unfalltatbestandes i.S. des § 2 (1) AUB. Das Eindringen von Wasser in die Atemwege stellt ein Unfallereignis dar. Es führt zum Verschluß der Atemwege und damit zum Tod (Gesundheitsschädigung) des Vten. Diese vsrechtliche Wertung ist seit OLG Hamburg 27. II. 1916 (zitiert nach Möller VersPrax 1936 S. 59 Fußn. 1) in der Rechtsprechung anerkannt, vgl. die bei Möller a.a.O. zitierten Entscheidungen sowie KG 3.XI. 1926 JRPV 1926 S. 117— 118, aus der neueren Rechtsprechung LG Stade 8. XII. 1953 VersR 1954 S. 458, OLG Frankfurt/Main 29. IX. 1967 VersR 1968 S. 194 und BGH 22. VI. 1977 VersR 1977 S. 736-737, ebenso Prölss-Martin21 § 182 Anm. 3 a, S. 1054, Wussow AUB 4 § 2 Anm. 14 und Eichelmann VersR 1972 S. 411-414. Mit der Entscheidung BGH 22. VI. 1977 VersR 1977 S. 736 ist diese Frage als abschließend geklärt anzusehen. Problematisch geblieben in Konstruktion und Ergebnis sind diejenigen Fallgruppen, bei denen der Tod durch Ertrinken Teil eines Gesamtvorganges ist, der wegen möglicher Ausschlußtatbestände zu einer abweichenden Beurteilung führen und bei fehlender Aufklärbarkeit von Teilen des Geschehens Beweislastfragen aufwerfen könnte. Diese Probleme des „Todes im Wasser" sollen aus Gründen einer geschlossenen Darstellung sachlich und praktisch zusammengehörender Fragen — dem Aufbau im übrigen widersprechend - hier erörtert werden (vgl. die insoweit ähnliche Darstellungsmethode bei Wussow AUB 4 § 2 Anm. 14). [G 37] bbb) Ertrinken als mehraktiges Unfallereignis Stürzt ein Nichtschwimmer oder ein Vter, der infolge schwerer Kleidung oder geschwächten Kräftezustandes nicht schwimmen kann, infolge eines Fehltritts, Berstens eines unter seinem Gewicht nachgebenden Bootssteges oder, weil ein Dritter ihn gestoßen hat, ins Wasser und ertrinkt er dort, so liegt ebenfalls ein Unfall vor. Dieser beginnt mit dem Sturz ins Wasser, nicht erst mit dem Eindringen des Wassers in den Schlund, und endet mit dem Tod durch Ertrinken. Das Unfallgeschehen besteht hier aus einem mehraktigen Tatbestand, das Unfallereignis ist der Sturz ins Wasser, es vollzieht sich plötzlich und wirkt von außen auf den Körper des Vten ein, wenn dieser nunmehr nach Sachlage „unrettbar" dem Tod durch Ertrinken ausgesetzt ist. Eine solche hilflose Lage wird einem Unfallereignis gleichgestellt, vgl. hierzu KG 13. II. 1937 JRPV 1937 S. 169-170 (Herztod nach erschwerten Bedingungen beim Baden, entscheidend jedoch, daß das plötzliche Ansteigen des Wassers, das den Nichtschwimmer unsicher machte, als Unfallereignis angesehen wird) und OLG Frankfurt/M. 29. IX. 1967 VersR 1968 S. 194 (ähnliche Konstellation, d. h. Erschwerung der Bedingungen durch aufkommenden Wind und unruhig werdendes Wasser, aber Tod durch Ertrinken). Dazu, daß hier die Voraussetzungen eines Unfallereignisses in Wahrheit durch Analogie geschaffen werden, vgl. im übrigen unten G 55—56 und oben A 59—60. Dieses Ergebnis - Deckungsschutz durch die Unfallv - ist unstreitig. Nicht einheitlich wird die Frage beantwortet, ob in solchen Fällen eine Analogie erforderlich ist (vgl. hierzu die bei Wagner ZVersWiss 1975 S. 627 erwähnten Fälle), oder ob sich der Deckungsschutz unmittelbar aus § 2 (1) AUB ergibt, vgl. hierzu Wussow AUB 4 § 2 Anm. 14 S. 65-66, kritisch hierzu Prölss-Martin21 § 182 Anm. 3 a unter „Beispiele" und Eichelmann VersR 1972 S. 412-413, der darauf hinweist, daß das OLG Frankfurt a. a. O. nicht hinreichend zwischen Unfallereignis und den hierfür maßgeblichen Faktoren unterscheidet. Für die letztgenannte Auffassung spricht eine Formulierung des BGH 10.1.1957 BGHZ Bd 23 S. 76 = VersR 1957 S. 90 = NJW 1957 S. 381 (382 Ii. Sp. oben), wonach es für den Unfallbegriff des § 2 AUB nur darauf ankomme, welches Ereignis den Schaden unmittelbar ausgelöst habe (Vter war nach Einschlafen gegen einen Baum gefahren), auf die Ursachen dieses Ereignisses Wagner

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Anm. G 39

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

könne es nur für Ausschlußklauseln ankommen. Mit vergleichbarer Begründung gewährt RG 29. V. 1908 RGZ Bd 69 S. 17-20 Deckungsschutz für den Sturz eines Vten in einem Eisenbahnwagen, obwohl als richtig unterstellt worden war, daß der Kläger infolge Ohnmacht gestürzt war, die möglicherweise als Krankheit einen Ausschlußgrund bildete: Der Beinbruch sei nicht durch sie, sondern durch den Sturz verursacht worden (a.a.O. S. 19). Hieraus zieht Eichelmann VersR 1972 S. 412 den Schluß, daß beim Tod durch Ertrinken in jedem Falle nur der Ertrinkensvorgang selbst den Unfall darstelle. Dem kann nicht gefolgt werden, weil diese Auffassung, konsequent durchgeführt, in Fällen des Ertrinkens alle Ausschlußgründe unanwendbar machen würde. Das wird durch die Entscheidung des RG 29. V. 1908 RGZ Bd 69 S. 17 deutlich. Der von Eichelmann für seine Zitate (a.a.O. S. 412 Fußn. 12) dargestellte Sachverhalt ist heute ohne Bedeutung: Ertrinkt ein Badender infolge Ohnmacht oder Schwächeanfalls, so ist der Vsschutz nach dem Text der AUB von 1961, die Ohnmacht nicht mehr als Ausschluß nennen, nicht ausgeschlossen. Die hier vertretene Auffassung, daß der Sturz ins Wasser Unfallereignis sei, wird vertreten von Möller VersPrax 1936 S. 60 Fußn. 8 (ζ. B. auch für den Fall, daß der Vte durch Eis ins Wasser einbricht), ihm folgend Henke, Ausschlüsse S. 52 oben und KG 27. XI. 1935 JRPV 1936 S. 123-124 und OLG Dresden 15. VI. 1933 VA 1933 S. 356-357 Nr. 2594 (Unfall verneint, weil als Ursache Schlaganfall in Betracht kam und die Klägerin das NichtVorliegen nach den dort maßgeblichen Bedingungen zu beweisen hatte). OLG Celle 2.11.1934 JRPV 1934 S. 236-238 sieht auch eine beim Schwimmen plötzlich eintretende Herzerlahmung — für sich betrachtet — als Unfallereignis an (a. a. O. S. 237 r. Sp.). Das ist unrichtig, weil ein innerer Vorgang kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis ist - der dort maßgebliche Unfallbegriff wich geringfügig ab —, und für die Entscheidung überflüssig, weil das Gericht den Vorgang des Ertrinkens selbst zutreffend als Unfall wertet. [G 38] ccc) Ertrinken als Folge von Ohnmacht oder Schwindel Stürzt der Vte infolge Ohnmacht oder Schwindels ins Wasser und ertrinkt er dort, weil dieser Zustand fortdauert oder er nicht schwimmen kann, so liegt seit der Neufassung der AUB im Jahre 1961 hierin ein deckungspflichtiger Unfall. Denn Ohnmachts- und Schwindelanfälle, die bisher als Gefahrumstandsausschlußklauseln in die Ausschlüsse des § 3 (5) AUB aufgenommen waren, sind in § 3 (4) AUB in der Fassung von 1961 nicht mehr genannt. Sie können auch nicht als Geistes- oder Bewußtseinsstörung umgedeutet werden mit der Folge, daß sie als Ausschluß wirksam bleiben. Denn die Herausnahme der Ohnmachts- und Schwindelanfälle ist bewußt geschehen, einmal um eine Angleichung an die Volks-Unfallversicherung herbeizuführen und zum anderen, weil der Nachweis für Schwindelanfälle vom Ver schwer zu erbringen war und es hierzu oftmals zu unangenehmen Meinungsverschiedenheiten kam (vgl. Grewing, Entstehungsgeschichte S. 15). In Fällen dieser Art liegt das Unfallereignis im Sturz ins Wasser, vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen Anm. G 37 a.E. [G 39] ddd) Tod durch Einwirkung heißen oder kalten Wassers Springt ein Badender ins kalte Wasser und erleidet er infolge der plötzlichen Wirkung einen tödlichen Herzschlag (typisch etwa: Sprung nach Erhitzung durch anderen Sport), so ist kein Tod durch Ertrinken gegeben. Ein Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB kann gleichwohl geschehen sein: Das kalte Wasser wirkt von außen auf den Körper des Vten ein, denn der Blutkreislauf wird durch Zusammenziehung der Blutgefäße an der Körperoberfläche erschwert, auch das Merkmal der Plötzlichkeit kann bejaht werden. Indessen scheitert der Deckungsschutz hier an der Bestimmung des § 2

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Wagner

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 40

(3) c II AUB, weil diese Gesundheitsschädigung durch Temperatureinfluß verursacht worden ist (h. M. vgl. Möller VersPrax 1936 S. 59 und 60, Prölss-Martin 20. Aufl. § 2 AUB Anm. 5, Henke, Ausschlüsse S. 48, Eichelmann VersR 1972 S. 413, Wüstney, Unfallversicherung § 2 Anm. 15). Der von RG 13. IV. 1915 Die UnfallversicherungsPraxis 1915 S. 41, KG 1. VI. 1935 VA 1935 S. 234 Nr. 2807, LG Duisburg 25. II. 1937 JRPV 1937 S. 239 - nicht ganz deutlich insoweit KG 1. II. 1936 JRPV 1936 S. 219—220, hier war der Vte nicht gefunden, Tod im Wasser nur als naheliegend vermutet worden - vertretenen Auffassung, wonach der Ausschluß des § 2 (3) II AUB eine längerdauernde Einwirkung voraussetzte und deshalb in Fällen der hier erörterten Art ein deckungspflichtiger Unfall gegeben sei, kann schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil es in solchen Fällen am Moment der Plötzlichkeit fehlt und damit an einem Unfall. Zutreffend weist Eichelmann a.a.O. S. 413 Ii. Sp. unten darauf hin, daß den zitierten Entscheidungen teilweise anders formulierte Bedingungen zugrunde lagen. In diesen Zusammenhang gehören auch die Fälle, in denen die Gesundheitsschädigung durch Verbrühen infolge zu heißen Wassers hervorgerufen wird: Ein Badender steigt oder springt in zu heißes Wasser (vgl. Möller VersPrax 1936 S. 60). Hier liegen, da heißes Wasser plötzlich von außen auf die Haut des Betroffenen wirkt, die Voraussetzungen eines Unfalles zwar vor, der Vsschutz scheitert indessen an der Ausschlußbestimmung (sog. „negativer Grenzfall") des § 2 (3) c III AUB. Zweifelhaft ist es dagegen, ob Vsschutz besteht, wenn der Vte in heißes Wasser stürzt: Ein Kind fällt in heißes Wasser und verbrüht (Beispiel nach Möller a.a.O. Fußn. 8). Sieht man mit der hier vertretenen Auffassung den Sturz bereits als Unfallereignis an (so Möller a.a.O., zustimmend Henke, Ausschlüsse S. 52 oben), so liegt ein deckungspflichtiger Unfall vor; auf die Bestimmung des § 2 (3) III AUB kommt es, da die Verbrühung Folge eines Unfallereignisses ist (§ 2 (3) IV S. 1 AUB), nicht an. [G 40] eee) Ertrinken infolge Erschöpfung oder Krampf Ertrinkt ein Schwimmer, weil ihn die Kräfte verlassen, sein Herz versagt oder er von einem Wadenkrampf befallen wird, so ist der Vorgang des Ertrinkens ein deckungspflichtiger Unfall. Die Gerichtsmedizin spricht in solchen Fällen von „mittelbarem Ertrinken" oder von einem „Badetod", vgl. die Nachweise bei Eichelmann VersR 1974 S. 414 Ii. Sp. Ein Ausschluß für diese Fälle ist in den derzeit geltenden AUB nicht enthalten, denn nach § 3 (4) AUB sind nur solche Krampfanfälle ausgeschlossen, „die den ganzen Körper ergreifen". Diese Einschränkung des Ausschlusses „Krampfanfall" ist ebenfalls durch die Neufassung der AUB von 1961 vollzogen worden (Grewing a.a.O. S. 15), sie geht auf ein Urteil des Kammergerichts vom 12. XII. 1928 VA 1929 S. 5 2 - 5 3 zurück und ist mit der erklärten Absicht in die AUB von 1961 eingefügt worden, sog. „Teilkrämpfe" nicht als Ausschluß wirken zu lassen. Als Unfall deckungspflichtig ist auch ein Ertrinken eines Schwimmers, das durch unerwarteten Wellengang oder Geraten in einen Strudel verursacht worden ist (sog. unmittelbares Ertrinken). In allen diesen Fällen könnte das Merkmal der Plötzlichkeit zweifelhaft sein. Es wird jedoch — soweit ersichtlich — für diese Fallgruppen nicht verneint. Das entspricht dem Lebenssprachgebrauch und die ihn beeinflussende Vorstellung vom Unfallbegriff, innerhalb derer das Merkmal der Plötzlichkeit, wie bei dem angrenzenden Begriff des „Unglücks", weniger eine zeitliche Begrenzung des Vorganges, sondern vielmehr das Moment des Unausweichlichen, des hilflos Ausgesetztseins, bezeichnet. Soweit ein hiernach sog. „mittelbares Ertrinken", d.h. der Tod eines Schwimmers auf inneren Vorgängen, wie Herzschwäche oder Herzlähmung als Folge eines Herzleidens oder auf sonstigen krankhaften Zuständen beruht, könnte eine Minderung der Wagner

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Anm. G 42

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Entschädigungsleistung nach § 10 (1) AUB in Betracht gezogen werden (so Wussow AUB 4 § 2 Anm. 14a.E.)· Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert indessen an deren eindeutigem Wortlaut: Sie beschränkt sich auf die Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen bei den Unfallfolgen, das sind diejenigen nachteiligen körperlichen Zustände, für die das Unfallereignis ursächlich war. In den hier erörterten Fällen des mittelbaren Ertrinkens beziehen sich die Wirkungen der vorhandenen Krankheiten und Gebrechen auf das Unfallereignis, nur im Hinblick auf das „Einwirken" liegt konkurrierende Kausalität vor. Solche Vorgänge „mittelbaren Ertrinkens" sind auch dann deckungspflichtige Unfälle, wenn sie auf einem Schock — etwa verursacht durch einen Schreck oder Angstzustand angesichts einer den Schwimmenden erfassenden Strömung — oder einer Ohnmacht beruhen. Denn nach der derzeitigen Fassung der AUB ist der Schock (akute Kreislaufstörung, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch Stichwort „Schock") als Ausschluß nicht und die Ohnmacht nicht mehr genannt (vgl. oben Anm. G 38). Beide können, seitdem die Ohnmacht bewußt als Ausschlußgrund gestrichen worden ist, nicht als „Bewußtseinsstörung" im Sinne eines Ausschlußgrundes gemäß § 3 (4) AUB wirksam werden (a.M. Eichelmann VersR 1972 S. 414 li.Sp.). Es ist deshalb nicht zweifelhaft, daß Deckungsschutz auch bei Ertrinken infolge des sog. LarynsSchocks — der infolge unerwarteten Verschluckens von Wasser auftreten kann — besteht (übereinstimmend insoweit Eichelmann VersR 1972 S. 414-415 mit Nachweis in Fußn. 32). [G 41] fff) Ertrinken infolge Schlaganfalls oder infolge Krampfanfalls, der den ganzen Körper ergreift Kein deckungspflichtiger Unfall durch Ertrinken liegt vor, wenn ein vter Schwimmer infolge eines Schlaganfalles oder eines Krampfanfalles, der den ganzen Körper ergreift, dem Tod durch Ertrinken zum Opfer fällt. Diese Vorgänge werden von der Ausschlußklausel des § 3 (4) AUB erfaßt. Sie sind offensichtlich selten, Gegenstand veröffentlichter Entscheidungen sind sie — soweit ersichtlich - bisher nicht gewesen. [G 42] ggg) Beweislast und Beweis des ersten Anscheins aaaa) Beweislast Wird die Leiche eines Vten im Wasser oder am Ufer aufgefunden und ergibt die Obduktion den Befund „Tod durch Ertrinken", so könnte damit voll — nicht nur nach den Regeln des Anscheinsbeweises — bewiesen sein, daß ein deckungspflichtiges Unfallereignis Ursache des Todes war. Daß dieser Befund als Beweis ausreicht, kann nicht mit der Erwägung in Zweifel gezogen werden, daß der Ertrunkene infolge Unvorsichtigkeit oder Ungeschicklichkeit ins Wasser gefallen oder durch einen Dritten ins Wasser gestoßen worden ist: In allen diesen Fällen liegen deckungspflichtige Unfälle, wenn auch jeweils verschiedener Struktur, vor, für die Entschädigungspflicht des Vers würde eine alternative Feststellung genügen. Die Möglichkeit eines Freitodes spricht nicht gegen den für den Unfall — zunächst - erbrachten Beweis, sondern eröffnet dem Ver nur Möglichkeiten des Gegenbeweises, vgl. § 180 a und (grundlegend) BGH 22. VI. 1977 VersR 1977 S. 736-737. Dagegen ist der Beweis des Unfalls nicht erbracht, wenn die Obduktion kein hinreichend eindeutiges Ergebnis dahingehend erbringt, ob der Vte ertrunken oder im Wasser einem sofortigen Herztod erlegen ist, Eichelmann VersR 1972 S. 413 Fußn. 22 unter Hinweis auf BGH 23. IV. 1965 VersR 1965 S. 713, ebenso KG 1. II. 1936 JRPV 1936 S. 219-220. 270

Wagner

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 44

[G 43] bbbb) Erster Anschein Ist ein Tod durch Ertrinken zweifelsfrei festgestellt, so steht dem Ver die Möglichkeit offen, insoweit den Gegenbeweis durch Widerlegung der in § 180 a gegen ihn streitenden Vermutung zu führen oder aber darzutun und zu beweisen, daß seine Entschädigungspflicht wegen eines Ausschlusses entfällt. Hierfür spricht nicht, wie Eichelmann VersR 1972 S. 413-414 meint, schon dann der erste Anschein, wenn feststeht, daß der Vte nicht infolge äußerer Einflüsse im Wasser ertrunken ist, etwa wenn durch Zeugenaussagen als bewiesen anzusehen ist, daß der Schwimmer in ruhigem Wasser ohne erkennbaren Anlaß untergegangen ist. Da ein solches Untergehen vielerlei und verschiedenartige Gründe haben kann, von denen nur der den ganzen Körper erfassende Krampfanfall oder die Bewußtseinsstörung Ausschlußwirkung haben, kann nicht gesagt werden, daß der erste Anschein für Vorliegen und Ursächlichkeit einer dieser Gründe spricht. Eichelmann VersR 1972 S. 414 Ii. Sp. kommt zu seinem entgegengesetzten Ergebnis, weil er die Bewußtseinsstörung als Oberbegriff zu einer Reihe innerer Störungen auffaßt, eine Begriffsverwendung, der angesichts der Definition der Bewußtseinsstörung (unten Anm. G 171) und der Neufassung der AUB im Jahre 1961 nicht gefolgt werden kann. In der Praxis werden diese Fragen nicht mehr von großer Bedeutung sein, seitdem die Todesursache durch Obduktion in der Regel zuverlässig festgestellt werden kann. [G44] b) Unfallereignisse, zu denen das eigene Verhalten des Versicherten beigetragen hat aa) Vorbemerkung Daß eigenes Verhalten zum Unfall beitragen, ihn sogar allein herbeiführen kann, widerspricht möglicherweise einem engeren - insoweit nicht einheitlichen — Lebenssprachgebrauch. In der Unfallv ist diese Möglichkeit jedoch nicht zweifelhaft. Ein Sturz des Vten infolge Glatteis oder sonstigen Mangels der Bodenbeschaffenheit, das Laufen gegen ein nicht oder nicht rechtzeitig wahrgenommenes Hindernis, Aussteigen aus einem Zug auf freier Strecke, weil der — evtl. kurzsichtige — Vte meint, der Zug halte am Bahnsteig, versehentlich sich selbst beigebrachte Schnittverletzungen usw. sind Unfälle im Sinne des § 2 (1) AUB; das ist heute unstreitig. Die Subsumtion des § 2 (1) AUB lautet dann wie folgt: Ein Ereignis wirkt auch dann von außen auf den Körper des Vten ein, wenn diese Einwirkung aus einer Kollision des Körpers mit einem Gegenstand der Außenwelt resultiert, die der Vte durch eigene Bewegung selbst (zumindest mit-) verursacht hat. Es ist hiernach nicht die Mitwirkung des Betroffenen an dem Unfallereignis durch eigene Bewegung, die das Unfallvsrecht vor das in der Rechtsprechung und Literatur so bezeichnete Problem des „Unfalls durch Eigenbewegungen" stellt, sondern die Abgrenzung der im vorstehenden Absatz angedeuteten Fälle irregulärer Kollisionen mit der Außenwelt von anderen Fällen regulärer, d. h. in dieser Weise gewollter, Kollisionen mit irregulären Folgen. Die Beispiele hierfür und damit die für die Unfallv problematischen Fallgruppen reichen von einem unglücklich verlaufenden Sprung von einer niedrigen Mauer mit der Folge eines Beinbruchs bis zu der Frage, ob die nicht in Betracht gezogenen außergewöhnlichen Folgen alltäglicher Tätigkeiten wie z. B. innere Verletzungen aller Art als Folge des Hebens von Lasten, von Bohren, Hämmern und sonstigen anstrengenden Tätigkeiten des täglichen und des Berufslebens, als Unfälle im Sinne des § 2 (1) AUB anzusehen sind. Die hierzu in Literatur und Rechtsprechung geführte Diskussion ist Teil der Fragestellung, ob es einen allgemeinen Unfallbegriff gibt und wie er zu definieren ist (vgl. oben Anm. G 2—4). Sie muß sich u.a. mit der Frage auseinandersetzen, welche Wagner

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Aiun. G 45

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Bedeutung dem Umstand zukommt, daß schon die ältesten Allgemeinen Bedingungen, die Verbandsbedingungen von 1904, D e c k u n g s s c h u t z f ü r die F o l g e n e i g e n e r plötzlicher K r a f t l e i s t u n g e n vorsahen (§ 1 Abs. 1 Satz 2) und daß eine entsprechende Bestimmung, aus der allerdings im Jahre 1972 das Erfordernis der Plötzlichkeit (eigener Kraftanstrengungen) gestrichen worden ist, sich seitdem ohne Unterbrechung bis zu den derzeit geltenden Bedingungen erhalten hat (§ 2 (2) a AUB). Diese Bestimmung läßt die methodisch einwandfreie Schlußfolgerung zu, daß andere Eigenbewegungen grundsätzlich nicht zu einem deckungspflichtigen Unfall führen (vgl. unten Anm. G 100). Die nachfolgend dargestellten Fallgruppen werden, wie bereits angedeutet, deutlich machen, daß hier eine Differenzierung nach der Fragestellung notwendig ist, ob die (eigene) Bewegung des Vten zu einer in dieser Form nicht gewollten Kollision mit der Außenwelt führt (nachfolgend Anm. G 4 5 - 4 7 ) oder ob Bewegung und Kollision gewollt, die Folgen (Gesundheitsschädigung) jedoch nicht gewollt, in der Regel nicht einmal in Betracht gezogen worden sind (Anm. G 48-50). [G 45] bb) Vom Betroffenen nicht gewollte Kollision mit der Außenwelt aaa) Stürze Durch eigene Bewegungen des Vten herbeigeführte Kollisionen seines Körpers mit der Außenwelt bilden in erster Linie die Fälle von S t ü r z e n infolge von Unaufmerksamkeit, fehlerhaften Augen, zu schneller Bewegung oder als Folge ungünstiger Beschaffenheit des begangenen Grundes (Glatteis, Glätte durch Bohnern pp.). Daß solche Vorgänge Unfälle sind, ist unproblematisch, deshalb liegt das Schwergewicht der zu ihnen ergangenen Entscheidungen oftmals auf der Frage, ob der Sturz gewollt war (Selbstmord oder Selbstverstümmelung) oder ob seine Ursache oder Wirkung einen Ausschlußtatbestand erfüllt. So macht RG 6. VII. 1909 VA 1909 S. 8 9 - 9 1 Nr. 478 Ausführungen darüber, ob ein deckungspflichtiger Unfall vorliegt, wenn der Vte — aus nicht geklärten Gründen - zu Boden stürzt, eine Gesundheitsschädigung aber nicht durch den Aufprall, sondern durch Einatmen dort angesammelten Giftgases erleidet. Das Gericht gibt der Deckungsklage unter Hinweis auf die Bedingungen statt, die „Ersticken durch Einatmen zufällig ausströmender Gase" einschließen. Das Erfordernis plötzlicher Einwirkung hindert das Gericht nicht: Diese Voraussetzung sei gegeben. — Nach den heute geltenden AUB wäre der Sturz, den das Reichsgericht a. a. O. in den Unfallhergang einbezieht, für den Deckungsschutz nur für den praktisch bedeutungslosen Fall erheblich, daß zwischen Sturz und Beginn des Einatmens die materielle Vsdauer enden würde: Das Einatmen selbst wird heute als Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB gewertet. OLG Hamm 25. IV. 1927 JRPV 1927 S. 261-262 erblickt Unfall darin, daß Kläger beim Abspringen von der fahrenden Werkbahn mit dem rechten Bein am Wagen hängenblieb, so daß es unter die Räder geriet und abgequetscht wurde. Das Schwergewicht der ausführlichen Entscheidung liegt auf der Auseinandersetzung mit dem Verdacht der Selbstverstümmelung. RG 20. XII. 1929 JRPV 1930 S. 53 gibt der Deckungsklage der Erbin eines unfallvten Fotografen statt, der beim Fotografieren von einer 60 cm hohen Mauer abgerutscht war, sich Verletzungen zugezogen hatte und durch Vergiftung an Veronal gestorben war, das ihm der behandelnde Arzt zur Linderung verschrieben hatte. Zutreffend hält das Gericht dem Ver entgegen, daß dies nicht eine Vergiftung im Sinne des § 2 II a der damals geltenden Bedingungen sei, weil es sich um eine durch einen Unfall veranlaßte Heilbehandlung handele, die nach damaligem und heute geltendem Recht nach § 3 (3) S. 1 2. Alt. AUB deckungspflichtig ist, soweit sie selbst schädliche Folgen hervorruft. RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297-300 befaßt sich mit einem für die Struktur des Unfalls ungewöhnlichen Fall: Der Vte stürzte am 11. II. 1930 auf der Treppe seiner 272

Wagner

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 46

Wohnung. Der Sturz hatte (nur) zur Folge, daß er nunmehr zu Ohnmachtsanfällen neigte. Am 13. XII. 1930 stürzte er infolge einer Ohnmacht zu Boden, nachdem er den Gashahn geöffnet hatte und erstickte an ausströmendem Gas. Das Ersticken an dem ausströmenden Gas kann hier kein deckungspflichtiger Unfall sein, weil insoweit der Ausschluß „Ohnmacht" (§ 3 (4) der AVB von 1920) entgegensteht. Das RG sieht stattdessen den zehn Monate vorher erlittenen Sturz als Unfall (richtig heute: Unfallereignis) an, so daß der durch Giftgas erlittene Tod Folge eines Unfallereignisses und damit — entsprechend der späteren Regelung des § 3 (4) S. 2 AUB, in der allerdings der Ausschluß Ohnmacht seit 1961 nicht mehr enthalten ist - der gesamte Vorgang als deckungspflichtiger Unfall zu werten ist. Diese Entscheidung ist auch nach geltendem Recht zutreffend: Der Vte hatte durch den Sturz eine Gesundheitsschädigung erlitten, die sich in der Ohnmachtsneigung ausdrückte. Diese Gesundheitsschädigung entwickelte sich im Sinne der unten Anm. G 88 dargestellten haftungsausfüllenden Kausalität, für die die Regeln der Adäquanz gelten, indem sie zum Tode des Vten führte. Nach § 81 AUB wäre eine Todesfallentschädigung nicht zu zahlen gewesen, wenn der Tod erst am 12. II. 1931 eingetreten wäre. Diese Fallgestaltung demonstriert zugleich die Möglichkeit eines zeitlich gedehnten Vsfalles in der Unfallv. KG 24. VIII. 1938 JRPV 1939 S. 12 weist Deckungsklage der Witwe eines Vten ab, der nach einem Sturz vom Fahrrad tot aufgefunden worden war. Als Ursache für Sturz und Tod wurde Herzlähmung festgestellt. KG 21. VIII. 1940 JRPV 1940 S. 149 bejaht deckungspflichtigen Unfall für einen Vorgang, der mit dem Sturz des Vten auf einer Treppe beginnt und als Folge des Sturzes zunächst nur Nasenbluten erkennen läßt. Der Tod des Vten nach 18 Tagen wird unter erheblicher Beweiserleichterung zugunsten der Kläger als Folge des Unfallereignisses gewertet. OLG Stuttgart 18. VII. 1953 VersR 1953 S. 395-396 würde Sturz des Vten als Unfall ansehen, wenn dessen Herzinfarkt Folge, nicht aber Ursache des Sturzes gewesen wäre. OLG Celle 6.1.1955 VersR 1955 S. 290-291 wertet Sturz aus einem Erkerfenster auf den Hauseingang als (möglichen) Unfall, hält aber Selbstmord für naheliegend, so daß Klägerin — § 180 a wurde erst im Jahre 1967 eingeführt — als beweisfällig das Armenrecht verweigert wird. OLG Hamburg 24. V. 1955 VersR 1957 S. 106—107 hält einen Sturz im Badezimmer jedenfalls dann für ein Unfallereignis, wenn er nicht auf einem Schwächeanfall, sondern auf äußeren Umständen wie Ausgleiten oder dergl. beruht. Die Deckungsklage wird wegen mitwirkender Leiden (jetzt: § 10 (1) AUB) abgewiesen. OLG München 7. VIII. 1956 VersR 1957 S. 144 gewährt der Witwe Deckungsschutz für den Tod des Vten, der beim Schieben eines Lkw gestürzt und mit dem Kopf auf die Straße oder die Bordwand des Fahrzeuges aufgeschlagen war. Das Gericht meint nicht ausschließen zu können, daß der Vte infolge Ohnmachts- oder Schwindelanfalls gestürzt sei. Das müsse· Beklagte beweisen, ein solcher Beweis sei ihr indes nicht möglich. — Das Gericht erkennt zutreffend, daß zwar eigene Bewegungen des Vten den Unfall mit herbeigeführt haben, daß er indessen diese Kollision mit der Außenwelt („Einwirkung" i. S. des § 2 (1) AUB) „nicht beabsichtigt", d. h. nicht gewollt und beherrscht habe. Mit entsprechender Begründimg — allerdings nach einer nicht gebotenen Einleitung, in der eine andere Unfallkonstruktion abgelehnt wird - wertet OLG Hamm 11. VI. 1^75 VersR 1976 S. 336—337 das Umknicken des Fußes eines Vten an der Bordsteinkante als Unfall. Auch hier war das Geschehen, das einen Kapselbandriß zur unmittelbaren Folge hatte, vom Vten nicht beherrscht und gesteuert gewesen.. [G 46] bbb) Andere Eigenbewegungen mit nicht gewollter schädlicher Folge Ebenfalls zu den hier erörterten unbeherrschten Eigenbewegungen des. täglichen Lebens gehören Vorgänge, bei denen eine schädliche Einwirkung auf den Körper zwar naheliegt, vom Vten aber in dieser Form nicht gewollt ist. So wertet OLG Königsberg 18

B r u c k - M ö l l e r , W G . 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. G 48

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

6 . x . 1911 VA 1912 S. 29 Nr. 651 das Bürsten der Hände als Unfallereignis, weil hierdurch die Haut in einer Weise geritzt worden sei, daß später bei einer Geburtshilfe Syphiliskeime hätten eindringen können. RG 10. V. 1918 S. 53-54 Nr. 1045 sieht Wundscheuern des Fußes durch Marschieren als Unfallereignis, die hierdurch verursachte Blutvergiftung als deckungspflichtige Gesundheitsschädigung an (wegen des hier zweifelhaften Merkmals der Plötzlichkeit vgl. unten Anm. G 59). LG Berlin I 20.X. 1931 JRPV 1932 S. 330 hält dementsprechend Rißwunden, die sich der Vte (Kläger) beim Montieren von Reifen an den Händen zugezogen und dadurch eine Entzündung erlitten hatte, für ein Unfallereignis, den Gesamtvorgang für einen Unfall. RG 4. II. 1944 DR 1944 S. 807-808 hält Aufscheuern der linken Hand bei Gartenarbeit mit der Folge einer Blutvergiftung, an der der Vte gestorben ist, für einen Unfall. Auch hier ist zumindest das Erfordernis der Plötzlichkeit nicht zweifelsfrei erfüllt. [G 47] ccc) Nachträglicher Verlust der BeheiTschungsiiiöglidikeit D e n Ü b e r g a n g zur nunmehr zu erörternden Fallgruppe gewollten und beherrschten Eigenverhaltens mit ungewollten schädlichen Folgen bilden Vorgänge, die vom Vten bewußt und gewollt begonnen und zunächst auch in ihrem Ablauf beherrscht worden sind, sich d i e s e r B e h e r r s c h u n g aber durch einen u n e r w a r t e t e n A b l a u f e n t z o g e n und nunmehr schädigend auf den Vten eingewirkt haben. Ein solcher Geschehensablauf wird besonders deutlich in dem vom OLG Schleswig 30. VI. 1970 VersR 1970 S. 1048 entschiedenen Sachverhalt: Die unfallvte Klägerin wollte in dem von ihr betriebenen Milchgeschäft eine schwere Milchkanne in den Kühlschrank stellen. Mit dem Anheben der Kanne hatte sie den rechten Fuß auf die Kante des Kühlschrankes gesetzt. Der Fuß glitt ab, die Klägerin mußte sich wegen Schmerzen in der Lendengegend in stationäre Behandlung begeben. Das Gericht bejaht deckungspflichtigen Unfall und wertet die infolge Abgleitens des Fußes entstandene Einwirkung des Gewichtes der Kanne auf den Körper als Unfallereignis. Ähnlich lag der vom OLG Dresden 14. VII. 1930 JRPV 1931 S. 77 entschiedene Fall: Ein Arzt nimmt körperlichen Schaden, weil er sein Glied mit versehentlich verstärkter Sublimatlösung wäscht. Wegen weiterer angrenzender Fallgruppen, bei denen die Beherrschung des Vorganges durch ein unwillkürliches, reflexartiges Reagieren verlorengegangen sein kann, vgl. unten die Stellungnahme zu RG 21. II. 1913 VA 1913 Anh. S. 57 Nr. 738 und RG 24. III. 1914 VA 1914 S. 88-89 Nr. 838, Anm. G 49. [G 48] cc) Überblick über die Rechtsprechung aaa) Beherrschtes Eigenverhalten mit ungewollter Gesundheitsschädigung Die Rechtsprechung hat in einer Reihe von Fällen die Frage bejaht, ob ein vom Vten beherrschtes und gesteuertes Verhalten, das — für ihn überraschend, ungewollt — Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt hat, als Unfall im Sinne des primären Unfalltatbestandes (heute: § 2 (1) AUB) zu werten ist. Von diesen Entscheidungen berufen sich manche auf RG 23. X. 1903 RGZ Bd 55 S. 408-411 als einer Art Leitentscheidung. Hier war über folgenden Vorgang zu entscheiden gewesen: Der vte Kläger hatte beim Tanzen „den Fuß zum ersten Sprunge aufgesetzt, als das Bein im Knie zusammengeknickt und plötzlich jede fernere Bewegung unmöglich gewesen sei". In der Police war als Unfall eine „körperliche Beschädigung" bezeichnet, „von welcher der Versicherte durch äußere gewaltsame Veranlassung plötzlich und unabhängig von seinem Willen betroffen wird." Die erste Instanz hatte das Merkmal der ä u ß e r e n Veranlassung nicht als gegeben angesehen, das RG billigte die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts: 274

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 49

„Den Gegensatz zu äußeren Gewalteinwirkungen bilden jedenfalls solche, die auf krankhafte Vorgänge im Inneren des Körpers zurückzuführen sind: nicht aber ist es unbedingt geboten, jede durch eigene Bewegung des Versicherten erzeugte, der Gesundheit nachteilige Krafteinwirkung aus dem Kreise der äußeren gewaltsamen Veranlassung auszuschließen und lediglich solche Verletzungen, welche von dritten Personen bewirkt oder ihre Ursache in elementaren Wirkungen der äußeren Welt haben, unter die Versicherung fallen zu lassen. Hat die schädliche Krafteinwirkung zwar ihre Ursache in einer eigenen Bewegung des Verletzten, und ist diese zwar an sich von dem Verletzten gewollt, aber in ihrer Bedeutung unter den vorliegenden Umständen in ihrer Gefährlichkeit nicht erkannt und demgemäß auch von seinem Willen nicht vollständig beherrscht, so liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber den außerhalb des Körpers befindlichen Ursachen nicht vor. . . " Diese Ausführungen enthalten richtungsweisende Gedanken für die Behandlung der „Eigenbewegung" in der privaten Unfallv. In ihrem wesentlichsten Punkt sind sie indessen unpräzise und — wenn sie gleichsam wörtlich genommen werden — unrichtig: Richtungsweisend ist die Entscheidung, weil sie zutreffend auf die Frage abstellt, ob die Kollision mit der Außenwelt Folge einer vom Verletzten — hinzuzufügen: in dieser Weise — g e w o l l t e n oder u n g e w o l l t e n Bewegung ist. Unpräzise ist sie, soweit sie für den entschiedenen Fall nicht bekennt, ob sie eine gewollte oder ungewollte Bewegung annimmt, Das mag an dem Umstand liegen, daß der Tanz einen Ablauf verschiedenartigster Bewegungen darstellt, für deren einzelne Phasen eine solche Unterscheidung möglicherweise praktisch ausgeschlossen ist. Unrichtig ist es indessen, diese Unterscheidung dann doch zu treffen, und zwar im Ergebnis allein nach der Fragestellung, welche Folge diese Eigenbewegung gehabt hat: Der Verletzte habe diese Bewegung nicht vollständig beherrscht, weil er sie in ihrer Bedeutung und Gefährlichkeit nicht erkannt habe. Dieser Schluß von der Wirkung auf die Qualität der Ursache ist unzulässig und müßte in der Konsequenz dazu führen, jede Eigenbewegung mit schädlicher Folge — soweit nicht Selbstschädigung gewollt oder in Kauf genommen ist — als Unfall anzusehen. Das maßgebliche Merkmal für die Unterscheidung gewollter und ungewollter Eigenbewegungen wird in dem vom OLG Hamm 11. VI. 1975 VersR 1976 S. 336—337 entschiedenen Sachverhalt deutlicher: Der Vte hatte seinen Fuß in der Eile auf die Bordsteinkante gesetzt und war umgeknickt. Hier lag in Wahrheit keine — in dieser Weise — gewollte Bewegung vor, weil (wie anzunehmen ist) der Vte den Fuß nicht auf die Kante setzen wollte. Die zeitlich dem Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1903 nachfolgenden Entscheidungen gehen — auch wenn sie sich auf diese Erkenntnis berufen - nicht einhellig von der durch die „Leitentscheidung" vorgezeichneten Unterscheidung zwischen Kollision infolge gewollter und Kollision infolge ungewollter Eigenbewegung aus. [G 49] bbb) Unfall bejaht RG l l . V . 1909 VA 1909 Anh. S. 88-89 Nr. 477 sieht das mit erheblicher Anstrengung verbundene Lösen einer festsitzenden Schraube vom Fahrrad, das einen Blutsturz in der Lunge zur Folge hat, als Unfall an. Das Gericht beruft sich auf RG 23. X. 1903 RGZ Bd 55 S. 411 und stellt darauf ab, daß der Vte die Gefährlichkeit der Anstrengung nicht erkannt habe und demgemäß der Vorgang von seinem Willen nicht beherrscht gewesen sei. RG 28. V. 1909 VA Anh. S. 91-92 Nr. 479 hält Heben eines schweren Gegenstandes für ein Unfallereignis (im Sinne heutiger Begriffs18'

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Anm. G 49

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

bildung), versagt Deckungsschutz jedoch, weil dieser Vorgang nicht, wie in den Bedingungen vorausgesetzt, „die unmittelbare und alleinige Ursache" der Gesundheitsschädigung bildet. Eine gewisse Einschränkung läßt RG 28. II. 1913 VA 1913 Anh. S. 57 Nr. 738 erkennen: Kläger hatte behauptet, beim Zudecken eines beladenen Eisenbahnwagens mit einer schweren Plane Schäden in Leib und Rücken erlitten zu haben. Das — aufhebende und zurückverweisende — RG meint, eine gewaltsame äußere mechanische Einwirkung im Sinne des damals geltenden Unfallbegriffs könne auch in einer freiwillig gewollten körperlichen Anstrengung des Vten selbst zur Überwindung eines äußeren Widerstandes gesehen werden. Aber nicht jede solchen Zwecken dienende Eigenbewegung könne als Unfall gelten. Die Einwirkung müsse unabhängig vom Willen des Vten, und zwar plötzlich eingetreten sein. Voraussetzung sei, daß sich der Vte der Gefährlichkeit seines Tuns nicht hinreichend bewußt sei. Bei durch Übung geläufig gewordener Anstrengung könne Plötzlichkeit nur dann angenommen werden, wenn im Verlaufe der Eigenbewegung infolge eines schnell und unerwartet hervorgetretenen unvorhergesehenen Ereignisses, insbesondere infolge eines plötzlichen und unerwarteten äußeren Widerstandes, die Bewegung selbst einen nicht von Anfang an vorgesehenen Verlauf genommen und dadurch eine nachteilige Wirkung hervorgerufen habe. Diese Begründung betrifft eine auf der Grenze von der beherrschten zur nicht beherrschten verlaufende Eigenbewegung; der Sachverhalt ist indes der ersteren Art zuzurechnen, weil hier nicht, wie in den Fällen des Vertretens von Fuß oder Kniegelenk, der Vte das Opfer einer unrichtigen Bewegung wird, sondern nur die erforderliche Anstrengung erheblicher ist, als er erwartet hat. Die Beherrschung des Vorganges, d. h. seiner eigenen Bewegung, verliert er dadurch nicht. Entsprechendes gilt für den der Entscheidung RG 24. III. 1914 VA 1914 S. 88-89 Nr. 838 zugrundeliegenden Sachverhalt: Der Kläger hatte ein Grasbündel aufgehoben, um dabei zu helfen, es einem Arbeiter auf die Schultern zu heben. Er war dieser Tätigkeit ungewohnt, und er hatte auch das Gewicht des Grasbündels unterschätzt. So war er „gezwungen", eine drehende Bewegung zu machen, um das Bündel dem Arbeiter auf die Schulter zu bringen. Auch hier hat zwar der Kläger als Vter einen unerwarteten Widerstand überwunden und sich dabei eine Verletzung zugezogen, einem Unfallereignis war er jedoch nicht ausgesetzt, weil er nicht versehentlich, infolge Fehlens eigener Aufmerksamkeit oder Sehkraft, mit der Außenwelt kollidiert ist und diese Kollision auf seinen Körper eingewirkt hat. Mit dem Grasbündel ist er nicht kollidiert, er trug es zur Zeit der Einwirkung bereits. Es handelt sich auch hier um eine beherrschte Eigenbewegung, da es dem Vten freistand, die ungewohnte Anstrengung auf sich zu nehmen oder sie zu unterlassen, d. h. den Vorgang abzubrechen. Das RG erkennt diese Bedenken, begegnet ihnen indes mit der Würdigung, daß der Kläger nach der Gesamtsituation nicht frei gehandelt, sondern sein Verhalten nach den Notwendigkeiten des arbeitsteiligen Gesamtvorganges „sicherlich zum Teil unwillkürlich, . . . als bloße Reflexbewegungen" jedenfalls nicht durchgehend bewußt handelnd, eingerichtet habe (a.a.O. S. 89). Vergleichbare Bedenken gegen den Charakter von Eigenbewegungen als Unfallereignis und eine so subtile Auseinandersetzung mit ihnen läßt die vom gleichen Senat einige Jahre später erlassene Entscheidung RG 18. X. 1921 VA 1922 S. 17-18 Nr. 1244 nicht erkennen: Dort wird das (gewollte) Heben eines Zentnersackes Kartoffeln als Unfallereignis angesehen („plötzliche, äußere Gewalteinwirkung", vgl. a.a.O. S. 17 unten) und das Urteil nur wegen der notwendigen Feststellung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, ob die behauptete Folge - Netzhautablösung — im Rechtssinne ursächlich durch, das Heben verursacht worden sei. Einen gewissen „Höhepunkt" dieser Rechtsprechung bildet KG 6. II. 1924 VA 1924 S. 133 Nr. 1417: Hier wird das Spielen einer Pianistin auf einepi besonders schwer zu 276

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 50

spielenden Flügel, weil es eine Muskelzerrung mit nachfolgender Sehnenscheidenentzündungen zur Folge hatte, als Unfallereignis angesehen. Aus einem weiteren Grunde unrichtig OLG Bremen 23. II. 1927 JRPV 1927 S. 181-184, das Unfall „durch körperliche Überbeanspruchung" des Erblassers der Kläger als Maschinist auf einem Schiff bejaht. Das Gericht geht davon aus, daß die vom Vten ausgeführte Heizertätigkeit zu einer extremen Herzvergrößerung geführt habé, die vier Wochen später zum Tode geführt habe und bewertet den Gesamtvorgang in Anlehnung an die RVO als Unfall. — Das schnelle Herbeiholen eines Löschgeräts zum Löschen des schwelenden Bremsklotzes einer Lokomotive sieht OLG Karlsruhe 11. II. 1937 JRPV 1937 S. 125-126 als Unfallereignis an. OLG Düsseldorf 16. II. 1954 VersR 1954 S. 317—318 wertet das Bohren von Löchern in Bremsbeläge durch den Vten als Unfallereignis: Da die Bremsbeläge aus widerstandsfähigem Material bestanden und der Vte eine Handbohrmaschine benutzte, legte er sich zur Verstärkung des Druckes auf den Knauf der Bohrmaschine, wobei er jedoch zum Schutze und zur besseren Gewichtsverteilung zwischen seine Brust und die Bohrmaschine ein Holzbrett gelegt hatte. Dieses verrutschte mehrfach, so daß die Bruststütze der Bohrmaschine wiederholt hart auf die Brust auftraf. Zwei Tage später starb der Vte an einem Herzinfarkt; er hatte an Fettherz und Arteriosklerose der Herzschlagkranzadern gelitten. Auch hier ist das Geschehen insgesamt vom Vten beherrscht und gesteuert gewesen, das - im Einzelfall nicht gewollte — Abrutschen des Brettes hatte er jedenfalls im Verlauf des Vorganges als unvermeidbaren Teil des Geschehens erkannt. Indem er seine Tätigkeit gleichwohl fortsetzte, führte er eine beherrschte, planmäßige Tätigkeit durch. Der Entscheidung kann deshalb nicht gefolgt werden. [G 50] ccc) Unfall verneint In folgenden Entscheidungen wird Deckungsschutz aus der Unfallv mit der zutreffenden Begründung a b g e l e h n t , daß ein gewolltes und g e s t e u e r t e s V e r h a l t e n d e s V t e n k e i n U n f a l l e r e i g n i s sei und auch durch ungewollte, nicht in Betracht gezogene Folgen nicht zu einem Unfall im Sinne der jeweils maßgeblichen Bedingungen werde. KG 16. XII. 1933 VA 1933 S. 415-416 Nr. 2636 sieht Anstrengung eines Arbeiters beim Aufziehen von Schrumpfringen, die heißgemacht wurden und von der Schmiede zu einem 200 m weit entfernten Arbeitsplatz getragen werden mußten, nicht als Unfallereignis an, weil es an einem plötzlich von außen wirkenden Ereignis fehle. Der vte Arbeiter war infolge Überanstrengung bei dieser Arbeit gestorben. LG München I 30. IX. 1935 JRPV 1936 S. 31-32 versagt Deckungsschutz für den Tod eines Vten infolge der Anstrengung beim Reiten. Es fehle am Merkmal der Plötzlichkeit, wenn es sich um eine durch Übung geläufig gewordene körperliche Anstrengung handele, deren Ablauf nicht durch ein unerwartetes Hindernis gestört werde. OLG Düsseldorf 23. VII. 1936 JRPV 1938 S. 31-32 sieht tödlichen Schlaganfall als Folge eines für das Sportabzeichen geleisteten 3000 m Laufes nicht als Unfall an, weil es an einem plötzlich von außen wirkenden Ereignis fehle. Ursache des Schlaganfalles sei ein krankhafter Zustand des Vten gewesen. Mit sachlich gleicher Begründung lehnt OLG Düsseldorf 8. VII. 1936 JRPV 1938 S. 175 es ab, eine als Folge planmäßig ausgeführter Arbeit als Erdarbeiter erlittene Schulterverletzung als Unfall anzuerkennen. KG 29. III. 1941 JRPV 1941 S. 100 lehnt es ab, den Tod eines Droschkenfahrers, der durch Herzversagen infolge Anstrengung beim Ankurbeln seines Fahrzeuges starb, als Unfall anzuerkennen, weil der Tod nicht Folge eines plötzlich von außen wirkenden Ereignisses gewesen und in den AVB hervorgehoben sei, daß Körperbeschädigung infolge fortgesetzter oder wiederholter Anstrengungen nicht gedeckt seien (Abonnentenv). AG Hamburg 18. IV. 1951 und LG Hamburg als Berufungsgericht 29. XI. 1951 VersR 1952 S. 80-81 sehen planmäßige Arbeit Wagner

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Anm. G 50

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

(Entladen von Schrott aus Güterzügen), die infolge Überanstrengung zu Himschwellung und sodann zum Tode führt, nicht als Unfall an, weil es an einem von außen wirkenden Ereignis fehle. Als solches könne das Anheben eines größeren Stückes Schrott nicht angesehen werden. Beide Gerichte wenden jedoch zugunsten der Bezugsberechtigten oder Erben die Vorschrift des positiven Grenzfalles (§ 2 (2) a AUB) — dort § 1 II l a AUB für Volksunfallversicherung - a n a l o g an, indem sie Verrenkungen pp. einem tödlich wirkenden Blutüberdruck im Gehirn gleichstellen. LG Münster 2. VI. 1952 VersR 1952 S. 341 verneint Deckungsschutz für den Tod eines Vten, der an einer Verkalkung der Herzkranzadern litt und beim Tragen einer 61 Pfund schweren Kette — der von ihm gefahrene Omnibus mußte angeschleppt werden, weil der Motor nicht ansprang — infolge einer Blutanstauung und in deren weiteren Verlauf durch Übertreten von Blut in die Lungenbläschen, starb. Das Gericht meint, eine normale berufliche Tätigkeit könne niemals als Unfall angesehen werden, auch nicht, wenn sie schädigenden Einfluß auf den Körper habe. Das Anheben der Kette sei auch kein von außen auf den Vten einwirkendes Ereignis gewesen, hier hätten nur innere Kräfte des Körpers gewirkt. Schließlich fehle es am Merkmal der Plötzlichkeit. LG Krefeld 10. II. 1954 VersR 1954 S. 217-218 hält eine infolge planmäßigen Tragens von Bohlen eintretende Gehirnblutung, die zum Tode führt, nicht für einen Unfall: Es fehle an einem von außen wirkenden Ereignis, denn der schädigende Vorgang habe auf dem eigenen Willen des Verletzten beruht. Im gleichen Sinne OLG Hamburg 22. VI. 1954 VersR 1954 S. 411-412: Der Vte war Metzgermeister, er überanstrengte sich beim Abholen von Schweinen bei einem Landwirt, als er, obwohl er leidend und seine Mitwirkung nicht vorgesehen war, zugriff, um den Widerstand einer Sau gegen die Verladung zu überwinden. Die Obduktion ergab Arteriosklerose der rechten Herzschlagader sowie als Todesursache akutes Herzversagen. Das Gericht versagt die Unfallzusatzsumme: Ein gewöhnlicher Unfall liege nicht vor, weil es an einer von außen kommenden Einwirkung fehle. LG Dortmund 31. III. 1955 VersR 1955 S. 83 verneint Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB für Bandscheibenschaden nach Anheben einer schweren Kiste und schließt sich hierfür den Gründen des (oben zitierten) LG Münster 2. IV. 1952 VersR 1952 S. 341 an. LG Stuttgart 5. VII. 1955 VersR 1955 S. 705-706 lehnt Armenrecht für Deckungsklage nach angeblicher Wirbelsäulenverrenkung ab, weil der Vte behauptet hatte, sie als Folge seiner Berufsarbeit erlitten zu haben. LG Nürnberg-Fürth 8. V. 1956 VersR 1957 S. 144—145 verneint Deckungsschutz nach § 2 (1) AUB für einen Körperschaden, den der Vte nach seinem Vortrag dadurch erlitten hat, daß er sich mit einer schweren Last von etwa zwei Zentnern (ein Viertel Rind) auf der Schulter nach einem hinter ihm den Fleischerladen betretenden Kunden umgedreht habe. Seitdem sei er wieder im Gebrauch des linken Beines, mit dem er früher einen Betriebsunfall erlitten hatte (Schienbeinkopfbruch), beeinträchtigt. Den weiteren Vortrag, daß der Kläger zugleich mit seinem linken Fuß am Hackstock hängengeblieben sei, sieht das Gericht nicht als erwiesen an. Grundsätzlich zu Abgrenzung des Unfallbegriffs nach § 2 (1) AUB von den Kraftanstrengungen nach § 2 (2) a AUB OLG Frankfurt/M 18.1.1960 VersR 1961 S. 745—746: Eine eigene Bewegung des Vten sei nur dann als ein von außen einwirkendes Ereignis im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB anzusehen, wenn sie ihrerseits durch ein von außen wirkendes Ereignis, d. h. die Einwirkung eines anderen Gegenstandes oder einer anderen Person, verursacht werde oder wenn die Eigenbewegung eine Einwirkung eines anderen Menschen oder eines Gegenstandes unbeabsichtigt herbeiführe (es folgt ein Zitat Wussow AUB 2. Aufl. 1959, jetzt: Wussow AUB 4 § 2 Anm. 8, S. 60-61). Das Gericht distanziert sich ausdrücklich von RG 23. X. 1903 RGZ Bd 55 S. 408, diese Entscheidung entspreche angesichts der Gegenüberstellung von „Einwirkungen von a u ß e n " nach § 2 (1) AUB und schädigenden Ereignissen 278

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Anm. G 51

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

durch (plötzliche) Kraftanstrengung nicht mehr der heutigen Rechtslage; im gleichen Sinne Henke, Ausschlüsse S. 28 mit Nachweisen. OLG Frankfurt/M., das hier einen etwa gleichliegenden Fall zu entscheiden hatte wie das Reichsgericht im Jahre 1903 in beiden Fällen hatte sich der Vte das Kniegelenk durch eine Bewegung beim Tanzen verletzt - , sieht im Zusammenschlagen der Hacken beim Tanzen keinen Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB. LG Koblenz 8. III. 1961 VersR 1964 S. 962 entscheidet, daß das Anheben eines Pkw durch den Vten, das einen Herzinfarkt auslöst, kein Unfall sei, weil es an einem von außen kommenden Ereignis fehle. Dieses setze eine Einwirkung auf den Verletzten durch Kräfte voraus, die außerhalb des Einflußbereiches seines eigenen Körpers liegen. Das ist zu weitgehend formuliert, weil damit auch versehentliche, nicht gewollte Kollision mit der Außenwelt aufgrund eigener Bewegung vom Unfallbegriff ausgenommen würden. OLG München 20. XI. 1964 VersR 1964 S. 126—128 befaßt sich ausführlich mit der Abgrenzung des Unfallbegriffs im Sinne des § 2 (1) AUB von dem Grenzfall des § 2 (2) a AUB und kommt zu dem Ergebnis, daß die den Vsschutz ausdehnende Vorschrift des § 2 (2) a AUB zugleich eine Einschränkung des Unfallbegriffs des § 2 (1) AUB derart bewirke, daß äußere Einwirkungen, die auf plötzlichen Kraftanstrengungen beruhten, kein Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB sein könnten (a.a.O S. 127 r.Sp.). So lehnt das Gericht es ab, in dem Tragen einer schweren Kiste auf dem Rücken des Vten ein Unfallereignis zu sehen, und zwar auch für den (hier nicht bewiesenen) Fall, daß der Vte mit der Kiste auf dem Rücken gestolpert und die schädigende Wirkung (Herzinfarkt etwa drei Monate später) darauf zurückzuführen sei. LG Limburg 20. I. 1965 VersR 1965 S. 506 sieht eine Zerreißung der Achillessehne bei gymnastischer Übung nicht als Unfall an, weil es an einem von außen wirkenden Ereignis fehle. Körperinnere Vorgänge seien nur unter den Voraussetzungen des § 2 (2) a und b AUB von der Unfallv gedeckt. LG Mannheim 21. IX. 1972 VersR 1973 S. 1020 sieht Tragen schwerer Gegenstände (hier: 21 kg schwere Schreibmaschine) nicht als Unfallereignis an, und zwar auch dann nicht, wenn der Kläger (Vter) zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zu einer plötzlichen Kraftanstrengung gezwungen gewesen sein sollte. Denn nach dem aus § 2 (2) a AUB zu ziehenden Gegenschluß seien die Folgen plötzlicher Kraftanstrengung nur unter den dort genannten Voraussetzungen von der Unfallv gedeckt. Einen besonderen Fall entscheidet RG 28. V. 1909 VA 1909 S. 91-92 Nr. 479: Dem Vten war beim Heben eines schweren Gegenstandes die durch Geschwüre geschwächte Magenwand zerrissen. Infolgedessen war eine Bauchfellentzündung eingetreten, an der er starb. Das RG weist die Deckungsklage ab, weil die Bedingungen verlangten, daß die Einwirkung von außen die „unmittelbare und alleinige Ursache" des Todes sein müsse. Daran fehle es hier.

[G 51] dd) Zusammenfassung und eigene Würdigung Die vorstehend wiedergegebenen Entscheidungen lassen die Neigung insbesondere der neueren Rechtsprechung erkennen, planmäßige, beherrschte und gesteuerte Tätigkeit des Vten nicht als Unfallereignis zu werten, und zwar auch dann nicht — nur für solche Fälle stellt sich die Frage —, wenn diese Tätigkeit ungewollte und nicht in Kauf genommene schädliche Folgen für die Gesundheit des Vten bewirkt. Die Begründung hierfür ist in zwei Gruppen zu teilen, ohne daß sich alle Entscheidungen auf eine der beiden Begründungen beschränken: Die eine Begründung stützt sich auf die Erwägung, daß in Fällen dieser Art die Voraussetzungen des § 2 (1) AUB nicht gegeben seien: Es fehle sowohl am von außen wirkenden, als auch am plötzlich wirkenden Ereignis. Dem könnte entgegengehalten Wagner

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Anm. G 51

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

werden, daß es nur dann an einem von außen wirkenden Ereignis fehlt, wenn die Gesundheitsschädigung ganz unabhängig von einem von der Außenwelt geleisteten Widerstand — und sei es nur durch Schwerkraft — eintritt. So würden jedenfalls die Fälle der Schädigung durch Heben eines schweren Gegenstandes die Aussage zulassen, die schädliche Kraft wirke von außen, sei es durch die auf den Körper wirkende Kraft des gehobenen Gegenstandes, sei es durch das Stehen auf dem Boden, der seinerseits als Widerstand auf den Körper einwirkt. Auch der weitere Hinweis, es fehle der gewollten und geplanten Eigenbewegung des Vten an der Plötzlichkeit, war jedenfalls bis zur Änderung des § 2 (2) a AUB im Jahre 1972 (Fortfall des Erfordernisses der „plötzlichen" Kraftanstrengung) nicht überzeugend, da bis dahin nach den AUB eine „plötzliche Eigenbewegung" offenbar möglich war. Es kann nicht angenommen werden, daß der in derselben Bestimmung eines Bedingungswerkes mehrfach verwendete Begriff der Plötzlichkeit nicht die gleiche Bedeutung haben sollte, so zutreffend OLG Düsseldorf 4. II. 1969 VersR 1973 S. 49 r. Sp. Die zweite Begründung stützt sich auf einen Gegenschluß zu § 2 (2) a AUB: Indem die AVB hier einen Spezialfall der Schädigung durch Eigenbewegung unter Deckungsschutz stellten, müßten (andere) Eigenbewegungen, „die lediglich durch sich selbst zu einer Gesundheitsbeschädigung führen, keine Deckungspflicht auslösen können" (so Wussow AUB 4 § 2 Anm. 8 S. 60, ähnlich Prölss-Martin21 § 182 Anm. 3 a, Wüstney § 2 Anm. 3). Diese Begründung ist nur insoweit überzeugend, als aus der enumerativen Aufzählung deckungspflichtiger Folgen von Kraftanstrengungen (Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Wirbelsäule und Gliedmaßen) in § 2 (2) a AUB zu schließen ist, daß andere Gesundheitsschädigungen als Folgen von Kraftanstrengungen nicht unter den Deckungsschutz fallen. Eine weitergehende Aussage über die unfallvsrechtliche Behandlung von Eigenbewegungen enthält diese Bestimmung nicht: Es ist unstreitig, daß mitwirkende Eigenbewegungen des Vten einen Unfall herbeiführen können. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß sich die Grundsätze der Entscheidung des RG 23. X. 1903 RGZ Bd 55 S. 408 nicht durch die historische Entwicklung der AVB „erledigt" haben, wie es bei Henke, Ausschlüsse S. 28 mit Nachweisen angedeutet sein könnte: Die der Entscheidung zugrundeliegende Police stammte aus dem Jahre 1892 und beschrieb den Unfall als „gewaltsame äußere Veranlassung". Daß das Reichsgericht diese Beschreibung im Sinne des heutigen „von außen" deutet, wird in den Gründen (S. 410, 411) hinreichend klar (zutreffend insoweit Henke S. 28). Die in dem der Entscheidung folgenden Jahre veröffentlichten Verbands-Bedingungen von 1904 enthalten in § 1 Abs. 1 alle hier fraglichen Merkmale des Unfallbegriffs ( . . . von außen plötzlich einwirkendes Ereignis) und überdies den Zusatz, daß auch Zerrungen und Zerreißungen von Muskeln gedecken seien, „auch wenn dieselben Folge eigener plötzlicher Kraftleistungen sind". Die Bedingungen von 1910 enthalten in der Darstellung hierzu zwar eine bessere Ordnung, aber keine sachliche Änderung, so daß die oben unter Anm. G 49 zitierten Entscheidungen, die sich auf die Erkenntnis des Reichsgerichts von 1903 berufen, aufgrund einer Rechtslage ergehen, die in den für die Argumentation wesentlichen Punkten der heutigen entspricht. Die Bedeutung der Eigenbewegungen im Rahmen des Unfallbegriffs ist deshalb in erster Linie einem am Lebenssprachgebrauch und der ihn prägenden Vorstellung vom Unfallbegriff zu entnehmen. Für ihn ist — bei aller Schwierigkeit, ihn präzise zu erfassen — die ungewollte Kollision mit der Außenwelt essentiell, während die Folgen einer gewollten „Kollision", d. h. eines beherrschten Verhaltens nicht der Vorstellung von einem — vielleicht geringfügigen — Rest des Merkmals der Externität innerhalb des Unfallbegriffs entsprechen: Der Vmer mag sich insoweit durch Krankenv absichern, die Unfallv trifft solche Fälle nicht.

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Anm. G 53

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs [G 52] ee) Elektrizität und Blitzschlag aaa) Elektrischer Strom

Die Einwirkung von elektrischem Strom auf den Körper des Vten, der infolge dieser Einwirkung Verbrennungen erleidet oder stirbt, ist ein Unfall im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB, gleichgültig, ob diese Einwirkung durch versehentliches Berühren stromführender Leiter oder defekter elektrischer Geräte ausgelöst wird. Entsprechendes gilt, wenn der Vte den Kontakt mit dem Strom bewußt herbeiführt, sich aber über die lebens- oder gesundheitsgefährdende Wirkung einer höheren Stromspannung nicht im klaren ist (Wussow AUB 4 Anm. 12 zu § 2 AUB). In der Rechtsprechung sind, insoweit ersichtlich, Fälle von unmittelbar schädigender Einwirkung auf den Körper des Betroffenen bisher nicht entschieden worden. OLG Düsseldorf 8. IV. 1935 VA 1935 S. 239-240 Nr. 2811 bejaht Deckungspflicht für den Tod einer Frau, die mit Schwachstrom in Berührung gekommen und als Folge dieses Ereignisses gestorben war. Den Gründen ist nicht zu entnehmen, welcher zeitliche Abstand zwischen Tod und Berührung mit Strom gelegen hat. Die Ausführungen über die Möglichkeit eines Herzflimmerns oder eines Schrecks als Folge der Berührung mit dem Strom und die Ursächlichkeit dieser Folgen für den Tod der Vten deuten darauf hin, daß die Berührung mit dem Strom nicht unmittelbar den Tod herbeigeführt hat. Deshalb ist es konsequent, daß sich das Gericht mit dem Ausschluß (negativen Grenzfall) der „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung" auseinandersetzt. Es verneint die Anwendung dieser Bestimmung im Anschluß an die herrschende Praxis. Angesichts des Umstandes, daß in § 4 I der maßgeblichen Bedingungen Blitz und elektrischer Schlag ausdrücklich in die Versicherung eingeschlossen sind und daß diese Ereignisse oftmals vermöge ihrer Schreckwirkung tödlich wirken, wird man der Auffassung des Gerichts, ein entsprechender Ausschluß hätte deutlicher formuliert werden müssen, für diesen Fall zustimmen müssen. [G 53] bbb) Einwirkung von Blitzschlag Ein den Vten unmittelbar treffender und durch Verletzung oder Tod wirkender Blitzschlag ist ein Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB. Das ist ζ. B. in den AVB von 1904 und 1910 ausdrücklich bestimmt und kann heute als unstreitig bezeichnet werden. Die Rechtsprechung hat sich mit einem solchen Fall — soweit ersichtlich — bisher nicht befaßt, er würde angesichts der einhellig hierzu vertretenen Auffassung (Wussow AUB 4 § 2 Anm. 8, S. 60 oben, Henke, Ausschlüsse S. 41 Fußn. 177 m. N.) keinen Anlaß zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung geben. Die ältere Rechtsprechung hat dagegen Fälle entschieden, in denen es um die Frage ging, ob die nur mittelbare Wirkung eines Blitzschlages einen Unfall darstelle: RG 24. II. 1905 VA 1905 S. 6 4 - 6 6 Nr. 132 und RG 16. XIII. 1910 VA 1911 S. 20-22 Nr. 578: In beiden Fällen war der Vte nicht selbst vom Blitz getroffen worden, sondern an der infolge des Blitzstrahls erlittenen Schreckwirkung gestorben. Beide Vte hatten an krankhafter Veränderung der Herzen gelitten. In den Gründen wird jeweils darauf abgestellt, daß sich gegen diese Auswirkungen eines Blitzschlags niemand durch einen willensmäßig gesteuerten Widerstand wehren könne. Wenn Henke a.a.O. S. 41 in diesem Zusammenhang ausführt, daß hier das Ereignis („wahrscheinlich") auch unmittelbar auf den Körper eingewirkt habe und für solche Fälle auch heute Deckungsschutz gewährt würde, so dürfte dies — unabhängig vom Bedingungstext - den berechtigten Erwartungen des Unfall-Vmers entsprechen, der Blitzschlag als gleichsam „klassisches" Unfallereignis wertet und die Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Einwirkung als gekünstelt ansehen würde. Bei wortgetreuer Anwendung der AUB von 1961 würde es sich indessen nicht um deckungspflichtige Unfälle handeln, da die sog. Wagner

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Anm. G 55

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

„mittelbare" Wirkung im Sinne des § 2 (3)b AUB psychisch vermittelt wird und die Auswirkungen eines solchen Schreckerlebnisses von den Besonderheiten der Konstitution des Betroffenen abhängen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die vom RG entschiedenen — oben zitierten — Fälle Vte betreffen, die herzleidend waren. [G 54] ff) Zustand als Unfallereiguis? Da der Unfall einen Vorgang voraussetzt — ein von außen wirkendes Geschehen — k a n n ein Z u s t a n d , isoliert betrachtet, die V o r a u s s e t z u n g e n des § 2 (1) A U B n i c h t e r f ü l l e n . Nicht gefolgt werden kann deshalb dem LG Hamburg 22. V. 1975 VersR 1976 S. 455—456 darin, daß das bloße Verbleiben von sog. Kirschnerdrähten, die zur Nagelung eines Schlüsselbeinbruches verwendet worden waren, im Körper des Verletzten einen Unfall darstellt. Der behandelnde Arzt hatte versehentlich abgebrochene Drahtreste im Körper der Betroffenen belassen, die dann in die Lunge der Vten gewandert waren. Sollte das Gericht, dessen Gründe eine Subsumtion insoweit nicht erkennen lassen, das Wandern der Drähte im Inneren des Körpers als Unfall werten, so hätten die Merkmale „von außen" und „plötzlich" wirkend nachgewiesen werden müssen. Sie zu bejahen wäre nicht unvertretbar gewesen, indessen liegt hier angesichts des § 3 (3) AUB die Betrachtungsweise näher, daß die durch das Wandern der Drahtreste ausgelöste Gesundheitsschädigung Folge des ursprünglichen Unfallereignisses (Schlüsselbeinbruch) war und zu den in § 3 (3) AUB genannten Gesundheitsschädigungen gehört, die als mittelbare Schädigungen vorbehaltlich der in § 8 AUB genannten Fristabläufe noch Teil des ersten Unfalles sind. [G 55] d) Erweiterung des Unfallbegriffs: „Kupiertes Unfallereiguis" aa) Uberblick über die Rechtsprechung Eine Reihe von Entscheidungen sieht als Unfallereignis bereits diejenige Situation an, die noch keine konkrete Einwirkung auf den Körper des Vten darstellt, sondern den Betroffenen nur in eine Lage versetzt, die ihn bewegungsunfähig macht und dadurch zwingt, eine Gesundheitsbeschädigung zu erleiden: RG 3. X. 1899 RGZ Bd 44 S. 149 sieht den Sturz des Vten in einen Graben als Unfall an, wobei im Sinne heutiger Terminologie das Unfallereignis gemeint ist. Entsprechendes gilt für RG 13. IV. 1915 — referiert in Unfallversicherungs-Praxis 1915 S. 41. Auch dort war der Vte in einen Graben gefallen, in beiden Fällen waren sie tot aufgefunden worden. Die Todesursache war nicht zu ermitteln gewesen, es konnte sich um einen Herzschlag infoge des Schreckens, aber auch um Ertrinken gehandelt haben. Mit ähnlicher Fallgestaltung haben sich Entscheidungen befaßt, in denen Badende oder mit einem Boot Fahrende im (unerwartet) unruhigen Wasser in eine Situation gerieten, die sie als bedrohlich oder gar aussichtslos empfanden. Auch hier wird bereits eine Lage als Unfallereignis gewertet, die eine unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Vten nicht erkennen läßt. So bejaht KG 13. II. 1937 JRPV 1937 S. 169-170 einen deckungspflichtigen Unfall für den Tod eines Vten beim Baden mit folgender Begründung: „Dieser Herztod ist eingetreten, weil der Erblasser beim Rückweg zum Ufer infolge der ansteigenden Flut unerwartet, also plötzlich den Boden unter den Füßen verlor, so daß das Wasser über seinem Kopf zusammenschlug, weil er als unsicherer Schwimmer sich nicht allein aus diesem auf ihn eindringenden und über ihm zusammenschlagenden Wasser herausarbeiten konnte und weil durch diese Bemühungen . . . die Herztätigkeit im Übermaß beansprucht wurde, was zum Tode . . . führte." Die ausweglose Situation im Wasser wird als Unfallereignis gewertet, obwohl unklar ist, ob bereits sie den Tod herbeigeführt hat. Das wird noch deutlicher bei OLG 282

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Anm. G 55

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Frankfurt/M. 29. IX. 1967 VersR 1968 S. 194: Hier hatten den Vten beim Baden die Kräfte verlassen. Es war während des Schwimmens über eine weite Strecke Wind aufgekommen, der bewirkt hatte, daß der bei Windstille und spiegelglatter See aufgebrochene Schwimmer nun gegen Wellengang ankämpfen mußte, kalten Strömungen ausgesetzt war, die aus der Tiefe des Sees nach oben gelangten und auch noch das Rettungsboot verfehlte, so daß er ertrank. „Das aber war zumindest zusammengenommen ein Ereignis, das plötzlich und von außen auf den Körper der Schwimmer und damit des Vten wirkte. Die darin liegende Erschwerung der Überquerungsbedingungen kam unerwartet und unentrinnbar . . . " — Auch hier wird also vom Gericht diejenige Situation als Unfallereignis gewertet, die für den Vten unentrinnbar zum Tode führt. Ähnlich definiert OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 842: „Als Unfallereignis kommt der Sturm im Zusammenhang mit dem Abtreiben des Tretbootes in den Schilfgürtel und den gleichzeitig in das Boot schlagenden Wellen in Betracht, denn der Begriff des Ereignisses im Sinne des § 2 Abs. 1 AUB ist weit zu fassen, so daß auch Natureignisse darunter zu verstehen sind." Hier war der Vte alsbald nach seiner „Rettung" am Herzinfarkt gestorben. Das Gericht wies die Klage indes wegen § 2 (3) b AUB ab. Für eine andere Fallkonstellation, aber in dem hier erörterten Zusammenhang — „kupiertes Unfallereignis" — bedeutsam, nimmt BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341—342 ein Unfallereignis trotz fehlender Einwirkung auf den Körper des Vten an: Hier war der Vte beim Bergsteigen verunglückt. Beim Abstieg durch einen Kamin war das Seil infolge eines Wettersturzes vereist. Es verhängte sich, so daß der weitere Abstieg oder ein Wiederaufstieg unmöglich wurde. Der Vte wurde auf einem kleinen Kaminvorsprung praktisch bewegungsunfähig. Er starb infolge allgemeiner Erschöpfung und Erfrierens. Das Geschehen, das den Vten bewegungsunfähig macht, wird vom BGH als Unfallereignis angesehen. Hierzu heißt es in den Gründen: „Der Versicherte starb infolge Witterungseinflüssen. Gesundheitsschädigungen durch solche Einflüsse sind nur dann Unfälle, wenn der Versicherte ihnen infolge eines Versicherungsfalles ausgesetzt war. Ein solcher verlangt ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis. Die Ursache der Gesundheitsschädigung darf nicht ein innerer Körpervorgang sein. Das äußere Ereignis braucht aber nicht stets derart zu sein, daß es den Körper des Versicherten unmittelbar in Mitleidenschaft zieht. Der an sich das Kletterseil betreffende äußere Vorgang ist hier nach den besonderen Umständen, in denen sich der Versicherte befand, als eine Einwirkung auf seinen Körper zu betrachten. Das Seil war für den Versicherten ein unentbehrliches Mittel, um sich in der Wand fortzubewegen. Durch seinen Ausfall wurde er plötzlich in eine völlig hilflose Lage versetzt, die ihm nur eine Bewegung innerhalb eines ganz kleinen Bereiches ermöglichte. Ein solcher auf der Stelle durch ein äußeres Ereignis eintretender vollständiger Verlust der Bewegungsmöglichkeit ist, auch wenn dabei unmittelbar keine Schädigungen des Körpers eingetreten sind, nach natürlicher Auffassung einer Einwirkung auf den Körper im Sinne des § 2 AUB gleichzustellen." Die vorstehend referierten Entscheidungen stimmen in ihrer Begründung darin überein, daß als Unfall oder Unfallereignis ein Vorgang bezeichnet wird, dessen Subsumtion unter die in § 2 (1) AUB genannten Voraussetzungen problematisch ist, weil dasjenige Geschehen, das nach dem Lebenssprachgebrauch und der ihn bestimmenden Vorstellung als „Unfall" gewertet und bezeichnet wird, nicht mit demjenigen übereinstimmt, das die „Einwirkung auf den Körper" ausmacht. Hinsichtlich der echten Begründung, d. h. der ratio dieser Konstruktion, stimmen diese Entscheidungen Wagner

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Anni. G 56

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

nicht überein: Für die beiden an erster Stelle genannten Entscheidungen des Reichsgerichts werden die maßgeblichen Bedingungen nicht mitgeteilt, man wird vermuten dürfen, daß sich das Gericht insoweit an einen weitgefaßten, dem Lebenssprachgebrauch entsprechenden Unfallbegriff gehalten hat. Diesem entspricht es, einen Sturz in einen Graben mit tödlicher Folge als Unfall zu bezeichnen. In ähnliche Weise wird man die Begründung des BGH zu deuten haben: Ein Bergsteiger, dessen Seil vereist, so daß er handlungsunfähig wird, erleidet „nach natürlicher Auffassung" einen Unfall, wenn er infolge dieses Mißgeschicks „am Berge" erfriert. Diese am Lebenssprachgebrauch oder an der „natürlichen Auffassung" orientierte erheblich erweiternde Auslegung des § 2 (1) AUB ist der Sache nach eine Analogie zugunsten des Vmers, was der BGH mit den Worten „ist . . . einer Einwirkung auf den Körper . . . g l e i c h z u s t e l l e n " auch ausdrücklich einräumt, vgl. hierzu — Analogie in der Anwendung von AVB — auch die Ausführungen oben Anm. A 59. Die anderen oben zitierten Entscheidungen lassen — abgesehen von OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 842 - das Bestreben erkennen, durch die Art der Begründung andere Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zu beschwichtigen: KG 13. II. 1937 JRPV 1937 S. 169-170 umgeht mit dieser Begründung die Ausschlüsse des § 3 (4) AUB damaliger Fassung, die außer Bewußtseinsstörung noch Ohnmacht und Schwindel umfaßten und unterläßt zugleich eine Auseinandersetzung mit dem negativen Grenzfall des § 2 II 2 a (Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen), obwohl dies nach dem Text der Urteilsgründe (a.a.O. S. 169 r.Sp. unten) unerläßlich gewesen wäre. Überdies ist das Merkmal der Plötzlichkeit zweifelhaft. OLG Frankfurt/M. 29. IX. 1967 VersR 1968 S. 194 scheint ebenfalls Zweifel am Merkmal der Plötzlichkeit überwinden zu wollen. Da der Vte durch Ertrinken gestorben ist, lag nach der Struktur des Geschehens ein Unfall vor (vgl. oben Anm. G 36), so daß es der komplizierten und wie eine Beteuerung wirkenden Ausführungen zur Konstruktion eines Unfallereignisses nicht bedurft hätte (vgl. a. a. O. S. 194 r. Sp. vorletzter Absatz). Außerdem mag das Gericht dem Einwand begegnen wollen, daß der Tod Folge von Temperatureinwirkung war, § 2 (3)c III. AUB, indem es diesen Tod im Sinne des § 2 (3)c IV AUB als Folge eines Unfallereignisses deutet. Dagegen war OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 842 zu seiner Konstruktion eines Unfallereignisses nicht gezwungen, weil es — zutreffend, aber gegen die herrschende Praxis, vgl. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 - Ausschluß des Deckungsschutzes gemäß § 2 (3)b AUB annimmt. Der Vte hatte infolge des Schrecks über eine mutmaßlich bedrohliche Situation bei einer Bootsfahrt einen Herzinfarkt erlitten, an dem er gestorben war. Das Gericht bejaht ein Unfallereignis und sieht dieses im Abtreiben des Bootes in Verbindung mit den in das Boot hineinschlagenden Wellen, schließt aber aus der Neufassung der AUB von 1961, daß Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen auch dann vom Deckungsschutz ausgenommen seien, wenn sie als Folge eines Unfallereignisses aufträten, vgl. unten Anm. G 252. [G 56] bb) Stellungnahme Eine am Lebenssprachgebrauch orientierte erweiternde Auslegung des Unfallbegriffs in dem von BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341 vollzogenen Sinne entspricht der berechtigten Erwartung des Vmers, der einen solchen Vorgang unabhängig von der Subsumtion des § 2 (1) AUB als Unfall wertet. Aus dieser durch den Lebenssprachgebrauch vorgegebenen Wertung als Unfall ergibt sich zugleich die Grenze für die Gleichstellung solcher Vorgänge mit einem Unfall: Die Gleichstellung setzt stets voraus, daß ein Ereignis von außen und plötzlich auf den Vten eingewirkt hat. Daran fehlt es z.B., wenn sich ein Bergsteiger verläuft oder versteigt oder ermattet und 284

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Anm. G 58

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

sodann verhungert oder erfriert. Ein einem Unfall gleichzustellendes Geschehen liegt auch dann nicht vor, wenn der Vte irgendwie die Bewegungsfreiheit verloren hat und dann verhungert oder erfriert, so ζ. B., wenn er — von ihm unbemerkt — eingeschlossen wurde oder sich selbst durch ein Schnappschloß eingesperrt hat (vorstehende Beispiele übernommen von Henke, Ausschlüsse S. 52). [G 57] 3. Das Merkmal der Plötzlichkeit a) Standort im Unfallbegriff Nach § 2 (1) AUB in der seit 1920 geltenden Fassung muß die „Einwirkung auf den Körper" plötzlich geschehen. Die Plötzlichkeit ist hiemach Bestandteil des Unfallereignisses, während es für dessen Folgen, nämlich die Gesundheitsschädigung, die Arbeitsunfähigkeit oder Tod bewirkt, gleichgültig ist, ob sie sich plötzlich entwickeln oder nicht. Das sollte nunmehr angesichts der Formulierung des § 2 (1) AUB, die die Struktur des Unfallbegriffs insoweit klar zum Ausdruck bringt, unstreitig und jedem Zweifel entzogen sein. Indessen scheint ein früher ausgetragener Meinungsstreit darüber, ob sich die Plötzlichkeit auf die Einwirkung oder (auch) auf deren Folgen beziehen müsse (vgl. die Nachweise bei Gerkrath ZVersWiss 1906 S. 7 m.N., Gerhard-Hagen, Anm. 7 zu den Verbands-Bedingungen von 1904 S. 736 und Ziegler, Unfallbegriff S. 47 f.) bis in die jüngere Zeit nachzuwirken. Im Sinne des Erfordernisses einer klaren Begriffsverwendung sind deshalb die Formulierungen in RG 18. X. 1921 VA 1922 S. 17-18 Nr. 1244, OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR 1954 S. 317-318 und OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 773-774, wonach sich das als Bestandteil der Plötzlichkeit angesehene subjektive Moment des Unerwarteten nicht auf das Ereignis, sondern auf die „Ereignisfolgen" beziehen müsse, als wenig glücklich zu bezeichnen. In der Sache sind sie richtig, wenn sie mit dem Ausdruck „Folgen des Unfallereignisses" den gesamten dynamischen Vorgang des „Einwirkens" bezeichnen sollen. Es gilt indes klarzustellen, daß die Einwirkung nicht sogleich eine Gesundheitsschädigung des Vten zur Folge haben muß, wie ζ. B. der vom RG 18. XI. 1932 VA 1933 S. 297-300 Nr. 2482 erörterte Sachverhalt deutlich macht: Hier war das Unfallereignis der Sturz auf einer Treppe. Er hatte — plötzlich — auf den Vten eingewirkt und zu einer Ohnmachtsneigung geführt, die erst zehn Monate später den Tod zur Folge hatte. Damit war für die Einwirkung auf den Körper des Vten den Sturz — das Erfordernis der Plötzlichkeit gewahrt und Deckungsschutz gegeben.

[G 58] b) Geschichte Es ist nicht festzustellen, seit wann das Merkmal der Plötzlichkeit Bestandteil des Unfallbegriffs ist. Von Ziegler, Unfallbegriff S. 20 werden einige Unfallvsbedingungen zitiert, die (möglicherweise) den Begriff der Plötzlichkeit nicht enthalten. Aber Hiestand Grundzüge S. 49 behandelt ihn bereits im Jahre 1900 als selbstverständlichen Bestandteil des Unfallbegriffs, und die im Jahre 1906 von Gerkrath a.a.O. durchgeführte Bestandsaufnahme über den Meinungsstreit zum Unfallbegriff geht wie selbstverständlich davon aus, daß nach allen hierzu vertretenen Auffassungen das Merkmal der Plötzlichkeit dazugehöre (Gerkrath a.a.O. S. 1). Das ist nicht ganz überzeugend, weil die Verbands-Bedingungen von 1904 in § 1 Abs. 1 Satz 1 für den Unfall zwar ein von außen plötzlich einwirkendes Ereignis voraussetzen, die anderen Merkmale Gewaltsamkeit und Zufälligkeit dagegen nicht aufzählen. Die späteren Bedingungen haben bis einschließlich der heute (seit 1961) geltenden das Merkmal der Plötzlichkeit für den Unfallbegriff beibehalten, es jedoch im Jahre 1972 für den Einschluß bestimmter Folgen von Kraftanstrengungen gestrichen (vgl. unten Anm. G 109). Wagner

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Anm. G 59

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 59] c) Zweck und Inhalt des Merkmals der Plötzlichkeit aa) Inhalt Nach h.M. enthält das Merkmal der Plötzlichkeit o b j e k t i v e und subjektive Elemente. Das objektive Element bezeichnet eine zeitliche Begrenzung des Geschehens: Das Ereignis müsse sich in einem relativ kurzen Zeitraum abspielen. In subjektiver Hinsicht müsse das Ereignis den Betroffenen überraschen, für ihn unerwartet, unentrinnbar auf ihn einwirken (vgl. insoweit die übereinstimmenden Äußerungen von Wussow AUB 4 § 2 Anm. 7, Prölss-Martin21 § 182 Anm. 3 b, S. 1054, Henke Ausschlüsse S. 29-30, Wüstney § 2 Anm. 1, Bühring-Mertins I S. 40). Die Literatur schließt sich damit — trotz deutlicher Kritik an einzelnen Entscheidungen, vgl. Ziegler Unfallbegriff S. 50 und Jannott Kernfragen S. 96 unten — der Formulierung durch die Rechtsprechung an. KG 20. XII. 1907 VA 1908 Anh. S. 54-56 Nr. 385 wertet eine zweieinhalbstündige Operation, die wegen der unglücklichen Armhaltung des Vten zur Lähmung des Armes geführt hatte, als plötzliches Ereignis, weil der Kläger die Folgen nicht voraussehen und deshalb keine Abwehrmaßnahmen habe treffen können, es reiche aus, daß es sich um einen zeitlich bestimmbaren, in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum abgeschlossenen Vorgang handele. Damit waren die Weichen für einen im Hinblick auf das Zeitelement großzügig auszulegenden Begriff der Plötzlichkeit gestellt. KG 27. V. 1910 VA 1911 S. 18-19 Nr. 575 läßt es bei einem Unfall durch Einatmen schädlicher Gase für das plötzlich einwirkende Ereignis genügen, daß es „zeitlich bestimmbar und in einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum eingeschlossen" sei. RG 2. VI. 1911 VA 1911 S. 103-104 Nr. 624 hält einstündiges Einatmen von Giftgas in einer Badezelle für ein plötzliches Ereignis und benutzt erstmals die Formulierung, daß sich der Begriff des Plötzlichen nicht in dem Begriffe der Schnelligkeit erschöpfe, vielmehr als wesentliches, ja hervorstechendes Merkmal das Moment des Unerwarteten, Nichtvorausgesehenen, des Unentrinnbaren in sich schließe. Auf diese Formulierung kommt RG 10. V. 1918 VA 1918 S. 53 Nr. 1045 zurück, um zu begründen, daß eine beim Marschieren entstandene kleine Wunde am Fuß, durch die es zu Blutvergiftung und zum Tod des Vten kommt, als plötzliches Ereignis zu werten sei. Die Auslegung des Unfallmerkmals „plötzlich" wird alsdann in RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189-191 (190) im Stile einer Leitentscheidung, als die sie seitdem zitiert wird, wie folgt zusammengefaßt: „Die geforderte plötzliche Einwirkung des schädigenden Ereignisses liegt . . . nicht nur dann vor, wenn das Ereignis seine schädigende Wirkung augenblicklich, momentan ausgeübt hat, sondern auch dann, wenn die Einwirkung erst in ihrer einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum umfassenden Fortsetzung die Körperbeschädigung herbeigeführt hat, sofern nur diese Wirkung für den Verletzten überraschend, unerwartet, unvorhergesehen eingetreten ist. Wie in dem Urteil des Senats v. 2. VI. 1911 . . . ausgeführt wird, erschöpft sich der Begriff der Plötzlichkeit keineswegs in dem Begriff der Schnelligkeit, schließt vielmehr als wesentliches Merkmal das des Unerwarteten, Unvorhergesehenen, Unentrinnbaren in sich . . . " . Für den Begriff des Unfalls in der Transportversicherung wiederholt RG 25. XI. 1924 RGZ Bd 109 S. 238-241 die obige Formulierung ohne das Merkmal des Unentrinnbaren. Die Ergebnisse der zitierten Entscheidungen sowie die Formulierungen zum Merkmal der Plötzlichkeit zeigen, daß die Rechtsprechung dem Moment des Überraschenden, Unvorhersehbaren und Unentrinnbaren größere Bedeutung eingeräumt hat, als dem Erfordernis der Schnelligkeit, das mit RG 10.1.1928 RGZ Bd 120

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Anm. G 60

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

S. 1 8 - 2 0 praktisch aufgegeben worden war. Das ist allerdings, weil das Reichsgericht sich auf eine kurze zustimmende Bemerkung beschränkt, nur dann erkennbar, wenn man das hier bestätigte Berufungsurteil des Kammergerichts 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 245—247 liest: Eine über Nacht wirksam gewordene Gasvergiftung sei auch dann ein plötzlich wirkendes Ereignis, wenn sie einige Stunden gedauert habe (a.a.O. S. 246 Ii. Sp. unten). Das RG bestätigt als Revisionsgericht ausdrücklich diese Bemerkung zur Plötzlichkeit (RG a.a.O. S. 19 unten) und beruft sich dabei auf RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 190, ohne zu erwähnen, daß es dort um einen Zeitraum von 40 Minuten ging. Damit hat sich der vsrechtliche Unfallbegriff auch im Hinblick auf das Merkmal der Plötzlichkeit soweit vom Lebenssprachgebrauch und der ihm zugrundeliegenden Vorstellung (vgl. Gerkrath ZVersWiss 1906 S. 1) gelöst, daß für eine Auslegung des Unfallbegriffs, die einen außerjuristischen Lebenssprachgebrauch als Argument verwendet, Vorsicht und Zurückhaltung geboten ist. Damit soll nicht die Auffassung vertreten werden, daß die Vernachlässigung des Zeitelements zugunsten der Merkmale des Un vorhersehbaren pp. unrichtig sei. Sie muß vielmehr nach dem Sinn der Gefahrtragung in der Unfallv als sachgerecht bezeichnet werden (vgl. hierzu Anm. G 60). Indessen bleibt zu fragen, ob das Element des Überraschenden, Unentrinnbaren usw. als bestimmendes Merkmal der Plötzlichkeit einen tatsächlichen Zustand des Vten — überrascht sein, sich in einer ausweglosen Lage fühlen — beschreibt, d. h. die Sicht des Betroffenen zum Inhalt hat, oder ob diese Voraussetzungen objektiv auszulegen sind in dem Sinne, daß es für die Entscheidung im Einzelfall nicht darauf ankommt, ob der konkret Betroffene mit diesem Ereignis gerechnet hat oder damit rechnen mußte. Die von Büdenbender VersR 1974 S. 212 Fußn. 7 und Wussow AUB 4 § 2 Anm. 7 — jeweils zustimmend — zitierte Entscheidung BGH 6. II. 1954 VersR 1954 S. 113-114 (S. 114 li.Sp. unten), die zur Sachv (§ 12 AKB) ergangen ist, spricht insoweit für eine subjektive Auslegung. Dem ist für den (seltenen) Fall zu folgen, daß der Vte das Ereignis tatsächlich vorausgesehen hat. Das ergibt sich schon aus § 183. Im übrigen ist diese Auffassung abzulehnen, weil sie dem Zweck dieses Merkmals des Unfallbegriffs widerspricht. [G 60] bb) Zweck Bühring-Mertins Bd I S. 40 halten den Begriff der Plötzlichkeit für den „Kern des Unfallbegriffs". Aus ihren weiteren Ausführungen (a.a.O. S. 41) ergibt sich, daß sie das Erfordernis des „Zufälligen" für dem Unfallbegriff immanent halten und der Auffassung sind, daß eine entsprechende Ergänzung des Unfallbegriffs angesichts der Rechtsprechung, die weniger auf das Zeitmoment als auf das Merkmal des Unerwarteten, Unentrinnbaren abstellt, überflüssig geworden sei. Durch diese Auslegung des Begriffs der Plötzlichkeit habe die Rechtsprechung das Moment der Zufälligkeit mit in den Unfallbegriff aufgenommen. Ziegler Unfallbegriff S. 46, stimmt zwar der Wertung des Merkmals der Plötzlichkeit als Kern des Unfallbegriffs zu, verwendet es aber in erster Linie zur Abgrenzung des Unfalls von der Krankheit. Damit folgt Ziegler — ungeachtet seiner — nicht konsequenten — distanzierenden Bemerkung S. 46 — der von Bruck in seinem Lehrbuch S. 643 vertretenen Auffassung. Der von Bühring-Mertins in den Vordergrund gestellte Gedanke, daß hier das Element des Zufälligen Ausdruck finde, wird von Ziegler später (a.a.O. S. 51) mit Entschiedenheit abgelehnt. Jannott Kernfragen S. 96 unten, geht ersichtlich davon aus, daß der Begriff der Plötzlichkeit nach dem Lebenssprachgebrauch in erster Linie ein Geschehen bezeichne, das sich innerhalb eines kurzen Zeitraumes abspiele. Daß es hierfür auch oder allein auf das Überraschende, Unvorhersehbare ankommen soll, hält er für eine „erweiterte Auslegung". An sie seien strenge Anforderungen zu stellen, sonst werde man „dem Unfallgedanken überhaupt Abbruch tun". Daß Jannott damit eine für den Wagner

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Alun. G 60

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Inhalt der Gefahrtragung und für die zeitliche Abgrenzung notwendige klare Begriffsbildung anstrebt, wird aus dem nachfolgenden Satz deutlich: „Für alle Vorgänge, die erst in der Wiederholung nachteilige Folgen zeigen, wie z. B. für Scheuern, Schwielen, Blasenlaufen, trifft das Merkmal der Plötzlichkeit nicht zu. Der Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses muß stets feststellbar sein." Mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts, die vom BGH - allerdings bisher nicht ausdrücklich für die private Unfallv — fortgesetzt wird, ist das Schwergewicht des Begriffs der Plötzlichkeit auf das Merkmal des Unerwarteten, Überraschenden und d e s h a l b Unentrinnbaren zu legen (BGH 6. II. 1954 VersR 1954, S. 113-114 (114 Ii. Sp. unten)). Dem entspricht die Formulierung des § 2 (1) AUB a.E., wonach der Betroffene die Gesundheitsschädigung als Folge des (u. a. plötzlichen) Unfallereignisses e r l e i d e t . Ein verhängnisvolles, schädigendes Geschehen, dem der Betroffene hätte ausweichen können, wird vom Lebenssprachgebrauch, dem trotz der „Emanzipation" des juristischen Unfallbegriffs von der außerjuristischen Begriffsverwendung in Grenz- und Zweifelsfällen die Bedeutung einer Auslegungshilfe zukommen kann, nicht als Unfall bezeichnet und läßt den Vten nicht als Gläubiger einer Entschädigungsleistung — unabhängig von § 183 — als schutzwürdig erscheinen. Denn von einem Unfall betroffen zu sein bedeutet, Opfer eines Geschehens zu werden, dem der Betroffene im konkreten Falle nicht zu begegnen vermag, das er also mit — aus seiner Sicht beurteilter — Zwangsläufigkeit erleidet. Das heißt jedoch nicht, daß eine für möglich gehaltene und deshalb weder unvorhersehbare noch den Betroffenen überraschend treffende Einwirkung im Sinne des § 2 (1) AUB das Merkmal der Plötzlichkeit ausschließt. Anderenfalls wären der Pessimist und der Überängstliche, die ständig eines den Unfallbegriff erfüllenden Verhängnisses gewärtig sind, für dessen Vorhersehen sie keinerlei objektivierbaren Anhaltspunkt hatten und das nur infolge ihrer ständig wirksamen Lebensangst nicht „überraschend" kam, praktisch vom Schutz der Unfallv ausgeschlossen. Da dies nicht der Zweck des Merkmals der Plötzlichkeit sein kann, ist das Erfordernis des Unerwarteten, Unvorhergesehenen in dem Sinne zu verstehen, daß es objektiv für den Betroffenen keinen Grund und Anlaß gab, das Unfallereignis in seiner konkreten Gestaltung vorauszusehen und daß er dem Ereignis deshalb nicht entgehen konnte (im gleichen Sinne für die Sachv BGH 6. II. 1954 VersR 1954 S. 113-114 = NJW 1954 S. 596-597 und OLG Nürnberg 27. II. 1975 VersR 1975 S. 897-898). Der Rechtsprechung ist auch darin zu folgen, daß sich das Zeitelement der Plötzlichkeit in seiner Bedeutung auf das Erfordernis beschränkt, daß das Unfallereignis aus einem zeitlich abgrenzbaren Geschehen bestehen muß, das, wie der Begriff des Einwirkens andeutet, dynamischen Charakter hat und sich nicht in einem Zustand erschöpft, selbst wenn dieser Zustand der Veränderung unterworfen sein sollte. Eine Abgrenzung von Unfallereignissen, die in ihrer zeitlichen Ausdehnung noch dem Erfordernis des Plötzlichen entsprechen, von solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, dürfte praktisch unmöglich sein. Deshalb ist auch im Hinblick auf das Zeitelement des Begriffs der Plötzlichkeit auf den Zweck der Unfallv zurückzugreifen, den Vten vor den Folgen von Ereignissen zu schützen, die „von außen" wirken und zwar angesichts seiner Situation innerhalb eines Zeitraumes, der zu kurz ist, um der Einwirkung auszuweichen oder ihr wirksam zu begegnen. Damit ist zugleich eine Abgrenzung zur Krankheitskostenv beschrieben, während der von Bühring-Mertins S. 41 hervorgehobene Begriff des Zufälligen für den heute gebräuchlichen Unfallbegriff ohne Bedeutung ist: Auch eine Krankheit kann auf Zufall beruhen, d. h. auf einem in seiner Auswirkung nicht erkennbaren und deshalb weder steuerbaren noch vermeidbaren Vorgang (z. B. Ansteckung). In der „Rechtssprache" bezeichnet Zufall einen Vorgang, der von keinem der Beteiligten zu vertreten ist. Auch in diesem Sinne hat der Begriff 288

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Amn. G 61

des Zufalls keinen Platz in der Unfallv, da auch Mißhandlung oder Tötung durch Dritte Unfälle im Sinne des § 2 (1) AUB sein können und es auf Fahrlässigkeit des Vten hierbei nicht ankommt. Dagegen hat der Begriff des Unentrinnbaren keinen terminus technicus, wie Henke, Ausschlüsse S. 30 meint, im Sinne höherer Gewalt zum Inhalt. Er bezieht sich hier nur darauf, daß der Betroffene diesem Ereignis nicht auszuweichen vermag. Damit erledigen sich die Bedenken von Ziegler a.a.O. S. 61 und Henke Ausschlüsse S. 30 gegen diesen Ausdruck. Die Frage, ob der bis 1972 auch für den Einschluß des § 2 (2) a AUB verwendete Begriff der Plötzlichkeit denselben Inhalt hat, wie der innerhalb der Unfalldefinition, wird unten Anm. G 102 erörtert werden. [G 61] d) Überblick über die Rechtsprechung zur Plötzlichkeit Plötzlichkeit ist b e j a h t worden für eine Muskelzerrung und daraus folgende Sehnenscheidenentzündung infolge Spielens auf einem schwer zu spielenden Flügel, KG 6. II. 1924 VA 1924 S. 133 Nr. 1417 - hier fehlt es an einer klaren Herausstellung des Unfallereignisses - ; für das Aufkommen eines Sturmes und das Treiben des vom Vten gefahrenen Tretbootes in einem Schilfgürtel, das sei plötzlich, nämlich unversehens und unerwartet geschehen, OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 843; für das Wundscheuern des Fußes bei Gehen in einem unpassenden Schuh, der Vte hatte Zeitungspapier in den Strumpf gelegt und war an einer Blutvergiftung gestorben, RG 10. V. 1918 VA 1918 S. 5 3 - 5 4 Nr. 1045; für das Aufplatzen einer Blase an der Hand des Vten, die bei Gartenarbeiten entstanden war, der Vte hatte eine Blutvergiftung durch Eindringen von Ansteckungskeimen in die Wunde erlitten, RG 4. II. 1944 DR 1944 S. 807-808; für Einatmen von Kohlenoxydgas aus einem Ofen, das unbemerkt geblieben war und den Tod des Vten zur Folge hatte, KG 11. VI. 1927 VA 1927 S. 241—247 Nr. 1752; für das Austreten von Kohlenoxydgas in einer Badebrausekabine, das nach einstündiger Vergiftungszeit den Tod des Vten zur Folge hatte, RG 2. VI. 1911 VA 1911 S. 103-104 Nr. 624; für eine vom Vten begonnene Schlägerei, die infolge einer früheren Erkrankung an Kinderlähmung zu dessen Tode führte, OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 773-774; für eine anstrengende Bohrtätigkeit des Vten, bei der heftige Stöße gegen seine Brust zu Durchblutungsstörungen und damit zum Tode geführt haben, mit der unrichtigen Begründung, das Merkmal des Überraschenden beziehe sich nicht auf das Ereignis (Bohren), sondern auf die Ereignisfolgen, OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR S. 318-318; für das Anheben eines schweren Sackes, wobei die Anstrengung eine Netzhautablösung zur Folge hatte, RG 18. X. 1921 VA 1922 S. 17-18 Nr. 1244; Herztod eines Vten, der auf dem Rückweg vom Baden zum Ufer infolge der ansteigenden Flut „unerwartet", „also plötzlich den Boden unter den Füßen verlor", KG 13. II. 1937 S. 169-170. Die Plötzlichkeit ist in folgenden Fällen v e r n e i n t worden: Reiten des Vten, das infolge Überanstrengung zum Tode geführt hatte, dieses wäre nur dann ein plötzliches Ereignis gewesen, „wenn im Verlaufe der Eigenbewegung infolge eines unerwarteten und schnell hervortretenden Ereignisses, vor allem eines plötzlichen und unerwarteten Widerstandes, die Bewegung selbst einen nicht von Anfang an vorgesehenen Verlauf nimmt und dadurch die nachteilige Wirkimg hervorruft", LG München I 30. IX. 1935 JRPV 1936 S. 31-32; dementsprechend verneint RG 24. II. 1914 LZ 1914 Sp. 1203 (nur Leitsatz) einen Unfall bei Tod aufgrund bloßer Überanstrengung wegen Fehlens der Plötzlichkeit; LG Nürnberg-Fürth 8. V. 1956 VersR 1957 S. 144-145 verneint Plötzlichkeit bei einer Eigenbewegung des Vten, weil dieser sich nicht schnell oder gar ruckartig, sondern nur relativ langsam umgedreht habe; wegen Fehlens des Überraschungsmomentes sieht KG 11. VI. 1957 VersR 1957 S. 702 den durch die Verhältnisse in einem Konzentrationslager herbeigeführten Tod eines Vten nicht als Unfall im 19

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI. 1 (Wagner)

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Anni. G 63

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Sinne des Vsvertrages an. Weimar führt in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung in VersR 1958 S. 257 aus, daß es am Merkmal der Plötzlichkeit fehle. Aus dem gleichen Grunde sieht das Reichsaufsichtsamt in einer Äußerung VA 1938 S. 83 die Hinrichtung nicht als Unfall an. Die Unfalleigenschaft wurde wegen Fehlens der Plötzlichkeit verneint in einem Fall, in dem der Vte als Grubenarbeiter in erhitztem Körperzustand wiederholt eine Dauerbrause passieren mußte, aus der kaltes Wasser ausströmte. Ihr Vorhandensein und ihr Betrieb wie auch die dadurch hervorgerufene Feuchtigkeit und Kälte seien dem Vten durchaus bekannt gewesen. Wenn er auch seinen Gesundheitszustand überschätzt und nicht befürchtet habe zu erkranken, so sei doch für ihn dieser Vorgang mit seiner unmittelbaren Wirkung einer scharfen und starken Abkühlung des Körpers nicht unerwartet und daher nicht plötzlich eingetreten, RG 21.1. 1913 VA 1913 S. 58-59 Nr. 739; die Kraftanstrengung des Anschiebens eines Kraftfahrzeuges sei nicht plötzlich, diese erschöpfe sich nicht in Schnelligkeit, sondern schließe als wesentliches Moment das Unerwartete ein. Das fehle bei geplanter Kraftanstrengung, OLG Stuttgart 18. VII. 1953 VersR 1954 S. 395-396, OLG Düsseldorf 27. VI. 1936 VA 1936 S. 238-239 Nr. 2914 wertet Schuß eines Polizisten auf den fliehenden Vten mangels Plötzlichkeit nicht als Unfall, weil der Vte als mehrfach Vorbestrafter damit habe rechnen müssen (fehlerhafte Entscheidung), richtig dagegen OLG Düsseldorf 22.1.1938 JRPV 1938 S. 239, ohne indessen bei gleicher Fallgestaltung auf die Frage der Plötzlichkeit einzugehen (nur Armenrechtsbewilligung auf Beschwerde). Unrichtig ist die Verneinung der Plötzlichkeit für das Verzehren von mit vergiftetem Fleisch belegtem Brot mit der Begründung, es fehle am Unvorhergesehenen und Unentrinnbaren der schädigenden Einwirkung, OLG Nürnberg 10. V. 1929 VA 1929 S. 231 Nr. 1998, denn hier wird in Wahrheit auf Vorhersehbarkeit abgestellt und damit die für den Begriff des Unfalls nicht relevante Frage nach der Fahrlässigkeit des Vten in den Begriff der Plötzlichkeit einbezogen. LG Köln 12. VI. 1947 NJW 1947/48 S. 304 verneint Plötzlichkeit für den Sturz eines Gestapohäftlings, der sich auf einer Havelbrücke aus dem Zuge stürzt und auf dem Brückengeländer aufschlägt. [G62] 4. Gesundheitsschädigung a) Bedeutung innerhalb des Unfallbegriffs Die Gesundheitsschädigung oder der als Folge des Unfallereignisses eingetretene Tod des Vten sind Bestandteil des Unfalls. Das kann angesichts der Unfalldefinition in § 2 (1) AUB, die, als Konditionalsatz formuliert, eine Gesundheitsschädigung als Voraussetzung eines Unfalles bezeichnet, nicht zweifelhaft sein. Indessen sind die Begriffe Unfall, Unfallereignis, Unfallfolgen und Vsfall in der privaten Unfallv seit jeher in ihrem Verhältnis zueinander kontrovers (Anm. G 7). Nach den klärenden Ausführungen von Henke Ausschlüsse S. 25, 50—54 ist an einigen Stellen der AUB von 1961 der hier mehrdeutige Ausdruck „Versicherungsfall" durch das Wort „Unfallereignis" ersetzt worden (vgl. §§ 2 (3) c IV S. 1, 3 (3) und (4) AUB), während die ungenaue Begriffsverwendung in anderen Bestimmungen der AUB (z. B. §§ 10 (2), 12 I (1), 15 II (1) und (2)) beibehalten worden ist. Dabei ist hervorzuheben, daß die Bezeichnung der Invalidität als „Unfallfolge" nach § 8 II (2) AUB nicht zu beanstanden ist, da sie zwar nicht notwendig zeitlich, wohl aber begrifflich-logisch Folge der Gesundheitsschädigung ist. [G 63] b) Sprachgebrauch Die ältesten vom Aufsichtsamt genehmigten Bedingungen sprachen von „körperlichen Beschädigungen" (Verbandsbedingungen von 1904, abgedruckt bei Gerhard290

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 64

Hagen S. 73Iff.), in den Bedingungen von 1910 heißt es innerhalb des Unfallbegriffs „Körperbeschädigung" (§ 3 Abs. 2 der in VA 1910 S. 183 abgedruckten Bedingungen); seit 1920 wird insoweit der Ausdruck „Gesundheitsschädigung" benutzt (§ 2 Abs. 1 der in VA 1920 S. 103 veröffentlichten Bedingungen). Seitdem überwiegt die Bezeichnung als Gesundheitsschädigung, die Ausdrucksweise Gesundheits be Schädigung in § 180 a, eingefügt im Jahre 1967 — dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen. Die AUB verwenden neben dem allgemeinen Ausdruck „Gesundheitsschädigung" in §§ 2, 3 und 10 speziellere Ausdrücke, wie Verrenkungen usw. (§ 2 (2) a), Wundinfektionen (§ 2 (2) b), Schlag- und Krampfanfälle (§ 3 (4), Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre (§ 3 (5), Blutungen . . . (§ 10 (2)), Bauch- oder Unterleibsbrüche (§ 10 (3) und „organische Erkrankung des Nervensystems (§ 10 (5)). In allen diesen Fällen dient die Präzisierung des Begriffs „Gesundheitsschädigung" der Modifizierung der Gefahrbeschreibung: Das gilt sowohl für die Einschlüsse des § 2 (2) AUB, in denen zum Zwecke deutlicher Abgrenzung der Erweiterung des Vsschutzes die Verletzungsarten enumerativ aufgezählt werden, wie für die Ausschlüsse, die angesichts der von der Rechtsprechung verlangten Klarheit und Eindeutigkeit und der in diesem Zusammenhang den Vera drohenden (subsidiär geltenden) Unklarheitenregel die vom Vsschutz ganz oder (quantitativ) teilweise ausgeschlossenen Arten von Gesundheitsschädigungen möglichst genau benennen müssen. Angesichts der strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Klarheit und Deutlichkeit der Formulierung von Ausschlüssen im weitesten Sinne stellt (vgl. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584) ist es überraschend, daß sich aus den AUB kein Anhaltspunkt dafür ergibt, welche Bedeutung den in § 2 (3) a und b AUB genannten Berufs- und Gewerbe-Krankheiten und E r k r a n k u n g e n (infolge psychischer Einwirkung) zukommen soll. So bleibt offen, ob etwa der Begriff der Erkrankung im Sinne des § 2 (3) b AUB auch den Tod umfaßt. Diese Auslegung würde dem Lebenssprachgebrauch widersprechen, liegt indessen seit jeher (vgl. unten Anm. G 252) der Rechtsprechung zugrunde. Für diese Bestimmung hat sich zum Nachteil der Ver die — allerdings nicht nur in dieser Hinsicht — unklare Fassung dieses negativen Grenzfalles ausgewirkt. Hinsichtlich der Berufs- und Gewerbekrankheiten stellt sich die — nahezu unerörterte - Frage, ob sich ihr Inhalt aus § 551 RVO ergibt (dazu unten Anm. G 208). [G 64] c) Inhalt des Merkmals „Gesundheitsschädigung" aa) Inhalt im Rahmen des Unfallbegriffs Eine Gesundheitsschädigung setzt die B e e i n t r ä c h t i g u n g der k ö r p e r l i c h e n U n v e r s e h r t h e i t voraus (Henke Ausschlüsse S. 31, Ziegler Unfallbegriff S. 87, Prölss-Martin21 § 182 Anm. 3 d). Henke a.a.O. S. 31 verlangt eine organische Veränderung in oder am Körper des Vten. Damit ist der Begriff der Gesundheitsschädigung enger als der der Krankheit im Sinne des § 1 Abs. 2 der Normativbedingungen für die Krankheitskostenv, wonach „Krankheit . . . ein nach ärztlichem Urteil anormaler körperlicher oder geistiger Zustand" ist. Die Rechtsprechung hat die unmittelbaren Folgen eines Unfallereignisses gelegentlich auch dann als Gesundheitsschädigung im Sinne des Unfallbegriffs gewertet, wenn eine solche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit nicht festzustellen war, z. B. bei so bezeichneten „Nervenstörungen" als Folge von Erlebnissen, die infolge körperlicher oder seelischer Erschütterung des Vten zu dessen Tod geführt haben: So wurde z.B. der Selbstmord eines Vten eine Woche nach dem Erlebnis eines Eisenbahnunglücks, bei dem der Vte, im Schlafwagen liegend, durchgeschüttelt worden war, 19·

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Anni. G 66

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

für deckungspflichtig gehalten: Unfall sei die körperliche Erschütterung im Augenblick der Entgleisung gewesen, die eine organische Schädigung seines Gehirnzustandes herbeigeführt habe, RG 5. VI. 1934 JRPV 1934 S. 197. Diese Entscheidung beruht, was die Gesundheitsschädigung angeht, auf einer Spekulation: Der Ausbruch einer Depressionsneigung wird als organische Gesundheitsschädigung gewertet. Ähnlichen Einwendungen sind diejenigen Entscheidungen ausgesetzt, die unter Umgehung des Ausschlusses für „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen" Schockwirkungen als Gesundheitsschädigung werten (vgl. unten Anm. G 252). In allen diesen Entscheidungen wird die fragwürdige Annahme einer Gesundheitsschädigung durch den Umstand verdeckt, daß die Entschädigungsleistung des Unfallvers nicht für die Auswirkung einer Gesundheitsschädigung als solcher, sondern für den sich daraus ergebenden Tod verlangt (und in der Regel zugesprochen) wird.

[G65] bb) Bedeutung des § 8 AUB für den Begriff der Gesundheitsschädigung Im Hinblick auf die Regelung in § 8 AUB könnte man versucht sein, den Begriff der Gesundheitsschädigung in § 2 (1) AUB im Zusammenhang mit der Frage zu definieren, ob die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität dauernde (§ 8 II AUB) oder vorübergehende Arbeitsunfähigkeit oder die Notwendigkeit, Heilkosten aufzuwenden, zur Folge hat. Man könnte der Meinung sein, daß sich die unfallvsrechtliche Relevanz der Gesundheitsschädigung ausschließlich aus § 8 AUB — ergänzt durch § 10 AUB - ergibt. Diese angesichts der Systematik der AUB naheliegende Folgerung wird von der Rechtsprechung und der ihr folgenden Regulierungspraxis nicht gezogen. Eine solche Auslegung würde den von der Unfallv erwarteten Schutz des Vten in unbilliger Form einschränken, weil sie dem Umstand, daß die meisten Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit Entwicklungsvorgänge im oder am Körper des Vten einleiten, die über Verschlimmerungen bis evtl. zum Eintritt des Todes führen, nicht hinreichend Rechnung trägt. Solche Entwicklungsvorgänge treten vornehmlich bei Kopf- oder Rückgratsverletzungen auf: Ein Schädelbruch oder eine Rückgratsverletzung, verursacht durch einen Sturz oder eine Kollision, werden vom Vten zwar bemerkt, in ihrer Bedeutung und Gefährlichkeit jedoch oftmals zunächst nicht erkannt. Erst nach gewisser Zeit werden Himschädigungen festgestellt oder es treten Lähmungserscheinungen auf. Hier ist die Gesundheitsschädigung im Sinne des § 2 (1) AUB bereits mit der unmittelbaren Folge des Unfallereignisses (Sturz pp.) eingetreten, obwohl die Gesundheitsschädigung u.U. (noch) nicht die in § 8 AUB näher beschriebenen Voraussetzungen der Entschädigungspflicht erfüllt. Dazu, daß es solche „unvollständigen, abgebrochenen Vsfälle" gibt, die zwar - für sich gesehen - die Gefahrverwirklichung darstellen, aber gleichwohl nicht zur Leistungspflicht des Vers führen, vgl. Bruck-Möller Anm. 33 vor § 49 mit Beispielen auch aus anderen Vszweigen.

[G 66] cc) Unfall und Unfallfolge Entwickelt sich im vorgenannten Sinne aus einer Gesundheitsschädigung, die durch ein Unfallereignis verursacht worden ist, in zeitlich meßbarer Weise eine nachteilige (Verschlimmerung) und/oder später eine vorteilhafte (Genesung) Veränderung des körperlichen Zustandes des Vten, die den Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung des Unfallvers bestimmen (§ 8 II-VI AUB), so liegt es sprachlich nahe, diese Entwicklung als Unfallfolge zu bezeichnen. Es gilt jedoch, zwischen einem z e i t l i c h e n und einem logischen Folge Verhältnis zu unterscheiden: 292

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 68

Der nach einem Unfallereignis sich in m e ß b a r e n Z e i t e i n h e i t e n verändernde Körperzustand des Vten, der eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, ist z e i t l i c h e F o l g e des Unfalls. Der Unfall kann sich innerhalb des Bruchteils von Sekunden vollziehen: Der Vte wird von einem Kraftfahrzeug angefahren und erleidet eine Wirbelsäulenverletzung. Damit ist der Tatbestand des Unfalls als Vsfall erfüllt; treten später infolge dieser Verletzung Lähmungserscheinungen auf, so können sie - im zeitlichen Sinne — als Unfallfolgen bezeichnet werden. Indessen ist der Begriff der Unfall folg e mehrdeutig: er bezeichnet nicht nur einen zeitlich meßbaren Geschehensablauf, sondern wird auch im Sinne der Bezeichnung einer „Auswirkung" der Gesundheitsschädigung verwendet. So hat der Bruch des rechten Armes für einen mit Schreibarbeiten beschäftigten Arbeitnehmer in der Regel — vorübergehende — Arbeitsunfähigkeit zur Folge. Hier ist die Arbeitsunfähigkeit nicht zeitliche Folge der Gesundheitsschädigung, sie tritt gleichzeitig mit der Gesundheitsschädigung ein, sondern sie benennt einen logisch-begrifflichen (vgl. die Ausdrucksweise von Bruck-Möller in Anm. 31 vor §§ 49—80) Zusammenhang, indem die Arbeitsunfähigkeit als Folge dieser Gesundheitsschädigung bezeichnet wird. Der Tod des Vten wird in § 8 I AUB als zeitliche Folge des Unfalles genannt, da es dort auf die Frist zwischen Unfall und Tod ankommt. In solchen Fällen ist dem Tod des Vten eine Gesundheitsschädigung vorangegangen, die für den Tod adäquat kausal gewesen sein muß. Nicht ausdrücklich geregelt in den AUB ist der Fall, daß ein Unfallereignis ohne das Zwischenstadium einer für sich gesehen erkennbaren und bedeutsamen Gesundheitsschädigung unmittelbar zum Tode des Vten führt: z. B. zerschmettert ein herabfallender Bauteil dem Vten den Kopf. In der Unfallv ist es unbestritten, daß § 2 (1) AUB diesen Fall sachlich mit umfaßt, insoweit also unvollständig formuliert ist. [G 67] 5. Erfordernis der unfreiwillig erlittenen Gesundheitsschädigung Schrifttum: Drefahl, Die Beweislast und die Beweiswürdigung im Versicherungsrecht, Hamburg 1939, Moser und Sanders, Selbstmord am Steuer, VersR 1976 S. 419; Do., Selbstmord, Selbsttötung, Selbstverstümmelung und Unfall, JRPV 1940 S. 82-84; Fleischmann, Umkehrung der Beweislast in Unfallversicherung, VW 1967 S. 626627; Weyer, Zweifelsfragen zu §§ 180a, 181 n.F. W G , VersR 1969 S. 300-306; Kirsch, Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles in der privaten Unfallversicherung, ungedr. Kölner Diss. 1972. [G 68] a) Bedeutung der Unfreiwilligkeit innerhalb des Unfallbegriffs Nach der Definition des § 2 ( 1 ) AUB setzt ein Unfall voraus, daß der Vte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Danach bezieht sich das Erfordernis der Unfreiwilligkeit auf die Gesundheitsbeschädigung. Mißverständlich ist daher der bei Wussow AUB 4 § 2 Anm. 9, S. 62 formulierte Satz: „Die Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses muß sich deshalb auf alle Phasen des Vorganges erstrecken". Indessen will auch Wussow das Merkmal der Unfreiwilligkeit nur auf die Gesundheitsschädigung beziehen, wie sich an seinen anschließenden Beispielen zeigt, wonach Vte, die ein erhebliches Risiko falsch einschätzen (Bergsteiger, Rennfahrer, Fallschirmspringer) und den entgegen ihrer Erwartung eingetretenen Erfolg nicht „gebilligt hätten", den Vsschutz nicht mangels Unfreiwilligkeit verlieren. Für die in der Praxis bedeutsamen Fälle entspricht der zitierte Satz von Wussow Wagner

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Anm. G 68

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

dem tatsächlichen Geschehen: In den für die private Unfallv bekanntgewordenen Fällen von Vsbetrug geht es um Selbstverstümmelung und Selbstmord, das sind Vorgänge, in denen der Vte den gesamten (scheinbaren) Unfallhergang beherrscht. Eine freiwillig erlittene Gesundheitsschädigung könnte nach allgemeinem Sprachgebrauch und der ihn bestimmenen Vorstellung nicht Teil eines „Unfalles" sein. Insofern ist „das Moment des Unfreiwilligen" wesentlicher Bestandteil des Unfallbegriffs, so zutreffend Kirsch S. 30—31. Da in den typischen Fällen des Vsbetruges in der privaten Unfallv das scheinbare Unfallgeschehen vom Vmer bewußt und gewollt herbeigeführt wird, ist es im Anschluß an den im Zivil- und Strafrecht geltenden Vorsatzbegriff sprachlich möglich, von einem zum Zwecke der Täuschung vorsätzlich herbeigeführten (scheinbaren) Unfall zu sprechen. Diese Formulierung wird in § 181 durch Fortlassen des Wortes scheinbar verkürzt, so daß dort von einem dem Sprachgebrauch widersprechenden „vom Betroffenen vorsätzlich herbeigeführten Unfall" die Rede ist. Aus § 181 würde nach herkömmlicher Auslegungs- und Darstellungstechnik folgen, daß dieser Vorschrift eine Vorstellung zugrundeliegt, die einen „vorsätzlich herbeigeführten Unfall" für möglich hält und daß sie als Ausnahmevorschrift — trotz Fehlens einer etwa den §§ 83, 116, 149 entprechenden Anspruchsnorm in den §§ 179—185 — die Beweislast für diesen Ausschlußtatbestand dem Ver auferlegen wollte. Hierzu ergeben die Gesetzesmaterialien (vgl. Motive zum W G , Neudruck S. 243 und die bei Gerhard-Hagen S. 723 abgedruckte Begründung zu § 181), daß der Gesetzgeber von 1908 entsprechend der damals h. M. davon abgesehen hat, eine Definition des Unfallbegriffs zugrundezulegen, vielmehr der Auffassung war, daß es einen „allgemeinen Unfallbegriff" nicht gebe — insofern zitieren Gerhard-Hagen Anm. 1 (S. 732) zu den Verbandsbedingungen von 1904: „Die Annahme eines besonderen wissenschaftlich zu ermittelnden und prinzipiell abzugrenzenden Unfallbegriffs ist abzulehnen" nur die weitaus herrschende Meinung. Dagegen steht es außer Zweifel, daß sich der Gesetzgeber darüber im klaren war, daß er mit dieser Vorschrift im Anschluß an die Parallelvorschriften der §§ 61, 125, 131, 152 und 169 auch die Beweislast regelte (Gerhard-Hagen a. a. O.). Dabei konzentrierte sich die Debatte der Reichstagskommission auf die Frage, ob entsprechend § 61 bereits grobe Fahrlässigkeit des „Betroffenen" die Leistungspflicht des Vers ausschließen sollte, vgl. GerhardHagen § 181 Anm. 1, S. 724 und die Nachweise bei Kirsch S. 15-16. In dieser Debatte wurde hervorgehoben, daß § 181 nicht zwingendes Recht sei (vgl. dagegen für die Lebensv § 178), der Unfallver also die Haftung für grob fahrlässig herbeigeführte Unfälle ausschließen könne. Das war in § 1 Abs. 5 der bis 1910 geltenden Verbandsbedingungen von 1904 auch geschehen. Die im Jahre 1910 genehmigten AVB für die private Unfallv (VA 1910 S. 182) enthielten in § 3 Abs. 2 eine Definition des Unfalles, wonach „Unfall . . . jede ärztlicherseits sich erkennbare Körperbeschädigung" sei, „von welcher der Vte unfreiwillig durch ein plötzliches, von außen mechanisch auf seinen Körper wirkendes Ereignis betroffen wird." Damit war, entgegen der insoweit unklaren und widersprüchlichen Regelung der Verbandsbedingungen von 1904 (hierzu Kirsch S. 19-23), das Merkmal der Unfreiwilligkeit in den anspruchsbegründenden Tatbestand aufgenommen worden. Das führte zwar zu einer dem Lebenssprachgebrauch entsprechenden Begriffsdefinition des Unfalls, zugleich aber wurde — für den juristisch nicht gebildeten Vmer nicht erkennbar — die Beweislast für die Unfreiwilligkeit vom Ver auf den Vmer überwälzt. Bei dieser Folge, die von der nahezu einhelligen Meinung in Literatur und Rechtsprechung für zulässig gehalten wurde (unten Anm. G 74), blieb es auch nach den Änderungen der AVB in den Jahren 1920, 1937, 1959 und 1961; sie ist erst kraft der Einfügung des § 180a W G durch Gesetz vom 30. VI. 1967 (BGBl. I S. 609) mit zugunsten des Vmers zwingender Wirkung geändert worden. 294

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 70

[G 69] b) Auslegung des Merkmals unfreiwillig aa) Sprachgebrauch In Literatur und Rechtsprechung finden sich gleichermaßen der Sprachgebrauch „ u n f r e i w i l l i g erlitten" wie „vorsätzlich h e r b e i g e f ü h r t e r " Unfall. Das liegt daran, daß die AVB von Unfreiwilligkeit, das Gesetz aber in der ursprünglichen Fassung des § 181 von „vorsätzlich herbeigeführtem Unfälle" sprechen, während das W G in der Neufassung von 1967 in § 180a den Begriff unfreiwillig und in § 181 - in der geänderten Fassung — weiterhin den Ausdruck „vorsätzlich" verwendet. Zu beanstanden ist nach der jetzigen Rechtslage nicht die Ausdrucksweise der AUB oder des W G , sondern derjenigen Literatur und Rechtsprechung, die von einem vom Vten (selbst) vorsätzlich herbeigeführten Unfall sprechen, vgl. z. B. BGH 23. IV. 1969 VersR 1969 S. 610 im Anschluß an den Wortlaut des § 181 Abs. 1 Satz 1 a.F. und Wussow AUB 4 § 2 Anm. 9 S. 62. Im Sinne juristischer Terminologie ist von einem „vorsätzlich herbeigeführten Unfall" nur dann zu sprechen, wenn das den Vten betreffende, ihn schädigende Ereignis ihm von einem a n d e r e n bewußt und gewollt zugefügt worden ist. In diesem Sinne verwenden § 181 I und II den Ausdruck vorsätzlich für die beiden Sonderfälle, daß der den Unfall herbeiführende Dritte Vmer oder Bezugsberechtigter ist. Dagegen ist die Ausdrucksweise, der Vte oder Betroffene (vgl. § 180 a) habe den Unfall vorsätzlich herbeigeführt, ungenau. Sie widerspricht dem Wortlaut des § 2 ( 1 ) AUB und führt, da Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zivilrecht ursprünglich nur auf eine widerrechtliche Handlung bezogen werden konnten (vgl. Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl., S. 69), zu dem z. B. zu § 254 BGB verwendeten schiefen Begriffsbild „des Verschuldens gegen sich selbst", das, wie Reimer Schmidt Die Obliegenheiten S. 109-118 nachgewiesen hat, nur das Verbot widersprüchlichen Verhaltens zum Inhalt hat. Dieser mehrdeutigen Verwendung des Vorsatzbegriffs hat das W G dadurch Rechnung getragen, daß es in der Personenv für die Fälle der Tötung (§ 170) und Verletzung (§ 181) (einschließlich Tötung) eines Dritten von vorsätzlicher widerrechtlicher Handlung spricht, in Vorschriften der Schadensv indes — vgl. nur § 61 — das Erfordernis der Widerrechtlichkeit nicht in allen Fällen nennt: Die Selbstschädigung ist hier grundsätzlich nicht rechtswidrig, der Vmer handelt erst rechts- und treuwidrig — wie in § 254 BGB — wenn er trotz ihm zurechenbarer Selbstschädigung die Vsleistung verlangt.

[G 70] bb) Begriff der Unfreiwilligkeit Der Betroffene (Vte) hat eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 2 (1) AUB freiwillig erlitten, wenn er sie (aktiv) bewußt und gewollt herbeigeführt hat oder ihr (passiv) trotz Erkennens ihres Bevorstehens ungeachtet entsprechender tatsächlicher Möglichkeit nicht ausgewichen ist. Das bedeutet, daß Freiwilligkeit mehr voraussetzt als die Billigung des Geschehens, das der Vte erleidet. Ihm muß, entsprechend den Voraussetzungen für ein rechtlich bedeutsames Handeln, die Möglichkeit geblieben sein, das Geschehen zu beherrschen. Der Vte, dem infolge akuter tiefster Depression „Tod und Unglück willkommen sind", erleidet gleichwohl unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 2 (1) AUB, 180 a, wenn ihn in dieser Situation ein Blitz trifft oder er — überraschend — auf dem Bürgersteig von einem Kraftfahrzeug überfahren wird. Zutreffend in der Sache, wenngleich im Sinne obiger Terminologie unpräzise, spricht deshalb KG 22. III. 1933 VA 1933 S. 341-343 Nr. 2581 aus, daß angesichts § 181 jeder Unfall als unfreiwillig erlitten anzusehen sei, der nicht vorsätzlich herbeigeführt worden ist oder — wie zu ergänzen ist — dem nicht ausgewichen werden konnte. Wagner

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Anm. G 72

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 71] cc) Abgrenzung zur Freiwilligkeit Hinsichtlich der Herbeiführung der Körperschädigung oder des Todes genügt bedingtes Wollen. Die Deckungspflicht einfällt demnach, wenn der Vte ein Verhalten zeigt, von dem er weiß, daß es zum Tode führen kann und diese Möglichkeit in Kauf nimmt. Dabei sind, wie bei der entsprechenden Fragestellung im Strafrecht, die Grenzen zur bewußten Fahrlässigkeit schwer zu ziehen. Beispielhaft hierfür LG Köln 12. VI. 1947 NJW 1947/48 S. 304: Ein Verhafteter, der zum Volksgerichtshof gebracht werden sollte, sprang auf der Havelbrücke in Berlin aus dem Fenster des Zuges. Er hatte einem Mitgefangenen vorher erklärt, er müsse vor der Verhandlung seine Eltern sprechen. Da Selbstmord ausschied, konnte Unfreiwilligkeit nur verneint werden, wenn der Vte „die Gefahr eines ungünstigen Ausganges des Fluchtversuches lieber in Kauf genommen hat als die ihm bevorstehende Verurteilung durch den Volksgerichtshof". Davon geht das Gericht aus, obwohl dies nach dem mitgeteilten Sachverhalt zweifelhaft ist. Lebensnäher in der Würdigung dagegen LG Regensburg 23. XI. 1954 VA 1955 S. 220-222 Nr. 106. Das gleiche Problem stellt sich im übrigen, wenn der Vte Leben und Gesundheit bei einer Rettungsaktion aufs Spiel setzt; Beispiel nach Henke Ausschlüsse S. 34: Jemand läuft in ein brennendes Haus, um ein Kind zu retten. In Fällen dieser Art ist davon auszugehen, daß der Vte damit rechnet, mit Leben und Gesundheit davonzukommen. Ist das nicht der Fall, nimmt also entsprechend eines strafrechtlichen dolus eventualis der Vte Tod oder Gesundheitsbeschädigung in Kauf, so entfällt insoweit die Deckungspflicht. Zur Auffassung von Ziegler S. 82—83, daß entsprechend einem allgemeinen Grundsatze des Vsrechts, der in § 26 ausgesprochen sei, Unfälle deckungspflichtig seien, die der Vte bei rechtmäßiger Verteidigimg, bei Rettung von Menschenleben oder einer sittlichen Pflicht folgend erleide, vgl. oben Anm. A 34. Die von Ziegler S. 83 zitierten Entscheidungen betreffen im übrigen keine vsrechtlichen Sachverhalte. Aus § 26 ergibt sich das von Ziegler vertretene Ergebnis nicht. Diese Vorschrift betrifft nur die Gefahrerhöhung und die Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung im Zusammenhang mit Gefahrerhöhungen. Aus ihr kann nicht gefolgert werden, daß der Unfallver für die Folgen von Rettungshandlungen des Vten aufzukommen hat, zutreffend hierzu Henke Ausschlüsse S. 34. Auch die Grundsätze der im Strafrecht so bezeichneten aberratio ictus gelten für das Problem der Selbstvestümmelung. Will der Vte sich z. B. den linken Daumen abschlagen, trifft er aber einen anderen Finger oder das Handgelenk, so entfällt auch insoweit die Deckungspflicht des Unfallvers. Freiwilligkeit setzt voraus, daß der Vte nicht ein Unfallereignis, sondern die Gesundheitsschädigung bewußt herbeiführt oder geschehen läßt. Das ist heute unstreitig. RG 28. II. 1913 VA 1913 S. 57 Nr. 738: Eine gewollte freiwillige Anstrengung kann einen deckungspflichtigen Unfall herbeiführen. Das Zudecken eines Eisenbahnwagens mit einer Plane sei vom Vten gewollt gewesen. Die Wirkung, d.h. die körperliche Schädigung müsse von ihm unfreiwillig erlitten sein; ebenso OLG Hamm 25. IV. 1927 JRPV 1927 S. 261 bei allerdings undeutlicher Formulierung; deutlich indessen RG 18. X. 1921 VA 1922 S. 17 Nr. 1244 und OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR 1954 S. 317. Unrichtig insoweit OLG Düsseldorf 27. VII. 1936 VA 1936 S. 238—239 Nr. 2914: Weil der Vte mit einem Schuß des Kriminalbeamten habe rechnen müssen, habe er die eingetretene tödliche Körperverletzung nicht unfreiwillig erlitten. [G 72] c) Selbstmord im Zustand beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit oder Bewußtseinsstörung aa) Abgrenzung Ein Vter, der im Zustand der Geistes- oder Bewußtseinsstörung (Einzelheiten Anm. G 170—171) sich selbst verstümmelt oder das Leben nimmt, genießt insoweit 296

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Anm. G 74

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

keinen Deckungsschutz aus der Unfallv. Das folgt bereits aus der Ausschlußklausel des § 3 (4) AUB. Insoweit stellt sich für die Unfallv eine der Lebensv (§ 167) entsprechende Problematik nicht. Das wird in den ergänzenden Hinweisen des OLG Karlsruhe 12. II. 1975 VersR 1976 S. 185 übersehen. [G 73] bb) Selbstmord oder Selbstverstümmelung als mittelbare Folge eines Unfallereignisses Soweit Selbstverstümmelung oder Selbstmord in einem Zustand von Geistes- oder Bewußtseinsstörung begangen werden, der seinerseits Folge eines Unfallereignisses ist, führen auch diese weiteren Folgen zum Deckungsschutz durch den Unfallver. Solche Fälle können vorkommen, wenn der Vte etwa als Verkehrsteilnehmer Kopfverletzungen mit hirnorganischen Schädigungen erleidet und der dadurch eingetretene Zustand innerhalb der in § 8 I und II AUB genannten Fristen zum Tode oder zur Arbeitsunfähigkeit führt. Insoweit ist das vom RG 5. VI. 1934 JRPV 1934 S. 197 bestätigte Urteil des OLG München 4. I. 1934 VA 1934 S. 31-32 Nr. 2685 noch maßgeblich — wobei seine medizinische Deutung als richtig unterstellt wird —, das der Witwe eines Vten Deckungsschutz nach dessen Selbstmord gewährt. Der Vte hatte sich einige Tage nach einem Eisenbahnunglück, das er - im Zuge fahrend - miterlebt hatte, ohne sichtbare Schäden davonzutragen, erschossen, Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß ein Unfallver seine Entschädigungspflicht für Selbstmord, begangen im Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, bedingungsgemäß ausschließt. Eine solche Vertragsgestaltung liegt der Entscheidung RG 30. IX. 1932 JRPV 1932 S. 341 zugrunde (Unfallzusatzv mit der Bestimmung, daß als Tod durch Unfall nicht gilt der Tod zwar durch Selbstmord, aber begangen im Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, d. h. auch dann nicht, wenn Selbstmord in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand begangen wird). [G 74] d) Beweislast für Unfreiwilligkeit aa) Rechtszustand bis 1967 Etwa zugleich mit dem Inkrafttreten des W G (vgl. Art. 1 EG W G sowie dazu und zum folgenden Kirsch S. 24-25) wurden vom Kaiserlichen Aufsichtsamt für Privatversicherung im Jahre 1910 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die private Unfallv (VA 1910 S. 182 ff.) genehmigt und veröffentlicht, in deren § 3 II eine Definition des Unfallbegriffs enthalten war, die das Merkmal der Unfreiwilligkeit zum Bestandteil des anspruchsbegründenden Tatbestandes machte (oben Anm. G 3). Damit war die vom Gesetz vorgesehene und in § 181 ausgedrückte Beweislastverteilung noch im Jahre des Inkraftretens des W G in ihr Gegenteil verkehrt worden. Der Anspruchsteller hatte alle tatsächlichen Voraussetzungen des Unfalls, mithin auch die Unfreiwilligkeit zu beweisen. Zugleich waren die noch in den Verbandsbedingungen von 1904 (§ 1 Abs. 5) enthaltenen Ausschlußgründe des Selbstmordes und der Selbstverstümmelung überflüssig geworden, sie sind in den Bedingungen seit 1910 nicht mehr enthalten (vgl. Kirsch S. 26—27). Die Vorschrift des § 181 wurde zum toten Recht, sie als Klarstellung des Inhalts zu deuten, daß bei vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalles kein deckungspflichtiger Tatbestand vorliege (Möller, Deutsche Versicherungswirtschaft III S. 20), war angesichts des eindeutigen Bedingungswerkes bis zur Gesetzesänderung von 1967 nicht mehr als eine Reverenz gegenüber der bedeutungslosen, aber formell nicht aufgehobenen Vorschrift des Gesetzes, vgl. Henke Ausschlüsse S. 32 Fußn. 136. Diese Auswirkimg der Einführung eines Unfallbegriffs, der das in seinem sachlichen Gehalt negative Begriffsmerkmal der Unfreiwilligkeit (Kirsch S. 65 f.) zum Wagner

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Anm. G 74

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Bestandteil des anspruchsbegründenden Tatbestandes machte und damit den Anspruchsteller (Vmer, Vten, Bezugsberechtigten oder Erben) vor die Notwendigkeit stellte, den Negativbeweis der „nicht freiwillig erlittenen" Gesundheitsbeschädigung zu führen, ist in ihrer Berechtigung und rechtlichen Wirksamkeit nur vereinzelt in Frage gestellt worden: RG 17. XII. 1912 VA 1913 Anh. S. 5 5 - 5 6 Nr. 737 spricht aus, daß eine Auslegung des Unfallbegriffs, die dem Kläger den strikten Beweis aller Voraussetzungen des Unfalls, also auch der Unfreiwilligkeit auferlegen würde, gegen § 157 BGB verstoßen würde; LG Berlin III 18. XI. 1930 JRPV 1932 S. 205 (mit Anm. des Berichterstatters) verlangt, daß der Ver den Beweis für Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung zu führen habe, das folge aus § 181, an dessen Maßgeblichkeit sich auch durch Einführung des Unfalbegriffs nach Treu und Glauben nichts geändert habe (der zugrundeliegende Sachverhalt war für eine grundsätzliche Stellungnahme gegen den Unfallver wenig geeignet: Der Vte war im von ihm allein gefahrenen Auto durch einen Schuß aus seinem eigenen Gewehr ums Leben gekommen) und differenzierend Baumbach-Lauterbach-Hartmann 34. Aufl. Anh. 1 Β zu § 282 ZPO, die - ohne § 2 (1) A U B ausdrücklich zu nennen —, die Zulässigkeit beweislaständernder Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu denen auch die AVB zu zählen sind, zurückhaltend beurteilen. Daß § 2 (1) AUB in dem hier erörterten Sinne bis 1967 eine Beweislastvereinbarung war, ist nicht zweifelhaft, vgl. Kirsch S. 3 6 - 3 8 mit Nachweisen in S. 36 Fußn. 2 und insbesondere Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 89, wo § 2 (1) AUB als typischer Fall eines Beweislastvertrages bezeichnet wird. Kirsch S. 74 ff. hat mit beachtlichen Gründen die Meinung vertreten, daß schon vor der Gesetzesänderung von 1967 die aus § 2 (1) AUB hergeleitete Beweislastverteilung zu Ungunsten des Anspruchstellers einer Inhaltskontrolle nach den sonst von der Rechtsprechung angelegten Maßstäben von Treu und Glauben nicht standhalten würde, weil in § 2 (1) AUB zwei grundlegende Beweislastprinzipien, die der Gesetzgeber im Sinne des Gerechtigkeitsgebotes zu beachten habe, in ihr Gegenteil verkehrt worden seien: Nämlich sowohl das Prinzip der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als auch das der Praktikabilität (im Sinne genereller Erfüllbarkeit), vgl. Kirsch S. 74 Fußn. 1. Die im übrigen einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung hat die durch die Einführung des Unfallbegriffs im Jahre 1910 mit insoweit nicht bedeutsamen Änderungen im Jahre 1920 (oben Anm. G 3) als unzweifelhaft zulässig hingenommen, vgl. Bühring-Mertins 1. Teil S. 39, Wüstney § 2 AUB Anm. 4 B, Ziegler Unfallbegriff S. 84, Jannot Unfallv in: Kernfragen der Vsrechtsprechung 1938 S. 97, Henke Ausschlüsse S. 32, Prölss bis zur 17. Aufl. § 181 Anm. 2, ebenso Prölss-Martin ab 18. Aufl., soweit § 181 a.F. noch kommentiert wird, Wussow AUB 4 § 2 Anm. 9; im gleichem Sinne die Rechtsprechung seit RG 16. IV. 1929 JRPV 1929 S. 186, das als Leitentscheidung zitierte Urteil des RG 6. XI. 1934 RGZ Bd 145 S. 3 2 2 - 3 2 8 zitiert (S. 326) weitere im gleichen Sinne ergangene ältere Entscheidungen, das Reichsgericht verfährt nach diesen Grundsätzen bis RG 18. II. 1938 RGZ Bd 157 S. 83, sie werden vom BGH 8. VII. 1965 VersR 1965 S. 7 9 7 - 7 9 9 übernommen und durch BGH 12. VII. 1965 VersR 1965 S. 946-947, BGH 4. XI. 1965 VersR 1966 S. 2 9 - 3 1 , B G H 20. III. 1967 VersR 1967 S. 700-701, BGH 23. IV. 1969 VersR 1969 S. 6 0 9 - 6 1 1 und BGH 22. XII. 1971 VersR 1972 S. 244 fortgeführt. Diese Rechtsprechung hat indessen als Konsequenz dieser Umkehr der Beweislast nicht in jedem Fall vom Anspruchsteller den vollen N a c h w e i s d e r U n f r e i w i l l i g k e i t der vom Vten erlittenen Gesundheitsschädigung verlangt. Weil ein solcher Beweis vielfach unmöglich ist, hat die Rechtsprechung des Reichsgericht B e w e i s w ü r d i g u n g s r e g e l n herausgearbeitet (Nachweise bei Kirsch S. 89 Fußn. 2), die der Bundesgerichtshof in den oben zitierten Entscheidungen übernommen hat. Sie gehen von dem Satz aus, daß an den vom Anspruchsteller zu erbringenden Beweis für die 298

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Anm. G 74

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Unfreiwilligkeit im allgemeinen keine hohen Anforderungen zu stellen seien, denn die Mehrzahl der Menschen neige nicht zu Selbstmord oder Selbstverstümmelung. Dieser Erfahrungssatz gelte aber nicht für alle Menschen und könne deshalb nicht mehr zur Beweiserleichterung herangezogen werden, wenn im Einzelfall begründeter Verdacht für Freitod oder Selbstverstümmelung bestehe. Dann müsse der Beweis für die Unfreiwilligkeit nach den gewöhnlichen Regeln über die Beweisführung erbracht werden. Dabei komme der Anscheinsbeweis dem Anspruchsteller nicht zugute, da für diese Beweisregel kein Raum bei der Feststellung eines individuellen Willensentschlusses sei. Das bedeutete: De Ver mußte die Verdachtsgründe für Freitod oder Selbstverstümmelung dartun u n d b e w e i s e n ; die damit entstandene Verdachtssituation mußte der Anspruchsteller nach gewöhnlichen Beweisführungsregeln voll entkräften. Diese von der Rechtsprechung herausgearbeiteten und angewendeten Grundsätze bedeuteten einen Kompromiß zwischen der durch die AUB vollzogenen und im Prinzip respektierten Umkehrung der Beweislast einerseits und der dadurch oftmals bewirkten Beweisnot, die sich für den Anspruchsteller (Gegner des Unfallvers) ergab. Zur Kritik unter speziell beweisrechtlichen Grundsätzen vgl. Kirsch S. 92 ff. m. w. N. Angesichts dieser Rechtsprechungspraxis könnte einiges für die Richtigkeit der Bemerkung von Prölss 17. Aufl. 1969 Anm. 1 und 2 zu § 180a sprechen, durch die Neufassung von 1967 habe sich im Ergebnis nicht viel geändert. Indes gilt es zu differenzieren: Die Rechtsprechung zur Unfreiwilligkeit wird überwiegend von drei Fallgruppen beherrscht: Selbstmordverdacht, wenn der Vte ertrunken im Wasser aufgefunden wird, Verdacht auf Freitod, wenn der Vte mit einem Kraftfahrzeug, an dem keine technischen Mängel festzustellen sind, gegen ein Hindernis geprallt ist — diese Fälle beschäftigen die Gerichte erst in neuerer Zeit in größerer Zahl — und schließlich der Verlust von Gliedern, die in erster Linie als „entbehrlich" erscheinen, wie z. B. der l i n k e D a u m e n , der im Zusammenhang mit dem Verdacht vorsätzlicher Selbstverstümmelung bereits in den Beratungen zum § 181 erwähnt wird (vgl. GerhardHagen § 181 Anm. 1, S. 724 oben). Von diesen drei Fallgruppen wird die Gesetzesänderung die erste und die zweitgenannte zugunsten der Anspruchsinhaber beeinflussen: Da Ertrinken und Tod im Kraftfahrzeug nach Kollision per definitionem als Unfall gelten, wird sich hier ein non liquet zulasten des Unfallvers auswirken. Solange der Anscheinsbeweis für individuelle Willensentschlüsse nicht zugelassen wird, BGH 8. VII. 1965 VersR 1965 S. 798 - dagegen zutr. Prölss-Martin § 181 Anm. 2 und Moser und Sanders VersR 1976 S. 419 — wird der Ver künftig auch durch Nachweis verzweifelter Lebensumstände des Vten die Vermutung für die Unfreiwilligkeit nicht entkräften und den Beweis der Freiwilligkeit nicht führen können. Dagegen läßt sich der Nachweis, daß der linke Daumen nicht in der Weise abgetrennt worden ist, wie es der Vmer geltend macht, nach dem heutigen Wissensstand medizinischer Gutachter in neuerer Zeit beinahe stets führen. Es darf nunmehr als notorisch bezeichnet werden, daß ein Finger mit einem Beilhieb nur abgetrennt werden kann, wenn er auf einer festen Unterlage aufliegt und gezielt geschlagen wird. Das ergibt sich aus den nachfolgend zitierten Entscheidungen, deren Beweisaufnahmen zu Erkenntnissen geführt haben, die auch für den neuen Rechtszustand bedeutsam bleiben: Über Unfallvsschutz nach Verlust von Fingern ist in folgenden Fällen entschieden worden: LG Münster 18. V. 1956 VersR 1957 S. 2 1 - 2 2 ; Beschwerdeentscheidung O L G Hamm 20. IX. 1956 VersR 1957 S. 22; LG Detmold 22. II. 1957 VersR 1957 S. 715; LG Traunstein 15. VII. 1958 VersR 1958 S. 637; OLG Hamm 12. XII. 1954 VersR 1955 S. 165 — hier experimentierte der gerichtliche Sachverständige mit einem Pferdeschädel und einer Leichenhand; LG Braunschweig 1. IV. 1960 VersR 1964 S. 915; LG Baden-Baden 28. VI. 1963 VersR 1964 S. 861 - hier waren dem Kläger durch Stanzmaschine Daumen und Zeigefinger der rechten Hand teilweise abgeWagner

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schnitten worden, sein Vortrag war durch Sachverständigen widerlegt worden: im gleichen Sinne LG Hamburg 21. XII. 1950 VersR 1952 S. 62-63 - bestätigt von OLG Hamburg 31. V. 1951 VersR 1952 S. 63. - Demgegenüber gibt OLG Düsseldorf 31. X. 1961 VersR 1962 S. 598 einer Klage statt; hier war der linke Daumen in einen Motorpropeller eines Wagens geraten und abgeschnitten worden. Die Beweiswürdigung ist nicht überzeugend, das Gericht setzt ausdrücklich Behauptung des Klägers und Beweis gleich. Die Klage bei Verlust des linken Daumens weisen ab LG Darmstadt 15. XI. 1965 VersR 1966 S. 749 - auch hier Verlust des Daumens angeblich durch Kühlerpropeller im Kfz - , LG Essen 6. IV. 1965 VersR 1966 S. 750, LG Hagen 12. II. 1965 VersR 1966 S. 751 und LG Kempten 5. V. 1960 VersR 1964 S. 938. In allen diesen Fällen war die Beweissituation so, daß auch unter Geltung des § 180 a die Klage abzuweisen gewesen wäre. Die zeitlich letzte Entscheidung nach altem Recht, BGH 22. XII. 1971 VersR 1972 S. 244, hebt auf und verweist zurück, Tendenz zur Klagabweisung ist erkennbar. Zu dem Ergebnis des non liquet und mithin nach neuem Recht zum Erfolg der Deckungsklage führt die Beweissituation in den meisten Fällen von Kraftfahrzeugunfällen: BGH 12. VII. 1965 VersR 1965 S. 946-947: Der Vmer fährt mit dem Pkw gegen den Betonmittelpfeiler der Autobahn; BGH 8. VII. 1965 VersR 1965 S. 707—798: Der Vmer fährt mit dem Pkw gegen einen Lkw. Das Gericht kommt in beiden Fällen zum non liquet, obwohl im zweiten Falle mehrfacher Suicid bei nahen Familienmitgliedern vorgekommen und der Vmer selbst suicidverdächtig war; BGH 23. IV. 1969 VersR 1969 S. 609-611: Vmer kommt mit dem Wagen von der Fahrbahn ab und prallt gegen einen Bunker. Das Gericht würdigt in erster Linie diejenigen Umstände, die außerhalb des Unfallgeschehens selbst liegen. Auch diese Würdigung führt zum non liquet. Dagegen gibt BGH 4. XI. 1965 VersR 1966 S. 29—31 der Klage eines Vmers statt, der mit einem Pkw von der Straße abgekommen und an einen Bahnkörper geraten war, wo ihm vom Zug ein Fuß abgefahren wurde; nach altem Recht wenig überzeugend BGH 20. III. 1967 VersR 1967 S. 700: Der Vmer war gegen Jagdunfall vert. Er lag erschossen auf dem Hochsitz. Der Klage wurde stattgegeben, obwohl die Würdigung aller Umstände eher ein non liquet nahelegte. [G 75] bb) Änderung der Beweisest durch Gesetz vom 30. VI. 1967 aaa) Inhalt des Änderungsgesetzes Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. VI. 1967 (BGBl I S. 609) wurde in den 4. Abschnitt die Vorschrift des § 180 a eingefügt, nach dessen Absatz 1 die Unfreiwilligkeit der Gesundheitsschädigung bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird. Diese Vermutung ist nach Absatz 2 der Vorschrift zugunsten des Betroffenen relativ zwingend. Aus § 181 I ist der 1. Satz ersatzlos gestrichen, im übrigen ist diese Vorschrift - nach redaktioneller Angleichung — unverändert geblieben. Beide Teile der Änderung, sowohl der Text des § 180 a als auch die Streichung des § 181 I 1, lassen eine Bezugnahme des Gesetzes auf den in § 2 (1) AUB formulierten Unfallbegriff erkennen, § 180 a, indem der äußere Ablauf eines dem § 2 (1) AUB entsprechenden Geschehens als Grundlage der Vermutung formuliert wird, die Streichung von § 181 I 1, weil sie angesichts dieses Unfallbegriffs und der Regelung des § 180 a obsolet geworden ist. Gleichwohl läßt die Formulierung des § 180 a als Konditionalsatz erkennen, daß das Gesetz auch im Jahre 1967 nicht von einem unveränderten Unfallbegriff ausgeht, sondern eine abweichende Begriffsbildung für möglich hält. Dieser gegen den seit 1920 verwendeten Unfallbegriff beibehaltene Vorbehalt ist indessen inkonsequent gegenüber der Ablehnung der ursprünglich geplanten Neurege300

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Anm. G 76

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

lung (vgl. BT-Drucksache V/473 und zum ganzen Kirsch S. 4 - 8 ) , die darauf zielte, durch einen neu einzufügenden § 185 a W G die alte Vorschrift des § 181 I 1 zum halbzwingenden Recht zu machen. Diese Änderung unterblieb, weil man befürchtete, durch sie den in jahrzehntelanger Entwicklung erarbeiteten „Unfallbegriff zu denaturieren" (vgl. Kirsch S. 6 m.N.). Indessen wäre dieser Gefahr durch eine dem heutigen Unfallbegriff entsprechende Neu-Formulierung des § 181 I 1 zu begegnen gewesen, etwa des Inhalts, daß der Ver von der Verpflichtung zur Leistung frei sei, wenn der Betroffene die Gesundheitsschädigung, aufgrund derer der Ver in Anspruch genommen werde, freiwillig erlitten habe. Diese Form der Gesetzesänderung hätte sich gegenüber der Einfügung des § 180 a in der jetzt geltenden Fassung nicht dem Einwand ausgesetzt, eine Regelung der Beweislast in eine „voraussetzungslose" oder „Schein"-Vermutung zu kleiden, indem als Voraussetzungen der in § 180a ausgesprochenen Vermutung nicht Tatsachen, sondern eine Rechtsfolge, formuliert als Bedingungssatz, genannt wird (zur Kritik vgl. Kirsch S. 7 m. N.). Das dem Gesetzgeber unterlaufene Redaktionsversehen, wonach in § 180 a im Gegensatz zum Wortlaut des § 2 (1) AUB von Gesundheitsbe Schädigung gesprochen wird, darf als unerheblich bezeichnet werden. [G 76] bbb) Reichweite und Inkrafttreten der Neuregelung Die neue Beweislastregelung gilt für alle privaten Unfallven, also auch für die Unfallzusatzv bei der Lebensv (Prölss-Martin21 § 180a Anm. 1 S. 1048), für die Kraftfahrtv (Stiefel-Wussow-Hofmann AKB 10 § 17 Anm. 4, S. 688) und für die sonstigen Sparten der privaten Unfallv, für die sich die Grenzen der Privatautonomie aus §§ 179-185 W G ergeben (vgl. Kirsch S. 10-12). Es ist anerkannt, daß bei sog. Mischverträgen (Lebensv mit Unfallzusatz, Insassenunfallv) die Vorschriften über die Unfallv voll auf den betreffenden Vertragsteil anzuwenden sind (Kirsch S. 11 m. N.). Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. VI. 1967 tritt nach seinem Art. 3 einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft. Da es am 5. Juli 1967 verkündet worden ist (vgl. BGBl I S. 609), ist es am 5. August 1967 in Kraft getreten. Mit dieser Feststellung ist nichts darüber gesagt, ob nach der Neufassung des Gesetzes auch bei der Regulierung von Unfällen zu verfahren ist, die vor dem 5. August 1967 geschehen sind. Nach wohl einhelliger Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung (Nachweise bei Weyer VersR 1969 S. 301 Fußn. 14) äußern grundsätzlich nur Verfahrensvorschriften Rückwirkung in dem Sinne, daß bei ihrer Änderung „auch bereits schwebende Sachen . . . nach dem neuen Recht zu Ende zu führen sind" (Weyer a.a.O. S. 301 li.Sp.). Materiellrechtlichen Bestimmungen wird dagegen in der Regel (Ausnahmen vgl. Weyer a.a.O. S. 303 m.N. in Fußn. 52 und 53) keine rückwirkende Kraft beigelegt (Weyer a.a.O. S. 301 m.N. in Fußn. 12). Da die hier erörterte Gesetzesänderung eine Neuregelung der Beweislast zum Inhalt hat (oben Anm. G 74), hängt die Entscheidung darüber, ob ihr rückwirkende Kraft zukommt, von der Frage ab, ob Beweislastregelungen dem materiellen oder dem Verfahrensrecht zuzuordnen sind. Auf den hierzu geführten Meinungsstreit (vgl. Weyer a.a.O. S. 301 Fußn. 22—31, S. 302 Fußn. 32—35) soll hier nicht näher eingegangen werden, weil Weyer a. a. O. S. 302 li. Sp. unten überzeugend ausgeführt hat, daß eine Regelung der Beweislast demjenigen Rechtssatz zugehört, dessen Tatbestandsmerkmale zweifelhaft sind und über dessen Anwendung die Beweislastregel mithin entscheidet. Da die Neuregelung des § 180 a über den Beweis des Merkmals „unfreiwillig" entscheidet, dieses Merkmal aber Teil des anspruchsbegründenden Unfallbegriffs ist, gehört die Neuregelung dem materiellen Recht an und äußert demnach keine Rückwirkung. Das Wagner

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Anm. G 76a

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

kann nunmehr als unstreitig bezeichnet werden, vgl. Prölss-Martin21 § 180 a Anm. 4, Wussow AUB § 2 Anm. 9, S. 62 oben, Kirsch S. 9 m.N., BGH 23. IV. 1969 VersR 1969 S. 6 0 9 - 6 1 1 unter Bezugnahme auf Prölss 17. Aufl. § 180a Anm. 5 und Weyer a.a.O. S. 300). Der vorstehend dargestellten Auswirkung des § 180 a kann auch nicht mit der Erwägung ausgewichen werden, daß in den Fällen, für die der Verdacht eines Freitodes oder einer Selbstverstümmelung besteht, auch andere Merkmale des Unfallbegriffs in Frage gestellt und des Beweises bedürftig geworden sind, nämlich das Erfordernis der Plötzlichkeit, soweit man als seine Voraussetzung auch das subjektive Element des Unerwarteten, nicht Voraussehbaren ansieht, an dem es aber in diesen Fällen fehlt, sowie das Merkmal des von außen wirkenden Ereignisses, an dem es mangelt, wenn der Vte selbst Hand an sich legt (vgl. hierzu Prölss 17. Aufl. § 180 a Anm. 2 einerseits und Weyer VersR 1969 S. 305-306 andererseits). Zwar muß derjenige, der eine Vsleistung beansprucht, grundsätzlich alle Voraussetzungen der Gefahrverwirklichung beweisen, und es wäre denkbar, daß eine Gesetzesänderung, die ihm den Beweis hinsichtlich eines Merkmales des Vsfalles abnimmt, dem Anspruchsteller damit nicht oder nur unvollständig hilft, weil der Gesetzgeber nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Anspruchsteller auch die übrigen Merkmale beweisen muß. So liegt es hier indessen nicht: Oer Geschehensablauf, der im Sinne des gebräuchlichen Unfallbegriffs als „typisches Unfallgeschehen" erscheint, erfüllt die Voraussetzungen eines plötzlich (und) von außen wirkenden Ereignisses. Das gilt auch für Geschehnisse, die oftmals oder stets den Verdacht für Freitod oder Selbstverstümmelung begründen : Ertrinken, Fahren eines Kraftfahrers gegen ein Hindernis ohne erkennbare Fremdeinwirkung, Sturz aus dem Fenster. In allen Fällen wirkt das die Gesundheit schädigende Ereignis von außen auf den Körper des Vten ein, und die äußeren Merkmale der Plötzlichkeit sind ebenfalls gewahrt. Solche Geschehensabläufe sind Unfälle, wenn sie nicht vom Betroffenen selbst herbeigeführt worden sind. Deshalb durfte sich die Regelung des § 180 a auf diese Frage beschränken. Dafür, daß die Plötzlichkeit ein in diesem Sinne subjektives Element nicht enthält, vgl. oben Anm. G 60. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß im Vsrecht der Grundsatz anerkannt ist, die Anforderungen für den Beweis einen Vsfalles denjenigen Möglichkeiten anzupassen sind, die — der jeweiligen Situation entsprechend — vernünftigerweise für den Vmer bestehen. Dafür kann u.U. die bloße Behauptung des Vers genügen, vgl. Drefahl S. 8 3 - 9 2 m.N. Dieser Grundsatz verbietet es dem Unfallver, vom Anspruchsteller nach der zu seinen Gunsten ergangenen Gesetzesänderung mehr an Beweis zu verlangen, als vorher (insoweit übereinstimmend Weyer VersR 1969 S. 305). [G 76 a] Rechtsprechung nach Gesetzesänderung Die nach Inkrafttreten des § 180 a W G ergangenen ersten Entscheidungen betreffen den Verlust des linken Daumens: OLG Hamm 27. X. 1971 VersR 1973 S. 416—417 weist die Deckungsklage eines gegen Unfall vten Metzgermeisters ab, der behauptet hatte, versehentlich seinen linken Daumen abgeschlagen zu haben. Seine Darstellung, das Beil habe den Daumen nicht unmittelbar getroffen, sondern sei von einem Knochenstück abgerutscht und habe alsdann den Daumen infolge eines für ihn — den Vten — nicht mehr kontrollierbaren Schlages getroffen, ist vom gerichtlich bestellten Sachverständigen als nicht möglich bezeichnet worden. Diese Wertung entspricht den den oben (Anm. G 74) zitierten Entscheidungen zugrundeliegenden Feststellungen. Habe aber der Unfallver nachgewiesen, daß die vom Vten gegebene Unfallschilderung nicht zutreffen könne, so habe er den ihm nach § 180 a obliegenden Beweis erbracht. LG Lüneburg 14.1. 1972 VersR 1973 S. 180-181 weist Deckungsklage eines Landwirts ab, der behauptete, beim Zuspitzen von Rundholz den linken 302

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 80

Daumen abgeschlagen zu haben. Es stützt sich ebenfalls auf das Gutachten eines Sachverständigen und die mangelnde Glaubhaftigkeit des vom Vten geschilderten Unfallherganges. Der Hinweis auf § 180a in LG Oldenburg 14. III. 1969 VersR 1970 S. 78 ist nach dem abgedruckten Teil der Entscheidungsgründe nicht verständlich. [G 77] ccc) Auswirkung der Gesetzesänderung aaaa) Vorstellung des Gesetzgebers Die Einführung des § 180 a wird damit begründet, daß sich in zahlreichen Prozessen die Unzumutbarkeit des dem Vmer obliegenden Beweises für die Unfreiwilligkeit ergeben habe. Die von der Rechtsprechung gewährten Beweiserleichterungen hätten Härtefälle nicht vermeiden können, weil die Rechtsprechung gerade bei den problematischen Fällen von Verdachtsgründen für Selbstmord dem Vmer die erleichterte Beweisführung versagt habe. Hierzu sowie für den vom Bundesjustizministerium, dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen und vom HUK-Verband eingenommenen gegenteiligen Standpunkt, der u. a. mit dem Hinweis auf die Erleichterungen für betrügerisches Handeln zum Nachteil der Ver begründet wird, ist auf die Nachweise bei Kirsch S. 4—5 zu verweisen. [G 78] bbbb) Prognose Die Prognose von Prölss 17. Aufl. § 180a Anm. 1, durch die Neuregelung werde sich wenig ändern, wird sich nur für diejenigen Fälle als zutreffend erweisen, die schon im Jahre 1908 als typische Betrugsfälle im Unfallvsrecht bekannt waren (vgl. GerhardHagen § 181 Anm. 1 und die oben Anm. G 74 zitierte Rechtsprechung). Im übrigen werden alle als Unfall in Betracht kommenden Geschehen, die sich nicht durch die Beobachtung und Aussage unverdächtiger Zeugen als typischer Vollzug eines Selbstmordes — Sprung vom Gebäude auf die Straße oder von Brücke oder Ufer ins Wasser oder Werfen vor einem herannahenden Zug — darstellen, zu dem Beweisergebnis „non liquet" und damit zum Erfolg der Deckungsklage führen. Dem für die Beweiswürdigung bisher maßgeblichen Satz, in der Regel begehe niemand einen Selbstmord oder eine Selbstverstümmelung, ist durch die Beweislastregel des § 180 a jegliche Bedeutung genommen worden. Hierzu ist auf die überzeugenden Ausführungen von Weyer VersR 1969 S. 304-305 zu verweisen. [G 79] 6. Kausalität Schrifttum: Das Schrifttum zur Kausalität im Privatvsrecht, Sozialvsrecht und im Zivilrecht ist zusammengestellt worden bei Bruck-Möller § 49 Anm. 127, S. 141 — 142. Darauf wird für die folgende Darstellung verwiesen. Speziell für die private Unfallv ist hinzuweisen auf Binz, Die Mitwirkung fremder Schadensursachen in der privaten Unfall- und Krankenversicherung, Diss. Bern 1951, Herdt, Die mehrfache Kausalität im Versicherungsrecht und ihre Beurteilung bei Vorliegen von Klarstellungen und Ausschlußklauseln, Diss. Hamburg 1976, Möller VersPrax 1936 S. 59-61, Werneburg JRPV 1938 S. 357-359. [G 80] a) Bedeutung der Kausalität im allgemeinen Haftungsrecht Im allgemeinen Haftungsrecht entsteht die Schadensersatzpflicht dadurch, daß ein haftungsbegründender Tatbestand erfüllt, d. h. eine vertragliche Verpflichtung verletzt oder die Voraussetzungen eines gesetzlichen Haftungstatbestandes verwirklich werden. Die nachfolgende Darstellung zur Bedeutung der Kausalität im allgemeinen HaftungsWagner

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Anm. G 80

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

recht ist zur Klärung der Begriffe und ihrer Verwendung von Bedeutung. Denn die Begriffe der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität werden im Vsrecht in gleicher Weise verwendet wie im allgemeinen Haftungsrecht. Für den Zweck dieser Darstellung ist es ausreichend, den Haftungstatbestand des § 823 I BGB zu beleuchten, weil die Begriffsverwendung zur Kausalität schon anhand dieses Tatbestandes erschöpfend behandelt werden kann. Eine korrekte Subsumtion dieses Tatbestandes muß mit der Frage beginnen, ob der Handelnde eines der in Abs. 1 genannten Rechtsgüter oder Rechte v e r l e t z t hat und sodann weiter prüfen, welcher Schaden dem Verletzten d a r a u s entstanden ist. Das Verb „verletzen" weist auf die Notwendigkeit hin, eine Handlung des Schädigers festzustellen, während das Wort „daraus" auf ein bloßes Kausalitätserfordernis hindeutet: Zwischen Verletzung — im Sinne von Verletzungserfolg - und Schaden muß ein Zusammenhang, und zwar ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Wer nun die für die Rechtsanwendung maßgebliche Literatur (Nachweise bei Bruck-Möller § 49 Anm. 127 unter a; vgl. ferner die Lehrbücher und Kommentare zum Schuldrecht — näheres unten) und die Rechtsprechung hinsichtlich der Frage zu Rate zieht, was unter Verletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, wird dort vergeblich Ausführungen zu einem zivilrechtlichen Handlungsbegriff suchen, der dem Lebenssprachgebrauch entspricht und die „Funktion einer Haftungsbegründung nach der Vorstellung eines durchschnittlichen Rechtsgenossen" erfüllt. Stattdessen ist festzustellen, daß dort (vgl. ζ. B. Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl., S. 298—306, Fikentscher, Schuldrecht, 4. Aufl., S. 270ff.; Palandt-Heinrichs, 35. Aufl., Anm. 5 a vor § 249) der Begriff der Verletzung allein unter der Bezeichnung haftungsbegründender Kausalität erörtert und die Frage nach ihrer Begrenzung nur unter dem Gesichtspunkt gestellt wird, ob sie durch das Erfordernis der Adäquanz oder neuerdings — durch die Lehre vom Schutzzweck der Norm zu begrenzen sei. Diese Beschränkung der Problemsicht auf den Begriff der Kausalität entspricht einer allgemeinen Tendenz der Rechtswissenschaft seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Sie wurde vom Strafrecht geteilt, das Kausalität und Handlung zu identifizieren geneigt war (vgl. die insoweit eindrucksvolle Darstellung von Mezger, Lehrbuch des Strafrechts, 3. Aufl. (unverändert seit 1933) 1949, S. 109-129 m.N. und Hardwig, Die Zurechnung, 1957, mit historischem Überblick insbes. S. 67-90 und eigener krit. Stellungnahme S. 90 ff.) und beherrscht das Recht der unerlaubten Handlungen im Zivilrecht bis in die jüngste Zeit. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, das unmittelbare Auswirkung auf die Unfallv haben kann: Einige jüngere Entscheidungen des BGH gehen davon aus, daß derjenige, der von einem Amtsträger (Bahnpolizei oder Polizeibeamten eines Landes) zu Recht verfolgt wird, nach § 823 Abs. 1 BGB dem Verfolger für Schäden ersatzpflichtig werden kann, die dieser bei der Verfolgung erleidet. BGH 13. VII. 1971 BGHZ Bd 57 S. 25-33 bejaht eine solche Haftung desjenigen, der von einem Bahnkontrolleur verfolgt wird, BGH 29. X. 1974 BGHZ Bd 63 S. 189—196 hebt das klagabweisende Urteil des Berufungsgerichts auf und verweist zurück (Verfolgung eines Jugendlichen, der sich dem Vollzug des Jugendarrestes entzogen hatte), BGH 13.1.1976 NJW 1976 S. 568-569 weist bei entsprechendem Sachverhalt die Klage ab. Alle drei Entscheidungen sprechen ausdrücklich aus, daß der Verfolgte „die Verletzung des Verfolgers im Sinne des Bedingungszusammenhanges verursacht" habe, lassen diese Feststellung allerdings nicht genügen, sondern verlangen als Voraussetzung für die Haftung ein angemessenes Verhältnis zwischen Zweck und Risiko der Verfolgung. Damit werden tatbestandsfremde Merkmale — offensichtlich beschränkt auf den Fall der Verfolgung durch Amtspersonen — in die Vorschrift des § 823 I BGB eingeführt, es wird am Kausaldogma festgehalten, obwohl im Strafrecht erkannt worden ist, daß ein über die Feststellung bloßer 304

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anni. G 82

Kausalität hinausgehender Handlungsbegriff notwendig ist (vgl. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. 1975, passim) und auf eine korrekte, nämlich nur durch Subsumtion zu ermittelnde Feststellung, ob der V e r f o l g t e d e n V e r f o l g e r v e r l e t z t h a b e , verzichtet. Sollte der Verfolger unfallvert sein, so würde die Unfallv für Entschädigungsleistungen, die unter den Begriff der Schadensv fallen (§ 8 VI AUB) — vorbehaltlich konkurrierender beamtenrechtlicher Regelungen - nach § 67 Rückgriff nehmen können. Eine solche Verkürzung korrekter Subsumtion des Haftungstatbestandes ist im Haftungsrecht kein Einzelfall (vgl. z.B. OLG Düsseldorf 8. III. 1955 NJW 1955 S. 1031 und dazu Larenz NJW 1955 S. 1009-1013, RG 21. IX. 1931 RGZ Bd 133 S. 270, insoweit abweichend jetzt allerdings BGH l l . V . 1971 BGHZ Bd 56 S. 164), sie wird hier dargestellt, weil angenommen werden muß, daß sie sich methodisch auf die Behandlung von Kausalitätsproblemen im Unfallvsrecht unmittelbar auswirkt, vgl. nachfolgend Anm. G 81.

[G 81] b) Bedeutung der Kausalität im Unfallversicherungsrecht Die nachstehenden Ausführungen zur B e d e u t u n g d e r K a u s a l i t ä t im U n f a l l v s r e c h t werden zu der Feststellung führen, daß die Rechtsanwendung hier in ähnlicher Weise wie im allgemeinen Haftungsrecht dazu neigt, Kausalitätserwägungen an die Stelle der Subsumtion des Haftungstatbestandes (Vsfall) zu setzen. Das geschieht in der Diktion besonders deutlich durch OLG Düsseldorf 25. VI. 1963 VersR 1964 S. 130: Hier werden die Vorausetzungen des Unfalles und die Nichtanwendbarkeit eines Ausschlußtatbestandes nahezu ausschließlich unter dem Blickwinkel des Unfalles als „Kausalitätskette" dargestellt, während das Gericht es an einer tragfähigen Subsumtion zum Unfallereignis (Einwirkung auf den Körper) fehlen läßt. Das Unterlassen eines präzisen Nachweises für das Vorliegen eines Unfallereignisses muß auch im Hinblick auf BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 beanstandet werden (vgl. Prölss-Martin 21 § 2 AUB Anm. 3 S. 1061 und Wagner, ZversWiss 1975 S. 641), denn es kann nicht angenommen werden, daß der BGH das Zerspringen der Windschutzscheibe eines Pkw — das wegen der Schockwirkung auf den schwer herzleidenden Fahrer zu dessen Tod führt — als Unfallereignis im Sinne des § 2 (1) AUB subsumieren will. Auch der BGH spricht vom Unfall als einer „Ursachenreihe" und läßt das Wirksamwerden des als „negativen Grenzfall" formulierten Ausschlußtatbestandes des § 2 (3) b AUB davon abhängig sein, an welcher Stelle dieser Ursachenreihe die „psychische Einwirkung" steht (näheres unten Anm. G 252). Es ist deshalb geboten, den Begriff der Kausalität so in das Unfallgeschehen einzuordnen, daß er den Blick für eine korrekte Subsumtion des haftungsbegründenden Tatbestandes (Unfall bzw. Vsfall) nicht verstellt, und daß die Bedeutung des Kausalitätsbegriffs im Bereich der negativen Grenzfälle und Ausschlüsse schon hier (näheres Anm. G 85—89) soweit klargestellt wird, daß sich auch eine sachgerechte Gruppierung der sekundären Risikobegrenzung hieraus ergibt.

[G 82] aa) Bedeutung der Kausalität innerhalb des Unfallgeschehens Der Unfallbegriff des § 2 ( 1 ) AUB deutet an zwei Stellen auf das Erfordernis der Kausalität: Zunächst muß ein Ereignis von außen auf den Körper einwirken, und das damit abgeschlossene Unfallereignis muß sodann eine Gesundheitsbeschädigung zur Folge haben. Bruck-Möller Anm. 31 vor § 49 nennt die Unfallgefahr eine K o m p l e x g e f a h r , weil „. . . ein Unfall vorliegt, wenn erstens ein Ereignis plötzlich von außen auf den Körper des Vmers wirkt und zweitens hierdurch der Vmer eine Gesundheitsbeschädigung erleidet . . ." Da das Unfallereignis als Ursache der Gesundheits20

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anin. G 82

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Schädigung wirkt, diese also seine Folge ist, sind Unfallereignis und Gesundheitsschädigung begrifflich-logisch stets zu unterscheiden, vgl. Bruck-Möller Anm. 31 vor § 49, der, zugleich im Zusammenhang mit der Gefahrverwirklichung bei der Feuerbetriebsunterbrechungsv, auch den Ausdruck S t u f e n g e f a h r in Erwägung zieht, weil der Gesamttatbestand sich in mehreren Stufen realisiere. Beispiel: Wird der Vte von einem Radfahrer angefahren, so ist dies i.d.R. ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis). Ein Unfall im Sinne der §§ 2 (1), 8 AUB setzt indessen weiter voraus, daß der Vte infolge der Kollision mit dem Radfahrer, d.h. aber i n f o l g e des Unfallereignisses, eine Gesundheitsschädigung erleidet. Diese kann zeitlich mit der Kollision zusammenfallen, wenn etwa im oben genannten Beispiel das Bein des Vten bricht, sie kann aber auch zeitlich nachfolgen, wenn z.B. die Kollision nachteilige Veränderungen des Beines — Entzündungen, Erkrankung der Knochenhaut etc. — bewirkt, die erst geraume Zeit später eintreten. Solche u. U. sehr schwerwiegenden Spätfolgen zunächst scheinbar harmloser Unfallereignisse sind typisch für Kopf- oder Rückgratsverletzungen, vgl. etwa RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297—300 Nr. 2482: Der Vte war gestürzt, als Folge dieses Sturzes war eine Neigung zur Ohnmacht geblieben. Diese hatte zur (weiteren) Folge, daß er 10 Monate später nach öffnen des Gashahns zu Boden stürzte und infolge Gasvergiftung starb. Das RG wertet den G e s a m t v o r g a n g als Unfall und erörtert - und bejaht — die Frage, ob der zweite Unfall (die Gesundheitsschädigung bzw. Tod) die adäquate Folge des „ersten Unfalls" gewesen sei. Andere Entscheidungen sprechen, wie oben erwähnt, von „Ursachenketten", die mit dem Unfallereignis beginnen und mit Gesundheitsschädigung oder Tod enden, vgl. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582 und OLG Düsseldorf 25. VI. 1963 VersR 1964 S. 130-131. Ergibt sich hieraus bereits die „Komplexheit" (Möller) oder Mehrgliedrigkeit des Unfallbegriffs, die zur Anerkennung von mindestens zwei Geschehensabschnitten zwingt und es zuläßt, den Unfall als stufenweise sich verwirklichenden Tatbestand oder mehrgliedrige Kausalitätskette zu bezeichnen, so weist das als Unfall oder als Unfall plus Unfallfolgen bezeichnete Gesamtgeschehen nicht selten noch weitere, vom bisher geschilderten Unfallgeschehen abgrenzbare Abschnitte auf: Eine Unfallverletzung, die — für sich gesehen — dauernde oder vorübergehende Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt hätte, führt nach gewisser Zeit zum Tod (u.a. in § 8 I AUB vorgesehene Fallgestaltung), eine zunächst nur als leicht und vorübergehend erscheinende Verletzung hat dann doch schwerwiegende Folgen und führt zur Invalidität (§ 8 II (1) AUB). In jedem Falle stellt sich die Frage, ob Gesundheitsschädigung oder Tod im Sinne des § 2 (1) AUB „durch" das Unfallereignis erlitten worden, d.h. seine Folgen im Rechtssinne sind. Ebenso sind es Kausalitätserwägungen, die nach den AUB im Zusammenhang mit den Folgen eines Unfallereignisses für bestimmte Fallgruppen die Entschädigungspflicht des Vers mindern (§ 10 (1) (2) (4) AUB) oder ausschließen (§§ 2 (3) a und b, 3 (5) und 10 (5) AUB). Diese Regelungen werden nach einhelliger Meinung durch den Rechtssatz ergänzt, daß der Unfallver für inadäquate Folgen eines Unfallereignisses keine Entschädigung zu leisten braucht. Weitere Fallgestaltungen, die seit jeher (vgl. oben Anm. G 55) als Unfall gewertet worden sind, obwohl hier in Wahrheit eine analoge Anwendung des § 2 (1) AUB vorliegt und die oben unter dem Stichwort „kupiertes Unfallereignis" zusammengefaßt werden, können zusätzliche und andersgeartete Kausalitätsprobleme aufwerfen: Ein Skifahrer oder Bergsteiger fällt, ohne sich zu verletzen, in eine Gletscherspalte. Er kann sich nicht aus eigener Kraft befreien, so daß ihm Tod durch Hungern oder Erfrieren droht. Ein Dritter, der ihn begleitet oder aufgefunden hat, reicht ihm (versehentlich) vergiftetes Getränk oder Speise, an deren Genuß der Vte stirbt (Beispiel nach Henke Ausschlüsse S. 35f,). Auch hier stellt sich die Frage nach 306

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II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 84

rechtlich erheblicher Kausalität, wenn man davon ausgeht, daß der bewegungsunfähig gewordene Vte außerhalb dieser hilflosen Situation auf diese „Stärkung" verzichtet haben würde. [G 83] bb) Versicheningsrechtliche Kausalitätsprobleme außerhalb des Unfallbegriffs aaa) Sog. positive Kausalität Die F e s t s t e l l u n g „positiver K a u s a l i t ä t " über die Subsumtion des Unfallbegriffs hinaus ist erforderlich, wenn die Deckungspflicht des Vers voraussetzt, daß der Unfall in einem bestimmten räumlichen oder sachlichen Zusammenhang mit Umständen steht, die nicht zugleich Tatbestandsmerkmal des Unfallbegriffs sind. In der Kraftfahrtv (§ 17 (1) AKB) z.B. bezieht sich die V „auf Unfälle im ursächlichen Zusammenhang mit dem Lenken . . . des Kraftfahrzeuges . . . " , und in der sozialen Unfall ν ist nach § 548 I 1 RVO ein Arbeitsunfall ein Unfall, den der Vte „bei einer der . . . genannten Tätigkeiten erleidet". In beiden Fällen wird die Gefahrbeschreibung durch Umstände (Kausalität) ergänzt, die außerhalb des eigentlichen Vsfalles liegen — in § 17 (2) A K B definiert, in der sozialen Unfallv für die Rechtspraxis durch die Rechtsprechung festgelegt, vgl. Lauterbach, Unfallv, 3. Aufl. 1975, § 548 Anm. 3. m. N. [G 84] bbb) Sog. negative (haftungshindernde) Kausalität Die private und die soziale Unfallv kennen als Spiegelbild der vorstehend genannten positiven Kausalität auch eine n e g a t i v e oder „haftungshindernde" (Bruck-Möller § 49 Anm. 132 und 150) K a u s a l i t ä t , d. h. Umstände, die ungeachtet des Vorliegens aller Voraussetzungen des Unfallbegriffs eine Entschädigungspflicht des Unfallvers ausschließen. Dabei sind in diesem Zusammenhang Umstände gemeint, die zeitlich vor dem Unfallgeschehen liegen, das sich — im Sinne des Kausalbegriffs — aus ihm entwickelt. In der Allgemeinen Unfallv gab es bis 1961 (sog. absolute) Ausschlüsse, d.h. Gefahrumstandsausschlußklauseln, bei denen der die Deckungspflicht ausschließende Umstand und der Unfall in der Formulierung durch das Adverb „bei" verbunden waren, ζ. B. in der § 3 der bis 1961 geltenden AUB Ziff. 2: Unfälle eines Angehörigen der Wehrmacht... bei Reserveübungen... Ziff. 3: Unfälle, die der Versicherte erleidet bei der Ausführung . . . von Verbrechen . . . Ziff. 4: Beschädigungen des Versicherten bei Heilmaßnahmen . . . Die hierdurch aufgeworfenen Probleme nach der Qualität des für die Ausschlußwirkung erforderten Zusammenhangs (vgl. unten Anm. G 93) haben durch die Änderung der AUB im Jahre 1961, die das Wort „bei" jeweils durch einen das Kausalitätserfordernis deutlich machenden Ausdruck „durch" oder „infolge" ersetzt haben (Gegenüberstellung bei Grewing, Die Entstehungsgeschichte der AUB von 1961 S. 13—14), an Bedeutung verloren. Innerhalb der sozialen Unfallv bestehen diese Abgrenzungsschwierigkeiten fort, weil dort die Gefahrbeschreibung (Unfallbegriff) wie deren Begrenzung (Ausschlüsse) weitgehend auf Kausalitätserwägungen aufbauen (Lauterbach a. a. O. § 550 RVO Anm. 3 ff.), wobei die Problematik der Ausschlüsse in den a . a . O . Anm. 18 genannten Beispielen besonders deutlich wird. Der konstruktive Unterschied liegt darin, daß es in der sozialen Unfallv mangels entsprechenden „inneren Zusammenhangs" (Lauterbach § 549 RVO Anm. 3) gar nicht zu einem rechtlich erheblichen (Arbeits-)Unfall kommt, während sich die private Unfallv in diesen Fällen dazu bekennt, daß sie trotz Vorliegens aller Unfallmerkmale keine 20·

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Anm. G 86

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Entschädigungsleistung gewährt. Die private Unfallv stellt sich mit dieser Trennung von haftungsbegründendem (§ 2 (1) AUB) und haftungsausschließendem Tatbestand (§§ 2 (3), 3 AUB) in deutlicherer Weise einer Inhalts- und Gerechtigkeitskontrolle als die soziale Unfallv, weil sie, soweit sie sich auf einen Ausschlußtatbestand beruft, diesen — dem Laien erkennbar — nach Sinn und „Legitimität" der Kontrolle durch das Gericht unterwirft, während die im sozialen Unfallvsrecht am Kausalitätsbegriff orientierte Auslegung eher geeignet ist, die sachliche Berechtigung des Ergebnisses hinter begrifflichen Erwägungen zu verbergen. [G 85] cc) Bedeutung der Kausalität im Rahmen des Uniallereignisses aaa) Haftungsbegründende Kausalität Da mit der Feststellung eines Unfallereignisses die Entschädigungspflicht des Unfallvers „dem Grunde nach" bejaht ist, dürften keine durchgreifenden Bedenken dagegen bestehen, das innerhalb des Unfallereignisses mit dem Wörtchen „einwirken" bezeichnete Kausalitätselement als h a f t u n g s b e g r ü n d e n d e K a u s a l i t ä t zu bezeichnen. Dieser Sprachgebrauch entspricht dem des allgemeinen Haftungsrechts und wird die Darstellung der Struktur der Kausalitätsprobleme im Bereich der Ausschlüsse erleichtern. Zutreffend wird bei Bruck-Möller § 49 Anm. 132 daraufhingewiesen, daß bei Komplexgefahren, zu denen auch die Unfallgefahr zu zählen sei (Anm. 31 vor § 49), auf jeder Stufe der Kausalität auch ein Ausschluß einsetzen könnte. Der Satz von Argyriadis (ZVersWiss 1965 S. 5), in der Summenv spiele die Kausalität stets nur eine haftungsbegründende o d e r eine haftungsausfüllende Rolle, gilt in dieser Form nur für die Lebensv. [G 86] bbb) Kausalität und Einwirkung Die vorstehend bezeichnete haftungsbegründende Kausalität ist für die Rechtsanwendung i.d. R. unproblematisch, weil das M e r k m a l d e r E i n w i r k u n g unter Berücksichtigung des Lebenssprachgebrauchs und der Vorstellung, die einem Unfallereignis hiernach zugrundeliegt, zu ermitteln ist. Eine solche Einwirkung wird innerhalb einer bestimmten Fallgruppe, für die § 2 (1) AUB in Wahrheit analog angewendet wird (unten Anm. G 55) nur f i n g i e r t : Gerät der Vte ζ. B. als Skifahrer, Bergsteiger oder Bootsfahrer in eine hilflose Lage, die ihn, ohne vorerst seine Gesundheit oder körperliche Integrität zu berühren, der Möglichkeit beraubt, sich gegen Verhungern, Erfrieren oder Ertrinken zur Wehr zu setzen, so wird dieser plötzliche Verlust der Bewegungsmöglichkeit einer „Einwirkung auf den Körper des Vten" im Sinne des § 2 (1) AUB nur „gleichgesetzt" (so zutreffend die Analogie andeutend BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341-342). Diese Analogie hat indessen nur das Unfallereignis zum Gegenstand, die Frage, für welche Folgen dieses Ereignisses der Unfallver einzustehen hat (vgl. die Beispiele bei Henke S. 35—36), beantwortet sich nach den Regeln über die haftungsausfüllende Kausalität, d. h. nach Adäquanzregeln, soweit nicht die AUB in §§ 2, 3 und 10 besondere Vorschriften enthalten. Einen als Modell für die Frage nach der haftungsbegründenden Kausalität im Rahmen des Unfallereignisses zu wertenden Fall entscheidet OLG Hamburg 7. XII. 1951 VersR 1952 S. 19-20: Im Magen des Vten waren Reste von Phanodorm und Veronal gefunden worden, er hatte, bevor er sich auf sein Zimmer begeben hatte, wo er am nächsten Morgen tot aufgefunden worden war, noch eine Flasche Bier getrunken. Das Sektionsprotokoll wies als Todesursache „Ersticken infolge Speiseaspiration" aus. — Das Gericht erörtert die in Betracht kommenden möglichen Todesursachen und hält es für erwiesen, daß hochgewürgte Speise in die Luftröhre 308

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Anm. G 88

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

geraten sei und den Tod durch Ersticken verursacht habe. Für entscheidungserheblich hält es die Frage, worauf das Hochwürgen zurückzuführen sei. Als von außen wirkendes Ereignis, das dann auch adäquat kausal für den Tod gewesen wäre, komme das Trinken des Bieres in Betracht, wenn es das Hochwürgen veranlaßt habe — was nicht bewiesen sei — , an einem von außen wirkenden Ereignis fehle es aber, wenn der Grund für das Hochwürgen in einem krankhaften körperinternen Vorgang gelegen habe. Da diese Möglichkeit nicht auszuschließen war, wurde die Klage abgewiesen. [G 87] ccc) Uneinheitliche Rechtsprechung Oben (Anm. G 81) ist bereits ausgeführt worden, daß in einer Reihe von Entscheidungen die hier so bezeichnete haftungsbegründende Kausalität nicht immer korrekt eingeordnet worden ist. Dieser Einwand ist vor allem gegen diejenigen Entscheidungen (Anm. G 252) zu erheben, bei denen es um den sog. negativen Grenzfall der „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung" (jetzt: § 2 (3) b AUB) geht. Hierzu gehören auch die schon zitierten Entscheidungen OLG Düsseldorf 25. IV. 1963 VersR 1964 S. 130-131 und BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584, die es beide an einem Nachweis für das Vorliegen eines Unfallereignisses im Sinne eines plötzlich von außen auf den Körper des Vten wirkenden Ereignisses fehlen und in ihrer Deduktion, die auf Kausalitätserwägungen aufbaut, eine teleologisch-rechtspolitische Zielsetzung (Umgehung eines Ausschlußtatbestandes) erkennen lassen. Mit Kausalitätserwägungen anstelle sprachlich und wertend nachvollziehbarer Subsumtion eines Unfallereignisses begründen auch folgende Entscheidungen jeweils die Verurteilung des Unfallvers zur Gewährung von Deckungsschutz: KG 23.1. 1914 VA 1914 S. 7—9 Nr. 784 wertet Knallgeräusche im Telefon als Unfall, obwohl eine Einwirkung auf das Gehörorgan des Vten nicht feststellbar ist; RG 13. XI. 1908 VA 1909 S. 23—24 erwägt es, einen in der Nähe des Vten niedergehenden Blitzstrahl als Unfall zu werten, obwohl der Vte nicht getroffen wurde - er lief nachher noch eine Treppe hinauf — und dort der Unfallbegriff „körperliche Beschädigungen . . . durch äußere Gewalteinwirkung" voraussetzte. KG 9. III. 1935 JRPV 1935 S. 218-219 geht davon aus, daß eine aus dem vom Vten gefahrenen Kraftfahrzeug herausschlagende Stichflamme, die ihn nicht berührt hat, ein Unfall gewesen sei; RG 10. X. 1940 JRPV 1940 S. 187—189 legt AVB, nach denen der Tod durch Hitzschlag nicht entschädigungspflichtig sei, so aus, daß der Ausschluß nur gelte, wenn der Hitzschlag selbst den Tod herbeigeführt habe, der Hitzschlag also die primäre Einwirkung sei. Dagegen beginnt RG 29. V. 1908 Bd 69 S. 17-20 seine Begründung damit, daß die Voraussetzungen eines Unfalles — äußere mechanische Einwirkung — für den Sturz des Klägers in einem Eisenbahnwaggon zunächst im einzelnen subsumiert werden. Auf Kausalitätserwägungen kommt das Gericht erst danach im Zusammenhang mit dem Ausschluß durch Ohnmacht: Diese habe zwar den äußeren Anstoß für den Sturz gegeben, der Beinbruch sei aber nicht durch sie, sondern durch den Sturz verursacht worden. Auch hier wird die Berücksichtigung der „haftungshindernden Kausalität" mit einer auch unter Kausalitätsgesichtspunkten nicht haltbaren Begründung abgelehnt. [G 88] dd) Folgen des Unfallereignisses aaa) Haftungsausfüllende Kausalität Entsprechend den Zusammenhängen im allgemeinen Haftungsrecht stellt sich auch im Unfallvsrecht die Frage, für welche Folgen (Gesundheitsschädigung oder Tod) eines festgestellten Unfallereignisses der Unfallver einzustehen hat. Diese Frage ist für einige Fälle in §§ 2, 3, 8 und 10 AUB besonders geregelt (unten Anm. G 89, 258, Wagner

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Anm. G 89

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

263). Im übrigen beantwortet sie sich wie im allgemeinen Haftungsrecht nach den Regeln über die adäquate Kausalität (Henke S. 34-36, Prölss-Martin 20. Aufl. § 182 W G Anm. 3 e, im Ergebnis ebenso Wussow AUB 4 § 2 Anm. 3 - ohne Verwendimg des Ausdrucks Adäquanz — , Ziegler Unfallbegriff, S. 93 ff.; abweichende Auffassungen sind hierzu, soweit ersichtlich, nicht geäußert worden. Gegen die von Bruck-Möller § 49 Anm. 132 und Argyriadis ZVersWiss 1965 S. 5 erhobenen Bedenken soll im folgenden der Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung oder Tod als h a f t u n g s a u s f ü l l e n d e K a u s a l i t ä t bezeichnet werden, da diese Bezeichnung, wie schon zur haftungsbegründenden Kausalität ausgeführt worden ist, die Einordnung und Deutung der negativen Grenzfälle und Ausschlüsse erleichtern wird. [G 89] bbb) Konkurrierende Kausalität Die Formulierung in § 10 (1) und (2) AUB läßt erkennen, daß der Text von der Vorstellung mehrerer Ursachen für die dort genannten Folgen eines Unfallereignisses ausgeht. Die Vsleistung ist entsprechend zu kürzen (§ 10 (1) AUB) oder sie wird gar nicht gewährt, wenn in der dort beschriebenen Weise außer dem Unfallereignis auch andere Faktoren für die jeweils maßgeblichen Folgen - Gesundheitsschädigung oder Tod — ursächlich geworden sind. Für solche Regelungen wird der Ausdruck „konkurrierende Kausalität" verwendet, vgl. Herdt S. 124-126 m.N. Diese Begriffsverwendung ist anschaulich, sie entspricht auch dem Bedingungstext (vorstehend), bedarf jedoch der Erläuterung. Die Feststellung, daß ein Ereignis für ein anderes ursächlich geworden sei, läßt sich nur aus der Betrachtung ex post treffen. Stirbt ein Vter infolge eines Unfallereignisses (unglücklicher Sturz auf der Straße) so kann man sagen, daß der Sturz (Unfallereignis) für den Tod (Folge des Unfallereignisses) ursächlich geworden ist. Ist der Tod nur deshalb eingetreten, weil der Vte herzleidend war, so daß der Sturz zu einem Herzversagen geführt hat, so sind Sturz und Herzleiden gleichwertige Ursachen der Folge Tod, denn ohne Sturz wäre der Tod sowenig eingetreten wie ohne Herzleiden. Da sie gleichwertig sind, können sie nicht im Sinne eines auf Quantität abstellenden Vergleichs gegeneinander abgewogen werden. Es ist deshalb begrifflich ausgeschlossen, konkurrierende Ursachen im Verhältnis zueinander in Prozentzahlen auszudrücken, wie dies in § 10 (1) („mindestens 25%") und (2) („überwiegende Ursache") AUB geschieht. Diese Anschauung ist auch unvereinbar mit dem Begriffsbild der konkurrierenden Kausalität, die gerade zum Inhalt hat, daß mehrere Ursachen gemeinsam diesen Erfolg herbeigeführt haben: Ohne eine der als konkurrierend gewerteten Ursachen wäre dieser Erfolg nicht eingetreten. Deshalb ist die Regelung des § 10 (1) und (2) AUB inhaltlich verfehlt. Die Rechtsprechung nimmt sie zum Anlaß für eine Herabsetzung der Vsleistung nach Maßgabe des § 287 ZPO, Einzelheiten unten Anm. G 306. Diese Bedenken greifen nicht durch, soweit die Folge des Unfallereignisses (Gesundheitsschädigung) im Zusammenhang mit der jeweiligen Entschädigungsleistung in ihrer Quantität teilbar ist. Das wird im Zusammenhang mit der Invalidität deutlich: Sie kann, wie sich insbesondere aus § 8 II. (2) AUB ergibt, in Prozentzahlen ausgedrückt werden, die für den Fall der Invalidität zu leistende Gesamtsumme wird entsprechend gekürzt. In entsprechender Weise kann eine vor dem Unfall bestehende Invalidität rechnerisch berücksichtigt werden. Das geschieht durch die Regelung des § 10 (4) AUB. Die durch § 10 (4) AUB vorgeschriebene Berücksichtigung der Vorinvalidität kann nur mit Einschränkungen als Beispiel konkurrierender Kausalität angesehen werden. Das ist nicht der Fall, soweit nur die unfallabhängige Invalidität für die Berechnung 310

Wagner

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

Anm. G 92

der Entschädigungsleistung berücksichtigt wird. Konkurrierende Kausalität ist aber gegeben, soweit die Vorschädigung nicht zu einer Kürzung der Invaliditätsentschädigung führt, Einzelheiten Anm. G 310. [G 90] ccc) Überblick über Ausschluß und Begrenzung der Deckungspflkht nach den AUB V ö l l i g vom D e c k u n g s s c h u t z a u s g e n o m m e n sind bestimmte Folgen eines Unfallereignisses, nämlich Erkrankungen infolge psychischer Auswirkungen eines Unfallereignisses (§ 2 (3) b AUB) (dazu unten Anm. G 254), Krampfadem und Unterschenkelgeschwüre, die durch ein Unfallereignis herbeigeführt oder verschlimmert worden sind (§ 3 (5) AUB), Tod und Invalidität, sofem sie als Folge des Unfallereignisses nicht binnen bestimmter Fristen eingetreten sind ( § 8 1 und II AUB), Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen, sofern das Unfallereignis nicht hierfür die überwiegende Ursache gesetzt hat (§ 10 (2) AUB) sowie Krankheiten infolge psychischer und nervöser Störungen, die ihrerseits Folge eines Unfallereignisses sind, wenn und soweit diese Störungen nicht durch eine auf das Unfallereignis zurückzuführende organische Erkrankung des Nervensystems oder neu entstandene Epilepsie verursacht worden sind (§ 10 (5) AUB). Zu einer Minderung der Entschädigung kommt es in den Fällen des § 10 (1), (4) und (5) AUB. [G 91] ddd) Haftungsbegrenzung durch das Erfordernis der Adäquanz Das Erfordernis adäquater haftungsausfüllender Kausalität im obigen Sinne, d. h. völliger Ausschluß der Leistungspflicht gilt unabhängig von den vorstehend genannten Bestimmungen der AUB dann, wenn im Einzelfall die als Folge des Unfallereignisses eingetretene Gesundheitsschädigung (oder Tod) nicht als dessen a d ä q u a t e Folge gewertet werden kann, vgl. Henke S. 3 4 - 3 6 mit Beispielen S. 35, Ziegler Unfallbegriff S. 94, Möller in Bruck-Möller § 49 Anm. 140 und 142, Argyriades ZVersWiss 1965 S. 6 - 8 m.N. in Fußn. 16-22. [G 92] eee) Adäquanz und Schutzzwecklehre Neben der Haftungsbegrenzung durch das Erfordernis der Adäquanz tritt im allgemeinen Haftungsrecht auch die Frage nach dem Schutzzweck einer Haftungsnorm oder — im Deliktsrecht — nach dem Rechtswidrigkeitszusammenhang hervor, Nachweise bei Bruck-Möller § 49 Anm. 146. Hiervon ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang für das Vsrecht ohne Bedeutung: Der Ver leistet Entschädigung unter den im Vsvertrag genannten Voraussetzungen, rechtswidriges Verhalten des Vmers oder Vten ist insoweit ohne Bedeutung, ebenso Bruck-Möller § 49 Anm. 146 S. 154. Dagegen kann es sinnvoll sein, nach dem Schutzzweck des Vsvertrages zu fragen etwa in dem Sinne, ob der Vte Vsschutz verlangen kann bei Verwirklichung sozial inadäquater Risiken, die er selbst herbeigeführt hat, vgl. hierzu OLG Stuttgart 1. III. 1977 VersR 1977 S. 1026—1027 und oben Anm. F 52. Jedoch erübrigt sich ein Rückgriff auf die Schutzzwecklehre im Zusammenhang mit der haftungsausfüllenden Kausalität im Rahmen des Unfallbegriffs, weil der Schutzzweck des Unfallvsvertrages in § 8 AUB unmißverständlich und abschließend umschrieben wird: Gesundheitsschädigungen als (adäquate) Folge eines Unfallereignisses sind unter den in § 8 AUB genannten Voraussetzungen entschädigungspflichtig, nämlich wenn sie (innerhalb eines Jahres) zum Tode führen (§ 8 I. AUB), sich als Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit äußern (§ 8 II. AUB) oder die Voraussetzungen der Heilbedürftigkeit erfüllen. Anders ausgedrückt: Die genaue Beschreibung des Bedarfs im Unfallvsvertrag macht die Wagner

311

Anm. G 93

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Frage überflüssig, wieweit im einzelnen der mit diesem Vertrage bezweckte Schutz reicht. Eine der Schutzzwecklehre entsprechende Fragestellung ist dagegen bedeutsam für einige Ausschlußtatbestände, bei denen die sog. negative (haftungshindernde) Kausalität (oben Anm. G 84) wertender Einschränkung bedarf, vgl. unten Anm. G 139—140, 142-143, 150. Hier kann die Frage, welcher Unfall durch die in § 3 (1) und (2) AUB genannten Gefahrumstände vom Deckungsschutz ausgeschlossen wird, nicht allein mit Hilfe der Adäquanzformel beantwortet werden. Vielmehr sind aus denjenigen Unfällen, die als adäquate Folge der genannten Gefahrumstände erkannt werden, diejenigen als nicht unter den Ausschlußtatbestand fallend auszuscheiden, die nach dem w i r t s c h a f t l i c h e n Z w e c k des Ausschlußtatbestandes nicht vom Deckungsschutz ausgenommen sein sollen. [G 93] fff) Haftungsausfüllende Kausalität in der Rechtsprechung zum Unfallversicherungsredit In den in der Literatur als Beispiel gebildeten oder von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen wird die H a f t u n g des U n f a l l v e r s auch für entferntere Folgen eines Unfallereignisses ü b e r w i e g e n d b e j a h t : RG 16. XII. 1910 VA 1911 Anh. S. 20—22 Nr. 578 wertet Blitzschlag, der in der Nähe des Vten niedergegangen ist, als Ursache für dessen durch Unfall erlittenen Tod, obwohl der Blitz den Vten nicht unmittelbar betroffen hatte, dieser vielmehr danach noch eine Treppe hinaufgelaufen und erst danach — infolge Schreckens — (er war herzkrank) gestorben war. Auch hier wird mit Kausalitätserwägungen eine Subsumtion des Unfallbegriffs umgangen. RG 20. XII. 1929 JRPV 1930 S. 53 bejaht Adäquanz zwischen Sturz (Unfallereignis) und Tod: Der Sturz des Vten von einer Mauer hatte zur Neurasthenie geführt, die mit Veronal behandelt worden war. Der Vte starb an Veronalvergiftung. RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297-300 Nr. 2482 = JRPV 1932 S. 370-372 bejaht adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Tod eines Vten, der am 13. Dezember 1930 nach einem Sturz im Zustand der Ohnmacht an einer Gasvergiftung stirbt (Folge), und einem Sturz auf einer Treppe zehn Monate vorher (Unfallereignis), der eine Ohnmachtsneigung zur Folge gehabt hatte; vgl. hierzu die zustimmende Abhandlung von Elster JRPV 1933 S. 165-167; OLG Karlsruhe 3. II. 1932 VA 1932 S. 43 Nr. 2401 hält den Tod des Vten, dessen Darmgeschwür durch Heben eines Sackes aufbricht, für adäquate Folge eines Unfallereignisses, mindert indes die Entschädigungsleistung entsprechend dem (heutigen) § 10 (1) AUB. RG 21. VI. 1934 JRPV 1934 S. 218 verlangt eine erneute Überprüfung des adäquaten ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfall und Nervenleiden durch das Berufungsgericht und stellt hierfür maßgeblich darauf ab, ob der Unfall nur den äußeren Anlaß für die Entstehung des Nervenleidens gesetzt habe — dann fehle der adäquate ursächliche Zusammenhang — oder ob ein innerer Zusammenhang bestehe. Dafür sei es ohne Bedeutung, ob der Unfall eine äußere oder innere Verletzung des Verunglückten hervorgerufen habe oder sich wenigstens eine organische Veränderung als Unfallfolge nachweisen lasse. Vielmehr sei jener Zusammenhang schon dann gegeben, wenn die bei dem Verunglückten festzustellenden nervösen Erscheinungen, z. B. Kopfschmerzen, Angstgefühle, Pulsbeschleunigung, Versagen der Spannkraft, als eine Folge des psychischen Schocks anzusprechen seien, den der Verunglückte bei dem Unfall erlitten habe. Es genüge, daß der Nervenzustand des Klägers psychogen bedingt sei, sofern er nur in innerem Zusammenhang mit dem Unfall stehe. — Diese Grundsätze sind seit den Bedingungen von 1920 (vgl. hierzu die Erläuterungen in VA 1920 S. 99-100) in die AVB übernommen worden und finden sich heute in § 10 (5) AUB; zur Neufassung gegenüber den davor geltenden Bedingungen von 1959 vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 47. KG 21.1. 1933 312

Wagner

Anm. G 93

II. Die Merkmale des Unfallbegriffs

JRPV 1933 S. 157—158 sieht eine Blutvergiftung als adäquate Folge eines Schnitts in den Finger an, auch wenn der Schmutz erst später in die Wunde gelangt sei. RG 23. III. 1934 JRPV 1934 S. 119-120 geht davon aus, daß der Tod des Vten infolge eines Lippenfurunkels, wenn dieser durch einen Insektenstich herbeigeführt worden ist, adäquate Folge dieses Unfallereignisses (Insektenstich) sei - vgl. zu diesem Sachverhalt auch die vor und nach dieser Entscheidung durch das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht ergangenen Entscheidungen VA 1934 S. 22 Nr. 2677 und VA 1935 S. 2 7 3 - 2 7 4 Nr. 2839. KG 13.1.1937 JRPV 1937 S. 170-171 lehnt Armenrecht für Deckungsklage eines Vten ab, der behauptet, infolge Sturzes an Epilepsie zu leiden. Die Bedingungen enthielten eine Bestimmung, die dem heutigen § 10 (5) AUB entspricht, ferner mußten die Unfallfolgen binnen 3 Monaten eintreten. Hier war Epilepsie erst 4 Jahre nach Sturz aufgetreten. RG 29. VI. 1938 JRPV 1938 S. 2 4 6 247 gibt dem Berufungsgericht auf nachzuprüfen, ob Beschwerden des Vten nach einem Unfall wie Sprachstörungen, hysterische oder psychogene Anfälle, Schlafstörungen usw. Folgen der beim Unfall erlittenen Gehirnerschütterung seien und wieweit der Kläger in der Lage gewesen sei, seine Beschwerden und etwaigen Begehrensvorstellungen zu bekämpfen. Zum allgemeinen Haftungsrecht ergangen, aber u. U. auch für das Unfallvsrecht bedeutsam BGH 2. VII. 1957 VersR 1957 S. 5 3 5 536: Stirbt ein Unfallverletzter an einem Eingriff, der gelegentlich einer unfallbedingten Operation zur Beseitigung eines nicht unfallbedingten Leidens vorgenommen wird, so ist sein Tod keine adäquate Unfallfolge. OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR 1954 S. 317—318 sieht Bohrtätigkeit des Vten, der sich mit seinem Körpergewicht auf die elektrische Bohrmaschine gestützt und dadurch ständig Erschütterungen erlitten hatte, als Unfallereignis und den zwei Tage später durch Herzmuskelinfarkt eingetretenen Tod als dessen adäquate Folge an. OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 7 7 3 - 7 7 4 wertet Kinderlähmung als adäquate Folge einer Schlägerei und der dabei erlittenen Verletzungen. BGH 28. VI. 1972 VersR 1972 S. 9 2 7 - 9 2 8 befaßt sich mit einem Unfall, dessen Regulierung der Unfallver mit der Begründung verweigert hatte, die Auswirkungen des Unfalles auf den Vten erschöpften sich in sog. Neuroseschäden. Der BGH findet die Lösung in § 10 (5) AUB und damit in der Frage, ob der Vte hirnorganische Verletzungen davongetragen habe. An der Verwendung des Gutachtens eines vom Berufungsgericht hinzugezogenen Sachverständigen, das diese Frage verneint — womit die Klage abweisungsreif wäre — sieht sich der B G H aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert. V e r n e i n t wurde die haftungsausfüllende a d ä q u a t e K a u s a l i t ä t vom KG 27. X. 1911 VA 1912 Anh. S. 30—31 für das (angebliche) Wiederausbrechen einer syphilitischen Krankheit nach einem Unfall mit der Erwägung, daß diese Erkrankung des Vten eine nur mittelbare Schadensfolge sei, weil ohne das Vorhandensein der Krankheitskeime der Unfall nicht zur Erwerbsunfähigkeit habe führen können. KG 11. IV. 1931 JRPV 1931 S. 2 4 0 - 2 4 1 weist Deckungsklage eines durch Unfall verletzten Polizeibeamten ab (Differenz zwischen Pension und normalem Diensteinkommen) mit der Begründung, daß die Dienstfähigkeit des Klägers nach dem Sachverständigengutachten nicht beeinträchtigt sei, seine Beschwerden vielmehr auf unfallunabhängiger traumatischer Neurose beruhten. Im gleichen Sinne, aber für das allgemein Haftungsrecht, OLG Düsseldorf 13. IV. 1931 JRPV 1931 S. 242-243: Dafür, daß sich nach Beseitigung der Unfallfolgen beim Verletzten infolge seiner nervösen Veranlagung oder aus sonstigen Gründen der Gedanke einer dauernden Schädigung gebildet hat, brauche der Schädiger nicht aufzukommen. KG 2. X. 1935 JRPV 1936 S. 11 weist Beschwerde gegen den das Armenrecht für eine Deckungsklage verweigernden Beschluß zurück: Die Neurose, die auf dem Boden einer abnormen Reaktionsweise des Menschen erwachse, beruhe nicht auf einen Unfall, sondern sei angeboren. Wagner

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Anm. G 94

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 94] ggg) Hypothetische Kausalität Die Frage, ob Deckungsschutz zu gewähren ist, wenn die durch das Unfallereignis adäquat verursachte Folge unabhängig hiervon durch ein (hypothetisch gebliebenes) Ereignis eingetreten wäre — sog. überholende Kausalität —, ist von der Rechtsprechung zum Unfallvsrecht, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden worden. RG 28. II. 1908 RGZ Bd 68 S. 67-69 und RG 31. III. 1911 VA 1911 Anh. S. 105-107 Nr. 626 behandeln Fälle, bei denen nach den Bedingungen der Ver nur zur Entschädigung verpflichtet war, wenn der Unfall „allein und unmittelbar" Tod oder Gesundheitsschädigungen zur Folge hat. Das wird in beiden Fällen verneint. Für diese Frage, die in jetzt verwendeten AVB nicht mehr in diesem Sinne behandelt wird, findet sich die Lösung nunmehr in § 10 (5) AUB. Außerhalb der dort geregelten Fälle „konkurrierender Kausalität" gilt der in § 844 HGB formulierte Satz, daß eine Reserveursache gegenüber der Eingriffsursache unbeachtlich sei (vgl. Bruck-Möller § 49 Anm. 155 m.N.) als allgemeiner Grundsatz des Vsrechts. IQ. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse Gliederung: Schrifttum Anm. G 95 1. Allgemeines Anm. G 9 6 - 9 7 a) Zweck Anm. G 96 b) Historisches Anm. G 97 2. Kraftanstrengungen Anm. G 9 8 - 1 1 6 a) Vorbemerkung G 98 b) § 2 (2) a AUB in der bis 1972 geltenden Fassung Anm. G 9 9 - 1 0 7 aa) Fassung in der Zeit von 1961-1972 Anm. G 99 bb) Deutung als Einschluß Anm. G 100 cc) Das Merkmal der Kraftanstrengung Anm. G 101 dd) Das Erfordernis plötzlicher Kraftanstrengung Anm. G 102-103 aaa) Überblick Anm. G 102 bbb) Rechtsprechung zur plötzlichen Kraftanstrengung Anm. G 103 ee) Die deckungsfähigen Folgen der Kraftanstrengung Anm. G 104-107 aaa) Auslegung nach Lebenssprachgebrauch Anm. G 104 bbb) Verrenkung Anm. G 105

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ccc) Zerrung Anm. G 106 ddd) Zerreißung Anm. G 107 c) Die Bedeutung der Neufassung des § 2 (2) a AUB Anm. G 108-116 aa) Änderung des Wortlauts Anm. G 108 bb) Erweiterung und Einschränkung des Tatbestandes Anm. G 109 cc) Begriff der Gliedmaßen Anm. G 110 dd) Verrenkung oder Zerrung von Gliedmaßen Anm. G 111-113 aaa) Vorbemerkung Anm. G 111 bbb) Verrenkung Anm. G 112 ccc) Zerrung Anm. G 113 ee) Bedeutung der Zerreißung an Gliedmaßen Anm. G 114 ff) Auslegungsprobeme durch Neufassung Anm. G 115 gg) Bandscheibenvorfall und Hexenschuß Anm. G 116 3. Wundinfektionen, bei denen der Anstekkungsstoff durch eine Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1 in den Körper gelangt ist (§ 2 (2) b AUB) Anm. G 117-128

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse a) Geschichte Anm. G 117

wendung Anm. G 123 ccc) Art des Eindringens des Ansteckungsstoffes Anm. G 124

b) § 2 (2) b AUB als Klarstellung oder Einschluß? Anm. G 118

d) Verhältnis des § 2 (2) b AUB zu AusschluBtatbeständen Anm. G 1 2 5 - 1 2 7 aa) Allgemeines Anm. G 125 bb) Spezialität des Ausschlußtatbestandes? Anm. G 126 cc) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 2 AUB für den Einschluß von Wundinfektionen Anm. G 127

c) Die Merkmale des EinschluBtatbestandes Anm. G 119-124 aa) Begriff der Wundinfektion Anm. G 119 bb) Wundinfektion und Blutvergiftung Anm. G 120 cc) Uberblick über die Rechtsprechung Anm. G 121 dd) Eindringen des Ansteckungsstoffes Anm. G 122-124 aaa) Bedeutung der „Unfallverletzung" Anm. G 122 bbb) Entwicklung der Begriffsver-

Anm. G 97

e) Anhang: Infektionsklausel Anm. G 128 4. Beweislast für Einschlüsse Anm. G 129

[G 95] Schrifttum mit eigenständiger Bedeutung für die Problematik der Einschlüsse im Unfallvsrecht gibt es nicht. Das oben Anm. G 1 nachgewiesene Schrifttum ist auch hierfür bedeutsam. [G 96] 1. Allgemeines a) Zweck Der Unfallbegriff (§ 2 (1) AUB) beschreibt als primäre Risikobegrenzung (Anm. G 15) die Voraussetzungen einer Entschädigungsleistung des Unfall vers. Daneben werden in der allgemeinen Unfallv traditionsgemäß Vorgänge wie Unfälle gewertet, die nicht die Voraussetzungen eines Unfalles erfüllen, in der Anschauung und Erwartung des Vmers aber einem Unfall ähnlich sind, vgl. hierzu Anm. G 16. So werden bestimmte Folgen „innerer Kraftleistungen" schon nach § 1 Abs. 1 der Verbands-Bedingungen von 1904 Unfällen gleichgestellt (nachfolgend Anm. G 97), während sich die unfallvsrechtliche Behandlung von Wundinfektionen (Anm. G 118) erst später zum sog. Einschluß entwickelt hat. Einschlüsse sind nach heute vorherrschender Auslegung in § 2 (2) AUB enthalten. Zur Begriffsverwendung vgl. auch Henke Ausschlüsse S. 26 unten und S. 37 oben. [G 97] b) Historisches Im Zusammenhang mit Begriff und Wirkung von Klarstellungen (Anm. G 19) ist dargestellt worden, daß sich der Einschluß der Wundinfektion (§ 2 (2)b AUB) historisch aus einer als Klarstellung formulierten Bestimmung entwickelt hat, Einzelheiten unten Anm. G 117. Ähnliches gilt für den Einschluß der Folgen plötzlicher Kraftanstrengungen. Diese haben schon in den AVB des vorigen Jahrhunderts eine Rolle gespielt, vgl. die Nachweise bei Ehrenzweig VersR 1952 S. 251 Fußn. 1. Dort hatten sie die Funktion, den Bereich deckungspflichtiger Unfälle abzugrenzen. Da es an einer präzisen primären Risokobegrenzung im Sinne des heutigen Unfallbegriffs fehlte, dienten sie unmittelbar der Gefahrbeschreibung. Jedoch ist es ungenau, sie bereits in dieser Funktion als Ein- oder Ausschlüsse — je nach dem Inhalt der Wagner

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Anm. G 97

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Regelung — im Sinne heutiger Begriffsverwendung zu bezeichnen, so aber Ehrenzweig VersR 1952 S. 251. Denn Ein- oder Ausschlüsse setzen begrifflich eine primäre Risikobeschreibung voraus, auf die sie sich beziehen: Einschlüsse, indem sie weitere Vorgänge in den Deckungsschutz einbeziehen, Ausschlüsse, indem sie Vorgänge, die den Unfallbegriff erfüllen, vom Deckungsschutz ausnehmen. Auch die Verbands-Bedingungen von 1904 lassen es insoweit noch an einer klaren Systematik fehlen. In § 1 Abs. 1 S. 1 ist zwar eine Definition des Unfalles enthalten. Diese bleibt aber in kasuistischer Beschreibung stecken, indem sie (noch) im ersten Satz ausdrücklich Blitz, elektrischen Schlag und Verbrennung einbezieht. Der nachfolgende Satz, der auch die Folgen eigener Kraftleistungen als deckungspflichtig bezeichnet, wird mit der Formulierung eingeleitet: Es sollen aber auch als Unfälle erachtet werden. Da dieser Satz der Unfalldefinition nachfolgt, kann hier der historische Beginn der Einordnung der Kraftanstrengung als Einschluß gefunden werden. In der Darstellung übersichtlicher und für die Darstellungsmethode richtungweisend zählen die Bedingungen von 1910 (VA 1910 S. 182) in § 3 Abs. 2 S. 1 zunächst den Unfallbegriff, in Satz 2 zwei - nicht so bezeichnete - Einschlüsse, nämlich Blitz und elektrischer Schlag, die beide nicht mechanisch wirken und in § 4 I. unter der Überschrift „Eingeschlossen in die Versicherung sind" einen Katalog von vier Vorgängen auf, in dem an zweiter Stelle „Verrenkungen, sowie Zerrungen und Zerreißungen von Muskeln infolge eigener plötzlicher Kraftanstrengung" genannt sind. Blutvergiftungen sind im Zusammenhang mit anderen positiven Klarstellungen in § 3 Abs. 3 erwähnt. Diese Bedingungen von 1920 und die ihnen zeitlich nachfolgenden AVB enthalten keine als solche bezeichneten Einschlüsse mehr: Dort wird in § 2 unter der Überschrift: „Unfallbegriff. Grenzfälle" in Absatz 1 der Unfallbegriff definiert, der sich bis heute im Wortlaut nicht verändert hat. Daran anschließend heißt es unter II. 1. „Als Unfälle gelten auch: a) durch plötzliche Kraftanstrengung hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen b) Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangt ist." Diese beiden positiven Grenzfälle enthalten Erweiterungen des Vsschutzes gegenüber den Bedingungen von 1910: Die gedeckten Folgen der Kraftanstrengungen beschränken sich nicht mehr vorwiegend auf Muskeln, die Blutvergiftung ist durch den weiteren Begriff der Wundinfektion (vgl. Henke, Ausschlüsse S. 38) ersetzt, und der Ansteckungsstoff braucht nicht gleichzeitig mit dem Unfall in den Körper gelangt zu sein (vgl. die Bemerkungen des Reichsaufsichtsamtes in VA 1910 S. 93). Weggefallen ist der Einschluß von Folgen von Verteidigungs- und Rettungshandlungen und des „Erstickens durch ausströmende Dämpfe oder Gase" ( § 4 1 1 und 3 der AVB von 1910). Die Rechtsprechung hat — soweit ersichtlich - keinen Fall zu entscheiden gehabt, in dem eine Rettungs- oder Verteidigungshandlung eine Rolle gespielt hat. Den Fortfall des Erstickens hat sie alsbald dadurch korrigiert, daß sie das Einatmen von schädlichen Dämpfen und Gasen als Unfall im Sinne der seit 1920 gleichlautenden 316

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 100

Definition gewertet hat (vgl. Anm. G 31). Eine Reihe von weiteren Bestimmungen zur Gefahrbeschreibung wurde durch den Fortfall des Erfordernisses einer mechanischen Einwirkung überflüssig, wie z.B. der Einschluß von Blitz, elektrischem Schlag, Verbrennungen und Verätzungen aufgrund plötzlichen Ereignisses. Hatte somit die Erweiterung des Unfallbegriffs eine Reihe von Einschlüssen überflüssig gemacht, so kommen seit 1920 nur noch die sog. positiven Grenzfälle als Einschlüsse in Betracht. Von ihnen hat die h. M. die Bestimmungen über die Folgen von (plötzlichen) Kraftanstrengungen seit 1904 als Einschluß gewertet, während hinsichtlich der Wundinfektionen erst die Entscheidung des RG 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 310 (313) die Voraussetzungen dafür schuf, daß die Verfasser der AUB von 1961 auch diese Bestimmung als Einschluß gedeutet wissen wollten. [ G 9 8 ] 2. Kraftanstrengungen a) Vorbemerkung Die nachfolgende Darstellung wird vor der Kommentierung der neuen Fassung zunächst die von 1961 bis 1972 geltende Fassung dieser Bestimmung zum Gegenstand haben weil die für die AUB vollzogene Änderung noch nicht für alle Zusatz- und Sonderbedingungen gilt, und weil auch in der Allgemeinen Unfallv die Regulierung von Unfällen aus der Zeit vor der Änderung noch nicht abgeschlossen sein dürfte. [G 99] b) § 2 (2) a AUB in der bis 1972 geltenden Fassung aa) Fassung in der Zeit von 1961-1972 In der Zeit von 1961 bis 1972 lautete die hier erörterte Bestimmung: „Unter den Versicherungsschutz fallen auch: a) durch plötzliche Kraftanstrengungen des Versicherten hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen." Die unter a) genannten Voraussetzungen für den Vsschutz sind im Wortlaut seit 1920 nur insoweit geändert worden, als die AUB hinter dem Wort „Kraftanstrengungen" zur Klarstellung die Worte „des Versicherten" eingefügt haben. Eine sachliche Änderung war damit nicht angestrebt worden, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 9. Für die Auslegung bedeutsamer könnte die Änderung sein, die der Einleitungssatz der positiven „Grenzfälle" erfahren hat. Während sie von 1920-1961 mit dem Satz eingeleitet wurden „Als Unfälle gelten auch" nahmen die Verfasser der AUB von 1961 den Grenzfällen in der Darstellung bewußt den Bezug zum Unfallbegriff, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß es in den Fällen des § 2 (2) und (3) nicht darauf ankommt, ob auch oder teilweise Merkmale des Unfallbegriffs erfüllt sind oder nicht (vgl. Grewing a.a.O. S. 9). Damit sind seit 1961 Auslegungsüberlegungen gegenstandslos geworden, die an den Einleitungssatz der positiven Grenzfälle anknüpften, vgl. Wüstney § 2 Anm. 6 und Neeße VersR 1959 S. 773. [G 100] bb) Deutung als Einschluß Die h.M. vertritt die Auffassung, daß in § 2 (2)a A U B (a. F.) ein Tatbestand beschrieben ist, der, weil es an der Einwirkung von außen fehlt, nicht unter den Unfallbegriff fällt, den Vsschutz also erweitert und deshalb als E i n s c h l u ß zu b e z e i c h n e n ist, vgl. Wussow AUB 3 § 2 Anm. 16, Neeße VersR 1959 S. 773-778 (unter V S. 777), Ehrenzweig VersR 1952 S. 251-252, im Ergebnis ebenso, aber nicht Wagner

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Amn. G 102

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

ganz deutlich Henke Ausschlüsse S. 37 und Wüstney § 2 Anm. 6 und 7. Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes sind zu dieser Bestimmung, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Die Urteile RG 11. V. 1909 VA 1909 Anh. S. 88 Nr. 477, RG 28. II. 1913 VA 1913 Anh. S. 5 7 - 5 8 Nr. 738 und 24. III. 1914 VA 1914 Anh. S. 88 Nr. 838 erörtern nur die Frage des Deckungsschutzes nach dem primären Unfallbegriff. Soweit die unten zitierten Entscheidungen auf die Frage eingehen, ob § 2 (2) a AUB a. F. oder die vorangegangenen gleichlautenden Bestimmungen eine Erweiterung des Vsschutzes gegenüber dem Unfallbegriff zum Inhalt haben, wird diese Frage, soweit ersichtlich, ausnahmslos bejaht. [G 101] cc) Das Merkmal der Kraftanstrengung Das Merkmal der Kraftanstrengung bestimmt sich nach dem Lebenssprachgebrauch. Es bezeichnet hiernach eine Tätigkeit des Vten, die einen erhöhten Einsatz von Muskelkraft voraussetzt. In der Rechtsprechung herrschen Vorgänge wie Heben und Tragen von schweren Lasten, das Sichstemmen gegen Gegenstände, aber auch der „Spurt" eines Fußballers oder anderen Sportlers, ein Tanz mit schneller Schrittfolge etc. vor. Der Begriff der Kraftanstrengung ist insoweit wenig glücklich formuliert, als das Erfordernis der „Anstrengung" auf die individuellen Kraftverhältnisse des einzelnen Vten und damit auf eine nach subjektiven Elementen zu treffende Unterscheidung hindeutet : Das Heben einer Kiste kann für einen älteren Menschen eine lebensbedrohende Anstrengung sein, während sich ein arbeitsgewohnter junger Mensch gegen den Ausdruck „Anstrengung" verwahren würde. Eine solche subjektive Färbung des Begriffes würde die Rechtsanwendung indes vor kaum zu lösende Differenzierungsprobleme stellen, so daß mit Neeße VersR 1959 S. 776-777 von einem o b j e k t i v e n B e g r i f f d e r A n s t r e n g u n g auszugehen ist, der nur solche Bewegungen umfaßt, die bei genereller Wertung einen als erhöht bezeichneten Krafteinsatz erfordern. [G 102] dd) Das Erfordernis plötzlicher Kraftanstrengung aaa) Uberblick Die Kraftanstrengung muß p l ö t z l i c h geschehen. Dieses Erfordernis hat in der Rechtspraxis am häufigsten zu Rechtsstreitigkeiten geführt. Es würde dem Erfordernis sprachlicher Klarheit von AVB widersprechen, wenn die Verfasser der Bedingungen für die Unfallv seit 1920 den Begriff der Plötzlichkeit zweimal in derselben Bestimmung (§ 2 (1) und (2) AUB) verwendeten, ihm jedoch in beiden Absätzen eine jeweils verschiedene Bedeutung beimessen wollten, so zutr. ζ. B. OLG Frankfurt/M. 18. I. 1960 VersR 1961 S. 745 und OLG Düsseldorf 4. II. 1969 VersR 1973 S. 49. In vielen Entscheidungen wird zum Begriff der Plötzlichkeit die Entscheidung RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189-191 zitiert. Auch dieses Zitat ist nur auf Grund der Auffassung zulässig und sinnvoll, daß der Begriff der Plötzlichkeit für beide Absätze des § 2 AUB gleichbedeutend sei, weil der von RG entschiedene „Röntgenfall" den allgemeinen Unfallbegriff betrifft. Da andererseits jede Kraftanstrengung auf dem eigenen Entschluß und Willen des Vten selbst beruht, müßte man eine plötzliche Kraftanstrengung für einen Widerspruch in sich halten, wenn man — abgesehen von bloßen Reflexbewegungen, die hier nicht gemeint sind — darunter nur überraschende, unerwartete Bewegungen verstehen dürfte. Deshalb wird man mit Neeße VersR 1959 S. 777 den Begriff der Plötzlichkeit in § 2 (2) a AUB a.F. als gegenüber dem innerhalb des Unfallbegriffs gleichlautend verwendeten Begriff zwar im Kern gleichbedeutend, in der Rechtsanwendung indessen angesichts der besonderen Voraussetzungen des Einschlusses, die unabhängig vom Unfallbegriff zu subsumieren sind (Neeße a.a.O. S. 777, Grewing Entstehungsgeschichte S. 9), als 318

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 103

gewissen Modifizierungen unterworfen betrachten müssen. Diese sind von Neeße a. a. O. dahingehend umschrieben worden, daß das Erfordernis der zeitlichen Begrenzung für § 2 (2) a AUB a. F. wörtlicher zu nehmen ist als im Unfallbegriff. Außerdem liegt das Moment des Unerwarteten, Überraschenden, wie in den unten Anm. G 103 aufgeführten Entscheidungen zum Ausdruck gebracht wird, dann nicht vor, wenn die Kraftanstrengung als solche gewollt ist und sich im Rahmen des geplanten Verlaufes hält; dagegen sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn es sich um „. . . Reaktionen, insbesondere Abwehrbewegungen handelt, die aus den Umständen und den Entschlüssen des Augenblicks geboren sind", so OLG Hamburg 22. VI. 1954 VersR 1954 S. 411 r. Sp., oder „wenn die planmäßig angesetzte Kraftanstrengung überraschend in ihrer Intensität verändert oder in eine andere Zielrichtung gelenkt wird", so LG Frankfurt/M. 8. V. 1958 VersR 1958 S. 619. Demgemäß ist zusammenfassend eine Kraftanstrengung dann als „plötzlich" zu werten, wenn die - von erhöhter Kraftleistung bewirkte-Bewegung des Vten durch einen nicht erwarteten und deshalb überraschenden Vorgang der Außenwelt (d. h. als Reaktion) herausgefordert oder in eine andere Richtung gelenkt worden ist. - Dieser Auslegung hat sich die Rechtsprechung in jüngerer Zeit in deutlicherem Maße als bisher angeschlossen. [G 103] bbb) Rechtsprechung zur plötzlichen Kraftanstrengung In der Rechtsprechung ist eine p l ö t z l i c h e K r a f t a n s t r e n g u n g b e j a h t worden von: OLG Karlsruhe 3. III. 1932 VA 1932 S. 43 - 4 4 Nr. 2401 für das Heben eines Zentnersackes (Urteilsgründe nicht nachvollziehbar); OLG Köln 19.1. 1938 VA 1938 S. 244—245 Nr. 3035 für das Tragen eines Sackes, das Gericht bezieht die Plötzlichkeit auf die Folge der Anstrengimg; mit gleicher - unrichtiger - Begründung AG Hamburg 18. IV. 1951 und als Berufungsgericht LG Hamburg 29. XI. 1951 VersR 1952 S. 80—81 für Entladen von Schrott, in dessen Folge der Vte, ein Arbeiter, an einer Gehirnschwellung gestorben war; OLG Düsseldorf 12. XI. 1953 VersR 1954 S. 555 mit Anm. Dem VersR 1955 S. 35-36 sieht das Tragen von schweren Holzbohlen durch einen Tischlermeister als plötzliche Kraftanstrengung an; OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR 1954 S. 317-318 läßt es dahingestellt, ob das Bohren von Löchern in Bremsbeläge eine plötzliche Kraftanstrengung sei; ebenso glaubt OLG Bremen 16. XII. 1958 VersR 1959 S. 842-844 nicht entscheiden zu brauchen, ob eine Kraftanstrengung des Vten (Anheben einer Last) plötzlich gewesen sei, weil der Ver sich hierauf zur Verneinung von Deckungsschutz im Prozeßverlauf nicht berufen habe ; LG München I 21 III. 1972 VersR 1973 S. 1060 schließlich läßt es dahingestellt, ob ruckartiges Anheben eines Pkw plötzliche Kraftanstrengung sei. Dagegen wird das V o r l i e g e n e i n e r p l ö t z l i c h e n K r a f t a n s t r e n g u n g auf Grund der Erwägung v e r n e i n t , daß eine gewollte und planmäßig durchgeführte Tätigkeit keine plötzliche Kraftanstrengung zum Inhalt haben könne, von OLG Düsseldorf 8. VII. 1936 JRPV 1936 S. 175; OLG Düsseldorf 23. VII. 1936 JRPV S. 3 1 - 3 2 (Tod nach 3000m Lauf für Sportabzeichen); LG Münster 2. IV. 1952 VersR 1952 S. 341, das allerdings nicht unmittelbar über den hier erörterten Einschluß befindet, sondern primär ausspricht, daß gewollte planmäßige Tätigkeit (Tragen einer schweren Kette) als normale Berufstätigkeit niemals als Unfall angesehen werden könne (vgl. Leitsatz 3.); OLG Stuttgart 18. VII. 1953 VersR 1954 S. 395-396 mit Anm. Grünwald (Anschieben eines Pkw); LG Krefeld 10. II. 1954 VersR 1954 S. 217-218 (Tragen von Holzbohlen); OLG Hamburg 22. VI. 1954 VersR 1954 S. 411—412 (Tod des Vten infolge Anstrengung beim Verladen von Schweinen); LG Dortmund 31. III. 1955 VersR 1955 S. 83 (Aufrichten einer Kiste); LG NürnbergFürth 8. V. 1956 VersR 1956 S. 144 (Vter ist Schlächtermeister, er verletzt sich beim Tragen eines halben Rindes); LG Frankfurt/M. 8. V. 1958 VersR 1958 S. 619-620 Wagner

319

Aitm. G 106

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

(Anheben und Aufstapeln von Klappläden); OLG Frankfurt/M. 18. I. 1960 VersR 1961 S. 7 4 5 - 7 4 6 (Tanzen eines Csardas); LG Berlin 21. IV. 1959 VersR 1959 S. 1037-1038 (Aufstehen eines Fluggastes im Flugzeug); LG Koblenz 8. II. 1961 VersR 1964 S. 962 (Anheben eines eingekeilten Pkw); OLG München 20. XI. 1964 VersR 1965 S. 126—128 hält Vortrag des Klägers, er habe nachfassen müssen, um eine von ihm getragene schwere Kiste, die zu verrutschen drohte, festzuhalten, nicht für erwiesen, würde andernfalls aber plötzliche Kraftanstrengung bejaht haben; LG Bonn 8. I. 1965 VersR 1965 S. 893 (Spurt eines Fußballspielers); LG Limburg 20.1. 1965 VersR 1965 S. 506 (gymnastische Übungen); OLG Düsseldorf 4. II. 1969 VersR 1969 S. 49 (Aufheben einer 40kg schweren Kiste); OLG Schleswig 24. III. 1971 VersR 1973 S. 50 (Endspurt beim Kurzstreckenlauf). [G 104] ee) Die deckungsfähigen Folgen der Kraftanstrengung aaa) Auslegung nach Lebenssprachgebrauch Die in § 2 (2) a AUB genannten Folgen von Kraftanstrengungen des Vten sind grundsätzlich nicht als medizinische Fachausdrücke zu verstehen. Ihre Bedeutung ist nach dem allgemeinen Lebenssprachgebrauch zu ermitteln, BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 — ständige Rechtsprechung. Dieses für den ganzen medizinischen Sektor der privaten Unfallv geltende Auslegungsprinzip hat für die Rechtsanwendung im Zusammenhang mit der Deutung des § 2 (2) a AUB zu weiterer — neben dem Begriff der Plötzlichkeit — erheblicher Unsicherheit geführt. Während zum Begriff der Verrenkung — soweit ersichtlich — keine einzige Entscheidung veröffentlicht worden ist, konzentriert sich die Rechtsprechung auf die Frage nach der Zerrung und der Zerreißung, wobei sich die Gerichte bis zur Änderung der Bestimmung des § 2 (2) a AUB im Jahre 1972 wiederholt vor die Frage gestellt sahen, ob der Herzinfarkt als „Zerreißung" gedeutet werden könne. [G 105] bbb) Verrenkung Unter einer V e r r e n k u n g versteht man die Entfernung der Gelenkflächen voneinander, verglichen mit ihrer normalen Lage zueinander (Bühring-Mertens Bd I S. 63, Wüstney § 2 Anm. 8). Mit dieser Definition ist indessen, entgegen der obengenannten Auslegungsregel, auf einen Fachausdruck der Anatomie zurückgegriffen worden. Das ist hier zulässig und notwendig, da der allgemeine Lebenssprachgebrauch den Begriff nicht zu erfassen vermag. [G 106] ccc) Zerrung Demgegenüber ergibt der Begriff der Z e r r u n g ein Vorstellungsbild im Rahmen des Lebenssprachgebrauchs. Er bezeichnet die Beanspruchung von Muskeln, Sehnen und Bändern durch eine Überdehnung, die kein Zerreißen im Sinne gewaltsamer Trennung in mindestens zwei Teile, wohl aber eine Schädigung in dem Sinne bewirkt, daß ein Einriß oder einen Abriß einzelner Muskel- oder Sehnenbündel pp. bewirkt wird (vgl. Bühring-Mertens I S. 63 für Bedingungen, die sich nur auf Zerrungen und Zerreißungen von Muskeln beziehen). OLG Köln 19. I. 1938 VA 1938 S. 244 Nr. 3035 erwägt u. a. Zerrung eines Muskels durch Tragen eines Sackes, wodurch eine Embolie entstanden war. Diese Ausführungen sind weder medizinisch noch juristisch nachvollziehbar. AG Hamburg 18. IV. 1951 und LG Hamburg 29. XI. 1951 als Berufungsgericht VersR 1952 S. 80—81 stellen Hirnschwellung einer Zerrung im hier erörterten Sinne gleich. Eine solche Analogie zu enumerativ aufgezählten Erweiterungen ist methodisch unrichtig, wie Dörstling VersR 1952 S. 105-107, Ehrenzweig 320

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 107

VersR 1952 S. 250-251 und AG Frankfurt/M. 3. VI. 1954 VersR 1954 S. 529 ausführen. Eine Zerrung in diesem Sinne kann auch nicht in einem Herzinfarkt gesehen werden, LG Münster 2. IV. 1952 VersR 1952 S. 341. OLG Stuttgart 18. VII. 1953 VersR 195 S. 395-396 verneint die Frage, ob ein Herzinfarkt eine Verrenkung, Zerrung oder Zerreißung sei, mit dem Hinweis darauf, daß es sich hierbei um eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels handele. In gleichem Sinne entscheiden AG Frankfurt/M. 3. VI. 1954 VersR 1954 S. 529, OLG München 20. XI. 1964 VersR 1965 S. 126-128 mit der Maßgabe, daß ein Herzinfarkt keine Zerreißung sei, der Kläger jedenfalls hier nicht bewiesen habe, daß der Infarkt auf eine Ruptur (Zerreißung) der Kapillaren beruhe, was nach medizinischer Auffassung möglich sei. Ob das richtig ist, muß nach den grundlegenden Ausführungen von Weber, Herzinfarkt und Unfallversicherung, NJW 1965 S. 1997-1999 bezweifelt werden: Herzinfarkt sei der Verschluß einer Herzkranzarterie, der ein Absterben der Herzmuskelpartie bewirke, die von dem verschlossenen Gefäß versorgt worden war. Eine Zerrung oder Zerreißung im Sinne des § 2 (2) a AUB liege darin nicht. OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR 1954 S. 317 läßt es dahingestellt, ob ein Herzinfarkt infolge Überanstrengung als Zerrung oder Zerreißung anzusehen sei, jedenfalls lägen hier die Voraussetzungen des § 2 ( 1 ) AUB vor. [G 107] ddd) ZerreiBung Der Begriff der Z e r r e i ß u n g im Sinne des § 2 (2)a AUB a.F. ist nach dem maßgeblichen Lebenssprachgebrauch im Gegensatz zum Bruch nicht auf die Trennung knöcherner Körperteile anzuwenden, LG München I 21. III. 1972 VersR 1973 S. 1060. OLG Karlsruhe 3. II. 1932 VA 1932 S. 43 - 4 4 Nr. 2401 bejaht Zerreißung für einen Darmdurchbruch im Bereich eines Darmgeschwürs; OLG Köln 19.1. 1938 VA 1938 S. 244—245 Nr. 3055 hält alternativ Verletzung eines Blutgefäßes oder Zerrung oder Zerreißung eines Muskels mit der Folge einer — als Todesursache festgestellten — Lungenembolie für ein den Deckungsschutz auslösendes Geschehen. Das ist nicht vertretbar, weil die Voraussetzungen des Einschlußtatbestandes festgestellt werden müssen, der Sachverständige hatte nur „hohe Wahrscheinlichkeit" für eine Quetschung im Leib der Vten als Folge des Tragens einer schweren Last festgestellt. OLG Düsseldorf 12. XI. 1953 VersR 1954 S. 555 hält Platzen eines Blutgefäßes im Gehirn, das auf längerer Anstrengung beruht, für eine Zerreißung im Sinne des § 2 (2) a AUB a.F. Gegen diesen Teil der Entscheidung gibt Dem in seiner Anmerkung VersR 1955 S. 35—36 (36) zu bedenken, daß die Entschädigungspflicht abgesehen vom Fehlen einer plötzlichen Kraftanstrengung — schon deshalb entfalle (jetzt: § 10 (1) AUB), weil ein gesundes Blutgefäß infolge einer plötzlichen Kraftanstrengung nicht platzen könne. Nach LG Frankfurt/M. 8. V. 1958 VersR 1958 S. 619 ist eine Luxation des Schulterschlüsselbeingelenks je nach ihrem Grad als Zerrung oder Zerreißung anzusehen, das Gericht verneint jedoch eine plötzlche Kraftanstrengung. OLG Bremen 16. XII. VersR 1959 S. 842-844 sieht Riß eines degenerierten Meniskus beim Heben schwerer Gegenstände als Zerreißung an. OLG München 20. XI. 1964 VersR 1965 S. 126-128 wählt als Leitsatz: „Herzinfarkt ist keine Zerreißung . . ." Dieser Satz hat im Rahmen der Entscheidungsgründe nur die Bedeutung eines obiter dictum. LG Limburg 20.1. 1965 VersR 1965 S. 506 sieht eine Achillessehnenzerreißung zwar als Zerreißung im Sinne des § 2 (2) a AUB an, verneint aber plötzliche Kraftanstrengung als Ursache. OLG Düssledorf 4. II. 1969 VersR 1973 S. 49 sieht Zerreißung der Netzhaut als Folge des Hebens schwerer Kisten zwar als Zerreißung an, verneint aber ebenfalls eine plötzliche Kraftanstrengung. Entsprechend 21

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

321

Amn. G110

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

verneint OLG Schleswig 24. III. 1971 VersR 1973 S. 50 Deckungsschutz für das Reißen einer Achillessehne, weil diese Zerreißung Folge eines „Endspurts" bei einem Kurzstreckenlauf, mithin nicht einer plötzlichen Kraftanstrengung, gewesen sei. LG München I 21. III. 1972 VersR 1973 S. 1060 verneint die Voraussetzungen des § 2 (2) a AUB a. F. für das Anheben eines Wagens durch den Vten, das zum Bruch des 4. Lendenwirbelkörpers mit Deckplatteneinbruch und Vorderkantenabriß führte. Das Gericht läßt es dahingestellt, ob eine plötzliche Kraftanstrengung vorlag, jedenfalls sei die Trennung von Knochenteilen nicht als Zerreißung zu bezeichnen, da der Sprachgebrauch für die Durchtrennung knöcherner Substanz den Ausdruck „Bruch" verwende. [G 108] c) Die Bedeutung der Neufassung des § 2 (2) a AUB aa) Änderung des Wortlauts Die Einschlußbestimmung des § 2 (2) a AUB ist im Jahre 1972 (VA 1972 S. 251) dahingehend geändert worden, daß die Kraftanstrengung nicht mehr plötzlich zu sein braucht und nur noch Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gliedmaßen und Wirbelsäule unter den Einschlußtatbestand fallen. Diese Änderung der Bestimmung bewirkt eine erhebliche Einschränkung des Vsschutzes. [G 109] bb) Erweiterung und Einschränkung des Tatbestandes Daß die Kraftanstrengung nicht mehr plötzlich zu geschehen braucht, deutet zunächst auf eine Erweiterung des Vsschutzes. Denn als p l ö t z l i c h e E i g e n b e w e g u n g e n konnten nur solche Kraftanstrengungen bezeichnet werden, bei denen Art oder Ausmaß der Anstrengung infolge nicht vorhergesehener Umstände, d. h. für den Handelnden unerwartet, unternommen oder verändert werden mußten (vgl. oben Anm. G 102). Damit waren alle schädlichen Folgen planmäßiger Anstrengung, die auch im weiteren Ablauf planmäßig verlaufen, vom Deckungsschutz ausgenommen. Dieser Rechtszustand ist jetzt zugunsten des Vten geändert. Diese Erweiterung des Einschlußtatbestandes wird sich aber in der Praxis kaum auswirken, weil sie verbunden ist mit einer enumerativen Aufzählung derjenigen Körperteile, die von der Kraftanstrengung betroffen sein müssen. Da sich diese Aufzählung auf G l i e d m a ß e n und W i r b e l s ä u l e beschränkt, wird bereits hierdurch eine erhebliche Einschränkung bewirkt. Sie ergibt sich ferner daraus, daß nicht alle Formen der aufgezählten Schädigungen für alle genannten Körperteile vorkommen können: So wird ζ. B. eine Zerrung oder Zerreißung (an) der Wirbelsäule selten vorkommen, es muß sogar bezweifelt werden, ob sie nach dem Lebenssprachgebrauch oder nach dem hilfsweise heranzuziehenden medizinischen Sprachgebrauch möglich ist. Entsprechendes gilt für die an erster Stelle genannten Gliedmaßen: Daß sie einer Verrenkung ausgesetzt sein können, ergibt sich aus dem oben Anm. G 105 Ausgeführten. Daß sie Gegenstand einer Zerrung oder Zerreißung sein können, wird zu bezweifeln sein. [G 110] cc) Begriff der Gliedmaßen Ob es einen für den Lebenssprachgebrauch feststehenden Begriff der G l i e d m a ß e n gibt, ist zweifelhaft. Dieser Frage braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden, weil der medizinische Sprachgebrauch, wonach als Gliedmaßen alle E x t r e m i t ä t e n , wie A r m e , B e i n e , H ä n d e , Füße etc. anzusehen sind (Pschyrembel, Medizinisches 322

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 13

Wörterbuch, Stichwort Gliedmaßen), im Ergebnis dem Lebenssprachgebrauch entsprechen dürfte. Das ergibt sich möglicherweise nicht aus einer durch den Begriff „Gliedmaßen" spontan vermittelten bildhaften Vorstellung eines medizinischen Laien, wohl aber aus einer subtrahierenden Begriffsermittlung, wonach jedenfalls Organe innerhalb des Leibes nicht als Gliedmaßen bezeichnet zu werden pflegen. Positiv dürfte der Begriff der Gliedmaßen, soll er im Unfallvsrecht eine praktische und den Vorstellungen des Vmers entsprechende Aufgabe erfüllen, voraussetzen, daß sie jeweils eine eigene Funktion haben oder entwickeln können. Das ist für die Frage erheblich, inwieweit sie Gegenstand (Opfer) einer Verrenkung pp. sein können. So wird man sowohl die Hand unter Einschluß der Finger — ohne die sie praktisch kaum funktionsfähig sein dürfte — als auch die Finger jeweils allein — zu den Gliedmaßen zu zählen haben. Entsprechendes gilt für den Arm, wobei indes zweifelhaft ist, ob die Hand im vorgenannten Sinne als Teil des Armes zu betrachten ist. Stellt man auch hier auf eine funktionelle, d. h. auf die Brauchbarkeit abstellende Wertung ab, so ist diese Frage aus den gleichen Gründen wie im Verhältnis Hand/Finger zu bejahen. Eine solche an Funktionszusammenhängen des Körpergebrauchs orientierte Auslegung gebietet der Zweck der Unfallv, der, soweit Invalidität oder vorübergehende Arbeitsunfähigkeit in Frage stehen, darauf gerichtet ist, die daraus folgenden (Vermögens-) Nachteile des Vten abzugleichen. [G 111] dd) Verrenkung oder Zerrung von Gliedmaßen aaa) Vorbemerkung Für die Gliedmaßen ergibt sich daraus, daß es für die Frage, ob eine Verrenkung oder Zerrung — eine Zerreißung aufgrund eigener Kraftanstrengung dürfte praktisch nicht vorkommen — vorliegt, jeweils zu prüfen ist, ob eine solche Schädigung der Einheit (Arm) oder eines Teiles davon (Hand oder Finger) gegeben ist, die ihrerseits auch als Gliedmaßen gelten. Das kann für die Beurteilung des Ausmaßes der Schädigung bedeutsam sein. [G 112] bbb) Verrenkung Dabei wird die Feststellung des Tatbestandes einer V e r r e n k u n g keine Schwierigkeiten bereiten: Eine Verrenkung bezieht sich stets auf ein Gelenk (vgl. oben Anm. G 105). Es wird für den Tatbestand des § 2 (2) a AUB gleichgültig sein, ob die Arbeitsunfähigkeit des Vten durch eine Verrenkung des Schultergelenks, der Ellenbogen oder im Bereich der Hand- bzw. Fingergelenke eingetreten ist (letzteres selten, da insoweit Verstauchungen oder Brüche vorherrschen): In jedem Falle liegt eine Verrenkung an Gliedmaßen (innerhalb der Funktionseinheit Arm/Hand) vor. [G 113] ccc) Zerrung Eine Z e r r u n g an G l i e d m a ß e n ist in dem gleichen Sinne zu verstehen, wie dies oben Anm. G 106 ausgeführt ist. Schon nach der alten Fassung konnte sich der Tatbestand der Zerrung nur auf dehnbare Bestandteile von Gliedmaßen wie Muskeln, Sehnen und Bänder beziehen. Die Neufassung dürfte indes klarstellen, daß nur diejenige Gesundheitsschädigung unter den Vsschutz fällt, die wie Muskel- und Sehnenzerrungen unmittelbar als Folge der Zerrung auftritt. Weitergehende Folgen der Kraftanstrengung wie Herzschäden einschließlich Herzinfarkt, innere Blutungen, Embolien etc. sind, was durch die Neufassung noch deutlicher zum Ausdruck kommt, nicht nach § 2 (2) a AUB, sondern nur dann gedeckt, wenn sie Folge eines Unfalles im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB sind, wobei für innere Blutungen ergänzend auf § 10 (2) AUB hinzuweisen ist. 21'

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Anm. G 115

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 114] ee) Bedeutung der „Zerreißung an Gliedmaßen" Eine Z e r r e i ß u n g an G l i e d m a ß e n kann sich nur auf die Zerreißung von Muskeln, Sehnen und Bändern beziehen, die der Funktion der jeweiligen Gliedmaßen — i. d. R. im Gelenkbereich — dienen, indem sie sie in stabilem Zustand halten oder flexibel machen. Eine Zerreißung des „Kerns" der Gliedmaßen, nämlich des Knochens, fällt nicht unter dieses Tatbestandsmerkmal, weil die Trennung eines Knochens in mehrere Teile vom Lebenssprachgebrauch nicht als Zerreißung, sondern als Bruch bezeichnet wird (LG München I 21. III. 1972 VersR 1973 S. 1060). Diese Frage ist für Gliedmaßen ohne praktische Bedeutung, weil die Zerreißung eines Knochens im vorgenannten Sinne durch eigene Kraftanstrengung nicht möglich ist. Eine solche Zerreißung eines Knochens oder des Abreißens von Gliedmaßen fällt nicht unter den Einschluß des § 2 (2) a AUB, wenn eine solche Folge nur mittelbar auf eine Kraftanstrengung des Vten zurückgeht, etwa wenn er zur Reparatur oder Inbetriebnahme einer Maschine (Anschieben) Kraft aufwenden muß und ihm dann ein Finger, Arm oder Bein abgerissen wird, weil er sich nach dem Erfolg seiner Anstrengung nicht rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich der Maschine lösen kann. Eine solche Verletzung wäre nicht durch eine Kraftanstrengung selbst „hervorgerufen" im Sinne des § 2 (2) a AUB. [G 115] If) Auslegungsprobleme durch Neufassung Die im Hinblick auf den geschädigten Körperteil zweite Alternative des § 2 (2) a AUB führt wegen ihrer nicht präzisen sprachlichen Fassung („Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an . . . Wirbelsäule") zu Auslegungsproblemen. Eine V e r r e n k u n g an der W i r b e l s ä u l e ist begrifflich ebenso auszuschließen wie eine Verrenkung i n n e r h a l b der Wirbelsäule: Eine Verrenkung ist die Verschiebung von Gelenkflächen aus der Normallage (oben Anm. G 105). Sie ist bei der Wirbelsäule nicht möglich, weil zwar die Verbindung der einzelnen Wirbelknochen zueinander von der Art ist, daß die Knochensäule (z.B. für Beugen oder Bücken) flexibel ist, es innerhalb der Wirbelsäule aber kein Gelenk gibt, das im vorgenannten Sinne Gegenstand einer Verrenkung sein kann. Eine Z e r r u n g an d e r W i r b e l s ä u l e ist möglich und kann typische Folge einer Kraftanstrengung des Vten sein: Gegenstand der Zerrung sind nicht die einzelnen Wirbelknochen und auch nicht die durch ihr Ineinandergreifen gebildete Säule, weil die Knochen selbst nicht flexibel sind und ihre Zerrung, wenn sie innerhalb der Säule zu Veränderungen führen sollte, zum Bruch führen müßte. Wohl aber können Gegenstand einer Zerrung diejenigen Muskeln, Sehnen und Bänder sein, die dazu bestimmt sind, die Wirbelsäule im vorgenannten Sinne beweglich zu machen und/oder in einer bestimmten Lage zu halten. Das entspricht der Formulierung des Einschlußtatbestandes, wonach nicht Zerrungen der Wirbelsäule, sondern an der W i r b e l s ä u l e vorausgesetzt werden. Wegen des Aufbaus und der Funktion der Wirbelsäule ist auf die anschauliche Darstellung von Rehberger ZfV 1959 S. 666-667 zu verweisen. Eine Z e r r e i ß u n g d e r W i r b e l s ä u l e in ihrem Zusammenhalt der einzelnen Wirbelknochen ist denkbar und kommt als Folge eines Verkehrsunfalles nicht selten vor. Sofern der Betroffene überlebt, führt sie i. d. R. zur Durchtrennung des Rückenmarks und damit zur Querschnittslähmung. Sie ist hier ohne Bedeutung, weil sie als unmittelbare Folge einer Kraftanstrengung des Vten nicht vorkommt. Dagegen ist eine Zerreißung an d e r W i r b e l s ä u l e in gleichem Sinne möglich wie eine Zerrung: Gegenstand der Zerreißung sind die ihrer Funktion dienenden Muskeln, Sehnen und Bänder. Zweifelhaft ist, ob eine Zerreißung an der Wirbelsäule auch durch den A b r i ß e i n e s K n o c h e n t e i l s geschehen kann. Wie vorstehend ausgeführt, 324

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III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 117

bezeichnet der Lebenssprachgebrauch das Trennen von Knochen in Teile aufgrund mechanischer Gewalt i. d. R. als Bruch. Unter Berufung auf diesen Sprachgebrauch verneint LG München I 21. III. 1972 VersR 1973 S. 1060 das Vorliegen einer Zerreißung u. a. für einen Vorderkantenabriß an einem Wirbelknochen. Dem ist für den der Entscheidung zugrundeliegenden Bedingungstext des § 2 (2) a AUB a. F. zu folgen. Diese Bedenken sind jedoch durch die Neufassung des Einschlußtatbestandes gerade für Teile von Wirbelknochen ausgeräumt, weil der Bedingungstext selbst von „ . . . Zerreißungen an . . . Wirbelsäule" spricht. Da die Wirbelsäule eine zusammenhängende Kette von Wirbelknochen und dazwischenliegenden Bandscheiben darstellt, Schutzgegenstand des § 2 (2) a AUB also die Wirbelsäule in allen ihren Bestandteilen ist, wird man nach der Neufassung sowohl den Abriß von Teilen des Wirbelknochens als auch das Zerreißen von Bandscheiben, soweit dies möglich ist, als im Sinne des § 2 (2) a AUB deckungspflichtige Folge eigener Kraftanstrengung anzusehen haben.

[G 116] gg) Bandscheibenvorfall und Hexenschuß Die für die Regulierungspraxis von Unfallvern bedeutsamen Erscheinungen B a n d s c h e i b e n v o r f a l l und H e x e n s c h u ß (vgl. die Hinweise von Rehberger ZfV 1959 S. 666), die nicht selten zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Unfallv führen, sind zwar oftmals Folgen von Kraftanstrengungen des Vten. Sie betreffen auch als verletzten Körperteil die Wirbelsäule, da die Bandscheiben als deren Bestandteil anzusehen sind. Zur Deckungspflicht des Unfallvers führen sie weder nach der alten noch nach der neuen Fassung des § 2 (2) a AUB, da es sich nicht um Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen handelt, so für § 2 (2) a AUB a. F. Rehberger a. a. O., veraltet für diesen Zusammenhang LG Dortmund 31. III. 1957 VersR 1956 S. 83 r.Sp. oben, weil dort das Merkmal p l ö t z l i c h e r Kraftanstrengung verneint, auf die weiteren Voraussetzungen des Einschlußtatbestandes jedoch nicht eingegangen wird.

[G 117] 3. Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1 in den Körper gelangt ist (§ 2 (2)b AUB) a) Geschichte Die Verbandsbedingungen von 1904 (abgedruckt bei Gerhard-Hagen S. 73Iff.) enthielten im Anschluß an die in § 1 Satz 1 enthaltene, einer Definition des Unfalls nahestehende Generalklausel in Satz 2 eine Aufzählung von Vorgängen, die „auch als Unfälle erachtet werden" sollen. Unter ihnen werden an dritter Stelle genannt „Blutvergiftungen, welche unzweifelhaft durch einen gleichzeitigen Unfall zustandegekommen sind, für welchen die Gesellschaft ohnedies haften müßte . . .". Diese Formulierung läßt erkennen, daß die Deckung von Blutvergiftungen unter diesen eingeschränkten Voraussetzungen (dazu Gerhard-Hagen Anm. 11 S. 736) im Sinne heutiger Terminologie als Klarstellung gemeint war (vgl. oben Anm. G 19), da alle Merkmale eines Unfalles verlangt wurden. Warum eine solche Klarstellung nahelag, wird von Hiestand S. 45—47 angedeutet: Weil Infektionen grundsätzlich nicht als Unfälle angesehen wurden, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verbandsbedingungen von 1904, lag eine solche Klarstellung für die besondere Art der Infektion „Blutvergiftung" nahe. Allerdings zählte Hiestand S. 45 die „gewaltsame äußere Veranlassung" zu den Voraussetzungen des Unfallbegriffs. Er nimmt zur Infektion nur unter diesem Gesichtspunkt (negativ) Stellung. Da die Verbandsbedingungen von 1904 dieses Erfordernis nicht übernommen hatten, lag als sachlicher Grund für eine solche Klarstellung die Erwägung näher, daß Infektionen in Absatz 2 als negative Grenzfälle Wagner

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Anm. G 117

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

formuliert wurden, so daß für einen Spezialfall der Infektion, der gedeckt werden sollte, eine entsprechende positive Klarstellung geboten war, vgl. hierzu Henke Ausschlüsse S. 37. In den Bedingungen von 1910 wurde diese Regelung — trotz der grundsätzlichen redaktionellen Veränderung, die den Bedingungen die bis heute geltende Grundstruktur gab — sachlich unverändert beibehalten: In § 3 Abs. 3 heißt es: „Als Unfälle gelten auch . . . Blutvergiftungen, die der Versicherte durch ein plötzliches Ereignis unfreiwillig erleidet". Unter der Überschrift zu Abs. 4 „Als Unfälle gelten nicht" werden unter lit. a „alle gewöhnlichen Erkrankungen und Krankheitszustände, insbesondere Infektions- und Invasionskrankheiten . . ." genannt. Diese Situation wurde durch die Bedingungen von 1920 (VA 1920 S. 103) im Wortlaut dahingehend geändert, daß es nunmehr in § 2 II 1 nach der Einleitung: „Als Unfälle gelten auch" unter lit. b nahezu entsprechend dem noch heute geltenden Wortlaut heißt: „Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangt ist." Nach den Erläuterungen des Reichsaufsichtsamts hierzu (VA 1920 S. 93) bedeutete diese Änderung eine Erweiterung des Vsschutzes: Es genügte nunmehr, daß der Ansteckungsstoff (zeitlich) nach dem Unfall in den Körper eindrang. Ob die Ersetzung des Wortes Blutvergiftung durch Wundinfektion ebenfalls eine Erweiterung des Deckungschutzes bewirken sollte, wie Henke Ausschlüsse S. 38 meint, ergibt sich aus den Bemerkungen des Reichsaufsichtsamts zur Neufassung nicht (vgl. dazu unten Anm. G 120). — „Vergiftungen, Malaria, Flecktyphus und sonstige Infektionskrankheiten" galten nach § 2 II 2 a weiterhin nicht als Unfälle, so daß die Erwähnung der Wundinfektionen auch nach diesen Bedingungen als Klarstellung gelten konnte: Einmal in dem Sinne, daß sich — wie bisher — der Ausschluß der Infektionskrankheiten nicht auf diese Infektion bezog, zum anderen dahingehend, daß auch eine zeitlich der Entstehung der Wunde nachfolgende Infektion als adäquate Folge des die Wunde bewirkenden Unfallereignisses anzusehen sei. Die Neufassung der Bedingungen im Jahre 1937 (VA 1937 S. 61) brachte im Zusammenhang mit den Wundinfektionen keine Veränderung im Wortlaut des § 2 der AVB. Mit Urteil vom 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 3 1 - 3 1 3 = JRPV 1938 S. 185 vertrat das Reichsgericht die Auffassung, daß die Wundinfektion selbst der Unfall sei. Diese Auffassung war schon vorher von Bühring-Mertins Bd I S. 48 und Wüstney § 2 Anm. 10 ohne Begründung vertreten worden. Das Reichsgericht stützt sein Ergebnis, ohne die Vorgenannten zu zitieren, im wesentlichen auf die Erwägung, daß diese Bestimmung der AVB, wenn sie nicht in dieser Weise ausgelegt werde, überflüssig sei. Damit wurde, folgte man der Auffassung des Reichgerichts, aus der Klarstellung, wie oben Anm. G 19 schon dargestellt worden ist, ein Einschluß. Diese Veränderung in der Auslegung hat Bedeutung für die materielle Vsdauer (vgl. oben Anm. D 15), weil es für den Deckungsschutz genügt, daß die Infektion selbst nach dem Beginn der materiellen Vsdauer stattfindet, auch wenn das Unfallereignis zeitlich davor stattgefunden hat. Mit dieser Auslegung haben sich die an der Neufassung der AUB von 1961 beteiligten Ver abgefunden, wie sich aus dem Bericht von Grewing zur Entstehungsgeschichte S. 9 ergibt. Die Einfügung „im Sinne der Ziffer 1" in den Text des § 2 (2) b sollte dagegen einer nur redaktionellen Klarstellung dienen (Grewing a. a. O. S. 9). 326

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III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G. 118

[G 118] b) § 2 (2)b AUB als Klarstellung oder Einsdiluß? Oben Anm. G 19 und vorstehend ist ausgeführt worden, welche Erwägungen dafür sprechen, die als positiver Grenzfall genannte Wundinfektion nur als Klarstellung aufzufassen. Dem ist hinzufügen, daß die von RG 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 310 vollzogene Auslegung den erklärten Zweck und Inhalt hatte, zu begründen, weshalb das als Unfallverletzung bezeichnete Geschehen nicht in die materielle Vsdauer zu fallen brauche: Sie stehe mit der Versicherung in keinem Zusammenhang; denn nach dem Bedingungstext gelte die Infektion selbst als Unfall und damit als Vsfall (RG a . a . O . S. 312). Diese Auslegung gibt der als positiven Grenzfall formulierten Bestimmung die Bedeutung einer Regelung der materiellen Vsdauer. Das widerspricht den Grundsätzen systematischer Interpretation (vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 61), weil die AVB unter der Überschrift „Umfang des Versicherungsschutzes" vor §§ 2—5 den Inhalt des übernommenen Risikos, nicht aber die materielle Vsdauer regeln wollten. Das verkennt auch OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 773 r.Sp., wenn es, dem RG insoweit folgend, der Vorschrift des § 2 (2)b AUB ausschließlich Bedeutung für die materielle Vsdauer beimißt. Daß die Verfasser der AUB von 1961 diese Auslegung akzeptiert haben, wie Grewing Entstehungsgeschichte S. 9 unten berichtet, macht diese Bedenken nicht gegenstandslos. An der Systematik und dem Wortlaut der AVB haben sie unter diesem Gesichtspunkt nichts geändert. Die Deutung des § 2 (2)b AUB als Klarstellung würde auch mit dem Umstand in Einklang stehen, daß nach herrschender Praxis schon vor der Neufassung der AUB im Jahre 1961 Infektionskrankheiten als deckungspflichtig galten, soweit sie (adäquate) Folge eines Unfallereignisses waren, OLG Hamm 25. XI. 1929 JRPV 1929 S. 6 7 - 6 8 , KG 22. III. 1933 JRPV 1933 S. 2 9 8 - 3 0 0 und Bruck Voraufl. S. 489. Das war zwar nicht zutreffend, weil in § 2 II. 2. a der AVB von 1920 Infektionskrankheiten schlechthin vom Vsschutz ausgenommen waren; diese Auslegung bestimmte aber die unfallvsrechtliche Behandlung von Infektionen bis zur Neufassung der AUB im Jahre 1961: Sie wurde durch § 2 (3)c IV AUB in den Bedingungstext übernommen, vgl. hierzu Grewing Entstehungsgeschichte S. 13 und unten G 125—127. Dementsprechend könnte der positive Grenzfall des § 2 (2) b AUB als Klarstellung des Inhalts gelesen werden, daß Wundinfektionen, die adäquate Folge eines Unfallereignisses sind, von der Unfallv gedeckt werden. Dem entspricht es, daß durch die AUB von 1961 hinter das Wort „Unfallverletzung" eingefügt wurde „im Sinne der Ziffer 1". Diese Einfügung verbindet diesen Grenzfall enger mit dem Unfallbegriff, als dies nach den vorangegangenen Bedingungstexten der Fall war und spricht unter dem Gesichtspunkt systematischer Interpretation ebenfalls dafür, die Unfallverletzung als Beginn des Vsfalles anzusehen. Seit der Neufassung des § 2 AUB im Jahre 1961 ist auch der Auslegung der Boden entzogen worden, die sich auf die Überschrift der positiven Grenzfälle „als Unfälle g e l t e n auch" stützen könnte, indem das Verb „gelten" als Fiktion verstanden wird, die sich bei grammatischer Interpretation auf das erste Wort, „Wundinfektionen" beziehen würde. Denn die Verfasser der Bedingung von 1961 haben durch die neue Überschrift „unter den Versicherungsschutz fallen auch" jeder Stellungnahme zum Verhältnis der Grenzfälle zum Unfallbegriff ausweichen wollen (oben Anm. G 15 und Grewing Entstehungsgeschichte S. 9). Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß auch in der Gesetzessprache das Wort „gelten" nicht stets auf eine Fiktion deutet (vgl. ζ. Β. § 1 Abs. 2 Satz 1 HGB). Wagner

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Anm. G 119

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Gegen die Auslegung des Reichsgerichts spricht ferner, daß es für eine dem Laien verständliche Gefahrbeschreibung und auch unter dem Gesichtspunkt versicherungsrechtlich klarer Risikoumgrenzung nicht einzusehen ist, warum der Wundinfektion, wenn sie selbst als Unfall gilt, noch ein weiteres Unfallereignis vorangehen muß, das indessen für diesen Vsvertrag bedeutungslos sein müßte, weil es vor dem Beginn der materiellen Vsdauer liegen darf. Sieht man in diesem vorangegangenen Unfallereignis der Sache nach den Beginn der Gefahrverwirklichung - wogegen durchgreifende Bedenken nicht möglich sein dürften - , so führt diese Auslegung zu einer Art v e r d e c k t e r R ü c k w ä r t s v im Sinne des § 2, deren Zulässigkeit dem Zweck des § 2 II widerspricht. Denn bei gedehnten Vsfällen, denen eine solche Gefahrverwirklichung entspricht, kommt es auf die Kenntnis vom Beginn des Vsfalles an, vgl. BruckMöller § 2 Anm. 22 m. N. Diese Bedenken können mit einem Hinweis darauf, daß der Ver sich durch entsprechende Fragen vor Vertragsschluß schützen könne (RG 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 313), nicht ausgeräumt werden. KG 18. XII. 1940 JRPV 1941 S. 46 hat aus der vorstehend zitierten Entscheidung eine naheliegende Konsequenz gezogen: Da das Wort „Unfallverletzung" nach der zitierten Entscheidung des Reichsgerichts „in keinem Zusammenhang mit dieser Versicherung steht", sei es nicht erforderlich, daß die Wundinfektion Folge eines Unfallereignisses („Unfalles") im Sinne des § 2 (1) AUB sei. Für diese Folgerung vermag sich das Kammergericht auf die Gründe des Reichsgerichts nicht zu berufen (so zutreffend Niemann JRPV 1941 S. 87), aber seine Auslegung vermeidet die oben skizzierten systematischen Bedenken. In die gleiche Richtung deutet ein weiteres Urteil RG 4. II. 1944 Dr 1944 S. 807-808, das Deckungsschutz für den Tod infolge einer Blutvergiftung — am Finger des Vten hatte sich bei Gartenarbeit eine Blase gebildet, die geplatzt war, so daß Krankheitskeime eindringen konnten — gewährt und dabei Ausführungen zum Begriff der Unfallverletzung — als Voraussetzung der Wundinfektion — macht (a. a. O. S. 808 Ii. Sp.), die auf die Neigung schließen lassen, diesen Begriff vom Unfallbegriff des § 2 ( 1 ) AUB zu lösen. Es liegt nahe anzunehmen, daß die seit 1961 gewählte Fassung des § 2 (2)b AUB durch die Einfügung „ . . . im Sinne der Ziffer 1" der in diesen beiden Entscheidungen erkennbar werdenden Tendenz begegnen soll; ebenso wohl Prölss-Martin21 § 2 AUB Anm. 2. Die vorstehenden Ausführungen sollen als Beitrag für eine sprachlich und versicherungsrechtlich korrekte Gefahrbeschreibung verstanden werden. Da die oben kritisierte Auslegung des § 2 (2)b AUB dem Vmer günstig ist, die Ver bereit sind, sie der Regulierungspraxis zugrundezulegen und die für die Praxis maßgeblichen Kommentare von Wussow AUB 4 § 2 Anm. 21 und Prölss-Martin21 § 2 AUB Anm. 2, ihr folgen, kann es nicht zweifelhaft sein, daß die Gerichte dementsprechend entscheiden werden. Aus Gründen praxisbezogener Darstellung wird die genannte Vorschrift deshalb hier unter der Überschrift „Einschlüsse" erläutert, nachdem die wissenschaftlichen Bedenken gegen diese Auslegung dargestellt worden sind. [G 119] c) Die Merkmale des EinschluBtatbestandes aa) Begriff der Wundinfektion Für den B e g r i f f d e r W u n d i n f e k t i o n ist nach den oben (Anm. A 53) dargestellten Auslegungsregeln der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgeblich. Dabei ist es für die Auslegung des Begriffes heute unerheblich, ob der Ersetzung des Wortes „Blutvergiftung" durch den Begriff der „Wundinfektion" im Jahre 1920 das Bestreben zugrundelag, auch insoweit den Umfang des Vsschutzes zu erweitem (vgl. oben Anm. G 117 und VA 1920 S. 93). Denn der Vmer, auf dessen Verständnis des Bedingungstextes zur Zeit des Vertragsschlusses es grundsätzlich ankommt (vgl. 328

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III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 121

Bruck-Möller Einl. 55 und die dort genannten Einschränkungen), kann für die Auslegung einer Bestimmung von AVB nur in Ausnahmefällen auf die historische Entwicklung verwiesen, werden (Beispiele oben Anm. A 56). Diese Vorbemerkung ist erforderlich, weil Henke Ausschlüsse S. 38 im Anschluß an die historische Entwicklung die Auffassung vertritt, daß die Textänderung eine Erweiterung des Deckungsschutzes bewirkt habe: Aufgrund der geänderten Fassung seien auch „Eiterungen, Fäulnis usw. und ihre Folgen gedeckt." Demgegenüber setzen Wüstney § 2 AUB Anm. 10 A und Prölss-Martin 21 § 2 Anm. 2 Blutvergiftung und Wundinfektion gleich, während Wussow AUB 4 § 2 Anm. 17 zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung nimmt. Ob im Lebenssprachgebrauch der Begriff der Wundinfektion einer allgemeinen oder doch weitgehend übereinstimmenden Vorstellung des medizinischen Laien entspricht, ist zweifelhaft, weil der Begriff in der Umgangssprache in dieser Kombination selten verwendet wird, während die Bestandteile des Wortes „Wunde" und „Infektion" einem einheitlichen Vorstellungsbild entsprechen, der Begriff der Infektion allerdings doppeldeutig, indem er sowohl den Vorgang des Eindringens der Krankheitskeime, als auch dessen Ergebnis, nämlich die Erkrankung infolge des Eindringens, bezeichnet. Diese Doppeldeutigkeit des Begriffs der Infektion ist auch im Wortlaut des § 2 (2)b AUB erkennbar, der den Vorgang des Eindringens „. . . in den Körper gelangt . . . " sprachlich von dessen Auswirkung im Sinne des Ergebnisses „Wundinfektion . . ." trennt. Da über die Beschaffenheit des eingedrungenen „Ansteckungsstoffes" nichts ausgesagt, insbesondere keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Krankheitserregern zum Ausdruck gebracht wird, ist als Ansteckungsstoff jeder Krankheitserreger anzusehen, der nach Eindringen durch die Wunde sich im Körper vermehrt und dort Krankheitserscheinungen hervorruft. [G 120] bb) Wundinfektion und Blutvergiftung In der Rechtsprechung werden die Begriffe Blutvergiftung und Wundinfektion nebeneinander verwendet, ohne daß — soweit ersichtlich — auch nur in einer Entscheidung die Frage erörtert wird, in welchem Verhältnis die beiden Begriffe zueinander stehen. Da beide Begriffe im weitesten Sinne verwendet werden, ergibt sich hieraus allein keine speziell auf die Auslegung dieser „Einschlußbestimmung" bezogene Unsicherheit. Eine solche Unsicherheit und Unklarheit in der Rechtsanwendung war jedoch die Folge des Umstandes, daß die Gerichte in den dreißiger Jahren entgegen dem Text der Bedingungen, vgl. oben Anm. G 118 — dazu übergingen, Infektionskrankheiten dann in den Vsschutz einzubeziehen, wenn sie als adäquate Folge eines Unfallereignisses gewertet werden konnten. Denn nunmehr ergab sich die Deckungspflicht für ein Unfallereignis, das eine Infektion zur Folge hatte, stets auch aus der primären Risikoumschreibung (Unfallbegriff), und die Erwähnung der Wundinfektionen als positiver Grenzfall hatte bis zur Umdeutung in einen Einschluß durch RG 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 310 keine aus dem Bedingungstext erkennbare eigenständige Bedeutung mehr. Zur Abgrenzung des § 2 (2) b von § 2 (3) c II und IV AUB vgl. unten Anm. G 127. [G 121] cc) Überblick über die Rechtsprechung Der nachfolgende Überblick über die Rechtsprechung beschränkt sich auf die nach Einführung der Bedingungen von 1910 ergangenen Entscheidungen, schließt aber auch diejenigen ein, die im Zusammenhang mit Blutvergiftungen im weitesten Sinne stehen, ohne sich mit einer dem (jetzigen) § 2 (2)b AUB entsprechenden Bestimmung zu befassen: Wagner

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Anm. G 121

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

O L G Königsberg 6. XI. 1911 VA 1912 Anh. S. 90-30 Nr. 651 entscheidet vermutlich auf der Grundlage der Verbands-Bedingungen von 1904: Die Klägerin, eine Hebamme, hatte sich „beim berufsmäßigen Reinigen ihrer Hände" eine kleine Wunde am Mittelfinger zugezogen. In der folgenden Nacht hatte sie bei einer Geburtshilfe „Syphilisgift" aufgenommen. Das Gericht gewährt Deckungsschutz nach § 1 Satz 2 der Bedingungen, in dem es das Bürsten mit der Verletzungsfolge als Unfall, das Eindringen des Giftes als Blutvergiftung wertet. Das Gericht sieht, daß Syphilis nicht durch „Gift im engeren Sinne", sondern durch Infektion entsteht. Das Erfordernis der Gleichzeitigkeit werde durch die unmittelbare zeitliche Reihenfolge gewahrt. RG 10. V. 1918 VA 1918 S. 5 3 - 5 4 Nr. 1045 entscheidet zugunsten der Erben des Vten aufgrund von Bedingungen, die „Blutvergiftungen infolge äußerer Verletzungen" einschließen. Der Vte hatte sich beim Marschieren als „Freiwilliger einer Gebirgskanonenbatterie am Fuß wundgescheuert und eine Blutvergiftung zugezogen, die zum Tode führte". Über die Art der Blutvergiftung wird nichts ausgeführt. Unter Hinweis auf diese Entscheidung gewährt KG 27. II. 1935 JRPV 1935 S. 235 der Witwe des Vten Armenrecht für eine Deckungsklage: Es sah die Möglichkeit als gegeben an, „daß die Blutvergiftung durch eine entzündliche Scheuerstelle am Fuß Eingang in den Körper" des Vten gefunden habe. OLG Nürnberg 4. V. 1928 JRPV 1928 S. 191 befaßt sich mit der Frage, ob bewiesen sei, daß ein Insektenstich Ursache einer Blutvergiftung sei. Es verneint dies und weist die Klage ab. LG Berlin I 23. II. 1932 JRPV 1932 S. 3 3 0 - 3 3 1 gibt der Deckungsklage statt: Der Vte hatte sich beim Montieren von Reifen Rißwunden an den Händen zugezogen, zeitlich nachfolgend hatte er Ausschlag an Armen und Gesicht erlitten. In den Gründen wird nicht von Blutvergiftung, wohl aber von Entzündung gesprochen. Das Gericht geht davon aus, daß der Ausschlag Folge des Eindringens von Schmutz in die Wunden gewesen sei. KG 21. I. 1933 JRPV 1933 S. 157-158 gewährt Deckungsschutz für eine Blutvergiftung, die der Vte infolge einer Schnittverletzung erlitten hatte. Nach § 4 II der zugrundeliegenden AVB galten als Unfälle auch Blutvergiftungen, die der Vte durch ein plötzliches Ereignis unfreiwillig erleidet. KG 22. III. 1933 JRPV 1933 S. 2 9 8 - 3 0 0 = VA 1933 S. 341 Nr. 2581 gewährt Deckungsschutz für den Tod eines Arztes, der an „septischer Angina" gestorben war. Das Gericht geht davon aus, daß die Infektion durch Anhusten seitens eines Patienten bewirkt worden sei („Tröpfcheninfektion") und hält diesen Vorgang für einen Unfall. Der Ausschluß von Infektionskrankheiten sei hier ohne Bedeutung, weil die Infektion hier eine Folge des Unfalls sei. Das Gericht beruft sich hierfür auf Bruck, Vorauflage S. 489, wo auf OLG Hamm 29. XI. 1929 JRPV 1930 S. 6 7 - 6 8 verwiesen wird. RG 23. III. 1934 JRPV 1934 S. 119-120, nach Zurückverweisung OLG Düsseldorf 17. V. 1935 VA 1935 S. 2 7 3 - 2 7 4 Nr. 2839 und auf Revision erneut RG 7. II. 1936 JRPV 1936 S. 105-106 befassen sich mit der Frage, ob ein zum Tode führender Lippenfurunkel, der Folge eines Insektenstichs ist (sein kann), vom Unfallver zu decken sei, wobei die Frage nach der Beweisführung den eigentlichen Inhalt der Entscheidung ausmacht. Die Gerichte sprechen von Blutvergiftung als Todesursache, ohne sie näher zu qualifizieren und halten es für unerheblich, ob der Ansteckungsstoff durch den Stichkanal in den Körper gelangt sei. RG 10. V. 1938 RGZ Bd 157 S. 3 1 0 - 3 1 3 = JRPV 1938 S. 185 entscheidet positiv über die Deckungsklage des Erben eines unfallvten Arztes; dieser war an einer Halsphlegmone gestorben, die bei Behandlung eines furunkelkranken Patienten durch Eindringen von Eitererregern vermittels einer Wunde entstanden war. Das Gericht verwendet das Wort „Wundinfektion" und bekennt sich zu der Auffassung, daß § 2 II b der AVB die Wundinfektion als Unfall gelten lasse (Fiktion). Da der Vte die Wunde, durch die der Ansteckungsstoff eingedrungen war, vor dem Beginn der materiellen Vsdauer erlitten hatte, kam es darauf an, ob die genannte 330

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III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 123

Bestimmung der AVB den Unfallbegriff erweiterte. Unter Berufung auf diese Entscheidung bejaht KG 18. XII. 1940 JRPV 1941 S. 4 6 - 4 7 Deckungsschutz für eine nach Schürfwunden an beiden Fersen zugezogene phlegmonöse Entzündung im Bereich der linken Kniekapsel mit anschließender Sepsis mit Todesfolge. Das Gericht läßt es ausdrücklich dahingestellt, ob ursprüngliche Ursache der Blutvergiftung ein Unfall gewesen sei, darauf komme es nach der vorzitierten Entscheidung des Reichsgerichts nicht an. RG 4. II. 1944 DR 1944 S. 807-807 bejaht Deckungsschutz für eine Blutvergiftung, die Folge des Eindringens von Krankheitserregern in eine nach Aufplatzen einer bei Gartenarbeit zugezogenen Blase entstandenen Wunde war. Die Gründe lassen nicht klar erkennen, ob sie ebenfalls der vorstehend zitierten Entscheidung des RG vom 10. V. 1938 folgen wollen.

[G 122] dd) Eindringen des Ansteckungsstoffes aaa) Bedeutung der „Unfallverletzung" Versicherungsschutz gemäß § 2 (2)b AUB setzt weiter voraus, d a ß d e r A n s t e c k u n g s s t o f f d u r c h e i n e U n f a l l v e r l e t z u n g im Sinne des § 2 (1) AUB in d e n K ö r p e r g e l a n g t ist. Der von KG 18. XII. 1940 JRPV 1941 S. 4 6 - 4 7 mit ablehnender Anmerkung Niemann und möglicherweise auch von RG 4. II. 1944 DR 1944 S. 807-808 (unklar und mißverständlich insoweit a.a.O. S. 808 Ii. Sp. Mitte) mißverstandene Ausdruck „Unfallverletzung" ist mehrdeutig. Zwar ist die vom Kammergericht a.a.O. verneinte Frage, ob diese Verletzung Folge eines plötzlich von außen auf den Körper des Vten wirkenden Ereignisses sein muß, durch die Neufassung der Bestimmung im Jahre 1961 in bejahendem Sinne entschieden worden (vgl. dazu Grewing Entstehungsgeschichte S. 9). Man darf annehmen, daß diese Klarstellung (so Grewing a.a.O.) angesichts der beiden vorstehend zitierten Entscheidungen für geboten gehalten wurde. Sie hat jedoch keine Klärung der Fragen erbracht, ob der Begriff der Unfallverletzung mit dem des Unfalles im Sinne des § 2 (1) AUB identisch ist und ob der Einschlußtatbestand weiter voraussetzt, daß der Ansteckungsstoff im wörtlich-bildhaften Sinne durch die Verletzung („hindurch") in den Körper gelangen muß.

[G 123] bbb) Entwicklung der Begriffsverwendung Der Ausdruck Unfallverletzung wird erstmalig in den AVB von 1920 (VA 1920 S. 103) verwendet. Nach der Vorstellung des Reichsaufsichtsamtes, das a.a.O. S. 93 die geänderten „Neuen" den „Alten Verbandsbedingungen" gegenüberstellt, muß angenommen werden, daß der Ausdruck nur eine redaktionelle Kürzung der bisherigen Fassung sein sollte. Denn der sachliche Unterschied zur Fassung von 1910 wurde (nur) darin gesehen, daß Wundinfektionen nunmehr auch dann eingeschlossen seien, „wenn der Ansteckungsstoff nach dem Unfall in den Körper eingedrungen ist" (Hervorhebung im Originaltext). Diese Erläuterung zum neugefaßten Text („nach dem Unfall") spricht dafür, daß der Ausdruck „Unfallverletzung" eine Kurzform der Unfalldefinition zum Inhalt haben sollte, wobei mutmaßlich an die Stelle von „Gesundheitsschädigung" das Wort Verletzung gesetzt wurde, weil der Ausdruck „Gesundheitsschädigung" zu einer entsprechenden Kürzung ungeeignet war und der Ausdruck „Verletzung" als bildhaft dargestellte Voraussetzung einer Wundinfektion sprachlich näherlag. Diese Deutung des Begriffs Unfallverletzung entsprach ihrer Funktion als Klarstellung (vgl. oben Anm. G 119), mit der zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß Wagner

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Anm. G 124

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

diese Infektionen im Gegensatz zu anderen vom Deckungsschutz umfaßt waren. Sie ist weniger naheliegend, wenn die Bestimmung des (jetzigen) § 2 (2)b AUB als Einschluß angesehen wird und dem Erfordernis einer vorangegangenen Unfallverletzung nur noch die Bedeutung einer Art Rechtsbedingung für das Wirksamwerden des Einschlusses zukommt. Da ein Einschlußtatbestand per difinitionem selbst den Vsfall bildet und damit der Fiktion eines Unfalles entspricht, liegt es nahe, den Begriff der Unfallverletzung aus seiner Funktion innerhalb des Einschlusses zu ermitteln: Das bedeutet, daß eine Unfallverletzung schon dann vorliegt, wenn die Haut des Vten in einer Weise betroffen (ζ. B. geringfügig geritzt oder von einer Nadel gestochen) ist, die für sich gesehen noch nicht als Gesundheitsschädigung im Sinne des § 2 (1) AUB bezeichnet werden kann, indessen schon geeignet ist, eine Wundinfektion (mit-) zu verursachen. Diese Auslegung führt, sieht man § 2 (2) b AUB als Einschluß an, auch zu sachgerechteren Ergebnissen im Hinblick auf die Beweislast und die Frage der Unfreiwilligkeit (unten Anm. G 129). [G 124] ccc) Art des Eindringens des Ansteckungsstoffes Ebenfalls ungeklärt durch die Neufassung der AUB von 1961 ist die weitere Frage geblieben, ob der Ansteckungsstoff durch die Unfallverletzung hindurch seinen Weg in den Körper nehmen muß, oder ob es genügt, daß die Wundinfektion adäquate Folge der Unfallverletzung ist, ohne daß diese den Eingang für den Ansteckungsstoff in den Körper gebildet haben muß. Eine Klärung (auch) dieser Frage hätte von den AUB von 1961 um so mehr erwartet werden können, als zwei Entscheidungen aus den Jahren 1937 und 1935 auf diese Fragestellung hinweisen: Zwar liegt der Entscheidung des OLG Düsseldorf 23. III. 1937 JRPV 1937 S. 237-238 kein dem § 2 (2)b AUB entsprechender Bedingungstext zugrunde. Das Gericht entscheidet nach dem allgemeinen Unfallbegriff und hätte Deckungsschutz hiernach bejaht, „wenn der Erreger... auf einem durch Unfallverletzung eröffneten Wege in den Körper eingedrungen wäre". Diese Erwägungen sind gleichwohl für die hier erörterte Frage unmittelbar bedeutsam, weil die Bestimmung über die Wundinfektion im Jahre 1937 noch als Klarstellung verstanden wurde. Dagegen heißt es bei OLG Düsseldorf 17. V. 1935 S. 273-274 Nr. 2839 ausdrücklich, die — dem § 2 (2)b AUB gleichlautende — Bestimmung sei n i c h t dahin auszulegen, daß der Ansteckungsstoff nur durch die Unfallverletzung selbst (hier: Stichkanal nach Insektenstich) in die Haut eingedrungen sein müsse. Es genüge, daß der Ansteckungsstoff nachträglich durch Reiben oder Kratzen (hier: im Schlaf) eindringe. Ein solches Reiben pp. sei ein Eingriff im Sinne des § 3 (3) AVB, der durch den Vsfall veranlaßt worden sei. Diese Auslegung ist vom Revisionsgericht RG 7. II. 1936 JRPV 1936 S. 105-196 gebilligt worden. Ihr ist im Ergebnis zu folgen: Zwar geht der Hinweis des Berufungsgerichts auf § 3 (3) AVB fehl. Aus einer Gefahrumstandsausschlußklausel bzw. deren Einschränkung ( . . ., soweit die Heilmaßnahmen oder Eingriffe nicht durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis veranlaßt waren") kann für die Auslegung der hiervon unabhängigen Bestimmung des § 2 (2)b AUB nichts hergeleitet werden. Aber bei einer Gesamtschau aller Bestimmungen über die Gefahrbeschreibung deutet der Wortlaut des § 2 (2)b AUB mit der Verwendung der Präposition „durch" auf eine Auslegung, die in diesem Wort nicht mehr findet als das Erfordernis adäquater Kausalität. Denn in diesem Sinne wird diese Präposition innerhalb der Gefahrbeschreibung der §§ 2, 3 und 10 AUB mehrfach verwendet, vgl. § 2 (2)a, (3)c § 3 (1), (3), (4) und (5), § 10 (3), (4) und (5) AUB. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diesen Ausdruck im Rahmen des § 2 (2)b AUB dagegen einschränkend in dem oben genannten bildhaften Sinne zu deuten. 332

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 126

Deckungsschutz gemäß § 2 (2)b AUB besteht hiernach, wenn die Wundinfektion adäquate Folge der Unfallverletzung ist; nicht erforderlich ist, daß der Ansteckungsstoff durch die (Haut-)Verletzung hindurch in den Körper gelangt. [G 125] d) Verhältnis des § 2 (2) b AUB zu Ausschlußtatbeständen aa) Allgemeines Die Frage, ob sich ein Ausschlußtatbestand auch gegenüber einem Einschlußtatbestand des gleichen Bedingungswerkes durchsetzt, wäre bei konsequenter Darstellungsweise im Zusammenhang mit den Ausschlüssen (unten Anm. G 131—266) zu erörtern. Daß sie hier im Anschluß an die Merkmale des § 2 (2) b AUB untersucht wird, rechtfertigt sich einmal aus den für die Gefahrbeschreibung atypischen Besonderheiten dieses Einschlußtatbestandes, die zu der Stellungnahme zwingt, ob die in § 3 AUB genannten Gefahrumstandsausschlußklauseln für die Infektion oder für die Unfallverletzung adäquat kausal sein müssen, und zum anderen aus der Vorschrift des § 2 (3) c IV S. 2 AUB, wonach die Entstehungsursache der Infektionskrankheiten nicht als Unfallereignis gilt. Dies könnte auch die Regelung des § 2 (2) b AUB betreffen und damit den Einschluß gegenstandslos machen. [G 126] bb) Spezialität des Auschlußtatbestandes? Wussow AUB 4 § 2 Anm. 18 S. 77 meint, daß „nach allgemeinen versicherungsrechtlichen Grundsätzen ein Risikoausschluß wirksam (bleibt), auch wenn das gleiche Ereignis nach anderen Bestimmungen gedeckt werden müßte". Sollte dieser Satz in dem Sinne aufgefaßt werden können, daß Ausschlußtatbestände, mit denen der Ver zum Ausdruck bringt, daß er nur ein gleichsam normales Unfallrisiko decken will, auch gegenüber Einschlußtatbeständen wirksam werden, deren Zweck es nicht ist, gerade ein besonderes (erhöhtes) Risiko einzuschließen, so ist dem zuzustimmen. Von den von Wussow a.a.O. zitierten Entscheidungen betrifft allerdings nur LG Bremen 30. XII. 1954 VersR 1955 S. 103 das hier erörterte Problem (ohne den im zitierten Sinne lautenden Leitsatz, der die Entscheidung nicht trägt, zu begründen). Der Grundsatz, daß sich allgemeine Ausschlüsse auch gegenüber einem im vorstehend genannten Sinne allgemeinen Einschluß durchsetzen, beantwortet indes nicht die hier erhebliche Frage, ob der zum Ausschluß führende Gefahrumstand für die Wundinfektion oder die Unfallverletzung adäquat kausal werden muß. Würde man mit der h. M. die Infektion selbst als (fingierten) Unfall ansehen und das Erfordernis der Kausalität auf dieses Ereignis beziehen, so würden die Ausschlüsse erheblich an Wirkung verlieren: Da die Infektion entferntere (mittelbare) Folge des Gefahrumstandes ist als die Unfallverletzung, wird die Bejahung adäquater Ursächlichkeit vielfach zweifelhaft sein. Sie wäre indessen weniger problematisch und würde deshalb den Gefahrumstandsausschlußklauseln die ihnen zukommende Bedeutung belassen, wenn es auf die Kausalität zwischen Gefahrumstand und der in § 2 (2) b AUB genannten „Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1" ankäme. Man wird eine solche Auslegung der Einschlußbestimmung befürworten müssen, weil sie dem Sinne der Ausschlußklauseln entspricht und der innerhalb des Tatbestandes des § 2 (2)b AUB problematischen Rechtsbedingung (der Einschluß wird nur wirksam, wenn ihm ein Unfall vorausgeht) eine sachliche Berechtigung gibt. — Hiernach wird Deckungsschutz nach § 2 (2) b AUB nicht gewährt, falls die Unfallverletzung adäquate Folge eines der in §§ 3 (1)—(4) genannten Gefahrumstände ist. Darauf, ob auch die (Wund-)Infektion adäquate Folge ist, kommt es nicht an. Die in §§ 3 (5) und 10 (5) AUB genannten Ausschlüsse von Unfallfolgen werden von dieser Fragestellung nicht berührt, weil die Wagner

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Anni. G 127

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

dort genannten organischen Gesundheitsschäden stets adäquate Folge sowohl der Unfallverletzung als auch der Infektion sind. [G 127] cc) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 2 AUB für den Einsctaluß von Wundinfektionen Etwas anderes könnte jedoch für den in § 2 (3) c IV. S. 2 AUB enthaltenen Ausschluß gelten. Nachdem in Satz 1 ausgesprochen wird, daß die unter § 2 (2) c I, II und III genannten Vorgänge, zu denen auch die a. a. O. Abs. 1 genannten Infektionskrankheiten gehören, als Folge eines Unfallereignisses gedeckt seien, könnte man die Auffassung vertreten, daß — abgesehen von den Fragen der materiellen Vsdauer — die Vorschrift des § 2 (2) b AUB überflüssig ist, weil hier die Infektion als Folge eines Unfallereignisses in den Vsschutz einbezogen wird. Da es für den Begriff der Wundi n f e k t i o n auf die Art des eingedrungenen Krankheitsstoffes nicht ankommt, dürfte ein entsprechender Vorgang, der nicht unter beide Vorschriften fällt, nicht denkbar sein: Die Infektion „als solche" stellt ein Unfallereignis nicht dar, weil es ihr am Erfordernis der Plötzlichkeit fehlt, und zwar unabhängig davon, ob sie als Folge von Berührung mit Mensch oder Tier oder als Folge des Einnehmens von flüssigen oder festen Stoffen eintritt, die Krankheitserreger enthalten. Spricht dies für eine Kongruenz beider Bestimmungen, so wäre die konsequente Folge dieser Feststellung, daß der in § 2 (3) c IV S. 2 nachfolgende Satz: „Die Entstehungsursache der Infektionskrankheiten selbst gilt nicht als Unfallereignis" gleichsam wörtlich genommen, sich vollinhaltlich auch auf die Wundinfektionen bezieht, da die in § 2 (2)b AUB genannte „Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1" stets auch als „Entstehungsursache der Infektionskrankheiten selbst" gewertet werden kann. Danach könnte man zu dem Ergebnis kommen, daß sich die Bestimmungen der § 2 (2) b und 2 (3) c IV S. 2 AUB gegenseitig ausschließen. Sollte man einen solchen Widerspruch der genannten Bestimmungen annehmen, so wäre er „durch Auslegung zu klären" (Wussow AUB 4 § 2 Anm. 18 S. 77 unten). Hierbei ist zunächst festzustellen, daß dieser Satz, wäre er in diesem Sinne wörtlich zu nehmen, auch den vorangegangenen Satz 1 gegenstandslos machen würde. Da Satz 2 diese Bedeutung vernünftigerweise nicht haben kann und sein Wortlaut „Die Entstehungsursache . . . selbst gilt nicht als Unfallereignis" auf eine Tendenz zur Einschränkung hindeutet, so liegt eine Auslegung etwa folgenden Inhalts nahe: „die typische oder primäre Entstehungsursache . . . gilt nicht als Unfallereignis". Diese Auslegung entspricht dem Willen der Bedingungsverfasser, die mit diesem Satz klarstellen wollten (Grewing Entstehungsgeschichte S. 13), daß Stich oder Biß von Insekten, die typischerweise Ursache für Erkrankung an Malaria oder Flecktyphus sind und als Unfallereignis angesehen werden könnten, nicht als deckungspflichtige Ursache dieser Krankheiten gelten sollen, während untypische, wenngleich adäquate Folgen eines Unfallereignisses unter den Vsschutz fallen. Beispiel: OLG Hamm 25. XI. 1929 JRPV 1929 S. 67-68: Ein Eisenbahnschaffner hatte sich im Dienst den Arm gebrochen (Unfall), er wurde im Krankenhaus mit Typhus infiziert. Hier ist auch die Typhuserkrankung deckungspflichtig. Nicht erörtert — soweit ersichtlich - sind bisher die Fragen, ob der Biß eines an Tollwut erkrankten Tieres oder einer Giftschlange unter den Ausschluß des § 2 (3) c IV S. 2 AUB fallen, gleichgültig, ob sie im Sinne des § 2 (2) b und/oder § 2 (3) c IV. S. 1 AUB dem Tatbestand nach als deckungspflichtig erscheinen. Man wird nach diesen Vorschriften beide Fälle nicht als deckungspflichtig ansehen können: Den Biß eines tollwutkranken Tieres schon deshalb nicht, weil er 334

Wagner

III. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse

Anm. G 128

typische Ursache einer entsprechenden Infektion ist, den Schlangenbiß nicht, weil die Wirkung des Schlangengiftes nicht der einer Infektion entspricht, sondern durch chemische Reaktionen innerhalb des Körpers schädigend wirkt. Indes ist der Schlangenbiß regelmäßig ein Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB, der nicht gemäß § 2 (3) c I AUB oder durch eine andere Vorschrift ausgeschlossen und deshalb voll zu decken ist. Schon vor der Einschränkung des Ausschlusses von Vergiftungsfolgen durch die AUB von 1961 (§ 2 (3) c I) war anerkannt, daß Vergiftungen als adäquate Folge von Unfallereignissen deckungspflichtig sind (RG 20. XII. 1929 JRPV 1930 S. 53 = JW 1930 S. 1586—1587 mit Anm. Ehrenzweig). [G 128] e) Anhang: Infektionsklauseln Die Unfallver bieten für Angehörige (Ausübende) bestimmter Berufe, die kraft ihrer Tätigkeit in besonderem Maße von Infektionen bedroht sind, speziellen Vsschutz durch Vereinbarung einer sog. Infektionsklausel an. Diese beseitigt den Ausschluß von Infektionskrankheiten in der Allgemeinen Unfallv (§ 2 (3) c AUB), erweitert das als Vsfall deckungspflichtige Geschehen und gewährt dem Vten Beweiserleichterung im Hinblick auf den Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Infektion. Die Infektionsklauseln sind im Jahre 1969 der Regelung durch die AUB von 1961 angepaßt und im Wortlaut neu gefaßt worden. Wegen der Änderung der Klauseln gegenüber dem vorher maßgeblichen Wortlaut vgl. VA 1969 S. 139 Ii. Sp. Die Infektionsklauseln haben folgenden W o r t l a u t (VA 1969 S. 138-139): a) Für Unfallversicherungen von Ärzten, Zahnärzten, Zahntechnikern, Naturärzten, Heilkundigen und Hebammen, den Studierenden der Medizin, der Zahnheilkunde und dem Heilpersonal (Krankenpfleger, -wärter, -pflegerinnen, -Wärterinnen, -schwestern): In Ergänzung des § 2 (2) und (3) der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) gelten als Unfälle auch solche in Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstandenen Infektionen, bei denen aus der Krankheitsgeschichte, dem Befund oder der Natur der Erkrankung hervorgeht, daß die Krankheitserreger durch irgendeine Beschädigung der Haut, wobei aber mindestens die äußere Hautschicht durchtrennt sein muß, oder durch Einspritzen infektiöser Massen in Auge, Mund oder Nase in den Körper gelangt sind. Anhauchen, Anniesen oder Anhusten erfüllen den Tatbestand des Einspritzens nicht; Anhusten nur dann, wenn durch einen Hustenstoß eines Diphteriekranken infektiöse Massen in Auge, Mund oder Nase geschleudert werden. b) Für Unfallversicherungen von Tierärzten und Studierenden der Tierheilkunde: In Ergänzung des § 2 (2) und (3) der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) gelten als Unfälle auch solche in Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstandenen Infektionen, bei denen aus der Krankheitsgeschichte, dem Befund oder der Natur der Erkrankung hervorgeht, daß die Krankheitserreger durch irgendeine Beschädigung der Haut, wobei aber mindestens die äußere Hautschicht durchtrennt sein muß, oder durch Einspritzen infektiöser Massen in Auge, Mund oder Nase in den Körper gelangt sind. Anhauchen, Anniesen oder Anhusten erfüllen den Tatbestand des Einspritzens nicht. c) Für Unfallversicherungen von Chemikern und Desinfektoren: Eingeschlossen in die Versicherung sind alle bei Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstandenen Infektionen, bei denen aus der Krankheitsgeschichte, dem Befund oder der Natur der Erkrankung hervorgeht, daß die KrankheitserWagner

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Anm. G 129

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

reger durch irgendeine Beschädigung der Haut, wobei aber mindestens die äußere Hautschicht durchtrennt sein muß, oder durch plötzliches Eindringen infektiöser Massen in Auge, Mund oder Nase in den Körper gelangt sind. Ausgeschlossen sind die durch den Beruf an sich bedingten, insbesondere auch die durch gewöhnliche Einatmung bei der berufsmäßigen Beschäftigung mit Chemikalien allmählich zustande kommenden Schädigungen (Gewerbekrankheiten). Im Falle der Mitversicherung von akuten Infektionskrankheiten bei Unfallversicherungen von Desinfektoren: Wird der Desinfektor infolge Ausübung seiner desinfektorischen Tätigkeit bei einem an einer akuten Infektionskrankheit (ζ. B. an Typhus, Cholera, Pocken, Diphterie, Masern, Scharlach, Genickstarre) Erkrankten nachweisbar innerhalb der medizinisch anerkannten Inkubationszeiten vom Tage der Desinfektion an gerechnet von derselben Krankheit ergriffen, so werden die Folgen der Krankheit in der gleichen Weise wie die eines Unfalls entschädigt. [G 129] 4. Beweislast für Einschlösse Hinsichtlich der Beweislast gilt für denjenigen, der Ansprüche gegen den Unfallver aus einem Einschluß gemäß § 2 (2) a und b AUB geltend macht, dasselbe wie für denjenigen, der solche Ansprüche aus einem behaupteten Unfall im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB herleitet: Das ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, daß derjenige, der einen Anspruch geltend macht, diejenigen Tatsachen behaupten und notfalls beweisen muß, die die Entstehung seines Anspruchs voraussetzen. Dieser Grundsatz wird für den Einschluß der Kraftanstrengungen (§ 2 (2) a AUB a.F.) ζ. B. vom LG Berlin I 21. IV. 1959 VersR 1959 S. 1037, OLG München 20. XI. 1964 VersR 1965 S. 127, LG München I 21. III. 1972 VersR 1973 S. 1060 und generell vom OLG Celle 27. II. 1956 VersR 1956 S. 414 (Leitsatz) ausgesprochen. Für den Einschluß der Wundinfektion gemäß § 2 (2) b AUB ergibt sich indes ein zusätzliches Problem daraus, daß ihr eine „Unfallverletzung im Sinne der Ziffer 1" vorausgehen muß. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Vmer, der einen aus dieser Bestimmung hergeleiteten Anspruch geltend macht, auch diese Voraussetzung beweisen muß. Fraglich ist nur, ob ihm insoweit die Vermutung des § 180 a W G η.F. zugute kommt, oder ob er auch den — im Regelfall allerdings nicht schwierigen — Beweis dafür führen muß, daß er die Unfall ver letzung unfreiwillig erlitten hat. Wussow AUB 4. Aufl. § 2 Anm. 17, S. 75—76 geht auf dieses Problem nur mittelbar ein, indem er die Frage stellt, ob eine vorsätzlich herbeigeführte Unfallverletzung den Deckungsschutz ausschließe. Er bejaht dies — d. h. Ausschluß des Deckungsschutzes — nur für den Fall, daß sich der Vorsatz des Vmers auch auf die Herbeiführung der Infektion erstreckt habe. Diese Auffassung muß als konsequent bezeichnet werden, wenn man die Wundinfektion als Fiktion eines Unfalles im Sinne eines echten Einschlusses deutet. Berücksichtigt man ferner, daß eine Unfallverletzung im Sinne des § 2 (2) b AUB keine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 2 (1) AUB zu sein braucht, sondern nur geeignet sein muß, sich von einer evtl. unbemerkten und für sich gesehen unbedeutenden — noch so kleinen — Verletzung der Haut zu einer Infektion zu entwickeln, so spricht auch diese Erwägung — stets vorausgesetzt, daß es sich hier um einen echten Einschluß handelt - dafür, die in § 2 (2) b AUB genannten Voraussetzung einer Unfallverletzung trotz des Hinweises auf den Unfallbegriff als eigenständigen, d. h. vom Unfallbegriff unabhängigen Teil des Einschlußtatbestandes zu behandeln, so daß Wussow a. a. O. darin zu folgen ist, daß Vsschutz dann besteht, wenn zwar die Unfallverletzung, nicht aber die Wundinfektion freiwillig erlitten worden ist. 336

Wagner

IV. Ausschlüsse IV. Αι Gliederung: Schrifttum Anm. G 130 1. Allgemeines Anm. G 131-137 a) Übernahme eines regulären Unfallrisikos in der Allgemeinen Unfallv Anm. G 131 b) Darstellungsprinzip Anm. G 132 c) Abgrenzung der Ausschlußtatbestände von Obliegenheiten, deren Verletzung den Eintritt des Vsfalles zur Folge hat Anm. G 133 aa) Problemstellung Anm. G 133 bb) Stellungnahme Anm. G 134 d) Ausschlußklauseln und Gefahrerhöhung Anm. G 135 e) Auslegung von Ausschlußbestimmungen Anm. G 136 f) Beweislast Anm. G 137 2. Unfälle, die durch Kriegsereignisse verursacht werden Anm. G 138-140 a) Geschichte der Kriegsklausel Anm. G 138 b) Zweck der Ausschlußbestimmung Anm. G 139 c) Voraussetzungen des Ausschlußtatbestandes Anm. G 140 3. Unfälle, die durch innere Unruhen verursacht werden, sofern der Vte auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat Anm. G 141-143 a) Geschichte Anm. G 141 b) Zweck des Ausschlußtatbestandes Anm. G 142 c) Merkmale des Ausschlußtatbestandes Anm. G 143 4. Ausschluß von Unfällen, die der Vte erleidet infolge der vorsätzlichen Ausführung oder des Versuches von Verbrechen oder Vergehen Anm. G 144-151 a) Geschichte Anm. G 144 b) Zweck des Ausschlußtatbestandes Anm. G 145 c) Voraussetzungen des Ausschlußtatbestandes Anm. G 146 22

B r u c k - M ö l l e r . VVG, 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

aa) Bedeutung der Verweisung auf Straftatbestände Anm. G 146 bb) In Betracht kommende Arten strafbarer Handlungen Anm. G 147 cc) Teilnahme Anm. G 148 dd) Versuch Anm. G 149 ee) Adäquate Kausalität Anm. G 150 d) Beweislast und Beweisführung Anm. G 151 5. Ausschluß von Gesundheitsschädigungen durch Heilmaßnahmen und Eingriffe, die der Vte an seinem Körper vornimmt oder vornehmen läßt Anm. G 152-157 a) Geschichte Anm. G 152 b) Zweck der AusschluBbestimmung Anm. G 153 c) Der Tatbestand des § 3 (3) AUB Anm. G 154 aa) Heilmaßnahmen Anm. G 154 bb) Eingriffe Anm. G 155 d) Einschränkung des Ausschlußtatbestandes für Maßnahmen, die Folgen eines Unfallereignisses betreffen Anm. G 156 e) Einschränkung des Ausschlußtatbestandes für „Eingriffe des täglichen Lebens" Anm. G 157 6. Ausschluß von Unfällen infolge von Schlaganfällen, epileptischen Anfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Vten ergreifen Anm. G 158-164 a) Geschichte Anm. G 158 b) Zweck und Bedeutung der AusschluBbestimmung Anm. G 159 c) Merkmale des Ausschlußtatbestandes Anm. G 160-163 aa) Gemeinsames Anm. G 160 bb) Schlaganfälle Anm. G 161 cc) Epileptische Anfälle Anm. G 162

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers dd) Krampfanfälle Anm. G 163 d) Kein Ausschluß, wenn Unfallfolge Anm. G 164 7. Ausschluß von Unfällen infolge von Geistes- und Bewußtseinsstörungen, auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht worden sind Anm. G 165-206 a) Geschichte Anm. G 165 b) Abgrenzung des Anwendungsbereichs Anm. G 166-168 aa) Abgrenzung von der Gefahrerhöhung Anm. G 166 bb) Abgrenzung von nachträglicher Vsunfähigkeit Anm. G 167 cc) Konkurrenz mit anderen Ausschlüssen Anm. G 168 c) Zweck und Auslegung der Ausschlußklausel Anm. G 169 d) Begriff der Geistesstörung Anm. G 170 e) Begriff der BewuBtseinsstörung Anm. G 171-173 aa) Begriffsinhalt Anm. G 171 bb) Entwicklung aus den Besonderheiten des Straßenverkehrs Anm. G 172 cc) Abgrenzung der BewuBtseinsstörung Anm. G 173 f) Fallgruppen Anm. G 174-195 aa) Allgemeines Anm. G 174 bb) Bewußtseinsstörung von Kraftfahrern (PKW und LKW) Anm. G 175-181 aaa) Allgemeines Anm. G 175 bbb) Gleichstellung von Bewußtseinsstörung und Fahruntüchtigkeit Anm. G 176 ccc) Rechtsprechung vor 1945 Anm. G 177 aaaa) Vorbemerkung Anm. G 177 bbbb) Uberblick über die Entscheidungen Anm. G 178 338

Wagner

ddd) Rechtsprechung nach 1945 Anm. G 179 aaaa) Deckungsschutz verneint Anm. G 179 bbbb) Deckungsschutz bejaht Anm. G 180 cccc) Zusammenfassung Anm. G 181 cc) Bewußtseinsstörung bei Fahrern von Motorrad und Motorroller Anm. G 182-184 aaa) Allgemeines Anm. G 182 bbb) Bewußtseinsstörung bejahen Anm. G 183 ccc) Deckungsschutz trotz möglichen Alkoholeinflusses gewähren Anm. G 184 dd) Vsschutz für Unfälle, die ein nicht bewußtseinsgestörter Vter erleidet, weil er sich einem nicht fahrtüchtigen Kraftfahrer anvertraut Anm. G 185-188 aaa) Uberblick Anm. G 185 bbb) Treueverstoß des Vten? Anm. G 186 ccc) Verneinung des Deckungsschutzes für den unter Alkoholeinfluß stehenden Mitfahrer Anm. G 187 ddd) Bejahung des Deckungsschutzes für Mitfahrer Anm. G 188 ee) Bewußtseinsstörung von Radfahrern Anm. G 189-191 aaa) Rückschluß von BÄK auf Bewußtseinsstörung Anm. G 189 bbb) Überblick über die Rechtsprechung zur Bewußtseinsstörung von Radfahrern Anm. G 190 aaaa) Deckungsschutz wegen unfallursächlicher Bewußtseinsstörung verneinen: Anm. G 190 bbbb) Unfallursächliche Bewußtseinsstörung verneint Anm. G 191

IV. Ausschlüsse ff) BewuBtseinsstörung von Fußgängern im Straßenverkehr Anm. G 192-194 aaa) Allgemeines Anm. G 192 bbb) Überblick über die zur BewuBtseinsstörung eines Fußgängers im Straßenverkehr ergangenen Entscheidungen Anm. G 193-194 aaaa) Deckungsschutz ist in folgenden Fällen verneint worden Anm. G 193 bbbb) Deckungsschutz bejaht haben Anm. G 194 gg) Bewußtseinsstörungen bei Unfällen außerhalb des Straßenverkehrs Anm. G 195 g) Kritische Würdigung der herrschenden Rechtsprechung Anm. G 196 h) Kausalität der Geistes- oder BewuBtseinsstörung für den Unfall Anm. G 1 9 7 - 1 9 8 aa) Allgemeines Anm. G 197 bb) Mitursächlichkeit Anm. G 198 i) Beweis und Beweislast Anm. G 199-204 aa) Allgemeines Anm. G 199 bb) Beweis von BewuBtseinsstörung Anm. G 200 cc) Beweis der Ursächlichkeit der BewuBtseinsstörung für einen Unfall Anm. G 2 0 1 - 2 0 4 aaa) Vorbemerkung Anm. G 201 bbb) Absolute Untüchtigkeit eines Verkehrsteilnehmers Anm. G 202 ccc) Relative Untüchtigkeit eines Verkehrsteilnehmers Anm. G 203 ddd) Beweis der Unfallursächlichkeit einer BewuBtseinsstörung außerhalb des Straßenverkehrs Anm. G 204 k) Kritik an der Beweiswürdigungspraxis der Rechtsprechung Anm. G 205 22*

aa) Allgemeines Anm. G 205 bb) Anscheinsbeweis Anm. G 206 8. Ausschluß von Berufs- und Gewerbekrankheiten Anm. G 2 0 7 - 2 1 5 a) Geschichte Anm. G 207 b) Rechtsnatur der Bestimmung Anm. G 208 aa) Wortlaut Anm. G 208 bb) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 1 AUB Anm. G 209 cc) Zweck des § 2 (3) a AUB Anm. G 210 dd) Stellungnahme: Ausschluß und Klarstellung Anm. G 211 c) Reichweite des Ausschlusses Anm. G 2 1 2 - 2 1 4 aa) Allgemeines Anm. G 212 bb) Rechtsprechung Anm. G 213 cc) Unfälle, die durch Berufs- und Gewerbekrankheiten verursacht werden Anm. G 214 d) Anhang: Berufskrankheitenverordnung Anm. G 215 9. Sondergefahren Anm. G 2 1 6 - 2 2 0 a) Allgemeines Anm. G 216 b) Geschichte Anm. G 217 c) Die ausgeschlossenen Sondergefahren Anm. G 2 1 8 - 2 2 0 aa) Luftgefahren Anm. G 218 bb) Fahrtveranstaltungen zur Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit Anm. G 219 cc) Anhang: Militärdienst Anm. G 220 10. Herbeiführung des Unfalles durch den Vmer Anm. G 221 11. Ausschluß von Vergiftungen Anm. G 2 2 2 - 2 2 7 a) Geschichte Anm. G 222

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339

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers b) Bedeutung des Ausschlußtatbestandes als Teil des Unfallereignisses Anm. G 223 c) Tatbestand Anm. G 224 aa) Einführung fester oder flüssiger Stoffe Anm. G 224 bb) Einführung durch den Schlund Anm. G 225 cc) Abgrenzung von Ersticken und Verätzen Anm. G 226 dd) Vergiftung als Unfallfolge Anm. G 227 12. Ausschluß von Infektionskrankheiten Anm. G 2 2 8 - 2 3 4 a) Geschichte Anm. G 228 b) Begriff der Infektion Anm. G 229 aa) Allgemeines Anm. G 229 bb) Stich der Anopheles-Mücke Anm. G 230 cc) Biß durch Kleiderläuse Anm. G 231 c) Bedeutung des Tatbestandes Anm. G 232 aa) AusschluB Anm. G 232 bb) Klarstellung Anm. G 233 cc) Abgrenzung zur Wundinfektion Anm. G 234

aa) Vorbemerkung Anm. G 240 bb) Umfang des Vsschutzes Anm. G 241 cc) Anhang: Röntgenklausel für Ärzte Anm. G 242 14. Ausschluß von Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüssen Anm. G 2 4 3 - 2 4 7 a) Geschichte Anm. G 243 b) Zweck und Struktur der Bestimmung Anm. G 244 Merkmale des Ausschlußtatbestandes Anm. G 245 d) Ergänzende Klarstellung gemäß § 2 (3) c IV S. 1 AUB Anm. G 246 e) Beweislast Anm. G 247 15. Ausschluß von Ursachen für Bauch- und Unterleibsbrüche Anm. G 2 4 8 - 2 5 0 a) Geschichte Anm. G 248 b) Bedeutung des § 10 (3) AUB Anm. G 249 c) Tatbestand Anm. G 250 16. Ausschluß von Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen Anm. G 2 5 1 - 2 5 7

d) Infektion als Folge eines Unfallereignisses Anm. G 235-236 aa) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 1 AUB Anm. G 235 bb) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 2 AUB Anm. G 236 13. Ausschluß von Strahlenwirkungen Anm. G 2 3 7 - 2 4 2 a) Geschichte Anm. G 237 b) Bedeutung: Ausschluß und Klarstellung Anm. G 238 c) Tatbestand Anm. G 239 d) Besonderheiten der Strahlenunfallv Anm. G 240

340

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a) Geschichte Anm. G 251 b) Die Behandlung der „psychischen Einwirkung" und ähnlicher Formulierungen durch die Rechtsprechung Anm. G 252-253 aa) Allgemeiner Überblick Anm. G 252 bb) Überblick über die Entscheidungen, die bei psychisch vermittelter Gesundheitsschädigung Deckungsschutz gewähren Anm. G 253 c) Auslegung Anm. G 2 5 4 - 2 5 7 aa) Interpretation im Zusammenhang mit der Geschichte des Unfallbegriffs Anm. G 254 bb) Wortinterpretation Anm. G 255 cc) Lebenssprachgebrauch Anm. G 256

IV. Ausschlüsse

Anm. G 131

dd) Ergebnis Anm. G 257 17. Neuroseklausel Anm. G 2 5 8 - 2 6 2 a) Stellung innerhalb der AUB Anm. G 258 b) Zweck und Geschichte des Ausschlußtatbestandes des § 10 (5) AUB Anm. G 259 c) Struktur und Bedeutung Anm. G 260 d) Merkmale des § 10 (5) AUB Anm. G 261 e) Beweislast Anm. G 262 18. Krampfadern und schwüre Anm. G 2 6 3 - 2 6 6

Unterschenkelge-

a) Geschichte Anm. G 263 b) Bedeutung Anm. G 264 c) Merkmale Anm. G 2 6 5 - 2 6 6 aa) Krampfadern Anm. G 265 bb) Unterschenkelgeschwüre Anm. G 266 19. Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen Anm. G 2 6 7 - 2 6 9 a) Geschichte Anm. G 267 b) Zweck und Bedeutung der Ausschlußbestimmung Anm. G 268 c) Merkmale des AusschluBtatbestandes Anm. G 269

[G 130] Schrifttum: Bentlage VersR 1976 S. 1118-1120, Bischoff VersR 1972 S. 799-808, Büchner NJW 1947/48 S. 295, Büdenbender VersR 1974 S. 211-213, Dreger ZfV 1958 S. 6 6 - 6 8 , ders. VersR 1966 S. 1179, Eberhard ZfV 1961 S. 429-430, Fritze VersR 1968 S. 7 2 6 - 7 3 0 , Gerchow ZVersWiss 1970 S. 407-415, Grewing, Die Strahlenunfallversicherung, Karlsruhe 1965, Hallermann und Wille, Festschrift für Göbbels, Karlsruhe 1964, S. 7 5 - 9 2 , Klaiber VersR 1966 S. 730, Kramer JRPV 1927 S. 343-344, ders. JRPV 1928 S. 56, Krebs VersR 1960 S. 2 8 9 - 2 9 2 , Leibi (anonym veröffentlicht) JRPV 1927 S. 329-330 und 362, Lötsch, Die Risikobeschränkungen, Hamburg 1935, Manthey VersR 1973 S. 803-804, Millert VersR 1964 S. 118-121, Möller JRPV 1942 S. 6 1 - 6 3 , Neeße VersR 1959 S. 773-778, Pfennig VersR 1956 S. 3 3 3 - 3 3 4 , Pürckhauer VersR 1967 S. 542-543, Prölss DRZ 1946 S. 4 8 - 5 1 , ders. JRPV 1941 S. 7 7 - 7 9 , ders. NJW 1955 S. 1035-1036, Schilling ZfV 1962 S. 365-367, Reimer Schmidt ZVersWiss 1968 S. 8 1 - 9 5 , Sieg BB 1970 S. 106-110, Steffani VersR 1967 S. 18-19, Wagner ZVersWiss 1975 S. 619-645, Wimmer VW 1959 S. 4 7 - 5 0 .

[G 131] 1. Allgemeines a) Übernahme eines regulären Unfallrisikos in der Allgemeinen Unfallversicherung Der Unfallver bietet seine Leistung, die Übernahme der Unfallgefahr, in Variationen an, die einer jeweils typischen Nachfrage entsprechen. Das gilt nicht nur für die verschiedenen Arten der Unfallv, sondern auch innerhalb der Allgemeinen Unfallv angesichts der Möglichkeit, sowohl für den Umfang des zu deckenden Risikos — beschrieben in §§ 2, 3, 4 und 10 AUB - als auch für Art und Höhe der Entschädigungsleistung besondere Vereinbarungen zu treffen. Solche Vereinbarungen sind z. B. hinsichtlich des Risikos in § 4 (4) und im Hinblick auf die Vssumme (durchgehend) in § 8 AUB vorgesehen. Die in den AUB enthaltenen Bestimmungen über die Risikobeschreibung lassen das Bestreben des Vers erkennen, deutlich zu machen, daß er grundsätzlich nur bereit ist, eine gleichsam normale Unfallgefahr zu decken. Angesichts des verfestigten und in seiner Definition sehr weit gefaßten Unfallbegriffs ist der Ver gehalten, durch eine Reihe von Risikobeschränkungen im Vertragswerk diejenigen Unfälle vom Vsschutz auszunehmen, die sich aus einer irregulären, erhöhten Gefahrenlage entwickeln, und ferner solche Folgen eines Unfallereignisses vom Deckungsschutz auszuschließen, die Wagner

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Anm. G 133

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

durch atypische Besonderheiten (z.B. Anfälligkeit) in der Person des Vten bedingt sind. [G 132] b) Darstellungsprinzip Die Risikobeschränkungen finden sich im Text der AUB in den genannten Vorschriften der §§ 2, 3, 4 und 10, ohne daß dieser Aufbau des Bedingungstextes aus dem Sachzusammenhang als einleuchtend erscheint. Die nachstehende Darstellung von Ausschlußtatbeständen wird sich deshalb nicht an die — ζ. T. durch die historische Entwicklung des Bedingungstextes erklärbare — Reihenfolge innerhalb der AUB halten, sondern von dem von Möller (Bruck-Möller Anm. 31 vor §§ 49-80) verwendeten Bild der Stufengefahr für die Gefahrverwirklichung in der Unfallv ausgehen und die Darstellung der Ausschlußtatbestände nach dem Gesichtspunkt ordnen, für welche Stufe der Gefahrverwirklichung (vgl. hierzu die Darstellung bei Bruck-Möller § 49 Anm. 132 letzter Absatz) der jeweils darzustellende Ausschlußtatbestand wirksam wird. Dieser Gesichtspunkt der Unterscheidung führt dazu, die in §§ 2, 3, 4 und 10 AUB aufgeführten Risikobeschränkungen in drei Gruppen einzuteilen: Die e r s t e G r u p p e bilden die sogenannten G e f a h r u m s t a n d s a u s s c h l u ß k l a u seln: Es sind Tatbestände, die für einen Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB ursächlich werden. Sie bewirken, daß dieser Unfall mit allen Folgen völlig vom Deckungsschutz ausgenommen wird. Solche Klauseln werden nachstehend unter 2) bis 10) (Anm. G 131-221) dargestellt werden. Die zweite Gruppe hat mit der erstgenannten gemeinsam, daß zwar ein der Definition des Unfallbegriffs entsprechender Vorgang stattfindet, daß indessen der Dekkungsschutz wegen der besonderen A r t d e r E i n w i r k u n g ausgeschlossen ist. Diese Art der Ausschlußtatbestände wird in den Ziffern 11) bis 15) (Anm. G 222—250) dargestellt werden. Bei der dritten Gruppe liegt ebenfalls ein den Voraussetzungen des § 2 (1) AUB entsprechender Unfall vor. Hier wird nicht der Deckungsschutz vollen Umfangs, sondern nur für b e s t i m m t e Folgen des U n f a l l e r e i g n i s s e s ausgeschlossen. Diese Fallgruppe wird unter den Ziffern 16 bis 19 (Anm. G 251-269) dargestellt werden. [G 133] c) Abgrenzung der Ausschlußtatbestände von Obliegenheiten, deren Verletzung den Eintritt des Vsfalles zur Folge hat aa) Problemstellung Im Zusammenhang mit Vertragsschluß und Vertragsdauer sind die zugunsten des Vmers zwingend ausgestalteten Regelungen der vorvertraglichen Anzeige- und der nach Vertragsschluß (formeller Vsdauer) wirksam werdenden Gefahrstands-„Pflicht" dargestellt worden. Gemäß § 15 a ebenfalls zugunsten des Vmers zwingend werden in § 6 I und II die Rechtsfolgen der Verletzung von Obliegenheiten geregelt, die sich auf die vte Gefahr beziehen. Für die Abgrenzung der Obliegenheiten von den hier dargestellten „Ausschlüssen" sind primär die in § 6 I und II genannten (d.h.: als vereinbart vorausgesetzten) Obliegenheiten bedeutsam, da es um die Abgrenzung der Ausschlüsse von Normen geht, die sich — ebenfalls — auf den Zustand des Vertragsverhältnisses im Hinblick auf die Gefahrenlage vor dem Vsfall beziehen. Eine solche Abgrenzung ist erforderlich, weil die zugunsten des Vmers zwingende Vorschriften des § 6 I und II, die für die Leistungsfreiheit des Vers besondere, ζ. T. weitergehende Voraussetzungen fordern, als sie in den hier erörterten Ausschlußtatbeständen enthalten sind, dadurch umgangen werden könnten, daß eine Risikobeschränkung, die ihrem materiellen Gehalt nach eine Obliegenheitsverletzung darstellt, 342

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 133

in die Form einer Gefahrumstandsausschlußklausel, einer auflösenden Bedingung oder einer Bestimmung über den Vsort gekleidet wird. Die hieraus sich ergebende Notwendigkeit, nahezu jede Risikobeschränkung auf ihren materiellen Gehalt zu überprüfen, ist seit mehr als 50 Jahren anerkannt (Nachweise bei Bruck-Möller § 6 Anm. 14) und wird in der Literatur seit 1935 nach dem Vorgang von Albert A. Ehrenzweig (vgl. den Hinweis bei Möller VersRdsch 1970 S. 329 mit Fußn. 1) unter dem Stichwort „verhüllte Obliegenheiten" behandelt. Für den Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung ist angesichts der Fülle der Veröffentlichungen zu diesem Thema auf den Überblick von Sieg BB 1970 S. 106ff. (108-110) und Bischoff VersR 1972 S. 799—808 — jeweils mit weiteren Nachweisen — hinzuweisen. In der Allgemeinen Unfallv stellt sich dieses Problem auch für die Vorschrift des § 5 AUB, die sachlich einen Risikoausschluß zum Inhalt hat, obwohl sie im Text der AUB im Zusammenhang mit Vertragsschluß und Vsdauer steht sowie für alle Ausschlußtatbestände des § 3 (1)—(4) AUB, soweit sie ein Verhalten des Vmers voraussetzen, vgl. zur Regelung des § 5 AUB, die bis 1961 — in etwas anderer Fassung — in § 3 (7) AVB enthalten war, Bruck-Möller § 6 Anm. 14 und Bruck-Möller-Wriede Anm. C 4, S. 48; zu § 3 (3) AUB Möller VersPrax 1935 S. 46, Lötsch, Risikobeschränkungen S. 57 und Henke, Ausschlüsse S. 69; zu § 3 (4) AUB (Bewußtseinsstörungen durch Trunkenheit) Bischoff VersR 1972 S. 805 Ii. Sp. unten. Eine Lösung des Problems der „verhüllten Obliegenheiten" setzt voraus, daß der Begriff der Obliegenheit seinem Inhalt nach auf m a t e r i e l l e K r i t e r i e n zurückzuführen ist, die sich für den gesamten Bereich des Vsrechts als in gleicher Weise maßgeblich und geeignet erweisen, eine Funktion zu erfüllen, die dem Gewicht der (relativ) zwingenden Regelung entspricht. Der im Anschluß an Reimer Schmidt, Die Obliegenheiten, 1953, S. 313-314, von Bischoff VersR 1972 S. 799 (801-804) unternommene neuartige Versuch, den materiellen Gehalt der Obliegenheit durch die Unterscheidung von „Sorgfaltsverhalten", das der Vmer auch ohne Bestehen der Versicherung typischerweise zur Wahrnehmung eigener Schutzbelange beobachten würde — dieses entspreche dem materiellen Gehalt der Obliegenheiten - , von einem „autonomen Verhalten", dessen Motivation durch das Bestehen der Versicherung typischerweise unberührt bleibe, zu ermitteln, entspricht insoweit der Konzeption des VVG, als das Gesetz durchgehend das Bestreben erkennen läßt, die Gefahrverwirklichung zu verhindern, vgl. §§ 6 II, 61-63 und für die Unfallv §§ 181, 183, 185. Bischoff bezeichnet das aus seiner Wertung folgende Ergebnis als paradox, weil der Vmer kraft seines autonomen Verhaltens u. U. weitergehenden vsrechtlichen Sanktionen (verschuldensunabhängigen Ausschlüssen) ausgesetzt sein kann, als infolge eines eher selbstverständlichen Sorgfaltsverhaltens, das, als Obliegenheit qualifiziert, ihn durch das Erfordernis des Verschuldens (stets) und der Kausalität (zumeist) weitergehend vor Rechtsverlusten schützt. Aber dieses Paradoxon besteht nur dann, wenn die von Bischoff nicht ausdrücklich begründete Prämisse zutrifft, daß dem Vmer ein Bereich sog. autonomen Handelns verbleibt, das trotz der vertraglichen Bindung nicht mißbilligt wird, obwohl seine Folgen mit dem Vertragszweck kollidieren. Verneint man dies entsprechend dem im Vertragsrecht aus § 242 BGB folgend anerkannten Grundsatz, daß der Vertragspartner dem Vertragszweck nicht zuwiderhandeln darf (Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl., S. 28—30 m.N.), so wiegt das autonome Handeln u.U. schwerer als eine erfahrungsgemäß ständig vorkommende Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten, deren Folgen der Vmer durch Abschluß des Vsvertrages gerade abfangen will. — Den Ausführungen Bischoffs zur Warnfunktion vertraglich vereinbarter Obliegenheiten (a. a. O. S. 803 Ii. Sp.) ist zuzustimmen, sie betreffen indes nicht den materiellen Gehalt des Obliegenheitsbegriffs, sondern seinen Zweck. Aus dem Zweck der Obliegenheiten einerseits und den anderen Formen der RisikobeschränWagner

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Aron. G 136

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

kungen andererseits läßt sich der materielle Gehalt der Obliegenheit nicht gewinnen, da ihr Zweck in der Regel mit dem des Ausschlusses identisch ist. [G 134] bb) Stellungnahme Geht man von dem — soweit ersichtlich — unbestrittenen Grundsatz aus, daß der Ver hinsichtlich der Übernahme des Risikos frei ist, soweit er nicht unter Abschlußzwang steht (vgl. Bischoff a.a.O. S. 799), und daß er darüber entscheidet, welchen Umfang der zu übernehmenden Gefahrtragimg er anbietet, so reduziert sich das Sachproblem der verhüllten Obliegenheiten im Bereich des § 6 I und II auf die Frage, ob die Ausgestaltung dieser Vorschrift als relativ zwingend einen weitergehenden legitimen Zweck hat, als den, den Vmer vor einem von ihm nicht abzuschätzenden und sachlich nicht zu rechtfertigenden Rechtsverlust aufgrund verschuldensunabhängiger Bedingungs- und Ausschlußtatbestände zu bewahren. Bezogen auf die Ausschlüsse der Allgemeinen Unfallv bedeutet dies, daß insbesondere die Tatbestände des § 3 AUB unmittelbar auf die primäre Gefahrtragung bezogen sind: Sie bringen zum Ausdruck, daß der Unfallver die gleichsam normale Unfallgefahr, nicht aber darüber hinausgehende Risiken, zu tragen bereit ist. Dem entspricht es, daß nach Bruck-Möller § 6 Anm. 12 Gefahrbegrenzungen, auch Gefahrumstandsausschlußklauseln, soweit sie Kausalität zwischen dem Ausschlußtatbestand und dem Vsfall voraussetzen, nicht als (verhüllte) Obliegenheiten zu behandeln sind, vgl. hierzu auch die grundlegenden Bemerkungen von Reimer Schmidt ZVersWiss 1968 S. 81—95, der nach dem in § 15 a zum Ausdruck kommenden Schutzzweck differenziert (S. 88—89). Sie könnten vielleicht durch den Hinweis abgerundet werden, daß § 15 a und die dort genannten Vorschriften des § 6 „leges imperfectae" in dem Sinne sind, daß es ihnen zwar nicht an der Regelung der Rechtsfolge, wohl aber an der hinreichenden Beschreibung des Tatbestandes fehlt, weil das Gesetz über den materiellen Gehalt einer Obliegenheit keinen Aufschluß gibt. [G 135] d) Ausschlußklanseln und Gefahrerhöhung Die im folgenden darzustellenden Ausschlußtatbestände sind, soweit es sich um Gefahrumstandsausschlußklauseln handelt, keine Gefahrerhöhungen im Sinne des § 23. Denn für den Begriff der Gefahrerhöhung ist wesentlich, „daß der bisherige Zustand in einen neuen Zustand vertauscht wird derart, daß nunmehr in ihm die Gefahr stehen zu bleiben oder auszuruhen geeignet ist, daß also die Gefahrenlage auf ein neues, höheres Niveau emporsteigt, auf dem sie sich ebenso wie auf dem bisherigen stabilisieren und die Grundlage eines neuen, natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann", so BGH 18. X. 1952 BGHZ Bd 7 S. 311-323 (318) für einen Fall der Haftpflichtv. Diese Ausführungen entsprechen heute gesicherter Auffassung, vgl. BruckMöller § 23 Anm. 9 und für die Kfz.-Unfallv LG Siegen VersR 1952 S. 93-95. Es besteht Einigkeit darüber, daß die in § 3 AUB genannten Ausschlußtatbestände nicht als Gefahrerhöhungen der Regelung der §§ 23—27 (insbes. § 25) unterliegen. [G 136] e) Auslegung von Ausschlußbestimmungen Oben (Anm. G 131) ist ausgeführt worden, daß der Unfallver nur das „normale" Unfallrisiko übernimmt und deshalb gezwungen ist, die aus dem sehr weitgefaßten Unfallbegriff (§ 2 (1) AUB) sich ergebende Übernahme jeder beliebigen Unfallgefahr durch eine Reihe von risikobegrenzenden Bestimmungen einzuschränken. Erst die Gesamtheit der aus dem Unfallbegriff und den Ausschlüssen (im weitesten Sinne) bestehenden Gefahrbeschreibung ergibt den materiellen Inhalt der Gefahrtragung. Es ist deshalb methodisch verfehlt, das Verhältnis des Unfallbegriffs zu den Auschlußtat344

Wagner

IV. Ausschlüsse

Aiun. G 136

beständen (auch) materiell als Regel-Ausnahmeverhältnis zu werten und daraus den Schluß zu ziehen, Ausschlußtatbestände seien als Ausnahmeregeln eng auszulegen (vgl. RG 10. X. 1940 JRPV 1940 S. 187-189, OLG Breslau 20. XI. 1939 JRPV 1940 S. 87 und Möller VersPrax 1936 S. 60). Denn diese Regel zieht aus einem formalen, nämlich darstellungstechnisch bedingten, Umstand materielle Folgerungen. Wenn ihnen eine erhebliche praktische Bedeutung zukäme, müßte den Vern geraten werden, die sekundären Risikobegrenzungen in die primäre Risikobeschreibung zu übernehmen, indem sie an die Stelle einer im Stile einer Generalklausel gefaßten primären Gefahrumgrenzung (Unfallbegriff) eine positiv formulierte enumerative Aufzählung derjenigen Vorgänge setzen, die sie als Unfälle decken wollen. Dem vorstehend dargestellten Gedankengang entspricht es, daß Bruck-Möller § 6 Anm. 12 die Regelung des § 61 noch als primäre Risikoumgrenzung bezeichnet hat, weil der Ver die Gefahrtragung insoweit „von vornherein" ablehnt; im gleichen Sinne Reimer Schmidt, Obliegenheiten, S. 2 4 3 - 2 4 4 mit weiteren Nachweisen, ähnlich Bischoff VersR 1972 S. 799 Ii. Sp. oben. Eine kritische, enge Auslegung der Ausschlußtatbestände könnte vielleicht mit der Erwägung begründet werden, daß es Aufgabe des den Vertragstext formulierenden Vers sei, bei der Formulierung mit Sorgfalt vorzugehen und Einschränkungen des Vsschutzes sprachlich so zu fassen, daß der verständige und aufmerksame Vmer vor Vertragsschluß Klarheit über den Umfang des Vsschutzes gewinnt. Indessen verliert dieser Gedanke, der allein geeignet ist, die sog. Unklarheitenregel zu rechtfertigen (jetzt: § 5 AGB-Gesetz), durch die Einflußnahme der Aufsichtsbehörde auf die Formulierung der AVB an Gewicht. Es ist deshalb der neueren Rechtsprechung zuzustimmen, wenn sie als Richtlinie für die Auslegung von Ausschlußtatbeständen primär auf deren Sinn und Zweck abstellt und hinzufügt, daß Ausschlüsse — auf der Grundlage dieser Erwägung — nicht weiter auszulegen seien, als ihr wirtschaftlicher Zweck es erfordere. In dieser Klarheit hat erstmals der Oberste Gerichtshof für die britische Zone O G H 7. X. 1949 O G H Z Bd 2 S. 2 9 8 - 3 0 3 die Grundsätze für die Auslegung von Auschlußtatbeständen im Zusammenhang mit der Kriegsklausel in der Unfallv formuliert. Das Gericht gewinnt seine Entscheidung aus einer Abwägung des Interesses des Vers, nur das normale Unfallrisiko zu decken, einerseits und des angesichts der im Kriege fortgesetzten Prämienzahlung schutzwürdigen Interesses des Vmers, nicht den Deckungsschutz für alle Unfälle zu verlieren, die auch nur mittelbar aus dem Kriegszustand folgen, andererseits. In ähnlicher Weise hatte bereits OLG Breslau 20. XI. 1939 JRPV 1940 S. 87 die Höhe der dort vereinbarten Prämie für die Auslegung des Ausschlusses „Hitzschlag" mitberücksichtigt. BGH 21. II. 1957 VersR 1951 S. 79—80 mit Anm. Haidinger greift die Formel des OGH für die Auslegung der Überschwemmungsklausel in der Allgemeinen Haftpflichtv auf. In beiden Entscheidungen wird indessen gegen den Ver entschieden, die Ausschlußklausel im Ergebnis also (doch) eng ausgelegt. Der Eindruck, daß in der neueren Rechtsprechung mit einer Auslegungsregel, die unter bestimmten Voraussetzungen auch zu einer weiten, dem Vmer ungünstigen Auslegung führen könnte, wenn dies dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck des Ausschlusses entspricht, in der Praxis dieselben Ergebnisse begründet werden, die sich früher aus der formalen Regel ergab, Ausschlüsse seien als Ausnahmetatbestände eng auszulegen, wird durch BGH 24. VI. 1963 VersR 1963 S. 7 6 6 - 7 6 8 = NJW 1963 S. 2171-2173 bestärkt: Hier wird als Schußwaffe im Sinne eines Ausschlußtatbestandes der Familienhaftpflichtv eine Luftpistole angesehen, die als Kinderspielzeug verwendet wird. Soweit diese Entscheidung (auch) mit der Erwägung begründet wird, eine Ausschlußkausel könne nicht immer schon dann einschränkend ausgelegt werden, wenn andere, ähnliche Risiken nicht ausgeschlossen würden — z. B. Schießen mit Pfeil und Bogen — so hätte dieser Satz angesichts des in den vorgeWagner

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Anm. G 138

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

nannten Entscheidungen ausgesprochenen Hinweises u. a. auf den wirtschaftlichen Zweck der Ausschlußklausel zumindest näherer Begründung bedurft. Die Auslegung des Begriffs Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB (hierzu Anm. G 171) durch eine nunmehr einhellige Rechtsprechung zeigt, daß die Gerichte in Wahrheit nicht bereit sind, sich auf bestimmte, als Auslegungsgrundsätze formulierte Regeln festzulegen : Die Auslegung dahingehend, daß eine Bewußtseinsstörung infolge Alkoholgenusses im Sinne des Ausschlußtatbestandes des § 3 (4) AUB immer schon dann vorliegt, wenn der Vte fahruntüchtig ist, widerspricht dem Grundsatz, daß AVB so auszulegen seien, wie der durchschnittlich verständige Vmer sie auffassen darf. Ob diese Auslegung dem wirtschaftlichen Zweck des Ausschlußtatbestandes entspricht, wird in den hierzu ergangenen Entscheidungen nur mit dem Hinweis begründet, daß die Unfallgefahr sich infolge des Alkoholgenusses erhöht. Daß Trunkenheit des Kraftfahrers indes nicht zu den zahlenmäßig vorherrschenden Unfallursachen zählt, ist seit langem bekannt (vgl. unten Anm. G 205). Hier ist die Auslegung des Ausschlußtatbestandes in Wahrheit rechtspolitisch (generalpräventiv) motiviert. Soweit in Ausschlußtatbeständen Ausdrücke verwendet werden, mit denen die Rechtssprache einen fest umrissenen Begriff verbindet, ist für die Auslegung dieser Rechtsbegriff maßgeblich. Insoweit tritt die Auslegung nach dem allgemeinen Lebenssprachgebrauch zurück, BGH 24. VI. 1963 VersR 1963 S. 766-768 = NJW 1963 S. 2171—2173, einhellige Meinung. Das gilt auch für die Verwendung strafrechtlicher Begriffe, vgl. Bruck-Möller Einl. Anm. 57 und die Nachweise zu § 3 (2) AUB unten Anm. G 146. [G 137] f) Beweislast Da der Ver grundsätzlich - d. h. hier: als Regelfall - beim Vorliegen der Voraussetzungen des Vsfalles deckungspflichtig ist, hat er, um der Deckungspflicht zu entgehen, die Merkmale eines Ausschlußtatbestandes zu beweisen. Das ist heute so allgemein anerkannt, daß an dieser Stelle der Hinweis auf Wussow AUB 4 § 3 Anm. 1, Prölss-Martin 21 § 3 Anm. 6 und Millert VersR 1964 S. 119-121, jeweils mit weiteren Nachweisen — als ausreichend angesehen werden darf. Die hiervon scheinbar abweichende Entscheidung des OLG Dresden 15. VI. 1933 S. 356—357 Nr. 2594 erklärt sich aus dem dort zugrundegelegten Unfallbegriff, der eine äußere g e w a l t s a m e Einwirkung voraussetzte, diese hatte die Klägerin nicht beweisen können. [G 138] 2. Unfälle, die durch Kriegsereignisse verursacht werden a) Geschichte der Kriegsklausel Der Ausschluß von Unfällen, die durch Kriegsereignisse verursacht werden, beruht auf einer langen Tradition, die auch für andere Vszweige gilt. Schon die VerbandsBedingungen von 1904 schlossen in § 1 Abs. 5 (u. a.) Unfälle durch Kriegsereignisse vom Deckungsschutz aus. In gleicher Weise wurde dieser Ausschluß in § 4 II. Ziff. 5 der AVB von 1910 (VA 1910 S. 184) und § 3 Ziff. 1 der AVB von 1920 (VA 1920 S. 103) formuliert. Die Bedingungen von 1920 enthielten erstmals eine Sonderregelung für Angehörige der Wehrmacht (§ 21 der AVB von 1920), die der jetzt geltenden Bestimmung in § 4 (5) b AUB ähnlich ist. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beschloß der Verband der Privaten Unfallversicherer am 12. IX. 1939, sämtliche mittelbaren Kriegsschäden als in den Vsschutz eingeschlossen zu betrachten. In einem Rundschreiben vom 10. III. 1941 empfahl die Wirtschaftsgruppe Unfallv ihren Mitgliedern, den bedingungsgemäßen Ausschluß von Kriegsschäden in dem Sinne auszulegen, daß nur Unfälle, die in 346

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 139

unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen stehen, vom Vsschutz auszuschließen seien (Darstellung übernommen aus OHG 23. VI. 1950 OGHZ Bd 4 S. 91). Für die Unfallzusatzv der Lebensv erging im Oktober 1939 eine entsprechende Anordnung des Reichsaufsichtsamtes (Nachweise bei Möller JRPV 1942 S. 61 Fußn. 3). Danach sollte sich der Ausschluß der Unfälle durch Kriegsereignisse nur auf solche Unfälle erstrecken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen stehen (Möller a. a.O. S. 62 Ii. Sp. oben). Die hierdurch vorgezeichnete Unterscheidung von unmittelbaren und mittelbaren Kriegsschäden in der Unfallv setzte sich nach Beendigung des Krieges insbesondere im Zusammenhang mit der Fragestellung fort, ob die Unfallv für Schäden Deckungsschutz gewähren müsse, die durch Maßnahmen der Besatzungsmacht, durch Explodieren von Kriegsmunition oder durch Einwirkung von Kampfstoffen herbeigeführt werden. Hierzu haben die Unfallver im Jahre 1947 einen Beschluß gefaßt, der vom Zonenamt als Aufsichtsbehörde (VA 1948 S. 5) veröffentlicht worden ist. Dieser Beschluß sieht vor, daß sich die Unfallver für Unfälle, die sich nach dem 1. VII. 1946 ereignen, nur in eingeschränktem Maße auf den Ausschluß durch Kriegsklausel berufen. Wegen der Einzelheiten, die inzwischen praktisch bedeutungslos geworden sind, wird auf OGH 23. VI. 1950 O G H Z Bd 4 S. 91, Büchner NJW 1947/48 S. 295 und Henke Ausschlüsse S. 59—60 hingewiesen. Die AUB von 1961 haben die Kriegsklausel im Hinblick auf die vorgenannte Entwicklung der Auslegung und Handhabung im Zweiten Weltkrieg neu gefaßt (Grewing, Entstehungsgeschichte S. 14 und Millert VersR 1964 S. 119). Nach § 3 (1) AUB sind nunmehr Unfälle, die mittelbar oder unmittelbar durch Kriegsereignisse verursacht werden, vom Deckungsschutz ausgenommen. [G 139] b) Zweck der Ausschlußbestimmung Der Ausschluß von Unfällen, die Folge von Kriegsereignissen sind, beruht auf dem Gedanken, daß der Kriegszustand eine erhöhte Gefahrenlage mit sich bringt, vgl. O G H 7. X. 1949 OGHZ Bd 2 S. 298-303 (300). Indes wird nicht der Kriegszustand als solcher bereits als erhöhte Gefahr entsprechend §§ 23, 27 angesehen, sondern die Regelung des § 3 (1) AUB beschränkt sich auf die Herausnahme solcher Unfälle vom Deckungsschutz, die konkrete Folge der durch den Kriegszustand erhöhten Gefahr sind. Dabei ist die Abgrenzung von kriegsbedingten Unfällen von solchen, für die der Krieg ohne relevante Bedeutung war, im Einzelfall schwierig. Sie wird von der Rechtsprechung nach Gesichtspunkten vollzogen, die im allgemeinen Haftungsrecht der Begrenzung der Haftung durch den Schutzzweck der verletzten Norm entsprechen (oben Anm. G 92) mit der Besonderheit, daß im Unfallvsrecht nicht die Reichweite der positiven Haftung des Schädigers, sondern die Bedeutung und Wirkungsweise des Ausschlußtatbestandes in Frage steht. Das meint OGH 7. X. 1949 OGHZ Bd 2 S. 301, wenn der wirtschaftliche Zweck der Kriegsklausel in den Vordergrund gestellt und aus ihm gefolgert wird, die Klausel sei nur anzuwenden, wenn aus dem Krieg eine besondere Gefahrenlage für das vte Gut adäquat entstehe, die in ihrem Eintritt oder Ablauf unberechenbar sei und der mit dem Einsatz normaler Mittel nicht mehr begegnet werden könne, vorausgesetzt, daß der einzelne Unfall wiederum auf eine solche Gefahrenlage adäquat zurückzuführen sei. Daß die Grenze zwischen kriegsbedingten und nicht kriegsbedingten Unfällen auch mit dieser Formel nicht leicht zu finden ist, machen zwei Urteile des OGH deutlich: OGH 7. X. 1949 OGHZ Bd 2 S. 298 versagt Deckungsschutz für Tötung des Ehemannes der Klägerin durch freigelassene Polen im Frühjahr 1945, die im Kriege nach Deutschland verschleppt worden waren. Verschleppung nach Deutschland und spätere Befreiung seien adäquate Folgen des Krieges gewesen. OGH 23. VI. 1950 OGHZ Bd 4 S. 91 = VersR 1950 Wagner

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Anm. G 140

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

S. 127 m. Anm. Prölss S. 129 bejaht Deckungsschutz für den Tod eines Vten, der nach der Besetzung von amerikanischer Militärpolizei verhaftet und bei der Überführung in ein Internierungslager anläßlich eines Unfalles mit dem LKW verletzt wurde und zwei Tage später starb: Der durch leichtsinnige Fahrweise des Fahrers herbeigeführte Unfall auf der Fahrt mit dem LKW habe mit Kriegsereignissen nicht in Zusammenhang gestanden. Man wird der Kritik von Prölss a.a.O. dahingehend zustimmen müssen, daß die zweite Entscheidung nach den von der ersten herausgearbeiteten Grundsätzen nicht einleuchtend ist: Daß ein mutmaßlich politisch Belasteter von Militärpolizei verhaftet und interniert wird, dürfte typische und damit auch adäquate Folge des Kriegszustandes sein, das Verunglücken anläßlich einer LKW-Fahrt dürfte nicht als inadäquat zu werten sein.

[G 140] c) Voraussetzungen des Ausschhißtatbestandes Der B e g r i f f d e s K r i e g e s , auf dem die Auschlußklausel des § 3 (1) AUB aufbaut, ist weder völkerrechtlich noch nach der ideologischen Sprachregelung von Terroristengruppen zu verstehen: Er setzt die bewaffnete Auseinandersetzung von Völkern oder Volksgruppen voraus, die nach dem Lebenssprachgebrauch und der entsprechenden Wertung über Unruhen, Aufruhr oder die - auch planmäßige und längerdauernde — Zerstörungstätigkeit von Terroristen hinausgeht. Hiernach fällt ein Bürgerkrieg unter die Ausschlußklausel wenn die gegenseitige Bekämpfung durch kriegsmäßige Maßnahmen geschieht und nicht nur als Polizeieinsatz zu werten ist. Das gilt auch für sog. „Grenzzwischenfälle", wenn sie zu mehr führen als zu einer nur kurzen bewaffneten Auseinandersetzung; ähnlich Wussow AUB 4 § 3 Anm. 2, S. 89 und Henke Ausschlüsse S. 56. Der vsrechtliche Begriff des Krieges ist hiernach deutlich weiter als der völkerrechtliche (Henke a.a.O. S. 56). Die in diesem Zusammenhang viel zitierte Entscheidung RG 3. VII. 1917 RGZ Bd 90 S. 378-385 lehnt es aber noch ausdrücklich (a. a. O. S. 379) ab, den nur tatsächlichen Zustand als Krieg zu bezeichnen — darauf kam es für den dort entschiedenen Sachverhalt nicht an. Als K r i e g s e r e i g n i s ist jedes Geschehen anzusehen, das Folge einer durch den Krieg bewirkten Gefahrerhöhung ist, Prölss DRZ 1946 S. 4 8 - 5 1 und Henke Ausschlüsse S. 56. Sie sind gemäß § 3 ( 1 ) AUB Gefahrumstände, die den Deckungsschutz ausschließen, soweit sie unmittelbar oder mittelbar einen Unfall zur Folge haben. Ein Unfall ist dann u n m i t t e l b a r e F o l g e von Kriegsereignissen, wenn er mit den kriegsbedingten Kampfhandlungen selbst im Zusammenhang steht, vgl. insoweit die Hinweise Anm. G 138 und Henke a.a.O. S. 57, der insbesondere die relevanten mittelbaren Schäden abgrenzt. Es handelt sich hierbei um unmittelbar als Unfall für den Betroffenen wirkende Folgen des Kampfgeschehens wie Getroffenwerden von Granaten oder Bomben, Verletzung oder Tod durch Brand, der seinerseits Folge des Kriegsgeschehens ist. Problematisch für die Abgrenzung des Ausschlußtatbestandes ist die Abgrenzung relevanter m i t t e l b a r e r Schäden von Unfällen, die mit dem Kriegsgeschehen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen. Die besondere Schwierigkeit dieser Abgrenzung ergibt sich in der Personenv daraus, daß der Krieg regelmäßig zu einer Erschwerung der Lebensbedingungen des Vten führt, so daß vielfach anzunehmen ist, daß ein Unfall sich in ruhigeren Friedenszeiten nicht ereignet haben würde. Diese allgemeine Erschwerung begründet die Anwendung der Ausschlußklausel nicht. Die Feststellung, daß sich ein Unfall als atypischer, nicht ausgeschlossener Kriegsschaden darstellt (hierzu Henke a. a. O. S. 57), der auch in Friedenszeiten in gleicher Art und in gleichem Umfang aufgetreten wäre, setzt mehr voraus als die Unabhängigkeit dieses Unfalles vom Kriegszustand, nämlich die wertende Feststellung, daß es sich nicht um 348

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 142

einen Unfall handelt, für den die aus dem Kriege resultierende erhöhte Gefahrenlage typisch ist. Die Schwierigkeiten dieser Abgrenzung zeigt der Fall OGH 23. VI. 1950 O G H Z Bd 4 S. 91: Der Vte war auf dem Wege zu einem Internierungslager verunglückt. Das Gericht stellt es darauf ab, daß ein solcher Unfall mit einem LKW nicht typische Folge des Krieges sei. Es berücksichtigt aber nicht, daß der Vte dieser Gefahr nur infolge des Krieges ausgesetzt war. - Ähnlich entscheidet LG Stuttgart 18. III. 1949 D R Z 1950 S. 182 = VersR 1950 S. 66 (nur Leitsatz) für den Tod eines Kriegsgefangenen in einem Bergwerk: Ein Bergwerksunglück trete auch im Frieden immer wieder ein. Auch hier bleibt unberücksichtigt, daß der Vte dieser speziellen Gefahr nur infolge des Krieges ausgesetzt war. Nicht zutreffend OLG Bamberg 29. VII. 1948 VW 1948 S. 420: Der Vte war durch einen amerikanischen Brückenposten erschossen worden, weil der Fahrer des LKW, auf dem der Vte mitfuhr, versehentlich nicht gehalten hatte. Dieser Unfall wird nicht als auf Kriegsereignis beruhend angesehen (abl. Anm. Heibl.); in einem ähnlich liegenden Fall hatte RG 15. VI. 1917 RGZ Bd 90 S. 318 einen ausgeschlossenen Kriegsunfall angenommen. Zutreffend OLG Köln 8. V. 1946 VW 1946 S. 18: Tod durch eine liegengebliebene Handgranate im Sommer 1945 ist Unfall, der auf Kriegsereignis beruht. [G 141] 3. Unfälle, die durch innere Unruhen verursacht werden, sofern der Versicherte auf Seiten der Unruhestifter teilgenommen hat a) Geschichte Der Ausschluß von Unfällen, die durch innere Unruhen verursacht werden, entspricht in ähnlicher Weise wie der Ausschluß von Unfällen durch Kriegsereignisse einer Tradition, die nicht nur für die Personenv, sondern auch für einige Zweige der Sachv gilt. Die Verbands-Bedingungen von 1904 schlossen in § 1 Abs. 5 Unfälle durch bürgerliche Unruhen vom Deckungsschutz aus. Die AVB von 1910 schränkten diesen Ausschlußtatbestand in § 4 II. Ziff. 5 (VA 1910 S. 184) ein: Ausgeschlossen waren hiernach Unfälle, die der Vte erleidet durch bürgerliche Unruhen, es sei denn, daß er unwissentlich und nicht fahrlässiger Weise in den Gefahrenbereich der Unruhen gekommen ist. Durch die AVB von 1920 wurde der Ausschlußtatbestand weiter differenziert: Nach § 3 Ziff. 2 waren ausgeschlossen Unfälle, die der Vte erleidet durch bürgerliche Unruhen, es sei denn, daß er ohne Verschulden oder kraft seines Berufs oder bei Bemühungen zur Rettung von Personen in den Gefahrenbereich gekommen ist (VA 1920 S. 103). Die AVB von 1937 vereinfachen den Ausschlußtatbestand: Nach § 3 Ziff. 2 (VA 1937 S. 62) sind ausgeschlossen Unfälle, die der Vte erleidet durch bürgerliche Unruhen, sofern er auf seiten der Unruhestifter teilgenommen hat. Erst durch die AUB von 1961 wurden die Ausschlüsse durch Kriegsereignisse und durch Unruhen in einer Ziffer des § 3 der AVB zusammengezogen, der Begriff der b ü r g e r l i c h e n Unruhen wurde durch den der i n n e r e n Unruhen ersetzt.

[G 142] b) Zweck des Ausschlußtatbestandes Der Ausschluß von Unfällen, die durch innere Unruhen verursacht werden, trägt der besonderen Gefahrenlage Rechnung, die sich durch die Bereitschaft der hieran teilnehmenden Menschen zur Begehung von Gewalt gegen Personen und Sachen erhöht, vgl. Nickus NJW 1969 S. 2 0 - 2 1 , KG 18. V. 1973 VersR 1975 S. 175-177 und - Revisionsentscheidung hierzu - BGH 13. XI. 1974 VersR 1975 S. 126-127, alle Entscheidungen ergangen zur Glasv, ähnlich BGH 23. IV. 1952 BGHZ Bd 6 S. 28 = NJW 1952 S. 783 = VersR 1952 S. 177 zum Begriff des Aufruhrs in § 2 der AVB für Juwelen, Schmuck und Pelzsachenv. Wagner

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Anm. G 144

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 143] c) Merkmale des Ausschlußtatbestandes Innere U n r u h e n setzen voraus, daß sich eine Menschenmenge zusammenrottet, die mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Personen und/oder Sachen verübt, BGH 13.XI. 1974 VersR 1975 S.126 r.Sp. Dabei kommt es allein auf den (hypothetischen) Eindruck an, den das Gesamtgeschehen auf einen objektiven Beobachter machen würde. An den Voraussetzungen für innere Unruhen fehlt es nicht deshalb, weil möglicherweise einzelne Teilnehmer oder Gruppen innerhalb der Menschenmenge nicht gewillt sind, sich an Ausschreitungen zu beteiligen. Gefahrenquelle ist die Gesamtheit der unter dem Eindruck des Geschehens in erhöhtem Maße beeinflußbaren Menschen, deren bloße Anwesenheit als Sympathisanten Hemmungen anderer Teilnehmer erfahrungsgemäß abbaut; in diesem Sinne schon RG 28.XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 2 0 7 - 2 1 0 (Einbruchdiebstahlv), RG 8. VI. 1923 RGZ Bd 108 S. 188-191 (Feuerv), OLG Düsseldorf 24. VII. 1951 VersR 1951 S. 244 (Schmucksachenv), LG Koblenz 2. VI. 1950 VersR 1951 S. 19 und - als Beschwerdegericht - OLG Koblenz 26. X. 1950 VersR 1951 S. 19 (Feuerv). Der Begriff der Unruhen im vsrechtlichen Sinne setzt nicht die Verwirklichung eines Straftatbestandes der §§ 125, 125 a oder 127 StGB voraus, obwohl die Voraussetzungen zumindest des § 125 StGB regelmäßig gegeben sein werden. Das folgt aus der Eigenständigkeit der vsrechtlichen Begriffsbildung, die sich von der strafrechtlichen Regelung und ihren Änderungen — die Vorschriften über Aufruhr (§ 115 StGB) und Auflauf (§ 116 StGB) sind zeitlich nach der Neufassung der AUB fortgefallen — freihalten muß, und aus dem besonderen wirtschaftlichen Zweck des Ausschlußtatbestandes (vgl. oben Anm. G 139), der nicht davon abhängig ist, ob (zugleich) die Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt sind. Der Ausschlußtatbestand setzt weiter voraus, daß der Vte auf Seiten d e r U n r u h e s t i f t e r t e i l g e n o m m e n hat. Diese Einschränkung dient dem Schutz desjenigen Vten, der ohne eigenes Zutun in den Gefahrenbereich der Unruhen hineingeraten ist. Die Formulierung kann nicht als gelungen bezeichnet werden. Nach dem Sinn des Ausschlußtatbestandes verliert der Vte den Vsschutz aus der Unfallv, wenn er sich nicht von der die Unruhen verursachenden Menschenmenge trennt, obwohl dies möglich und zumutbar ist. Denn die erhöhte Gefahrenlage (vgl. Anm. G 142) geht von dieser Menschenmenge aus, einmal, weil sie selbst in ihrer Handlungsweise unberechenbar ist, zum anderen, weil die Polizei regelmäßig verpflichtet ist, gegen sie vorzugehen. Daraus folgt, daß der Vte sich im Zustand erhöhter Gefährdung befindet, solange er sich nicht von der Menge distanziert. Die Formulierung „Unruhestifter" könnte zudem darauf schließen lassen, daß der Vte den Vsschutz nur verliert, wenn er zu denjenigen gehört, die die Unruhen herbeigeführt und durch anspornendes Verhalten, d. h. durch Provokation im weitesten Sinne, aufrechterhalten. Auch das wäre nicht zutreffend: Der Vte trägt die erhöhte Gefahr schon dadurch mit, daß er sich innerhalb der Menschenmenge aufhält und nicht — zumindest — versucht, sich von ihr zu trennen. Rechtsprechung zum Ausschlußtatbestand der inneren (früher: bürgerlichen) Unruhen ist, soweit ersichtlich, bisher nicht ergangen. Soweit hierzu Urteile zitiert werden, sind diese zu anderen Vszweigen ergangen. [G 144] 4. Ausschluß von Unfällen, die der Versicherte erleidet infolge der vorsätzlichen Ausführung oder des Versuches von Verbrechen oder Vergehen a) Geschichte Dieser Ausschluß erscheint — in ausführlicherer Formulierung — bereits in § 1 Abs. 5 Satz 1 der Verbandsbedingungen von 1904: 350

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Anm. G 145

IV. Ausschlüsse

„Ausgeschlossen von der Versicherung sind . . . Unfälle, welche der Versicherte erleidet . . . bei der Ausführung oder dem Versuch von Verbrechen oder Vergehen . . . " Diese Formulierung kehrt wieder in § 4 II. 5 der Bedingungen von 1910, in § 3 Ziff. 2 der Bedingungen von 1920 und in § 3 Ziff. 2 der Bedingungen von 1937; sie bleibt im Wortlaut bis zum Jahre 1961 unverändert, nachdem ihr Standort in § 3 der AVB teilweise in die Ziffer 3 — hinter den Ausschluß von Unfällen von Wehrmachtsangehörigen pp. — verlegt worden war (vgl. die Gegenüberstellung bei Grewing Entstehungsgeschichte S. 13). Diese Änderung des Wortlauts durch die im Jahre 1961 veröffentlichte Neufassung erbrachte zwei bedeutsame Klärungen: Anstelle der Ausdrucksweise „bei der Ausführung" heißt es nunmehr „ i n f o l g e der Ausführung" und im Hinblick auf die Vergehen wurde hinzugefügt, daß sie „vorsätzlich" ausgeführt oder versucht sein müßten. Die erstgenannte Änderung beendete die alte Streitfrage, ob angesichts der Präposition „bei" ein zeitlicher Zusammenhang vorausgesetzt wurde. Ob vorsätzliches Handeln zu fordern war, galt insbesondere für die Tatbestände des Verkehrsstrafrechtes als strittig (Überblick über die zur Auslegung des Auschlußtatbestandes a.F. vertretenen Meinungen bei Prölss JRPV 1941 S.77—79 sowie NJW 1955 S. 1035-1036 und Krebs VersR 1960 S.289-292, zur Trunkenheit als Straftatbestand im Verkehrsstrafrecht Pfennig VersR 1956 S.333-334). Um zu vermeiden, daß die Verschärfung der Strafdrohung für Verkehrsdelikte (unten Anm. G 146) zu einer Minderung des Vsschutzes führt, wurde für alle Fälle strafbaren Verhaltens die Voraussetzung vorsätzlichen Handelns eingeführt (Grewing Entstehungsgeschichte S. 14—15). Zur Bedeutung der Neufassung vgl. auch Schilling ZfV 1962 S. 3 6 5 - 3 6 7 und Millert VersR 1964 S. 119-120. [G 145] b) Zweck des Ausschlußtatbestandes Der insbesondere zur Auslegung und Bedeutung der Präposition „bei" in § 3 AUB a.F. geführte Meinungsstreit zwang Literatur und Rechtsprechung, sich über den Zweck der Vorschrift Rechenschaft zu geben. Denn die Wortinterpretation („bei der Ausführung") ließ sowohl auf das Erfordernis eines zeitlichen als auch eines - in der Regel als vorliegend unproblematisch — örtlichen als auch schließlich auf einen vorausgesetzten kausalen Zusammenhangs zwischen Unfall und strafbarem Verhalten schließen. Wer sich mit einem zeitlichen Zusammenhang begnügte, B e i s p i e l : Dem eingestiegenen Dieb fällt ein seit langem locker sitzender Kronleuchter auf den Kopf, für den lag es nahe, dem Ausschluß eine Art general-präventive, ethische Zweckbestimmung zuzuordnen (so Bühring-Mertins S.93), die einen psychischen Zwang auf den Vten zur Folge haben sollte, von strafbarem Verhalten abzusehen, um den Vsschutz nicht zu verlieren. Solche Erwägungen in die Auslegung einfließen zu lassen ist, wie die Rechtsprechung zur Bewußtseinsstörung im Straßenverkehr zeigt, nicht so fernliegend, wie dies bei unbefangener Wertung der Ausschlußgründe angenommen werden sollte. Zum Streitstand vor Änderung der Ausschlußklausel mit ausführlicher Stellungnahme vgl. Henke Ausschlüsse S. 62—68 mit weiteren Nachweisen. Die Frage eines örtlichen Zusammenhanges kann für Teilnahmeformen des Vten bedeutsam werden (unten Anm. G 148). Seitdem die Neufassung der Ausschlußbestimmung klargestellt hat, daß ein k a u s a l e r Zusammenhang zwischen Straftat und Unfall erforderlich ist, dürfen diejenigen Auffassungen, die einen zeitlichen Zusammenhang genügen lassen und/oder fordern sowie die dafür gegebene Begründung als überholt bezeichnet werden. Das ist Wagner

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Anm. G 147

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

heute einhellige Meinung, vgl. Wussow4 § 3 Anm. 4 und 5, Prölss-Martin21 § 3 AUB Anm. 2, BGH 10. I. 1957 BGHZ Bd 23 S. 7 6 - 8 6 ; für die alte Fassung LG Münster 19. III. 1963 VersR 1964 S. 153-154 zu § 248b StGB; BGH 22. XI. 1962 VersR 1963 S. 133 = NJW 1963 S. 489 (Fahren ohne Führerschein; Adäquanz verneint). Diese Auslegung des § 3 (2) AUB entspricht der heute nicht mehr angezweifelten Meinung, daß die Gefahrumstandsausschlußklauseln des § 3 (1)—(4) AUB den Zweck haben, das vom Ver übernommene Unfallrisiko auf solche Unfälle zu begrenzen, die sich aus einer regulären, normalen Gefahrenlage entwickeln. Die vorsätzliche Begehung von Verbrechen oder Vergehen ist geeignet, eine erhöhte Gefahrensituation herbeizuführen, weil die Furcht vor Entdeckung und die aus dem Bewußtsein rechtswidrigen Handelns sich ergebende Aufregung u.U. zu gefährlichem Fluchtverhalten und insgesamt zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit führen kann, eine Gefahrensituation richtig zu erkennen und ihr mit sachgerechtem Handeln zu begegnen. Hierzu ist insbesondere auf die Ausführungen von Prölss in JRPV 1941 S. 77—79 und in NJW 1955 S. 1035-1036 m.N zu verweisen. [G 146] c) Voraussetzungen des Ausschlußtatbestandes aa) Bedeutung der Verweisung auf Straftatbestände Die Verweisung des § 3 (2) AUB auf Straftatbestände macht diese zu (Tatbestands-)Merkmalen eines vsrechtlichen Ausschlußtatbestandes. Denn es ist anerkannt, daß die in AVB enthaltene Verwendung fest umrissener Rechtsbegriffe (aus dem Bereich außerhalb des Vsrechts) dazu führt, daß deren eigentliche Bedeutung grundsätzlich auch für die Auslegung innerhalb der AVB maßgeblich ist: vgl. z.B. RG 21. I. 1921 RGZ Bd 101 S. 224-226 (Abhandenkommen), RG 5. X. 1926 Bd 114 S. 347—351 (strafrechtlicher Begriff der Unterschlagung) und die Zusammenstellung bei Bruck-Möller Einl. Anm. 57; für die neuere Zeit BGH 24. VI. 1963 NJW 1963 S. 2171—2173 (Begriff der Schußwaffe im Sinne des WaffenG) und OLG Hamm 29.X. 1975 VersR 1976 S. 625-626 (Diebstahl und Raub). Zwar befaßt sich keine der zitierten Entscheidungen mit der Unfallv, es entspricht jedoch einhelliger Meinung, daß insoweit nichts anderes gilt, vgl. Prölss JRPV 1941 S.79, Krebs VersR 1960 S.289 und Millert VersR 1964 S. 120. Dieser Grundsatz der Auslegung von AVB macht deren Inhalt von Faktoren abhängig, die außerhalb der Dispositionen der Vertragspartner des Vsvertrages stehen: Eine Änderung des materiellen Strafrechts, wie sie z.B. im Jahre 1964 durch Einführung des § 316 StGB und im Jahre 1970 durch Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (§ 21 StVG) stattgefunden hat, führt kraft der Verweisung des § 3 (2) AUB zu einer Änderung des Vsvertrages die — je nach Inhalt - dem Willen und Interesse zumindest eines der Vertragspartner widersprechen kann. Es besteht Einigkeit darüber, daß die Formulierung des § 3 (2) AUB auf das gesamte materielle Strafrecht innerhalb und außerhalb des Strafgesetzbuches - also z. B. auch des Straßenverkehrsgesetzes — verweist, soweit dort menschliches Verhalten als vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen qualifiziert wird. Nach § 12 StGB in der seit dem 1. Januar 1975 geltenden Fassung sind „Verbrechen . . . rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind" (Absatz 1), „Vergehen . . . rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind" (Absatz 2 ). [G 147] bb) In Betracht kommende Arten strafbarer Handlungen Daß Vollendung und Versuch eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens gleichermaßen zum Ausschluß des Vsschutzes führen können, ergibt sich aus dem 352

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 148

Bedingungstext, und zwar in seit 1904 insoweit unveränderter Form. Nicht abschliessend geklärt sind die Fragen, ob ein Unfall im Stadium nach materieller aber vor formeller Beendigung einer Straftat unter den Ausschlußtatbestand fallen kann, B e i s p i e l : Dem Dieb ist die Wegnahme gelungen, er hat vollen, aber noch nicht ganz gesicherten Gewahrsam, weil die Verfolgung anhält, wenn sie ihn infolge seines Vorsprungs auch nicht mehr unmittelbar bedroht. Die nachwirkende Aufregung infolge der Tat führt dazu, daß er versehentlich vor einen fahrenden Pkw läuft, und ob jede Form der Mittäterschaft, der Beihilfe und der Anstiftung, soweit sie einen Unfall des Teilnehmers zur (adäquaten) Folge haben, den Deckungsschutz ausschließt. Geht man davon aus, daß dieser Ausschlußtatbestand den Zweck hat, den Ver vor der Inanspruchnahme aus Unfällen zu schützen, die Folge äußerer Bedrohung (durch Verfolger, Gegenwehr des Opfers, Verletzungen oder Sturz beim Einbruch oder Eindringen) oder innerer (Furcht, Schrecken, Aufregung) Umstände sind, die adäquat kausal mit dem strafbaren Handeln im Zusammenhang stehen, die also aus der besonderen Risikosituation des strafbar Handelnden resultieren, vgl. Prölss NJW 1955 S. 1035-1036, so muß jeder Unfall vom Ausschluß des § 3 (2) AUB betroffen sein, der in der beschriebenen Weise durch das strafbare Handeln bedingt ist. Diese weite Auslegung des § 3 (2) AUB ist nicht nur durch den Zweck, sondern auch durch den Wortlaut der Bestimmung gedeckt, die nicht mehr verlangt, als daß der Unfall adäquate Folge der dort genannten strafbaren Handlung ist. Da ein z e i t l i c h e r Zusammenhang nicht mehr zu fordern ist, hat die Änderung der Fassung des Tatbestandes i n s o w e i t eine E r w e i t e r u n g des Ausschlusses gegenüber der zuvor teilweise vertretenen Auslegung mit sich gebracht, die einen Unfall „bei" (Gelegenheit) der strafbaren Handlung (genügen ließ und) forderte. Deshalb muß z. B. auch derjenige Vte vom Ausschluß betroffen sein, der infolge der Straftat noch nach Stunden so aufgeregt ist, daß er stürzt oder infolge mangelnder Aufmerksamkeit einen Unfall im Straßenverkehr erleidet; im gleichen Sinne OLG München VersPrax 1933 S.82, zitiert nach Prölss JRPV 1941 S.79, Krebs VersR 1960 S.290 mit Nachweisen in Fußn. 17 und Wussow AUB 4 § 3 Anm. 6 S.93 unten.

[G 148] cc) Teilnahme Die nicht einheitlich beantwortete Frage, ob Teilnahmehandlungen an vorsätzlichen Verbrechen oder Vergehen (Mittäterschaft, Beihilfe, Anstiftung) geeignet sind, den Deckungsschutz nach § 3 (2) AUB auszuschließen (vgl. Krebs VersR 1960 S. 290, Millert VersR 1964 S. 120 und Prölss JRPV 1941 S. 79 einerseits und Henke Ausschlüsse S. 65 andererseits) erweist sich als Scheinproblem, wenn man mit der insoweit einhelligen Meinung anerkennt, daß auch die genannten Teilnahmeformen unter den Begriff des Verbrechens oder Vergehens fallen. Dann ergibt sich die Lösung nicht aus der strafrechtlichen Unterscheidung der Teilnahmeart, die u. U. sehr problematisch sein kann, sondern aus dem Erfordernis der Adäquanz und dem Sinn und Zweck des Ausschlusses: Wer einen anderen anstiftet oder durch Rat Beihilfe leistet, wird sich in der Regel nicht einer Situation aussetzen, die eine erhöhte Unfallgefahr bewirkt. Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen der Gehilfe die Tat eigenhändig ausführt, der Täter aber — im Hinblick auf die Tatausführung selbst - untätig im Hintergrund bleibt, wie in dem bekannten Fall BGH 19. X. 1962 BGHSt Bd 18 S. 8 7 - 9 6 . Hier würde der Ausschlußtatbestand nur für den Gehilfen bedeutsam, der sich durch Zuruf an einen Teilnehmer an einer Schlägerei, also durch „Rat" im Sinne des 23

B r u c k - M ö l l e r , W G . 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

§27 StGB, zu dessen „Komplizen" macht und dadurch in die Schlägerei einbezogen wird. Der Vte muß die in § 3 (2) AUB vorausgesetzte Straftat r e c h t s w i d r i g und s c h u l d h a f t begangen haben. Hat er in Notwehr gehandelt oder stand ihm ein anderer Rechtfertigungsgrund zur Seite, so hat er nicht im Sinne des § 3 (2) AUB „in Ausführung . . . von Verbrechen oder Vergehen gehandelt", vgl. OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S.773-774, Prölss JRPV 1941 S.79 li.Sp., Krebs VersR 1960 S. 289 und Millert VersR 1964 S. 120. Hat der Vte die mit Strafe bedrohte Handlung nicht schuldhaft begangen, so wird der Ausschluß des § 3 (2) AUB nicht wirksam, wohl aber kann der Vsschutz nach § 3 (4) AUB ausgeschlossen (Volltrunkenheit) oder gemäß § 5 (2) AUB deshalb entfallen sein, weil der Vertrag wegen Eintritts der dort (Abs. 1) genannten Voraussetzungen inzwischen beendet ist (vgl. Anm. D 23).

[G 149] dd) Versuch Daß auch der Versuch eines vorsätzlichen Vergehens oder Verbrechens unter den Ausschlußtatbestand des § 3 ( 2 ) AUB fällt, ergibt sich aus dem Wortlaut des Ausschlusses. Die Frage, ob ein u n t a u g l i c h e r V e r s u c h — mit untauglichen Mitteln oder am untauglichen Objekt — geeignet ist, zum Ausschluß gemäß § 3 (2) AUB zu führen, wird von Prölss JRPV 1941 S. 79 im Anschluß an Bühring-Mertins S. 93 und Wüstney § 3 Anm. 3 bejaht. Dem ist zuzustimmen: Durch § 23 III StGB n. F. ist im Anschluß an die Rechtsprechung klargestellt, daß der untaugliche Versuch eine strafbare Handlung darstellt. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Zweck des Ausschlußtatbestandes: Die aus der psychischen Situation des Täters sich ergebende erhöhte Gefahrenlage — der Täter glaubt, eine strafbare Handlung zu begehen — führt zu derjenigen Veränderung des Risikos zum Nachteil des Vers, die dieser durch § 3 (2) AUB ausschließen will. Soweit der Versuch eines Vergehens nicht strafbar ist, entfällt auch die Ausschlußwirkung, und zwar auch dann, wenn der Täter sein Verhalten für strafbar hält. Das Wahndelikt fält nicht unter § 3 (2) AUB, obwohl es in gleicher Weise wie strafbares Handeln gefahrerhöhend wirken kann. Eine analoge Anwendung des Ausschlußtatbestandes kommt insoweit nicht in Betracht. [G 150] ee) Adäquate Kausalität Die strafbare Handlung des Vten muß generell geeignet gewesen sein, den Unfall herbeizuführen. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Qualität des Handelns des Vten als rechtswidrig für die Herbeiführung des Unfalls ohne Bedeutung ist. Das ist insbesondere der Fall (nachfolgend: zweites Beispiel), wenn das strafbare Verhalten, von der konkreten Situation abgesehen, zur Vermeidung des Unfalles in gleicher Weise geeignet war, wie zu seiner Herbeiführung. Das soll an zwei Beispielen (das erste nach Henke Ausschlüsse S. 63) verdeutlicht werden: Wilderer und Bergsteiger werden von einer Schneelawine betroffen. Hier ist der Charakter der Straftat nicht geeignet — generell und abstrakt gesehen —, die Unfallgefahr zu erhöhen: Der Bergsteiger ist der Lawinengefahr in gleicher Weise ausgesetzt wie der Wilderer, es fehlt an dem für das rechtswidrige Handeln typischen Merkmal der Gefahrenerhöhung. Oder: Ein Dieb stiehlt aus einem Haus, das während der Tat infolge eines Erdbebens zusammenstürzt. Wäre der Dieb in seiner Wohnung geblieben, so wäre er unverletzt geblieben. Auch hier fehlt es an der für die Unfallgefahr spezifischen Erhöhung des Risikos: Der Dieb hätte, generell gesehen, durch seine Straftat auch gerettet werden können, wenn nämlich seine Wohnung Opfer des Erdbebens geworden wäre, der Tatort dagegen nicht.

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IV. Ausschlüsse

Anm. G151

Diese Erwägungen sind wiederholt im Zusammenhang mit Entscheidungen bedeutsam geworden, bei denen das strafbare Verhalten des Vten im Fahren ohne Führerschein (jetzt: § 21 StVG) bestand. War der Vte in der Lage, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, und ist der Unfall allein auf das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zurückzuführen, so fehlt es an einem adäquaten Zusammenhang zwischen Straftat und Unfall, vgl. BGH 22. XI. 1962 VersR 1963 S. 133 = NJW 1963 S. 489. Entsprechendes wird gelten müssen, wenn dem Vten die Fahrerlaubnis entzogen worden ist (ζ. B. gemäß § 111 a StPO), sie ihm aber nach einem bestimmten Verfahrensergebnis oder nach Zeitablauf zurückgegeben wird, ohne daß seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen erneut geprüft wird (zutr. Eberhard ZfV 1961 S. 429—430). Denn in diesen Fällen erfüllt er zwar den Vergehenstatbestand des §21 StVG, seine Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen, steht aber nicht grundsätzlich in Zweifel und die Innehabung der Fahrerlaubnis hat hier nur einen formellen, keinen materiellen Gehalt. In Fällen dieser Art wird adäquate Kausalität für den Unfall nur dann zu bejahen sein, wenn das Fehlen der formellen Voraussetzung den Fahrer angesichts der Befürchtung von Entdeckung — so unsicher in der Bedienung des Fahrzeuges macht, daß hierdurch der Unfall herbeigeführt wird. [G 151] d) Beweislast und Beweisführung Die Beweislast für das Vorliegen des Ausschlußtatbestandes obliegt nach allgemeinen Regeln dem Ver (vgl. oben Anm. G 137). Dabei wird die Notwendigkeit, die adäquate Kausalität zu beweisen, den Ver nur in Ausnahmefällen vor besondere Schwierigkeiten stellen. Insbesondere im Verkehrsrecht werden ihm — von der vorstehend geschilderten besonderen Fallgruppe abgesehen — oftmals die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins zugutekommen: OLG Hamm 27. IV. 1931 JRPV 1932 S. 93 verneint Verlust des Vsschutzes wegen Fahrens eines Motorrades ohne Führerschein. Es fehle an der Kausalität, weil der Vte ein zuverlässiger Fahrer gewesen sei. Der Wortlaut der vom Ver eingewendeten Ausschlußtatbestimmung wird nicht mitgeteilt. OLG Rostock 27. XII. 1939 JRPV 1940 S. 55 lehnt als Beschwerdegericht Armenrecht für Witwe des Vten ab, der von seiner Schwiegertochter mit einem Feuerhaken auf den Kopf geschlagen und infolge Blutvergiftung gestorben war. OLG läßt nicht erkennen, welches Verbrechen oder Vergehen des Vten für die Versagung des Vsschutzes maßgeblich sei: In Betracht kommen Körperverletzung und Nötigung, als er auf eine Bekannte der Schwiegertochter einschlug. Unfall war der Schlag der Schwiegertochter mit dem Feuerhaken. Dem weist in seiner Anm. zu OLG Braunschweig 15. III. 1955 VersR 1955 S. 337-338 a. a.O. S. 338 darauf hin, daß der Ver Vorsatz des Vten im Hinblick auf die H e r b e i f ü h r u n g einer Gemeingefahr (§ 315a StGB) in der Regel nicht werde beweisen können — die Entscheidung selbst hielt schon eine Gemeingefahr für unbewiesen. OLG Hamm 4. VII. 1955 VersR 1956 S. 122123 enthält eine sorgfältige und einleuchtende Beweiswürdigung zu der Frage, inwieweit ein grob verkehrswidriges Verhalten des Vten den Schluß auf vorsätzliches Handeln im Sinne des § 315 a StGB oder — insoweit überholt - bewußt fahrlässigen Verstoß gegen § 316 StGB zuläßt. Das Gericht ist der Auffassung, daß der beklagte Ver den ihm hierfür obliegenden Beweis nicht erbracht habe. LG Coburg 11. IV. 1957 VersR 1957 S. 426 und OLG Bamberg 8. V. 1957 VersR 1957 S. 426-427 als Beschwerdegericht verweigern Armenrecht für eine Deckungsklage des Vten, der die Führung seines Kraftrades einer Frau überlassen hatte, die er am selben Tage kennengelernt hatte. Er war als Sozius mitgefahren, ohne zu fragen oder sich zu vergewissern, ob die Frau eine Fahrerlaubnis hatte. Beide Gerichte nehmen vorsätzliches Vergehen gegen § 24 StVG (damaliger Fassung = § 21 StVG heutiger Fassung) an und halten 23'

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Kausalität für den durch die Fahrerin verschuldeten Unfall offensichtlich für selbstverständlich. OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 773-774 bejaht Deckungsschutz für Tod eines Vten, der nach einer Schlägerei an Kinderlähmung stirbt, die infolge der Schlägerei zum Ausbruch kommt. Ausschluß nach § 3 (2) AUB verneint Gericht mit der Begründung, es müsse für möglich gehalten werden, daß der Vte in Notwehr gehandelt habe, die Folge der Unmöglichkeit, diese Frage aufzuklären, trage der beweisbelastete Ver. Durch die Neufassung überholt, aber auch schon zur Zeit dieses Urteils der h.M. widersprechend LG Osnabrück 10. IX. 1959 VersR 1960 S. 490 mit Anm. Krebs VersR 1960 S. 697 und Anm. Feuchtinger VersR 1960 S. 793, das Kausalität zwischen Fahren ohne Führerschein und Unfall ausdrücklich als unerheblich ungeprüft läßt. LG Münster 19. III. 1963 VersR 1964 S. 153 läßt es dahinstehen, ob der Vte wegen Vergehens gegen § 248 b StGB den Ausschlußtatbestand des § 3 (2) AUB (dort: Volksunfallv) verwirklicht habe, Kausalität zwischen Verstoß und Unfall sei zweifelhaft. OLG Nürnberg 5. X. 1965 VersR 1966 S. 4 8 3 - 4 8 4 sieht Verstoß gegen § 24 StVG a.F. darin, daß der Vte, ohne im Besitz einer vorgeschriebenen Fahrerlaubnis zu sein, mit einem Baustellenfahrzeug eine stark befahrene Bundesstraße überquert. Das Gericht schließt Vorsatz des Vten und Kausalität aus dem objektiven Sachverhalt. [G152] 5. Ausschluß von Gesundheitsschädigungen durch Heihnaßnahmen und Eingriffe, die der Versicherte an seinem Körper vornimmt oder vornehmen läßt a) Geschichte Die Verbands-Bedingungen von 1904 enthalten einen der heute geltenden Bestimmung ähnlichen Ausschluß. In § 1 Abs. 2 heißt es nach dem Eingangssatz: „Nicht als Unfälle gelten" . . . „Eingriffe jeder Art, welche der Versicherte an seinem eigenen Körper vornimmt (auch Schneiden von Hühneraugen und Nägeln sowie Kratzen), Operationen, welche an dem Versicherten vorgenommen werden, soweit letztere nicht durch einen versicherten Unfall bedingt sind . . ." Die Bedingungen von 1910 (VA 1910 S. 183—184) enthalten unter § 4 II. 3 einen sachlich gleichlautenden Satz, der indessen dort bereits als Ausschluß („Ausgeschlossen von der Versicherung sind:") und nicht mehr als Grenzfall (§ 3, Überschrift zu Absatz 3: „Als Unfälle gelten nicht:") eingeordnet ist. Die Neufassung der Bedingungen im Jahre 1920 (VA 1920 S. 103) brachte zunächst eine erhebliche Erweiterung des Ausschlußtatbestandes. Denn das Wort „Operationen" wurde durch den Ausdruck „Heilmaßnahmen" ersetzt. Demgegenüber bewirkte der neue Satz: „Das Schneiden von Nägeln, Hühneraugen, Hornhaut gilt nicht als solcher Eingriff" eine gewisse Erweiterung des Vsschutzes, da Verletzungen durch diese Verrichtung des täglichen Lebens erfahrungsgemäß zu Blutvergiftungen führen können. Diese Fassung behielt der Ausschlußtatbestand bis zum Jahre 1961. In den AUB von 1961 finden sich zwei Änderungen des Ausschlußtatbestandes, von denen einer grundsätzliche Bedeutung zukommt: An die Stelle der Präposition „bei" vor dem Wort „Heilmaßnahmen . . ." wurde der auf das Kausalitätserfordernis deutende Ausdruck „durch" gesetzt. Diese Änderung entsprach der Absicht der Bedingungsverfasser, die in § 3 AUB aufgezählten Ausschlüsse (außer § 3 (5)) als Gefahrumstandsausschlußklauseln mit Kausalitätserfordernis zu formulieren und — wie zu § 3 (2) — diejenigen Auslegungsprobleme gegenstandslos zu machen, die sich aus dem Wörtchen „bei"ergaben, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 15, Millen VersR 1964 S. 120. Das Wort „Beschädigungen" wurde durch „Gesundheitsschädigungen" ersetzt, um die Terminologie im Hinblick auf den Unfallbegriff zu verein-

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IV. Ausschlüsse

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heitlichen. Ob hierdurch zugleich eine sachliche Erweiterung des Vsschutzes bewirkt worden ist, weil der Begriff der „Beschädigung" nur eine äußere Verletzung bezeichne, so Millert VersR 1964 S. 120 und wohl auch Wüstney § 3 Anm. 5, ähnlich Grewing Entstehungsgeschichte S. 15, ist zweifelhaft. Diese Frage hat in der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher keine Bedeutung erlangt. [G 153] b) Zweck der Ausschlußbestimmung Die Bestimmung hat den Zweck, Unfälle vom Deckungsschutz auszunehmen, die Folge medizinischer Behandlung im weitesten Sinne sind. Indem eine solche Behandlung, deren „Gegenstand" der Körper des Vten ist, als generell - abstrakt — erhöhte Unfallgefahr gewertet wird, vgl. OLG Köln 6. II. 1973 VersR 1973 S. 959-961 (960 r. Sp.), erweist sie sich — überspitzt formuliert - als Mißtrauensvotum gegenüber jeder Heilbehandlung. Indessen stimmt diese Wertung damit überein, daß ein ärztlicher Kunstfehler nach heute h. M. im allgemeinen Haftungsrecht nicht geeignet ist, den adäquaten Zusammenhang zwischen einem Verletzungstatbestand (z. B. § 823 BGB) und einem Schaden zu unterbrechen, der sich hieraus erst vermittels ärztlicher Kunstfehler anläßlich der Behandlung der primär erlittenen Verletzung ergibt. [G 154] c) Der Tatbestand des § 3 ( 3 ) AUB aa) Heibnaßnahmen Heilmaßnahmen sind Handlungen des Vten oder Dritter, die sich auf den Körper des Vten auswirken können und den Zweck haben, Heilung unmittelbar herbeizuführen — ähnlich Wussow AUB 4 § 3 Anm. 7. Diese Zweckbestimmung unterscheidet die Heilmaßnahme vom „Eingriff" einerseits und von Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit, wie z.B. vorsorglichen Untersuchungen oder Reinigung unter Verwendung chemischer Substanzen andererseits, vgl. OLG Dresden 14. VII. 1930 JRPV 1931 S. 77: Waschen des Gliedes mit Sublimatlösung, im gleichen Sinne schon OLG Königsberg 6. X. 1911 VA 1912 Anh. S. 29 Nr. 651. Dagegen kann der von Wussow AUB 4 § 3 Anm. 7 vertretenen Auffassung, „lediglich der . . . Diagnose dienende Maßnahmen" seien in diesem Sinne keine Heilmaßnahmen, nicht gefolgt werden. Die Diagnose ist Voraussetzung der „richtigen" Heilbehandlung und weder in ihrer Zweckbestimmung noch im Hinblick auf den Gesichtspunkt erhöhter Gefährdung des Vten von der sich aus der Diagnose ihrer Art nach ergebenden Heilbehandlung selbst zu trennen. Heilmaßnahmen werden für die Unfallv als Ausschlußtatbestand bedeutsam, wenn sie — im weitesten Sinne — mißlingen, also das Gegenteil ihres Zwecks bewirken. Dazu gehören die im allgemeinen Haftungsrecht unter dem Stichwort „Kunstfehler des Arztes" (vgl. Palandt-Heinrichs Vorbemerkung 5 d aa vor § 249 BGB) erörterten Tatbestände, gleichgültig, ob sich der Fehler im Rahmen einer auch bei sorgfältigem Handeln nicht ganz unwahrscheinlichen Schädigung hält oder als grober Fehler zu werten ist. Insoweit ist der Hinweis von Wussow a.a.O. auf RG 5.1. 1904 VA 1904 Anh. S. 68 Nr. 46, wonach Beschädigungen, die durch Abgleiten des Messers entstünden, deckungspflichtig sind, für die Auslegung des Ausschlußtatbestandes jetzt geltender Fassung zutreffend, aber überflüssig geworden. Gesundheitsschädigungen durch Heilmaßnahmen liegen auch dann vor, wenn ein Versagen der therapeutisch eingesetzten Apparatur oder ein durch die Behandlung bedingtes, nicht ganz untypisches Verhalten des Vten selbst die Gesundheitsschädigung herbeiführen. Denn diese Umstände sind im Sinne des Zwecks dieses Ausschlusses ursächlich für die Erhöhung der Unfallgefahr. Zutreffend sieht deshalb OLG Köln 6. II. 1973 VersR 1973 S. 9 5 9 - 9 6 1 den Tod des Vten als Folge einer durch technisch bedingten Defekt Wagner

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

einer Stanger-Bad-Anlage bewirkten Überhitzung des Badewassers als Verwirklichung des Ausschlußtatbestandes an; im gleichen Sinne, d. h. Bejahung des Ausschlusses nach § 3 (3) AUB, LG Ravensburg 5.1.1955 VersR 1955 S. 165-166: Vter hatte sich infolge plötzlicher Eigenbewegung bei Punktation des Unterleibes eine Verletzung des Dünndarmes zugezogen, die zu Bauchfellentzündung und Tod führte. LG Karlsruhe 2. VI. 1960 VersR 1960 S. 913 verneint mit entsprechender Begründung Deckungsschutz für einen Vten, der nach Öffnung eines Nackenkarbunkels unter Vollnarkose unter deren Wirkung vom Operationstisch fiel und sich dabei eine schwere Hirnverletzung zuzog. [G 155] bb) Eingriffe Als E i n g r i f f im Sinne des § 3 (3) AUB bezeichnen Prölss-Martin21 § 3 AUB Anm. 3 S. 1065 j e d e ä u ß e r e p h y s i s c h e E i n w i r k u n g auf die I n t e g r i t ä t d e s K ö r p e r s . Diese Definition schließt sich der Auslegung des Begriffs durch OLG Hamburg 16. VII. 1935 JRPV 1935 S. 335 an, das im dort entschiedenen Fall das Einträufeln von Kokain ins Auge — zur Betäubung vor Druckmessung — als Eingriff wertet und ebenso (als Eingriff) — obiter — auch das Verabreichen einer Medizin, eines Klistiers, einer Röntgenbestrahlung — jetzt §2(3)cIII AUB — ein Lichtbad, die Beibringung eines Betäubungsmittels sowie das Einreihen mit Salbe oder Flüssigkeit bezeichnet. Stellt man auf den Lebenssprachgebrauch ab, so hat der Ausdruck „Eingriff" nicht die weitgehende Bedeutung, die ihm durch die vorstehend zitierte Entscheidung zugemessen wird. Er beschränkt sich vielmehr auf Maßnahmen, die unmittelbar auf die körperliche Integrität einwirken und, insoweit enthält der Begriff ein f i n a l e s E l e m e n t , dies auch bezwecken, ebenso Wüstney §3 Anm.5 erster Absatz a.E., unrichtig dagegen OLG Düsseldorf 17. V. 1935 VA 1935 S. 237-238 Nr. 2839, bestätigt durch RG 7. II. 1936 JRPV 1936 S. 105-106: Kratzen oder Reiben einer Wunde durch den Vten im Schlaf sei Eingriff. Mit dieser engeren Begriffsbestimmung scheiden Einreihen, Bestrahlungen und Verabreichen von Medizin aus dem Merkmal des Eingriffes aus. Sie sind indessen Heilmaßnahmen im Sinne der ersten Alternative und insoweit in gleicher Weise geeignet, den Vsschutz gemäß § 3 (3) AUB auszuschließen. Hieraus ergibt sich, daß Eingriffe in dem hier vertretenen sprachlich engeren Sinne zugleich Heilmaßnahmen sein können; so z. B. Operationen zum Zwecke der Entfernung erkrankter Organe, Entfernen von Mandeln und Polypen, Ziehen eines Zahnes usw. Die Feststellung, daß die Begriffe Heilmaßnahmen und Eingriffe sich überschneiden, läßt nicht auf eine sprachliche oder sachliche Ungenauigkeit schließen, sondern hat im Rahmen dieses Ausschlußtatbestandes einen guten Sinn: Eingriffe in dem hier erörterten Sinne, d. h. unmittelbar gegen die körperliche Integrität gerichtete Handlungen, bewirken eine gegenüber Heilmaßnahmen anderer Art erhöhte Gefährdung der Gesundheit des Vten schon kraft ihres äußeren Tatbestandes. Es entspricht deshalb einem als schützenswert anzuerkennenden Klarstellungsinteresse der Ver, solche Vorgänge auch (insbesondere) dann vom Deckungsschutz auszunehmen, wenn ihnen ein therapeutischer Zweck nicht zugrunde liegt, wie z. B. bei der kosmetischen Operation (zutr. Wussow a.a.O. Anm. 7, Wüstney § 3 Anm. 5), Tätowieren oder — insoweit ein Grenzfall — Entfernung von Warzen. [G 156] d) Einschränkung des Ausschlußtatbestandes für Maßnahmen, die Folgen eines Unfallereignisses betreffen Der Vmer ist gehalten, nach einem Unfall einen Arzt zuzuziehen (§ 15 II (3) AUB). Verletzt er diese Obliegenheit, so riskiert er nach § 17 AUB — entsprechend 358

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IV. Ausschlüsse

Amn. G 157

§ 6 III - den Verlust des Vsschutzes. Deshalb kann ihm die durch diese Heilbehandlung bewirkte Gefahrerhöhung billigerweise nicht in dem Sinne zur Last gelegt werden, daß er auch in diesem Zusammenhang das Risiko schädlicher Heilbehandlung läuft. Dementsprechend schließt § 3 (3) S. 1 a.E. AUB die Ausschlußwirkung für diese Fälle aus. Diese aus dem Sinn und der Ausgestaltung der Unfallv sich ergebende Einschränkung des Ausschlußtatbestandes gilt nur für Heilbehandlung und Eingriffe aufgrund solcher Vorgänge, die nach § 2 (1) AUB unter den Deckungsschutz, d. h. als Unfallereignis in die materielle Vsdauer fallen. Das ist gemeint, wenn der Bedingungstext die Ausnahme vom Ausschlußtatbestand mit dem Satz formuliert: „ . . . soweit die Heilmaßnahmen oder Eingriffe nicht durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis veranlaßt waren." Die Ersetzung des Wortes „Versicherungsfall" durch „Unfallereignis" ist für Heilmaßnahmen ganz, für Eingriffe i.S. des § 3 (3) AUB insoweit verfehlt, als diese nicht unmittelbar zur Gesundheitsschädigung geführt haben. Denn durch ein Unfallereignis kann nur dann eine Heilmaßnahme veranlaßt worden sein, wenn es eine Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt hat. Dann aber sind alle Voraussetzungen eines Unfalles und mithin eines Vsfalles gegeben, vgl. Henke Ausschlüsse S. 69 oben. Die Verfasser der Bedingungen von 1961 haben an drei Stellen das Wort „Versicherungsfall" gestrichen und damit den Ausführungen von Henke Ausschlüsse S. 4 9 - 5 4 Rechnung getragen. Diese Ausführungen bezogen sich aber nur auf die (jetzt) in § 2 (3) c II genannten Temperatureinflüsse pp. Statt des Wortes „Versicherungsfall" in §§2(3) c I V S. 1 und 2,3(3) und (4) AUB ist formelhaft die Wendung „ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis" getreten. Dieser Wechsel im Ausdruck ist für die in § 2 (3) c AUB genannten Fälle ohne Ausnahme, für den hier erörterten Ausschluß nur teilweise und im Zusammenhang mit den in § 3 (4) AUB genannten Ausschlüssen ebenfalls nur für einige Fallgruppen sachentsprechend. Folgerungen der von Schilling ZfV 1962 S.367 erwogenen Art, daß etwa im Falle des §3(3) AUB ein vollständiger Unfall vorausgehen müsse, sind daraus nicht zu ziehen (zutreffend Millert VersR 1964 S. 121 Ii. Sp.oben). Sie würden dem Zweck der Änderung zuwiderlaufen.

[G 157] e) Einschränkung des Ausschlußtatbestandes für „Eingriffe des täglichen Lebens" Der Ausschluß des § 3 (3) AUB gilt ferner nicht, soweit eine Gesundheitsschädigung Folge des Schneidens von Nägeln, Hühneraugen und Hornhaut ist. Solche Vorgänge sind als Unfälle gedeckt, wenn sie den Voraussetzungen des § 2 (1) AUB entsprechen. Die vorgenannten Tatbestände sind Klarstellungen in dem Sinne, daß sie die Grenzen des Ausschlußtatbestandes deutlich machen und damit zugleich ausdrücken, daß insoweit Deckungsschutz nach Maßgabe des § 2 (1) AUB gewährt wird. Sie sind indes keine Klarstellungen in dem oben Anm. G 19 genannten Sinne, weil sie nicht den Unfallbegriff bzw. einzelne seiner Merkmale erläutern, sondern den in der tatbestandlichen Beschreibung weitgefaßten Ausschluß des § 3 (3) AUB mit konstitutiver Wirkung wieder einschränken. Besonderheiten für die B e w e i s l a s t ergeben sich hieraus nicht: Der Anspruchsteller (Vter oder Vmer) muß beweisen, daß die Voraussetzungen eines Unfalles im Sinne der §§ 2 (1) in Verbindung mit 3 (3) S. 1 zweiter Halbsatz oder S. 2 vorliegen, der in Anspruch genommene Ver hat dagegen den Beweis dafür zu führen, daß Heilbehandlung oder Eingriff selbst das Unfallereignis, d. h. „das erste Glied der Ursachenkette bilden" (vgl. zu dieser wiederholt verwendeten Formulierung Wagner ZVersWiss 1975 S. 642). Wagner

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Anni. G 159

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 158] 6. Ausschluß von Unfällen infolge von Schlaganfällen, epileptischen Anfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen a) Geschichte Der Ausschluß von Unfällen, die auf krankheitsbedingter Beeinträchtigung der Körperbeherrschung beruhen, findet sich in allen AVB für Unfallv. Die VerbandsBedingungen von 1904 bestimmten in § 1 Abs. 2, daß (u. a.) „nicht als Unfälle gelten . . . Schlag-, Krampf-, Ohnmachts-, Schwindel-, Epilepsie-Anfälle und ihre Folgen". Die AVB von 1910 (VA 1910 S.184) enthielten unter §4II.l.a.E. den Ausschluß von Schlag-, Krampf- und Epilepsieanfällen. Auch sollte es gleichgültig sein, ob der Unfall durch einen dieser Krankheitszustände herbeigeführt worden war oder ob diese Krankheiten Folge eines Unfallereignisses waren. Das ergibt sich aus Ziff. 3 der Ausschlußbestimmung, dort ist bestimmt, daß (u. a.) Geistes- und Bewußtseinsstörungen nicht ausgeschlossen sein sollten, „wenn diese Störung selbst durch einen Unfall hervorgerufen war". Insoweit brachten die AVB von 1920 (VA 1920 S. 103) eine Verbesserung des Vsschutzes: Nach § 3 Ziff. 4 waren ausgeschlossen Unfälle infolge von Schlag-, Krampf-, Ohnmachts-und Schwindelanfällen . . . , es sei denn,daß diese Anfälle oder Störungen durch einen Versicherungsfall hervorgerufen waren." Diese Fassung behielten die AVB bis 1961. Die vsrechtliche Behandlung der Epilepsie wurde mit den AVB von 1920 von der der Krampfanfälle pp. getrennt. In § 3 Ziff. 6 der AVB von 1920 heißt es, daß Unfälle ausgeschlossen seien, die der Vte erleidet, nachdem er (u.a.) von Epilepsie befallen sei. Auch diese Bestimmung blieb bis 1961 unverändert. Die AUB von 1961 übernahmen die bisherige Regelung, soweit sie Schlaganfälle und Krampfanfälle betraf, in § 3 (4). Hinsichtlich der Krampfanfälle wurde im Anschluß an KG 12. XII. 1928 JRPV 1929 S. 5 2 - 5 3 die Einschränkung eingefügt, daß sie nur dann zum Ausschluß führen, wenn sie den ganzen Körper des Vten ergreifen; vgl. hierzu Grewing Entstehungsgeschichte S. 15. Die Regelung für Epilepsie wurde ganz aus dem Zusammenhang mit den Ausschlüssen ( § 3 AUB) herausgenommen und in die für nicht vsfähige Personen in § 5 AUB übernommen. Danach sollten Epileptiker nicht vsfähig, der gleichwohl mit ihnen geschlossene Unfallvsvertrag nichtig sein; zur Wirksamkeit dieser Bestimmung oben Anm. C 7. Diese Regelung ist im Jahre 1977 erneut geändert worden. In dem Bestreben, den Vsschutz zu verbessern, wurden die Epileptiker nicht mehr als vsunfähig in § 5 (1) AUB aufgeführt, stattdessen wurde die Ausschlußregelung in § 3 (4) AUB dahingehend ergänzt, daß nunmehr auch Unfälle infolge von epileptischen Anfällen vom Deckungsschutz ausgenommen sind (VA 1977 S. 130). [G 159] b) Zweck und Bedeutung der Ausschlußbestimmung Der Ausschluß von Unfällen, die auf Schlag- und Krampfanfällen oder auf epileptischen Anfällen beruhen, ist konsequente Folge des Umstandes, daß die Allgemeine Unfallv nur das gleichsam normale Unfallrisiko deckt, vgl. oben Anm. G 131. Krankheitsbedingte Zustände, die die Körperbeherrschung des Vten deutlich einschränken oder zeitweise sogar ausschließen, haben ein gegenüber der als normal gedachten Gefahrenlage erhöhtes Risiko zur Folge, das der Unfallver auf Grund seiner Prämienkalkulation nicht decken kann; vgl. hierzu die Ausführungen zu der insoweit gleichliegenden Problematik des Ausschlusses von Unfällen, die auf Geistes- oder Bewußtseinsstörungen beruhen, unten Anm. G 169. Die hier genannten Krankheitszustände sind — im Zusammenhang der Gefahrverwirklichung - Gefahrumstände, deren Folgen vom Vsschutz ausgenommen sind, d. h. der Ausschlußtatbestand hat 360

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IV. Ausschlüsse

Amn. G161

insoweit Gefahrumstandsausschlußklauseln in dem oben Anm. G 133 genannten Sinne zum Inhalt. [G 160] c) Merkmale der Ausschlußtatbestände aa) Gemeinsames Die in § 3 (4) S. 1 AUB genannten Schlaganfälle, epileptischen Anfälle und Krampfanfälle haben den zeitweisen oder dauernden Verlust der Möglichkeit zur Körperbeherrschung durch den Vten zur Folge. Dieser Verlust beruht bei Schlaganfällen auf der Beeinträchtigung der Hirnfunktion durch akute Hirnaderverstopfung, bei epileptischem Anfall auf einem vorübergehenden Ausfall bestimmter Hirnfunktionen durch andere — regelmäßig exogene, d. h. erworbene — Hirnschädigung und bei Krampfanfällen auf unwillkürlichen, d. h. vom Willen des Betroffenen unabhängigen Muskelkontraktionen. Die Gemeinsamkeit dieser Voraussetzungen für einen Ausschluß im Sinne des § 3 AUB sind die Auswirkungen, die den Vten hindern, einer drohenden und erkannten Gefahr wirksam zu begegnen. [G 161] bb) Schlaganfälle Schlaganfall = Apoplexie = Gehirnschlag ist eine Kreislaufstörung, zumeist mit Gefäßzerreißung, im Bereich einer umschriebenen Gehirnregion, die zu Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen, Schwächegefühl, aber auch zum Tode führen kann. In der Praxis der Unfallv sind Fälle bedeutsam, bei denen ein Sturz auf den Bürgersteig oder ins Wasser als deckungspflichtiger Unfall behauptet und (regelmäßig) bewiesen wird, ein Schlaganfall aber als Ursache des Sturzes in Betracht kommt. OLG Königsberg 14. III. 1930 JRPV 1931 S. 107-108 entscheidet über die Deckungsklage der Erbin des Vten, der tot im See aufgefunden worden war. Der beklagte Unfallver wurde antragsgemäß verurteilt, weil er nicht beweisen konnte, daß der Unfall (Tod durch Ertrinken) auf einem ausgeschlossenen Gefahrumstand beruhte. Einen ähnlichen Fall entscheidet OLG Dresden 15. VI. 1933 VA 1933 S.356-357 Nr. 2594: Hier wird die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, daß der Tod ihres Ehemannes auf äußerer, gewaltsamer Einwirkung beruhte. Nach Auffassung des Gerichts führt hier die primäre Gefahrbeschreibung dazu, daß der Anspruchsteller auch das NichtVorliegen von Ausschlußgründen beweisen müsse, soweit diese zugleich Merkmale des Unfallbegriffs enthielten. OLG Düsseldorf 23. VII. 1936 JRPV 1938 S. 31-32 verweigert als Beschwerdegericht der Klägerin das Armenrecht für eine Deckungsklage. Ihr Ehemann, der Vte, war bei einem 3000-mLauf kurz vor dem Ziel zusammengebrochen. Die Todesbescheinigung lautete auf „Tod durch Schlaganfall". Hier war Schlaganfall als Unfallfolge (Folge eines Unfallereignisses) vert. Das Gericht führt aus, daß der Schlaganfall nicht Folge eines Geschehens gewesen sei, das einen Unfall dargestellt habe. OLG Düsseldorf 3. III. 1937 VA 1937 S. 156-157 Nr. 2974 gibt der Deckungsklage der Tochter des Vten statt: es sei nicht bewiesen, daß der Sturz des Vten auf einer Treppe Folge eines Schlaganfalles gewesen sei. Die Annahme eines Unfalles durch tödlichen Sturz des Vten beruht auf den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins. Das Gericht macht Ausführungen über den Begriff des Schlaganfalles nach der Umgangssprache, die für die Auslegung entscheidend sei: Schlaganfall sei das Aussetzen mehr oder minder großer Gehirnteile durch Bersten der Hirngefäße infolge erhöhten Blutdrucks oder großer Brüchigkeit derselben. Die Beklagte (Ver) hatte demgegenüber geltendgemacht, daß Schlaganfall und Gehirnblutung identisch seien. Bei den Entscheidungen LG Köln 9. IX. 1948 VW 1949 S. 80 und OLG Hamm 5. X. 1948 VW 1949 S. 80 ging es um die Frage, ob entsprechend dem für beide Entscheidungen maßgeblichen Wagner

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Anni. G 163

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Bedingungstext der Ausschluß von Unfällen nach Erleiden eines Schlaganfalles voraussetzte, daß Schlaganfall und Unfall in adäquat-kausalem Verhältnis zueinander stünden. Diese Frage wird vom OLG Hamm bejaht, vom LG Köln dagegen verneint. LG Berlin 9. XI. 1953 VersR 1954 S. 492 verweigert Vsschutz für den Tod des Ehemannes der Klägerin, der am 29. VIII. 1952 auf der Treppe gestürzt und am 4. IX. 1952 verstorben war. Das Gericht sieht die Ursächlichkeit eines Schlaganfalls für den Sturz nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises als erwiesen an. Sie hätten zur Unsicherheit des Vten infolge Lähmungs- und Schwächeerscheinungen geführt. LG Detmold 27. IX. 1961 VersR 1964 S. 915-916 verweigert der Ehefrau des Vten das Armenrecht für eine Deckungsklage. Der Vte war gestürzt, der Sturz hatte ihn zu längerem Liegen gezwungen. Der Tod des Vten war dann infolge einer Lungenentzündung nach längerem Liegen eingetreten. Das Gericht hält es auf Grund des ärztlichen Gutachtens für möglich, daß die Lähmungen nicht Folge des Sturzes, sondern eines Schlaganfalles waren. — Die Entscheidung ist zutreffend, obwohl der Ver die Voraussetzungen des Ausschlusses beweisen muß. Denn hier geht es um die Frage, ob der Tod Folge eines Unfallereignisses oder eines Schlaganfalles war. Die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Unfallereignis und Tod muß Anspruchsteller beweisen.

[G 162] cc) Epileptische Anfälle Epileptische Anfälle werden durch den vorübergehenden Ausfall bestimmter Hirnregionen ausgelöst, sie führen zu vorübergehendem Verlust oder Einschränkung des Bewußtseins und damit der Möglichkeit, den Körper zu beherrschen und auf Umwelteinflüsse sachentsprechend zu reagieren. Der epileptische Anfall ist deshalb typisch für eine anormale, erhöhte Gefahrensituation, für die der Unfallver das Risiko nicht übernimmt (oben Anm. G 131). Dagegen gelten für Epilepsie als Unfallfolge keine Besonderheiten: Sie ist, wie sich auch aus §10(5) AUB ergibt, unter den Voraussetzungen des § 8 AUB vom Vsschutz umfaßt, vgl. hierzu auch KG 13.1.1937 JRPV 1937 S. 170-171. Im übrigen haben sich die Gerichte, soweit ersichtlich, nicht mit dem Ausschlußgrund Epilepsie zu befassen brauchen. [G 163] dd) Krampfanfalle Unter Krampfanfällen ist die vorübergehende Kontraktion (Zusammenziehung) von Muskeln zu verstehen, die vom Betroffenen nicht herbeigeführt und nicht beherrscht werden kann. Als typische, jedenfalls nicht seltene Erscheinung ist der Krampf der Wadenmuskeln beim Baden bekannt. Krampfanfälle sind nach § 3 (4) AUB nur dann Ausschlußgründe für einen auf ihnen beruhenden Unfall, wenn sie „den ganzen Körper" des Vten ergreifen. Diese Einschränkung des Ausschlußtatbestandes gilt seit der Neufassung der AVB durch die AUB von 1961. Sie beruht auf KG 12. XII. 1928 JRPV 1929 S. 52-53, wo ausgeführt wird, daß unter Krampfanfällen im Sinne der dort erörterten Ausschlußbestimmung nicht einfache Wadenkrämpfe zu verstehen seien, wie sie gelegentlich einmal auch im übrigen gesunde Personen haben könnten, es müsse sich vielmehr um erhebliche krankhafte Erscheinungen handeln, die den ganzen Körper ergreifen, nicht nur gelegentlich einmal eine Wade. Das schließt das Gericht aus dem Darstellungszusammenhang innerhalb der AVB, wo die Krampf- und Schwindelanfälle neben Geisteskrankheit, Syphilis und schweren Nervenleiden genannt werden. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß es sich hier nicht um einen Ausschlußtatbestand im Sinne des jetzt maßgeblichen § 3 AUB, sondern um eine Regelung gehandelt hat, die bestimmte Personen (innerhalb einer 362

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 165

Abonnentenv) für vsunfähig erklärte. Kritisch zu dieser Entscheidung Anonym in JRPV 1929 S. 115. [G 164] d) Kein Ausschluß, wenn Unfallfolge Die vorstehend genannten Schlaganfälle, epileptischen Anfälle und Krampfanfälle begründen einen Ausschlußtatbestand nur, soweit das Unfallereignis auf ihnen beruht. Dagegen sind die als (adäquate) Folge des Unfallereignisses deckungspflichtig. Das wird für alle Tatbestände durch § 3 (4) S. 2 AUB, für Epilepsie überdies durch § 10 (5) AUB klargestellt. [G 165] 7. Ausschluß von Unfällen infolge von Geistes- oder BewuBtseinsstörungen, auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht worden sind a) Geschichte Die Unfallv war schon immer bestrebt, Unfälle vom Deckungsschutz auszunehmen, für die eine anormale — idR krankhafte — körperliche oder geistige Beschaffenheit des Vten ursächlich war. So heißt es in den Verbands-Bedingungen von 1904 in § 1 Abs. 2, daß „nicht als Unfälle gelten . . . Schlag-, Krampf-, Ohnmachts-, Schwindel-, EpilepsieAnfälle und ihre Folgen . . . " , und in Abs. 3 wird dieser Katalog dahingehend ergänzt, daß „Ausgeschlossen von der Versicherung sind Selbstmord und der Versuch desselben, und alle Unfälle, welche der Versicherte erleidet infolge von Geistes- oder Bewußtseinsstörung irgendwelchen Grades . . . " ; Text bei Gerhard-Hagen S. 731 — 732. Der Ausschluß von Schlag-, Krampf-, Ohnmachts- und Schwindelanfällen sowie von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen findet sich in den nachfolgenden Bedingungen von 1910 bis 1937 (in dieser Form geltend bis 1961) unter den „Ausschlüssen". Diese von 1910 bis 1961 im wesentlichen unverändert gebliebene Regelung wurde mit den AUB von 1961 in zwei Punkten geändert, einmal durch die Einfügung hinter Geistes- oder Bewußtseinsstörungen: „auch, soweit diese durch Trunkenheit verursacht worden sind", und der Ausschluß von Unfällen, die auf Ohnmachts- und Schwindelanfällen beruhen, wurde gestrichen, weil sich gezeigt hatte, daß der Nachweis hierfür „vom Versicherer schwer zu erbringen war und solche Fälle vielfach zu unangenehmen Meinungsverschiedenheiten führten" (so Grewing Entstehungsgeschichte S. 15). Es ist deshalb nicht angängig, Unfälle, die auf Ohnmacht oder Schwindel beruhen, unter dem Gesichtspunkt einer kausal gewordenen Bewußtseinsstörung vom Deckungsschutz auszuschließen, so aber Eichelmann VersR 1972 S. 414 und Millert VersR 1964 S. 121, die Bewußtseinsstörung als Oberbegriff zu Ohnmacht und Schwindel deuten. Ferner wurde , in die AUB von 1961 der Hinweis aufgenommen, daß Unfälle infolge von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen auch dann zum Ausschluß des Deckungsschutzes führen, wenn („soweit") „diese durch Trunkenheit verursacht sind". Dies ist ein erklärender Hinweis, der an der zur Zeit der Neufassung der AUB herrschenden Meinung und der ihr entsprechenden Regulierungspraxis nichts änderte. Dieser Zusatz beruhte auf einem Wunsch des Bundesaufsichtsamtes, das eine Abstimmung mit den AVB der Lebensversicherer für Unfallzusatzversicherungen bezweckte (Grewing a.a.O. S. 15). Seine Bedeutung geht gleichwohl über eine Klarstellungsfunktion hinaus: Der Ausschluß von Unfällen infolge (offenbarer) Trunkenheit, der in den Bedingungen von 1904 (§ 1 Abs. 4) und 1910 (§ 4 Abs. 2 Ziff. 2) enthalten war, war 1920 fortgelassen worden, so daß seitdem Trunkenheit nur dann zum Ausschluß führte, wenn sie eine u n f a l l u r s ä c h l i c h e Bewußtseinsstörung veranlaßt hatte. Das hatte zu der Frage geführt, ob nunmehr ein stärkerer Grad von Wagner

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Anm. G 167

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Trunkenheit verlangt wurde als bisher (vgl. Henke Ausschlüsse S. 74 m.N.). Diese Fragen sind nunmehr geklärt. Der Ausschlußgrund der Geistes- oder Bewußtseinsstörung findet sich in der in den AUB formulierten Weise in Sparten der privaten Unfallv, für die ein solcher Grund für einen Unfall in Betracht kommt, so in der Volks-Unfallv (§ 3 (4) AVUB), in den Musterbedingungen für die Unfall-Zusatzbedingungen (§ 3 1 d) und in den Zusatzbedingungen für die Kinder-Unfallv durch Verweisung auf die AUB, vgl. im einzelnen oben Anm. A 3—4. Dagegen enthält die Kraftfahrtunfallv (§ 17 (3) AKB) den Ausschluß Geistes- oder Bewußtseinsstörung nicht. [G 166] b) Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift aa) Abgrenzung von der Gefahrerhöhnng Der Eintritt einer Geistes- oder Bewußtseinsstörung bewirkt eine erhöhte Unfallanfälligkeit des Vten, weil seine Fähigkeit, eine (Unfall-)Gefahr zu erkennen und ihr sachentsprechend zu begegnen (auszuweichen), beeinträchtigt wird. Insofern bedeuten die genannten Zustände möglicherweise Gefahrerhöhungen, die im Sinne der §§ 23—25 bedeutsam werden könnten. Dann müßte der Vmer jeden Fall von Geistesoder Bewußtseinsstörung — praktisch am bedeutsamsten: Trunkenheit - anzeigen (§ 23 II); der Ver hätte ein Kündigungsrecht unter den Voraussetzungen des § 24 I und wäre unter den Voraussetzungen des § 25 von der Verpflichtung zur Leistung frei. Es besteht nunmehr Einigkeit darüber, daß diese Regelung, jedenfalls bei naturgemäß vorübergehender Bewußtseinsstörung infolge Trunkenheit, nicht paßt. Deshalb lehnt es die weitaus h. M. ab, vorübergehende Bewußtseinsstörung infolge Alkoholgenuß oder Medikamenten als Gefahrerhöhungen zu werten; BGH 18. X. 1952 BGHZ Bd 7 S. 311-322: „Gefährdungsvorgänge können nur dann als Gefahrerhöhung angesehen werden, wenn sie einen neuen Zustand erhöhter Gefahr schaffen, der seiner Natur nach geeignet ist, von so langer Dauer zu sein, daß er die Grundlage eines neuen, natürlichen Gefahrenverlaufs bilden und damit den Eintritt des Vsfalles generell fördern kann. Diese Voraussetzungen erfüllen Gefährdungsvorgänge nicht, bei denen von vornherein feststeht, daß es schon aus zeitlichen Gründen sinnlos wäre, sie dem Ver anzuzeigen, um ihm eine Entschließung über die Kündigung des Vsvertrages zu ermöglichen." Diese Entscheidung ist zum Recht der Haftpflichtv ergangen, zur Unfallv vgl. LG Siegen 8. XI. 1951 VersR 1952 S. 93-95; zum Problem allgemein Möller in BruckMöller §23 Anm. 11 und 12 m.w.N., abweichend noch LG Siegen 28.VIII. 1950 VersR 1951 S. 148 und LG Hamburg 23.XI. 1950 VersR 1951 S. 149. [G 167] bb) Abgrenzung von nachträglicher Versicherungsunfühigkeit Nicht zum Ausschluß des Deckungsschutzes für einen bestimmten Unfall, sondern zur B e e n d i g u n g des V e r t r a g e s führt es, wenn der Vte geisteskrank, von Epilepsie oder schwerem Nervenleiden befallen oder mehr als 70% dauernd arbeitsunfähig wird (§ 5 AUB). Diese Regelung findet sich in den AUB seit 1961, bis dahin wurden jeweils am Schluß der Ausschlußbestimmung, zuletzt in § 3 (7) AUB Unfälle, die unabhängig von Kausalität und Verschulden — nach dem Eintritt der dort genannten Leiden sich ereigneten, vom Deckungsschutz ausgenommen. Für diese Fälle wurde die Befreiung des Vers vom Deckungsschutz als auflösende Bedingung davon abhängig gemacht, daß der Vte während der Zeit dieser Leiden oder Zustände einen Unfall 364

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IV. Ausschlüsse

Anni. G 170

erleidet (vgl. die Nachweise bei Henke Ausschlüsse S. 75-77). Die AUB von 1961 haben nunmehr die im Hinblick auf die Fortdauer des Vertrages entstehenden Zweifelsfragen dahingehend gelöst, daß in den in § 5 genannten Fällen der Vsvertrag endet. Wegen der Kollision dieser Bestimmung mit § 34a vgl. Anm. C 7 und D 23. [G 168] cc) Konkurrenz mit anderen Ausschlüssen Die schuldhafte Herbeiführung von BewuBtseinsstörung in Verbindung mit weiterem Verhalten kann S t r a f t a t b e s t ä n d e (§§ 315a, 315c, 330a StGB) verwirklichen und zum Ausschluß des Vsschutzes auch nach diesen Bestimmungen führen, vgl. hierüber im einzelnen oben Anm. G 146—149 sowie Pfennig VersR 1956 S. 333—334 und Millert VersR 1964 S. 119-121. [G 169] c) Zweck und Auslegung der Ausschlußklausel Das in den Bedingungen stets gemeinsam verwendete Begriffspaar G e i s t e s - o d e r B e w u ß t s e i n s s t ö r u n g i s t weder im W G noch in den maßgeblichen AVB definiert. Für den Begriff der BewuBtseinsstörung hat sich als Ergebnis teleologischer Auslegung eine Definition herausgebildet, die zwar Bedenken ausgesetzt ist (unten Anm. G 196), für die Rechtsanwendung indessen als so gefestigt angesehen werden muß, daß sie hier zugrundegelegt werden soll. Diese Auslegung geht vom Zweck der Ausschlußtatbestände aus, der darin zu sehen ist, daß der Unfallver sich verpflichtet, nur das gleichsam normale Unfallrisiko zu decken, das sich aus der Gefahrenlage eines unter normalen Lebensumständen sich ungestört und in uneingeschränkter Entscheidungsfreiheit verhaltenden Vten ergibt. Ausgeschlossen vom Deckungsschutz sind hiernach Vte, die nicht frei handeln oder infolge dauernder oder zeitweiliger körperlicher oder geistiger Ausfälle gehindert sind, eine ihnen drohende Unfallgefahr zu erkennen und ihr in sachentsprechender Weise zu begegnen oder auszuweichen. Von diesem Grundgedanken geht die Definition der B e w u ß t s e i n s s t ö r u n g seit RG 10. V. 1940 RGZ Bd 164 S. 49—52 aus. Die Rechtsprechung nach 1945 ist dieser Auslegung nach anfänglicher Unsicherheit (vgl. die Nachweise Anm. G 177—179) gefolgt, sie kann heute als für die Praxis unangefochten gelten. [G 170] d) Begriff der Geistesstörung Auf der Grundlage dieses Zwecks des § 3 (4) AUB ist auch der Begriff der G e i s t e s s t ö r u n g zu ermitteln, die, soweit ersichtlich, nur in einem Kommentar, jedoch in keiner veröffentlichten Entscheidung näher definiert worden ist: Die Kommentare von Wussow AUB 4 § 3 Anm. 12 und Prölss-Martin21 § 3 AUB Anm. 4 a—f erwähnen die Geistesstörung als eigenständigen Begriff überhaupt nicht, Wüstney § 3 AUB Anm. 6 bezeichnet u. a. Geistesstörungen als „plötzlich, schlagartig auftretende Krankheitserscheinung" und erwähnt, daß ein Selbstmord nicht deckungspflichtig sei, wenn er auf einem Anfall von Geistesgestörtheit beruhe. Nur BiihringMertins S. 87 führen aus, daß sich der Begriff der geistigen Störung (wörtlich im dort erläuterten Bedingungstext: „Unfälle infolge Geistes- oder Bewußtseinsstörung") völlig mit dem der „krankhaften Störung der Geistestätigkeit" im Sinne des § 827 S. 1 BGB decke. In der Rechtsprechung wird in mehreren Entscheidungen erwogen, ob eine Geistesstörung zum Unfall geführt habe. Das geschieht indessen nicht mit entsprechender Subsumtion, sondern in gemeinsamer, insoweit nicht differenzierender Prüfung von Schwindel, Ohnmacht, Geistes- und Bewußtseinsstörung, vgl. KG 2. V. 1931 JRPV 1931 S. 270-271; KG 23.1. 1932 JRPV 1932 S. 105; KG 19. IV. 1932 JRPV 1932 S. 150-151; LG Berlin 10. V. 1938 JRPV 1939 S. 79-80. Keine dieser Entscheidungen Wagner

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Anm. G171

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

läßt erkennen, wie der Begriff der Geistesstörung im jeweiligen Bedingungstext aufgefaßt wird. Entsprechendes gilt für die neuere Entscheidung des OLG Karlsruhe 12.1.1975 VersR 1976 S. 185: Das Gericht erwägt, ohne auf den Inhalt der Begriffe näher einzugehen, Geistes- oder Bewußtseinsstörung eines Vten, der sich in psychischer Zwangssituation „Selbstmordschnitte" beigebracht hatte. Es geht dieser Frage indessen nicht nach, weil nach seiner Auffassung Deckungsschutz auch dann nicht gegeben ist, wenn die Verletzungen nicht unter Einwirkung solcher Störungen beigebracht worden sind. Im Anschluß an die Kommentierung von Bühring-Mertins S. 87 und unter Beachtung der von der h. M. für die Bewußtseinsstörung herausgearbeiteten, am Zweck des Ausschlußtatbestandes orientierten Definition ist als Geistesstörung im Sinne des § 3 (4) AUB entsprechend § 827 BGB ein die f r e i e Willensbestimmung a u s s c h l i e ß e n d e r Z u s t a n d k r a n k h a f t e r Störung der G e i s t e s t ä t i g keit anzusehen. Das Erfordernis des krankhaften, irregulären, folgt aus dem Ausdruck „Störung" (in diesem Sinne für Bewußtseinsstörung BGH 10.1.1957 VersR 1957 S. 90-92). Daß es der Ausschluß der freien Willensbestimmung ist, der zum Verlust des Vsschutzes führt, ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift, die das Risiko des Unfallvers auf die Unfallgefährdung eines Vten mit Fähigkeit zu normaler (gesunder) Entscheidung beschränken soll. Eine solche Gefahrenlage besteht nicht (mehr), wenn der Vte infolge krankhafter Störung der Geistestätigkeit nicht frei, sondern zwanghaft handelt und reagiert (vgl. im übrigen §§ 169 W G und 10 ALB sowie die für die Lebensv ergangene Entscheidung LG Hamburg 9. VII. 1954 VA 1955 S. 139-140 Nr. 93). Das Gericht meint, daß in diesen Vorschriften zwanghafter und unentrinnbarer Vollzug der Selbstzerstörung gemeint sei. Das Bewußtsein des Betroffenen ist in solchen Fällen ungestört, beeinträchtigt ist seine Steuerungsfähigkeit. [G 171] e) Begriff der Bewußtseinsstörung aa) Begriffsinhalt In älteren Entscheidungen wird die Bewußtseinsstörung ohne inhaltliche Unterscheidung im Zusammenhang mit Schwindel, Ohnmacht und Geistesstörung genannt (vgl. Anm. G 170). Seit der Leitentscheidung RG 10. V. 1940 RGZ Bd 164 S. 49-52 kann der Begriff der Bewußtseinsstörung als für die Regulierungspraxis abschließend geklärt gelten: „Eine Bewußtseinsstörung, wie sie allgemein verstanden wird und deshalb auch hier verstanden werden muß, ist nicht mit völliger, zeitlich begrenzter Bewußtlosigkeit gleichzustellen. Sie erfordert also nicht, wie diese, ein gänzliches Versagen der Sinnestätigkeit, sondern nur ihre Störung mit wesentlicher Beeinträchtigung der Aufnahme- und Gegenwirkungsfähigkeit. Die Ausschlußbestimmung . . . beruht auf dem Gedanken, daß das Ergebnis des Unfallereignisses, die Tötung oder Gesundheitsbeschädigung, letzten Endes nicht eigentlich auf den Unfall, sondern auf den bei dessen Eintritt schon vorhandenen krankhaften Zustand des Vten zurückzuführen ist. Unter die krankhaften Zustände dieser Art wird mit gutem Grunde die Störung oder Trübung des Bewußtseins einbegriffen, weil ein solcher Zustand bereits den Vten unfähig macht, die Gefahrlage, in der er sich befindet oder in die er sich begibt, klar zu erkennen und sich darin besonnen und richtig zu verhalten, mithin das zu tun, was bei Beherrschung der Sinne zur Vermeidung eines Unfalls erwartet werden kann." BGH 24. X. 1955 VersR 1955 S. 732-734 = BGHZ Bd 18 S. 311-319 ist dieser Auslegung gefolgt. Er hat den Deckungsschutz aus einer (Volks-) Unfallv versagt, den ein Vter beim Fahren mit einem Kleinkraftrad unter der Wirkung einer Blutalkohol366

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IV. Ausschlüsse

Aran. G 174

konzentration (BÄK) von 1,95 Promille erlitten hatte. Der Vte war, nachdem er einen Prellstein rechts an der Straße jenseits des Sommerweges gestreift hatte, zu Fall gekommen und an den Folgen des Sturzes gestorben. Der BGH zitiert zunächst zustimmend die oben genannte Entscheidung des RG, die in Rechtsprechung und Lehre nahezu einhellige Zustimmung gefunden habe und von der abzuweichen der Senat keinen Anlaß sehe: „Nur für solche Unfälle, die jedermann bei normaler körperlicher und geistiger Verfassung zustoßen können, will der Ver Deckung gewähren, nicht aber für Gefahren, die durch eine krankhafte Beeinträchtigung der Abwehrfunktionen beim Vmer selbst überhaupt erst herbeigeführt werden oder sich auswirken können. In diesem Sinne gehört zur Annahme einer Bewußtseinsstörung, die nicht etwa der völligen Bewußtlosigkeit gleichzusetzen ist, bereits eine Störung der Sinnestätigkeit mit wesentlicher Beeinträchtigung der Aufnahme- und Gegenwirkungsfähigkeit (Zitat RG), wie sie auch bei einem gewissen Grad von Trunkenheit erfahrungsgemäß stets eintritt." [G 172] bb) Entwicklung aus den Besonderheiten des Straßenverkehrs Der Begriff der Bewußtseinsstörung ist hiemach aus den Besonderheiten von Unfällen entwickelt worden, die im Straßenverkehr geschehen und für die die Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit eines Kraftfahrzeugführers maßgeblich war. Zum Maßstab eines in diesem Sinne ungestörten Bewußtseins wurde damit diejenige Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit, die für die Beherrschung eines maschinengetriebenen und damit ständig wechselnden Notwendigkeiten des Reagierens ausgesetzten Fahrzeuges vorauszusetzen ist. Damit war der Bereich des Begriffs Bewußtseinsstörung in erheblichem Maße über diejenige Vorstellung hinaus ausgedehnt, die dem Begriff des Lebens- und des medizinischen Sprachgebrauchs zugrundeliegt (näheres unten Anm. G 196). Die Rechtsprechung hat diesen „verkehrstechnischen" Begriff der Bewußtseinsstörung für alle Verkehrsteilnehmer zugrundegelegt, und zwar für Pkw-, Lkw- und Motorradfahrer im Hinblick auf §§ 315 a, 315c, 316 StGB, für Radfahrer und Fußgänger im Hinblick auf § 2 StVZO. Da auch für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer erhebliche Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit verlangt wird, gilt auch für sie im oben zitierten Sinne ein strenger, d. h. weitgefaßter Begriff der Bewußtseinsstörung. [G 173] cc) Abgrenzung der Bewußtseinsstörung Der Begriff der Bewußtseinsstörung wird durch das Erfordernis eingeengt, daß die Beeinträchtigung der Aufnahme und Abwehrmöglichkeiten irreguläre Gründe haben muß. Das wird aus dem Wortteil „Störung" geschlossen. Durch diese Abgrenzung werden Fälle bloßer Übermüdung, soweit diese nicht auf Alkohol- oder Medikamentengenuß beruht, vom Begriff der Bewußtseinsstörung ausgeschlossen, LG Hannover 21. VI. 1954 VersR 1954 S. 490-491, OLG Oldenburg 6.V. 1955 VersR 1955 S. 513—514 m. Anm. Weber S. 515 und Revisionsentscheidung hierzu von BGH 10.1. 1957 BGHZ Bd 23 S. 76 = VersR 1957 S. 90. [G 174] 0 Fallgruppen aa) Allgemeines Die Rechtsprechung bildet seit 1951 für typische Fallgruppen bestimmte Regeln, nach denen die Instanzgerichte im wesentlichen übereinstimmend verfahren und die deshalb — unter dem Vorbehalt von Besonderheiten des Einzelfalles — eine Einschätzung der Prozeßchancen ermöglichen. Diese Rechtsprechung ist im folgenden für Wagner

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Anm. G176

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

die einzelnen Fallgruppen getrennt darzustellen, nämlich für Kraftfahrer (Pkw und Lkw) Anm. G 175—181, für Motorradfahrer (einschließlich Mopedfahrer) Anm. G 182-184, für Mitfahrer fahruntüchtiger Kraftfahrer Anm. G 185-188, für Radfahrer Anm. G 189-191, für Fußgänger im Straßenverkehr Anm. G 192-194 und für sonstige Unfälle infolge Bewußtseinsstörung außerhalb der besonderen Situation des Straßenverkehrs Anm. G 195-196. [G 175] bb) Β ewußtseinsstörung von Kraftfahrern (Pkw and Lkw) aaa) Allgemeines Die bedeutsame Entscheidung BGH 24. X. 1955 BGHZ Bd 18 S. 311 = VersR 1955 S. 732, mit der die Grundsätze der Leitentscheidung des Reichsgerichts 10. V. 1940 RGZ Bd 164 S. 49 übernommen wurden, erging auf Deckungsklage des Fahrers eines Kleinkraftrades. Sie hat gleichwohl als Leitentscheidung für alle Kraftfahrer Bedeutung, für die als Unfallursache eine Bewußtseinsstörung in Betracht kommt. Denn der BGH geht von dem Satz aus, daß Fahruntüchtigkeit im Sinne der §§ 315 a, 315 c und 316 StGB zwar begrifflich nicht mit Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB identisch sei, daß aber die Voraussetzungen einer Bewußtseinsstörung immer dann vorlägen, wenn Fahruntüchtigkeit festgestellt werde (zur Kausalität Anm. G 197). Da der 3. Strafsenat am 5. XI. 1953 BGHSt Bd 5 S. 168 = NJW 1954 S. 159 mit Anm. Schmidt-Leichner entschieden hatte, daß jeder Kraftfahrer mit einer BÄK von l,5%o absolut fahruntüchtig sei, ergab sich die Konsequenz, daß die Feststellung einer solchen BÄK oder mehr zur Unfallzeit für die Annahme einer Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB ausreicht. Darauf, ob der Fahrer einen betrunkenen Eindruck macht oder ob seine Fahrweise vor dem Unfall zu beanstanden war, soll es nicht ankommen. [G 176] bbb) Gleichstellung von Bewußtseinsstörung und Fahrantiiditigkeit Bei Feststellung einer BÄK, die unter diesem Wert liegt — bei sog. relativer Fahruntüchtigkeit —, setzt die Feststellung einer vsrechtlich erheblichen Bewußtseinsstörung weiter voraus, daß der Fahrer fehlerhaft gefahren und daß es zu diesem Unfall unter Umständen gekommen sei, die ein Nüchterner bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gemeistert haben würde. Damit waren die Voraussetzungen für die Feststellung einer Bewußtseinsstörung mit denen für die Feststellung der Fahruntüchtigkeit im Strafrecht für identisch erklärt worden. Diese Anlehnung der unfallvsrechtlichen an die strafrechtliche Wertung führt zu der Konsequenz, daß eine Änderung der Rechtsprechung im Hinblick auf diejenige BÄK, die zur Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit führt, sich ohne weiteres auf die vsrechtliche Judikatur zur Unfallv auswirkt: Nachdem BGH 9. XII. 1966 BGHSt Bd 21 S. 157 für Pkw entschieden hatte, daß schon eine BÄK von l,3°/oo absolut fahruntüchtig mache, wies zunächst OLG Zweibrücken 14. II. 1967 VersR 1967 S. 574 die Deckungsklage eines Pkw-Fahrers, der unter dem Einfluß von l,45°/oo BÄK einen Unfall erlitten hatte, unter ausdrücklichem Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des BGH ab. Dieselbe Folgerung zieht der 4. Zivilsenat des BGH dann selbst am 7.1.1972 VersR 1972 S. 292 (mit Anm. Franke). Das Gericht beanstandet zunächst die Ermittlung der BÄK durch das Berufungsgericht, das die Beweismittel nicht ausgeschöpft habe und weist für die Entscheidung nach Zurückverweisung darauf hin, daß es gegebenenfalls bei Feststellung einer BÄK von l,3°/oo auf die Fahrweise nicht mehr ankomme. OLG Saarbrücken 13. XI. 1973 VersR 1974 S. 481-482 m. Anm. Franke hält nach Zurückverweisung und ergänzter Beweisaufnahme eine BÄK von l,3°/oo für erwiesen und weist die Klage wegen unfallursächlicher Bewußtseinsstörung ab. Danach verfährt 368

Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 179

nunmehr die Rechtsprechung; zu abweichenden Meinungen und zur Kritik vgl. die Ausführungen Anm. G 196. [G 177] ccc) Rechtsprechung vor 1945 aaaa) Vorbemerkung Eine Bewußtseinsstörung als Unfallursache im Straßenverkehr hat bis zum Jahre 1940 keine erhebliche Rolle gespielt. Soweit sich Gerichte auf Deckungsklage des Vten mit dieser Frage zu befassen hatten, geschah dies überwiegend mit einer gewissen Beiläufigkeit, die darauf hindeutet, daß der Begriff der Bewußtseinsstörung nicht in dem von der neueren Rechtsprechung geprägten, auf die Erfordernisse der Sicherheit im Straßenverkehr abstellenden Sinne, sondern als Ursache für eine sich augenfällig äußernde Störung des äußeren Verhaltens verstanden wird. Der Übergang zu dem sehr weit gefaßten Begriff der Bewußtseinsstörung wird von RG 10. V. 1940 RGZ Bd 164 S. 49 = JRPV 1940 S. 133 vollzogen. [G 178] bbbb) Uberblick über die Entscheidungen KG 2. V. 1931 JRPV 1931 S. 270 gibt der Klage der Erben des Vten statt, der mit einem Pkw gegen einen Baum gefahren war und sich tödlich verletzt hatte. Bewußtseinsstörung als Unfallursache war in Betracht gezogen, jedoch nicht bewiesen worden. KG 19. IV. 1932 JRPV 1932 S. 150 gibt ebenfalls der Deckungsklage der Witwe eines mit einem Pkw verunglückten Vten statt, weil die Unfallursache nicht aufgeklärt werden konnte. Die Witwe hatte die Obduktion der Leiche verweigert. Auch hier wird Bewußtseinsstörung als Unfallursache in Betracht gezogen. OLG Bremen 6. X. 1933 JRPV 1934 S. 109 hat ein Geschehen zum Gegenstand, bei dem ein Kraftfahrer sein Fahrzeug in ein Hafenbecken gesteuert hatte und dort ertrunken war. Die Entscheidung erwägt in erster Linie Selbstmord des Vten, eine Bewußtseinsstörung wird nur am Rande in Betracht gezogen. Der Deckungsklage wird, da ein Ausschlußgrund nicht bewiesen sei, stattgegeben. RG 10. V. 1940 RGZ Bd 164 S. 49 = JRPV 1940 S. 133 weist Deckungsklage des Erben des Vten ab. Dieser war in betrunkenem Zustande mit einem Pkw in einer Kurve tödlich verunglückt. [G 179] ddd) Rechtsprechung nach 1945 aaaa) Deckungsschutz verneint: LG München 5. III. 1952 VersR 1952 S. 162. Der Vte war mit 2,12°/oo mit einem Pkw gegen eine Straßenbahn gefahren. LG Bonn 25. III. 1952 VersR 1953 S. 282 versagt das Armenrecht für die Deckungsklage nach dem Unfall eines Pkw-Fahrers mit einer BÄK von l,8°/oo bei fehlerhafter Fahrweise. Diese Entscheidung wird bestätigt durch OLG Köln 9.1. 1953 VersR 1953 S. 283. LG Siegen 30. X. 1952 VersR 1953 S. 237-238 mit Anm. Weber weist Deckungsklage eines verletzten Pkw-Fahrers ab, der nach Unfall weitergetrunken, sich der Feststellung der BÄK jedoch entzogen hatte. LG Münster 8. XII. 1952 VersR 1953 S. 76 weist Klage eines Vten ab, der mit einer BÄK von l,47°/oo nachts auf einen stehenden unbeleuchteten Lkw aufgefahren war. LG München 23.1.1953 VersR 1953 S. 251 lehnt das Armenrecht für eine Deckungsklage ab. Der Vte war nachts mit einer BÄK von l,9°/oo gegen einen Baum gefahren. LG Siegen 19. III. 1953 VersR 1953 S. 251 versagt Deckungsschutz für einen Unfall, den der Vte mit einer BÄK von l,86%o erlitten hatte. OLG Karlsruhe 2. VI. 1954 VersR 1954 S. 350 schließt Bewußtseinsstörung allein aus unqualifizierter Fahrweise des Vten und läßt offen, ob die BÄK mit 2,02°/oo richtig berechnet worden sei. LG Hannover 21. VI. 1954 VersR 1954 S. 490 weist Deckungsklage ab, obwohl BÄK des vten Fahrers zur Zeit des Unfalls nicht mehr feststellbar war. Wenn der Unfall auf Übermüdung zurückzuführen sei, so sei 24

B r u c k - M ö l l e r , VVG, 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. G181

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

hierfür doch der vorangegangene Alkoholgenuß ursächlich gewesen. OLG Köln 3. XI. 1954 NJW 1955 S. 468 weist Deckungsklage der Erben des Vmers ab, der mit BÄK von 1,5°/οΰ verunglückt war. OLG Schleswig 15. II. 1955 VersR 1955 S. 244 verweigert das Armenrecht für die Deckungsklage in zweiter Instanz wegen eines Unfalls, den der Vte mit einem Dreiradlieferwagen mit BÄK von 1,6%« erlitten hatte. OLG Bamberg 29. III. 1955 VersR 1955 S. 266 versagt Armenrecht für die Erben eines Pkw-Fahrers, der mit 2,5°/oo BÄK einen tödlichen Unfall erlitten hatte. LG Aurich 7. IV. 1955 VersR 1955 S. 386 weist die Klage der Erben des vten Kraftfahrers ab, der mit einer BÄK von l,6°/oo mit einem anderen Pkw zusammengestoßen war. Das Gericht geht bei der Feststellung der BÄK davon aus, daß der Blutalkoholspiegel in den ersten Tagen nach dem Tode unverändert bleibt. Es sei höchstens ein Sicherheitsabschlag von 0,2°/oo zu berücksichtigen. Eine unfallvsrechtliche Bewußtseinsstörung sei bei Tagesfahrten ab l,5°/oo, bei Fahrten in der Nacht und bei regennasser Straße ab l,2°/oo anzunehmen. LG Mönchen-Gladbach 13. IV. 1955 VersR 1955 S. 449 bejaht Bewußtseinsstörung bei einer BÄK von 1,49%>ο angesichts des fehlerhaften Fahrverhaltens des Vten. LG Traunstein 7. X. 1955 VersR 1956 S. 83 verweigert Armenrecht für Deckungsklage. Der Vte war mit einer BÄK von l,52°/oo verunglückt. Diese Entscheidung bestätigt OLG München 3. XI. 1955 VersR 1956 S. 83. OLG Oldenburg 6. V. 1955 VersR 1955 S. 513-514 mit Anm. Dem entscheidet, daß Einschlafen am Steuer (allein) durch Übermüdung nicht Bewußtseinsstörung im Sinne der vsrechtlichen Ausschlußklausel sei. OLG Düsseldorf 12. VI. 1955 VersR 1955 S. 665 versagt Deckungsschutz nach Unfall mit einer BÄK von l,6%o. Das Gericht setzt sich eingehend mit dem Begriff der Bewußtseinsstörung auseinander. LG Bielefeld 17. XI. 1955 VersR 1957 S. 37 weist Deckungsklage der Erben aus einer Unfallzusatzv zu einer Lebensv ab. Die Fahruntüchtigkeit wird bei einer BÄK von l,95%o aus der Fahrweise geschlossen. OLG Hamm 17. IX. 1973 VersR 1974 S. 236 weist die Beschwerde gegen die Versagung des Armenrechts zurück. Der vom Vten bei einer BÄK von l,45°/oo gesteuerte Transporter war auf nasser und rutschiger Fahrbahn ins Schleudern geraten. OLG Koblenz 20. XII. 1973 VersR 1974 S. 1215 versagt Deckungsschutz, weil der Vte als Kraftfahrer eine BÄK von 2,2°/oo hatte. [G 180] bbbb) Deckungsschutz bejaht Das OLG Celle 8. X. 1953 NJW 1953 S. 396 läßt die Tatsache allein, daß der verunglückte Kraftfahrer unter einer BÄK von l,7°/oo gestanden habe, zur Annahme einer Bewußtseinsstörung nicht genügen. Diese Rechtsprechung wird später ausdrücklich aufgegeben. OLG München 25. V. 1961 VersR 1961 S. 1033 gibt ebenfalls der Deckungsklage statt: Eine Bewußtseinsstörung könne bei einer BÄK von l°/oo nicht bereits aus unaufmerksamer Fahrweise — hier: Auffahren auf eine beleuchtete Abweisblende nachts um 3,40 Uhr — geschlossen werden. [G 181] cccc) Zusammenfassung Der vorstehende Überblick zeigt, daß sich die vsrechtliche Rechtsprechung der strafrechtlichen soweit angepaßt hat, daß der Begriff der Bewußtseinsstörung im Straßenverkehr mit dem der Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses als kongruent anzusehen ist. Das OLG Celle hält an seiner zunächst geäußerten abweichenden Auffassung nicht fest, die Entscheidung des OLG München 25. V. 1961 VersR 1961 S. 1033 ergeht zu einem Fall relativer Fahruntüchtigkeit und paßt sich damit in den Rahmen der übrigen Rechtsprechung ein. Wegen der Kritik hierzu vgl. Anm. G 196. 370

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Anm. G 183

IV. Ausschlüsse

[G 182] ce) Bewußtseinsstörung bei Fahrern von Motorrad und Motorroller aaa) Allgemeines Der Fahrer von Motorrad und Motorroller ist der Gefährdung von Leben und Gesundheit in höherem Maße ausgesetzt als der Fahrer eines Pkw oder Lkw. Das beruht einmal darauf, daß er das Gleichgewicht zu halten und damit gegenüber dem Autofahrer eine zusätzliche Leistung zu erbringen hat. Zum anderen bedingt die ungeschützte Bewegung im Verkehrsraum eine deutlich höhere Gefahrenlage. Deshalb ist die Rechtsprechung geneigt, Fahrtüchtigkeit des Fahrers eines Motorrades oder Motorrollers eher zu verneinen als die eines Autofahrers. BGH 6. III. 1959 BGHSt Bd 13 S. 83 = NJW 1959 S. 1046 entscheidet, daß ein Kraftradfahrer schon bei einer B Ä K von l,3%o unbedingt fahruntüchtig sei. Zur gleichen Zeit wurde absolute Fahruntüchtigkeit eines Autofahrers erst ab l,5%o angenommen (Anm. G 172). Dem entspricht die Rechtsprechung zum Ausschlußtatbestand des § 3 (4) AUB seit Beginn der fünfziger Jahre (Anm. G 183—184). Ebenso wie bei der Bewußtseinsstörung eines Autofahrers wird bei nur relativer Fahruntüchtigkeit auf die Fahrweise des Vten'und darauf abgestellt, wie es im einzelnen zu dem Unfall gekommen sei. So nimmt BGH 5. IV. 1962 VersR 1962 S. 461 = VA 1962 S. 259 Nr. 345 Bewußtseinsstörung im Sinne des vsrechtlichen Ausschlußtatbestandes bei einem Motorradfahrer an, der mit einer BÄK von l,03%o ein Haltegebotsschild unbeachtet gelassen und die Vorfahrt verletzt hatte. Im folgenden wird die Rechtsprechung seit 1951 in einem zeitlich geordneten Uberblick dargestellt werden. Dabei werden zunächst diejenigen Entscheidungen referiert werden, die einen Deckungsschutz des Vten verneinen (Anm. G 183) und dann diejenigen, die der Deckungsklage stattgeben (Anm. G 184). [G 183] bbb) Bewußtseinsstörung bejahen L G Siegen 8 . XI. 1 9 5 1 VersR 1 9 5 2 S. 9 3 - 9 5 mit Anm. Dem; der Motorradfahrer war mit BÄK von 2 , 7 3 % o verunglückt. Die Entscheidung ergeht nach AKB. Sie gibt einen (lehrreichen) Überblick über das Ineinandergreifen (möglicher) Obliegenheitsverletzungen und Ausschlußtatbestände nach §§ 2, 7 und 17 AKB sowie 23, 25 W G . L G Dortmund 21. XII. 1951 VersR 1952 S. 48 verneint Vsschutz für einen Motorradfahrer, der mit einer BÄK von 2 , 0 5 % o verunglückt ist. OLG Nürnberg 1 9 . XI. 1 9 5 2 VersR 1952 S. 251 weist Beschwerde gegen Versagung des Armenrechts für Deckungsklage zurück. Motorradfahrer war mit BÄK von l , 8 9 % o gefahren. LG Stuttgart 2 . II. 1954 VersR 1954 S. 140 verweigert Armenrecht für die Deckungsklage der Witwe des Vten, der mit BÄK von l , 8 9 % o als Motorradfahrer tödlich gestürzt war. LG Stade 1 6 . VI. 1954 VersR 1954 S. 457 lehnt Armenrecht der Ehefrau des vten Motorradfahrers ab, der mit einer B Ä K von 2 , 2 7 % o gestürzt war. LG Weiden 3 . XII. 1 9 5 4 VersR 1 9 5 5 S. 2 6 6 weist Deckungsklage ab, obwohl BÄK des Motorradfahrers, der gegen einen Baum gefahren war, nicht festgestellt werden konnte. Zeugen des Unfalles hatten das fehlerhafte Fahrverhalten des Vten beobachtet. LG Bonn 18. I. 1955 VersR 1955 S. 229 weist Klage des Erben eines Motorradfahrers ab, der mit einer BÄK von l,5%o gegen einen Baum gefahren und tödlich verunglückt war. OLG Nürnberg 11. III. 1955 VersR 1955 S. 267 versagt das Armenrecht für die Berufung gegen ein klagabweisendes Urteil, das den Deckungsschutz für den Unfall eines Motorradfahrers versagt hatte. LG Arnsberg 23. VI. 1955 VersR 1955 S. 433 weist Klage der Witwe eines Motorradfahrers ab, der mit einer BÄK von l,91%o tödlich gestürzt war. LG München 20. VIII. 1955 VersR 1955 S. 641 versagt Armenrecht für die Deckung nach einem Unfall eines Motorradfahrers, der mit BÄK von l , 9 5 % o auf die linke Fahrbahnseite geraten und dort nach Sturz von einem Pkw überfahren worden war. 24*

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Anm. G 183

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

LG Stuttgart 5. VII. 1955 VersR 1955 S. 705 verweigert Armenrecht für die Erbin eines Motorradfahrers, der mit einer BÄK von l,9%c gegen einen Baum geprallt und die Böschung heruntergestürzt war. BGH 24. X. 1955 VersR 1955 S. 732 = VA 1956 S. 12 Nr. 130 hebt als Revisionsgericht das Urteil des OLG Hamm 9. XI. 1953 VA 1954 S. 42 Nr. 62 = VersPrax 1954 S. 62 auf und weist die Klage ab: Bei einer BÄK von l,5%o oder mehr liege immer eine wesentliche Beeinträchtigung der Aufnahmeund Reaktionsfähigkeit und damit eine Bewußtseinsstörung im Sinne von § 3 AUB vor. Hieran ändere sich auch nichts, wenn der Kraftfahrer vordem Unfall eine längere Strecke fehlerfrei gefahren sei. Stoße einem Kraftfahrer in einem solchen Zustand ein Verkehrsunfall bei einer Verkehrslage und unter Umständen zu, die ein nüchterner Kraftfahrer hätte meistern können, so sei nach den Regeln des Anscheinsbeweises anzunehmen, daß der Unfall auf der Bewußtseinsstörung beruhe. LG Rottweil 11. III. 1957 VersR 1957 S. 243 lehnt Armenrecht für eine Deckungsklage ab. Es schließt eine Bewußtseinsstörung des Motorradfahrers zwar nicht aus einer BÄK von l,42%o allein, wohl aber hieraus in Verbindung mit der Fahrweise. Diese Entscheidung wird von OLG Stuttgart 15. VI. 1957 VersR 1957 S. 702 bestätigt. LG Hechingen 6. III. 1957 VersR 1957 S. 772 weist Deckungsklage eines Motorradfahrers ab, der mit BÄK von l,2%o die zulässige Geschwindigkeit überschritten hatte. LG Hannover 30. XII. 1957 VersR 1957 S. 173 verweigert Deckungsschutz für den Unfall eines Vten, der mit seinem Moped verunglückt war. Die Blutentnahme — zwei Stunden nach dem Unfall, aber vor dem Tod des Vten — hatte eine BÄK von l,06°/oo erbracht: Bereits bei einer BÄK von 0,5°/oo sei die Leistungsfähigkeit meßbar gestört und bei l°/oo so stark vermindert, daß die meisten Menschen fahruntüchtig seien. OLG Karlsruhe 6. X. 1958 VersR 1958 S. 21 verweigert als Beschwerdegericht Armenrecht für eine Deckungsklage: Der Vte war mit einer BÄK von l,65°/oo mit seinem Moped verunglückt. LG Dortmund 23. VI. 1959 VersR 1959 S. 26 weist Deckungsklage eines Motorradfahrers ab, der mit BÄK von l,53°/oo nachts auf einen unbeleuchtet abgestellten Lkw-Anhänger aufgefahren war. OLG Braunschweig 10. V. 1960 VersR 1960 S. 722 weist Deckungsklage eines Vten ab, der mit Motorrad unter BÄK von mehr als l,3%o mit überhöhter Geschwindigkeit in einer schmalen Durchfahrt verunglückt war. Das Urteil enthält eine ausführliche Würdigung der Literatur und Judikatur zur Bewußtseinsstörung infolge Alkoholgenusses und setzt sich auch mit der Frage auseinander, ob der in den AUB verwendete Begriff der Bewußtseinsstörung mit dem in § 51 StGB a. F. verwendeten Begriff identisch sei. LG Osnabrück 18. XI. 1960 VersR 1961 S. 265 verweigert das Armenrecht für den Unfall eines Motorradfahrers, der mit einer BÄK von l,45°/oo verunglückt war. LG Memmingen 27. XII. 1960 VersR 1961 S. 363 weist Deckungsklage eines Motorradfahrers ab, der im Zustand alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit verunglückt war, obwohl ihm ein Fahrfehler nicht nachzuweisen war. OLG Schleswig 4. VII. 1961 VersR 1961 S. 841 schließt aus fehlerhafter Fahrweise eines Motorradfahrers mit einer BÄK von l,2%o den ersten Anschein für eine alkoholbedingte Bewußtseinsstörung. LG Düsseldorf 19. III. 1963 VersR 1963 S. 1065 weist Deckungsklage wegen BÄK des Motorradfahrers von l,06%o ab, weil er erkennbar einer einfachen Verkehrslage nicht gewachsen gewesen sei. LG Ellwangen 10. II. 1965 VersR 1965 S. 893 verweigert Deckungsschutz für einen Mopedfahrer, der mit BÄK von 1.76°/oo Unfall erlitten hat. LG Mainz 15. IV. 1965 VersR 1965 S. 969 weist die Deckungsklage eines Motorrollerfahrers ab, der mit BÄK von l°/oo mit seinem Fahrzeug zur Nachtzeit infolge überhöhter Geschwindigkeit und Verletzung des Vorfahrtrechts einen Unfall erlitten hatte. LG Saarbrücken 1. XII. 1965 VersR 1966 S. 534 verweigert Deckungsschutz für einen Unfall, den Motorradfahrer mit BÄK von l,3°/oo erlitten hatte. Das Gericht ist der Auffassung, daß ein unfallbedingter Blutverlust des Vten die Möglichkeit, die BÄK zu ermitteln, nicht beeinträchtige. Mit der 372

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IV. Ausschlüsse

Anm. G185

Frage der Ermittlung der BÄK nach Blutverlust befaßt sich auch LG Ravensburg 17. II. 1966 VersR 1966 S. 1027: Ein mittlerer Blutverlust von 200 bis 500 ccm sei hierfür belanglos. Für einen Motorrollerfahrer lasse eine BÄK von l,2°/oo in Verbindung mit fehlerhafter Fahrweise den Schluß auf eine Bewußtseinsstörung zu. LG Saarbrücken 23. V. 1967 VersR 1968 S. 145 weist Deckungsklage wegen des Unfalls eines Motorradfahrers ab, der mit BÄK von l,52°/oo gegen einen Baum gefahren war. LG Baden-Baden 4. V. 1973 VersR 1974 S. 54 bejaht Bewußtseinsstörung für den Fahrer eines Kleinkraftrades, der mit einer BÄK von 1,15 —1,17%o nach Abbrechen eines Überholvorganges auf die linke Fahrbahnseite geraten war, dort die Leitplanke gestreift hatte und gestürzt war. LG Frankental 23. IV. 1974 VersR 1974 S. 1074 verweigert Deckungsschutz für den Unfall des Fahrers eines Kleinkraftrades, der in leichter Rechtskurve über die Fahrbahnmitte nach links und von dort an einen Betonpfeiler geraten war. Die BÄK hatte l,09°/oo betragen. LG Duisburg 26. VIII. 1974 VersR 1975 S. 759 weist Deckungsklage eines Mopedfahrers ab, der in der Nacht mit einer BÄK von l,23°/oo verunglückt war. OLG Zweibrücken 16. IX. 1974 VersR 1974 S. 1071 lehnt das Armenrecht für die Berufung gegen das vorgenannte Urteil ab. LG München I 30. IX. 1974 VersR 1975 S. 130 verweigert Armenrecht nach Unfall eines Mofafahrers, der mit BÄK von 1,76—l,78°/oo verunglückt war. [G 184] ccc) Deckungsschutz trotz möglichen Alkoholeinflusses gewähren LG Siegen 8. XI. 1951 VersR 1952 S. 93-95 mit Anm. Dem. Der Motorradfahrer war mit einer BÄK von 2,8°/oo verunglückt. Maßgeblich für den Inhalt der Entscheidung ist der Umstand, daß die AKB kernen dem § 3 (4) AUB entsprechenden Ausschlußtatbestand zum Inhalt haben. OLG Hamm 9. XI. 1953 VA 1954 S. 42 Nr. 62 = VersPrax 1954 S. 62 hebt das klagabweisende Urteil der Vorinstanz auf: Fahruntüchtigkeit sei eine Bewußtseinsstörung im Sinne des Unfallvsrechtes nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Neben der BÄK seien die übrigen Umstände des Einzelfalles, wie Alter, Gesundheit, Alkoholverträglichkeit und der Unfallhergang sowie das Verhalten des Verunglückten vor und nach dem Hergang zu berücksichtigen. Der Motorradfahrer war mit einer BÄK von l,95°/oo in einer Querrinne der Straße zu Fall gekommen und tödlich gestürzt. Das Urteil ist von Dem und Weber in VersR 1954 S. 251—253 besprochen worden. Seine Grundsätze sind heute überholt. OLG Braunschweig 15. III. 1955 VersR 1955 S. 337-338 mit Anm. Dem gibt der Deckungsklage der Ehefrau eines mit einem Motorrad verunglückten Vten statt, der mit einer BÄK von l,5°/oo gefahren und tödlich verunglückt war. Das Gericht ist der Auffassung, daß die BÄK allein nicht ausreiche, um eine den Deckungsschutz ausschließende Bewußtseinsstörung anzunehmen. Auch diese Entscheidung ist heute überholt. Entsprechendes gilt für LG Köln 25. XI. 1955 VersR 1956 S. 90. Hier wird der Deckungskage der Ehefrau eines Motorradfahrers stattgegeben, der mit einer BÄK von 1,2—l,4°/oo mit seinem Motorrad gegen eine Hauswand geprallt und tödlich verunglückt war. Von BGH 5. IV. 1962 VA 1962 S. 259 Nr. 345 aufgehoben wird OLG München 3. V. 1960 VersR 1961 S. 1084, wo der Deckungsklage der Witwe eines mit BÄK von 1,03—l,09°/oo verunglückten Motorradfahrers stattgegeben wird. [G 185] dd) Versicherungsschutz für Unfälle, die ein nicht bewuetseinsgestörter Versicherter erleidet, weil er sich einem nicht fahrtüchtigen Kraftfahrer anvertraut aaa) Uberblick Eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB ergibt sich für andere Verkehrsteilnehmer als Kraftfahrer (Pkw und Lkw) und Motorradfahrer (einschließWagner

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Anm. G 187

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

lieh Motorroller und Moped) nicht bereits aus der Feststellung einer bestimmten BÄK, wenngleich die Rechtsprechung dazu neigt, bei Überschreiten gewisser Grenzen eine solche Bewußtseinsstörung auch bei Radfahrern, Fußgängern und Vten anzunehmen, die sich außerhalb des Straßenverkehrs bewegen (vgl. Anm. G 192—195). Die Feststellung des Vorliegens einer Bewußtseinsstörung, die u.U. zum Ausschluß des Vsschutzes nach § 3 (4) AUB führen kann, wird besonders problematisch bei dem Vten, der, selbst unter der Wirkung von Alkohol stehend, sich als Mitfahrer einem fahruntüchtigen Kraftfahrer anvertraut. Ihm kann der Vsschutz nach § 3 (4) AUB nur dann versagt werden, wenn seine eigene BÄK zu einer Bewußtseinsstörung des Grades geführt hat, daß er ihretwegen die Fahruntüchtigkeit des Fahrers nicht erkannt hat oder erkennen konnte. Die Feststellung seiner Bewußtseinsstörung und ihrer Unfallursächlichkeit stoßen auf kaum überwindbare Schwierigkeiten: Kommt es zu einem Unfall, so wird die BÄK des verletzten oder getöteten Mitfahrers nicht - jedenfalls nicht regelmäßig — festgestellt werden, weil für die Verfolgungsbehörden in erster Linie die des Fahrers bedeutsam ist. Wird aber — ausnahmsweise — auch die des Mitfahrers gemessen und liegt sie nicht im Bereich eines erheblichen Rausches, so wird oftmals die Aussage, im nüchternen Zustande würde er die Fahruntüchtigkeit des Fahrers erkannt und auf die Mitfahrt verzichtet haben, nur dann möglich sein, wenn der Fahrer deutliche Zeichen von Trunkenheit gezeigt oder wenn der Fahrer und Mitfahrer gemeinsam getrunken haben, so daß der Mitfahrer den Grad der Trunkenheit des Fahrers annähernd abschätzen kann. BGH 16. I. 1976 VersR 1976 S. 484-485 nimmt hierzu in grundsätzlicher Weise Stellung: Das Ausmaß der durch Bewußtseinsstörung bedingten Gefahrerhöhung hänge nicht allein von der BÄK, sondern auch von der Lebenssituation ab, in der sich der Vte befinde. Sie sei besonders hoch bei einem Kraftradfahrer, geringer bei einem Kraftwagen- oder Fahrradfahrer, noch geringer bei einem Fußgänger und am geringsten bei einem Mitfahrer eines Kraftwagens. Eine nach § 3 (4) AUB bedeutsame Bewußtseinsstörung liege vor, wenn der Vte nicht mehr in der Lage sei, den Sicherheitsanforderungen, die seine Umwelt an ihn stellt, Genüge zu tun. Das setze bei einem Verkehrsteilnehmer voraus, daß er gemäß § 2 StVZO nicht mehr am Verkehr teilnehmen dürfe (BGH a.a.O. S. 485 Ii. Sp. oben). Der BGH bejaht diesen Grad der Bewußtseinsstörung für einen Mitfahrer grundsätzlich erst bei einer BÄK von 2°/oo und mehr. [G 186] bbb) Treueverstoß des Versicherten? Einem Mitfahrer, der sich aus Leichtsinn oder Unerfahrenheit einem betrunkenen Fahrer anvertraut, ohne selbst im Sinne des § 3 (4) AUB bewußtseinsgestört zu sein, kann der Vsschutz nicht mit der Begründung verweigert werden, er verstoße mit dem Verlangen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), so aber Steffani VersR 1967 S. 1 8 - 1 9 unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum Handeln auf eigene Gefahr im allgemeinen Haftpflichtrecht. Der Vte kann den Vsschutz nur verlieren, wenn er die Gesundheitsschädigung freiwillig erlitten hat. Das hat nach der zugunsten des Vmers zwingenden Vorschrift des § 180 a der Ver zu beweisen. Die Auffassung Steffanis wird deshalb zu Recht abgelehnt von Pürckhauer VersR 1967 S. 542—543 und Wussow AUB 4 § 3 Anm. 12, S. 98-99; wie Steffani dagegen LG Duisburg 13. II. 1964 VersR 1964 S. 963 (obiter). [G 187] ccc) Verneinung des Deckungsscbutzes für den unter Alkoholeinfluß stehenden Mitfahrer LG Münster 19. III. 1963 VersR 1964 S. 153 läßt es dahingestellt, ob der vte Ehemann der Klägerin oder sein Bekannter den Pkw gesteuert habe, mit dem beide 374

Wagner

Anm. G 188

IV. Ausschlüsse

über einen Kartoffelacker und alsdann gegen eine Hausmauer gefahren waren. Beide hatten eine BÄK von ca. l,49°/oo und waren infolge des Aufpralls verstorben. Das Landgericht weist die Klage ab, weil der Vte infolge Bewußtseinstörung, sei es als Fahrer oder als Beifahrer, den Unfall erlitten habe. OLG Hamm 5. VIII. 1963 VersR 1964 S. 154 verweigert das Armenrecht für die Berufung gegen dieses Urteil. Ähnlich LG Duisburg 13. II. 1964 VersR 1964 S. 962. Die Deckungsklage wird abgewiesen Der Vte und sein Freund waren nach gemeinsamem Trinken mit dem Pkw verunglückt, der Vte tödlich. Ihre BÄK betrug 1,5 bzw. l,6°/oo, wer gefahren war, ließ sich nicht feststellen. Hierauf kommt es nach Auffassung des Gerichts nicht an, weil die durch Alkoholgenuß bedingte Bewußtseinsstörung für den Unfall des Vten ursächlich geworden sei, gleichviel, ob er als Fahrer oder als Beifahrer verunglückt sei. Auch hier verweigerte OLG Hamm 29. V. 1964 VersR 1964 S. 963 das Armenrecht für die Berufung der Klägerin. LG Regensburg 18. V. 1965 VersR 1966 S. 32 verweigert Armenrecht für die Witwe des Verunglückten, der als Beifahrer im Pkw mit einer BÄK von 2,3—2,4%o mit einem Fahrer gefahren war, dessen BÄK l,92%o betragen hatte. LG Düsseldorf 19. IV. 1966 VersR 1966 S. 923 weist Deckungsklage der Witwe des vten Ehemannes ab, der sich mit einer BÄK von l,41%o einem Pkw-Fahrer mit einer BÄK von 2,34°/oo anvertraut hatte. Erster Anschein und Lebenserfahrung sprächen hier für eine unfallursächliche Bewußtseinsstörung des Beifahrers. LG Konstanz 19. IX. 1969 VersR 1969 S. 1132 weist Deckungsklage wegen Unfalls eines Pkw-Mitfahrers ab, der sich mit BÄK von 2°/oo einem Fahrer mit l,5%o anvertraut hatte. OLG Köln 6. XI. 1972 VersR 1973 S. 216 weist Deckungsklage eines PkwMitfahrers ab, weil er wegen seiner eigenen BÄK von 2,23%>o die Fahruntüchtigkeit des Fahrers (1,7—2,l°/oo) nicht erkannt habe. Fahrer und Mitfahrer hatten gemeinsam getrunken. LG Baden-Baden 27. II. 1976 VersR 1976 S. 982 weist Deckungsklage der Erben eines Vten ab, der als Mitfahrer eines Freundes tödlich verunglückt war. Der Fahrer hatte eine BÄK von 1,33-1,34, der Vte eine BÄK von 1,94-1,96%« aufgewiesen. [G 188] ddd) Bejahung des Deckungsschutzes für Mitfahrer OLG Frankfurt/Main 17. V. 1960 VersR 1960 S. 782 gibt der Deckungsklage des vten Soziusfahrers statt, der sich mit einer BÄK von l,62°/oo von einem Motorradfahrer mit einer BÄK von l,3%o hatte fahren lassen: Es sei nicht bewiesen, daß der Vte in nüchternem Zustand die Fahruntüchtigkeit des Fahrers erkannt haben würde. Hierfür spreche kein erster Anschein. LG Aachen 13.1.1966 VersR 1966 S. 261 gibt der Deckungsklage der Erben des Beifahrers (Pkw) statt. Der Ver habe nicht bewiesen, daß Vter bei Beginn der Fahrt die Fahruntüchtigkeit des Fahrers habe erkennen können. Die Möglichkeit, dies zu erkennen, könne der Beifahrer unter Umständen noch bei einer BÄK von 1,5—2%o haben. LG Memmingen 2. V. 1966 VersR 1966 S. 1190 gibt der Klage der bezugsberechtigten Mutter des Vten statt, der mit BÄK von l,3%o mit einem Pkw-Fahrer mit BÄK von 1,75%« gefahren war. OLG Nürnberg 23. V. 1967 VersR 1969 S. 275 gibt der Deckungsklage nach einem Unfall statt, den der Vte mit einer BÄK von l,4-l,5°/oo als Sozius eines fahruntüchtigen Motorradfahrers erlitten hatte. OLG Hamm 11. XI. 1970 VersR 1971 S. 562 gibt ebenfalls der Deckungsklage statt: Es gebe keinen Anscheinsbeweis dafür, daß eine alkoholbedingte Bewußtseinsstörung ursächlich für eine Mitfahrt mit einem alkoholbedingt fahruntauglichen Kraftfahrer sei. Hier hatte der Pkw-Fahrer eine Stunde nach dem Unfall eine BÄK von 2,05%o, der Mitfahrer von l,95%o aufgewiesen. BGH a. a. O. S. 563 verweigert das Armenrecht für die Revision gegen dieses Urteil. BGH 16. I. 1976 VersR 1976 S. 484-485 hebt klagabweisendes Urteil der Vorinstanz auf und verweist zur Ergänzung der Beweisaufnahme zurück: Wenn der Kläger als Mitfahrer Wagner

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Anm. G 190

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

nur eine BÄK von l,67°/oo aufgewiesen habe, dürfe ihm der Deckungsschutz nicht versagt werden. [G 189] ee) Bewußtseinsstörung von Radfahrern aaa) RückschluB von BÄK auf Bewußtseinsstörung Wer infolge körperlicher oder geistiger Mängel außerstande ist, sich sicher im Verkehr zu bewegen, darf grundsätzlich am öffentlichen Verkehr nicht teilnehmen ( § 2 1 StVZO). Da die Faktoren für die fahrtechnische Beherrschung eines Fahrrades in ähnlicher Weise bekannt sind, wie die des sicheren Fahrens eines Pkw oder Lkw, liegt es nahe anzunehmen, daß es auch für Radfahrer eine BÄK gibt, die absolute Fahruntüchtigkeit begründet. Der BGH 7. VIII. 1963 BGHSt Bd 19 S. 8 2 - 8 5 = NJW 1963 S. 2083—2084 hat die Festlegung eines solchen Grenzwertes gleichwohl abgelehnt, weil dieser „nach den gegenwärtigen ärztlichen Erkenntnissen" nicht feststellbar sei. Demgegenüber hat das Bundessozialgericht 18. XII. 1962 NJW 1963 S. 607 als Ergebnis eines Vergleichs für die Anforderungen, die an einen Radfahrer im Vergleich zum Motorradfahrer gestellt werden, einen Blutalkoholgehalt von l,5%o als Grenzwert für absolute Fahruntüchtigkeit festgestellt. Zivilgerichte haben über den Deckungsschutz aus Unfallven entschieden, bei denen der Blutalkohol zwischen l,4°/oo (LG Hamburg 29. VI. 1971 VersR 1972 S. 483) und 3,2%>o (AG Köln 19. XI. 1951 VersR 1952 S. 12) liegt. In beiden Entscheidungen wurde das Armenrecht für die Deckungsklage verweigert. [G 190] bbb) Überblick über die Rechtsprechung zur Bewußtseinsstörung von Radfahrern aaaa) Deckungsschutz wegen unfallursächlicher Bewußtseinsstörung verneinen A G Köln 19. XI. 1951 VersR 1952 S. 12 für die Deckungsklage eines Vten, der mit BÄK von 3,2%o vom Rad gefallen war. AG Köln 2. XI. 1953 VersR 1954 S. 171 weist die Klage der Erben eines Radfahrers ab, der mit BÄK von 2,02%>o von einem ihn überholenden Lkw überfahren und getötet worden war. Der österreichische Oberste Gerichtshof 6. X. 1959 VersR 1959 S. 191 versagt Deckungsschutz für einen Unfall, den ein Radfahrer mit einer BÄK von 2,4%o beim Überqueren einer Reichsstraße unvorsichtigerweise erlitten hatte. OLG Celle 24. X. 1966 VersR 1967 S. 75 lehnt Deckungsschutz für einen Radfahrer ab, der mit BÄK von l,58%o plötzlich und ohne anzuzeigen scharf nach rechts gefahren war. Diese BÄK bewirke eine absolute Fahruntüchtigkeit auch für Radfahrer. Das Gericht lehnt sich an den von der Rechtsprechung für Motorradfahrer zugrunde gelegten Grenzwert von l,3°/oo an. LG München I 11. VII. 1962 VersR 1963 S. 55 lehnt Deckungsschutz für den Unfall eines Radfahrers ab, der mit einer BÄK von l,5%o vom Rad gestürzt und gestorben war. Er hatte geschwankt und war vorher schon gegen ein Scheunentor gefahren. Das Gericht schließt unfallursächliche Bewußtseinsstörung aus dem Gesamtverhalten des Vten. LG Limburg 14. X. 1965 VersR 1966 S. 31 nimmt für einen Radfahrer Fahruntüchtigkeit und damit Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB an, wenn dessen BÄK den Wert von l,3°/oo erreiche. Das Gericht befaßt sich mit der Frage, ob unfallbedingter Blutverlust die übliche Rückrechnung der ermittelten BÄK auf den Unfallzeitpunkt beeinflusse. Es verneint diese Frage unter Hinweis auf Elbe-Schleyer, Blutalkohol, 2. Auflage, 1956, S. 103. Diesen Ausführungen stimmt Gaisbauer in seiner Anm. VersR 1966 S. 974-975 zu. LG Hamburg 29. VI. 1971 VersR 1972 S. 483 versagt Armenrecht für die Deckungsklage der Erben eines verunglückten Radfahrers. Es schließt alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit aus einer BÄK von l,4%o 376

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Amn. G 193

IV. Ausschlüsse

und aus der Fahrweise des Radfahrers. LG München I 30. IX. 1974 VersR 1974 S. 130 verweigert Armenrecht für Deckung eines Unfalles eines Mofafahrers, der mit 1,76— l,87°/oo gestürzt und außerstande gewesen war, die Fahrbahn sofort freizumachen, so daß er mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer kollidiert war. [G 191] bbbb) Unfallursächliche Bewußtseinsstörung veraeint OLG Köln 26. IV. 1955 VersR 1955 S. 611. Das Gericht gibt der Deckungsklage der Erben des vten Radfahrers statt, der mit einer BÄK von l,9%o bewußtlos neben seinem Fahrrad gefunden worden und bald darauf verstorben war. Der Ver könne hier die Ursächlichkeit der Bewußtseinsstörung für den (einen) Unfall nicht beweisen. [G 192] ff) Bewußtseinsstörung von Fußgängern im Straßenverkehr aaa) Allgemeines Alkohol und Medikamente können auch bei Fußgängern Bewußtseinsstörungen in dem Sinne bewirken, daß ihre Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit in erheblichem Maße beeinträchtigt wird. Hierdurch kann die Unfallgefahr des Vten einen Stand erreichen, für den der Unfallver nicht mehr einzutreten bereit ist. Da der Fußgänger im Straßenverkehr nicht durch Fehler bei der Bedienung (Lenkung) von Maschinenkraft bedroht ist, sondern nur den eigenen Körper beherrschen muß, stellt die Rechtsprechung höhere Anforderungen an die Annahme einer Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB, soweit diese von der BÄK abhängt. Nahezu alle hierzu veröffentlichten Entscheidungen betreffen Unfälle, bei denen Fußgänger im Bereich der Fahrbahn mit einem Fahrzeug kollidiert sind, so daß insoweit die Voraussetzungen für die Annahme eines Fehlverhaltens des Vten gegeben waren. Eine hierfür ursächliche Bewußtseinsstörung nimmt die Rechtsprechung in der Regel bei einer BÄK von etwa 2°/oo an, ohne sich indessen auf einen festen Grenzwert festzulegen. Der vom BGH 8. VII. 1957 VersR 1957 S. 509 für einen „Fußgänger" entschiedene Fall, der für die spätere Rechtsprechung nicht ohne Auswirkung geblieben ist — vgl. hierzu die Zusammenstellung von Gaisbauer VersR 1966 S. 5 3 - 5 4 —, betrifft allerdings keine Kollision im Straßenverkehr, sondern den Sturz eines Vten in den Kellerschacht eines Hauses unter dem Einfluß einer BÄK von 2,25°/oo (Sachverhalt dargestellt in der Entscheidung des Berufungsgerichts OLG Celle 17. V. 1956 VersR 1956 S. 401). Kritisch zu dieser Rechtsprechung OLG Hamm 9. III. 1977 VersR 1977 S. 762-763 im Rahmen einer das Armenrecht für die Deckungsklage gewährenden Beschwerdeentscheidung. [G193] bbb) Überblick über die zur Bewußtseinsstörung eines Fußgängers im Straßenverkehr ergangenen Entscheidungen aaaa) Deckungsschutz ist in folgenden Fällen veraeint worden: KG 23. I. 1932 JRPV 1932 S. 105 weist die Klage der Erben einer Vten ab, die infolge eines Sturzes auf der Straße gestorben war. Das Gericht hält den Beweis dafür für erbracht, daß der Unfall der Vten infolge eines „Gehirnschwindelanfalls" eingetreten sei. Diese habe an einer chronischen Gehirnerkrankung gelitten, so daß mit großer Wahrscheinlichkeit ein regelrechter Schwindelanfall zu dem Sturz geführt habe. Die AVB schließen Ohnmachts- und Schwindelanfälle sowie Geistes- und Bewußtseinsstörungen irgendwelchen Grades aus. Das Gericht läßt offen, welchen dieser Gründe es als bewiesen annimmt. LG Hannover 26. III. 1952 VersR 1952 S. 173 verneint Deckungsschutz für den Unfall eines 60 Jahre alten Mannes, der mit einer BÄK von 2.39°/oo vom Trittbrett Wagner

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Anm. G 193

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

einer schon anfahrenden Straßenbahn gefallen war. Diese BÄK habe auch bei einem starken Gewohnheitstrinker Bewußtseinsstörungen im Sinne des Ausschlußtatbestandes zur Folge. Weber a.a.O. stimmt dieser Entscheidung zu. OLG Celle 17. V. 1956 VersR 1956 S. 401 hält seine bisher vertretene Auffassung, daß eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB nicht allein aus einer BÄK geschlossen werden könne, angesichts der Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH vom 4. X. 1955 = BGHSt Bd 18 S. 311 = VersR 1955 S. 732 = NJW 1956 S. 21 nicht mehr aufrecht. Das Gericht geht davon aus, daß ein Fußgänger mit einer BÄK von 2%o oder mehr als bewußtseinsgestört im Sinne des § 3 (4) AUB angesehen werden müsse. Der vte Ehemann der Klägerin war mit einer BÄK von 2,25%o in den Kellerschacht seines Hauses gestürzt. — Der Senat gibt gleichwohl der Deckungsklage statt, weil die ernsthafte Möglichkeit bestehe, daß der Vte auch unabhängig von seiner Trunkenheit in gleicher Weise gestürzt wäre. Dieses Urteil wird aufgehoben vom BGH 8. VII. 1957 VersR 1957 S. 509. Das Revisionsgericht weist die Klage ab und führt aus, daß bei einem Fußgänger eine Bewußtseinsstörung vorliege, wenn seine Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so erheblich geschwächt sei, daß er nicht mehr imstande sei, eine Gefahrenlage wie ein Nüchterner zu erkennen und zu meistern. Stoße einem Vten in einem solchen Zustande infolge Unachtsamkeit, die die typische Auswirkung einer alkoholischen Bewußtseinsstörung sei, ein Unfall zu, so werde der Beweis des ersten Anscheins nicht schon durch die Möglichkeit entkräftet, daß auch ein Nüchterner die gleiche Unachtsamkeit, die zu dem Unfall geführt habe, begehen könne. Der Beweis des ersten Anscheins werde nur dann entkräftet, wenn konkrete Tatsachen die naheliegende Möglichkeit ergeben, daß auch ein Nüchterner eine solche Gefahrenlage bei Aufwendung üblicher Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht gemeistert haben würde. OLG Celle 7. X. 1957 VersR 1958 S. 38 versagt den Erben des Vten das Armenrecht für die Berufung gegen ein klagabweisendes Urteil. Der Vte war beim Überqueren der Fahrbahn mit einer BÄK von 2,08°/oo vor ein Auto gelaufen und tödlich verunglückt. Das Gericht geht davon aus, daß für Fußgänger ein allgemeiner objektiver Grenzwert, bei dessen Vorliegen Bewußtseinsstörung anzunehmen sei, noch nicht angenommen werden könne. Eine im Sinne des § 3 (4) AUB erhebliche Bewußtseinsstörung sei hier jedoch bei einer BÄK von 2°/oo anzunehmen, weil der Vte wie ein Betrunkenner seitwärts schräg über die Straße gegangen sei, ohne sich vorher umzusehen. OLG Köln 17. III. 1958 VersR 1958 S. 281 verneint Deckungsschutz für einen Fußgänger, der mit einer BÄK von l,79°/oo vor ein Kraftfahrzeug gelaufen war, ohne sich davon zu überzeugen, ob die Fahrstraße frei gewesen sei. OLG Stuttgart 30. XI. 1959 VersR 1959 S. 364 läßt es für die Annahme einer unfallursächlichen Bewußtseinsstörung genügen, daß eine BÄK von l,94°/oo festgestellt worden sei, auch wenn ein Zeuge keine Anzeichen von Trunkenheit beim Vten festgestellt habe. Der Vte war auf der Straße von einem Pkw erfaßt worden. LG Stuttgart 28. VII. 1965 VersR 1965 S. 1089 weist das Armenrechtsgesuch der Ehefrau des Vten zurück, der mit einer BÄK von 2,2%o beim Überqueren einer Bundesstraße von einem Pkw erfaßt und getötet worden war. Die BÄK genüge zur Annahme einer unfallursächlichen Bewußtseinsstörung. Das Gericht würdigt allerdings zusätzlich das leichtsinnige Verhalten des Vten. Gaisbauer VersR 1 9 6 6 S. 5 3 - 5 4 faßt in einer Anmerkung zu dieser Entscheidung die Rechtsprechung zusammen. LG Hamburg 15. X. 1965 VersR 1965 S. 137 geht generell davon aus, daß eine unfallursächliche Bewußtseinsstörung anzunehmen sei, wenn die BÄK des Fußgängers 2%o übersteige. Der Kläger hatte mit einer BÄK von 2,2°/oo verkehrswidrig die Straße überquert und war von einer Taxe angefahren worden. OLG Hamm 28. IX. 1967 VersR 1968 S. 86 weist die Deckungsklage nach einem Unfall ab, den der Vte unter dem Einfluß einer BÄK von l,95°/oo erlitten hatte. Er war von einem Pkw auf der Fahrbahn angefahren worden. Zwar habe 378

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 193

der BGH bisher zur Annahme einer Bewußtseinsstörung eine BÄK von 2°/oo für Fußgänger für notwendig gehalten. Da der BGH in Strafsachen seit BGH 9. XII. 1966 BGHSt Bd 21 S. 157 = NJW 1967 S. 116 bei der Berechnung der BÄK nur noch einen Sicherheitszuschlag von 0,2%>o berücksichtige, müsse nunmehr eine Bewußtseinsstörung eines Fußgängers im Sinne des § 3 (4) AUB schon bei einer BÄK von l,95%o angenommen werden. Auf äußerliche Anzeichen der Trunkenheit komme es dann nicht an. LG Braunschweig 31.1. 1968 VersR 1969 S. 55 hält eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB nach dem Beweis des ersten Anscheins auch dann für gegeben, wenn die BÄK auf einem hohen Restalkohol beruhe. Die BÄK hatte hier mindesten 2,37°/oo betragen. Der Ehemann der Klägerin war beim Überqueren der Fahrbahn von einem Pkw angefahren worden. Das Gericht meint, daß es auf äußere Anzeichen von Trunkenheit nicht mehr ankomme. LG Hamburg 11. VI. 1969 VersR 1970 S. 417 weist die Klage nach einem Unfall ab, bei dem der Vte beim Überqueren der Fahrbahn mit einer BÄK von l,95-l,99°/oo von einem Pkw erfaßt worden war. Der erste Anschein spreche für Mitursächlichkeit der Bewußtseinsstörung. Ebenso entscheidet LG Ellwangen 14. VIII. 1970 VersR 1971 S. 1017. Der Vte war mit einer BÄK von l,9%o und unter Beobachtung erheblich verkehrswidrigen Verhaltens von einem Pkw angefahren worden. LG Düsseldorf 2. III. 1971 VersR 1972 S. 874 verneint Deckungsschutz für den Sturz eines Vten, der mit einer BÄK von 3°/oo auf nächtlichem Heimweg vom Bürgersteig abgekommen und im Vorgarten eines fremden Hauses gegen eine Steinstufe gestürzt war. Hier spreche der erste Anschein für eine unfallursächliche Bewußtseinsstörung. OLG Stuttgart 11. II. 1972 VersR 1972 S. 826 weist die Deckungsklage eines Vten ab, der mit einer BÄK von l,82°/oo beim Überqueren der Fahrbahn angefahren und schwer verletzt worden war. Der erste Anschein für eine unfallursächliche Bewußtseinsstörung ergebe sich hier aus dem Verhalten des Vten, der die Fahrbahn betreten habe, ohne nach rechts zu blicken und mit nach unten hängendem Kopf trotz des herannahenden Pkw weitergegangen sei. OLG Koblenz 19. IX. 1974 VersR 1975 S. 514 sieht einen Fußgänger mit einer BÄK von etwa 2°/oo als bewußtseinsgestört an. Das gelte insbesondere dann, wenn er sich nach einem Sturztrunk in der Anflutungsphase befinde. Die alkoholbedingte Bewußtseinsstörung begründe zumindest den Anscheinsbeweis für die Mitverursachung des eingetretenen Unfalls. LG Saarbrücken 17. V. 1976 VersR 1977 S. 324 verneint Vsschutz für den Unfall eines Vten, der mit einer BÄK von 1,89—l,92°/oo beim Überqueren der Straße von einem Pkw überfahren und tödlich verletzt worden war. Es setzt sich mit der Frage auseinander, ob eine schuldhaft verkehrswidrige Fahrweise des Pkw den gegen den verunglückten Vten sprechenden Anscheinsbeweis in Frage stelle. Diese Frage verneint das Gericht: Der Beweis des ersten Anscheins für eine unfallursächliche Bewußtseinsstörung des Vten werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß ein Verschulden des am Unfall beteiligten Kraftfahrers mitgewirkt habe. OLG Hamm 9. III. 1977 VrsR 1977 S. 762 gewährt zwar den Hinterbliebenen des tödlich verunglückten Vten auf deren Beschwerde Armenrecht für die Deckungsklage, weil es die Frage der Bewußtseinsstörung des Vten für aufklärungsbedürftig hält. Seine Leitsätze deuten indes auf eine Verschärfung der Rechtsprechung zu Ungunsten des Vten hin: Auf das Vorliegen einer alkoholbedingten Bewußtseinsstörung könne bei einem Fußgänger auch schon dann aus der BÄK geschlossen werden, wenn diese deutlich unter 2%o liege. Es sei zweifelhaft, ob der bisherigen Rechtsprechung (BGH VersR 1957 S. 509), nach der eine solche Bewußtseinsstörung bei einer BÄK von etwa 2°/oo gegeben sei, noch gefolgt werden könne, nachdem der BGH bei Kraftfahrern den Sicherheitszuschlag von 0,5°/oo auf 0,2°/oo reduziert habe. Auch LG Saarbrücken 17. V. 1976 VersR 1977 S. 324-325 hält relevante Bewußtseinsstörung eines Fußgängers bei einer BÄK von l,89-l,92°/oo für gegeben und weist Deckungsklage ab. Wagner

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Anm. G 196

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 194] bbbb) Deckungsschutz bejaht haben: KG 14. V. 1938 JRPV 1938 S. 205. Das Gericht bewilligt das Armenrecht für eine Klage des Bezugsberechtigten. Der Vte war auf der Straße gestürzt und an einem Schädelbruch gestorben. Er stand unter Alkoholeinwirkung. Der Inhalt der für die Entscheidung maßgeblichen AVB wird nicht im einzelnen mitgeteilt. Die Gründe ergeben, daß Schlag-, Krampf-, Ohnmachts- und Schwindelanfälle sowie Bewußtseinsstörungen ausgeschlossen sind. Das Gericht erwägt, ob auch „sinnlose Trunkenheit" als Ausschlußgrund zu gelten hätte, obwohl dies nicht ausdrücklich gesagt sei. Es läßt die Frage offen, weil sinnlose Trunkenheit nicht festzustellen sei und die Möglichkeit bestehe, daß ein Dritter den Vten gestoßen habe. OLG Celle 14. VI. 1954 und 17. I. 1955 — gemeinsam abgedruckt VersR 1956 S. 27 — betreffen die gleiche Sache: Durch den zweiten Beschluß wird das Armenrecht nach weiterer Aufklärung durch den Sachverständigen gewährt. Der Vte war mit einer BÄK von 2,08%o beim Überqueren der Fahrbahn angefahren worden und an den Verletzungen gestorben. Das Gericht läßt angesichts des Gesamtverhaltens des Vten die BÄK nicht genügen, um eine Bewußtseinsstörung anzunehmen. AG Essen 28. IX. 1954 VersR 1955 S. 163 gibt der Deckungsklage der Ehefrau des Vten statt, der mit einer BÄK von l,6°/oo nach dem Aussteigen aus einer Straßenbahn auf der Straße vom Pkw angefahren und tödlich verletzt worden war. Der Vte habe sich zwar unrichtig verhalten, jedoch keinen betrunkenen Eindruck gemacht. LG Düsseldorf 13. II. 1958 VersR 1958 S. 148 gibt der Deckungsklage eines Vten statt, der mit einer BÄK von l,46®/oo auf einer Fahrbahninsel gestanden und leicht geschwankt hatte. Er war vor eine heranfahrende Straßenbahn gestürzt, sein Bein mußte amputiert werden. Das Gericht ist der Auffassung, daß eine BÄK von l,46°/oo allein nicht genüge, auch dann nicht, wenn ein stehender Verkehrsteilnehmer nur leicht schwanke, um eine Bewußtseinsstörung anzunehmen. OLG Hamburg 19. VIII. 1966 VersR 1967 S. 392 gibt der Deckungsklage der Erben eines Vten statt, der als Fußgänger mit einer BÄK von l,59°/oo auf der Fahrbahnmitte angefahren worden war. Das Strafverfahren gegen den Fahrer wegen fahrlässiger Tötung des Vten hatte zu dem Ergebnis geführt, daß der Vte nicht verkehrswidrig gehandelt habe. Das Gericht geht davon aus, daß die Bewußtseinsstörung eines Vten mit einer BÄK von weniger als 2°/oo nur angenommen werden könne, wenn auch sein Verhalten für Verkehrsunsicherheit spreche. LG Münster 19. VIII. 1976 VersR 1977 S. 127 gibt der Klage des Erben eines durch Unfall getöteten Vten statt: Der Unfall hatte sich nachts um 0,20 Uhr auf einem Wirtschaftsweg ereignet, auf dem der Vte von einem in gleicher Richtung fahrenden Lkw erfaßt worden war. Die BÄK des Vten hatte 2,5°/oo, die des Fahrers l,42°/oo betragen. Das Gericht hält den gegen den Vten sprechenden Anscheinsbeweis für die Unfallursächlichkeit einer alkoholbedingten Bewußtseinsstörung für entkräftet, weil der Fahrer des Kfz zur Zeit des Unfalls ebenfalls unter Alkoholeinfluß gestanden habe und absolut fahruntüchtig gewesen sei. [G 195] gg) Bewußtseinsstörungen bei Unfällen außerhalb des Straßenverkehrs Unfälle außerhalb des Straßenverkehrs, die auf Bewußtseinsstörung beruhen, sind in der Regulierungspraxis der Ver und dementsprechend in der Rechtsprechung nicht in gleicher Weise bedeutsam, wie der vorstehend dargestellte Problemkreis der Bewußtseinsstörung im Straßenverkehr. Auf Entscheidungen hierzu wird unten Anm. G 204 hingewiesen. [G 196] g) Kritische Würdigung der herrschenden Rechtsprechung Der von der Rechtsprechung definierte und nunmehr einhellig verwendete Begriff der Bewußtseinsstörung ist dem Bedenken ausgesetzt, daß er — insoweit im Gegensatz 380

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 196

zu den zur Auslegung von AVB entwickelten Grandsätzen, vgl. BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 m. w.N. — nicht dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens entspricht. Dieser versteht unter Bewußtseinsstörung einen Zustand, der durch eingeschränkte Ansprechbarkeit und verminderte Fähigkeit, auf Umweltreize zu reagieren, erkennbar wird. Der für die Auslegung von AVB geprägte und verwendete Satz, daß es nicht auf die „fachwissenschaftliche Terminologie der ärztlichen Wissenschaft", sondern auf den „allgemeinen Lebenssprachgebrauch" ankomme, vgl. RG 21. XI. 1919 R G Z Bd 97 S. 189-191; 10. I. 1928 RGZ Bd 120 S. 1 8 - 2 0 und BGH 13. IV. 1955 VersR 1955 S. 385, der in diesen Entscheidungen in Anlehnung an die Unklarheitenregel (vgl. Möller in Bruck-Möller Einl. Anm. 70 m. N.) zugunsten des Vmers zitiert und angewendet wird, bleibt nicht nur ohne nähere Begründung unberücksichtigt, die Rechtsprechung geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie ebenfalls zu Ungunsten des Vmers — auch den Vorstellungsinhalt, den die medizinische Fachwissenschaft mit dem Begriff der Bewußtseinsstörung verbindet, unberücksichtigt läßt. Denn die Medizin beschreibt die Bewußtseinsstörung in ihrer schwächsten Form der Beeinträchtigung des Bewußtseins (Somnolenz) als „schlaftrunkenen Zustand" oder „krankhafte Schläfrigkeit" und verwendet für die Steigerung dieses Zustandes bis zur Bewußtlosigkeit (Koma) die Begriffe Sopor und Praekoma, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 1969, Stichwort „Bewußtseinsstörung", im gleichen Sinne Gerchow ZVersWis 1970 S. 407—415 sowie Hallermann und Wille in Festschrift für Göbbels, 1964, S. 75—92, zur graduellen Unterteilung der Bewußtseinsstörung ebenda S. 85. Der in A l l g e m e i n e n Versicherungsbedingungen verwendete Begriff der Bewußtseinsstörung sollte sich, bisheriger Auslegungspraxis entsprechend, am allgemeinen Lebenssprachgebrauch orientieren, nicht aber zum Nachteil des Vmers für seine Auslegung an die Erfordernisse einer ganz bestimmten Situation, nämlich an das Aufnahme- und Reaktionsvermögen eines Verkehrsteilnehmers, insbesondere eines Kraftfahrers anlehnen, der sich im Bereich einer BÄK von etwa 0,6-1,8%« — je nach Konstitution und Trinkgewohnheit, weder nach seinem eigenen noch nach dem Empfinden seiner Umwelt in seinem Bewußtsein gestört fühlt. Es wäre für die Ver möglich, in den Katalog des § 3 AUB einen Ausschlußtatbestand der „Verkehrs- oder Fahruntüchtigkeit" aufzunehmen, der angesichts des Wissensstandes der Öffentlichkeit vom Vmer in gleicher Weise als Warnung für den möglichen Verlust des Unfallvsschutzes wie vor der strafrechtlichen Verfolgung verstanden werden könnte. Die Fülle der zur Bewußtseinsstörung im Sinne des unfallvsrechtlichen Ausschlußtatbestandes veröffentlichten Entscheidungen zeigt, daß hier eine wesentliche Ausschlußbestimmung im wörtlichen Sinne „nicht verstanden" wird, ein Ergebnis, das zu der Rechtsprechung der Gerichte zur Auslegung von AVB im übrigen in nicht vereinbarem Gegensatz steht. Vor einer solchen Klarstellung innerhalb des Katalogs der Ausschlüsse sollte auch aus dem mit Gesetz vom 20. VI. 1973 (BGBl. 1973 I S. 870) neu eingeführten § 24 a StVG, nach dem das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer BÄK von 0,8°/oo und mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, nicht geschlossen werden, daß bereits eine BÄK von 0,8°/oo eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB bewirke, so aber Wussow AUB 4 § 3 Anm. 12 und WJ 1973 S. 140, wie hier Prölss-Martin 21 § 3 A U B Anm. 4 c, S. 1066. Die insbesondere von Wussow vertretene Auffassung identifiziert ausdrücklich und endgültig die Begriffe Fahruntüchtigkeit und Bewußtseinsstörung. Das widerspricht dem Gebot klarer und für den Vmer verständlicher Gefahrbeschreibung, auf dessen Einhaltung die Rechtsprechung im übrigen mit deutlicher Tendenz zugunsten des Vmers bedacht ist. Wagner

381

Anm. G 198

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 197] h) Kausalität der Geistes- oder Bewußtseinsstörung für den Unfall aa) Allgemeines Entsprechend ihrem Charakter als Gefahrumstandsausschlußklausel setzt die Versagung von Deckungsschutz wegen Geistes- oder Bewußtseinsstörung des Vten voraus, daß diese Vorfälle für den Unfall ursächlich geworden sind. Damit entfällt die Ausschlußwirkung des § 3 (4) AUB für Unfälle, die den Vten ohne Rücksicht auf seine Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit betroffen haben, wie etwa Ertrinken eines Nichtschwimmers infolge Sinken eines Schiffes — wenn er nicht in ungestörtem Zustand eine Rettungsmöglichkeit ergriffen haben könnte —, Verletzung eines schwer angetrunkenen Insassen eines Kraftfahrzeuges, dessen Fahrer in seiner Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt war oder Getroffenwerden eines Angetrunkenen vom Blitz oder einem Verkehrsunfall, dem auch ein Nüchterner nach Lage der Dinge nicht hätte ausweichen können (vgl. Biihring-Mertins S. 87). Daß für das Wirken des Ausschlußtatbestandes die Ursächlichkeit wertend zu ermitteln ist, verlangt der Sinn der Ausschlußklausel, wonach nur solche Unfallursachen (Gefahrumstände) den Deckungsschutz entfallen lassen, deren Risiko der Unfallver — wie aus der Gesamtheit der in § 3 AUB zusammengestellten Ausschlußtatbestände für den Vmer erkennbar wird — nicht decken will, weil ihr Vorliegen eine über das normale Maß hinausgehende Gefahrenlage bedeutet. Das Erfordernis einer am Sinn der Ausschlußklausel orientierten, d. h. wertenden Betrachtung der Kausalität ergibt sich hier nicht, wie im allgemeinen Haftungsrecht, aus der Notwendigkeit vernünftiger Begrenzung der Haftung des Schädigers, sondern a u s d e m S i n n d e r A u s s c h l u ß k l a u s e l . Diese Wertung wird den Ergebnissen der Feststellung adäquater Kausalität in der Regel entsprechen (vgl. Wussow AUB 4 § 3 Anm. 9, S. 96 oben). Auf die Darstellung dieser Zusammenhänge von Möller in Bruck-Möller § 49 Anm. 137 m.N. ist durchgehend zu verweisen.

[G 198] bb) Mitursächlichkeit Im Hinblick auf die Ursächlichkeit der Bewußtseinsstörung für den vom Vten erlittenen Unfall heißt es in einer Reihe von Entscheidungen, daß es genüge, wenn die Bewußtseinsstörung für den Unfall m i t u r s ä c h l i c h geworden sei; besonders instruktiv insoweit LG München I 30. IX. 1974 VersR 1974 S. 130-131: Vter war als MofaFahrer mit einer BÄK von 1,74 Promille gestürzt, ohne sich hierbei zunächst zu verletzen, war aber von einem entgegenkommenden Motorradfahrer angefahren und verletzt worden, weil er die Fahrbahn nicht rechtzeitig hatte freimachen können. Der Umstand, daß die Trunkenheit nicht primäre Ursache für den Unfall war, veranlaßt das Gericht zu der Bemerkung, Mitursächlichkeit der Bewußtseinsstörung genüge, um den Deckungsschutz nach § 3 (4) AUB zu versagen. Der Satz, Mitursächlichkeit genüge, findet sich auch in anderen Entscheidungen, ζ. B. OLG Hamm 17. IX. 1973 VersR 1974 S. 1215, BGH 10.1. 1957 VersR 1957 S. 90-92 (91 r.Sp. unten), LG Saarbrücken 27. XI. 1970 VersR 1971 S. 665. Er ist jedoch nicht geeignet, den notwendigen Zusammenhang zwischen Bewußtseinsstörung und Unfall deutlich zu machen. Der Unfall ist stets das Ergebnis einer Reihe von Ursachen, von denen jede einzelne als „Mitursache" bezeichnet werden kann: vgl. zum gleichliegenden Problem konkurrierender Kausalität oben Anm. G 89. Die Frage, ob der notwendige Zusammenhang zwischen Bewußtseinsstörung und Unfall besteht, beantwortet sich nicht aus Kausalitätserwägungen, sondern nach dem wirtschaftlichen Zweck eines Ausschlußtatbestandes, vgl. oben Anm. G 136 und Bruck-Möller § 49 Anm. 137 m.w.N. 382

Wagner

Anm. G 202

IV. Ausschlüsse

[G 199] i) Beweis und Beweislast aa) Allgemeines Der Vmer hat als Anspruchsteller diejenigen Voraussetzungen seines Entschädigungsanspruchs darzutun und zu beweisen, die nach § 2 (1) und (2) AUB Tatbestandsmerkmale des Vsfalles sind, mit Ausnahme des Merkmals „unfreiwillig", das angesichts der Regelung des § 180 a zugunsten des Vmers vermutet wird, so daß der Ver notfalls beweisen muß, daß der Vte die Gesundheitsschädigung freiwillig erlitten hat, vgl. hierzu oben Anm. G 137 m. Ν. Ist dem Vmer hiernach der Beweis dafür gelungen, daß die Voraussetzungen eines Unfalles (oder Einschlußtatbestandes) gegeben sind, so muß der Ver den Gegenbeweis dafür erbringen, daß (1.) eine im Sinne des § 3 (4) AUB relevante Bewußtseinsstörung vorgelegen hat und daß diese (2.) für den Unfall ursächlich geworden ist. — Das alles ist gesichert und nicht mehr bestritten. Der vorstehende Hinweis ist gleichwohl erforderlich um deutlich zu machen, daß und in welchem Ausmaß die Rechtsprechung zu § 3 (4) AUB dem Unfallver den Beweis für das Vorliegen einer Bewußtseinsstörung bei Alkoholwirkung im Straßenverkehr erleichtert (Anm. G 200—203), ihm darüber hinaus den Beweis der Ursächlichkeit der alkoholbedingten Bewußtseinsstörung erläßt und dem Vten insoweit die Möglichkeit des Gegenbeweises abschneidet (Anm. G 204—205). [G 200] bb) Beweis von Bewußtseinsstörung Der Beweis von Bewußtseinsstörung ist bei Unfällen, die sich im Straßenverkehr ereignen, in der überwiegenden Zahl der Fälle leicht zu führen; in der Regel werden von Kraftfahrern, aber auch von Fußgängern und Radfahrern, die im Straßenverkehr einen Unfall erleiden, zur Feststellung der Voraussetzungen von Straftatbeständen (§§ 315a, 315c und 316 StGB) oder von Ordnungswidrigkeiten (§§2 StVZO, 24a StVG) Blutproben entnommen. Die Rechtsprechung läßt es zum Beweis der Bewußtseinsstörung aber auch genügen, daß ein Vter, der unzweifelhaft Alkohol genossen hat, von dem indes keine Blutprobe entnommen worden ist, „einen betrunkenen Eindruck macht", d. h. durch sein Verhalten im Straßenverkehr auf Trunkenheit schließen läßt, vgl. LG Weiden 3. XII. 1954 VersR 1955 S. 266, die Entscheidung ergeht aufgrund der Aussagen von Zeugen. [G 201] cc) Beweis der Ursächlichkeit der Bewußtseinsstörung für einen Unfall aaa) Vorbemerkung Für den Beweis der Ursächlichkeit der Bewußtseinsstörung ist innerhalb des Straßenverkehrs zwischen absoluter und relativer Verkehrsuntüchtigkeit zu unterscheiden, außerhalb des Straßenverkehrs kommt es allein auf eine individuelle Beweiswürdigung an, die indessen vielfach ebenfalls vom Beweis des ersten Anscheins bestimmt wird. [G 202] bbb) Absolute Undichtigkeit eines Verkehrsteilnehmers Bei sog. absoluter Undichtigkeit eines Verkehrsteilnehmers geht die Rechtsprechung mehr und mehr dazu über, den ersten Anschein auf die Unfallursächlichkeit zu erstrecken: so ausdrücklich OLG Koblenz 19. IX. 1974 VersR S. 514-515 m.N. für Fußgänger, während BGH 8. VII. 1957 VersR 1957 S. 509 vom Vmer den Nachweis fordert, daß konkrete Tatsachen die naheliegende Möglichkeit ergeben, daß auch ein Nüchterner bei Aufwendung üblicher Aufmerksamkeit die Gefahrenlage nicht gemeistert haben würde: Für Motorradfahrer spricht LG Saarbrücken 1. XII. 1965 VersR 1966 S. 534—535 den Grundsatz aus, nach dem im Ergebnis alle Gerichte Wagner

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Anm. G 204

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

entscheiden, daß nämlich bei erwiesener alkoholbedingter Bewußtseinsstörung eines Verunglückten (hier 1,3 Promille bei Motorradfahrer) der Anscheinsbeweis auch für Unfallursächlichkeit der Bewußtseinsstörung spreche. Für seine Ausräumung reiche die bloße Möglichkeit, daß auch ein Nüchterner die Gefahrenlage bei üblicher Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht gemeistert haben würde, nicht aus. Nur in der Formulierung vorsichtiger BGH 7.1.1972 VersR 1972 S. 292-294: Sei ein beträchtlicher Alkoholeinfluß bewiesen, so könnten auch Ausfallerscheinungen bei dem Verhalten des Vten im Straßenverkehr für das Vorliegen einer Bewußtseinsstörung u n d d e r e n U n f a l l u r s ä c h l i c h k e i t sprechen, es könne dann darauf ankommen, wie der Vte gefahren und wie es zu dem Unfall gekommen sei. Konsequent hiernach OLG Frankfurt/M. 24. VI. 1971 VersR 1972 S. 634-636 für den Fall, daß ein Pkw-Fahrer nach dem Überholen ins Schleudern geraten ist. Seine BÄK hatte 1 Promille betragen; das Gericht meint, er könne den Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit seiner Bewußtseinsstörung nicht schon mit dem Hinweis entkräften, daß er allgemein leichtsinnig und unvorsichtig fahre. [G 203] ccc) Relative Untiichtigkeit eines Verkehrsteilnehmers Bei sog. relativer Undichtigkeit eines Verkehrsteilnehmers ist die Entkräftung des Anscheinsbeweises im Ergebnis ebenso ausgeschlossen, weil seine Verhaltensweise die Vermutung der Bewußtseinsstörung erst begründet. Hierzu wird auf die Aufzählung der Entscheidungen oben (Anm. G 179, 183, 190) verwiesen. Soweit die Bewußtseinsstörung aus dem Verhalten des Vten geschlossen wird, handelt es sich stets um das zum Unfall führende Verhalten, so daß insoweit kraft dieses Zusammenhangs Ursächlichkeit vermutet wird. [G 204] ddd) Beweis der Unfallursächlichkeit einer Bewußtseinsstörung außerhalb des Straßenverkehrs Die durch Verkehrserziehung und Verkehrstheorie begünstigte Vorstellung von einem verkehrsrichtigen oder verkehrsoptimalen Verhalten hat zu einer entsprechend typisierten Vorstellung vom (typisch) verkehrsunrichtigen Verhalten geführt. Ist es — bei relativer Verkehrsuntüchtigkeit (§ 2 StVZO) — erwiesen, so wird seine Unfallursächlichkeit im Sinne des Anscheinsbeweises vermutet. Die Grundlage für eine entsprechende Vermutung gibt es außerhalb des Straßenverkehrs nicht. Hier findet sich deshalb eine vergleichsweise enge Verkoppelung zwischen der Feststellung der Bewußtseinsstörung und ihrer Unfallursächlichkeit nicht. So verneint AG Arnsberg 29.X. 1953 VersR 1954 S. 170-171 Ursächlichkeit einer Trunkenheit - Vter hatte abends getrunken, wurde am nächsten Tage im Mühlenteich gefunden — für Ertrinken, es bestehe weder ein erster Anschein für Bewußtseinsstörung noch für Ertrinken. OLG München 25. VI. 1969 VersR 1970 S. 53 gibt Deckungsklage der Mutter einer Vten statt, die unter Migräneneigung litt und ohne erkennbaren Grund vom Pferd gefallen war: Stürze ein Reiter vom Pferd, so sei es - jedenfalls bei jüngeren Personen — medizinisch sehr unwahrscheinlich, daß der Sturz, auch wenn er ohne jeden Laut und ohne jede Abwehrreaktion vor sich gegangen sei, primär auf einem Ohnmachts- oder Schwindelanfall oder einer sonstigen Bewußtseinsstörung beruht habe. Indessen können auch Geschehensabläufe innerhalb des häuslichen Bereichs beweiserhebliche Vermutungen auslösen: OLG Düsseldorf weist Klage der Witwe eines Vten ab, der infolge eines Sturzes im Februar 1930 eine Ohnmachtsneigung davongetragen hatte. Am 13. XII. 1930 war er an Gasvergiftung gestorben, er hatte den Gashahn geöffnet, war danach mutmaßlich ohnmächtig geworden und an Gas gestorben. OLG Düsseldorf 21. IV. 1932 VA 1932 S. 239 verneint Deckungsschutz wegen des Aus-

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Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 205

schlußgrundes Ohnmacht oder Bewußtseinsstörung, RG 18. XI. 1932 VA 1932 S. 297 - 3 0 0 hebt auf und verweist zurück: Sturz im Februar 1930 könne Unfall sein, Tod im Dezember 1930 dessen Folge, so daß Deckungsschutz gegeben sei, der Tod im Dezember sei jedenfalls, wenn er Folge des Sturzes sei, adäquate Folge. OLG Karlsruhe o.D. JRPV 1938 S. 174-175 bestätigt den das Armenrecht verweigernden Beschluß des LG Freiburg: Mutter der Kläger war von der Leiter gefallen, n a c h d e m sie gerufen hatte, ihr werde schlecht. Hier sei der Sturz die Folge von Ohnmacht oder Schwindel. OLG Nürnberg 4. X. 1956 VersR 1969 S. 37-38 weist Klage der Erben eines Vten ab, der Schlafmittel (Phanodorm) eingenommen, mit brennender Zigarette eingeschlafen und durch Brand umgekommen war: Unfallursächliche Bewußtseinsstörung wird angenommen. Neuere Entscheidungen lehnen sich in Subsumtions- und Argumentationsweise deutlich an die Rechtsprechung zum Unfall infolge Bewußtseinsstörung im Straßenverkehr an: OLG Köln 14. V. 1958 VersR 1958 S. 517-518 weist Beschwerde gegen Versagung des Armenrechts zurück; Vter hatte versucht, mit BÄK von 1,92 Promille nicht durch den Hauseingang, sondern über die Hinterfront in sein Haus — über den Balkon im dritten Stock — zu gelangen. Er war von einem Nachbarn, der ihn für einen Einbrecher hielt, angeschossen worden. Das Gericht überträgt die für Kraftfahrer entwickelten Grundsätze für Bewußtseinsstörung auf diesen Fall, bejaht eine solche Störung hier und geht davon aus, daß der Vte in nüchternem Zustande in der Lage gewesen wäre, den Nachbarn am Schießen zu hindern. Dem entspricht die - sehr weitgehende - Entscheidung des OLG Hamm 26. V. 1971 VersR 1972 S. 244-245: Eine Bewußtseinsstörung durch Trunkenheit liege bei einer BÄK von mehr als 1,3 Promille immer vor. Sie sei bei einer BÄK von 1,9 Promille auch prima facie mitursächlich für einen tödlichen Treppensturz. Entsprechend hatte BGH 8. VII. 1957 VersR 1957 S. 509—510 für einen tödlichen Treppensturz bei einer BÄK von 2,25 Promille entschieden. LG Aachen 12. VII. 1967 VersR 1968 S. 366-367 weist Deckungsklage der Erben eines ertrunkenen Vten ab, der drei Tage nach seinem Tode in einem Teich mit BÄK von 2,21 Promille ertrunken aufgefunden wurde. Obwohl nähere Umstände unbekannt bleiben, bejaht das Gericht ersten Anschein für Bewußtseinsstörung und Unfallursächlichkeit. Dem stimmt Gaisbauer in seiner Urteilsanmerkung VersR 1968 S. 893-894 zu. LG Heilbronn 28. V. 1968 VersR 1968 S. 1159-1160 lehnt Deckungsschutz für den Unfall eines Bauarbeiters ab, der mit BÄK von 1,9 Promille auf dem Bau beim Schieben einer mit Mörtel beladenen Karre durch eine Öffnung 2,34m tief gestürzt und an den Folgen des Sturzes gestorben war. Nach LG Karlsruhe 2. VI. 1960 VersR 1960 S. 913 liegt eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB auch dann vor, wenn der Vte wegen eines operativen Eingriffs in einen narkotisierten Zustand versetzt wird und infolge Fortdauems der Narkose vom Operationstisch stürzt. OLG Nürnberg 8.1.1968 VersR 1968 S. 893 lehnt Deckungsschutz für Vten ab, der mit mehr als 2 Promille einen gefährlichen Weg am Rande eines Steinbruchs benutzt hatte und dort hinabgestürzt war. [G 205] k) Kritik an der Beweiswttrdigungspraxis der Rechtsprechung aa) Allgemeines Die nachfolgende kritische Würdigung der oben zitierten Rechtsprechung hat nicht das Ziel, die verkehrsmedizinischen Untersuchungen und Ergebnisse zur Frage der Verkehrstüchtigkeit im Sinne der Fähigkeit aller Verkehrsteilnehmer zu sachgerechtem Verhalten im Straßenverkehr auch nur der Andeutung einer Kritik zu unterziehen. Das kann nicht Aufgabe einer j u r i s t i s c h e n Darstellung sein, welche die medizinischen Gegebenheiten und Forschungen in ihrem jeweiligen Stande hinzunehmen und ihrer 25

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. G 207

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Rechtsanwendung zugrundezulegen hat. Die Frage ist, ob die Folgerungen, die die in der Rechtsprechung vorherrschende Praxis aus den medizinischen Ergebnissen zieht, ihren eigenen — juristischen — Auslegungsgrundsätzen entsprechen. Dies muß bezweifelt werden. Entsprechend der vorstehenden Vorbemerkung auszuklammern aus der nachfolgenden Kritik ist die Feststellung, daß die nach der Rechtsprechung der Strafgerichte festgesetellte relative oder absolute Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 (4) AUB — und der entsprechenden Bestimmungen anderer Bedingungen der privaten Unfallv — sei. Oben ist (Anm. G 196) hierzu bereits ausgeführt worden, daß diese Gleichstellung von Fahruntüchtigkeit mit Bewußtseinsstörung in demjenigen Bereich einer BÄK (bis maximal etwa 1,8 Promille), in dem weder ein selbstkritischer Vter noch eine aufmerksame Umwelt eine Störung seines Bewußtseins im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs feststellt, mit im übrigen unangefochtenen Auslegungsgrundsätzen für AVB nicht vereinbar ist. [G 206] bb) Anscheinsbeweis Die hier darzustellende Kritik richtet sich vielmehr gegen die Anwendung der Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins mit dem - soweit ersichtlich, ohne Ausnahme gefundenen — Ergebnis, daß die Feststellung einer Fahruntüchtigkeit z u g l e i c h den praktisch nicht widerlegbaren Anschein für deren Unfallursächlichkeit begründet. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus der Durchsicht aller hierzu veröffentlichten Entscheidungen, es wird von einigen Entscheidungen auch ausdrücklich ausgesprochen, vgl. ζ. B. BGH 24. X. 1955 VersR 1955 S. 732-734 und OLG Düsseldorf 12. VII. 1955 VersR 1955 S. 665-667. - LG Aachen 12. VII. 1967 VersR 1968 S. 366 und LG Saarbrücken 1. XII. 1965 VersR 1966 S. 534 bekennen sich - ohne Widerspruch in der Literatur — zu dem Leitsatz, daß die Möglichkeit, daß auch ein Nüchterner den Unfall erlitten haben würde, zur Entkräftung des Anscheinsbeweises nicht ausreiche. Diese Grundsätze entsprechen nicht der Beweis(würdigungs-)regel, die den sog. prima facie Beweis im übrigen rechtfertigt (zum Beweis des ersten Anscheins vgl. die bei Lindenmaier-Möhring zu § 286 C ZPO zusammengestellte Rechtsprechung). Denn wenn ein fahruntüchtiger Kraftfahrer einen bestimmten Unfall verursacht — und im Sinne des Unfallvsrechts erleidet - , so ist dies kein den ersten Anschein für die Ursächlichkeit seiner Fahruntüchtigkeit für diesen Unfall begründender typischer Geschehensablauf, wenn diese Art von Unfall weit überwiegend von Kraftfahrern verursacht wird, die nicht in diesem Sinne bewußtseinsgestört sind. So standen z. B. nach den Untersuchungen des HUK-Verbandes für das Jahr 1969 bei Unfällen durch Überholen 8%, bei Unfällen durch Vorfahrtverletzung 4,7% und bei Unfällen durch Abkommen von der Fahrbahn 25% der beteiligten Kfz-Fahrer unter Alkoholeinfluß, jedoch nicht unter dem Einfluß einer BÄK, die nach der Rechtsprechung absolute oder relative Fahruntüchtigkeit zur Folge hat (zusammengestellt unter der Überschrift „Ursachen und Begleitumstände der Verkehrsunfälle mit schwerem Personenschaden in der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1971 und 1974). Die oben zitierte Rechtsprechung ist deshalb dem Bedenken ausgesetzt, daß sie den Unfallvsschutz gemäß § 3 (4) AUB ohne den echten Nachweis der Kausalität verweigert und diese Vorschrift insoweit damit in ihrer Wirkung als verhüllte Obliegenheit (oben Anm. F 12) behandelt. [G 207] 8. Ausschiuß von Berufs- und Gewerbekrankheiten a) Geschichte In den Verbands-Bedingungen von 1904 war eine entsprechende Vorschrift nicht enthalten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 galten „alle gewöhnlichen Erkrankungen und 386

Wagner

Anm. G 208

IV. Ausschlüsse

Krankheitszustände" nicht als Unfälle. Die ausführliche Kommentierung von GerhardHagen hierzu (Anm. 14, S. 7 3 7 - 7 4 1 ) enthält keine Bemerkung zum Problem der Berufs- und Gewerbekrankheit. Sie war auch nicht erforderlich, weil der größere Teil der Arbeitnehmer durch das am 15. Juni 1883 - als erstes Sozialversicherungsgesetz - erlassene Krankenversicherungsgesetz, das ein Jahr später, nämlich am 6. Juli 1884 erlassene Unfallversicherungsgesetz und ihm nachfolgende Unfallversicherungsgesetze gegen die Folgen von Berufs- und Gewerbekrankheiten geschützt war (Überblick bei Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Bd 1, Abschnitt 1 — „Geschichtliche Entwicklung" - S. 4 2 - 6 1 ) . So enthält der zitierte Satz der Verbands-Bedingungen von 1904 nur eine Abgrenzungsformel zur privaten Krankenv. Diese Bedeutung behielt die Erwähnung der „gewöhnlichen Erkrankungen und Krankheitszustände" auch noch im Rahmen der negativen Grenzfälle des § 3 Abs. 3 lit. a der Bedingungen von 1910. Die Bedingungen von 1920 nahmen in § 2 II. 2. a) unter den Katalog der negativen Grenzfälle („als Unfälle gelten nicht") nach Vergiftungen und . . . Infektionskrankheiten zum ersten Mal „Gewerbekrankheiten" auf. Die Erläuterungen des Reichsaufsichtsamtes zu einigen wesentlichen Punkten der Neufassung der Bedingungen (VA 1920 S. 9 2 - 9 4 ) nahmen zu dieser Einfügung keine Stellung. Wüstney § 2 Anm. 13, S. 16 führt hierzu aus, daß Gewerbekrankheiten schon begrifflich keine Unfälle seien, weil es an der Plötzlichkeit - jedenfalls in der Regel - fehle; Jannott Kernfragen S. 99 unten, bezeichnet diese Regelung — kein Vsschutz für Gewerbekrankheiten - mit der gleichen Begründung als „selbstverständlich". Dem entspricht es, daß Henke Ausschlüsse S. 42 diese Bestimmung „ausschließich als Klarstellung" bezeichnet. Ihre Aufnahme in die A V B mag auf dem Umstand beruhen, daß die im Jahre 1911 in Kraft getretene R V O eine Sonderregelung für „ B e r u f s k r a n k h e i t e n " vorsah (vgl. Lauterbach a.a.O. Abschnitt 4 ff., S. 65ff.). Die im Jahre 1937 neu gefaßten und veröffentlichten A V B ergänzten den Katalog der in § 2 II. 2 a) genannten negativen Grenzfälle dahingehend, daß nunmehr — nebeneinander genannt — Berufs- und Gewerbekrankheiten „nicht als Unfälle gelten". Diese Fassung hat sich bis zu den heute geltenden A U B erhalten. In § 2 (3) a A U B wurde diesem negativen Grenzfall erstmalig ein gesonderter Absatz eingeräumt. Da die R V O inzwischen einen lückenlosen Schutz der Arbeitnehmer gegen Berufs- und Gewerbekrankheiten bietet (vgl. den Überblick oben Anm. Β 3 3 - 3 4 ) , könnte man die Bedeutung des § 2 (3) a A U B heute in dem Bestreben sehen, die private von der sozialen Unfallv durch die „Klarstellung" abzugrenzen, daß die private Unfallv insoweit keinen Vsschutz bietet, als der Schutz durch die soziale Unfallv reicht. In diesem Sinne deutet Grewing Unfallversicherung S. 44 die Bestimmung: Sie sei überflüssig und werde nur deshalb in den A U B aufgeführt, weil die Sozial-Unfallversicherung diese Krankheiten decke und dadurch die falsche Meinung aufkommen könne, daß auch die Individual-Unfallversicherung die genannten Krankheiten versichere. Diese Deutung des Zwecks des § 2 (3) a A U B wird indessen nur von Grewing vertreten.

[G 208] b) Rechtsnator der Bestimmung aa) Wortlaut Eine nur auf den Wortlaut des § 2 (3) a A U B abstellende Deutung der Vorschrift könnte sie bereits deshalb als K l a r s t e l l u n g einordnen, weil (Berufs- und Gewerbe-) Krankheiten als solche kein Unfallereignis im Sinne des § 2 (1) AUB, sondern nur als Folge eines Unfallereignisses Teil eines Unfalles sein können. Dieser Erwägung könnte als weitere Begründung hinzugefügt werden, daß es an dem Merkmal der Plötzlichkeit fehle, weil Berufskrankheiten „allmählich infolge einer durch den Beruf bedingten, auf 25·

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Amn. G 210

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

die Dauer schädlichen Einwirkung entstehen" (Henke Ausschlüsse S. 42; im gleichen Sinne Wüstney § 2 Anm. 13 und Jannott Kernfragen S. 99). Indessen ist es zweifelhaft, ob die Bedingungsverfasser von 1961, die diese Bestimmung redaktionell hervorgehoben haben (vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 10 oben), damit nur den seit langem unstreitigen Umstand „klarstellen" wollten, daß Krankheiten kein Unfall sind. Hier dürfte der Gedanke, daß mit dieser Bestimmung eine Abgrenzung zur sozialen Unfallv beabsichtigt sei, näher liegen. Welcher Art diese Abgrenzung ist, wird in Literatur und Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nicht in grundsätzlicher und abschließender Form behandelt. Es muß angenommen werden, daß diese Frage in der Regulierungspraxis der privaten Unfallv deshalb keine Rolle spielt, weil die Verletzten, soweit ihnen nach der RVO Unfallvsschutz gewährt wird, infolge der Bestimmung des § 2 (3) a AUB Deckungsschutz aus der privaten Unfallv nicht beanspruchen. [G 209] bb) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 1 AUB Den Charakter einer K l a r s t e l l u n g in dem Sinne, daß die Bestimmung des § 2 (3) a AUB den Umfang des aus § 2 (1) AUB sich ergebenden Deckungsschutzes im Ergebnis unberührt läßt, würde die hier erörterte Bestimmung indessen auch dann haben, wenn sich der die Ausschlußwirkung negativer Grenzfälle einschränkende Satz „Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn es sich um Folgen eines unter die Versicherung fallenden Unfallereignisses handelt" (§ 2 (3) c IV S. 1 AUB) nicht nur auf die in § 2 (3) c I und II, sondern auch auf die unter lit. a) und b) genannten Fälle bezieht, wie es der BGH in seiner Entscheidung vom 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 tut. Würde man dieser Auffassung folgen, so ergäbe sich aus § 2 (3) c IV S. 1 AUB, was ohne die Bestimmung des § 2 (3) a AUB schon aus der primären Risikoumgrenzung des § 2 ( 1 ) AUB folgen würde, daß nämlich Berufs- und Gewerbekrankheiten als Folgen eines Unfallereignisses deckungspflichtig wären. Das wäre der Sache nach eine „Klarstellung" jedoch mit der Besonderheit, daß sie den Eingangssatz der negativen Grenzfälle „dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz" als irreführend entlarven und korrigieren würde. Bei dieser Auslegung hätte es darstellungstechnisch nähergelegen, die Berufs- und Gewerbekrankheiten als negative Grenzfälle nicht mehr zu erwähnen. Die darin möglicherweise liegende sachliche Änderung des Umfanges der Gefahrbeschreibung gegenüber den seit 1937 gebräuchlichen AUB hätte in einer Zusatzerklärung des Bundesaufsichtsamtes — etwa nach dem Vorbild der Erläuterungen zu den im Jahre 1920 neu veröffentlichten Bedingungen in VA 1920 S. 92 ff. — erläutert werden können. Der Auffassung des BGH kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil eine sachliche Veränderung der Gefahrumschreibung insoweit nicht gewollt war: Das ergibt sich aus dem Bericht von Grewing zur Entstehungsgeschichte der AUB von 1961 S. 10 oben, aus der drucktechnischen Anordnung, die erkennen läßt, daß sich der einschränkende Satz des § 2 (3) c IV S. 1 AUB nur auf die in lit. c I und II genannten Fälle beziehen soll (zweifelnd insoweit Prölss-Martin20 § 2 AUB Anm. 3, zutreffend aber OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 842 und Wussow AUB 4 § 2 Anm. 19) und aus der Erwägung, daß § 2 (3) lit. a) und b) auf der Grundlage der Auslegung des BGH überflüssig wären (von Prölss-Martin a.a.O. Anm. 7 für die Berufs- und Gewerbekrankheiten ausdrücklich anerkannt). [G 210] cc) Zweck des § 2 (3) a AUB Lassen die vorgenannten Überlegungen es nicht zu, die Bestimmung des § 2 (3) a AUB in überzeugender Weise als — möglicherweise überflüssige, weil selbstverständ388

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Anm. G 210

IV. Ausschlüsse

liehe (Jannott) — Klarstellung zu kennzeichnen, so kann sich ihre Bedeutung nur aus der Antwort auf die Frage ergeben, was die Bedingungsverfasser unter den dort genannten Berufs- und Gewerbekrankheiten verstanden haben. Büdenbender (VersR 1974 S. 213 Ii. Sp.) sieht den Zweck dieser Bestimmung darin, „den Ver davor zu schützen, auch für solche Unfallereignisse aufkommen zu müssen, die gerade die berufliche Tätigkeit des Versicherten mit sich bringt." Der Ver wolle für Zufallsschäden eintreten, nicht aber für die Realisierung typischer Betriebsgefahren. So kommt Büdenbender zu dem Ergebnis, daß die Berufskrankheit die Verwirklichung des typischen, spezifischen Risikos der ausgeübten Tätigkeit sei. Daran ist zutreffend, daß dem Unfallver die Berufstätigkeit des Vten nicht gleichgültig ist. Das ergibt sich aus § 4 (1) und (2) AUB, wonach eine Änderung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung als Gefahränderung gewertet wird. Diese Einordnung wäre indessen überflüssig, wenn der private Unfallver für Gefahren, die sich aus der Berufstätigkeit des Vten ergeben, in keinem Falle Deckungsschutz gewähren will. Auch der in § 4 (1) AUB enthaltene Obersatz, wonach der Vsvertrag grundsätzlich ungeachtet einer aus einem Berufswechsel sich ergebenden Gefahrerhöhung bestehen bleibt, spricht gegen die Deutung Büdenbenders. Entscheidend gegen seine Auslegung dürfte jedoch die Überlegung sprechen, daß die Ausnahme der spezifischen, von einem Arbeitsplatz ausgehenden Gefahr aus der Gefahrtragung der privaten Unfallv in mutmaßlich deutlicherer Weise zum Ausdruck gebracht werden würde, als dies in § 2 (3) a A U B geschehen ist. Dafür spricht, daß die Bedingungsverfasser in § 3 (1) bis (4) AUB einen Katalog typischer und spezifischer Gefahrensituationen zum Anlaß für Gefahrumstandsausschlußklauseln genommen haben. Es hätte - auf der Grundlage der Auffassung Büdenbenders — nahegelegen, an dieser Stelle auch Unfälle im räumlichen oder sachlichen Bereich des Arbeitsplatzes vom Deckungsschutz auszuschließen. Dabei darf nicht verkannt werden, daß Büdenbender mit seiner Bemerkung, der (private) Unfallver wolle nicht für die Realisierung typischer Betriebsgefahren eintreten (a.a.O. S. 213 Ii.Sp. unten vorletzter Absatz) und die Berufskrankheit sei die Verwirklichung des typischen, spezifischen Risikos der ausgeübten Tätigkeit (a.a.O. letzter Absatz), der Auffassung von Wussow AUB 4 . § 2 Anm. 18 nahekommt, der im Ergebnis die Berufskrankheit aus dem Katalog der jeweils aufgrund des § 551 1 2 RVO ergangenen Verordnung bestimmen will. Die derzeit geltende Siebente Berufskrankheitenverordnung vom 20. VI. 1968 (unten abgedruckt als Anhang zu diesen Ausführungen) enthält eine dem Stande der ärztlichen Wissenschaft entsprechende Aufzählung spezifischer Gefahrenquellen am Arbeitsplatz und wertet ihre Verwirklichung zum Nachteil des einzelnen Arbeitnehmers als „Berufskrankheit". Da einer Aufzählung der möglichen typischen Ursachen von Schädigungen am Arbeitsplatz der Vorzug gebührt vor einer Aufzählung gefährlicher Berufe oder Tätigkeiten, die wegen ihrer Vielfalt und der ständig sich weiterentwickelnden Mischformen praktisch nicht möglich ist, bleibt der Position Büdenbenders (a.a.O. S. 212 r.Sp.) gegen den Vorschlag von Wussow - abgesehen von den im nächsten Absatz aufgezeigten Bedenken — so wenig inhaltliche Substanz, daß sich die unterschiedlichen Auffassungen auf eine nur scheinbare Meinungsdifferenz reduzieren. Angesichts der historischen Entwicklung, insbesondere des Umstandes, daß der Begriff der Gewerbekrankheiten erstmals nach Inkrafttreten der RVO in die private Unfallv — als negativer Grenzfall - übernommen wurde, spricht vieles für den Vorschlag von Wussow AUB 4 § 2 Anm. 18, zur Ermittlung des Begriffsinhalts die Vorschrift des § 551 RVO und die zu § 551 1 2 RVO ergangene Verordnung — die Zitate bei Wussow a. a. O. S. 77 oben sind veraltet; maßgeblich ist heute die VO vom 20. VI. 1968 BGBl I S. 721, deren § 11 die zeitlich vorangegangenen aufgehoben hat — heranzuziehen. Hierfür sprechen auch die für AVB maßgeblichen Auslegungsregeln, Wagner

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Anm. G 210

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

wonach sich die Deutung eines in A V B verwendeten Ausdrucks nach einem allgemeinen Lebenssprachgebrauch richtet (vgl. oben Anm. A 53). Es darf angenommen werden, daß die Begriffe „Berufs- und Gewerbekrankheit" für den im Berufsleben stehenden Vten, für den allein sich die Frage nach der Bedeutung des § 2 (3) a A U B stellt, mit einer Vorstellung verbunden sind, die der in die Form einer Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen gekleideten Definition des § 551 I 2 RVO entspricht: Hiernach sind unter Berufskrankheiten solche Krankheiten zu verstehen, „die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind". Diese „Krankheiten" sind nunmehr in der Anlage 1 der Siebenten Berufskrankheitenverordnung vom 20. VI. 1968 BGBl. I S. 721 - abgedruckt bei Lauterbach als Anhang Nr. 1 nach § 1543 d R V O und als Anm. G 215 in diesem Kommentar - aufgezählt. Man wird es für zulässig halten dürfen, daß der in § 2 (3) a AUB verwendete und — da nicht definiert — als feststehend vorausgesetzte Begriff der Berufs- und Gewerbekrankheit durch ein außerhalb des primären Vertragstextes (AUB) stehendes Gesetz (RVO i. V.m. der Berufskrankheiten VO) näher bestimmt wird. Aus der Sicht des im Berufsleben stehenden Vmers ergibt sich hieraus keine Unklarheit: Er verbindet mit den genannten Begriffen eine zumindest annähernd präzise Vorstellung von deren Inhalt, der im Kern seit Erlaß der RVO im Jahre 1911 konstant geblieben ist (vgl. dazu Lauterbach a.a.O. § 551 RVO Anm. 1). Da der Begriffsinhalt der „Berufskrankheit" seine Interessen auch außerhalb der privaten Unfallv unmittelbar berührt, soweit der Vte als Arbeitnehmer tätig ist, kann erwartet werden, daß er sich über den Umfang des ihm gewährten Schutzes gegen Berufskrankheiten informiert. Gegen diese Übernahme des Begriffs der Berufskrankheit aus der RVO in die private Unfallv wendet sich Büdenbender VersR 1974 S. 212 r. Sp. mit der Begründung, daß nach § 551 I 1 RVO dem Arbeitsunfall die Berufskrankheit gleichgestellt werde: „Wenn in den A U B die Berufskrankheit als Nichtversicherungsfall von sonstigen Unfällen abgegrenzt wird, spricht vieles dagegen, den Begriff der Berufskrankheit aus der RVO in die A U B zu übernehmen". Büdenbender weist ferner darauf hin, daß der rechtspolitische Zweck von RVO und AUB veschieden sei. Schließlich sei Wussow auch inkonsequent, wenn er andererseits zutreffend betone, daß der Unfallbegriff der RVO unabhängig von dem der A U B zu verstehen sei (Büdenbender a.a.O. S. 212 r. Sp. jeweils mit Nachweisen). Diese Bedenken können nicht als durchgreifend anerkannt werden. Die in die Form einer Fiktion gekleidete Gleichstellung von Arbeitsunfall und Berufskrankheit sagt über den Inhalt beider Begriffe in der RVO nichts aus, sie hat lediglich den Zweck, die Rechtsfolgen beider Vorgänge innerhalb der R V O einander anzugleichen (vgl. Lauterbach a.a.O. § 551 Anm. 2 a). Für den Vorschlag von Wussow, dem hier aus den vorstehend genannten Gründen gefolgt werden soll, ist diese Gleichstellung von Arbeitsunfall und Berufskrankheit ohne Bedeutung, denn Wussow a. a. O. S. 77 oben entnimmt den Begriff der Berufskrankheiten nicht der Vorschrift des § 551 RVO, auch nicht der als Definition formulierten Ermächtigung des § 551 1 2 RVO, sondern den auf ihrer Grundlage ergangenen Verordnungen, die, bei Wussow noch nicht berücksichtigt, seit 1968 auf eine Berufskrankheitenverordnung reduziert worden sind. Der von Büdenbender genannte, angeblich verschiedenartige, rechtspolitische Zweck von sozialer und privater Unfallv ist in Wahrheit der einzige Punkt, in dem beide Versicherungsarten übereinstimmen: Bei vielen Unterschieden im Hinblick auf das Leistungsaufkommen und die Arten der Entschädigungsleistungen (Überblick oben Anm. Β 33) stimmen beide Arten der Unfallv jedenfalls darin überein, daß der Vte vor den Folgen von

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Anm. G 211

IV. Ausschlüsse

Gesundheitsschädigungen geschützt werden soll bzw. deren nachteilige Folgen ausgeglichen werden sollen. Die schließlich von Büdenbender gerügte Inkonsequenz gilt eher für seine als für die Ausführungen von Wussow: Wenn der Unfallbegriff der RVO von dem der AUB „völlig unabhängig" ist, — was als heute unbestritten gelten kann —, so würde sich selbst dann außerhalb des negativen Grenzfalles des § 2 (3) a AUB keine unerwünschte Kollision (oder Unklarheit) zwischen dem sozialen und dem privaten Unfallbegriff ergeben, wenn Wussow — wofür sich aus seiner Kommentierung nichts ergibt — für die Ermittlung des Begriffsinhalts der Berufskrankheit entsprechend § 551 I 1 RVO auch auf den Berufsunfall zurückgreifen würde. Insgesamt deuten die vorgenannten Ausführungen Büdenbenders darauf hin, daß es ihm hier weniger um den Unfallbegriff der AUB geht — dessen Voraussetzungen er a.a.O. S. 211—212 zutreffend bejaht, als — entgegen der Überschrift seines Aufsatzes — um die Auslegung des negativen Grenzfalles des § 2 (3) a AUB. Folgt man hiernach der Auffassung von Wussow a.a.O. Anm. 18 mit dem Ergebnis, daß sich der Begriffsinhalt der Berufs- und Gewerbekrankheiten aus § 5 5 1 RVO ergibt, so könnte § 2 (3) a AUB auf den ersten Blick als Risikobeschränkung erscheinen, die sich nur auf bestimmte Folgen eines Unfallereignisses, nämlich auf Berufs- und Gewerbekrankheiten, bezieht. Dafür spricht auch die redaktionelle Anordnung dieser Bestimmung innerhalb des § 2 AUB, denn für das Verständnis des Lesers schließt der negative Grenzfall des § 2 (3) a AUB „(3) Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz: a) Berufs- und Gewerbekrankheiten . . . " (trotz der dazwischen aufgezählten positiven Grenzfälle) unmittelbar an den Unfallbegriff ( § 2 ( 1 ) AUB) an, so daß der Zusammenhang dieser beiden Absätze — seil: der negative Grenzfall als Einschränkung der durch den Unfallbegriff bewirkten primären Risikoumgrenzung — die Deutung nahelegt, daß Berufs- und Gewerbekrankheiten auch dann nicht unter den Vsschutz fallen, wenn sie Folge eines Unfallereignisses sind (vgl. hierzu Büdenbender VersR 1974 S. 213 Ii. Sp.). Dementsprechend heißt es bei Prölss-Martin 20 § 2 AUB Anm. 7, der § 2 (3) a AUB schließe nicht eine Unfallursache, sondern eine Unfallfolge aus; im gleichen Sinne Wagner ZVersWiss 1975 S. 637 : Wer diese Bestimmung nicht als überflüssige Klarstellung deute, müsse zu dem Ergebnis kommen, daß hier bestimmte Folgen eines Unfallereignisses vom Deckungsschutz ausgenommen werden sollten.

[G 211] dd) Stellungnahme: Ausschluß und Klarstellung Die vorstehend ausgeführten Erwägungen, wonach § 2 (3) a AUB einen Ausschluß in dem Sinne zum Inhalt habe, daß nur bestimmte Folgen eines Unfallereignisses von Deckungsschutz ausgenommen würden, erweisen sich bei näherer Überprüfung als zu undifferenziert (unrichtig). Folgt man der hier vertretenen Auffassung, daß sich der Begriff der Berufskrankheit aus § 551 I 2 RVO in Verbindung mit der Verordnung vom 20. VI. 1968 ergibt, so ist die Feststellung unabweisbar, daß nur wenige der in der Anlage 1 hierzu genannten „Krankheiten" Folgen eines Unfallereignisses im Sinne des § 2 (1) AUB sein können. Diese Möglichkeit besteht ζ. B. für die Positionen (lfd. Nr.) 12 (Erstikkungsgase) 2106 (Drucklähmung der Nerven) und 2107 (Abrißbrüche der Wirbelfortsätze). Bejaht man für diese und u. U. für einige weitere Fälle ein Unfallereignis, so sind dessen sämtliche Folgen vom Deckungsschutz ausgenommen. Dadurch unterscheidet sich § 2 (3) a AUB von sonstigen Ausschlüssen lediglich bestimmter Unfallfolgen (§§ 3 (5), 10 (2) und 10 (5) AUB). Damit erweist sich § 2 (3) a AUB, obwohl als auf Wagner

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Amn. G 213

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Folgen eines Unfallereignisses beschränkter Ausschluß formuliert, für die Fälle des Vorliegens eines Unfallereignisses a l s G e f a h r u m s t a n d s a u s s c h l u ß k l a u s e l : Schon das Unfallereignis wird vom Deckungsschutz ausgeschlossen, weil es durch die in der VO vom 20. VI. 1968 genannten Gefahrumstände herbeigeführt worden ist. Dieses für die Einordnung des § 2 (3) a AUB überraschende Ergebnis folgt aus dem Umstand, daß — der Natur der Sache entsprechend — eine Aufzählung der Berufskrankheiten auf die Bezeichnung der Gründe (Ursachen) für die Gesundheitsschädigung nicht verzichten kann. Soweit die in der VO vom 20. VI. 1968 genannten Vorgänge kein Unfallereignis zum Inhalt haben können, überwiegend, weil es an dem Merkmal der Plötzlichkeit fehlt, hat der negative Grenzfall des § 2 (3)a AUB in Verbindung mit § 551 I 2 RVO und der VO vom 20. VI. 1968 (eine) K l a r s t e l l u n g ( e n ) zum Inhalt. [G 212] c) Reichweite des Ausschlusses aa) Allgemeines Nach der oben in Anschluß an Wussow AUB 4 § 2 Anm. 18 vertretenen Auffassung, daß sich der Begriff der Berufs- und Gewerbekrankheit ausschließlich nach § 551 RVO in Verbindung mit der jeweils geltenden Berufskrankheitenverordnung richtet, ist festzustellen, daß Unfälle am Arbeitsplatz, die nicht hierunter fallen, von der privaten Unfallv gedeckt sind, soweit nicht andere Ausschlüsse wirksam werden. Dementsprechend heißt es bei Henke Ausschlüsse S. 42: „In der privaten Unfallversicherung sind grundsätzlich auch Unfälle bei Ausübung des Berufes gedeckt". Wussow a.a.O. zieht diese Folgerung nicht ausdrücklich, nimmt aber nicht gegen diejenigen Entscheidungen Stellung, in deren Begründung die Anwendung dieser Ausschlußklausel nicht erwogen wird, sich aber mit Vorgängen befassen, die möglicherweise einen Unfall am Arbeitsplatz darstellen. [G 213] bb) Rechtsprechung KG 6. II. 1924 VA "1924 S. 133 Nr. 1417 bejaht Unfall für Muskelzerrung einer Pianistin beim Spielen eines Flügels; KG 16. XII. 1933 VA 1933 S. 415 Nr. 2636 verneint Unfall eines Arbeitnehmers, der infolge Uberanstrengung bei Schmiedearbeiten verstorben war; OLG Bremen 23. III. 1928 JRPV 1928 S. 181-184 bejaht Unfall des Vaters der Kläger, der infolge körperlicher Überanstrengung auf einem Schiff als Maschinist gestorben war; OLG Breslau HRR 1941 Nr. 79 bejaht Unfall für Tod eines Drogisten, der beim Entfernen von Salpetersäure, die er im Keller verschüttet hatte, infolge Verätzung der Lunge durch Gas gestorben war, das sich aus der Verbindung der Säure mit anderen Stoffen gebildet hatte; OLG Düsseldorf 8. VII. 1936 JRPV 1938 S. 175 hält es für möglich, daß eine Verletzung des Schultergelenks infolge planmäßiger Ausführung von Erdarbeiten ein Unfall sei; KG 29. III. 1941 S. 100 verneint Tod durch Unfall für einen Droschkenfahrer, der sich beim Ankurbeln seines Fahrzeuges überanstrengt hatte und daran gestorben war; LG Hamburg 29. XI. 1951 VersR 1952 S. 8 0 - 8 1 hält Tod durch Hirnschwellung eines Arbeiters als Folge einer Uberanstrengung beim Entladen von Schrott analog § 2 (2) a AUB (im Sinne der Fassung vor der Änderung von 1972) für deckungspflichtig; LG Münster 2. IV. 1952 VersR 1952 S. 341 hält Tod des Inhabers eines Autobusbetriebes, der infolge Überanstrengung beim Tragen einer Abschleppkette stirbt, nicht für Unfall, weil es sich um „normale Berufsarbeit handele und es an einem von außen wirkenden Ereignis fehle"; LG Krefeld 10. II. 1954 VersR 1954 S. 217-218 verneint Unfall für Tod eines Tischlers, der infolge Tragens schwerer Holzbohlen an der Arbeitsstätte stirbt: Es fehle an einem plötzlich und von außen wirkenden Ereignis; OLG Hamburg 392

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Anm. G 215

IV. Ausschlüsse

22. VI. 1954 VersR 1954 S. 411-412 sieht Tod eines Landwirts, der sich beim Verladen widerspenstiger Schweine überanstrengt, nicht als deckungspflichtigen Unfall an; OLG Düsseldorf 16. III. 1954 VersR 1954 S. 317-318 sieht Tod eines Spediteurs, der bei der Reparatur seines Fahrzeuges infolge Erschütterung durch Bohrmaschine und Überanstrengung stirbt, als Unfall an; LG Regensburg 23. XI. 1954 VA 1955 S. 220—222 Nr. 106 entschied über einen Vorgang, bei dem der vte Kläger an der Arbeitsstelle durch Karbidkalk, der in sein Auge gedrungen war, auf einem Auge seine Sehkraft eingebüßt hatte. Das Gericht führt eingangs (a. a.O. S. 221 Ii. Sp. unten) aus, daß der Vertrag nicht auf Arbeitsunfälle beschränkt sei und bejaht einen Unfall gemäß § 2 AVB. LG Nürnberg-Fürth 8. V. 1956 VersR 1957 S. 144-145 verneint mangels Plötzlichkeit Unfall eines Metzgermeisters, der eine Schädigung im Bein erlitt, als er sich mit einem Rinderstück auf der Schulter nach einem Kunden umsah; LG Frankfurt/Main 8. V. 1958 VersR 1958 S. 619-620 verneint Deckungsschutz für einen Vten, der als Baudekorateur zwei Klappläden zusammen aufgehoben und dabei — möglicherweise — eine Luxation des Schlüsselbeinschultergelenks erlitten hatte; OLG Düsseldorf 4. II. 1969 VersR 1973 S. 4 9 - 5 0 versagt Deckungsschutz für einen Vmer, der als Einzelhändler beim Abladen schwerer Kisten eine Netzhautablösung erlitten hatte; BGH 12. II. 1969 VA 1969 S. 158-160 Nr. 526 betrifft einen Fall, in dem durch besonders ausgehandelte Bedingungen Vsschutz für Unfälle auf dem Wege von und zur auswärtigen Montage vereinbart worden war. [G 214] cc) Unfälle, die durch Berufs- imd Gewerbekrankheiten verursacht werden Der als negativer Grenzfall formulierte Ausschluß des § 2 (3) a AUB läßt in seiner systematischen Einordnung und nach seinem Wortlaut auch die Auslegung zu, daß Berufs- und Gewerbekrankheiten als ausgeschlossene Gefahrumstände anzusehen seien. Die Darstellung innerhalb der Vorschrift des § 2 AUB „(3) Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz: a) Berufs- und Gewerbekrankheiten" kann sich — sprachlich gleichwertig — auf Berufs- und Gewerbekrankheiten als Ursache eines Unfallereignisses (Gefahrumstandsausschlußklausel), als Folge eines Unfallereignisses (teilweiser Ausschluß bestimmter Folgen, vgl. oben Anm. G 211 a. Α.) oder schließlich als Teil eines Unfallereignisses beziehen, so ζ. B. bei den unter 1 bis 1313 in der BerufskrankheitenVO aufgezählten „durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten" (Text nachstehend Anm. G 215). Hierzu ist nachzutragen, daß in Schrifttum und Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nicht die Auffassung vertreten wird, durch § 2 (3) a AUB würden Unfälle vom Deckungsschutz ausgeschlossen, die Folge einer Berufs- oder Gewerbekrankheit sind. Die Auslegung dieser Bestimmung (auch) als Gefahrumstandsausschlußklausel (vorstehend Anm. G 211) ist nicht in diesem Sinne zu verstehen. Erleidet z.B. ein Arbeiter, der im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit schwerhörig oder taub geworden ist (Pos. 23 der BerufskrankheitenVO) infolge seiner Beeinträchtigung des Gehörs einen Unfall, so ist dieser nicht nach § 2 (3) a AUB vom Deckungsschutz in der Allgemeinen Unfallv ausgeschlossen. [G 215] d) Anhang: Berufskrankheiten-Verordnung Die derzeit maßgebliche siebente Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. VI. 1968 (BGBl. I S. 721), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Siebenten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. XII. 1976 (BGBl. I S. 3329) lautet: Auf Grund des § 551 Ab. 1 und 4 und des § 840 der Reichsversicherungsordnung verordnet die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates: Wagner

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Ann. G 215

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers §1

Berufskrankheiten sind die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 5 3 9 , 5 4 0 und 543 bis 545 der Reichsversicherungsordnung genannten Tätigkeiten erleidet. §2 In der See-Unfallversicherung erstreckt sich die Versicherung gegen Tropenkrankheiten und Fleckfieber auch auf die Zeit, in welcher der Versicherte in eigener Sache an Land beurlaubt ist. §3 (1) Besteht für einen Versicherten die Gefahr, daß eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, so hat der Träger der Unfallversicherung mit allen Mitteln dieser Gefahr entgegenzuwirken. Ist die Gefahr für den Versicherten nicht zu beseitigen, hat der Träger der Unfallversicherung ihn aufzufordern, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen. Der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. (2) Stellt der Versicherte die Tätigkeit ein, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, so hat ihm der Träger der Unfallversicherung zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatliche wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt. (3) Die Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit ist neben der Übergangsleistung zu gewähren. §4 (1) Die Vorschriften über die Unfallanzeige gelten bei Berufskrankheiten entsprechend. (2) Die Anzeige durch den Unternehmer ist auf Vordrucken nach dem Muster der Anlage 2 zu erstatten. §5 (3) Hat ein Arzt oder Zahnarzt den begründeten Verdacht, daß bei einem Versicherten eine Berufskrankheit besteht, so hat er dies dem Träger der Unfallversicherung oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle unverzüglich anzuzeigen. Für die Anzeige ist ein Vordruck (zweifach) nach dem Muster der Anlage 3 zu verwenden. (2) Der Träger der Unfallversicherung zahlt dem Arzt oder Zahnarzt für die Anzeige ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle zugegangen ist, eine Gebühr von acht Deutsche Mark. Die Verbände der Träger der Unfallversicherung und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen können Abweichendes vereinbaren. §6 (1) Die Muster der Anlagen 2 und 3 sind nach Inhalt, Form und Farbe bindend. Die vorangestellten Erläuterungsblätter sind Bestandteile der Muster. Die für das Gewerbeaufsichtsamt oder das Bergamt bestimmte Ausfertigung der Anzeige nach Anlage 2 ist mit dem Aufdruck „Gewerbeaufsichtsamt/Bergamt" zu kennzeichnen. 394

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IV. Ausschlüsse

Addi. G 215

(2) Legt ein Träger der Unfallversicherung die Vordrucke selbst auf, um sie seinen Mitgliedern zur Verfügung zu stellen, so sollen von dem Muster nach der Anlage 2 je fünf Anzeigen mit einem Erläuterungsblatt und von dem Muster nach der Anlage 3 je drei Anzeigen mit einem Erläuterungsblatt zu einem Satz zusammengafaßt werden; dabei kann an den dafür vorgesehenen Stellen die Anschrift des Trägers eingesetzt werden. Es können auch zusätzliche Felder für die Verschlüsselung von Angaben vorgesehen werden. Ferner können die Beispiele im Erläuterungsblatt durch andere ersetzt und weitere Beispiele aufgenommen werden. (3) In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung können im Vordruck nach dem Muster der Anlage 2 an Stelle der Worte „Gewerbeaufsichtsamt/Bergamt" die Worte „Betriebsgröße in ha" gesetzt werden. §7 (1) Der Träger der Unfallversicherung übersendet der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle unverzüglich je eine Ausfertigung der ihm von Unternehmern und Ärzten erstatteten Anzeigen. Ist die Anzeige des Arztes (§ 3 Abs. 1) der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle zugegangen, übersendet diese dem Träger der Unfallversicherung unverzüglich eine Ausfertigung der Anzeige. (2) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle hat den Versicherten, wenn sie es für erforderlich hält, unverzüglich zu untersuchen oder für Rechnung des Trägers der Unfallversicherung durch einen Arzt untersuchen zu lassen und dem Träger der Unfallversicherung ein Gutachten zu erstatten. Sie kann dem Träger der Unfallversicherung ferner vorschlagen, bestimmte Beweise zu erheben. Diesen Vorschlägen muß der Träger der Unfallversicherung stattgeben, wenn er nicht schon selbst eine entsprechende Beweiserhebung eingeleitet hat. (3) Sobald die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle nach Absatz 2 Satz 1 tätig wird, teilt sie das dem Träger der Unfallversicherung mit. Der Träger der Unfallversicherung gibt der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle Kenntnis von der Einleitung und dem Ergebnis von Ermittlungen, die er zur Feststellung einer Berufskrankheit anstellt. §8 (1) Die Träger der Unfallversicherung, mit Ausnahme des Bundes und der Länder, zahlen für die Ärzte, die in den für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen der Länder tätig sind, eine Gebühr. Für jeden Arzt sind monatlich 300,— Deutsche Mark zu zahlen. (2) Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. entrichtet die Gebühr. Die nach Landesrecht zuständigen Behörden teilen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V. mit, an wen die Gebühr zu überweisen ist. Die nach Absatz 1 verpflichteten Träger der Unfallversicherung beteiligen sich an der Gebühr im Verhältnis der Zahl der bei ihnen angezeigten Berufskrankheiten.

§9 (1) Leidet ein Versicherter beim Inkrafttreten dieser Verordnung an einer Krankheit nach Nummer 26 der Anlage 1, so hat er auf Antrag Anspruch auf Entschädigung, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1951 eingetreten ist. Bindende Bescheide und rechtskräftige Entscheidungen stehen nicht entgegen. Die Entschädigung wird frühestens vom Inkrafttreten dieser Verordnung an gewährt. Wagner

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Anm. G 215

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

(2) Leidet ein Versicherter an einer Krankheit, die auf Grund des § 2 der Sechsten Berufskrankheiten-Verordnung vom 28. April 1961 (Bundesgesetzblatt I. S. 505) als Berufskrankheit gilt, so ist ihm Entschädigung zu gewähren, solange die Voraussetzungen dafür beim Weitergelten des bis zum 6. Mai 1961 im Saarland geltenden Rechts bestehen würden. Satz 1 ist für Hinterbliebene eines Versicherten, der an einer solchen Krankheit gestorben ist, entsprechend anzuwenden. (3) Bezieht ein Versicherter beim Inkrafttreten dieser Verordnung seit mehr als fünf Jahren eine monatlich wiederkehrende Übergangsleistung nach den bisher geltenden Vorschriften, so ist sie ihm weiterzugewähren, solange und soweit die Voraussetzungen dafür nach diesen Vorschriften fortbestehen.

§ 10 Diese Verordnung gilt nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 1) in Verbindung mit Artikel 4 § 15 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. April 1963 (Bundesgesetzblatt I S. 241) auch im Land Berlin.

§ H (1) Diese Verordnung tritt am Ersten des auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft: (2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung treten außer Kraft: 1. Die Dritte Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 16. Dezember 1936 (Reichsgesetzbl. I S. 1117), 2. die Vierte Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 29. Januar 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 85), 3. die Bestimmungen des Reichsversicherungsamts zur Durchführung der Dritten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 9. März 1937 (AN 1937 S. IV 98), 4. die Bestimmungen des Reichsversicherungsamts zur Durchführung der Vierten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 16. August (AN 1943 S. II 404), 5. die Bestimmungen des Reichsversicherungsamts zur Durchführung der Vierten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 7. Februar 1944 (AN 1944 S. II 63), 6. die Bekanntmachung des Reichsversicherungsamts über die Änderung der Formblätter für die Anzeige über eine Berufskrankheit vom 1. Dezember 1944 (AN 1944 S. II. 332), 7. die Bestimungen des Reichsarbeitsministers über die den Staatlichen Gewerbeärzten für ihre Tätigkeit nach der Dritten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten zu gewährende Vergütung vom 18. Mai 1937 (AN 1937 S. IV 232), 8. die Bestimmungen über die den Staatlichen Gewerbeärzten für ihre Tätigkeit nach der Dritten und Vierten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten zu gewährende Vergütung vom 28. April 1943 (AN 1943 S. II 195), 9. die Bestimmungen des Reichsarbeitsministers betr. Vereinfachung des Verfahrens; hier: Auszahlung der Vergütungen an die Staatlichen Gewerbeärzte vom 10. Juni 1943 (AN 1943 S. II 255), 396

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IV. Ausschlüsse

Amn. G 215

10. die Fünfte Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 26. Juli 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 395), 11. die Sechste Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 28. April 1961 (Bundesgesetzbl. S. 505), 12. die Saarländische Berufskrankheiten-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1954 (Amtsblatt des Saarlandes S. 802); zuletzt geändert durch die Sechste Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 28. April 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 505).

Anlage 1 Nr.

Krankheiten

I II 11 01 11 02 11 03 11 04 11 05 11 06 11 07 11 08 11 09 11 10

Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten Metalle und Metalloide Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Cadmium oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Thallium oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Vanadium oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Phosphor oder seine anorganischen Verbindungen Erkrankungen durch Beryllium oder seine Verbindungen

12 12 01 12 02

Erstickungsgase Erkrankungen durch Kohlenmonoxid Erkrankungen durch Schwefelwasserstoff

13

Lösemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) und sonstige chemische Stoffe Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologe Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoff Erkrankungen durch Methyalkohol (Methanol) Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen Erkrankungen durch Salpetersäureester Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide Erkrankungen der Zähne durch Säuren Hornhautschädigungen des Auges durch Benzochinon Zu den Nummerm 11 01 bis 11 10, 12 01 uns 12 02, 13 03 bis 13 09: Ausgenommen sind Hauterkrankungen. Diese gelten als Krankheiten im Sinne

13 01 13 02 13 03 13 04 13 05 13 06 13 07 13 08 13 09 13 10 13 11 13 12 13 13

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397

Anm. G 215 Nr.

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers Krankheiten

dieser Anlage nur insoweit, als sie Erscheinungen einer Allgemeinerkrankung sind, die durch Aufnahme der schädigenden Stoffe in den Körper verursacht werden, oder gemäß Nummer 51 Ol zu entschädigen sind. 2 21 21 Ol

Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten Mechanische Einwirkungen Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 21 02 Meniskusschäden nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tage 21 03 Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen 21 04 Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 21 05 Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel durch ständigen Druck 21 06 Drucklähmungen der Nerven 21 07 Abrißbrüche der Wirbelfortsätze 22 22 01

Druckluft Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft

23 23 01

Lärm Lärmschwerhörigkeit

24 24 01 24 02

Strahlen Grauer Star durch Wärmestrahlung Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

3

Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten 31 01 Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war 31 02 Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten 31 03 Wurmkrankheit der Bergleute, verursacht durch Ankylostoma duodenale oder Strongyloides stercoralis 31 04 Tropenkrankheiten, Fleckfieber 4 41 41 01 398

Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells Erkrankungen durch anorganische Stäube Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) Wagner

Anm. G 216

IV. Ausschlüsse Nr. 41 02 41 41 41 41

03 04 05 06

41 07 41 08

Krankheiten Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose) Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) in Verbindung mit Lungenkrebs Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Aluminium oder seine Verbindungen Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Thomasmehl (Thomasphosphat)

42 42 01 42 02

Erkrankungen durch organische Stäube Farmer-(Drescher-)Lunge Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Rohbaumwolloder Flachsstaub (Byssinose)

43 43 01

Obstruktive Atemwegserkrankungen Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können

43 02

5 51 01

51 02

6 61 01

Hautkrankheiten Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparafin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe

Krankheiten sonstiger Ursache Augenzittern der Bergleute

[G 216] 9. Sondergefahren a) Allgemeines Die AUB erklären in § 4 (4) für unter lit. a genannte Fahrtveranstaltungen und für andere als die unter § 4 (3) AUB genannten Luftfahrten eine besondere Vereinbarung Wagner

399

Anm. G 217

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

zum Zwecke der Einbeziehung in den Vsschutz für erforderlich. Diese Bestimmungen sind der Sache nach Ausschlüsse. Die in ihnen genannten Gefahren sind vom Schutz der Allgemeinen Unfallv ausgenommen. Daß sie nicht unter den negativen Grenzfällen des § 2 (3) AUB oder den Ausschlüssen in § 3 AUB aufgezählt werden, beruht auf gleichsam kaufmännischen Gesichtspunkten: Die Unfallver bieten Vsschutz kraft gesonderter Vereinbarung an, für die Luftgefahren vgl. die Besonderen Bedingungen für die persönliche Luftfahrt-Unfallv von Luftfahrerscheininhabern und beruflich mitfliegenden Personen in Luftfahrzeugen VA 1972 S. 289-290.

[G 217] b) Geschichte Die Verbands-Bedingungen von 1904 schlossen alle hier genannten Veranstaltungen vom Unfallvsschutz aus. Hierzu heißt es in § 1 Abs. 3, Unfälle bei regelmäßiger Benutzung oder beim Lenken von Kraftfahrzeugen seien nur eingeschlossen, wenn dies beantragt und in der Police vermerkt worden sei. Nach § 1 Abs. 5 waren ausgeschlossen Unfälle bei Teilnahme an Wettkämpfen und Wettspielen, Luftballonfahrten oder bei Benutzung ungewöhnlicher Transportmittel. Durch besondere Vereinbarung einbezogen werden konnten aber Unfälle bei Wettrennen, Parforce- und Schnitzeljagden, soweit sie nicht den Tod des Vten zur Folge hatten. Nach § 5 der AVB von 1910 bedurfte es zum Einschluß bestimmter Gefahren der besonderen Vereinbarung, das galt u.a. für Unfälle beim Radfahren, Selbstkutschieren, bei regelmäßiger Benutzung privater oder dem öffentlichen Verkehr dienender Kraftfahrzeuge jeder Art, beim Lenken von Kraftfahrzeugen jeder Art, bei Benutzung von Luftmaschinen und anderen Luftfahrzeugen und bei Wettrennen. Eine deutliche Verbesserung des Vsschutzes brachten die AVB von 1920, die in § 4 II. 1 a) und b) eine besondere Vereinbarung für den Einschluß der in lit. a) und b) genannten Sondergefahren voraussetzten. Unter lit. a) waren Radfahren, Motorradfahren, Selbstkutschieren und Lenken von Kraftfahrzeugen jeder Art aufgezählt, unter lit. b) u.a. die Benutzung von Luftfahrzeugen. Die unter a) genannten Sondergefahren waren jedoch eingeschlossen, wenn der Vte ihnen erst nach Abschluß des Vsvertrages ausgesetzt war, der Ver behielt sich eine entsprechende Prämienerhöhung vor. Seit 1935 schlossen Unfallver Unfälle bei Benutzung von Verkehrsflugzeugen ein. Dementsprechend wurden die AVB von 1937 (VA 1937 S. 62) in § 4 3. A geändert. Die Entschädigungsleistung wurde auf Höchstbeträge beschränkt ( § 4 3. B). Unter § 4. 4. der AVB von 1937 blieben unter dem Vorbehalt besonderer Vereinbarung ausgeschlossen Unfälle beim Motorradfahren oder Mitfahren auf Motorrädern oder im Beiwagen, ferner Unfälle bei Beteiligung an Preis-, Wettbewerbs-, Zuverlässigkeitsund Tourenfahrten mit Kraftfahrzeugen, sofern es hierbei auf Erzielung einer Höchstoder Durchschnittsgeschwindigkeit oder Zuverlässigkeit ankam, sowie bei Trainingsfahrten auf der Rennstrecke. Ohne wesentliche Veränderung der AVB im übrigen wurde im Jahre 1946 der prämienfreie Einschluß von Unfällen bei der Luftfahrt aufgehoben, im Jahre 1948 erging eine Anordnung der Aufsichtsbehörde gemäß § 81 VAG, wonach dies auch für den Vertragsbestand gelten sollte. Seit 1959 werden Unfälle bei Benutzung von Verkehrsflugzeugen wieder ohne Prämienzuschlag in die Allgemeine Unfallv eingeschlossen, vgl. hierzu Wimmer VW 1959 S. 4 7 - 5 0 und Grewing Entstehungsgeschichte S. 19. Die AUB von 1961 übernahmen diese Regelung in den Bedingungstext. Im Jahre 1970 wurde der prämienfreie Einschluß von Unfällen bei Luftfahrten auf Personenbeförderung durch Militärflugzeuge ausgedehnt, vgl. VA 1970 S. 324, unter der Voraussetzung, daß die Beförderung nicht militärischen Zwecken dient.

400

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 218

[G 218] c) Die ausgeschlossenen Sondergefahren aa) Luftgefahren Gefahren im Zusammenhang mit der Luftfahrt sind grundsätzlich vom Unfallvsschutz ausgeschlossen. Das gilt gleichermaßen für Unfälle bei Benutzung eines Flugzeuges, eines Ballons oder eines Hubschraubers. Ausgeschlossen sind Unfälle, die der Vte b e i L u f t f a h r t e n erleidet. Das bedeutet negativ, daß der betroffene Dritte, der sich nicht bewußt der erhöhten Gefährdung durch Luftfahrt ausgesetzt hat, vollen Vsschutz genießt, wie etwa der Passant in der Nähe des Flugplatzes, der irgendwie vom Absturz eines Flugzeuges in Mitleidenschaft gezogen wird, der Kraftfahrer, der über ein niedrig fliegendes Flugzeug so erschrickt, daß er gegen ein Hindernis fährt. Positiv bedeutet der Ausschluß von Unfällen bei Luftfahrten, daß sich der Vte der besonderen Gefährdung durch Luftfahrt ausgesetzt hat, indem er das Luftfahrzeug bestiegen hat, mit ihm geflogen ist und es — gegebenenfalls — wieder verlassen hat. Die Vorgänge des Be- und Entsteigens sind vom Ausschluß mit umfaßt, weil das besondere Gefahrenmoment schon hierbei bedeutsam wird: Das ist augenfällig beim Besteigen eines Ballons, oder eines Hubschraubers (rotierende Blätter), auch beim Einstieg in ein Sportflugzeug, der u. U. eine Art turnerische Leistung voraussetzt. — Unfälle bei diesen Luftfahrten sind nur ausgeschlossen, soweit sie als Verwirklichung der besonderen, aus der Luftfahrt sich ergebenden Gefahr anzusehen sind, dazu gehört auch Stolpern und Sturz innerhalb des Luftfahrzeuges, da die Körperbeherrschung des Fluggastes durch die beengten räumlichen Verhältnisse, während des Fluges auch durch die Bewegung des Fahrzeuges und durch das Bewußtsein der Gefährdung (Flugangst) beeinträchtigt ist. Dagegen sind Unfälle, die in keinerlei innerem Zusammenhang mit der Teilnahme am Fliegen stehen, wie z.B. der Steinwurf eines Dritten, der den Vten beim Einsteigen trifft, nicht ausgeschlossen. Hinsichtlich der Abgrenzung bestehen Zweifel, vgl. Henke Ausschlüsse S. 77 und Wüstney § 4 Anm. 7 S. 29. Praktisch bedeutsam sind die hiermit in Zusammenhang stehenden Fragen nicht geworden, wie sich aus dem Fehlen jeglicher veröffentlichter Rechtsprechung hierzu ergibt. Vom allgemeinen Ausschluß der Unfälle aus Luftgefahren ausgenommen und damit von der Allgemeinen Unfallv ohne Prämienzuschlag gedeckt sind gemäß § 4 (3) a AUB Unfälle, die der Vte bei Reise- oder Rundflügen über Gebiete mit organisiertem Luftverkehr als Fluggast eines behördlich zugelassenen Flugzeuges der zivilen Luftfahrt oder eines zur Personenbeförderung eingesetzten Militärflugzeuges erleidet. Die Unterscheidung von R e i s e - und R u n d f l ü g e n ist praktisch ohne Bedeutung für den Vsschutz: Reiseflüge haben ein Ziel, das vom Abflugort örtlich verschieden ist, bei Rundflügen ist Rückkehr ohne Zwischenlandung zum Abflugort beabsichtigt. G e b i e t e m i t o r g a n i s i e r t e m L u f t v e r k e h r sind solche, die von Fluglinien überflogen, von der technischen Flugsicherung erfaßt und, soweit für einen sicheren Flugverkehr notwendig, mit Landeplätzen versehen sind, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 20 und Wussow AUB 4 § 4 Anm. 9, S. 112-113. Diese Voraussetzungen sind für den Linienverkehr auch insoweit gegeben, als etwa der Nordpol, Ozeane oder größere Wüstenstrecken überflogen werden (Wussow a.a.O. S. 113). Da dem Luftverkehr jeweils ganz bestimmte Strecken zugewiesen werden, ist die Abgrenzung von Gebieten mit organisiertem Luftverkehr praktisch möglich. Verliert ζ. B. ein Flugzeug infolge Ausfalls von Navigationsgeräten die Orientierung und damit die vorgeschriebene Route, so befindet es sich etwa in der Arktis oder über dem Atlantik nicht mehr über einem Gebiet mit organisiertem Luftverkehr. Der Vte genießt Unfallvsschutz gemäß § 4 (3) AUB nur als F l u g g a s t . Der 26 Bruck-Möller, W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

401

Anm. G 219

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Begriff des Fluggastes dient der Abgrenzung zum fliegenden Personal (Besatzung, vgl. Opuv Ziff. 2 a.E., abgedruckt oben Anm. A 7), für das besondere AVB gelten. Fluggast ist deshalb jeder, der sich, ohne der Besatzung anzugehören, im Flugzeug befindet, ohne Rücksicht darauf, ob er entgeltlich oder unentgeltlich befördert wird, zum Mitfliegen berechtigt oder blinder Passagier ist oder ob er freiwillig oder zwangsweise befördert wird. Dieser von Wussow AUB 4 § 4 Anm. 10, S. 114 ohne nähere Begründung geäußerten Auffassung ist zu folgen: Die AUB gehen ersichtlich davon aus, daß unter den in § 4 (3) AUB aufgezählten (technischen) Voraussetzungen, nämlich behördliche Zulassung des Flugzeuges und Flug im Rahmen des organisierten Flugverkehrs, das Unfallrisiko nicht in einer Weise erhöht ist, die eine Deckung im Rahmen der Allgemeinen Unfallv ausschließt. Für diese Risikofaktoren ist es aber ohne Bedeutung, ob der Fluggast mit Wissen und Willen des Luftfahrtunternehmers oder freiwillig mitfliegt. — Etwas anderes gilt nur für die besondere Luftfahrt-Unfallv, die der Luftfahrtunternehmer zur Abwendung oder Einschränkung seines Hapftpflichtrisikos nimmt (Anm. Β 56). Sie gilt nur für den berechtigten Passagier (Opuv Ziff. 2). Problematisch wird die Abgrenzung des Fluggastes von der Besatzung, wenn die mitfliegende Person während des Fluges — ζ. B. im Notfall - Funktionen der Besatzung übernimmt oder wenn der Zweck des Mitfliegens nicht eigentlich in der Beförderung liegt, so ζ. B. wenn in einem Militärflugzeug Offiziere oder Personal des Verteidigungsministeriums mitfliegen und der Flug selbst militärischen Zwecken dient. Wegen der derzeit nicht praktisch bedeutsamen Einzelheiten soll hier auf die ausführliche Kommentierung von Wussow AUB 4 § 4 Anm. 12, S. 118-119 verwiesen werden. Soweit hiernach Vsschutz im Rahmen der Allgemeinen Unfallv besteht, wirkt sich der Zusammenhang eines Unfalls mit der Luftgefahr nur insoweit aus, als für die Entschädigungsleistung im Vsfall Höchstsummen gelten, und zwar auch dann, wenn ein Vsfall die Leistungspflicht aus mehreren Unfallvsverträgen auslöst (Anm. E 13). [G 219] bb) Fahrtveranstaltungen zur Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit Die allgemeine Unfallv schließt die Gefahren ein, die sich aus der Benutzung von Kraftfahrzeugen aller Art ergeben. Das gilt, trotz des deutlich erhöhten Risikos, auch für die Benutzung von Motorrädern, die bis 1961 aus der Allgemeinen Unfallv ausgeschlossen war. Nicht gedeckt von der Allgemeinen Unfallv sind jedoch Unfälle bei Beteiligung an Fahrtveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, und bei den dazugehörigen Übungsfahrten. Diese Bestimmung des § 4 (4) a AUB entspricht der gleichlautenden Regelung in § 2 (3)b S. 1 AKB, wo der Charakter dieser Vorschrift als Auschluß (durch die Überschrift) deutlicher erkennbar wird. Eine F a h r t v e r a n s t a l t u n g in diesem Sinne ist ein vorher geplantes Unternehmen, dessen Zweck in der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Fahrers oder des Fahrzeuges besteht. Daran fehlt es ζ. B. wenn einer von zwei Fahrern sich nicht bewußt an einer Wettfahrt beteiligt, OLG Celle 31. I. 1930 HRR 1930 Nr. 1796 (entschieden unter strafrechtlichem Gesichtspunkt); nicht aber ist der auf einem Motorrad fahrende Schrittmacher für ein Fahrradrennen Teilnehmer einer vom Vsschutz ausgeschlossenen Wettfahrt, OLG Bamberg 5. III. 1952 VersR 1952 S. 385—386 mit zust. Anm. Prölss. Andererseits setzt eine Fahrtveranstaltung nicht die Teilnahme mehrerer Fahrzeuge voraus, es genügt die Schnelligkeitsprobe einzelner Wagen, z.B. durch Testfahrer von Kraftfahrzeugherstellern oder Fachzeitschriften, soweit es hierfür auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, Stiefel402

Wagner

IV. Ausschlüsse

Anni. G 221

Wussow-Hofmann AKB 10 § 2 Anm. 82, S. 174. Tourenfahrten, sog. Sternfahrten und Rallye-Fahrten sind solche Fahrtveranstaltungen, wenn sie nach ihren Teilnahmebedingungen zumindest für Teilstrecken die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit voraussetzen. Der Begriff der hiernach für den Ausschlußtatbestand bedeutsamen Veranstaltung setzt also nicht eine Wettfahrt in dem (engeren) Sinne voraus, daß die fahrerische und die technische Leistung ausschließlich auf Erreichung und Beibehaltung der jeweils möglichen Höchstgeschwindigkeit ausgerichtet ist. In der Praxis ist die Frage bedeutsam geworden, ob eine Fahrtveranstaltung als auf Erzielung von Höchstgeschwindigkeit gerichtet anzusehen ist, wenn es nicht für alle Teile der Fahrtstrecke auf die Erreichung einer hohen Geschwindigkeit ankommt. Unzweifelhaft kann es dabei auf die Bezeichnung der Veranstaltung, etwa als „Zuverlässigkeitsprüfung", nicht ankommen, wenn es nach den Teilnahmebedingungen in Wahrheit um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeit geht, LG Bielefeld 21. IV. 1967 VersR 1967 S. 993-994. LG Braunschweig 23. II. 1966 VersR 1966 S. 729—730 wertet eine als Zuverlässigkeitsfahrt ausgeschriebene Veranstaltung auch dann als Wettfahrt im Sinne des Ausschlußtatbestandes (dort: Unfallzusatzv zur Lebensv), wenn nur ein Teil der Veranstaltung auf Erzielung der Höchstgeschwindigkeit gerichtet ist und sich der Unfall nicht in einem solchen Teil ereignet: Die Veranstaltung sei als Einheit zu werten. Dieser Entscheidung stimmt Klaiber VersR 1966 S. 730 zu, Während Dreger VersR 1966 S. 1179 und Fritze VersR 1968 S. 7 2 6 - 7 3 0 sie ablehnen. BGH 26. XI. 1975 VersR 1976 S. 381-383 mit zust. Anm. Bentlage VersR 1976 S. 1118-1120 hält denjenigen Teil einer Rallye, der auf öffentlichen Straßen stattfindet und für den die Teilnehmer auf strengste Einhaltung der Verkehrsvorschriften, insbesondere der Geschwindigkeitsbegrenzung verpflichtet werden, nicht für eine nach § 4 (4) a AUB ausgeschlossene Fahrtveranstaltung (entschieden für Kaskov gemäß § 2 (3)b AKB unter ausdrücklichem Hinweis auch auf § 4 (3)a AUB). Dieser differenzierenden Anwendung der Ausschlußvorschrift ist zuzustimmen, sie entspricht deren Sinn und Zweck, wenn derjenige Fahrtabschnitt, auf dem sich der Unfall ereignet, sich auf Grund des Veranstaltungsplanes klar von demjenigen abgrenzen läßt, für den es auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeit ankommt.

[G 220] cc) Anhang: Militärdienst Für den M i l i t ä r d i e n s t im F r i e d e n gilt die Regelung des § 4 (1) und (2) AUB entsprechend § 4 (5) AUB. Das bedeutet, daß der Eintritt in die Bundeswehr sich allenfalls auf die Prämienhöhe auswirkt, und zwar nur dann, wenn sich dies aus der Art der dort regelmäßig ausgeübten Tätigkeit ergibt. Die Prämienkorrektur vollzieht sich nach Maßgabe der Regelung in § 4 (2) AUB, vgl. hierzu Anm. E l l . Entscheidend für eine Prämienänderung ist der Tarif des Vers. Bedeutsam ist, daß der Dienst in Reserveübungen nunmehr ohne Prämienänderung in den Schutz der Allgemeinen Unfallv eingeschlossen ist. M i l i t ä r d i e n s t im K r i e g e führt zum Ruhen des Vertrages. Wegen der Voraussetzungen und der Wirkung ist auf die Ausführungen oben Anm. C 34 zu verweisen.

[G 221] 10. Herbeiführung des Unfalles durch den Versicherungsnehmer Soweit der Vte selbst Vmer ist, genießt er bei vorsätzlicher Herbeiführung des Vsfalles durch sich selbst keinen Vsschutz. Er hat dann nicht im Sinne des § 2 (1) AUB unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten. Unabhängig von diesem aus 26«

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403

Anm. G 222

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

dem Unfallbegriff folgenden Ergebnis bestimmte § 181 I 1 in der bis 1967 geltenden Fassung, daß der Ver von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn der Betroffene selbst den Unfall herbeigeführt hat. Diese Vorschrift ist mit der Einführung des § 180 a durch Gesetz vom 30. VI. 1967 (BGBl. I S. 609) gestrichen worden. Die neu eingefügte Bestimmung des § 180 a baut auf dem herkömmichen Unfallbegriff auf (zur Bedeutung und Kritik vgl. Anm. A 42). Nach diesem Unfallbegriff war der Sprachgebrauch des § 181 I 1 a.F. inkorrekt. Ein Ereignis, das sich der Betroffene selbst zufügt, kann nur als scheinbarer Unfall bezeichnet werden. Enthielt § 181 11 a.F. hiernach nur eine — sprachlich überholte — Klarstellung des Inhalts, daß in dem dort beschriebenen Falle ein Unfall nicht gegeben war, so ergaben sich aus § 181 I 2, II a.F. entsprechend § 181 I und II n.F. Tatbestände, die mit der Begriffskategorie des Ausschlusses nicht erfaßt werden können: Soweit der Vmer bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung den Vsfall selbst herbeiführt — etwa, indem er die Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17) selbst erschlägt —, liegt aus der Sicht der Gefahrsperson ein Unfall vor. Der Vmer ist jedoch nicht schutzwürdig, weil er selbst den Vsfall herbeigeführt hat: Der Ver wird von der Verpflichtung zur Leistung frei. In der Wertung des Verhaltens des Anspruchsberechtigten ebenso liegt der Fall, wenn der Bezugsberechtigte den seine Berechtigung auslösenden Vsfall dadurch auslöst, daß er den Vmer tötet. Der Unfallver wird zwar nicht frei, aber die Bezeichnung als bezugsberechtigt gilt als nicht erfolgt (§181 II). Der Anspruch gegen den Unfallver fällt in den Nachlaß. Tötet der Vmer einer Unfallfremdv für fremde Rechnung den vten Dritten (Gefahrsperson) unter Voraussetzungen, die den Vorgang aus der Sicht des betroffenen Dritten als Unfall erscheinen lassen, so wird der Ver nicht gemäß § 181 von der Verpflichtung zur Leistung frei. Denn das Gesetz sieht diese Folge nur für den Fall einer Unfallfremdv für eigene Rechnung vor, wie sich aus der Verweisung auf § 179 III in § 181 I ergibt. Bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung fällt der Entschädigungsanspruch in den Nachlaß des Vten. Ist der Vmer zugleich Bezugsberechtigter, so gilt die Bezugsberechtigung als nicht angeordnet, wenn er den Vten selbst getötet hat. Das ergibt sich aus der Regelung des § 181 II, ohne daß entschieden zu werden braucht, ob diese Vorschrift direkt oder analog anzuwenden ist (für Analogie: Manthey VersR 1973 S. 803—804). Die Frage, ob Vmer und Dritter identisch sein können, ist im Zusammenhang mit der Bezugsberechtigung ohne praktische Bedeutung: Aus § 181 II folgt, daß derjenige (ursprünglich) Bezugsberechtigte, der den Vsfall selbst herbeiführt, seine Bezugsberechtigung verliert. Auch hier fällt der Vsanspruch in den Nachlaß des Vten. Einen Fall, in dem die bezugsberechtigte Ehefrau den Vmer ermordet hat, entscheidet KG 25. V. 1927 JRPV 1927 S. 226-227. Hier war die Bezugsberechtigung durch die AVB (für Abonnentenv) angeordnet worden. KG entscheidet, daß der Entschädigungsanspruch der Erbin des Vmers (hier: seiner Tochter) kraft Erbganges zufällt. [G 222] 11. Ausschluß von Vergiftungen a) Geschichte In § 1 Abs. 2 der Verbands-Bedingungen von 1904 hieß es, daß (u. a.) Vergiftungen nicht als Unfälle gelten sollten. Die AVB von 1910 erwähnten die Vergiftung in einem Zusammenhang, der den späteren Standort als „Grenzfall" - in der seit 1920 verwendeten Bedeutung — vorwegnimmt. In § 3 II wurde der Unfall definiert, der nach diesen Bedingungen noch ein mechanisch von außen wirkendes Ereignis voraussetzte. In § 3 III hieß es, daß u. a. Verbrennungen und Verätzungen als Unfälle galten und in § 3 IV war unter der Überschrift „als Unfälle gelten nicht" unter a)—e) ein 404

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 223

Katalog von Vorgängen aufgezählt, der zu a) auch „innere Vergiftungen" nannte. — Diese Bestimmung konnte, da ein Unfall ein gewaltsam von außen wirkendes Ereignis voraussetzte, nur als (negative) Klarstellung aufgefaßt werden, vgl. Henke Ausschlüsse S. 44. Die AVB von 1920 führten zu § 2 die Überschrift „Unfallbegriff, Grenzfälle" ein, definierten in Abs. 1 den Unfallbegriff in der Weise, wie sie noch heute maßgeblich ist und zählten unter II 2. nach der Uberschrift „Als Unfälle gelten nicht." unter lit. a) an erster Stelle die Vergiftungen auf. Aus den einführenden Bemerkungen der Aufsichtsbehörde VA 1920 S. 92-102 ergibt sich nicht, aus welchem Grunde das Adjektiv „innere" (Vergiftungen) wieder gestrichen worden war. Diese Fassung behielten die AVB für die Allgemeine Unfallv bis zum Jahre 1961 bei. In den AUB von 1961 wurden weiterhin Vergiftungen unter den negativen Grenzfällen aufgezählt, jedoch nicht — wie bisher - an erster Stelle, sondern unter § 2 (3)c I AUB mit dem Zusatz, daß (nur) Vergiftungen infolge Einführung fester oder flüssiger Stoffe durch den Schlund nicht unter den Vsschutz fallen sollten. Mit dieser Einschränkung vollzog der Bedingungstext eine Angleichung an die Auslegung, die vom Reichsaufsichtsamt (VA 1926 S. 116) auf Grund historischer Interpretation (oben Anm. G 30) vertreten und von RG 10.1.1928 RGZ Bd 120 S. 18-20 übernommen worden war (Vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 10). Insbesondere das Reichsgericht hatte die Erwägung in den Vordergrund gestellt, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Kohlenoxydgas-Vergiftungen zwar zu den Vergiftungen gerechnet würden, daß aber bei unbefangener Auffassung beim Wort „Vergiftungen" zunächst nur an Vergiftungen durch Eindringen fester oder flüssiger Stoffe in den Körper gedacht werde, vornehmlich werde der Ausdruck vergiften für die Einführung fester oder flüssiger Stoffe durch den Schlund verwendet (RG a.a.O. S. 20).

[G 223] b) Bedeutung des Ausschlußtatbestandes als Teil des Unfallereignisses Liest man den negativen Grenzfall des Eindringens fester oder flüssiger Stoffe durch den Schlund im Zusammenhang mit der Unfalldefinition in § 2 (1) AUB, so erscheint dieser Vorgang als Teil des Unfallereignisses (Anm. G 6): Die Einwirkung auf den Körper des Vten vollzieht sich durch das Eindringen des Giftstoffes. Denn nur dieser Vorgang kann als Einwirkung von a u ß e n bezeichnet werden, während sich die schädigende Wirkung des Giftes erst nach dem Eindringen im Inneren des Körpers vollzieht. Damit erweist sich dieser negative Grenzfall als Ausschlußtatbestand, der an eine andere (spätere) Stufe der Gefahrverwirklichung anknüpft, als dies für die bisher (Anm. G 138—220) dargestellten Ausschlußtatbestände gilt, vgl. hierzu die einleitenden Bemerkungen Anm. G 132. Für die praktische Bedeutung ergibt sich hieraus kein Unterschied: Vergiftungen durch Einführung fester oder flüssiger Stoffe durch den Schlund begründen keinen deckungspflichtigen Unfall im Sinne des § 2 (1) AUB, auch wenn der ihnen zugrundeliegende Vorgang sämtliche Merkmale des Unfallbegriffs erfüllt. Soweit die Einführung von Giftstoffen im Sinne des § 2 (3)c I AUB nicht die Vorausetzungen des Unfallbegriffs erfüllt, ist diese Vorschrift nur eine (negative) Klarstellung, vgl. Henke Ausschlüsse S. 46. Das könnte insbesondere bedeutsam werden, soweit das Merkmal der Plötzlichkeit verneint werden müßte. Nach der sehr weiten Auslegung dieses Merkmals (oben Anm. G 54) bleibt für solche Fälle wenig Raum. Zu denken wäre ζ. B. an eine über mehrere Tage oder Wochen sich erstrekkende Arsenvergiftung durch Verabreichung zunächst kleiner und sich dann steigernder Dosen. Wagner

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Anm. G 226

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 224] c) Tatbestand aa) Einführung fester oder flüssiger Stoffe Das mit den AUB von 1961 erstmals in den Bedingungstext eingefügte Erfordernis der Einführung fester oder flüssiger Stoffe dient der Abgrenzung der nach § 2 (3)c I AUB nicht gedeckten Vergiftungen von solchen, die Folge des Einatmens giftiger Gase oder Dämpfe sind. Die sog. Gasvergiftungen im weitesten Sinne werden im Anschluß an KG 11. VI. 1927 JRPV 1927 S. 245-247 - Berufungsurteil vor RG 10. I. 1928 RGZ Bd 120 S. 18-20 = JRPV 1928 S. 4 2 - 4 3 - als Unfälle im Sinne des seit 1920 für die Allgemeine Unfallv geltenden Unfallbegriffs gedeckt, vgl. die Nachweise oben Anm. G 31, KG 14. III. 1936 JRPV 1936 S. 234-235 und für Rauchvergiftung (Vter war Feuerwehrmann) LG Leipzig 28. V. 1937 JRPV 1937 S. 268. LG Leipzig a. a. O. und KG 16. XII. 1933 JRPV 1934 S. 9 1 - 9 2 halten bei Vergiftungen durch Rauch bzw. Leuchtgas sogar die Voraussetzungen einer äußeren, gewaltsamen Einwirkung (nach AVB für Zeitschriftenv entschieden) für erfüllt.

[G 225] bb) Einführung durch den Schlund Auch das Erfordernis des E i n f ü h r e n s durch den Schlund hat den Zweck, den Ausschlußtatbestand abzugrenzen: Nicht von ihm erfaßt werden Vorgänge, bei denen der Giftstoff durch die Haut — regelmäßig an verletzter Stelle — in den Körper eindringt oder schon durch Berührung mit der Haut auf dieser zu Wirkungen führt, die als Gesundheitsschädigung anzusehen sind. Beispiele für die erstgenannten Arten von Unfällen, die nicht durch § 2 (3)c I AUB vom Deckungsschutz ausgenommen sind, bilden der Biß einer Giftschlange oder der Stich eines Skorpions, aber auch das Eindringen eines vergifteten Pfeils in die Haut. Vgl. im übrigen die Nachweise oben Anm. G 32. Der Ausdruck Blutvergiftung ist mehrdeutig, vgl. die Nachweise oben Anm. G 119-120. Er ist für die AVB ohne Bedeutung: Der Einschlußtatbestand des § 2 (2)a AUB setzt eine Infektion, nicht aber eine Vergiftung voraus. Für den hier erörterten Ausschlußtatbestand § 2 (3)c I AUB der Einführung fester oder flüssiger Giftstoffe durch den Schlund ist eine im wörtlichen Sinne verstandene „Vergiftung des Blutes" ohne Bedeutung. Nach dem Lebenssprachgebrauch dürfte der Ausdruck Blutvergiftung am ehesten dem der Wundinfektion entsprechen.

[G 226] cc) Abgrenzung von Ersticken und Verätzen Ersticken ist der Tod infolge Mangels an Sauerstoff in der Atemluft, vgl. Henke Ausschlüsse S. 45. Nicht unter den Begriff des Erstickens fällt es, wenn der Betroffene infolge chemisch bedingter Veränderung des Blutes — etwa durch Kohlendioxyd — nicht in der Lage ist, über die Lunge Sauerstoff in das Blut aufzunehmen. Deshalb ist die Wirkung des Kohlendioxyds, die zu einer chemisch bedingten Veränderung der roten Blutkörperchen führt, als Vergiftung zu bezeichnen, Henke a.a.O. S. 44—45. Davon geht auch die Rechtsprechung zur Gasvergiftung in der Unfallv aus, vgl. oben Anm. G 30. Dagegen fällt die Verletzung oder Zerstörung innerer Organe durch Verätzung oder Verbrennung durch verschluckte Laugen oder Säuren nicht unter den Begriff der Vergiftung im Sinne des § 2 (3)c I AUB. BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 = VA 1955 S. 222-223 Nr. 107 schließt dies aus dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens, der zwischen Vergiftungen einerseits und sofort wirkenden, örtlich begrenzten Primärschäden andererseits unterscheide. Angesichts der sehr gründlichen 406

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 228

Überlegungen des Berufungsgerichts OLG Karlsruhe 4. XI. 1953 VersR 1953 S. 474 hätte der Bundesgerichtshof in deutlicherer Weise, als dies aus den veröffentlichten Gründen ersichtlich ist, gegenüber der — von ihm angenommenen — Präzision des allgemeinen Sprachgebrauchs skeptisch sein und erwägen sollen, ob diese Unterscheidung nicht eher aus der fachwissenschaflichen Terminologie der Medizin zu finden ist. Selbst hier ist das Ergebnis nicht sicher: Tod durch Zyankali wird als Vergiftung bezeichnet, obwohl die schädliche Wirkung nicht chemisch, sondern physikalisch bedingt ist: Im Mageninneren entsteht Blausäure, die ätzend bzw. verbrennend wirkt. Ergänzend ist auf die Ausführungen oben Anm. G 32 zu verweisen.

[G 227] dd) Vergiftung als Unfallfolge Vergiftungen infolge Einführung fester oder flüssiger Stoffe durch den Schlund sind in der Allgemeinen Unfallv gemäß § 2 (3) c IV S. 1 AUB gedeckt, wenn sie adäquate Folge eines Unfallereignisses sind, das nicht gemäß § 2 (3)c I AUB vom Deckungsschutz ausgenommen ist. Diese Einschränkung des Ausschlusses von Vergiftungen ist durch die AUB von 1961 in den Bedingungstext eingefügt worden. Die Bedingungsverfasser wollten hiermit der Entwicklung der Auslegungspraxis folgen, Grewing Entstehungsgeschichte S. 12. Die dieser Vorschrift entsprechende Auslegung ist durch RG 20. XII. 1929 JRPV 1930 S. 53 = JW 1930 S. 1586-1587 mit Anm. Albert Ehrenzweig eingeleitet worden: Die Vergiftung müsse, um nicht als Unfall zu gelten, das erste Glied der den Tod bedingenden Ursachenreihe bilden. Soweit sie Folge eines deckungspflichtigen Unfalls sei, genieße der Vte (Hier: seine Erben) Vsschutz. Der Vte litt infolge eines Sturzes an neuralgischen Schmerzen, gegen die er mit Veronal behandelt wurde. Er starb infolge der Einnahme von Veronal. — Das Gericht stützt sein Ergebnis mit einem Hinweis auf eine andere Bestimmung der AVB ab, wonach Beschädigungen infolge von Heilmaßnahmen unter den Vsschutz fielen, wenn sie — wie hier — durch den Vsfall veranlaßt worden seien. Diese Vorschrift entspricht der Regelung in § 3 (3) 1. Halbs. AUB (oben Anm. G 156). Die AUB von 1961 haben den Text des § 2 (3)c IV S. 1 AUB präzisiert: Da die Vergiftung, auch soweit sie z. B. als Folge eines Sturzes eintritt und deckungspflichtig ist, noch Teil des als Gesamtvorgang deckungspflichtigen Unfalls ist, spricht der Bedingungstext insoweit korrekter von den Folgen eines unter die V fallenden Unfallereignisses, vgl. hierzu Grewing Entstehungsgeschichte S. 12.

[G 228] 12. Ausschluß von Infektionskrankheiten a) Geschichte Nach § 1 Abs. 2 der Verbands-Bedingungen von 1904 sollten „nicht als Unfälle gelten" alle gewöhnlichen Erkrankungen und Krankheitszustände, Infektions- und Invasionskrankheiten und Ansteckungen. Die AVB von 1910 zählten in § 3 IV unter der Überschrift „Als Unfälle gelten nicht" zu a) ebenfalls „alle gewöhnlichen Erkrankungen und Krankheitszustände, insbesondere Infektions- und Invasionskrankheiten" auf. Die AVB von 1920 nannten unter § 2 II. 2 a) u. a. Malaria, Flecktyphus und sonstige Infektionskrankheiten. Bei dieser Fassung verblieb es bis zu den AUB von 1961. Diese veränderten den Bedingungstext insoweit nicht, übernahmen aber die als negative Grenzfälle eingeordneten Malaria, Flecktyphus und sonstige Infektionskrankheiten in § 2 (3)c I. Soweit Infektionen als Folge eines Unfallereignisses bedeutsam werden, ergibt sich für sie eine besondere Regelung aus § 2 (3)c IV S. 2 AUB (unten Anm. G 235-236). Wagner

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Anm. G 230

G. Rechtspflichten des Unfall Versicherers

[G 229] b) Begriff der Infektion aa) Allgemeines Infektion ist das Eindringen eines selbständig vermehrungsfähigen tierischen oder pflanzlichen Krankheitserregers in den Körper, der durch seine Lebensfähigkeit bestimmte örtlich begrenzte oder allgemeine Störungen hervorruft, so (wörtlich) Wussow AUB 4 § 2 Anm. 21, S. 81. Der Krankheitserreger kann durch eine Hautverletzung in den Körper eindringen, dann handelt es sich um die oben Anm. G 119— 120 erörterte Wundinfektion, er kann auch durch Anhauchen, Anhusten oder Berührung mit einem Kranken an den Gesunden „herangetragen" und sein Eindringen in dessen Körper veranlaßt werden. Schließlich kann der Krankheitserreger durch Stich oder Biß von Tieren (vgl. Anm. G 230—231) in den Körper gelangen. Abweichend von dem vorstehend zugrundegelegten Begriff der Infektion bezeichnet der Lebenssprachgebrauch auch die Wirkung des Krankheitserregers im Körper als Infektion. Von einem solchen Sprachgebrauch sind auch Urteile zum Unfallvsrecht beeinflußt. So geht KG 22. III. 1933 JRPV1933 S. 298-300 = VA 1933 S. 341 Nr. 2581 davon aus, daß das Anhusten durch einen Patienten ein auf den (vten) Arzt plötzlich einwirkendes Ereignis gewesen sei (sog. Tröpfcheninfektion). Sie habe später zur Infektion, nämlich zur Erkrankung an septischer Angina, geführt. Nach Auffassung des Gerichts liegt hier ein deckungspflichtiger Unfall vor. Wenig deutlich hält KG 23. III. 1937 JRPV 1937 S. 237-238 das Eindringen von Spirochäten durch die Schleimhäute auf dem Atmungswege (als Möglichkeit erwogen, hier aber nicht bewiesen) nicht für ein Unfallereignis. Der Vte war an der Weilschen Krankheit verstorben. Wörtlich heißt es hierzu: „Infektionskrankheiten sind, weil der Krankheitserreger nicht plötzlich auf den Körper einwirkt, sondern seine Wirkungen erst im allmählichen Fortschreiten der Krankheit äußert, an sich keine Unfälle im Sinne der Privatv." Hier werden Unfallereignis und dessen Folgen nicht klar voneinander getrennt. Eine deutliche Unterscheidung des Eindringens der Krankheitserreger in den Körper von deren Wirkungsweise nach Eindringen wird auch durch den Wortlaut des § 2 (3)c I a. E. AUB erschwert: Als negativer Grenzfall formuliert, lautet diese Bestimmung: Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz: . . . Malaria, Flecktyphus und sonstige Infektionskrankheiten. Dieser Wortlaut des Bedingungstextes deutet darauf hin, daß nicht der Vorgang der Infektion im Sinne des Eindringens der Krankheitserreger in den Körper, sondern ihre (Aus-)Wirkung im Körper vom Vsschutz ausgeschlossen sein soll. Es besteht heute indes Einigkeit darüber, daß die Formulierung in § 2 (3) c I AUB nicht in dieser Weise zu verstehen ist. Das folgt schon aus der besonderen Regelung des § 2 (3)c IV S. 1 AUB, aus der sich ergibt, daß Infektionskrankheiten als adäquate Folge eines Unfallereignisses unter den Vsschutz fallen, vgl. hierzu unten Anm. G 235-236. [G 230] bb) Stich der Anopheles-Miicke Insektenstiche erfüllen regelmäßig die Voraussetzungen eines Unfallereignisses: Der Stich wirkt von außen und plötzlich auf den Körper des Vten ein, vgl. RG 7. II. 1936 JRPV 1936 S. 105 nach OLG Düsseldorf 17. V. 1935 VA 1935 S. 2 7 3 - 2 7 4 Nr. 2839. Der Stich, der Anopheles-Mücke führt den Krankheitserreger für Malaria in die Blutbahn des betroffenen Vten ein. Die Erkrankung an Malaria ist hiernach (adäquate) Folge eines Unfallereignisses. Es entspricht deshalb dem Erfordernis vorsorglich formulierter Bedingungen, Malaria in § 2 (3)c I AUB als negativen 408

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Anm. G 234

IV. Ausschlüsse

Grenzfall zu nennen und in § 2 (3)c IV S. 2 AUB noch einmal klarzustellen, daß dieser Mückenstich als Unfallereignis nicht Teil eines deckungspflichtigen Unfalls ist. [G 231] cc) Biß durch Kleiderläuse Der Biß durch Kleiderläuse erfüllt in gleicher Weise wie der Stich durch Insekten die Voraussetzungen eines Unfallereignisses. Ob es insoweit an der Plötzlichkeit fehlt, etwa wenn der Betroffene weiß, daß seine Kleidung verlaust ist, kann hier dahinstehen, zweifelnd Henke Ausschlüsse S. 43, verneinend Wussow AUB 4 § 2 Anm. 21 S. 81. Denn soweit der Biß von Kleiderläusen eine Infektionskrankheit zur Folge hat, ist dieser Vorgang nicht vom Vsschutz umfaßt. Bedeutsamstes Beispiel einer auf diese Weise bewirkten Infektion ist Flecktyphus. Wegen der Bedeutung der Vorschrift des § 2 (3) IV AUB vgl. unten Anm. G 235-236. [G 232] c) Bedeutung des Tatbestandes aa) Ausschluß Soweit der Vorgang der Infektion (oben Anm. G 229 a. Α.) die Voraussetzungen eines Unfallereignisses erfüllt, ergibt sich aus § 2 (3)c I AUB ein echter Ausschluß. Dieser bezieht sich nicht auf die Ursachen des Unfallereignisses, wie die sog. Gefahrumstandsausschlußklauseln (z.B. in § 3 (1)—(4) AUB), sondern auf das Merkmal des auf den Körper des Vten wirkenden Ereignisses: Das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper des Vten ist als Unfallereignis vom Deckungsschutz ausgenommen; zur Einordnung in den Vorgang der Gefahrverwirklichung vgl. auch oben Anm. G 132. Henke Ausschlüsse S. 43 deutet den Ausschluß dahingehend, daß das Fehlen der Plötzlichkeit fingiert werde. [G 233] bb) Klarstellung Regelmäßig kann nicht festgestellt werden, innerhalb welchen Zeitraums die Krankheitserreger in den Körper gelangen. Da dieser Vorgang sich auch im übrigen der sinnlichen Wahrnehmung weitgehend entzieht, ist vielfach weder das Merkmal der Plötzlichkeit noch Art und Zeitpunkt (Zeitraum) der Infektion feststellbar. Soweit es hiernach am Merkmal der Plötzlichkeit fehlt oder dieses Merkmal, wie es in der Natur der Sache liegt, regelmäßig nicht beweisbar ist, hat § 2 (3)c I AUB mit der Aufzählung u.a. der Infektionskrankheiten nur eine Klarstellung zum Inhalt, insoweit ist den Ausführungen von Henke Ausschlüsse S. 4 2 - 4 3 voll zuzustimmen. Auf die besonderen Beweisschwierigkeiten des von einer Infektion Betroffenen nehmen die sog. Infektionsklauseln Rücksicht, kraft derer für bestimmte Berufe ein entsprechender Einschluß vereinbart werden kann. Der Text der Infektionsklauseln ist abgedruckt oben Anm. G 128. [G 234] cc) Abgrenzung zur Wundinfektion Nach § 2 (2)b AUB fallen unter den Vsschutz auch Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung im Sinne des § 2 (1) AUB in den Körper gelangt ist. Durch diesen Einschlußtatbestand (oben Anm. G 118) wird die einer Unfallverletzung kausal und regelmäßig auch zeitlich nachfolgende Infektion als Vsfall gedeutet, vgl. im einzelnen oben Anm. G 119-120. Die Bedeutung des Einschlußtatbestandes liegt einmal darin, daß ein Teil der möglichen Infektionen (wieder) in den Vsschutz eingeschlossen wird und daß es zum anderen für die materielle Vsdauer unerheblich ist, ob die Unfallverletzung vor oder nach deren Beginn eingetreten ist. Wagner

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Anm. G 237

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 235] d) Infektion als Folge eines Uniallereignisses aa) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 1 AUB Eine Infektionskrankheit wird als adäquate Folge eines Unfallereignisses gedeckt. Diese nunmehr für alle unter § 2 (3) c I—III AUB aufgezählten Tatbestände geltende Bestimmung ist erst durch die AUB von 1961 in den Bedingungstext eingefügt worden, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 12—13, oben Anm. G 227. Sie entsprach schon vorher der Auslegung in der Paxis: OLG Hamm 25. XI. 1929 JRPV 1930 S. 6 7 - 6 8 hält Tod eines Vten infolge Unterleibstyphus für deckungspflichtig. Der Vte hatte sich im Krankenhaus infiziert, wo er sich zur Heilung eines unfallbedingten Knochenbruchs befunden hatte. OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 773-775 hält Tod infolge Kinderlähmung nach einer Schlägerei für eine deckungspflichtige Folge eines Unfallereignisses (Schlägerei). Das Gericht geht davon aus, daß die Kinderlähmung infolge der Verletzungen aus der Schlägerei ausgebrochen sei. [G 236] bb) Bedeutung des § 2 (3) c IV S. 2 AUB Die Einbeziehung der in § 2 (3)c I—III AUB genannten Vorgänge in den Deckungsschutz, soweit die dort genannten Gesundheitsschädigungen als Folge eines Unfallereignisses auftreten, durch § 2 (3)c IV S. 1 AUB (vorstehend Anm. G 235), wird durch den nachfolgenden Satz eingeschränkt: „Die Entstehungsursache der Infektionskrankheit selbst gilt nicht als Unfallereignis". Dieser Nachsatz hat nicht die Bedeutung, entgegen der generellen Einbeziehung im vorangegangenen Satz Infektionskrankheiten — generell — auch als Folgen eines Unfallereignisses — vom Deckungsschutz auszunehmen. Vielmehr wollten die Verfasser der AUB von 1961 nur diejenigen Infektionskrankheiten — auch als Folge eines Unfallereignisses — vom Deckungsschutz ausschließen, deren Ursache typischerweise unmittelbar zur Infektion führt. Hierzu heißt es bei Grewing Entstehungsgeschichte S. 13 wörtlich: „Es mußte aber auch noch klargestellt werden, daß Infektionskrankheiten nur gedeckt sind, wenn sie als Folge eines unter die Versicherung fallenden Unfallereignisses auftreten. Da z.B. die Malaria durch den Stich der AnophelesMücke in das Blut des Menschen übertragen wird, könnte dieser Stich bereits als bedingungsgemäßes Unfallereignis angesehen werden. Es bestand jedoch bei den Verhandlungen über die Genehmigung der AUB bei allen Beteiligten Übereinstimmung darüber, daß die vorher ausgeschlossenen Infektionskrankheiten nicht wieder durch die Generalklausel eingeschlossen werden sollten, wenn das unter die Versicherung fallende Unfallereignis die eigentliche Entstehungsursache der Krankheit war. Die Ausnahmeklausel soll sich nur auf solche Fälle beziehen, in denen die unter c) aufgeführten Tatbestände als zufällige Folge eines völlig anders gearteten Unfallereignisses auftreten, nicht aber auf solche Fälle, in denen die Entstehungsursache eines der genannten Tatbestände schon selbst ein Unfallereignis darstellt." [G 237] 13. Ausschluß von Strahlenwirkungen a) Geschichte Die Verbands-Bedingungen von 1904 und die AVB von 1910 enthielten keine Bestimmung über Einwirkung von Strahlen. Eine Ausschlußbestimmung wäre — von anderen Gesichtspunkten, insbesondere der zunächst geringen praktischen Bedeutung von Strahlenwirkungen abgesehen — schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil 410

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 239

die AVB bis 1920 als Voraussetzung eines Unfalls m e c h a n i s c h e Einwirkung voraussetzten. RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189-191 betrachtete die Voraussetzungen eines deckungspflichtigen Unfalls als erfüllt bei Verbrennungen, die der Vte durch eine Röntgenbestrahlung von 40 Minuten Dauer erlitten hatte. Der Unfallbegriff, der der Entscheidung nach den maßgeblichen AVB zugrundezulegen war, wird nicht mitgeteilt. — Die AVB von 1920 schlossen in § 2 II. 2 c als negative Grenzfälle („Als Unfälle gelten nicht:") Gesundheitsschädigungen durch Röntgen-, Radium-, Finsen-, Höhensonnen-und ähnliche Strahlen aus. Diese Fassung behielten die AVB bis 1961 bei. Anläßlich der Neufassung der AVB wurde zunächst erwogen, Gesundheitsschäden durch Atomenergie im Rahmen des § 3 in den Katalog der Ausschlüsse aufzunehmen. Ein solcher Ausschlußtatbestand, der ζ. B. auch Hitze- und Luftdruckschäden umfaßt hätte, ging den Bedingungsverfassern indes zu weit: Als nicht hinreichend überschaubares und deshalb auszuschließendes Wagnis sollten nur mögliche Strahlenschäden selbst angesehen werden, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 10—11. Andererseits sollte auf eine kasuistische und nach dem Stande der Physik veraltete Aufzählung der einzelnen Arten von in Betracht kommenden Strahlen verzichtet und stattdessen ein möglichst einheitlicher Strahlenbegriff verwendet werden. Nach Anhörung von Sachverständigen einigte man sich auf den Begriff e n e r g i e r e i c h e S t r a h l e n und traf die Abgrenzung, dem Sprachgebrauch der Physik folgend, nach ihrer H ä r t e , die nach Elektronenvolt bemessen wird. Die Grenze von 100 Elektronenvolt beruht auf der Annahme, daß Strahlen unter 100 Elektronenvolt keine biologische Wirkung hervorrufen. — Daneben wurde es für erforderlich gehalten, Schädigungen durch Neutronen gesondert aufzuführen, weil sie trotz ihrer geringeren Härte von nur 1/30 Elektronenvolt durch Sekundärprozesse Ursache für ionisierende Strahlung sein könnten. Schließlich wurden anstelle der bisher genannten Höhensonnenstrahlen künstlich erzeugte ultraviolette Strahlen genannt. Die Strahlenquelle Höhensonne wurde als zu begrenzt empfunden, weil für künstliche ultraviolette Strahlen auch Strahlenquellen anderer Bezeichnung verwendet werden (vorstehende Darstellung übernommen von Grewing Entstehungsgeschichte S. 10-12). [G 238] b) Bedeutung: Ausschluß und Klarstellung Da der Unfallbegriff seit der Fassung durch die AVB von 1920 keine mechanische Einwirkung mehr voraussetzt, kann auch eine Strahlung im Sinne eines Unfallereignisses auf den Körper des Vten einwirken, vgl. RG 21. XI. 1919 RGZ Bd 97 S. 189—191 (Röntgenstrahlen). Die in dieser Entscheidung vollzogene erheblich ausdehnende Interpretation des Begriffs der Plötzlichkeit - Bestrahlung von 40 Minuten — macht die Abgrenzung noch plötzlicher von nicht mehr plötzlichen Strahleneinwirkungen für die Rechtspraxis unmöglich. Den Unfallvern bleibt deshalb keine andere Wahl als diese Abgrenzung für unerheblich zu erklären und Strahlenwirkungen schlechthin vom Deckungsschutz auszuschließen, vgl. die zutreffenden Bemerkungen von Henke Ausschlüsse S. 55. [G 239] c) Tatbestand Wegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses von Strahlenwirkungen kann auf die Ausführungen oben Anm. G 237 zweiter Absatz verwiesen werden. Bedeutsam für diesen Ausschlußtatbestand ist zunächst, daß der betroffene Vte im Ergebnis das NichtVorliegen des Ausschlußtatbestandes beweisen muß. Das ist die Folge des Umstandes, daß er zunächst die Strahlenauswirkung, d.h. die Verbrennung oder sonstige durch Strahlen hervorgerufene Gesundheitsschädigung, sodann aber auch die Strahleneinwirkung als Unfallereignis beweisen muß. Hierzu muß er Wagner

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Anni. G 241

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

die Strahlenquelle angeben. Ist sie bekannt, so kann ein Physiker die Härte der Strahlen bestimmen. Entsprechendes gilt für Schädigung durch Neutronen oder ultraviolette Strahlen: Die Geltendmachung eines Schadens, der nur möglicherweise auf Strahlung beruht, zwingt den Vten zum Nachweis der Quelle der Einwirkung und damit des gesamten für die Beurteilung nach § 2 (3)c III AUB bedeutsamen Sachverhalts, vgl. hierzu Grewing Entstehungsgeschichte S. 11 vorletzter Absatz. Ist der Vte der Strahlenwirkung infolge eines Unfallereignisses ausgesetzt, so besteht Vsschutz auch für diejenigen Gesundheitsschäden, die nur durch die Strahlenwirkung verursacht worden sind, § 2 (3)c IV S. 1 AUB, vgl. hierzu Anm. G 227 und 235. [G 240] d) Besonderheiten der Strahlenunfallversicherting aa) Vorbemerkung Im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Neufassung der Strahlenklausel in den AUB (oben Anm. G 237) ergab sich der Gedanke, dem besonderen Strahlenrisiko, das von der Allgemeinen Unfallv nicht gedeckt wurde, durch gesonderte Vereinbarung Deckung zu verschaffen, vgl. Grewing, Die Strahlenunfallversicherung S. 7. Interesse an einer solchen V war von der Max-Planck-Gesellschaft in Göttingen und von der Industrie bekundet worden. Unter Mitwirkung von Sachverständigen wurde ein Entwurf für Besondere Bedingungen erstellt, der im November 1960 der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung eingereicht wurde (Grewing a.a.O. S. 8). Die Besonderen Bedingungen für die Strahlenunfallv von Personen, die beruflich mit strahlenerzeugenden Stoffen und Geräten in Berührung kommen, wurden am 12. XI. 1964 genehmigt und in VA 1965 S. 6 veröffentlicht. Sie wurden im Jahre 1975 in einigen Punkten geändert (VA 1975 S. 459), der derzeit maßgebliche Wortlaut ist nachstehend Anm. G 241 a. E. abgedruckt. Die Strahlenunfallv (abgekürzt: Struv) ist als Unfallv gestaltet, sie soll keinen besonderen Vszweig darstellen, der zwischen Unfall- und Lebensv oder zwischen Unfallv und PKV einzuordnen wäre (Grewing a. a. O. S. 8). Dem entspricht es, daß die Besonderen Bedingungen für die Struv auf den AUB in ihrer jeweiligen Fassung aufbauen (Präambel) und deren Inhalt in bestimmten Punkten abwandeln. Folgerichtig heißt es in § 1 (1) der Besonderen Bedingungen, daß sich der Vsschutz nur auf Strahlenunfälle beziehe; die relevanten Strahlen werden in § 1 (2) in gleicher Weise definiert wie in § 2 (3)c III AUB (unter Ausnahme der hier nicht bedeutsamen ultravioletten Strahlen). Damit ist zugleich ausgedrückt, daß mechanische und chemische Wirkungen der Kernenergie wie Druck- und Hitzeschäden nicht gedeckt sind, vgl. Eckart VA 1965 S. 62. [G 241] bb) Umfang des Versicherungsschutzes Der Kreis der v e r b a r e n P e r s o n e n ergibt sich aus der Überschrift der Besonderen Bedingungen für die Struv (VA 1975 S. 459), die als Bezugnahme auf denjenigen Personenkreis zu verstehen ist, auf den die Bestimmungen der jeweils maßgeblichen Strahlenschutzverordnungen Anwendung finden, vgl. Grewing Strahlenunfallv S. 11. Der Vsfall in der Struv wird in § 2 (1)—(3) definiert. Der Begriff des S t r a h l e n u n f a l l s baut auf dem allgemeinen Unfallbegriff des § 2 (1) AUB auf, enthält aber nicht das Adverb „plötzlich". Gleichwohl soll das Merkmal der Plötzlichkeit auch für die Struv bedeutsam sein, nämlich im Sinne des Unvorhergesehenen, Unerwarteten, Unentrinnbaren, so Grewing Strahlenunfallv S. 14 und Eckart VA 412

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Amn. G 241

IV. Ausschlüsse

1965 S. 62 r. Sp. unter 2). Das unter § 2 (2) der Besonderen Bedingungen genannte Merkmal der S t r a h l e n e i n w i r k u n g von a u ß e n entspricht dem Unfallereignis in der Allgemeinen Unfallv, während es für die in § 2 (3) a.a.O. genannte Inkorporation strahlender Stoffe keine Parallele in der Allgemeinen Unfallv gibt. Unter Inkorporation versteht man nach der offiziellen Begriffsbestimmung von EURATOM die innere Kontamination, bei der radioaktive Stoffe am Stoffwechsel des Organismus teilnehmen, vgl. Grewing a.a.O. S. 13. Die als Folge der Strahleneinwirkung oder Inkorporation strahlender Stoffe eintretende G e s u n d h e i t s s c h ä d i g u n g muß sich i n n e r h a l b e i n e s J a h r e s nach dem Unfalltag manifestiert haben (§ 3 der Besonderen Bedingungen). Damit wird der Vsschutz auf Strahlenschäden begrenzt, die innerhalb einer einjährigen Inkubationszeit hervortreten. Die T o d e s f a l l e n t s c h ä d i g u n g wird gezahlt, wenn der Tod als Folge eines Strahlenunfalls innerhalb von 3 Jahren eintritt (§ 6 I. der Besonderen Bedingungen). Die inzwischen (VA 1977 S. 130) auch in die Allgemeine Unfallv eingeführte Ü b e r g a n g s r e n t e (§ 8 VII. AUB) ist zunächst für die Besonderheiten der Struv entwickelt worden. Sie überbrückt den Zeitraum von der Beendigung der Zahlung des Tagegelds bis zur Auszahlung der Invaliditätsentschädigung. Auch für die I n v a l i d i t ä t s e n t s c h ä d i g u n g ist die Unfallfolgenfrist gegenüber der Regelung in der Allgemeinen Unfallv von einem auf d r e i J a h r e v e r l ä n g e r t worden. Wegen der Einzelheiten ist auf Grewing Strahlenunfallv S. 2 1 - 2 4 hinzuweisen. Die Besonderen Bedingungen für die Struv lauten: Der Versicherung liegen die beigefügten Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) sowie bei Gruppenversicherungen auch die beigefügten Zusatzbedingungen für Gruppen-Unfallversicherung mit folgenden Änderungen und Ergänzungen zugrunde: § 1 (1) Der Versicherungsschutz erstreckt sich nur auf Strahlenunfälle. (2) Unter Strahlen im Sinne dieser Bedingungen werden energiereiche Strahlen verstanden mit einer Härte von mindestens 100 Elektronen-Volt und Neutronen jeder Energie. §2 (1) Ein Strahlenunfall liegt vor, wenn der Versicherte durch eine Strahleneinwirkung von außen auf seinen Körper oder durch Inkorporation strahlender Stoffe unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. (2) Bei einer Strahleneinwirkung von außen muß eine Dosis von mindestens 25 rem innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von 4 Wochen eingestrahlt sein. (3) Die Inkorporation strahlender Stoffe muß durch einen bestimmten unvorhergesehenen Vorgang, den der Versicherungsnehmer nachzuweisen hat, erfolgt sein. (4) Nicht unter den Versicherungsschutz fallen: a) Berufs- und Gewerbekrankheiten, b) Gesundheitsschädigungen, die nicht durch die Strahleneinwirkung, sondern durch andere Einwirkungen inkorporierter strahlender Stoffe entstehen. §3 (1) Die ersten Anzeichen der Gesundheitsschädigung müssen innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltag festgestellt worden sein. Wagner

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Anm. G 241

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

(2) Als Unfalltag im Sinne dieser Bedingungen gilt der Zeitpunkt des Ereignisses, das nach § 5 anzuzeigen ist; erstreckt sich dieses Ereignis über mehrere Tage, so gilt der letzte Tag. §4 Der Nachweis zu §§ 1 und 2 wird, wenn er sich nicht aus dem Ermittlungsergebnis der Aufsichtsbehörde ergibt, durch ein Meßinstrument und Eintragung in das Arbeitsbuch oder durch ein Sachverständigengutachten geführt, der Nachweis zu § 3 (1) durch das Attest eines Arztes, der von der nach Landesrecht zuständigen Behörde zu dessen Abgabe ermächtigt ist.

§5 Jedes Ereignis, auf das sich der Versicherungsschutz erstreckt und das eine Gesundheitsschädigung zur Folge haben kann, ist dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. §6 Anstelle des § 8,1—V A U B treten folgende Bestimmungen: I. Todesfallentschädigung Führt ein Strahlenunfall innerhalb von drei Jahren, vom Unfalltag an gerechnet zum Tod, so wird Entschädigung nach der versicherten Todesfallsumme geleistet. II. Übergangsrente (1) Besteht eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, nachdem die ärztliche Behandlung abgeschlossen oder nachdem mindestens ein Jahr, vom Unfalltag an gerechnet, vergangen ist, so wird für die Dauer der Beeinträchtigung, längstens bis zum Ablauf des dritten Jahres, vom Unfalltag an gerechnet, eine Ubergangsrente gewährt. Die Übergangsrente beträgt im Monat 1% der versicherten Invaliditätssumme. Sie wird nach dem Grad der Beeinträchtigung abgestuft und monatlich im voraus gezahlt. Für die Festsetzung des Grades gelten die Bestimmungen im Absatz III sowie § 10 AUB. (2) Dem Versicherungsnehmer obliegt es, einen Anspruch auf Übergangsrente unverzüglich geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Attestes zu begründen. (3) Beide Parteien können während der Laufzeit der Übergangsrente im Abstand von mindestens drei Monaten verlangen, daß der Grad der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit überprüft wird. Nach Feststellung einer Änderung des Grades gilt dieser vom nächsten Fälligkeitstermin der Übergangsrente an. (4) Die im § 11 A U B festgesetzte Erklärungsfrist des Versicherers für Todesfallsumme, Tagegeld oder Heilkosten gilt auch für die Übergangsrente. III. Invaliditätsentschädigung (1) Besteht nach Ablauf von drei Jahren, vom Unfalltag an gerechnet, eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Folge eines Strahlenunfalles, so zahlt der Versicherer bei Ganzinvalidität die volle für den Invaliditätsfall versicherte Summe, bei Teilinvalidität den dem Grade der Invalidität entsprechenden Teil gemäß den Bestimmungen (2) bis (6). Ein Anspruch auf Invaliditätsentschädigung ist spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ablauf des auf den Unfall folgenden dritten Jahres anzumelden und unter Vorlage eines ärztlichen Attestes zu begründen. (2) Als feste Invaliditätsgrade unter Ausschluß des Nachweises eines höheren oder geringeren Grades werden angenommen:

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Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 241

a) bei Verlust eines Armes im Schultergelenk eines Armes bis oberhalb des Ellenbogengelenks eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenks einer Hand im Handgelenk eines Daumens eines Zeigefingers eines anderen Fingers

70% 65% 60% 55% 20% 10% 5%

b) bei Verlust eines Beines über Mitte des Oberschenkels 70% eines Beines bis zur Mitte des Oberschenkels 60% eines Beines bis unterhalb des Knies 50% eines Beines bis zur Mitte des Unterschenkels 45% „Bei Verlust beider Augen 100% eines Auges 30% sofern jedoch das andere Auge vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war 70% bei gänzlichem Verlust des Gehörs auf beiden Ohren 60% auf einem Ohr 15% sofern jedoch das Gehör auf dem anderen Ohr vor Eintritt des Versicherungsfalles bereits verloren war 45% bei gänzlichem Verlust des Geruchs 10% bei gänzlichem Verlust des Geschmacks 5% (3) Die vollständige Gebrauchsunfähigkeit eines Körperteils oder Sinnesorgans bemißt sich nach dem für den Verlust geltenden Satz. Bei teilweisem Verlust oder teilweiser Gebrauchsunfähigkeit wird der entsprechende Teil des Satzes nach Ziffer (2) angenommen. (4) Bei Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit von mehreren Körperteilen oder Sinnesorganen werden die sich nach Ziffern (2) und (3) ergebenden Prozentsätze zusammengerechnet, jedoch nie mehr als 100% angenommen. (5) Soweit sich der Invaliditätsgrad nach Vorstehendem nicht bestimmen läßt, wird bei der Bemessung in Betracht gezogen, inwieweit der Versicherte imstande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die seinen Kräften und Fähigkeiten entspricht und die ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann. (6) Hat der Versicherte am Unfalltag das 65. Lebensjahr vollendet, so wird die Invaliditätsentschädigung in Form einer Rente gewährt. Hierfür gelten die Bestimmungen des § 20 AUB in der durch nachstehenden § 9 geänderten Fassung. IV. Tagegeld (1) Im Falle der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit wird für die Dauer der ärztlichen Behandlung Tagegeld gezahlt. Das Tagegeld wird nach dem Grad der Beeinträchtigung abgestuft. Für die Bemessung des Grades der Beeinträchtigung ist die Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten maßgebend. (2) Ist die Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht beeinträchtigt worden, werden für die Dauer der fortlaufenden ärztlichen Behandlung die notwendigen Kosten für den Arzt und die ärztlich verordneten Arznei- und Verbandsmittel bis zur Hälfte des für diese Zeit versicherten Tagegeldes ersetzt, vorausgesetzt, daß die Behandlung mindestens alle 14 Tage stattgefunden hat. § 8 IV (3) a AUB, Sätze 1 und 2 finden entsprechende Anwendung. Wagner

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Anm. G 241

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

(3) Die in den Ziffern (1) und (2) aufgeführten Leistungen werden frühestens vom 43. Tag an bis längstens für ein Jahr, beide vom Unfalltag an gerechnet, gewährt. V. Krankenhaustagegeld (1) Krankenhaustagegeld wird für jeden Kalendertag gezahlt, an dem sich der Versicherte wegen eines Strahlenunfalles aus medizinischen Gründen in stationärer Krankenhausbehandlung befindet, höchstens jedoch für ein Jahr vom Unfalltage an gerechnet. Aufnahme- und Entlassungstag werden je als ein Kalendertag gerechnet. (2) Die Leistungen entfallen für einen Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten. VI. Genesungsgeld (1) Im Anschluß an den Krankenhausaufenthalt wird Genesungsgeld für die gleiche Anzahl von Kalendertagen, für die Krankenhaustagegeld gezahlt wird, höchstens jedoch für 100 Tage in folgender Höhe gewährt: 100 Prozent 50 Prozent 25 Prozent

für den 1. bis 10. Tag für den 11. bis 20. Tag für den 21. bis 100. Tag des versicherten Krankenhaustagegeldes.

(2) Mehrere stationäre Krankenhausaufenthalte wegen desselben Unfalles werden wie ein ununterbrochener Krankenhausaufenthalt gewertet. §7 § 12 II (1) a AUB wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Der Ärzteausschuß setzt sich zusammen aus zwei Ärzten, von denen jede Partei einen benennt, und einem Obmann. Dieser wird von den beiden von den Parteien benannten Ärzten gewählt und muß ein auf dem Gebiet der Strahlenschäden besonders erfahrener Arzt sein, der nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer der Parteien steht. Einigen sich die von den Parteien gewählten Ärzte nicht binnen einem Monat über den Obmann, so wird dieser auf Antrag einer Partei von dem Vorsitzenden der für den letzten inländischen Wohnsitz des Versicherten zuständigen Ärztekammer benannt. Hat der Versicherte keinen inländischen Wohnsitz, so ist die für den Sitz des Versicherers zuständige Ärztekammer maßgebend. Der Obmann hat das Recht, einen auf dem Gebiet der Strahlenschäden besonders erfahrenen nichtärztlichen Sachverständigen als Gutachter zuzuziehen. §8 (1) § 13 (1) AUB letzter Satz wird gestrichen. (2) § 13 (3) a AUB wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Der Versicherer und der Versicherungsnehmer sind nach Ablauf von drei Jahren, vom Unfalltag an gerechnet, berechtigt, den Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit während der folgenden zwei Jahre jährlich neu feststellen zu lassen. (3) § 13 (3) b AUB letzter Satz wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Stirbt der Versicherte nach Ablauf von drei Jahren, vom Unfalltag an gerechnet, aber vor endgültiger Feststellung der Entschädigung, so hat der Versicherer nach dem zuletzt festgestellten Grad der dauernden Arbeitsunfähigkeit Entschädigung zu leisten. 416

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IV. Ausschlüsse

Amn. G 243 §9

§ 20 (2) AUB wird durch folgende Bestimmung ersetzt: Die Invaliditätsrente beginnt nach drei Jahren, vom Unfalltag an gerechnet. Sie wird bis zum Ende des Vierteljahres, in dem der Versicherte stirbt, entrichtet und jeweils am Vierteljahres-Ersten im voraus gezahlt. [G 242] cc) Anhang: Röntgenldausel für Äizte (VA 1963 S. 79) Die Bestimmung des § 2 (3) c Abs. 2 AUB wird mit der Maßgabe geändert, daß Gesundheitsschädigungen durch Röntgenstrahlen und künstlich erzeugte ultraviolette Strahlen versichert sind, die sich als Unfälle im Sinne des § 2 (1) AUB darstellen. Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind demnach ζ. B. Röntgenschäden, die sich als Folge regelmäßigen Hantierens mit Röntgenapparaten darstellen und Berufskrankheiten sind. [G 243] 14. Ausscfaluß von Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüssen a) Geschichte Die Verbandsbedingungen von 1904 schlossen in § 1 Abs. 2 („nicht als Unfälle gelten") „Erkältungen, Erfrieren, Sonnenstich, überhaupt die Folgen von Temperatureinflüssen . . ." vom Vsschutz aus. In den Bedingungen von 1910 (VA 1910 S. 103) wurde diese Aufzählung im Rahmen der negativen Grenzfälle des § 3 Abs. 4 („Als Unfälle gelten nicht") unter c) wie folgt gefaßt: „Die Folgen von Temperatureinflüssen, insbesondere Erkältungen, Erfrieren, Sonnenstich, Hitzschlag". — Gegenüber den Bedingungen von 1904 hatte sich die Bedeutung dieser Klausel insofern geändert, als sie angesichts des in § 3 Abs. 2 formulierten Unfallbegriffes, der eine mechanische Einwirkung auf den Körper voraussetzte, zu einer Klarstellung geworden war, vgl. hierzu Henke Ausschlüsse S. 48 mit Nachweisen in Fußn. 213 und 214. Die Bedingungen von 1920 (VA 1920 S. 103) enthielten zwei Änderungen, die sich grundlegend auf die Auslegung dieses „negativen Grenzfalles" hätten auswirken können: im Rahmen des Unfallbegriffs wurde auf das Erfordernis der m e c h a n i s c h e n Einwirkung auf den Körper des Vten verzichtet, und dem hier genannten negativen Grenzfall (§ 2 II) „2. Als Unfälle gelten nicht: b) Gesundheitsschädigungen durch Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüsse . . . " wurde der Satz hinzugefügt „es sei denn, daß der Versicherte diesen Einflüssen infolge eines Versicherungsfalles ausgesetzt war." Die Änderung des Unfallbegriffs hätte Anlaß für die Folgerung sein können, daß dieser „Grenzfall" nunmehr als Klarstellung in dem Sinne ausgelegt wurde, daß Einflüsse der genannten Art nur dann nicht die Annahme eines deckungspflichtigen Unfalles begründeten, wenn sie nicht plötzlich, sondern, wie es ihrer typischen Wirkungsweise entspricht, allmählich auf den Körper des Vten einwirken. Eine solche Auslegung hätte angesichts der weiten Deutung des Begriffs der Plötzlichkeit (bejaht z.B. für Einwirkung von zweieinhalb Stunden, vgl. KG 20.XII. 1907 VA 1908 S. 54—55 Nr. 385) zu einer erheblichen Ausweitung des Vsschutzes geführt. Daß diese Auslegung nicht beabsichtigt war, ergibt sich aus den Erläuterungen des Reichs27

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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A u n . G 244

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

aufsichtsamtes zu dem neuen Bedingungstext (VA 1920 S. 93): Vor der Neufassung seien die Folgen von Temperatureinflüssen pp. „schlechthin" ausgeschlossen gewesen. Zufolge der Neufassung solle — im Anschluß an in den „in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz" — dieser Ausschluß (nur) dann nicht gelten, „wenn der Versicherte diesen Einflüssen infolge eines Versicherungsfalles ausgesetzt war." Das bedeutete, daß nach der Vorstellung der Bedingungsverfasser nur die an zweiter Stelle genannte Änderung („es sei denn, daß . . . " ) den Umfang des Vsschutzes zugunsten des Vmers verändern sollte. Diese der Neufassung der Bedingungen von 1920 zugrundeliegende Vorstellung wurde überwiegend respektiert (vgl. Henke Ausschlüsse S. 48 mit Nachweisen in Fußn. 215 und 216), so daß z. B. ein Herzschlag als sofortige Folge eines (sog. Trocken-)Sprunges ins kalte Wasser nicht als deckungspflichtiger Unfall angesehen wurde (Henke a.a.O. S. 48 und oben Anm. G 36 mit Nachweisen). Der Wortlaut dieser als Grenzfall eingeordneten Bestimmung blieb in der Folgezeit unverändert. Die Neufassung der im Jahre 1961 genehmigten AUB brachte lediglich eine Änderung der redaktionellen Anordnung. Ob sich aus der gleichzeitig (1961) vollzogenen Änderung der Überschrift des § 2 AUB ein Gesichtspunkt für die Auslegung dieses „Grenzfalles" ergibt, wie Eichelmann VersR 1972 S. 413 r. Sp. oben meint, ist zweifelhaft (vgl. hierzu nachstehend Anm. G 244). [G 244] b) Zweck und Struktur der Bestimmung Henke Ausschlüsse S. 48 bezeichnet diese Bestimmung als „Gefahrumstandsklarstellung" und meint damit, daß hier Gefahrumstände genannt seien, die zwar häufig zu Gesundheitsschädigungen führten, bei denen die Wirkung auf den Körper aber in aller Regel nicht plötzlich, also nicht unfallartig erfolge. Diese Kennzeichnung schließt an den Umstand an, daß die Temperatureinflüsse pp. traditionsgemäß unter den „Grenzfällen" aufgeführt werden und dementsprechend nach häufig vertretener Betrachtungsweise als an den Unfallbegriff anschließende Erläuterung klarstellende Wirkung haben sollen, vgl. Grewing VW 1950 S. 332—333 mit Nachweisen. Über den Zweck einer solchen negativen Klarstellung, d. h. über die Gründe, die „den" Verfasser der AVB seit 1920 zu dieser Form der Gefahrbeschreibung veranlaßt haben, sagt diese Einordnung nur dann etwas aus, wenn man es für möglich hielt, daß die Rechtsprechung das Merkmal der Plötzlichkeit u. U. auch für solche Einwirkungen von Temperatur, Witterung pp. bejahen könnte, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckte. Solche Befürchtungen der Ver wären nicht unbegründet gewesen, wenn man berücksichtigt, daß das Kammergericht im Jahre 1907 - KG 20. XII. 1907 VA 1908 S. 54—55 Nr. 385 — eine Einwirkung von zweieinhalb Stunden als plötzlich gewertet hat. — Bühring-Mertins S. 56, deren Kommentierung allerdings ein Unfallbegriff zugrundeliegt, der mechanische Einwirkung voraussetzt, halten diese Klarstellung für geboten, weil der Laie sich nicht leicht von der Vorstellung würde trennen können, daß in dem plötzlichen Auftreten der Wirkungen von Sonnenstich und Hitzschlag ein Unfallereignis zu erblicken sei. Der Bundesgerichtshof (BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341-342 = NJW 1962 S. 194) sieht die Bedeutung des „Ausschlusses" der Gesundheitsschädigungen durch Temperatur- und Witterungseinflüsse in der „ B e g r e n z u n g s o n s t u n ü b e r s e h b a r e r R i s i k e n . " Dieses Bestreben der Ver dürfte der sachliche Grund für diese Bestimmung gewesen sein. Seine Berechtigung ist offensichtlich so allgemein anerkannt worden, daß die ratio dieser Regelung - soweit ersichtlich — allenfalls in Form kurzer Erwähnungen genannt worden ist. Soweit die Bestimmung des § 2 (3) c III AUB einen Ausschluß zum Gegenstand hat, bezieht sich dieser auf eine b e s t i m m t e F o r m d e r W i r k u n g des Ereignisses im 418

Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 245

Sinne des § 2 (1) AUB auf d e n K ö r p e r des V t e n . Nach der oben durchgeführten Differenzierung des Unfallvorganges im Hinblick auf Kausalitätsstufen handelt es sich um einen A u s s c h l u ß auf d e r S t u f e d e r h a f t u n g s b e g r ü n d e n d e n K a u s a l i t ä t . Diese Feststellung ergibt sich aus einer Gesamtschau des § 2 (3) c III einerseits und IV S. 1 AUB andererseits. Die Formulierung Gesundheitsschädigungen durch Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüsse spricht schon - isoliert betrachtet - dafür, daß die hier genannten „Einflüsse" die Wirkungsweise auf den Körper des Vten im Sinne der Unfalldefinition betreffen. Denn dort wird für einen Unfall vorausgesetzt, daß der Vte durch ein Ereignis eine Gesundheitsschädigung erleidet. Der Textvergleich von § 2 (1) und (3) c III spricht hiernach dafür, daß die in § 2 (3) c III genannten Einflüsse als im Sinne des Unfallbegriffs in Betracht kommende Einwirkungen („wirkende Ereignisse") ausgeschlossen sein sollen. Dagegen spricht nicht, daß nach der Auffassung der Bedingungsverfasser der AUB die „Grenzfälle" nunmehr unabhängig vom Unfallbegriff ausgelegt werden sollen (Grewing, Entstehungsgeschichte S. 9). Denn einmal ist es auffällig, daß alle in § 2 (3) c AUB genannten „Grenzfälle" die Art der Einwirkung betreffen, so daß die Annahme naheliegt, daß diese Fälle — Ausschluß auf der Ebene der haftungsbegründenden Kausalität — hier zusammengefaßt werden sollten. Zum anderen ergibt sich aus dem nachfolgenden Absatz, daß die hier erörterten (Temperatur- pp.) Einflüsse jedenfalls dann Bestandteile eines deckungspflichtigen Unfalles sein sollen, wenn sie als Folge eines (anderen) Unfallereignisses für eine Gesundheitsschädigung des Vten ursächlich werden. Das kann nur bedeuten, daß diese Einflüsse im Rahmen der h a f t u n g s a u s f ü l l e n d e n K a u s a l i t ä t — indessen nur dort — für einen deckungspflichtigen Unfall bedeutsam bleiben. Dann aber ist der Gegenschluß unabweisbar, daß sie im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität unberücksichtigt bleiben sollen. Diese Auslegung entspricht der herrschenden Meinung, wonach n u r u n m i t t e l b a r e F o l g e n von Licht-, Temperatur- und Witterungseinflüssen von diesem Ausschlußtatbestand betroffen werden.

[G 245] c) Merkmale des Ausschlußtatbestandes Wie sich aus Vorstehendem ergibt, werden durch § 2 (3) c Abs. 3 AUB alle Gesundheitsschädigungen vom Vsschutz ausgenommen, die unmittelbar aus der Einwirkung von L i c h t (Hitzschlag, Sonnenbrand, Erblindung infolge zu starker Lichteinwirkung [Schneeblindheit], Sonnenstich), T e m p e r a t u r (Hitzschlag, Herz- und Kreislaufversagen infolge großer Hitze, Verbrennungen und sonstige Schäden durch Überhitzung, ζ. B. in einer Sauna oder in zu heißem Badewasser, Herzschlag infolge plötzlicher Einwirkung kalten Wassers bei sog. Trockensprung [vgl. Anm. G 36 zum Ertrinken], schnelles Erfrieren nach versehentlichem Betreten einer Gefrieranlage in einem Industriebetrieb) und W i t t e r u n g (Herz- und Kreislaufversagen bei Wetterwechsel) folgen. Aus vorgenannten Beispielen (vgl. hierzu auch Henke Ausschlüsse S. 50—54) ergibt sich zugleich, daß sich die Ausschlußvoraussetzungen teilweise überschneiden: So wird ein Einfluß durch Witterung oftmals zugleich als Temperatureinfluß Bedeutung gewinnen, ζ. B. wenn kaltes Wasser unmittelbar oder durch Verdunstungskälte mittelbar schädigend auf den Vten einwirkt. Ebenso wird man einen Sonnenbrand der Haut oder einen Sonnenstich (schädigende Wirkung durch Blutüberfülle im Hirn) sprachlich in gleicher Weise auf die Einwirkung des Sonnenlichts oder auf die dadurch vermittelte Hitzewirkung (Temperatureinfluß) zurückführen können. Für den Einfluß von Temperatur schließlich ist es ohne Bedeutung, durch welches Mittel die Temperatur auf den Körper des Vten einwirkt, etwa durch heiße oder kalte Luft, durch Berührung (Bad oder Waschen) von erhitztem Wasser 27·

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Anni. G 245

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

oder durch Kontakt mit heißem Metall (Verbrennung infolge Berührung einer heißen Rohrleitung oder eines Heizkessels). Die Einwirkung von Licht, Temperatur und Witterung auf den Körper des Vten führt auch dann nicht zu einem deckungspflichtigen Unfall, wenn sie plötzlich geschieht. Das entspricht der Auslegung der Bestimmung als Ausschluß auf der Ebene der haftungsbegründenden Kausalität, vgl. Möller VersPrax 1936 S. 60 r. Sp. oben, Henke Ausschlüsse S. 48, Wüstney § 3 Anm. 15, Eichelmann VersR 1972 S. 415, Prölss-Martin 21 § 2 AUB Anm. 5, aus der Rechtsprechung vgl. LG Duisburg 25. II. 1937 JRPV 1937 S. 239 mit einleuchtender Wortinterpretation, RG 10. X. 1940 JRPV 1940 S. 1 8 7 - 1 8 9 für einen Fall, in dem bedingungsgemäß nur Hitzschlag und Sonnenstich als negative Grenzfälle genannt waren, ebenso, wenn auch als obiter dictum, BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 3 4 1 - 3 4 2 = NJW 1962 S. 914: „Gesundheitsschädigungen durch solche Einflüsse sind nur dann Unfälle, wenn der Versicherte ihnen infolge eines Versicherungsfalles ausgesetzt war . . . " . Unklar und ohne eigene Stellungnahme dagegen insoweit OLG Köln 6. II. 1973 VersR 1973 S. 960 r. Sp. Gegen die h. M. Wussow AUB 4 § 2 Anm. 24: Die Ausschlußbestimmung gelte nur, soweit die Einwirkung . . . eine allmähliche gewesen sei. Wussow beruft sich auf KG 1. II. 1936 JRPV 1936 S. 219-220. Dort (a.a.O. S. 220) wird indessen nur ausgeführt, daß ein nicht sofort tödlicher Herzschlag, der auf die Einwirkung kalten Wassers zurückzuführen sei, die Annahme eines Unfalls im Sinne des § 2 AUB nicht rechtfertigen würde. Aus der oben begründeten Auslegung des § 2 (3) c III als Ausschluß auf der Ebene der haftungsbegründenden Kausalität folgt auch, daß sog. „mittelbare Schäden" nicht vom Ausschlußtatbestand erfaßt werden. Unter dem ungenauen Ausdruck „mittelbare Schäden" werden solche Unfälle verstanden, die der Vte erleidet, weil seine Fähigkeit, eine Unfallgefahr zu erkennen und/oder ihr zu begegnen, infolge eines Einflusses der in § 2 (3) c III AUB genannten Art dauernd oder vorübergehend beeinträchtigt ist. Hierfür wird das Beispiel gebildet (Wüstney § 2 Anm. 15 Satz 1, Henke Ausschlüsse S. 49), daß ein Kraftfahrer infolge sommerlicher Hitze in seinem Seh- oder Reaktionsvermögen beeinträchtigt wird und daraufhin einen Unfall erleidet, weitere Beispiele bei Wussow a.a.O. § 2 Anm. 24 S. 85. Die h.M. beruft sich für diese einschränkende Auslegung des Ausschlußtatbestandes auf RG 19. V. 1908 RGZ Bd 69 S. 17-20. Dort (a.a.O. S. 20 unten) heißt es, daß als Folgen von Temperatureinflüssen immer nur die durch die Temperatur unmittelbar hervorgebrachten schädlichen Wirkungen in Betracht kämen. Nicht hierzu zählt das RG den Sturz eines Vten in einem Eisenbahnabteil infolge dort herrschender überhöhter Temperatur. Diese Entscheidung, die für diese Auslegung keine Begründung enthält, wird zustimmend zitiert von Wussow a.a.O. Anm. 24 S. 85, PrölssMartin 21 § 2 AUB Anm. 5, Bühring-Mertins S. 56 (für teilweise andere Fassung der Bedingungen) und Henke a.a.O. S. 49, der den hiergegen von Wüstney § 2 Anm. 15 S. 18 geäußerten Bedenken, nach den maßgeblichen Regeln über die adäquate Kausalität beziehe sich der Ausschluß nicht nur auf die unmittelbaren Folgen, das für die Auslegung einer solchen Klausel maßgebliche Verständnis des durchschnittlichen Vmers entgegenhält, dem diese enge Auslegung entspreche. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der h.M. zuzustimmen: Der Ausschluß bezieht sich nur auf die haftungsbegründende Kausalität im Rahmen desjenigen Geschehens, das nach der Struktur des Unfallbegriffs dem Unfallereignis entspricht. „Mittelbare Schäden" der genannten Art erfüllen dagegen vollständig die Voraussetzungen eines (weiteren) Unfalls, der durch den vorangegangenen Temperatur-pp. Einfluß nur dann nicht deckungspflichtig wäre, wenn § 2 (3) c III AUB zugleich eine Gefahrumstandsausschlußklausel zum Inhalt hätte. Ein solcher Inhalt der Bestimmung 420

Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 246

wäre nach ihrem „Standort" und Wortlaut indes nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen. [G 246] d) Ergänzende Klarstellung gemäß § 2 (3) c IV S. 1 AUB Seit der Fassung der AVB im Jahre 1920 haben Einwirkungen durch Temperatur pp. auf den Körper des Vten keine den Vsschutz auschließende Wirkung, wenn der Vte „dieser Einwirkung infolge eines Vsfalles" ausgesetzt ist. Diese Fassung der Einschränkung des Ausschlußtatbestandes ist seit 1961 dahingehend geändert, daß es statt „Versicherungsfall" nunmehr „Unfallereignis" heißt. Diese Änderung beruht offensichtlich — was aus dem Bericht von Grewing über die Entstehungsgeschichte der AUB von 1961 S. 12—13 nicht hervorgeht — auf den überzeugenden Ausführungen von Henke Ausschlüsse S. 4 9 - 5 4 : Wenn der Vsfall mit dem Begriff des Unfalles gleichzusetzen ist, so umfaßt er nach dessen Definition eine Gesundheitsschädigung, setzt also deren Eintritt bereits voraus. Diese Auslegung hätte zur Folge, daß nur solche Vorgänge deckungspflichtig sind, bei denen vor Beginn des in § 2 (3) c III AUB genannten Einflusses bereits eine Gesundheitsschädigung stattgefunden hat. Danach wäre ein Sturz ins Wasser infolge Fehltritts am Ufer, der als Unfallereignis im Sinne des § 2 (1) AUB anzusehen ist (Anm. G 36), der Beginn eines deckungspflichtigen Unfalls nur unter der Voraussetzung, daß der Sturz selbst bereits eine Gesundheitsschädigung bewirkt hat (ζ. B. Verletzung beim Aufschlagen auf die Wasserfläche) und der Vte alsbald infolge der Kälte des Wassers bewegungsunfähig wird und ertrinkt. Dagegen würde kein Vsschutz bestehen, wenn der Sturz ins Wasser, der — für sich gesehen — nur ein vorerst unerhebliches Unfallereignis darstellt, noch keine Gesundheitsschädigung bewirkt hat (vgl. Henke a.a.O, S. 51 m.N.). Diese Differenzierung wäre sachwidrig und könnte vom Vmer nicht als gerechtfertigt anerkannt werden. Die Einschränkung des hier erörterten Ausschlußtatbestandes durch die Bestimmung des § 2 (3) c IV S. 1 AUB, die seit 1920 Bestandteil der AVB ist, gibt der Rechtsprechung Gelegenheit, den Vsschutz auf eine typische Fallgruppe auszudehnen, bei der zwar die Gesundheitsschädigung oder der Tod durch Temperatur- und Witterungseinflüsse bewirkt werden, es jedoch an einem Unfallereignis im Sinne einer am Wortlaut des § 2 ( 1 ) AUB orientierten Auslegung fehlt. Es handelt sich dabei um Fallgestaltungen, bei denen der Vte durch ein äußeres, von ihm nicht beherrschtes zumeist auch plötzlich wirkendes — Ereignis in eine Situation gerät, die ihn der Bewegungsfreiheit beraubt und dadurch zum Opfer von Temperatur- und Witterungseinflüssen macht, denen er nicht mehr ausweichen kann. Als Beispiele sind die auch in der Rechtsprechung (Nachweise Anm. G 55) bedeutsam gewordenen Fälle zu nennen, daß Bergsteiger durch Verhängen des Seils oder Bootsfahrer durch Verlust der Beherrschbarkeit des Bootes (Manövrierunfähigkeit) gegenüber den Temperatur- und Witterungseinflüssen schutzlos werden. Solche Geschehnisse werden seit jeher Unfallereignissen gleichgestellt (vgl. die Darstellung in Anm. G 55 und insbesondere BGH 15. II. 1962 VersR 1962 S. 341—342). Das entspricht dem Zweck der Unfallv im Hinblick auf die (schutzwürdige) Erwartung des Vmers, der einen solchen Vorgang als „Unfall" im Sinne des Lebenssprachgebrauchs wertet. Die Unfallver sind bereit, solche Vorgänge als deckungspflichtige Unfälle anzuerkennen (vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 9—10). Indessen ergeben sich hier Abgrenzungsprobleme, auf die Henke Ausschlüsse S. 52 hingewiesen hat: „Der Verlust der Bewegungsfreiheit müsse durch ein direkt auf den Körper einwirkendes Ereignis herbeigeführt" worden sein. Daran fehle es ζ. B., wenn der Vte erfriere, weil er eingeschlossen worden sei oder sich durch ein Schnappschloß selbst eingeschlossen habe, oder wenn er als Kletterer sich verlaufe, versteige oder Wagner

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Anm. G 249

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

infolge Ermattung erfriere. - Die Abgrenzung wird sich in Fällen dieser Art nur aus dem Lebenssprachgebrauch gewinnen lassen. Danach dürfte die Annahme eines Unfallereignisses oder Gleichstellung mit einem Unfallereignis voraussetzen, daß dem Vten kein für Rettung aus eigener Kraft bedeutsamer Bewegungsspielraum verbleibt. Danach wäre es ζ. B. auch als Unfallereignis zu werten, wenn ein kleines Kind in den Kühlschrank kriecht und dort erfriert, weil die Tür zugefallen und von innen nicht zu öffnen ist. [G 247] e) Beweislast Die Beweislast für die Voraussetzungen eines nach § 2 (3) c IV S. 1 in Verbindung mit III AUB deckungspflichtigen Unfalls trägt der Vmer (Anspruchsteller) nach allgemeinen Grundsätzen, vgl. OLG Celle 27.11.1956 VersR 1956 S. 414-415. [G 248] 15. Ausschluß von Ursachen für Bauch- und Unterleibsbrüche a) Geschichte Durch § 1 Abs. 6 der Verbands-Bedingungen von 1904 wurden „ausgeschlossen von der Versicherung ferner" Bauch- und Unterleibsbrüche aller Art, gleichviel, durch welche Veranlassung sie entstanden sind, sowie die Folgen derselben". Als sachliche Rechtfertigung dieses Ausschlußtatbestandes zieht RG 8. X. 1907 LZ 1908 Sp. 79 die Schwierigkeiten in Erwägung, die im Hinblick auf die Möglichkeit bestehen, die eigentliche Ursache solcher Verletzungen festzustellen. Die AVB von 1910 führen Bauch- und Unterleibsbrüche aller Art und deren Folgen — auch wenn sie durch einen Unfall herbeigeführt sind — als Ausschluß in § 4 II 1. auf. In den AVB von 1920 sind die Ausschlüsse in § 3 aufgezählt. Nach § 3 Ziff. 5 sind ausgeschlossen Unfälle, soweit durch sie Bauch- oder Unterleibsbrüche irgendwelcher Art herbeigeführt oder verschlimmert worden sind. Diese Fassung behielt diese Bestimmung bis zum Jahre 1961. Die AUB von 1961 nehmen diese Vorschrift aus dem Bereich der eigentlichen Ausschlußtatbestände (§ 3) heraus und stellen sie in § 10 (3) unter der Überschrift „Einschränkung der Leistungspflicht" dar. Grewing Entstehungsgeschichte S. 46 bemerkt hierzu, dieser Ausschluß sei weggefallen, Unfälle dieser Art seien als solche nicht mehr ausgeschlossen, als Unfallfolgen würden Bauch- und Unterleibsbrüche unter den in § 10 (3) AUB genannten Voraussetzungen entschädigt. [G 249] b) Bedeutung des § 10 (3) AUB Die bis 1961 geltende Ausschlußklausel bezog sich auf die dort genannten Folgen eines Unfallereignisses: Waren (u. a.) Bauch- oder Unterleibsbrüche Folgen eines Unfallereignisses, so löste diese (Art von) Gesundheitsschädigung keine Deckungspflicht des Vers aus. Dagegen wurde für andersartige Folgen (Gesundheitsschädigungen) desselben Unfallereignisses Vsschutz gewährt, zutreffend insoweit Henke Ausschlüsse S. 75, der dieses Ergebnis aber nur mit Hilfe der Unklarheitenregel gewinnt. Dagegen ist die Konstruktion dieser Klausel als einer auflösenden Bedingung — die Entschädigungspflicht ist auflösend dadurch bedingt, daß durch den Unfall keine Brüche herbeigeführt werden vgl. Henke a.a.O. - unnötig kompliziert. Es genügt festzustellen, daß hier (nur) bestimmte Folgen eines im übrigen deckungspflichtigen Unfallereignisses ausgeschlossen sind. § 10 (3) AUB in der seit 1961 geltenden Fassung ist ein Ausschlußtatbestand besonderer Art. Er bezieht sich sowohl auf das Unfallereignis als auch auf dessen Folgen. Ein zur Entschädigung führendes Unfallereignis setzt voraus, daß die Einwirkung von außen und gewaltsam geschehen ist. Diese Voraussetzung bedeutet eine Modifizierung des in § 2 (1) AUB enthaltenen Begriffs des Unfallereignisses, das 422

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 251

insbesondere eine gewaltsame Einwirkung nicht erfordert. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so kann es sich zwar gleichwohl um ein relevantes Unfallereignis handeln, die etwa als Folge eines solchen „normalen" Unfallereignisses behaupteten Gesundheitsschädigungen „Bauch- und Unterleibsbrüche" sind dann aber nicht geeignet, eine Entschädigungspflicht zu begründen. [G 250] c) Tatbestand Der medizinische Begriff des Bruches ist doppeldeutig: Er bezeichnet einmal die Verletzung der Integrität eines bestimmten Knochens (Armbruch), die nicht voraussetzt, daß der betroffene Knochen an der Bruchstelle geteilt wird - auch der „angebrochene" Arm wird als gebrochen bezeichnet. Zum anderen bezeichnet der Begriff des Bruches das Ein- und Durchdringen innerer Organe durch eine hautähnliche Trennwand im Inneren des Körpers, so ζ. B. den Zwerchfellbruch, Leistenbruch und Wasserbruch. Der besondere Ausschlußtatbestand des § 10 (3) A U B betrifft nur die zweitgenannte Art von Brüchen. Das ergibt sich aus dem Lebenssprachgebrauch, der für einen Bruch im Bereich von Bauch und Unterleib nicht auf der Vorstellung von einem Knochenbruch beruht und aus dem Zweck des Ausschlußtatbestandes: Er beruht auf der Erfahrung, daß die in § 10 (3) A U B genannten Gesundheitsschädigungen oftmals mißbräuchlich als Folge eines Unfallereignisses behauptet werden und daß vielfach nicht festgestellt werden kann, ob diese Behauptung zutreffend ist oder nicht, vgl. Wüstney § 3 Anm. 7, S. 22 und Henke Ausschlüsse S. 75. Solche aus der Art der Verletzung folgenden Beweisschwierigkeiten bestehen für Knochenbrüche — auch im Bereich des Unterleibs — nicht, so daß ζ. B. ein Beckenbruch nicht unter den Ausschlußtatbestand fällt; undeutlich insoweit Wussow AUB 4 § 10 Anm. 3, S. 183. Aus dem genannten Zweck des Ausschlußtatbestandes ergibt sich auch, in welcher Weise das Erfordernis der gewaltsamen Einwirkung zu verstehen ist: Da der Bauchoder Unterleibsbruch offenkundige Folge der gewaltsamen Einwirkung sein, d. h. sich die Einwirkung als Ursache dieses Bruches manifestieren muß, kommt nur eine solche Einwirkung in Betracht, die nach ärztlichem Urteil einen solchen Bruch als ihre Folge als überwiegend wahrscheinlich erscheinen läßt. Das bedeutet nicht, daß der Bruch auch zeitlich sogleich als Folge der Einwirkung, etwa eines Stoßes, Trittes oder Stiches, in Erscheinung treten muß, vielmehr genügt es nach dem Sinn des Tatbestandes, daß die Einwirkung zu einer Verletzung führt, die ihrer Art nach mit Wahrscheinlichkeit den Bruch zur Folge hat, zutreffend insoweit Wussow A U B 4 § 10 Anm. 3, S. 184. Die Rechtsprechung hatte, soweit ersichtlich, nur selten Gelegenheit, sich mit diesem Ausschlußtatbestand zu befassen. R G 13. XII. 1912 VA 1913 Anh. S. 22 Nr. 721 hält einen Nabelbruch für bedingungsgemäß (d.h. als „Unterleibsbruch") ausgeschlossen, O L G Düsseldorf 9. XII. 1936 JRPV 1937 S. 251 entscheidet, daß ein Zwerchfellbruch ein Unterleibsbruch im Sinne des Ausschlußtatbestandes sei. [G 251] 16. Ausschluß von Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung a) Geschichte Die Herausnahme von „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung" aus dem Deckungsschutz der Unfallv ist ein ursprüngliches Anliegen der Unfallver. Die Unfallv ist darauf angelegt, nur ein objektives Risiko zu decken, d. h. die Unfallgefahr, die von der besonderen Veranlagung des Vten unabhängig ist und dem normalen, gesunden Vten in gleicher Weise zustoßen kann wie dem kranken, empfindsamen. GerhardHagen S. 737 haben mit dieser Feststellung im Jahre 1908 die Mahnung verbunden, diese Grenze der Gefahrtragung klar zum Ausdruck zu bringen: „Solange sich die Wagner

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Anm. G 252

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Unfallversicherer nicht dazu entschließen, klipp und klar auszusprechen, daß nur die körperliche Beschädigung berücksichtigt werde, die auch dem normalen, gesunden Menschen infolge des Unfalles zugestoßen sein würde (und das würde wohl das Ende jeder erfolgreichen Propaganda bedeuten), solange werden sich weder Gerichte noch die Versicherungsnehmer davon überzeugen lassen, daß eine Entschädigung in den hier fraglichen Grenzfällen nicht beansprucht werden dürfe." Die Unfallv hatte schon vor den Verbandsbedingungen von 1904 den Deckungsschutz auf „körperliche Beschädigungen" beschränkt (vgl. ζ. B. die im Urteil des RG 24.11.1905 VA 1905 Anh. S. 64 Nr. 132 = JW 1905 S. 235-236 zitierten Bedingungen) und diese Formulierung auch in den leitsatzähnlichen Eingangssatz des § 1 Abs. 1 der Verbands-Bedingungen übernommen. Abs. 2 der Bestimmung wird eingeleitet mit den Worten: „Nicht als Unfälle gelten . . . Krankheiten infolge psychischer Einwirkungen . . . " , während erst der 5. Abs. mit der entschiedeneren Formulierung beginnt: „ A u s g e s c h l o s s e n von der Versicherung sind . . . " (Text bei Gerhard-Hagen S. 731—732). Die Verfasser Allgemeiner Unfallvsbedingungen haben sich bis heute (letzte Fassung von 1961) nicht entschließen können, die sog. „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung" in die Aufzählung der als solche gekennzeichneten Ausschlußtatbestände aufzunehmen, sondern sie mit der bis 1961 gebräuchlichen Formulierung eingeleitet, „als Unfälle gelten nicht" (§ 3 Abs. IV Ziff. b der Bedingungen von 1910 (VA 1910 S. 183) und sie seit 1920 in § 2 II 2 a (VA 1920 s. 103) unter die — vgl. die Überschrift des § 2 der AVB — sog. „negativen Grenzfälle" eingeordnet. Schon Gerhard-Hagen S. 737 hatten im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu den Verbands-Bedingungen von 1904 von den „hier fraglichen Grenzfällen" gesprochen. Diesen Standort innerhalb der Gefahrbeschreibung hat die Klausel auch in den AUB von 1961 beibehalten. Dort heißt es unter § 2 (3) als Überschrift für die unter a—c genannten negativen Grenzfälle: „Dagegen fallen nicht unter den Versicherungsschutz". Die Bedingungsverfasser von 1961 wollten überdies klarstellen, daß Krankheiten infolge psychischer Einwirkung auch dann nicht unter den Vsschutz fallen, wenn sie Folgen eines Unfallereignisses sind. Sie haben deshalb die „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen" isoliert unter dem Buchst, b genannt und den Satz „Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn es sich um die Folgen eines unter die Versicherung fallenden Unfallereignisses handelt" als 4. Abs. der Ziff. c — unter Verzicht auf drucktechnische Ausrückung, die auf eine Geltung dieser Einschränkung für alle negativen Grenzfälle hingedeutet hätte, im Ansschluß an die unter c) genannten negativen Grenzfälle angeordnet, vgl. hierzu den Bericht von Grewing, Zur Entstehungsgeschichte der AUB von 1961 S. 12-13 und VersR 1973 S. 8 - 1 0 ; Wussow AUB 4 § 2 Anm. 19, S. 78; Fußhoeller VersR 1972 S. 1167-1168; Wagner ZVersWiss 1975 S. 636; OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 842-843; zweifelnd Prölss-Martin 20 § 2 AUB Anm. 3: Druckanordnung ersetze redaktionelle Genauigkeit nicht, ablehnend BGH 19. IV. 1972 S. 583 r.Sp. [G 252] b) Die Behandlung der „psychischen Einwirkung" und ähnlicher Formulierungen durch die Rechtsprechung aa) Allgemeiner Überblick In der Reihe der seit 1904 veröffentlichten Entscheidungen gibt es nur zwei Urteile, die unter Hinweis auf den Bedingungstext Deckungsschutz für Erkrankung infolge psychischer Einwirkung verneinen: LG Hamburg 24.1. 1938 HansRGZ A 1938 Sp. 391-393 lehnt Deckungsschutz für den Tod des Vten ab, der beim Fahren seines Pkw mit einer Straßenbahn zusammengestoßen war. ohne äußere (erkennbare) Verletzungen davonzutragen. Das Gericht geht davon aus, 424

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 253

daß der durch den Unfall bewirkte Schreck eine Erhöhung des Blutdrucks zur Folge gehabt habe, die einen tödlichen Blutsturz ausgelöst habe. Das sei eine typischerweise psychische Einwirkung, die von den AVB vom Deckungsschutz ausgenommen sei. Die andere Entscheidung erging durch das OLG Hamm 13. X. 1967 VersR 1968 S. 8 4 2 843: Der Vte erschrak über eine mutmaßlich bedrohliche Situation bei einer Bootsfahrt auf einem Binnensee. Er erlitt einen Herzinfarkt, an dem er bald darauf starb. Das Gericht bejaht zwar Unfallereignis und Plötzlichkeit — Abtreiben des Bootes und zugleich hineinschlagende Wellen —, schließt indessen aus der Neufassung der AUB von 1961, daß Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen auch dann vom Vsschutz ausgenommen seien (§ 2 (3) b AUB), wenn sie Folge eines Unfallereignisses seien, die Bestimmung des § 2 (3) c IV AUB sei hier nicht anwendbar. Die übrigen hierzu veröffentlichten Entscheidungen bejahen in vergleichbaren Fällen Deckungsschutz. Dabei ist nicht in allen Fällen der Wortlaut der für den Vertrag geltenden AVB zitiert oder sonst erkennbar. Indessen wird deutlich, daß in manchen Fällen eine psychisch bedingte Gesundheitsschädigung als körperliche Beschädigung gedeutet, in anderen ein Unfallereignis konstruiert wird, das der im übrigen verwendeten Begriffsbildung widerspricht oder daß auf eine den Erfordernissen eines Unfallereignisses genügende Subsumtion offen oder verdeckt verzichtet wird. Damit hat sich die mehrfach ausgesprochene Warnung vor einer unscharfen Abgrenzung von Grenzfällen und Ausschlüssen (vgl. Gerhard-Hagen S. 737 und Grewing VW 1950 S. 332) als berechtigt erwiesen. Sie ist noch heute in gleicher Weise aktuell (vgl. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 [583 r. Sp. unten]). [G 253] bb) Uberblick über die Entscheidungen, die trotz psychisch vermittelter Gesundheitsschädigung Deckungsschutz gewähren Der folgende Überblick über die Rechtsprechung beschränkt sich auf diejenigen Entscheidungen, die nach 1904 ergangen sind und in denen Deckungsschutz gewährt worden ist, obwohl nach dem Text der jeweils maßgeblichen Bedingungen die Leistungspflicht des Vers zweifelhaft war. Dabei ist der einleitende Hinweis erforderlich, daß Unfälle im Sinne von § 1 Satz 1 der Verbandsbedingungen von 1904 k ö r p e r l i c h e Beschädigungen voraussetzten und daß es bei Gerhard-Hagen S. 734 unten hierzu heißt, der Begriff der körperlichen Beschädigung sei nicht ängstlich zu fassen. Darunter falle auch jede durch Schreck hervorgerufene Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, namentlich eine Nervenstörung ζ. B. zufolge Explosion u. dgl., RG 29. IX. 1904 JW 1904 S. 562; eine Lähmung infolge eines durch Blitzschlag verursachten Schreckens, RG 24. II. 1905 JW 1905 S. 235. Bei Unfällen durch Blitz oder elektrischen Schlag würden derartige psychische Einwirkungen eine große Rolle spielen; daß hier sowohl Unfall als auch körperliche Beschädigung vorlägen, sei unbedenklich; der als äußere Gewalt sich darstellende Blitzschlag übe auf das Innenleben des Geschädigten eine Wirkung aus, vermöge derer mit Ausschluß jeder Möglichkeit eines durch den Willen zu leistenden Widerstandes die körperlichen Organe verletzt würden. — Diese einleitenden Bemerkungen von Gerhard-Hagen sind für die nachfolgende Rechtsprechung nicht ohne Einfluß geblieben. Zum allgemeinen Haftungsrecht ergangen, aber richtungsweisend, weil von Gerhard-Hagen S. 734 zitiert, ist an erster Stelle zu nennen RG 29. IX. 1904 JW 1904 S. 562—563: Der Kläger war mit der Bahn gefahren und durch eine Explosion im Motorwagen so erschreckt worden, daß er eine Nervenerschütterung davongetragen hatte und dadurch an seiner Gesundheit geschädigt worden war. Das Gericht hält diesen Vorgang für eine Körperverletzung im Sinne des § 1 Reichshaftpflichtgesetz und begründet dies mit historischer Interpretation; RG 24. II. 1905 JW 1905 S. Wagner

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

235-236 = VA 1905 Anh. S. 64 Nr. 132 gewährt Deckungsschutz aus einer Unfallversicherung für den Tod eines Vten, der nicht vom Blitz unmittelbar getroffen, sondern durch das Niederfahren des Blitzes in seiner Nähe so heftig erschrocken gewesen war, „daß dadurch die Herztätigkeit und die Strömung des Bluts verlangsamt wurden, daß sich infolgedessen im Zusammenhang mit der fehlerhaften Beschaffenheit des Herzens ein Blutpfropfen gebildet habe, welcher von der nächsten stärkeren Blutwelle in eine Schlagader des Gehirns geschwemmt worden und diese verstopft habe, und daß in dieser Veranlassung die dahinterliegenden Gefäße nicht mehr mit Blut versorgt, und dadurch die Lähmungen entstanden seien. Hier liege es so, daß der als äußere Gewalt sich darstellende Blitzschlag auf das Innenleben des Klägers eine Wirkung geübt habe, vermöge deren mit Ausschluß jeder Möglichkeit eines durch den Willen zu leistenden Widerstandes die körperlichen Organe verletzt worden seien; ein ähnlicher Fall liegt RG 13. XI. 1908 VA 1909 S. 23-24 Nr. 436 zugrunde: Der herzleidende Vte war nach einem in seiner Nähe niedergegangen Blitz eine Fabriktreppe hinaufgelaufen und alsbald gestorben. Das Berufungsgericht hatte Deckungsschutz mit der Begründung verneint, daß der Tod Folge einer unabhängig vom Unfall entstandenen Krankheit des Vten gewesen sei. Das Reichsgericht verweist an das Berufungsgericht zurück zum Zwecke der Aufklärung, ob der Vte trotz seines Herzleidens noch jahrelang hätte leben können, wenn der Blitz nicht auf ihn eingewirkt hätte. Nach den Bedingungen galten als Unfälle nur solche körperlichen Beschädigungen, von denen der Vte durch plötzliche äußere Gewalteinwirkung unfreiwillig betroffen wird. Auch Unfälle, die durch Blitz oder elektrische Schläge hervorgerufen sind, fallen unter die Versicherung. - RG 16. X. 1910 VA 1911 S. 20-22 bestätigt den nach Zurückverweisung vom Berufungsgericht bejahten Deckungsschutz mit dem maßgeblichen Satz, für Veränderungen solcher Art, die im Gesundheitszustande des Vten im Laufe der Versicherungsperiode allmählich eintreten, dessen Widerstandsfähigkeit herabsetzten, ihn für Unfallfolgen empfänglicher machten, hätten die Ver die Gefahr zu tragen; RG 9. VI. 1914 VA 1914 S. 9 5 - 9 7 Nr. 842 bejaht Deckungsschutz für einen Vten, der infolge unerwarteter Knallgeräusche im Telefon nervös-hysterisch erkrankt war. Zwar liege ein elektrischer Schlag nicht vor, das Berufungsgericht habe den Vorgang indessen zu Recht als Unfall bewertet. Das RG prüft, ob hier eine nur psychische Einwirkung vorliege, verneint dies aber mit der Begründung, die Einwirkung des Geräusches auf die Sinnesorgane des Vten seien physikalischer Art. Der Kläger sei von Schallwellen betroffen worden, die mit physikalischer Einwirkung an ihn herangetreten seien. Hier unterbleibt die Prüfung, ob der Ausschluß psychischer Einwirkungen die haftungsbegründende oder die haftungsausfüllende Kausalität betreffe; zutreffend entscheidet dagegen OLG Naumburg 22. III. 1932 VA 1932 S. 253-254 Nr. 2446. Hier war die „Erkrankung" infolge psychischer Einwirkung bedingungsgemäß ausgeschlossen. Der Kläger stieß als Radfahrer mit einem anderen Radfahrer zusammen. Beide kamen zu Fall, erlitten aber keine äußeren Verletzungen. Der Kläger starb noch am gleichen Tage. Er war schon jahrelang zuckerkrank gewesen und hatte auch an Herzvergrößerung und hohem Blutdruck gelitten. Das Gericht führt aus: Wenn ein Unfall psychisch auf den Verletzten durch Schock einwirke, so handele es sich nicht um eine bloße „Erkrankung" infolge psychischer Einwirkung. Hierfür zitiert das Gericht Gerhard-Hagen S. 734 und RG 29. IX. 1904 JW 1904 S. 562. Die Bestimmung des § 2 II a AVB treffe den vorliegenden Fall nicht, sondern z. B. eine Erkrankung infolge Hypnose, durch Schreck über eine schlechte Nachricht und dergleichen. Die psychische Einwirkung solle für sich allein keine Unfallursache sein können, die Bestimmung besage jedoch nicht, daß sie auch als Unfallfolge unbeachtlich bleiben müsse. — Die Entscheidung ist deshalb besonders bedeutsam, weil sie den strukturellen Unterschied zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender 426

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Anm. G 253

IV. Ausschlüsse

Kausalität erkennt und im Rahmen letzterer die psychische Einwirkung (richtig: A u s wirkung) für unschädlich hält. OLG München 4.1.1934 VA 1934 S. 3 1 - 3 2 Nr. 2685 bejaht Deckungsschutz für einen Vten, der sich bei einem Eisenbahnzusammenstoß im Schlafwagen (Bett) eines der beteiligten Züge befunden hatte. Das Gericht geht davon aus, daß die starke mechanische Erschütterung durch den Zusammenstoß der Züge — der Schlafwagen, in dem sich der Vte befand, war nicht entgleist und auch nicht beschädigt worden — zu einer geistigen Erkrankung des Vten und schließlich dazu geführt habe, daß er sich zehn Tage später das Leben genommen habe. Damit seien alle Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt worden. „Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen" waren bedingungsgemäß ausgeschlossen. RG 5. VI. 1934 JRPV 1934 S. 197 bestätigt diese Entscheidung: Der Unfall sei die körperliche Erschütterung im Augenblick der Entgleisung des Zuges gewesen, die eine organische Schädigung des Gehirnzustandes des Vten herbeigeführt und alsbald an ihm die hervorgetretene Geistesverwirrung ausgelöst habe. — Auch hier wird erkannt, daß der Tod auf psychischer Vermittlung beruht, also in den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität fällt. KG 9. III. 1935 JRPV 1935 S. 2 1 8 - 2 1 9 entscheidet folgenden Sachverhalt: Der Vte war seit langem herzleidend. Er fuhr mit seinem Pkw auf eine Havel-Fähre. Dabei schlug eine hohe Stichflamme aus dem Fahrzeug. Hierdurch erlitt der Vte einen Anfall von Herzschwäche, der dazu führte, daß er über den Fährrand hinweg in die Havel fuhr. Ob er an Herzlähmung gestorben oder ertrunken ist, konnte nicht festgestellt werden. Das KG spricht den Erben etwa ein Drittel der Versicherungssumme zu. Es sieht den Schreck infolge der Stichflamme, der den Herzanfall ausgelöst habe, als Unfall an. Auf die Frage der psychischen Einwirkung kommt das Gericht nicht. Es erwähnt indes, daß es auf den Ausschlußgrund Bewußtseinsstörung nicht ankomme; O L G Düssetdorf 8. IV. 1935 VA 1935 S. 2 3 9 - 2 4 0 Nr. 2811 gewährt Deckungsschutz für den Tod einer Vten, die beim Putzen mit elektrischem Schwachstrom in Berührung gekommen war. Die AVB schlossen Erkrankung infolge psychischer Einwirkung aus, Blitzschlag und elektrischen Schlag jedoch ein. Das Gericht verneint Erkrankung (Tod) infolge psychischer Einwirkung, hierdurch werde der Vsschutz nur dann ausgeschlossen, wenn die psychische Einwirkung nicht durch einen Unfall (Berührung mit elektrischem Strom), sondern durch ein anderes Ereignis bedingt gewesen wäre. Die Erfahrung lehre, daß der elektrische Schlag häufig nur infolge seiner Schreckwirkung tödlich wirke. Wenn die Beklagte (Ver) solche Fälle vom Vsschutz hätte ausschließen wollen, so hätte sie dies besonders hervorheben müssen. - Auch hier wird zwischen haftungsbegründender Kausalität (elektrischer Schlag) und haftungsausfüllender Kausalität (Auswirkung des Schrecks) unterschieden, für letztere indessen der Ausschluß nicht für wirksam gehalten. Das Gericht erkennt die Schwäche seiner Argumentation und stützt seine Entscheidung letztlich auf die Unklarheitenregel. KG 4.1. 1936 JRPV 1936 S. 2 1 7 - 2 1 8 gewährt Deckungsschutz für den Tod eines Vten, der durch einen Dritten geschlagen und infolge der hierdurch verursachten Erregung etwa fünfzehn Minuten später gestorben war. Maßgeblich hierfür war eine schwere krankhafte Veränderung des Gefäßsystems. Das Gericht erwägt nicht, ob eine psychische Einwirkung vorliegt, der Bedingungstext wird insoweit nicht zitiert; KG 2. V. 1936 JRPV 1936 S. 3 1 7 - 3 1 8 bejaht Deckungsschutz für eine 71 Jahre alte Vte, die von der Leiter gefallen war. Sie hatte dadurch einen Nervenschock erlitten, an dem sie gestorben war. Das Gericht würdigt das Hinfallen als Unfallereignis, den Nervenschock als dessen Folge, der nicht als „psychische Einwirkung" anzusehen sei; KG 13. II. 1937 JRPV 1937 S. 169-170 bejaht Deckungsschutz für den Tod eines Vten, der beim Baden als unsicherer Schwimmer in tiefes Wasser geraten und infolge der Erregung, der sein Herz nicht gewachsen gewesen war, an Kreislaufstörung verstorben Wagner

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Anm. G 253

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

war. Hier liege eine den Deckungsschutz ausschließende psychische Einwirkung nicht vor, weil Erregung und Tod Folge eines Unfalls gewesen seien: Der Vte sei unversehens, also plötzlich, in tiefes Wasser geraten, und habe sich nicht mehr retten können. Er habe noch gelebt, als er auf seine Hilferufe hin aus dem Wasser gezogen worden sei. — Auch hier wird die psychische Einwirkung im Rahmen haftungsausfüllender Kausalität für unbeachtlich erklärt. OLG Hamburg 11. II. 1938 VA 1938 S. 232/233 bejaht Deckungsschutz für den Tod eines Vten, der infolge eines Schiffszusammenstoßes - er hatte sich auf einem der beiden Schiffe befunden — einen Schlaganfall erlitten hatte und gestorben war. Das Gericht bejaht das Vorliegen eines „körperlichen Unfalls", der nach dem Bedingungstext Voraussetzung war. Auf die Frage psychischer Einwirkung wird nicht eingegangen. OLG Düsseldorf 25. VI. 1963 VersR 1964 S. 130-131 billigt den Erben des Vten 25% der Vssumme zu. Der Vte hatte sich darüber erregt, daß Unbekannte die Luft aus dem Reifen seines vor einer Gaststätte abgestellten Pkw gelassen hatten. Ein Tankwart hatte den Wagen aufgebockt. Der Wagen war unerwartet nach vorn in Richtung auf den Vten abgesackt, der schwer herzkranke Vte starb bald darauf. Das Landgericht billigte eine nach § 10 (1) AUB geminderte Vssumme zu. Das OLG bestätigt diese Entscheidung: Nur eine solche psychische Einwirkung begründe keinen Unfall, die an erster Stelle der Ursachenreihe stehe. Hier sei durch ein Unfallereignis der Schreck des Vten ausgelöst worden und dieser Schrecken habe zu seinem Tode geführt. Das Absacken des Wagens habe von außen her plötzlich gewirkt, es habe auch auf den Körper des Vten eingewirkt, dafür sei es nicht wesentlich, ob der Körper des Vten wirklich getroffen worden sei, es genüge die Zielrichtung gegen dessen Körper. BGH 19. IV. 1972 VersR 1972 S. 582-584 befindet über folgenden Sachverhalt: Der Vte starb infolge eines Schocks, den er dadurch erlitten hatte, daß ein — mutmaßlich von einem Lkw hochgeschleuderter - Stein die Windschutzscheibe des von ihm gefahrenen Pkw zerspringen ließ, wobei einige Glassplitter auf seinen Schoß fielen. Er war schwer herzleidend, alle Instanzen gehen davon aus, daß sein Leiden für den Tod mitursächlich gewesen sei. Der BGH meint, daß Erkrankungen infolge psychischer Einwirkung (§ 2 (3)b AUB) ebenfalls dann deckungspflichtig seien, wenn sie entsprechend § 2 (3)c IV Folgen eines unter die V fallenden Unfallereignisses seien. Die Neufassung der AUB im Jahre 1961 hätten nicht hinreichend deutlich gemacht, daß sich § 2 (3)c IV AUB nur auf die unter 3 genannten Fälle beziehè. — Diese Begründung ist einer Reihe von Bedenken ausgesetzt, für die auf Grewing VersR 1973 S. 8 - 1 0 , Fußhoeller VersR 1972 S. 1167-1168, Wussow AUB 4. Aufl. § 2 Anm. 19 und WJ 1972 S. 9 1 - 9 2 , 1973 S. 1 1 - 1 2 und 16 und auf Prölss-Martin 20 § 2 Anm. 3 zu verweisen ist. Der BGH läßt ein Eingehen auf den Sinn des § 2 (3) b A U B und eine nachvollziehbare Subsumtion des Begriffs Unfallereignis vermissen. Auch ist der Satz, . . . „der Tod des Versicherten im vorliegenden Falle (ist) auf zwei zusammenwirkende Ursachen (Schock infolge Zerspringens der Windschutzscheibe und Herzleiden des Vten) zurückzuführen, ohne daß dadurch die Annahme eines Versicherungsfalls ausgeschlossen wird", nicht geeignet, für das Verhältnis von Unfallbegriff und Grenzfall die notwendige Klarheit zu schaffen. Wenn es dort weiter heißt: „In der Unfallversicherung kann ein derartiges Zusammenwirken von Unfallereignis und Krankheit des Versicherten für die Unfallfolgen gar nicht ausgeschlossen werden, weil die Unfallversicherung sonst für die meisten Versicherten keinen praktischen Wert mehr hätte", so hätte dieser Satz im Hinblick auf die Regelung in § 10 (1) und (2) A U B der Erläuterung bedurft. Der weiter vom BGH gegebene Hinweis auf die Notwendigkeit einer eindeutigen Regelung eines Ausschlußtatbestandes (VersR 1972 S. 583 r. Sp. unten) sollte, worauf Manthey VersR 1974 S. 2 2 5 - 2 2 6 hinweist, als 428

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IV. Ausschlüsse

Anm. G 255

Mahnung zur Neufassung der AUB in diesem Punkte aufgefaßt werden (vgl. dazu unten Anm. G 257).

[G 254] c) Auslegung aa) Interpretation im Zusammenhang mit der Geschichte des Unfallbegriffs Die von 1910 bis 1920 geltenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen sahen als Unfallereignis nur ein m e c h a n i s c h von außen auf den Körper des Vten wirkendes Ereignis an. Bei diesem Unfallbegriff konnte die Bestimmung, daß Erkrankungen infolge psychischer Einwirkungen „nicht als Unfall gelten", nur die Bedeutung einer Klarstellung haben, wenn die (psychische) Einwirkung als Teil des Unfallereignisses („einwirken") zu verstehen war (haftungsbegründende Kausalität, s. oben Anm. G 86). Anderenfalls hätte diese Bestimmung die möglichen psychischen A u s wirkungen eines Unfallereignisses betroffen, wie etwa Tod oder Siechtum nach einem Unfallereignis, das diese Folge durch Schreck, Ärger oder Demütigung auslöste. Dann würde die Klausel die haftungsausfüllende Kausalität im oben genannten Sinne (Anm. G 88) beschreiben, sie wäre dann aber sprachlich unrichtig, zumindest ungenau formuliert worden, weil sie nicht Einwirkungen auf die Seele, sondern von ihr vermittelte Auswirkungen betreffen würde. In der Literatur und Rechtsprechung wird die Klausel überwiegend im erstgenannten Sinne verstanden, d.h. als negative Klarstellung gegenüber dem Erfordernis der mechanischen oder sonstigen Einwirkung, so Bühring-Mertins S. 52, wegen der Rechtsprechung vgl. die Nachweise oben Anm. G 253. Die Stellungnahme nach dem Fortfall der m e c h a n i s c h e n Einwirkung, die von dem Satz ausgeht, daß jede Einwirkung von außen ein Unfallereignis begründen könne (vgl. Wussow AUB 4 § 2 Anm. 6), wird durch die sprachliche Fassung des negativen Grenzfalles (psychische E i n w i r k u n g ) , d. h. ihre Anlehnung an die Formulierung des Unfallbegriffs ( . . . w i r k e n d e s Ereignis) in der Deutung bestärkt, daß mit der in § 2 (3)b AUB genannten . . . Einwirkung das Unfallereignis gemeint sei. Das zeigen z.B. auch die Beispiele von Wüstney § 2 Anm. 14, der den Anblick eines Autozusammenstoßes, eines schweren Verbrechens oder eine unerwartete Unglücksbotschaft nennt (ähnlich Henke Ausschlüsse S. 40).

[G 255] bb) Wortinterpretation Berücksichtigt man den in § 2 (3)b AUB genannten negativen Grenzfall im Zusammenhang mit der Definition des Unfalls in § 2 (1) AUB, so ergibt sich, daß Einwirkung im Sinne der Unfalldefinition nicht gleichbedeutend mit der in § 2 (3)b AUB genannten psychischen Einwirkung sein kann. Denn der Unfallbegriff verlangt eine . . . Einwirkung auf d e n K ö r p e r . Eine psychische — seelische — Einwirkung auf den Körper kann es nicht geben, wohl aber kann ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis seelische (psychische) Auswirkungen im Inneren des Vten zur Folge haben, die seinen körperlichen Zustand nachteilig verändern. Ursache dieser seelischen Auswirkungen sind die besondere Konstitution und Veranlagung des Vten, die sich in der Regel vor Abschluß des Unfallvsvertrages nicht manifestieren, dem Ver nicht bekannt werden und deren Auswirkungen für ihn nicht kalkulierbar sind (vgl. Grewing VersR 1973 S. 8—10). Infolgedessen ist der Ver gezwungen, diese Folgen h a f t u n g s a u s f ü l l e n d e r K a u s a l i t ä t aus dem versicherten Risiko herauszunehmen. Diese Auslegung entspricht der Bestimmung des § 10 AUB, die eine Reihe von Fällen regelt, bei denen die vom Ver zu erbringende Leistung infolge der besonderen Beschaffenheit des Vten ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Wagner

429

Amn. G 257

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Diese Auslegung des § 2 (3)b AUB wird durch die Erwägung bestätigt, daß es psychische Einwirkungen, d. h. Einwirkungen, die von der Seele ausgehen und auf den Körper wirken, in dem Bereich, der durch Sprachgebrauch und Vorstellung mit einem Unfall verbunden wird, nur in einem Zusammenhang gibt, der in der Praxis der Unfallv nicht vorkommt und in den von der Literatur gebildeten Beispielen (vgl. Henke Ausschlüsse S. 40) nicht genannt wird. Das wären Unfälle, die der Vte unter der Einwirkung von Hypnose oder Telepathie — sofern man sie für möglich hält erleidet. Nur solche Unfälle sind im sprachlichen Sinn Folgen psychischer Einwirkung, in beiden Fällen wäre die Psyche des Vten Adressat der Einwirkung. [G 256] cc) Lebenssprachgebrauch Zwar kann ein äußeres Geschehen auf die Seele des Vten einwirken: Er kann durch ungünstige Nachrichten, durch schlechtes Wetter, eine Trauerbotschaft oder durch den Anblick unerfreulicher (schrecklicher) Ereignisse in einen körperlichen Leidenszustand geraten. Eine solche Wahrnehmung kann jedoch nicht als von außen auf d e n K ö r p e r wirkendes Ereignis gedeutet werden. Die primär wirkende Ursache wäre hier nicht das äußere Ereignis, sondern die besondere Konstitution des Vten, die jeden durch die Seele vermittelten Leidenszustand — als Folge von Zeitunglesen, Fernsehen, Geruch, Gespräch — zu einem potentiellen Unfallereignis machen kann. Solche nur wahrgenommenen Geschehnisse kommen als haftungsbegründende Ereignisse nicht in Betracht (Prölss-Martin20 § 2 AUB Anm. 3), weil sie nicht auf den Körper, sondern auf die Seele des Vten wirken. Zwar ist die Unterscheidung und/oder Abgrenzung von Körper und Seele zweifelhaft geworden und ein Schock z.B., der herkömmlicherweise als seelischer Vorgang gewertet wird, ist (jedenfalls auch) als akute Kreislaufstörung im Sinne einer Wirkung auf den Körper erfaßbar (vgl. Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, Stichwort „Schock"). Aber der Lebenssprachgebrauch bezeichnet und wertet den Schock oder Schreck als seelischen Vorgang, der allerdings auf den Körper weiterwirken — sich auswirken — kann. Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, daß für die Auslegung von AVB nicht die fachwissenschaftliche Ausdrucksweise der ärztlichen Wissenschaft, sondern der Sprachgebrauch des täglichen Lebens maßgeblich sei, BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 = VA 1955 S. 222-223 Nr. 107 m. w. N. Diese Entscheidung gibt die einhellige Meinung auch der Literatur wieder, sie entspricht dem Erfordernis, daß die AVB dem Verständnis des durchschnittlichen Vmers zugänglich sein müssen. [G 257] dd) Ergebnis Sind hiernach gezielte psychische Einwirkungen wie Hypnose und Telepathie nicht gemeint und Einwirkung kraft bloßer Wahrnehmung nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 2 (1) AUB zu erfüllen, so erweist sich der Ausdruck Einwirkung als sprachlich und sachlich unrichtig und sollte deshalb durch das Wort A u s w i r k u n g ersetzt werden. Liest man den Bedingungstext in der Weise, daß sich § 2 (3)b AUB an den gleichsam vor der Klammer der Grenzfälle (§ 2 (2) und (3) AUB) definerten Unfallbegriff anschließt und berücksichtigt man, daß die negativen Grenzfälle den vom Unfallbegriff gezogenen Bereich des Deckungsschutzes keinesfalls erweitern wollen, so ist der Schluß unabweisbar, daß diese Bestimmung nur die psychischen Auswirkungen des auf den Körper des Vten einwirkenden Ereignisses vom Deckungsschutz ausschließen soll. Als Beispiel könnte der Fall gelten, daß der Vte nach einem Zusammenstoß mit einem Passanten oder sonstigen Verkehrsteilnehmer oder nach einer Prügelei mit einem Dritten zunächst nicht eine im Sinne des § 8 AUB bedeutsame Gesundheitsbeschädigung davonträgt, bald danach aber infolge Erregung, Ärger oder 430

Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 259

Demütgung erkrankt oder stirbt. Diese Fälle haftungsausfüllender Kausalität sind von § 2 (3)b AUB vom Deckungsschutz ausgenommen. [G 258] 17. Neuroseklausel a) Stellung innerhalb der AUB Der seit 1961 in § 10 (5) AUB formulierte Ausschlußtatbestand findet sich unter der Überschrift „Einschränkung der Leistungspflicht". In dieser Bestimmung werden Ausschlüsse und Tatbestände, die nur eine Minderung der Leistungspflicht betreffen (vgl. § 10 (2), (5) einerseits und § 10 (1) und (4) andererseits) nebeneinander geregelt. Eine solche Regelung weiterer Ausschlüsse außerhalb der Vorschriften über die Gefahrbeschreibung der §§ 2 - 4 AUB und unter der für den zweiten Abschnitt (vor § 8) gewählten Überschrift „B· Leistungen des Versicherers" ist schon in der räumlichen Anordnung des Bedingungstextes irreführend. Die Überschrift des § 10 AUB, die im Zusammenhang mit dem Standort der Vorschrift auf eine Spezialregelung für die Berechnung der Entschädigung — lex specialis zu § 8 AUB hindeutet, macht die hier beschriebenen Ausschlußtatbestände zu überraschenden Klauseln im Sinne des § 3 AGB-Gesetz, vgl. hierzu Wagner ZVersWiss 1977 S. 135-136. Dieser Mangel an darstellungstechnischer Klarheit ist Tradition: Schon in den AVB von 1910 wurden diese Ausschlüsse in § 10 unter der Überschrift „Höhe der Entschädigung" und in den AVB von 1920 - sachlich noch stärker irreführend unter der Überschrift „Leistungen der Gesellschaft" genannt. Dafür mag der Umstand ursächlich gewesen sein, daß sich die in diesem Zusammenhang genannten Minderungen und Ausschlüsse der Entschädigungsleistung überwiegend (Ausnahme: § 10 (3) AUB) auf Unfallfolgen beziehen, während sich die Bestimmungen über die Gefahrbeschreibung in §§ 2 - 4 AUB vorwiegend (Ausnahme: § 3 (5) AUB) mit dem Unfallereignis befassen. Daß es sich bei § 10 (5) AUB um eine Ausschlußbestimmung handelt, wird von BGH 28. VI. 1972 VersR 1972 S. 928 Ii. Sp. Mitte als selbstverständlich dargestellt. [G 259] b) Zweck und Geschichte des Ausschlußtatbestandes des § 10 (5) AUB Der Ausschlußtatbestand des § 10 (5) AUB ist überwiegend bedeutsam für die sog. „traumatische Neurose" (vgl. Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort „Neurose"). Hierunter werden Vorstellungen des durch einen Unfall Betroffenen verstanden, die zwar durch den Unfall ausgelöst werden, jedoch nicht als dessen typische und regelmäßige Folge anzusehen sind, insbesondere nicht im Sinne medizinischer Wertung als Folge dieses Unfallereignisses angesehen werden (vgl. BGH 29. II. 1956 B G H Z Bd 20 S. 139—140). Solche Folgen eines haftungsbegründenden Ereignisses sind im allgemeinen Haftungsrecht als krankhafte „Zweck- und Begehrensvorstellungen" des Verletzten bedeutsam geworden, die auf dessen labiler Veranlagung beruhen und sich aus dem Bestreben erklären, aus Anlaß der den Verantwortlichen treffenden Schadensersatzpflicht eine partielle oder generelle materielle Sicherstellung auf der Grundlage der Vorstellung zu erreichen, er, der Betroffene, sei infolge des Schadensereignisses arbeitsunfähig geworden. Begehrensvorstellungen nach Schadensereignissen sind auch für das Vsrecht von Bedeutung: Für den Haftpflichtver mittelbar, soweit er für Ersatzansprüche gegen seinen Vmer einzustehen hat (§ 149 W G ) und den Unfallver, weil ihm gegenüber in solchen Fällen verlängerte oder dauernde Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht wird, vgl. BGH 28. VI. 1972 VersR 1972 S. 927-928 und für das allgemeine Haftungsrecht die Nachweise bei Palandt-Heinrichs36 Vorbem. 5d bb vor § 249 BGB sowie die neueren Entscheidungen BGH 29.11.1956 Wagner

431

Anm. G 259

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

B G H Z Bd 20 S. 137-144 = NJW 1956 S. 1108-1109 = VersR 1956 S. 305-307; B G H 28. IX. 1965 VersR 1965 S. 1080-1082, BGH 16.1.1968 VersR 1968 S. 3 7 7 - 3 7 8 und BGH 25.1.1968 VersR 1968 S. 396-398. Diese Rechtsprechung bejaht die Haftung des Schädigers grundsätzlich auch für „Schäden" des Verletzten, die sich in Neurosen äußern, macht jedoch seit BGH 29. II. 1956 BGHZ Bd 20 S. 137 die Einschränkung, daß diese Haftung dort ihre Grenze habe, wo die Schadensersatzleistung die Folge habe, der Flucht des Rentenneurotikers in die Krankheit Vorschub zu leisten. Hier verbiete sich die Ersatzleistung zwar nicht aus dem Fehlen eines ursächlichen Zusammenhangs, wohl aber aus dem Sinn des Schadensausgleichs und dem Gedanken der Billigkeit. Vgl. im übrigen den kurzen historischen Überblick bei Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearbeitung, 1958, S. 69. Der Unfallver übernimmt im Rahmen der Allgemeinen Unfallv die normale Unfallgefahr (vgl. Anm. G 131). Er schließt deshalb Gefahrumstände von der Gefahrtragung aus, die eine Erhöhung der äußeren (§ 3 (1)—(3) AUB) Gefahrenlage bewirken und beschränkt die Gefahrtragung ferner auf solche Unfälle, die ein durchschnittlich gesunder Vter erleidet, dessen Möglichkeit, eine Unfallgefahr zu erkennen und ihr auszuweichen, nicht in erheblichem Maße eingeschränkt ist, vgl. § 3 (4), (5) AUB. Diese Begrenzung der Gefahrtragung bliebe unvollständig, wenn sie nicht durch Ausschlußtatbestände ergänzt würde, die auch atypische, d. h. durch die Besonderheiten der körperlichen und gesundheitlichen Konstitution des Vten bedingte, Folgen eines Unfallereignisses vom Vsschutz ausschließen. Das ist vorstehend bereits für den Ausschluß psychisch vermittelter Folgen eines Unfallereignisses (Anm. G 251) ausgeführt worden. Zu solchen die Gefahrtragung des Unfallvers betreffenden (Gefahr-)Umständen (Konstitution des Vten) gehört auch dessen evtl. neurotisch-labile Veranlagung, die dazu führen kann, daß als Folge des Unfallereignisses in dem Vten eine Begehrensvorstellung aktiviert wird, die auf Lebenssicherung durch Ausnutzung einer vermeintlichen Rechtsposition ihr Gepräge erhält und den Unfall zum Anlaß nimmt, den Schwierigkeiten des Arbeitslebens auszuweichen (Formulierung in Anlehnung an den Leitsatz BGH 29. II. 1956 BGHZ Bd 20 S. 137 - ergangen zum allgemeinen Haftungsrecht). Diese Gefahr einer sog. „Rentenneurose" als Folge eines Unfallereignisses war schon von den Verfassern der AVB von 1910 erkannt und in § 10 Ziff. 2 c dadurch berücksichtigt worden, daß „. . . bei der Entschädigung für Nervenkrankheiten im Anschluß an einen Unfall . . . nur die Hälfte des festgesetzten Invaliditätsgrades festgesetzt . . ." wurde. Zu diesem Zeitpunkt war den Unfallvern das Problem der traumatischen Neurose aus der Regulierungspraxis und der Rechtsprechung zum allgemeinen Haftungsrecht, die bis zum Jahre 1956 im wesentlichen unverändert blieb, schon geläufig. Mehrere Unfallver hatten schon vor 1910 generell traumatische Neurosen als Unfallfolge vom Deckungsschutz ausgenommen. Auf den Einwand eines Vten, diese Klausel widerspreche den guten Sitten, nahm das Kaiserliche Aufsichtsamt auf Ersuchen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichtes erster Instanz zu dieser Frage in dem Sinne Stellung, daß die Neuroseklausel „der Wahrnehmung ganz wesentlicher Interessen der Gesellschaft" diene, weil der Ver hier in besonderem Maße der Gefahr einer Simulation ausgesetzt sei und überdies eine Pflicht des Vers zur Entschädigung die Entwicklung der Neurose durch die Aussicht auf eine solche Vsleistung selbst gefördert werde (VA 1911 S. 34). Damit war der Weg für eine Ausschlußbestimmung geebnet, die den Zweck hatte, „den überhandnehmenden traumatischen Neurosen entgegenzutreten" (so das Reichs432

Wagner

IV. Ausschlüsse

Aium. G 260

aufsichtsamt in VA 1920 S. 99 zur Neufassung der AVB für die Unfallv im Jahre 1920). Die neuen AVB (VA 1920 S. 105) enthielten hierzu in § 7 Ziff. 4 erstmalig die Bestimmung: „Für psychische und nervöse Störungen, durch welche im Anschluß an einen Unfall die Arbeitsunfähigkeit beeinträchtigt ist, wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder auf eine im Anschluß an den Unfall neu entstandene Epilespie zurückzuführen sind." Für diese Fassung war die Erwägimg maßgebend, daß einerseits die bisherige Regelung auch o r g a n i s c h e Verletzungen des Nervensystems ohne Berechtigung nur zur Hälfte entschädigte und daß es „im Interesse der Volkswohlfart geboten (sei), der Entwicklung von Rentenneurosen entgegenzuarbeiten" (VA 1920 S. 99). Daß die zunächst vorgeschlagene Formulierung „Erkrankung des Zentralnervensystems" durch die Fassung „Erkrankung des Nervensystems" ersetzt wurde, geschah in dem Bestreben, solche Neurosen und lokalen Hypochondrien vom Ausschluß auszunehmen, die als Folge von Unfällen aufträten, aber nicht zu den traumatischen Nerven- und Geisteskrankheiten gehörten, vgl. die Einzelheiten in VA 1920 S. 99, die zusammenfassende Stellungnahme des Reichsaufsichtsamtes a. a. O. S. 100 und die Übersicht bei Grewing Unfallversicherung S. 56. Diese in § 7 der AVB enthaltene Regelung blieb in der Fassung von 1920 bis zum Jahre 1961 unverändert. Die AUB von 1961 übernahm sie unter der gleichen Überschrift („Einschränkung der Leistungspflicht") in § 10 (5). Die Neufassung enthält eine sprachliche und eine sachliche Korrektur: Die sachliche bedeutet eine Erweiterung der gesamten Regelung, also sowohl des Ausschlusses als auch seiner Einschränkung, beschränkte sich mithin nicht, wie bisher, auf die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. Die sprachliche Änderung bezeichnet als Gegenstand der Regelung nicht die . . . Störungen pp., sondern d e r e n F o l g e n ; die weiteren Änderungen sollten der Ausweitung des Tatbestandes Rechnung tragen, die eine mehr gestraffte Formulierung zuläßt (vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 47). [G 260] c) Struktur und Bedeutung Sieht man von der vorstehend dargestellten besonderen Zweckbestimmung der Regelung des § 10 (5) AUB ab, so könnte diese sowohl als Klarstellung als auch als Ausschluß eingeordnet werden, ohne daß zwingende Gründe für oder gegen eine der beiden Qualifizierungen sprechen. Der Inhalt der Bestimmung kann dahingehend umschrieben werden, daß klargestellt wird, eine psychisch oder nervös bedingte Störung (zur Formulierung des Tatbestandes unten Anm. G 261) sei n u r d a n n e i n e im Sinne des § 2 (1) AUB r e l e v a n t e G e s u n d h e i t s s c h ä d i g u n g , wenn sie in einer organischen Schädigung („Erkrankung") des Nervensystems bestehe. Für diese Einordnung der Vorschrift als Klarstellung, bezogen auf den Begriff der Gesundheitsschädigung, würde auch ihr besonderer Zweck sprechen: Die Befriedigung von Entschädigungserwartungen eines Vten, deren Berechtigung zweifelhaft ist, weil die Auswirkungen des Unfallereignisses „normalerweise", d.h. unter Zugrundelegung einer durchschnittlich genesungs- und arbeitswilligen Veranlagung des Vten die Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit oder Heilbedürftigkeit nicht rechtfertigen, laufen dem Zweck der Unfallv zuwider, weil gerade das Bestehen der Unfallv den Vmer zur - im obigen Sinne nicht normalen Vermehrung des Bedarfs anreizt und damit die Erreichung des Vertragsziels, das in der wirtschaftlichen Befriedigung des Vmers durch Ausgleich seiner Einbuße besteht, unmöglich macht. Dieser Gedanke hat im allgemeinen Haftungsrecht zu Erwägungen 28

Bruck-Möller. W C , 8. Aufl. VI. 1 (Wagner)

433

Amn. G 261

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

geführt, die eine Einschränkung der Ersatzpflicht für Fälle der Rentenneurose zur Folge haben können: So heißt es bei BGH 29. II. 1956 BGHZ Bd 20 S. 142, es widerspreche dem Sinne der Schadensersatzregelung, wenn der Schädiger gezwungen werde, der Flucht des Verletzten in die Krankheit und dessen Ausweichen vor den Schwierigkeiten des Lebenskampfes durch Ersatzleistung Vorschub zu leisten. Überträgt man diesen Gedanken auf die Leistung des Unfallvers, so hat die Bestimmung des § 10 (S) AUB die Funktion klarzustellen, daß die sog. „Rentenneurose", auch wenn sie nach medizinischem Fachurteil Krankheitswert haben sollte, keine im Sinne des Unfallbegriffs relevante Gesundheitsschädigung darstellt, weil diese Subsumtion dem Zweck (auch) der Unfallv widersprechen würde. Diese Deutung der Regelung des § 10 (S) AUB als Klarstellung hätte auch den Vorteil, daß sie eine Verteilung der Beweislast des Inhalts einsichtig macht, daß der Anspruchsteller sowohl die Voraussetzungen des Unfallereignisses als auch im Bestreitensfalle die organische Erkrankung des Nervensystems als Folge des Unfallereignisses beweisen muß (unten Anm. G 262). Wenn der Tatbestand des § 10 (5) AUB hier gleichwohl als Ausschluß dargestellt wird, so geschieht dies im Hinblick auf die Behandlung der sog. „Rentenneurosen" im allgemeinen Haftungsrecht: Die Rechtsprechung zum Schadensersatzrecht bejahte bis 1956 grundsätzlich die Verpflichtung des Verantwortlichen, Schadensersatz auch für Arbeitsunfähigkeit zu leisten, die sich überwiegend aus der neurotisch-labilen Veranlagung des Geschädigten und aus dessen Unfähigkeit ergab, den sich aufdrängenden Zweck- und Begehrensvorstellungen den erforderlichen Widerstand entgegenzusetzen. Zur Begründung verwies sie darauf, daß solche Folgen des schädigenden Ereignisses sich im R a h m e n a d ä q u a t e r Kausalität hielten und daß sich auch sonst der Umfang der Ersatzpflicht u.a. aus der Konstitution des Geschädigten ergebe, unabhängig davon, ob der Schädiger dies erkennen konnte oder nicht. Wurde hiemach die schadensrechtliche Behandlung der sog. „Rentenneurose" bis zur Entscheidung BGH 29. II. 1956 BGHZ Bd 20 S. 137 ausschließlich, aber auch nach dieser Entscheidung nicht unwesentlich von Kausalitätserwägungen bestimmt, so ist davon auszugehen, daß die Verfasser der AVB für die private Unfallv, die dieses Problem aus dem Bereich der Unfallv eliminieren wollten, zu diesem Zweck eine Sonderregelung für die Kausalität, und zwar für die sog. haftungsausfüllende Kausalität (Anm. G 86) formulierten. Das ergibt sich zweifelsfrei aus der Formulierung des § 7 Ziff. 4 der AVB von 1920: „. . . wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn . . . diese Störungen auf eine durch den Unfall v e r u r s a c h t e (Hervorhebung nur hier) organische Erkrankung des Nervensystems . . . zurückzuführen sind." Eine solche Einordnung des Tatbestandes des § 10 (5) AUB rechtfertigt sich im übrigen aus der Sicht des Vmers als Vertragspartner, der in - hypothetisch angenommener — Kenntnis des allgemeinen Haftungsrechts und des Grundsatzes, daß auch innerhalb des Unfallbegriffs das Erfordernis der adäquaten Kausalität gilt (vgl. Henke Ausschlüsse S. 34—36 m. N.), von der Erwartung ausgehen dürfte, daß ihm die Unfallv keinen Schutz versagt, den ihm das allgemeine Haftungsrecht gewährt. Aus seiner Perspektive erscheint die Regelung des § 10 (5) AUB auch sachlich als Ausschluß und sollte deshalb in den Vorschriften zu finden sein, in denen die AVB die Gefahrbeschreibung einschließlich der Ausschlüsse regeln. [G 261] d) Merkmale des § 10 (5) AUB Sieht man, wie vorstehend ausgeführt, die Regelung des § 10 (5) AUB in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallbegriff des § 2 (1) AUB, so ist § 10 (5) AUB 434

Wagner

Anm. G 261

IV. Ausschlüsse

wie folgt zu lesen: Solche Gesundheitsschädigungen sind vom Vsschutz ausgeschlossen, die als psychische oder nervöse Störungen in Erscheinung treten, soweit diese Störungen nicht auf einer durch das Unfallereignis verursachten organischen Erkrankung des Nervensystems beruhen. Der Text des § 10 (5) A U B ist sprachlich u n k l a r g e f a ß t : Der Begriff der „Störung", der in den A U B im übrigen nicht in einem vergleichbaren Zusammenhang verwendet wird, bleibt ohne Bezug: Man wird ihn — wie oben geschehen — dahingehend verstehen müssen, daß eine S t ö r u n g des (normalen) W o h l b e f i n d e n s gemeint ist, die eine s o l c h e I n t e n s i t ä t erreicht, daß von einer G e s u n d h e i t s s c h ä d i g u n g gesprochen werden kann. Denn nach §§ 2 (1), 8 A U B werden Entschädigungsleistungen nur für die in § 8 I . - V I . A U B genannten Folgen einer Gesundheitsschädigung (Tod, Invalidität, Notwendigkeit der Heilbehandlung etc.) gewährt. Dann erklärt sich der Wortlaut des § 10 (5) A U B („Für die Folgen (von) Störungen") zwanglos aus diesem Zusammenhang. In diese Richtung deuten auch die Bemerkungen von Grewing Entstehungsgeschichte S. 47. Indessen sind dann die Ausdrücke „psychische und nervöse" (Störungen) in ihrer Verwendung als Adjektive ungenau, weil es keine psychischen und nervösen Gesundheitsschädigungen gibt. Man wird diese - seit 1920 gebrauchte - Ausdrucksweise als dem ungenauen Alltagssprachgebrauch entsprechend in dem Sinne zu verstehen haben, daß hier Gesundheitsschädigungen gemeint sind, die durch psychische (seelische) oder nervöse (Auswirkung der Reizung oder Verletzung des Nervensystems) Reaktionen b e d i n g t sind. Bei dieser Auslegung des Ausschlußtatbestandes bleibt der Umstand unberücksichtigt, daß in der medizinischen Wissenschaft der Dualismus Körper-Seele zweifelhaft geworden ist. Denn für die Auslegung von A V B ist die fachwissenschaftliche Terminologie grundsätzlich (vgl. Anm. A S3) nicht maßgeblich, entscheidend ist vielmehr die Auslegung, die sich aus dem Lebenssprachgebrauch ergibt. Dieser Auslegungsgrundsatz führt zu der Konsequenz, daß für die Auslegung von AVB die dort getroffene Unterscheidung von psychisch oder nervös bedingten oder auf andere Weise verursachten Gesundheitsschädigungen bedeutsam bleibt. Einem solchen Sprachgebrauch des täglichen Lebens entsprechen die Erscheinungen (Symptome), die zum Thema „Neurose als Unfallfolge" in der Rechtsprechung zur privaten Unfallv genannt werden: KG 11. IV. 1931 JRPV 1931 S. 2 4 0 - 2 4 1 weist die Deckungsklage eines Polizisten ab, der von einem Kraftfahrzeug angefahren worden war; seine Dienstunfähigkeit sei nicht unfallbedingt. Das Gericht folgt den Feststellungen der medizinischen Gutachter, wonach beim Kläger eine h y p o c h o n d r i s c h e E i n s t e l l u n g auf das Unfallerlebnis mit Reaktionen auf nervösem Gebiet vorliege. K G 2. X. 1935 J R P V 1936 S. 11 stellt nur K o p f s c h m e r z e n als unfallbedingt (Gehirnerschütterung) fest, die sonstigen abnormen Reaktionsweisen der Antragstellerin, die nicht genannt werden, erklärten sich aus einer angeborenen Neurose und beruhten deshalb nicht auf einem Unfall. RG 29. VI. 1938 J R P V 1938 S. 246—247 hebt das Berufungsurteil auf und weist das Berufungsgericht an, zur Ursächlichkeit des Unfalls (Verkehrsunfall mit Gehirnerschütterung und Kopfverletzung) weitere Feststellungen zu treffen. Der Kläger litt an Kopfschmerzen, Schwindel, Zirkulationsstörungen, Sprachstörungen, Verwirrtheitsz u s t ä n d e n , Neigung zu W e i n a u s b r ü c h e n , A u f g e r e g t h e i t , S c h w e i ß a u s b r ü c h e n und A n g s t , über die Straße zu gehen. BGH 28. VI. 1972 VersR 1972 S. 927—928 befaßt sich ebenfalls mit den Folgen eines Verkehrsunfalles, die sich nach dem Vortrag der Klägerin beim Vten — ihrem Inhaber — u.a. in schwersten v e g e t a t i v e n F u n k t i o n s s t ö r u n g e n der Vasomotorik mit völliger k ö r p e r l i c h e r E r s c h ö p f u n g sowie vitalen D e p r e s s i o n e n bis zum völligen Zusammenbruch äußerten. 28·

Wagner

435

Anm. G 261

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Von den vorstehend zitierten Entscheidungen läßt nur die letztgenannte erkennen, aufgrund welchen Wortlauts einer Neuroseklausel entschieden wird. Deshalb sind die älteren Entscheidungen zur Auslegung des § 10 (5) AUB geltender Fassung nur insoweit von Bedeutung, als sie — wie vorstehend ausgeführt — deutlich machen, welche Art von Erscheinungen als neurotische Störungen — auch im Sinne der heute geltenden Bestimmung — in Betracht kommen. Der Bundesgerichtshof verweist zunächst auf die von den Vorinstanzen nicht berücksichtigte Bestimmung des § 10 (5) AUB und nimmt sodann Bezug auf das Gutachten der beiden medizinischen Sachverständigen, wonach sich Anhaltspunkte für eine organische Hirnstamm- oder Rückenmarksschädigung nicht ergäben und daß objektivierbare neurologische Befunde und traumatische Veränderungen an der Halswirbelsäule nicht festzustellen seien. Das Gericht weit darauf hin, daß es auf die Rechtsprechung zur sog. Rentenneurose angesichts der Spezialbestimmung des § 10 (5) AUB nicht ankomme und sieht sich nur aus prozessualen Gründen — das Berufungsgericht hatte den Antrag abgelehnt, einen der Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden — daran gehindert, die Revision gegen das klagabweisende Urteil der Vorinstanz zurückzuweisen. Diese Entscheidung stellt für die Anwendung des § 10 (5) AUB auf eine organische Schädigung („Erkrankung") des Zentralnervensystems ab, indem sie — entsprechend der vorgetragenen Art der Schädigung — nach dem Vorliegen einer organischen H i r n s t a m m - oder R ü c k e n m a r k s c h ä d i g u n g fragt. Hierzu ist der Hinweis erforderlich, daß die Einschränkung des in § 10 (5) AUB enthaltenen Ausschlußtatbestandes durch Herausnahme o r g a n i s c h e r Nervenschädigungen sich nicht auf das Zentralnervensystem, sondern auf alle organisch bedingten Nervenschädigungen erstreckt. Deshalb fallen auch Nervenschädigungen lokaler Art, wie ζ. B. eine Amputationsschmerzneurose oder lokalisierte Hypochondrien (Neigung zu unrichtiger negativer Bewertung des Gesundheitszustandes) unter den Vsschutz, soweit sie als Unfallfolge in Betracht kommen. Das ergibt sich aus einer — hier zulässigen und gebotenen vgl. Anm. A 56 — historischen Interpretation des § 10 (5) AUB: Im Entwurf der Bedingungen von 1920 war vorgesehen, daß nur organische Erkrankungen des Zentralnervensystems vom Ausschluß ausgenommen werden sollten (vgl. hierzu und zum folgenden den Bericht des Reichsaufsichtsamts in VA 1920 S. 99-100). Hiergegen waren Bedenken geäußert worden: Diese Fassung sei zu eng und lasse entschädigungswürdige Fälle von Geistes- und Nervenkrankheiten, die als Unfallfolge aufträten, ungedeckt, während sich der Zweck der (neu einzuführenden) Klausel auf den Ausschluß der „überhandnehmenden traumatischen Neurosen" (a. a. O. S. 99 oben) beschränke. Diese Bedenken führten zu dem Ergebnis, daß in § 7 Ziff. 4 der Bedingungen von 1920 anstatt der im Entwurf vorgesehenen die weitergehende Formulierung: „. . . organische Erkrankung des Nervensystems . . ." übernommen wurde. Diese zugunsten des Vmers eingeschränkte Auslegung des Ausschlußtatbestandes ist zwar, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen geworden. Sie ist indes auch für die jetzt geltende — insoweit nicht veränderte — Fassung der Neuroseklausel maßgebend (Grewing Unfallversicherung S. 56). Aus dem vorstehend erwähnten Bericht des Reichsaufsichtsamtes über die Formulierung der hier erstmals in Allgemeinen Vsbedingungen aufgenommenen Neuroseklausel ergibt sich in der Tat, daß es den Unfallvern — insoweit von der Aufsichtsbehörde unterstützt — nur darum ging, dem „Rentenerwartungskomplex" (vgl. VA 1920 S. 100 oben) jede Bedeutung für die private Unfallv zu nehmen. Ver und 436

Wagner

IV. Ausschlüsse

Anm. G 262

Aufsichtsbehörde waren sich darüber einig, daß „überall da, wo eine Rentenhysterie vorliege, die Nerven nicht organisch erkrankt seien." Dieses Anliegen war mit der Formulierung des (damaligen) § 7 Ziff. 4 AVB von 1920 erfüllt. Dem von der Wisenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen bei dem Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt verfolgten Bestreben, die Deckung von bestimmten anderen Neurosen und Hysterien (Einzelheiten VA 1920 S. 99) sicherzustellen, maßen die Aufsichtsbehörde und die Versicherer keine erhebliche Bedeutung bei (a. a. O. S. 100 letzter Absatz des Berichtes). Daß diese Einschätzung zutreffend war, bestätigt der Umstand, daß Fälle von „geistigen oder nervösen Störungen" als Folge eines Unfallereignisses außer für die oben zitierten Entscheidungen nur selten Gegenstand von Deckungsklagen waren: RG 9. VI. 1914 VA 1914 S. 9 5 - 9 7 Nr. 842 bejaht Deckungsschutz für einen Vten, der infolge von Knallgeräuschen im Telefon „nervös-hysterisch erkrankt war"; OLG München 4. I. 1934 VA 1934 S. 3 1 - 3 2 Nr. 2685 gewährt der Witwe eines Vten Deckungsschutz, der infolge eines Eisenbahnunglücks, bei dem er selbst nicht (erkennbar) körperlich verletzt worden war, in Depressionszustände geraten war und sich erschossen hatte; das Urteil wird vom RG 5. VI. 1934 JRPV 1934 S. 197 bestätigt. In beiden Fällen wird die Entscheidung damit begründet, daß die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt seien, auf Ausschlußtatbestände gehen die Gerichte nicht ein. Wegen zweier weiterer Entscheidungen ist auf das Zitat von VA 1920 S. 100 und von Werneburg JRPV 1938 S. 357 Fußn. 1 hinzuweisen.

[G 262] e) Beweislast Der als allgemein geltend zitierte Satz, daß der Unfallver die Voraussetzungen eines Ausschlußtatbestandes dartun und beweisen müsse, gilt für den in § 10 (5) AUB enthaltenen Ausschluß nicht: Der Vmer, der als Kläger Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit als Voraussetzung des ihm geschuldeten Vsschutzes behauptet, und dies mit dem Vorliegen psychischer oder nervöser Störungen begründet, steht schon insoweit vor der Schwierigkeit, dem seinen Zustand begutachtenden Arzt einen objektivierbaren Befund vorzuweisen, da es in solchen Fällen an äußeren oder inneren Verletzungen gerade fehlt. Die beispielhaft genannten Symptome sind überwiegend nicht geeignet, Arbeitsunfähigkeit pp. zu begründen. Der Vmer ist aber, soweit er Vsschutz nach § 2 ( 1 ) AUB in Anspruch nimmt, gehalten, eine Gesundheitsschädigung zu beweisen, die als Ursache für eine der in § 8 AUB genannten Voraussetzungen dort geregelter Entschädigungsleistungen relevant ist. Indes gilt nicht jede der in § 10 (5) AUB genannten Störungen als im Sinne der §§ 2 (1), 8 AUB relevante Gesundheitsschädigung. Die AUB erkennen vielmehr nur organische Erkrankungen des Nervensystems als Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB an. Da der Vmer als Anspruchsteller nicht nur das Vorliegen einer beliebigen, sondern einer im Sinne des § 8 AUB relevanten Gesundheitsschädigung beweisen muß, obliegt ihm im Hinblick auf § 10 (5) AUB auch der Beweis dafür, daß die Gesundheitsschädigung in einer organischen Erkrankung des Nervensystems besteht. Von einer solchen Beweislastverteilung geht auch das OLG Celle als Vorinstanz von BGH 28. VI. 1972 VersR 1972 S. 927 aus, ohne indessen den Ausschlußtatbestand des § 10 (5) AUB zu berücksichtigen; wie hier aber Wussow AUB 4 § 10 Anm. 6 unter Hinweis auf KG 30. X. 1935 DöV 1936 S. 275. Daß der Anspruchsteller femer beweisen muß, daß die organische Erkrankung des Nervensystems adäquate Folge eines Unfallereignisses ist, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen (Anm. G 137). Dieses von dem oben zitierten Grundsatz der Beweislast bei Ausschlußtatbeständen abweichende Ergebnis erklärt sich aus dem Umstand, daß der „Ausschluß" des Wagner

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Anm. G 265

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

§ 10 (5) AUB methodologisch gleichwertig als (negative) Klarstellung oder als Ausschlußtatbestand (auf der Ebene der haftungsausfiillenden Kausalität) gedeutet werden kann. Die Beweislastverteilung ergibt sich aus der oben dargestellten Erwägung, daß die einschränkende Bestimmung des § 10 (S) AUB der Sache nach eine Erläuterung zum Tatbestandsmerkmal „Gesundheitsschädigung" des Unfallbegriffs (§ 2 (1) AUB) enthält. Diese Feststellung ist zwar selbst das Ergebnis einer Wertung, denn es läßt sich auch die Auffassung vertreten, daß § 10 (5) AUB eine Einschränkung des Begriffs der Gesundheitsschädigung enthält. Die hier vertretene Auffassung entspricht jedoch dem Zweck der Unfallv (oben Anm. G 259), der von der Voraussetzung ausgeht, daß die Entschädigungsleistung des Vers den Vmer „befriedigt", nicht aber neurotisch bedingte Begehrensvorstellungen weckt. Nur eine Gesundheitsschädigung, die in diesem Sinne durch Entschädigungsleistung „geheilt" werden kann, ist im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB relevant; das wird durch § 10 (5) AUB „klargestellt". - Dagegen wäre es methodologisch verfehlt, die Einordnung als Ausschluß oder Klarstellung aus der Beweislastverteilung zu gewinnen. Denn die Beweislastverteilung folgt aus (überwiegend) gesicherten sachlichen Kriterien, während die innerhalb der Gefahrbeschreibung verwendeten Begriffe Ausschluß und Klarstellung nicht so fest umrissen sind, daß insoweit eine aus dem Sachzusammenhang folgende sichere Abgrenzung möglich ist. Hierzu ist beispielhaft auf die Ausführungen von Henke Ausschlüsse S. 36 hinzuweisen, der die Grenzfälle des § 2 AUB „in erster Linie als Klarstellungen" bezeichnet, im folgenden aber wiederholt zu dem Ergebnis kommt (S. 39, 43, 47), daß ein Tatbestand zugleich den Charakter einer Klarstellung und eines Ausschlusses haben kann. [G 263] 18. Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre a) Geschichte Nach § 1 Abs. 2 der Verbands-Bedingungen von 1904 galten (u. a.) „Krampfadem und ihre Folgen" nicht als Unfälle. Auch die AVB von 1910 zählten Unterschenkelgeschwüre noch nicht als ausgeschlossen auf, nannten aber in § 4 II. 1. Krampfadern und ihre Folgen als von der V ausgeschlossen. In den AVB von 1920 wurden unter § 3 Ziff. 5 im Rahmen der Ausschlüsse genannt „Unfälle, soweit durch sie . . . Unterschenkelgeschwüre, Krampfadern . . . herbeigeführt oder verschlimmert worden sind." Hier wurden, ähnlich wie für Bauchund Unterleibsbrüche (oben Anm. G 248—249), bestimmte Folgen eines Unfallereignisses vom Deckungsschutz ausgenommen. Diese Fassung und Bedeutung behielt der Ausschlußtatbestand bis zum Jahre 1961. [G 264] b) Bedeutung Die in § 3 (5) AUB als ausgeschlossen genannten Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre sind auch in der geänderten Fassung des Bedingungstextes nur als Folgen eines Unfallereignisses vom Vsschutz ausgenommen. Die Ausführungen von Grewing Entstehungsgeschichte S. 16 zur Bedeutung der Neufassung sind mißverständlich. Denn sowohl nach der vormaligen wie nach der jetzt maßgeblichen Fassung der Bedingungen sind (waren) die nicht ausdrücklich vom Deckungsschutz ausgenommenen (andersartigen) Folgen desselben Unfallereignisses gedeckt, vgl. Henke Ausschlüsse S. 75. [G 265] c) Merkmale aa) Krampfadern Krampfadern sind knotige Erweiterungen der Venen, Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch Stichworte „Krampfader", „Varix" und Bühring-Mertins S. 75. Da diese 438

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Anm. G 267

IV. Ausschlüsse

Erscheinung regelmäßig an mehreren Stellen der Haut - wenn auch im gleichen Bereich — sichtbar wird, spricht der Lebenssprachgebrauch von dieser Erscheinung im Plural (verdeutscht: Varizen). Das Vorkommen von Krampfadem im vorgenannten Sinne ist nicht auf den Bereich der Beine oder Unterschenkel begrenzt. Hier besteht indes die allgemeine Vorstellung, daß Krampfadern im Bereich der Beine auftreten und nur dort bedeutsam sind. Für den Ausschlußtatbestand des § 3 (5) AUB wird diese Vorstellung dadurch gefördert, daß Krampfadem gemeinsam mit Unterschenkelgeschwüren genannt werden. Die gemeinsame Verwendung beider Begriffe in einem Ausschlußtatbestand führt zu der Auslegung, daß Krampfadem als Folgen eines Unfallereignisses nur insoweit ausgeschlossen sind, als sie im Bereich des Unterschenkels auftreten. Die Ursache für das Autreten von Krampfadem ist medizinisch nicht restlos geklärt. Die von Bühring-Mertins S. 75 referierte Annahme, daß sie in erster Linie auf eine angeborene oder ererbte Schwäche der Venenwand zurückzuführen seien, ist medizinisch nicht überholt. Auch die weiter dort genannten häufigsten Ursachen wie anhaltendes Stehen oder längerdauemde Anstrengungen, werden noch heute für bedeutsam gehalten. Da Krampfadem als Folge eines Unfallereignisses nicht sofort — unmittelbar, vgl. Bühring-Mertins a.a.O. — auftreten, sondern erst im Verlaufe einer Entwicklung, ist die Abgrenzung von traumatisch bedingten Krampfaderleiden von anderen — insbesondere konstitutionell bedingten - so schwierig, daß ihr Ausschluß im Rahmen der Allgemeinen Unfallv sachlich gerechtfertigt ist. [G266] bb) Unterschenkelgeschwüre Geschwürbildung ist die häufigste und wichtigste Komplikation von Krampfaderleiden, so (wörtlich) Bühring-Mertins S. 75 zur Randbezeichnung „Krampfadergeschwür". Als Geschwür wird eine Entzündung der Haut oder Schleimhaut mit örtlichem Substanzverlust bezeichnet, Pschyrembel a.a.O. Stichwort „Ulcus". Als Ursachen eines Unterschenkelgeschwürs kommen außer Krampfadem vielfache andere Faktoren in Betracht wie ζ. B. arterielle Durchblutungsstörungen, Sekundärinfektionen, neurovegetative Störungen, Lues, Tuberkulose und Diabetes. Schon wegen der dadurch bedingten Schwierigkeiten, Unterschenkelgeschwüre in gesicherter Weise als Folgen eines Unfallereignisses festzustellen, ist ihr genereller Ausschluß vom Deckungsschutz in der Allgemeinen Unfallv gerechtfertigt. Die Bemerkung von Bühring-Mertins S. 75 unten, daß die Häufigkeit, mit welcher Krampfadergeschwüre grundlos als Unfallfolgen hingestellt würden, nur mit derjenigen der Leistenbrüche wetteifern könne, ist (zeitlich) überholt. Die Feststellung und Abgrenzung dieses Ausschlußtatbestandes ist offensichtlich unproblematisch geworden. Er hat zu (veröffentlichten) Entscheidungen keinen Anlaß gegeben. [G 267] 19. Blutungen aus inneren Organen und Gehirnblutungen a) Geschichte Nach § 1 Abs. 6 der Verbands-Bedingungen von 1904 waren „ausgeschlossen von der Versicherung" u. a. „Blutungen aus inneren Organen ohne erkennbare äußere Verletzungen". Während die Blutungen aus inneren Organen hier im Grenzbereich einer Klarstellung und eines Ausschlusses stehen, im Darstellungszusammenhang aber als Ausschlußtatbestand genannt werden, übernehmen die AVB von 1910 die inneren Blutungen in den Katalog der Einschlußtatbestände unter § 4 I. 4: Hiemach sollten eingeschlossen sein „ohne erkennbare äußere Verletzungen eintretende Blutungen aus inneren Organen, wenn sie lediglich durch einen Unfall unter Ausschluß der Mitwirkung irgendwelcher inneren Erkrankungen verursacht sind". Sachlich erscheinen Wagner

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Anm. G 268

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

die inneren Blutungen hier erstmals im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Unfallfolgen von schon vor dem Unfall bestehenden Krankheiten bzw. Gebrechen des Vten. — Daran anknüpfend übernimmt § 7 Ziff. 2. der AVB von 1920 die inneren Blutungen in die Regelung der „Einschränkung der Leistungspflicht" (Uberschrift), ohne den Wortlaut des Tatbestandes insoweit zu verändern: „Bei Blutungen aus inneren Organen . . . wird eine Leistung nur gewährt, wenn diese Schäden ausschließlich durch einen Versicherungsfall, ohne Mitwirkung einer inneren Erkrankung, verursacht sind." Diese systematische Stellung behält der Tatbestand der inneren Blutungen bis 1961 bei. Er wird auch durch die AUB von 1961 nicht verändert, sondern nur im Zuge der Umstellung einiger Vorschriften nunmehr in § 10 (2) AUB wiedergegeben. Im Wortlaut wurde der Tatbestand dahingehend ergänzt, daß Gehirnblutungen eingefügt wurden. Das geschah zur Klarstellung, weil gelegentlich die Auffassung vertreten worden war, daß das Gehirn kein inneres Organ im Sinne dieses Tatbestandes sei, Grewing Entstehungsgeschichte S. 46. In der Sache ergibt sich aus der Fassung des § 10 (2) AUB eine deutliche Veränderung des Tatbestandes: Sie führt für innere Blutungen als Folgen eines Unfallereignisses den Begriff der überwiegenden Ursache ein. Vgl. hierzu die Ausführungen Anm. G 93, nachstehend Anm. G 268 und unten Anm. G 306. [G 268] b) Zweck und Bedeutung der AusschluBbestimmung Die Ursache innerer Blutungen ist oftmals schwer festzustellen. Treten sie im zeitlichen Zusammenhang mit einem Unfallereignis auf, so indizieren sie vielfach das (Vor-)Bestehen eines Leidens des Vten, ohne das diese Blutungen nicht eingetreten wären, vgl. Wussow AUB 1 (1959) § 7 Anm. 2, S. 95. Die bis 1961 maßgeblichen AVB für die Allgemeine Unfallv schlossen diese Erscheinung deshalb ganz vom Vsschutz aus. Für die Neufassung durch § 10 (2) AUB hebt Grewing Entstehungsgeschichte S. 45 hervor, daß sie den Vten deshalb wesentlich günstiger stelle, weil ihm die Beweisführung erleichtert werde. Diese Bemerkung wird von Wussow AUB 4 § 10 Anm. 2, S. 183 dahingehend präzisiert, der Ver müsse beweisen, daß Tod oder Invalidität durch eine Blutung herbeigeführt worden sei. Gelinge dies, so müsse der Anspruchsteller beweisen, daß ein Vsfall vorgelegen habe, der überwiegend für diese gesundheitlichen Schädigungen ursächlich geworden sei. Eine Stellungnahme hierzu setzt Klarheit über die Einordnung des § 10 (2) AUB innerhalb der Struktur des Unfallbegriffs voraus. Hierzu ergibt sich, daß die Vorschrift auf die haftungsausfüllende Kausalität in dem oben Anm. G 86 dargestellten Sinne bezogen ist: Soweit eine Blutung aus inneren Organen Folge eines Unfallereignisses ist, wird dieser Vorgang nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 10 (2) AUB als Unfall gedeckt. Praktisch bedeutsam wird dies (vgl. nachstehend Anm. G 269), wenn die inneren Blutungen weitere Gesundheitsschäden oder den Tod des Vten zur Folge haben. Die Vorschrift des § 10 (2) AUB ist mangels subsumtionsfähigen Inhalts unanwendbar, soweit es um eine T o d e s f a l l e n t s c h ä d i g u n g geht. Wenn Unfallereignis und innere Krankheit oder Gebrechen zum Tode des Vten geführt haben, ist der auf die verschiedenen Ursachen entfallende Anteil dieser Faktoren nicht quantitativ meßbar. Will man die Bestimmung des § 10 (2) AUB gleichsam „retten", so müssen diese Ursachen als abstrakt-gleichwertig angesehen werden, so daß eine „überwiegende Ursache" nicht feststellbar ist. Dann wäre die Entschädigung in den Fällen des § 10 (2) AUB in keinem Falle zu zahlen. Vgl. aber unten Anm. G 306. Beruht die I n v a l i d i t ä t (§ 8 II. AUB) oder (vorübergehende) A r b e i t s u n f ä h i g k e i t (§ 8 III. AUB) auf einem Leidenszustand, für den Ursache auch Blutungen aus 440

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V. Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt-Unfallversicherung

Anni. G 269

inneren Organen sind, so ist eine quantitative Berücksichtigung unfallfremder Ursachen möglich, weil der maßgebliche Zustand des Vten, Invalidität oder Arbeitsunfähigkeit, quantitativ meßbar und mithin teilbar ist. Zwar muß der unfallunabhängige Teil hypothetisch ermittelt werden, weil seine Subtraktion von dem realen Zustand nicht real vollzogen werden kann. Aber dies ist möglich, sie wird als Schätzung vollzogen. Ein solcher Vorgang ist im Haftpflichtrecht nicht ungewöhnlich (§ 287 ZPO). Entsprechendes gilt für die anderen Entschädigungsleistungen gemäß § 8 IV.—VII. AUB. Da sie selbst quantitativ bestimmt werden (nach Prozentsätzen), ist ihre Teilung nach Maßgabe des § 10 (2) AUB im Wege der Schätzung möglich. Die Vorschrift des § 10 (2) AUB hat einen Ausschlußtatbestand zum Inhalt: Bestimmte Folgen eines Unfallereignisses und deren weitere Folgen werden unter der Voraussetzung des § 10 (2) AUB vom Deckungsschutz ausgenommen. Da der Anspruchsteller beweisen muß, daß ein bestimmtes Unfallereignis eine bestimmte Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt hat und diese Folge die Voraussetzungen einer Entschädigungsleistung nach § 8 AUB erfüllt, stellt sich die Frage nach einer Beweisführungslast des Vers nur, wenn das bewiesene oder unstreitige Unfallgeschehen auch ohne Mitwirkung innerer Blutungen (medizinisch) möglich ist. Dann muß der Ver beweisen, daß innere Blutungen mitgewirkt haben und für den derzeitigen Leidenszustand des Vten von überwiegender Bedeutung sind: a. A. Wüstney § 7 Anm. 2, S. 38. [G 269] c) Merkmale des Ausschlußtatbestandes Als Blutungen aus inneren Organen im Sinne des § 10 (2) AUB kommen in Betracht Blutungen aus Magengeschwüren, KG 29. IX. 1934 JRPV 1935 S. 78-79, Blutungen aus der Lunge, und zwar auch dann, wenn die Blutung als Blutsturz nach außen hervortritt, LG Hamburg 24.1.1938 HansRGZ A. Sp. 391-393, ebenso Wüstney § 7 Anm. 2, S. 38, Blutungen aus Herzgefäßen, Wüstney a.a.O., Bühring-Mertins S. 71 und Blutungen aus der Speiseröhre, OLG Breslau 20. XI. 1939 JRPV 1940 S. 8 7 - 8 8 . Die hier mitwirkende Krankheit im Sinne des § 10 (2) AUB ist nicht selten ein tuberkulöses Leiden, das z. B. zu Blutungen innerhalb der Lunge oder innerhalb des Auges führen kann, Wüstney a.a.O. S. 38. Als Gehirnblutung kommt eine cerebrale Rhexisblutung, d. h. die Blutung als Folge der Zerreißung eines Blutgefäßes im Gehirn, in Betracht, LG Koblenz 5. XII. 1975 VersR 1976 S. 1058. Die in der Medizin häufigen Blutungen bei oder nach Operationen sind für die Unfallv wegen des Ausschlußtatbestandes in § 3 (3) AUB ohne Bedeutung. Ist dagegen die Operation durch einen Unfall veranlaßt worden, so ist entsprechend § 3 (3) S. 1 AUB auch die Blutung gedeckt.

V. Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt- Unfallversicherung Gliederung: Schrifttum Anm. G 270 1. Vorbemerkung Anm. G 271 2. Vte Personen Anm. G 272 3. Primäre Gefahrbeschreibung Anm. G 273

4. Sekundäre Risikobegrenzung Anm. G 2 7 4 - 2 7 8 a) Vorbemerkung Anm. G 274 b) Spezielle Ausschlußtatbestände in der Kraftfahrt-Unfallv Anm. G 275-277 aa) Schwarzfahrt Anm. G 275

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Amn. G 271 bb) Ausschluß von Unfällen infolge Aufruhr, innerer Unruhen, Kriegsereignisse, Verfügungen von hoher Hand oder Erdbeben Anm. G 276

cc) Vsunfähigkeit Anm. G 277 c) Ausschlüsse, die mit denen der Allgemeinen Unfallv übereinstimmen Anm. G 278

[G 270] Schrifttum: Asmus, Kraftfahrtversicherung, Wiesbaden 1977, Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, München 1976, Bischoff VersR 1951 S. 221-222, Kluitmann VW 1972 S. 1218-1219, Kramer VW 1956 S. 170-171, VW 1957 S. 638-639, VersR 1961 S. 122, Pfennig VersR 1956 S. 3 3 3 - 3 3 4 , Pienitz-Flöter, Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung, 4. Aufl., Berlin 1975, Stiefel-Wussow-Hofmann, Kraftfahrt-Versicherung, 10. Aufl., München 1977, Venzmer VersR 1961 S. 990-991. Ergänzend wird auf das in Anm. Β 47 zur Insassen-Unfallv nachgewiesene Schrifttum hingewiesen.

[G 271] 1. Vorbemerkung Die Kraftfahrtunfallv gewährt Vsschutz gegen Unfälle im Zusammenhang mit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges (§ 17 (1) AKB). Sie ist in diesem Sinne eine Spezialform der Allgemeinen Unfallv. Begriffsverwendung in §§ 16, 17 AKB einerseits und im Lebenssprachgebrauch andererseits stimmen nicht überein. § 16 (1) AKB stellt die Insassenv der Berufsfahrerv (vgl. hierzu § 16 (2) AKB) gegenüber. Das bedeutet indessen nicht, daB Berufsfahrer, soweit sie innerhalb der Kraftfahrtunfallv vert sind, nicht auch als Insassen Vsschutz genießen. Die den Umfang des Vsschutzes umschreibenden Bestimmungen des § 17 AKB gelten gleichermaßen für alle Vten in der Kraftfahrtunfallv. Im folgenden soll jedoch, der Ausdrucksweise der AKB entsprechend, von der Insassenv nur in dem in § 16 (1) AKB gemeinten engeren Sinn gesprochen werden. Die Insassenv ist Eigenv, soweit der Vmer selbst als Insasse seines Fahrzeuges Unfallvsschutz genießt. Soweit er das Fahrzeug selbst lenkt, wird er — in Anlehnung an ältere Bedingungstexte — als Herrenfahrer bezeichnet. Die Insassenv ist Fremdv für fremde Rechnung, soweit sie zugunsten vorerst unbestimmter und erst durch Insasseneigenschaft einerseits und Betroffensein vom Unfall andererseits bestimmbarer Personen genommen wird. Bei der in der Praxis vorherrschenden InsassenUnfallv nach dem Pauschalsystem wird die vom Ver zu erbringende Entschädigungsleistung nach einem bestimmten Berechnungsmodus unter den verletzten Insassen, die von einem Unfall betroffen sind, aufgeteilt, Einzelheiten unten Anm. G 320. Eine solche Insassen-Unfallv wird regelmäßig bei demselben Ver genommen, der auch die pflichtgemäß (§ 1 PflVG) abzuschließende Haftpflichtv deckt. Wird der Vmer den Insassen seines Fahrzeuges aus einem Unfall schadensersatzpflichtig, der zugleich Entschädigungsansprüche aus der Haftpflichtv und der Unfallv auslöst, so stellt sich die Frage, ob der Vmer durch Erklärung gegenüber dem Ver oder dem Insassen bestimmen kann, daß die an letzteren auszuzahlende Entschädigung aus der Unfallv auf einen Haftpflichtanspruch anzurechnen sei. Wegen der hierzu sich ergebenden Fragen ist auf die ausführliche Darstellung oben Anm. Β 57-72 zu verweisen. Die Insassen-Unfallv nach dem Platzsystem (§ 16 (4) AKB) hat in der Praxis ihre Bedeutung weitgehend verloren. Sie kommt noch bei Unfallven im Zusammenhang mit dem Betrieb von Omnibussen vor. Zur Berechnung der Entschädigungsleistung vgl. unten Anm. G 321. Soweit der Vte erst als künftiger Insasse eines Kraftfahrzeuges individualisiert wird, kann die Insassenv nur als Unfallfremdv für fremde Rechnung im Sinne der §§ 179 II 2, 75 I 1 abgeschlossen werden. Es ist nicht möglich, die Einwilligung des Vten gemäß § 179 III S. 1 einzuholen. Zugleich ist sie V für Rechnung wen es angeht im Sinne des § 80 II, vgl. hierzu oben Anm. Β 59. 442

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V. Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt-Unfallversicherung

Anm. G 272

Die Insassenunfallv kann auch in der Weise abgeschlossen werden, daß der Vte namentlich bezeichnet wird, § 16 (3) AKB. Diese Möglichkeit besteht für alle Arten der Kraftfahrt-Unfallv, d. h. sowohl bei der Insassen-Unfallv als auch bei der Berufsfahrerv. Sie kann auch in der Weise genommen werden, daß sich der Vsschutz nicht auf den Gebrauch eines bestimmten Fahrzeuges beschränkt, vgl. Stiefel-Wussow-Hofmann AKB 10 § 16 Anm. 10, S. 679; die von Kramer VW 1957 S. 638 zu dieser Auslegung geäußerten Bedenken haben sich für die Praxis erledigt. Nach § 16 (5) AKB können namentlich vte Personen ihre Vsansprüche selbständig geltend machen. Diese Bestimmung schließt die allgemeinere Regelung in § 3 (2) AKB, wonach die Ausübung der Rechte aus dem Vsvertrag ausschließlich dem Vmer zusteht, für diesen Sonderfall aus. Aus § 16 (S) AKB ergibt sich, daß nach der den Bedingungen zugrunde liegenden Vorstellung die Kraftfahrt-Unfallv, soweit sie Fremdv ist, stets für fremde Rechnung genommen wird. Denn nur in diesem Falle stehen dem Vten als Gefahrsperson eigene Ansprüche zu (§ 75 I 1). Es besteht indes auch die Möglichkeit, eine solche Kraftfahrt-Unfallv als Fremdv für eigene Rechnung des Vmers zu nehmen: Da der namentlich bezeichnete Vte bekannt ist, ist es möglich, seine Einwilligung im Sinne des § 179 III 1 einzuholen.

[G 272] 2. Versicherte Personen Die vten Personen können durch den Unfallvsvertrag namentlich bestimmt oder als im Sinne des § 17 (1) AKB Betroffene nur bestimmbar individualisiert werden. Die Insassen-Unfallv im Sinne des § 16 (1) AKB gewährt Vsschutz dem berechtigten Insassen des im Vertrag bezeichneten Fahrzeuges — unter Ausschluß der Berufsfahrer, vgl. nachfolgenden Absatz —. B e r e c h t i g t e I n s a s s e n sind Personen, die sich mit Wissen und Willen der über die Verwendung des Fahrzeuges Verfügungsberechtigten in oder auf dem vten Fahrzeug befinden oder im ursächlichen Zusammenhang mit ihrer Beförderung beim Gebrauch des Fahrzeugs im Rahmen des § 17 (1) AKB tätig werden, § 16 (1) S. 2 AKB. Nicht unter den Deckungsschutz fallen Gesundheitsschäden, die ein Nasciturus durch einen Unfall erleidet, von dem die Mutter betroffen ist, vgl. OLG Hamm 16. III. 1973 VersR 1973 S. 810-811. B e r u f s f a h r e r im Sinne des § 16 (1) und (2) AKB sind die Kraftfahrer und Beifahrer, die beim Vmer als solche angestellt sind. Diese Formulierung der Definition des Berufsfahrers („als solche angestellt sind") soll zum Ausdruck bringen, daß nur derjenige als Berufsfahrer in diesem Sinne gilt, der als Fahrer angestellt worden ist und deshalb im Fahren seinen Beruf betätigt; dagegen wird nicht zum Berufsfahrer im Sinne des § 16 (1) AKB, wer in Ausübung eines anderen Berufes nur im Einzelfall und gelegentlich mit der Führung eines Kraftfahrzeugs beauftragt wird, OLG Köln 9. XI. 1965 VersR 1966 S. 436; ebenso BGH 18. XII. 1968 VersR 1969 S. 213-214: Der Berufsfahrer müsse im Lenken eines Kraftwagens den Beruf betätigen, dessen Ausübung gegen Entgelt zum Gegenstand und Inhalt des Arbeitsvertrages gemacht worden sei, vgl. auch Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 § 16 Anm. 4, S. 673—674 und Pienitz-Flöter4 § 16 Anm. II. — Berufsfahrer im vorgenannten Sinne ist auch der B e i f a h r e r , der in § 10 (2) c AKB als derjenige definiert wird, der im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zum Vmer oder Halter den berechtigten Fahrer zu seiner Ablösung oder zur Vornahme von Lade- und Hilfsarbeiten nicht nur gelegentlich begleitet. Gemäß § 16 (2) a—c AKB kann sich die Eigenschaft eines als Berufsfahrer Vten entweder daraus ergeben, daß im Vsvertrag ein bestimmtes Fahrzeug benannt wird, dessen jeweiliger Fahrer oder Beifahrer als Berufsfahrer vert ist oder daraus, daß Kraftfahrer oder Beifahrer namentlich bezeichnet werden oder schließlich daraus, daß Wagner

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Anm. G 273

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

der Vmer eine Berufsfahrer-Unfallv für alle bei ihm angestellten Kraftfahrer oder Beifahrer als Kollektiw nimmt. Wegen des Vsschutzes für vsunfähige Personen vgl. unten Anm. G 277. [G 273] 3. Primäre Gefahrbeschreibung In der Kraftfahrt-Unfallv wird ein gegenüber der Allgemeinen Unfallv spezielleres und damit eingeschränktes Risiko übernommen. Dieser Zusammenhang wird in § 17 AKB systematisch und darstellungstechnisch folgerichtig in der Weise verdeutlicht, daß in § 17 (1) AKB zunächst das Spezialitätselement der Kraftfahrt-Unfallv beschrieben und sodann — auf der Grundlage der hieraus sich ergebenden Einschränkung des Vsschutzes - in § 17 (2) AKB der herkömmliche Unfallbegriff (§ 2 (1) AUB) wiederholt wird. Hiernach gilt folgendes: Die Kraftfahrt-Unfallv deckt nur Unfälle in ursächlichem Zusammenhang mit dem Lenken, Benutzen, Behandeln, dem Be- und Entladen sowie Abstellen des Kraftfahrzeugs oder Anhängers; umfaßt aber auch Unfälle beim Ein- und Aussteigen. Die in § 17 (1) AKB genannten Voraussetzungen für einen deckungspflichtigen Unfall in der Kraftfahrt-Unfallv sind Gefahrumstände im Sinne des § 16 I W G . Sie werden im Zusammenhang mit der Gefahrverwirklichung in der Kraftfahrt-Unfallv nicht als Voraussetzungen eines Ausschlußtatbestandes (negativ) bedeutsam, vielmehr müssen sie (positiv) vorgelegen haben und wirksam geworden sein, um einen Unfall zum Vsfall in der Kraftfahrt-Unfallv zu machen. Damit erweist sich die Regelung des § 17 (1) AKB als anschauliches Beispiel für die vertragliche Vereinbarung eines spezifischen Schutzzwecks für den Vsvertrag, vgl. hierzu Bruck-Möller § 49 Anm. 137, S. 148. Diese Bestimmung des Schutzzwecks wird im Rahmen der primären Gefahrbeschreibung dadurch erreicht, daß enumerativ diejenigen Gefahrumstände genannt werden, aus denen sich ursächlich der Vsfall entwickeln muß. Bei der Beurteilung dieser Ursächlichkeit der in § 17 (1) AKB genannten Gefahrumstände für einen Unfall ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere im Hinblick auf die Merkmale Benutzen, Behandeln sowie Ein- und Aussteigen. Bei der Entscheidung im Einzelfall ist darauf abzustellen, daß die Kraftfahrt-Unfallv Schutz vor den besonderen (Unfall-) Gefahren bieten soll, die sich aus dem Gebrauch eines Kraftfahrzeuges im weitesten Sinne ergeben. Soweit es z. B. um die Beförderung des Insassen geht, ist der Vte dieser spezifischen Gefahr nicht nur in dem engen Sinne ausgesetzt, daß er als Insasse aus Anlaß einer Kollision des Kraftfahrzeuges verletzt oder getötet wird. Ihm droht Gefahr auch aus dem Umstand, daß das Fahrzeug infolge seiner Geschwindigkeit, wegen möglicher technischer Defekte oder wegen mangelnder Fähigkeit des Fahrers ein nur mit Einschränkungen beherrschbares Instrument der Beförderung ist. Es gehört deshalb zu den Unfallgefahren im Sinne des § 17 (1) und (2) AKB, wenn das Fahrzeug ins Wasser gerät und der Insasse, nachdem er sich aus dem Fahrzeug befreit hat, ertrinkt, ebenso wie wenn er beim Ein- oder Aussteigen ins Stolpern gerät und sich verletzt, wenn er Tätigkeiten ausübt, die dem Betrieb des Fahrzeuges dienen wie Anschieben, Montieren eines Reifens usw. Dabei kann auch ein mehraktiges Unfallereignis (oben Anm. G 10) stattfinden: Der Insasse wird aus dem Fahrzeug geschleudert und wenig später auf der Straße von einem anderen Fahrzeug überfahren. Folge des Unfallereignisses im Sinne des § 17 (2) AKB (vgl. oben Anm. G 13) ist diejenige Gesundheitsschädigung (oder Tod), die nach dem Überfahrenwerden durch das andere Fahrzeug festzustellen ist. Der bis dahin sich abspielende tatsächliche Vorgang ist ein in mehreren Akten sich vollziehendes Unfallereignis: Sowohl der Sturz auf das Straßenpflaster als auch das anschließende Uberfahrenwerden durch ein anderes Fahrzeug sind plötzlich von außen auf den Körper des Vten wirkende Ereignisse. — An dieser Voraussetzung fehlt es in dem vom OLG 444

Wagner

V. Die Gefahrbeschreibung in der Kraftfahrt-Unfallversicherung

Anm. G 275

Karlsruhe 25. XI. 1960 VersR 1961 S. 4 9 - 5 1 entschiedenen Fall. Hier war der durch einen Auffahrunfall verletzte Fahrer des aufgefahrenen Fahrzeuges ausgestiegen, hatte die Fahrbahn überquert und mit dem Fahrer des von ihm angefahrenen Pkw über den Unfall gesprochen. Er war dabei in einer Entfernung von etwa 2 m von dem an der rechten Fahrbahnseite abgestellten Fahrzeug des anderen stehengeblieben. In dieser Stellung wurde er von einem vorher unbeteiligten Motorroller angefahren und tödlich verletzt. Das Gericht wertet den zweiten (tödlichen) Unfall „als Folge des ersten, zweifelsfrei unter Vsschutz stehenden Unfalls". Die Entscheidung hätte statt dessen nach der Erwägung getroffen werden müssen, ob sich der (zweite) Unfall im ursächlichen Zusammenhang mit dem Lenken oder Benutzen des eigenen Fahrzeuges ereignet hat. Das ist zumindest zweifelhaft, wenn man in Betracht zieht, daß der Vte sich auch aus jedem beliebigen anderen Grunde in dieser exponierten Weise auf die Fahrbahn hätte stellen können, z.B. um dem anderen Fahrer den Weg zu erklären. Anders ausgedrückt: Wenn der Insasse aufgrund freier, nicht mehr durch die besondere Situation seiner Beförderung pp. veranlaßter Handlungsweise Opfer eines Unfalles im allgemeinen Verkehr wird, so dürfte die Grenze des in § 17 (1) AKB gezogenen Schutzbereichs überschritten sein; zustimmend zum OLG Karlsruhe Kramer VersR 1961 S. 122 und Venzmer VersR 1961 S. 990-991. [G 274] 4. Sekundäre Risikobegrenzung a) Vorbemerkung Die Kraftfahrt-Unfallv deckt die Gefahren von Unfällen, die sich aus der Verwirklichung der in § 17 (1) AKB genannten Umstände ergibt. Auch diese spezifische, auf die besonderen Risiken der Kraftfahrt bezogene V beruht auf dem Gedanken einer gleichsam normalen Gefahrenlage, vgl. oben Anm. G 131. Auch die Kraftfahrt-Unfallv ist bestrebt, Unfälle vom Deckungsschutz auszuschließen, die sich aus demgegenüber erhöhter, atypischer Gefahrensituation ergeben. Die AKB enthalten Ausschlußtatbestände, die auch für die Allgemeine Unfallv gelten (unten Anm. G 278). Dabei ist es auffällig, daß ein dem § 3 (4) AUB entsprechender Ausschlußtatbestand der Bewußtseinsstörung = Trunkenheit im Straßenverkehr bisher nicht Eingang in die AKB gefunden hat. Zum andern enthalten die AKB Ausschlußklauseln, die sich aus den Besonderheiten der Kraftfahrtv selbst ergeben (vgl. unten Anm. G 275-276). Dabei ist anzumerken, daß sich die Besonderheiten der Ausschlußtatbestände in der Kraftfahrt-Unfallv nicht ohne weiteres aus den sachlichen Abweichungen der Allgemeinen Unfallv von der Kraftfahrt-Unfallv ergeben. Gründe für nicht ohne weiteres einsichtige Verschiedenheiten ergeben sich auch aus dem Umstand, daß sich jeweilige Änderungen der AUB anders vollziehen als Änderungen in den AKB. [G 275] b) Spezielle Ausschlußtatbestände der Kraftfahrt-Unfällversicherung aa) Schwarzfahrt Nach § 17 (3) b AKB sind ausgeschlossen Unfälle bei Fahrten, die ohne Wissen und Willen des Halters vorbereitet, ausgeführt oder ausgedehnt werden. Hier wird eine Gefahrerhöhung im Hinblick auf den Verstoß gegen das Bestimmungsrecht des Halters oder sonst Berechtigten gleichsam unwiderleglich vermutet. Die Voraussetzungen dieses Ausschlußtatbestandes stimmen mit denen einer Schwarzfahrt im Sinne des § 7 III StVG überein, Stiefel-Wussow-Hofmann AKB 10 § 2 Anm. 48, S. 140, Pienitz-Flöter AKB 4 § 17 Anm. D II, Prölss-Martin21 § 17 AKB Anm. 2, S. 920. Der Ausschluß erstreckt sich auf alle Unfälle, die sich im Sinne des § 17 j(l) AKB aus der Benutzung des Fahrzeuges während dieser Fahrt ereignen, auch wenn Wagner

445

Anm. G 278

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

der Verletzte selbst den Charakter der Fahrt als Schwarzfahrt nicht kannte und nicht erkennen konnte, Stiefel-Wussow-Hofmann AKB 10 § 17 Anm. 9, S. 694. [G 276] bb) Ausschiuß von Unfällen infolge Aufruhr, innerer Unruhen, Kriegsereignisse, Verfügungen von hoher Hand oder Erdbeben Nach § 2 (3) a AKB wird Vsschutz nicht gewährt für Schäden, die durch Aufruhr, innere Unruhen, Kriegsereignisse, Verfügungen von hoher Hand oder Erdbeben unmittelbar oder mittelbar verursacht werden. Die hier zusammengefaßten Ausschlußtatbestände können dem Oberbegriff der höheren Gewalt untergeordnet werden, Stiefel-Wussow-Hofmann, AKB 10 § 2 Anm. 75, S. 169. Im Wortlaut geht diese Bestimmung über die des § 3 ( 1 ) AUB hinaus, in der nur Kriegsereignisse und innere Unruhen als Ausschlußgriinde genannt werden. Der Begriff des Aufruhrs bezieht sich auf den Straftatbestand des § 115 StGB. Er ist seit 1975 aus dem StGB gestrichen, vgl. die Nachweise oben Anm. G 141. Sachlich wird er von dem Merkmal der inneren Unruhen mitumfaßt, vgl. oben Anm. G 143. Abweichend von der hier vertretenen Auffassung halten Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 § 2 Anm. 75, S. 169 die hier erörterten Tatbestände für selbständige Begriffe des Vsrechtes, vgl. hierzu die Ausführungen zur Auslegung von Ausschlußbestimmungen oben Anm. G 136. Verfügungen von hoher Hand sind Maßnahmen der Staatsgewalt. Der Lebenssprachgebrauch verbindet hiermit die Vorstellung, daß die Maßnahme Ausnahmecharakter tragen und hinsichtlich der Art ihres Erlasses oder ihres Inhalts ungewöhnlich sein muß, Stiefel-WussowHofmann AKB 10 § 2 Anm. 79, S. 173 m. N. Im Zusammenhang mit der Unfallv sind Verfügungen von hoher Hand nicht bedeutsam geworden. [G277] cc) Versicheningsunfähiglteit Nach § 17 (4) AKB erstreckt sich der Vsschutz nicht auf Personen, die von Geisteskrankheit, von einer Lähmung durch Schlaganfall, von Epilepsie oder schwerem Nervenleiden befallen sind. Die hier genannten Personen sind ganz vom Vsschutz ausgenommen, ohne Rücksicht darauf, ob sich die hier genannten Krankheiten oder Gebrechen in irgendeiner Weise auf die Herbeiführung des Unfalls oder die Folgen des Unfallereignisses ausgewirkt haben. § 17 (3) AKB enthält insoweit keinen Ausschlußtatbestand: Diese Begriffsverwendung ist nur üblich für Tatbestände, kraft derer einzelne Unfälle, die ein Vter erleidet, vom Vsschutz ausgenommen werden, weil sie Folge besonderer Gefahrumstände sind. Demgegenüber kann der Vsunfähige nicht als Vter bezeichnet werden, wie hier Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 § 17 Anm. 10, S. 695. Diese Regelung des § 17 (4) AKB ist wirksam, soweit durch sie Insassen vom Vsschutz ausgenommen werden, die zur Zeit des Vertragsschlusses nur bestimmbar sind. Sie ist dagegen wegen Verstoßes gegen § 34 a W G unwirksam, soweit der Vte als Gefahrsperson zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt und er selbst (§ 79 I W G ) und der Vmer (§ 16 I W G ) mit der Obliegenheit belastet waren, über den nach § 17 (4) AKB bedeutsamen Gesundheitszustand des Vten Auskunft zu geben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen oben Anm. C 7 verwiesen, zur Bedeutung des § 79 I W G vgl. Anm. F 7. [G 278] c) Ausschlüsse, die mit denen der Allgemeinen Unfallversicherung übereinstimmen Die AKB enthalten in § 17 (2) S. 2, (3) a und § 2 (3) b Ausschlußtatbestände, die sich in gleicher Weise in der Allgemeinen Unfallv, nämlich in §§ 2 (3) b, 3 (2) und 4 (4) AUB finden. Insoweit wird — in der Reihenfolge der für die AUB zitierten Ausschlußtatbestände — auf Anm. G 251—257, 144—151 und 219 verwiesen. 446

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VI. Exkurs: Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfallversicherung

Anm. G 281

VI. Exkurs: Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfallversicherung Gliederung:

b) Begriff des Arbeitsunfalles Anm. G 283 c) Arbeitsunfall im weiteren Sinne Anm. G 284 d) Bedeutung der Kausalität Anm. G 285 e) Parallelen zu Ausschlußtatbeständen Anm. G 286-287 aa) Allgemeines Anm. G 286 bb) Ausschlüsse und Verursachungsbegriff Anm. G 287

Schrifttum: Anm. G 279 1. Vorbemerkung Anm. G 280 2. Vte Personen Anm. G 281 3. Unfallbegriff Anm. G 282-287 a) Allgemeines Anm. G 282

[G 279] Schrifttum: Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, Tübingen 1969, Haueisen JZ 1961 S. 9 - 1 2 , Jäger, Sozialversicherungsrecht, 7. Aufl., Berlin 1968, Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977 (zitiert: Lauterbach), Möller VW 1964 S. 605 - 6 1 2 und BG 1964 S. 323-329, Watermann in: Grundsatzfragen der sozialen Unfallversicherung, Festschrift für Dr. Herbert Lauterbach zum 60. Geburtstag, Berlin 1961, S. 129-154.

[G 280] 1. Vorbemerkung Rechtsprechung und Schrifttum zur privaten Unfallv nehmen immer wieder Gelegenheit, im Zusammenhang mit einzelnen Problemen nach Unterschieden in Begriffsbildung und sachlicher Regelung zwischen privater und sozialer Unfallv zu fragen, vgl. Wussow AUB 4 § 2 Anm. 2, S. 54, Anm. 4, S. 55, Anm. 18, S. 76-77, § 8 Anm. 9, S. 164-165, Möller VW 1964 S. 605 -612 und BG 1964 S. 323-329, Sieg Bd II § 67 Anm. 21—24 — jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Es ist deshalb angebracht, den oben Anm. Β 25—34 dargestellten Überblick über die Unterschiede zwischen privater und sozialer Unfallv durch eine kurze Darstellung der Methode der Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfallv zu ergänzen. [G 281] 2. Versicherte Personen Der Kreis der in der sozialen Unfallv vten Personen ergibt sich aus § 539 RVO, soweit der Vsschutz auf Gesetz, aus §§ 543, 544 RVO, soweit er auf Satzung beruht. In § 545 RVO sind Personen genannt, die auf Grund freiwilligen Beitritts gegen Unfall vert werden. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an den gemäß § 539 I Ziff. 1RVO vten Personen, nämlich denjenigen, die Vsschutz genießen, weil sie auf Grund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt sind. Denn auf diese Gruppe der Vten sind die Vorschriften der RVO über die Gefahrtragung zugeschnitten: Voraussetzung der Entschädigungsleistung ist ein Arbeitsunfall (§ 548 RVO), und zwar auch dann, wenn der Vte nicht kraft Dienst- oder Arbeitsverhältnisses vert ist (§ 539 I Ziff. 1 - 8 RVO), sondern der Vsschutz an eine ganz andersartige Gefahrensituation anknüpft, wie ζ. B. bei Kindern in Kindergärten und Schulen, § 539 I Ziff. 14 RVO: Der dem Lebenssprachgebrauch und dem bisherigen allgemeinen Haftungsrecht geläufige Begriff des Schulunfalles ist nunmehr als Arbeitsunfall bedeutsam; die auf eine betriebliche Tätigkeit des Vten bezogene Begriffsbildung der RVO muß sinngemäß auf den Schulbetrieb übertragen werden, anschaulich hierzu BGH 12. X. 1976 BGHZ Bd 67/ S. 279-284 (281). Wagner

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Anm. G 283

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 282] 3. Unfallbegriff a) Allgemeines Der Begriff des Unfalles in der sozialen Unfallv wird in der RVO nicht durch Tatbestandsmerkmale definiert, sondern vorausgesetzt. Nach § 548 I 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Vter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Aus dieser Vorschrift ergibt sich keine Aussage über die Struktur des Unfallbegriffs selbst. Aus ihr folgt nur, daß der für die soziale Unfallv bedeutsame Vsfall (Unfall) aus der vom Vten geleisteten in §§ 539, 540 und 543-545 RVO genannten Tätigkeit erwachsen sein muß. Diese Tätigkeit hat hiernach die Bedeutung eines für den Deckungsschutz notwendigen Gefahrumstandes, der positiv als Ursache des Unfalls gegeben sein muß. Dieses Erfordernis entspricht dem in § 17 (1) AKB für den Deckungsschutz in der Kraftfahrt-Unfallv genannten Voraussetzungen für einen deckungspflichtigen Unfall, vgl. oben Anm. G 273. [G 283] b) Begriff des Arbeitsanfalles im engeren Sinne Der Begriff des Arbeitsunfalles ist von der Rechtsprechung geprägt worden, seine Merkmale sind im wesentlichen unstreitig: Unfall ist ein von außen auf den Vten einwirkendes zeitlich begrenztes Geschehen, das eine körperliche Schädigung zur Folge hat, vgl. Lauterbach § 548 Anm. 3, Möller VW 1964 S. 608-609, Gitter Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht S. 90-93. Wie in der privaten Unfallv setzt der Arbeitsunfall hiernach zunächst ein Ereignis voraus, das auf den Vten einwirken muß. Ob dieses Ereignis von außen wirken muß, ist ein Definitionsstreit, der keine sachliche Bedeutung hat: Daß Gesundheitsschädigung durch Überarbeiten oder Überanstrengung von der sozialen Unfallv grundsätzlich gedeckt sind, ist unstreitig, vgl. hierzu Gitter a.a.O. S. 91. Entsprechendes gilt für das Merkmal der Plötzlichkeit. Ihm kommt in der sozialen Unfallv weniger die Bedeutung zu, das Erfordernis des Unerwarteten, Unentrinnbaren zu bezeichnen, vielmehr ergibt sich für den Unfallbegriff hier die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung auf eine Arbeitsschicht. BSozG 14. III. 1958 NJW 1958 S. 1206: Als Unfall kommt nur ein Ereignis in Betracht, das sich höchstens über eine Arbeitsschicht erstreckt. Wiederholte körperliche Schädigungen, die sich nicht im Rahmen einer Arbeitsschicht sichtbar oder meßbar gesundheitsschädigend auswirken, gelten auch in ihrem Zusammenwirken nicht als Unfall. Das Ereignis muß eine körperliche Schädigung zur Folge haben. Dem Körperschaden ist durch § 548 II RVO die Beschädigung eines Körperersatzstückes oder eines größeren orthopädischen Hilfsmittels gleichgestellt. Der Vte muß den Körperschaden nicht in gleicher Weise wie in der privaten Unfallv unfreiwillig erleiden. Der Anspruch auf Entschädigung ist nur ausgeschlossen, wenn der Vte absichtlich gehandelt hat, § 553 S. 1 RVO. Diese Voraussetzung ist nur gegeben, wenn der Vte die eingetretene Körperschädigung bewußt und gewollt herbeigeführt hat, vgl. Lauterbach § 553 Anm. 6, Möller VW 1964 S. 608-609. Ein Unterschied für die Beweislast im Vergleich zur privaten Unfallv ergibt sich aus § 553 S. 1 RVO nicht mehr: Gemäß § 180 a W G muß der Ver auch hier beweisen, daß der Vte die Gesundheitsschädigung oder den Tod unfreiwillig erlitten hat. Innerhalb des Unfallbegriffs der sozialen Unfallv kommt der Ursächlichkeit die gleiche Bedeutung zu wie in der privaten Unfallv: Die Einwirkung des Ereignisses muß (ursächlich) zum Körperschaden geführt haben, der Körperschaden muß wiederum kausal geworden sein für einen als Voraussetzung einer Entschädigungsleistung genannten Zustand des Vten, wie z. B. Invalidität oder Tod. Einzelheiten zur Kausalitätslehre im Recht der sozialen Unfallv unten Anm. G 285—287. 448

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VI. Exkurs: Gefahrbeschreibung in der sozialen Unfallversicherung

Amn. G 286

[G 284] c) Arbeitsanfall im weiteren Sinne Dem vorstehend beschriebenen Arbeitsunfall im engeren Sinne (§ 548 I 1 RVO) werden gleichgestellt: Unfälle bei Abheben des Lohnes (§ 548 I 2 RVO), Unfälle bei Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes (§ 549 RVO), der Wegeunfall (§ 550 I RVO) und die Berufskrankheit (§ 551 RVO in Verbindung mit der jeweils geltenden BerufskrankheitenVO [abgedruckt oben Anm. G 215]). Im Sinne der zur Gefahrbeschreibung in der privaten Unfallv verwendeten Terminologie sind diese Arbeitsunfälle im weiteren Sinne, soweit sie in §§ 548 I S. 2, 549 und 550 RVO genannt sind, nur Klarstellungen. Denn die dort genannten Tätigkeiten erfüllen — sinngemäß gelesen — zugleich alle Voraussetzungen des § 548 1 1 RVO. Sie stehen in dem von der Rechtsprechung geforderten inneren Zusammenhang mit der vten Tätigkeit (Einzelheiten Anm. G 285) und sie sind Unfälle im Sinne der vorstehend (Anm. G 283) dargestellten Definition. Das gilt für die durch § 551 RVO in Verbindung mit der siebenten BerufskrankheitenVO (abgedruckt oben Anm. G 215) einbezogenen Berufskrankheiten indes nur für einige der dort genannten Positionen (vgl. oben Anm. G 214). Soweit die dort genannten Krankheiten nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles im vorgenannten Sinne erfüllen (Anm. G 283), handelt es sich um einen echten Einschluß in dem oben Anm. G 16 dargestellten Sinn. [G 285] d) Bedeutung der Kausalität Der als Vsfall maßgebliche Unfall in der sozialen Unfallv setzt Kausalität in drei Richtungen voraus, nämlich zwischen Tätigkeit und Unfallereignis, Unfallereignis und Körperschaden sowie Körperschaden und Tod bzw. Verlust oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, so (wörtlich) Bruck-Möller § 49 Anm. 145. Von einer solchen Notwendigkeit dreifacher Kausalität wird auch oben (Anm. G 273) im Zusammenhang mit der Kraftfahrt-Unfallv ausgegangen, während für den Vsfall in der allgemeinen Unfallv nur die Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die Gesundheitsschädigung — dort als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet, vgl. Anm. G 86 - und die der Gesundheitsschädigung für Tod, Invalidität oder Heilbedürftigkeit — dort als haftungsausfüllende Kausalität bezeichnet, vgl. Anm. G 88 - als bedeutsam erkannt wurde. In der Rechtsprechung zur sozialen Unfallv und zum Versorgungsrecht spielt die Lehre von der w e s e n t l i c h m i t w i r k e n d e n U r s a c h e e i n e bedeutsame Rolle. Nach ihr ist nur diejenige Bedingung des Erfolgs rechtserheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach der natürlichen Betrachtungsweise zum Eintritt dieses Erfolges wesentlich mitgewirkt hat; vgl. hierzu Bruck-Möller § 49 Anm. 145 mit Nachweisen, Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht S. 105—125. Mit Hilfe dieser Ursachenlehre erfaßt die Rechtsprechung den von § 548 I 1 RVO geforderten Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Unfallereignis: Es komme darauf an, ob diese Tätigkeit Ursache derjenigen Gefahr gewesen sei, die sich für den Vten verwirklicht habe, vgl. BSozG BSozGE Bd 6 S. 164-170 (169). Wegen der Auswirkungen dieser Ursachenlehre auf den Umfang des Vsschutzes in der sozialen Unfallv ist auf Gitter a.a.O. S. 112—119 zu verweisen. [G 286] e) Parallelen zu Ausschluetatbeständen aa) Allgemeines Die RVO enthält in §§ 553 und 554 zwei Tatbestände, die den Ausschlußtatbeständen in §§ 2 und 3 AUB ähnlich sind: Ein Entschädigungsanspruch entfällt, wenn der Arbeitsunfall vom Vten selbst absichtlich oder von seinen Angehörigen bzw. Hinterbliebenen vorsätzlich verursacht worden ist, § 553 RVO. Die Entschädigungs29

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

449

Anni. G 287

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

leistung kann ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Arbeitsunfall im Zusammenhang mit einem rechtskräftig festgestellten Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen des Vten steht. — Aus diesen Vorschriften ergibt sich indes kein zutreffender Überblick über die rechtliche Behandlung des Unfallvsschutzes in der sozialen Unfallv. Denn die Rechtsprechung gewinnt den Umfang des Vsschutzes nicht unmittelbar aus subsumtionsfähigen Tatbeständen der RVO, sondern aus dem spezifischen Verursachungsbegriff der sozialen Unfallv. [G 287] bb) Ausschlüsse und Verursachungsbegriff Die Lehre von der wesentlich mitwirkenden Ursache im Recht der sozialen Unfallv ermöglicht eine wertende Betrachtung und Auswahl derjenigen Ursachen eines Unfalles, die für seine Einordnung als Arbeitsunfall bedeutsam sind. Auf diese Weise werden Vorgänge aus dem Begriff des Arbeitsunfalles ausgenommen, die den Vten unabhängig von seiner betrieblichen Tätigkeit betroffen haben würden (Erdbeben, Überschwemmungen, vgl. Lauterbach § 548 RVO Anm. 27) oder die ein nicht unfallbedingtes Leiden nur unerheblich verschlimmern, vgl. BSozG 14. III. 1958 NJW 1958 S. 1206: Tod infolge Verschlimmerung eines nicht unfallbedingten Leidens durch einen Arbeitsunfall ist als Unfallfolge erheblich, wenn der Tod mutmaßlich um mindestens ein Jahr früher eingetreten ist. In besonders anschaulicher Weise verwirklicht die Rechtsprechung den hier maßgeblichen Verursachungsbegriff im Zusammenhang mit alkoholbedingter Herbeiführung eines Arbeitsunfalles: BSozG 30. VI. 1960 BSozGE Bd 12 S. 245-246 stellt Fehlen des Zusammenhanges zwischen vter Tätigkeit und Unfallereignis fest, wenn die Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholbeeinflussung, die mit dem Unternehmen bzw. der vten Tätigkeit nicht zusammenhängt, für den Eintritt des Unfalles die einzige rechtlich erhebliche Ursache gewesen ist. Das sei der Fall, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund dränge, daß diese als rechtlich nicht wesentliche Mitursachen unberücksichtigt bleiben müßten. Vgl. hierzu auch Möller VW 1964 S. 610. VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung Gliederung: Schrifttum Anm. G 288 1. Entstehung und Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs Anm. G 2 8 9 - 2 9 2 a) Entstehung Anm. G 289 b) Fälligkeit Anm. G 290-292 aa) Vorbemerkung Anm. G 290 bb) Anerkenntnis des Vers Anm. G 291 cc) Ablehnung der Leistung durch den Ver Anm. G 292 2. Verzug des Vers Anm. G 293 3. Ausschluß und Verjährung des Anspruchs Anm. G 294

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4. Geltendmachung des Anspruchs Anm. G 2 9 5 - 3 0 4 a) Klage des Vmers Anm. G 295-296 aa) Klagart Anm. G 295 bb) örtliche Zuständigkeit Anm. G 296 b) Anrufung des Ärzteausschußes Anm. G 297-304 aa) Allgemeines Anm. G 297 bb) Wahlrecht zwischen Gericht und Ärzteausschuß Anm. G 298 cc) Berufung und Zusammensetzung des Ärzteausschußes Anm. G 299 dd) Verfahren und Entscheidung des Ärzteausschußes Anm. G 300

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung ee) Gerichtliche Uberprüfung der Entscheidung des Ärzteausschußes Anm. G 3 0 1 - 3 0 4 aaa) Allgemeines Anm. G 301 bbb) Inhaltsmängel Anm. G 302 ccc) Verfahrensmängel Anm. G 303 ff) Überblick über die Rechtsprechung Anm. G 304 S. Bemessung der Entschädigungsleistung Anm. G 3 0 5 - 3 1 8 a) Allgemeines Anm. G 305 b) Todesfallentschädigung Anm. G 306 c) Invaliditätsentschädigung Anm. G 3 0 7 - 3 1 0 aa) Begriff der Invalidität Anm. G 307 bb) Allgemeine Bemessungsgrundsätze Anm. G 308 cc) Bedeutung der Gliedertaxe Anm. G 309 dd) Berücksichtigung von Vorinvalidität Anm. G 310 d) Tagegeld Anm. G 311 e) Krankenhaustagegeld Anm. G 312

Anm. G 289

f) Genesungsgeld Anm. G 313 g) Heilkostenersatz Anm. G 3 1 4 - 3 1 7 aa) Allgemeines Anm. G 314 bb) Heilkostenersatz anstelle von Tagegeld Anm. G 315 cc) Voraussetzungen und Bemessung Anm. G 316 dd) Subsidiarität Anm. G 317 h) Übergangsentschädigung Anm. G 318 6. Besonderheiten der Entschädigungsleistung in der Kraftfahrt-Unfallv Anm. G 3 1 9 - 3 2 2 a) Allgemeines Anm. G 319 b) Berechnung der Entschädigung in der Insassenunfallv Anm. G 3 2 0 - 3 2 1 aa) Pauschalsystem Anm. G 320 bb) Platzsystem Anm. G 321 c) Sonstige Abweichungen Anm. G 322

[G 288] Schrifttum: Asmus in: Festschrift für Göbbels, Karlsruhe 1964, S. 13-21, ZversWiss 1962 S. 197-253, Axenfeld/Pau, Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde, Stuttgart 1973. Dem VersR 1951 S. 259, VersR 1953 S. 4 9 - 5 0 , Do JRPV 1929 S. 361-365, JRPV 1934 S. 101, JRPV 1935 S. 198-199, Doelker JRPV 1937 S. 225-229, Fußhoeller VW 1964 S. 688-689, Füssel VA 1951 S. 4 2 - 4 3 , Guckenheimer JRPV 1929 S. 376-377, Haidinger VersR 1952 S. 35, VersR 1952 S. 4 1 2 - 4 1 3 , Herdt, Die mehrfache Kausalität im Versicherungsrecht und ihre Beurteilung bei Vorliegen von Klarstellungen und Ausschlußklauseln, Diss. Hamburg 1976, Jaensch, Das augenärztliche Gutachten, Stuttgart 1958, Krebs VersR 1966 S. 411-415, Leicher VersR 1954 S. 275—276, Perret, Was der Arzt von der privaten Unfallversicherung wissen muB, Frankfurt/M. 1973, Prölss VersPrax 1935 S. 135, JRPV 1942 S. 6 4 - 6 5 , Roggenkämper Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde 1951 S. 533-535, Sachsenweger, Augenärztliche Begutachtung, Stuttgart/New York 1976, Sieg ZVersWiss 1942 S. 4 0 - 5 3 , Surminski ZfV 1973 S. 3 4 - 3 5 , Thiel VersR 1954 S. 273-275, Wilms VersPrax 1952 S. 100, Wussow VersR 1962 S. 776-777.

[G 289] 1. Entstehung und Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs a) Entstehung Der Anspruch auf Zahlung der einzelnen Entschädigungsleistung entsteht, wenn seine in § 8 AUB im einzelnen genannten Vorausetzungen gegeben sind. Demgemäß setzt z.B. der Anspruch auf Leistung einer Todesfallentschädigung voraus, daß ein Unfallereignis innerhalb eines Jahres zum Tode des Vten geführt hat (§ 8 I. AUB), der Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung entsteht, wenn die als Folge eines Unfallereignisses eingetretene Gesundheitsschädigung von der Art ist, daß sie sofort 29·

Wagner

451

Anm. G 290

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

oder innerhalb eines Jahres zur dauernden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit führt und binnen weiterer drei Monate ärztlich festgestellt und durch Erklärung gegenüber dem Ver geltendgemacht wird (§ 8 II. (1) S. 1 AUB). Die Entstehung des Anspruchs ist für das Rechtsverhältnis der am Unfallvsvertrag beteiligten Parteien - für sich betrachtet - nicht von Bedeutung, zur Frage der Abtretbarkeit, Pfändbarkeit und Verpfändbarkeit des so entstandenen Anspruchs vgl. unten Anm. H 8, H 13 und H 15. Von maßgeblicher Bedeutung ist dagegen der Eintritt der Fälligkeit, nachstehend Anm. G 290, die im privaten Vsrecht regelmäßig nicht mit der Entstehung des Anspruchs zusammenfällt.

[G 290] b) Fälligkeit aa) Vorbemerkung Nach § 11 I W G sind Geldleistungen des Vers fällig, wenn die zur Feststellung des Vsfalles und des Umfangs der Leistung notwendigen Erhebungen beendet sind. Diese Vorschrift ist lex specialis zu § 271 BGB, wonach grundsätzlich Entstehung und Fälligkeit eines Anspruchs zeitlich zusammenfallen. Sie entspricht den Besonderheiten des Vsrechts: Der Ver muß in die Lage versetzt werden nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen eines — vielfach zu Unrecht — behaupteten Vsfalles tatsächlich gegeben sind. Die notwendigen Erhebungen im Sinne des § 11 I W G bestehen in der Beschaffung der Unterlagen, die ein durchschnittlich sorgfältiger Ver braucht, um den Vsfall festzustellen und abschließend zu prüfen; er darf dabei auch den Ausgang eines nicht gegen den Vten gerichteten Strafverfahrens abwarten, wenn damit zu rechnen ist, daß hierbei für die Leistungspflicht des Vers bedeutsame Tatsachen festgestellt werden, so OLG Hamburg 19. VIII. 1966 VersR 1967 S. 392-393 (Unfallzusatzv, es ging um die Fahrweise eines Pkw-Fahrers, der den nicht nüchternen Vten angefahren hatte); vgl. hierzu auch Bruck-Möller § 11 Anm. 6—9. Die Regelung des § 11 I W G ist nicht zwingend. Sie wird durch §§ 11-13 AUB ergänzt und abgewandelt. Hiernach hat sich der Ver binnen eines Monats, für beanspruchte Invaliditätsentschädigung binnen dreier Monate, darüber zu erklären, ob und inwieweit eine Entschädigungspflicht anerkannt wird ( § 1 1 AUB). Soweit die Entschädigungspflicht anerkannt wird, ist sie damit festgestellt im Sinne des § 13 (1) S. 1 AUB, nach Ablauf weiterer zwei Wochen wird sie fällig. Sofort, d. h. nach Abschluß der notwendigen Erhebungen durch den Ver, wird die Vsleistung fällig, wenn der Ver die Entschädigungsleistung - zu Unrecht - ablehnt und seine Mitteilung hiervon dem Anspruchsteller zugegangen ist, BGH 10. II. 1971 VersR 1971 S. 4 3 3 - 4 3 5 (für Invaliditätsentschädigung), ebenso BGH 23. VI. 1954 VersR S. 388—389 (für Unfallzusatz), weitere Nachweise bei Bruck-Möller § 11 Anm. 9. Insoweit ist § 13 (1) S. 2 AUB zu eng formuliert, vgl. hierzu unten Anm. G 293. Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet das Leistensollen des Vers entsprechend dem Forderndürfen des Vmers, vgl. Bruck-Möller § 12 Anm. 12, S. 259. Sie ist in erster Linie bedeutsam für den Beginn der Verjährungsfrist, § 12 I und II W G . Eine hiervon abweichende Bedeutung verbinden die AUB mit dem Begriff der F e s t s t e l l u n g eines Anspruchs (§§ 13 (1), 16 (3) AUB): Feststellung setzt voraus, daß der Ver seine Entschädigungspflicht anerkannt oder der Ärzteausschuß zu seinem Nachteil entschieden hat. Mit einer solchen Feststellung kann zwar der Vmer über den Anspruch verfügen (§ 16 (3) AUB), fällig ist der Anspruch indes erst zwei Wochen danach, vgl. § 13 (1) S. 1 AUB. Aus der vorstehend dargestellten Regelung der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs folgt, daß der Vmer, der eine Entschädigungsleistung verlangt, nach 452

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Aun. G 291

Ablehnung durch den Ver sogleich auf Leistung (Zahlung) klagen kann. Er ist nicht genötigt, im Sinne des § 257 ZPO auf k ü n f t i g e L e i s t u n g zu klagen, BGH 23. VI. 1954 VersR 1954 S. 388-389 = VA 1954 S. 212-213 Nr. 76, unrichtig insoweit OLG Nürnberg 28. Xfc 1961 VersR 1962 S. 773-774 (a. E.). Solange das Verfahren vor dem Ärzteausschuß läuft, steht der Forderung des Vmers eine Einrede entgegen, BGH 10. II. 1971 VersR 1971 S. 435; die Leistungsklage des Vmers gegen den Ver wäre als zur Zeit unbegründet abzuweisen, Wussow VersR 1962 S. 776-777 m.N. Wird die Leistung des Vers in einem solchen Falle fällig, weil sie vom Ärzteausschuß als berechtigt anerkannt worden ist und zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung verstrichen sind (§ 13 (1) S. 1 und 2 AUB), so ist die Klage von diesem Zeitpunkt an begründet, nunmehr kann der Vmer Prozeßzinsen gemäß § 291 BGB verlangen, OLG Bremen 16. III. 1965 VersR 1965 S. 653—654. Das würde auch dann gelten, wenn der Ver — im Ergebnis erfolglos — einredeweise die Unwirksamkeit des Spruches der Ärztekommission gemäß § 184 geltend machen würde. § § 1 1 1 W G , 11 AUB sind zu eng formuliert, da beide Vorschriften nur auf die notwendigen Erhebungen zur Feststellung eines Vsfalles und des Umfanges der Leistungspflicht abstellen. Es ist jedoch anerkannt, daß auch die notwendigen Feststellungen zur Aktivlegitimation des Anspruchstellenden - u.U. zweifelhaft bei Erben — Gegenstand der notwendigen Erhebungen sind, Bruck-Möller § 11 Anm. 6 und OLG Bremen 16. III. 1965 VersR 1965 S. 653 r. Sp. Hierzu gehört z. B. die Erklärung des Anspruchstellers als Erben, daß ihm von einem späteren Testament des Vten (Erblassers) nichts bekannt sei, OLG Bremen a. a. O. S. 654 Ii. Sp. oben.

[G 291] bb) Anerkenntnis des Versicherers Nach § I I S . 1 AUB ist der Ver verpflichtet, sich innerhalb der dort genannten Frist — sie beträgt für Invaliditätsentschädigung drei Monate, für die übrigen Entschädigungsarten einen Monat - darüber zu erklären, ob und wieweit eine Entschädigungspflicht anerkannt wird. Diese Frist beginnt mit dem Eingang der Unterlagen, die der Vmer zur Information des Vers beizubringen hat (§§ 11 S. 2,15 II. (4)—(6)). Soweit diese Unterlagen dem Ver die Uberzeugung vermitteln, daß die beanspruchte Entschädigung geleistet werden muß, erkennt er seine Leistungspflicht an. Dieses Anerkenntnis ist hiemach das Ergebnis in erster Linie der Prüfung der vom Vmer beigebrachten Unterlagen. Es beruht aber auch auf den besonderen Erfahrungen und Kenntnissen des Vers, der regelmäßig aus Art und Inhalt der Schilderung des Unfallgeschehens durch den Vten ein Bild darüber gewinnt, ob der geltend gemachte Anspruch begründet ist oder nicht. So liegt z. B. bei Verlust des linken Daumens durch behaupteten Unfall allemal der Verdacht vorsätzlicher Selbstverstümmelung nahe, vgl. oben Anm. G 74. In einem solchen Falle wird der Ver von sich aus weitere Nachforschungen anstellen oder veranlassen. Seiner Erklärung nach Abschluß aller für notwendig gehaltenen Ermittlungen, er erkenne den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung an, liegt deshalb mehr zugrunde als eine gleichsam isolierte Prüfung der Unterlagen für den jeweils erhobenen Anspruch. Sie enthält auch ein Willenselement: Der Ver erklärt, er werde aufgrund der ihm zugänglich gemachten Information und angesichts seiner besonderen Erfahrungen und Sachkunde etwa bestehende Zweifel an der Berechtigung des Anspruchs nicht zum Anlaß nehmen, die Leistung zu verweigern. Diese Erklärung des Vers begründet kein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB. Für ein solches, vom Schuldgrund (Unfallvsvertrag) losgelöstes Anerkenntnis hat der Unfallver keine Veranlassung; allgemeine Auffassung, vgl. Wagner

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Amn. G 291

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Wussow AUB 4 § 11 Anm. 2 S. 188, OLG Düsseldorf 4. XI. 1952 VersR 1953 S. 2 3 - 2 4 und BGH 24. III. 1976 BGHZ Bd 66 S. 250-261 = VersR 1977 S. 471—477. Dagegen kann in einer solchen Erklärung des Vers ein sog. deklaratorisches Schuldanerkenntnis gesehen werden. Eine Auslegung mit diesem Ergebnis setzt voraus, daß der Ver — aus der Sicht des Vmers (§ 133 BGB) - mit seinem Anerkenntnis das zwischen ihm und dem Vmer bestehende Schuldverhältnis im Zusammenhang mit der Regulierung einem zwischenzeitlich zutage getretenen Streit oder einer zwischen ihnen erörterten Ungewißheit, ob der Anspruch anerkannt werden würde, entziehen will, vgl. BGH 24. III. 1976 BGHZ Bd 66 S. 253-254 = VersR 1977 S. 472. Folgt das Anerkenntnis des Vers gemäß § 11 S. 1 AUB einer Erörterung unter den Parteien über die Berechtigung des behaupteten Anspruchs zeitlich nach, so darf der Vmer die Erklärung des Vers, er erkenne den Anspruch an, nach Treu und Glauben als Verzicht (zumindest) auf die zwischen den Parteien erörterten möglichen Einwände des Vers gegen die Berechtigung des Anspruches verstehen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat also der Ver ohne weitere Rückfrage oder Erörterung mit dem Vmer sein Anerkenntnis im Sinne des § 11 S. 1 AUB erklärt, so ist diese Erklärung nicht als ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im vorgenannten Sinne zu werten. Sie stellt dann nur ein tatsächliches Verhalten des Vers dar, das keinen besonderen Verpflichtungswillen verkörpert, vielmehr nur zu dem Zweck abgegeben wird, dem Gläubiger (regelmäßig: Vmer) die Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern. Das wird von BGH 24. III. 1976 BGHZ Bd 66 S. 256-258 = VersR 1977 S. 472—473 überzeugend aus dem Zweck und der Funktion des in § 11 S. 1 AUB vorgesehenen Anerkenntnisses begründet; zustimmend Prölss-Martin21 § 1 1 AUB Anm. 2, S. 1085. Die hiervon abweichende Auffassung von Wussow AUB 4 § 11 Anm. 2, S. 188—189 ist damit für die Praxis überholt. Wussow a. a.O. sieht in der Erklärung des Vers gemäß § 11 S. 1 AUB eine einseitige Gestaltungserklärung, die entweder positiv einen Anspruch gegen der Ver schafft oder — unter der weiteren Voraussetzung der Fristversäumung durch den Vmer gemäß § 12 III W G — endgültig ausschließt. Wussow entnimmt diese Gestaltungswirkung der für die Regulierung innerhalb eines Vsvertrages spezifischen Ordnungsfunktion der Erklärung des Vers; er läßt allerdings eine Anfechtung dieser Erklärung durch den Ver wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder Täuschung bzw. Drohung (§ 123 BGB) zu, vgl. Wussow a.a.O. S. 189. Der BGH stellt dieser Auslegung des § 11 S. 1 AUB zunächst die (dogmatische) Erwägung entgegen, daß die Annahme einer einseitigen Gestaltungserklärung des Vers dem Grundsatz des § 305 BGB widerspreche, wonach auch Inhaltsänderungen eines Vertrages regelmäßig vertraglichen Konsens der Vertragsparteien voraussetzen. Sachlich verneint der BGH eine so weitgehende Wirkung des Anerkenntnisses des Vers mit dem (zutreffenden) Hinweis darauf, daß der Vmer im Falle eines unrichtigen und unberechtigten Anerkenntnisses nur Ersatz seines Vertrauensschadens (negatives Interesse) verlangen könne. Deshalb sei der Hinweis von Wussow nicht schlüssig, der Ver werde durch den aus § 11 S. 1 AUB folgenden Zwang zur Erklärung genötigt, sich über die Sach- und Rechtslage mit der notwendigen Sorgfalt klarzuwerden, da eine endgültige Bindung aus dieser Erklärung im Falle der — von Wussow für zulässig gehaltenen — Korrektur der Erklärung nicht folge, vgl. hierzu die sehr verkürzten Ausführungen BGH a.a.O. S. 260-262 = VersR 1977 S. 474 1. Sp. oben. In dem vom BGH a.a.O. entschiedenen Fall hatte der Ver nach einem Pkw-Unfall, bei dem der Ehemann der Klägerin getötet worden war, außer der Entschädigung aus der Lebensv auch die Unfalltod-Zusatzv ausgezahlt. Die Möglichkeit, daß insoweit die Leistungspflicht des Vers wegen einer relevanten Bewußtseinsstörung des Vten ausgeschlossen sein könnte, war nicht in Betracht gezogen worden. 454

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 292

Als sich später herausstellte, daß der Vte wegen Trunkenheit absolut fahruntüchtig gewesen war, forderte der Ver die aufgrund der Zusatzv gezahlte Entschädigung zurück. Dieser Klage gibt BGH a. a. O. statt. Das vom Ver abgegebene „Anerkenntnis" stehe dem auf § 812 I 1 BGB gestützten RückZahlungsanspruch aus den vorgenannten Erwägungen nicht entgegen. [G 292] cc) Ablehnung der Leistung durch den Versicherer Erklärt der Ver gemäß § 11 S. 1 AUB, daß er die Leistung ablehne, so wird mit Zugang dieser Erklärung an den Anspruchsteller die Entschädigungsleistung fällig, wenn sie zu Unrecht abgelehnt worden ist, vgl. oben Anm. G 290. Die Bemerkung von Wussow AUB § 11 Anm. 4, S. 191, die Fälligkeit trete (nur) ein, wenn der Ver den Vsschutz dem Grunde nach ablehne oder der Höhe nach jedwede Leistung verweigere, bedarf der Präzisierung: Der Ver muß seine Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er seine Leistungspflicht anerkennt, grundsätzlich in eigener Verantwortung treffen. Er kann diese Entscheidung nicht vom Ärzteausschuß treffen lassen, denn dieser ist eine neutrale Instanz und trifft seine Entscheidung, soweit er hierzu gemäß § 12 AUB berufen wird, anstelle des ordentlichen Gerichts, in diesem Sinne auch Wussow AUB 4 § 12 Anm. 3, S. 195. Das gilt jedoch nur, soweit die Entscheidung über den Anspruch primär dem Ver zugewiesen ist in dem Sinne, daß er über Ablehnung oder Anerkennung zu befinden hat (§11 AUB). Dagegen ist der Ver befugt, den Ärzteausschuß von sich aus anzurufen, soweit er dies für die Uberprüfung der Voraussetzungen für die Leistungspflicht in den Fällen für erforderlich hält, in denen ihm eine abschließende Prüfung nicht möglich ist. Das gilt ζ. B. für die Zahlung von Tagegeld nach Abschluß der ärztlichen Behandlung (§ 8 III. (2) AUB). Dieser Anspruch setzt voraus, daß die Fortdauer der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit vom behandelnden Arzt bescheinigt wird (§ 8 III. (2) S. 1 AUB). Wird eine solche Bescheinigung vorgelegt, so kann der Ver sofort hiergegen die Entscheidung des Ärzteausschusses anrufen, so Wussow AUB 4 § 8 Anm. 13, S. 170. Lehnt der Ver eine Entschädigung ab aus Gründen, über die gemäß § 12 I. (1) AUB der Ärzteausschuß zu befinden hat, so wird die Leistung mit Zugang dieser Erklärung fällig, BGH a.a.O. S. 435. Mit Ablauf des Jahres beginnt sodann (§ 12 I W G ) die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs. Diese wird jedoch gehemmt (§ 202 BGB), wenn nunmehr der Anspruchsteller (Vmer) den Ärzteausschuß anruft, bevor die in § 12 I. (2) AUB und § 12 III W G genannte Sechsmonatsfrist abgelaufen ist, BGH 10. II. 1971 VersR 1971 S. 435. Entsprechendes gilt, wenn der Vmer gegen den Ver Klage mit dem Antrag erhebt, die Verpflichtung des Vers zur Herbeiführung der Entscheidung des Ärzteausschusses festzustellen, BGH a.a.O. S. 433 und 435. Daß die Verjährung bis zum Abschluß des Verfahrens des Ärzteausschusses gehemmt wird, ergibt sich aus der Erwägung, daß der Ver bis zu diesem Zeitpunkt berechtigt ist, seine Leistung zu verweigern (zurückzuhalten), BGH a. a. O. S. 435 unten. Die gemäß § 11 S. 1 AUB abgegebene Erklärung des Vers, daß er die Leistung ablehne, muß erkennen lassen, aufgrund welcher Erwägungen die Leistungspflicht abgelehnt wird. Denn die Erklärung des Vers ist ggf. Grundlage für die Anrufung des Ärzteausschusses durch den Vmer. Dieser muß nachprüfen können, in welchen Punkten über Art und Umfang der Unfallfolgen Meinungsverschiedenheiten bestehen oder ob der Ver der Auffassung ist, ein Unfallereignis im Sinne des § 2 ( 1 ) AUB liege nicht vor oder es sei für die geltend gemachte Gesundheitsschädigung nicht ursächlich geworden. Von dieser Erklärung des Vers hängt es ab, ob für eine Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nur eme Klage vor dem Gericht oder (wahlweise), vgl. Anm. G 298, auch der Ärzteausschuß in Betracht kommt, vgl. hierzu Wussow Wagner

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Anm. G 294

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

AUB 4 § 11 Anm. 1, S. 187-188. Eine Form ist für diese Erklärung des Vers nicht vorgeschrieben. Mündliche Erklärung würde genügen, ist aber in der Praxis unüblich, da sie dem Beweisinteresse beider Parteien nicht genügt. [G 293] 2. Verzug des Versichereis Der Ver gerät mit der Zahlung der Entschädigungsleistung in Verzug, wenn er die fällige (Anm. G 290) Leistung trotz Mahnung nicht erbringt und sich hierbei nicht in einem entschuldigenden Irrtum über die tatsächliche oder die Rechtslage befindet (§§ 284, 285 BGB). Verzug des Vers setzt grundsätzlich Mahnung voraus. Die Bestimmung des § 13(1) S. 1 AUB, wonach die Zahlung binnen zwei Wochen nach Feststellung erfolgt, hat keine Bestimmbarkeit der Leistungszeit im Sinne des § 284 II BGB zur Folge, Wussow AUB 4 § 13 Anm. 1, S. 215 und Prölss-Martin21 § 13 AUB Anm. 1, S. 1089 im Anschluß an (obiter) BGH 23. I. 1954 BGHZ Bd 12 S. 109 = NJW 1954 S. 509 = VersR 1954 S. 111. Praktisch bedeutsam ist die Frage nach einem Verzug des Vers indes nicht in dem Falle, daß seine Leistungspflicht positiv festgestellt wird. Der Ver wird die ihm hiernach obliegende Leistung fristgemäß erbringen. Die Frage, ob sich der Ver in Verzug befindet, ist von der Rechtsprechung für Fälle entschieden worden, in denen der Unfallver die Leistung vorläufig oder endgültig abgelehnt hatte: KG 5. II. 1936 JRPV 1936 S. 249-251 nimmt an, daß der beklagte Ver mit einer Teilsumme in Verzug geraten sei, weil er insoweit den Spruch der Ärztekommission nicht in gemäß § 184 maßgeblicher und erforderlicher Weise angegriffen habe — der Ver hatte den Spruch für unverbindlich gehalten. OLG Kiel 21. IX. 1936 JRPV 1937 S. 126-127 verneint Verzug des beklagten Vers, weil seine Ablehnung der Leistung auf der nicht vorwerfbaren Auffassung beruht habe, der Vte habe sich die Verletzungen selbst zugefügt. BGH 23. VI. 1954 VersR 1954 S. 388-389 billigt dem beklagten Ver zu, daß zunächst manches für die Annahme gesprochen habe, der Vte habe seinen Tod in selbstmörderischer Absicht herbeigeführt. Der Ver sei aber in Verzug geraten, nachdem sich diese Annahme auf Grund der Beweisaufnahme in erster Instanz als unrichtig erwiesen habe. Wegen entschuldigenden Irrtums des Vers (§ 285 BGB) über die Sach- oder Rechtslage vgl. im übrigen Bruck-Möller § 11 Anm. 18-26. Praktisch bedeutsam ist nur die Frage, ob der Ver Verzugszinsen schuldet, vgl. hierzu auch OLG Hamburg 19. VIII. 1966 VersR 1967 S. 679-680 und OLG Oldenburg 1. XII. 1977 VersR 1978 S. 439-440. [G 294] 3. AusschhiB und Verjährung des Anspruchs Lehnt der Ver eine Entschädigungsleistung ganz oder teilweise ab (Anm. G 292), so beginnt mit Zugang dieser Erklärung an den Anspruchsteller die sechsmonatige Ausschlußfrist gemäß §§ 12 I (2) und (3) AUB, 12 III W G . Nach ihrem Ablauf sind Ansprüche aus dem behaupteten Vsfall ausgeschlossen, soweit sie nicht vorher vom Ver anerkannt worden sind. Der Ausschluß bewirkt das Erlöschen des Anspruchs. Diesem steht nicht nur die Einrede der Verjährung entgegen, Einzelheiten bei BruckMöller § 12 Anm. 21. Die Ausschlußwirkung setzt voraus, daß der Ver den Anspruchsteller in seiner Ablehnungserklärung eindeutig und in klar verständlicher Weise auf die Rechtsfolgen des Fristablaufes hingewiesen hat, §§ 12 I. (3) S. 2 AUB, 12 III W G . Die Voraussetzungen der hiernach notwendigen Belehrung werden in BGH 25.1.1978 VersR 1978 S. 313—315 zusammenfassend dargestellt. Danach muß die Belehrung den Vmer (Anspruchsteller) klar und deutlich darüber aufklären, daß er durch bloßen Zeitablauf 456

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 294

seinen materiellen Vsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende geltend macht. Die Ausdrucksweise, daß der Anspruch e n d g ü l t i g verloren werde, muß nach dieser Entscheidung dem Ver empfohlen werden. Der hierdurch gegebene Hinweis ist nach BGH a.a.O. S. 314 r. Sp. so deutlich, daß er die möglicherweise als abschwächend zu deutende Formulierung, der Vmer werde „pflichtgemäß" belehrt, kompensiert. BGH a.a.O. S. 314—315 verwirft hier die im Schrifttum geäußerte Auffassung, daß die Belehrung unwirksam sei, wenn sie den Hinweis enthalte, daß die Frist (nur) bei gerichtlicher Geltendmachung vor dem zuständigen Gericht gewahrt werde. Das Schwergewicht der Belehrung liege bei der Rechtsfolge. Auf den drohenden Rechtsverlust durch Zeitablauf müsse eindeutig hingewiesen werden. Dagegen schreibe das Gesetz nicht vor, daß der Vmer im einzelnen darüber aufgeklärt werden müsse, wie er den Anspruchsverlust vermeiden könne. Hiernach sei es unschädlich, wenn der Vmer (ausschließlich) auf das „zuständige Gericht" verwiesen werde; schädlich dagegen, wenn weitere unrichtige und irreführende Hinweise gegeben würden, BGH a.a.O. S. 315-315. Zur Fristwahrung genügt es, daß die Klage vor einem sachlich oder örtlich nicht zuständigen Gericht erhoben und nach einem Verweisungsantrag, der auch nach Fristablauf noch fristwahrend gestellt werden kann, an das zuständige Gericht verwiesen wird, BGH 25.1. 1978 VersR 1978 S. 314 r.Sp. - Mit dieser - hier obiter geäußerten — vom BGH vollzogenen Klarstellung haben sich die hiervon abweichenden Auffassungen für die Praxis vorerst erledigt. Der Anspruchsteller (regelmäßig: Vmer) muß die Klage innerhalb der Sechsmonatsfrist erhoben haben. Dieser als Grundsatz formulierten Aussage stehen soviele Ausnahmen gegenüber, daß er nur noch als formale Regel gelten kann: Der Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides (§ 690 ZPO n.F.) wirkt fristwahrend, wenn die Zustellung demnächst erfolgt (§ 693 II ZPO n. F.). Entsprechendes gilt für die Einreichung der Klagschrift, § 270 III ZPO. Eine Teilklage wirkt nur insoweit fristwahrend, als der bezifferte Antrag reicht. Auch das gilt nur mit erheblichen Einschränkungen: Die Frist soll für den ganzen vorher erhobenen Anspruch gewahrt sein, wenn sich durch die Fassung der Teilklage für den Ver klar ergibt, daß er mit der Geltendmachung des ganzen Anspruchs zu rechnen hat und sich hierauf (Rückstellungen) einrichten kann, vgl. die Nachweise bei Bruck-Möller § 12 Anm. 36, S. 269-270 und KG 9. VI. 1961 VersR 1962 S. 31—33. Eine Feststellungsklage wirkt in gleicher Weise fristwahrend wie eine Leistungsklage, Bruck-Möller § 12 Anm. 36, S. 269 oben, nicht aber genügt ein Armenrechtsgesuch — insoweit zweifelnd Prölss-Martin21 § 12 Anm. 9, S. 135—136 — oder eine Streitverkündung (unstr.). Der Ver kann sich auf den Ablauf der Frist gemäß § 12 III W G (entsprechend § 12 I. (3) AUB) nicht berufen, wenn der Vmer die Frist ohne Verschulden versäumt hat, BGH 8. II. 1965 BGHZ Bd 43 S. 235-239 = VersR 1965 S. 425-426 = NJW 1965 S. 1137-1138 im Anschluß an Bruck-Möller § 12 Anm. 44. Hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der Fristwahrung als einer Obliegenheit nahestehend folgt das Gericht Reimer Schmidt, Obliegenheiten S. 253 und von Gierke, Versicherungsrecht II S. 156. Die hiervon abweichende Entscheidung OLG Hamburg 19.1. 1966 VersR 1966 S. 679—680, wonach der Einwand mangelnden Verschuldens gegenüber der als gesetzliche Frist anzusehenden Ausschlußfrist gemäß § 12 III W G nicht zulässig sei, ist hiernach überholt. Praktisch bedeutsam ist diese Frage nicht, weil die Ausschlußwirkung vielfach auf Grund unzureichender Belehrung oder auf Grund sonstiger Umstände verneint werden kann, wegen derer es dem Ver verwehrt wird, sich auf den Fristablauf zu berufen, vgl. die Nachweise bei Bruck-Möller § 12 Anm. 45. LG Münster 2. V. 1955 VersR 1955 S. 600 verneint hinreichende Exkulpation eines Vmers, der die Versäumung der Frist mit dem Hinweis begründet hatte, er sei Wagner

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Anm. G 295

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

unfallbehindert gewesen. — Sind mehrere Anspruchsteller berechtigt (ζ. B. Erben), so müssen Fristversäumung und ihre Wirkung für jeden von ihnen gesondert festgestellt werden, OLG Düsseldorf 24. VI. 1975 VersR 1975 S. 1020-1021. Bestreitet der Vmer, Ablehnung und Belehrung gemäß §§ 12 III 2 W G , 12 I. (3) AUB erhalten zu haben, so trifft die Beweislast den Ver, LG Bonn 18.1.1955 VersR 1955 S. 229-230. Entscheidet sich der Anspruchsteller (Vmer) für die Anrufung des Ärzteausschusses (§ 12 I. (2) AUB), so wahrt er die Sechsmonatsfrist durch (schriftliche, vgl. § 18 AUB) Erklärung gegenüber dem Ver, näheres unten Anm. G 299. Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Unfallvsvertrag, also auch die Ansprüche des Vmers auf Zahlung der Entschädigung, v e r j ä h r e n gemäß § 12 I W G in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung fällig geworden ist. Wegen der Einzelheiten ist, soweit sich für die Unfallv keine Besonderheiten ergeben, auf die Darstellung bei Bruck-Möller § 12 Anm. 2—19 zu verweisen. Bedeutsam für die Unfallv BGH 10. II. 1971 VersR 1971 S. 433-435: Die Klage des Vmers gegen den Ver auf Durchführung des Sachverständigenverfahrens unterbricht die Verjährung des Entschädigungsanspruchs nicht. Die in dieser Klage enthaltene Anrufung des Ärzteausschusses berechtigt aber den Ver, die Leistung bis zum Abschluß des Verfahrens nach § 12 AUB zurückzuhalten und bewirkt dadurch eine Hemmung der Verjährung des Anspruchs, über dessen Voraussetzungen der Ärzteausschuß befindet.

[G 295] 4. Geltendmachung des Anspruchs a) Klage des Versicherungsnehmers aa) Klagart Soweit sich der Entschädigungsanspruch nach Fälligwerden ohne besondere Schwierigkeiten beziffern läßt, wird der Anspruchsteller (regelmäßig: der Vmer) bei Leistungsverweigerung Zahlungsklage erheben. Sie herrscht vor bei Geltendmachung einer Todesfallentschädigung, die ohne weiteres aus dem Vertragsinhalt beziffert werden kann, ist aber auch geboten bei Geltendmachung von Krankheitskosten, deren Höhe sich aus den Belegen ergibt und überwiegt in der Praxis bei klageweiser Geltendmachung von Invaliditätsentschädigung, weil der Vte regelmäßig eine Vorstellung über den Grad seiner unfallbedingten Invalidität hat. Entsprechendes gilt für Tagegeld, Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld und Übergangsentschädigung, deren Bezifferung in der Regel nicht problematisch ist. Eine Feststellungsklage des Vmers kommt zunächst in Betracht, wenn sich die Parteien nicht um die Höhe des Entschädigungsanspruchs, sondern darüber streiten, ob überhaupt ein deckungspflichtiger Unfall stattgefunden hat. Hier besteht das besondere Rechtsschutzinteresse des Anspruchstellers im Sinne des § 256 ZPO schon deshalb, weil er den Prozeß von evtl. schwierigen Berechnungen der Entschädigung freihalten kann und auch angesichts der regelmäßig für die (positive) Feststellungsklage niedrigeren Streitwerte ein deutlich geringeres Kostenrisiko läuft. Dementsprechend erkennt KG 18. XII. 1940 JRPV 1941 S. 46-47 nach dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag der Klägerin, daß ein näher bezeichnetes Ereignis einen deckungspflichtigen Unfall dargestellt habe; BGH 13. VI. 1955 VersR 1955 S. 385 = VA 1955 S. 222-223 Nr. 107 hält eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten (Unfallver), dem Kläger (Vmer) aus der Unfallv Vsschutz zu gewähren, ohne nähere Begründung für zulässig. OLG Bremen 16. XII. 1956 VersR 1959 S. 842—844 hält offensichtlich den hilfsweise vom Vmer gestellten Feststellungsantrag, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm wegen eines bestimmten Unfalles Vsschutz zu 458

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VU. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 295

gewähren, für zulässig und begründet (a.a.O. S. 844). Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung, da er nicht auf Leistung klagen könne. Die für die Berechnung seines Anspruches notwendigen Feststellungen müsse der Ärzteausschuß treffen (insoweit ist die Entscheidung überholt, vgl. unten Anm. G 298). Andererseits sei die Ärztekommission nicht zur Entscheidung darüber berufen, ob überhaupt ein Vsfall gegeben sei. Es müsse deshalb zunächst verbindlich festgestellt werden, ob ein Unfall als Vsfall vorliege. OLG Celle 5. V. 1959 VersR 1959 S. 784-785 weist die Klage des Vmers auf Feststellung, daß durch den Unfall dauernde und völlige Arbeitsunfähigkeit eingetreten sei, ab. Das Gericht hält jedoch ersichtlich die Klagart für zulässig. OLG Düsseldorf 1. III. 1962 VersR 1962 S. 705-706 entscheidet über eine Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluß des Landgerichts gemäß § 148 ZPO. Die vom Vmer erhobene Klage auf Feststellung, daß die Beklagte im Rahmen der AVB zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei, welcher der Vten aus der Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines bestimmten Unfalles erwachsen sei und erwachsen werde, wird offensichtlich für zulässig gehalten. Das Gericht ist der Auffassung, daß den Parteien, wenn sie es versäumt haben, das obligatorische Sachverständigenverfahren vor Prozeßbeginn durchzuführen, analog § 356 ZPO eine Frist zur Anrufung des Sachverständigenausschusses zu setzen sei; hiergegen nimmt Wussow VersR 1962 S. 776-777 in zutreffender Weise Stellung. In anderen Fällen werden Feststellungsklagen vom Vmer deshalb erhoben, weil der Ver sich für berechtigt hält, wegen wirksamer Kündigung, wegen Rücktritts oder Anfechtung den Vsschutz für einen bestimmten Unfall zu verweigern. Eine solche Feststellungsklage hält KG 6. V. 1936 JRPV 1936 S. 3Ì8-319 für zulässig im Sinne des § 256 ZPO, weil der Ver den Vsvertrag als nichtig betrachtete. Für einen insoweit gleichliegenden Fall hält LG Bielefeld 30. IV. 1954 VersR 1954 S. 489-490 die Feststellungsklage nur insoweit für zulässig, als es um die Entschädigungspflicht nach einem bestimmten Unfall geht. Die Rechtsprechung läßt darüber hinaus auch Feststellungsklagen zu, die der Anspruchsteller mit dem Ziel erhebt, den Ver zum Betreiben des Sachverständigenverfahrens zu verpflichten. OLG Karlsruhe 8. IV. 1960 VersR 1960 S. 396 hält die Klage auf Feststellung, daß die Beklagte (Ver) verpflichtet sei, im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Vsverhältnisses die Durchführung des Sachverständigenverfahrens zu veranlassen, für zulässig und begründet. Daß eine Leistungsklage nicht erforderlich sei, wird mit der Erwägung begründet, daß die Beklagte als Ver auch einer nur festgestellten Verpflichtung nachkommen werde. BGH 10. II. 1971 VersR 1971 S. 433—435 hält die Klage auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten (Ver) für zulässig, über seinen Bescheid vom 20.1.1966 - Ablehnung einer Invaliditätsentschädigung — einen Ärzteausschuß entscheiden zu lassen. Das Gericht nimmt zur Zulässigkeit der Feststellungsklage auf die — nicht wiedergegebenen — Ausführungen des Berufungsgerichts Bezug und bemerkt zusätzlich, das Feststellungsinteresse des Klägers ergebe sich aus dem Verhalten des Beklagten, der es ablehne, über seinen Bescheid die Entscheidung des Ärzteausschusses herbeizuführen. - Der wahre Grund für die Zulassung der Feststellungsklage in diesen Fällen dürfte darin liegen, daß ein Leistungsantrag mit vollstreckungsfähigem Inhalt nur schwer formuliert werden könnte. Er müßte alle Verhaltensweisen des Beklagten aufzählen, die dieser nach Sachlage gemäß § 12 II. (2) a AUB schuldet. Möglicherweise ist dem Vmer auch nicht im einzelnen bekannt, welche Unterlagen beim Ver inzwischen erwachsen und gemäß § 12 II. (2) AUB dem Ärzteausschuß vorzulegen sind. In einem solchen Falle müßte er vorher auf Auskunft klagen. Hier bietet die Feststellungsklage den leichteren Weg. OLG Karlsruhe 8. IV. 1960 VersR 1960 S. 396 ist darin zuzustimmen, daß sich der Ver an eine rechtskräftig festgestellte Verpflichtung halten wird. Wagner

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Anm. G 297

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

[G 296] bb) örtliche Zuständigkeit Nach § 19 AUB ist für Rechtsstreitigkeiten aus dem jeweiligen Vsvertrag neben den gesetzlich zuständigen Gerichten das Gericht des inländischen Wohnsitzes des Vmers (örtlich) zuständig. Diese zugunsten des Vmers wirkende Klausel ist in den AVB für Allgemeine Unfallv seit 1920 enthalten. Ihre Bedeutung ist infolge der Änderung der Vorschriften über Gerichtsstandvereinbarungen (§§ 29, 38 ZPO) durch das Gesetz zur Änderung der Zivilprozeßordnung vom 21. III. 1974 (BGBl. I S. 753) gering geworden. Nach § 38 n.F. ZPO sind Gerichtsstandvereinbarungen grundsätzlich nur noch unter Vollkaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Sondervermögen zulässig. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) kann nur noch von den vorstehend genannten Parteien kraft Vereinbarung begründet werden, § 29 II ZPO n.F.. Diese gesetzliche Regelung bewirkt für diejenigen AVB, in denen ein Gerichtsstand zugunsten des Vmers kraft Vereinbarung bestimmt wird, das Gegenteil dessen, was bezweckt worden ist: Der Vmer muß grundsätzlich seinen Entschädigungsanspruch vor demjenigen Gericht geltend machen, das für den Ver örtlich zuständig ist. Hierfür kommen nach der Änderung der ZPO die durch §§ 17, 21, 22 und 29 ZPO sowie der besondere Gerichtsstand des § 48 W G in Betracht. Insoweit wird auf die Ausführungen bei Bruck-Möller § 48 Anm. 6—14 und 20—26 verwiesen.

[G 297] b) Anrufung des Ärzteausschusses aa) Allgemeines In der Unfallv setzt die Feststellung einer Entschädigungspflicht des Vers voraus, daß Art und Ausmaß einer Gesundheitsschädigung beurteilt und in Zweifelsfällen zu der Frage Stellung genommen wird, ob eine Gesundheitsschädigung oder der Tod (adäquate) Folge eines Unfallereignisses ist. Die hierfür notwendigen tatsächlichen Feststellungen fallen in erster Linie in die Zuständigkeit eines medizinischen Sachverständigen. Nur er kann beurteilen, in welchem Ausmaß die Arbeitsfähigkeit des Vten durch die als Folge eines Unfallereignisses festgestellte Gesundheitsschädigung bedingt ist. Dabei hat er die Fälle sog. Unfallneurosen (§ 10 (5) AUB) und sonstige Krankheitserscheinungen aus der Beurteilung auszuklammern, die unabhängig vom Eintritt des Unfallereignisses sind oder nur gemeinsam mit dem Unfallereignis für den Gesundheitszustand des Vten verantwortlich sind (vgl. § 10 (1) AUB). Dementsprechend ist es in der privaten Unfallv seit jeher üblich, diese Feststellungen einer Kommission von Ärzten oder — wie z. B. in der Volks-Unfallv — einem einzelnen Arzt als Sachverständigen zuzuweisen. So sollte z.B. nach § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Verbands-Bedingungen von 1904 eine Kommission von drei Ärzten über die Fragen entscheiden, „ob Tod oder Invalidität und in welchem Grade die letztere durch den Unfall verursacht worden" seien. Die AVB von 1910 sahen in § 11 Abs. 3 vor, daß bei Ablehnung des Entschädigungsbegehrens durch den Ver auf Antrag des Vmers eine Ärztekommission darüber zu entscheiden habe, „ob der Tod oder die Invalidität und in welchem Grade die letztere, soweit dieser Grad nicht schon nach den Bestimmungen des § 10 ohne weiteres als festgestellt gilt, ob und in welchem Grade und auf welche Zeit die Arbeitsunfähigkeit des Verletzten während der ärztlichen Behandlung durch den Unfall verursacht worden ist, ferner über den Grad der Gebrauchsfähigkeit nur teilweise verlorener, verstümmelter oder gelähmter Körperteile, sowie über die Frage, ob und mit welchem Tage die ärztliche Behandlung als beendet anzusehen ist, endlich ob und in welchem Verhältnisse hierbei Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt haben". Diese Bestimmung wurde in den AVB von 1920 durch Einführung der 460

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 299

Gliedertaxe in § 11 darstellerisch vereinfacht. Die Vorschrift über die Ärztekommission in § 13 entspricht weitgehend der heutigen Fassung des § 12 AUB. Anläßlich eines Genehmigungsverfahrens vor der Aufsichtsbehörde über die Neufassung von Besonderen Bedingungen für die Unfall-Zusatzv entschied die Beschlußkammer des Bundesaufsichtsamtes am 6. XII. 1957 VA 1958 S. 35-37 Nr. 180, daß es aus grundsätzlichen Erwägungen erforderlich sei, sowohl dem Vmer als auch dem Ver das Wahlrecht einzuräumen, ob der Ärzteausschuß oder das ordentliche Gericht angerufen werden solle, wenn das Vsunternehmen die Leistung deshalb abgelehnt habe, weil der Tod nicht oder nicht in vollem Umfange auf den Unfall zurückzuführen sei. Die von der Antragstellerin gegen diesen Beschluß des Bundesaufsichtsamtes erhobene Klage wurde durch BVerwGE 22. XI. 1960 VersR 1961 S. 145 abgewiesen. Angesichts dieser Entwicklung verzichteten die Unfallver im Verfahren zur Genehmigung der AUB von 1961 in eigener Sache auf die Einleitung eines neuen Beschlußkammerverfahrens beim Bundesaufsichtsamt; vgl. hierzu die Bern, von Grewing, Entstehungsgeschichte, S. 50-52. Demzufolge heißt es in § 12 I. (2) S. 2 AUB, daß Ver und Vmer bis zum Ablauf der im vorangegangenen Satz genannten Frist (6 Monate) verlangen könnten, daß anstelle des Ärzteausschusses die ordentlichen Gerichte entscheiden. In einem solchen Falle kann der Vmer nur Klage erheben (§ 12 I. (2) S. 3 AUB). [G 298] bb) Wahlrecht zwischen Gericht und Ärzteausschuß Lehnt der Ver gemäß § 11 S. 1 AUB die Zahlung einer Entschädigung ab, so kann und muß sich der Vmer binnen 6 Monaten nach Zugang dieser Erklärung darüber im klaren werden, ob er gegen den Ver Klage erheben oder — unter den Voraussetzungen des § 12 I. (1) AUB - die Entscheidung eines Ärzteausschusses beantragen will. Nach Ablauf dieser Frist ist der Vmer gemäß § 12 III W G mit seinem Anspruch ausgeschlossen (vgl. Anm. G 294). Durch Klagerhebung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist übt der Vmer sein Wahlrecht gemäß § 12 I. (2) AUB aus. Sein Recht, anstelle des Gerichts den Ärzteausschuß anzurufen, hat er damit verloren. Zweifelhaft ist, ob der Ver sich entsprechend dem Wortlaut des § 12 I. (2) S. 2 AUB noch für das ordentliche Gericht entscheiden kann, nachdem der Vmer bereits wirksam den Ärzteausschuß angerufen hat. Nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift steht dieses Recht dem Ver bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist zu. Mit Wussow AUB 4 § 12 Anm. 4, S. 196197 und Stiefel-Wussow-Hofinann AKB 10 § 20 Anm. 3, S. 732-733 ist anzunehmen, daß dieses Recht dem Ver nicht mehr zusteht, nachdem der Vmer wirksam den Ärzteausschuß angerufen hat: Die für beide Parteien bestehende Möglichkeit, das ordentliche Gericht anstelle des Ärzteausschusses anzurufen, ist, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Neufassung der AVB ergibt, nur zugunsten des Vmers in die AVB übernommen worden: Ihm sollte die Möglichkeit der Wahl gegeben werden. Demgegenüber hat es nur untergeordnete Bedeutung, daß auch dem Ver ein solches Wahlrecht zugestanden worden ist. Überdies ist es für den Ver zumutbar, nach Ablehnung des Entschädigungsanspruchs seine Wahl so rechtzeitig zu treffen, daß ihm der Vmer nicht mehr zuvorkommen kann, so überzeugend Wussow a. a. O. und StiefelWussow-Hofmann a.a.O..

[G 299] cc) Berufung und Zusammensetzung des Ärzteausschusses Lehnt der Ver die begehrte Entschädigungsleistung mit der Begründung ab, daß Art und Umfang der vom Vmer behaupteten Gesundheitsschäden nicht bestünden oder daß sie nicht oder nicht in vollem Umfang auf einen deckungspflichtigen Vsfall Wagner

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Amn. G 299

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

zurückzuführen seien (§ 12 I. (1) AUB), so entscheidet über diese Fragen auf Antrag des Vmers ein nach den AUB aus drei Ärzten bestehender Ausschuß. Der Vmer muß die Entscheidung des Ärzteausschusses binnen 6 Monaten, nachdem ihm die Ablehnungserklärung des Vers gemäß § 11 S. 1 AUB zugegangen ist, beantragen. Wussow AUB 4 § 12 Anm. 3 bezeichnet diesen Antrag als Willenserklärung des Vmers, die dem Ver innerhalb der Sechsmonatsfrist zugegangen sein muß. Dem ist hinzuzufügen, daß diese Willenserklärung verfahrensrechtlicher Art ist, weil der Vmer durch sie das ihm gemäß § 12 I. (2) S. 2 AUB zustehende Recht ausübt, insoweit zwischen Ärzteausschuß und ordentlichem Gericht zu wählen (oben Anm. G 298). Dem Antrag folgt die Benennung des Schiedsgutachters durch jede Partei, § 12 II. (1) a AUB. Die Benennung ist die Namhaftmachung des Sachverständigen durch Ver oder Vmer, vgl. Asmus in: Festschrift für Göbbels, Karlsruhe 1964, S. 19. Wussow AUB 4 § 12 Anm. 11, S. 204 hält auch diese Benennung für eine Willenserklärung, für die, soweit es sich um die Erklärung des Vmers handelt, § 18 AUB anwendbar sei. Asmus a.a.O. verneint den Charakter dieser Erklärung als Willenserklärung und vergleicht sie mit einer Mitteilung gemäß § 171 BGB oder einer Anzeige gemäß § 409 BGB. Er charakterisiert sie als geschäftsähnliche Handlung, die durch ihre die benennende Partei bindende Kraft mit der Wirkung einer Willenserklärung ausgestattet sei. Die Frage nach der Formbedürftigkeit im Sinne des § 18 AUB ist praktisch nicht bedeutsam. Mit Recht schließt Wussow AUB 4 § 12 Anm. 10, S. 204 aus der neueren Rechtsprechung zu Hinweis- und Belehrungspflichten des Vers gegenüber dem Vmer, daß der Ver gehalten sei, den Vmer darüber aufzuklären, innerhalb welcher Fristen und in welcher Form der Vmer seine Rechte zu wahren habe. Von der Benennung des Gutachters durch Erklärung gegenüber der anderen Partei ist die Ernennung des Gutachters zu unterscheiden. Sie bezeichnet den Abschluß eines schuldrechtlichen Vertrages durch Vmer oder Ver einerseits mit dem von ihm benannten medizinischen Sachverständigen andererseits, vgl. auch hierzu Asmus a. a. O. S. 19. Der schuldrechtliche Vertrag kann weder als reiner Dienstvertrag gemäß §611 BGB noch als Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB eingeordnet werden. Zwar müssen die Gutachter u. U. über längere Zeit tätig werden, und sie schulden auch nicht das als Ergebnis ihrer gemeinsamen Tätigkeit zu erstellende Gutachten jeder allein. Gleichwohl liegt die Einordnung der von ihnen geschuldeten Leistung als Werk im Sinne des § 631 BGB näher. Denn ihre Tätigkeit ist primär auf den Erfolg — anteilige Mitwirkung an der Herbeiführung des Gutachtens — gerichtet. Dagegen passen die Regeln über die Nachbesserung (§ 633 BGB) und auch das sonstige Mängelrecht des Werkvertrages für ihre Leistung nicht; vgl. unten Anm. G 302—303 und zum ganzen Asmus in Festschrift für Göbbels, Karlsruhe 1964, S. 17—19. Der Einordnung des mit den Gutachtern geschlossenen Vertrages als contractus sui generis (Asmus a.a.O. S. 18) ist zu folgen. Praktische Bedeutung hat diese Einordnung, soweit ersichtlich, bisher nicht erhalten. Art und Gegenstand der von den Sachverständigen geschuldeten Leistung ergeben sich, nachdem eine umfangreiche Rechtsprechung hierzu ergangen ist (Überblick Anm. G 304), aus der in der Praxis beobachteten tatsächlichen Übung, die im Sinne des § 157 BGB als Verkehrssitte bezeichnet werden kann. Wussow AUB 4 § 12 Anm. 8, S. 201 führt aus, es entspreche der Auffassung der Parteien, daß das von jeder Partei benannte Mitglied der Kommision in erster Linie die Interessen der Partei vertreten solle, die das Kommissionsmitglied benannt habe. Zwar sei es an Weisungen der Partei nicht gebunden, durch die Übernahme der Stellung als Schiedsgutachter entfalle eine etwa vorher bestehende Abhängigkeit von der Partei, der Schiedsgutachter sei zu einer objektiven Begutachtung verpflichtet. Es werde aber von ihm erwartet, daß er im wesentlichen die Gesichtspunkte herausstelle, die zugunsten der hinter ihm stehenden Partei sprächen. Eine vertragliche Beziehung 462

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 299

des Schiedsgutachters zu derjenigen Partei, die ihn nicht benannt habe, bestehe nicht. Dem entspricht die Stellungnahme von Doelker JRPV 1937 S. 225-229 (228). Hiergegen weist Asmus a.a.O. S. 18 zutreffend auf den Zweck des Sachverständigenverfahrens hin: Es solle aufgrund gesicherten vsmedizinischen Wissens und ärztlichen Erfahrungsgutes über Art und Umfang der Unfallfolgen oder darüber, ob und in welchem Umfang der eingetretene Schaden auf den Vsfall zurückzuführen sei, eine objektive Entscheidung treffen. Asmus verweist in diesem Zusammenhang auf RG 18. VI. 1915 RGZ Bd 87 S. 190-196 (194), wo für einen (nicht vsrechtlichen) Fall das Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen dem von einer Partei benannten Gutachter und der Gegenpartei bejaht wird. Asmus a.a.O. S. 19 bejaht eine vertragliche Verpflichtung jedes Gutachters auch zugunsten derjenigen Partei, die ihn nicht benannt hat, nach den Grundsätzen eines Vertrages zugunsten Dritter (unter Hinweis auf ein Rechtsgutachten von Möller, vgl. Fußn. 31 und 24). Dem ist zu folgen. Daraus ergibt sich, daß der Gutachter auch der „Gegenpartei" vertraglich für sorgfältige Ausführung des Gutachterauftrages haftet. Eine schnelle Durchführung des Sachverständigenverfahrens liegt im Interesse des Vmers, dessen Entschädigungsverlangen vom Ver abgelehnt worden ist. Andererseits hat der Ver, nachdem der Vmer wirksam die Entscheidung des Ärzteausschusses beantragt hat, nunmehr ebenfalls ein Interesse an möglichst schneller und reibungsloser Durchführung des Sachverständigenverfahrens, um die Regulierung abzuschließen. Die Regelung des § 12 II. (1) AUB ermöglicht beiden Parteien, der Verzögerung des Verfahrens durch die Gegenpartei zu begegnen: Jede Partei hat das Recht, die jeweils andere unter Fristsetzung aufzufordern, ihren Gutachter zu benennen (§12 II. (1) b AUB). Kommt die aufgeforderte Partei diesem Verlangen nicht innerhalb der Frist von 1 Monat nach, so wird „ihr" Gutachter auf Antrag der anderen Partei vom Vorsitzenden der Ärztekammer des letzten inländischen Wohnsitzes des Vten (§ 12 II. (1) a S. 3 AUB) benannt. — Die AUB sprechen a.a.O. Lit. b a.E. davon, daß dieses Ausschußmitglied e r n a n n t werde, das ist unrichtig: Dem Vorsitzenden der Ärztekammer steht lediglich die Namhaftmachung zu, wie dies in § 12 II. (1) a AUB zutreffend ausgedrückt wird. Auch der durch Namhaftmachung seitens des Vorsitzenden der Ärztekammer ausgewählte Sachverständige wird aufgrund schuldrechtlichen Vertrages mit derjenigen Partei tätig, die ihn hätte ernennen müssen. Deshalb muß angenommen werden, daß er als von seiner, d.h. für seine Ernennung zuständigen Partei als ernannt gilt. Diese Annahme setzt voraus, daß die Gegenpartei, die die Benennung durch den Vorsitzenden der Ärztekammer veranlaßt, auch das Recht hat, diesen Sachverständigen zu e r nennen, und zwar als Vertreter der Gegenpartei, die die Ernennung trotz Fristsetzung versäumt hat. Die entsprechende Vertretungsmacht (Vollmacht) steht der Gegenpartei kraft vertraglicher Vereinbarung, nämlich der Regelung in § 12 II. (1) b AUB zu. Ohne eine solche Annahme der Vertretungsmacht der Gegenpartei wäre die hier vorgesehene Regelung nicht durchführbar. Die von den beiden Parteien des Vsvertrages ernannten Gutachter „wählen" einen Obmann. Diese Wahl hat ebenfalls eine verfahrensrechtliche und eine schuldrechtliche Seite: Soweit der Obmann durch gemeinsame Erklärung der von den Parteien benannten Ärzte berufen wird, handelt es sich um eine rechtsgestaltende Erklärung dieser Ärzte, durch die der Dritte, vorausgesetzt, daß er die Wahl annimmt, Mitglied des Ärzteausschusses in der Funktion des Obmannes wird. Den Schiedsgutachtervertrag mit dem Obmann schließen die Ärzte der Parteien als Gesamtvertreter in deren Namen, vgl. Asmus, Festschrift für Göbbels, Karlsruhe 1964, S. 19 mit Nachweisen in Fußn. 33. Die von den Parteien benannten Ärzte sind beauftragt^ den Obmann nach Maßgabe des § 12 II. (1) a AUB zu wählen. Hiernach sind sie Wagner

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Anm. G 300

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

verpflichtet, als Obmann einen auf dem Gebiet der Unfallbegutachtung erfahrenen Arzt zu wählen, der nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer der Parteien steht. — Einigen sich die von den Parteien gewählten Ärzte nicht binnen eines Monats über den Obmann, so wird dieser auf Antrag einer Partei von dem Vorsitzenden der für den letzten inländischen Wohnsitz des Vten zuständigen Ärztekammer benannt (§ 12 II. (1) a S. 3 AUB).

[G 300] dd) Verfahren und Entscheidung des Ärzteausschusses Die AUB geben den Schiedsgutachtern für das von ihnen zu beobachtende Verfahren in § 12 II. (2) AUB nur einen Rahmen. Die Verfasser der AUB haben diese Bestimmung gleichsam nur als Hinweis verstanden und ihnen keine erhebliche Bedeutung beigemessen: Sie wollten ursprünglich die Bestimmungen über Zusammensetzung und Verfahren des Ärzteausschusses aus den AVB ausklammern und in einer geschäftsplanmäßigen Erklärung des Vers gegenüber dem Aufsichtsamt zusammenfassen, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 52—53. Diese Einschätzung der Bedeutung der Verfahrensregeln zu dem Schiedsgutachterausschuß entspricht der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung, wonach seit jeher (auch) Verfahrensfehler nur unter dem Gesichtspunkt einer nach § 184 W G zu vollziehenden, d. h. auf den Inhalt des Gutachtens bezogenen Kontrolle zu beurteilen sind, Einzelheiten unten Anm. G 303, zur Kritik Asmus ZVersWiss 1962 S. 218—221, vgl. im übrigen Krebs VersR 1966 S. 414, Wussow AUB 4 § 12 Anm. 14-15 und Sieg ZVersWiss 1942 S. 48-53. Es ist zu begrüßen, daß die AUB von 1961 die Aufzählung einiger Verfahrensgrundsätze beibehalten haben. Aus ihnen ergibt sich ein Indiz dafür, welche Grundsätze die sachverständigen Verfasser der AUB zur Herbeiführung eines sachgerechten Gutachtens für unerläßlich gehalten haben. Hiernach wird der Ablauf des Verfahrens, nämlich Ort und Zeit des Zusammentretens des Ausschusses, der Umfang seiner für die Entscheidung für erheblich gehaltenen Ermittlungen (Beiziehung weiterer ärztlicher Gutachten) sowie die Einziehung ergänzender Informationen von den Parteien des Vsvertrages in die Entscheidung des Obmannes gestellt (§ 12 II. (2) b S. 1 AUB). Daß den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren ist, wird mehrfach zum Ausdruck gebracht: Den Parteien ist eine Woche vor dem Termin zum Zusammentritt des Ausschusses Nachricht zu geben, in der Sitzung ist der Vte — soweit möglich - zu hören und erforderlichenfalls zu untersuchen. Das ist - über den Bedingungstext hinaus dahingehend zu ergänzen, daß die Mitglieder des Ausschusses alle von den Parteien des Vsvertrages für wesentlich gehaltenen Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrem Gutachten — soweit hierfür relevant — zu berücksichtigen haben. Die Entscheidung des Ärzteausschusses wird, wie die hierzu veröffentlichten Entscheidungen zeigen, in der Mehrzahl der Fälle einstimmig getroffen (vgl. die unten Anm. G 304 zitierten Entscheidungen). Es ist für die Praxis geklärt und selbstverständlich, daß eine einstimmige Entscheidung nicht erforderlich ist. Ein solches Erfordernis würde den Ärzteausschuß nicht selten unfähig machen, eine Entscheidung zu treffen. Deshalb kann es als heute unbestritten gelten, daß eine Mehrheitsentscheidung für den Spruch des Ärzteausschusses genügt, vgl. Asmus ZVersWiss 1962 S. 211-212, Sieg ZVersWiss 1942 S. 51, Wussow AUB 4 § 12 Anm. 14, S. 208-209 sowie die unten Anm. G 304 nachgewiesenen Entscheidungen. Die Entscheidung ist nach § 12 II. (2) c AUB schriftlich zu begründen und vom Obmann zu unterzeichnen. Die AVB verlangen seit 1961 nicht mehr die „Beurkundung" durch den Obmann. Ein erheblicher Unterschied ergibt sich hieraus nicht: 464

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 300

Beurkundung in diesem Sinne war die Angabe von Ort und Zeit der Entscheidung durch den Obmann und dessen Unterschrift, vgl. Wüstney § 13 Anm. 5, S. 68. Dem Erfordernis der schriftlichen Begründung ist genügt, wenn ihr Text erkennen läßt, welche Befunde erhoben und aufgrund welcher Überlegungen die Entscheidung über die Ursächlichkeit eines Unfallereignisses für den erhobenen Befund gefunden worden ist. Das bedeutet: Die Begründung muß eine Überprüfung des Gutachtens durch das Gericht nach Maßgabe des § 184 W G ermöglichen. Hierdurch wird eine Bezugnahme auf von der Kommission eingeholte oder sonst verwertete andere Gutachten nicht ausgeschlossen. Diese Gutachten müssen allerdings schriftlich vorliegen und der Begründung beigefügt werdem. Sie werden kraft der Bezugnahme Bestandteil der Entscheidung der Ärztekommission. Diese Entscheidung wird auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie auslegungsbedürftig ist, sofern nur eine — nicht schwierige - Auslegung möglich ist. So ermittelt OLG Hamm 25. VI. 1951 VersR 1951 S. 258—259 den von der Kommision angenommenen Invaliditätsgrad aus einer Bezugnahme auf ein Gutachten einer psychiatrischen Klinik. Das Gericht hält es auch für unschädlich, daß die Kommission nach dem Wortlaut ihrer Entscheidung nicht nur über die Invalidität als Unfallfolge, sondern über den geltend gemachten Anspruch überhaupt entscheidet. Aus dem Inhalt der Begründung sei ohne Schwierigkeiten zu entnehmen, welcher Invaliditätsgrad als Unfallfolge festgestellt worden sei. Das Gutachten muß auch nicht die ganze Krankheitsgeschichte wiederholen, vgl. hierzu Dem in seiner Anm. VersR 1951 S. 259 mit weiteren Hinweisen und OLG Breslau 20. IX. 1937 JRPV 1938 S. 93. Die Entscheidung des Ärzteausschusses enthält keine Entscheidung über die Kosten des Sachverständigenverfahrens. Die Gutachter haben gegenüber den Parteien einen Honoraranspruch aus der Ernennung, und zwar die von den Parteien be- und ernannten Gutachter jeweils gegen „ihre" Partei, der Obmann kann sein Honorar gemäß § 421 BGB von beiden Parteien verlangen, sie haften ihm aus gemeinsamer Bestellung gesamtschuldnerisch gemäß § 427 BGB, oben Anm. G 299. In der Praxis wird das Honorar der Gutachter üblicherweise vom Ver vorschußweise an die Mitglieder des Ärzteausschußes geleistet. Neben dem Honoraranspruch steht den Gutachtern gemäß §§ 675, 670 BGB Ersatz ihrer Aufwendungen zu, ζ. Β für die Einholung fachärztlicher Zusatzgutachten, Fahrtkosten usw. Auch diese Kosten werden regelmäßig vorschußweise — über den Obmann des Ausschußes — zunächst vom Ver liquidiert. Die Kostenregelung des § 12 II. (3) AUB - entsprechend § 20 (4) AKB - ist deshalb in der Praxis bedeutsam für die Frage, unter welchen Umständen und inwieweit der Ver beim Vmer wegen der verauslagten Kosten Regreß nehmen kann. Ein solcher Anspruch setzt dem Grunde nach voraus, daß die Entscheidung des Ärzteausschußes dem Vmer nicht mehr zuspricht, als ihm der Ver vor Durchführung des Verfahrens angeboten hatte, § 12 II. (3) S. 1 und 2 AUB. Der Höhe nach ist dieser Regreßanspruch begrenzt (§ 12 II. (3) S. 3 AUB): Bei einem vom Ärzteausschuß entschiedenen Streit über Voraussetzungen der Invaliditäts- oder Todesfallsumme bis zu 2% dieser Summe, bei einer Entscheidung zu Heilkostenersatz oder Übergangsentschädigung bis zu 10% der vten Summe, wenn (nur) Tagegeld strittig war, bis zum 20fachen, wenn nur Krankenhaustagegeld strittig war, bis zum lOfachen Betrag des vten Krankenhaustagegeldes. Geht der Streit um mehrere Leistungen (Entschädigungsarten), so hat der Vmer die Kosten ebenfalls nur bis höchstens 2% der vten Invaliditäts- oder Todesfallsumme zu tragen. Die Kosten eines von den Parteien zugezogenen Rechtsanwalts gehören nicht zu den Kosten des Sachverständigenverfahrens im vorgenannten Sinne, LG Stuttgart 26. VI. 1959 VersR 1959 S. 749-750, ihm folgend LG Regensburg 19. V. 1971 VersR 1972 30

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. G 301

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

S. 338-339, ebenso Wussow AUB 4 § 12 Anm. 17 S. 213, Stiefel-Wussow-Hofmann AKB 1 0 § 20 Anm. 6, S. 735-736, Prölss-Martin § 12 AUB Anm. 6, S. 1088 und Pienitz-Flöter AKB 4 § 20 Anm. E mit Fußn. 23. [G 301] ee) Gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Ärzteausschusses aaa) Allgemeines Dem Ärzteausschuß sind Aufgaben zugewiesen, die nebeneinander medizinische und juristische Feststellungen und Schlußfolgerungen voraussetzen, ohne daß diese Bereiche stets klar voneinander zu trennen sind. Für die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des Ärzteausschusses ist die Abgrenzung der medizinischen von der juristischen Beurteilung wesentlich und notwendig, weil die Feststellung einer offenbar erheblichen Abweichung von der wirklichen Sachlage sich für den medizinischen Teil des Spruches aus anderen Erwägungen ergibt als für den juristischen. Ausschließlich medizinische Arbeit leistet der Ärzteausschuß, indem er den Befund erhebt (Art und Umfang der Unfallfolgen) und insoweit auch prognostisch tätig wird, indem er aus medizinischer Sicht und Erfahrung beurteilt, ob, inwieweit und gegebenenfalls innerhalb (mutmaßlich) welchen Zeitraums vollständige oder teilweise Wiederherstellung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. In allen anderen Zusammenhängen wird der Ärzteausschuß zugleich medizinisch und juristisch tätig: Das gilt zunächst für die praktisch bedeutsamen Fälle, in denen aus dem ärztlichen Befund auf Grad und Dauer der Arbeitsunfähigkeit geschlossen wird. Dabei stellt die unterschiedliche Verwendung der Begriffe Invalidität und Arbeitsunfähigkeit nach dem Lebenssprachgebrauch und in § 8 AUB sowie der für die einzelnen Entschädigungsleistungen ebenfalls nicht einheitlich verwendete Begriff dauernder und vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (unten Anm. G 305) den Ausschuß vor erhebliche (juristische) Erkenntnisprobleme. Juristisch und medizinisch urteilt der Ärzteausschuß auch, soweit er sich zu der Frage äußern muß, ob und inwieweit Gesundheitsschädigung oder Tod Folge eines Unfallereignisses sind. Hier muß der Ärzteausschuß nicht nur auf medizinische Erkenntnismittel, sondern auch auf die juristische Lehre von der adäquaten Kausalität zurückgreifen. Ein deutlicher Verstoß gegen die Erkenntnismethoden der einen oder anderen Disziplin macht das Gutachten fehlerhaft im Sinne § 184 I. Die Aufgabe des Ärzteausschusses besteht in einer tatsächlichen Feststellung. Das steht außer Zweifel, soweit der Befund erhoben, d. h. Art und Ausmaß der Gesundheitsschädigung festgestellt wird, gilt aber auch, soweit der Ausschuß Subsumtionstätigkeit leistet, etwa indem er auf Grund der festgestellten Gesundheitsschädigung — unter Einbeziehung der Prognose — das Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit folgert. Durch diese auf Feststellung beschränkte Tätigkeit unterscheidet sich der Gutachter gemäß §§ 12 AUB, 20 AKB grundlegend von dem in §§ 317-319 BGB genannten Schiedsgutachter, der nicht feststellend, sondern entscheidend tätig wird. Der Gutachter nach §§ 12 AUB, 20 AKB spricht nur aus, was tatsächlich ist, nicht aber, was sein soll, er ergänzt auch nicht den Vsvertrag, sondern stellt nur fest, ob die vertragsgemäß vorausgesetzten Tatsachen gegeben sind, in diesem Sinne zutreffend Asmus ZVersWiss 1962 S. 225 m.N., im gleichen Sinne Sieg ZVersWiss 1942 S. 41. Dieser Unterscheidung entspricht die Ausgestaltung der gerichtlichen Überprüfung: Die unmittelbar rechtsgestaltende Erklärung des Schiedsgutachters gemäß §§ 317, 319 BGB wird als Wertentscheidung (normativ) überprüft („offenbar unbillig"), während die Kontrolle nach §§ 64, 184 W G Tatsachen miteinander vergleicht, nämlich die vom Ausschuß festgestellten mit der „wirklichen Sachlage". Die Vorschriften der §§ 64, 184 W G sind deshalb nicht leges specialis gegenüber §§ 317-319 BGB, sie 466

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 302

betreffen einen ganz anderen Sachverhalt, und es ist allenfalls zu fragen, ob die vsrechtliche Regelung durch entsprechende Anwendung der §§ 3 1 7 - 3 1 9 BGB ergänzt werden kann. So kann z.B. § 318 II BGB analog angewendet werden, wenn der Obmann auf Grund Irrtums, Täuschung oder Drohung eine andere Entscheidung schriftlich niederlegt, als sie tatsächlich vom Ausschuß getroffen worden ist, Asmus ZVersWiss 1962 S. 229.

[G 302] bbb) Inhaltsmängel Die in § 184 I 1 vorgesehene Überprüfung des Spruches der Ärztekommission beschränkt sich auf dessen Inhalt, der dort als „Feststellung" bezeichnet wird. Die Voraussetzungen einer erheblichen Abweichung im Sinne dieser Vorschrift sind gegeben, wenn die Feststellungen des Gutachtens zur Zeit ihrer Vornahme von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen und dies einem Sachverständigen bei unparteiischer und gewissenhafter Prüfung deutlich erkennbar war, RG 7. VII. 1938 JRPV 1938 S. 262—263 und ständig. Diese Voraussetzungen werden in der Rechtsprechung in der geringeren Zahl der entschiedenen Fälle als gegeben anerkannt oder (vom Revisionsgericht) für möglich gehalten: RG 7. VII. 1938 JRPV 1938 S. 2 6 2 - 2 6 3 hebt das Berufüngsurteil auf und verweist zurück, weil den Mitgliedern der Ärztekommission möglicherweise die notwendige Sachkunde gefehlt habe; dem Vortrag des Klägers (mit Beweisantritt), ein Facharzt wäre zu einem anderen Ergebnis gekommen, hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. OLG Stuttgart 19. X. 1961 VersR 1962 S. 438—439 hält das Gutachten des Amtsarztes, der hier allein zu entscheiden hatte, im Sinne des § 184 I 1 für fehlerhaft, weil der Gutachter die Akten der Berufsgenossenschaft nicht verwertet hatte. OLG Düsseldorf 25. VI. 1963 VersR 1964 S. 130—131 entscheidet in der Sache selbst (Todesfallentschädigung), weil die Ärztekommission zu Unrecht die Voraussetzungen eines deckungspflichtigen Unfalls verneint habe. Vielfach werden Feststellungen der Ärztekommission angegriffen, weil sich ihre Prognose als unrichtig erwiesen habe. Das ist insbesondere von Bedeutung für die Schätzung des Grades unfallbedingter und bleibender Arbeitsunfähigkeit (Invalidität). Hierzu wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß das Gutachten nicht fehlerhaft sei (§ 184 I 1), weil sich die Prognose als nicht zutreffend erweise. Hierfür komme es nur darauf an, daß die Feststellungen der Kommission (mit Deutlichkeit) nach den zur Zeit der Abgabe des Gutachtens vorliegenden Erkenntnismitteln fehlerhaft gewesen seien, BGH 1. IV. 1965 VersR 1965 S. 505-506 im Anschluß an ältere Rechtsprechung. Die Feststellungen der Ärztekommission sind nicht bereits deshalb fehlerhaft im Sinne des § 184 I 1, weil andere Sachverständige zu abweichenden Ergebnissen kommen oder vorher gekommen waren. Das gilt auch dann, wenn die außerhalb der Kommission tätig gewordenen Sachverständigen von unbestreitbarer Kompetenz sind. O L G Hamm 25. VI. 1951 VersR 1951 S. 2 5 8 - 2 5 9 mit Anm. Dem S. 259 verneint Unverbindlichkeit des Gutachtens gemäß § 184 I 1, in dem eine Invalidität von 40% angenommen wird, obwohl ein später tätig gewordener Gutachter Vollinvalidität angenommen hatte. OLG Schleswig 28. X. 1953 VersR 1954 S. 506 hält die Bemessung der Invalidität auf 10% nicht bereits deshalb für fehlerhaft, weil ein Universitätsgutachter eine Invalidität von 20% angenommen habe. Auch OLG Celle 5. V. 1959 VersR 1959 S. 784—785 hält eine mögliche Abweichung des Invaliditätsgrades um 10% durch einen anderen Gutachter für unerheblich im Sinne des § 184 I 1. Ergänzend wird hierzu auf die unten Anm. G 304 referierten weiteren Entscheidungen und auf die Ausführungen von Krebs VersR 1966 S. 411—415 hingewiesen. 30«

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Anm. G 303

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Hiernach ist festzustellen, daß eine e r h e b l i c h e Abweichung ζ. B. bei Bemessung der Invalidität im Bereich einer Divergenz bis zu 10 Prozent nicht angenommen wird. [G 303] ccc) Verfahrensmängel Es gibt keine den Ärzteausschuß bindenden Verfahrensregeln, deren Nichtbeachtung die Entscheidung der Gutachter ohne weiteres angreifbar macht. Insoweit unterscheidet sich das Verfahren der Schiedsgutachter, die nur einzelne Voraussetzungen eines Anspruchs feststellen, grundlegend von dem von Schiedsrichtern, die eine Entscheidung über den geltendgemachten Anspruch selbst treffen. Es entspricht deshalb einhelliger Auffassung, daß die Verfahrensvorschriften für Schiedsgerichte (§§ 1032, 1034-1039 ZPO) für das Verfahren der Schiedsgutachter nach § 12 AUB (entsprechend § 20 AKB) nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar sind, Wussow AUB 4 § 12 Anm. 8, S. 201, Prölss-Martin21 § 64 Anm. 2, S. 348. Das bedeutet indes nicht, daß die Mitglieder des Ärzteausschusses in der Gestaltung des Verfahrens gänzlich frei sind. Sie haben sich bei der Durchführung des Verfahrens an dessen Zweck zu orientieren. Dieser liegt in der Herbeiführung eines auf Grund besonderer Sachkunde zu ermittelnden Ergebnisses. Dafür ist Voraussetzung, daß der für die Feststellung des Ausschusses erhebliche Befund vollständig und richtig erhoben wird und daß sich die Sachverständigen weder bei der Erhebung des Befundes noch bei den daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Damit wird deutlich, daß die Abgrenzung von Inhalts- und Verfahrensmängeln schwierig ist. Die Rechtsprechung hat hieraus sowie aus dem Umstand, daß das Gesetz in §§ 64, 184 W G (entsprechend § 319 BGB) nur eine gerichtliche Oberprüfung des Inhalts des Gutachtens vorsieht, geschlossen, daß Verfahrensfehler nur dann bedeutsam seien, wenn sie sich auf das Ergebnis auswirken, vgl. Asmus ZVersWiss 1962 S. 219 m.N. in Fußn. 118. Das ist einleuchtend, soweit das Verfahren in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ergebnis steht: So prüft — und bejaht — RG 11. III. 1941 JRPV 1941 S. 89 die Frage, ob die Ausschußmitglieder die Unfallfolgen „in ihrer ganzen Ausdehnung erörtert" hätten. Hierher gehöre auch die Frage, ob fehlerhaft verfahren und entschieden worden sei, weil der Ausschuß über die abweichende Auffassung eines seiner Mitglieder hinweggegangen sei, also nicht einstimmig entschieden habe. Hierzu wird seit jeher die Auffassung vertreten, daß eine Mehrheitsentscheidung genügt, OLG Breslau 3. XI. 1927 JRPV 1927 S. 366-367, KG 25. III. 1933 JRPV 1933 S. 271-272, LG Potsdam 4. III. 1939 JRPV 1939 S. 205, Wussow AUB 4 § 12 Anm. 14, S. 208-209. Dagegen ist zweifelhaft, welche Bedeutung der Mitwirkung eines Gutachters zukommt, der infolge fehlender Qualifikation für diese Aufgabe nicht geeignet ist. Die Rechtsprechung hat die Ablehnung eines Gutachters wegen Befangenheit, wie durch § 1032 ZPO für das Schiedsgerichtsverfahren zugelassen, für Mitglieder der Ärztekommission nicht für zulässig gehalten, LG Berlin II 12. III. 1928 JRPV 1928 S. 358-359, OLG Breslau 20. IX. 1937 JRPV 1938 S. 9 2 - 9 3 , OLG Schleswig 28. X. 1953 VersR 1954 S. 506, OLG Karlsruhe 8. IV. 1960 VersR 1960 S. 396. In einigen dieser Entscheidungen wird auf RG 21. VIII. 1936 R G Z Bd 152 S. 201—208 hingewiesen. Dort wird für einen nichtvsrechtlichen Fall die behauptete Befangenheit eines Schiedsgutachters für unerheblich erklärt und auf die Rechtskontrolle nach §§ 317-319 BGB verwiesen. Dem folgt BGH 25. VI. 1952 B G H Z Bd 6 S. 335-341 = NJW 1952 S. 1296-1297 (ebenfalls nichtvsrechtlicher Sachverhalt) und entscheidet, daß ein Schiedsgutachten nicht schon deshalb als offenbar unbillig angesehen werden könne, weil den Parteien vor Erstattung des Gutachtens nicht im gebotenen Umfang rechtliches Gehör gewährt worden sei. Eine 468

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gewisse Zurückhaltung gegenüber den hier herausgestellten Grundsätzen zeigt BGH 31. I. 1957 VersR 1957 S. 122-123 (zu §§ 64 W G , 15 AFB), ohne jedoch hierzu Stellung nehmen zu müssen. Im Schrifttum wird dieser Rechtsprechung überwiegend zugestimmt: Do JRPV 1940 S. 185-187 mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung, ähnlich schon JRPV 1935 S. 198-199, deutlich anderer Auffassung dagegen Sieg ZVersWiss 1942 S. 4 8 - 5 1 und Asmus ZVersWiss 1962 S. 218-222. Die Rechtsfolge von Verfahrensmängeln im weitesten Sinne ergibt sich aus der Regelung der AVB, dem damit verfolgten Zweck und dem Schutzbedürfnis beider Parteien. Aus der Regelung in § 12 II. AUB folgt, daß der Ausschuß mit drei Ärzten besetzt sein muß. Fehlt einem Mitgliede des Ausschusses diese Eigenschaft, so hat der Ausschuß insgesamt nicht die von den Parteien in § 12 II. (1) a AUB vorausgesetzte Qualität. Das von ihm durchgeführte Verfahren ist rechtlich ohne Bedeutung, der Vmer hat sein Recht, Klage zu erheben oder einen anderen, korrekt besetzten Ausschuß anzurufen, nicht verloren, sofern ihm der Mangel des berufenen Ausschusses nicht bekannt war. Die Sechsmonatsfrist nach §§ 12 III W G , 12 I. (2) S. 1 AUB hat er dann noch nicht schuldhaft (oben Anm. G 294) versäumt. Entsprechendes muß gelten, wenn ein Mitglied des Ausschusses aus anderen Gründen „völlig ungeeignet ist", so OLG Königsberg 8. VII. 1941 JRPV 1941 S. 217 (obiter), so wenn er geisteskrank oder sonst körperlich nicht in der Lage war, bei der Erstellung des Gutachtens sachgemäß mitzuwirken. Besteht Grund zu der Annahme, daß, der Obmann nicht unparteilich im Sinne des § 12 II. (1) a S. 2 AUB ist, so ist ebenfalls ein wirksames Gutachten nicht erstattet. Das muß — über den Text des zu diesem Punkte neugefaßten § 12 AUB hinaus auch dann gelten, wenn der Obmann aus der Sicht einer Partei als in sachlich nicht gerechtfertigter — z. B. durch Aktenkenntnis bewirkter - Weise zu ihrem Nachteil voreingenommen erscheint. Das ergibt sich aus dem schutzwürdigen Interesse der (möglicherweise) benachteiligten Partei: Sie muß vortragen und notfalls beweisen (§184 I 1), das das Gutachten auch auf sachwidriger Stellungnahme des Obmanns beruhen kann. Das wird ihr nicht gelingen, wenn der Obmann den von ihm zu begründenden Spruch mit einer für einen Dritten nicht angreifbaren Begründung versieht. Da der Obmann nicht selten die Entscheidung mit seiner Stimme herbeiführt, müssen deutliche, nicht offensichtlich hergesuchte Verdachtsmomente genügen, um ihn als Obmann inhábil und den Spruch, wenn er ergangen ist, anfechtbar im Sinne des § 184 I 1 zu machen. Dagegen macht eine fehlende Anhörung der Partei vor Erstattung des Gutachtens dieses nur dann wegen Verfahrensfehlers angreifbar, wenn der Obmann, der zur Verfahrensleitung berufen ist, es unterläßt, beiden Parteien gleichmäßig Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu erläutern. Dann ist kraft der Verfahrensweise des Obmanns der Verdacht der Parteilichkeit begründet, so daß die vorstehend genannten Gründe zur Unverbindlichkeit des Gutachtens führen. Schließlich ist der Spruch der Ärztekommission unverbindlich, wenn er nicht schriftlich begründet wird. Dann fehlt es an der in § 184 I 1 vorausgesetzten Möglichkeit, ihn inhaltlich zu überprüfen. [G 304] ff) Überblick über die Rechtsprechung Die vor Inkrafttreten des W G im Jahre 1910 ergangenen Entscheidungen bleiben bei dieser Aufzählung unberücksichtigt. Sie sind für die Auslegung des § 184 W G ohne Bedeutung. Das gilt auch für die Entscheidung RG 12. VI. 1908 RGZ Bd 69 S. 167-170 und die dort zitierte (S. 170) Entscheidung RG 6. XII. 1904 VA 1905 Anh. S. 10 Nr. 93. Wagner

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RG 17. IX. 1912 VA 1913 S. 2 9 - 3 0 Nr. 724 hält den Einwand, daß nicht eine Ärztekommission über die Ursächlichkeit des Unfallereignisses für den Tod des Vten entschieden habe, für unerheblich, weil sich keine der Parteien auf die entsprechende Bestimmung der AVB berufen habe. OLG Marienwerder 16. VI. 1914 VA 1915 Anh. S. 9 7 - 9 8 Nr. 843 erklärt die Klage gemäß § 184 W G für eine Gestaltungsklage. OLG Breslau 3. XI. 1927 JRPV 1927 S. 366-367 entscheidet, daß für den Spruch der Ärztekommission Stimmenmehrheit genüge; unverbindlich sei der Spruch nur unter den Voraussetzungen des § 184 W G . Zwei von drei Mitgliedern der Ärztekommission hatten die Frage verneint, ob der Unfall den Tod des Vten mit verursacht habe. LG Berlin II 12. III. 1928 JRPV 1928 S. 358-359 zieht zur Beurteilung des Spruchs der Ärztekommission sowohl § 319 BGB als auch §§ 64, 184 W G heran: Offenbare Unbilligkeit und offenbar erhebliche Abweichung von der wirklichen Sachlage lägen vor, wenn das Vorhandensein eines handgreiflichen Irrtums und die Unbilligkeit des Spruchs sich einem sachkundigen unbefangenen Beobachter sofort aufdrängen müßten. Das wird hier verneint. KG 19. VI. 1929 JRPV 1929 S. 301 nimmt dazu Stellung, daß und in welcher Weise der Ver den Vmer auf die Rechtsfolgen der Nichtanrufung des Ärzteausschusses hinweisen muß. OLG Königsberg 8. V. 1931 JRPV 1931 S. 2 9 2 293 entscheidet, daß der Spruch der Ärztekommission mit Stimmenmehrheit gefällt werden könne. KG 29. X. 1932 JRPV 1933 S. 74-75 versagt dem beklagten Ver das Recht, sich gegenüber der Klage des Vten auf die Zuständigkeit der Ärztekommission zu berufen, da sie ihn selbst auf den Rechtsweg verwiesen habe. KG 4. II. 1933 JRPV 1933 S. 157 verneint offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens des Kreisarztes, der hier bedingungsgemäß als Gutachter tätig geworden war. Irgendeinen Zweifel an der Unparteilichkeit des Kreisarztes habe der Kläger nicht vortragen können. KG 25. III. 1933 JRPV 1933 S. 271-272 verneint die Notwendigkeit einer einstimmigen Entscheidung der Mitglieder der Ärztekommission. Das Gericht hatte im übrigen über den von den Gutachtern erhobenen Befund selbst noch einmal Beweis erhoben und danach die Voraussetzungen einer erheblichen Abweichung gemäß § 184 W G verneint. Wegen später im Verfahren geltend gemachter weiterer Unfallverletzungen wurde die Klage unter Hinweis auf den Grundsatz abgewiesen, daß für die abschließende und maßgebliche Entscheidung der Ärztekommission die Zeit der Erstattung des Gutachtens maßgeblich sei. Spätfolgen eines Unfallereignisses seien nicht geeignet, eine Klage gemäß § 184 W G zu stützen. RG 23. III. 1934 JRPV 1934 S. 119-120 hebt das Berufungsurteil des OLG Düsseldorf auf und verweist die Sache zur weiteren Beweisaufnahme an das Berufungsgericht zurück. Die Bedeutung des § 184 W G wird erst in einem zweiten Revisionsurteil relevant (vgl. unten zu RG 7. II. 1936 JRPV 1936 S. 105). KG l.XII. 1934 JRPV 1935 S. 142-143 stellt zunächst fest, daß das Gutachten der Ärztekommission nur insoweit verbindlich sei, als die Kommission auftragsgemäß gehandelt habe. Das nach Maßgabe der AVB eingeholte Gutachten einer zweiten Ärztekommission sei verbindlich und nicht gemäß § 184 W G angreifbar. RG 9. IV. 1935 HRR 1935 Nr. 1141 stellt fest, daß das ärztliche Gutachten nicht bereits deshalb der Nachprüfung gemäß § 184 W G entzogen sei, weil der Gutachter subjektiv in ehrlicher ärztlicher Überzeugung zu seinem Ergebnis gekommen sei. RG 15. XI. 1935 RGZ Bd 149 S. 215-223 = JRPV 1935 S. 374-376 befaßt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die erneute Festsetzung des Invaliditätsgrades (jetzt: § 13 (3) a AUB) vom Gericht anstelle des Ärzteausschusses vorzunehmen sowie mit der weiteren Frage, ob für erneute Feststellungen ein anders besetzter Ärzteausschuß zuständig sei. Das Gericht geht davon aus, daß der ursprünglich gebildete Ärzteausschuß auch für spätere Festsetzungen des Invaliditätsgrades zuständig bleibe. Nach Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung entscheidet KG 5. II. 1936 JRPV 1936 S. 249-251 über die Verbindlichkeit des Gut470

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achtens der Ärztekommission gemäß § 184 W G und verneint die Voraussetzungen einer offenbar erheblichen Abweichung von der tatsächlichen Lage im Sinne der genannten Vorschrift. RG 7. II. 1936 JRPV 1936 S. 105-106 grenzt den Anwendungsbereich des § 184 W G von dem des § 319 BGB ab: Die Ärztekommission hatte hier auftragsgemäß darüber entschieden, ob mit Sicherheit oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen sei, daß der Tod des Vten auf einer durch einen Insektenstich hervorgerufenen Verletzung der Oberlippe beruhe. Das diesem Auftrag entsprechende Gutachten wertet das Gericht als Schiedsgutachten im Sinne des § 319 I BGB, es sei nach dieser Vorschrift, nicht aber entsprechend § 184 W G , zu überprüfen. Die Voraussetzungen der offenbaren Unbilligkeit werden hier bejaht. Die Kommission habe es unterlassen, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob überhaupt eine Verletzung durch Insektenstich als gegeben anzusehen sei. Die Beantwortung dieser Frage sei aber grundlegend für die weitere ärztliche Beurteilung des Krankheitsverlaufs in bezug auf das Vorliegen eines Zusammenhangs mit der Verletzung gewesen. Zusätzlich werden weitere Mängel der tatsächlichen Würdigung festgestellt. O L G Breslau 20. IX. 1937 JRPV 1938 S. 9 2 - 9 4 verneint eine offenbar erhebliche Abweichung der Feststellungen der Ärztekommission von der wirklichen Sachlage im Sinne des § 184 W G . Das Gericht bejaht die Möglichkeit, daß sich eine offenbare Unrichtigkeit eines Schiedsgutachtens und damit seine Unverbindlichkeit auch aus der Verletzung von Verfahrensvorschriften ergeben könne. Es äußert sich nachfolgend über die Rechtsfolgen möglicher Befangenheit eines Gutachters und weist darauf hin, daß nach den maßgeblichen AVB der Vmer ein (befristetes) Ablehnungsrecht nur hinsichtlich des Obmannes habe. Zu diesem Zusammenhang verweist das Gericht auf RG 21. VIII. 1936 RGZ Bd 152 S. 2 0 1 - 2 0 8 (206-207), wo ausgeführt wird, daß ein Dritter im Sinne des § 317 BGB als Schiedsgutachter grundsätzlich nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden könne; hier habe es grundsätzlich bei den Rechten aus §§ 318, 319 BGB sein Bewenden. RG 7. VII. 1938 JRPV 1938 S. 2 6 2 - 2 6 3 entscheidet über die Revision gegen das vorstehend genannte Urteil des OLG Breslau und hebt dieses Urteil auf. Das Berufungsgericht habe die Rüge des Klägers, die Frage einer organischen Gehirnschädigung als Unfallfolge habe ohne Hinzuziehung eines Facharztes nicht sachgerecht beurteilt werden können, zu Unrecht als im Sinne des § 1 8 4 W G unerheblich behandelt. Es handele sich dabei nicht, wie das Berufungsgericht annehme, um die unzureichende ganz allgemeine Behauptung, daß das Schiedsgutachten von der wirklichen Sachlage erheblich und offenbar abweiche. Vielmehr greife der Kläger die entscheidende Feststellung des Gutachtens, daß ein organisches Gehirnleiden nicht mehr festzustellen sei, in bestimmter und die Ursache dieses angeblichen Fehlers aufzeigender Weise an. Dem Beweisantritt des Klägers dafür, daß die Gehirnverletzung als Ursache seines leidenden Zustandes durch sachkundige Untersuchung festgestellt werden könne, hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen. KG 30. XI. 1938 JRPV 1939 S. 5 9 - 6 0 verweigert dem Vmer als Beschwerdegericht das Armenrecht zur Klage auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung. Die Ärztekommission war einstimmig zu der Ansicht gekommen, daß erwerbsbeschränkende Folgen des fraglichen Unfalles nicht nachweisbar seien. Das Gericht meint, daß der Antragsteller die Voraussetzungen des § 184 W G nicht dargetan habe. Auch die vom Antragsteller gegen die Zusammensetzung der Ärztekommission vorgebrachten Bedenken seien nicht begründet. Der Obmann sei von der Ärztekammer benannt worden, nachdem der Antragsteller sich mit der Bestimmung durch die Kammer einverstanden erklärt habe. Auch der von ihm selbst benannte Arzt habe sich der Feststellung der Ärztekommission angeschlossen. RG 17. X. 1939 JRPV 1939 S. 317 führt aus, daß die vom Vmer unterlassene Anrufung der Ärztekommission seinen Anspruch ausgeschlossen habe. Seine Auffassung, die Ärztekommission sei Wagner

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hier nicht zuständig gewesen, weil es sich bei einem Anspruch auf die Invaliditätssumme um einen Streit über den Grund des Anspruchs handele, über den das ordentliche Gericht zu entscheiden habe, sei unzutreffend. Einen Streit über die Unfallfolgen habe die Ärztekommission entscheiden sollen. „Damit wird auch nicht eine richterliche Tätigkeit in die Hand der Kommission gelegt, sondern nur eine rechtliche. Auch ein Gutachter kann aber zur Entscheidung von Rechtsfragen berufen sein und die Übertragung von Entscheidungen über einzelne Bestandteile eines Anspruchs macht den Gutachter nicht zum Schiedsrichter. Der Ärztekommission ist also die Entscheidung über die Unfallfolgen durch die AVB rechtsverbindlich übertragen, und den etwa erforderlichen Schutz gegen unrichtige Entscheidungen bietet nur § 184 W G . " LG Potsdam 4. III. 1939 JRPV 1939 S. 205 verweigert dem Vmer das Armenrecht für eine Klage auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung. Die Ärztekommission hatte erklärt, daß die aufgetretenen Lähmungen nicht Folge des Unfalls, sondern einés Schlaganfalles seien. Das Gericht hält es für im Sinne des § 184 W G unerheblich, daß ein Mitglied der Ärztekommission von den anderen beiden Mitgliedern überstimmt worden sei. Die Rüge mangelhafter Untersuchung werde schon durch das ausführlich begründete Gutachten der Kommission widerlegt. Aus ihm ergebe sich auch, daß der Antragsteller bei der Untersuchung gehört worden sei. KG 18. XII. 1940 JRPV 1941 S. 46—47 befaßt sich mit der Frage, in welchem Umfang der ordentliche Rechtsweg durch die Vereinbarung der Zuständigkeit einer Ärztekommission ausgeschlossen wird. Das Gericht führt aus, daß vom ordentlichen Gericht die Frage zu entschieden sei, ob das behauptete Geschehen einen Unfall darstelle. Solange diese Entscheidung nicht herbeigeführt sei, gebe es für den Ver weder Notwendigkeit noch ausreichenden Anlaß dafür, das Sachverständigenverfahren herbeizuführen, denn der Spruch der Ärztekommission setze bei Bestreiten des Vers die gerichtliche Feststellung voraus, daß ein Vsfall gegeben sei. OLG Köln 8. VII. 1941 JRPV 1941 S. 217 führt aus, daß die Mitwirkung eines Beisitzers der Ärztekommission deren Entscheidung nur dann unwirksam mache, wenn er völlig ungeeignet gewesen sei. Das sei aber nicht der Fall, wenn der mitwirkende Arzt etwa ständiger Vertrauensarzt einer Partei sei oder sonst schon seine von der Meinung der Gegenpartei abweichende Auffassung ausgedrückt habe. Nur wenn er ständig in einem festen Unterordnungs- und Abhängigkeitsverhältnis zu einer Partei stände, würde er ungeeignet sein. Das Gericht äußert sich zu weiteren von den Rechtsnachfolgern des Vten behaupteten Verfahrensmängeln und hält sie - unter Zitat von § 64 W G - insgesamt für unerheblich. RG 11. III. 1941 JRPV 1941S. 89 wiederholt unter Zitat älterer Entscheidungen leitsatzartig, daß das Schiedsgutachten eines Ärzteausschusses nach § 184 W G nur dann unverbindlich sei, wenn die Feststellungen des Gutachtens zur Zeit ihrer Vornahme von der wirklichen Sachlage .erheblich abwichen und dies einem Sachkundigen bei unparteiischer und gewissenhafter Prüfung sofort in die Augen fallen mußte. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, weil die Unfallfolgen „in ihrer ganzen Ausdehnung erörtert" worden seien. — Eine offenbare und erhebliche Unrichtigkeit könnte allerdings auch dann in Betracht kommen, wenn nachweisbar wäre, daß der Ausschuß die Beschwerden der Klägerin überhaupt nicht oder gröblich unzutreffend gewürdigt oder aber bei Anerkennung der Berechtigung derselben ihre Bedeutung für die Berufsausübung der Klägerin in erheblichem Maße verkannt hätte. Das könne die Klägerin hier jedoch nicht nachweisen. RG 29. IV. 1941 JRPV 1941 S. 139-141 hält das Gutachten einer Ärztekommission, wonach keine Erwerbsminderung als Folge eines Unfalles bestehe und wonach „der Ausschuß einstimmig der Ansicht (war), daß es sich bei dem Kläger um einen groben Simulanten handele", nicht für angreifbar im Sinne des § 184 W G . Das Revisionsgericht hält es für unerheblich, ob bei dem Kläger — wie er behauptete — ein Rückenmarksleiden festzustellen sei und demgemäß das 472

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Übergehen eines entsprechenden Beweisantritts für unschädlich. Auch wenn es festgestellt werden würde, sei es nach dem Gutachten der Ärztekommission nicht Folge des Unfalles. OLG Hamm 25. VI. 1951 VersR 1951 S. 2 5 8 - 2 5 9 mit Anm. Dem führt die Rechtsprechung vor 1945 fort, wonach die Ärztekommission kein Schiedsgericht, sondern ein Schiedsgutachterausschuß sei. Die Bestimmung des Invaliditätsgrades gehöre zur Zuständigkeit der Ärztekommission, auch wenn dabei nicht nur Gesichtspunkte medizinischer Art zu berücksichtigen seien. Das Gericht verneint als Berufungsgericht einen höheren Invaliditätsgrad, als ihn die Ärztekommission festgestellt hatte. Daß der Spruch der Ärztekommission seinem Wortlaut nach keine Entscheidung über den unfallbedingten Invaliditätsgrad enthalte, sondern eine Entscheidung über den Anspruch selbst treffe, sei im Ergebnis unschädlich: Das Gericht sei zwar insoweit an den Spruch der Ärztekommission nicht gebunden. Die Kommissionsentscheidung schließe jedoch eine Entscheidung über den unfallbedingten Invaliditätsgrad ein. Die Entscheidung der Ärztekommission sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil ihr die vorgeschriebene Begründung fehle. Der Beschluß enthalte bei verständiger Auslegung alle die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte. Die beim Kläger festgestellten Gesundheitsschäden seien genau beschrieben und zwei davon als Unfallfolgen anerkannt, drei andere dagegen nicht. Zwar fehle eine Angabe über den Gesamtinvaliditätsgrad. Es müsse aber angenommen werden, daß die Kommission es als selbstverständlich vorausgesetzt habe, daß der Kläger als Vollinvalide anzusehen sei. Das ergebe sich aus der Verweisung auf das Gutachten der Psychiatrischen Klinik. Hieraus ergebe sich, daß die Gutachter den Anteil der unfallbedingten Schäden auf 40%, den Anteil der nicht unfallbedingten auf 60% geschätzt hätten. Hierbei handele es sich um Schätzungen, die naturgemäß kaum zu begründen seien. Begründet werden müßten die Ursachen der Gesundheitsschäden und daß Maß ihrer Auswirkung. Das sei hier geschehen. Anfechtbarkeit der Entscheidung gemäß § 184 W G wird dementsprechend verneint. BGH 9. XII. 1951 VersR 1952 S. 35 (nur Leitsatz) verweigert dem Kläger das Armenrecht für die Revision gegen dieses Urteil. Von welchen Erwägungen das Gericht ausgeht, ergibt sich aus der Anm. von Haidinger a.a.O. OLG Hamburg 24. X. 1951 VersR 1952 S. 4 9 - 5 0 entscheidet für AVB für die Volks-Unfallv in der damals geltenden Fassung, daß die dort getroffene Bestimmung, wonach im Falle von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen sowie darüber, ob und in welchem Umfang der eingetretene Schaden auf den Vsfall zurückzuführen sei, ein Obergutachter entscheide, rechtswirksam sei. Vor dieser Entscheidung des Obergutachters sei eine Zahlungsklage gegen den Ver vor den ordentlichen Gerichten nicht aussichtsreich. OLG Schleswig 28. X. 1953 VersR 1954 S. 506 zitiert für die Überprüfung der Entscheidung der Ärztekommission § 64 W G . Eine Ablehnung eines Mitgliedes der Ärztekommission entsprechend § 1032 ZPO sei nicht zulässig. Der Schiedsgutachter brauche, abgesehen von dem Obmann, nicht von beiden Parteien völlig unabhängig zu sein. Er dürfe nur nicht in einem ständigen festen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis zu einer Partei stehen. — Die Rüge des Klägers (Vmers), die Ärztekommission habe nicht alle Beweismittel ausgeschöpft, weil sie es versäumt habe, die alsbald nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen einzusehen, sei unerheblich, weil ein Mitglied der Ärztekommission selbst Röntgenaufnahmen angefertigt habe. Eine offenbar erhebliche Abweichung von der wirklichen Sachlage ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, daß ein anderes Gutachten, nämlich das der Chirurgischen Klinik der Universität Kiel, eine Invalidität von 20%, das Gutachten der Ärztekommission dagegen nur eine solche von 10% angenommen habe. Das Landgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich um Schätzungen handele, die ihrer Natur nach die Möglichkeit Wagner

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eines gewissen Spielraums eröffneten, so daß diese Abweichung nicht im Sinne des § 6 4 W G erheblich sei. OLG Celle 18.11.1957 VersR 1957 S. 211-212 verneint Angreifbarkeit des Gutachtens der Ärztekommission nach § 184 W G . Das Gericht geht davon aus, daß diese Vorschrift in gleicher Weise auszulegen sei wie § 319 BGB. Die gegenteilige Meinung eines anderen Sachverständigen sei noch kein Beweis dafür, daß die Entscheidung der Gutachterkommission offenbar unrichtig sei. Der Kläger hatte gerügt, daß die Ärztekommission die kassenärztlichen Gutachten der Vertrauensärzte nicht berücksichtigt habe. Hierzu stellt das Gericht fest, daß die Vertrauensärztliche Dienststelle den Kläger nach den Grundsätzen der Sozialv beurteilt habe. Diese Grundsätze seien für die private Unfallv nicht maßgeblich. BGH 30. VI. 1958 VersR 1958 S. 507-508 = VA 1958 S. 264-265 Nr. 211 äußert sich über die Kostentragungspflicht der Beteiligten nach Anrufung der Ärztekommission: Habe der Unfallver dem Vten eine bestimmte Zinsenrente angeboten, und stelle die vom Vten angerufene Ärztekommission einen geringeren Grad der voraussichtlichen dauernden Arbeitsbehinderung fest als den dem Angebot des Vers zugrunde liegenden, so seien die Kosten der Ärztekommission auch dann vom Vten zu tragen, wenn sich der Ver nunmehr entschließe, alsbald die Kapitalentschädigung zu zahlen. OLG Bremen 16. XII. 1958 VersR 1960 S. 842-844 weist die Klage auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung als zur Zeit unbegründet ab. Der Anspruch sei nicht fällig. Der Kläger müsse zuvor die Entscheidung der Ärztekommission darüber einholen, daß seine Gesundheitsschädigung (Ablösung des Meniskus) Folge einer als Unfall geltenden plötzlichen Kraftanstrengung gewesen sei. OLG Celle 5. V. 1959 VersR 1959 S. 784785 verweist für die Auslegung des § 184 W G auf frühere Rechtsprechung und verneint eine Angreifbarkeit des hier in Frage stehenden Gutachtens der Ärztekommission. Diese hatte die Invalidität auf 40% festgesetzt. Dieses Ergebnis sei nicht deshalb offenbar unrichtig, weil die LVA, von der früheren Tätigkeit des Klägers als Lohnbuchhalter ausgehend, die Erwerbsminderung mit 80% angenommen habe. Das Verfahren der LVA beruhe auf anderer gesetzlicher Grundlage. Auch der Umstand, daß das Gutachten der Universitätsnervenklinik zu einer Invalidität von etwa 50% gelangt sei, mache den Spruch der Ärztekommission nicht im Sinne des § 184 W G anfechtbar. OLG Karlsruhe 8. IV. 1960 VersR 1960 S. 396 spricht in den Gründen aus, daß der Vmer nicht berechtigt sei, das vom Ver benannte Kommissionsmitglied wegen Befangenheit abzulehnen. OLG München 12.1. 1961 VersR 1962 S. 20-22 entscheidet für Kraftfahrt-Unfallv (§ 20 AKB), daß die Feststellung des zur Entscheidung berufenen Ärzteausschusses zur Invalidität des Klägers (Vmers) verbindlich sei. Das Urteil enthält eine Uberprüfung des Spruchs der Ärztekommission unter den aus der Gliedertaxe sich ergebenden Bewertungsmaßstäben. KG 9. VI. 1961 VersR 1962 S. 31—33 mit Anm. Zeiler spricht aus, daß der Ver als Beklagter sich nicht darauf berufen könne, daß die Rechtsnachfolger der Vten nicht die Ärztekommission angerufen hätten. Denn der Ver habe sich nicht selbst innerhalb 3 Monate darüber erklärt, ob und inwieweit eine Entschädigungspflicht anerkannt werde. Außerdem seien die Klägerinnen nicht auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, den Ärzteausschuß anzurufen. OLG Stuttgart 19. X. 1961 VersR 1962 S. 438-439 hält § 184 W G für lex specialis gegenüber §§ 319 BGB und 64 W G und bejaht (für Zusatzbedingungen für Familienunfallv) eine Angreifbarkeit der Beurteilung des Gutachters: Dessen Ergebnis weiche von der wirklichen Sachlage erheblich ab, weil er die vorangegangenen Begutachtungen, die er sich ohne weiteres hätte zugänglich machen können und deren Benutzung sich verständigerweise aufdrängen mußte, nicht zur Kenntnis genommen habe. Das Gericht reduziert selbst die dem Kläger zuzuerkennende Invaliditätsentschädigung. OLG Nürnberg 28. XI. 1961 VersR 1962 S. 773-774 erkennt eine Todesfallentschädigung zu. Der Vte war nach einer Schlägerei an einer 474

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hierdurch zum Ausbruch gekommenen Kinderlähmung gestorben. Das Gericht bejaht im Gegensatz zum Landgericht einen entschädigungspflichtigen Unfall und würdigt den Tod als Folge des Unfallereignisses. Für eine Entscheidung der Ärztekommission sei hier kein Raum. Sie würde auch schon aus dem Grund entfallen, weil der Ver jeden Anspruch auf Vsleistung abgelehnt und damit zu erkennen gegeben habe, daß sie ihrerseits auf eine Anrufung der Ärztekommission keinen Wert lege (a.a.O. S. 774 r. Sp. unten). OLG Düsseldorf 1. III. 1962 VersR 1962 S. 705-706 entscheidet, daß bei Nichtdurchführung des notwendigen Sachverständigenverfahrens ein vor dem ordentlichen Gericht anhängig gemachter Rechtsstreit zwar nicht gemäß § 148 ZPO auszusetzen, wohl aber den Parteien analog § 356 ZPO eine Frist zur Anrufung des Sachverständigenausschusses zu setzen sei; kritische Anm. hierzu von Wussow VersR 1962 S. 776-777. OLG Düsseldorf 25. VI. 1963 VersR 1964 S. 130-131 entschied im Gegensatz zur Ärztekommission, daß der von den Erben des Vten als Unfall gewertete Vorgang - der aufgebockte Pkw des Vten war plötzlich abgesackt, der Vte infolge Erregung hierüber gestorben — als deckungspflichtiger Unfall anzusehen sei. Das Gericht hält es nach dem Wortlaut des Bedingungstextes für zweifelhaft, ob der Ärztekommission die Entscheidung darüber zustehe, ob der Vte durch einen Unfall zu Tode gekommen sei. Diese Frage sei hier gleichbedeutend mit der weiteren Frage, ob ein Vsfall überhaupt vorgelegen habe. Insoweit obliege aber die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht dem Gericht. Jedenfalls hält sich das Gericht gemäß §184 W G an diese Entscheidung der Ärztekommission nicht für gebunden. Es spricht den Erben des Vten die Todesfallentschädigung, gemindert um 75% (gemäß § 10 (1) AUB geltender Fassung) zu. BGH 1. IV. 1965 VersR 1965 S. 505-506 entscheidet, daß der Vte, der die von den Sachverständigen gemäß § 184 W G getroffenen Feststellungen nicht gelten lassen will, darlegen muß, daß diese Feststellungen mit Deutlichkeit nach den zur Zeit der Abgabe des Gutachtens vorliegenden Erkenntnismitteln fehlerhaft waren. Er könne nicht aufgrund der späteren Entwicklung neue Feststellungen herbeiführen. [G 305] 5. Bemessung der Entschädigitagsleistiiiig a) Allgemeines Die Bestimmungen der AUB über Arten und Bemessung der Entschädigungsleistung sind nicht leicht zu verstehen. Das liegt einmal daran, daß mehrere Arten von Entschädigungsleistungen zueinander im Verhältnis der Alternativität stehen. So schließt eine Todesfallentschädigung eine Invaliditätsentschädigung aus, § 8 II. (6) AUB, vgl. nachstehend Anm. G 306. Das Tagegeld wird, wenn die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt worden ist, als Heilkostenersatz gezahlt, § 8 III (3) AUB. Sodann werden die Begriffe „Invalidität" und „Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit" im Zusammenhang mit der Bemessung der Leistung in dreifach abgestufter Bedeutung verwendet: Im Zusammenhang mit der Gliedertaxe (§ 8 II. (2) AUB) wird für die Arbeitsfähigkeit völlig von den persönlichen Verhältnissen des Vten abstrahiert (unten Anm. G 309). Soweit die Gliedertaxe keine Regelung enthält, ergibt sich die Bemessung aus einer Kombination allgemeiner und besonderer, d.h. (teilweise) auf die Verhältnisse des Vten abstellender Gesichtspunkte (§ 8 II. (3) AUB, unten Anm. G 308) und für die Bemessung des Tagegeldes ist ausschließlich auf die persönlichen Verhältnisse des Vten abzustellen (§ 8 III. (1) S. 1 AUB). Schließlich wird der Begriff der Invalidität auf den Fall dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit beschränkt (§ 8 II. (1) S. 1 AUB), ohne daß nachfolgend (§ 8 III (1) und VII (1) AUB) deutlich zum Ausdruck gebracht wird, ob es dort nur um vorübergehende oder auch um dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (= Invalidität) geht. Wagner

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Anm. G 306

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Diese aus der Regelung, in § 8 AUB sich ergebenden Verständnisschwierigkeiten werden dadurch erhöht, daß sich aus § 10 (1) und (4) AUB weitere Möglichkeiten für eine Einschränkung der Entschädigungsleistung ergeben. Es muß als zweifelhaft bezeichnet werden, daß sich der Darstellungszusammenhang einem (fiktiv) durchschnittlich aufmerksamen Leser mit hinreichender Deutlichkeit erschließt.

[G 306] b) Todesfallentschädigung Die vereinbarte Todesfallentschädigung wird geleistet, wenn „ein Unfall innerhalb eines Jahres vom Unfalltage an gerechnet zum Tode" führt, § 8 I. AUB, entsprechend § 18 IV. (1) AKB. Diese Formulierung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Todesfallentschädigung ist nicht ganz präsize: Es bleibt offen, ob der Tod innerhalb eines Jahres als Folge eines Unfallereignisses oder als Folge eines Unfalls eintreten muß. Verlangt man als Voraussetzung einen dem Tod des Vten vorangegangenen — vollständigen — Unfall, so muß eine Gesundheitsschädigung dem Tod vorangegangen sein, vgl. § 2 (1) AUB. So wird man indes die Vorschrift des § 8 I. AUB nicht aufzufassen haben: Die Worte „Unfall" und „Unfalltag" sind im Sinne von Unfallereignis und Tag des Unfallereignisses zu verstehen. Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, die Entschädigung zu versagen, wenn der Vte auf der Stelle stirbt, etwa weil ihm ein Mauerstein auf den Kopf gefallen ist. — Handelt es sich um ein sog. gedehntes Unfallereignis, das sich nach seinem Beginn in die nächsten Tage erstreckt, so ist hier nicht der Beginn, sondern das Ende des Ereignisses für die Feststellung des „Unfalltages" maßgeblich, weil die nach Abschluß des Unfallereignisses verbleibende (Jahres-)Frist nach dem Wortlaut des § 8 I. AUB ein volles Jahr betragen muß. Die Frist errechnet sich gemäß § 188 II BGB. Beispiel: Ein Dritter prügelt vom 2. Mai 1977 abends 23.55 Uhr bis 0.10 Uhr am 3. Mai 1977 auf den Vten ein. Dieser stirbt geraume Zeit später an den Folgen der Schläge. Dann entsteht der Anspruch auf die Todesfallentschädigung (nur), wenn der Vte spätestens am 3. Mai 1978 24 Uhr gestorben ist (zur Fristberechnung vgl. Wussow AUB 4 § 8 Anm. 2 , 5 . 155). Wegen des Begriffes des Unfallereignisses ist auf Anm. G 21, für Bedeutung und mögliche Gestaltungen gedehnter Ünfallereignisse auf Anm. D 16 und G 10 hinzuweisen. Der Anspruch auf Todesfallentschädigung gemäß § 8 I. AUB steht in einem Alternativverhältnis zur Invaliditätsentschädigung: Soweit nach § 8 I. AUB ein Anspruch auf Todesfallentschädigung entsteht, entfällt — gegebenenfalls rückwirkend — ein etwa vereinbarter Anspruch auf Invaliditätsentschädigung, § 8 II. (6) S. 1 AUB. Bereits geleistete Invaliditätsentschädigung wird auf die Todesfallentschädigung angerechnet (§ 8 II. (6) S. 2 AUB). Um zu vermeiden, daß hiernach überzahlte Invaliditätsentschädigung zurückgefordert werden muß, ist in § 13 (1) S. 3 AUB bestimmt, daß innerhalb des ersten Jahres, vom Unfalltage an gerechnet, eine Invaliditätsentschädigung nur bis zur Höhe einer vereinbarten Todesfallsumme zu zahlen ist, Wussow AUB 4 § 8 Anm. 3, S. 155 und § 13 Anm. 2, S. 216, Prölss JRPV 1942 S. 64. — Nicht verständlich, weil nicht sachlich geboten, ist dagegen die Regelung in § 13 (1) S. 3 AUB, wonach eine Invaliditätsentschädigung innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltage nur zu zahlen ist, wenn auch eine Todesfallentschädigung vereinbart ist; berechtigte Kritik bei Wussow AUB 4 § 13 Anm. 2, S. 216. Die Todesfallentschädigung bemißt sich primär nach der vereinbarten Höhe. Die Unfallver streben Vertragsgestaltungen an, nach denen die Todesfallentschädigung nicht höher ist als die Invaliditätsentschädigung. Eine Kürzung der Todesfallentschädigung kommt nach § 10 (1) AUB in Betracht. Die Bestimmung setzt voraus, daß „bei 476

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Anm. G 306

den Unfallfolgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt haben". Die Entschädigung ist entsprechend dem Anteil dieser Krankheiten oder Gebrechen zu kürzen, „sofern dieser Anteil mindestens 25% beträgt". Die Rechtsprechung wendet § 10 (1) AUB und entsprechende Bestimmungen anderer oder früherer AVB auch für die Todesfallentschädigung an: OLG Bremen 23. III. 1927 JRPV 1927 S. 181-184 wertet die Überanstrengung des Vten, eines Maschinisten auf einem Küstendampfer, als Unfall und kürzt die Todesfallentschädigung nach dem Vorschlag des als Sachverständiger gehörten behandelnden Arztes um 45%, weil der Vte herzkrank war. KG 9. III. 1935 JRPV 1935 S. 2 1 8 - 2 1 9 läßt nicht klar erkennen, welcher Vorgang (genau) als Unfall und damit als Vsfall gewertet wird: Der Vte war mit einem Pkw auf eine (Havel-) Fähre gefahren, hatte aber nicht angehalten, sondern war weitergefahren und mit seinem Fahrzeug im Wasser versunken. Das Gericht sieht als erwiesen an, daß eine Stichflamme vom aus dem Wagen geschlagen sei, der Vte hierdurch einen Herzanfall erlitten habe und deshalb mit dem Fahrzeug ins Wasser gestürzt sei. Wegen des beim Vten bestehenden Herzleidens wird die Todesfallsumme von 20.000,- Mark auf 6 5 0 0 , - Mark gekürzt. OLG Hamburg 22. IX. 1937 HansRGZ 1938 A Sp. 1 7 - 2 0 kürzt die Todesfallentschädigung wegen einer Herzschwäche des Vten um 25%: Der Vte war Kesselschmied gewesen, ihm war ein Flacheisen auf den Fuß gefallen und hatte dort eine blutende Wunde verursacht. 8 Tage später war er verstorben, nachdem er noch am Unfalltage eine Tetanusinjektion erhalten hatte. LG Hamburg 24. I. 1938 HansRGZ 1938 A Sp. 3 9 1 - 3 9 3 zieht Lungenleiden des Vten als für den Tod nach Unfall mitursächlich in Betracht, weist aber die Deckungsklage der Vmerin (InsassenUnfallv) ab, weil nach den AVB Erkrankung infolge psychischer Einwirkung nicht als Unfall galt: Der Vte war als Kraftfahrer mit einer Straßenbahn zusammengestoßen, ohne äußere Verletzungen erlitten zu haben. KG 6. XII. 1939 JRPV 1940 S. 2 2 - 2 3 weist den (u. a) erhobenen Einwand des beklagten Vers zurück, die Todesfallsumme sei wegen krankhafter Veränderung beim Vten vor dem Tode, die für den Tod mitursächlich gewesen seien, zu kürzen: Ein solcher Mitwirkungsanteil könne nicht erwiesen werden. OLG Düsseldorf 25. VI. 1963 VersR 1964 S. 130-131 kürzt die Todesfallentschädigung um 75%. Der schwer herzleidende V war infolge des Schrecks darüber gestorben, daß sein vor einer Gaststätte aufgebockter Pkw - Unbekannte hatten die Luft aus den Reifen gelassen — plötzlich nach vorn gesackt war. Das Gericht wertet diesen Vorgang als Unfallereignis, zur Kritik vgl. oben Anm. G 2 5 4 - 2 5 7 . LG Mannheim 4. VI. 1965 VersR 1965 S. 1143-1144 billigt als Todesfallentschädigung ein Drittel der vereinbarten Summe zu: Der Vte hatte im Zeitpunkt des Unfalles an organischen Veränderungen der Lunge gelitten, die nach Auffassung des Gerichts zu zwei Dritteln für den Tod nach Unfall ursächlich geworden waren. BGH 19. IV. 1972 VersR 1973 S. 5 8 2 - 5 8 4 bestätgt die Kürzung der vereinbarten Todesfallentschädigung durch das Landgericht um ein Drittel: Der Vte war infolge eines Schocks gestorben, der durch Zerbrechen der Windschutzscheibe des von ihm gefahrenen Pkw ausgelöst worden war. Das Gericht wertet das Zerbrechen der Windschutzscheibe als Unfallereignis und das Herzleiden des Vten als mitursächlich für den Tod des Vten. Entgegen der von den vorstehend zitierten Entscheidungen zugrundegelegten Auslegung des § 10 (1) AUB, der im Schrifttum, soweit ersichtlich, nicht widersprochen worden ist, muß diese Bestimmung für die Bemessung (Kürzung) der Todesfallentschädigung unberücksichtigt bleiben. Sie ist nicht anwendbar, weil sie, soweit darin auch eine Kürzung des Todesfallentschädigung vorgesehen ist, von einer nicht zutreffenden Prämisse ausgeht. Die U r s ä c h l i c h k e i t mehrerer Faktoren für den Tod des Vten k a n n n i c h t q u a n t i t a t i v bestimmt werden. Wenn der Vte infolge des Unfallereignisses (nur) deshalb gestorben ist, weil er leidend war, so sind UnfallWagner

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G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

ereignis und Leiden g l e i c h w e r t i g e U r s a c h e n des Ergebnisses (Tod), denn weder das Unfallereignis noch das Leiden hätten für sich allein „diesen Tod" zur Folge gehabt (vgl. hierzu oben Anm. G 89). Diese Erwägung müßte, wenn man an der Anschauung quantitativ meßbarer Ursächlichkeit festhalten würde, jedenfalls zu dem Ergebnis führen, daß die beiden für relevant gehaltenen Todesursachen - Unfallereignis und Leiden —, da sie nur in gemeinsamem Wirken den Tod herbeigeführt haben, gleichwertig seien. Daraus müßte folgen, daß in allen Fällen dieser Art die Todesfallentschädigung um 50% zu kürzen ist. Diese Auslegung wird indes, wie die vorstehend zitierten Entscheidungen deutlich machen, nicht erwogen. Die vorstehend dargestellten Bedenken gegen eine Herabsetzung der Todesfallentschädigung nach Maßgabe des § 10 (1) AUB beruhen auf begrifflich-logischen Erwägungen. Mit ihnen soll nicht bezweifelt werden, daß eine solche K ü r z u n g der Todesfallentschädigung b i l l i g und s a c h e n t s p r e c h e n d ist. Die Allgemeine Unfallv will das normale Unfallrisiko des körperlich und geistig normal verfaßten Vten decken, vgl. oben Anm. G 131 und § 3 (4), (5) AUB. Deshalb ist es konsequent, daß die Todesfallsumme nach unfallbedingtem Tod gekürzt wird, wenn das Unfallereignis den zu d i e s e m Z e i t p u n k t eingetretenen Tod nur deshalb bewirken konnte, weil der Vte — nicht unfallbedingt — leidend war. Das sachliche Bedenken gegen die Regelung des § 10 (1) AUB im Zusammenhang mit der Todesfallentschädigung ist deshalb dahingehend zu präzisieren, daß eine Schätzung der Kausalität nach Quantität (mindestens 25%) nicht möglich ist und den Schätzenden — Ärzteausschuß oder vom Gericht bestellter Sachverständiger — zur Willkür, d. h. zu einer nicht nachprüfbaren Willensentscheidung, geradezu zwingt. Diesen Schwierigkeiten könnte schon für die derzeit maßgeblichen AUB dadurch begegnet werden, daß dem Schätzenden ein Anhaltspunkt für eine Beurteilung der „Kausalitätsmenge" gegeben würde. Einen gedanklichen Ansatz hierfür weist eine zur sozialen Unfallv ergangene Entscheidung: BSozG 14. III. 1958 NJW 1958 S. 1206 wertet einen Arbeitsunfall, der ein Leiden verschlimmert, das schicksalsmäßig zum Tode führt, dann als rechtlich relevante (Teil-)Ursache des Todes, wenn er diesen mindestens um etwa ein Jahr beschleunigt hat. Hieran anschließend könnte § 10 (1) A U B für die Todesfallentschädigung mit der Maßgabe angewendet werden, daß sich die Minderung der Todesfallsumme an der Lebenserwartung des getöteten Vten orientiert. Der Grad der Minderung ergibt sich dann aus einem Vergleich der Lebenserwartung dieses kranken Vten zu einem in vergleichbarer Risikosituation lebenden gesunden Vten. Beispiel: Der herzleidende Vte stirbt in Folge eines Unfalles. Als Gesunder hätte er eine (statistische) Lebenserwartung von noch 30 Jahren gehabt. Das Herzleiden hat seine Lebenserwartung um 10 Jahre verringert. Dann mindert sich die Todesfallentschädigung um 33 1/J%: Denn der Unfall hat sein Leben um (mutmaßlich) 20 Jahre von (mutmaßlich) 30 Jahren verkürzt.

[G 307] c) Invaliditätsentschädigung aa) Begriff der Invalidität Der Begriff der Invalidität wird in § 8 II. (1) S. 1 AUB nach Art einer Legaldefinition als dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bezeichnet. Damit folgen die A U B von 1961, die erstmals eine Definition der Invalidität enthalten, der von RG 19.1. 1934 JRPV 1934 S. 5 3 - 5 5 = VA 1934 S. 1 5 - 1 6 Nr. 2672 und RG 28. VII. 1939 R G Z Bd 161 S. 184—192 herausgearbeiteten Begriffsbestimmung der Invalidität, vgl. zur Neufassung des Bedingungstextes und der inhaltlichen Anordnung Grewing Entstehungsgeschichte S. 35—42. RG a.a.O. hatte diesen Begriff der dauernden Beein478

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Anm. G 307

trächtigung der Arbeitsfähigkeit aus dem Text der seinen Entscheidungen zugrundeliegenden AVB von 1920 gewonnen: Sie folge aus § 6 II. AVB, wonach eine Invaliditätsentschädigung zu zahlen sei, wenn sich innerhalb eines Jahres ergebe, daß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zurückbleibe, RG 19. I. 1934 JRPV 1934 S. 53 = VA 1934 S. 15. Wann eine solche Beeinträchtigung als dauernde anzusehen sei, ergebe sich aus § 6 II. in Verbindung mit § 14 I. Nr. 2 AVB, wonach dem Ver das Recht zustehe, die Auszahlung des Kapitals auf drei Jahre, vom Abschluß der ärztlichen Behandlung an gerechnet, auszusetzen und die dann auszuzahlende Kapitalentschädigung nach dem für diesen Zeitpunkt festgestellten Invaliditätsgrad zu bemessen. Hiernach sei eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Sinne der AVB gegeben, wenn die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit innerhalb eines Jahres, vom Unfalltage an gerechnet, vorliege und anzunehmen sei, daß sie in erheblichem Maße länger als drei Jahre vom Abschluß der ärztlichen Behandlung an dauern werde, ohne daß ihr Ende mit Sicherheit abzusehen sei. Dem schließt sich R G 28. VII. 1939 RGZ Bd 161 S. 187-189 an und hebt hervor, daß unvorgesehene Veränderungen der Arbeitsfähigkeit nach der zeitlich letzten Feststellung auf den Umfang der Entschädigungspflicht nicht mehr einwirkten. Schließlich grenzt das Gericht a . a . O . S. 190—191 den Begriff der (Beeinträchtigung der) Arbeitsfähigkeit inhaltlich ab: Sie sei nicht gleichbedeutend mit der Fähigkeit zur Ausübung eines bestimmten Berufes, sondern habe nach den AVB die jedem Menschen auf der Grundlage körperlicher Unversehrtheit regelmäßig innewohnende Fähigkeit zum Inhalt, Arbeit zu leisten (RG a.a.O. S. 191). „Dabei muß es an sich gleichgültig sein, welchen Beruf der Vte ausübt und ob er überhaupt einen Beruf oder eine Beschäftigung hat". — Damit ist zugleich der Begriff der Invalidität der privaten Unfallv von dem der Sozialv abgegrenzt, der auf die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit abstellt und im übrigen keine quantitative Abstufung kennt, vgl. OLG Celle 18. II. 1957 VersR 1957 S. 211-212. Der hiernach von Text und Inhalt der AVB abhängige Begriff der Invalidität wurde durch die Änderung des § 6 II. im Jahre 1936 — veröffentlicht VA 1937 S. 61 — nicht verändert. Die in § 6 II. als Abs. 2 eingefügte Bestimmung, wonach ein Anspruch auf Invaliditätsentschädigung spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ablauf des auf den Unfall folgenden Jahres anzumelden und unter Vorlage eines ärztlichen Attestes zu begründen sei, wurde von der Rechtsprechung als „Bedingung für die Entstehung des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung" bezeichnet, vgl. BGH 19. XII. 1953 VersR 1954 S. 3 3 - 3 4 , BGH 1. IV. 1965 VersR 1965 S. 505-506 und B G H 21. XII. 1973 VersR 1974 S. 234-236, im Anschluß an Haidinger VersR 1952 S. 412—413. Damit war — ohne ausdrückliche Stellungnahme - die Auffassung des O L G München 20. X. 1951 VersR 1951 S. 269-270 abgelehnt worden, daß die Geltendmachung der Invalidität innerhalb der in § 6 II. (2) AVB genannten Frist eine Obliegenheit zum Inhalt habe. Bei Abfassung der AUB von 1961 wurde das Ziel verfolgt klarzustellen, daß die Geltendmachung der Invaliditätsentschädigung innerhalb einer Frist von 15 Monaten (§ 8 II. (1) AUB) Leistungsvoraussetzung, nicht aber Inhalt einer Obliegenheit des Vmers sein sollte, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 37. Das entspricht dem Sinn der Befristung, nämlich den Ver vor der Geltendmachung von Spätschäden zu bewahren. Die Berechtigung dieses Zwecks der AVB-Bestimmung war von Haidinger VersR 1952 S. 412 und BGH 19. XII. 1953 VersR 1954 S. 3 3 - 3 4 ausdrücklich anerkannt worden, ebenso verhielten sich die nach Veröffentlichung der AUB ergangenen weiteren Entscheidungen des BGH (vgl. vorstehender Absatz). Dadurch wird jedoch eine Auslegung dahingehend, daß dieses Erfordernis eine Obliegenheit des Vmers verhülle, nicht ausgeschlossen, so mit beachtlichen Gründen OLG K¿ln Wagner

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12. VII. 1966 VersR 1966 S. 948-950 und OLG Zweibrücken 17. I. 1967 VA 1967 S. 2 1 8 - 2 2 1 Nr. 644, vgl. hierzu oben Anm. F 13. Durch die Neufassung der AVB für die Allgemeine Unfallv im Jahre 1961 ist der Begriff der Invalidität im Kern ebenfalls unverändert geblieben. Eine gewisse sachliche Veränderung folgt aber aus der Verkürzung der Frist für eine abschließende (Neu-) Feststellung des Ausmaßes der Invalidität: Diese Frist endet nicht, wie bisher, drei Jahre nach Abschluß der ärztlichen Behandlung, sondern schon nach zwei Jahren. Dementsprechend ist die Höchstfrist ( „ . . . längstens jedoch . . . Jahre vom Unfalltage an") von vier auf drei Jahre verkürzt worden. Diese Verkürzung wurde für tragbar gehalten, weil nach der Neufassung der AVB das Recht, die Invalidität neu feststellen zu lassen, nunmehr auch dem Vmer eingeräumt wird (§ 13 (3) a AUB), vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 56. Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Folge eines Unfallereignisses nur dann Voraussetzung eines Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein kann, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Unfalltag eingetreten und innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt und durch Erklärung gegenüber dem Ver geltendgemacht worden ist (§ 8 II. (1) S. 1 AUB). Die Geltendmachung in diesem Sinne setzt voraus, daß ein bestimmter Dauerschaden beschrieben wird, der durch bestimmte Symptome gekennzeichnet ist, BGH 21. XII. 1973 VersR 1974 S. 234-236. - Nur eine solche Begrenzung des Begriffs der Invalidität wird nach Auffassung des BGH a.a.O. S. 235 r. Sp. dem mit § 6 II der AVB vormaliger Fassung = § 8 II. (1) AUB verfolgten Zweck gerecht, den Ver vor einer Inanspruchnahme aus den regelmäßig schwer aufklärbaren und unübersehbaren Spätschäden zu schützen, deren Mitv zu einer unangemessenen Erhöhung der Prämie führen müsse. Damit ist den - vereinzelt gebliebenen — Entscheidungen eine Absage erteilt worden, die die (subjektive) Erkennbarkeit derjenigen Gesundheitsschädigung berücksichtigen wollten, die eine Invalidität bedingt, vgl. außer den oben zitierten Entscheidungen, die die Geltendmachung binnen 15 Monaten für eine Obliegenheit halten, auch OLG Hamm 14. I. 1955 VersR 1955 S. 562-563, das eine solche Auslegung im Rahmen einer Hilfserwägung in Betracht zieht. [G 308] bb) Allgemeine Bemessungsgrundsätze Die Regelung über Voraussetzungen und Bemessung der Invaliditätsentschädigung (§ 8 II. AUB) stellt im Anschluß an die nach Art eines Verhaltensgebotes formulierte Definition der Invalidität, zu der auch die Erfordernisse fristgebundener Erkennbarkeit und Geltendmachung gehören (vorstehend Anm. G 307 a. E.), klar, daß die Invaliditätsentschädigung nach Prozentsätzen bemessen und die volle vereinbarte Invalidität nur bei „Ganzinvalidität" (= 100%) ausgezahlt wird, § 8 II. (1) S. 2 AUB. Die Bemessung der Invalidität richtet sich allein nach der in § 8 II. (2) a—c AUB enthaltenen Gliedertaxe, soweit der völlige oder teilweise Verlust einer der dort genannten Gliedmaßen oder eines dort aufgeführten Sinnesorgans in Frage steht. Insoweit schließen die AUB jede Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Vten, die für sein Betroffensein von Bedeutung sein können, aus. Die Gliedertaxe wird ergänzt durch die klarstellende Vorschrift des § 8 II. (3) AUB, wonach die unfallbedingte vollständige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit einer Gliedmaße oder eines Sinnesorgans dem in der Gliedertaxe vorausgesetzten Verlust gleichsteht. Nur für die Fälle, in denen auf Grund der Gliedertaxe und der sie ergänzenden Regelung des § 8 II. (3) AUB der Invaliditätsgrad nicht bemessen werden kann, enthält § 8 II. (5) AUB, im Stil einer Generalklausel formuliert, allgemeine Grundsätze für die Bemessung des Grades (Prozentsatzes) der Invalidität. 480

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Anm. G 308

Wussow A U B 4 § 8 Anm. 9, S. 163 beanstandet diese Darstellung der Bemessungsgrundsätze als „denkgesetzlich nicht ganz richtig", weil die Ausnahme vorweggenommen und die allgemeine Regel in § 8 II. (5) nachgebracht werde. Indes dürfte es - auch für A V B — keine Darstellungsregel des Inhalts geben, daß die allgemeine Regel vorangestellt werden und die Ausnahme ihr folgen müsse. Hier dürfte der darstellungstechnischen Klarheit und Deutlichkeit der Vorrang gebühren vor dem Gesichtspunkt der Systematik. Die Frage nach Regel und Ausnahme ist überdies mehrdeutig. Sie kann sich auf die Begriffssystematik beziehen in dem Sinne, daß der engere Tatbestand gegenüber dem weiteren, der alle Merkmale des spezielleren mitumfaßt, als Sonderfall bezeichnet wird. Das Verhältnis von speziell zu generell kann aber auch auf die statistische Häufigkeit des praktischen Vorkommens bezogen sein. Nur im erstgenannten Sinne hat die Gliedertaxe die speziellere Regelung zum Inhalt. In der praktischen Bedeutung im Sinne der Häufigkeit des Vorkommens dürfte der Katalog der Gliedertaxe nicht hinter der Regelung des § 8 II. (5) AUB zurückstehen. Die Abgrenzung der Bedeutung der Gliedertaxe von der als Generalklausel formulierten Bemessungsregel war zunächst zweifelhaft. In älteren Entscheidungen wurde die Auffassung vertreten, daß der Verlust einer Gliedmaße nicht in jedem Falle zu einer abschließenden Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Gliedertaxe führe: O L G Dresden 15. VI. 1933 VA 1933 S. 3 5 7 - 3 5 8 Nr. 2595 beurteilt die völlige Gebrauchsunfähigkeit eines Beines als Invalidität von 100 Prozent, obwohl nach der vereinbarten Gliedertaxe hierfür nur 5 0 % vorgesehen waren. Das Gericht legt die AVB dahingehend aus, daß die Gliedertaxe nur Fälle teilweiser Invalidität betreffe; die Beurteilung völliger Invalidität richtet sich nach allgemeinen Bemessungsvorschriften. Ebenso entscheidet OLG Bremen 7. IV. 1936 JRPV 1936 S. 3 5 1 - 3 5 2 für den Verlust eines Beines: Es sei Ganzinvalidität anzunehmen, die Gliedertaxe sei hierfür nur maßgeblich, wenn ihr Vorrang ausdrücklich vereinbart worden sei. Auch in dem von O L G Köln 12. V. 1937 VA 1937 S. 1 9 5 - 1 9 6 Nr. 3001 entschiedenen Fall ging es um den unfallbedingten Verlust eines Beines. Das Gericht nimmt Vollinvalidität auf Grund der gleichen Erwägungen an wie das OLG Dresden a. a. O. Diese Entscheidungen sind sachlich überholt (undeutlich insoweit Wussow A U B 4 § 8 Anm. 10, S. 166, richtig dagegen a.a.O. Anm. 11, S. 167). Das wird vom AG Ansbach 19. VII. 1960 VersR 1960 S. 913 mit Deutlichkeit ausgesprochen: Richtet sich die Vssumme bei Verlust von Gliedmaßen nach einer Gliedertaxe, so sei der Nachweis eines höheren Invaliditätsgrades ausgeschlossen. Hiervon geht die neuere Rechtsprechung wie selbstverständlich aus: LG Düsseldorf 4. II. 1954 VersR 1954 S. 236, L G Göttingen 2. VII. 1962 VersR 1963 S. 1017-1018, BGH 10. X. 1966 VersR 1966 S. 1 1 3 3 - 1 1 3 4 , BGH 24. IV. 1974 VersR 1974 S. 6 6 4 - 6 6 5 und PrölssMartin 21 § 8 A U B Anm. 7, S. 1 0 8 0 - 1 0 8 1 , ebenso schon Wüstney § 11 Anm. 3. S. 59. Eine von der Gliedertaxe unabhängige Bemessung des Grades der Invalidität gemäß § 8 II. (5) A U B vollzieht sich nach einer Kombination subjektiver - d. h. auf die Verhältnisse des Vten abstellender — und objektiver, generalisierender Gesichtspunkte. Gedanklicher Ausgangspunkt der Beurteilung ist der körperlicher Zustand des Vten unter Einbeziehung der unfallbedingten Beeinträchtigungen, d. h. der Istzustand zur Zeit der Beurteilung. Dabei ist eine etwa bestehende Vorinvalidität nach Maßgabe des § 10 (4) A U B festzustellen und von der aus dem Istzustand sich ergebenden Gesamtinvalidität abzuziehen, Einzelheiten unten Anm. G 310. Die aus diesem körperlichen Gesamtzustand sich ergebende Leistungsfähigkeit des Vten ist aus der Sicht seiner „Kräfte und Fähigkeiten" zu beurteilen. Das bedeutet, daß der körperliche Zustand des Vten (nur) insoweit Beurteilungsgrundlage seiner Arbeitsfähigkeit ist, als ihm Bedeutung für die Fähigkeit zur Arbeitsleistung zukommt. Diese gleichsam funktionale Betrachtungsweise wird weiter eingegrenzt dadurch, daß nur eine solche 31

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. G 308

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Leistungsfähigkeit des Vten bedeutsam ist, die ihm eine Arbeit ermöglicht, „die ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes zugemutet werden kann" (§ 8 II. (5) a.E.). Diese Formulierung trägt ein generalisierendes Element in die Beurteilung der Invalidität: Zu prüfen ist, ob der Vte eine Tätigkeit auszuüben vermag, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Erfordernisse (Funktionstüchtigkeit der Arme und Augen bei Büroarbeit oder bei Tätigkeit als Chauffeur) u n d in ihrer sozialen Einschätzung in den Kreis derjenigen Berufe oder Tätigkeiten fällt, der seiner Ausbildung und seinem bisherigen Beruf entspricht. Für die hiernach notwendige Beurteilung der Zumutbarkeit ist auf die Rechtsprechung zum allgemeinen Haftungsrecht zur Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 II BGB hinzuweisen, vgl. Wussow AUB 4 § 8 Anm. 9, S. 165 und Palandt-Heinrichs 36 § 2 5 4 BGB Anm. 3b) dd). Die hiernach zu vollziehende Schätzung könnte als im Bereich nicht nachprüfbarer Willkür liegend erscheinen. So könnte das Ergebnis eines Gutachters, ein kaufmännischer Angestellter sei zu 75 Prozent dauernd arbeitsunfähig, weder als Schätzung noch in seiner praktischen Konsequenz nachvollzogen werden: Kein Arbeitgeber wird einen derart behinderten Arbeitnehmer einstellen, so daß eine solche Schätzung ohne greifbare Grundlage bleibt. Aus den (wenigen) hierzu veröffentlichten Entscheidungen wird die Tendenz deutlich, im Bereich geringer oder erheblicher (vom Sachverständigen geschätzter) Invalidität nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip zu verfahren. So heißt es ζ. B. bei OLG Hamm 21. XII. 1931 JRPV 1932 S. 189, der Kläger könne als Handarbeiter praktisch nicht mit der Möglichkeit rechnen, die ihm verbliebene Arbeitskraft wirtschaftlich auszunutzen. Vollinvalidität sei nicht erst anzunehmen, wenn dem Vten „der geringste Prozentsatz von Arbeitsfähigkeit genommen sei. Denn es sei so selten, daß dem Vten die Fähigkeit auch zu leichtesten Handreichungen genommen sei, daß dies in den AVB als Voraussetzung für Vollinvalidität nicht gemeint sein könne. Auch die oben zitierten Entscheidungen OLG Dresden 15. VI. 1933 VA 1933 S. 357 Nr. 2595, OLG Bremen 7. IV. 1936 JRPV 1936 S. 351 und O L G Köln 12. V. 1937 VA 1937 S. 195 Nr. 3001 gehen ersichtlich von dieser Erwägung aus, wenn sie entgegen der jeweils vereinbarten Gliedertaxe wegen des Verlustes eines Beines Vollinvalidität bejahen. Abweichend hiervon entscheidet OLG Hamburg 27. V. 1938 JRPV 1938 S. 217-218: Ein Dachdecker, dem unfallbedingt der rechte Arm amputiert werden mußte, könne zwar seinen Beruf als Dachdecker nicht mehr ausüben, er habe aber die Möglichkeit, seine Arbeitskraft noch so einzusetzen, daß nur von einer Invalidität von 75 Prozent auszugehen sei. Als Maßstab einer auf einen bestimmten Beruf bezogenen Invalidität ist ein früher erlernter Beruf, der seit Jahren nicht mehr ausgeübt wird, nicht zu berücksichtigen, OLG Celle 5. V. 1959 VersR 1959 S. 784-785. Der Kläger, der in seinem erlernten Beruf als Lohnbuchhalter nicht mehr tätig gewesen war, hatte bei einem Radrennen einen Schädelbasisbruch mit Gehirnerschütterung erlitten. Hatte der Vte einen Beruf nicht erlernt oder — nicht nur vorübergehend — dessen Ausübung unterbrochen, so muß zum Zwecke der Bemessung der Invalidität ein seiner Ausbildung entsprechender Beruf fingiert werden, Prölss-Martin 21 § 8 AUB Anm. 9, S. 1082. Die Notwendigkeit einer solchen fiktiven Annahme einer Berufstätigkeit wird häufiger, seitdem sich die private Unfallv größerer Beliebtheit erfreut, vielfach auch innerhalb eines „Versicherungspaketes" im Rahmen einer Reisev genommen wird. Daraus ergibt sich eine deutliche Ausweitung des Kreises der vten Personen auf berufslose Hausfrauen und Jugendliche. In solchen Fällen kann sich auch die Frage nach dem Invaliditätsgrad von Kindern stellen. Die Zusatzbedingungen für die Kinder-Unfallv (oben Anm. A 4) enthalten eine Sonderregelung nur für die Todesfallentschädigung, nicht für die Invalidität. Hier erhält die Bemessung der Invalidität 482

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

A r n G 308

den Charakter einer Schätzung, die mangels greifbarer Grundlagen in den Grenzbereich zur Spekulation gerät. In der Regulierungspraxis bietet die Bemessung der Invalidität nicht so erhebliche Schwierigkeiten, wie dies aus der vorstehenden Darstellung geschlossen werden könnte. Wenn auch der Begriff der Invalidität in der privaten Unfallv nicht den gleichen Inhalt hat wie in der Sozialv (vgl. OLG Celle 5. V. 1959 VersR 1959 S. 784—785), so gibt doch die Praxis der Sozialgerichte und der für sie tätigen Gutachter dem in der privaten Unfallv tätigen Sachverständigen eine ständige Orientierungshilfe, vgl. hierzu die kurzen Bemerkungen von Perret S. 44—46. Auch ist zu berücksichtigen, daß bleibende Verletzungsfolgen, die nicht in der Gliedertaxe genannt werden, nicht stets Invalidität zur Folge haben, Perret a.a.O. S. 45. Folgen eines Unfallereignisses, die nicht im Verlust von Gliedmaßen, Sinnesorganen oder inneren Organen bestehen, unterliegen vielfach ständiger Veränderung, wobei die Veränderung zum Guten im Sinne von Heilung in der Praxis überwiegt. Solche sich fortentwickelnden Krankheitszustände nach Verletzung sind vorwiegend zu beobachten bei Kopf- bzw. Hirnverletzungen und bei Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Begründen sie die Invalidität des Vten, so unterliegt auch die Bemessung der Invalidität der Veränderung. Diese wird um so „richtiger", je später sie erfolgt. Dem trägt die Bestimmung des § 13 (3) AUB Rechnung: Innerhalb der ersten beiden Jahre nach Abschluß der ärztlichen Behandlung, längstens drei Jahre vom Unfalltage an, sind Vmer und Ver berechtigt, den Invaliditätsgrad jährlich neu feststellen zu lassen. Die neue Feststellung im Sinne des § 13 (3) a AUB setzt eine vorangegangene Feststellung voraus. Die Voraussetzungen dieser (ersten) Feststellung sind in § 13 (1) S. 1 AUB durch Verweisung auf § § 1 1 und 12 AUB genannt. Hiernach kann die Feststellung auf einem Anerkenntnis des Vers (Anm. G 291), auf dem den Parteien zugegangenen (§ 12 (1) S. 2 AUB) Spruch des Ärzteausschusses (oben Anm. G 300) oder auf einer der Klage des Vmers stattgebenden gerichtlichen Entscheidung beruhen. Die so festgestellte Verbindlichkeit des Vers wird nach Ablauf weiterer zwei Wochen fällig (§ 12 (1) S. 1 AUB). Wegen des in § 13 (1) S. 3 AUB genannten Vorbehalts für die Fälligkeit der Invaliditätsentschädigung, der für den hier darzustellenden Zusammenhang ohne Bedeutung ist, wird auf die Ausführungen oben Anm. G 290 verwiesen. Die erste Feststellung des Invaliditätsgrades durch die Ärztekommission enthält nicht selten eine n a c h Z e i t a b s c h n i t t e n a b g e s t u f t e Angabe über den Prozentsatz der Invalidität. So kann das Gutachten die Aussage zum Inhalt haben, daß jetzt, d. h. zur Zeit der Begutachtung, eine Arbeitsbehinderung von 15 Prozent gegeben sei, daß nach Ablauf von zwei Jahren aber nur noch eine dann verbleibende Invalidität von 10 Prozent angenommen werden könne (Beispiel nach dem von BGH 30. VI. 1958 VersR 1958 S. 5 0 7 - 5 0 8 = NJW 1958 S. 1679-1681 mit Anm. Dem entschiedenen Sachverhalt). Da Invalidität die (mutmaßlich) dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bedeutet (§ 8 II (1) S. 1 AUB, vgl. oben Anm. G 307), stellt ein solcher Spruch der Ärztekommission eine Invalidität von 10 Prozent fest. Der für den Zeitpunkt der Begutachtung ermittelte Satz von 15 Prozent betrifft nur die vorübergehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, das verkennt Dem in seiner Anmerkung zu BGH 30. VI. 1958 NJW 1958 S. 1679, zutreffend dagegen Wussow AUB 4 § 13 Anm. 4, S. 222. Diese — zwangsläufig als Prognose vollzogene — Feststellung der Invalidität ist für die Bemessung der Invaliditätsentschädigung maßgebend. Zahlt der Ver die hiemach berechnete Invaliditätsentschädigung alsbald aus, so ergeben sich aus dem später erkennbar werdenden Umstand, daß die Prognose unrichtig war, keine Rechtsfolgen: 31'

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483

Anm. G 308

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Der Vmer kann bei Verschlimmerung des unfallbedingten Leidens keine Nachforderung stellen, der Ver kann die Entschädigungsleistung nicht (teilweise) zurückfordern, wenn im Ergebnis eine geringere oder gar keine Invalidität verbleibt. Da eine solche vorzeitige Fixierung des Invaliditätsgrades objektiv unrichtig sein und durch die Entwicklung des Leidenszustandes des Vten alsbald widerlegt werden kann, wird durch § 13 (3) a AUB beiden Vertragsparteien das Recht eingeräumt, die Invalidität neu feststellen zu lassen. Dieses Recht entsteht nicht mit der ersten Feststellung des Invaliditätsgrades, sondern erst mit Abschluß der ärztlichen Behandlung. Ärztliche Behandlung in diesem Sinne ist gegeben, solange der Arzt eine Besserung des Zustandes des Vten durch Einsatz medizinischer Mittel für möglich hält. Sie ist abgeschlossen, wenn der behandelnde Arzt eine weitere Besserung für ausgeschlossen hält, und zwar auch dann, wenn der Vte zum Zwecke vorsorglicher Kontrolle noch beim Arzt erscheint, so zutreffend Wussow AUB 4 § 13 Anm. 4, S. 220. Frühestens ein Jahr nach Abschluß der ärztlichen Behandlung wird der Grad der Invalidität des Vten — entsprechender Antrag des Vers vorausgesetzt, vgl. nachstehender Absatz — neu festgestellt. Für die (zweite) Feststellung gelten keine Besonderheiten: Sie kann darauf beruhen, daß der jeweils andere Vertragsteil eine ärztliche Bescheinigung — etwa des Hausarztes des Vten (zu dessen Gunsten) oder des Vertrauensarztes des Vers bei deutlich günstigerem Heilungsverlauf — anerkennt. Sie wird von der Ärztekommission vollzogen, wenn diese schon für die erste Feststellung tätig geworden war. Sie ist dann — in gleicher Besetzung - auch für die erneute Begutachtung zuständig, vgl. RG 15. XI. 1935 RGZ Bd 149 S. 215-223 = JRPV 1935 S. 374—376. Ist ein Mitglied der Kommission unerreichbar, verstorben, nicht bereit oder aus anderen Gründen inhábil zur erneuten Mitwirkung, so ist es nach Maßgabe des § 12 II. (1) AUB zu ersetzen, RG a.a.O. S. 221 = JRPV 1935 S. 376. Das Recht, anstelle des Ärzteausschusses das ordentliche Gericht anzurufen, steht den Vertragsparteien dagegen für die erneute Feststellung nicht (mehr) zu, nachdem sie sich für die erste Feststellung durch den Ärzteausschuß entschieden haben, Wussow AUB 4 § 13 Anm. 5, S. 224. Entsprechendes muß gelten, wenn die erste Feststellung vom ordentlichen Gericht getroffen worden ist. Es bleibt dann auch für die erneute Feststellung zuständig, Wussow a.a.O. S. 224. Diese Auslegung des § 13 (3) AUB entspricht den Erfordernissen der Rechtsklarheit und ist geeignet, einer die Sachentscheidung verzögernden Spekulation eines der Beteiligten auf eine andere Entscheidung durch eine andere Stelle entgegenzuwirken, Wussow a.a.O. Das Recht, eine Neufeststellung zu verlangen, wird durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil ausgeübt. Diese Erklärung ist eine rechtsgestaltende Willenserklärung. Sie hindert, gleichviel, ob sie vom Ver oder vom Vmer abgegeben wird, das Fälligwerden der Invaliditätsentschädigung (Kapitalleistung). Der Anspruch des Vmers auf Zahlung der Invaliditätsentschädigung würde ohne diese Erklärung gemäß § 13 (1) S. 1 AUB zwei Wochen nach (der ersten) Feststellung fällig werden. Man wird gleichwohl nicht annehmen können, daß die in § 13 (1) S. 1 AUB genannte Zweiwochenfrist zugleich das Recht der Vertragspartner befristet, erneute Feststellung der Invalidität zu verlangen. Eine entsprechende vertragliche Auschlußfrist müßte in eindeutiger Weise im Bedingungstext dargestellt werden. Deshalb ist davon auszugehen, daß Ver und Vmer grundsätzlich bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Tag des Unfallereignisses (§ 13 (3) a AUB) das Recht haben, eine erneute Feststellung zu verlangen. Die Parteien verlieren dieses Recht nach allgemeinen Grundsätzen, wenn der Ver die aus der ersten Feststellung sich ergebende Invaliditätsentschädigung vorbehaltlos — etwa, ohne sie als Vorschuß zu bezeichnen - zahlt und der Vmer sie vorbehaltlos entgegennimmt. Praktisch bedeutsam ist diese Frage nicht, weil sich der 484

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 309

Ver regelmäßig mit der von ihm als endgültige Entschädigung geleisteten Zahlung eine Abfindungserklärung geben läßt. Versäumt eine Vertragspartei, die erneute Festsetzung der Invalidität zu verlangen, so bleibt die jeweils zeitlich letzte Feststellung für die Bemessung der Invaliditätsentschädigung maßgeblich, soweit sie nach Maßgabe des § 13 (3) AUB rechtzeitig erfolgt, d. h. gemäß einem Verlangen getroffen worden ist, das vor Ablauf der Dreijahresfrist gestellt worden ist. Die letzte Feststellung selbst braucht nicht innerhalb der Dreijahresfrist vollzogen worden zu sein, vgl. Wussow a. a. O. S. 222. Ob die Invalidität vor oder nach dieser maßgeblichen Bemessung größer oder geringer war, ist ohne Bedeutung, OLG Düsseldorf 20. X. 1941 JRPV 1942 S. 7 - 2 8 und Wussow a.a.O. S. 222 unten. Wird die Invaliditätsentschädigung nicht fällig, weil Ver oder Vmer Neufeststellung des Invaliditätsgrades verlangen und zahlt demgemäß der Ver die nach der vollzogenen Feststellung zu bemessende Invaliditätsentschädigung ganz oder teilweise nicht aus, so hat er dem Vmer Zinsen zu zahlen, die sich nach der vorläufig festgestellten Invaliditätsentschädigung errechnen, § 13 (3) b S. 1 und 2 AUB. Der Zinssatz beträgt in jedem Falle mindestens 4% und höchstens 6% p.a. Er liegt 1% über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, wenn der Ver die (spätere) Neufeststellung der Invalidität veranlaßt, 1% unter dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, wenn der Vmer Neufeststellung verlangt hat. Die unterschiedliche Bemessung des Zinssatzes soll den Parteien einen Anreiz geben, „möglichst bald zu einer endgültigen Festsetzung des Invaliditätsgrades zu gelangen", Grewing Entstehungsgeschichte S. 57. Die Zinsen sind vierteljährlich im voraus zu zahlen. Stirbt der Vte, so wird eine Neufestsetzung der Invalidität unmöglich. Geschieht dies innerhalb eines Jahres nach dem Unfall, so wird anstelle der Invaliditätsentschädigung die Todesfallentschädigung - wenn diese vereinbart ist, - gezahlt, § 81. und II. (6) AUB. Tritt der Tod des Vten später als ein Jahr nach dem Unfall ein, so bleibt die Invaliditätsentschädigung geschuldet. Sie wird nach dem Grad der zeitlich zuletzt festgestellten Invalidität bemessen, § 13 (3) b S. 3 AUB. [G 309] cc) Bedeutung der Gliedertaxe Führt das Unfallereignis zu Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit von in § 8 II. (2) a—c AUB genannten Gliedmaßen oder Sinnesorganen, so richtet sich die Berechnung der Invaliditätsentschädigung nach der sog. Gliedertaxe: Die Invaliditätsgrade (in Prozenten gemessen) ergeben sich aus dem unter § 8 II. (2) AUB aufgeführten Katalog. Diese Berechnungsart führt, soweit sie isoliert durchführbar ist, zu einer völligen Loslösung der Beurteilung der Invalidität von den besonderen Verhältnissen des unfallbetroffenen Vten. Meistgenanntes (Perret S. 29) Beispiel: Der Verlust eines Kleinfingers wird mit 5% der vereinbarten Invaliditätssumme entschädigt. Er bedeutet für den im Büro arbeitenden Vten oder den Handwerker u. U. gar keine, für einen Pianisten aber eine erhebliche Behinderung. Die bis 1961 in § 11 der AVB enthaltene Gliedertaxe ist für die AUB umgestaltet worden: Alle die Bemessung der Entschädigungsleistung betreffenden Bestimmungen — abgesehen von der allgemeinen Regelung des § 10 (1) und (4) AUB - sind nunmehr in § 8 AUB zusammengefaßt. Die Gliedertaxe selbst wurde in drei Gruppen aufgeteilt: Die unter a) genannte Gruppe betrifft den Verlust von Arm/Hand/Finger, die zu b) Bein/Fuß/Zehen und die zu c) den Verlust von Sinnesorganen: Augen/ Gehör/Geruch/Geschmack. Zugleich wurden die Prozentsätze geändert (vgl. den Überblick bei Grewing Entstehungsgeschichte S. 38). Diese Änderung in Darstellung und Bemessung beruht auf der Berücksichtigung von Erfahrungen der berufsgenossenschaftlichen Unfallv (Grewing a. a. O. S. 38). Wagner

485

Amn. G 309

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Die Gliedertaxe selbst enthält nur Prozentsätze für den V e r l u s t der Gliedmaßen oder Sinnesorgane. Dabei werden einige Möglichkeiten teilweisen Verlustes noch innerhalb des Kataloges aufgezählt: für Arm und Bein nach dem Ort der Abtrennung und bei den (Sinnes-)Doppelorganen durch Berücksichtigung der Möglichkeit des Verlustes nur eine Organs (Auge, Gehör). Die Subsumtion ist für die Fälle des Teilverlustes deutlich erschwert: Schon die Voraussetzungen für den Verlust eines Armes im Schultergelenk, einer Hand im Handgelenk, eines Fußes im Fußgelenk oder eines Fußes mit Erhaltung der Ferse sind nicht eindeutig: Gemeint ist bei der erstgenannten Gruppe eine saubere Exartikulation unter vollständiger Erhaltung der körpernahen Gelenkteile, die für die prothetische Versorgung wichtig ist, so Fußhoeller VW 1964 S. 688. Nicht eindeutig ist auch der Wert der Amputation nach Pirogoff, da man, nach der Länge des verbleibenden Unterschenkelstumpfes zwei Amputationen dieser Art unterscheidet, Fußhoeller a.a.O. S. 688 unter Hinweis auf Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 1 0 0 - 1 0 6 Aufl., S. 687. Schwierigkeiten für die Ermittlung des Invaliditätsgrades auf Grund der Gliedertaxe bestehen auch bei unfallbedingter Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit der Hand durch Verlust mehrerer Finger. Hier stellt sich die Frage, ob sich der Invaliditätsgrad durch Addition der Prozentsätze für die drei Finger errechnet. B e i s p i e l : Verlust von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger ergibt einen Invaliditätsgrad von 35% oder ob daneben oder stattdessen die teilweise Gebrauchsunfähigkeit der Hand nach Maßgabe des § 8 II. (3) S. 2 AUB zugrundegelegt wird, wonach „der entsprechende Teil des Satzes nach Ziff. 2 angenommen" werden müßte, so daß sich ein Teilwert von 60% (für den Verlust der Hand) ergeben würde. Hierzu gehen OLG Hamm 20. III. 1959 VersR 1962 S. 2 6 9 - 2 7 0 - für AVB der bis 1961 geltenden Fassung - und LG Saarbrücken 24. IX. 1973 VersR 1974 S. 5 3 - 5 4 für die AUB davon aus, daß die Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hand hier unberücksichtigt bleiben müsse, weil die Gliedertaxe den Verlust von Fingern speziell und abschließend regele. Dieser Erwägung ist zu folgen. Sie macht zugleich deutlich, daß die mit der Gliedertaxe angestrebte Klarheit der Regelung nur auf Kosten einer differenzierenden Bemessung der Invalidität gewonnen werden kann. In dem von OLG Hamm entschiedenen Fall ging es außerdem um den teilweisen Verlust von Fingern. Insoweit mußte dann doch auf die dem (jetzigen) § 8 II. (3) S. 2 AUB entsprechende Bestimmung zurückgegriffen werden, vgl. OLG Hamm a. a. O. S. 269 r. Sp. Dem Verlust der in der Gliedertaxe genannten Extremitäten und Sinnesorgane wird durch § 8 II. (3) S. 1 AUB die — unfallbedingt eingetretene — vollständige Gebrauchsunfähigkeit gleichgestellt. Es darf angenommen werden, daß diese Vorschrift für die Praxis ohne erhebliche Schwierigkeiten anwendbar ist, da sie bisher — soweit ersichtlich — keinen Anlaß für veröffentlichte Entscheidung gegeben hat und im Schrifttum nicht näher behandelt wird, vgl. Wussow AUB 4 § 8 Anm. 11, S. 167. Perret S. 29. Die Gleichstellung von Verlust und Gebrauchsunfähigkeit war in den bis 1961 maßgeblichen AVB Bestandteil der Gliedertaxe ( § 1 1 II. A. 1. a.). Die Übernahme dieser Regelung in einen besonderen Absatz hängt mit der Änderung der Gesamtdarstellung zusammen: Da die Vorschriften über die Bestimmung des Invaliditätsgrades nunmehr in einem Paragraphen zusammengefaßt sind, lag es nahe, die völlige Gerauchsunfähigkeit in einem Absatz mit der teilweisen Gebrauchsunfähigkeit zu behandeln, während sie vorher in den Zusammenhang mit der Gliedertaxe - die in § 11 II. gesondert geregelt war — gehörte, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 39 oben. Besondere Schwierigkeiten bietet die Gleichstellung von Verlust und Gebrauchsunfähigkeit, soweit sich der Invaliditätsgrad aus der Gliedertaxe und der Vorschrift des

486

Wagner

VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 309

§ 8 II. (3) S. 2 AUB errechnet. Der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung: Bei teilweisem Verlust oder teilweiser Gebrauchsunfähigkeit wird der entsprechende Teil des Satzes nach Ziffer (2) angenommen soll eine gegenüber der bisher geltenden Fassung (§11 II. A. 2.): Bei teilweisem Verlust oder teilweiser Gebrauchsunfähigkeit der vorgenannten Körperteile oder Sinnesorgane werden die vorstehenden Sätze entsprechend herabgesetzt deutliche Präzisierung bewirken, Grewing Entstehungsgeschichte S. 39. Die Erreichung dieses Zieles ist jedoch zweifelhaft, weil die vormals maßgebliche Gliedertaxe weder bei den Extremitäten noch für die Sinnesorgane eine Aufzählung (auch) von teilweisem Verlust enthielt. Das gilt jetzt für Arm und Beine nicht mehr: Die Gliedertaxe enthält jetzt selbst eine Differenzierung nach Teilverlusten, so daß zweifelhaft sein kann, ob die nach § 8 II. (3) S. 2 AUB zu ermittelnde Teilquote von der Quote für den Verlust des ganzen Armes (70%) oder den beiden Teilquoten (65 bzw. 55 Prozent) zu errechnen ist, soweit ein Arm teilweise gebrauchsunfähig geworden ist. Gewollt ist hier die Bezugnahme auf den Prozentsatz für den vollen Verlust, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 39. Verheilt z.B. ein Bruch des Unterarmes schlecht, so daß eine dauernde Behinderung verbleibt, so hat die nach § 8 II. (3) S. 2 AUB zu ermittelnde Invalidität nicht die Position der Gliedertaxe „Verlust eines Armes unterhalb des Ellenbogengelenks" (60 Prozent) zum Ausgangspunkt. Vielmehr bemißt sich die Quote für diese teilweise Gebrauchsunfähigkeit nach dem für den Verlust des ganzen Armes (70 Prozent) zugrundezulegenden Satz. Beispiel: Ist für Invalidität eine Summe vom 10.000.— DM vereinbart und führt der vorstehend genannte Bruch des Unterarms zu einer hälftigen Minderung der Gebrauchsfähigkeit des Arms, so besteht eine Invalidität von 35 Prozent, die sich gemäß § 8 II. (3) S. 2 AUB aus der Hälfte des für den Verlust des ganzen Armes vorgesehenen Satzes von 70 Prozent ergibt. Die als Invaliditätsentschädigung geschuldete Summe beträgt dann DM 3.500,-. Eine weitere Auslegungsschwierigkeit ergibt sich, wenn zweifelhaft ist, ob die Gebrauchsunfähigkeit z. B. auf Arm oder Hand oder auf Bein oder Fuß zu beziehen ist. Da sich das Merkmal der Gebrauchsunfähigkeit auf die primäre Funktion der entsprechenden Körperteile bezieht, kommt es primär nicht auf die Lokalisierung der Ursache des verbleibenden Defektes, sondern auf seine Wirkung an. B e i s p i e l e (nach Perret): Ein Bruch des distalen Endes der Speiche (Unterarm) führt zu einer bleibenden Drehbehinderung des Unterarmes, einer Streckund Beugehemmung im Handgelenk mit (oder ohne) Bewegungshemmung der Finger und des Daumens. Hier kommt es darauf an, in welchem Bereich sich primär die Funktionsstörung zeigt. Kommt es z.B. zur Krallenstellung aller Finger oder einer Atrophie der Hand als Dauerschaden, so kommt es nicht darauf an, wo anatomisch primär die Verletzung lag (Speichenbruch). Es liegt eine teilweise Gebrauchsunfähigkeit der Hand vor. Steht jedoch in der Auswirkung die Streckund Beugehemmung im Ellenbogengelenk im Vordergrund, so ergibt sich der Invaliditätsgrad aus einem Teilwert von 70 Prozent (für den ganzen Arm), vgl. Perret S. 31-32. In der Praxis wird der Umfang der verbleibenden teilweisen Gebrauchsunfähigkeit zur vollen Gebrauchsfähigkeit durch einen rechnerischen Bruch quantitativ ausgeWagner

487

Anm. G 309

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

drückt. So kann eine für den maßgeblichen Zeitpunkt (§ 13 (3) a AUB) festzustellende Invalidität auf Grund einer Streck- und Beugehemmung am Ellenbogen um 10 Grad mit 1/10 zu bewerten sein (Beispiel nach Perret S. 34). Hieraus ergibt sich der Bruchteil (oder Divisor) für die bei vollständiger Gebrauchsunfähigkeit eines Armes anzunehmende Invalidität von 70 Prozent, so daß die hieraus sich errechnende Invalidität 7 Prozent beträgt. Die nachstehend wiedergegebene Tabelle vermittelt einen Überblick über die in der Praxis häufigsten Verletzungsfolgen an Gliedmaßen (als Dauerschäden) und gibt in der ersten Spalte den Bruchteil wieder, der erfahrungsgemäß im Sinne der vorstehend dargestellten Bemessung der Praxis in der privaten Unfallv entspricht. Die Zahlen stellen Mittelwerte dar. Aus der zweiten Spalte ergibt sich der Prozentsatz der Invalidität nach der Gliedertaxe gemäß § 8 II. (2) AUB. Die Tabelle ist übernommen von Perret S. 35-41.

Arm: Volle Schultergelenkversteifung, erhaltene Bewegung im Ellenbogen-Handgelenk und den Fingergelenken Teilversteifung Schultergelenk, vor und seitwärts noch bis 90 Grad, behinderte Innen- und Außenrotation Teilversteifung Schultergelenk, vor und seitwärts Uber 90 Grad, freie Rotation Vollständige Plexuslähmung Lähmung des Deltamuskels Habituelle Schulterluxation Oberarmpseudarthrose mit Teilversteifung der Gelenke Geringe Streck-Beugebehindening am Ellenbogengelenk Gröbere Streck-Beugebehinderung am Ellenbogengelenk mit Behinderung der Pro- und Supination Volle Versteifung im Ellenbogengelenk in Mittelstellung Ellenbogenschlottergelenk Olecranonpseudarthrose mit endgradiger Bewegungshemmung Vorderarmpseudarthrose Vorderarmpseudarthrose, Hülse erforderlich Teilweise Hemmung der Vorderarmdrehung Komplette Radialislähmung Komplette Medianuslähmung Komplette Ulnarislähmung Partielle Radialis/Ulnaris/Medianuslähmung Handgelenkversteifung in Streckstellung Handgelenkversteifung in Fehlstellung Geringe Bewegungshemmung am Handgelenk Stärkere Bewegungshemmung am Handgelenk

488

Wagner

1. Bruchteil der teilweisen Gebrauchsunfähigkeit

2. Zahlenwert für die Höhe der Entschädigung AUB in Prozent

rechts und links

rechts und links

l

/2

35

V4

17,5

Vto-- ' / s

7,0-•14,0

Vl '/lo--Vs

70 7,0--14,0

V10-- ' / s

7,0--14,0 23,3--46,7 3,5- - 7,0

• Λ -•2/3 V20-- ' / i o V7- Vio Vj >/2-•2/3 V20--Vio ' / j -' V 2 2 h '/loV2 /s '/3 '/lo-- ' Λ VlO 2

Vs '/2Ω' / 7 - Vs

10,0--21,0 23,3 35,0--46,6 3,5- - 7,0 23,3--35,0 46,6 7,0--17,5 35,0 28,0 23,3 7,0--23,3 21,0 28,0 3,5--10,0 10,0--14,0

VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Hand: Handwuizelknochenbruch, knöchern verheilt Kahnbeinpseudarthrose Folgen nach Bennetfractur Mittelhandbrüche mit Fehlstellung verheilt, Fingerbeweglichkeit frei Mittelhandbrüche mit mäßiger Fingerteilversteifung Mittelhandbrüche mit weitgehender Fingerteilversteifung Verlust 1. Mittelhandknochen und Daumenverlust Fingerverlust und Teilverlust Mittelhandknochen Finger: Verlust Daumenendglied Teilversteifung Grund und Endgelenk Daumen

Anm. G 309

1. Bruchteil der teilweisen Gebrauchsunfähigkeit

2. Zahlenwert für die Höhe der Entschädigung AUB in Prozent

rechts und links

rechts und links

Vio-- ' / s

5,5-11,0

V s - 3/l0

11,0-16,5

Vio-- V 4

5,5-13,8

'/lo-- V s

5,5-11,0

' / s - •'Λ

11,0-18,3

h - • 4 /s

22,0-44,0

/s

22,0

2

2

2

/s

7,8-22,0

Vio-- V J

2,0-

Verlust Zeigefingerendglied Verlust End- und Mittelglied am Zeigefinger Strecksehnenabriß am Endglied des Zeigefingers Teilversteifung eines Gelenkes am Zeigefinger Teil-Vollversteifung aller Gelenke am Zeigefinger Teilversteifung eines Gelenkes an Mittel-, Ring- oder Kleinfinger Teil-Vollversteifung an allen Gelenken an Mittel-, Ring- oder Kleinfinger

2

/s

4,0

3

/4

7,5

Kombinierte Fingerverluste: Verlust Daumen und Zeigefinger

je Vi

Verlust von Zeige- und Mittelfinger

je V 1

6,6

V10"- V s

1,0-

2,0

Vio-- ' / s

1,0-

2,0

Vs

Vi

l V10"" / 4

' / 4 - Vi

2,0-10,0 0,5-

1,25

1,25-

5,0

20,0+ 10,0=30 10,0+ 5,0=15

je V 1

Verlust von Ring- und Kleinfinger

5,0+ 5,0=10

Bein: Hüftgelenkversteifung in guter Gebrauchsstellung Hüftgelenkversteifung in ungünstiger Gebrauchsstellung Knöchern verheilter Schenkelhalsbruch mit geringer Bewegungshemmung Hemialloarthroplastik Totalendoprothese mit schmerzloser geringer Bewegungshemmung Totalendoprothese mit schmerzhafter Bewegungshemmung Oberschenkelpseudarthrose Kniegelenkversteifung Streckstellung Kniegelenkversteifung in ungünstiger Beugestellung Kniebandschwäche leicht

Wagner

35,0

Vi 2

3

h - • /4

46,7-52,5

V5

14,0-21,0

' / 2 - • J /3

35,0-46,7

V s - •2/s

14,0-28,0

V 3 - •2h

23,3-46,6

4

/ s - • S /5

56,0-70,0 35,0

•Λ • 4 /s Vio· - V 4

35,0-56,0 7,0-17,5

489

Anm. G 309

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers 1. Bruchteil der teilweisen Gebrauchsunfähigkeit

2. Zahlenwert für die Höhe der Entschädigung AUB in Prozent

rechts und links

rechts und links

Kniebandschwäche, schwer

2

/s- 3 /s

28,0-42,0

Kniegelenkteilsteifung (Beugung bis zum rechten Winkel) Kniegelenkteilversteifung (Beugung über den rechten Winkel) Restschaden nach Meniskus Zustand nach Kniescheibenbruch

Ά— ι Λ '/s— 'Λ V10-V4 V5-V2

17,5-23,3 14,0-17,5 7,0-17,5 14,0-35,0

Vs- •2/s / s - •3/s Vs-

14,0--28,0 28,0--42,0 17,5--28,0 7,Ο--14,0 δό,0 28,0 35,Ο--56,0 Ι 4,0--23,3 7,Ο--17,5

Verlust der Kniescheibe Beinverkürzung von 6 cm und mehr Beinverkürzung von 4 cm Beinverkürzung von 2 cm

2

'/io/s

4

volle Lähmung n. ischias volle Lähmung n. peroneus Unterschenkelpseudarthrose, schlaff Unterschenkelpseudarthrose, straff Zustand nach Achillessehnenriss

2

/s V2-•4/s '/s- '/3 Vio*

Fuß: Versteifung im oberen Sprunggelenk Versteifung in Spitzfußstellung Teilversteifung der Fußgelenke Fersenbeinbruch mit mittelgradiger Deformierung Fersenbeinbruch mit schwerer Deformierung Folgen von Fußwurzel-Mittelfußbrüchen mit Fehlstellungen verheilt

Ά .

2

/5- '/2 '/io-

V J L

/3-

Vs-•V2

Ι 3,3 16,0--20,0 4,0--13,3 8,0--13,3 13,3--26,6 8,0--20,0

Höhe der Entschädigung bei vollem oder teilweisem Verlust an den Gliedmaßen Zahlenwert für die Höhe der Entschädigung nach AUB in Prozent Bein und Fuß: Exartikulation im Hüftgelenk

70

Amputation oberhalb der Mitte Oberschenkel Amputation bis Mitte Oberschenkel Amputation bis unterhalb des Kniegelenks Amputation bis Mitte Unterschenkel Exartikulation im Fußgelenk Verlust des Fußes unter Erhaltung der Ferse (nach Pirogoff)

70 60 50 45 40 30

490

Wagner

VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 309 Zahlenwert für die Höhe der Entschädigung nach A U B in Prozent

A r m und Hand: Exartikulation im Schultergelenk

70

Amputationen bis oberhalb des Ellenbogengelenkes

65

Amputation unterhalb des Ellenbogengelenkes

60

Exartikulation im Handgelenk

55

Die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach t e i l w e i s e m V e r l u s t d e r S e h k r a f t stellt die Praxis vor die Aufgabe, das Verhältnis der Sehkraft zur Gebrauchsfähigkeit (des Auges) zu ermitteln. Hierzu entschied LG Göttingen 2. VII. 1962 VersR 1963 S. 1017—1018 im Anschluß an Roggenkämper Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde 1951 S. 533—535, daß ein Bruchteil der S e h s c h ä r f e eines Auges nicht mit dem der Gebrauchsfähigkeit gleichzusetzen sei: Ein Auge mit 10 Prozent Sehschärfe habe allein im Hinblick auf diese Sehschärfe noch einen Gebrauchswert von 30 Prozent. Hiervon geht auch BGH 10. X. 1966 VersR 1966 S. 1133-1134 aus: Die Minderung der Gebrauchsfähigkeit eines Auges sei nicht allein nach dessen Sehschärfe, sondern nach dessen gesamten Funktionen zu bemessen. Auch diese Entscheidung folgt den von Roggenkämper a. a. O. herausgearbeiteten Grundsätzen, die zu folgender von Roggenkämper erarbeiteten Tabelle für das Verhältnis von verbliebener Sehschärfe zur Minderung der Gebrauchsfähigkeit führt. Die Tabelle enthält in der dritten Spalte den Prozentsatz, der sich jeweils für die Bemessung der Invalidität nach § 8 II. (3) S. 2 A U B ergibt (übernommen von Perret S. 43). verbliebene Schärfe

Minderung der Gebrauchsfähigkeit Zahlenwert

für die Höhe der Entschädigung nach A U B in Prozent

5

0% 10% 25% 33% 40% 55% 70% 85% 100%

0 3 7,5 10 12 15 21 24 30

/s /lO S /lS S /20 S /25 S /35 5 /so 3 /50 '/so S

= = = = = = = = =

Vio '/4 '/3 4 /l0 l h '/io 4 /5 10 /lO

Die AUB sind im Jahre 1972 (VA 1972 S. 251) innerhalb der Gliedertaxe dahingehend geändert worden, daß es in § 8 II. (2) c nicht mehr auf den „Verlust der Sehkraft", sondern auf den Verlust beider Augen oder eines Auges ankommt. Anlaß hierfür war das Urteil des BGH 10. X. 1966 VersR 1966 S. 1133-1134 = NJW 1967 S. 295—296, in dem zwischen Sehschärfe eines Auges und seiner Gebrauchsfähigkeit unterschieden wird in dem Sinne, daß eine Minderung der Sehschärfe nicht zu einer entsprechenden Minderung der Gebrauchsfähigkeit führe: Ein Auge mit einer Sehschärfe von 5/10 sei nicht nur zu 50 Prozent, sondern nahezu voll gebrauchsfähig; vgl. zur Änderung des Bedingungstextes A.S. in ZfV 1973 S. 36 und Wussow AUB 4 § 8 Anm. 11, S. 168. Es ist zweifelhaft, ob die vom BGH a.a.O. im Anschluß an Wagner

491

Anm. G 309

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

Roggenkämper dargestellten Grundsätze für das Verhältnis von Sehschärfe und Gebrauchsfähigkeit des Auges wegen der vorgenannten Änderung des Textes der Gliedertaxe nicht mehr maßgeblich sind, wie Wussow AUB 4 § 8 Anm. 11, S. 168 meint. BGH a.a.O. VersR 1966 S. 1134 = NJW 1967 S. 296 verwendet zwar den begriff der Sehkraft. Das geschieht indes nicht in einem Zusammenhang, der für den Inhalt der Entscheidung von Bedeutung ist, sondern eher im Sinne des Lebenssprachgebrauchs, der den Begriff der Sehkraft — insoweit abweichend vom Sprachgebrauch der Augenheilkunde, vgl. nachstehend — im Zusammenhang mit der Bemessung der Erblindung oder Blindheit verwendet. Das ergibt sich mit Deutlichkeit aus dem Leitsatz zu 2.), der auch die Begründung der Entscheidung unter 3.) mitträgt, wonach die Minderung der Gebrauchsfähigkeit eines Auges nicht allein nach der Sehschärfe, sondern nach den gesamten Funktionen des betreffenden Auges zu bemessen ist. Auch BGH 24. IV. 1974 VersR 1974 S. 6 6 4 - 6 6 5 verwendet den Ausdruck Sehkraft durchgehend synonym mit Gebrauchsfähigkeit des Auges. Auch innerhalb der fachwissenschaftlichen Terminologie (der Augenheilkunde) hat der Begriff der Sehkraft keine eigenständige Bedeutung. Im Sinne der von BGH 10. X. 1966 a.a.O. mit dem Begriff der Sehkraft verbundenen Bedeutung spricht Sachsenweger in Axenfeld/Pau, Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde S. 37 von Sehvermögen und faßt unter diesem Begriff alle Funktionen des Sehorgans (Sehschärfe, Gesichtsfeld, Farbensehen, Adaptionsvermögen) zusammen. Er bezeichnet als Sehschärfe die Fähigkeit des Auges, zwei eng beieinanderliegende Objektpunkte getrennt wahrzunehmen. Indem BGH 10. X. 1966 VersR 1966 S. 1133-1134 = NJW 1967 S, 295-297 die Gebrauchsfähigkeit eines Auges, wie vorstehend ausgeführt, unter Berücksichtigung aller Funktionen dieses Sinnesorgans beurteilt, befindet sich das Gericht in Übereinstimmung mit denjenigen Gesichtspunkten, die in der Augenheilkunde in diesem Zusammenhang für maßgeblich gehalten werden. Seine Bewertungsgrundsätze entsprechen auch nach Änderung des Textes der AUB wie bisher deren Wortlaut und Zweck: Da der Verlust eines Auges im wörtlichen Sinne als Folge eines Unfallereignisses bisher nicht bedeutsam war, kommt es primär auf die Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit des betroffenen Auges an. Die hierfür maßgebliche Bestimmung des § 8 II. (3) S. 2 AUB ist unverändert geblieben. Dem bis 1972 in den AUB und derzeit noch in § 19 II. (1) c AKB verwendeten Begriff der Sehkraft kommt eine eigenständige Bedeutung für die Rechtsanwendung in der privaten Unfallv nicht zu. Die Bemessung der unfallbedingten Gebrauchsunfähigkeit nach Maßgabe der Gliedertaxe bietet zusätzliche Schwierigkeiten bei Beeinträchtigung eines Doppelorgans — Auge oder Gehör —, wenn das korrespondierende Organ bereits vorgeschädigt war. In der Gliedertaxe findet sich eine Regelung nur für den Fall, daß das nicht vom Unfall betroffene (Doppel-)Organ schon vor dem Unfall vollständig verloren (gebrauchsunfähig) war. Es fehlt eine Regelung für den Fall, daß das jeweils andere Organ nur teilweise gebrauchsunfähig war. BGH 24. IV. 1974 VersR 1974 S. 664—665 entscheidet über die Bemessung der Invalidität bei unfallbedingter gänzlicher Gebrauchsunfähigkeit eines Auges und einer nicht unfallbedingten teilweisen Gebrauchsunfähigkeit des anderen Auges um 70 Prozent. Das Gericht hält den Grad der Vorschädigung des nicht unfallbetroffenen Auges für maßgeblich: Nach der Gliedertaxe wäre, wenn das nichtbetroffene Auge voll gebrauchsfähig sei, eine Invalidität von 30 Prozent, wenn es gänzlich gebrauchsunfähig gewesen sei, eine Invalidität von 70 Prozent anzunehmen gewesen. Nach dem Bemessungsprinzip des § 8 II. (3) S. 2 AUB, das auch hier gelte, sei bei teilweiser Vorschädigung des anderen Auges ein zwischen diesen Werten liegender Satz zu ermitteln. Dieser richte sich nach dem Grad der Vorschädigung, betrage also 70 492

Wagner

VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 309

Prozent der für den Fall völliger Gebrauchsunfähigkeit des vorgeschädigten Auges vorgesehenen Entschädigung von 70 Prozent der insgesamt vereinbarten Invaliditätsentschädigung. Beispiel: Ist eine Invaliditätsentschädigung von 10.000.- DM vereinbart worden, so beträgt die Entschädigung 70 Prozent = 7/10 von derjenigen Invaliditätsentschädigung, die für den unfallbedingten völligen Verlust eines Auges bei unfallunabhängiger völliger Gebrauchsunfähigkeit des anderen vorgesehen ist = 70 Prozent von DM 10.000.- = DM 7.000, hiervon wiederum 70 Prozent (7/10) = DM 4.900.-. Sind beide Augen von einem Unfall betroffen und in ihrer Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigt, so ist die hieraus sich ergebende Invalidität gemäß § 8 II. (3) S. 2 AUB zu ermitteln. Dabei ist von den der Gliedertaxe zugrundeliegenden Erwägungen auszugehen, die durch die für den vollständigen Verlust eines Doppelorgans vorgesehene Bewertung unter Berücksichtigung des unfallunabhängigen Zustandes des korrespondierenden Organs einen Bewertungsmaßstab vorgibt. Wird z. B. die Gebrauchsfähigkeit beider Augen unfallbedingt um 50 Prozent vermindert, so folgt hieraus nicht eine Invalidität von 100 Prozent, wie angesichts der Regelung des § 8 II. (4) AUB angenommen werden könnte. Das ergibt sich schon aus der Erwägung, daß die Gliedertaxe Vollinvalidität nur bei völliger Erblindung beider Augen annimmt. Nur als Ausgangspunkt der Bewertimg ist von dem Satz auszugehen, den die Gliedertaxe für die Erblindung beider Augen vorsieht (100 Prozent), Grewing Entstehungsgeschichte S. 40 für den insoweit gleichliegenden Fall der Beeinträchtigung des Gehörs. Wird z. B. das Gehör auf beiden Ohren unfallbedingt beeinträchtigt, so ist bei der Bemessung der Invalidität nicht jeweils von dem Teilsatz von 15 Prozent für jedes Ohr, sondern von dem Satz von 60 Prozent für den gänzlichen Verlust des Gehörs auf beiden Ohren auszugehen. Hiervon sind die Verfasser der AUB von 1961 im Genehmigungsverfahren ausgegangen, vgl. Grewing Entstehungsgeschichte S. 40 oben. Hat ein Unfallereignis mehrere Verletzungsfolgen, von denen eine oder mehrere die Voraussetzungen der Gliedertaxe erfüllen, andere dagegen nicht, so wird zwar der Grad (Prozentsatz) der Invalidität einheitlich, d.h. in einem Ergebnis festgestellt. Dieses errechnet sich indessen nach der Gliedertaxe, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind und gemäß § 8 II. (5) AUB, soweit die Berechnung nach der Gliedertaxe nicht möglich ist. Der Invaliditätsgrad ergibt sich aus der Summe beider Einzelberechnungen, Füssel VA 1951 S. 42—43. Führt ein Unfallereignis zu mehreren Verletzungen, die jeweils verschiedene in der Gliedertaxe genannte Voraussetzungen erfüllen Beispiel: Der Vte verliert durch einen Verkehrsunfall einen Arm und ein Bein. Der Arm muß im Schultergelenk, das Bein über der Mitte des Oberschenkels amputiert werden, so werden die aus der Gliedertaxe sich ergebenden Invaliditätsgrade addiert (§ 8 II. (4) AUB). Der für das vorstehende Beispiel sich ergebende Invaliditätsgrad von 140 Prozent wird auf 100 Prozent reduziert (§ 8 II. (4) letzter Halbs. AUB), weil eine Invalidität von mehr als 100 Prozent, gesehen auf den Begriffsinhalt der dauernden Arbeitsunfähigkeit, nicht möglich ist. Sie wäre auch ohne Wert für den Vten, weil die Invaliditätsentschädigung summenmäßig beziffert ist und hier die volle Summe ausgezahlt wird. Der Vmer kann gemäß § 11 II W G nach Ablauf eines Monats seit Anzeige des Vsfalles Abschlagszahlung in Höhe des Betrages verlangen, den der Ver nach Sachlage mindestens zu zahlen hat. Die Vorschrift ist zugunsten des Vmers (relativ) zwingend Wagner

493

Anm. G 310

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

(§ 15 a W G ) . Sie wird inhaltlich in § 13 (2) S. 1 AUB im wesentlichen wiederholt. Wegen der Einzelheiten zum Anspruch auf Abschlagszahlung — die AUB sprechen a.a.O. von „Vorschüssen" — wird auf Bruck-Möller § 11 Anm. 31—36 verwiesen. Die Invaliditätsentschädigung wird in Form einer Rentenzahlung geleistet, wenn der Vte am Unfalltage das 65. Lebensjahr vollendet hatte, § 8 II. (7) AUB. Fälligkeit und Höhe der Rentenleistung ergeben sich aus § 20 AUB.

[G 310] dd) Berücksichtigung der Vorinvalidität Der Unfallver leistet Entschädigung für die auf d e m U n f a l l b e r u h e n d e Invalidität (§ 8 II. (1) S. 1 AUB: „Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit als Unfallfolge". Insoweit wird in § 10 (4) S. 1 AUB etwas Selbstverständliches ausgesprochen, wenn es dort heißt, daß von der nach dem Unfall insgesamt bestehenden Invalidität („Gesamtinvalidität") ein Abzug zu machen ist, „der der schon vorher vorhanden gewesenen Invalidität entspricht". Der unfallbedingte Anteil der Gesamtinvalidität, der für die Bemessung der Invaliditätsentschädigung maßgeblich ist, wird, soweit sich das Ergebnis nicht aus der Gliedertaxe ergibt (dazu nachstehend), nach Maßgabe der Bestimmungen in § 8 II. (4) und (5) AUB ermittelt. Danach wird zunächst die Gesamtinvalidität festgestellt. Von ihr wird die Vorinvalidität abgezogen, deren (Prozent-)Satz ebenfalls nach den Grundsätzen des § 8 II. (5) AUB bestimmt worden ist. Die hiernach festgestellte unfallbedingte Invalidität erscheint als Ergebnis einer Subtraktion. Der Sache nach wird indes die für die Berechnung der Entschädigungsleistung maßgebliche Invalidität durch Schätzung ermittelt. Die das Ergebnis mitbestimmende Erfahrung und Sachkunde des medizinischen Sachverständigen fließt in die Beurteilung sowohl der Gesamtinvalidität als auch der Vorinvalidität ein und beeinflußt auch die Beurteilung der unfallbedingten Invalidität. Ihr Prozentsatz wird nicht mit den Mitteln der Arithmetik gewonnen, sondern auf Grund einer ärztlichen Gesamtschau. Die in § 10 (4) AUB für diesen Vorgang vorgeschriebene Methode der Subtraktion hat für die praktische Durchführung nur die Bedeutung, das ärztlich ermittelte Ergebnis juristisch nachprüfbar zu machen. Das geschieht, indem der Gutachter veranlaßt wird, sein Ergebnis (unfallbedingter Invaliditätsgrad) aus seiner Beurteilung der Gesamtinvalidität und der Vorinvalidität zu begründen und einsichtig zu machen. Dieses Erfordernis entspricht der Pflicht des Richters, im Falle einer Schätzung nach § 287 ZPO die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung offenzulegen, um die Überprüfung der Schätzung zu ermöglichen, BGH 30. IV. 1952 BGHZ Bd 6 S. 62 = NJW 1952 S. 978. Dagegen vollzieht sich die Ermittlung der unfallbedingten Invalidität in ausschließlich rechnerischer Weise, soweit ihr die Gliedertaxe zugrundezulegen ist. Hierzu bestimmt § 10 (4) S. 2 AUB, daß „gegebenenfalls auch ein höherer Grad der Gesamtinvalidität als 100 Prozent anzunehmen ist, sofern der Unfall Körperteile oder Sinnesorgane betrifft, die nicht schon vor diesem Unfall beschädigt waren." Diese mit den AUB von 1961 neu eingeführte Bestimmung ist nicht ganz leicht zu verstehen. Was gemeint ist, beschreibt Grewing Entstehungsgeschichte S. 46—47: „Gemäß der bisherigen Regelung konnte z. B. ein Versicherter, der schon vor dem Unfall nur einen Arm oder eine Hand hatte, durch einen neuen Unfall höchstens noch eine Invaliditätsentschädigung von 40% erhalten da als Gesamtinvalidität . . . immer nur 100% der Invaliditätssumme in Frage kamen. Jetzt kann der gleiche Versicherte, der z. B. bei einem neuen Unfall ein Bein über der Mitte des Oberschenkels verliert, noch 70% oder, wenn ihm bei einem neuen 494

Wagner

VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anni. G 310

Unfall beide Beine abgefahren werden, sogar 100% der Entschädigung erhalten, obwohl er bereits zu 60% invalide war." Das bedeutet, daß die Vorinvalidität ganz unberücksichtigt bleibt, wenn sich die unfallbedingte Invalidität aus der Gliedertaxe ablesen läßt. Das ist nur möglich, wenn die vom Unfall betroffenen Gliedmaßen oder Sinnesorgane nicht vorgeschädigt waren. Denn für sie stellen die in § 8 II. (2) a - c AUB für den vollständigen Verlust (oder Gebrauchsunfähigkeit, § 8 II. (3) S. 1 AUB) genannten Prozentsätze Höchstwerte dar, die — nach dem Sinn dieser Regelung - nicht überschritten werden dürfen. Die durch diese Höchstsätze gezogene Grenze soll auch dann nicht überschritten werden, wenn vom Unfall betroffene Gliedmaßen oder Sinnesorgane unfallunabhängig vorgeschädigt sind, vgl. OLG München 12.1.1961 VersR 1962 S. 2 0 - 2 2 . Daß eine Vorinvalidität unberücksichtigt bleibt, muß auch gelten, wenn sie nicht auf Verlust oder Beeinträchtigung nach Maßgabe der Gliedertaxe beruht. Ist z. B. der Vte wegen eines Rheumaleidens zu 50 Prozent in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und verliert er nunmehr unfallbedingt ein Bein, so erhält er eine Invaliditätsentschädigung von 70 Prozent. In den Fällen des § 10 (4) S. 2 AUB kann auch nicht danach unterschieden werden, ob ein Verlust oder völlige bzw. teilweise Gebrauchsunfähigkeit einer Gliedmaße oder eines Sinnesorgans Folge des Unfalls sind. Die Vorinvalidität muß auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn sich die unfallbedingte Invalidität aus § 8 II. (2) u n d (3) AUB ergibt. Das folgt schon daraus, daß nicht in allen Fällen der Gliedertaxe klar zwischen Verlust und Gebrauchsunfähigkeit unterschieden werden kann. So ist z. B. aus dem (neuen) Wortlaut des § 8 II. (2) c AUB nicht ersichtlich, ob Verlust eines Auges voraussetzt, daß der Augapfel entfernt worden ist. Unabhängig hiervon würden sich Differenzierungen ergeben, die vom Vten nicht verstanden würden: Wenn bei Verlust eines Beines eine Entschädigung von 70 Prozent unabhängig von Vorinvalidität zu zahlen ist, so ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum eine Vorinvalidität entgegen § 10 (4) S. 2 AUB zu berücksichtigen ist, wenn sich der Invaliditätsgrad gemäß § 8 II. (3) AUB - auf der Grundlage der Gliedertaxe — aus völliger oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit ergibt. Die zum Zwecke der Verbesserung des Vsschutzes in die AUB von 1961 eingeführte Nichtberücksichtigung der Vorinvalidität in den Fällen des § 10 (4) S. 2 A U B (vgl. Grewing Entstehungs-Geschichte S. 46) ist gegenüber dem eingangs erwähnten Grundsatz inkonsequent, daß nur die unfallbedingte Invalidität der Bemessung der Entschädigung zugrundezulegen ist. Denn die Invalidität hat eine Beurteilung des körperlichen G e s a m t z u s t a n d e s des Vten zum Gegenstand. Dem entspricht es, daß nach § 8 II. (4) AUB die Invalidität höchstens mit 100 Prozent bemessen werden kann. Eine weitergehende Aussage als die, daß der Vte völlig arbeitsunfähig sei, ist nicht möglich. Dadurch wird aber nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, zum Zwecke einer dem Vten günstigeren Berechnung der Entschädigungsleistung einen körperlichen Zustand unberücksichtigt zu lassen, auf Grund dessen schon vor dem Unfall Invalidität bestand. Eine solche, dem Begriff der Invalidität inhaltlich widersprechende Berechnung des Invaliditätsgrades ist am ehesten im Bereich der Gliedertaxe durchzuführen, weil die dort genannten Invaliditätsgrade auf ausschließlich genereller, von den individuellen Verhältnissen des Vten völlig abstrahierender Wertung beruhen und aus der Sicht des jeweils betroffenen Vten als fiktiv erscheinen. Insoweit ist es nicht systemfremd, auch eine Vorinvalidität als nicht vorhanden (fiktv) zu behandeln. Zu erheblichen Schwierigkeiten muß die Regelung des § 10 (4) S. 2 AUB aber dann führen, wenn sich die unfallbedingte Invalidität teilweise aus der Gliedertaxe und teilweise gemäß § 8 II. (5) AUB errechnet. Dann stellt sich die Frage, ob eine Vorinvalidität entsprechend § 10 (4) S. 1 AUB für die Wagner

495

Anm. G 311

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

insgesamt festzustellende Invalidität bedeutsam ist oder entsprechend § 10 (4) S. 2 AUB ganz unberücksichtigt bleibt oder schließlich nur für den Teil der Berechnung bedeutsam ist, der sich nicht aus der Gliedertaxe ergibt. Beispiel: Der Vte ist schon bei Vertragsschluß einarmig (Invalidität: 70 Prozent). Er erleidet unfallbedingt eine Verletzung der Wirbelsäule, die eine Invalidität von 50 Prozent bewirkt, durch denselben Unfall verliert er außerdem eine Hand. Bleibt die Vorinvalidität hier insgesamt unberücksichtigt, so beträgt der Satz der maßgeblichen unfallbedingten Invalidität 50 Prozent (für Wirbelsäule) plus 60 Prozent (für Hand), so daß die volle Invaliditätssumme (100 Prozent, vgl. § 8 II. (4) AUB) auszuzahlen ist. Berücksichtigt man die Vorinvalidität nur für den Wirbelsäulenschaden, so wird insoweit die unfallbedingte Invalidität von der Vorinvalidität aufgezehrt. Auszuzahlen sind 60 Prozent der Invaliditätssumme (für die Hand). Wird die Vorinvalidität hier für beide Körperschäden berücksichtigt, so kann weiter unterschieden werden: Ist die unfallbedingte Gesamtinvalidität nur bis zum Betrage von 100 Prozent zu addieren, so ergibt sich für den Unfall eine Entschädigungsleistung von 30 Prozent nach Abzug der Vorinvalidität. Dagegen errechnet sich ein Satz von 40 Prozent, wenn bei dieser Addition die Grenze von 100 Prozent überschritten werden darf. Da in einem solchen Falle jedes Ergebnis, vergleicht man es mit den jeweils anderen, als zufällig und willkürlich erscheint, ist hier nach Maßgabe der Regelung des § 10 (4) AUB zu verfahren: Die Vorinvalidität bleibt nur unberücksichtigt, soweit sich die Invalidität aus der Gliedertaxe errechnet, im übrigen ist sie voll einzusetzen. Danach ergibt sich für das vorgenannte Beispiel eine Invalidität von 60 Prozent. [G 311] d) Tagegeld Das Tagegeld in der privaten Unfallv hat sich historisch aus der sog. Kurquote entwickelt, die als Ersatzleistung für Kur- und Pflegekosten bestimmt und in Tagessätzen ausgedrückt wurde, vgl. Grewing Unfallversicherung S. 65. Diese Bedeutung hat sich verschoben: Das Tagegeld dient heute als Ausgleich für die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, vgl. Grewing a.a.O. S. 65 unten und Sieg Bd II § 67 Anm. 20. Soweit der Vte als Arbeitnehmer eine Anspruch auf Lohnfortzahlung für 6 Wochen hat, entspricht es dem Zweck des Tagegeldes und dient es — aus der Sicht des Vten — ökonomischer Prämiengestaltung, Hinausschiebung des Tagegeldes auf den 43. Tag zu vereinbaren, Grewing a.a.o. S. 65 unten unter Hinweis auf die entsprechende Regelung in der Strahlen-Unfallv. Die Abhängigkeit der Tagegeldleistung von konkreter Beeinträchtigung wird in §§ 8 III, 18 II. (3)-(5) AKB dadurch deutlich, daß das Tagegeld in seiner Höhe entsprechend dem Grad der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit abgestuft und gar nicht oder nur als Heilkostenersatz geleistet wird, wenn es an der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ganz fehlt. Deshalb soll Tagegeld in der Unfallv für nicht erwerbstätige Personen möglichst nicht vereinbart werden. Das Tagegeld wird bei Vertragsschluß in der Weise vereinbart, daß eine Höchstsumme für das täglich zu leistende Tagegeld genannt wird. Als Entschädigungsleistung geschuldet wird derjenige Prozentsatz, der jeweils der tatsächlichen Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Vten entspricht. Für die hiernach notwendige Bemessung fehlt es an einer der Gliedertaxe entsprechenden generellen Richtlinie. Nach § 8 III. (1) S. 3 AUB ist hierfür die Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Vten maßgebend. Das bedeutet, daß ein individueller Maßstab angelegt wird, generalisierende Elemete, die gemäß § 8 II. (5) AUB für die Bemessung der Invalidität bedeutsam sein können, fließen in diese Beurteilung nicht ein. Die Bemessung wird durch Schätzung vollzogen, 496

Wagner

VU. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Amn. G 312

die die unfallbedingten Erschwerungen der Berufsausübung durch den Vten zur Grundlage nehmen muß. Zu dieser Beurteilung ist der Arzt berufen, und zwar regelmäßig primär derjenige, der den Vten behandelt. Der Ver hat das Recht, diese Bemessung durch seine Vertrauensärzte (§ 15 II. (6) AUB), notfalls auch durch einen gemäß § 12 AUB zu berufenden Ärzteausschuß überprüfen zu lassen, Wussow AUB 4 § 8 Anm. 13 S. 170. In der Regulierungspraxis gehen die Unfallver von der tatsächlichen Vermutung aus, daß die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sei, solange die ärztliche Behandlung andauert, vgl. Wussow AUB 4 § 8 Anm. 13, S. 170. Indes obliegt es dem Vten, sich Vorliegen und Ausmaß der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bescheinigen zu lassen. Denn diese Voraussetzung für die Tagegeldleistung des Vers kann nur der Vte selbst herbeiführen, solange nicht der Ver Feststellungen durch seine Ärzte treffen läßt oder zu diesem Zwecke den Ärzteausschuß anruft, vgl. vorstehender Absatz. Der Ver ist allerdings gehalten, den ersichtlich unkundigen oder geschäftsungewandten Vten darauf hinzuweisen, in welcher Weise er seine Rechte zu wahren und den notwendigen Nachweis für die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sicherstellen muß. Die Verpflichtung des Vers, (vereinbartes) Tagegeld zu leisten, hängt nicht von der ärztlichten Behandlung des Vten, sondern von der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ab. Diese kann nach Abschluß der ärztlichen Behandlung andauern. Der Vte muß auch in diesem Falle — auf seine Kosten, vgl. § 9 AUB - die Fortdauer der Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit durch ärztliche Bescheinigung beweisen (§ 8 III (2) AUB). Soweit die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit länger als ein Jahr - vom Unfalltage an gerechnet — andauert, ist sie als Voraussetzung für eine Tagegeldleistung ohne Bedeutung, § 8 III. (4) AUB. Soweit sich die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nicht zwischenzeitlich als dauernd herausgestellt hat, so daß eine Invaliditätsentschädigung zu leisten sein wird, endet mit Ablauf eines Jahres nach dem Unfall die Leistung von Tagegeld, Krankenhaustagegeld und Heilkosten. Nach diesem Zeitpunkt kommt nur noch — soweit vereinbart — die Zahlung von Genesungsgeld (§ 8 V. AUB) und einer Ubergangsentschädigung (§ 8 VII. AUB) in Betracht, dazu unten Anm. G 313 und 318. Wegen der Zahlung von Heilkosten anstelle von Tagegeld (§ 8 III. (3) AUB) vgl. unten Anm. G 315. Zwischen dem Tagegeld und anderen Entschädigungsleistungen nach §§ 8 I.—II., IV.—VII. AUB besteht kein Alternatiwerhältnis in dem Sinne, daß die Tagegeldleistung eine andere Entschädigungsform ausschließt bzw. auf sie anzurechnen ist. Tagegeld kann z. B. neben der vollen Todesfallentschädigung zu zahlen sein, wenn der Tod als Folge eines Unfallereignisses innerhalb der in § 8 I. AUB genannten Frist erst dann eintritt, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung von Tagegeld schon bestanden haben. Es kann auch — ohne Anrechnung — neben der Invaliditätsentschädigung geschuldet sein. Diese Gestaltung tritt regelmäßig ein, wenn die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sowohl nach den Voraussetzungen für Invalidität (§ 8 II. (5) AUB) als auch nach Maßgabe des § 8 III. (1) AUB festzustellen ist. [G 312] e) Krankenhaustagegeld Das Krankenhaustagegeld hat erst in neuerer Zeit Eingang in den veröffentlichten Text der AUB gefunden (VA 1972 S. 251). Es dient dem (regelmäßig teilweisen) Ausgleich der Krankenhauskosten, die vielfach von anderen Ven nicht voll gedeckt sind, vgl. Sieg Bd II § 67 Anm. 21, der dieser Form der Entschädigungsleistung den Charakter einer Schadensvleistung beimißt, hierzu oben Anm. Β 14. Das Krankenhaustagegeld setzt voraus, daß sich der Vte unfallbedingt aus medizinischen Gründen 32

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

497

Anm. G 314

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

in stationärer Krankenhausbehandlung befindet, § 8 IV. (1) AUB. Es wird für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr - vom Unfalltag an gerechnet - geleistet, nicht aber für Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten gezahlt § 8 IV. (2) AUB. Das Krankenhaustagegeld ist in gleicher Weise wie das Tagegeld nach § 8 III. AUB von anderen Entschädigungsleistungen unabhängig. Es kann insbesondere neben einem Tagegeld beansprucht werden, das dann regelmäßig, wenn der Krankenhausaufenthalt ärztlich indiziert ist, in voller Höhe geschuldet wird, weil eine vollständige Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 8 III. (1) S. 3 AUB anzunehmen ist. [G313] f) Genesungsgeld Genesungsgeld gemäß § 8 V. AUB wird im Anschluß an einen (unfallbedingten) Krankenhausaufenthalt gezahlt. Es wird in gleicher Weise wie Tagegeld und Krankenhaustagegeld in Sätzen für einen Tag bemessen und gemäß § 8 V. (1) AUB grundsätzlich für die gleiche Anzahl von Kalendertagen geleistet, die dem Zeitraum des Krankenhausaufenthaltes entspricht. Die Leistung von Genesungsgeld wird jedoch höchstens für 100 Tage vorgesehen. In der Höhe vermindert es sich nach Maßgabe des § 8 V. (1) AUB. Danach werden für die ersten 10 Tage 100 Prozent, für die letzten 10 Tage 25 Prozent und für die übrige Zeit 50 Prozent — berechnet jeweils vom vereinbarten Krankenhaustagegeld - gezahlt. Das Genesungsgeld ist hiernach ein Akzessorium zum Krankenhaustagegeld: Es kann nicht ohne Krankenhaustagegeld vereinbart werden, seine Höhe bemißt sich nach der des Krankenhaustagegeldes, und es wird nur für denjenigen Zeitraum geleistet, für den auch Krankenhaustagegeld zu zahlen war. Wussow AUB 4 § 8 Anm. 15, S. 173 drückt diesen Zusammenhang so aus, daß sich die Zahlung des Krankenhaustagegeldes unter der Bezeichnung „Genesungsgeld" fortsetze. Dem Genesungsgeld fehlt jedoch, wenn man es isoliert als Entschädigungsleistung einordnet, ein gleicher Bezug zum konkreten Schaden des Vten, wie er beim Krankenhaustagegeld regelmäßig besteht, vgl. vorstehend Anm. G 312 und Sieg Bd II § 67 Anm. 21. Mehrere durch denselben — deckungspflichtigen — Unfall bedingte Krankenhausaufenthalte werden zum Zwecke der Berechnung des Genesungsgeldes addiert (§ 8 V. (2) AUB). Die für das Genesungsgeld genannten Höchstsätze, die sich nach Zeitabschnitten vermindern (vgl. vorstehend erster Absatz), werden dann auf den gesamten Zeitraum bezogen, der sich aus der Zusammenrechnung der Krankenhausaufenthalte ergibt. Dabei werden aber nur diejenigen Zeitabschnitte berücksichtigt, für die Krankenhaustagegeld geschuldet wird. Das sind Aufenthalte während des ersten Jahres nach dem Unfalltag. Dagegen sind Krankenhausaufenthalte nach Ablauf eine Jahres — vom Unfalltag an gerechnet — sowohl für das Krankenhaustagegeld als auch für die Berechnung des Genesungsgeldes unerheblich. [G 314] g) Heilkostenersatz aa) Allgemeines Ein Anspruch auf Ersatz der notwendigen Heilkosten, soweit diese der Wiederherstellung der durch den Unfall herbeigeführten Gesundheitsschädigung dienen, erscheint vordergründig als konsequente Folge einer gegen Unfälle genommenen privaten V. In der Praxis kommt indes dem Heilkostenersatz durch den Unfallver eine solche zentrale Bedeutung nicht zu. Soweit der Vte im Erwerbsleben steht, wird er regelmäßig schon auf andere Weise einen solchen Vsschutz besorgt haben, wobei er sich nicht auf unfallbedingte Gesundheitsschäden beschränken kann. Soweit eine 498

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 316

Krankenv — auf Grund Vszwanges oder freiwillig - als soziale Krankenv genommen wird, schließt diese regelmäßig nahe Angehörige des (primär) Vten ein. Angesichts der Tendenz zur Schaffung eines möglichst lückenlosen Vsschutzes für den Krankheitsfall tritt die Bedeutung der Heilkostenv als Teil der Unfallv zurück. Dieser Umstand spiegelt sich in der Regelung des § 8 VI. (3) A U B wieder, wonach der Anspruch auf Heilkostenersatz aus einer Unfallv gegenüber dem entsprechenden Anspruch aus einer PKV subsidiär ist (Anm. G 317). [G 315] bb) Heilkostenersatz anstelle von Tagegeld Ist ein Tagegeld vert, die Arbeitsfähigkeit des Vten aber nicht unfallbedingt beeinträchtigt worden, so wird anstelle des Tagegeldes (oben Anm. G 311) Heilkostenersatz gezahlt, § 8 III. (3) S. 1 AUB. Der hiernach als Heilkostenersatz zu zahlende Betrag ist summenmäßig begrenzt: Er beträgt die Hälfte desjenigen Betrages, der für den maßgeblichen Zeitraum als Tagegeld — dieses zum vollen Betrag von 100 Prozent gerechnet — zu zahlen gewesen wäre. Dieser Zeitraum bemißt sich nach der Dauer einer notwendigen ärztlichen Behandlung, soweit diese fortlaufend stattgefunden hat. Dafür genügt es, daß der Vte mindestens alle 14 Tage den behandelnden Arzt zum Zwecke der Behandlung aufgesucht hat oder vom Arzt zu diesem Zwecke besucht worden ist. Der Begriff der Behandlung ist weit zu verstehen, dazu gehören auch diagnostische Maßnahmen, soweit diese — aus der Sicht des Arztes - den Zweck haben festzustellen, welche Heilmaßnahmen im einzelnen geboten sind, vgl. Wussow A U B 4 § 8 Anm. 14, S. 171 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, die indes zur PKV ergangen ist. Die Leistung von Heilkostenersatz anstelle von Tagegeld ist nur bedeutsam, wenn nicht kraft Vertrages ohnehin Heilkostenersatz zu zahlen ist. Sie hat zur Voraussetzung, daß jedenfalls die Leistung von Tagegeld vereinbart worden ist. Die rechtliche Behandlung dieser Entschädigungsart regelt sich dann nach den für den Heilkostenersatz geltenden Grundsätzen: Die entsprechende Verpflichtung des Unfallvers ist subsidiär (§ 8 III. (3) S. 2 in Verbindung mit § 8 VI. (3) a S. 1 und 2 AUB). Sie ist Entschädigungsleistung nach dem Prinzip der Schadensv (oben Anm. Β 11). [G 316] ce) Voraussetzungen und Bemessung Die in § 8 VI. A U B genannte Entschädigungsleistung der Heilkosten (Überschrift zu § 8 VI. A U B ) muß vertraglich vereinbart sein. Eine solche Vereinbarung ist nur sinnvoll, wenn und soweit der Vte insoweit nicht anderweitig Vsschutz genießt, oben Anm. G 314. Die Vereinbarung enthält die Bezeichnung eines bestimmten Geldbetrages, der die Bedeutung einer quantitativen Begrenzung dieser Entschädigungsleistung im Sinne einer Höchstsumme hat. Hiernach werden ζ. B. „notwendige Heilkosten bis zum Betrage von höchstens DM 5.000.—" vert. Eine weitere Begrenzung der Entschädigungsleistung ergibt sich daraus, daß nur diejenigen notwendigen Heilkosten ersetzt werden, die innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall erwachsen (§ 8 VI. (1) S. 1 AUB). Das bedeutet, daß die Heilmaßnahme, die einen bestimmten, in Geld ausgedrückten Aufwand erfordert, sich auf eine innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall zutage getretene Gesundheitsschädigung beziehen muß. Der Unfallver schuldet nach § 8 VI. A U B dem Vten nicht Wiederherstellung im Sinne von § 249 S. 1 oder 2 B G B , sondern primär und ausschließlich eine Geldleistung, deren Voraussetzungen in § 8 VI. (1) und (2) AUB genannt werden, so D. in JRPV 1933 S. 117—

118.

Die Voraussetzungen für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs werden in § 8 VI. (1) A U B positiv, im nachfolgenden Absatz negativ abgegrenzt: Zu ersetzen sind 32'

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Anm. G 317

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

hiernach die Kosten für künstliche Glieder und andere nach ärztlichem Ermessen notwendige Anschaffungen, Arzthonorare, soweit sie den Grundsätzen der amtlichen Gebührenordnung entsprechen, Kosten für Arzneien und sonstige ärztlich verordnete Heilmittel, Verbandszeug, notwendige Krankentransporte, stationäre Behandlung und Verpflegung sowie Röntgenaufnahmen. Nicht erstattungsfähig im Sinne des § 8 VI. AUB sind dagegen Kosten für Nahrungs- und Genußmittel, für Bade- und Erholungsreisen sowie für Krankenpflege, soweit nicht die Zuziehung von beruflichem Pflegepersonal ärztlich angeordnet wird, § 8 VI. (2) AUB. Über die Notwendigkeit der jeweiligen ärztlichen Anordnung entscheidet der behandelnde Arzt. Seine Entscheidung kann zwar von einer vom Ver angerufenen Ärztekommission überprüft werden, praktisch bedeutsam sind hiermit zusammenhängende Fragen, wie aus dem Fehlen jeglicher (veröffentlichter) Rechtsprechung geschlossen werden muß, jedoch nicht. Mit Wussow AUB 4 § 8 Anm. 17, S. 174 ist indes davon auszugehen, daß nicht jede einzelne ärztliche Maßnahme auf Gebotensein oder auch nur auf Nützlichkeit überprüfbar ist, soweit sie sich nach ärztlicher Anschauung überhaupt in einem sehr weit zu sehenden Vertretbarkeitsrahmen hält. Die Ärztekommission könnte nur feststellen, daß (ob) eine geplante oder durchgeführte ärztliche Maßnahme (z. B.: Operation) nach ärztlicher Anschauung zur Behebung der Folgen eines Unfallereignisses schlechthin ungeeignet ist.

[G 317] dd) Subsidiarität Stehen dem Vten Ansprüche auf Heilkostenersatz aus einem Unfallvsvertrag und zugleich aus einer PKV zu, so ist der Entschädigungsanspruch gemäß § 8 VI. (1) AUB auf Heilkostenersatz gegenüber dem aus der PKV bestehenden Anspruch subsidiär, soweit diese Ansprüche kongruent sind, § 8 VI. (3) a AUB. Da sich die Subsidiarität nicht zum Nachteil des Vten auswirken soll (Möller, Festschrift für Sieg, Karlsruhe 1976, S. 145), bleibt sie ohne Auswirkung, wenn die Durchsetzung des Anspruchs aus der PKV auch nur aus tatsächlichen Gründen erschwert ist, z.B., weil sich der Krankenver weigert, die ihm obliegende Leistung zu erbringen, § 8 VI. (3) a S. 2 AUB. Wegen der prämienrechtlichen Behandlung einer solchen Doppelv der Heilkosten wird auf Anm. E 12, wegen des Regreßes unter den Vem, wenn einer von ihnen an den Vmer geleistet hat, auf Anm. Β 82 verwiesen. Der Grundsatz der Subsidiarität im vorgenannten Sinne gilt nur, wenn der Anspruch aus der privaten Unfallv mit einem gleichlautenden Anspruch aus der PKV konkurriert. Er gilt nicht, soweit die private Unfallv mit einer von demselben Vmer bei demselben oder einem anderen genommenen privaten Unfallv konkurriert. Hier gelten die Bestimmungen des § 59 über die Doppelv (Anm. A 18). Die Subsidiarität gemäß § 8 VI. (3) a AUB gilt ferner nicht, wenn dem Vten neben dem Anspruch aus der Unfallv ein Anspruch auf Unfallfürsorge nach den Beamtengesetzen zusteht. Die für den gegenteiligen Standpunkt (Subsidiarität auch insoweit zu bejahen) von Wussow AUB 4 § 8 Anm. 19, S. 175-176 zitierte Entscheidung BGH 13. X. 1971 VersR 1971 S. 1138 = NJW 1972 S. 344 ist zur PKV ergangen und wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Wortlauts der AVB, der mit dem des § 8 VI. (3) a S. 1 AUB nicht vergleichbar ist, auf die private Unfallv nicht übertragbar. Wussow AUB 4 § 8 Anm. 16, S. 173 vertritt die Auffassung, daß die anstelle von Tagegeld gemäß § 8 III. (3) AUB zu zahlende Entschädigungsleistung neben der Heilkostenentschädigung nach Maßgabe des § 8 VI. AUB zu leisten sei. Dieses Ergebnis ist mit der zu § 8 III. (3) AUB vertretenen Meinung, daß hier Schadensv vorliege (Wussow a.a.O. S. 171) und daß §§ 49ff. W G Anwendung finden (Wussow a.a.O. S. 172 oben ), nicht vereinbar. Denn die Vorschriften, insbesondere §§ 55 und 500

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 318

67 W G , schließen es gerade aus, daß im Rahmen eines Vsvertrages ein konkret berechneter Schaden zweimal ersetzt wird. [G 318] h) Übergangsentschädigung Die im Jahre 1977 in den veröffentlichten Bedingungstext (§ 8 VII. AUB - VA 1977 S. 130) übernommene Übergangsentschädigung weist einige Berührungspunkte auf mit der erstmalig für die Strahlen-Unfallv (oben Anm. G 241) angebotenen Übergangsrente (§ 6 II. der AVB für die Strahlen-Unfallv). Sie war dort zu dem (wirtschaftlichen) Zweck eingeführt worden, die Lücke zwischen der Tagegeldleistung und der Invaliditätsentschädigung zu schließen, die dadurch entstehen konnte, daß die Leistung von Tagegeld nach einem Jahre — vom Unfalltage an gerechnet - endet, während die Zahlung der Invaliditätsentschädigung frühestens nach Ablauf von drei Jahren nach dem Unfalltage fällig wird (§ 6 III (1) der AVB für die Strahlen-Unfallv). Die nach Ablauf der Leistung des Tagegeldes und vor Zahlung der Invaliditätsentschädigung zu zahlende Übergangsrente orientiert sich an der vten Invaliditätssumme. Sie wird monatlich im voraus gezahlt und nach dem Grad der Invalidität abgestuft. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß die Übergangsentschädigung gemäß § 8 VII. AUB wenig Gemeinsamkeiten mit der Übergangsrente der Strahlen-Unfallv aufweist: Die Kennzeichnung als „Übergangs"-Leistung bezieht sich bei der Übergangsentschädigung nicht auf den „Leerraum", der (zeitlich) zwischen zwei Entschädigungsleistungen besteht, sondern auf die Überbrückung des Zeitraums zwischen der evtl. zeitlich letzten Tagegeld- Krankenhaustagegeld oder Genesungsgeldleistung bis zur Wiederherstellung der unfallbedingt beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit. Denn die Übergangsentschädigung ist — soweit vereinbart - zu zahlen, wenn 6 Monate nach Eintritt des Unfalles noch eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von mehr als 50 Prozent besteht. Ihre Leistung ist zwar unabhängig davon, ob in diesem Zeitpunkt — und danach — auch noch andere Entschädigungsleistungen gemäß § 8 II.—VI. AUB erbracht werden. Ihr Zweck ist es aber, an diese anderen Leistungen anzuschließen und dem Vten die finanzielle Grundlage für Rehabilitationsmaßnahmen zu geben. Akuter Anlaß für die Einführung dieser Entschädigungsleistung war das Gesetz zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. VI I. 1974 (BGBl. I S. 1881) in der Sozialv. Weitere Voraussetzung der Zahlung der Übergangsentschädigung ist, daß die unfallbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von mehr als 50 Prozent bis zum maßgeblichen Zeitpunkt — 6 Monate nach Eintritt des Unfalles — ununterbrochen bestanden hat. Die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit beurteilt sich nicht nach den Grundsätzen der Bemessung der Invalidität, sondern nach denen für die Bemessung der Tagegeldleistung, § 8 III. (1) S. 3 AUB (oben Anm. G 311). Nach § 8 VII. (2) AUB muß der Vmer den Anspruch unverzüglich geltendmachen und unter Vorlage eines ärztlichen Attestes begründen. Mit dieser Formulierung des § 8 VII. (2) AUB war nicht die Einführung einer Obliegenheit beabsichtigt. Andernfalls hätte der Katalog des § 15 II. AUB insoweit ergänzt werden müssen. Die Verfasser des (neuen) Bedingungstextes gingen vielmehr davon aus, daß das Erfordernis der Geltendmachung in § 8 VII. (2) AUB die gleiche Bedeutung haben sollte wie im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Anspruchs auf weitere Tagegeldleistungen nach § 8 III. (2) S. 1 AUB. Dieser Zusammenhang wird durch die ausdrückliche Erwähnung eines Verschuldenselementes „unverzüglich geltend zu machen" eher verdeckt. Vgl. im übrigen oben Anm. G 311. Die Übergangsentschädigung ist eine Kapitalleistung, sie kann gemäß § 180 Gegenstand einer Bezugsberechtigung sein. Sie wird in der vereinbarten Höhe voll Wagner

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Anm. G 319

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

ausgezahlt, eine Abstufung nach dem Grad der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit findet, wenn diese mehr als 50 Prozent beträgt, nicht statt. Die Übergangsentschädigung ist auch nicht gegenüber einer anderen Leistungsart subsidiär oder alternativ: Sie wird vollen Umfangs neben Tagegeld, Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld — soweit vereinbart — ausgezahlt. [G 319] 6. Besonderheiten der Entschädigungsleistung in der Kraftfahrt-Unfallversicherung a) Allgemeines Die Bestimmungen der AKB über Entschädigungsleistungen in der KraftfahrtUnfallv entsprechen i n h a l t l i c h weitgehend denen der AUB. In der Darstellungstechnik ergeben sich Abweichungen, die zunächst dadurch bedingt sind, daß die Gesamtregelung der Voraussetzungen (§ 18 AKB), Bemessung (§ 19 AKB) und Feststellung (§§ 20, 21 AKB) in vier Bestimmungen zusammengefaßt werden, während hierfür im Rahmen der AUB fünf Vorschriften (§§ 8—13 AUB) zur Verfügung stehen. Unterschiede für Art und Umfang der Entschädigungsleistung in der KraftfahrtUnfallv ergeben sich zunächst daraus, daß die zeitlich letzten Änderungen des § 8 AUB (noch) keinen Eingang in die Bestimmung des § 18 AKB gefunden haben. So sehen die AKB kein Krankenhaustagegeld, kein Genesungsgeld und keine Übergangsentschädigung vor. Die Regelung der T o d e s f a l l e n t s c h ä d i g u n g entspricht der in § 8 I. AUB vorgesehenen (§ 18 IV (1) AKB); eine Besonderheit gilt insoweit für Kinder unter 14 Jahren: Während die Zusatzbedingungen für die Kinder-Unfallv (oben Anm. A 4) hierfür gar keine Todesfallentschädigung vorsehen, enthält § 18 IV. (2) AKB insoweit nur eine Begrenzung der Höchstsumme auf 3.000.- DM. Die Voraussetzungen einer I n v a l i d i t ä t s e n t s c h ä d i g u n g werden in § 18 III (1) und (2) AKB im wesentlichen gleichlautend mit denen in § 8 II. (1) AUB beschrieben. Der Wortlaut der AKB entspricht insoweit mehr dem der für die Allgemeine Unfallv vor 1961 maßgeblichen Formulierung des § 6 II. AVB, vgl. die Gegenüberstellung des alten und neuen Textes bei Grewing Entstehungsgeschichte S. 31-32. Die von Stiefel-WussowHofmann AKB 10 § 18 Anm. 8, S. 708 dargestellte Kritik an der Rechtsprechung ist für AKB und AUB für die Praxis zwischenzeitlich überholt, vgl. die oben Anm. G 307 a.E. zitierte Rechtsprechung. Die Leistung von Tagegeld hängt davon ab, daß innerhalb eines Jahres nach dem Unfall vorübergehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit — die AKB sprechen in § 18 II. (3) und (4) von Arbeitsbehinderung — eingetreten ist. Die Beeinträchtigung wird, wie bei der Allgemeinen Unfallv (oben Anm. G 311), individuell nach den Verhältnissen des Vten bemessen, § 19 I. AKB. Die zeitliche Begrenzung der Tagegeldleistung in dem Sinne, daß nur die im ersten Jahr nach dem Unfall zutagegetretene vorübergehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Tagegeldleistung auslöst (ebenso § 8 III. (4) AUB), gilt auch für die AKB (§ 18 II. (1) AKB). Eine Besonderheit gegenüber der Regelung der AUB gilt insoweit, als Personen unter 16 Jahren kein Tagegeld, sondern gegebenenfalls stattdessen Heilkostenersatz erhalten, § 18 II. (5) AKB. Der Ersatz von H e i l k o s t e n muß „besonders vereinbart werden" (Stiefel-Wussow-Hofmann AKB10 § 18 Anm. 5, S. 704). Die Besonderheit liegt hier nicht im Erfordernis der Vereinbarung - dieses gilt auch für die Allgemeine Unfallv — sondern darin, daß dies oftmals nicht geschieht, weil ein Bedürfnis hierfür angesichts der Reichweite der sozialen und der sie ergänzenden oder ersetzenden privaten Krankenv regelmäßig nicht besteht. Besteht es und wird vereinbart, daß Heilkosten ersetzt werden, so sehen die AKB, insoweit von den AUB abweichend, keine Subsidiarität dieser Leistung vor. T a g e g e l d und H e i l k o s t e n werden, soweit die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, n e b e n e i n a n d e r gewährt, insoweit ist § 18 II. (1) a.E. im Hinblick auf die ein 502

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VII. Entschädigungsleistungen in der privaten Unfallversicherung

Anm. G 320

Alternatiwerhältnis andeutenden Konjunktion „oder" („werden . . . Heilkosten oder Tagegeld gezahlt") undeutlich formuliert. Heilkostenersatz anstelle von Tagegeld wird geleistet, wenn unfallbedingt Heilkosten notwendig werden, die Arbeitsfähigkeit aber nicht beeinträchtigt wird. Das ist nur bedeutsam, wenn Tagegeldleistung, nicht aber Heilkostenersatz vertragsmäßig vereinbart worden ist. Zwischen I n v a l i d i t ä t s - u n d T o d e s f a l l e n t s c h ä d i g u n g besteht in gleicher Weise ein A l t e r n a t i v v e r h ä l t n i s wie in der Allgemeinen Unfallv (§ 18 IV (3) AKB). Die nach den AKB möglichen Entschädigungsleistungen können in Art und Umfang durch Vereinbarungen nach Maßgabe Besonderer Bedingungen erweitert werden. Diese Bedingungen setzen das Anlegen von Sicherheitsgurten voraus, sie ermöglichen die Vereinbarung eines Krankenhaustagegeldes oder Genesungsgeldes (VA 1974 S. 54) oder die Erhöhung der Vssummen für Tod und Invalidität (VA 1974 S. 37). [G 320] b) Berechnung der Entschädigung in der Insassen-Unfallversicherung aa) Pauschalsystem Bei dem in der Praxis vorherrschenden Prinzip der Aufteilung der jeweils vereinbarten Vssumme nach dem Pauschalsystem (§ 16 (1) S. 1 AKB) wird die insgesamt vereinbarte Entschädigungssumme durch die Zahl der berechtigten Insassen — die Berufsfahrer nicht mitgerechnet — geteilt. Die vereinbarte Summe erhöht sich um 50 Prozent, wenn zwei oder mehr berechtigte Insassen vorhanden sind, § 18 I. (2) AKB. Beispiele: Ist eine Todesfallsumme von 20.000.- DM vereinbart und kommen drei berechtigte Insassen bei einem Unfall ums Leben, so ist für jeden von ihnen eine Todesfallentschädigung von je DM 10.000.- zu zahlen. Gemäß § 18 I. (2) AKB hat sich die Entschädigungssumme um 50 Prozent auf DM 30.000.— erhöht, diese Summe ist durch die Zahl der berechtigten Insassen zu teilen. Das Ergebnis wäre nicht anders, wenn von drei berechtigten Insassen zwei durch den Unfall getötet werden. Für diese beiden Insassen ist eine Entschädigung von je DM 10.000.— zu zahlen. Ist zugleich eine Invaliditätsentschädigung in gleicher Höhe vereinbart, so steht dem dritten (überlebenden) Insassen hiervon ein Drittel bei Vollinvalidität zu, wenn unfallbedingt eine dauernde Arbeitsbehinderung von 100 Prozent zurückbleibt, § § 1 8 111.(1), 1911.(1) und (2) AKB, bei teilweiser Invalidität also ein deren Satz entsprechender Anteil, das wäre z. B. ein Betrag von DM 7.000.— bei unfallbedingtem Verlust eines ganzen Beines. Diese Berechnung modifiziert sich, wenn eine Todesfallentschädigung für Kinder unter 14 Jahren zu zahlen ist. Die Entschädigung für sie beträgt im Todesfalle höchstens DM 3.000.—. Der hiernach freiwerdende Betrag wird auf die anderen Insassen verhältnismäßig verteilt, § 18 IV. (2) AKB, wobei die im Höchstfalle vereinbarte Vssumme nicht überschritten werden darf. Beispiel: Ist eine Todesfallentschädigung von DM 20.000- vereinbart und sind durch den Unfall alle drei berechtigten Insassen ums Leben gekommen, so berechnet sich die Todesfallentschädigung, wenn einer von ihnen ein Kind unter 14 Jahren war, wie folgt: Die Gesamtsumme von 20.0000.— wird um 50 Prozent auf 30.000.- erhöht. Hiervon entfällt auf die Erwachsenen ein Betrag von zunächst je DM 10.000.- und auf das Kind ein Betrag von DM 3.000.-. Der für das Kind freiwerdende Teil von DM 7.000.— wird anteilig auf die beiden Erwachsenen verteilt, so daß für jeden von Ihnen je DM 13.500.- zu zahlen sind. Wäre dagegen die Todesfallentschädigung für zwei berechtigte InWagner

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Anm. G 322

G. Rechtspflichten des Unfallversicherers

sassen, nämlich ein Kind und einen Erwachsenen, zu zahlen, so würde die Entschädigung nach dem Tode des Kindes DM 3.000.— betragen (s. vorstehend), der freiwerdende Betrag von DM 12.000.— wird der Entschädigung für den Erwachsenen aber nur soweit hinzugerechnet, bis die vereinbarte Höchstsumme von DM 20.000.- erreicht ist, vgl. § 18 IV. (3) S. 2 letzter Halbs. AKB. [G 321] bb) Platzsystem Das Prinzip der Entschädigungsberechnung nach dem Platzsystem wird in § 16 (4) AKB angedeutet. Sie kann sich nur auf ein bestimmtes Fahrzeug beziehen (StiefelWussow-Hofmann AKB 10 § 16 Anm. 13, S. 681). Ihr Wesen besteht darin, daß die jeweils zu zahlende Entschädigungsleistung unter den berechtigten Insassen dieses Fahrzeuges sich nicht aus der Zahl der berechtigten Insassen, sondern aus der Zahl der im Vertrag genannten Plätze im Fahrzeug ergibt: Für jeden einzelnen Platz ist eine bestimmte Entschädigungssumme als Höchstsumme festgelegt. Sind ζ. B. bei einem Unfall nur drei Plätze mit insgesamt drei berechtigten Insassen besetzt, so wird die für jeden Platz vereinbarte jeweils gleich hohe Entschädigungssumme gezahlt. Die Zahl der Insassen wird erst dann für die Berechnung der Entschädigung bedeutsam, wenn sie höher ist als die Zahl der vten Plätze: Sind 20 Plätze vert und werden 30 berechtigte Insassen von einem Unfall betroffen, so kürzt sich die Entschädigungsleistung für jeden von ihnen um ein Drittel. [G 322] c) Sonstige Abweichungen Die Grundsätze für die in der Praxis unter dem Oberbegriff Regulierung zusammengefallen Vorgänge, die sich aus tatsächlichen Ermittlungen, rechtlichen Folgerungen hieraus einschließlich Zahlung oder — völliger oder teilweiser - Verweigerung der Zahlung sowie sich möglicherweise anschließendem Verfahren vor Ärzteausschuß oder Gericht zusammensetzen, entsprechen für die Kraftfahrt-Unfallv weitgehend denen der Allgemeinen Unfallv. Auf Unterschiede im Zusammenhang mit den einzelnen Arten der Entschädigungsleistungen ist oben Anm. G 319 hingewiesen worden. Die in § 10 AUB zusammengefaßten Fälle sog. konkurrierender Ursachen für Folgen eines Unfallereignisses sind für die Kraftfahrt-Unfallv in §§ 18 I. (3), 19 III. AKB enthalten, während sich der Ausschluß von Neuroseschäden in § 19 IV. AKB findet. Abweichende Regelungen bestehen (noch) im Zusammenhang mit dem Verfahren der Feststellung der Entschädigungspflicht des Vers. Die Zusammensetzung des Ärzteausschusses entspricht nach § 20 (3) AKB derjenigen Regelung, die bis 1961 auch für die Allgemeine Unfallv maßgeblich war. Zwar ist auch für die Kraftfahrt-Unfallv dem Vmer das Recht eingeräumt worden, sogleich anstelle des Ärzteausschusses das ordentliche Gericht zu wählen. Aber die Auswahl des Obmannes vollzieht sich abweichend von der in § 12 AUB getroffenen Regelung: Er wird vom Ver benannt (ausgewählt), und zwar in der in § 20 (3) S. 1 —4 AKB genannten Reihenfolge. Dem Auswahlrecht des Ver steht ein befristetes Ablehnungsrecht des Vmers gegenüber (§ 20 (3) S. 5 AKB), macht der Vmer hiervon Gebrauch, so wählt die Ärztekammer den Obmann aus. Verfahrensvorschriften für den Ärzteausschuß enthalten die AKB nicht, es fehlt auch ein Hinweis darauf, unter welchen Voraussetzungen die Leistungspflicht des Vers festgestellt ist im Sinne des § 21 (1) S. 1 AKB. Für diese Zusammenhänge kann nunmehr auf die Regelung der §§ 11 — 13 AUB zurückgegriffen werden.

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H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag Gliederung: Schrifttum Anm. H 1

aa) Verpfändung des Anspruchs des Vmers Anm. H 13 bb) Verpfändung des Bezugsrechts Anm. H 14 d) Anhang: Pfändung des Anspruchs auf Entschädigungsleistung Anm. H 15

I. Gestaltungsmöglichkeiten Anm. H 2 - 1 5 1. Allgemeines zur gesetzlichen Regelung Anm. H 2 - 5 a) § 179 I Anm. H 2 b) § 179 II Anm. H 3 c) Kritik Anm. H 4 d) § 179 III und IV Anm. H 5

II. Unfallfremdv für eigene Rechnung Anm. H 1 6 - 4 3 1. Allgemeines H 1 6 - H 26

2. Rechtliche Möglichkeiten der Begünstigung Dritter Anm. H 6 - 1 4 a) Drittbegünstigung gemäß § 328 BGB Anm. H 6 - 7 aa) Unfallfremdv für fremde Rechnung Anm. H 6 bb) Bezugsberechtigung Anm. H 7 b) Abtretung des Anspruchs des Vmers Anm. H 8 - 1 2 aa) Abtretung bei Eigenv Anm. H 8 bb) Abtretung bei Fremdv für fremde Rechnung Anm. H 9 cc) Abtretung bei Unfallfremdv für eigene Rechnung Anm. H 10 dd) Abtretung der Bezugsberechtigung Anm. H 11 ee) Einander widersprechende Abtretungen Anm. H 12 c) Verpfändung Anm. H 13-14

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a) Die Gefahrsperson als „Objekt" des Vertrages Anm. H 16 b) Begriff der Gefahrsperson Anm. H 17 c) Die besondere Problematik der Unfallfremdv für eigene Rechnung Anm. H 18-26 aa) Historisches Anm. H 18 bb) Rechtsvergleichendes Anm. H 19 cc) Wirksamkeitsvoraussetzungen Anm. H 2 0 - 2 6 aaa) Gesetzliche Regelung Anm. H 20 bbb) Prinzip der formalen Zustimmung Anm. H 21 ccc) Abweichende Auffassungen Anm. H 22 ddd) Stellungnahme Anm. H 2 3 - 2 6 aaaa) Schutzwürdiges Interesse Anm. H 23 bbbb) Keine Bedarfsdeckung Anm. H 24 cccc) Vorstellung des Gesetzgebers Anm. H 25

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H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherangsvertrag dddd) Schwächen des Zustimmungsprinzips Anm. H 26 2. Vertragsschluß Anm. H 2 7 - 3 7 a) Allgemeines Anm. H 27 b) Bezeichnung der Gefahrsperson Anm. H 28 c) Angabe darüber, daB die Unfallv für eigene Rechnung genommen wird Anm. H 2 9 - 3 1 aa) Auslegung gemäß § 179 II Anm. H 29 bb) Folgerungen für den Vertragsschluß Anm. H 30 cc) Willensmängel Anm. H 31 d) Schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson Anm. H 3 2 - 3 7 aa) Einwilligung durch die Gefahrsperson Anm. H 32 bb) Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters der Gefahrsperson Anm. H 33 cc) Sonderfall: Gesetzlicher Vertreter ist Vmer Anm. H 34 dd) Einwilligung durch Bevollmächtigten Anm. H 35 ee) Entsprechende Anwendung des § 179 III 1 Anm. H 36 ff) Rechtsfolgen fehlender Einwilligung Anm. H 37 3. Besonderheiten des Vsverhältnisses Anm. H 3 8 - 4 0 a) Allgemeines Anm. H 38 b) Prämienschuld Anm. H 39 c) Obliegenheiten Anm. H 40 4. Beendigung des Vertrages Anm. H 4 1 - 4 3 a) Allgemeines Anm. H 41 b) Fortfall von Gefahr oder Interesse Anm. H 42

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c) Vorübergehender Anm. H 43

Interessemangel

III. Unfallfremdv für fremde Rechnung Anm. H 4 4 - 5 9 1. Allgemeines Anm. H 44 a) Vertrag zugunsten Dritter Anm. H 44 b) Bedeutung der Verweisung auf §§ 7 4 - 7 9 Anm. H 4 5 - 4 8 aa) Allgemeines Anm. H 45 bb) Anwendbare Vorschriften Anm. H 46 cc) Bedeutung der Verweisung auf §7511 Anm. H 47 dd) Verweisung auf § 75 I 1 ist zwingend Anm. H 48 2. Vertragsschluß Anm. H 4 9 - 5 4 a) Allgemeines Anm. H 49 b) Inhalt der Einigung Anm. H 50 c) Bedeutung der Zweifelsregelung in § 179 II für die Insassen-Unfall ν Anm. Η 51 d) Unfallfremdv als V für Rechnung wen es angeht Anm. Η 52 e) Willensmängel Anm. Η 5 3 - 5 4 aa) Inhaltsirrtum Anm. Η 53 bb) Täuschung Anm. Η 54 3. Besonderheiten des Vsverhältnisses Anm. Η 5 5 - 5 7 a) Allgemeines Anm. Η 55 b) Prämienschuld Anm. Η 56 c) Obliegenheiten Anm. Η 57 4. Beendigung des Vertrages Anm. Η 5 8 - 5 9 a) Allgemeines Anm. Η 58 b) Fortfall von Gefahr oder Interesse Anm. Η 59 IV. Bezugsrecht Anm. Η 6 0 - 6 2

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Anm. H 3

I. Gestaltungsmöglichkeiten 1. Bedeutung Anm. H 60 2. Entstehung Anm. H 61 3. Beendigung Anm. H 62 V. Gruppen-Unfallv Anm. H 6 3 - 6 8 1. Bedeutung und Vorkommen Anm. H 63

2. Abgrenzung Anm. H 64 3. Arten der Gruppen-Unfallv Anm. H 65 4. AbschluB des Vertrages Anm. H 66 5. Beginn und Ende der Gefahrtragung Anm. H 67 6. Begünstigungsverträge Anm. H 68

[H 1] Schrifttum: Anders JRPV 1933 S. 1 - 2 , Anli, Versicherung für fremde Rechnung, Diss. Heidelberg 1967, Bruck, Das Interesse, ein Zentralbegriff der Versicherung, Wien 1931, Burkardsmaier DB 1972 Beil. 11 S. 7 - 9 , Ehrenzweig VersR 1955 S. 196-199, Enge, Der Anspruch des Insassen in der Kraftfahrtunfallversicherung, Hamburg o.J., Engelbrecht VersR 1954 S.l Ι Ο Ι 11, Fuchs, Die Gefahrsperson im Versicherungsrecht, Berliner Diss. 1973, Ganz, Die Fremdversicherung in der Schadens-, Lebens- und Unfallversicherung, Berner Diss. 1971, Glättli, Die Versicherung auf fremdes Leben, Bern 1947, Heilmann VersR 1972 S. 997-1001, Hofmann VersR 1960 S. 9 7 - 1 0 3 , Lenné, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, Marburg 1911, Mitsdörfer, Rechtsfragen der Insassenunfallversicherung bei Kraftfahrzeugen, Kölner Diss. 1974, Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, 2. Aufl., Karlsruhe 1966, Möller JRPV 1928 S. 3 3 7 - 3 4 2 , VersPrax 1936 S. 136-138, NeumannsZ 1939 S. 729-733, Opitz BB 1957 Beil. zu Heft 10, Orlowski VersR 1954 S. 45, Plumbohm JRPV 1937 S. 145-147, Ruscher, Die Besonderheiten des Versicherungsanspruchs bei der Versicherung für fremde Rechnung, Kölner Diss. 1961, Schwan, Der Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Gruppenunfallversicherung, Kölner Diss. 1961, Sieg in: Festschrift für Emst Klingmüller, Karlsruhe 1974, S. 4 4 7 - 4 6 4 , Storck DB 1961 Beil. 9 S. 14-16, Surminski VersPrax 1973 S. 100-102, Thiel VersR 1955 S. 726-731, v.d. Thüsen in: Festgabe für Erich R. Prölss, Karlsruhe 1957, S. 2 5 6 - 2 6 5 , Weber VersR 1954 S. 523-526, Wussow VersR 1954 S. 459-461.

[H 2] I. Gestaltungsmöglichkeiten 1. Allgemeines zur gesetzlichen Regelung a) § 179 I Nach § 179 I kann die Unfallv gegen Unfälle genommen werden, die dem Vmer oder die einem Dritten zustoßen. Der erste Halbsatz dieser Vorschrift besagt etwas Selbstverständliches. Daß der Vmer den Vsvertrag abschließt, um sich vor den Folgen eines ihm zustoßenden Unfalles zu schützen, ist nach der Konzeption des Vsvertragsrechts und der AUB der Regelfall. Die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung hätte nicht ausgesprochen zu werden brauchen. Sie ist „darstellungstechnisch" zu verstehen: das Gesetz formuliert zunächst den Grundsatz und spricht sodann aus, daß die Unfallv (auch) gegen Unfälle genommen werden kann, die einem Dritten zustoßen. Die Zulässigkeit einer solchen Vertragsgestaltung ist nicht selbstverständlich. Daß die Kontrahenten — Ver und Vmer — den Vertrag mit dem Inhalt schließen können, daß Vsfall ein Unfall sein soll, den ein Dritter erleidet, könnte als anstößig empfunden werden. Fehlt es dem Vmer an einem Interesse - dieser Begriff hier verstanden im wirtschaftlichen Sinne, d. h. als gelegen sein - , so grenzt diese Vertragsgestaltung an einen Wettvertrag. Außerdem ist die Gefahrsperson (zum Begriff: Anm. H 17) schutzbedürftig, weil für den Vmer ein Anreiz besteht, den Vsfall herbeizuführen.

[H 3] b) § 179 II Der zweite Absatz der Vorschrift des § 179 befaßt sich mit der V für den Fall, daß ein Dritter von einem Unfall betroffen wird. Hier wird danach unterschieden, wem der Wagner

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Anm. H 5

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Anspruch auf die Vsleistung zustehen soll: „Im Zweifel" soll der Dritte anspruchsberechtigt sein (§ 179 II), und für diese Vertragsgestaltung wird auf die Vorschriften über die V für fremde Rechnung verwiesen (§§ 7 4 - 7 9 ) . Diese Behandlung der Möglichkeiten, eine Unfallv für den Fall des einem Dritten zustoßenden Unfalls (Unfallfremdv) zu nehmen, ist darstellungstechnisch nicht sehr glücklich: Beiden Vertragsformen liegen wirtschaftlich sehr verschiedenartige Motivationen zugrunde. Wer eine Unfallfremdv für eigene Rechnung nimmt, deckt wirtschaftlich eigene Interessen. Dagegen erstrebt der Vmer, der eine Unfallv für fremde Rechnung nimmt, die Sicherung oder Begünstigung eines Dritten, des Vten. Dieser gegensätzlichen wirtschaftlichen Motivation entspricht die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung. Die Unfallfremdv für eigene Rechnung bietet hinsichtlich der Abwicklung des Vsverhältnisses nach Vertragsschluß keine vsrechtlichen Besonderheiten. Diese sind tatsächlicher Art und erschöpfen sich darin, daß sich der Unfall in der Person eines Dritten verwirklicht. Die Vorschrift des § 179 IV dient insofern nur der Klarstellung. Schon aus dem Vertragsschluß ergibt sich, daß der Vmer die Risiken übernimmt, die sich aus der Rollenspaltung (Ausdruck nach Fuchs S. 52 f.) von Vmer einerseits und Drittem als Objekt der vten Gefahr andererseits ergeben. Er hat dafür einzustehen, daß der Dritte die aus dem Gesichtspunkt der Gefahrengemeinschaft erwachsenden Verhaltenspflichten (Obliegenheiten) beobachtet, vgl. oben Anm. F 7. Dagegen bietet die Unfallfremdv für fremde Rechnung eine Reihe von Besonderheiten, die sich vorwiegend daraus ergeben, daß dem Ver neben dem Vertragspartner (Vmer) ein Dritter, der Vte gegenübersteht, dem der Anspruch auf die Entschädigungsleistung kraft Vertragsschlusses zugewendet wird (§ 75 I 1). Die Rollenspaltung hat hier ein anderes Gewicht, weil dem Ver auch juristisch — nicht nur im tatsächlichen Sinne — zwei Rollenträger mit eigenen Rechten gegenüberstehen (vgl. Fuchs S. 52). [H 4] c) Kritik Die grundsätzliche Verschiedenheit der Unfallfremdv für eigene und für fremde Rechnung macht nicht nur die gemeinsame Darstellung in einer Vorschrift, sondern auch die inhaltliche Berechtigung der Zweifelsregelung in § 179 II 1 VVG zweifelhaft. Die Auslegung des Vsvertrages richtet sich in erster Linie nach der für alle Verträge geltenden Vorschrift des § 157 BGB (Millauer S. 80). Auf die objektive Auslegung der AVB als A G B kommt es hier nicht an. Denn die Frage, ob der Vmer den Vertrag für eigene oder für fremde Rechnung schließen will, wird nicht typischerweise durch die AVB geregelt, sondern ergibt sich aus seinen individuellen Angaben im Antragsformular. Bleibt die Vertragsauslegung ohne Ergebnis, so müßte nach allgemeinen Regeln das Zustandekommen eines Vertrages auf der Grundlage kongruenter Willenserklärungen verneint werden. Es ist fraglich, ob die Auslegungsregel des § 179 II 1 dieses Ergebnis ändern soll. Sinnvoll wäre es nicht, weil es hierfür regelmäßig an einer hinreichenden Rechtfertigung aus dem (hypothetischen) Willen oder aus dem Interesse der Parteien fehlt. Von einer entsprechenden tatsächlichen Vermutung geht nicht einmal die Seev aus, die in der Sachv als herkömmlicherweise typischer Fall der V für fremde Rechnung bezeichnet wird. Nach § 52 Abs. 1 und Abs. 3 ADS ist vielmehr „im Zweifel" von einer V für eigene Rechnung (des Vmers) auszugehen. Die in Rechtsprechung und Schrifttum kontroverse Auslegung des § 179 II 1 ist als Indiz für den verfehlten Gehalt dieser Regelung zu werten. [H 5] d) § 179 III und IV Die Vorschriften des § 179 III und IV befassen sich nur mit der Unfallfremdv für eigene Rechnung. Nach § 179 III 1 kann sie nur wirksam abgeschlossen werden, wenn

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I. Gestaltungsmöglichkeiten

Amn. H 8

der Dritte (die Gefahrsperson) vorher schriftlich seine Einwilligung gegeben hat. Das Gesetz verzichtet hier nach h. M. (Nachweise Anm. H 23) auf den Nachweis eines schutzwürdigen Interesses des Vmers an dieser Vertragsgestaltung und begnügt sich mit der Erfüllung des u. U. nur formalen Erfordernisses der Zustimmung der Gefahrsperson (zum Begriff: Anm. H 17). Diese Regelung, an der nur gelegentlich Anstoß genommen wird, widerspricht grundlegenden vsrechtlichen und schuldrechtlichen Wertungen. [H 6] 2. Rechtliche Möglichkeiten der Begünstigung Dritter a) Drittbegiinstigung gemäß § 328 BGB aa) Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung Der Unfallvs-Vertrag kann als Vertrag zugunsten Dritter im Sinne der §§ 328 bis 335 BGB geschlossen werden. Das Gesetz eröffnet in §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 7 5 - 7 9 W G diese Möglichkeit zunächst in der Weise, daß dem Dritten der Anspruch aus Vsvertrag schon bei Vertragsschluß unentziehbar zugewendet wird und daß dem Dritten auch gewisse (eingeschränkte) Mitwirkungsrechte bei der Auszahlung der Vs-Summe eingeräumt werden (§§ 75, 76 W G ) . Hier entsteht das Recht des Dritten i. S. des § 328 Abs. 2 BGB „sofort", und zwar vor dem Vsfall in Gestalt des Anspruchs auf Gefahrtragung, nach dem Vsfall in der Form des Anspruchs auf die Entschädigungsleistung. Der Dritte braucht nicht kraft Vertragsschlusses bestimmt zu werden, es genügt, daß er bestimmbar ist, und zwar durch Umstände, die sich erst aus Voraussetzungen für den Vsfall ergeben. Diese Möglichkeit ist für die Insassen-Unfallv bedeutsam. Sie ist Fremdv zugunsten desjenigen, „den es angeht". Diese Gestaltungsform, die bei Erlaß des W G noch ohne Bedeutung war, läßt erkennen, daß die Vorschrift des § 80 II in die Verweisung des § 179 II 2 einzubeziehen ist. [H 7] bb) Bezugsberechtigung Nach § 180 gelten für die Möglichkeiten, einem Dritten das Recht auf eine vom Ver zu leistende Kapital-Entschädigungsleistung zuzuwenden, die Vorschriften der §§ 166—168. Diese Möglichkeit ist in der Unfallv für die Todesfallentschädigung (§ 8 I. AUB) bedeutsam. Die Benennung eines Bezugsberechtigten kann - und wird regelmäßig — bei Vertragsschluß geschehen, dann ist der Vertrag insoweit als Vertrag zugunsten eines Dritten i. S. des § 328 BGB anzusehen. Bei widerruflicher Bezugsberechtigung entsteht allerdings das Recht des Dritten i. S. des § 328 Abs. 2 BGB nicht „sofort", sondern erst mit dem Eintritt des Vsfalls (§ 166 II). [H 8] b) Abtretung des Anspruchs des Versicherungsnehmers aa) Abtretung bei Eigenversicherung Der Anspruch des Vmers gegen den Ver auf Zahlung der Entschädigung hat eine Geldleistung zum Gegenstand. Er ist also im Sinne des § 399 1. Alt. BGB nicht höchstpersönlich mit der Folge, daß eine Abtretung eine Inhaltsänderung bewirken würde, so zutreffend D. in JRPV 1933 S. 117-118. Das gilt auch für den Anspruch auf Heilkostenersatz gemäß § 8 VI. AUB, der nicht wie der Schadensersatzanspruch nach § 249 S. 1 BGB primär auf Naturalherstellung, sondern in gleicher Weise wie die übrigen Entschädigungsansprüche aus der Unfallv auf Geldzahlung gerichtet ist, vgl. oben Anm. G 314. Diese Ansprüche des Vmers können jedoch vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Vers weder übertragen noch verpfändet werden, §§ 16 (3) AUB, 3 (4) AKB. Der Unfallver verfolgt mit diesem Verfügungsverbot schutzwürdige Interessen: Verhandlungspartner im Zusammenhang mit der Regulierung soll Wagner

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Anm. H 9

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

ausschließlich sein Vertragspartner sein, Wüstney § 16 Anm. 5, S. 84, Do in JRPV 1939 S. 2 0 - 2 1 (21 unten), Prölss-Martin 21 § 3 AKB Anm. 4, S.860-861. Zugleich soll möglichst verhindert werden, daß der Vmer nach Abtretung der Forderung in einem von dem Zessionar geführten Deckungsprozeß gegen den Ver Zeuge sein kann, PrölssMartin a.a.O. und Hofmann in: Festschrift für Sieg, Karlsruhe 1976, S. 193—194. Die Feststellung des Entschädigungsanspruchs als Voraussetzung für die freie Abtretbarkeit setzt voraus, daß die Forderung des Vmers nach Grund und Höhe unanfechtbar feststeht. Damit deckt sich der Begriff der Feststellung in § 16 (3) AUB mit dem in § 13 (1) AUB verwendeten, vgl. oben Anm. G 290—292. Vor diesem Zeitpunkt ist die ohne Zustimmung des Vers erklärte Abtretung (absolut) unwirksam, nicht nur im Verhältnis des Vmers zum Ver, BGH 14. X. 1963 BGHZ Bd 40 S. 156165 (für nichtvsrechtlichen Zusammenhang), ebenso (für Unfallv) OLG Kiel 4. V. 1937 JRPV 1937 S. 250-251. Das Abtretungsverbot macht, seinem Sinn entsprechend, auch die Ermächtigung eines Dritten zur Einziehung des Anspruchs im eigenen Namen unwirksam, BGH 11. II. 1960 VersR 1960 S. 300-302 (wegen der abl. Anm. von Thiel VersR 1961 S. 7 4 - 7 5 vgl. nachstehend Anm. H 9), wie BGH a.a.O. schon KG 15. IX. 1934 JRPV 1935 S. 78. Das gilt insbesondere für die klageweise Geltendmachung des Anspruchs durch einen Dritten im Wege der Prozeßstandschaft, die dem Dritten als Kläger praktisch die gleiche Rechtsstellung verschaffen würde wie einem Zessionar. [H 9] bb) Abtretung bei Fremdversichening für fremde Rechnung Bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung steht der Anspruch auf Entschädigungsleistung gegen den Ver materiell dem Vten zu, §§ 179 II 2, 75 I 1, vgl. unten Anm. H 47. Diese Regelung ist zwingend, unten Anm. H 48: Dem Vten kann durch Vereinbarung zwischen Ver und Vmer dieser Anspruch nicht genommen werden. Dagegen garantiert das Gesetz dem Vten nicht, daß er Inhaber dieses Rechtes b l e i b t . Das ergibt sich aus der Gesamtregelung der § § 7 5 II, 76, wonach der Vmer, wenn er im Besitz des Vsscheines ist, über diesen Anspruch des Vten rechtsgeschäftlich verfügen kann. Deshalb wird die Regelung der §§ 16 (1) S. 2 AUB, 3 (2) S. 1 AKB, wonach die Ausübung der Rechte aus dem Vsvertrag — auch bei Fremdv — ausschließlich dem Vmer zusteht, für unzweifelhaft zulässig gehalten, vgl. etwa Sieg Bd II §§ 75 und 75 Anm. 7 und Do in JRPV 1939 S. 2 0 - 2 1 m.N. Die Sonderregelung für die Unfallv geht über die allgemeinen Bestimmungen der § § 7 5 und 76 nur insoweit hinaus, als sie das Verfügungsrecht des Vmers vom Besitz des Vsscheines unabhängig macht. Da dem Vten hiernach die Verfügungsmacht fehlt, ist er schon deshalb gehindert, den ihm zustehenden Anspruch abzutreten, auf das Abtretungsverbot gemäß § 16 (3) AUB kommt es hierfür nicht an. Dem Vmer steht zwar materiell der Anspruch auf Entschädigungsleistung nicht zu, er könnte jedoch kraft seiner Verfügungsbefugnis gemäß § 16 (1) S. 2 AUB den für ihn fremden Anspruch abtreten oder verpfänden. Daran hindert ihn jedoch die Bestimmung des § 16 (3) AUB, deren Sinn und Zweck (vorstehend Anm. H 8) es auch verbieten, den Anspruch aus einer Unfallfremdv für fremde Rechnung an einen Dritten abzutreten. Eine Abtretung der Verfügungsmacht des Vmers als isolierte Rechtsposition ist nicht möglich, Sieg Bd II §§ 75 und 76 Anm. 28 m.N. Wohl aber wird man den Vmer für befugt halten dürfen, auf s e i n e V e r f ü g u n g s b e f u g n i s z u g u n s t e n d e s V t e n zu v e r z i c h t e n . Eine solche Erklärung kann der Vmer sowohl dem Ver gegenüber als auch (wahlweise) dem Vten gegenüber abgeben, sie nimmt der Rechtsstellung des Vten den einer dinglichen Belastung ähnlichen Zustand, daß ihm die Verfügungsbefugnis fehlt. Schutzwürdige 510

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I. Gestaltungsmöglichkeiten

Amn.Hll

Interessen des Vers stehen dem nicht entgegen: Der Vte ist im sachlichen Zusammenhang der Regulierung nach einem Unfall nicht Dritter, in seiner Person hat sich die vte Gefahr verwirklicht, und für ihn gilt nunmehr das Abtretungsverbot gemäß § 16 (3) AUB in gleicher Weise wie vorher für den Vmer, vgl. zum ganzen Sieg Bd II §§ 75 und 76 Anm. 30 und Prölss-Martin21 § 76 Anm. 1, S. 411, jeweils m.w.N. [H 10] cc) Abtretung bei UnfaUfremdversidiening für eigene Rechnung Bei einer Unfallfremdv für eigene Rechnung steht der Anspruch auf Entschädigungsleistung dem Vmer selbst zu, eine Aufspaltung von materieller Berechtigung und Verfügungsbefugnis, wie sie bei der Fremdv für fremde Rechnung regelmäßig eintritt, gibt es hier nicht. Der Vmer ist gemäß § 16 (3) AUB gehindert, den ihm zustehenden Anspruch auf Entschädigungsleistung vor dessen Feststellung (§ 13 (1) S. 1 AUB) ohne Zustimmung des Vers abzutreten oder zu verpfänden. Erteilt der Unfallver die hiernach notwendige Zustimmung, so stellt sich die Frage, ob die Gefahrsperson analog § 179 III 1 ebenfalls zustimmen muß, weil für den Zessionar in gleicher Weise ein Anreiz bestehen kann, den Eintritt eines Vsfalles zu beeinflussen, wie für den Vmer. Vgl. zu dieser Frage, die ohne praktische Bedeutung ist, unten Anm. H 36 a.E. [H 11] dd) Abtretung der Bezugsberechtigung Der Anspruch aus einer Bezugsberechtigung wird dem Begünstigten nach Maßgabe der §§ 328-333 BGB zugewendet, unten Anm. H 61. Den aus der Bezugsberechtigung erwachsenden Anspruch erwirbt der Begünstigte (nur) bei Vereinbarung einer unwiderruflichen Begünstigung sofort, andernfalls erst mit Eintritt des Vsfalles (§§ 180, 166 II). Die Abtretung eines bestehenden Anspruchs, wie § 398 BGB sie als Regelfall voraussetzt, kommt deshalb nur bei unwiderruflicher Einsetzung oder nach Eintritt des Vsfalles in Betracht. Vorher besteht für den als bezugsberechtigt Benannten eine Art tatsächlicher Anwartschaft, vgl. Wussow AUB 4 § 16 Anm. 8, S. 258 m.N. Sie kann dem Benannten durch Widerruf entzogen werden. Für die Abtretbarkeit ergibt sich indes kein Unterschied zwischen einer unentziehbaren und einer in diesem Sinne entziehbaren Bezugsberechtigung, weil, wie sich aus § 185 BGB ergibt, auch über ein (nur) künftiges Recht verfügt werden kann. Das Abtretungsverbot gemäß §§ 16 (3) AUB, 3 (4) A KB gilt für eine Bezugsberechtigung nicht. Für diesen Fall hätte es in beiden Bestimmungen ausdrücklich mit genannt sein müssen, die Problemstellung ist seit langem bekannt: KG 3. X. 1938 JRPV 1939 S. 13 (mit abl. Stellungnahme von Do in JRPV 1939 S. 20-21) wendet die Bestimmung über das Abtretungsverbot in der Unfallv auch für einen gemäß § 328 BGB zugewendeten Anspruch an, die Entscheidung ist insoweit vereinzelt geblieben. Da ein Bezugsrecht in der Unfallv allenfalls für die Todesfallentschädigung praktisch bedeutsam ist (unten Anm. H 60), erfaßt auch der Sinn des Abtretungsverbotes diesen Fall nicht: Für den Ver macht es im Hinblick auf mögliche Schwierigkeiten bei der Regulierung keinen bedeutsamen Unterschied, ob ihm anstelle des verstorbenen Vmers dessen Erbe oder ein Bezugsberechtigter gegenübersteht. BGH 11. II. 1960 VersR 1960 S. 300-302 (S. 301 r.Sp.) zieht die Möglichkeit in Betracht, dem Bezugsberechtigten nach einem durch Unfall getöteten Vten die Prozeßführungsbefugnis aus den gleichen Gründen zu versagen, die für das Abtretungsverbot maßgeblich sind, vgl. hierzu oben Anm. H 8. Der vom Gericht a.a.O. gegebene Hinweis auf BGH 8. V. 1954 BGHZ Bd 13 S. 226 = VersR 1954 S. 841 = NJW 1954 S. 1115 ist verfehlt, dort wird diese Frage (für Lebensv) innerhalb eines nichtvsrechtlichen Zusammenhanges erwogen und mit Entschiedenheit verneint. Wagner

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Anm. H 1 4

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

[H 12] ee) Einander widersprechende Abtretungen Haben Vmer oder Bezugsberechtigter ein ihnen nur als künftige Forderung zustehendes Recht mehrfach abgetreten, so stellt sich die Frage, welche von mehreren einander widersprechenden Verfügungen wirksam wird, wenn die Forderung in der Person des Zedenten nachträglich entsteht. Die Beurteilung kann verschieden ausfallen, je nachdem, ob die Abtretung vor endgültiger Feststellung kraft Zustimmung durch den Ver oder mit Feststellung des Anspruchs deshalb wirksam wird, weil die Voraussetzungen für das Abtretungshindernis nicht mehr bestehen. Hat der Vmer die Entschädigungsforderung gegen den Ver vor Feststellung ohne Zustimmung des Vers nacheinander an verschiedene Dritte abgetreten, so wird mit Feststellung des Anspruchs gemäß § 13 (1) S. 1 AUB, soweit die Abtretungen kollidieren — also nicht etwa nur Teilbeträge abgetreten worden sind — nur die zeitlich erste Abtretung wirksam. Das ergibt sich aus der Erwägung, daß die Forderung vor Feststellung kraft der Regelung in § 16 (3) AUB schlechthin unabtretbar war, eine gleichwohl erklärte Abtretung mithin keinerlei Wirkung äußerte, oben Anm. H 8 und BGH 14. X. 1963 BGHZ Bd 40 S. 160 unter Hinweis auf RG 14. VI. 1932 RGZ Bd 136 S. 395—401 (399). Die (erste) Abtretung wird wirksam (ex nunc), weil der Verfügende (Vmer) die Forderung mit Feststellung als abtretbare nachträglich erwirbt (§ 185 II 1 BGB). Daß die weiteren Abtretungen nicht wirksam werden, soweit sie mit der früheren nicht in Einklang stehen, ergibt sich aus § 185 II 2 BGB. Entsprechendes gilt, wenn die Abtretung vor Feststellung vom Ver genehmigt wird. Die Forderung verliert kraft dieser Erklärung des Vers die Eigenschaft als unabtretbar gemäß § 399 BGB, vgl. BGH a.a.O. S. 161. Die Genehmigung wirkt nicht zurück im Sinne des § 184 I BGB. Für eine solche Rückwirkung fehlt es an jeder sachlichen Berechtigung, wenn man von der Annahme ausgeht, daß der Abtretung vor Zustimmung und vor Feststellung jede Wirkung fehlt. Das kann hier indes auf sich beruhen, weil auch bei Annahme von Rückwirkung für zwischenzeitliche Verfügungen in jedem Falle die zeitlich erste vorrangig wirksam wird, § 185 II BGB. Entsprechendes gilt für die Abtretung eines künftigen Rechts aus einer Bezugsberechtigung: Im Falle mehrfacher Abtretungen, die miteinander im vorgenannten Sinne kollidieren, bleibt die jeweils zeitlich vorangegangene gegenüber den nachfolgenden vorrangig, § 185 II BGB. [H 13] c) Verpfändung aa) Verpfändung des Anspruchs des Versicherungsnehmers Die Verpfändung des Anspruchs des Vmers auf Entschädigungsleistung wird in §§ 16 (3) AUB, 3 (4) AKB im Hinblick auf das Verfügungsverbot der Abtretung gleichgestellt. Sie ist deshalb in gleicher Weise von der Feststellung des Anspruchs oder der Zustimmung des Vers abhängig wie die Abtretung. Praktische Bedeutung kommt der Verpfändung des Anspruchs unabhängig von diesem Verfügungsverbot nicht zu. Als Mittel der Kreditsicherung ist der Anspruch des Vmers vor dem Vsfall ungeeignet, weil ungewiß ist, ob er als Zahlungsanspruch entstehen wird. [H 14] bb) Verpfändung des Bezugsrechts Die Verpfändung eines Bezugsrechts ist in der Unfallv in gleicher Weise ohne praktische Bedeutung, wie die Verpfändung des Anspruchs des Vmers (vorstehend Anm. H 13). Sie ist gemäß §§ 1274 I, 398 BGB ohne die in § 16 (3) AUB genannten Einschränkungen möglich - für Abtretung oben Anm. H 11 —, b e d a r f a b e r gemäß § 1280 BGB d e r A n z e i g e d e s B e z u g s b e r e c h t i g t e n an den Ver. 512

Wagner

II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung

Aiun. H 17

[H 15] d) Anhang: Pfändung des Anspruchs auf Entschädigungsleistung Der Verbot der Abtretung und Verpfändung gemäß §§ 16 (3) AUB, 3 (4) AKB hindert die Pfändung des Anspruchs des Vmers, soweit dieser Vollstreckungsschuldner ist, nicht (§ 851 II ZPO). Die Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung verschafft dem Vollstreckungsgläubiger ein Pfandrecht an dem Entschädigungsanspruch (§ 804 ZPO) in derjenigen rechtlichen Ausgestaltung, wie sie ohne Pfändung dem Vmer zustand. Das bedeutet: Soweit die Regulierung noch nicht abgeschlossen ist, treffen den Pfändungsgläubiger die Obliegenheiten gemäß § 15 II. AUB in gleicher Weise wie den Vmer selbst (§ 16 (2) AUB). Sie bewirken zwar keine Verhaltenspflichten für den Pfändungsgläubiger, aber die Realisierung des gepfändeten Anspruchs kann von ihrer „Erfüllung" abhängig sein. Ist der gepfändete Anspruch mit einer widerruflichen Bezugsberechtigung belastet, so erwirbt der Pfändungsgläubiger kraft der Pfändung das Recht, die Bezugsberechtigung zu widerrufen, solange dieses Recht dem Vmer selbst zusteht, vgl. RG 25. II. 1930 RGZ Bd 127 S. 269-272 (für Lebensv). Da das Widerrufsrecht regelmäßig mit Eintritt des Vsfalles erlischt (§§ 180, 166 II W G ) , verschafft die Pfändung des mit einem Bezugsrecht belasteten Anspruchs des Vmers dem Gläubiger in diesem Falle keine verwertbare Rechtsposition. Vollstreckt ein Gläubiger des Vmers in dessen Anspruch gegen den Ver, bevor der Anspruch im Sinne der §§ 16 (3), 13 (1) AUB festgestellt worden ist, so ist diese Pfändung wirksam unabhängig davon, ob der Vmer seinen Anspruch vor Pfändung oder danach an einen Dritten abtritt. Eine vorher erklärte Abtretung war absolut unwirksam (oben Anm. H 8), während die Pfändung gemäß § 851 II ZPO wirksam war. Ein nachträgliches Wirksamwerden der Abtretung kraft Feststellung oder durch Zustimmung des Vers könnte die sogleich wirksame Pfändung nicht rückwirkend beeinträchtigen, § 184 II, vgl. hierzu OLG Kiel 4. V. 1937 JRPV 1937 S. 250-251. Die Pfändung der Entschädigungsforderung setzt nach § 851 II ZPO voraus, daß die gepfändete Forderung nicht pfändungsfrei ist. Hierzu vertritt Sieg, Festschrift für Klingmüller, S. 462—464 die Auffassung, daß Kapital- und Rentenleistungen aus der privaten Unfallv gemäß §§ 850 i, 850 III b ZPO Pfändungsschutz genießen, soweit sie Versorgungscharakter haben. [H 16] II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung 1. Allgemeines a) Die Gefahrsperson als „Objekt" des Vertrages Nach § 179 I kann die Unfallv (auch) gegen Unfälle genommen werden, die einem anderen zustoßen. Nimmt der Vmer sie für eigene Rechnung, d. h. in der Weise, daß ihm bei Eintritt des Vsfalles die Entschädigungsleistung zusteht, so nähert sich diese Vertragsgestaltung in ihrer Struktur und nach ihrer Interessensituation einer Sachv: Das den (grundsätzlich abstrakten) Bedarf auslösende Ereignis tritt nicht in der Person des Vmers, sondern der eines Dritten ein, der - bezogen auf dieses Vsverhältnis — als Objekt oder Bezugspunkt der vten Gefahr bezeichnet werden kann. Das wird augenfällig ζ. Β in der Film-Ausfallv, bei der Vsfall (u. a.) ein Unfall ist, den eine oei der Filmherstellung beteiligte Person erleidet (§ 1 (2) der AVB für die Filmausfallv, VA 1965 S. 74). Es ist bezeichnend, daß das Aufsichtsamt die AVB für die Filmausfallv hier unter der Überschrift „3. Sachversicherung" abgedruckt hat. [H 17] b) Begriff der Gefahrsperson Für den Dritten, in dessen Person sich die vte Gefahr verwirklicht, soll im Anschluß an den eingeführten Sprachgebrauch (Bruck-Möller § 10 Anm. 18, eingehend Fuchs 33

B r u c k - M ö l l e r , VVG, 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. H 20

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

S. 2 9 - 4 7 mit historischem Überblick über die Entwicklung dieser Bezeichnung) die Bezeichnung G e f a h r s p e r s o n verwendet werden. Diese Bezeichnung empfiehlt sich nicht nur bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung, sondern stets dann, wenn sich die vte Gefahr nicht in der Person des Vmers selbst verwirklicht; also auch bei der Lebensv auf den Tod eines Dritten und bei der Unfallv für fremde Rechnung. Die vsrechtliche Behandlung dieser Vertragstypen weist Parallelen auf, die sich aus der Gleichheit der Sachprobleme ergeben. So findet sich das in § 179 III 1 normierte Einwilligungserfordernis in gleicher Weise bei der Lebensv (§ 159 II) und ζ. B. auch bei der Filmausfallv (Anm. H. 16) in § 3 (2) der AVB für Filmausfallv, wenn es auch dort nur als Obliegenheit des Vmers ausgestaltet ist. [H 18] c) Die besondere Problematik der Unfaltfremdversicherang für eigene Rechnung aa) Historisches Im späten Mittelalter war es üblich, Wetten auf das Leben des Kaisers, Fürsten, von Klerikern oder anderen Dritten abzuschließen. Solche Verträge waren Folge einer Spielleidenschaft, deren Wurzel möglicherweise bis in die Zeit der Kreuzzüge zurückreicht (Fuchs S. 22 m.N. in Fn. 14; Schmidt-Rimpler VersR 1963 S. 595). Sie hatten für den Begünstigten den Anreiz zur Folge, dem Vertragserfolg „nachzuhelfen". Diese Mißbräuche des Vertragsrechts führten z.T. schon im 15. Jahrhundert zu entsprechenden Verboten, die später weiter ausgedehnt wurden. Die Sanktion für die Übertretung der Verbote war unterschiedlich; sie reichte vom bloßen Erlaubnisvorbehalt (Genua im Zivilgesetz von 1588) über Besteuerung, Notwendigkeit, die Ernsthaftigkeit der Versicherungsabsicht zu beeiden, bis zur Bestrafung solcher Verträge (Nachw. bei Fuchs S. 23). Das Preußische Allgemeine Landrecht machte die Versicherung fremden Lebens von der schriftlichen Einwilligung der Gefahrsperson abhängig (vgl. Amtliche Begründung, Motive, Neudruck 1963, S. 217). [H 19] bb) Rechtsvergleichendes In den geltenden europäischen Rechtsordnungen herrscht das sogenannte „Zustimmungsprinzip" (Ganz S. 116) vor, wonach die Gültigkeit einer V auf f r e m d e s L e b e n von der schriftlichen Einwilligung der Gefahrsperson abhängig ist. Das gilt außer für das deutsche auch für das schweizerische, französische und italienische Recht. Weitergehend verlangt das belgische Recht ein Interesse des Vmers am Leben der Gefahrsperson (Nachw. bei Ganz S. 122—127), während in Schweden die Fremdv für eigene Rechnung auf das Leben eines Dritten ohne weitere Voraussetzungen und ohne Einschränkung zulässig ist (Ganz S. 125). Für die Unfallfremdv fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung in Frankreich, Belgien und Italien. Ihre rechtliche Einordnung ist dort, insbesondere im italienischen Recht, umstritten (vgl. Ganz S. 153 — insbesondere zum italienischen Recht). Im schweizerischen Recht fehlt es zwar nicht an einer Regelung des Rechts der Unfallv, wohl aber der Einzel-Unfallfremdv. Sie gilt als zulässig, jedoch ist für das gültige Zustandekommen einer auf den Tod der Gefahrsperson gestellten Unfallv die Zustimmung der Gefahrsperson erforderlich (GanzS. 155-156). [H 20] cc) Wirksamkeitsvoraussetzungen aaa) Gesetzliche Regelung Nach dem Wortlaut des § 179 III 1 setzt die Gültigkeit einer Unfallfremdv für eigene Rechnung nur voraus, daß die Gefahrsperson dem Vertragsschluß (vorher) 514

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II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung

Anm. H 22

zugestimmt hat. Die amtliche Begründung zu dieser Vorschrift (Motive Neudruck 1963 S. 242) verweist für diese Regelung generell auf die Vorschrift des § 159 II im Zusammenhang mit der Lebensv auf fremden Tod. Hierzu heißt es in der amtlichen Begründung zu § 199 W G (Motive Neudruck 1963 S. 217): „Wird bei einer auf die Person eines anderen genommenen Versicherung die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung an den Tod des anderen geknüpft, so bedarf es . . . besonderer Vorschriften zum Schutze dieser Person gegen die Gefahr, welche sich für sie daraus ergibt, daß der Versicherungsnehmer oder ein sonst Beteiligter den Eintritt des Versicherungsfalls herbeizuführen in der Lage ist. Mit der bezeichneten Gefahr ist vor allem dann zu rechnen, wenn die Möglichkeit offengelassen wird, eine derartige Versicherung hinter dem Rücken des anderen zu nehmen. Steht dessen Einverständnis mit der Versicherung fest, so ist immerhin eine Gewähr dafür gegeben, daß keine unlauteren Absichten verfolgt werden. . . . " [H 21] bbb) Prinzip der formalen Zustimmung Die im Schrifttum vorherrschende Meinung schließt aus dem Wortlaut des § 179 III 1, daß es zur Gültigkeit einer Unfallfremdv für eigene Rechnung weiterer Voraussetzungen als Vertragsschluß plus Zustimmung der Gefahrsperson nicht bedarf. Sie verlangt insbesondere nicht, daß der Vmer am Nichteintritt des Vsfalles ein vermögenswertes oder sonstiges Interesse habe, vgl. Sieg Bd II § 74 Anm. 11 unter Hinweis auf den Gesetzestext in §§ 159 und § 179; Prölss-Martin 21 § 159 Anm. 1 (für die Lebensv) — ohne Stellungnahme für die Unfallv in § 179 Anm. 3 A und B; Wussow AUB 4 § 16 Anm. 1 und ausführlich Fuchs S. 7 5 - 7 6 . Fuchs a.a.O. meint, daß das deutsche Recht Spekulationen oder Spiel mit fremden Leben und fremder Gesundheit nicht verbietet. Das ergebe sich einmal daraus, daß alle Erlebensfallven uneingeschränkt zulässig seien und ferner daraus, daß das W G in §§ 159, 179 nicht das moralische Kriterium verwerflicher Spekulation über die Wirksamkeit des Vsvertrages entscheiden lasse, sondern den Formalakt der schriftlichen Einwilligung der Gefahrsperson. Ein Vsvertrag sei nach deutschem Recht nicht deshalb ungültig, weil etwa zwei Personen aufgrund einer Wette gegenseitig auf ihr Leben Ven abschlössen. Fuchs meint weiter, dem VVG gehe es nur darum, eine Gefährdung der Gefahrsperson zu vermeiden, die sich daraus ergeben könnte, daß der Vmer ein Interesse daran gewinne, Gesundheit oder Leben der Gefahrsperson zu schädigen. Als Mittel für diesen Schutz habe das W G die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson für ausreichend angesehen. Hierzu heißt es bei Fuchs a.a.O. S. 76 wörtlich: „Wer vom Abschluß einer Versicherung auf sein Leben oder seine Gesundheit weiß und sich mit ihr einverstanden erklärt, traut dem VN, glaubt sich anderweitig ausreichend gesichert oder ist der Gefährdung gegenüber gleichgültig. Im allgemeinen ist die Gefahrsperson an ihrer Gesundheit und ihrem Leben interessiert, ist sie das ausnahmsweise nicht, geschieht ihr jedenfalls kein unerwartetes Unrecht." [H 22] ccc) Abweichende Auffassungen V. Gierke lehnt die h. M. zur Lebensv mit der Begründung ab, eine Lebensv auf fremden Tod für eigene Rechnung sei als Wettv nichtig, wenn kein vermögensrechtliches Interesse des Vmers am Nichteintritt des Vsfalles bestehe (v. Gierke, Versicherungsrecht, Bd I, S. 80, 101; Bd II, S. 336), in gleichem Sinne Schmidt-Rimpler VersR 1963 S. 497). In die gleiche Richtung deuten die Ausführungen von Gärtner S. 111-113, wenn er auch im Ergebnis der h. M. folgt: Der Inhalt des Vsvertrages lege 33'

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Ann. H 24

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

die Annahme nahe, daß Gegenstand des Vertrages die konkrete Vermögensbeziehung zwischen Vmer und Gefahrsperson sei, daß also dem Vertrag ein eigenes Interesse des Vmers zugrundeliege. Für eine V auf fremden Tod könne es eine überzeugende versicherungsmäßige Rechtfertigung nicht geben, wenn feststehe, daß zwischen Vmer und Gefahrsperson keine eine vermögensmäßige Bindung indizierende Beziehung bestehe, wenn es sich also um die V auf gleichgültiges Leben handele. - Jedoch habe das Gesetz die Gestaltungsmöglichkeit nicht in der Weise eingeengt, daß es V auf fremden Tod nur im Verhältnis zu Personen zulasse, bei denen eine vermögensmäßige Beziehung regelmäßig vorhanden sei. Damit seien Spielmöglichkeiten nicht ausgeschlossen. Bruck, Das Interesse, ein Zentralbegriff der Versicherung, S. 16 bezeichnet die Personenfremdv für eigene Rechnung als „eine in gewisser Hinsicht geregelte Wette". In gleichem Sinne geht Glättli, Die Versicherung auf fremdes Leben, S. 9 3 101 der Frage nach, welche Art von Interesse für den Vmer bestehen muß, um fremdes Leben für eigene Rechnung (gültig) zu ven. [H 23] ddd) Stellungnahme aaaa) Schutzwürdiges Interesse Da das Gesetz in § 179 III 1 für die Wirksamkeit einer Unfallfremdv für eigene Rechnung nicht mehr verlangt als die schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson, können sich weitergehende Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines solchen Vertrages nur aus allgemeinen vsrechtlichen oder schuldrechtlichen Grundsätzen ergeben. Man wird es als Prinzip des Schuld- und Vertragsrechtes bezeichnen können, daß ein wirksamer Vertrag, für dessen Durchsetzung die staatlichen Gerichte in Anspruch genommen werden können, ein schutzwürdiges Interesse der Vertragsschließenden voraussetzt (vgl. Heck, Schuldrecht, Tübingen 1929, Neudruck 1958, S. 19). Dabei spielt es im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, ob ein vermögensrechtliches Interesse zu verlangen oder jedes Interesse für genügend zu halten ist (im letzteren Sinne zutreffend Heck a. a. O. gegen die dort Zitierten). Denn für den hier allein interessierenden Vsvertrag liegt ein vermögensrechtliches Interesse beider Parteien unzweifelhaft vor. Hier geht es um das Interesse des Vmers am Erhalt der Vsentschädigung. Dieses Interesse kann nicht als schutzwürdig bezeichnet werden, wenn seine Erfüllung zwangsläufig die Schädigung fremden Lebens oder fremder Gesundheit zur Voraussetzung hat u n d der Vmer hieraus nicht — in weitestem Sinne verstanden - mittelbar oder unmittelbar geschädigt wird. Das Interesse des Vmers an einem solchen Vertragsschluß gründet sich allein auf die Hoffnung, daß die Gefahrsperson einen Unfall erleiden werde. Eine solche Vertragsgestaltung kann nicht als schutzwürdig anerkannt werden. Sie widerspricht auch vsrechtlichen Grundwertungen. Der Ver leistet in einem solchen Falle keine Gefahrtragung: Er leistet sie nicht der Gefahrsperson, weil diese nicht in den Genuß der Entschädigungsleistung kommt, nachdem sie einen Unfall erlitten hat. Die Gefahrtragung wird auch nicht dem Vmer geleistet, denn für diesen besteht keine Gefahr. Was der Vmer „befürchtet", ist allein die Möglichkeit, die Gefahrsperson werde von einem Unfall verschont bleiben. Die Unfallfremdv für eigene Rechnung dient demnach bei Fehlen einer vermögensmäßigen Bindung zwischen Vmer und Gefahrsperson keiner irgendwie gearteten (abstrakten oder konkreten) Bedarfsdeckung, sondern allein der Spekulation des Vmers auf fremden Unfall. [H 24] bbbb) Keine Bedarfsdeckung V unterscheidet sich von Lotterie, Spiel und Wette dadurch, daß ein Bedarf gedeckt wird (Bruck-Möller § 1 Anm. 7). Dabei ist Bedarf als (vor dem Vsfall: drohende) 516

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II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung

Aom. H 25

Einbuße an Rechten und Rechtsgütern oder als Belastung mit einem Passivum (BruckMöller § 49, Anm. 72—79) zu verstehen. Lotterie, Spiel und Wette haben nicht den Zweck, einen drohenden Schaden auszugleichen, sie dienen der Herbeiführung eines Vermögensvorteils, der keinen vorher eingetretenen Schaden voraussetzt. Daß die V Bedarfsdeckung bezweckt, gilt grundsätzlich in gleicher Weise für die Schadens- wie für die Summenv (Bruck-Möller Anm. 2 vor §§ 4 9 - 8 0 W G ) . Die Summenv unterscheidet sich von der Schadensv nicht dadurch, daß auf diese Voraussetzung verzichtet werden kann. Das in der Summenv geltende Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung bedeutet nicht mehr, als daß unter Abstrahierung von der effektiven, konkreten Schadenslage ein Bedarf unwiderleglich vermutet wird (Bruck-Möller a.a.O.). Daraus ergibt sich nicht, daß ein nach dem Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung (Summenv) abgeschlossener Vertrag über die Zahlung einer „Entschädigung" unter Voraussetzungen, die in keinem denkbaren Falle einen Bedarf des Vmers auslösen können, rechtlich als Vsvertrag gewertet werden kann. Ein solcher Vertrag unterscheidet sich vom Vsvertrag dadurch, daß der Vmer ein vermögenswertes Interesse am Eintritt des Vsfalles erlangt. Eine solche Konstellation ist das Gegenteil eines Vsschutzes durch Bildung einer Gefahrengemeinschaft, die von der h. M. zutreffend als Wesensmerkmal der V bezeichnet wird (Bruck-Möller § 1 Anm. 7 und Prölss-Martin21 Vorbem. II 1). Dementsprechend wird von Prölss-Martin21 Anm. 1 A als Voraussetzung für den Vsvertrag ein „Interesse am Nichteintritt des Vsfalles" vorausgesetzt. Folgerichtig gehen Prölss-Martin 21 in Anm. 1 zu § 159 davon aus, daß in der Lebensv auf die Person eines anderen das Interesse des Vmers fingiert werde. Auch Möller nimmt zu diesem Begriff des Interesses „im weiteren Sinn" Stellung und bemerkt hierzu, daß für das Vswesen nur gefährdete Interessen von Belang seien (Bruck-Möller § 49 Anm. 48). Man wird hieraus den Schluß ziehen müssen, daß ein Vsvertrag im Sinne der Vorschriften des W G nicht vorliegt, wenn das Interesse des Vmers allein darauf gerichtet ist, daß der Vsfall eintritt. Dieses Ergebnis wird indiziell bestätigt dadurch, daß dem Vmer Obliegenheiten auferlegt werden, den Eintritt des Vsfalles, soweit möglich, zu verhindern und nach Eintritt den Schaden möglichst gering zu halten. Der Abschluß einer Unfallfremdv für eigene Rechnung ohne vermögensmäßige Bindung zwischen Vmer und Gefahrsperson erfüllt nach allem nicht die Voraussetzungen eines Vsvertrages. Eine solche Vertragsgestaltung widerspricht grundlegenden vsrechtlichen Wertungen. [H 25] cccc) Vorstellung des Gesetzgebers Sollte der Gesetzgeber des W G dies übersehen haben, so bedürfte es angesichts der im Gesetz an anderen Stellen zum Ausdruck kommenden Wertung (z. B. §§ 75 I 1, 68) sowie der vswissenschaftlichen Erkenntnisse einer Gesetzeskorrektur dahingehend, daß eine Unfallfremdv für eigene Rechnung nur dann als wirksamer Vsvertrag anerkannt werden kann, wenn der Vmer ein Interesse am Nichteintritt des Vsfalles hat. Dafür genügt es, daß ein Versorgungszweck (im weitesten Sinne) verfolgt wird. Indessen ist zweifelhaft, ob die Regelung des § 179 erschöpfende Auskunft darüber gibt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Unfallfremdv möglich ist. Aus der amtlichen Begründung (Motive Neudruck 1963 S. 242) ergibt sich, daß der Gesetzgeber einer solchen Vertragsgestaltung zurückhaltend gegenüberstand: „Eine solche Versicherung für eigene Rechnung ist unter Umständen wohl berechtigt; die Verhältnisse liegen bei einer Unfallversicherung dieser Art im wesentlichen ebenso wie bei einer Lebensversicherung, die für den Fall des Todes eines anderen als des Versicherungsnehmers genommen wird. . . . " Wegen des notwendigen Schutzes gegen Mißbräuche wird sodann auf die Begründung zu § 159 II verwiesen. Dort (Motive Neudruck 1963 S. 216) heißt es u. a.: Wagner

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Aiun. H 26

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

„Das Interesse, welches den Anstoß zur Schließung eines Lebensversicherungsvertrages gibt, kann an das eigene Leben des Antragstellers, aber auch an das eines anderen gebunden sein. So wird eine Versicherung für den Lebensfall folglich in der Weise genommen, daß der Versicherer zur Leistung verpflichtet ist, wenn ein Abkömmling des anderen Teils ein bestimmtes Alter erreicht; auf diesem Wege lassen sich namentlich die Mittel beschaffen, welche erforderlich sind, um dem Abkömmlinge die Vollendung einer Ausbildung zu ermöglichen, . . . Von nicht geringerer Bedeutung ist die Versicherung, welche bezweckt, gegen die Gefahr des vorzeitigen Ablebens eines anderen Deckung zu bringen; in diesem Sinne wird vielfach von einem Ehegatten das Leben des anderen Ehegatten, von einem Gesellschafter das Leben des anderen Gesellschafters, von einem Gläubiger das Leben seines Schuldners versichert." Diese Ausführungen machen deutlich, daß der Gesetzgeber, als er die Möglichkeit der V fremden Lebens und fremden Unfalls eröffnete, nicht an die Möglichkeit gedacht hat, eine solche V würde ohne eigenes Interesse des Vmers am Nichteintritt des Vsfalles abgeschlossen werden. Es ist bezeichnend, daß die amtliche Begründung zu § 159 gerade mit der Erwägung beginnt, welches Interesse eine solche Vertragsgestaltung motivieren könne. [H 26] dddd) Schwächen des Zustimmungsprinzips Das Erfordernis der Einwilligung der Gefahrsperson (§ 179 III 1) ist bei einer Unfallfremdv für eigene Rechnung nicht geeignet, einer Gefahr zu begegnen, die der Gefahrsperson durch den für den Vmer bestehenden Anreiz droht, den Vsfall herbeizuführen. Die Bemerkung von Fuchs S. 76, daß die einwilligende Gefahrsperson dem Vmer vertraue, sich anderweitig ausreichend gesichert glaube oder der Gefährdung gegenüber gleichgültig sei, ist im tatsächlichen Sinne zweifelhaft. Wenn es dort weiter heißt, die Gefahrsperson sei normalerweise an ihrer Gesundheit und ihrem Leben interessiert, sei sie es ausnahmsweise nicht, so geschehe ihr jedenfalls kein unerwartetes Unrecht, ist juristisch nicht zutreffend: Eine strafrechtlich relevante oder deliktsrechtlich rechtfertigende Einwilligung der Gefahrsperson dürfte nach dem Grundgedanken des § 226 a StGB nicht möglich sein. Das kann indes dahingestellt bleiben, denn vsrechtlich wäre ein vom Vmer veranlaßter Vsfall, dem die Gefahrsperson im vorgenannten Sinne gleichgültig gegenübersteht, im Hinblick auf § 181 Teil einer betrügerischen Handlung zum Nachteil des Vers. Die Einwilligungserklärung der Gefahrsperson ist auch deshalb nicht geeignet, ihre Gefährdung auszuschließen, weil das Gesetz keine Handhabe bietet, die einmal erteilte Einwilligungserklärung nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse — etwa nachträgliche Verfeindung mit dem Vmer — zu widerrufen. Im übrigen ist es generell zweifelhaft, ob die Gefahrsperson, die die nach § 179 III 1 erforderliche Einwilligung erteilt, diese Erklärung in Kenntnis ihrer tatsächlichen Gefährdung abgibt. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Unfallfremdv für eigene Rechnung im Falle des Abschlusses einer Schadensv (Krankheitskosten) zu absurden Ergebnissen führen kann. Erleidet die Gefahrsperson einen Unfall, für dessen Folgen ein Dritter einzustehen hat (§ 7 StVG, § 823 BGB), so führt der Abschluß einer Unfallfremdv für eigene Rechnung eines dritten Vmers dazu, daß die Gefahrsperson ihren deliktischen Anspruch verliert, wenn man mit Thiel VersR 1955 S. 729 r. Sp. diesen Anspruch gemäß § 67 I auf den Ver übergehen läßt, soweit dieser dem Vmer — nicht der Gefahrsperson! — Entschädigung geleistet hat. Es dürfte unhaltbar sein, diese rechtliche Folge als durch die Einwilligung der Gefahrsperson gedeckt anzusehen, es sei denn, diese Einwilligung sei aufgrund eingehender rechtlicher Belehrung erteilt 518

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II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung

Anm. H 29

worden. Die Anwendbarkeit des § 67 I für diesen Fall verneint Sieg Bd II § 67 Anm. 136 (für PKV). [H 27] 2. Vertragsschluß a) Allgemeine·. Für den Vorgang des Vertragsschlusses einer Unfallfremdv für eigene Rechnung gelten keine rechtlichen oder tatsächlichen Besonderheiten. Der Vertrag verlangt kongruente Willenserklärungen - Antrag und Annahme, vgl. §§ 145-151 BGB - der Vertragsschließenden. Der Antrag wird im Alltagsfall vom Vmer — oftmals unter Mitwirkung des Vsvertreters — auf einem Formular des Vers schriftlich gestellt, er muß alle für den Vertrag wesentlichen Angaben enthalten, so daß der Ver ihn durch einfache Bejahung annehmen kann. Für die Besonderheit dieses Vertragsschlusses, die Angabe eines Dritten als Gefahrsperson (Anm. H 29) und dessen schriftliche (vorherige) Einwilligung ist eine Bezugnahme auf AVB ohne Bedeutung. Denn die gebräuchlichen AVB - AUB, AKB, Opuv und Zusatzbedingungen - enthalten keine Bestimmungen über die Besonderheiten einer Unfallfremdv für eigene Rechnung. Lediglich die AVB für Filmausfallv (VA 1965 S. 74), die jedoch nicht in diesem Sinne als Unfallfremdv gilt, weisen in § 3 (2) auf das Einwilligungserfordernis hin. Folgt man der oben (Anm. H 23) begründeten Auffassung, daß der Vmer ein eigenes Interesse am Nichteintritt des Vsfalles haben muß, so sollte der Ver Angaben hierüber im Antragsformular vorsehen, um die Wirksamkeit des Vertrages sicherzustellen. Das ist jedoch nicht erforderlich, wenn in § 179 II 1 eine an § 140 BGB anschließende Regelung des Inhalts gesehen wird, daß eine mangels Zustimmung der Gefahrsperson und/oder mangels entsprechenden Interesse des Vmers unwirksame Unfallfremdv für eigene Rechnung regelmäßig als Unfallfremdv für fremde Rechnung zu deuten ist (Anm. H 37). [H 28] b) Bezeichnung der Gefahrsperson Die Gefahrsperson muß eine natürliche Person sein. Im Vsvertrag muß die Gefahrsperson grundsätzlich so bezeichnet werden, daß ihre Individualisierung aus dem Vertragstext — d. h. dem Text des Antrages - ohne weiteres möglich ist. Wird sie namentlich bezeichnet, so zwingen die üblicherweise im Antragsformular enthaltenen Fragen nach Alter, Beruf und Gesundheitszustand den Antragsteller zu Angaben, die für Zweifel hinsichtlich der Individualität der Gefahrsperson keinen Raum lassen. Es genügt indes, daß sich die Bestimmung der Gefahrsperson aus Umständen ergibt, die im Vertrag genannt sind und eine hinreichend sichere Bestimmbarkeit gewährleisten. Solche Gestaltung spielt zwar in der Praxis keine bedeutsame Rolle (wegen Gruppen-Unfallv Anm. H 68), sie kann aber vorkommen, z. B. wenn ein Arbeitgeber seine sämtlichen Berufsfahrer als Insassen für eigene Rechnung gegen Unfall vert, nachdem er sich hierfür von allen die Einwilligung hat geben lassen. Im Unfallvsvertrag selbst brauchen die Fahrer nicht namentlich bezeichnet zu werden (vgl. § 16 (2) AKB). [H 29] c) Angabe darüber, daß die Unfallversicherung für eigene Rechnung genommen wird aa) Auslegung gemäß § 179 II Aus dem Erfordernis aller für den Vertragsinhalt wesentlichen Angaben im Antrag ergibt sich die Notwendigkeit, hinreichend klarzustellen, daß eine U n f a l l f r e m d v f ü r e i g e n e R e c h n u n g a b g e s c h l o s s e n w e r d e n soll, Fehlt es an einer solchen Wagner

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Anni. H 31

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Angabe oder ist sie für den Ver als Erklärungsempfänger nicht hinreichend deutlich gemacht, so bestimmt sich zunächst nach allgemeinen Regeln, ob ein Vertrag zustandegekommen ist und — gebenenfalls — welchen Inhalt er hat. Der Inhalt der vom Vmer als Antragsteller gemachten Offerte (oben Anm. C 4) ergibt sich entsprechend den zu § 133 BGB entwickelten Grundsätzen daraus, wie der Erklärungsempfänger — Vmer oder Agent - sie unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben verstehen durfte, Palandt-Heinrichs36 § 133 BGB Anm. 1 und 2. Ergibt sich hierzu aus der Gesamtheit aller Umstände und/oder der Erklärung selbst nicht eindeutig, ob die als Fremdv beantragte Unfallv für eigene oder für fremde Rechnung genommen werden soll, so würde die Antragserklärung nicht hinreichend eindeutig und damit ungeeignet sein, durch Annahmeerklärung des Vers einen Vertragsschluß herbeizuführen. Der Vertrag wäre gemäß §155 BGB nur dann wirksam, wenn anzunehmen wäre, daß die Parteien dies bei Kenntnis des Mangels der Einigung gewollt haben würden. Gibt der mit dem Vertragsschluß vom Vmer verfolgte Zweck keinen Hinweis auf die Möglichkeit, den scheinbar geschlossenen (§ 155 BGB) Vertrag im vorgenannten Sinne zu ergänzen, so müßte der Vertrag nach dieser Vorschrift für nichtig gehalten werden. Insoweit „ergibt sich" indes „etwas anderes" aus der Regelung des § 179 II 1 W G . Diese Vorschrift liest sich zunächst als lex specialis zu §§ 155, 157 BGB. Indem sie eine „Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen" voraussetzt und in ihrer Rechtsfolge („gilt im Zweifel als . . . " ) eine bestimmte Auslegung dieser Vereinbarung vorschreibt, scheint sie die allgemeine Auslegungsregel des § 157 BGB für diesen besonderen Fall zu präzisieren. Diese Einordnung wäre aber nur im Ergebnis zutreffend. Aus einem Vergleich dieser Vorschrift mit der Parallelbestimmung des § 74 II VVG wird deutlich, daß sich die Auslegungsregel in § 179 II 1 W G ebenfalls auf die Willenserklärung des Vmers als Antragstellers bezieht. In § 74 II W G wird insoweit deutlicher zum Ausdruck gebracht, daß Auslegungsgegenstand die Erklärung des (späteren) Vmers als Vertragspartner des Vers ist. Die für den Zweifelsfall vorgeschriebene Auslegung geht in § 74 II W G dahin, daß der Vertragspartner des Vers im eigenen Namen handele und den Vertrag für fremde Rechnung abschließe. Dementsprechend ist Auslegungsgegenstand in § 179 II 1 W G die Antragserklärung des Vmers, und die vorgeschriebene Auslegung hat den Inhalt, daß er für fremde Rechnung handeln wolle. Daß diese Bedeutung gewollt ist, wird durch die Amtliche Begründung (Motive Neudruck 1963 S. 242) bestätigt, aus der sich ergibt, daß die Regelung des § 74 II W G in § 179 II 1 W G für die besondere Vertragsgestaltung der Unfallfremdv wiederholt werden sollte. [H 30] bb) Folgerungen für den Vertragsschluß Der Unfallver nimmt die Antragserklärung des Vmers durch einfache Bejahung an, vgl. oben Anm. C l l . Seine Annahmeerklärung bezieht sich demnach auf die Antragserklärung des Vmers mit demjenigen Inhalt, der ihr gemäß §§ 133 BGB, 179 II 1 W G beizumessen ist. Das bedeutet: Die durch § 179 II 1 W G vorgeschriebene Auslegung der Antragserklärung für den Zweifelsfall gibt zugleich - insoweit der Regelung des § 157 BGB entsprechend - die Auslegung des Vertragsinhalts vor. In diesem Sinne erweist sich die Regelung des § 179 II 1 W G (in der Auswirkung) als lex specialis sowohl zu § 155 BGB als auch zu § 157 BGB. [H 31] cc) Willensmängel Die Auslegungsregel des § 179 II 1 kann zu einem Vertragsschluß führen, den die Kontrahenten — oder einer von ihnen — nicht gewollt haben. Dann kann jeder von 520

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II. Unfallfremdversichening für eigene Rechnung

Anm. H 33

ihnen seine Willenserklärung gemäß § 119 I BGB wegen Inhaltsirrtum anfechten. Eine dem § 164 II BGB entsprechende Vorschrift, wonach ein abweichender tatsächlicher Wille unbeachtlich ist, gibt es weder zu § 179 noch zu § 74, vgl. Sieg Bd II § 74 Anm. 28. Der Ver kann durch Erklärung gegenüber dem Vmer wegen Täuschung (§ 123 BGB) anfechten, wenn die Gefahrsperson getäuscht hat. Hierfür kann wegen § 179 IV dahinstehen, ob die Gefahrsperson Dritter ist im Sinne des § 123 II BGB. Für die Unfallfremdv für eigene Rechnung des Vmers wird die Gefahrsperson nicht als Dritter angesehen. Daß § 179 IV nur „auf die Vorschriften dieses Gesetzes", also des W G verweist, bedeutet nicht, daß die Möglichkeit der Anfechtung wegen Täuschung nach § 123 BGB sich ausschließlich nach allgemeinem bürgerlichen Recht richtet, wie Magnusson VersR 1953 S. 300 meint. Das Gegenteil ergibt sich bereits aus der Klarstellung in § 22. Gegen Magnusson und für uneingeschränktes Anfechtungsrecht des Vers bei Täuschung durch die Gefahrsperson Bruck, Lehrbuch S. 603, Prölss-Martin21 § 79 Anm. 1 und Fuchs S. 107-108. [H 32] d) Schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson aa) Einwilligung durch die Gefahrsperson Einwilligung ist die vor dem Vertragsschluß erteilte Zustimmung (§ 183 S. 1 BGB). Es ist davon auszugehen, daß das 8 Jahre nach dem Inkrafttreten des BGB verkündete W G in seiner Terminologie auf das BGB Bezug nimmt (amtl. Begr. zu 159, Motive Neudruck 1963 S. 217; OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 S. 680-682 [681 m. N.J). Zu der Frage, ob auch in der Gruppen-Unfallv in allen Fällen die Zustimmung bei Vertragsschluß vorliegen muß, vgl. Millauer S. 78 f. und Anm. H 66. Die Einwilligung muß schriftlich erteilt werden. Dies dient in erster Linie der Warnfunktion dieses Erfordernisses. Seine Voraussetzungen sind in § 126 I BGB genannt: Eigenhändige Unterschrift der Gefahrsperson unter einen - nicht notwendig von ihr selbst niedergeschriebenen — Text oder notariell beglaubigtes Handzeichen. Die schriftliche Einwilligung braucht nicht auf dem Vertragstext zu stehen (arg. § 126 II BGB), es genügt eine hiervon äußerlich getrennte Erklärung, die sich indes eindeutig auf das vte Wagnis beziehen muß. Anderenfalls wäre der Warnfunktion nicht genügt: Der Anreiz des Vmers zur Beeinflussung des Vsfalles hängt sowohl von den Voraussetzungen der Entschädigungspflicht als auch von der Höhe der zu leistenden Summe ab. Für die Schadensv (Heilkosten) begibt sich die Gefahrsperson möglicherweise (Sieg § 67 Anm. 136) eines evtl. Schadensersatzanspruches gegen einen verantwortlichen Dritten (§ 67). Es wäre deshalb geraten, die Einwilligung auf den Vertragstext zu setzen. Die Zustimmung kann sowohl dem Vmer als auch der Gefahrsperson gegenüber erklärt werden (§ 182 I BGB), OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 S. 681 Ii. Sp. [H 33] bb) Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters der Gefahrsperson Ist die Gefahrsperson geschäftsunfähig (§ 104 BGB), so ist sie außerstande, die Einwilligung zu erklären. An ihre Stelle tritt der gesetzliche Vertreter, das sind bei Kindern bis zum 7. Lebensjahr die Eltern (§ 1626 BGB), bei wegen Geisteskrankheit Entmündigten der Vormund (§ 1793 BGB). An die Stelle der Eltern oder eines Vormundes tritt, wenn diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen verhindert sind, ein vom Vormundschaftsgericht zu bestellender Pfleger (§ 1909 BGB). Ist die Gefahrsperson in der Geschäftsfähigkeit beschränkt (§§ 106, 114 BGB), so kann der gesetzliche Vertreter, wenn er nicht Vmer werden soll (Anm. H 34), an seiner Stelle die Einwilligung erklären. Die beschränkt geschäftsfähige Gefahrsperson Wagner

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Amn. H 34

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

kann aber auch bei der Einwilligung mitwirken: Sie kann ihrerseits die Einwilligung erklären, indes muß der gesetzliche Vertreter dieser Erklärung - ebenfalls als Einwilligung, d. h. vor Zugang der Erklärung der Gefahrsperson — zustimmen, wenn man nicht § 107 BGB für anwendbar hält. Diese Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn der beschränkt Geschäftsfähige durch die Willenserklärung weder rechtlichen Vorteil noch Nachteil erlangt, d.h. wenn die Wirkung der Erklärung rechtlich neutral ist (Palandt-Heinrichs 36 § 107 Anm. 2 m.N.). Der Gefahrsperson erwachsen aus dem Vsvertrag keine rechtlichen Nachteile (Anm. H 40), sie wird weder Prämienschuldner noch sonst im rechtlichen Sinne belastet. Indessen ist hier eine tatsächliche Benachteiligung im Sinne der Gefährdung für eine direkte oder analoge Anwendung als ausreichend anzusehen, weil das W G in § 179 III 2 für einen Sonderfall Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit gleichstellt und damit zu erkennen gibt, daß es für die Schutzbedürftigkeit der Gefahrsperson insoweit nicht differenzieren will. Einen rechtlichen Nachteil erleidet die Gefahrsperson in der Schadensv u.U. wegen des Verlustes eines ihr etwa zustehenden Anspruchs nach § 67. [H 34] cc) Sonderfall: Gesetzlicher Vertreter ist Versicherungsnehmer Ist der gesetzliche Vertreter Antragsteller und soll er Vmer, d. h. aus dem UnfallvsVertrag leistungsberechtigt sein, so ist er von der Zuständigkeit zur Einwilligungserklärung ausgeschlossen (§ 179 III 2 W G ) , wenn ihm die Vertretung in den die Person (der Gefahrsperson) betreffenden Angelegenheiten zusteht. Das Personensorgerecht wird in § 1631 BGB umschrieben, es steht in der Regel den Eltern zu (§ 1626 II BGB). Das bedeutet: Die in § 179 III 2 W G ausgesprochene Beschränkung der Einwilligungszuständigkeit betrifft nur denjenigen gesetzlichen Vertreter, dem zugleich das Personensorgerecht einschließlich Vertretung zusteht. Diese Differenzierung nach Personensorgeberechtigten und anderen gesetzlichen Vertretern ist insofern berechtigt, als die Eltern wegen ihrer tatsächlichen Nähe zum Kind am ehesten Gelegenheit haben, einen (scheinbaren) Unfall herbeizuführen (vorzutäuschen). Sie ist insofern ungereimt, als in § 179 III 1 grundsätzlich der Anreiz für jeden Vmer ausreicht, um die Zustimmung der Gefahrsperson erforderlich zu machen. Ein solcher Anreiz besteht für den Vmer auch dann, wenn er als gesetzlicher Vertreter nicht personensorgeberechtigt ist und arg. § 179 III 2 die Einwilligung selbst erklären oder der Einwilligung der beschränkt geschäftsfähigen Gefahrsperson wirksam zustimmen kann. Die Einwilligungserklärung der beschränkt geschäftsfähigen Gefahrsperson ist nichtig ( § 1 1 1 BGB), wenn ihr der gesetzliche Vertreter nicht vorher zugestimmt hat oder wenn die Gefahrsperson nicht zugleich mit ihrer Einwilligungserklärung die schriftliche Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters vorlegt und der Erklärungsempfänger sie deshalb zurückweist (§ 111 S. 2 BGB). Ein gesetzlicher Vertreter der Gefahrsperson ist nicht, wie es die amtliche Begründung zu § 159 (Motive Neudruck 1963 S. 217) im Anschluß an Bayer. ObLG 4. XI. 1904, zitiert a.a.O., erwägt, gemäß § 181 BGB von der rechtlichen Zuständigkeit für die Zustimmung gemäß § 179 III 2 ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 181 BGB liegen nicht vor: Die Eltern oder ein anderer gesetzlicher Vertreter handeln zwar bei Erteilung der Zustimmung im Namen des Kindes, sie nehmen aber nicht im Sinne dieser Vorschrift „mit sich" ein Rechtsgeschäft vor. In Betracht käme nur eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Hinblick auf die durch sie geregelte besondere Interessenlage. Sie wird jedoch nach anfänglich uneinheitlicher Praxis nunmehr abgelehnt, vgl. die Nachweise bei Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, 2. Buch, 2. Abteilung, Tübingen 1952, S. 4 4 - 7 1 und bei Palandt522

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II. Unfallfremdversichening für eigene Rechnung

Anm. H 35

Heinrichs § 181 Anm. 1 Das obiter dictum der amtlichen Begründung a.a.O. ist für die Praxis ohne Auswirkungen geblieben, es bindet die Rechtsanwendung schon deshalb nicht, weil es im Gesetzestext der §§ 159, 179 keinen Ausdruck gefunden hat (anders wohl Fuchs S. 83, 88). [H 35] dd) Einwilligung durch Bevollmächtigten Die nach § 179 III 1 erforderliche Einwilligung kann auch von einem von der Gefahrsperson hierzu Bevollmächtigten erklärt werden. Dann bedarf zwar nicht die Vollmacht (§ 167 II BGB), wohl aber die Einwilligungserklärung des Vertreters der Schriftform gemäß § 179 III 1 W G . Die Vorschrift des § 167 II BGB widerspricht dem Zweck des Formerfordernisses in den Fällen, in denen es dem Übereilungsschutz des Erklärenden dient. Dementsprechend hat die Rechtsprechung die Regelung des § 167 II BGB für Bevollmächtigung zur Grundstücksveräußerung eingeschränkt (Nachweise bei Palandt-Heinrichs § 313 Anm. 6). Entsprechendes wird man hier zu fordern haben: Da das Einwilligungserfordernis dem Zweck dient, die Überlegung des Einwilligenden zu gewährleisten, kann - entgegen § 167 II BGB - eine mündlich erteilte Vollmacht diesem Zweck nicht genügen (anders für einen Sonderfall OLG Hamburg 24. V. 1955 VersR 1957 S. 106-107). Die Vollmacht muß eigens zu dem Zweck erteilt werden, die Einwilligung in einen Vsvertrag zu erklären, dessen Inhalt — soweit sich hieraus die tatsächliche und rechtliche Gefährdung ergibt —, der Gefahrsperson als Vollmachtgeber im wesentlichen bekannt ist. Die Gefahrsperson muß in der Lage sein, das Risiko, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt, abzuwägen (Fuchs S. 79). Eine solche Abwägung setzt Kenntnis der Art der V, der Person des Vmers und der Höhe der Vssumme voraus (Fuchs S. 80). Einer Generalvollmacht, die regelmäßig zum Zwecke der Erledigung aller Rechtsgeschäfte erteilt wird, liegt eine solche Abwägung nicht zugrunde, so daß sie eine Einwilligung nach § 179 III 1 W G nicht deckt. OLG Königsberg 6. V. 1919 SeuffA Bd 75 (1920) Nr. 75 S. 127-129 argumentiert widersprüchlich und nur im Ergebnis zutreffend, wenn es eine Generalvollmacht als grundsätzlich ausreichend bezeichnet, im konkreten Fall aber ein Vollmachtsmißbrauch angenommen wird, weil die Gefahrsperson vom Abschluß des (Lebens-)Vsvertrages nichts gewußt habe. Weil nur die auf der speziellen Kenntnis des Vollmachtgebers vom Vertragsinhalt beruhende Einwilligung im Sinne des § 179 III 1 W G ausreicht, gilt dies für die generell erteilte Vollmacht nicht. Wie hier OLG Hamburg 24. V. 1955 VersR 1957 S. 106 r. Sp.: Der Gefahrsperson müsse „eindeutig und eindringlich klar" sein, daß sie sich über die Abgabe einer bestimmten Einwilligung schlüssig machen solle. Eine allgemeine Vollmacht, von der der Bevollmächtigte auch ohne Kenntnis des Vollmachtgebers Gebrauch machen könne, genüge nicht. Nicht von Erheblichkeit ist hierbei die Abgrenzung von Botenschaft und Vertreterhandeln: Die für die Vertreterstellung als Regel geforderte Freiheit in Entschließung und Gestaltung des Rechtsgeschäfts verwischt sich hier dadurch, daß der Vertretene den wesentlichen Vertragsinhalt kennen muß. Damit tritt s e i n e Abwägung an die Stelle derjenigen des Vertreters. Verfehlt ist es deshalb, wenn LG Hamburg 2. VI. 1953 VersR 1954 S. 316-317 die durch einen „Schreibgehilfen" auf Geheiß der anwesenden Gefahrsperson auf den Antrag gesetzte Unterschrift nicht für ausreichend erachtet, weil sich der Tatbestand des Rechtsgeschäftes hier „nicht in der Person des Vertreters verwirkliche, dieser vielmehr nur im Wege mechanischer Dienstleistung tätig geworden" sei. Dem Sinn des Einwilligungserfordernisses ist genügt, wenn die Gefahrsperson den Vertragsinhalt kennt und aufgrund dieser Kenntnis den Dritten bittet, die Unterschrift zu leisten (zutr. dagegen OLG Hamburg 24. V. 1955 VersR 1957 S. 107 oben — als Berufungsgericht). Wagner

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Anm. H 37

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

[H 36] ee) Entsprechende Anwendung des § 179 III 1 Die Vorschrift des § 179 III 1 ist über ihren Wortlaut hinaus entsprechend anzuwenden, wenn die Gefahrsperson durch eine entsprechende Vertragsgestaltung im tatsächlichen und rechtlichen Sinne gefährdet wird. Hierzu gehören in erster Linie die Fälle der Begründung eines Bezugsrechtes durch den Vmer. Der Bezugsberechtigte ist an der Herbeiführung des Vsfalles (Unfall der Gefahrsperson) vermögensmäßig interessiert. Das gilt nicht nur bei unwiderruflicher, sondern auch bei widerruflicher Bezugsberechtigung: Gerade für den widerruflich Bezugsberechtigten kann ein besonderer Anreiz bestehen, einem Widerruf durch Herbeiführung des Unfalles zuvorzukommen. Es ist deshalb nicht einleuchtend, wenn Ehrenzweig S. 395 das Einwilligungserfordernis bei widerruflicher Bezugsberechtigung verneint. Für Einwilligungserfordernis bei jeglicher Bezugsberechtigung Fuchs S. 81, Prölss-Martin21 § 159 Anm. 2 A — undeutlich —, v. Gierke Bd II S. 336. Die analoge Anwendung des § 179 III 1 ist geboten für die Fälle, in denen Eltern ihr Kind vern — das Kind war Vmer —, für sich aber ein Bezugsrecht begründen oder den Vertrag namens des Kindes als Vmer, aber für ihre Rechnung im Sinne des § 179 II 2 schließen (Prölss-Martin 21 § 179 Anm. 4). Dagegen ist die Einwilligung der Gefahrsperson entsprechend § 179 III 1 nicht erforderlich für die Abtretung oder Verpfändung des Anspruchs des Vmers oder eines Bezugsberechtigten an einen Dritten, Bruck-Möller § 15 Anm. 18, Fuchs S. 83—84; offengelassen von RG 14. VI. 1932 RGZ Bd 136 S. 395-401 für Lebensv. Diese Frage ist angesichts der in den AVB enthaltenen Abtretungsverbote (§§ 3 (4) AKB, 16 (3) AUB) ohne praktische Bedeutung. [H 37] ff) Rechtsfolgen fehlender Einwilligung Fehlt es an der nach § 179 III 1 erforderlichen Einwilligung der Gefahrsperson, so ist der Vertrag unheilbar nichtig, vgl. amtliche Begründung, Neudruck S. 217: Die Gültigkeit des Vertrages sei von der Einwilligung abhängig; ebenso Millauer S. 79—80, v.d. Thüsen S. 259, OLG Hamburg 19.1.1966 VersR 1966 S. 681 li.Sp., BruckMöller § 22 Anm. 39, unentschieden BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 138-140 (139), nicht ganz eindeutig Wussow AUB § 16 Anm. 1 und Anli S. 37, Fuchs S. 91 m.N. Diese Nichtigkeitsfolge ist zwingend, sie gilt auch dann, wenn im Einzelfall eine Spekulation mit dem Leben oder der Gesundheit der Gefahrsperson ausgeschlossen ist; dahingestellt gelassen v. BGH 16. XI. 1967 VersR 1968 S. 139, wie hier Millauer S. 79. In Rechtsprechung und Schrifttum wird nach Wegen gesucht, die oftmals unerwünschte Nichtigkeitsfolge abzuwenden. So wird die Meinung vertreten, eine mangels erforderlicher Einwilligung nicht als Eigenv wirksamer Vsvertrag sei als Vertrag für Rechnung der Gefahrsperson im Sinne der §§ 179 II 2, 75 gültig, Prölss-Martin21 § 179 Anm. 3 A, Ehrenzweig S. 443, Thiel VersR 1955 S. 730-731, BGH 8. II. 1960 B G H Z Bd 32 S. 49 = NJW 1960 S. 913 = VersR 1960 S. 339. Der BGH schließt hier aus dem Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses, daß bei einer ohne Einwilligung der Gefahrsperson genommenen Unfallfremdv allein die Gefahrsperson Vter sein könne (a.a.O. S. 50). Im gleichen Sinne Eichler S. 326; ähnlich BGH 21. X. 1965 VersR 1965 S. 1166-1167 für einen Fall der Luftfahrtv: eine rechtsgültige V für fremde Rechnung könne es ohne Einwilligung der Gefahrsperson nur als V für fremde Rechnung geben, für einen entgegenstehenden Willen des Vmers sei rechtlich gar kein Raum; ähnlich (obiter) BGH 23. IV. 1963 VersR 1963 S. 521-523 = NJW 1963 S. 1201 — 1203. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß § 179 II 1 nur eine Auslegungsregel für den „Zweifelsfall", nicht aber eine Fiktion des Inhalts enthält, daß 524

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II. Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung

Anm. H 40

die Parteien hilfsweise eine V für fremde Rechnung gewollt und erklärt hätten, Sieg Bd II Vorbem. vor §§ 7 4 - 8 0 Anm. 12. Gegenstand der Auslegung ist primär der Antrag des Vmers, die Auslegung setzt Berücksichtigung ihres Wortlauts und aller Umstände voraus, die die Bedeutung der gewählten Erklärung erhellen können (Anm. H 30). Über diese Regelung hinaus enthält § 179 II 1 keine Rechtfertigung für das Bestreben, einen Vsvertrag als gültig aufrechtzuerhalten. Ein solches Ziel wäre rechtspolitischer Art, es mag in die nach dieser Vorschrift gebotene Auslegung, die zunächst Raum für den dort vorausgesetzten Zweifel läßt, einfließen, aus der rechtlichen Verschiedenheit und der wirtschaftlichen Motivation der Beteiligten läßt sie sich regelmäßig nicht rechtfertigen (Anm. H 4). Führt die Auslegung zu dem Ergebnis, daß Unfallfremdv für eigene Rechnung gewollt ist, so ist der Vertrag mangels Einwilligung nichtig. Für eine Umdeutung nach § 140 BGB in eine Unfallfremdv ist dann kein Raum, weil für die notwendige Annahme, daß sie bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt wäre, dann jeder Anhaltspunkt fehlt. Wäre es anders, so würde schon die Zweifelsregelung des § 179 II 1 eingreifen. Für die Anwendung des § 140 BGB (in der Gruppenv) Millauer S. 8 2 - 8 3 und - nicht ganz eindeutig — Ruscher S. 193. Für die Gruppenv ergibt sich die Anwendbarkeit des § 140 BGB aus der Besonderheit des Vertrages, überzeugend Millauer a.a.O., vgl. unten Anm. H 66.

[H 38] 3. Besonderheiten des Versicherungsverhättnisses a) Allgemeines Die Gefahrsperson steht außerhalb des Vertragsverhältnisses. Ihre Zustimmung zum Vertragsschluß dient nur ihrem Schutz, sie begründet keine Verpflichtungen. Das gilt auch dann, wenn die Gefahrsperson den Antrag des Vmers „als Versicherter" auf dem Antragsformular selbst unterschreibt (Fuchs S. 120—123). Diese Unterschrift kann nur insoweit bedeutsam werden, als die Gefahrsperson durch sie Kenntnis vom Vertragsschluß bekundet. Zur Bedeutung der Herbeiführung des Vsfalles durch Vmer oder Gefahrsperson vgl. oben Anm. G 221.

[H 39] b) Prämienschuld Die Prämie schuldet allein der Vmer. Der Dritte, die Gefahrsperson, ist am Vertragsschluß nicht beteiligt, ihn treffen deshalb keine vertragliche Pflichten. Er ist, wenn er die Prämie im eigenen Namen bezahlt, Dritter im Sinne des § 267 BGB. Ob er sie nach § 812 BGB vom Ver zurückverlangen kann, entscheidet sich danach, ob er irrtümlich meinte, eine eigene Verbindlichkeit zu tilgen - dann steht ihm ein solcher Anspruch zu — oder ob er bewußt eine fremde Verbindlichkeit getilgt hat. Dann kann er gemäß §§ 670, 683; 812 BGB vom Vmer Erstattung verlangen, vgl. v. Caemmerer, Irrtümliche Zahlung fremder Schulden, in: Vom deutschen zum europäischen Recht, Festschrift für Hans Dölle, Tübingen 1963, Bd I, S. 135-168 m.N. Hat die Gefahrsperson die Prämie gezahlt, weil sie sich irrtümlich für den Vmer und damit für den Schuldner hielt, so kann ihr der RückZahlungsanspruch nicht mit der Begründung versagt werden, daß der Ver die Gefahrtragung geleistet habe (so aber LG Hamburg 4. VI. 1937 JRPV 1937 S. 240). Zwar verliert der Ver in solchen Fällen u. U. seine Rechte gegenüber dem Vmer aus §§ 38, 39. Indessen obliegt es ihm, sich diese Rechte durch Inanspruchnahme (einschl. Mahnung) des wirklichen Schuldners zu erhalten.

[H 40] c) Obliegenheiten Bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung treffen Obliegenheiten nur den Vmer. Die Gefahrsperson ist nur „Bezugsobjekt" des Vertrages in dem Sinne, daß ihr Wagner

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Anni. H 42

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Betroffensein vom Unfall im Verhältnis Ver — Vmer als Vsfall gilt. Verhaltennormen, auch solche im Sinne von Obliegenheiten (Anm. F 6), deren Verletzung für die Gefahrsperson selbst von Bedeutung ist, können ihr nicht auferlegt werden. In § 179 IV wird deshalb nur etwas Selbstverständliches ausgedrückt: Den Vmer trifft im Sinne der Belastung mit Obliegenheiten eine verschuldensunabhängige Gewährleistungspflicht für vertragsgerechtes Verhalten der Gefahrsperson. Wegen Einzelheiten der Begründung für diese Auslegung des § 179 IV und ihrer Auswirkung innerhalb einer Unfallfremdv für eigene Rechnung wird auf die Ausführungen oben Anm. F 8 verwiesen. [H 41] 4. Beendigung des Vertrages a) Allgemeines Die Gründe für die Beendigung eines Unfallvsvertrages sind oben Anm. D 19-25 dargestellt. Insoweit gilt für die Unfallfremdv für eigene Rechnung nichts Besonderes. Dort ist auch die Frage bejaht worden, ob der nicht durch Unfall herbeigeführte Tod des Vmers als Gefahrsperson im Sinne des § 68 II als Interessefortfall zu werten ist (vgl. auch § 7 II. (3) a AUB). Entsprechendes gilt für den Tod der Gefahrsperson bei der Unfallfremdv für eigene Rechnung. Auch hier ergibt sich die Lösung aus der fiktiven Annahme, daß Vmer und Gefahrsperson identisch seien. Dem Ver können insoweit aus der Rollenspaltung zwischen Vmer und Gefahrsperson keine Vorteile erwachsen. Wegen des Verhältnisses von § 7 II. (3) a AUB zu § 68 II vgl. Anm. D 24. [H 42] b) Fortfall von Gefahr oder Interesse Nach der hier Anm. H 23 gegen die h.M. vertretenen Auffassung setzt eine Unfallfremdv für eigene Rechnung voraus, daß der Vmer ein wirtschaftliches Interesse am Nichteintritt des Vsfalles hat. Fehlt es hieran, so ist eine Gefahrtragung in dem vom W G vorausgesetzten Sinne nicht möglich: Dem Vmer drohen aus dem von der Gefahrsperson erlittenen Unfall keine Nachteile, der Gefahrsperson selbst wird keine Gefahrtragungsleistung erbracht. Diese Feststellung spricht für eine Anwendung des § 68. Die Vorschrift regelt auch den Fall der V einer nicht (mehr) bestehenden Gefahr, Sieg Bd II § 68 Anm. 25, und ist insoweit auch auf die Summenv anwendbar (Sieg a.a.O. Anm. 15). Der Anwendung des § 68 ist der Vorzug zu geben vor der Annahme einer Nichtigkeit des Vsvertrages, weil hier das Fehlen oder der Fortfall spezifisch vsrechtlicher Voraussetzungen für die wirksame V einer auf den Vsvertrag zugeschnittenen Regelung unterworfen wird. Dem entspricht es, daß für den ähnlich liegenden Fall fehlender Zustimmung des Vten nach § 76 III die Anwendung des § 68 II anerkannt ist, Sieg Bd II § 68 Anm. 83 m.N. Dagegen würde die Annahme der Nichtigkeit wegen Vorliegens einer verbotenen Wettv (Verstoß gegen den ordre public, vgl. Sieg Bd II § 68 Anm. 44 m.N.) konstruktiv der Umdeutung in eine Unfallv für fremde Rechnung entgegenstehen (Sieg Bd II § 68 Anm. 44). Sie wäre auch unangemessen angesichts des Umstandes, daß die h. M. einen solchen Vertrag unter den in § 179 II genannten Voraussetzungen für wirksam hält. Deshalb ist auch für die differenzierende Lösung von Sieg Bd II § 68 Anm. 45 unter Anlehnung an die Regelung der §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 3 ADS kein Raum: Das Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses des Vmers am Nichteintritt des Vsfalles wird nach dem derzeitigen Meinungsstand nicht als diskriminierend (im dort gemeinten Sinne) gewertet. Deshalb verbleibt es hier bei der Regelung des § 68 I bei anfänglich fehlendem Interesse (in den hier erörterten Sinne): Der Ver hat Anspruch auf eine angemessene Geschäftsgebühr. Fällt dieses Interesse des Vmers später fort (Beispiel: Er ist der Gefahrsperson nach Adoption durch einen Dritten nicht mehr unterhalts-

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III. Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung

Anm. H 4 4

pflichtig oder einem Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr fürsorgepflichtig oder ist sonst der Versorgungszweck erkennbar fortgefallen), so bleibt der Vmer nach Maßgabe der Regelung des § 68 II zur Zahlung der Prämie verpflichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf Sieg Bd II § 68 Anm. 64 bis 69 und oben Anm. D 24 verwiesen. [H 43] c) Vorübergehender Interessemangel Fälle vorübergehenden Interessemangels sind in der Unfallfremdv für eigene Rechnung praktisch kaum von Bedeutung. Für die dort genannten Fälle ist in § 4 (5) AUB eine Sonderregelung getroffen, die auch für die Unfallfremdv für eigene Rechnung gilt, wenn die Gefahrsperson von den dort genannten Umständen - militärischer und ähnlicher Dienst - betroffen wird. Hierfür wird auf Anm. C 34 sowie auf Sieg Bd II § 68 Anm. 106 verwiesen.

[H 44] ΙΠ. Unfalliremdversicherung für fremde Rechnung 1. Allgemeines a) Vertrag zugunsten Dritter Die Unfallfremdv für fremde Rechnung ist ein zwischen Ver und Vmer abgeschlossener Vertrag, kraft dessen einem Dritten — am Vertragsschluß nicht Beteiligten — der Anspruch auf Gefahrtragung verschafft wird. Damit entspricht das Bild der Unfallfremdv für fremde Rechnung dem eines Vertrages zugunsten eines Dritten im Sinne der §§ 3 2 8 - 3 3 5 BGB. Dessen Vorschriften sind (direkt) anwendbar (Sieg Bd II § 74 Anm. 2 m.N.), soweit nicht das Gesetz oder die AVB eine spezielle, den Gegebenheiten des Vsrechts entsprechende Regelung enthalten und diese Besonderheiten nicht einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften verbieten. Soweit in der InsassenUnfallv der Name eines vten Dritten (Insassen) bei Vertragsschluß nicht feststeht, sondern nur bestimmbar ist (§§ 16, 17 AKB), handelt es sich um eine V für Rechnung wen es angeht im Sinne des § 80 II. Diese Vorschrift ist in die Verweisung des § 179 II 2 einzubeziehen. Das war für den Gesetzgeber von 1908 nicht erkennbar, weil er diese Form der Unfallv, die heute in der Rechtspraxis vorherrscht, noch nicht kannte, vgl. Anm. Β 59 m.N. Von den Vorschriften der §§ 328-335 BGB ist die in § 328 BGB enthaltene Auslegungsregel unanwendbar. Aus §§ 179 II 2, 75 I 1 folgt, daß der Anspruch gegen den Ver dem Vten sofort und unentziehbar zustehen soll. Das ergibt sich in den Fällen, in denen der Vte am Vertragsschluß nicht teilnimmt, ihm insbesondere nicht zustimmt, auch aus der Funktion des in § 179 III 1 genannten Einwilligungserfordernisses: Fehlt es, so kann der Vsvertrag nur als V für fremde Rechnung gültig sein, d. h. mit einem unentziehbaren Recht der Gefahrsperson auf die Vsleistung. Das entspricht dem rechtspolizeilichen Charakter der Regelung des § 179 II 2, III 1. Für die Regelung des § 329 BGB ist innerhalb der Unfallv für fremde Rechnung kein Raum. Es handelt sich um einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten. §§ 333, 334 BGB sind anwendbar. Beide Vorschriften bringen allgemeine Rechtsgedanken zum Ausdruck. § 333 BGB entspricht dem Grundsatz, daß sich niemand ein Recht aufdrängen zu lassen braucht. § 334 BGB macht deutlich, daß der Vte aus dem für seine Rechnung abgeschlossenen Vertrag Rechte nur insoweit erwerben und behalten kann, als dies der Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern und ihrem Vertragsverhalten entspricht. Die Vorschrift des § 335 BGB ist neben der besonderen Regelung der §§ 75 und 76 W G , die ihrerseits durch die AVB (§§ 16 AUB, 3 AKB) modifiziert wird, nicht Wagner

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H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

anwendbar. Für ein Recht des Vmers, vom Ver Leistung an den Vten zu verlangen, besteht kein anzuerkennendes Bedürfnis. Ergänzend ist auf Sieg Bd II § 74 Anm. 2 m.N. hinzuweisen, dessen Ausführungen hier durchgehend gefolgt wird. [H 45] b) Bedeutung der Verweisung auf §§ 7 4 - 7 9 aa) Allgemeines Die in § 179 II 2 enthaltene Verweisung auf die Vorschriften über die V für fremde Rechnung nimmt nicht hinreichend Rücksicht auf den Umstand, daß die V für fremde Rechnung typischerweise die Sachv betrifft, und zwar primär die Seev, deren Regelung vom HGB im wesentlichen ohne Änderung in das W G übernommen worden ist (vgl. Motive, Neudruck 1963, S. 147). Damit ist die Regelung der §§ 7 5 - 7 9 überwiegend durch Vorschriften bestimmt, die auf der Grundlage zweier Voraussetzungen zu verstehen sind, die für die Personenv nicht gelten sollen: Sie sind Teil der Vorschriften über die Schadensv und sollen damit zugleich eine Bereicherung und eine unerlaubte Wettv inhibieren (Sieg Bd II Vorbem. 16 vor § 74). Zugleich setzen sie ein vtes Interesse voraus, das Erfordernis der Leistungspflicht des Vers (§ 68 I) ist und durch seine Zuweisung der Entschädigungsforderung an den Interesseträger ebenfalls zugleich die Funktion hat, die Bereicherung eines nicht Geschädigten zu hindern und die Wettv von der V abzugrenzen (Bruck-Möller § 49 Anm. 36 und Sieg a.a.O.). Die Unfallv ist weder Schadensv (Anm. Β 10—Β 14) noch Interessev (Anm. Β 15—Β 17 und Anm. Η 23). Die Krankheitskostenv (§ 18 VI. AUB), für die, da sie Schadensv ist, etwas anderes gilt, war für die gesetzliche Regelung nicht motivierend, vgl. amtliche Begründung zu § 179, Motive Neudruck 1963 S. 242. Damit ist die gesetzliche Regelung der Unfallv für fremde Rechnung mit dem Einwand belastet, daß die Grundgedanken der Regelung wegen der Verweisung auf die Besonderheiten der Unfallv als Personenv keine Rücksicht nehmen, vgl. hierzu insbes. Thiel VersR 1955 S. 730—731. Die verfehlte Regelungsstruktur hat u.a. zur Folge, daß der Frage nach einem vten Interesse in der Personenv keine genügende Beachtung geschenkt wird und man sich mit dem Hinweis begnügt, daß es in der Unfallv nicht zu fordern sei. Deshalb und wegen der mißverständlichen Hinweise in der amtlichen Begründung herrscht für die Unfallfremdv für eigene Rechnung die Meinung vor, daß ein - wie auch immer zu definierendes — spezifisch vsrechtliches Interesse des Vmers am Vertragsschluß nicht zu fordern sei (Anm. Η 21—23). [Η 46] bb) Anwendbare Vorschriften Die in § 179 II 2 ausgesprochene Verweisung ist zu eng, soweit sie §§ 80 II und 35 b nicht einbezieht (Anm. Η 49). Sie ist zu weitgehend, soweit sie §§ 75 II, 76 betrifft. Diese Vorschriften sind für die Allgemeine Unfallv durch § 16 (1) S. 2 AUB dahingehend modifiziert, daß allein der Vmer die Rechte aus der Unfallv ausübt, also auch die Zahlung allein entgegenzunehmen hat. Das gleiche galt für die Insassen-Unfallv bis zum Ende des Jahres 1970 (§ 3 (2) AKB a.F.). Seitdem kann der Unfallver mit befreiender Wirkung an den Vmer nur mit Zustimmung des Vten leisten (§ 3 (2) S. 2 AKB). Diese Änderung der AKB geht auf Enge S. 8 0 - 8 2 zurück, vgl. hierzu auch Mitsdörffer S. 35. Diese Regelung steht der in § 76 III getroffenen nahe, modifiziert sie indes dadurch, daß die Auszahlung ohne Zustimmung des Vten nicht mehr in das Belieben des Vers gestellt ist, vgl. Sieg Bd II § 80 Anm. 34, auf den im übrigen für den hier erörterten Zusammenhang verwiesen wird. Neben der Vorschrift des § 75 I 1 bleiben §§ 77 und 79 für die Unfallv für fremde Rechnung bedeutsam.

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III. Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung

Anm. H 49

[H 47] cc) Bedeutung der Verweisung auf § 75 1 1 Der Schwerpunkt der Verweisung auf die V für fremde Rechnung liegt in der (zwingenden) Anwendbarkeit des § 75 11. Sie ist - bezogen auf die Unfallv - zu weit gefaßt: Vor dem Vsfall steht dem Vten nur der Anspruch auf Gefahrtragung zu, der in diesem Stadium des Vsverhältnisses keinen realen Vermögenswert hat und deshalb, unbeschadet des Ausschlusses der Abtretung nach §§ 16 (3) AUB, 3 (4) AKB, weder als Kreditsicherung noch als mobiler Vermögenswert von praktischer Bedeutung ist. Auch die aus dem Vertragsschluß erwachsenden Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte sind für den Vten ohne Bedeutung, da sie jedenfalls vom Vmer ausgeübt werden. Deshalb reduziert sich die praktische Bedeutung der Verweisung auf § 75 I 1 auf die Feststellung, daß dem Vten nach Eintritt des Vsfalles der Anspruch auf die Entschädigung zusteht. Dieser Anspruch ist bedroht durch die tatsächliche Möglichkeit vertragswidrigen Verhaltens des Vmers (Obliegenheitsverletzung), durch die ihm von der h.M. zugestandene rechtliche Möglichkeit, dem Ver den Anspruch zu erlassen (Anm. Β 70 und Sieg Bd II § 80 Anm. 35) und/oder Anrechnung dieses Anspruchs auf einen dem Vten gegen den Vmer zustehenden Haftpflichtanspruch zu verlangen (Anm. Β 71). Schranken für die rechtliche Wirksamkeit oder die Grundlage für Schadensersatzansprüche des Vten gegen den Vmer ergeben sich insoweit aus den der Unfallfremdv zugrundeliegenden Vertragsbeziehungen. [H 48] dd) Verweisung auf § 75 I 2 ist zwingend Die durch §§ 179 II, 75 I 1 ausgesprochene Zuweisung der Entschädigungsforderung an den Vten ist zwingend, soweit sich nicht aus den vorstehend genannten Einwirkungsmöglichkeiten des Vmers etwas anderes ergibt. Das folgt aus dem rechtspolizeilichen Charakter dieser Regelung: Eine Unfallfremdv, die wegen der besonderen Voraussetzungen (§ 179 III, vgl. auch Anm. Η 23) nicht für eigene Rechnung genommen wirksam ist, kann nur als Unfallv für fremde Rechnung gültig sein. Dieser aus der Verweisung zu schließende Grundsatz inhibiert eine dem Vsrecht widerstreitende Wettv und eine Gefährdung des Vten als Gefahrsperson, indem der Entschädigungsanspruch zwingend ihr selbst zugewiesen wird, vgl. Sieg Bd II Anm. 16 vor §§ 7 4 - 8 0 und Ruscher S. 7 4 - 7 8 m.N. Daraus folgt, daß der Vmer, der die Vsforderung in für den Ver befreiender Weise eingezogen hat, diese nicht behalten darf. Mangels vertraglicher Regelung hat er sie gemäß § 816 II BGB dem Vten auszukehren — unter Abzug der von ihm aufgewendeten Prämien, vgl. § 77 und Sieg Bd II § 77 Anm. 15. [H 49] 2. Vertragsschluß a) Allgemeines Hinsichtlich der Notwendigkeit kongruenter Willenserklärungen vom Vmer einerseits und Ver andererseits ist auf Anm. C zu verweisen. Für die Unfallfremdv für fremde Rechnung gelten insoweit keine Besonderheiten. Auch hier wird der vom Vmer gestellte Antrag auf Abschluß des Vsvertrages vom Ver durch Ubersendung des Vsscheines angenommen. Der in der Praxis vorherrschende Vertragstyp ist der der Insassen-Unfallv, der im Zusammenhang mit der Kfz-Haftpflichtv abgeschlossen und in den hierfür ausgestellten Vsschein aufgenommen wird. Die regelmäßig dem Vsschein beigefügten AVB (hier: AKB) enthalten also außer dem Unfallvsvertrag einen Haftpflichtvsvertrag. Für die Prämie, die für beide Ven getrennt ausgeworfen wird, ist dies dem Vmer leicht erkennbar. Nicht in gleicher Weise erkennbar ist der Umstand, 34

B r u c k - M ö l l e r , W G , 8. Aufl. VI, 1 (Wagner)

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Anm. H 51

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

daß die Insassen-Unfallv nebeneinander regelmäßig eine Eigenv des Vmers und zugleich eine Fremdv zugunsten der Insassen umfaßt. [H 50] b) Inhalt der Einigung Der Antrag des (späteren) Vmers muß in für den Ver erkennbarer Weise (§ 133 BGB) deutlich machen, daß eine Unfallfremdv für fremde Rechnung beantragt (§ 145 BGB) werden soll. Damit ist vorausgesetzt, daß der Antragsteller deutlich macht, er wolle einen Dritten als Gefahrsperson (Begriff: Anm. H 17) bezeichnen und diesem Dritten solle nach Eintritt des Vsfalles der Entschädigungsanspruch zustehen. Indes sind beide Erfordernisse nicht im wörtlichen Sinne für einen Vsvertrag für fremde Rechnung konstitutiv: Läßt der Antrag nicht hinreichend deutlich erkennen, daß eine Fremdv für fremde Rechnung gewollt ist, so wird dieser Erklärungsinhalt gemäß § 179 II 1 vermutet (Anm. H 30). Diese Vorschrift ergänzt § 133 BGB. Und die Gefahrsperson braucht bei Vertragsschluß nicht namentlich bezeichnet, nicht einmal individuell bestimmt zu werden. Es genügt, daß sie bestimmbar ist: So bei der InsassenUnfallv durch die Insassen-Eigenschaft entsprechend §§ 16, 17 AKB zur Zeit des Unfalles oder bei der Gruppen-Unfallv durch Zugehörigkeit zur vten Gruppe bei Verwirklichung der Unfallgefahr (Anm. H 67). [H 51] c) Bedeutung der Zweifelsregelung in § 179 II 1 für die Insassen-Unfallversicherung § 179 II 1 enthält eine Auslegungsregel (Anm. H 30 und Sieg Bd II Anm. 12 vor §§ 74—80), die primär die Frage regelt, wie der Antrag des (künftigen) Vmers zu verstehen ist, wenn sein Inhalt nicht eindeutig erkennen läßt, ob V für eigene oder für fremde Rechnung gewollt ist. Die Vorschrift steht in erster Linie der Annahme eines versteckten Dissenses entgegen. Diese Funktion erfüllt die Vorschrift indes nur bei Verträgen, in denen die Frage, ob Unfallfremdv für eigene oder fremde Rechnung beantragt werden soll, nicht in den Regelungsbereich des dem Vertrage zugrundeliegenden Bedingungswerkes fällt, d. h. im Sinne des § 1 II AGB-Gesetz Teil einer Individualvereinbarung ist. Verwendet der Antragsteller dagegen ein genormtes Antragsformular, in dem diese Frage nicht audrücklich, d. h. durch Aufnahme eines dem (künftigen) Vmer verständlichen Textes, sondern allenfalls durch die Gesamtregelung behandelt wird, dann ergibt sich der Inhalt des Antrags aus dem Gesamtcharakter des Bedingungswerkes. So liegt es bei der Kraftfahrtv. Hier wird im Antragsformular (abgedruckt bei StiefelWussow-Hofmann AKB 1 0 Anh. 3 S. 816—817) auf die AKB verwiesen, die damit für die Auslegung des Antrages bedeutsam werden. Hat der Antrag z. B. die — vorherrschende — Kraftfahrt-Unfallv nach dem Pauschalsystem zum Gegenstand, dann wird nach dessen Gesamtinhalt neben einer Eigenv (Anm. Β 54 m. Ν.) eine Unfallfremdv für fremde Rechnung angetragen. Diese Gestaltung ist so weitgehend üblich, daß der Ver oder der ihn vertretende Vsvertreter ohne Treueverstoß einen entsprechenden Erklärungsinhalt des Antragstellers zugrundelegen darf. Dann wird durch seine Annahme der Vertrag mit dem aus den AKB und den Angaben im Antragsvordruck (zu III: Dort ist Ankreuzen für die Art der Unfallv - „Pauschalsystem", „Platzsystem" usw. — vorgesehen) sich ergebenden Inhalt geschlossen. Der Vertragsinhalt wird durch Auslegung der AVB (hier: AKB) nach den dafür maßgeblichen Regeln ermittelt. Dabei ist für die Auslegung nach § 157 BGB regelmäßig kein Raum. Die Zweifelsregelung des § 179 II 1 behält indes auch für diese Vertragsgestaltung eine gewisse Bedeutung: Die in der Praxis vorherrschende Insassen-Unfallv nach dem Pauschalsystem (§ 16 (1) und (3) AKB) und die (seltene, vgl. Mitsdörfer S. 12) 530

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III. Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung

Anm. H 55

Insassen-Unfallv nach dem Platzsystem werden einhellig als (teilw.) Unfallven für fremde Rechnung behandelt. Als Begründung dafür wird (u. a.) angeführt, sie könne schon deshalb nicht als Unfallv für eigene Rechnung des Vmers gedeutet werden, weil es an der Einwilligung der Gefahrsperson (§ 179 III) fehle, der Vsvertrag also bei anderer Auslegung nichtig wäre. Damit wird die Vertragsgestaltung nicht dem Inhalt des Bedingungswerkes entnommen, das hierfür nahezu nichts hergibt, sondern aus der Erwägung gewonnen, welcher Vertragsinhalt die Annahme der Wirksamkeit gestattet. Das entspricht dem Grundgedanken (vgl. Motive Neudruck 1963 S. 242) der Zweifelsregelung, die als tatsächliche Vermutung für einen entsprechenden Willen des Vmers zu verstehen ist, wenn sie auch als Auslegungsregel formuliert worden ist. [H 52] d) Unfallfremdversicherung als Versicherung für Rechnung wen es angeht Sind Gefahrsperson bzw. Vter nur bestimmbar, so ist diese Gestaltung V für Rechnung wen es angeht im Sinne des § 80 II. Diese Aussage hat nur den Inhalt, daß der im Sinne des § 75 I 1 Vte nicht namentlich oder sonst in seiner Individualität bezeichnet zu werden braucht. Der Hinweis auf § 80 II betrifft dagegen nicht die dort genannten Rechtsfolgen. Diese ergeben sich aus § 179 II 2. Für eine Feststellung dahingehend, ob „fremdes Interesse versichert ist", ist bei der Unfallv kein Raum, da der Begriff hier im engeren, d. h. nur für die Schadensv bedeutsamen Sinne zu verstehen ist. [H 53] c) Willensmängel aa) Inhaltsirrtum Ergibt sich aus der Auslegung des Antrags nur wegen der Zweifelsregelung des § 179 II 1 der Abschluß einer Unfallfremdv für fremde Rechnung, während der Vmer eine V für eigene Rechnung gewollt hat, so kann er seine Erklärung wegen Inhaltsirrtums gemäß § 119 I BGB anfechten. Auch der Ver kann sich in einem solchen Irrtum befunden haben, wenn er einen Antrag angenommen hat, der kraft der genannten Zweifelsregelung anders auszulegen ist, als der Ver die Antragserklärung verstanden hat, vgl. hierzu Anm. H 31 m. Ν. [Η 54] bb) Täuschung Hierzu ist auf Sieg Bd II § 74 Anm. 30 und 31 zu verweisen: Hat der Vmer getäuscht, so kann der Ver gemäß § 123 I BGB anfechten, die Wirkungen (§ 142 BGB) treffen (auch) den Vten, ohne daß es auf dessen Kenntnis oder Verhalten ankommt. Der Vte kann nur das Recht erwerben (§ 75 I 1), das Vmer und Ver aufgrund mangelfreien Vertragsschlusses begründen (Rechtsgedanke des § 334 BGB). Hat der Vte getäuscht, so kann der Ver arg. § 123 II 2 BGB anfechten: Da ihm schon Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis einer Täuschung durch Dritte schadet, muß ihm erst recht eigene Täuschung schaden. Angefochten wird hier ihm gegenüber (§ 143 II BGB). Auf die Gutgläubigkeit des Vmers kommt es nicht an. Hat ein Außenstehender die Täuschung verübt, so ist § 123 II 2 BGB unmittelbar anwendbar: Die Erklärung des Vers ist dem Vten gegenüber anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen mußte. [H 55] 3. Besonderheiten des Versicherungsverhältnisses a) Allgemeines Das aus dem Abschluß einer Unfallfremdv für fremde Rechnung sich ergebende Vsverhältnis begründet — entsprechend der Struktur eines Vertrages zugunsten 34·

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Anm. H57

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Dritter, oben Anm. H 44 - ein Dreiecksverhältnis besonderer Art: Partner des Vers bei Abschluß des Vertrages ist der Vmer. Dieser bleibt grundsätzlich auch zuständig für den Empfang aller der Durchführung, Beendigung und Abwicklung dienenden Erklärungen des Vers und für die Abgabe der seinerseits zu diesem Zwecke erforderlichen Erklärungen. Der Unfallver legt Wert auf eine Vertragsgestaltung, die ihn weitgehend von den Nachteilen verschont, die sich aus der Rollenverteilung auf der Gegenseite — Vmer und Vter - ergeben können. Dieses Interesse des Vers ist schutzwürdig, weil die für die Unfallfremdv für fremde Rechnung typische Rollenspaltung dem besonderen Wunsch und Interesse seines Vertragspartners, des Vers, entspricht. Der Unfallver wahrt sein Interesse durch die in §§ 16 AUB, 3 AKB enthaltenen Bestimmungen, daß die Ausübung der Rechte aus dem Vsvertrag ausschließlich dem Vmer zustehe. Diese Regelung geht über die der §§ 75, 76 hinaus: Während das Gesetz die Ausübung der vertraglichen Rechte durch den Vmer grundsätzlich von der Innehabung des Vsscheines abhängig macht, behält sich der Unfallver durch die für ihn maßgeblichen AVB das Recht vor, den Vmer unabhängig hiervon ausschließlich als Vertragspartner zu behandeln. Wegen des Rechts des Vmers, über den gemäß § 75 I 1 (zwingend) dem Vten zustehenden Anspruch auf die Entschädigungsleistung durch Abtretung oder Verpfändung zu verfügen, dem Ver diesen Anspruch zu erlassen oder ihn zur Tilgung einer ihn, den Vmer, belastenden Verbindlichkeit zu verwenden, wird auf die Ausführungen in Anm. H 8, 9 und 13, sowie Anm. Β 57-72 verwiesen. [H 56] b) Prämienschuld Schuldner der Prämie als Gegenleistung für die Gefahrtragung ist kraft Vertragsschlusses der Vmer als Vertragspartner des Vers. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Vsvertrag nach einem Vsfall kraft Gesetzes oder durch Kündigung beendet wird (Einzelheiten nachstehend Anm. Η 59) und damit in ein Abwicklungsstadium gerät. Das Gesetz nimmt jedoch in zwei Vorschriften Rücksicht auf den Umstand, daß der Vte nach der vsrechtlichen Ausgestaltung des Vertrages in den Genuß der ihm gemäß § 75 I 1 zustehenden Entschädigungsleistung kommt, ohne seinerseits etwas geleistet zu haben. Es schützt den Ver in § 35b davor, dem Vten die Entschädigung ungekürzt auszahlen zu müssen, obwohl noch eine fällige Prämienforderang aussteht (Einzelheiten bei Bruck-Möller § 35 b Anm. 4—6). Dem Vmer wird durch § 77 ein Vorzugsrecht an der Entschädigungsforderang und zu dessen Durchsetzung ein Zurückbehaltungsrecht am Vsschein zur Sicherung etwa aus dem Valutaverhältnis gegenüber dem Vten bestehender Ansprüche gewährt (Einzelheiten bei Sieg Bd II § 77 Anm. 1, 11 — 18). Schon aus dem Umfang der Verweisung in § 179 II 2 ergibt sich, daß die Regelung des § 77 auch für die Unfallfremdv als Personenv gilt, obwohl in § 77 S. 1 von Ansprüchen des Vmers „in bezug auf die vte Sache" gesprochen wird, hierzu Sieg a.a.O. § 77 Anm. 2 und 5. [H 57] c) Obliegenheiten Bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung ist neben dem Vmer, welchen Obliegenheiten kraft Vertragsschlusses (§ 15 AUB) oder kraft Gesetzes (§§ 16-29a W G ) treffen, auch der Vte obliegenheitsbelastet. Das ergibt sich nicht aus der insoweit wenig aufschlußreichen und im Wortlaut für diesen Zusammenhang nicht von § 179 IV abweichenden Formulierung des § 79 I —III, sondern aus der Erwägung, daß der Vte durch eigenes Verhalten den Verlust des ihm nach § 75 I 1 (materiell) zustehenden Anspruchs bewirken kann, vgl. Sieg Bd II § 79 Anm. 5. Vmer und Vter stehen insoweit in einer Art Interessengemeinschaft. Beide müssen dafür Sorge tragen, daß durch Erfüllung der Obliegenheiten ein dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft 532

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IV. Bezugsrecht

Anm. H 60

entsprechendes Verhalten beobachtet wird. Der Ver macht durch die Bestimmung des § 16 (1) S. 1 AUB deutlich, daß sich bei der Unfallfremdv für fremde Rechnung die Rollenspaltung nicht zu seinem Nachteil auswirken soll: Der Vmer ist hiemach für die Erfüllung der Obliegenheiten auch dann verantwortlich, wenn die Unfallv als Fremdv genommen wird. Die sehr weitgehende Fassung des § 16(1)S. 1 AUB ist nicht wegen der fehlenden Differenzierung zwischen Fremdv für eigene und für fremde Rechnung zu beanstanden. Das ergibt sich schon daraus, daß auch die beiden maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften der §§ 179 IV einerseits und 79 andererseits im entscheidenden Punkt, nämlich der Verantwortlichkeit des Vmers für die Erfüllung der Obliegenheiten, übereinstimmend lauten. Auch sachlich besteht für die Zurechnung des Verhaltens der Gefahrsperson (des Vten) kein Unterschied: Der Vmer hat ohne Einschränkung für dessen Verhalten einzustehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen oben Anm. F 7 verwiesen. Wegen der Herbeiführung des Unfalles durch Vmer oder Vten vgl. oben Anm. G 221. [H 58] 4. Beendigung des Vertrages a) Allgemeines Die AUB enthalten keine besondere Regelung über die Beendigung einer Unfallfremdv für fremde Rechnung. Hiernach ist für die Beendigung durch Kündigung die Regelung des § 7 II. (1) und (2) AUB auch hier maßgeblich, vgl. oben Anm. D 3 4 - 4 4 . Nachträglicher Eintritt der Vsunfähigkeit soll nach § 5 (2) AUB die Beendigung des Vertrages kraft (vorweggenommener) Vereinbarung zur Folge haben. Diese Regelung kann nur mit den oben Anm. D 23 dargestellten Einschränkungen als wirksam anerkannt werden. [H 59] b) Fortfall von Gefahr oder Interesse Die innerhalb der Vorschriften über die Schadensv stehende Bestimmung des § 68 ist auch für die Unfallv anwendbar, vgl. oben Anm. D 24. Dabei ist, wie oben ausgeführt, im Anschluß an Sieg Bd II § 68 Anm. 14 und 15 davon auszugehen, daß die Regelung des § 68 die Fälle des (anfänglichen) Fehlens und des (nachträglichen) Fortfalls der Gefahr einschließen. Hiemach hat der nicht unfallbedingte Tod des Vten in der Unfallfremdv für fremde Rechnung die Beendigung des Vsvertrages zur Folge, wenn die Person nicht nach Sinn und Inhalt des Vertrages austauschbar ist. So führt der Fortfall eines Vten in der Gruppenv nur zu einer Inhaltsänderung des Vertrages, vgl. unten Anm. H 67.

[H 60] IV. Bezugsrecht 1. Bedeutung Die Bezeichnung eines Bezugsberechtigten ist in § 180 für zulässig erklärt, soweit als Leistung des Vers die Zahlung eines Kapitals vereinbart wird. Die zugleich ausgesprochene Verweisung auf §§ 166—168 macht die Vorschriften der Lebensv über Einsetzung, Widerruf und Auslegung einer Bezugsberechtigten auch für die Unfallv anwendbar. In der Praxis der Unfallv spielt die Einsetzung eines Bezugsberechtigten ersichtlich keine große Rolle, vgl. die Bemerkungen von Prölss-Martin21 § 182 Anm. 1, S. 1053 und Sieg, Festschrift für Klingmüller S. 462. Dafür spricht auch die geringe Zahl von Entscheidungen, die zur Bezugsberechtigung in der Unfallv ergangen sind. Sie betreffen überwiegend Probleme der Auslegung der Berechtigung für Fälle der Abonnentenv, bei denen die Bezugsberechtigung in den AVB geregelt wurde, KG Wagner

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Anni. H 61

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

3. XII. 1932 JRPV 1933 S. 138 und das bei Plumbohm JRPV 1937 S. 147 zitierte Urteil des OLG Naumburg. Soweit die Bestimmung eines Bezugsberechtigten für die Todesfallentschädigung in Betracht kommt, muß dem Vmer empfohlen werden, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung fällt die auf Grund einer Bezugsberechtigung vom Ver gezahlte Entschädigung nicht in den Nachlaß des Vmers, und zwar auch dann nicht, wenn einer der Erben oder die Erben bezugsberechtigt sind. Damit ist die gezahlte Entschädigung dem erbrechtlichen Zusammenhang entzogen, so daß sie in ihrem Werte z. B. nicht dem Nachlaß zum Zwecke der Pflichtteilsberechnung hinzuzurechnen ist und auch nicht dem Zugriff der Nachlaßgläubiger unterliegt. Die damit eröffnete Möglichkeit, die Bezugsberechtigung auch in der Unfallv zum Zwecke der Versorgung naher Angehöriger nutzbar zu machen, ist offensichtlich bisher nicht hinreichend bekannt geworden, vgl. Sieg, Festschrift für Klingmüller S. 4 4 7 - 4 6 4 für Lebens- und Unfallv. [H 61] 2. Entstehung Die Bezugsberechtigung entsteht auf Grund eines Vertrages zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB. Diesen Rechtscharakter hat der Vsvertrag kraft Gesetzes (§§ 180, 166 W G ) , wobei diese Regelung in die Form einer Auslegungsregel gekleidet ist (§ 166 I 1 W G ) . Die Parteien des Vsvertrages können hiernach im Einzelfall vereinbaren, daß der Vmer ein Bezugsrecht nicht entstehen lassen kann. Die für den Fall der Kapitalentschädigung vorgesehene Möglichkeit, durch Erklärung des Vmers die Bezugsberechtigung eines Dritten zu begründen, gibt dem Vmer ein kraft Vertragsschlusses begründetes Gestaltungsrecht, durch dessen Ausübung der Charakter des Vertrages als nur potentiellen Vertrages zugunsten Dritter der Regelung des § 328 BGB entsprechend verändert wird. Die Bezugsberechtigung des Dritten entsteht auf Grund einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärung des Vmers, die dem Ver gegenüber abzugeben ist. Es ist zweifelhaft, ob die Begünstigung durch Verfügung von Todes wegen erklärt werden kann, bejahend Heilmann VersR 1972 S. 998 m.N., a.A. RG 17.11. 1933 RGZ Bd 140 S. 30—34 (33—34), wonach auf den Zugang dieser Erklärung beim Ver nicht verzichtet werden kann. Dieser Auffassung ist der Vorzug zu geben, etwaige Diskretionsinteressen des Vmers wird der Ver wahren. Eine Einsetzung des Bezugsberechtigten ohne das Erfordernis des Zugangs dieser Erklärung beim Ver birgt die Gefahr erheblicher Unklarheit und Unsicherheit für die Bezugsberechtigung. Die Bezugsberechtigung des Benannten hat nur dann dessen sofortigen Rechtserwerb im Sinne des § 328 II BGB zur Folge, wenn der Vmer die Benennung nicht widerrufen kann. Zwar besagt die unwiderrufliche Benennung inhaltlich nicht notwendig etwas über den Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Dritten, BGH 17. II. 1966 B G H Z Bd 45 S. 162-168 (164). Diese Auslegung entspricht aber der durch tatsächliche Übung begründeten Verkehrsauffassung im Vsrecht, BGH a.a.O. S. 169. Für das Recht der Lebensv sieht § 13 II ALB n.F. (VA 1975 S. 434, vgl. auch PrölssMartin 21 § 13 ALB n. F. Anm. 1 S. 999) als Voraussetzung eines sofort und unwiderruflich zu erwerbenden Rechts des Dritten einen Antrag des Vmers vor, den der Ver schriftlich angenommen hat; zum Zweck dieser Regelung vgl. Prölss-Martin § 13 ALB n. F. Anm. 1, S. 999. Für die Unfallv gilt dieses Erfordernis nicht, die für sie maßgeblichen AVB enthalten überhaupt keine ausdrückliche Regelung zum Bezugsrecht. In § 166 I 1 wird die Widerruflichkeit der Begünstigungserklärung — in der Formulierung einer Auslegungsvorschrift - als Regel bezeichnet, die nach § 166 I 2 auch gelten soll, wenn der Dritte schon bei Vertragsschluß benannt worden ist. Hierfür bestimmt § 166 II, daß der Dritte das Recht auf die Leistung des Vers, sofern nichts 534

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V. Gruppenversicherung

Anm. H 63

Abweichendes bestimmt ist, (im Sinne des § 328 II BGB) erst mit Eintritt des Vsfalles erwirbt. Vor diesem Zeitpunkt hat der als bezugsberechtigt Bezeichnete nur eine Rechtsposition inne, die als „wesenlose Anwartschaft" (so Wussow AUB 4 § 16 Anm. 8 und 9, S. 259) bezeichnet werden kann, der Sache nach aber die Situation eines künftig Berechtigten darstellt, für den die Fragen nach Ob und Wann des Rechtserwerbs zweifelhaft sind. [H 62] 3. Beendigung Die Bezugsberechtigung wird, soweit zulässig (vorstehend Anm. H 61), durch Widerruf des Vmers beendet, der in gleicher Weise wie die Benennung des Dritten durch Erklärung gegenüber dem Ver erfolgt. Diese Erklärung kann auch von einem Gläubiger des Vmers wirksam abgegeben werden, der dessen Entschädigungsanspruch wirksam gepfändet hat, vgl. oben Anm. H 15. Durch Erklärung des Bezugsberechtigten selbst wird das durch die Bezeichnung — als künftiges oder sofort entstandenes Recht vgl. vorstehend Anm. H 61 — entstandene Recht hinfällig, wenn der Bezeichnete seine Begünstigung gemäß § 333 BGB zurückweist. Ergänzend ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, daß die Erklärung des Vmers, kraft derer die Bezugsberechtigung entstehen soll, gemäß § 138 BGB nichtig ist. Solche Fälle waren früher bedeutsam, wenn der Vmer zum Nachteil seiner Familie oder seiner Ehefrau eine andere Frau als Bezugsberechtigte benannte, vgl. BGH 10.1. 1957 VersR 1957 S. 9 0 - 9 2 und die bei Wussow AUB 4 § 16 Anm. 20, S. 270-272 zitierte Rechtsprechung, die angesichts der seit dem 1. VII. 1977 maßgeblichen Rechtslage, wonach eine Ehe (allein) auf Grund objektiver Zerrüttung geschieden werden kann, hinsichtlich der ihr zugrundeliegenden Wertung grundsätzlicher Überprüfung bedarf. Die hiermit zusammenhängenden Fragen sind nicht Gegenstand einer auf das Recht der privaten Unfallv bezogenen Darstellung. Die Bezeichnung eines Ehegatten als bezugsberechtigt ist nicht entsprechend § 2077 BGB auflösend bedingt durch die Scheidung der Ehe zwischen Vmer und Bezugsberechtigtem. BGH 17. IX. 1975 VersR 1975 S. 1020 = NJW 1976 S. 2 9 0 291 schließt dieses Ergebnis nicht aus dem Fehlen eines inneren Zusammenhanges zwischen Ehe und Bezugsberechtigung, sondern gewinnt dieses Ergebnis aus der Auslegung der Erklärung des Vmers. Dieser habe sich regelmäßig bei der Erklärung über die Bezugsberechtigung keine Gedanken über den Fortbestand der Ehe gemacht. Wird der Anspruch aus der Bezugsberechtigung dem Dritten schenkweise zugewendet, so wird der Mangel der Form des regelmäßig formlos geschlossenen Schenkungsvertrages (§ 518 I BGB) nur durch den endgültigen (unentziehbaren) Erwerb des Rechts durch den Dritten geheilt. Das setzt voraus, daß die Bezugsberechtigung unwiderruflich erklärt oder durch Eintritt des Vsfalles unwiderruflich geworden ist, BGH 25. IV. 1975 NJW 1975 S. 1360-1361 (entschieden für Lebensv unter Berücksichtigung des § 13 II ALB n.F.). [H 63] V. Gruppenversicherung 1. Bedeutung und Vorkommen Soll eine Mehrheit von Personen, die unter jeweils gleichen tatsächlichen Voraussetzungen dem gleichen Risiko ausgesetzt sind, gegen Unfall vert werden, so empfiehlt es sich, eine entsprechende Unfallv in einem Vertrage zusammenzufassen. Der Unfallver spart in erheblichem Maße Verwaltungsaufwand: Er braucht nur einen Vertrag abzuschließen, Neuzugang und Ausscheiden einzelner Vter erfordern nicht jeweils den weiteren Abschluß oder die Beendigung eines Einzelvertrages, sondern vollziehen sich vereinfacht als Änderungen des bestehenden Vertrages, Vertragspartner und damit Wagner

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Anm. H 64

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Prämienschuldner und Adressat aller im Zusammenhang mit dem Vertrag notwendigen Erklärungen ist nicht eine Vielzahl von Vten, sondern ein Vmer. Solche Ven mehrerer Personen durch einen Unfallvsvertrag kommen in der Praxis in verschiedenartigen Zusammenhängen vor: Die V mehrerer Personen gegen eine ihnen in gleicher Weise drohende Unfallgefahr liegt z.B. der regulären InsassenUnfallv zugrunde (§ 16 (1) AKB). Hier besteht die Besonderheit, daß die vten Personen regelmäßig nicht bestimmt, sondern nur bestimmbar sind, ihre Individualität wird nur bedeutsam, wenn sie unter den Voraussetzungen der §§ 16 (1) S. 2, 17 (1) AKB einen Unfall erleiden. Gemeinsam ist den vten Personen hier, daß sie in gleicher Weise gegen die Gefahr vert werden, die sich aus der gemeinsamen Benutzung eines Kraftfahrzeuges ergibt. Ein demgegenüber zusätzliches Element der Gemeinsamkeit mehrerer Vter besteht bei den als Berufsfahrer vten Personen (§ 16 (2) AKB), wobei sich die für eine Gruppenv typische Rechtsgestaltung (nachstehend Anm. H 64—65) insbesondere bei der V „sämtlicher beim Vmer angestellten Kraftfahrer oder Beifahrer" (§ 16 (2) c AKB) zeigt. Als typische Beispiele einer Gruppen-Unfallv werden indes nicht die vorstehend genannten Fälle der Kraftfahrt-Unfallv, sondern solche Unfallvsverträge genannt, bei denen das Unfallrisiko für eine Vielzahl vter Personen am Arbeitsplatz - genauer: innerhalb desselben Betriebes - , als Teilnehmer einer besonderen Veranstaltung (Vereinsversammlung, Zuschauer bei sportlicher Veranstaltung) oder als Benutzer einer Anstalt (Schule, Kindergarten) in etwa gleicher Weise für jeden Arbeitnehmer oder Teilnehmer besteht. Die Bedeutung der Gruppen-Unfallv ist für die Privatv deutlich eingeschränkt worden durch die Einbeziehung von Schülern, Studenten und Kindern in Kindergärten in die soziale Unfallv durch durch Gesetz vom 18. III. 1971 (BGBl. I S. 237). Indessen kann nicht gesagt werden, daß die Bedeutung der privaten Unfallv (hier: als Gruppenv) jeweils dort endet, wo Vsschutz nach der sozialen Unfallv gewährt wird. Eine zusätzliche Sicherstellung der Kinder und Arbeitnehmer ist erwünscht und vielfach üblich, wobei die weitergehenden Möglichkeiten der Drittbegünstigung (Bezugsrecht) in der privaten Unfallv einen weiteren Anreiz bewirken.

[H 64] 2. Abgrenzung Der in der Praxis entwickelte Begriff der Gruppenv bedarf der Abgrenzung von ähnlichen Erscheinungen. Zwar kann man die Begriffsverwendung als formales Problem betrachten, soweit es sich nicht um Merkmale eines gesetzlichen Tatbestandes handelt oder ein Begriff der Rechtssprache einen fest umrissenen Inhalt hat. Denn die rechtliche Bedeutung eines nicht ausschließlich in einem bestimmten Sinnzusammenhang verwendeten Begriffes muß stets im Einzelfall aus Sinn und Inhalt des für die Verwendung maßgeblichen Gesamtzusammenhanges ermittelt werden. Indes bedarf der vielfach verwendete Begriff der Gruppenv, der nicht im Gesetz, sondern in AVB und in Anordnungen der Aufsichtsbehörde verwendet wird, schon deshalb der Präzisierung, weil er üblicherweise für mehrere Arten von Vertragsgestaltungen verwendet wird, deren rechtliche Einordnung jeweils erhebliche Unterschiede aufweist. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an der von Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung S. 5—15 herausgearbeiteten und dort abschließend begründeten Definition und Abgrenzung der Gruppenv. Kein Gruppenvsvertrag in dem hier dargestellten Sinn liegt vor, wenn jeder einzelne Vte zugleich Vertragspartner des Unfallvers, d.h. selbst Vmer ist. Diese rechtliche Struktur einer nur scheinbaren Gruppenv wird in der Praxis u. U. dadurch verdeckt, daß nicht der Vte (und Vmer) selbst mit dem Ver - im tatsächlichen Sinne — in Kontakt tritt, sondern die für Abschluß, Durchführung und Beendigung not-

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V. Gnippenversicherung

Anni. H 65

wendigen Handlungen von der sog. Gruppenspitze vorgenommen werden. Gruppenspitze ist derjenige, der bezüglich der Vsnahme an der Spitze der Gruppe steht, z. B. Arbeitgeber, Schule, Veranstalter, Millauer S. 13. In dem hier erörterten Zusammenhang, in dem die Gruppenspitze nicht im Rahmen eines Vsvertrages Partner des Vers ist, kann sie diesem gegenüber Vertreter (Bevollmächtigter) jedes einzelnen Vmers sein und in dieser Eigenschaft notwendige Erklärungen des Vmers jeweils in dessen Namen gegenüber dem Ver abgeben. Bezogen auf das Dreierverhältnis Ver — Gruppenspitze — Vmer kann hier von einer unechten Gruppenv gesprochen werden (Millauer S. 14), die nicht nur (so Millauer a.a.O.) in der Lebensv, sondern auch in der Unfallv von praktischer Bedeutung ist. Im Verhältnis von Gruppenspitze zum Ver besteht vielfach ein sog. Rahmenvertrag (Millauer S. 15), der Rahmenbestimmungen und Richtlinien für den künftigen Abschluß der mit den Gruppenmitgliedern zu schließenden Vsverträge enthält. Soweit er die Gruppenspitze — gegenüber dem Ver — zum Inkasso der Prämien und zu sonstigen Verwaltungstätigkeiten für den Ver verpflichtet, spricht man von einem Vertrag über Sammelinkasso (Millauer S. 15) oder - allgemeiner — von einem Sammelvertrag. Dieser Sammelvertrag ist kein Vsvertrag, er dient aber der Vorbereitung und Durchführung von Vsverträgen zwischen dem Ver und den Gruppenmitgliedern. Der in früherem Sprachgebrauch verwendete Ausdruck K o l l e k t i v v Schloß echte (nachstehend Anm. H 65) und unechte Gruppenvsverträge ein, vgl. Millauer S. 14. [H 65] 3. Arten der Gruppen-Unfallversicherung Nachdem die sog. unechte Gruppenv aus der Darstellung ausgeklammert worden ist (vorstehend Anm. H 64), sind nach der rechtlichen Ausgestaltung (§ 179 I—III) Gruppenvsverträge für eigene oder für fremde Rechnung (§ 179 II) zu unterscheiden. Vmer innerhalb eines echten Gruppenvsvertrages ist die Gruppenspitze als (eine) Rechtsperson, die Gruppenmitglieder sind Gefahrspersonen (Begriff: Anm. H 17), bei der Fremdv für fremde Rechnung sind sie Vte im Sinne der §§ 179 II, 75 I 2. Die Wahl zwischen den beiden Rechtsgestaltungen ergibt sich — soweit sie nicht durch aufsichtsrechtliche Anordnungen eingeschränkt ist, vgl. unten Anm. H 69 — aus dem Zweck des Vertrages unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, insbesondere steuerrechtlicher Auswirkungen. Das wird für Gruppenvsverträge in arbeitsrechtlichem Zusammenhang besonders deutlich: Der Arbeitgeber nimmt eine (Gruppen-)Unfallfremdv für eigene Rechnung, wenn er aus eigener arbeitsvertraglicher Verpflichtung dem Arbeitnehmer Versorgung im Krankheits- oder (seinen Hinterbliebenen) im Todesfall schuldet und sich für den Fall unfallbedingter Krankheit oder Tod als Unfallfolge eine Rückdeckung verschaffen will. Dann fließt ihm aus eigenem Recht die Entschädigungsleistung des Vers zu, wenn der Arbeitnehmer einen Unfall mit entsprechenden Folgen erleidet, Einzelheiten oben Anm. H 38—40. Der Arbeitgeber, der eine Versorgungszusage zu finanzieren hat, wird hier insbesondere nach steuerlichen Erwägungen zwischen eigenen betrieblichen Rücklagen für spätere Versorgungsfälle einerseits oder sofortiger (laufender) Aufwendung der Prämienleistung für eine Rückdeckungsv andererseits wählen, vgl. Storck, DB 1961 Beil. 9 S. 14-16 und Opitz BB 1957 Beil. zu H. 10. Eine solche Rückdeckungsv als Unfallfremdv für eigene Rechnung setzt nach § 179 III (zwingend) voraus, daß das Gruppenmitglied als Gefahrsperson einwilligt, vgl. oben Anm. H 3 2 - 3 7 und nachstehend Anm. H 66. Im Zusammenhang mit dem Neuzugang von Gruppenmitgliedern unterscheidet man — insbesondere in der Gruppenv von Arbeitnehmern — Gruppenv mit rechtsbekundender (deklaratorischer) von rechtsbegründender (konstitutiver) Anmeldung vgl. Millauer S. 19-25 und nachstehend Anm. H 66. Wagner

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Anm. H 67

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Die oben Anm. A 6 abgedruckten Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallv enthalten in § 1 Bestimmungen über die Gruppenv mit nur deklaratorischer Wirkung der Anmeldung, diese ist im Regelfall nicht einmal erforderlich. In § 2 wird die Gruppenv mit konstitutiver Anmeldung besonders geregelt: Der Vsschutz beginnt mit der Absendung der Anmeldung. [H 66] 4. Abschluß des Vertrages Für den Abschluß des Gruppen-Unfallvsvertrages gilt nichts Besonderes. Auf die Ausführungen oben zu Anm. C ist durchgehend zu verweisen. Parteien des Vertrages sind der als Gruppenspitze bezeichnete (oben Anm. H 64 und Millauer S. 13) Vmer und der Ver. Der Vsschein wird dem Vmer ausgehändigt. Wird die Gruppen-Unfallv als Fremdv für fremde Rechnung genommen, so wird dem Vten, der gemäß § 75 I 1 ein eigenes Recht innehat, vielfach ein sog. Vsausweis (oben Anm. C 39) ausgehändigt. Wird die Gruppen-Unfallv als Fremdv für eigene Rechnung des Vmers (Arbeitgeber, Verein) genommen, so bedarf es gemäß § 179 III 1 der Einwilligung der Gefahrsperson. Insoweit ist auf die Ausführungen oben Anm. H 32—36 zu verweisen. Einwilligung ist nach der Ausdrucksweise des BGB (§ 183 S. 1) die vor Vertragsschluß erteilte Zustimmung der Gefahrsperson. Hiernach wäre ein ohne eine solche Einwilligung geschlossener Vertrag als Vertrag über eine Fremdv für eigene Rechnung grundsätzlich nichtig, wegen einer möglichen Umdeutung in eine V für fremde Rechnung vgl. oben Anm. H 37 und nachstehend. Eine solche Rechtsfolge fehlender Einwilligung wäre bei der Gruppen-Unfallv nicht angemessen. Das konkrete Schutzbedürfnis der Gefahrsperson wiegt bei der Gruppenv schon deshalb weniger schwer, weil regelmäßig der wirtschaftliche Zweck und Anlaß für den Abschluß eines solchen Vsvertrages den Anreiz für den Vmer, den Eintritt des Vsfalles zum Nachteil der Gefahrsperson zu beeinflussen, ausschließt. Der Vmer hat hier - im Gegensatz zu den oben Anm. H 18—26 genannten Beispielsfällen - regelmäßig ein handgreifliches Interesse am Nichteintritt des Vsfalles. Die Struktur des Gruppenvsvertrages führt überdies zu der Folgerung, daß bei endgültigem Fehlen der nach § 179 III 1 erforderlichen Einwilligung der Vertrag nur insoweit nichtig ist, als er die einzelne Gefahrsperson betrifft, die für sich die Einwilligung nicht oder nicht wirksam erklärt hat. Daß der Gruppenvsvertrag im übrigen als wirksame Unfallfremdv für eigene Rechnung bestehen bleibt, ergibt sich aus §§ 139, 140 BGB, Millauer S. 79-80. Berücksichtigt man schließlich, daß die spätere Benennung z. B. eines neu angestellten Arbeitnehmers oder eines in den Verein (Vmer) eingetretenen Mitgliedes als Gefahrsperson, dem Zweck des Gruppenvsvertrages entsprechend, unter vereinfachten Voraussetzungen zugelassen wird und daß der schon vorher bestehende Vertrag als Unfallfremdv für eigene Rechnung „als solcher" wirksam war, so muß es als zulässig angesehen werden, die rechtspolizeilich motivierte Forderung nach vorher erteilter Zustimmung zurücktreten und für die Gruppenv nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) genügen zu lassen, im gleichen Sinne für die Lebensv schon die Aufsichtsbehörde in VA 1928 S. 166, wie hier Millauer S. 78 m.N. Das gilt dann gleichermaßen für diejenigen Gefahrspersonen, die den Anfangsbestand ausmachen wie für die später hinzugekommenen. [H 67] 5. Beginn und Ende der Gefahrtragung Für den materiellen Vsbeginn (Begriff: Anm. D 2) in der Gruppen-Unfallv gelten keine Besonderheiten. Die als Zusatzbedingungen zu den AUB zu verstehenden AVB für die Gruppen-Unfallv (oben Anm. A 6) enthalten hierfür keine eigene Regelung, 538

Wagner

V. Gruppenversicherung

Anm. H 68

so daß auch insoweit die Regelung des § 7 I. AUB (erweiterte Einlösungsklausel, vgl. Anm. D 9 - 1 2 ) gilt. Eine Besonderheit folgt jedoch aus dem besonderen Inhalt des Gruppenvertrages in denjenigen Fällen, in denen die Vten bzw. die Gefahrspersonen nicht namentlich bezeichnet, sondern nur kraft Zugehörigkeit zur Gruppe vert sind. Die Gruppenzugehörigkeit muß in ihren einzelnen Voraussetzungen so deutlich im Vertrag beschrieben sein, daß Gefahrsperson oder Vter, wenn er vom Unfall betroffen wird, hinreichend individualisiert ist. So kann z.B. die Eigenschaft als Vter bei Gruppen-Unfallv zugunsten der Besucher einer Veranstaltung an die Innehabung einer gültigen Eintrittskarte gebunden sein. Allgemein heißt es hierzu in § 1 (1) der Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallv: „Die zu versichernden Personen sind so zu bezeichnen, daß bei Eintritt des Vsfalles ein Zweifel über die Zugehörigkeit zu dem vten Personenkreis nicht entstehen kann". Für namentlich bezeichnete Vte bestimmt § 2 ( 1 ) der genannten AVB, daß aus der V ausscheidende Personen ab- und an deren Stelle tretende anzumelden sind. Diese gelten von der Absendung der Anmeldung an als vert. - Die Anmeldung ist hiernach eine rechtsgestaltende Willenserklärung des Vmers, der kraft Vereinbarung mit dem Ver befugt ist, den Vertrag einseitig inhaltlich zu verändern. Mit diesem Gestaltungsrecht des Vmers korrespondiert das Recht des Vers, die V neu angemeldeter Personen abzulehnen. Erklärt sich der Ver in dieser Weise, so scheidet der Angemeldete (Vte) einen Monat nach dem Tage der Ablehnung - d. h. ex nunc — wieder aus der Gruppe aus, § 2 (4) der Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallv. Die in §§ 1 und 2 der Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallv getroffenen Regelungen schöpfen die Möglichkeiten der Einbeziehung weiterer Personen in die Gruppe und des Ausscheidens aus der Gruppe nicht aus. Es kann vereinbart werden, daß der Ver die Anmeldung eines Neuzuganges annehmen muß in dem Sinne, daß er hierzu sein Einverständnis erklären muß. Der materielle Vsbeginn kann in solchen Fällen auf den Zeitpunkt der Absendung oder des Zuganges der Anmeldung, aber auch auf den der Annahmeerklärung bezogen werden. Insoweit herrscht Vertragsfreiheit. Wegen der Einzelheiten, die für die Gruppen-Unfallv nur insoweit bedeutsam sind, als dies in den Zusatzbedingungen geregelt ist, wird ergänzend auf Millauer S. 19—25 hingewiesen. Das Ausscheiden eines Gruppenmitgliedes aus dem Gruppenzusammenhang oder die Aufnahme einer Beschäftigung, für die vereinbarungsgemäß kein Vsschutz gewährt wird, beendet die Eigenschaft dieses Gruppenmitgliedes als vte Person, § 4 (2) a) und b) der Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallv. Einen „atypischen" Sachverhalt in diesem Zusammenhang entscheidet KG 7. XI. 1931 VA 1932 S. 3 0 - 3 3 Nr. 2389: Eine „Kollektivv" war nur zugunsten eines Vten genommen worden, KG a.a.O. entscheidet, daß der Vsschutz mit Ausscheiden des Vten aus dem Dienstverhältnis endet. Der ganze Gruppenvertrag endet, wenn der Betrieb oder die Vereinigung, von der das Gruppenrisiko ausging, aufgelöst wird, § 4 (1) der Zusatzbedingungen für die Gruppen-Unfallv. Es handelt sich hier um einen Fall des Gefahrenfortfalls, der im Sinne des § 68 II einem Interessefortfall gleichzustellen ist, vgl. oben Anm. D 24. [H 68] 6. Begünstigungsverträge Die Aufsichtsbehörde kann nach § 81 II 1 VAG Anordnungen treffen, die geeignet sind, u. a. Mißstände zu beseitigen, welche die Belange der Vten gefährden oder den Geschäftsbetrieb mit den guten Sitten in Widerspruch bringen. Der mögliche Inhalt von Verbotsanordnungen wird in § 81 II 2 und 3 VAG beispielhaft aufgezählt. Danach kann die Aufsichtsbehörde allgemein oder für einzelne Vszweige den Vem und Wagner

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Amn. H 6 8

H. Einbeziehung Dritter in den Unfallversicherungsvertrag

Vermittlern von Vsverträgen untersagen, dem Vmer Sondervergütungen zu gewähren oder Begünstigungsverträge abzuschließen oder zu verlängern. Von dieser Befugnis hat das Reichsaufisichtsamt im Jahre 1934 (VA 1934 S. 9 9 101) Gebrauch gemacht und Sondervergütungen ausnahmslos, Begünstigungsverträge aber nur insoweit untersagt, als sie nicht selbst Ausnahmen zuläßt, vgl. Bruck-Möller § 1 Anm. 86, zu den Erscheinungsformen möglicher Begünstigungsverträge BruckMöller § 1 Anm. 87. Hiernach kommen u. a. Gruppenvsverträge als Begünstigungsverträge in Betracht, etwa wegen Prämiennachlasses oder wegen gegenüber dem Einzelvertrag günstigerer Ausgestaltung des Vsschutzes. Hiernach kann nicht zweifelhaft sein, daß ein Gruppenvsvertrag nicht bereits kraft seiner Eigenart, d. h. ohne Rücksicht auf Gestaltung von Gefahrtragung einerseits und Prämienhöhe andererseits als Begünstigungsvertrag bezeichnet werden kann (BruckMöller § 1 Anm. 87). Diesen Eindruck erweckt indessen das Rundschreiben des Reichsaufsichtsamts vom 11. März 1934 (VA 1934 S. 103—104), wenn es unter I. das Verbot von Sondervergütungen und unter II. das Verbot von Begünstigungsverträgen inhaltlich beschreibt, unter III. eingangs den Begriff von Gruppenverträgen definiert und anschließend bestimmt, daß sie nicht als Begünstigungsverträge angesehen würden, wenn sie mit dem zu 1.—4. näher bezeichneten Inhalt geschlossen werden. Hiernach sind in der Unfallv Gruppenvsverträge zulässig, wenn sie 1. zur Deckung einer vorübergehenden Gefahr (Sportveranstaltung, Ausstellung oder dergl.) 2. mit dem einzelnen Arbeitgeber als alleinigen Vmer und alleinigem Prämienschuldner b) gegen Unfälle; 3. mit dem einzelnen Verein zugunsten seiner Mitglieder gegen die aus der Vereinszugehörigkeit oder aus einer Betätigung für den Verein erwachsenden Unfallgefahren; 4. mit Einzelpersonen, Firmen, Behörden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften zugunsten einer Mehrheit von Personen gegen diejenigen Unfallgefahren, die diesen Personen aus der Benutzung der vom Vmer getroffenen Einrichtungen oder aus einer Betätigung in ihnen erwachsen." Dem ist hinzuzufügen, daß die Tarife von Unfallvern Prämiennachlässe nach der Anzahl der Gruppenmitglieder gestaffelt vorsehen. Diese Vergünstigung wird von dem vorstehend dargestellten Begünstigungsverbot nicht erfaßt, vgl. Grewing Unfallversicherung S. 101. Es ist zweifelhaft, ob die in § 81 II VAG der Aufsichtsbehörde eingeräumte Untersagungsbefugnis zum Erlaß einer Rechtsverordnung oder einer Allgemeinverfügung ermächtigt, vgl. Bruck-Möller § 1 Anm. 86 und Millauer S. 124-125, die die Bekanntmachungen (hier: vom 8. III. 1934, veröffentlicht (auch) in Nr. 58 des Deutschen Reichsanzeigers) für Rechtsverordnungen halten. Etwas anderes könnte dagegen für die in Form von „Rundschreiben" der Aufsichtsbehörde erlassenen Ausnahmen gelten. Inhaltlich sind sie Recht im materiellen Sinne, d. h. eine Regelung einer unbestimmten Anzahl künftiger Fälle. Regelnde Außenwirkung kommt ihnen indes mangels — für Rechtsverordnung erforderlicher — ordnungsgemäßer Veröffentlichung nicht zu. Für diesen Zusammenhang ist auf die überzeugenden Ausführungen von Millauer S. 125—128 zu verweisen. Die als Rechtsverordnung wirksamen Bekanntmachungen des Verbots von Begünstigungsverträgen sind keine Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB. Dagegen verstoßende Vsverträge sind zivilrechtlich ohne Einschränkung wirksam, hierzu Millauer S. 1 2 9 - 1 3 1 m.N.

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Wagner

Sachregister A Ablehnung Leistung durch Versicherer G 292 Abonnentenversicherung Β 40 abschließende Regelung von Obliegenheitsverletzungen in AVB F 14 AbschluB des Vertrags Abschlußfreiheit C 3 ärztliche Untersuchung C 7 Agent als Erfüllungsgehilfe des Versicherers C 22 . Allgemeine Geschäftsbedingungen, Hinweis auf Bestehen C 12 anfängliche Unmöglichkeit C 3 Anfechtung durch Versicherer C 7 Annahme, verspätete durch Versicherer C 17 Annahmeerklärung, Form und Inhalt C 18 Annahmefrist C 16 Annahmewirkung C 19 Antragsannahme C 15 Antragsbearbeitung durch Versicherer C 21

Antragsform C 10 Antragsinhalt C 11 Antragsteller C 4 Antragstellung durch Vertreter C 8 Antragszugang C 14 arglistige Täuschung C 7 Arteriosklerose und Versicherungsfähigkeit C 7 Aufklärungspflicht des Versicherers C 22 Beratungspflicht des Versicherers C 22 beschränkt Geschäftsfähige C 5 Beweislast für tatsächliche Voraussetzungen C 19 Bezugnahme auf AVB C 12 Botenschaft C 8 culpa in contrahendo C 19 Dauer, vereinbarte D 19 Deckungszusage, vorläufige C 24 Dritter als Gefahrsperson C 4 (durch einen) Automaten C 9 Ehegatten C 6 Eltern als gesetzliche Vertreter C 5 Epileptiker und Versicherungsfähigkeit C 7 Form des Vertragsantrags C 10 Frist für Vertragsannahme C 16

Gefahrsperson nur natürliche Person C 4 Gefahrumstand, arglistiges Verschweigen C 7 Gefahrumstand, schuldhaft nicht angezeigter C 7 Gefahrumstand, unrichtige Angabe C 7 Genehmigung des Vormundschaftsgerichts C 5 Geschäftsfähigkeit C 5 gesetzlicher Vertreter, Abschluß durch C 5 Gesundheitszustand des Antragstellers C 7 Gruppen-Unfallversicherung H 66 Güterstand und Haftung für Prämienverbindlichkeit C 6 Krampfanfälle und Versicherungsfähigkeit C 7 Minderjähriger als Vertragspartner C 5 mündliche Erklärungen des Antragstellers C 13 Nervenleiden und Versicherungsfähigkeit C 7 Nichtigkeit C 3 Obliegenheiten vor F 15 ff Personenmehrheit als Versicherungsnehmer C 4 Pflicht zum Abschluß C 3 Rückdatierung D 8 Schlüsselgewalt C 6 Schwindelanfälle und Versicherungsfähigkeit C 7 Stellvertretung C 8 Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 27 ff Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung H 49 ff Unmöglichkeit, anfängliche C 3 Verbotsgesetz, Verstoß gegen C 3 Verschulden bei Vertragsabschluß C 19 Versicherungsfähigkeit C 7 Versicherungsschein, Bedeutung der Aushändigung C 41 verspätete Vertragsannahme durch Versicherer C 17 Vertreter, Antragstellung C 8 Vertretung, gemeinsame durch Eltern C 5 volljährig gewordener Versicherungsnehmer C 5 vorläufige Deckungszusage C 24 Vormundschaftsgericht, Genehmigung C 5

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Abs

Sachregister

AbschluB des Vertrages (Fortsetzung) Zeit, vereinbarte D 19 Zugang des Antrags C 14 absolute Verkehrsuntiichtigkeit G 202 Abstellen (eines) Kfz G 273 Abstrahierung (bei der) Schadensermittlung Β 12 abstrakte Bedarfsdeckung Betrieb der Unfallversicherung nach dem Prinzip Β 9 konkrete Bedarfsdeckung, Abgrenzung Β 12

Vertragsbestimmung Β 11 Abtretung Anspruch des Versicherungsnehmers, einander widersprechende Η 12 Anspruch des Versicherungsnehmers 8 ff Abweichungen im Versicherungsschein C 43 Adäquanz Haftungsbegrenzung G 91 (und) Schutzzwecklehre G 92 Änderung des Vertrags kraft Gesetzes C 32 Änderung der AVB C 31 Änderungskonsens, vorweggenommener C 30 Annahme C 31 Beschleunigungsgebot C 29 culpa in contrahendo C 29 formlose C 29 Klarstellungspflichten C 29 durch Parteivereinbarung C 29 Rechtsprechungsänderung C 31 Rücksichtnahme, Gebot gegenseitiger C 29 Schadensersatzpflichten C 29 Schriftformklausel, Änderung C 29 (und) aufsichtsbehördlich vorgeschriebene Form C 29 Versicherungsschein, Entgegennahme eines mit abweichendem Inhalt C 42 Voraussetzungen C 29 vorweggenommene Einigung C 30 Äquivalenzverhältnis, Änderung F 24 Ärzteausschuß (als) Schiedsgutachterausschuß G 304 Anrufung G 297 ff Antrag auf Entscheidung D 38 Berufung G 299 Entscheidung über Unfallfolgen F 13 gerichtliche Überprüfung G 301 ff Obmann G 299 Rechtsprechung zur Überprüfung G 304 Verfahren und Entscheidung G 299 Zusammensetzung G 299

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Ärztekammervorsitzender Namhaftmachung seitens G 299 Agent als Erfüllungsgehilfe des Versicherers C 22 Erfüllungspflicht für Zusagen C 23 Pflichtverletzung gegenüber Versicherungsnehmer C 22 Übermittlung, Risiko für fehlerhafte an Versicherer C 44 Zusatzerklärung, mündliche des Antragstellers gegenüber C 44 Aktivenversicherung Β 18 Alkoholeinfluß (und) Deckungsschutz G 175 ff Allgemeine Geschäftsbedingungen Bezugnahme bei Vertragsabschluß C 12 Einzel vertrag, Einbeziehung C 12 Gesetz zur Regelung des Rechts A 44 Allgemeine Unfallversicherung Β 36 Allgemeine Unfallversicherungs-Bedingungen A 65 Änderung und Vertragsinhalt C 31 Allgemeine Geschäftsbedingungen, Gesetz über A 44 Analogie, unzulässige A 60 Arzt, Fachterminologie und Auslegung A 53 Aufsichtsbehörde, Inhaltskontrolle A 62 Auslegung A 44 Auslegung, Abgrenzung zur Vertragsergänzung A 60 Auslegung und Inhaltskontrolle A 51 Auslegungsziel A 49 Ausschlußklausel, einschränkende Auslegung A 57 Ausschlußtatbestände, Anführung A 54 authentische Interpretation A 56 Darstellungszusammenhang A 54 drucktechnische Anordnung A 54 ergänzende Auslegung A 59 Gefahrbeschreibung, keine Inhaltskontrolle A 66 historische Regelung A 56 Inhalt, Ermittlung A 51 ff Inhaltskontrolle A 47, A 61 ff Inhaltskontrolle, Einschränkung nach § 8 AGB-Gesetz A 66 Inhaltskontrolle, keine bei Produktgestaltung A 66 Inzidentkontrolle durch Prozeßgericht A 63 Lebenssprachgebrauch A 53 Nichteinbeziehung überraschender Klauseln A 50 objektive Auslegung A 51 ff Preiskontrolle, nicht vorgesehene A 66

Großbuchst, und Ziffer = Anm. [ . . . ] Produktgestaltung und ergänzende Auslegung A 59 rechtshistorische Entwicklung A 47 Restriktionsprinzip A 57 Text A 3 ff Überraschungsklausel, Nichteinbeziehung A 50 Unklarheitenregel A 48, A 58 Unterlassungsbegehren nach AGB-Gesetz A 68 Vertragsauslegung A 59 Vertragsbestandteil C 12 Vertragsergänzung, Abgrenzung zur Auslegung A 60 Vertragsrecht A 59 Wortlaut als Ausgangspunkt der Auslegung A 53 Zweck der Regelung A 55 Allgemeine Volks-Unfallversicherungs-Bedingungen Β 38 Altes Seerecht von Wisby Β 2 anderweitige Ersatzmöglichkeit Anspruch aus Unfallversicherung Β 49 Anerkenntnis (des) Versicherers G 291 Anfechtbarkeit vorläufiger Deckungszusage C 27 Anfechtung (des) Versicherungsvertrags C 7 Rücktritt vom Vertrag, Konkurrenz D 29 des Vertrags D 26 ff Anforderung Erstprämie D 11 Angabe Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 29 ff Angemessenheitskontrolle von AGB A 46 Annahme des Antrags C 15 verspätete des Vertragsantrags durch Versicherer C 17 Annahmeerklärung Form und Inhalt C 18 Annahmefrist C 16 Anopheles-Miicke, Stich G 230 Anpassung bestehender Verträge durch Aufsichtsbehörde A 32 Anrechnung Entschädigungsforderung auf Haftpflichtanspruch des Insassen Β Anrechnungsbefugnis Β 48 Anrufung des Ärzteausschusses G 297 ff Anspruch Ausstellung eines Versicherungsscheins C 40

Arz

(gegen mehrere) Versicherer Β 80 ff Ansteckungsstoff (durch) Unfallverletzung in Körper gelangender G 117 ff; G 122 ff Anstrengungen s. Kraftanstrengungen Antragsannahme C 15 Antragsbearbeitung durch Versicherer C 21 Antragsform C 10 Antragsformular A 17 Antragsinhalt C 11 Antragsnebenerklärung C 44 Antragszugang C 14 Anwendbarkeit allgemeine Vorschriften des W G A 11 ff Anzeige auftragloser Versicherung für fremde Versicherung F 21 Berufstätigkeit, Änderung F 29 ff Beschäftigungsänderung F 29 ff (bestehender) Personenversicherungen F 20 (des) Todes F 39 Fristversäumung F 40 ff gefahrerheblicher Umstände bei Antragstellung F 15 ff gefahrerheblicher Umstände vor Vertrag F 19 Tätigkeit des Versicherungsnehmers, veränderte E 11 Unfallereignis F 36 ff Verschulden bei Verletzung der Obliegenheit F 40 ff Anzeigepflicht vorvertragliche und culpa in contrahendo E 2 Arbeitnehmer Tagegeld G 311 Versicherungsschutz, Erlöschen D 25 Arbeitsunfall Β 28 Begriff G 283 f herbeigeführter G 286 Kausalität G 285 Straftatzusammenhang G 286 Arbeitsverhältnis (bei) Insassen-Unfallversicherung Β 74 (und) soziale Unfallversicherung G 281 arglistige Täuschung (durch) Versicherungsnehmer D 27 Arteriosklerose Versicherungsfähigkeit C 7 Arzt Anordnungen F 52 Entbindung von Schweigepflicht F 46 Untersuchungsbericht, Einsicht F 53 Zuziehung nach Unfall F 51

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Ara

Sachregister

Arztbericht Veranlassung F 47 Apoplexie Ausschlußtatbestand G 161 atypische Vertragsgestaltung Β 46 Aufhebung vertragliche der Kündigungswirkung D 47 Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers Verstöße, relevante F 4 Verwirkungsfolge bei vorsätzlicher Verletzung F 4 Aufruhr Ausschluß G 276 Aufsichtsbehörde Anpassung bestehender Verträge A 32 Geschäftsplan, Aufstellung A 31 geschäftsplanmäßige Erklärung, Abgabe gegenüber A 34 f Konkursantrag gegen Versicherer A 31 Kontrolle der Bedingungswerke A 48 Tarif als Bestandteil des Geschäftsplans E 5 Ausfertigungsgebühren (als) Prämienteil E 2 Ausführung einer Straftat s. Straftatausführung Aushändigung (des) Versicherungsscheins C 41 Auskehrungsanspruch (bei) Insassen-Unfallversicherung Β 66 ff Auskunft (durch) Ärzte F 46 ff Fristversäumung F 40 ff (über deckungspflichtigen)'Unfall F 38 Verschulden bei Verletzung der Obliegenheit F 40 ff Auslegung Allgemeiner Unfallversicherungs-Bedingungen A 44 Ausschlußbestimmungen G 136 einschränkende von Ausschlußklauseln A 57 ergänzende von AVB A 59 gesetzlicher Rechtsquellen A 40 ff objektive von AVB A 52 ff (und) Vertragsergänzung A 60 Unfallbegriff G 4, G 20 Ausschluß Entschädigungsanspruch G 294 Ausschluß des Versicherungsschutzes absolute Verkehrsteilnahmeuntüchtigkeit G 202 adäquate Kausalität G 150 Alkoholgenuß und Bewußtseinsstörung G 175 fT Anopheles-Mücke, Stich G 230

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Anvertrauen an nichtfahrtüchtigen Kraftfahrer G 185 f Apoplexie als Ausschluß G 161 Auslegung von Ausschlußbestimmungen G 136 Ausschlußklauseln und Gefahrerhöhung G 135 Bauchbrüche G 248 ff Beeinträchtigung der Körperbeherrschung G 158 Berufskrankheiten G 207 ff Berufskrankheiten-Verordnung G 215 Beweislast für Ausschlußtatbestand G 137, G 151 Bewußtseinsstörung G 171 ff Bewußtseinsstörung und Fahruntüchtigkeit G 181 Bewußtseinsstörung, Kausalität für Unfall G 197 ff Blutalkoholkonzentration und Fahruntüchtigkeit G 175 ff Blutalkoholkonzentration eines Fußgängers G 193 f Blutalkoholkonzentration eines Motorradfahrers G 183 Blutalkoholkonzentration eines Radfahrers G 189 Blutungen aus inneren Organen G 267 ff bürgerliche Unruhen G 141 Einführung fester oder flüssiger Stoffe G 224 Eingriff G 155 Eingriffe des täglichen Lebens G 157 Einwirkung, Ausschluß aufgrund der Art G 132 Epileptische Anfälle G 162 Erblindung nach Lichteinwirkung G 245 Erfrieren G 245 Erkrankung infolge psychischer Einwirkung G 251 ff Ersticken G 226 Fahrtveranstaltung zur Erzielung Höchstgeschwindigkeit G 219 Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers G 176 Fußgänger, (Bewußtseinsstörung) G 192 ff Gefahrerhöhung und Ausschlußklauseln G 135 Gefahrerhöhung bei Geistes- oder Bewußtseinsstörung G 166 Gefahrtragung, materieller Inhalt G 136 Gefahrumstandsausschlußklauseln G 132 Gehirnblutungen G 267 ff Gehirnschlag als Ausschluß G 161 Geistesstörung G 170 Geistesstörung, Kausalität für Unfall G 197 ff Gewerbekrankheiten G 207 ff

Großbuchst, und Ziffer = Anm. [ . . . ] Heilmaßnahme als Obliegenheit G 156 Heilmaßnahmen des Versicherten G 152 ff Herbeiführung des Unfalls durch Versicherungsnehmer G 221 Herzversagen nach Hitze G 245 Hitzschlag G 245 hypochondrische Einstellung G 261 (in) Kraftfahrt-Unfallversicherung G 275 ff (in) sozialer Unfallversicherung G 286 f Infektionskrankheiten G 228 ff innere-Unruhen-Klausel G 141 ff Kleiderläuse, Biß G 231 Körperbeherrschung, krankheitsbedingte Beeinträchtigung G 158 Kontraktion von Muskeln G 163 Kraftfahrer (Bewußtseinsstörung) G 175 Krampfadern G 263 ff Krampfanfalle G 163 Kriegsklausel G 138 ff Kunstfehler des Arztes G 154 Leistenbruch G 250 Lichteinfluß G 243 ff Luftgefahr als Sondergefahr G 218 Malaria G 230 Militärdienst G 220 Motorradfahrer (Bewußtseinsstörung) G 182 ff Neuroseklausel G 258 fT normale Unfallgefahr G 131, G 136 Obliegenheitsverletzung, Abgrenzung G 133 Operation G 155 psychische Einwirkung, Erkrankung infolg e G 2 5 1 ff relative Verkehrsteilnahmeuntttchtigkeit G 203 Rentenneurose G 259 Risikobeschränkung G 132 Schlaganfall als Ausschluß G 161 Schneeblindheit G 245 Schock nach Unfall G 253, G 256 Schreck nach Unfall G 252 f Seeleneinwirkung G 256 Sondergefahren G 216 ff Sonnenbrand G 245 Sonnenstich G 245 Stich der Anopheles-Mücke G 230 Straftatbestände, Ausschluß G 146 ff Strahlenwirkungen G 237 ff Straßenverkehr und Bewußtseinsstörung G 172 Teilnahme an Straftaten G 148 Temperatureinfluß G 243 ff traumatische Neurose G 259 Unfälle, durch innere Unruhen verursachte G 141 ff 35 Bruck-Möller, W G , 8. Aufl. VI. (Wagner)

Bee

Unfälle, durch Krieg verursachte G 138 ff Unfälle, bei Verbrechen oder Vergehen verursachte G 144 ff Unfallereignis, Ausschluß bestimmter Folgen G 132 Unfallherbeiführung durch Versicherungsnehmer G 221 Unruhen, innere G 141 ff Unruhestifer, Teilnahme auf Seiten G 143 Unterleibsbrüche G 248 ff Unterschenkelgeschwüre G 263 ff vegetative Funktionsstörung G 261 Verätzen G 226 Verbrennung durch Überhitzung G 245 Vergiftung als Unfallfolge G 227 Vergiftungen G 222 ff verhüllte Obliegenheit, Abgrenzung G 133 Verkehrsteilnahmetüchtigkeit G 202 ff Versicherungsunfähigkeit, nachträgliche G 167 Versuch eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens G 149 Wasserbruch G 250 Witterungseinfluß G 243 ff Zentralnervensystem-Erkrankung G 261 Zwerchfellbruch G 250 Ausschlufifrist Versäumung durch Versicherungsnehmer F 13 AusschluDklausel einschränkende Auslegung A 57 außerordentliche Kündigung (durch) Versicherer D 43 ff (durch) Versicherungsnehmer D 34 Ausweglosigkeit (als) Unfallereignis G 55 authentische Interpretation allgemeiner Versicherungsbedingungen A 56 Automat Vertragsabschluß mittels C 9 Β Badetod G 40 Bandscheibenvorfall G 116 bargeldlose Zahlung Prämie, Bewirken der Leistungshandlung E 23 Bauchbriiche Ausschluß G 248 ff Beamtenversorgungsgesetz vom 24. 8. 1976 Β 46, C 3 Bedarfsdeckung (bei) Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung Η 24 Beeinträchtigung körperlicher Unversehrtheit G 64

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Bee

Sachregister

Beendigung Ruhen des Vertrages C 37 Vertrag D 13 ff Vertrag, Konkurrenz mehrerer Gründe D 48 Vertrag durch Kündigung D 31 Vertrag und nachfolgendes Ereignis D 16 Vertrag wegen nachträglicher Versicherungsunfähigkeit D 23 Vertrag, vorzeitige und Prämie E 7 ff Vertrag durch Zeitablauf D 19 vorläufiger Deckungszusage C 28 Befolgung ärztlicher Anordnungen F 52 Beginn der Gefahrtragung D 10 Beginn des Vertrags Angabe im Versicherungsschein D 4 Begriffsverwendung D 3 Begriff (des) Unfalls s. Unfallbegriff Begründung Leistungsablehnung durch Versicherer G 292 Begünstigung Dritter rechtliche Möglichkeiten H 6 ff Begünstigungsverträge (bei) Gruppenversicherung H 68 Behandeln (eines) Kfz G 273 beherrschtes Eigenverhalten (mit) ungewollter Gesundheitsschädigung G 48 ff Beherrschungsmöglichkeit nachträglicher Verlust G 47 Beherrschungsmöglichkeit, nachträglicher Verlust G 47 ff Eigenbewegung G 48 Tanzunfall G 48 Beladen (eines) Kfz G 273 Bemessung Entschädigungsleistung G 305 ff Heilkostenersatz G 315 Invaliditätsentschädigung G 308 ff Benutzen (eines) Kfz G 273 Berechnung Insassen-Unfallversicherungsentschädigung G 320 Bereicherungsverbot A 14, A 26, Β 8, Β 81 Bergungskosten Β 46 Berufsänderung (als erlaubte) Gefahrenerhöhung F 26 Begriff F 30 Berufsfahrer G 272

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Berufsfahrerversicherung Obliegenheitsverletzung durch Dritte F 10 Berufsgenossenschaften als Versicherungsträger Β 26 Berufshilfe soziale Unfallversicherung Β 33 Berufskrankheiten Ausschlußtatbestand G -07 ff Berufskrankheiten-Verordnung G 215 Berufstätigkeit Änderung C 34 Prämie bei veränderter E 11 Berufsunfähigkeitsversicherung Abgrenzung gegenüber Unfallversicherung Β 20 Berufswechsel und Vertragsende D 22 Besatzungsmacht Maßnahmen als Kriegsschäden G 138 Bestandsschutz E 17 betrügerische Doppelversicherung Β 81 Beweis arglistiger Täuschung D 27 Kündigungserklärung D 32 Beweislast Ausschluß G 137 Bewußtseinsstörung G 199 ff Einschluß G 129 Neuroseklausel G 262 Straftatausführung, Ausschluß bei G 151 tatsächliche Voraussetzungen für Vertragsabschluß C 19 Unfreiwilligkeit erlittener Gesundheitsbeschädigung G 74 ff Wasserleiche G 42 Bewußtseinsstörung absolute Verkehrsuntüchtigkeit G 202 Ausschlußtatbestand G 165 ff (außerhalb des) Straßenverkehrs G 204 Begriff G 171 Beweis, Beweislast G 199 ff Fallgruppen G 174 Fußgänger G 192 ff Kausalität für Unfall G 197 Kraftfahrer G 175 ff Mitursächlichkeit für Unfall G 198 Motorrad, Motorrollerfahrer G 182 ff Pro-Mille-Grenze G 196 Radfahrer G 189 ff relative Verkehrsuntüchtigkeit G 203 Straßenverkehr, Besonderheiten G 172 Übermüdung, Abgrenzung G 173 Bezugsberechtigter Fristversäumung nach Tod des Versicherungsnehmer F 42 Obliegenheitsverletzung F 9 Obliegenheitsverletzung, schuldhafte F 5

Großbuchst, une Bezugsberechtigung Begünstigung eines Dritten durch H 7 Verpfandung H 14 Bezugsrecht Bedeutung H 60 Beendigung H 62 Benennung H 61 Ehegattenbezeichnung H 62 Entstehung H 61 Praxis H 60 schenkweise Zuwendung H 62 Todesfallentschädigung H 60 Vertrag zugunster Dritter H 61 Widerruflichkeit der Begünstigtenerklärung H 61 Billigungsklausel im Versicherungsschein C 42 Blitzschlag G 53 Blockpolice C 39 Blutalkoholkonzentration (und) Bewußtseinsstörung G 175 ff Blutungen aus inneren Organen Ausschluß G 267 ff Blutvergiftung (und) Wundinfektion G 120 C culpa in contrahendo C 20 Anzeigepflicht, Verletzung cher E 2

vorvertragli-

D Darstellungszusammenhang (in den) Versicherungsbedingungen A 54 Dauer vorläufige Deckungszusage C 28 Dauerschuldverhältnis D 41 Dauerverträge D 13 deckende Stundung E 17 Deckungskarte nach § 29 b StVZO C 25 Deckungspflicht Ausschluß und Begrenzung (Überblick) G 90 gedehnter Versicherungsfall D 15 überhängender Versicherungsfall D 15 Vertragsende, nachfolgender Teil eines Vorgang D 16 Deckungsschutz Voraussetzungen (Übersicht) G 2 Deckungszusage, vorläufige s. vorläufige Deckungszusage Doppelversicherung E 12 Bereicherungsverbot Β 81 betrügerische Absicht Β 81 (nicht bei) Summenversicherung Β 80 Dreiecksverhältnis Insassen-Unfallversicherung Β 61 35*

ffer = Anm. [...]

Ein

Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung Η 55 Dritte Einbeziehung in Versicherungsvertrag s. Einbeziehung Dritter in Versicherungsvertrag E Ehegatte (und) Prämienschuld E 14 Ehegatten Vertragsabschluß C 6 Eigenverhalten (des) Versicherten G 44 fT korrektes des Versicherten G 28 Einbeziehung Dritter in Versicherungsvertrag Abtretung des Anspruchs H 8 ff Abtretungen, einander widersprechende H 12

Bezugsberechtigung, Abtretung H 11 Bezugsrecht H 60 ff Bezugsrecht, Verpfändung H 14 Drittbegünstigung nach § 328 BGB H 6 f Eigenversicherung, Abtretung H 8 Entschädigungsleistung, Pfändung des Anspruchs H 15 Fremdversicherung, Abtretung H 9 f Fremdversicherung für eigene Rechnung H 16 ff Fremdversicherung für fremde Rechnung H 6 f; H 44 ff Gefahrsperson, Zustimmung bei Fremdversicherung für eigene Rechnung H 21 gesetzliche Regelung H 2 ff Gestaltungsmöglichkeiten H 2 ff Gruppenversicherung H 63 ff Verpfändung des Anspruchs H 13 ff Zustimmungsprinzip bei Fremdversicherung für eigene Rechnung H 26 Eingriff (des) täglichen Lebens G 157 Heilmaßnahme, Abgrenzung G 154 f Einheitlichkeit (des) Unfallbegriffs G 4 Einheitstheorie vorläufige Deckungszusage und Hauptvertrag C 27 Einigung Gefahrtragungsbeginn D 10 vorweggenommene über Vertragsänderung C 30 Einlösungsklausel, erweiterte D 9 Einlösungsprinzip D 5 Einmalprämie E 3 Fälligkeit E 15 Fälligkeit, sofortige E 4

547

Ein

Sachregister

Einordnung der privaten Unfallversicherung Β 7 ff EinschluO Erweiterung des Versicherungsschutzes durch s. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse Einsicht Versicherungsnehmer in Untersuchungsbericht F 53 Eintritt Versicherungsunfähigkeit D 23 Einwilligung Gefahrsperson bei Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 32 ff Einwirkung (und) Kausalität G 86 Einziehungsermächtigung Erfüllung E 24 Elektrizität G 52 Empfehlerhaftung nach § 13 AVB A 68 Entbindung (von) ärztlicher Schweigepflicht F 46 (von) Schweigepflicht der Berufsgenossenschaft F 48 Entladen (eines) Kfz G 273 Entschädigung Kündigungsrecht nach Klageerhebung D 37 Kündigungsrecht nach Zahlung D 36 Minderung nach Gefahrerhöhung E 11 Entschädigungsleistung Ablehnung der Leistung G 292 Anerkenntnis des Versicherers G 291 Anrufung des Ärzteausschusses G 297 ff AusschluB des Anspruchs G 294 Bemessung G 305 ff Entstehung des Anspruchs G 289 Fälligkeit des Anspruchs G 290 Feststellungsklage G 295 Geltendmachung G 295 ff Genesungsgeld G 313 Gliedertaxe G 309 Heilkostenersatz G 314 ff Höchstsumme A 12 Insassen-Unfallversicherung Β 43 Invaliditätsentschädigung G 307 Kinder, Besonderheiten bei Unfällen Β 36 Klage G 295 f Kraftfahrt-Unfallversicherung, Besonderheiten G 319 ff Krankenhaustagegeld G 312 örtliche Zuständigkeit für Klagen G 296 Tagegeld G 311 Todesfallentschädigung G 306 Übergangsentschädigung G 318 Verjährung des Anspruchs G 294

548

Verzug des Versicherers G 293 Vorinvalidität G 310 Wahlrecht Klage oder Entscheidung des Ärzteausschusses G 298 Zahlungsklage G 295 Entstehung Entschädigungsanspruch G 289 Invaliditätsentschädigung G 307 Todesfallentschädigung G 305 Entstempelung (des) amtlichen Kennzeichens C 36 Entwicklung der privaten Unfallversicherung Β 1 ff Epilepsie Ausschlußtatbestand G 162 Epileptiker Versicherungsfähigkeit C 7 Erbe Fristversäumung für Obliegenheiten F 42 Erdbeben AusschluB G 276 Ereignis s. Unfallereignis Erfüllung Prämienverbindlichkeit E 21 ff Erfüllungsbereitschaft Mitteilung des Versicherers G 291 Erfüllungsgehilfe Agent als der des Versicherers C 22 Erfüllungspflicht für Zusagen des Agenten C 23 Erhöhung (der) Prämie E 10 Erklärung, geschäftsplanmäDige A 34 f Erlaubnis (der) Leichenöffnung F 43 f Erlöschen Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers D 40 Ersatzmöglichkeit, anderweitige Anspruch aus Unfallversicherung Β 49 erster Anschein Tod durch Ertrinken G 43 Ersticken (durch) mechanische Vorgänge im Inneren G 34 Erstprämie Anforderung D 11 Fälligkeit E 15 Fälligkeit, sofortige E 4 Gefahrtragung vor Zahlung D 6 Kosten als Teil E 2 Kosteneinbeziehung D 5 Kraftfahrt-Unfallversicherung, Fälligkeit E 15 Stundung E 16 f Verzug und Verzug mit Folgeprämie E 19

Großbuchst, und Ziffer = Anm. [...] Zahlung auf Anfordern ohne schuldhafte Verzögerung D 9 Zahlung nach Mahnung E 19 Zahlung ohne Verzug D 12 Zahlungspflicht E 3 ff Ertrinken (als) mehraktiges Unfallereignis G 37 (als) Ohnmachtsfolge G 38 (als) Schwindelfolge G 38 Beweislast G 42 erster Anschein G 43 (infolge) Erschöpfung G 40 (infolge) Krampf G 40 f (infolge) Schlaganfall G 41 mittelbares G 40 Unfall G 36 erweiterte Einlösungsklausel D 9 Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse Ansteckungsstoff, Eindringen durch Unfallverletzung G 122 ff Anstrengungen G 98 ff Ausschlußtatbestand, Spezialität G 126 Bandscheibenvorfall G 116 Beweislast für Einschluß Biß eines Tieres G 127 Blutvergiftung G 120 Blutvergiftung nach Schnittverletzung G 121

Eindringen eines Ansteckungsstoffs durch Unfall Verletzung G 122 ff Entwicklung G 97 Extremitäten als Gliedmaßen G 110 Giftschlangenbiß G 127 Gliedmaß, Verrenkung, Zerrung durch Zerreißung an G 108 ff Halsphlegmone nach Furunkelbehandlung G 121 Heben eines Zentnersacks als plötzliche Kraftanstrengung G 103 Hexenschuß G 116 Infektionsklauseln G 128 Insektenstich G 121 Kraftanstrengungen G 98 ff Lastenhebung G 101 Lippenfurunkel nach Insektenstich G 121 Muskelkraft, erhöhter Einsatz G 101 plötzliche Eigenbewegung G 109 plötzliche Kraftanstrengung G 102 septische Angina G 121 Sport G 101 Syphilis als Infektion G 121 Tätigkeit, gewollte und planmäßig durchgeführte G 103 Tanz mit schneller Schrittfolge G 101 Tollwut, Biß eines erkrankten Tieres G 127 Tragen G 103

Fra

Tröpfcheninfektion G 121 Typhusinfektion im Krankenhaus nach Unfall G 127 Verrenkung G 105 Wirbelsäule, Verrenkung, Zerrung und Zerreißung an G 108, G U S Wundinfektionen G 117 ff Zerreißung G 107 Zerrung G 106 Exhumierung F 45 F Fälligkeit Einmalprämie E 3 Entschädigungsanspruch G 290 ff Erstprämie E 3 Prämie E 15 ff Fahrtveranstaltung Ausschlußtatbestand G 219 Fahruntüchtigkeit G 176 Familien-Unfallversicherung Β 40 Festsetzung erneute der Invaliditätsentschädigung G 308 Feststellungsklage (des) Versicherungsnehmers G 295 Feuerbestattungsgesetz F 43 Fiktion (einer) Gefahrengemeinschaft H 24 Filmausfallversicherung Abgrenzung gegenüber Unfallversicherung Β 23 Finanzierung betrieblicher Versorgungseinrichtung Β 74 Finsenstrahlen G 237 Fluggast Begriff G 218 Versicherungsschutz G 218 Fluggastrisiko E 13 Flugschüler C 3 Fluß-Kasko-Police G 4 Folgeprämie Erstprämie, noch nicht gezahlte E 19 Fälligkeit E 18 Kosten als Teil E 2 Leistungspflicht trotz Verzugs E 19 Ratenzahlung E 18 Verzug E 19 Zahlung nach Mahnung E 19 Zahlungspflicht E 3 ff Form Kündigung des Vertrags D 32 Rücktritt vom Vertrag D 30 des Vertragsantrags C 10 Fragebogen (zum) Unfallereignis F 36 Frageobliegenheit F 18

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Fre

Sachregister

Freiwilligkeit (der) erlittenen Gesundheitsbeschädigung G 71 Fremdverhalten gesteuertes des Versicherten G 29 Fremdversicherung für fremde Rechnung s. Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung Frist Anfechtung des Vetrags D 27 außerordentliche Kündigung durch Versicherer D 44 Entschädigungsanspruch G 290 Invaliditätsentschädigung, Anmeldung G 307 Kündigung des Vertrags D 33 für Vertragsannahme C 16 Fristversäumung (durch) Versicherungsnehmer F 13 Fußgänger Bewußtseinsstörung G 192 ff

Gasvergiftung G 31, G 33 gedehnte Unfallfolgen G 12 gedehnter Versicherungsfall G 8 f Fallgruppen D 15 und Rückwärtsversicherung D 7 (und materielles) Versicherungsende D 15 gedehntes Unfallereignis D 16, G 10 Gefahr ausweglose als Unfallereignis G 55 Prämienzahlung trotz Wegfalls E 9 Gefahrbeschreibung Kraftfahrt-Unfallversicherung G 273 soziale Unfallversicherung G 279 ff Gefahrenbegrenzung (durch) Ausschlußtatbestände G 131 ff Gefahrenbeschreibung s. Unfallbegriff Gefahrengemeinschaft (als) Wesensmerkmal der Versicherung H 24 Gefahrengemeinschaftsgedanke Β 25 Gefahrengruppe E 11 Gefahrengruppen (bei) Berufen F 32 Gefahrenumstandsausschlußklauseln Obliegenheiten, Abgrenzung F 3 Gefahrerhöhung abschließende Regelung in AVB und AUK F 3 Anwendbarkeit der Vorschriften des VVG A 38 f Berufstätigkeit, Beschäftigung, Änderung F 25 ff Bewußtseinsstörung, vorübergehende G 166

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und Entschädigungsminderung E 11 relevante F 33 subjektive und objektive F 33 (und) Ausschlußtatbestände G 135 (und verursachter) Versicherungsfall E 11 Gefahrfortfall Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung H 59 Gefahrsperson (bei) Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 16 ff Dritter C 4 Dritter bei Versicherung für fremde Rechnung E 14 Eigenschaften D 21 Einwilligung in Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 32 5 = ff natürliche Person C 4 Obliegenheitspflicht F 7, F 8 Tätigkeitsänderung E 11 Tod D 24 (und) Versicherungsnehmer, Rollenspaltung F 4 Gefahrstandspflicht F 23 ff Gefahrtragung vor Zahlung der Erstprämie D 6 Austauschverhältnis E 2 Beginn D 4, D 10 (bei) Rücktrittserklärung D 30 (bei) Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 23 Einigung über Beginn D 10 Einlösungsklausel, Beginn bei erweiterter D 9 Prämienzahlungspflicht E 16 Rückbeziehung D 10 Rückgewähr nach Anfechtung D 28 synallagmatische Gegenleistung E 2 Tod der Gefahrsperson D 24 vorläufige Deckungszusage D 6 Gefahrumstandsausschlußklauseln G 132 gegenseitiger Vertrag Unfallversicherungsvertrag E 2 Gegenseitigkeitsverein E 4 Gehirnblutung Ausschluß G 267 ff Gehirnschlag Ausschlußtatbestand G 161 Geistesstörung Ausschlußtatbestand G 165 ff Begriff G 170 Geldentwertung und Prämienerhöhung E 10 Geltendmachung Entschädigungsanspruch G 295 Genehmigungsfiktion (im) Versicherungsschein C 42

Großbuchst, und Ziffer = Anm. [...] Genesungsgeld G 313 gerichtliche Überprüfung Ärzteausschuß, Befund G 301 ff Geschäftsfähigkeit (des) Antragstellers C 5 Geschäftsführung ohne Auftrag bei Insassen-Unfallversicherung Β 65 Geschäftsgebühr (des) Versicherers E 25 Geschäftsgrundlage, Veränderung F 24 Geschäftsplan zur Wahrung der Belange der Versicherten A 31 geschäftsplanmäßige Erklärung A 34 f Geschichte der privaten Unfallversicherung Β 1 ff gesetzliche Obliegenheiten F 22 gesetzliche Rechtsquellen A 36 Gestattung (der) Leichenöffnung F 43 f Gesundheitsschädigung aberratio ictus G 71 (als) Auswirkung G 66 Anscheinsbeweis für individuelle Willenentschliise G 74 Anstrengung, gewollte freiwillige G 71 Arbeitsunfähigkeit, dauernde oder vorübergehende G 65 Bedeutung für Unfallbegriff G 62 bedingtes Wollen G 71 Beeinträchtigung körperlicher Unversehrtheit G 64 Beweislast für Unfreiwilligkeit G 68, G 74 f Beweiswürdigungsregeln für Unfreiwilligkeit G 74 bewußte Fahrlässigkeit G 71 Bewußtseinsstörung G 72 Depressionsneigung nach Unfall G 64 Entwicklungsvorgänge im Körper G 65 Erkrankung G 63 Freitodverdacht G 74 Freiwilligkeit G 70 ff Geistesstörung G 72 Geschehensablauf, zeitlich meßbarer G 66 Gewerbe-Krankheiten G 63 Gliederverlust G 74, G 78 körperliche Beschädigung G 63 Krankheit, Abgrenzung G 64 Negativbeweis „nicht freiwillig erlittener" G 74 Nervenstörungen G 64 Rettungsaktion G 71 Risikoeingehung G 68 Schockwirkung nach Unfall G 64 Selbstmord G 68, G 72 f Selbstmord nach Unglücksfall G 64, G 73

Gut

Selbstmordverdacht G 74 Selbstverstümmelung G 68, G 71, G 72 f Sprachgebrauch G 63 Steuerungsfähigkeit, beeinträchtigte G 72 Unfallereignis, zeitlicher Abstand D 17 Unfallfolge G 66 Unfallvoraussetzung G 62 Unfreiwilligkeit G 67 ff vorsätzlich herbeigeführter Unfall G 69 Vorsatzbegriff, mehrdeutige Verwendung G 69 Gesundheitsvorsorge, Erhaltung Heilmaßnahme, Abgrenzung G 154 Gesundheitszustand (des) Antragstellers C 7 Gewährleistung Versicherungsnehmer für Obliegenheit Dritter F 5 Gewerbekrankheiten Ausschlußtatbestand G 207 ff Gliedertaxe G 308 f Gliedmaßen G 110 Grenzfälle (des) Unfallbegriffs G 15 ff Gruppen-Unfallversicherung Β 37 Gruppenversicherung Abschluß Η 66 Arten Η 65 Ausscheiden eines Mitglieds Η 67 Bedeutung Η 63 Begünstigungsverträge Η 68 echte Η 64 Einwilligung der Gefahrsperson Η 66 (für) eigene Rechnung Η 65 (für) fremde Rechnung Η 65 Gefahrtragung Η 67 Gruppenzugehörigkeit, deutsche Beschreibung Η 67 (im) arbeitsrechtlichen Zusammenhang Η 65 Insassen-Unfallversicherung Η 63 Kollektivversicherung Η 64 Kraftfahrt-Unfallversicherung Η 63 Teilnehmer besonderer Veranstaltungen Η 63 unechte Η 64 Vorkommen Η 63 Gütergemeinschaft Haftung für Prämienverbindlichkeit C 6 Güterstand (und) Haftung für Prämienverbindlichkeiten C 6 Gütertrennung Haftung für Prämienverbindlichkeit C 6 Gutachtenerstellung G 299

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Sachregister

Haf

H Haftpflichtversicherung Abgrenzung gegenüber Unfallversicherung

Höhensonnenstrahlen G 237 Hypnoseeinwirkung G 24 hypothetische Kausalität G 94

Β 21

Haftung des Versicherers für Verhalten seines Agenten C 22 haftungsausfiillende Kausalität G 88, G 93 haftungsbegiiindende Kausalität G 85 Haftungsersetzung (bei) Insassen-Unfallversicherung Β 57 ff (durch) Unfallversicherung Β 54 haftungshindernde Kausalität G 84 Haftungsrecht Bedeutung der privaten Unfallversicherung Β 48 (und) Kausalität G 80 Hauptvertrag und vorläufige Deckungszusage C 27 Haushaltsführung (und) Vertragsabschluß C 6 Hebammenschülerinnen C 3 Hebegebühren (als) Prämienteil E 2 Heilbedürftigkeit D 18 Heilbehandlung soziale Unfallversicherung Β 33 Heilkosten Doppel Versicherung E 12 Höchstbeträge E 12 Heilkostenersatz G 314 (in) Kraftfahrt-Unfallversicherung G 319 Krankenversicherung, gleichzeitige private Β 82 Heilkostenersatz statt Tagegeld G 315 Heilmaßnahme Arztzuziehung, Obliegenheit G 156 Beweislast G 157 Eingriffe des täglichen Lebens G 157 mißlungene G 154 (und) Eingriff, Abgrenzung G 154 f (und) Gesundheitsmaßnahme, Abgrenzung G 154 Heilmafinahmen Ausschlußtatbestand G 152 ff Begriff G 154 Zweck G 153 Heilungskosten Erstattungsfähigkeit Β 18 Herbeiführung Unfall durch Versicherungsnehmer G 221 Hexenschuß G 116 Hinrichtungstod G 20 Höchstsummen Beschränkung bei Summenversicherung E 13 Höhe (der) Prämie E 5 ff

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I Infektionsklauseln G 128 Infektionskrankheit s.a. Wundinfektion Ausschlußtatbestand G 228 Begriff G 229 Biß der Kleiderlaus G 231 Stich der Anopheles-Mücke G 230 Unfallereignis, Folge G 235 ff Wundinfektion, Abgrenzung G 234 Inflation Β 36 Inhaltskontrolle von AGB A 46 Inhaltskontrolle von AUB A 48 Inhaltskontrolle von AVB A 61 ff Innenverhältnis vertragliches bei Insassen-Unfallversicherung Β 73 ff innere Unruhen Ausschlußtatbestand G 141 ff Begriff G 143 Kraftfahrt-Unfallversicherung, Ausschluß G 276 Teilnahme auf Seiten der Unruhestifter G 143 Insassen-Unfallversicherung Anrechnung, Bewirkung durch Versicherungsnehmer Β 71 f Anrechnungsbefugnis Β 48 Anrechnungsbefugnis des Versicherungsnehmers Β 67 Anspruchsform Β 72 Ansprüche auf Auskehrung gegen Versicherungsnehmer Β 66 Arbeitsverhältnis im Innenverhältnis Β 74 Auftragsverhältnis, zugrundeliegendes Β 78 Auskehrung an Arbeitnehmer Β 76 Berechnung Β 43 Bereicherungsanspruch gegen Versicherungsnehmer Β 66 Beweggründe für den Abschluß Β 65 Dreiecksverhältnis Β 61 Eigenversicherung Β 58 Entschädigungsforderung, Inhaber Β 59 Fremdversicherung Β 58 Geschäftsbesorgung, zugrundeliegende Β 78 Geschäftsführung ohne Auftrag Β 65 Haftpflichtanspruch, gleichzeitiger des Insassen Β 72 Haftpflichtversicherer zugleich Unfallversicherer Β 72 Haftungsersetzung Β 54, Β 57 ff

Großbuchst, und Ziffer - Anm. [ . . . ] Inkasso durch Versicherungsnehmer Β 60 Obliegenheitsverletzung durch Dritte F 10 Pauschalsystem Β 59 Platzsystem Β 59 Schadensersatzanspruch des Insassen gegen Versicherungsnehmer Β 60 Schenkung, zugrundeliegende Β 79 schuldrechtliche Beziehungen Β 64 Treuhandverhältnis Β 62 Verfügungsbefugnis Β 60 versicherte Personen G 272 Versicherter, Rechtsposition Β 60 ff Versicherung für Rechnung, wen es angeht Β 59 Vertrag zugunsten Dritter Β 63 Vertragsverhältnis Β 73 ff Vorteilsausgleich Β 48 Zweifelsregelung in § 179 II 1 Η 51 Interesse, versichertes Β 15 ff Invalidität D 18 Fristwahrung F 13 Invaliditätsentschädigung Arbeitsfähigkeit, dauernde Beeinträchtigung G 307 Begriff der Invalidität G 307 Bemessungsgrundsätze, allgemeine G 308 Berufsfiktion G 308 Frist zur Anmeldung G 307 Gliedertaxe G 308 f Kraftfahrt-Unfallversichrung G 319 Neufeststellung, Jahresfrist G 308 Vorinvalidität, Berücksichtigung G 310 Inzidentkontroile von AVB A 63 Irrtumsanfechtung D 14 J juristische Person Vertragsantragsteller C 4 Κ Kaiserliches Aufsichtsamt für die Privatversicherung G 3 Kausalität Adäquanz G 91 Ausschluß der Deckungspflicht G 90 Bedeutung im Haftungsrecht G 80 Begrenzung der Deckungspfiicht G 90 Beseitigung nicht unfallbedingten Leidens G 93 Blitzschlag, Herztod nach Schrecken G 93 Blutvergiftung nach verschmutzter Wunde G 93 Deckungspflicht, Ausschluß, Begrenzung G 90 Gasvergiftung durch Ohnmachtsneigung G 93 V 36 Bruck-Möller, VVG, 8. Aufl. VI (Wagner)

Kon

haftungsausfüllende G 88, G 93 haftungsbegründende G 85 haftungshindernde G 84 Handlung G 80 Hypothetische G 94 (innerhalb des) Unfallgeschehens G 82 Kausalitätskette, mehrgliedrige G 82 Kinderlähmung nach Schlägen G 93 konkurrierende G 89 Krampfadern G 90 Lippenfurunkel nach Insektenstich G 93 negative G 84 Nervenleiden G 93 Neurose, unfallunabhängige traumatische G 93 positive G 83 Schreck infolge Blitzschlag G 93 Schutzzwecklehre G 92 Subsumtion des Versicherungsfalls G 81 Syphilis, Wiederausbruch nach Unfall G 93 überholende G 94 (und) Arbeitsunfall G 285 (und) Einwirkung G 86 Unterschenkelgeschwüre G 90 Veronalvergiftung G 93 Kenntnis mehrfacher Versicherung A 17 Kennzeichen Entstempelung des amtlichen C 36 Kinder-Unfallversicherung Β 36 Klage (des) Versicherungsnehmers G 295 f Klageerhebung (wegen) Entschädigungsanspruch D 37 Klarstellungen (des) Unfallbegriffs G 15, G 19 Klarstellungsfunktion des Versicherungsscheins C 43 Klarstellungspflicht bei Vertragsänderung C 29 Klausel, überraschende A 48 ff Kleiderläuse, Biß G 231 Körperersatzstücke Wiederherstellung aufgrund sozialer Unfallversicherung körperliche Unversehrtheit Beeinträchtigung G 64 Körperschaden (als) immaterieller Schaden Β 18 Kollektiv-Arbeiterunfallversicherung Β 4 konkrete Bedarfsdeckung Β 12 Konkurrenz (von) Regreßansprüchen Β 84 konkurrierende Kausalität G 89 Konkurs des Versicherers A 31

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Kon

Sachregister

Kontrahierungszwang (des) Haftpflichtversicherers C 3 Konzentrationslager Tod im G 20 Kosten (als) Prämienteil E 2 Sachverständigenverfahren G 300 Kosten der Beitragsrechnung und Vertragsbeginn D 5 Kraftanstrengung Begriff G 101 deckungsfähige Folgen G 104 Erfordernis, plötzlicher G 102 Gliedmaßen, betroffene G 110 Lebenssprachgebrauch G 104 Rechtsprechung G 103 Verrenkung G 105 Zerreißung G 107 Zerrung G 106 Kraftfahrer Bewußtseinsstörung G 175 ff Fahruntüchtigkeit G 176 Kraftfahrer, Anvertrauen an nichtfahrtiichtig e n G 185 f Fahruntüchtigkeit, Anvertrauen an Kraftfahrer G 185 f Mitfahrer, unter Alkoholeinfluß stehender G 187 f Radfahrer (Bewußtseinsstörung) G 189 ff Kraftfahrt-Unfallversicherung Β 42 Ausschlußtatbestände, spezielle G 275 ff Berufsfahrer G 271 f Entschädigungsleistungen —Ärzteausschuß G 322 - H e i l k o s t e n G 319 — Invaliditätsentschädigung G 319 —(kein) Genesungsgeld G 319 —(kein) Krankenhaustagegeld G 319 —(keine) Übergangsentschädigung G 319 — Kinder unter 14 G 319 —nasciturus G 372 —Tagegeld G 319 —Todesfallentschädigung G 319 —Verfahren zur Feststellung der Entschädigungspflicht G 322 Fälligkeit der Prämie E 15 Gefahrbeschreibung - A b s t e l l e n G 272 —atypische Gefahrensituation G 274 —Aufruhr-usw. Unfälle G 276 —Ausschlußtatbestände, spezielle G 275 ff - B e - und Entladen G 273 — Benutzen G 273 — Ertrinken G 273 — Lenken G 273

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—mehraktiger Vorgang G 273 —primäre G 273 —Schwarzfahrt G 275 —sekundäre Risikobegrenzung G 274 ff —Überfahrenwerden durch anderes Fahrzeug G 273 —Versicherungsunfähigkeit der Person G 277 Gefahrerhöhung, Anwendbarkeit der VVG-Vorschriften A 39 Gegenstand G 271 Insassenversicherung, Abgrenzung G 271 Obliegenheitsverletzung durch Dritte F 10 f Prämienbesonderheiten E 6 Repräsentantenhaftung F 5 Schadensminderung F 50 Schutzzweck G 273 Spezialform der Allgemeinen Unfallversicherung G 271 Tarif E 6 versicherte Personen G 272 vorläufige Deckungszusage C 24 Kraftfahrt-Unfallversicherungsvertrag Ruhen C 39 Kraftfahrzeugschein Ablieferung C 36 Krampfadern Ausschluß G 263 ff Begriff G 265 Krampfanfälle Versicherungsfähigkeit C 7 Krampfanfall Ausschlußtatbestand G 163 Ertrinken infolge G 40 f Krankengeld nach § 1542 RVO Β 13 Krankenhaustagegeld G 312 Regreß des Versicherers Β 13 Krankenversicherung Heilkostenersatz G 317 Krankenversicherung, private Verhältnis zur privaten Unfallversicherung Β 82

Krankheit infolge psychischer Einwirkung s. psychische Einwirkung (und) Gesundheitsschädigung, Abgrenzung G 64 Unfall, Abgrenzung G 25 Verschweigen vorvertraglicher F 18 Krankheit, bestehende (und) Versicherungsfähigkeit C 7 Krankheitskostenversicherung Abgrenzung gegenüber Unfallversicherung Β 22 Kriegsklausel Ausschlußtatbestand G 138 ff

Großbuchst, u n d Ziffer = Anm. [ . . . ] Besatzungsmacht, M a ß n a h m e n G 138 Kraftfahrt-Unfallversicherung, Ausschluß G 276 Kriegsbegriff G 140 mittelbare Kriegsschäden G 138 Zweck G 139 Kriegsmunition Explosion als Kriegsschaden G 138 Kündigung des Vertrags außerordentliche durch Versicherer D 43 ff außerordentliche durch Versicherungsnehmer D 35 ff (durch) Versicherer D 42 (durch) Versicherungsnehmer D 34 ff Form D 32 (nicht) formgerechte durch Versicherungsnehmer D 45 Frist D 33 (nicht) fristgerechte durch Versicherungsnehmer D 4 (bei) Gefahrerhöhung F 24 Illiquidität des Versicherers D 41 Mißbrauch D 39 nichtige D 45 (nach) Obliegenheitsverletzung A 43 ordentliche durch Versicherer D 42 ordentliche durch Versicherungsnehmer D 34 Unwirksamwerden, nachträgliches D 46 vertragliche Aufhebung D 47 (nach) Verzug mit Zahlung einer Folgeprämie D 46 Zahlung, fehlende nach qualifizierter Mahnung E 20 kupiertes Unfallereignis G 55 Kuponpolice C 39 Kurquote G 311 L Lebenssprachgebrauch Kraftanstrengung G 104 Kriegsbegriff G 140 psychiche Einwirkung G 256 (und) Unfallbegriff G 20 Wundinfektion G 119 Lebensversicherung Abgrenzung gegenüber Unfallversicherung Β 20 Leichenöffnung Gestattung F 43 f Leistung (in) sozialer Unfallversicherung Β 33 Leistungsablehnung (durch) Versicherer G 292 Leistungsbeschreibung, vertragliche A 36

36'

Nat

Leistungshandlung (bei) Prämie durch bargeldlose Zahlung E 23 Prämienverbindlichkeit E 21 f Leistungsklage nach § 13 AGB A 69 Leistungsort Prämien Verbindlichkeit E 21 Lenken eines Kfz G 273 Lichteinfluß Ausschluß G 243 ff Lotterie H 24 Lücken in der Gefahrbeschreibung A 37 Luftfahrt-Unfallversicherung Β 41 Luftfahrtunternehmer Haftungsersetzung Β 56 obligatorische Unfallversicherung Β 21 Luftgefahr G 216, G 218 M Mahnung (des) Versicherers G 293 Mahnung des Versicherungsnehmers E 19 Masochismus F 50 mehraktiges Unfallereignis G 10, G 37 Mehrfachversicherung Prämienherabsetzung E 12 Merkmale (des) Unfallbegriffs G 21 ff Militärdienst G 220 A u f n a h m e nach Vertragsabschluß C 34 Minderung Entschädigungsleistung E 11 Mißbrauch (des) Kündigungsrechts D 39 durch Versicherung eines Dritten Β 17 Mitfahrer alkoholisierter G 187 mittelbare Kriegsschäden G 138 Monatsfrist Kündigungserklärung des Versicherers D 44 Monopolmißbrauch durch AGB A 46 Motorradfahrer Bewußtseinsstörung G 182 ff mündliche Erklärungen bei Vertragsabschluß C 13 Ν Nachholungsfrist Zahlung rückständiger Prämie D 46 nachträgliche Versicherungsunfähigkeit D 23 nasciturus G 272 Naturalersatz durch Versicherer A 11 Naturalleistung (der) Prämie E 4

555

Sachregister

Neg

negative Kausalität G 84 Nervenleiden Versicherungsfähigkeit C 7 Nervenstöru Ilgen (als) Unfallfolge G 64 Neufesteilung Invaliditätsentschädigung G 308 Neuroseklausel Ausschlußtatbestand G 258 ff Beweislast G 262 Simulationsgefahr G 258 Zentralnervensystem, Berührung G 258 ff Nichtigkeit Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 23 f Nichtigkeit des Vertrags (wegen) Anfechtung D 28 Nichtpersonenversicherung und Einordnung der Unfallversicherung Β 8 O objektive Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen A 52 ff Obliegenheiten Schutzpflichten, Abgrenzung E 2 Treuepflichten, Abgrenzung E 2 Obliegenheiten (des Versicherungsnehmers) abschließende Regelung in AVB F 14 Absendungsfrist bei Tod F 39 Abwendungsobliegenheit vor Unfall F 50 Ärzte, Ermächtigung aller F 48 Ärzteauskunft F 46 ff Ärzteausschuß, Entscheidung bei Invalidität F 13 ärztliche Anordnung, Befolgung F 52 ärztlicher Eingriff, Zumutbarkeit F 52 Anspruch, kein klagbarer F 4 Anzeige auftragloser Versicherung für fremde Rechnung F 21 Anzeige gefahrerheblicher Umstände nach Antrag F 19 Anzeige gefahrerheblicher Umstände bei Antragstellung F 15 Anzeige einer Gefahrerhöhung F 24 f Anzeige des Todes F 39 Anzeige des Versicherungsfalls F 36 ff Anzeige, vorvertraglich bestehender Personenversicherungen F 20 Anzeigeobliegenheit, schuldhafte Verletzung F 40 ff Anzeigeobliegenheit, Umwertung in Frageobliegenheit F 18 Arzt, Zuziehung F 51 Arztbericht, Verlassung F 47 Arzthinzuziehung F 7

556

Aufklärungs- und Pietätsinteresse F 44 Aufklärungspflicht, vorsätzliche Verletzung F 4 Auskunft durch Ärzte F 46 ff Auskunft über Unfall F 38 Auskunftsobliegenheit, schuldhafte Verletzung F 40 ff Ausschlußfristen F 13 Ausweiten vor erkanntem Unfall F 50 Bedeutung F 3 Begriff F 4 Berufsfahrerversicherung F 10 Berufsgenossenschaft, Entbindung von Schweigepflicht F 48 Berufstätigkeit, Änderung als erlaubte Gefahrerhöhung F 24 ff Beschäftigung, Änderung als erlaubte Gefahrerhöhung F 24 ff Beweissicherung, Ermöglichen F 35 Bezugsberechtigter, einzelne Obliegenheiten F 9 Bezugsberechtigter, Fristversäumung F 42 Bezugsberechtigter, Verletzung durch F 9 Duldung vertrauensärztlicher Untersuchung F 49 Eigenständigkeit des Begriffs F 4 Eigenverschulden F 5 Eilbedürftigkeit F 39 Ellenbogenoperation F 52 Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht F 46 Entbindung der Berufsgenossenschaft von Schweigepflicht F 48 Erbe, Fristversäumung F 42 Erfüllung durch Bezugsberechtigten F 9 Exhumierung F 45 Frageobliegenheit F 18 fremde Rechnung, Unfallfremdversicherung für F 7 fremdes Verhalten F 6 fremdes Wissen F 6 Fristenversäumung F 13 Fristversäumung F 40 f Fristversäumung, Abgrenzung F 3 Fristversäumung durch Erben und Bezugsberechtigte F 42 gedehnter Versicherungsfall F 34 Gefahrenumstandsausschlußklauseln, Abgrenzung F 3 Gefahrerhöhung nach Antragstellung F 19 Gefahrerhöhung, Anzeige F 24 Gefahrslage, unveränderte nach Antrag F 19 Gefahrsperson, Entlastung F 8 Gefahrsperson, Gleichstellung mit Versicherungsnehmer F 5 Gefahrsperson als Schuldner F 7

Großbuchst, und Gefahrsperson, vorvertragliche F 17 Gefahrstandspflicht F 23 ff Gefahrumstand, bei Antragstellung nicht mitgeteilte F 15 ff Gefahrveränderung, Mitteilung nach Antrag F 19 Gesamtschuldtatbestand F 7 gesetzliche F 22 Gestattung der Leichenöffnung F 43 ff Gesundheitsverhältnisse, Verschlechterung F 23 Gewährleistungspflicht für Einhaltung F 7 Herzleiden, Nichtangabe bestehender F 18 Hinweispflichten, übergesetzliche F 4 Interesse des Versicherers F 35 Invalidität, Fristeinhaltung F 13 (keine) Schadensersatzpflicht F 4 Kraftfahrt-Unfallversicherung F 10 f; F 22 f; F 33, F 50 Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung F 10 Leichenöffnung F 3 Leichenöffnung, Gestattung F 43 ff Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Verletzung F 35 (nach) Eintritt des Versicherungsfalls F 34 ff Narkose F 52 Nichtanzeige eines Unfalls F 37 objektive Gefahrerhöhung F 33 Obliegenheitstheorien F 3 Operation, zumutbare F 52 Personenversicherungen, vorvertraglicher Anzeige F 20 Pflicht minderer Zwangsintensität F 4 Pietätsinteresse und Aufklärungsinteresse F 44 Rechtspflicht, Abgrenzung F 4 Rechtspflichten, Abgrenzung F 4 Rechtszwangstheorie F 4 Repräsentantenhaftung F 5, F 6-11 Risikobeschränkung durch Auferlegung F 12

Risikobeschränkungen, Abgrenzung F 4 Rollenspaltung, Verschuldungsprinzip F 7, F 8, F 42 Rollenspaltung, Versicherungsnehmer und Gefahrsperson F 4, F 7, F 17 Rollenspaltung und vorvertragliche F 17 Sanktion bei schuldhafter Verletzung F 35 Schadensanzeige F 36 ff Schadensminderung F 50 ff schuldhafte Verletzung, Sanktionen F 35 Schweigepflicht, Entbindung von ärztlicher F 46 Schweigepflicht, Entbindung der Berufsgenossenschaft F 48

ïer — Anm. [...]

Obm

Sektion, Gestattung F 43 ff Sektionsgenehmigung F 3 Spätschäden, Schutz gegen unklare F 13 subjektive Gefahrerhöhung F 33 Theorien F 4 Tod des Versicherungsnehmers F 9 Tod des Versicherungsnehmers und Schweigepflichtentbindung F 46 Todesanzeige F 39 übergesetzliche, Hinweispflichten F 4 Unfall, Verschweigen eines früheren F 18 Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung F 8 Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung F 7, F 21 Unfallgefahr, allgemeine Änderungen F 33 ungewollte Gefahrerhöhung F 33 Unterlassungsobliegenheiten F 7, F 8 Veranlassung eines Arztberichts F 47 Verbindlichkeiten, Abgrenzung F 4 Verbindlichkeitstheorie F 4 Verhalten Dritter, Zurechnung F 6 verhüllte F 12 Verschulden, eigenes F 5 Verschulden des Versicherten F 5 Verschuldensprinzip bei Rollenspaltung F 7, F 8, F 42 verschuldete Fristversäumung F 41 Versicherter und Versicherungsnehmer, Einstehen füreinander F 7, F 10 Versicherungsfall, Anzeige F 36 ff Versicherungsfall, Obliegenheiten nach Eintritt F 34 ff Versicherungsunfall, Auskunft F 38 vertragliche F 22 Vertragsgefahr F 16 vertrauensärztliche Untersuchung, Duldung F 49 Verweigerung einer Operation F 52 Verweigerung der Sektion F 44 (vor) Abschluß des Vertrags zu erfüllende F 15 ff (vor) Vertragsschluß zu erfüllende F 15 ff Voraussetzungstheorie F 4 Wissensvertretung bei vorvertraglichen F 17 Zumutbarkeit ärztlichen Eingriff F 52 Zweck F 35 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Ausschlußtatbestand, Abgrenzung G 133 Obliegenheitsverletzung Abwägung beiderseitiger A 43 Verwirkungsfolgen, Milderung A 43 obligatorische Unfallversicherung besondere Bedingungen für die von Fluggästen (Opuv) Β 56 Obmann bei Arzteausschuß G 299

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Öff

Sachregister

öffentliche Abgaben (als) Prämienteil E 2 örtliche Zuständigkeit Klage auf Entschädigungsleistung G 296 Operation, zumutbare F 52 ordentliche Kündigung (durch) Versicherer D 42 (durch) Versicherungsnehmer D 34 Organische Erkrankung Zentralnervensystem G 258 ff

Fälligkeit E 15 ff Fluggastrisiko E 13 freie Vereinbarung E 5 Gefahrenfortfall E 9 Gefahrengruppe, veränderte E 11 Gefahrerhöhung E 11 Gefahrtragung und Fälligkeit E 16 Geldentwertung, Berücksichtigung E 10 Geldleistung E 4 Geldschuld E 21 Herabsetzung bei Mehrfachversicherung E

Passivenversicherung Β 16, Β 18 pauschalierter Schadensersatz Β 12 Pauschalsystem (bei) Insassen-Unfallversicherung Β 43, 59 Insassen-Unfallversicherung G 320 Personenmehrheit als Versicherungsnehmer C 4 Personenschaden Sachschaden, Abgrenzung Β 18 Personenversicherung Anzeige bestehender F 20 und Einordnung der Unfallversicherung 8 Unfallbegriff G 4 versichertes Interesse Β 15 Pfändung Anspruch auf Entschädigungsleistung 15 Platzsystem (bei) Insassen-Unfallversicherung Β 43, 59 Insassen-Unfallversicherung G 321 Plötzlichkeit des Unfalls Kern des Unfallbegriffs G 60 Rechtsprechungsübersicht G 61 Standort im Unfallbegriff G 57 Unentrinnbarkeit G 59 Zweck, Inhalt G 59 positive Kausalität G 83 Prämie Anspruch auf trotz Anfechtung D 28 automatische Erhöhung E 10 bargeldlose Zahlung E 22 Barzahlung E 22 Beendigung, vorzeitige des Vertrags E 7 Berufstätigkeit, Änderung E 5 Berufstätigkeit, veränderte E 11 Dritter, Zahlung durch E 14 Ehegatte, keine Zahlungsverpflichtung 14 Einziehungsermächtigung E 24 Entgelt für Gefahrtragung E 10 Erfüllung E 21 ff Erhöhung E 10

Höhe E 5 ff Kraftfahrt-Unfallversicherung, Sonderregelung E 6 Leistungserfolg E 21 Leistungshandlung E 21 f Leistungsort E 21 Mahnung E 19 Mehrfachversicherung E 12 Nachholungsfrist für Zahlung rückständiger D 46 Naturalleistung E 4 pro rata temporis - Erhebung E 8 Ratenzahlung E 3 rechtzeitige Zahlung E 15 Scheckhingabe E 22 Schickschuld E 21 Schlüsselgewalt und Schuldner E 14 Schuldner E 14 Stundung E 3 Tarif E 5 Teilprämie bei vorzeitiger Beendigung E 7 Tod der Gefahrperon E 9 Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung H 39 Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung H 56 Verzug E 18 Wechselhingabe E 22 Zahlung E 14 Zahlung eines Dritten E 14 Zahlung nach Mahnung E 19 Zahlungsformen E 22 Zahlungspflicht E 3 ff Prämienrechnung Übersendung D 11 Prämienrückgewähr Unfallversicherung mit E 4 Prämienrückgewähr, Unfallversicherung mit Β 39 private Krankenversicherung Verhältnis zur privaten Unfallversicherung Β8 private Unfallversicherung Arten Β 35 ff Pro-Mille-Grenze G 196

12

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Β

Β

Η

Β

ff

E

Großbuchst, und Ziffer = Anm. [...] Probandenversicherung Abgrenzung gegenüber Unfallversicherung Β 21 Produktgestaltung Begriff A 36 Inhaltskontrolle von AVB A 66 psychische Einwirkung Ausschluß G 251 ff gezielte G 256 Körper-Seele-Abgrenzung G 256 Lebenssprachgebrauch G 256 Rechtsprechung G 252 f Schock G 256

Radfahrer Bewußtseinsstörung G 189 ff Radiumstrahlen G 237 Ratenzahlung Prämie E 3 (von) Folgeprämien E 18 Rechtspflichten des Unfallversicherers s. Unfallbegriff, Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse, Ausschluß des VersicherungsbegrifTs Rechtsprechung Änderung höchstrichterlicher C 31 Rechtsquellen Auslegung A 40 ff Übersicht A 1 ff Verhältnis zueinander A 37 Rechtszwangstheorie F 4 RegreD (bei) obligatorischer Luftunfallversicherung Β 85 (gegenüber) Krankenversicherer Β 82 Konkurrenz privater und sozialer Unfallversicherung Β 84 Regrefi des Versicherers (bei) Krankenhaustagegeld Β 13 (bei) Tagegeldern Β 13 Krankheitskostenversicherung für Dritten Β 17 Reichshaftpflichtgesetz vom 5. 6. 1871 Β 3, Β 55 relative Verkehrsuntiichtigkeit G 203 Rente an Hinterbliebene soziale Unfallversicherung Β 33 Rente an Verletzten soziale Unfallversicherung Β 33 Rentenneurose G 259 Repräsentantenhaftung (bei) Obliegenheiten des Versicherer F 5 ff Restitutionsaufwand A 13 Restriktionsprinzip A 57 Risiko, reguläres Übernahme G 131

Sch

Risiko, subjektives Einschätzung durch Versicherer A 17 Risikobegrenzung (durch) Ausschlüsse G 17 ff (durch) Klarstellung G 15, G 19 (in) Kraftfahrt-Unfallversicherung G 274 primäre und sekundäre G 15 ff; G 274 ff Risikobeschränkung (durch) verhüllte Obliegenheiten F 12 ff Risikoversicherung und Einordnung der Unfallversicherung Β 19 Röntgen-Klausel Β 45 Röntgenstrahlen G 237 Rollenspaltung Versicherungsnehmer und Gefahrperson F 4, F 7 Riickdatiening des Vertragsschlusses D 8 Rückgewährpflichten beiderseitige nach Rücktritt D 30 Rücktritt vom Vertrag C 7 Anfechtungsrecht, Konkurrenz D 29 Form D 30 Kausalität für Unfallereignis D 30 (und) Gefahrtragung D 30 Wirkungen D 30 Riickwärtsversicherung unechte D 8 Zulässigkeit bei Personenversicherung D 7 Ruhegeldkasse Leistungen aus und Vorteilsausgleich Β 51 Ruhen des Vertrags Beendigung C 37 (bei) Kraftfahrt-Unfallversicherungsvertrag C 36 Berufstätigkeit, Änderung C 34 militärische Formation, Dienstaufnahme C 34 Nachholungsfrist für rückständige Prämie D 46 durch Partei Vereinbarung C 33 Wirkungen C 37

Sachschaden Personenschaden, Abgrenzung Β 18 Sachversicherung Unfallbegriff G 4 Sachverständigenbegutachtung G 297 Sachverständiger, Ernennung G 299 Sachverständiger, Kosten G 300 Schaden Abstrahierung bei Schadensermittlung Β 12

Begriff Β 12

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Sachregister

Sch

Schadensersatz pauschalierter Β 12 nach pflichtwidrigem Verhalten des Agenten bei Vertragsabschl C 22 Schadensminderung (durch) Versicherungsnehmer F 50 ff Schadensversicherung A 10, Β 6 und Einordnung der Unfallversicherung Β 8, Β 11 Summenversicherung, Trennungsmöglichkeit Β 14 · (und) Vorteilsausgleichung Β 53 Scheck Prämie, Leistungshandlung durch Hingabe E 22

Schiedsgutachter G 299 Schlaganfall Ausschlußtatbestand G 161 Schlangenbiß G 127 Schlüsselgewalt (und) Prämienschuld E 14 (und) Vertragsabschluß C 6 Schock (als) seelischer oder körperlicher Vorgang G 256 Schriftform Kündigung D 32 Schuldner (der) Prämie E 14 Schutzpflichten (und) Obliegenheiten, Abgrenzung E 2 Schutzzwecklehre G 92 Schwarzfahrt Ausschluß G 275 Schweigen nach Zugang des Versicherungsscheins C 42 (über) vorvertragliche Krankheiten F 18 Schweigepflicht Entbindung von ärztlicher F 46 Entbindung der Berufsgenossenschaft F 48 Sehkraft teilweiser Verlust G 309 Sektion Gestattung F 43 f Selbstmord (bei) beeinträchtigter Steuerungsunfahigkeit G 72 f (bei) Bewußtseinsstörung G 72 Freiwilligkeit G 68 (nach) Unfall G 64 Selbstverstümmelung G 68, G 72 f Simulationsgefahr G 258 Sondergefahren Ausschlußtatbestand G 216 ff

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soziale Unfallversicherung Β 4 Anspruch, gleichzeitiger aus privater Unfallversicherung Β 83 Arbeitsunfall G 283 f Arbeitsunfall im weiteren Sinn Β 33 Ausgleichsanspruch, kein gegen privaten Unfallversicherer Β 83 Ausschlußtatbestände G 286 f Berufsgenossenschaften als Versicherungsträger Β 26 Berufshilfe Β 33 Berufskrankheit Β 33 Beteiligte Β 26 Entschädigungsanspruch, gleichzeitiger aus privater Unfallversicherung Β 83 Entschädigungsleistung, Voraussetzung G 281

Heilbehandlung Β 33 Innenverhältnis zwischen Versichertem und Unternehmer Β 28 Innenverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsträger Β 27 Kausalität G 285 Körperersatzstücke Β 33 Konkurrenz mit Ansprüchen aus privater Unfallversicherung Β 83 (kraft freiwilligen) Beitritts Β 32 (kraft) Gesetzes Versicherte Β 30 (kraft) Satzung Versicherte Β 31 Leistungen des Versicherungsträger Β 33 öffentlich-rechtliche Grundsätze Β 25 private Unfallversicherung, Überschneidung Β 34 Reichsversicherungsordnung Β 25 Rente an Hinterbliebene Β 33 Schuldner der Entschädigungsleistung Β 26 Sozialgesetzbuch, künftige Aufnahme Β 25 Sterbegeld Β 33 Übergangsgeld Β 33 Unfallbegriff G 4, G 282 Unterstützung, besondere Β 33 Verletztenrente Β 33 versicherte Personen G 281 Versicherungsfall Β 33 Voraussetzung für Versicherungsschutz Β 29 Wegeunfall Β 33 wesentlich mitwirkende Ursache G 287 Spekulation mit fremdem Leben und fremder Gesundheit Β 17 Spezialität (des) Ausschlußtatbestands G 126 Spezialitätsgrundsatz A 37 Spiel H 24 Abgrenzung gegenüber Versicherung Β 16

Großbuchst, und Staatshaftung Unfallversicherung als anderweitige Ersatzmöglichkeit Β 49 Sterbegeld soziale Unfallversicherung Β 33 Stillegung im Sinne des § 27 StVZO C 36 Straftatausführung Adäquanz G 1 SO Arten strafbarer Handlungen G 147 Ausschlußtatbestand G 144 ff Beweislast G 151 Teilnahme G 148 Versuch G 149 Zweck G 145 Straftatbegehung (und) Arbeitsunfall G 286 Strahlen-Unfallversicherung Β 44, G 240 ff Strahlenwirkungen Ausschluß G 237 ff Straßenverkehr Bewußtseinsstörung im G 172 Stundung Erstprämie E 16 der Prämie E 3 Sturz G 45 subjektives Risiko Einschränkung durch Versicherer A 17 Subsidiarität (gegenüber) privater Krankenversicherung Β 82

Summenveisicherung Bedarfsdeckung, Prinzip abstrakter Η 24 und Einordnung der Unfallversicherung Β 8, Β 10 Höchstsummenbeschränkung E 13 (keine) Doppelversicherung Β 80 Schadensversicherung, Trennungsmöglichkeit Β 14 (und) Vorteilsausgleich Β 51 Syphilis-Erkrankung Verschweigen und Vertragsanfechtung D 27 Syphiliserkrankung Verschweigen vorvertraglicher F 18 Τ Täuschung arglistige durch Versicherungsnehmer D 27 Tagegeld G 311 Entschädigungsleistung Β 13 Heilkostenersatz anstelle G 315 (in) Kraftfahrt-Unfallversicherung G 319 Regreß des Versicherers Β 13 Tarif E 5 Teilprämie bei vorzeitiger Beendigung E 7 ff

iffer » Anm. [...]

Unf

Temperatu reinfluß Ausschluß G 243 ff Thuringia-Versicherung Β 3 Tier, Verletzung durch G 30 Tod Gefahrperson und Prämienzahlung E 9 der Gefahrsperson D 24 Hinrichtung G 20 (im) Konzentrationslager G 20 (nach) Unfall F 39 Todesfallentschädigung Bemessung G 305 Bezugsberechtigter, Bestimmung H 60 Invaliditätsentschädigung, Alternativverhältnis G 305 (keine für) Kinder bis 14. Lebensjahr Β 36 Kraftfahrt-Unfallversicherung G 319 Krankheit, Gebrechen, mitwirkendes G 305 Kürzung G 305 Leistung G 305 (und) Tagegeld G 311 Ursächlichkeit mehrerer Faktoren G 305 Tollwut, Biß eines Tieres G 127 Transportversicherung Unfallbegriff G 4 Trennungstheorie vorläufige Deckungszusage und Hauptvertrag C 27 Treuepflichten (und) Obliegenheiten, Abgrenzung E 2 Treuhandverhältnis (bei) Insassen-Unfallversicherung Β 62 U Überanstrengung G 61 Übergangsentschädigung G 318 Übergangsgeld soziale Unfallversicherung Β 33 überhängender Versicherungsfall D 15 Übermüdung Bewußtseinsstörung, Abgrenzung G 173 unechte Rückwärtsversicherung D 8 Unentrinnbarkeit (des) Unfallgeschehens G 59 Unfall-Versicherungs-Verband Β 4 Unfall-Zusatzversichening Β 20 Unfallbegriff s.a. Gesundheitsschädigung s.a. Unfallereignis Arbeitsunfall G 283 f Auslegung G 4 Ausschlüsse G 17 ff Begriffsanalyse G 6 Deckungspflicht, Verhältnis zur Entstehung der G 2 Definition G 2

561

Unf

Sachregister

Unfallbegriff (Fortsetzung) einheitlicher G 4 Einschlüsse G 16 Entwicklung G 3 Ereignis G 6 Folge des Vorgangs G 7 gedehnte Unfallfolgen G 12 gedehntes Unfallereignis G 10 Gefahrbeschreibung G 7 Gesamtvorgang G 7 Gesundheitsschädigung G 6 Gesundheitsschädigungen, später folgende G 11 Gleichstellung, Unfall mit gedehntem Versicherungsfall G 13 f Grenzfälle und Unfallbegriff G 15 ff Heilbedürftigkeit G 7 Hinrichtung G 20 (in) sozialer Unfallversicherung G 282 ff Invalidität G 7 isoliertes Ereignis G 6 körperliche Schädigung G 7 Lebenssprachgebrauch, Bedeutung G 20 mehraktiges Unfallereignis G 10 Personenversicherung G 4 primäre Risikobegrenzung G 15 ff Risikobegrenzung, primäre und sekundäre G 15 ff Risikobeschreibung G 7 Sachversicherung G 4 sekundäre Risikobegrenzung G 15 ff Struktur G 5 Tatbestandsmerkmal G 7 Tod G 7 Transportversicherung G 4 (und) gedehnter Versicherungsfall G 9 (und) Versicherungsfall G 7 Unfallereignis G 6 Unfallereignis, gedehntes G 10 Unfallereignis, mehraktiges G 10 Unfallfolgen, gedehnte G 12 Unfallfolgen, Unterscheidung G 7 Vergiftung, Ausschluß G 20 Versicherungsfall G 6, G 8 ff Vorgang G 7 Zeitraum zwischen Ereignis und Folgen G 11 Unfallereignis Abkühlung G 61 ärztliche Fachterminologie G 24 Anheben eines schweren Gegenstandes G 49 f Anschieben eines Kfz G 61 Anstrengung, gefährliche G 49 f Anzeige F 36 ff Arbeit, planmäßig und überanstrengende G 50

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Auskunft über deckungspflichtigen F 38 Badetod (Schrecken oder Ertrinken) G 55 beleidigende Äußerung G 24 Berufstätigkeit, normale G 50 Blitzschlag, Einwirkung G 53 Eigenbewegung G 44 ff eigenes Verhalten, Beitrag G 44 ff Eigenverhalten, korrektes G 28 Eignung zur Gesundheitsschädigung G 23 Einatmen G 45 Elektrizität G 52 f Ereignis G 22 Ereignis, von außen wirkendes G 51 Erleiden G 60 erste Stufe des Unfallgeschehens G 21 Ersticken durch Einatmen zufällig ausströmender Gase G 45 Ertrinken G 35 ff Fachterminologie der Ärzte G 24 Fallgruppen G 27 ff Fleischvergiftung G 61 freiwillig gewollte körperliche Anstrengung G 49 Fremdverhalten, gesteuertes G 29 gedehntes D 16 gesteuertes Fremdverhalten G 29 Gesundheitsbeschädigung, zeitlicher Abstand D 17 Heben eines schweren Gegenstandes G 49 f Hinrichtung G 61 Hypnoseeinwirkung G 24 Körper des Versicherten, Wirken auf G 24 körperliche Anstrengung, freiwillig gewollte G 49 Konzentrationslager, Tod im G 61 korrektes Eigenverhalten G 28 Kraftanstrengung beim Anschieben eines Kfz G 61 Kraftanstrengung, plötzliche G 50 Krankheit, Abgrenzung G 60 Krankheitskostenversicherung, Abgrenzung G 60 kupiertes Unfallereignis G 55 ff Lage als Unfallereignis G 55 mechanische Einwirkung G 23 Mißhandlung G 29, G 60 Nichtvorausgesehenes G 59 Plötzlichkeit G 57 ff; G 61 psychische Einwirkungen G 23 Reiten, überanstrengendes G 61 Schlaganfall nach Sport G 50 Schreckwirkung durch Blitzschlag G 52 Schreckwirkung einer Stromeinwirkung G 52 Schwachstromberührung G 52 Seeleneinwirkung G 24

Großbuchst, und Ziffer = Anm. [...] Sportunfall G 50 Sturz G 44 f Sturz in Graben mit tödlicher Folge G 55 Systematik G 27 Tätigkeit, planmäßige, beherrschte und gesteuerte G 51 Tiere, Verletzung durch G 30 Tötung durch Dritte G 60 Tragen schwerer Gegenstände G 50 Trauerbotschaft, Wirkung G 24 Unentrinnbarkeit G 59 Unerwartetes G 59 Unfallfolgen, Trennung D 17 Unfallschock G 24 Verbrennung durch Elektrizität G 52 Vergiftungen G 31 ff Verhalten, Beitrag eigenen G 44 ff Wassereinwirkung G 39 Wasserleiche G 42 f Wirken des Ereignisses G 23 Wirken auf Körper des Versicherten G 24 Wundscheuern des Fußes G 46 Zeitraum des Ereignisses G 59 Zufälligkeit des Ereignisse G 60 Zustand als Ereignis G 53 Unfallereignis Ersticken nach Verschlucken G 25, G 34 Gasvergiftung G 25, G 31 Infektionskrankheit G 25 Krankheit, Abgrenzung G 25 Plötzlichkeit G 26 (von) außen wirkendes Ereignis G 25 Wundinfektion G 25 Unfallfolge Heilbedürftigkeit D 18 Invalidität D 18 Unfallereignis, Trennung D 17 zeitlich gedehnte D 18 Unfallfremdversicherung für eigene Rechnung Angabe über eigene Rechnung H 29 Annahmeerklärung H 30 Anspruch im Zweifel des Dritten H 3 Anwendung des § 179 III 1 H 36 Auslegung H 4 Beendigung des Vertrags H 41 Besonderheiten (Übersicht) H 3 Einwilligung durch Bevollmächtigten H 35 Einwilligung, fehlende H 37 (fehlende) vermögensmäßige Bindung H 24 Gefährdung trotz Einwilligung H 26 Gefahrfortfall H 42 Gefahrperson H 16 f Gefahrsperson, Bezeichnung H 28 Gefahrsperson steht außerhalb Vertragsverhältnis H 38 Gefahrtragung H 23

Unf

gesetzlicher Vertreter der Gefahrsperson H 33 gesetzlicher Vertreter als Versicherungsnehmer H 34 Interessefortfall H 42 Interessemangel, vorübergehender H 43 (keine) Bedarfsdeckung H 24 Lotterie H 24 Nichttigkeit H 22, H 29 Obliegenheiten H 40 Obliegenheitsverletzung F 8 Prämienschuld H 39 Problematik H 18 Rechtsfolgen fehlender Einwilligung H 37 Schadensversicherung H 26 schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson H 32 schutzwürdiges Interesse H 23 Spiel H 24 Tod der Gefahrsperson H 41 Versorgungsinteresse H 25 Vertragsschluß H 27 Vertreterhandeln H 35 Vollmacht H 35 Wette H 24 Wettversicherung H 22 Willensmängel H 31 Wirksamkeit H 24 f Wirksamkeitsvoraussetzungen H 20 ff Zustimmung, Prinzip formaler H 21 Zustimmungsprinzig, Schwächen H 26 Zweifelsregelung in § 179 II 1 VVG H 4 Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung anwendbare Vorschriften H 46 Anzeige auftragbarer Versicherung F 21 Beendigung des Vertrags H 58 Besonderheiten H 55 Dreiecksverhältnis H 55 Einigung H 50 Gefahrenfortfall H 59 Inhaltsirrtum H 53 Interessefortfall H 59 Obliegenheiten H 57 Obliegenheitsverletzung F 7 Prämienschuld H 56 Rechnung für den, den es angeht H 52 Rollenspaltung Gefahrperson und Versicherungsnehmer F 4 Täuschung H 54 Vertrag zugunsten Dritter H 44 Vertragsschluß H 49 Verweisung auf §§ 74-79 H 45 Verweisung auf § 75 I 1, 2 H 47 Willensmängel H 53 Unfallfremdversicherung für Rechnung, wen es angeht H 52

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Unf

Sachregister

Unfreiwilligkeit Beweislast G 74 ff (der) erlittenen Gesundheitsschäden G 67 ff Vermutung G 75 ff UngewiDheit des Versicherungsfalls Β 19 Unklarheitenregel A 46, A 48, A 58 Unmöglichkeit anfängliche des Vertrags C 3 Unruhen, innere Ausschlußtatbestand G 141 ff Begriff G 143 Kraftfahrt-Unfallversicherung, Ausschluß G 276 Teilnahme auf Seiten der Unruhestifter G 143 Unterbrechung (von) Vertragspflichten C 35 Unterlassungsbegehren nach § 13 AVB A 68 Unterlassungsobliegenheit F 7 Unterleibsbrüche Ausschluß G 248 ff Unternehmer Begriff Β 26 Berufsgenossenschaftsmitglieder kraft Gesetz Β 26 Unterschenkelgeschwür Ausschluß G 263 ff Begriff G 266 Untersuchungsbericht ärztlicher, Einsichtnahme F 53 V Veranstaltung Vertrag für bestimmte D 25 Verband der Unfall-Versicherungsgesellschaften G 3 Verbandsbedingungen von 1904 D 35 Verbindlichkeitstheorie F 4 Verbriefung des Vertrags Versicherungsschein, Bedeutung C 39 Verfügungen (von hoher) Hand G 276 Vergiftung Ausschluß G 222 ff Gasvergiftung G 31 sonstige Vergiftungen G 32 Vergleichsverfahren über Versicherer A 33 verhüllte Obliegenheit (und) Ausschlußtatbestand G 133 Verhüllte Obliegenheiten (und) Risikobeschränkung F 12 ff Verjährung Entschädigungsanspruch G 294 Verlängerungsklausel D 20

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Verlängerungsschein und Verlängerungsklausel D 20 Verlängerungsverbot kein versicherungsrechtliches D 22 Vermutung (für) Unfreiwilligkeit erlittener Gesundheitsbeschädigung G 75 ff Verpfändung (des) Anspruchs des Versicherungsnehmers H 13 ff (des) Bezugsrechts H 13 Verrenkung (nach) Kraftanstrengung G 105 (von) Gliedmaßen G 112 Verschulden Verletzung der Auskunfts- und Anzeigeobliegenheit F 40 ff Verschulden bei VertragsabschluB C 20 Verschweigen (eines) Gefahrumstandes D 27 (über) Gefahrumstand D 27 vorvertraglicher Erkrankungen F 18 Versicherer Ablehnung der Leistung G 292 Agent als Erfüllungsgehilfe C 22 Anerkenntnis G 291 Anfechtung des Vertrags C 7 Anfechtungserklärung D 28 Annahme, verspätete des Vertragsantrags C 17 Antragsbearbeitung C 21 Aufklärungspflicht C 22 Belehrungspflicht A 43 Beratungspflicht C 22 Deckungszusage, vorläufige C 24 Erfüllungspflicht für Zusagen des Agenten C 23 Geschäftsgebühr E 25 Geschäftsunkosten, allgemeine E 25 Illiquidität, nachträglich eingetretene D 41 Information über Unfallfolgen F 46 Informationsinteresse F 4 Kenntnis mehrfacher Versicherung A 17 Konkurs A 31 Kündigung nach Obliegenheitsverletzung A 43 Kündigungsrechte D 42 ff Leistungsablehnung G 292 Leistungspflicht nach Verzug mit Folgeprämie E 19 Naturalersatz A 11 Obliegenheiten F 2 Regreß Β 13 subjektives Risiko, Einschäzung A 17 Übermittlung, Risiko für fehlerhafte des Agenten C 44 Vergleichsverfahren, keine Eröffnung A 33

Großbuchst, une Versicherungsschein, Aushändigung C 40 verspätete Vertragsannahme C 17 Vertrauensarzt F 49 Verzug G 293 vorläufige Deckungszusage C 24 versichertes Interesse Β 15 ff Versicherungsaufsichtsgesetz anwendbare Vorschriften A 31 Versicherungsfähigkeit C 7 Versicherungsfall Begriff G 7 gedehnter D 7, D 15 gedehnter und Unfall G 9 ff (nach) Gefahrerhöhung E 11 Obliegenheiten nach Eintritt F 34 ff überhängender D 15 (und) Unfall G 8 Versicherungsnehmer Abtretung seines Anspruchs H 8 ff ärztliche Anordnungen, Befolgung F 52 Arztzuziehung F 51 Duldung vertrauensärztlicher Untersuchung F 49 Einstehen für Wissen und Verhalten Dritter F 6 ff Entbindung von Schweigepflichten F 46 ff gesetzlicher Vertreter der Gefahrsperson H 34 Gewährleistung für Obliegenheit Dritter Kündigungsrecht D 34 ff Obliegenheiten s.a. Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Operation, Zumutbarkeit F 52 Rechtspflichten E 1 ff Schadensminderung, Sorge für F 50 ff Tod nach Unfall F 39 ff (und) Gefahrperson, Rollenspaltung F 4 Unfallherbeiführung G 221 Untersuchungsbericht, Einsichtnahme F 53 Widerspruch gegen Versicherungsschein C 45 Zurechnung fremden Verschuldens bei Obliegenheit F 5 Versicherungsschein Abweichungen, genehmigte C 43 Anspruch auf Ausstellung C 40 Aushändigung C 41 Bedeutung C 39 Beginn der Vertragsdauer, Angabe D 19 Beweisfunktion C 39 Billigungsklausel C 42 Dauer des Vertrags, Angabe D 4 Einziehungsermächtigung, gleichzeitige Aufforderung D 11 Ende des Vertrags, Angabe D 19

iffer = Anm. [...]

Verf

Entgegennahme eines mit abweichendem Inhalt C 42 Gefahrtragung vor Einlösung D 6 Genehmigungsfiktion C 42 Inhalt C 39 (kein) Wertpapier C 39 Klarstellungsfunktion C 43 konstitutive Wirkung C 42 Ordnungsfunktion C 42 Postübersendung D 10 Prämienrechnung, gleichzeitige Übersendung D 11 Schuldschein C 39 Standardisierung C 39 Übersendung und Zugang C 41 Urkunden, übergebene als Bestandteil C 43 Widerspruch gegen zugegangenen C 43 ff Zahlkarte, gleichzeitige Übersendung D 11 Versicherungsschutz Ausschluß s. Rechtspflichten des Unfallversicherers Ehtschädigungsleistungen s. Ausschluß des Versicherungsschutzes Erweiterung durch Einschlüsse s. Entschädigungsleistungen s. Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Einschlüsse Versicherungssteuergesetz E 2 Versicherungsunfähigkeit Kraftfahrt-Unfallversicherung G 277 nachträgliche G 167 Versicherungsunfihigkeit, nachträgliche D 23 Versicherungsvertrag Β 25 Versicherungswert Β 80 Verspätung Vertragsannahme durch Versicherer C 17 Vertrag zugunsten Dritter Unfallfremdversicherung für fremde Rechnung Η 94 vertragliche Obliegenheiten F 22 vertragliche Rechtsquellen A 36 Vertragsabschluß s. Abschluß des Vertrags Vertragsänderung s. Änderung des Vertrags Vertragsbedingungen einseitig vorformulierter A 46 Vertragsbeendigung s. Beendigung des Vertrags Vertragsdauer s. Dauer des Vertrags Vertragsergänzung Auslegung, Abgrenzung zur A 60 Vertragsgestaltung atypische Β 46 Vertragskündigung s. Kündigung des Vertrags Vertragsschluß A 36 Vertreter Antragstellung durch C 8

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Sachregister

Ver

Verwirkung Milderung der Folgen bei Obliegenheitsverletzung A 43 Versicherungsanspruch nach Aufklärungspflichtverletzung F 4 Verzug (des) Versicherers G 293 (mit der) Folgeprämie E 18 Victoria-Versicherung Β 3 Vorsätzlich herbeigeführter Unfall G 69 Volks-Unfallversicherung Β 38 Volljährigkeit des Versicherungsnehmers C 5 Vorabschluß sonstiger Personenvn. A 17 Voraussetzungstheorie F 4 Vorinvalidität G 310 vorläufige Deckungszusage Abschluß des Vertrags C 26 Anfechtbarkeit, selbständige C 27 Beendigung C 28 B e g r i f f e 25 Dauer C 28 Einheitstheorie C 27 Gefahrtragung vor Einlösung des Versicherungsscheins D 6 Hauptvertrag, Verhältnis C 27 in Kraftfahrt-Unfallversicherung C 24 praktische Bedeutung C 24 rückwirkende, Außerkraftsetzung C 28 Schriftform D 6 Trennungstheorie C 27 Zweck C 25 Zweckerreichung C 28 Vormundschaftsgericht Genehmigung des Vertrags C 5 Vortäuschung eines Falles Indiz A 17 Vorteilsausgleichung Anrechnungsbefugnis, Abgrenzung Β 48 freigebiger Zuwendungen der Versicherung durch Dritten Β 52 Ruhegeldkasse Β 51 Schadensversicherung, Leistung der Unfallversicherung als Β 53 Sparversicherung Β 50 Summenversicherung, Leistung der Unfallversicherung als Β 51 Zusatzleistung eines Arbeitgebers Β 51 Zweck Β 50 vorweggenommene Einigung über Vertragsänderung C 30 W Wahlrecht Gericht und Ärzteausschuß G 298

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Wassereinwirkung G 39 Wechsel Prämie, Leistungshandlung durch Hingabe E 22 Wert des versicherten Interesses A 13 Wette H 24 Abgrenzung gegenüber Versicherung Β 16 Widerspruch nach Zugang des Versicherungsscheins C 43 ff Wirken (des) Unfallereignisses G 23 ff Wissensvertretung vorvertragliche Anzeigenobliegenheit F 17 Witterungseinflufl Ausschluß G 243 ff Wortlaut (als) Auslegungsausgangspunkt von AVB A 53 Wundinfektion Ansteckungsstoff, durch Unfallverletzung in Körper gelangter G 117 ff Begriff G 119 Eindringen des Ansteckungsstoffs G 122 Erregerweg G 124 Infektionsklauseln G 128 Infektionskrankheit, Abgrenzung G 234 Plötzlichkeit, fehlende G 127 Rechtsprechung G 121 Schlangenbiß G 127 tollwütiges Tier G 127 (und) Blutvergiftung G 120

Zahlung (durch) bargeldlosen Zahlungsverkehr E 23 Erstprämie und Gefahrtragung D 6 Erstprämie, verzögerte Zahlung E 17 (ohne) Verzug D 12 rechtzeitige der Prämie E 15 Zahlungsfrist (nach) Verzug mit Folgeprämie E 19 Zahlungsklage (des) Versicherungsnehmers G 295 Zeitablauf des Vertrags D 14, D 19 Zeitpunkt Anforderung der Erstprämie D 11 Vertragsbeginn D 9 f Zeitraum (zwischen) Unfallereignis und Folgen G 11 (zwischen) Unfallereignis und Gesundheitsbeschädigung F 37, G 11 Zeitschriftenversicherung Β 40 Zeitverträge D 13

Großbuchst, une Zeitvertrag mit Verlängerungsklausel D 20 Zentralnervensystem Erkrankung G 258 f Zerreißung (an) Wirbelsäule G 115 (nach) Kraftanstrengung G 107 (von) Gliedmaßen G 114 Zerrung (an) Wirbelsäule G 115 (nach) Kraftanstrengung G 106 (von) Gliedmaßen G 113 Zugang Versicherungsschein C 41 Versicherungsschein und Zahlung Erstprämie D 10 des Vertragsantrags C 14

der

ffer = Anm. [...]

Zwe

Zurechnung fremden Verhaltens F 6 ff fremden Wissens F 6 ff Zusagen des Agenten und Erfüllungspflicht C 23 Zusatzversicherung Β 20 Zustand (als) Unfallereignis G 54 Zustandekommen des Vertrags C 19 Zustimmung (der) Gefahrsperson H 21 Zweck Auslegung A 55 Zweckerreichung vorläufiger Decku'ngszusage C 28

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