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German Pages VIII+302 [314] Year 1964
STUDIEN ZUR ENGLISCHEN P H I L O L O G I E NEUE FOLGE Herausgegeben von Gerhard Müller-Schwefe und Friedrich Schubel Band 3
KÖNIG ALFREDS BOETHIUS
VON
KURT OTTEN
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1964
Als Habilitationsschrift gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft 0 Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1964 Alle Rechte vorbehalten • Printed in Germany Gesamtherstellung: Großdruckerei Erich Spandel, Nürnberg
INHALT VORWORT EINLEITUNG a. Die Texte der Alfredschen Vorlagen b. Die Kapiteleinteilung des Boethius
VII 1 9 11
Kapitell
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ZUM INHALT a. Die Umdeutung stoischer und neuplatonischer Elemente b. Eine christliche Güterlehre c. Verdienste und Werkgerechtigkeit d. Sünden und Schuld e. Schuld und Wille f . Göttliche Vorsehung und menschliche Freiheit g. Wyrd — Fatum (Fortuna) h. Dualismus und Gradualismus /. Seele und Weisheit j . Der königliche Gestus
14 14 21 35 42 49 57 60 70 80 99
Kapitel II
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DIE KOMMENTARE a. Der Einfluß lateinischer Kommentare 1. 2. 3. 4. 5.
Die Auflösung von Metaphern Vereinfachende Erklärungen Scholien historischen, mythologischen und kosmologischen Inhalts Die allegorische Interpretation Sonstige theologisch-philosophische Scholien der Kommentare
b. Der Beitrag der Kommentare %u Alfreds Boethius Kapitel III
ZUR FORM a. Die Begriffssprache der Philosophie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Natura Geist und Seele Mod sawol ratio — (causa), sensus, imaginatio, intellegentia ratio — causa ordo
119 119 . . .
121 122 125 141 151
155 158
158 158 160 165 165 173 176 180 183
V
b. Die Stellung Alfreds %urphilosophischen Methode des Boethius c. Alfreds Lateinkenntnisse und die Hilfe seiner Gelehrten d. Die Technik der Alfredschen Übersetzung 1. Beispiele „wörtlicher" Ubersetzung
e. Der Stil der Alfredschen Übertragung 1. 2. 3. 4. 5.
187 193 200 206
211
Zum Stil der Consolatio philosophiae Nominalstil — Verbalstil Der Stilcharakter der Erweiterungen Die Auflösung der Periode Die Sprache Alfreds in der Emphase
213 215 217 221 226
f . Alfreds Lebensbereich in seiner Übertragung g. Alfreds Bildersprache h. Die Gestaltung der Exempla
238 240 256
ZUSAMMENFASSUNG
264
a. Die Verwandlung der lateinischen „Consolatio" in Alfreds Übertragung 264 SUMMARY
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LITERATURVERZEICHNIS
289
REGISTER
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VI
VORWORT
Die ersten Umrisse einer Arbeit zur Boethius-Tradition in der mittelalterlichen Literatur Englands konnte ich noch mit Herrn Professor Dr. C. A. Weber wenige Wochen vor seinem Tod erörtern. Die Ausarbeitung und die Niederschrift der Arbeit wurde ermöglicht durch eine zweisemestrige Beurlaubung von der Assistententätigkeit, die ich mit sonstiger freundlicher Förderung Herrn Professor Dr. G. MüllerSchwefe danke. Herrn Professor Dr. Otto Funke aus Bern schulde ich Dank für die vernünftige Einschränkung des Themas, den Herren Professoren Dr. H. Marchand und Dr. H. Metzger für Belehrung, Ermutigung und Anerkennung. Ferner gilt mein Dank der Gastfreundschaft des Benediktinerklosters Einsiedeln/Schweiz und dort im besondern dem Bibliothekar, Pater Leo Helbling,0. S. B., für seine Hilfe bei den Handschriften. Für die Einrichtung der Arbeit und die Hilfe bei der Korrektur danke ich Fräulein Renate Koberstein, Tübingen. Sollte es der Arbeit, die 1961 abgeschlossen wurde, gelungen sein, die verhältnismäßig engen Grenzen, in denen bisher das literarische Schaffen Alfreds gesehen wurde, auszuweiten, so ist das nur möglich geworden auf den Wegen, die einige der großen Gelehrten unserer Zeit gewiesen haben: E. R. Curtius, P. Courcelle, E. Gilson, F. Klaeber, Fr. Klingner, M. L. W. Laistner, C. S. Lewis, E. K. Rand und L. L. Schücking. K. Otten
VII
EINLEITUNG Boethius ist mehr als der Name eines spätantiken eklektischen Philosophen, von dem wir annehmen dürfen, daß er in der Zeit eines kulturellen und politischen Zusammenbruchs einer gemeinschafts- und kulturbewußten Überzeugung lebte, die er weiterzugeben versuchte und dann schließlich in der Einsamkeit der Todeshaft in klarer, unpathetischer Eindringlichkeit vor Gott und der Nachwelt bestätigte. Man kann seine Wirkung in der Vergangenheit des Mittelalters, aber auch die Treue, die ihm heute immer wieder gehalten wird, nur damit erklären, daß sein Name stellvertretend steht für seine umfassende und komplexe, aber zugleich erstaunlich klar definierbare Welt geistiger Erkenntnis, die einer tiefen Sehnsucht des Menschen zugeordnet ist, dem Streben, seinem begrenzten Dasein einen unbegrenzten Sinn zu geben. Es geht dabei nicht um die Dinge, die den Menschen von außen her Glück, Liebe, Macht und Ansehen erfahren lassen, sondern um jenen letzten Sinn, der bleiben soll, wenn alles andere längstverbraucht und zerbrochen zurückgeblieben ist. Es geht um das Wissen, das den Menschen vom Leid des Daseins befreit durch Einsicht in sein geistiges Wesen, in den Geist von Mensch und Natur, Welt, Kosmos und Gott, durch die Erfahrung, daß alle Dinge zueinander bezogen sind in Sinn und Geist ihres Ursprungs und ihres Ziels. Die Philosophie des Boethius ist ein Teil jener Philosophie im eigentlichen Sinne, die A. H U X L E Y als philosophia perennis bezeichnet und die im Lauf unserer Geschichte immer wieder zumal in den Krisen des Bewußtseins hervorgetreten ist. E. R. C U R T I U S hat sie in seinem Emerson-Aufsatz als „All-Einheits-Lehre" bezeichnet, die „alle Philosophien, alle Religionen, alle Systeme" überdauert.1 Eine der schönsten Gestaltungen unserer Zeit, dazu noch im Anschluß an Boethius, verdanken wir T. S. E L I O T S FourQuartets? 1
E. R. Curtius, „Emerson", Kritische Essays %ur europäischen Literatur (Bern, 2 1950),
190. 2 V g l . St. Bergsten, "Time and Eternity", Studio Litterarum Upsaliensia 1 (Stockholm, 1960), 98 ff.
1 Otten, Alfreds Boethius
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Die geistige Uberzeugung des Boethius, seine Vorstellung vom allumfassenden Geist des Göttlichen, lebt in vielen Formen, wenn auch sein Werk und sein Name nur unklar erinnert werden. Aber in der Frühe des 9. und 10. Jahrhunderts war es sein Werk, das vor allen anderen, vor dem Somnium Scipionis und dem Kommentar des Macrobius, auch vor Augustin von jenem mächtigen Bei-sich-selbst-Sein von Geist und Seele in der Kraft des Guten spricht, von dessen Identität mit Gott und von der entsetzlichen Tragik des irrenden Menschen, der sein Selbst durch das Böse vernichtet. Es steht, wohl auch den Lehrern jener Zeit deutlich vernehmbar, eine andere Gesinnung hinter der Consolatio als die der großen Kirchenlehrer, wenn Begriffe wie Gnade, Sündhaftigkeit, Erlösung und ähnliche fehlen, und auf den folgenden Seiten wird oft von diesen Unterschieden die Rede sein. Neben die gesicherten Wahrheiten des Glaubens tritt eine Wahrheit philosophischer Einsicht, die den Glaubenswahrheiten nicht widerspricht, ihnen noch nicht einmal fremd ist, aber doch auch anders. Diese Weisheit des Philosophen geht zusammen mit einer beinahe unvorstellbaren Fülle von Einzelerkenntnissen, kosmologischen, physiologischen und historischen Daten: exaktes Weltwissen, bezogen auf jene große Harmonie der göttlichen Welt. Dazu ist die Consolatio beinahe ein Abriß der antiken Philosophie und mehr als ein solcher. K A R L B Ü C H N E R hat sie folgendermaßen eingeschätzt: Seine Consolatio aber faßt souverän mit gewaltiger Kenntnis der Werke die Gedanken der antiken Philosophie zusammen und denkt sie weiter.3 Die Strahlkraft des kleinen Werkes, das in etwa vierhundert Handschriften überliefert ist, war so groß, daß sie im Lauf weniger Jahrhunderte eine ganze literarische Kultur zu durchdringen vermochte; aber darüber wurde die eigentliche Quelle immer schwieriger lokalisierbar : When a medieval writer discusses a topic like true nobility or free will in the language or at least according to the general argument of the Consolatio, we cannot teil to-day whether he derived his thoughts from Chaucer or Dante or the Roman de la Rose or from Boethius himself for they all contain something of the same material.4 Was W . H.
AUDEN
von Sigmund Freud gesagt hat, gilt für Boethius in
3 K. Büchner, „Uberlieferungsgeschichte der lateinischen Literatur des Altertums", Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftenwesen (Zürich, 1961), I, 367. 4 H. R. Patch, The Tradition of Boethius (New York, Oxford, 1935), 25.
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jener Zeit: "He is no more a person . . . but a whole climate of opin•
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ion. Für die englische Literatur beginnt die Geschichte einer ihrer reichsten Traditionen, soweit wir wissen,6 mit König Alfred. Im Grunde ist sie wenig erforscht. Wir besitzen in der Untersuchung von K O N R A D BURDACH, 6 mehr noch in dem Buch von H O W A R D R . P A T C H 7 Werke, die die weiten Horizonte dieses Einflusses in der europäischen Literatur abstecken, die hauptsächlichsten Strömungen aufzeigen und die Fülle der wichtigen Namen und Werke weiterer Forschung zugänglich machen, aber die Geschichte dieser Tradition vor allem in den volkssprachlichen Literaturen ist noch zu schreiben. Es gilt vor allem darzustellen, wie und unter welchen Bedingungen eine erste Aufnahme stattfindet, warum in einigen Bereichen eine fruchtbare Begegnung eintritt, in anderen dagegen ausbleibt, welche Modifikationen durch das Medium der Volkssprache gegeben sind, warum einzelne Züge zu bestimmten Zeiten und bei gewissen Autoren zurücktreten, während andere sich überall in den Vordergrund drängen. Ganze Ketten literarischer Motive und Topoi gehen von Boethius aus und bleiben der Literatur bis weit in das 18. Jahrhundert erhalten in einer Fülle vón Varianten. Es sollte aber auch deutlich werden, wie die Sprache fertig wird mit den Problemen, die Boethius ihr stellt, wie der Eigencharakter der volkssprachlichen Tradition wirksam ist und wie die Einflüsse sich mischen oder erhalten. Diese Arbeit kann nur ein Anfang sein. Sie stellt diese Fragen und versucht sie zu beantworten auf der frühesten Stufe, auf der wir in der englischen Literatur Boethius begegnen, in der so erstaunlich freien und doch so demütig gebundenen Übertragung des Königs Alfred. Es wird im Verlauf der Arbeit deutlich werden, warum wir in dieser Übertragung eine der erstaunlichsten Leistungen und der fruchtbarsten Begegnungen der mittelalterlichen englischen Literatur erkennen dürfen und den Beginn der englischen Prosa als einer Kunstform des personhaften Ausdrucks. Wenn auch Alfred neben Chaucer der einzige Autor ist, bei dem man im Englischen von einer wirklichen Boethius-Forschung sprechen kann, so liegt doch noch Dunkel über den wichtigsten Fragen. Bis • Vgl. S. 70, Anm. 38 d. Arbeit. • K. Burdach, „Die humanistischen Wirkungen der Trostschrift des Boethius im Mittelalter und in der Renaissance", DVJS XI (1933), 530 ff. 7 H. R. Patch, The Tradition of Boethius (New York, Oxford, 1935). I1
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heute ist es lediglich eine Frage der Meinung, welche Ziele Alfred verfolgte, über welche Fähigkeiten er verfügte, wie sehr Umwelt und eigene Anschauung sein Verständnis des Boethius bestimmten, welche Hilfsmittel er besaß, wie die Leistungen seiner Gelehrten einzuschätzen sind, und es herrschen die ärgsten Zweifel, ob er nicht besser übersetzen wollte oder nicht besser übersetzen konnte. Von einer einheitlichen Leistung nach Plan und Ziel und einer organischen Auffassung wagt man kaum zu reden, wo man die Leistung anerkennt, herrscht doch der Ton der Entschuldigung. Die letzten Zweifel, ob es sich um eine frühe oder späte Übersetzung handelt, sind noch nicht ausgeräumt. Es ist umstritten, welche Zusätze zur Übertragung von König Alfred stammen und welche aus Kommentaren entnommen sind, ebenso ist es unklar, welche Kommentare in Frage kommen. Diese letzte Frage wird auch unsere Arbeit nicht eindeutig beantworten können, wenn sie auch die Beurteilung erleichtern mag. Wir betrachten den Stand der Forschung im einzelnen. beschrieb im Jahr 1 8 8 1 eine Handschriftengruppe lateinischer Boethiuskommentare8 und erbrachte mit ihrer Hilfe den Nachweis, daß König Alfred bei der Übersetzung und Interpretation des Boethius von diesen Kommentaren Gebrauch gemacht hatte.9 Hatte man bis dahin angenommen, daß Alfreds kommentierende Übersetzung im ganzen eine eigenständige Leistung darstellte,10 so sah man sich nun genötigt, den Versuch zu unternehmen, Alfreds eigene Zutaten von den Glossen abzutrennen, die er den Kommentaren verdankte. Dabei kam die erste Arbeit von F R I E D R I C H FEHLAUER 1 1 nur zu sehr vorläufigen Ergebnissen. Fehlauer ordnet die Zusätze nach historischen, geographischen, mythologischen und christlichen Gesichtspunkten, ohne dabei auf anderes Material zurückzugreifen als auf das von SCHEPSS veröffentlichte, und selbst das ist nur in Hinweisen eingestreut. HANS NAUMANN veröffentlichte nicht nur weitere Glossen der von Schepss entdeckten Kommentare, sondern ihm gelang es auch, Remigius von Auxerre als Verfasser zu erweisen,12 und die G E O R G SCHEPSS
8 G. Schepss, Handschriftliche Studien s^u Boethius, Programm der Königl. Studienanstalt Würzburg 1880/81 (Würzburg, 1881). » G. Schepss, „Zu König Alfreds Boethius", Archiv XCIV (1895). 10 A. Leicht, „Zur angelsächsischen Bearbeitung des Boethius De consolatioru pbilosophiaeAnglia 7 (1884), 178 ff. 11 F. Fehlauer, Die englischen Übersetzungen von Boethius De consolatione pbilosophiae (Diss. Königsberg, 1908). 12 H. Naumann, Notkers Boethius, Quellen und Forschungen 121 (Straßburg, 1913).
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Richtigkeit dieser Entdeckung wird von der neueren Forschung bestätigt. 13 Eine systematische Untersuchung der Handschriften und einen fortlaufenden Vergleich mit dem altenglischen Text unternahm dann K A R L H E I N Z S C H M I D T 1 4 im Jahr 1934. Schmidt zog die besten Vertreter der Kommentargruppe heran und verglich Satz um Satz. Dabei stellte es sich heraus, daß Alfred bei schwierigen Textstellen im Original auf einfachere Paraphrasierungen des Kommentars zurückgriff. Er bestätigte, daß die christianisierenden Zusätze Teile einer allgemeinen Überlieferung sind, die durch die Kommentare vermittelt wurden. Er belegt S C H Ü C K I N G S Auffassung von Alfreds Pragmatismus und einer Vorherrschaft des Gefühls über den Verstand 15 durch Beispiele, die es deutlich machen, daß Alfreds Verständnis den philosophischen Gedankengängen des Boethius in vielen Fällen nicht gewachsen war. Die eigentliche Leistung König Alfreds sieht er darin, daß er „ein philosophisches Werk mit dem ungefügen Mittel einer bis dahin unliterarischen Sprache" 16 bezwingt. Im Gegensatz zu Fehlauer verzichtet Schmidt auf eine Klassifikation der Zusätze, die sich ihrer Natur nach als allzu vielfältig herausstellen. „Es lassen sich soviele Arten von Entlehnungen unterscheiden, wie es überhaupt Arten von Zusätzen in dem angelsächsischen Werk gibt." 17 Das ist eine Kapitulation, und unsere Arbeit wird zeigen, daß sie vorschnell und falsch war. So entsteht dann zusammen mit dem Nachdruck, den Schmidt auf solche Zusätze legt, die sich am Rand von Boethius' Erörterungen befinden, der Eindruck, daß Alfreds Werk und Arbeitsweise wenig organisch sind, seine Interessen sich vielfach auf bloße Antiquaria richten, so daß der Rang der Übertragung doch recht zweifelhaft erscheint. In der Forschung sind diese Ergebnisse nicht zur Geltung gekommen. G E O R G E K. A N D E R S O N urteilt: "Karl H. Schmidt . . . contributes little that is new but is a good summary" 18 und findet sich dementsprechend mit dem implizierten Werturteil ab. E L E A N O R D U C K E T T ist noch 1957 der Meinung, daß wir nicht wissen, wieviel Alfred aus Remigius oder aus anderen Kommentaren übernommen habe.19 la P. Courcelle, «Etude critique sur les commentaires de Boèce ( I X e — X V e siècles)», Archives d'histoire doctrinale et littéraire du moyen- âge 14 (1939), 16. 14 K. H. Schmidt, König Alfreds Boethius-Bearbeitung (Diss. Göttingen, 1934). 16 H. Hecht und L. L. Schücking, Die englische Literatur im Mittelalter, Handbuch der Literaturwissenschaft, 17 (Potsdam, 1927), 32 f. " K. H. Schmidt, 69 f. " K. H. Schmidt, 70. 18 G. K. Anderson, The Literature of the Anglo-Saxons (London, 1949), 152. 19 E. K. Duckett, Alfred the Great and his England (London, 1957), 152.
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Die Arbeit Schmidts ist zwar in ihrer Anlage unübersichtlich, die Resignation angesichts einer notwendigen Kategorisierung zu leichtfertig, aber die Trennung der Zusätze Alfreds von solchen Glossen, die sich bei Remigius finden, ist doch im großen und ganzen durch diese Arbeit möglich geworden. Die nicht ganz einheitliche handschriftliche Überlieferung der Kommentare läßt allerdings noch einen kleinen Spielraum für Vermutungen übrig. Hier kann erst die Herausgabe der Kommentare, besonders des Remigius, Wandel schaffen, aber anscheinend ist dies noch nicht beabsichtigt.20 So stützen sich bis jetzt die Beschreibungen des altenglischen Boethius seit 50 Jahren unverändert auf einige wenige definitive Zusätze Alfreds, die aber keinen wesentlichen Zusammenhang für eine größere Konzeption ergeben, oder aber sie beziehen sich auf ein Gebilde, von dem niemand recht weiß, ob es Alfred zugehört oder Remigius, oder ob es eine nicht ganz verstandene Boethiusparaphrase darstellt.21 Es muß demnach das erste Anliegen dieser Arbeit sein, die Zusätze König Alfreds für sich zu betrachten und zu untersuchen, ob sie sich in einem sinnvollen Zusammenhang dem Verständnis erschließen. Dabei wird sich zeigen, daß die eigenen Zusätze tatsächlich die wichtigeren sind und daß von ihnen aus sich ein organisches Verständnis des Ganzen erarbeiten läßt. Betrachtet man dann die Zusätze, die Alfred den Kommentaren entnommen hat, so zeigt sich, wie wenig sie in ihrer Art den Zusätzen entsprechen, die Alfred offenbar selbst vorgenommen hat. Zwar berühren sich Alfreds Eigeninteressen auch in wesentlichen Punkten mit den Interessen der Kommentatoren, aber es wird doch im großen und ganzen deutlich werden, daß klare Unterscheidungen möglich und wesentlich sind. Alfred verdankt den Kommentaren in der Hauptsache sachliches Verständnis, aber seine eigenen Zusätze lassen das für ihn wesentliche innere Verstehen des philosophischen Textes erkennen. Dabei ist in diesem ersten Teil auch von Bedeutung, daß man den blassen Begriff der „Christianisierung" eines Textes der Antike schärfer konturiert und die persönliche Einstellung König Alfreds zu den großen Fragen des Boethius klarer sichtbar macht, als es bisher geschehen ist. Es ist zum ersten Mal für den BoeM E. T. Silk, "Pseudo-Johannes Scottus, Adalbold of Utrecht and the early commentaries on Boethius", Medieval and Renaissance Studies (1954), 39 f. 21 Beschreibungen dieser Art finden sich bei Ch. Plummer, The Life and Times of Alfred the Great (Oxford, 1902), 176 ff., bei E. K. Duckett, 152 ff., und G. K. Anderson, 275 ff.
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thius der Versuch unternommen, die übrigen Werke Alfreds und die grundlegenden Werke Augustins zur Erhellung mit heranzuhiehen. Die Arbeit folgt damit dem Ansatz FRIEDRICH KLAEBERS für die Vorrede König Alfreds zu seiner Übersetzung der Curapastoralis22 und der Arbeit von INGEBORG SCHRÖBLER über Notker I I I von Sankt Gallen.23 Es geht dabei nicht darum, wie schon Klaeber ausgeführt hat, Alfreds Abhängigkeit zu demonstrieren,24 sondern seine eigenen Auffassungen schärfer sichtbar zu machen, seine Gedanken und Vorstellungen darzustellen mit den Ideen, die in dem kleinen gelehrten Kreis, den er sich geschaffen hatte, Widerhall und Erörterung fanden. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den lateinischen Kommentaren. Das bringt eine Fülle von Einzelfragen mit sich, die zunächst eher für sich belangvoll sind als für den Geist der Übertragung. Aber auch dort wird wiederum deutlich, daß Alfred auch den Kommentaren selbständig gegenübertrat und seine eigene Auffassung zur Geltung brachte. Außerdem dürfte es sich anhand des gebotenen Vergleichsmaterials herausstellen, daß Alfred einem Kommentar verpflichtet ist, der dem Remigius nähersteht als der St. Gallensis, wenn es schon nicht der Kommentar des Remigius sein kann. Man wird heute eine derartige Arbeit nicht abschließen dürfen, ohne versucht zu haben, die wissenschaftliche Terminologie Alfreds ihrem Ursprung und ihrer Verwendung entsprechend zu betrachten. Endgültige Urteile dürfen hier allerdings nicht erwartet werden, da die Forschung über diese Dinge eben erst richtig eingesetzt hat. Außerdem ist es trotz der umfangreichen Arbeit von LUDWIG BORINSKI 26 notwendig, den Stil König Alfreds mit in die Untersuchung hineinzunehmen. Eine Fülle von Zusätzen haben nämlich in erster Linie formale Bedeutung und sind aus den sprachlichen und stilistischen Gegebenheiten des altenglischen Prosastils zu erklären, und auch durch sie verändert sich sekundär die gedankliche Struktur gegenüber dem lateinischen Vorbild. Es muß deutlich werden, wie tief sich die 22 Fr. Klaeber, „Zu König Alfreds Vorrede zu seiner Ubersetzung der Cura pastoralis", Anglia 47 (1928), 53 ff. Vgl. F. P. Magoun, Jr. "Some Notes on King Alfred's Circular Letter on Educational Policy Addressed to His Bishops", Medieval Studies X, XI (1948, 1949), 93 ff., 113 ff. 23 I. Schröbler, Notker III von St. Gallen als Übersetzer und Kommentator von Boethius de Consolatione Philosophiae, Hermaea, Germ. Forschungen N. F. 2 (Tübingen, 1953). 21 Fr. Klaeber, 53. 26 L. Borinski, Der Stil König Alfreds. Eine Studie zur Psychologie der Rede, Sächsische Forschungsinstitute, Angl. Abt. 5 (Leipzig, 1934).
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sprachlichen Medien des Lateinischen und des Altenglischen im personalen Stil der Verfasser unterscheiden. Es bestehen 2wischen Stil und Denkart der Verfasser derartig tiefgreifende Unterschiede, daß nur eine Darstellung dieses Stilgefälles das Denken und Empfinden Alfreds in seiner Übertragung wie in seinen Zusätzen wirklich sichtbar machen kann. Dabei soll versucht werden, eine Fülle von Abweichungen in Alfreds Übertragung nicht so sehr als sachliche Divergenzen zu verstehen, wie als Gesetzmäßigkeiten eines andersartigen Stilwillens, einer anderen Persönlichkeit und einer anderen historischen Situation. Es soll jedenfalls möglich werden, einigermaßen zu begreifen, was sich Satz um Satz bei der Übertragung des Boethius in das Altenglische abgespielt hat. Die große Leistung des Übersetzers liegt dabei nicht so sehr in der Übernahme neuer oder anderer Gedanken als in der außerordentlichen persönlichen Durchdringung fremder Gedanken und Formen, wie sie in keiner anderen Übersetzung seiner Zeit eine Parallele hat. Es war bei den bisherigen Arbeiten nicht üblich, die Ergebnisse der lateinischen Boethiusforschung zu berücksichtigen. Man ging gewissermaßen von einer für den mittelalterlichen Hausgebrauch verdünnten Auffassung des Boethius aus. Das ist ungerecht angesichts der Tatsache, daß sich Übersetzer wie Alfred oder Chaucer gelehrter Kommentare bedienten und keine Mühen scheuten, zu einem vollkommeneren Verständnis des Textes zu finden. Es ist aber auch unzweckmäßig bei der Beurteilung von Gedanken, von denen man wissen sollte, ob sie zentral sind oder peripher und inwieweit der Hintergrund, aus dem sie sich herausheben, für die aktuelle Bedeutung mitberücksichtigt werden muß. Im Fall der Consolatio ist eine solche Haltung aber auch durch die Fülle moderner Forschungsergebnisse nicht mehr angängig, die überhaupt die gedankliche Vollendung, die Eigenart und Einheit dieses Werkes erst sichtbar gemacht haben. Wie kann man die Absichten Alfreds einsichtig machen, wenn man die seiner Vorlage nur verschwommen zur Kenntnis genommen hat? Die neuere Forschung hat auch gezeigt, daß die christliche Interpretation des Boethius im Mittelalter nicht einen Bruch mit der geistigen Auffassung bedeutet, in die der Consolatio entstanden ist. Demnach wird man finden, daß in einem gewissen Sinn die Boethius-Interpretation des 9. und 10. Jahrhunderts Boethius eher gerecht wurde als die des neunzehnten. Das ist aber wichtig für alle Fragen, die mit der „Christianisierung" des Boethius im Zusammenhang stehen. Man kann die 8
eigentliche Bruchstelle, die zweifellos auch im Werk Alfreds besteht, nicht zu finden hoffen, wenn man glaubt, auf die Forschung der lateinischen Philologie verzichten zu können. Andererseits aber geht es in dieser Arbeit um ein Bild des Übersetzers und seines Werkes, und auf dieses Ziel hin sind die Ergebnisse der Boethius-Literatur ausgewählt und ausgerichtet. a. Die Texte der Alfredseben Vorlagen Wir wissen nicht, welchen Text Alfred für seine Boethius-Übertragung benützt hat. Die Übertragung ist so frei, daß sich keine charakteristischen Abweichungen von bestimmten Handschriften oder Handschriftengruppen feststellen lassen, die es erlauben würden, das Manuskript in etwa zu bestimmen, wie es bei Orosius möglich ist.28 Dazu kommt, daß wir gemäß einem berühmten Zeugnis von William of Malmesbury annehmen müssen, daß Alfred mit Hilfe einer Paraphrase übersetzte, die Asser für ihn angefertigt hat.27 Was es aber mit dieser Paraphrase auf sich hat, werden wir erst gegen Schluß unserer Arbeit sehen können. Daneben ist deutlich, daß Asser, bzw. Alfred einen Kommentar mitbenutzt hat, der bis zur Untersuchung von PIERRE COURCELLE 28 Remigius zugeschrieben wurde. Es ist bekannt, daß Alfred mit westfränkischen Klöstern in Verbindung stand und daß ein Verwandter des Remigius, Lupus von Ferrière, mitiEthelwulf, dem Vater Alfreds, Briefe wechselte, dessen Sekretär selbst ein Franke war.29 Auf seiner Suche nach geeigneten Gelehrten hatte sich Alfred an Grimbald gewandt und ihn an seinen Hof gezogen.30 Grimbald aber war, ebenso wie Remigius, ein Schützling des Erzbischofs Fulko von Rheims.31 Alfred hatte also Anschluß an den bedeutendsten Gelehrtenkreis seiner Zeit, so daß die Annahme nicht befremden würde, daß ihm 28 Orosius, ed. Zangemeister, Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum V (Wien, 1882), xxii. J. M. Batley, "King Alfred and the Latin Manuscripts of Orosius History", Classica et Mediaevalia XXII (1961), 69—105. 27 „Hic [seil. Asser] sensum librorum Boethii de Consolatione philosophiae planioribus verbis enodavit, quos ipse rex in Anglicani linguam vertit". (zit. nach Plummer, The Life, 188). 28 P. Courcelle, «Etüde critique». 29 Ch. Plummer, The Life, 18; K. H. Schmidt, 9. 30 Asser's Life of King Alfred together tvith the Artnals of St. Neots, ed. W. H. Stevenson (Oxford, 1904), § 78, 63. 31 M. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Handbuch der klassischen Altertumswissenschaften IX, Bd. II (München, 1911), 647; zit. bei Courcelle «Etüde critique», 45.
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der Kommentar des Remigius vorgelegen hätte. Aber Courcelles Untersuchungen machen es wahrscheinlich, daß Remigius seinen Kommentar erst nach dem Tod Alfreds geschrieben hat.32 Nun finden sich die meisten Scholien, die Alfred wie Remigius gemeinsam sind, in einem fortlaufenden Kommentar, den E . T. S I L K unter dem Titel Saeculi Noni Auctoris in Boetii Consolationem Philosophiae Commentarius herausgegeben hat. Aber dieser Kommentar ist mit großer Wahrscheinlichkeit in das 10. Jahrhundert zu datieren,33 so daß er für unsere Überlegungen auszuscheiden hat. Wenn er in dieser Arbeit zitiert wird, so aus dem Grund, weil er weit mehr von Remigius enthält, als bis jetzt in anderen Auszügen veröffentlicht wurde.34 Wenn an der Datierung Courcelles für den Remigius-Kommentar festgehalten werden muß, so ist es wahrscheinlich, daß Remigius und Alfred, bzw. Asser, auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, und diese glaubt Courcelle in einem St. Gallener Anonymus gefunden zu haben,38 auf den bereits Naumann gestoßen war, der jedoch nicht erkannte, daß man es hier mit einem Kommentar zu tun hatte, der für Remigius als Vorlage in Frage kam. Courcelle nennt 4 Handschriften für diesen Anonymus, Sankt Gallen Hs 845, Einsiedeln Hs 179, Metz Hs 377 und Paris Hs 13953.36 Die beste Handschrift nach Überlieferung und Zustand ist die des Klosters Einsiedeln, und sie wurde für diese Arbeit durchgehend herangezogen.37 Daneben sind bei dem Vergleich die Resultate Schmidts verwendet, die an der *2 P. Courcelle, «Etude critique», 26 ff. G. Mathon, «Le commentaire du Pseudo-Erigène sur la Consolatio Philosophiae de Boèce», Recherches de Théologie Ancienne et Médiévale X X I I (1955), 213—257. H. Silvestre, «A propos de nouvelles éditions de commentaires à la consolation de Boèce», Scriptorium I X (1955), 278—281. M Teilveröffentlichungen enthalten außer den zitierten Arbeiten von Schepss und Naumann besonders: H. F. Stewart, "A Commentary by Remigius Autissiodorensis on the De Consolatiom Philosophiae of Boethius", The Journal of Theological Stuäies 17 (Oxford, 1916); E. T. Silk, Saeculi noni auctoris . . . im Anhang 305 ff.; P. Courcelle, «Laculture antique de Remi d'Auxerre», Latomus VII (1948), 247 — 254 ; P. Courcelle, «Etude critique». A. K. Dolch, Notker Studien, Teil III, Stil und Quellenprobleme zu Notkers Boethius und Martianus Capella, Ottendorfer Memorials Series of Germanie Monographs N o . 16 (New York, 1952). 85 P. Courcelle, «Etude critique», 33 ff. *• Die Handschriftengruppe wird allgemein als K Y bezeichnet. K = Maihinger Hs I 2 lat. 4 Nr. 3 (10—11. Jhdt.). Glossica circumscripta d. Münchener Boethiushandschrift 19352 (11. Jhdt.) = K. Rand und Interlinearglossen der Trierer Boethiushandschrift, Trierer Sammelkodex 1093 (11. Jhdt.) = Tr. " Die Handschrift ist beschrieben in Catalogus Codicum manu scriptorum qui in BibliothecaMonasterioEinsidlensisO.S.B, servantur. Descripsit P. G . M e i e r , O . S . B . , T o m . 1,1899. M
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Trierer Handschrift des Sammelkodex 1093,38 die als eine der besten Remigiushandschriften für den Kommentar zur Consolatio gilt, überprüft wurden. b. Die Kapiteleinteilung des Boethius Die Werke, die uns unter dem Namen Alfreds überliefert sind, enthalten alle eine Kapiteleinteilung. Für den Boethius ist uns diese Einteilung aber nur in der jüngeren Handschrift (B) überliefert,39 so daß wir nicht sagen können, ob die Einteilung von Alfred stammt oder von einem Schreiber und ob sie ursprünglich zu seiner Ubersetzung gehörte oder später dazugekommen ist. Während die Kapiteleinteilung in den übrigen Werken auch in den lateinischen Handschriften überliefert ist,40 finden wir in den Boethiushandschriften keine durchlaufende Einteilung, sondern nur gelegentliche Überschriften in einzelnen Handschriften.41 Daß die Einteilung des römischen Originals nach Büchern nicht als maßgebend beibehalten wurde, ist allerdings nicht allzu verwunderlich, denn mit dem Übergang von der antiken Buchrolle zum Codex wurde vielfach die ursprüngliche Buchaufteilung, die mit der Zahl der Rollen weitgehend identisch war, zugunsten der Einteilung von Sachkapiteln aufgegeben, die sich schließlich durchsetzte.42 So ist es z. B. ziemlich sicher, daß die Einteilung des Augustinischen Gottesstaates auf Augustin selbst zurückgeht.43 Die Kommentare der Consolatio geben im übrigen Buchanfang und Ende an, und entsprechende Angaben finden sich auch bei Alfred.44 Notker hat seine kommentierende Übersetzung in viele kleine Kapitelchen 38 Sie ist leider nicht vollständig, da der Schluß fehlt, der allerdings bei der Schlußkürzung Alfreds keine Rolle spielt. Uber die Beurteilung Silk, Saeculi noni, 305 f. Anm.; die Handschrift ist beschrieben in Keuffer-Kentenisch, Die Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier (Trier, 1911), Heft 10, 24. *• W. J. Sedgefield, King Alfred's Old English Version of Boethius De Consolatione Philosophiat (Oxford, 1899), xiy f. 40 Vgl. Ch. Plummer, The Life, 5f.; bei Orosius sind die Uberschriften nur in dem Donaueschinger Codex überliefert (Zangemeister, XXXIII). 41 So im Wallersteinensis, Harleianus 3095, Pariser MSS 6401, 15090, bei Schepss, Zu König Alfreds, 156. 42 Th. Birt, Das antike Buchwesen in seinem Verhältnis %ur Litteratur (Berlin, 1882), 56 f., 335, 371 ff. 4* S. Augustini De Civitate Dei, ed. B. Dombart et A. Kalb, 2 Bände, Corpus Christianorum, Series Latina 36 (Twinholt, 1955), VIII. 44 W. J. Sedgefield, 113, 15; 118, 13; 143, 23; fälschlicherweise 38, 5; 103, 21 f.; 139, 17. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird Alfred stets nach der Ausgabe von Sedgefield ohne weitere Angabe zitiert.
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gegliedert und sich so des Inhalts in kleinen Abschnitten vergewissert.45 In der altenglischen Ubersetzung scheint es sich um Leseabschnitte von allerdings stark variierender Länge zu handeln, wobei der Umfang durch Sinneinschnitte mitbestimmt wurde. Die Überschriften selbst verraten keine Beherrschung des Gesamtinhalts, sondern geben in den meisten Fällen eher bloße Stichworte an, die aus dem Kapitelanfang, oft sogar aus dem ersten Satz genommen sind.46 In manchen Fällen ist auch das Abschnittsende mitberücksichtigt,47 in anderen dringt die Charakteristik über den ersten Teil der betreffenden Kapitel hinaus,48 und in den Kapiteln XXXII und XXXVII erfaßt die Überschrift sogar den ganzen Inhalt, aber ein übergeordneter Gedankengang ist nicht sichtbar. Einfach macht es sich der Schreiber, wenn er sich im Hinweis lediglich auf Namen beruft, wie Nero, Theoderich, Nonius, Odysseus, Troja und Homer, oder sich auf die äußere Situation bezieht, wie in den Anfangskapiteln, oder wenn er sich lediglich auf die Wirkung der Worte der 'Gesceadwisnes' stützt. So zeigen also im großen und ganzen die Summarien lediglich ein Verständnis für einzelne Begriffe, aber in der Fülle der 42 Überschriften lassen sich doch Gruppen erkennen, die deutlich auf den Kern der Problematik weisen: Die scheinbaren und die wahren Glücksgüter (X, XX, XXXII) Die Natur des göttlichen Waltens (XXI, XXV, XXXV) Weisheit, die dem Körper überlegene Kraft der Seele (XXXI, XXXIII) Die Natur des Guten (XXXIV, XXXVI) Die Frage nach der Theodizee; "forwhy se goda God laete aenig yfel beon" (6,9 f.) und nach dem Zusammenhang zwischen Schicksal und Vorsehung (XXXVI, XXXIX, XL) Ein besonderer Sinn zeigt sich in der starken Herausstellung moralischer Anliegen, z. B. Verdienstdenken (XXIV), Mißbrauch der Macht (XVI, XXXVII, XVII), törichte Einschätzung von Amt und Würde (XXVII, XXIX, XXX), Pflicht der Menschen zur Gottsuche (XXXV, XLII). 46
H. Naumann hält die Überschriften Notkers für ein Zeichen der freien Beherrschung des Ganzen, 61. " xi, x—xv, XXIII, xxvi, xxvn, xxx, xxxi, xxxrv, XI^-XLIII. " VII, X, XXV, XXIX. » XXXVI, XXXVII.
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Es wird sich im Verlauf der Arbeit zeigen, daß gerade diese Fragenkomplexe auch in der Bearbeitung Alfreds eine besondere Rolle spielen und der Verfasser sich bei ihnen aufhält. Wir dürfen also trotz der starken Orientierung an dem äußeren Detail die Einteilung nicht als äußerlich oder oberflächlich bezeichnen. Sie spiegelt ein so genaues Verhältnis des Alfredschen Textes wider, daß Grund besteht, Alfred auch für den Autor der Kapiteleinteilung zu halten. Die großen Hauptanliegen sind verstanden, der Weg der Argumentation selbst ist im Dunkel geblieben. Die durch ihr ethisches Interesse herausragenden Partien sind dann als Einheiten von eigenem Gewicht und eigener Bedeutung behandelt.
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KAPITEL I
ZUM
INHALT
a. Die Umdeutung stoischer und neuplatonischer
Elemente
Bei den Kommentatoren der Consolatio unterscheidet COURCELLE zwei verschiedene Einstellungen zur neuplatonischen Philosophie, die von den frühen Kommentaren des 9. Jahrhunderts bis zum 15. Jahrhundert nachweisbar sind. Die eine Gruppe, zu der der St. Gallener Anonymus gehört, begegnet dem Piatonismus mit Skepsis, und diese Kommentatoren bemühen sich, die Wahrheiten des christlichen Glaubens von den „Irrtümern" der Philosophen abzusetzen,1 die anderen, und ihnen ist Remigius zuzurechnen, versuchen, die christlichen Wahrheiten mit den neuplatonischen Vorstellungen auszusöhnen. Ein wesentlicher Grund für COURCELLE, den St. Gallener Anonymus für Alfreds Vorlage in Anspruch zu nehmen, besteht in der Tatsache, daß bei Alfred die neuplatonischen Glossen des Remigius ausnahmslos fehlen. Hat NAUMANN bereits für Notker von einer verstärkten Christianisierungstendenz gegenüber der Kommentarvorlage gesprochen,2 so gilt dies noch mehr für Alfred. Notker arbeitet ähnlich wie die Kommentare mit der Gegenüberstellung divergierender Auffassungen, wie sie für die ganze scholastische Philosophie methodisch von Bedeutung ist, während Alfred kontroverse Meinungen beinahe ausnahmslos unterschlägt. Außerdem entwickelt er in eigenen Zusätzen christliche Auffassungen, die die Gehalte der Consolatio von innen her grundlegend verändern. Damit entfernt er sich aber nicht nur von den Vorlagen an sich, sondern auch von dem ganzen Geist dieser Vorlagen, die bei allen Zusätzen und Erläuterungen den Text des Boethius doch als Voraussetzung ihrer Arbeit unangetastet lassen. Weiterhin bringt Alfred seine Zusätze weit systematischer zur Geltung als die Kommentare, und diese Systematik des umformenden Denkens 1 2
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P. Courcelle, «Etüde critique», 116, pass. H. Naumann, Notkers Boethius, 60.
durchdringt seine Übertragung organisch. Bei Notker knüpft sich das christliche Verständnis hauptsächlich an Begriffe, die auch für Remigius bereits Brennpunkte der Auseinandersetzung darstellen, wie die Fragen von Willensfreiheit und Vorsehung, Gottes Vorwissen, Präexistenz und Entstehung der Seelen, während für Alfred nur das erste Begriffspaar eine Rolle spielt. Sein Verstehen ist durchlaufend und der inneren Form nach christlich, in der Erweiterung des Sachgehalts, in den formalen Änderungen des Gebetsstils bei den hymnisch gestimmten Metra, in dem werbenden Eifer der Apologetik und in der entscheidenden Ausschaltung von Gedanken, die eine nichtchristliche Interpretation ermöglichen. Diese Ausschaltung als bloß negatives Element der Übertragung betrifft nicht nur neuplatonisches Gedankengut, sondern auch in einzelnen Fällen stoisches. Hier greift Alfred auch mit einer Entschiedenheit in den Text der Vorlage ein, die sonst im allgemeinen nicht mehr spürbar wird, und aus diesem Grunde geht unsere Behandlung des altenglischen Trostbuches von diesen Fällen aus. Die stärksten Auslassungen finden wir zu Anfang des ersten Buches und am Ende des fünften Buches. Für beide Stellen gilt zunächst die Schwierigkeit bei der Übertragung der Terminologien: im ersten Buch bei der Darstellung, die Boethius von seinem Prozeß gibt, mit einer Fülle von Ausdrücken aus dem Rechtsleben und dem Hintergrund der politischen Herrschaftsordnung Theoderichs (bes. I, p. 4).s Im fünften Buch ist es die komplizierte Darlegung der Erkenntnislehre (V, p. 4; m. 4; p. 5). Mitbetroffen ist aber im 5. Buch die Rede des Boethius über die Unvereinbarkeit des göttlichen Vorwissens mit der menschlichen Freiheit, der Remigius eine deutliche Warnung vorangestellt hat.4 Im ersten Buch aber fallen unter die Auslassungen der Todeswunsch des Boethius, die trostlose Schilderung des Greisenalters (I, m. 1) sowie die stoischen Ideale der Ataraxia und der in der Hauptsache epikureische Gedanke der Schmerzlosigkeit: 8 Sedgefield hat in seiner Ausgabe der ae. Übersetzung die einzelnen auf Junius zurückgehenden Abschnitte jeweils mit einem Stellenverweis auf Peipers Teubneriana versehen. Da die freie Übersetzungsart Alfreds den Vergleich mit dem Original erschwert, empfiehlt es sich zum leichteren Auffinden der Stelle, die Teubneriana weiterhin zu zitieren trotz der überlegenen Ausgaben von Engelbrecht, Büchner und Bieler. In der Schreibweise und Interpunktion und in einigen Fällen in der Leseart habe ich mich der Büchnerschen Ausgabe angeschlossen. 4 „Caute et adtentissime ista verba Boetii legenda sunt". {Silk, 283, 1 ff., Tr. 160v; Der Hinweis fehlt in Eins. 175)
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gaudia pelle, pelle timorem spemque fugato nec dolor adsit. (I, m. 4, 25 ff.).
Hier hat Alfred ,gaudia', ,spes', ;dolor' fortgelassen und ,timor' als die „böse Furcht dieser Welt" gedeutet (14,20),6 obwohl die Kommentare die klassische Vorstellung vermitteln {Silk, 62,14 ff.; Tr. 124 v; Eins. 179, 114). I. Buch, metrum 4, das die Haltung des Stoikers dem Schicksal gegenüber zum Gegenstand hat (Fatum sub pedibus egit superbum) und ähnliche Gedanken verfolgt (Nec speres aliquid nec extimescas, 13), hat Alfred ebenso fallenlassen wie den Gedanken, daß man unter der Herrschaft der Fortuna ein Los, das man nicht ändern kann, durch Ungeduld lediglich verschlimmert (II, p. 1.51 = 16, 28). Die Tatsache, daß eines der berühmtesten Zitate der Spätantike aus Lukans Pharsalia (I, 126), „die siegreiche Sache habe den Göttern gefallen, die besiegte aber dem Cato" (IV, p. 6,123), in Alfreds Übersetzung fehlt (132, 24), gehört ebenso hierher wie die Unterschlagung einer gleichfalls berühmten Formulierung: „Si quidem deus, inquit, est, unde mala? bona vero unde, si non est?" (I, p. 4,96 f.), die aber in das aus anderen Gründen gekürzte Kapitel (I, p. 4, s. o.) fällt. Daß die Taten des Herakles, des eigentlichen Helden der Stoiker, nicht von Alfred geschildert werden, hat aber seinen Grund nicht in einer Ablehnung der heidnischen Mythologie, sondern wiederum in der Fülle der fremden Details (IV, m. 7),6 mit der dieses Metrum wie nur die obenerwähnten Stellen belastet ist. Auch die Lehre vom Mittelweg enthält bei Alfred außer einigen Umformungen eine bezeichnende Weglassung. Boethius warnt davor, sich ein allzu hartes Geschick aufzuladen „habet contemptum felicitatis, non habet praemium laboris" (IV, p. 7, 49 f.), und Alfred hat eben diesen Grund unterdrückt (138, 29 ff.). In den Bereich dieses Kapitels gehören einige Umformungen, die dort in Erscheinung treten, wo Boethius mit Zurückhaltung, aber 6 In den ae. Boethius-Metra ist die etwas unklare Votstellung verdeutlicht ("fra scealt eac yfelne ege anforbetan/woruldearfoöa", I. m. 7, 8 f.). 6 Die mythologischen Metra des Boethius haben in allen Fällen antikes Sagengut zum Gegenstand, das auch eine besondere Rolle in der christlichen Mythologie spielt. Zu Kirke bei Boethius vgl. H. Rahner, Griechische Mythen in christlicher Deutung (Zürich, 1945), 269 ff., über Orpheus und Christus als wahrer Orpheus (88 £.) und in Roschers Myth. Lex. III. Bd. c. 1205 f. Zu Herkules W. v. den Steinen, Der Kosmos des Mittelalters (Bern, München, 1955), 15.
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ohne Scheu Zweifel an dem Walten Gottes ausspricht. So seine Klage, daß Gott es verschmähe, die Taten der Menschen auf ihr angemessenes Maß zu beschränken: Hominum solos respuis actus Merito rector cohibere modo. (I, m. 5, 26)
Alfred schiebt den Vorwurf auf den Menschen. An Gott wendet er sich mit der Bitte: Hwaet, Jse ealle gesceafta heorsumiaö . . . butan men anum; se jse oferheorö. Eala . . . help nu Jsinum earmum moncynne. ( 1 0 , 1 4 ff.)
Im Orpheus-Metrum hat Alfred auch die Klage des Orpheus über „der Götter Grimm"7 ausgelassen, und die Verwunderung des Boethius, daß die Existenz eines guten Lenkers das Schlechte nicht ausschließt oder ungestraft läßt (IV, p. 1, 8 ff.), ist bei Alfred durch eine konzessive Fügung in der Schärfe herabgemildert (104, 1 ff.). Diese fromme Scheu macht sich auch dort bemerkbar, wo Boethius von Kräften und Mächten spricht, die in der Welt wirkend herrschen, wenn auch letztlich im Sinne Gottes. Hier neigt Alfred dazu, diese Kräfte, die unter Umständen den Bereich Gottes einschränken könnten, zurückzudrängen und durch den Namen Gottes selbst zu ersetzen. Dies ist mit ein Grund für die Umformung der Fortuna, die eingehender zu behandeln ist. Aber auch ,ordo', ,ratio', ,amor', ,natura', für Boethius tatsächlich wirkende und mächtige Geisteskräfte, werden von Alfred in ihrer Machtstellung eingeschränkt, wenn er sie nicht durch den Namen Gottes ersetzen kann. Besonders betroffen von dieser Einschränkung ist das große Preislied auf die Liebe als Allbeherrscherin : terras ac pelagus regens et caelo imperitans amor. (II, m. 8, 14 f.)
Alfred ersetzt zunächst „amor" durch den „Schöpfer", und hierfür ist der Anstoß im Kommentar zu suchen.8 Als Boethius später (II, m. 8, 25) von „castis amoribus" spricht, gibt Alfred dies wörtlich wieder — "mid ckenlicre lufe" (50, 1), — aber seine Version des Schlusses vermeidet wiederum den von Boethius bedeutsam und groß gedachten Begriff des Eros (50, 3 ff.). Die gleiche Vorstellung des „alternus amor" (IV, m. 6, 17), der die Himmelskörper beseelt,9 ist ebenfalls 7 Die Übersetzung ist in den meisten Fällen zitiert nach K. Büchner, Boethius Trost der Philosophie, Sammlung Dieterich (Wiesbaden, o. J.). 8 Eins. 130 regens. deus; 131 amor. deus; Tr. 133r Amorem vocat Deum {Silk, 113, 9f). ' Dieser Gedanke ist eingegangen in den Schluß der Divina Commedia.
2 Otten, Alfreds Boethius
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zunächst durch den „friedfertigen Gott" ersetzt (136, 10), wobei hier die Kommentare kein Vorbild abgeben. Am Schluß des Gedichts aber, nachdem die Urheberschaft Gottes eindeutig festgestellt wurde, ist „cunctis communis amor" (IV, m. 6, 44) mit einer Erklärung übernommen, die den christlichen Charakter dieser Liebe deutlich macht: „Aber gemeinsam haben sie die eine Liebe, solchem Herrn zu dienen, und sie freuen sich, daß er ihrer waltet." (136, 28 ff.) „Dem Schöpfer dienen" ist dann auch die einzige Begründung für die Rückkehr der Dinge zu ihrem Ursprung, quia non aliter durare queant, nisi converso rursus amore refluant causae, quae dedit esse. (46 ff.) Ähnlich verhält sich Alfred bei der Übersetzung von ,natura'. Im Preisgedicht auf die Natur, deren gewaltige Kraft das Gute will (III, m. 2), hat Alfred bereits in der kleinen Einleitung, die er gemäß dem in den Kommentaren öfters geübten Brauch — für dieses Gedicht fehlt allerdings der Beleg — dem Gedicht voranstellt, das Verhältnis von Natur und Gott erklärt: Gott hat die Geschöpfe mit unlösbaren Ketten in ihren Bereichen festgebunden, daß jedes Geschöpf durch seine 'gecynd' in Verschluß gehalten ist — außer einigen Engeln und Menschen (57, 3 ff.). Das ist weit verbindlicher als die Glosse des Remigius, die aber als Echo vernehmbar ist: „Omnen rem suam naturam ostendit retinere" {Silk, 123, 15 f.; Tr. 134v) = "p ade gesceaft biö healdon locen wiö hire gecynde" (57, 6). Hier fehlt die entsprechende Glosse für den St. Gallener Anonymus {Eins. 133). Auch am Schluß des Gedichts hat Alfred wiederum in Anlehnung an die Kommentare Gott als Ziel aller Bewegung genannt.10 Alfred scheut sich nicht vor dem Begriff der Natur, aber es muß eine bezogene Natur sein, die der Herrschaft Gottes eindeutig unterstellt ist. Es liegt in dieser Vorsicht etwas, das auf die Schicksale der Göttin Natura hindeutet, die CURTIUS beschrieben hat, ohne auf Boethius in diesem Zusammenhang hinzuweisen.11 Aber deutlich ist, daß Alfred hier das Rad der Geschichte ein klein wenig zurückdreht gegenüber der Entwicklung, die sich dann im 12. Jahrhundert kraftvoll fortsetzt. Allerdings muß man auch Alfreds Sprachgebrauch bei 'gecynd' in Rechnung stellen, und dies soll in einem späteren Kapitel geschehen. DeutM 11
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K. H. Schmidt, 32. E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (Bern, 1948), 114 ff.
lieh für Alfreds Auffassung spricht auch folgende Stelle: Boethius bewundert in der Vermehrung der Pflanzen den sorgenden Fleiß der Natur „iam vero quanta est naturae diligentia, ut cuncta semine multiplicato propagentur!" (III, p. 11, 65 f.). Für Alfred wird dieser Satz zu einem Lob Gottes, und wir finden die stilistische Form ins Hymnische verwandelt: Wer muß sich da nicht wundern ob solcher Werke des Schöpfers und ihres Schöpfers... (92, 7 ff.). Boethius sieht das Wirken von Mächten und Gesetzen, Alfred sieht unmittelbar auf Gott. Die Philosophie stellt die Frage: „quibus etiam gubernaculis (seil, mundus) regatur" (I, p. 6,43 f.), und Alfred fragt nach der Herrschaft Gottes (13, 22). Die Philosophie sagt, man solle nicht so sehr die Erscheinungen des Himmels bewundern als die Vernunft, die sie regiere (III, p. 8, 18 ff.), und Alfred übersetzt, daß „sich alles dies nicht mit dem Schöpfer messen lasse" (72, 17). Ebenso wandelt er die Frage um, ob dem Weltbau eine Leitung der Vernunft innewohne (I, p. 6,6 f.), und fragt, ob irgend etwas Gutes ohne den Schöpfer geworden sein könne (12, 16). Boethius hat die Vielzahl der Kräfte im Sinn, die das All durchweben und alle auf einen Punkt bezogen sind, Alfred sieht immer nur diesen einen Punkt und nennt ihn Gott. Er ersetzt das „bonum" (III, p. 11,115) als Endpunkt des menschlichen Strebens durch Gott, obwohl Boethius die Identität beider noch nicht erwiesen hat (94, 23).12 Der Wille der Kreatur zum Leben und zur Dauer (III,p. 11,95 ff.) bezeugt für Alfred den Willen zu dem einen Gut, das ewig ist, und das ist Gott (94, 4).12 An der gleichen Stelle (III, p. 11,93) ersetzt er „Providentia" durch den Schöpfer (93, 20) und „communem omnium... finem" (IV, p. 2,95) durch den einen Gott13 (109,16), der allen gemeinsam ist. Alfred fügt den Namen Gottes auch einfach ein, wie bei der Frage der Philosophie, warum wohl die Flamme stets nach oben strebe (III, p. 11, 71 f.;). „So hat sie Gott geschaffen", erläutert Alfred (92,19), während es Boethius zunächst nur darum geht, die Kraft der Selbsterhaltung der Kreatur zu zeigen. Hier ist auch das Bestreben Alfreds zu erwähnen, die philosophischen Prädikationen Gottes gegenüber Boethius umzubiegen in den gewohnten christlichen Bereich und dementsprechend zu vereinheitlichen; „prima mens", „superna mens" (IV, p. 6, 69 f., 72) sind ebenso 12 Hier liegt wiederum deutlich ein Remigius-Scholion vor „rerum omnium finis — i. e. deus quia ad illum cuncta tendunt" (Tr. 144v) = "is God; to ]pam fundiaö ealle gesceafta". 13 Ebenfalls Tr. 149r.
2»
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durch „Gott" ersetzt (129, 19 ff.) wie „conditor" oder „rector".14 Die Metonymie „pulcherrimi operispulchra portio" (II, p, 5, 30 f.) ist mit „schönster Teil der Gottesgeschöpfe" (29,13) aufgelöst, die auch von den Kommentaren als fremd empfundene Metapher „Terrarum caelique sator"16 ist ganz in den Bereich des apostolischen Symbolums hineingenommen durch die Formel „Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge" (79, 10 ff., vgl. 48, 23 = II, m. 8,1 ff). Als Ausnahme finden wir aber die Übersetzung von Si vis celsi iura Tonantis (IV, m. 6, 1) . . . cernere
mit . . . ongitan Jjone hean anweald, (135, 24)
Doch im entsprechenden Metrum finden wir die Vorstellung ergänzt: weorulddrihtnes heane anwald . . . (200, 1 f.)
Alfred selbst variiert im Gebrauch der Prädikationsformeln, aber es finden sich keine der dichterischen Formen, an denen das Altenglische so reich ist in der Prosaübersetzung. Es finden sich in der Hauptsache 'metod', (seltener) 'scieppend', (sehr häufig) 'drihten', 'cyning', £rihtwis dema' (cf. 136, 24 f).18 Wir sind von bloßen Auslassungen zu Umformungen fortgeschritten und bemerken, daß Anzahl und Streuung der besprochenen Fälle auf eine einheitliche Grundkonzeption der Verwandlung schließen lassen. Es zeigt sich bei den Fällen, in denen die Einwirkung des Kommentars zu erkennen ist, daß Alfred in der Regel die Erklärung des Kommentars in den Text seiner Ubersetzung hereinnimmt und daß es ihm nicht darauf ankommt, die Scholien neben die Lemmata zu setzen, sondern eher Lemmata durch Scholien zu ersetzen, so daß im großen und ganzen ein flüssiger Text entsteht. Er hat das, was man mit B U R D A C H die „Allgemeinsprache des antiken Monotheismus" nennen könnte,17 durch eine konsequente Umwandlung sehr weit» I,p. 6,45 = 13,25;II, p. 5,26 = 29,3;II, p. 5,74, = 32,9;IV, p. 1,10 = 104,2; V, m. 2, 6 = 141, 17. 15 Die Kommentare nehmen alle auf diese Metapher Bezug (III, m, 9, 2) Tr. 141r, Silk, 174, 9 ff., Eins. 144. Sie kommt aber auch in der christlichen Hymnik vor. u G. Kellermann, Studien %u den Gottesbe^eichnungen der angelsächsischen Dichtung. Ein Beitrag z_m> religionsgeschichtlichen Verständnis der Germanenbekehrung (Diss. Münster, 1954). " K. Burdach, 551 f.
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gehend in die Terminologie der christlichen Theologie eingefügt und die Tendenz der Kommentare selbständig fortgeführt. Noch selbständiger und ebenso konsequent erscheint Alfred in den sachlichen Erweiterungen des Boethius, die den Gegenstand der folgenden Kapitel abgeben. b. Eine christliche Güterlehre Der Gedanke, daß der Mensch mit seinem Besitz eine göttliche Verpflichtung für dessen Gebrauch übernimmt, ist in der klassischen Antike nicht ausgebildet, obwohl die Relation von Besitz, Moral und Staat ein zentrales Problem der antiken Gesellschaftslehre bildet. Die Denker der Antike kennen den Mißbrauch der Dinge durch den Menschen, aber sie sehen ihn lediglich im Blick auf die Tugend oder auf den Schaden, den Mensch und Staat durch ihn erleiden. In dieser Tradition steht Boethius. Er hat den Staat allerdings nicht in den Vordergrund gerückt,18 sondern der stoischen Diatribe entsprechend19 hauptsächlich die Mühsale dargestellt, die mit äußeren Gütern verbunden sind, bei denen es sich herausstellt, daß sie zum wahren Glück überhaupt nichts beitragen. Alfred folgt wohl diesem Denken, aber er besitzt ein positives Gegenbild, und er versucht in einem Text, der dem widerstrebt, dieses Gegenbild zur Geltung zu bringen. Dabei knüpft sich Alfreds Auffassung an verschiedenartige Begriffe des lateinischen Vorbildes, und es ist nicht eben leicht, seine Meinung von der des Boethius an diesen Punkten abzusetzen. Alfred ist nicht so sehr bemüht, Begriffe und Gedanken des Boethius zurückzuweisen und dafür seine eigenen vorzutragen, als sein eigenes Denken dem des Boethius anzuverwandeln. Die Interpretation ist dabei auf eine gewaltlose Art an den lateinischen Text herangetragen, und nur an wenigen Stellen zeigt sich der offene Bruch. Diese Technik macht es schwierig, die Grenze 18 Im Mittelpunkt dieser Gedanken steht die Idee des Philosophenkönigs (I, p. 4,15 ff). Alfred hat in seiner Wiedergabe aber nur Königtum und Tugend zusammengestellt (9, 23 f.). Boethius' politisches Wirken hat Alfred ebenfalls aus der Ubersetzung herausgelassen {ebd.). Bei dem Gedanken der .virtus' des Staatsmannes hat Alfred seine eigene Apologie gegeben (II, p. 7). Das Römische dieser Vorstellung hat K. Büchner gezeigt, "Bemerkungen zum dritten Buch von des Boethius Trost der Philosophie", Histor. Jahrbuch (1949), 31 ff. 1* Diese Teile sind klar abgegrenzt von F. Klingner, De Boethii Consolatiom Philotopbiae, Philologische Untersuchungen (Berlin, 1921), 12 ff.; weiter ausgeführt bei K. Reichenberger, Untersuchungen zur literarischen Stellung der Consolatio Philosophiae, Kölner Romanistische Arbeiten, H. 3 (Köln, 1954), 7 ff., 16 ff.
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abzustecken zwischen dem Boethianischen und dem, was als Eigenverständnis des Übersetzers anzusprechen ist. Ein besonders heikler Begriff ist der der Fortuna, die für Alfreds Verständnis in zwei Bereiche hineinwirkt, die er als getrennt empfindet und die wir aus diesem Grunde ebenfalls trennen müssen, obwohl sie im lateinischen Text zusammengehören und die Trennung auch bei Alfred nicht ganz glatt vollzogen wurde.,Fortuna' ist im Ae. 'woruldsaslö', das man nach BOSWORTH-TOLLER am besten mit 'worldly blessings' wiedergibt. Alfred gebraucht den Begriff stets pluralisch und meint also irdischen Besitz, Wohlstand und Reichtum, wie später ausführlicher untersucht werden soll. Boethius aber meint auch die Spenderin des Glücks, und hier befindet sich Alfred in Verlegenheit. Für Boethius ist zunächst das Glück als Fortuna durchaus positiv bewertet, aber dies gesteht Alfred der ,fortuna' nicht zu. Allein der Wortgebrauch scheint dies schon zu vereiteln. Wirkliche Gaben sind keine Gaben der ,fortuna', sondern Geschenke Gottes, wie soll man sie der ,fortuna' zugestehen? Wir haben bereits gesehen, wie Alfred Mächte wie ,natura', ,amor', ,ratio' durch Gott ersetzte, und nun sollte ,fortuna' in einem positiven Zusammenhang mit Gütern stehen, die für Boethius etwas bedeuteten? Solche Gaben verbucht Alfred auf einem anderen Konto, auf dem der Philosophie. Das Kernstück dieser Auffassung liegt in Alfreds Übersetzung der 2. Prosa des zweiten Buches vor. Es handelt sich um die Ethopoeie der Fortuna. Die Philosophie kündigt an, daß sie einiges mit den Worten der Fortuna selbst ausfechten möchte, und es beginnt eine Rede der Fortuna. Bei Alfred aber spricht die 'Gesceadwisnes', und erst nach dem 3. Metrum schiebt Alfred eine Rede der 'woruldsaslöa' ein, die kein Vorbild bei Boethius hat, die aber seine eigenen Gedanken treffend ergänzt. Sowohl INGEBORG SCHRÖBLER als auch SCHMIDT glauben an einen Irrtum Alfreds. I. Schröbler meint, Alfred habe die Gestalt der Fortuna nicht als Personificatio verstehen können, weil erst eine spätere Zeit mit ihren Attributen vertraut gewesen sei.20 Aber die Kommentare nennen die Attribute, und der St. Gallener Anonymus bezeichnet Fortuna als Göttin. 21 Den Begriff des rollenden Rades bringt Alfred auch richtig mit den 'woruldsaelöa' zusammen (II, p. l , 5 6 f . = 16,32ff.). 20
I. Schtöbler, 137 ff. „Caeci numinis i. e. inscii, absconsae fortunae, i. e. deae incertae" (Eins. 114) Tgl. Silk, 66, 4 ff., 67, 24 ff., Tr. 125, 125v. 21
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Schmidt nimmt an, daß Alfred durch Auslassung einiger Wörter (fortunae ipsius verbis) die Ethopoeie übersehen habe, die er dann, nachdem er den Fehler bemerkt, durch einen eigenen Abschnitt (19, 11 ff.) nachgeholt habe.22 Aber das erklärt nicht die Umformung, auf die es ankommt. Zunächst hat Alfred das Gedicht ausgelassen, das den Spott der Fortuna über das Unglück und die Gleichgültigkeit zum Gegenstand hat, mit der sie im Spiel ihrer Kräfte Glück und Elend verteilt (II, m. I).23 Für eine solche Macht hatte Alfred keinen Platz im Bereich der göttlichen Kräfte. Im folgenden Prosaabschnitt geht es dann Fortuna darum zu zeigen, daß Boethius nichts verloren hat, was ihm rechtens gehörte. Sie spricht dabei mit dem Bewußtsein, daß Boethius ihr Unrecht angetan habe, und mit der vollen Würde der gekränkten Göttin, und vielleicht war dies für Alfred mit ein Grund, die Weisheit als Sprecherin zu wählen. Fortuna ist jedenfalls hier die Macht, die nur das nimmt, was sie vorher gegeben hat und was ihr gehört, und das ist ihr Recht und begründet ihr Wesen. Sie hat Boethius reicher beschenkt als andere. Weshalb rechtet er mit ihr? Alfred aber sieht die Klage des Boethius gegen die Weisheit gerichtet, und er knüpft an einen Vorwurf an, den Boethius (I, p. 4,14 = 9, 20 ff.) gegen die Philosophie erhoben hatte: „Sind das die Belohnungen, die ich mir durch deine Nachfolge erwerbe?" (Er meint Kerker und Verurteilung.) Als nun Fortuna anhebt, „Quid tu, homo, ream me cotidianis agis querelis?" (II,p. 2,3), übersetzt Alfred: „Weshalb machtest du mir vorhin Vorwürfe, daß du das Weltglück um meinetwillen verloren hast?" (17, 2). Die Frage der Fortuna, welches Gut sie Boethius geraubt habe, das ihm gehört habe {ebd. 3 f.), beantwortet er: „von mir kamen sie zuvor, da sie dir geliehen waren" (17, 7 f.). Bei Boethius hat Fortuna ihn, „arm und nackt an allem, mit ihren Schätzen verwöhnt..." Bei Alfred ist die Weisheit zur Spenderin der Güter geworden, denn sie hat ihn töricht und ungelernt aufgenommen, ihn gezogen und gelehrt, ihm Klugheit beigebracht, damit er es in der Welt zu Besitz und Ehren bringe (17,11 ff.). Die Rede der Fortuna geht: K. H. Schmidt, 19. Eine für den Topos in der mittelalterlichen Literatur bedeutsame Stelle. Vgl. Horaz, Carm., III, 29, bei H. R. Patch, The Tradition of the Goddess Fortuna in Mediaeval Philosophy and Literature, Smith College Studies in Modern Languages III (Northampton, Mass., 1922), 143. 22
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Opes, honores ceteraque talium mei sunt iuris, dominam famulae cognoscunt, mecum veniunt, me abeunte discedunt. (II, p. 2,16 ff.) Alfred übersetzt: JElc soj) wela -j sojs weoröscipe sindan mine agne jseowas. (17, 18 f.) Hier sind also nicht Reichtum und Ehre schlechthin die Dienerinnen, sondern nur wahrer Reichtum und wahre Ehre, und diesen Gedanken hat Alfred unabhängig von der Vorlage zu dem folgenden Satz erläutert: nos ad constantiam nostris moribus alienam inexpleta hominum cupiditas alligabit. (II, p. 2,25 ff.) Alfred fügt hinzu: „Durch Habsucht haben die Menschen mich des Namens beraubt, den ich mit Recht führen sollte... Reichtum und Ehre..." 1 hi me habbaö gesealdne hiora wlencum -| getehhod to heora leasum welum . . . (18, 2 f.) Die Menschen benennen also die Dinge mit falschen Namen, und dieser Gedanke findet sich bei Alfred an mehreren Stellen seiner Übersetzung über Boethius hinaus betont.24 Was die Menschen Reichtum und Ehre nennen, das sollte im Bereich der 'Gesceadwisnes' liegen, nicht aber in dem der ,fortuna'. Dann nennt 'Gesceadwisnes' ihre Dienerinnen: 'wisdomas -j craeftas -j soöe welan'.28 Sie stellen die ,vis' — „Haec nostra vis est" — (II, p. 2,27) dar, die bewegenden Kräfte der Welt. Das Auf und Ab des Rades der Fortuna „rotam volubili orbe, versamus, infima summis summa infimis mutare gaudemus" (28 f.) übersetzt Alfred im Sinne der Bibel {Matth. 23, 12; Luk. 14,11): ]?a niöemystan ic gebringe xt Ipsem hehstan, -| £>a hehstan set ösem niöemsestan; öast is p ic gebringe eadmodnesse on heofonum, i öa hefonlican god xt Jjasm eaömodum. (18, 8 ff.) Der Gedanke der Demut wird also hier zum Prinzip der Verteilung himmlischer Güter, und wir werden in einem anderen Zusammenhang sehen, daß die Demut für Alfred einen Schlüssel zum Geschehen der Welt bedeutet. Der folgende Satz wird für Alfred dann zum Anlaß einer Erklärung nach dem Motiv der Himmelsreise:26 21 39,4 ff. = II, p. 6,59 ff.; 76,2 f. = i n , p. 9,39 ff.; 76,13 f. = ebd. 43 f.; 68,9 = III, p. 6, 4 f . ; zum Begriff der „eitlen Rede" vgl. „sermo otiosus" (Gregor, Dialogi, ed. Moricca, 17, 5 = WaerferÖ, ed. Hecht, 11, 8; Moricca, 296, 20 = Hecht, 328, 15). 25 Bosworth-Toller übersetzt "sciences and arts". 28 Die Himmelsreise mit dem Adler hat eine Entsprechung im ae. Andreasgedicht (v. 864 ff.). Natürlich bietet das AT ein ähnliches Bild (5 Moses, 32, 11—13). Beispiele
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Ascende si placet, sed ea lege, ne, uti [cum] ludicri mei ratio poscet, descendere iniuriam putes. (29 f.)
'Gesceadwisnes' schwingt sich mit ihren Dienern hoch und sieht herab auf die stürmische Welt wie der Adler über den Wolken in stürmischem Wetter, daß der Sturm ihm nicht schadet. So soll 'Mod' sich zu ihr aufschwingen unter der Bedingung, daß sie bereit ist, die Erde wiederum aufzusuchen, um guten Menschen in der Not zu helfen. Dann folgt das Paradebeispiel für das Wirken der Fortuna, die Rettung des Croesus vom Scheiterhaufen durch den himmlischen Regen.27 Die Tränen des Paulus angesichts des Schicksals des von ihm gefangenen Perserkönigs passen natürlich nicht mehr in die Umwandlung. Das Zitat von den Fässern vor der Schwelle Jupiters, das wie die griechischen Zitate allgemein schon in der Überlieferung entstellt war, wird Alfred wohl kaum verstanden haben. Stattdessen schließt er den Gedankengang ab mit einer Rechtfertigung des Unglücks, das Boethius erleidet: Er hat allzu sehr auf seine Rechtschaffenheit und auf seinen guten Willen vertraut, er glaubte, daß ihm nichts Ungerechtes widerfahren könne, als ob er den Lohn seiner guten Werke hier auf Erden haben könnte. Aber er sitzt inmitten des Reiches, das allen gemeinsam ist, und er muß auch das erdulden, was die anderen erdulden. Es sind also drei Punkte, die wir in der Bearbeitung Alfreds hervorzuheben haben: 1. Die irdischen Güter sind dem Menschen nur geliehen (onlaende) (17, 8). 2. Weisheit verschafft Besitz und weltliche Ehre. 3. Den weltlichen Besitztümern kommt im Grunde der Name Besitz und Ehre nicht zu — er gebührt der Weisheit. Diese Anschauungen lassen sich nun mit Hilfe anderer Zusätze und Interpretationen Alfreds vervollkommnen. Boethius macht klar, daß die kostbaren Dinge dem, der sie besitzt, nicht das Kostbare verleihen. Das Kostbare bleibt immer die Eigenschaft des Dinges, ganz gleich, wer es besitzt: Neque enim idcirco sunt pretiosa, quod in tuas venere divitias . . . (II, p. 5, 57 f.) aus dem mythologischen Hintergrund der Alexandersage bei W. P. Ker, The Dark Ages (London, 1923), 69 f. " H. R. Patch, Tie Tradition of the Goddess Fortuna, 153. 25
Alfred greift zurück auf die obige Vorstellung: Wenst ]pu f hi a öy deorwyröran seon ]pe hi to Jjinre note gehende wsran? (31, 10 f.)
Die Weisheit verschafft die Macht: Leorniaö foröaem wisdom, -j ¡sonne ge hine geleornod hasbben, ne forhycgaö hine Jjonne. f>onne secge ic eow . . . f ge magon ¡Durh hine becuman to anwealde,... Jseah ge his no ne wilnigan. (35, 18 ff.)
Im Vorwort der Cura pastoralis setzt Alfred sich mit dem gleichen Gedanken auseinander (5, 1 ff.).28 Wer die Weisheit nicht liebt, zieht Strafe auf sich, und der Verlust des reichen Kirchenschatzes und der Bücher der vergangenen Zeit ist ein Zeichen, daß die Söhne nicht willens waren, in die Fußtapfen der Väter zu treten: Ure ieldran, öa öe öas stowa xt hioldon, hie lufodon wisdom & öurh öone hie begeaton welan & us lasfdon. (15, 3 ff.)
Sogar ein Stück Biographie des Boethius deutet Alfred in diesem Sinne um: Taceo quod desolatum parente summorum te virorum cura suscepit... Praetereo, . . . sumptas in adulescentia negatas senibus dignitates . . . (II, p. 3 , 1 5 ff.) . . . for^am ic öe geongne underfeng untydne i unlaeredne, -j me to beame genom, -] to minum tyhtum getyde. (20, 6 ff.)
Bis in den Wortlaut greift Alfred hier und im folgenden auf die oben besprochene Stelle zurück. Im deutlichen Anklang an die Vorstellung des Herrschers, der ein Philosoph ist, übersetzt er folgende Stelle: . . . At si quem sapientia praeditum videres, num posses eum vel reverentia vel ea, qua est praeditus, sapientia non dignum putare? (III, p. 4, 15 ff.) Gif pu nu gesawe sumne swiöe wisne man £>e hasfde swiöe gooda oferhyda, -| waere Jjeah swiöe earm -j swiöe ungesaelig, hwieöer öu wolde cweöan f he wsere unwyröe anwealdes •} weoröscipes? (62,14 ff.)
Den dritten Punkt (s.o. 25) hat Alfred ganz deutlich geklärt in der Rede der 'woruldsaelöa', die er dem Vorbild des Boethius entsprechend nach eigenen Ideen an den Schluß der vorherigen Ausführungen stellte. Dort klagen (19,11 ff.) die 'woruldsaelöa', daß der Mensch sie anstelle des Schöpfers auf den Thron gehoben habe. Es sind nicht sie, die den Menschen verführen, sondern der Mensch hat die Dinge der Schöpfung verführt und sie durch seine Wollust und Gier Gott, dem SchöpVgl. F. Klaeber, „Zu König Alfteds Vorrede", 56 f.
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fer, entfremdet. Die 'woruldsaslöa' sind dem Menschen nur geliehen, damit er sie nach dem Gebot des Schöpfers gebraucht, nicht um der unrechten Gier willen (19, 19 ff.). Hier sind also Vorstellungen von Schuld und Sühne im Spiel, aber aus diesen Gedanken hebt sich das Gegenbild einer christlichen Güterlehre heraus, von dem am Anfang des Kapitels die Rede war. Alfred hat sich nicht nur damit begnügt aufzuzeigen, daß der Mensch die Dinge der Welt nicht im Sinne des Schöpfers gebraucht, sondern er hat auch über die allgemeine Formulierung hinaus das Maß der Dinge festgelegt, das dem Menschen zugestanden ist. Er benutzt dazu die Darlegungen des Boethius über die Mesotes (II, p. 5) und erweitert einige Kommentarglossen zum Gedanken, daß es genügt, die Bedürfnisse der Natur zu stillen. Paucis enim minimisque natura contenta est; cuius satietatem si superfluis urguere velis, aut iniucundum, quod infuderis, fiet aut noxium. (II, p. 5, 42 ff.)
Der Kommentar erläutert: Argumentum contra nimio potu ciboque utentes. Omnis superfluitas cibi atque potus generabit nausiam aut infirmitatem corporis. Quia ille felix est, qui cibis cum temperamento utitur, superfluitate reiecta modum naturae custodire contendit. (7V. 129v; Silk, 92,12 ff. weicht stark ab, hat aber bereits „vestimentum". Eins. 122 hat lediglich „iniucundum scilicet in cibis")
Alfred übersetzt: Gif J>u Jponne J^act gemet habban wille, i J)a nydjjearfe witan wille, Jjonne is Jjaet mete and drync -| claöas -j toi to swelcum crsefte swelce ]pu cunne f ]pe is gecynde -j p £>e is riht to habbenne. (30,7 ff.)
An diese Voraussetzung zum rechten Gebrauch irdischer Güter knüpft Alfred dann in seiner berühmten Selbstdarstellung an, die nicht vom Kommentar angeregt wurde.29 Die Philosophie zeigt im zweiten Buch, „daß die Dinge an sich für den Menschen wertlos sind"30, und Boethius erhebt keinen Widerspruch außer an einer einzigen Stelle. Die Philosophie entwertet ,dignitas' und ,potentia' (II, p. 6), und hier verteidigt sich der Römer Boethius :31 29 So K. H. Schmidt, 27 mit Recht entgegen den Annahmen von Sedgefield und Plummer. Zu ,temperantia' vgl. S. 45 f. d. Arbeit. 30 K. Büchner, „Bemerkungen", 33. 31 Neben Büchner hat Alfonsi besonderen Wert auf die römische Komponente in der Consolatio gelegt, in der er das erste Werk des christlich-römischen Humanismus sieht. L. Alfonsi, «L'umanesimo boeziano della consolatio», Sodalitas Erasmiam 1 (1949), 173.
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Scis, inquam, ipsa minimum nobis ambitionem mortalium rerum fuisse dominatam; sed materiam gerendis rebus optavimus, quo ne virtus tacita consenesceret. (II, p. 7,1 ff.) Die Philosophie läßt diesen Einwand nicht gelten: „Es ist dies das einzige, was von Natur hervorragende Geister, die aber noch nicht durch Vervollkommnung der Tugend die letzte Hand erfahren haben, verlocken kann: der Wunsch nach Ruhm und der Ruf höchster Verdienste um den Staat. Wie dürftig und ganz ohne Gewicht dies i s t , . . . " Für Alfred muß der Einwand des Boethius mit den Begriffen „materiam gerendis rebus" und „virtus" sehr viel bedeutet haben, denn an diese und an den Gedanken des Nachlebens knüpft er an, ohne die Zurückweisung der ,Philosophia' zunächst zu beachten: Ganz deutlich aber zeigt sich der Anschluß an dem obigen Zusatz (30, 7): buton tola ic wilnode Jjeah -| andweorces to J>am weorce J>e me beboden was to wyrcanne; f was f ic unfracodlice gerisenlice mihte steoran -j reccan Jsone anwald ]?e me heftest wses. (40, 9 ff.) Alfred fährt dann fort: . . . nan mon ne masg namne crasft cyöan ne nsenne anweald reccan ne stioran butum tolum -j andweorce. (12 ff.) Die Auffassung von "craeft" bereitet Schwierigkeiten. BosworthToller übersetzt skill. Es steckt aber sehr viel Geistiges in diesem Begriff, und daher übersetzt es auch die ,virtus' (Bosworth-Toller, Eintr. vgl. craft III), aber es ist weniger abstrakt, der Begriff von „Kraft" — „vis, robur, potentia" — (.Bosworth-Toller Eintr. vgl. I) ist ebenfalls in ihm enthalten. Entscheidend für Alfreds spezielle Auffassung scheint aber folgender Zusatz, der nur sehr vage Vorbilder in den Kommentaren hat,32 zu einem Gedanken, der im Mittelalter und auch in der Renaissance eine große Rolle gespielt hat:33 Inest enim dignitas propria virtuti, quam protinus in eos, quibus fuerit adiuncta, transfundit. (III, p. 4, 17 ff.) Alfred erläutert diesen Gedanken und zeigt, daß er die Lehre von der ,virtus' völlig klar erkennt:34 32 K. H. Schmidt, 33, Anm. ** M. Wandruszka gibt einen kurzen Abriß über die Entwicklung des Begriffs und der mit ihm für unseren speziellen Fall verbundenen Vorstellungen, wobei der Sprachgebrauch der Vulgata eine besondere Rolle spielt. Zu Molières Zeiten muß er noch aktuell gewesen sein, denn er hat ihn verspottet («La cérémonie du malade imaginaire: Opium facit dormire: .. .Quia est in eo virtus dormitiva»). M. Wandruszka, Der Geist der französischen Sprache (Rowohlts deutsche Enzyklopädie, Hamburg, 1959), 39 ff.
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M\c crasft hxfö his sundorgife, -j Jja gife -| ]pone weoröscipe ]pe he hasfö he forgifö swiöe hraeöe £>aem J)e hine lufaö. Swa swa wisdom is se hehsta crasft, -j se haefö on him feower oöre craeftas; öara is an wsrscipe, oöer gemetgung, öridde is eilen, feoröe rihtwisnes. Se Wisdom gedeö his lufiendas wise -j weoröe -| gemetfasste . . . (62,22 ff.) Es kann also nicht falsch sein, wenn wir Alfreds Auffassung dahingehend erläutern, daß jeder Mensch die Aufgabe hat, die ihm mitgegebene ,ars' und ihm innewohnende ,virtus' — wir sollten hier beide Begriffe zusammen denken — ins Werk zu setzen. Dazu gehören dann die Mittel — „materia rebus gerendis". Aber Alfred sieht nicht die „Taten" in erster Linie, sondern die Mittel; für den König das „volkreiche Land" — "f he hsebbe his lond fullmonnad" (40,16 f.). Sinnvoll ergänzt Alfred das Bild von der Aufgabe des Herrschers durch die Hauptzüge der Ständelehre. Zum volkreichen Land gehören 'gebedmen -j fyrdmen weorcmen', die ,oratores', ,bellatores' und joperatores',38 und ihnen wiederum gehören die Dinge, die ihnen dem Stand nach zukommen: land to bugianne, -j gifta, -| waspnu, -j mete, -j ealo, -| clajsas, J)£es öe J>a f>re geferscipas behofiaö. (40, 21 ff.)
gehwaet
Hat er diese nicht, so geht die ,materia' selbst zugrunde, und ohne sie vermag der König das nicht zu schaffen, was ihm zu schaffen geboten ist (40, 24 ff.). Dann kommt Alfred auf das schöne Wort der Vorlage zurück: „quo ne virtus tacita consenesceret" (II, p. 7,3). Er erkennt es völlig an. Forjsy ic wilnode andweorces ¡sone anweald mid to reccenne, p mine crasftas -) anweald ne wurden forgitene i forholene. (25 ff.) Aber zur Dauer des Werkes gehört die Weisheit, denn was durch Torheit getan wird, das ist niemals zu Tüchtigkeit und Tugend zu rechnen.
p is nu hraöost to secganne, f ic wilnode weoröfullice to libbanne Jja hwile ]pe ic lifde, -j asfter minum life jpaem monnum to laefanne J>e arfter me wäEren min gemyndig on godum weorcum. (41, 3 ff.) Der Gedanke vom guten Werk der Nachfahren aus dem Gedenken an das Beispiel der Vorfahren krönt den Sinn irdischer Dinge.3® Mit a4 Der entscheidende Begriff ist natürlich "sundorgiefu"-"a special gift ot grace". Die mächtige Wirkkraft der Tugenden geht auf Plato zurück (z. B. Staat, I. Buch, 355 St.). •6 So werden sie gewöhnlich in der lat. Literatur der Zeit genannt. Für ,bellatores' findet sich ,milites', für .operatores' ,laboratores*. 36 Der Gedanke hat Parallelen in der Aufforderung der Vorworte vieler ma. Werke, in
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Recht hat SEDGEFIELD von dem persönlichen Ton Alfreds gesprochen, nach dem man in der englischen Literatur der Folgezeit jahrhundertelang vergebens Ausschau hält.37 Wir bemerken, daß sich die wichtigsten Zusätze Alfreds im Blick auf eine Güterlehre in dem Teil der Consolatio finden, der der stoischkynischen Diatribe am meisten verpflichtet ist. Bis auf den Einwand des Boethius, dem die ,Philosophia' entgegengetreten war, hatte es keine Möglichkeit gegeben, die Güter der Welt als werthaltig zu bestimmen. Alfred hatte diese Möglichkeit ergriffen, nachdem er schon bei der Darstellung der ,fortuna' eine andere Vorstellung von den Gütern und ihrer Zuteilung zur Geltung brachte. Diese Einstellung ist Boethius fremd, und sie hat auch kein Vorbild in den Kommentaren. Für Boethius sind die Dinge der Welt im Grunde Adiaphora. Sie können an sich nicht gut sein, da sie sonst niemals in die Gewalt von Lumpen geraten könnten (II, p. 6,39 ff.). Alfred wendet auch diesen Gedanken ins Positive: da, wo die Dinge der Welt gut sind, sind sie es durch das Gute am Menschen, der Gutes mit ihnen bewirkt. Sie sind aber schlecht durch den schlechten Menschen und durch den Teufel (38, 24 ff.). Ein letzter Gedanke Alfreds spielt noch in diesen Zusammenhang hinein, der aber in einem anderen Abschnitt untersucht werden soll: die Vorstellung des ,ordo'. Boethius geht es (III, p. 8,18 ff.) darum, daß der Mensch seinen Blick auf das Himmlische richte und auf die Vernunft, die in der gestirnten Ordnung waltet. Das fordert auch Alfred in charakteristischer Verschärfung des Tons, aber er ordnet die Geschöpfe nach Stufen an: Der Himmel steht an Güte und Erhabenheit und Schönheit über dem, was er umfängt (his innung) mit Ausnahme des Menschen, und in gleicher Weise ist der Körper höher einzustufen als das, was er besitzt — um wievieles höher ist aber dann, so fügt er hinzu, demgegenüber die Seele einzustufen. Abschließend folgt dann das Gebot: JE\c gesceaft is to arianne be hire andefne . . . (72, 25 f.)
Wir haben Alfred für sich selbst sprechen lassen, ohne zunächst durch Verweise auf ähnliche Denkweisen sein eigenes Denken in der Verflechtung mit Vorgängern und zeitgenössischen Quellen sichtbar denen Verfasser oder Schreiber den Leser bitten, ihrer zu gedenken im Gebet (z. B. Boethius, Proem, 1,10ff.; Gregor, Dialogi, ed. Hecht, Hs. O, 2, 9 ff.) 3 ' W. J. Sedgefield, King Alfred's Version .. .Dorn into Modern English (Oxford, 1900), viii.
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zu machen, damit die innere Einheit seines Denkens stärker hervortritt. Zum Abschluß des Kapitels soll der Versuch gemacht werden, einige der wichtigsten Beziehungen im Blick auf mögliche Quellen und verwandte Denkarten aufzuzeigen. Die Weisheit war als Spenderin der Güter aufgetreten, wobei allerdings eine Doppelnatur aufgefallen war. Sie verschafft auf der einen Seite tatsächlich irdische Güter, auf der anderen aber nimmt sie für sich in Anspruch, daß „wahrer Reichtum und wahre Würde" (17,18 f.) ihre Diener sind. Über die Hochschätzung der Weisheit und über deren Quellen wird später zu reden sein, aber für unseren Fall sind Beziehungen zum alttestamentlichen Buch der Sprüche Salomonis vorhanden: Per me reges regnant, et legum conditores justa decernunt; per me principes imperant, et potentes decernunt justitiam. Ego diligentes me diligo, et qui mane vigilant ad me, invenient me. Mecum sunt divitiae et gloria, opes superbae et justitia. Melior est enim fructus meus auro et lapide pretioso, et genimina mea argento electo. (Lib. Prov. VIII, 14—-19) Pretiosior est cunctis opibus, et omnia quae desiderantur huic non valent comparari. Longitudo dierum in dextera ejus, et in sinistra illius divitiae et gloria. (ebd. III, 15—16)
In beiden Fällen ist die Weisheit Spenderin der Güter, der himmlischen, die den Wert der irdischen weit übersteigen, aber auch der irdischen. Sie entspricht also der Doppelnatur, die wir auch bei Alfred finden. Was auffällt ist, daß die Gerechtigkeit fehlt, aber sie ist ja innerhalb der Kardinaltugenden, die Alfred als ,virtutes sapientiae' verstand (s. o. 29), enthalten. Außerdem ist nicht daran zu denken, daß Alfred hier bewußt und ausdrücklich auf diesen Sachverhalt anspielen wollte. So war sein Verhältnis zur Weisheit geformt, und die Umrisse dieser geistigen Form können wir in der Übersetzung erkennen, mehr nicht. Aufschlußreich ist auch ein Vergleich mit der Literatur der Königsspiegel.38 Das Paradigma bietet Salomon (3 Reg. 3, 5).39 Auf die Auf38 Außer den Literaturgeschichten von Ebert, Manitius, Ghellinck (vgl. Literaturverzeichnis) vergi. M. L. W. Laistner, Thought and Letters in Western Europe A. D. 500—900
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forderung Gottes, Salomon solle sich wünschen, was er wolle, begehrt Salomon Weisheit: Et dixit Dominus Salomoni: Quia postulasti verbum hoc, et non petisti tibi dies multos, nec divitias, aut animas inimicorum tuorum, . . . ecce feci tibi secundum sermones tuos, et dedi tibi cor sapiens et intelligens . . . Sed et haec, quae non postulasti, dedi tibi, divitias scilicet et gloriam, ut nemo fuerit similis tui in regibus, cunctis retro diebus. (3, Reg. 3, 11—13)
Hier ist also die Tradition der Vorstellung deutlich. In beiden Fällen haben wir die Doppelnatur der Güter. In der Wertordnung sind beide Güter, irdische und himmlische, ganz verschiedenen Ranges, aber in der Praxis fallen die irdischen Güter dem zu, der die himmlische Weisheit besitzt. Schwerer fällt es, den Gedanken, daß die Güter der Welt dem Menschen von Gott zu Lehen gegeben sind, in einer sinnvollen Nähe zu Alfreds Gedankenwelt aufzuspüren. 40 Das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern (Matth. 25,14 ff.) ist nicht in diesem Sinne ausgelegt worden, wie überhaupt sich eine eigentliche Güterlehre erst spät aus dem christlichen Denken entwickelt. 41 Eine Äußerung wie die folgende steht der Form Alfreds nahe, aber der Kontext ist ein ganz anderer. Gott spendet den Reichtum und der Mensch ist Verwalter der Güter; Gott ist der wahre Eigentümer. Wir wollen nie schlechte Verwalter der uns verliehenen Güter sein, auf daß nicht das Wort Petri auf uns Anwendung finde: Schämet euch, die ihr fremdes Gut zurückbehaltet, und ahmet Gott nach, der alles gleich verteilt, und niemand wird arm sein. (Gregor von Nazianz, zit. bei Schilling, 99)
Man wird sagen dürfen, daß Alfred sich bei diesem Gedanken zunächst an die Formulierung des Boethius „habes gratiam velut usus alienis" (II, p. 2,13 f.) hält, die er allerdings viel umfassender versteht, weil er selbst eine andere Auffassung vom Wesen der Güter zur Geltung bringt gegenüber der stoisch-kynischen Entwertung, die bei (London, 1957), 315 ff., und R. W. Carlyle, A. J. Carlyle, A History of Medieval Political Theory in the West, Vol. 1 (Edinburgh and London, 1927), 210 ff. 39 Sedulius Scottus, Liber de rectoribus christianis, ed. S. Hellmann, Quellen und Untersuchungen zur lat. Philologie des M. A., Band 1, Heft 1 (München, 1906), 31, 20 ff. 40 Die Darstellung hält sich an folgende Werke: O. Schilling, Reichtum und Eigentum in der altkirchlichen Literatur (Freiburg, 1908), E. Troeltsch, Die So^iallehren der christlichen Kirchen und Gruppen (Tübingen, 1912), A. J. Carlyle, Medieval Political Theory. 41 Vgl. E. Troeltsch, Die Soziallehren, Kap. „Frühkatholizismus" und „Thomistische Sozialphilosophie".
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Boethius vorherrscht. Für ihn bilden die Güter eine Aufforderung zur Verwertung und zur Anwendung in dem ihnen gemäßen Sinne. Ohne sie vermag er das Werk nicht zu vollbringen, das ihm zu wirken geboten ist. Gerade aber die Züge einer solchen aktiven Moral im Blick auf die äußeren Güter fehlen in dem Bild, das von der Lehre der Kirche und von den Königsspiegeln her gewonnen werden kann, und wir befinden uns hier in dem Bezirk von Alfreds Denken, den man als eigenständig ansprechen muß. Der Alfredsche Gedanke, daß die Dinge der Welt dort, wo sie gut sind, durch das Gute der Menschen gut sind (38, 24 ff.) allerdings, spiegelt die Lehre Augustins, wie sie zusammenhängend im Buch XIX des Gottesstaates entwickelt ist.42 Zentral aber ist auch folgende Stelle: Bona quae sunt communia bonis et malis, pecunia, honor hujus saeculi potestas, administratio, salus ipsa corporis. Et haec bona sunt sed bonos quaerunt. 43 ( S e r m o 1 1 1 , PL 38, c. 1418)
Aber auch bei Augustin fehlt das Dynamische der Alfredschen Auffassung, die Pflicht, die irdische Stellung im Blick auf die Güter und auf die ,ordinata dilectio' — "Mlc gesceaft is to arianne be hire andefne" (72, 25 f.) — voll wahrzunehmen. Doch ist Augustin das Bindeglied zwischen der Auffassung des Boethius und der Alfreds. Völlig in den wesentlichen Zügen ausgebildet tritt uns auch die Ständelehre entgegen, die ebenfalls bei Augustin noch nicht zu finden ist, wenn auch der Ständegedanke selbst seine Ahnenreihe bis auf den platonischen Staat zurückführt.44 Aber das Mittelalter hat diesen Gedanken eine entscheidende Form gegeben, und der Beleg bei Alfred ist der früheste Beleg, den eine der mittelalterlichen Volkssprachen für den Ständegedanken bietet.46 Ausgesprochen finden wir ihn in dem Königsspiegel des Sedulius,46 aber der Zusammenhang ist anders und 42 Kernbegriffe sind .usus', daneben ,ordinata dilectio', .iustitia' und .tranquillitas ordinis', vgl. H. I. Marrou, „Civitas Dei, Civitas terrena: num tertium quid?" Studio Patristica, II, Texte und Untersuchungen %ur Geschichte der altchristlichen Literatur 64. Bd. = V. Reihe (Berlin, 1957), bes. 346 f; F. Klingner, „Gerechtigkeit", Römische Geisteswelt (München, s1956), 582 ff. 48 Weitere Stellen bei O. Schilling, Reichtum, 171 ff. und J. Mausbach, Die Ethik des Heiligen Augustinus, Band 1 (Freiburg, 1929), 264 ff., 273 ff. 44 R. Mohl, The Three Estates in Medieval and Renaissance Literature, Columbia University Studies in English and Comparative Literature 56 (New York, 1933), Introduction. 46 R. Mohl, 12. Die eigentliche Literatur der "Three Estates" beginnt nach Mohl erst bei Walter de Chatillon oder Walter Map — je nach der Verfasserschaft von De statibus mundi (beide 2. Hälfte des 13. Jhdts.), 21. 49 Sedulius Scottus, 87, 10 ff. Sedulius betont die bevorzugte Stellung der Kleriker
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Otten, Alfreds Boethius
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differenzierter als bei Alfred, so daß eine Entlehnung nicht in Betracht zu ziehen ist. Wie vertraut aber diese ganzen Vorstellungen Alfred waren, können wir aus Assers Biographie des Königs entnehmen. Asser hebt die Sorgfalt hervor, mit der Alfred seine Einkünfte gerecht unter seine Diener verteilt, ebenso wie das Wort der Schrift, das ihn dazu verpflichtet: „Si recte offeras, recte autem non dividas, peccas."47 Die tatsächliche Einteilung Alfreds ist komplexer als die prinzipielle, die er in der Boethius-Übertragung aufführt, aber sie liegt der Wirklichkeit deutlich zugrunde. Die Hälfte der Einkünfte kommt Gott zu, davon je ein Viertel für die Armen, für die eigenen Klöster, für Schulen und für Geschenke an andere Klöster. Die übrigen Einkünfte gehen an die Krieger, Hofbeamten, Handwerker und Gäste oder Pilger.48 Alfred hatte seine Ansichten zur Güterlehre an verschiedenen Stellen der Übertragung untergebracht, so daß beim ersten Lesen wohl der Eindruck entstehen kann, daß seine Anmerkungen zufällige Stellungnahmen darstellen. Aber bei der genaueren Untersuchung zeigen auch verstreute Bemerkungen ein hohes Maß von einheitlichem Denken, und bei aller Verschmelzung mit dem lateinischen Vorbild entsteht doch ein Bild eigener gedanklicher Prägung. Dabei ist es Alfred offensichtlich nicht darum gegangen, ein eigenes System zu entwerfen, sondern lediglich sein Verständnis des Boethius dem Leser zu vermitteln. Daß aber ein organisches Gedankengebilde die einzelnen Anmerkungen und Einschübe verbindet, scheint ebenfalls festzustehen. Die Grundlagen dieses Denkens sind geboten durch die Lehren der Schrift, wie sie die zeitgenössische Doktrin vermittelte. Vertieft erscheinen sie durch die Kenntnis einiger der wichtigsten Fortschritte, die Augustins Stellung zwischen eigentlicher Antike und Mittelalter ausmachen. Aber was bei Augustin als Glied seines Denkens keine primäre Stellung in Anspruch nimmt, das hat Alfred in einer entscheidenden Bestimmtheit in sein Denken aufgenommen und vertreten: die Verpflichtung zum rechten Gebrauch der Dinge der Welt, gegenüber den ,carnales milites'. Er spricht auch von den Leistungen, die der König den Klerikern zukommen lassen soll: „sufficiente victum atque vestitum" (87, 5 f). Hellmann merkt an, daß dieses Zitat als hieronimianisch gilt, doch hat er es nicht verifizieren können. Von Interesse ist auch die Ständelehre der Institutes of Polity, Civil and Ecclesiastical, hrsg. v. Karl Jost, Schweizer Angl. Arbeiten 47 (Bern, 1959), 55 ff. " Asser's Life o/King Alfred, ed. W. H. Stevenson (Oxford, 1904), 86,18 ff.; zum Ganzen vgl. §§ 99—104, 85 ff. 49 „advenis ex omni gente ad eum advenientibus", § 101, 8.
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wobei das Verpflichtetsein zum Gebrauchen einen Nachdruck für sich in Anspruch nimmt, den man bei Augustin, aber auch in der sonstigen patristischen Ethik nicht finden wird. Hier hat das Wort von H. H. G L U N Z Geltung, daß mit Alfred eine neue Ethik entsteht.4* c. Verdienste und Werkgerechtigkeit Für Boethius ist die Ansicht entscheidend, daß das Gute seinen Lohn in sich selber trage. Kein zweiter Gedanke bringt Boethius seinem großen Vorbild näher als diese überzeugte Auffassung von der unendlich überlegenen Souveränität des Guten und seiner schließlichen Identität mit Gott. Es ist eine Ansicht, die zu den edelsten gehört, die im Abendland ausgesprochen wurden: Melioribus animum conformaveris: nihil opus est iudice praemium deferente, tu te ipse excellentioribus addidisti. (IV, p. 4, 95 ff.)
Alfred hat diese Stelle nicht übersetzt (121 f.), obwohl Boethius ihren Sinn soweit ausführt, daß ein Mißverstehen außer Frage steht. Sie steht bei Boethius zwischen zwei Vergleichen, die Alfred als Parabeln ausführt. Die Wahrheit der Zwischensätze hat er nicht beachtet. Seine Auffassung ist nämlich eine andere. Schon im Vorsatz hat er eine Feststellung des Boethius abgemildert, nämlich die Bemerkung, daß die Übeltäter „vel licentiam vel impunitatem scelerum putant esse feücem" (ebd. 93 f.). Alfred übersetzt: „Deshalb glauben verblendete Seelen, daß dies das höchste Glück sei, daß es Menschen erlaubt sei, übel zu tun und ihnen die Tat straflos bleiben könne" (121, 17 ff.). Alfred schränkt also die Möglichkeit der Straflosigkeit von vornherein auf eine bloß subjektive Meinung hin ein, während Boethius sie einfach als möglich unterstellt. Das Gute nimmt für Boethius eine solch überragende Stellung ein, daß schon der Gedanke, Böses zu wollen, Strafe genug ist, Böses aber tun zu können und es dann sogar durchzuführen, ist der Gipfel alles Unglücks (IV, p. 4,12ff.). Mit dieser allein in der Ontologie begründeten Strafe des Seinsverlustes gibt sich Alfred aber nicht zufrieden, und er fügt begründend hinzu: „Denn Gott hat beschlossen, Strafe und Elend schlechten Menschen zuzufügen für ihre schlechten Werke" (117, 20 ff.). So ist es ihm auch nicht mit der Feststellung getan, daß die Strafe das Glück der Schlechten sei, da sie dem Vergehen etwas Positives hinzufuge und seine Schwere dadurch 49
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H. H. Glunz, Die Literarästbetik des europäischen Mittelalters (Bochum, 1937), 46 f.
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mildere (IV, p. 4,58 ff.), während Straflosigkeit das Übel vergrößere. Alfred fahrt fort, daß sie ungestraft bleiben auf dieser Welt, das eben sei das deutlichste Zeichen für das größte Übel dieser Welt und die schlimmste Vergeltung in der zukünftigen. Dieses Denkschema läßt sich nun in seiner Wirkweise durchgehend verfolgen. Boethius spricht von Kummer und Leid im Gefolge der Wollust (III, p. 7,1 ff.). Für Alfred sind beide wiederum Zeichen für die Strafe nach dieser Welt. -| hu micele ma wenst öu p hi scylon habban jefter Jjisse worulde edlean hiora earnunga. ( 7 0 , 1 0 f.)
Er vergleicht es mit der Not der Gebärenden nach der Lust der Zeugung.50 Während Boethius nur beiläufig die Strafen nach dem Tod erwähnt (TV, p. 4,70 ff), versichert auch hierzu wiederum Alfred, „daß die Guten den Lohn ihres Gutseins sowohl hier als auch in der Ewigkeit haben und auch die Bösen ihren Lohn für ihr Böses hier sowohl als auch in der Ewigkeit" (120, 9 ff). Gerade in der Betonung des Lohns auf Erden trägt Alfred ein dem Geist der Consolatio völlig fremdes Moment in die Übertragung hinein. So geht er in der Annahme, daß der Mensch sein Schicksal verdient, weit über die Auffassung des Boethius hinaus. Denn dies ist ja das zentrale Anliegen der Consolatio: Boethius hat nach der Lehre der Philosophie als ihr Schüler gelebt und gehandelt, dennoch widerfährt ihm der Kerker, und an diesem Punkt fällt für ihn die sinnvolle Ordnung der Welt, soweit sie den Menschen betrifft, in Trümmer. Für Alfred steht hingegen fest, daß 'Mod' ihr Schicksal verdient hat, und so führt er den Begriff der Sünde ein, im Falle des Boethius sein allzu großes Vertrauen auf seine Rechtschaffenheit (18, 21 ff). Und zu Beginn des dritten Buches gesteht dann auch 'Mod' ein, daß sie ihr Leid verdient hat, eine Stelle, die Alfred frei hinzugefügt hat: . . . ne cwiöe ic naefre ma p hit butan gewyrhtum sie; foröasmic wat p ic maran -| hefigran wyröe wsere. (50, 18 ff.)
Auch im Himmel erhalten die Seelen nach Alfred ihren Platz je nach Verdienst (81,32 ff), und von den Furien in der Unterwelt — für 60 Das Paradigma geht auf Gen. 3,16 zurück. Es findet sich in Beda, Hist. Ecc. I, ch. 27, ed. Plummer, 45: „In carnis autem commistione uoluptas est; nam in prolis prolatione gemitus." Die Abweichung der entsprechenden ae. Texte ist groß, "swa swa bearneacen wif acenö bearn i örowaö micel earfoöu, aefter {sam ¡De hio ier micelne lust f>urhteah" (70, 11 ff.). — "in fjses lichoman gemengednesse biö willa, {ranne in {»es tudres forölasdnisse biö goound f sar", ed. Miller, I, 76,14 f.
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ihn sind es die Parzen — sagt er, daß sie, wenngleich sie keinem Menschen seine Ehre lassen, doch jeden nach Verdienst strafen (102,21 ff.). An der entscheidenden Stelle, an der die Philosophie die Möglichkeiten erläutert, die der menschliche Verstand allenfalls fassen könnte, um die Gerechtigkeit des göttlichen Schicksals wenigstens in einigen Fällen zu begreifen, da ersetzt Alfred geradezu die große Unbekannte, die es nicht erlaubt, den Ratschluß Gottes vollkommen zu erfassen, durch das Verdienst. Bei Boethius heißt es, daß Gott dem Menschen zuteilt, was ihm angemessen ist: . . . quid unicuique conveniat, agnoscit et, quod convenire novit accommodat. (IV, p. 6, 116 f.) Alfred erläutert hier das Gesetz Gottes ohne Bedenken: He araö Jsasm goodan, -j witnaö öa yflan; he wat hwses xlc wyröe biö. Nis hit nan wundor, foröaem he of J)2em hean hrofe hit eall gesihö, 1 Jponan miscaö i metgaö selcum be his gewyrhtum. (132,16 ff.) Bei Boethius bleibt ein Schleier des Geheimnisses vor dem göttlichen Entschluß, bei Alfred ist der Entschluß völlig einwandfrei zu deuten. Dann spricht Boethius davon, daß Gott das Schicksal zuteile „pro animorum quaütate", d. h. je nach der Beschaffenheit der Seele. Einer zarten Seele, die leicht zum Unrecht verleitet wird, mutet Gott weniger zu als einer robusten (IV, p. 6,140 ff.). Auch hier übersetzt Alfred unter Beziehung auf den Verdienst (133, 21 ff.) der Betroffenen. Die schwierige Diskussion über die Frage, wie es bei einem allwissenden Gott überhaupt eine Freiheit des menschlichen Entschlusses geben kann (V, p. 3,3 ff.), hat Alfred an dieser Stelle nicht aufgenommen. Er erklärt, daß Gott dem Menschen die Freiheit gegeben habe, aber auch, so fügt er hinzu, ein festes Gesetz, daß er jeden nach seinem Verdienst lohnt, sowohl in dieser als auch in der zukünftigen Welt (142, 8 ff.). Sogar eine regelrechte Verfälschung unterläuft Alfred in Verfolg dieses Gedankens. Die Philosophie erläutert (III, p. 2, 1 ff.) den Gedanken, daß alle Menschen das Gute wollen, es jedoch verfehlen, da sie es nicht als das Einzige und Eine begreifen. Sie lösen es in Teilvorstellungen auf wie Reichtum und Ruhm, Sinnesfreude etc. Diesen schwierigen Gedanken erläutert Alfred: Sie wollen auf verschiedenem Wege zu einem Ziel kommen, d. h. daß sie durch ungleiche Verdienste zu einer Glückseligkeit gelangen wollen, das ist zu Gott (52, 16 ff.). Wenn bei den obigen Beispielen der Gedanke von der Bestrafung der Bösen etwas im Vordergrund stand, so gilt für eine Reihe anderer 37
Zusätze das Gegenteil. Durch gute Werke erwerben die Märtyrer die Tugenden, die sie unüberwindlich machen (134, 2 ff.), und durch sie vermag der Mensch zwar nicht den Tod von sich abzuwenden, wohl aber ihn hinauszuzögern (142, 15 ff.).51 Wenn das Schicksal es mit einem Guten gut meint, so ist auch das ein Vorzeichen der ewigen Güter (137, 25 ff.). Ein schwieriges und in den Handschriften vielfach entstellt überliefertes griechisches Zitat52 hat er durch ein nicht unpassendes Bibelwort ersetzt (Ps. 16, 8; 5. Mos., 32,10), nach welchem Gott seine Lieblinge beschirmt unter dem Schatten seiner Flügel und wie einen Augapfel behütet (133, 11 ff.). Alfred übersetzt zwar nicht das Metrum, das die Taten des Herakles schildert53 und unterschlägt den Namen des Helden, indem er einfach von dem Vorbild guter Männer und Ehrbegieriger spricht, aber den Sinn des Metrums gibt er wieder: Die Guten kämpften um Ehre auf dieser Welt, sie bemühten sich um des guten Ruhmes willen, und aufgrund ihrer guten Werke wohnen sie nun über den Sternen in ewiger Seligkeit (139, 5 ff.). Der Gedanke des Boethius, daß in einer determinierten Welt der Verkehr des Menschen mit Gott in Hoffnung und Gebet aufhört, die einzige Art, in der der Mensch mit Gott sprechen kann (V,p.3, 98 ff.), ist von Alfred auf seine Vorstellung von den guten Werken zurechtgestutzt worden: Unnytlice we swincaö Jjonne we us gebiddaö, -] öonne we fasstaö, oööe aslmessan sellaö, gif we his nabbaö 3y maran ]aanc ]pe Jaa jae on eallum Jsingum wadaö on hiora agenne willan, -j asfter hiora lichoman luste imaö. (142, 31 ff.)
Das ist für ihn dann der entscheidende Einwand in der Argumentation um Willensfreiheit und Vorbestimmung. Alfred bricht daraufhin die Diskussion ab, ohne auf die feinen Unterscheidungen des Boethius zwischen dem reinen Wissen und der Notwendigkeit, die durch Wissen bewirkt werden könne, einzugehen, und er ruft noch einmal kategorisch Gottes Gebot in Erinnerung: p mon sceolde forlastan yfel i don good; -| eft se cwide ¡se he cwasö: swa mon ma swincö, swa mon maran mede onfehö. ( 1 4 3 , 1 3 ff.)
Nun ist es nicht so, als ob diese Gedanken bei Boethius überhaupt 61 Hier liegt die berühmte alttestamentarische Versprechung zugrunde „ . . . longitudinem enim dierum, et annos vitae, et pacem apponent tibi" (Prov. 3, 2; 4, 10; u. a.). 62 Wahrscheinlich ein Parmenides-Zitat. Büchner, Boethius, Trost der Philosophie (zu: IV, p. 6, 137 f.). 68 IV, m. 7; Alfred übersetzt und erläutert vielleicht mit Hilfe des Kommentars von v. 30 ab.
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keinen Platz hätten. Boethius hat ja auch die Möglichkeit gelten lassen, daß die Vorsehung den Menschen, der der Gottheit in der Vollendung der Tugend nahesteht, von jeder Krankheit ausnimmt (IV, p. 6,133 ff.), und im fünften Buch erkennt auch Boethius dem Verdienst den Rang des Gesetzes zu, nach dem die Vorsehung alles ordne (V, p. 2, 26 ff.), ein Gedanke, den er ganz am Ende der Consolatio nochmals besonders eindringlich wiederholt (V, p. 6,160ff.),aber dennoch ist der Unterschied groß. Boethius führt diesen Gedanken spät ein, zunächst nur als Möglichkeit, dann aber auch am Schluß des Werkes, an dem der apokalyptische Charakter der ,Philosophia' wiederum besonders deutlich ist. Zudem hat ihn Boethius nicht in die Form des „Vulgärchristentums" eingehen lassen und ihn nicht mit Almosen und Fasten in Verbindung gebracht (143, 1). Entscheidend aber ist in Alfreds Auffassung, daß der Gedanke des Verdienstes und der guten Werke seine Übertragung gänzlich durchdrungen hat, daß er ihm zum Leitgedanken für den göttlichen Lauf der Welt geworden ist. Verdienste und gute Werke stellen ein unbedingtes Gesetz dar, das sich unmittelbar auswirkt in den Erscheinungen der Welt, die Boethius weitgehend der Bewertung in diesem oberflächlichen Sinn entzogen hat, indem er das Gute an sich zum unbedingten Ziel menschlichen Strebens erhob und dessen Besitz für alles Seiende zur Grundlage der Existenz machte. Im Guten sind dann Lohn und Strafe in einer Weise enthalten, die überhaupt keiner Erörterung mehr bedarf. Für Alfred aber sind Lohn und Strafe ganz konkrete Gegebenheiten, die jede Handlung begleiten und deren unausweichliches Kriterium bilden. In diesem Sinn ergänzen sie auch Alfreds Güterlehre; sie fügen dem Gebot Gottes die Folgen von Verstoß und Gehorsam hinzu. Es fällt nicht schwer, für diese Betrachtungsweise andere Beispiele heranzuziehen, denn hier handelt es sich um ein Grundaxiom des Volksglaubens, wie es uns in der christlichen Literatur des Altenglischen auf Schritt und Tritt begegnet.64 Ein Ausgangspunkt für die Übernahme dieser Lehre und ihre Übersteigerung liegt ohne Zweifel in der grob materialistischen Einstellung, die in vielen Fällen für die 64 Auch der Bemvulf spiegelt diese Lehre wider. Vgl. F. Klaeber „Die christlichen Elemente im Beomlf", Anglia 35 (1912), 111—136 u. 249—270; Anglia 36 (1912), 179—199. Vgl. insbes. 121 f. Vgl. G. Ehrismann, „Religionsgeschichtliche Beiträge zum germ. Frühchristentum", Beilr. z- Gesch. d. dt. Spr. u. Lit. X X X V (1909): „Das Frühchristentum der Germanen ist beherrscht von der Zweckidee. Ein naiver und massiver Eudaimonismus, die Aussicht auf Belohnung im Himmelreich, bildet den Kern des religiösen Bewußtseins", (209 f).
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Bekehrung der heidnischen Angelsachsen ausschlaggebend war. Sie hatte für Beda nichts Anstößiges,88 und die Historia Ecclesiastica liefert Beispiele in Fülle für die selbstverständliche Beziehung zwischen guten Werken und ihrer Belohnung, sowie deren Gegenteil bei Versäumnissen und Übeltaten.66 In dieser Betrachtungsweise ist Beda hauptsächlich abhängig von Gregor, dem eigentlichen Begründer und Verbreiter des populären Verdienstdenkens.87 In der Moralia in lob hat er die theologischen Grundlagen dieses Denkens gegeben, allerdings unter starker Betonung des Gedankens von der Priorität der Gnade, auf den Augustin vor allem Wert gelegt hatte.68 Diese Beziehung ist auch in den Dialogi libri quattuor genügend deutlich, sie steht allerdings nicht mehr im Vordergrund, denn der Zweck dieser Dialoge ist ganz deutlich der, zu erweisen, mit welcher Wunderkraft (virtus) Gott die belohnt, die sich in der Liebe Gottes ganz dem guten Werk verschrieben haben. Hier findet sich denn auch nicht mehr der Gedanke von der minimalen Natur der menschlichen Verdienste im Vergleich mit der unendlichen Größe der göttlichen Belohnung, der in der Moralia noch ausgesprochen ist.69 Die Dialoge aber sind eines der populärsten Bücher des Mittelalters gewesen, und obgleich die Übersetzung im Auftrag Alfreds von Waerferö stammt, finden sich eine Reihe von Parallelen in Auffassung und sprachlichem Ausdruck zu Alfreds Con/o/a//o-Ubertragung.60 " Dies vermerkt Plummer im Kommentar (99 zu ch. 13, üb. II) mit leichtem Tadel anläßlich Coifis „grob materialistischem" Rat. Vgl. O. Funke, „Altengland im Werden des christlichen Abendlandes", Wege und Ziele (Bern, 1945), 16 f. Berühmt ist das Beispiel vom Gemetzel der britischen Mönche, nachdem die Briten sich der römischen Ordnung nicht fügen wollten (Beda, Hist. Eccl., II, 2) und Augustinus ihnen die Katastrophe als Folge ihrer Weigerung vorausgesagt hatte. Ein anderes Beispiel ist die nächtliche Erscheinung, die der gefangene König Edwin hat. Sie spricht zu ihm: „Sed dicito mihi, quid mercedis dare velis, siqui sit, qui his te meroribus absolvat", (II, ch. XII, ed. Plummer, 108 f.). Die Wunderkraft bezeugt die Größe des Glaubens, z. B. das Kreuz König Oswalds (üb. III, c. II) und die Wunder an der Stätte seines Todes (III,c. IX,Plummer, 145): „Cuius quanta fides in Deum, quae devotio mentis fuerit, etiam post mortem uirtutem miraculis damit." " Uber Gregors Rolle als Verbreiter des „Vulgärkatholizismus" vgl. P. de Labriolle, Histoire de la littérature latine chrétienne, t. 2 (Paris, 31947), 805 f. 58 Artikel mérite im Dictionnaire de Théologie Catholique X, 1 (Paiis, 1928), bes. c. 643 ff. und 657 f. „omnipotens Deus vitam hominum ex sola qualitate interrogat meritorum" (Gregor, Moralia XXV, I, 1) — Zu Augustin auch Gilson, Introduction à l'étude de St. Augustin (Paris, 81949), 200. u Dictionnaire de Théol., c. 658, Artikel mérite. z. B. die Paraphrase von Boethius I, m. 2; 9, 12 und Waerferö ed. Hecht, 6, 12, die Reaktion auf die Schuld in der Reue, Boethius 19, 30 f. und Waerferö 130, 3; die Teilhabe des Heiligen am Wissen Gottes, Boethius 146, 16; Waerf. 138, 16 .
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Es ist der Zweck der Dialoge, zur Nachahmung der Heiligen aufzufordern und anzuleiten (Vorwort, ed. Morica, 16, 5 ff.), und die Relation zwischen den Verdiensten und der verliehenen Wunderkraft wird immer wieder aufgezeigt.61 Dabei spielen Gebet, Fasten und Almosen, wie sie auch Alfred erwähnt (142, 31 f.), eine bedeutende Rolle,62 weit mehr aber noch wird der Geist der christlichen Liebestätigkeit betont, und dies wiederum finden wir weder bei Beda noch bei Alfred. Niemals aber wird den Heiligen ein Wunder leichtfertig gewährt. Die Demut wird immer wieder als die Voraussetzung der Wunderkraft sichtbar, wie es auch das eigentliche Problem der Regula curae pastoralis ist, mit der Hoheit des Amtes und der Berufung die innigste Demut des Dienstes zu verbinden.83 Diese Beziehung ist bei Alfred nicht verlorengegangen. Die Demut ist geradezu eine „Alfredsche Tugend".84 Aus diesem Geist erklärt sich dann auch der Fehl des Boethius, der, von Alfred erfunden, die geistige Verfassung des Boethius, aber auch die weltliche Lage motiviert: wendest ]past ]?e nanwuht unrihtlices on becuman ne meahte, swelce ]DU wolde J>a lean eal jpinre godena weorca on Jpisse weoruld habban. (18, 22 ff.)
Die gregorianische Auffassung vom Verdienst steht heute nicht mehr hoch im Kurs. Wenn wir bedenken, wie aktivierend sie auf Alfred gewirkt hat, und sie in Zusammenhang setzen mit der dynamischen Auffassung der Güterlehre und mit dem königlichen Amt, wie es Alfred verstand, so scheint es richtiger, nicht nur die Primitivität in ihr zu sehen, sondern auch das hohe Potential geistiger Kräfte, die sie entband.66 81 z. B. Anfang (I, ii, ed. Moricca, 22 f.) bei dem Wunder, das Honotatius mit der „callicula" seines Lehrers wirkt : „Quidnam hoc esse dicimus? virtutem tanti miraculi Honorati egit meritum, an petitio Libertini?" (23, 3 f.) — „Quid virtutis, quid fuisse meriti dicimus, quod eius ori tantum factus est proximus omnipotens Deus" (173, 24 f.) — „Ut agnosco vir iste magnus foris fuit in miraculis, sed maior intus humilitate" (41, 23 f.) u. a. m. 62 Vgl. üb. II, das Leben des Hl. Benedikt, allerdings ist die geistige Grundlage entscheidend, und der Regelmechanismus der Formel fehlt in den Dialogen, das Erbarmen steht höher als das Almosengeben. Vgl. die Stephanusvision (IV, xxxvii, bes. 288 f.). Beda sagt von König Sebbi: „Erat enim religiosis artibus, piis elimosynarum fructibus, crebris precibus, plurimum intentus" (Hist. eccl. IV, c. xxi, ed. Plummer, 225). M Gregors Einstellung zeigt auch der Brief an Augustinus über dessen Wunder (Beda H ist. Eccl. I, xxxi, ed. Plummer, 66 f.). •4 L. L. Schücking, „Heldenstolz und Würde im Angelsächsischen", Abh. d. Phil. Hist. Klasse der Sachs. Akad. d. Wiss. 47, 5 (Leipzig, 1933), 26. 66 Vgl. Dictionnaire de Thêol., c. 685, Artikel mérite. «.. .ce qui caractérise la pensée de saint Grégoire le Grand, c'est son insistance à marquer, sous l'action de la grâce, la réalité et la valeur de l'oeuvre humaine».
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d. Sünden und Schuld Bei der Erörterung der Güterlehre Alfreds stießen wir ebenso wie bei der Darstellung des Werk- und Verdienstdenkens auf die Tatsache der Schuld, obwohl dem Wort nach weder der Begriff der Schuld noch der der Sünde eine Rolle spielte. Tatsächlich sind beide Begriffe aber nicht nur der Sache nach in der Alfredschen Übertragung vorhanden, sondern auch dem Begriff nach, wenn auch in etwas anderen Gedankenbereichen. Boethius allerdings hat den Begriff der Sünde expressis verbis vermieden. Er spricht lediglich von ,fas' (IV, p. 6,187) und ,nefas' (III, p. 10,54; V, p. 3,67), aber bekanntlich entsprechen diese Begriffe nicht dem christlichen Begriff der Sünde, sondern dem des religiösen Tabus, und diese Bedeutung Hegt in den obigen Fällen vor: es ist nicht recht, daß der Mensch vom Geheimnis des göttlichen Wirkens zuviel redet oder gar einen Begriff denkt, der Gott unrecht tut. Der christliche Begriff der Sünde beruht letztlich auf der persönlichen Bindung des Menschen an Gott, der sich für ihn aus Liebe geopfert hat und dem er ein Unrecht zufügt, das eigentlich in seiner Schwere nicht auszudenken ist.1 Diesem Begriff der Sünde kommt Boethius nur entfernt nahe, als er davon spricht, daß der Mensch dem Schöpfer ein Unrecht antue, wenn er sich an die Dinge der Welt verliert, während er durch seinen Geist auf Gott hin angelegt ist (II, p. 5, 71 ff.). Obwohl Boethius in der Consolatio deutlich das Bild eines persönlichen Gottes vor Augen steht,2 fehlt also die christliche Vorstellung der Sünde beinahe völlig. Die Consolatio ist ganz von dem sokratisch-platonischen Gedanken durchdrungen, daß die Menschen ihr einziges Glück aufgrund eines Irrtums verfehlen (III, p. 2; p . l l ; p.l2;IV,p.2). Die Gottesvorstellung des Boethius ist so vollendet, daß die menschliche Sünde Gott überhaupt nicht erreicht. Der Böse kann nur aus einer Ordnung Gottes in eine andere fallen (IV, p. 6,182 ff.), so daß es für Gott überhaupt
1 Diese Sündenauffassung ist für E. Gilson ein Prüfstein des christlichen und des antiken Denkens. Vgl. E. Gilson, L'esprit de la philosophie médiévale (Paris, 21948), bes. das Kapitel «Lois et moralité chrétienne», vor allem 311 ff. 2 Zwei Gegensätze sind sichtbar : "The conception of a simple God remote from his universe, the immovable mover, from whom order, causes and the visible world proceed is, of course, Aristotelian. Boethius, however, has conceived of a first principle more personal and dynamic than this." E. K. Rand, "On the Composition of Boethius Consolatio Philosophiae", Harvard Studies in CI. Phil. X V (1904), 18. Zur Frage des christlichen Gedankenguts finden sich die wichtigsten Beiträge genannt bei L. Alfonsi, «L'umanesimo della consolatio», Sodalitas Erasmiana 1 (Neapel, 1949), 180.
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nichts Böses geben kann. Er hat das Böse durch die Vorsehung aus der Schöpfung getilgt und bewirkt damit Gutes. So ist das Unglück der Bösen unendlich, weil sie sich von Gott getrennt haben, der Quelle allen Seins, und weil nur das Gute wirklich ist, das Schlechte hingegen überhaupt nicht existieren kann. Aber das Vergehen ist an sich ein Irrtum, da auch die Natur des schlechten Menschen das Gute will und wollen muß, die Teilhabe am Sein. Der Begriff 'synn' kommt in Alfreds Bearbeitung nur zweimal vor (84,19 u. 31), und zwar als Übersetzung von ,nefas' (III, p. 10,54), aber in der Wiederholung des Begriffs, in der verstärkten Emphase des Stils und in der größeren Ausführlichkeit gegenüber dem lateinischen Text zeigt sich ein Unterschied in der Bewertung der Sünde. Die Tatsache, daß sich 'synn' nur an diesen Stellen im Text findet, zeigt andererseits, daß es Alfred nicht darauf ankam, hier grundsätzlich und bewußt zu ändern3, sondern daß er jeweils die einzelnen Stellen seinem eigenen Verständnis angepaßt hat. Zunächst aber genügt es Alfred nicht, als Grund für das Böse den rein rationalen Akt des Irrtums zu setzen. An der zentralen Stelle (III,p. 2,13 ff.) fügt er zum Irrtum die Neigung des Menschen zu den irdischen Gütern hinzu : ac hit biö amerred mit J>am henum godum, foräasm hit biö ofdaslre öasrto. (53,13 f.) Alfred glaubt also nicht an den Irrtum allein und auch nicht so recht an den beherrschenden Trieb der Natur zum Guten. Die große Wendung vom Rationalen der klassischen griechischen Ethik zur Ethik des Willens in der Spätantike, eine Voraussetzung der mittelalterlichen Literatur4, scheint hier, wenn auch nur schwach wahrnehmbar, dennoch wirksam zu sein. Deutlicher tritt sie an folgenden Stellen in Erscheinung : Es ist eine logische und damit auch eine ontologische Grundvorstellung des Boethius, daß Gutes und Böses nie miteinander vorkommen können: agit enim cuiusque rei natura, quod proprium est, nec contrariarum rerum miscetur effectibus et ultro, quae sunt adversa, depellit. (II, p. 6, 52 ff.) 8 Notker, der in den problematischen Fragen den Spürsinn des Gelehrten zeigt, hat den Sündenfall in seine Darstellung aufgenommen. I. Schröbler, 72. * C. S. Lewis, The Allegory of Love (Oxford, 1936), 58 ff.
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Alfred aber sieht im Menschen Gutes und Böses vereint, und daher hilft er sich mit einer Erklärung: peah hie buta on anum men sien, Jseah biö aegöer him onsundran. ( 3 8 , 1 0 f.)
An der folgenden Stelle tritt dann auch das Böse fast selbstverständlich an die Seite des Irrtums: Sed ad hominum studia revertor, quorum animus etsi caligante memoria tarnen bonum suum repetit, sed velut ebrius, domum quo tramite revertatur, ignorat. (III, p. 2, 49 ff.) Da nu ]peah heora mod -j heora gecynd sie adimmad, -) hi sien on f ofdaele asigen to yfele -j Jsider healde, Jjeah hi wilniaö ]s£es 8e hi cunnon i magonjises hehstan godes. ( 5 5 , 1 5 ff.)
Der berühmte Codex der Todsünden, der im Altenglischen erst später seine feststehende literarische Form erhält,6 ist noch nicht zu finden, aber zwei „Sünden" werden von Alfred aus dem Kanon falscher Bestrebungen deutlich herausgelöst: 'ofermetto' und 'gitsung', ,superbia' und ,avaritiac. Die Feinde des Philosophen — des Stoikers wie des Epikuräers — sind die heftigen Gemütsbewegungen (affectus) ,gaudia', ,timor', ,spes' und,dolor'. 6 Für Alfred hingegen ist der Feind zunächst der „Hochmut": A c gif öu wilnige on rihtum geleafan f so3e leoht oncnawan, afyr fram {ae 8a yfelan sad^a -j J>a unnettan, -] eac 8a unnettan ungesarijpa -j ]pone yflan ege Jsisse worulde, f is jpaet ]DU ]pe ne anhebbe on ofermetto on J)inre gesundfulnesse -] on 3inre orsorgnesse, ne eft ]?e ne geortrywe nanes godes on nanre wiöerweardnesse. ( 1 4 , 1 8 ff.)
Alfred hat also gegenüber Boethius zunächst mit der Ausdrucksweise „im rechten Glauben" einen ausgewiesenen Begriff der christlichen Doktrin als Grundbedingung des Strebens eingeführt. Dann tritt mit 'unnytt' eine Kategorie in Erscheinung, der Alfred sehr großen Wert beigemessen hat,7 wenn auch dort eine Tradition vorliegt, die sich von den Kirchenvätern herleitet mit der Einordnung der Dinge nach ihrem Nutzen für das Heil des Menschen,8 doch führt Alfred gerade ' M. W. Bloomfield, The Seven Deadly Sins (Michigan, 1952). G. Tetzlaff, Die Bezeichnungen für die sieben Todsünden in der ae. Prosa (Diss. Berlin, 1953). Noch bei Wulfstan sind es 8 Todsünden (De Christianitate, ed. D. Bethurum (Oxford, 1957), 196). 6 Vgl. S. 15 f. dieser Arbeit. 7 Vgl. .otiosus' in ähnlicher Bedeutung S. 24 Anm. 24 dieser Arbeit und S. 39, Anm. 54 und S. 38. 8 Augustin hat diesen Begriff besonders entwickelt (z.B. De doctrina christiana, 1. Buch), vgl. E. Gilson, Introduction ä l'Etüde, 217 f. Doch ist für ihn die innere Einstellung maßgebend. 44
den Begriff 'unnytt' auch dort ein, wo die Verhältnisse nicht so einfach liegen.9 Die epexegetische Klarstellung der Beziehungen zeigt in diesem Fall, daß mit 'unnytt' über eine Sache ein schwerwiegendes Urteil gefällt ist und daß es sich nicht um ein Adiaphoron handelt, wie das heutige Sprachempfinden nahelegen könnte. Zwischen der Epexegese und dem Vordersatz herrscht ein kausaler Nexus, der ebenfalls für eine Betrachtungsweise kennzeichnend ist, die dem Boethianischen Denken fehlt, eine Herleitung psychologischer Beziehungen, die von den falschen Glücksgütern zum Stolz im Besitz bis zur Verzweiflung reicht, wie der Zustand des Boethius zu Beginn des ersten Buches auch von den Kommentaren gedeutet wurde.10 Für Alfred ist also eine Sünde wie die des Hochmuts nicht nur ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung, sondern eine Folgeerscheinung, die über ihre Ursache hinaus zu einem Ende weiterläuft. Und so sieht er überall den Hochmut am Werk. Die Erwartung des Boethius, von schlimmen Schicksalsschlägen bewahrt, den Lohn für seine Rechtschaffenheit auf Erden zu erhalten, war eine Erklärung, die eine für Alfred nötige Lücke im kausalen Nexus des Geschehens schloß.11 Allzu großes Selbstvertrauen war der Ausgangspunkt für die Verzweiflung im Elend (18, 21 ff.). Wenn Boethius in einem berühmten Gedicht (III, m. 6) davon spricht, daß alle Menschen durch Gott gleich edler Abstammung sind und es also des Grundes entbehrt, seine Abstammung zu rühmen, so nimmt Alfred wiederum auf den Hochmut Bezug (69, 25). Die Vorsehung „zwackt" manche Menschen „ne longa felicitateluxurient" (TV,p. 6,141 f.). Alfred übersetzt, „damit sie nicht zu hoch aufsteigen und stolz werden" (133, 22 ff.). Wenn Boethius sagt, daß die Vorsehung wohl auch schlechte Menschen mit Reichtum beschenken mag, damit sie nicht noch mehr wüten (IV, p. 6, 160), so setzt Alfred skeptisch hinzu, daß einige dennoch durch den Reichtum noch schlimmer werden, weil sie, übermütig geworden, sich ohne Maß seiner bedienen (134,21 f.). Der Begriff des Maßes gibt » Pastoral Care, ed. Sweet, 37, 15, 19, 2 1 ; PL 77 c. 17 (I, c. 4) vgl. Past. Care: "östte he ne öohte nawuht ungesceadwislices ne unnetlices" (ed. Sweet, 77, 12); „quatenus sacerdotale cor nequaquam cogitationes fluxae possideant, sed ratio sola constringata . . . " (PL 77, c. 27, II, c. 2). 1 0 „dum erat in ergastulo adhibuit sibi consolationem videlicet philosophiam, ne nimio dolore aut tristitia vel ira quandoque laberetur in desperationem, quia pernitiosum erat apud veteres . . . " (Peiper, vita II, xxxi, 4 ff., Tr. 1 1 5 v, Eins. 95). Zur Verzweiflung vergi, d. folgende Anm. 12. 1 1 Vgl. S. 37 f. dieser Arbeit.
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auch bei Boethius eine Norm ab für die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse, aber bei Alfred sanktioniert 'gemet' letztlich den Gebrauch der Güter und grenzt sie gegenüber der Sünde ab.12 Wo das Maß verloren geht, da beginnt der Hochmut. In diesem Sinn ist die Gestalt des Tyrannen bei Alfred zu einem Paradigma des Stolzes geworden. Boethius geht es (IV, m. 2) darum, die Ohnmacht und Unfreiheit des Tyrannen darzutun, der inmitten der Schaustellungen seiner Macht Gefangener seiner eigenen Leidenschaften ist. Alfred sieht den Tyrannen konkreter in seiner Stellung zu seiner Gefolgschaft und seinem Nutzen:13 ihn kümmert weder Freund noch Feind mehr als ein toller Hund, so außerordentlich hochmütig ist er in seiner Seele um der unmäßigen Gewalt willen (111, 17 ff.). Weiter führt Alfred aus, worin seine Maßlosigkeit besteht: in Kleidung, Essen und Trinken, die wiederum Ursprung von Stolz und Wollust sind. Dann führt er die kausale Verflechtung der Sünden weiter aus und verfolgt sie bis zu der völligen Verstrickung der Seele in die Sünde. Wenn die Seele (IV, m. 11) des Menschen, zu Gott heimgekehrt, von ihrem Sitz im Himmel in die Nacht der Erde blickt, so sieht sie die Tyrannen heimatlos. Alfred setzt hinzu "ealle ]sa ofermodan r i c a n . . . " (105, 26). Als Alfred am Schluß der Consolatio den Lobpreis der Größe und Geistigkeit Gottes wiedergibt, da unterbricht er sich, von der Kraft der Vorstellung bezwungen: Ac hwset ofermodie ge ]ponne, oööe hwy ahebbe ge eow wiö swa heane anwald? (148, 29 f.)
Man kann sagen, daß Alfred in der ,superbia' die schwerste Verfehlung des Menschen seinem Gott gegenüber sieht. An einigen Stellen aber wird es deutlich, daß er bestrebt ist, sie als Folge einzuordnen. Das entspricht auch der christlichen Lehre, allerdings nur teilweise,14 12 Vgl. S. 27 f. dieser Arbeit. "Gif {>u {>onne Ipxt gemet habban wille, . . . " (30, 7). 'gemetgung' als Kardinaltugend ist bei Alfred zweimal erwähnt (62, 27; 87, 7) ohne Vorbild bei Boethius. Gegenpole sind allzu großes Selbstvertrauen bzw. Stolz und Verzweiflung. So hat Alfred die ,via media' zwischen „ne vos aut tristis (fortuna) opprimat aut iucunda corrumpat" (IV, p. 6,45 ff.) übersetzt: "{>y lses he hine for ösere wynsuman wyrde fortruwige, oööe for öaere reöan foröence." (138, 26 f.) 18 "p ealle gesceafta willnodon sumes godes for gecynde; ac ]?a unrihtwisan cyngas ne magon nan god don, . . . " (112, 5 f.) 1 1 Nach Eccl. X, 14,15: „Initium omnis peccati est superbia", nach Paulus, I Tim. 6 , 1 0 „Radix enim omnium malorum est cupiditas". Die entscheidende Einstufung der .superbia' als Wurzel der anderen 7 Kardinalsünden geht auf Gregor zurück {Moralia, XXXI, 45, PL 76, c. 620—622). Vgl. M. W. Bloomfield, 72. Bei Augustin ist die ,cupiditas' neben der ,ignorantia' die erste Folge des Sündenfalls (Gilson, Introductian . . . , 196, vgl. 154).
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und dem Willen Alfreds nach einer kausalen Reihe innerhalb des Sündengeschehens. Der ,superbia' geht die ,avaritia' voraus. Wir haben bereits gesehen, daß in Alfreds Interpretation die menschliche Habsucht (gitsung) die Dinge der Welt ihrem Schöpfer entfremdet hat.16 Schon vorher hatte Alfred die ,avaritia' dafür verantwortlich gemacht, daß die 'woruldsael^a' die Seele verfuhren (19, 17 f.).18 Noch über Boethius hinaus schärft Alfred die Wahrheit ein, daß Gier im Grunde etwas Maßloses ist und daher auch durch keine Güter und keinen Erwerb befriedigt werden kann.17 In diesem Sinn verändert Alfred auch einen Gedankengang des Boethius. Boethius legt dar, daß es dem Menschen nie glücken kann, die vollkommene ,sufficientia' zu erreichen, solange er sich auf den Erwerb von Reichtum, Macht, Ehren etc. verlegt, weil das eine stets nur mit dem Verlust eines anderen Guts erkauft werden kann. Qui divitias,... petit penuriae fuga, de potentia nihil laborat, vilis obscurusque esse mavult... (III, p. 9, 47f.) Diese Logik, die auf einer für den antiken Leser selbstverständlichen Typenlehre beruht,18 ist für Alfred nicht mehr allein gültig. Er übersetzt treu, fügt jedoch hinzu, daß einer, der genügend reich ist, glaubt, ihm fehle zur Autarkie noch die Gewalt, und so treibt ihn die Gier immer weiter, bis er über dem Erwerb des Fehlenden auch das wieder verliert, was er vorher besessen hatte, und zum Schluß noch nicht einmal über das Notwendige verfügt (77, 3 ff.).19 Gegenüber diesen grundlegenden Sünden treten andere zurück, aber die ,voluptas' hat Alfred über Boethius hinaus aufs Korn genommen. Boethius behandelt sie nur kurz. Die Praeteritio drückt gewissermaßen die Verachtung aus, die er für diesen Gegenstand empfindet: „Quid autem de corporis voluptatibus l o q u a r , . . ( I H , p . 7,1). Alfred führt die Skizze des Boethius in Einzelheiten aus. Boethius denkt an die Ängste, die einer um der ,voluptas' willen aussteht und an Vgl. S. 26 f. dieser Arbeit. " Zu II, p. 1, 9. « Nach II, p. 5,17 = 28,18 ff.; nach II, p. 5,66 f. = 31,20 ff., vgl. II, p. 6,54 = 38,28 f.; III, p. 3, 51 f. = 60, 20 ff. 18 Der Mensch wird nach der Lehre der Alten (Aristoteles, Theophrast) vorzüglich durch eine einzige Leidenschaft als Charakter geprägt, die ihn bis zur Ausschließlichkeit beherrscht — ein auch für die spätere Literatur wichtiger Topos. 19 Schmidt, 38, nimmt an, Alfred habe den Uberblick verloren. Er hat aber lediglich den Topos nicht verstanden und ihn durch Gedanken ersetzt, die zwar der Logik des Boethius widersprechen, in sich jedoch logisch sind. 15
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den Überdruß (paenitentia) des Satten. Der antike Leser wird etwa an die Strapazen des Liebhabers gedacht haben oder an den ruinierten Magen. Alfred stellt wieder die kausale Reihe her, die vom Übermaß zu den Lastern, zu Reue und Sorgen und zu den Strafen im Jenseits (70, 5—13) führt. Auch die Übersetzung von ,voluptas' gibt der Sache einen andern Klang. ,Voluptas' ist für einen stoischen Philosophen kein Gut, sondern das niedrigste der Scheingüter, aber sie hat einen gewissen Lebenswert. Alfred aber übersetzt mit 'fkeslican unjjeawas' und deutet damit auf die christliche Verdammnis des Fleisches (70, 3). Das bekannte Beispiel vom Bienenstachel,20 der nach dem Genuß zurückbleibt, hat Alfred ebenfalls in diesem Sinne verwandelt (III, m. 7). Wie die Biene nach dem Stich zugrunde geht, so verdirbt auch die Seele nach der Wollust (71, 6 ff.), es sei denn, der Mensch wende sich zum Guten. Es ist auch aus diesem Grund für Alfred unmöglich, in der Sinnenlust eine allgemeine Erfahrung der menschlichen Natur zu sehen, wie es Boethius in einem Rest antiker Unbefangenheit noch tut: tristes vero esse voluptatem exitus, quisquís reminisci libidinum suarum volet, intelleget. (III, p. 7, 6 ff.)
Alfred hat diesen Satz gestrichen. Sinnbild der Lust ist für Boethius das „schmutzigeSchwein" (IV, p. 3,63), und Alfred hat auch diesem markanten Vergleich noch einige verstärkende Linien einzeichnen können (115, 5 ff.).«1 Aber Alfred denkt nicht nur der Sache nach anders als Boethius, er empfindet die Realität der Sünde in ganz anderer Weise als dieser. Seine innere Einstellung treibt ihn zu einer leidenschaftlicheren Stellungnahme. An die Stelle des Irrtums, der Torheit, die bei Boethius ein Kopfschütteln oder ärgerliches Ungehaltensein und ironisches Unverständnis hervorrufen, ist das Empfinden getreten, daß Leben und Tod der Seele auf dem Spiel stehen und daß die Sünde etwas Häßliches ist. So ist seine Reaktion ungleich schärfer. Boethius erläutert, daß das Schlechte gegenüber dem Guten nie das Stärkere 20
Vergil, Geórgica, IV, 238. Der „Schweinehund" darf ehrwürdige Ahnen nachweisen: Die Zutat Alfreds entspricht 2 Petr. 2, 22 (Prov. 26, 11): „Canis reversus ad suum vomitum; et Sus Iota in volutabro luti", über die rückfälligen Sünder. Alfred mag das Zitat noch von der Übersetzung der Curapastoratis her in der Erinnerung gehabt haben (III, c. 30, PL 77, c. 110). Es ist ein beliebtes Bild patristischer Literatur (vgl. St. Gregory, Pastoral Care, Transí, and Annot. by H. Davis, Ancient Christian Writers XI (London, 1950), 266. In Alfreds Ubersetzung, ed. Sweet, 419, 27 f. 21
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und Überlegenere sein kann. Warum, so fragt er, folgen sie dem Laster? Kennen sie das Gute nicht? „Sed quid enervatius ignorantiae caecitate?" (IV, p. 2,86 ff.) Für Alfred hat dieser Gedanke eine andere Aktualität: Ac hwast sagst öu Jponne p sie forcuöre Jjonne sio ungesceadwisnes? hwy geöafiaö hi öxt hi bioö dysige? hwy nyllaö hy spyrian aefter crasftum -j asfter wisdome? Ic wat J^eah dxt swongornes hi ofsit -| hi mid slaswöe ofercymö, i gitsung hi ablent. Wit cwsedon Jseah aer p nanwuht naere wyrse Jsonne ungesceadwisnes. (109,1 ff.)
Die knappe Selbstverständlichkeit des Boethius mit einem Anflug von Verachtung ist zu einer Anklage und zu einem Lasterkatalog geworden, der in der Emphase des Stils die innere Entrüstung spiegelt.22 e. Schuld und Wille Der christliche Begriff der Sünde enthält den Begriff der Schuld, die im Nachweis der Theodizee auf die Erbschuld zurückgeführt wird. Diese zentralen Begriffe des christlichen Dogmas fehlen bei Boethius, ebenso die Begriffe von Gnade und Vergebung. 23 Bis zur Erbsünde ging Alfred nicht zurück, und auch der Begriff der Gnade fehlt, aber Erbarmen und Vergebung sind als wichtige Ergänzungen der Sündenlehre aufgeführt. 23 So hat Alfred nicht nur eine Verfehlung für 'Mod' erfunden (18,22), sondern auch ein Schuldbekenntnis (50,18 ff.).24 Die Schuld verdunkelt aber auch den Geist der Menschen und hindert sie an der Erkenntnis des Wahren. So urteilt Alfred über die falschen Meinungen der Philosophen: "hi beoö abiende mid 9aem J^iostrum heora scylda" (131,15). Für Boethius beruht die Klarheit des Erkennens auf der von keinen Leidenschaften bewegten lichtvollen Kraft des Geistes, der gewohnt ist, Licht zu schauen (TV, p. 4,89 ff.). Alfred spricht an dieser Stelle von den sündigen Seelen, die, von ihrem schlimmen Willen geblendet, das Licht der Wahrheit nicht erkennen (121,12 ff.). So sagt er auch von den Philosophen: "Hi wenaö p ]?ara ade sie god j^e hiora willan fulga;Ö" (131,13 f.). Vgl. Alfreds Wiedergabe IV, m. 2 = 111,12 ff. Es fehlen Bibelzitate außer im Anklang, ebenfalls ist der Name Christi nicht erwähnt oder der Begriff der Erlösung. Vgl. S. 42 Anm. 2; E. K. Rand, Founders of the Middle Ages (New York, 1957), 134 ff. 21 Vgl. S. 36, 41 dieser Arbeit. 22
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Otten, Alfreds Boethius
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Alfred bringt also , Sünde', , Schuld' und ,Willen' in einen Sinnzusammenhang, ohne allerdings diesen Zusammenhang zu erläutern. Diese Zusätze spiegeln also wiederum ein Verständnis einzelner Stellen, ohne daß Alfred versucht hätte, die Beziehungen, die er impliziert, systematisch zu deuten. Der bedeutendste Zusatz zur Willensethik findet sich an einer Stelle, deren volles Verständnis sich Alfred verschlossen hat. Boethius geht aus von einem Wort Piatons, „daß allein die Weisen ausführen können, was ihr Begehr ist, die Ruchlosen aber zwar ausüben, wozu sie Lust haben, was sie jedoch ersehnen, nicht erfüllen können" (IV, p. 2,130 ff.). Alfred faßt den Gegensatz zwischen ,libeat* und ,desiderent' nicht scharf genug und stellt die Aussage darauf ab, daß die einen das durchführen, was sie wollen, während die anderen es lediglich anfangen können. Hier drängt sich dann deutlich seine eigene Logik dazwischen, und er sagt sich, daß wohl auch die Guten bisweilen etwas anfangen, was sie nicht durchzuführen vermögen. Aber, so setzt er hinzu, um die Argumentation des Boethius zu retten, die Guten führen es stets durch, denn sie haben den vollen und unbezweifelbaren Willen, und der ist für die vollendete Tat zu nehmen.26 26 Die Guten werden dementsprechend belohnt, die Bösen bestraft für ihren bösen Willen. Sie erreichen das Gute nicht, das sie suchen, weil sie es durch den Willen suchen und nicht auf dem rechten Weg (110, 30—111,10). Wir stoßen hier auf zwei „Willen", wobei einmal der eigene Wille als etwas Positives zu gelten hat, das andere Mal als etwas Negatives. Die negative Bedeutung ist auch in folgendem Zusatz deutlich: " . . . hi ne lyst spyrian aefter aelcre spraece swa longe oö hi p riht witen, ac wenaö on hiora unnettan willan -j spyriaö aefter öaem" (121, 20 ff.). Ein anderer Zusatz zum Orpheus-Metrum (III, m. 12) besagt, daß der Wille bei der Bewertung der Sünde ins Gewicht fällt: Foröaem swa hwa swa mid fülle willan his mod went to öaem yflum öe he xr forlet, -| hi öonne fullfremeö, -| hi him Jjonne fullice liciaö, he hi nsefre forlastan ne £>enceö, öonne forlyst he eall his serran good, buton he hit eft gebete. (103, 17 ff.) 25 M. E. zeigt diese Stelle deutlich, daß Alfred keinesfalls eine durchgängig vereinfachte Paraphrase des Boethius vor sich hatte. Das Ringen zwischen Alfreds Auffassung und dem schwierigen Text ist als Vorgang hier festgehalten. 2 ' Diese Stelle dürfte das erste Auftauchen der Redensart sein " T o take the will for the deed", die sonst erst in der Renaissance belegt ist, vgl. Tilley, A Dictionary of tbe Proverbs in England (Michigan, 1950).
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Alfred gebraucht demnach den Begriff der Sünde nicht übereilt und unüberlegt, sondern erwägt die subjektiven und objektiven Bedingungen : Wille, Verwirklichung, Gefallen und Bejahung. Selbst dann aber läßt er noch Raum zur Besserung, obwohl hier von einem Rückfall in die Sünde geredet wird. Das ist eine großherzige Einschätzung, die der Lehre entspricht, daß es nur ganz wenige Sünden gibt, für die der Mensch keine Verzeihung erlangt, doch ist es mir nicht geglückt, eine Alfreds Auffassung entsprechende Parallele zu finden. Alfred betont also, daß niemand der Sünde ausgeliefert ist, und auch hier ist der Wille entscheidend beteiligt. Wir stoßen auf einen ähnlichen Zusammenhang bei Alfreds Schilderung der Tyrannen (IV, m. 2). Bei allem Abscheu, den er empfindet (111,12 ff.), betont er doch, daß ihnen der Weg offensteht zur Schuldlosigkeit (112,10ff.): sie sind allerdings nicht nur den Leidenschaften unterworfen, sondern, was schlimmer ist, sie kämpfen nicht mehr dagegen an: pxr he hit a anginnan wolde, -] Jponne on ¡Dam gewinne Jjurhwunian ne mihte, Jponne nasfde he his nane scylde. (112, 10 f.) So wichtig die guten Werke sind, so genügt doch der gute Wille für den, dem zu guten Werken die Möglichkeit fehlt: Gif men to goodum weorce ne onhagie, hasbbe goodne willan; p is emngood. (142, 19 f.) Zum Willen gehört die Freiheit und zur Besserung die Reue,27 und auch dieser Verbindung trägt Alfred in einem größeren Einschub zu IV, p. 4 , 6 ff. Rechnung, der seine eigenen Ansichten zur Verdienstlehre, zur Vorsehung und Sünde zusammenfassend wiedergibt: He [God] tiohhode, gif hi hwaet gesyngoden on öxm freodome, p hi hit eft on öxm freodome mid hreowsunga gebeten; -| gif hiora hwylc swa heardheort wasre p he nane hreowsunge ne dyde, p he Jponne hsefde rihtlic wite. (143, 27 ff.) Wie Alfred auf der einen Seite die Möglichkeit der Besserung und Sündenvergebung betont, so hebt er auf der anderen die Sündenstrafen hervor. Als es um die Strafen der Schlechten geht, die als ein Gut anzusehen sind, weil das, was gerecht ist, stets auch gut ist (IV, p. 4, 50 ff), gibt Alfred eine Erklärung dafür, daß in dieser Welt manche ohne Strafe bleiben. E r mißtraut also wiederum der rein durch die Struktur des Seienden bestimmten Strafe, die für die Schlechten 27 Ähnliche Einschübe Alfreds 109, 28 ff., 143, 28. Auf der Willensfreiheit beharrt Alfred besonders, vgl. das folgende Kapitel.
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ein Gut darstellt. Alfred führt die Barmherzigkeit Gottes und seine Milde ins Feld. Gott schenkt reichlich und wartet, bis der Böse das Böse begreift und sich zum Guten wendet. Alfred setzt aber hinzu, daß die Strafe nur aufgeschoben wird, sie wird verzögert, und die Bösen verachten Gott umso mehr um seines Zögerns willen (119,31 ff.). Auch hier ist Alfreds Auffassung wiederum durch eine gewisse Großzügigkeit charakterisiert und durch eine Weite des Blicks, soweit Gott betroffen ist. Die Möglichkeit einer Besserung der Schlechten schätzt er mit realen Skeptizismus ein. Die prinzipielle Erwägung des Boethius, daß der Schlechte dann am unglücklichsten sei, wenn seine Straflosigkeit ewig währe (IV, p. 4, 81), da sie ihn dann ewig vom Guten trenne, hat Alfred ebenfalls verwandelt. Die Frist währt nur bis zum Jüngsten Tag (120, 31). Den für Dante so entscheidenden Gedanken von der ewigen Sehnsucht nach dem Guten, dessen Unerreichbarkeit zur größten Qual der Verdammten in der Hölle wird, hat Alfred nicht verstanden. So ist auch eine andere Auslassung zu verstehen. Boethius zählt auf, was bei einer Beurteilung der Strafe ins Gewicht fällt, nämlich Abschreckung und Besserung. Er setzt aber hinzu, daß eben die Bösen auf andere Art unglücklicher sind, selbst wenn man Besserung und abschreckendes Beispiel nicht berücksichtige (IV, p. 4,46 ff.). Diesen Zusatz hat Alfred wiederum fallen lassen (118, 28). Wenn auch die Auffassung Alfreds von Sünden und Sündenstrafen, Schuld und Vergebung im Gegensatz zu der Meinung des Boethius allgemeine Inhalte der christlichen Lehre wiedergibt, so ist es doch in einigen Fällen möglich, die Vorbilder genauer zu bestimmen. Die starke Emphase, die auf Stolz und Hochmut und auch auf der Demut liegt, dürfte auf Gregor und die Cura pastoralis zurückzuführen sein. Gregors Regel ist eine einzige Warnung vor dem Hochmut, dem gerade der Gerechte besonders gern verfallt. Gerade das Hirtenamt verführt auch die Starken: selbst Saul und David sind im Glück der Versuchung erlegen (I, 3 PL 77 c. 17 = Alfred, ed. Sweet, 35, 14 ff.; II, 6 c. 35 f. = Alfred, ed. Sweet, 113, 5 ff.). Gregor weiß, daß der Geist des Hochmuts sich der Demut bedient (I, 8 c. 21 = 55,12 f.), daß die Tugenden verkleidete Laster sein können (II, 9, c. 44 = 149,1 f.). Jeder Stand, jeder Charakter hat seine eigenen Versuchungen, die immer wieder in anderer Form ihre Opfer suchen. Der Reiche verfällt der Habsucht, aber der, der sein Vermögen den Armen gibt, gerät in die Versuchung des Hochmuts ob seiner Tugend 52
(III, 20, c. 83 = 319,14 ff.). Gregor stellt immer wieder die beiden Hauptlaster heraus: Habsucht und Hochmut. Er unterscheidet sie auch nicht nach der Priorität, so daß ebenso wie bei Alfred eine gewisse Unklarheit herrscht. Er zitiert beide Hauptstellen (1,11, c. 26 = 73, 2 f.; III, 17, c. 78 = 301, 3 f.) der Schrift. Der Gegensatz zwischen Hochmut und Verzweiflung findet sich ebenfalls in der Cura pastoralis, und Alfreds Übersetzung macht deutlich, daß er sich für ihn beinahe von selbst versteht: Aliter admonendi sunt inopes, atque aliter locupletes: illis namque offere consolationis solatium contra tribulationem, istis vero inferre metum contra elationem debemus. (III, 2) . . . pa Wiedlan sint to frefanne & to retanne, öylaes hi sien to ormode for hira earfeöum. Da oöre sint to breganne, öylaes hi sien for hiera wlencum to upahsefene. (181, 5 ff.) Die Gefahr des allzu großen Selbstvertrauens, also der Fehl, den Alfred 'Mod' vorgeworfen hatte (41, 42), hat Gregor ebenfalls behandelt, wobei wiederum die Verzweiflung, diesmal der Kleinmütigen, den Kontrast abgibt (III, 8, c. 58 = 209, 1 ff.). Auch hier bezieht sich das Selbstvertrauen auf die guten Werke, so daß die Vorstellungen sich decken.88 Auch die kausale Verflechtung der Sünden untereinander und der psychologische Effekt der Sünde auf die Seele haben Vorbilder in der Cura pastoralis (III, 19, c. 8 = 308, 15 ff.). Sua oft se oferaet wierö gehwierfed to firenluste, forösem öonne sio womb biö füll & aöened, Jponne biö aweaht se anga öasre wrxnesse. (309,14 ff., ed. Sweet) Ongean öaet sint to manianne 9a ofergifran, 3eah hie ne magen öone unöeaw forlaetan öxre gifernesse & öasre oferwiste, öaet he huru hine seife ne öurhstinge mid öy sweorde unrihthsemedes, ac ongiete hu micel leohtmodes & leasferönes & ofersprasc cymeö of öasre oferwiste, . . . (313, 6 ff., ed. Sweet) Man kann in diesen Fällen nicht von einer Abhängigkeit Alfreds sprechen, denn er hat nicht unmittelbar auf den von ihm übersetzten Text zurückgegriffen. Und doch liegen ähnliche Anschauungsweisen in der Consolafio-Vbentzgung vor, wie sie hier begegnen. Mit dem Text des Boethius verglichen, bedeutet Alfreds Interpretation zweifellos einen beträchtlichen Eingriff in den Sinn des Originals. Sehen wir " Vgl. 18, 21; über Alfreds Deutung von I. m. 7, 25 ff. vgl. Ähnlichkeiten im Wortlaut — 'orsorgnes', 'gesundfulnes', 'ofermetto' (14, 19 ff.) — und im Denken mit der Cura pastoralis (ed. Sweet, 35, 2 ff.).
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hingegen auf die Art, in der Alfred seine Zusätze und Abweichungen mit dem Text der Consolatio verband, so spricht sie weniger für eine bewußte Bearbeitung als für den Versuch, sein eigenes Verständnis des Textes in möglichst enger Anlehnung an das Original zu vermitteln. Was Alfred zu den Sündenstrafen, zu Vergeltung und Vergebung zu sagen hat, berührt sich mit der für unser Verhältnis etwas mechanischen und formalistischen Relation von Verdienst und Lohn. 29 Der gesamte Gedankenkomplex stellt eines der wichtigsten Elemente des frühmittelalterlichen Christentums dar. Er durchzieht die Homilien der altenglischen Literatur und bildet den Gegenstand der Bußbücher. Nach Augustin gehören die Geduld Gottes, die schließliche Strafe, das himmlische Jerusalem und das Lossagen Gottes von den Ungerechten zu jeder Predigt: commemoratisque cum detestatione et horrore poenis impiorum, regnum iustorum atque fidelium et superna illa civitas eiusque gaudium cum desiderio praedicandum est. (De catechi^andis rudibus, VII, 11, PL 40, c. 3 1 7 f.) 30
Alfreds Formulierung kommt im Grundsätzlichen der Text aus W u l f s t a n s De fide catholka n a h e : God is swyöe mildheort -| wile swyöe gemildsian -| mycel forgyfan ]?am J>e mid inwerdre heortan yfeles geswicaö -j geornlice betaö. A c wa öam J>e on yfele Jsurhwuniaö -] nan ]?ing ne betaö. Hi sculan witodüce mid ealle forweoröan. (ed. Bethurum, 163)
Auch hier fehlt der Hinweis auf die christlichen Gnadenmittel, besonders auf das Sündenbekenntnis und die 'dasdbot' (vgl. De Christianitate, ed. Bethurum, 196, 81 S. = 205,111 ff.).81 Auch iElfric, dessen Lehre ganz von der Erkenntnis der Größe der göttlichen Güte durchdrungen ist, 32 betont die formale Seite der Vergebung sehr stark (De penitentia, ed. Thorpe, II, 602 f.) und warnt besonders vor dem Rückfall in die Sünde. Die Erkenntnis Alfreds, daß bereits der Wille zur vollen Anerkennung des Kampfes gegen die Sünde genügt, fehlt bei iElfric wie bei Wulfstan. Auch der Gedanke von den subjektiven und •• Vgl. S. 35 ff. dieser Arbeit. De catecbi^andis rudibus gehörte neben De doctrina cbristiana zu den von Beda und Alcuin verwendeten Lehrbüchern. Vgl. St. Augustine, De catechizymdis rudibus, transl. and annotated by J. P. Christopher, Ancient Christian Writers 2 (London, 1952), 9. 81 Auch in der von K. Jost Wulfstan zugeschriebenen Polity findet sich diese allgemeingültige Fassung (ebd., 174). 32 K. Jost, Wulfstanstudien, Schweizer Anglistische Arbeiten 23 (Bern, 1950), 169. 80
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objektiven Bedingungen der Sünde hat dort keine Aufnahme gefunden. Es ist dies ein Gedanke, der den ganzen Geltungsbereich der Sünde zugunsten der ehrlichen subjektiven Meinung einschränkt, und vielleicht ist dies der Grund, weshalb er in den volkstümlichen Darstellungen nicht auftaucht. Alfred jedenfalls darf aufgrund seiner Anschauungen auch hier einen Platz für sich beanspruchen. Der doppelte Aspekt des Willens zum Guten wie zum Bösen33 ist ein Grundgedanke der Augustinischen Lehre, der in De libero arbitrio entwickelt wird. Danach gibt es dreierlei ,bona': ,magna', ,media' und ,minima': Virtutes igitur quibus recte vivitur, magna bona sunt: species autem quorumlibet corporum, sine quibus recte vivi potest, minima bona sunt. Virtutibus nemo male utitur: caeteris autem bonis, id est mediis et minimis non solum bene, sed etiam male quisquis uti potest. (De lib. arb. II, cap. XIX; PL 32, c. 1268)
Der Wille aber gehört zu den mittleren Gütern, die dem Guten wie dem Bösen inhärent sein können: Voluntas ergo adhaerens communi atque incommutabili bono, impetrat prima et magna hominis bona, cum ipsesit medium quoddam bonum. Voluntas autem aversa ad proprium bonum, aut ad exterius, aut ad inferius peccat. {ebd. c. 1269)
Diese Lehre hat auch in den Kommentaren (außer Eins. 145) ihren Niederschlag gefunden (Silk, 180,4 ff., Tr. 140v) bei der Erwähnung der Dreiteilung der Seele (III, m. 9,13 ff.), doch hat Alfred sie an der entsprechenden Stelle nicht berücksichtigt. Zwar teilt auch Boethius dem Willen eine entscheidende Rolle zu (III, p. 11,81ff.;IV, p. 2,11 ff.), aber in einem andern Sachverhalt. Die starke Betonung des Willens, die Alfreds Begriff der Sünde, aber auch den des Kampfes gegen die Sünde charakterisiert, entstammt zweifellos der Augustinischen Lehre. Dort ist auch der Gedanke zu Hause, daß Gott nicht in erster Linie auf die Tat sieht oder auf die Fähigkeit, sondern auf den Willen: non enim adtendit Deus facultatem, sed voluntatem. (Ennaratio in psalmos, LXXXIII, 3, 2,1147, ed. Dekkers Fraipont, CCSL XXXIX) 34
Im übrigen handelt es sich bei diesem Gedanken um Allgemeingut M Vgl. JElfric, De fide catbolica: "Of öam willan cumaö geöohtas, and word, and weorc, segöer ge yfele ge gode" (Homilies II, 288). M Zahlreiche weitere Beispiele für diesen weitgehend auf Augustin beschränkten Gegensatz im Thesaurus linguae latinae (s. v. facultas) und im Index der Mauriner-Ausgabe.
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der christlichen Lehre, nach der die Gesinnung des Menschen und sein Wollen entscheidend sind für sein Wirken vor Gott: Denn wer das Gute ernstlich will und verlangt, steht, auch wenn er nicht imstande ist, ein löbliches Werk zu vollbringen, hinsichtlich seines seelischen Wertes durchaus nicht hinter dem zurück, der seine edle Gesinnung auch in Taten umsetzen kann. (Gregor von Nyssa, Von den Seligpreisungen, 5. Rede)36 Es ist deutlich, daß sich viele und durchaus nicht stets homogene Strömungen der christlichen Lehre zusammenfinden mußten, um das Bild zu ergeben, das Alfred innerhalb der Boethius-Ubertragung entwarf. Die Sünde ist nicht mehr ein verhängnisvoller Irrtum wie bei Boethius, das Böse nicht mehr ein Nicht-Sein, das sich fern von Gott und dem Guten in ein Nichts auflöst, sondern ein entsetzliches Vergehen, das den Stempel des Lasters und der Gemeinheit trägt und das der Böse in der Symmetrie des Rechts nach der Strafe des Vergehens zu büßen hat. Alfred nennt die Hölle nicht über Boethius hinaus (IV, p. 4,72 ff. = 120,6 ff.), aber der Gedanke an die Vergeltung im Jenseits ist dauernd anwesend. Doch Gott ist auch der großherzige und milde Spender, der reich gibt (119, 31 ff.)36 und der den Bösen Frist läßt zur Umkehr. Wie kann sich mit ihm der Mensch im Hochmut messen? Alfred sieht das Böse in der menschlichen Natur, die ,natura vitiata', während Boethius in der Natur nur das Streben nach dem Guten sieht. Aber wie sich der Mensch durch den Willen dem Bösen hingibt, so vermag er auch wider das Böse zu kämpfen, und erst wenn er diesen Kampf aufgibt, wird die Sünde vollständig. Ob der Kampf dann siegreich ausgeht, ist nicht entscheidend, denn Gott sieht auf den Willen. Auch wenn Alfred einen der schönsten Gedanken des Boethius, den von der unendlichen Überlegenheit des Guten, an dem teilzuhaben Seligkeit bedeutet, nur unvollkommen erfaßt hat, so ist sein Bild nicht primitiv. Es enthält Elemente einer schematischen Auffassung christlichen Glaubens, aber es enthält auch Züge, in denen große Gedanken von Gott und Mensch lebendig werden, die zu denken zu keiner Zeit unwürdig sein kann.
86 Bibliothek der Kirchenväter II, hrsg. Bardenhewer, Weymann, Zellinger (München, 1927), 200; vgl. Schilling, Reichtum, 104 ff. aa Das ist auch in der Epik das beherrschende Bild, vgl. Fr. Klaeber, „Die christlichen Elemente", 123 ff.
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f . Göttliche Vorsehung und menschliche Freiheit Auf weitere Sicht betrachtet, erwies sich kein Gedankenkomplex der Consolatio fruchtbarer für die Literatur als die Auseinandersetzung um ,fortuna', ,fatum', ,necessitas', ,Providentia' und ,liberum arbitrium', zu denen man aus Gründen der Vollständigkeit die ,virtus' fügen muß. Boethius hat hier nicht nur ein Compendium des antiken Denkens gegeben, 1 sondern auch eine durch die Wendung antiker Gedanken eigene Lösung des Problems des göttlichen Vorwissens und der menschlichen Freiheit, 2 die sich wie eine Schutzglocke über die der Theologie suspekten Mächte stülpen ließ, bis diese dann selbst verchristlicht wurden. 3 Alfreds Behandlung dieses Fragenkomplexes stellt gegenüber der ganzen folgenden Entwicklung einen Rückschritt dar. Selbst verglichen mit Boethius, nimmt der Komplex dieser Gedanken weit weniger Raum ein, als ihm entsprechend dem Original zugestanden hätte. Die Gründe dafür sind verschiedener Natur, und der wichtigste war bereits in Verbindung mit ,fortuna' genannt worden: das Mißtrauen Alfreds gegenüber den vielfältigen Mächten und Kräften, mit denen Boethius den göttlichen Kosmos bevölkert. 4 Dazu kommt, daß rein lexikalisch das Altenglische keinen Begriff hergeben konnte, der sich mit den verschiedenen Vorstellungsgehalten der lateinischen ,fortuna' hätte decken können. Begünstigend im Sinne dieser Zurückdrängung eines einheitlichen Begriffs wirkte ferner die Tatsache, daß Boethius im Verlauf der Consolatio mehrere Inhalte mit dem gleichen Begriff verbindet. 5 Vor allem lassen sich drei Vorstellungsbereiche unterscheiden: 1. ,fortuna' als ,nomen proprium', als die mächtige und durch kein Gesetz gebundene Herrin der Güter, die Spenderin guter und schlechter Dinge. Ihre Gaben werden dann aber (II, p. 4, 1 ff.) nach 1 H. R. Patch, The Tradition of the Goddess Fortuna, Smith College Studies in Modern Languages III (Cambridge, Mass., 1922), 190. 2 Fr. Klingner, „Boethius", Römische Geisteswelt (München, 1956), 559. * H. R. Patch, The Goddess Fortuna, 180 ff. hat diesen Prozeß, der in Dante gipfelt, von den Anfängen her beschrieben. 4 Vgl. 17—19, 22; Boethius steht hier bereits in einer langen Tradition, die dann im Mittelalter ihre größte Entfaltung erfährt, vgl. C. S. Lewis, 44 ff., 232 ff.; J. Huizinga, Der Herbst des Mittelalters (München, 1928), 310 ff. 8 H. R. Patch, The Goddess Fortuna, 190 grenzt anders ab, da er vom philosophischen Gesamtkomplex ausgeht und nicht vom Wortgebrauch.
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dem berühmten Wort entwertet, daß bei allem Unglück eben dies das Schlimmste ist, glücklich gewesen zu sein.® 2. ,fortuna' im engeren Sinne als das gute „Glück" bzw. dessen Gaben, z. B. „fortunae affluentiae" (II, p. 5, 41), „Quid autem tanto fortunae strepitu desideratis" (ebd., 60). 3. ,fortuna' als Geschick ganz allgemein (in malam et in bonam partem), und in dieser Form behält der Begriff seine Geltung bis zum Schluß. Z. B. „Omnem . . . bonam esse fortunam" (IV, p. 7, 2 f.), „ . . . omnis fortuna vel iucunda vel aspera . . . " (ebd., 4 f.). Die Schlußdiskussion des Schicksalsbegriffs stützt sich aber nicht mehr auf die volkstümliche Vorstellung — „fortuna popularis" (IV, p. 5, 3) —, sondern auf das ,fatum' der Philosophen. Das ,fatum' bleibt dann als Lebensgesetzlichkeit in seiner Strenge erhalten, allerdings in der Abhängigkeit von ,Providentia'. nam Providentia est ipsa illa divina ratio in summo omnium principe constituta, quae cuncta disponit, fatum vero inhaerens rebus mobilibus dispositio, per quam Providentia suis quaeque nectit ordinibus. (IV, p. 6, 30 ff.)
Das ,fatum' besorgt mit seinen Kräften die Auslegung der in der Vorsehung beschlossenen Dinge. Das ,fatum' ist der zeitliche und weltliche Aspekt der ,Providentia'. Die ,fati series' knüpft Taten und Geschicke der Menschen an die göttliche Vorsehung: Haec [seil, fati series] actus etiam fortunasque hominum indissolubili causarum conexione constringit, quae cum ab immobilis providentiae proficiscatur exordiis, ipsas quoque immutabiles esse necesse est. (IV, p. 6, 81 ff.)
In dieser Ordnung geschehen die Dinge, von Gott und von der Einfachheit der göttlichen Vorsehung her betrachtet, mit Notwendigkeit. Die Natur der Dinge aber erfordert diese Notwendigkeit nicht unbedingt (V, p. 6, 99 ff.). Von Gott aus betrachtet, geschehen die Dinge mit Notwendigkeit, die Entscheidung des Menschen aber wird von Gott her nicht angetastet und hat im Gegensatz zu der ewigen Gleichzeitigkeit Gottes ihren Ort in dem Nacheinander der menschlichen Zeitlichkeit (V, p. 5,115 ff.).7 Eine solche Schicksalsordnung mag dem Menschen, dessen in der Zeitlichkeit gebundener Geist sich zur Einfachheit des göttlichen Schauens nicht zu erheben vermag, wohl als Zufall erscheinen, sie * Dante, Inferno V, 41; Chaucer, Troilus and Criseyde, III, 1628 ff. 7 Fr. Klingner, „Boethius", 555 ff.
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kann es aber nicht sein, da sie ganz in der einfachen und ewig unbewegten Ruhe des göttlichen Geistes beschlossen liegt. Da Gott aber das höchste Gute darstellt, kann es auch nur gutes Geschick geben. Die Wechselfälle des Schicksals sind für den Menschen gut als die Baustoffe (materia) der Tugend. So geht die Schicksalsauffassung des Boethius von einer Fülle von Vorstellungen aus, die in der Diskussion nicht erledigt werden, obwohl ihre unzureichende Form dargetan wird, sondern unter einem Netz übergeordneter Größen subsumiert werden. Und in der Mannigfaltigkeit der Vorstellungen liegt der Keim des langen literarischen Lebens begründet. 8 Wenn wir ausmachen wollen, wie Alfred mit diesem problematischen Zusammenhang umgeht, so zeigt sich zunächst eine Schwierigkeit der Terminologie. Für Fortuna als die Herrin der Güter, die wahllos Zuteilende, hat er keinen eigentlichen Begriff, und wir haben gesehen, daß er ihre große Rede völlig umgearbeitet hat. 9 Alfred vermag eine machtvoll handelnde Fortuna durch 'wyrd' wiederzugeben, allerdings geht dabei der Unterschied zu ,fatum' verloren; wo aber von der Spenderin der Gaben die Rede ist, da muß er die Gaben selbst einsetzen. Er nennt sie die 'woruldsaelöa', die weltlichen Glücksgaben, Wohlstand, Reichtum und Besitz. Nur eine einzige Ausnahme zeigt, daß 'wyrd' als Spenderin der 'woruldsaelöa' einer besonderen Einführung bedarf: Age enim, si iam caduca et momentaria fortunae dona non essent, quid in eis est, quod aut vestrum umquam fieri queat . . . (II, p. 5, 3 ff.) GeJjenc nu hwat Jaines agnes sie ealra öissa woruldashta . . . Hwact hsefst ]pu xt ]oam gifum )se J?u cwyst p seo wyrd eow gife, •) xt öxm welan . . . (27, 18 ff.) Hier streckt Alfred den Begriff 'wyrd' und führt seinen Gebrauch auf die Redeweise des Originals zurück, nachdem er deutlich erläutert hat, daß unter den Geschenken der 'wyrd' weltliche Besitztümer zu verstehen sind. Die 'woruldsaelöa' sind aber etwas anderes als die,fortunae dona'. Diese sind zwar Güter flüchtiger Natur, aber sie sind für Boethius zunächst auch Güter, und es ist Positives bei diesem Begriff mitzudenken. 'Woruldsaelöa' aber ist vom Begriff her bereits durch 8
H. R. Patch, The Goddess Fortuna, 190 hält diese Behandlung der Fortuna für einen Kompromiß zwischen der Ablehnung der Fortuna als heidnisch (z. B. bei Augustin) und dem Versuch, sie in ein christliches Weltbild hineinzuarbeiten. • Vgl. S. 22 ff. d. Arbeit.
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sein Gegenteil — 'saslö' und 'sadöa' — semantisch mitbestimmt. Es weist auf die „richtige" Bewertung hin, auf die eigentliche Glückseligkeit gegenüber den Glücksgütern der Welt.10 So setzt Alfred auch für den positiven Sinn von ,fortuna' 'sadö' ein:11 Quam multos esse coniectas, qui sese caelo proximos arbitrentur, si de fortunae tuae reliquiis pars eis minima contingat. (II, p. 4, 54 ff.) . . . i ic wat öxt monegum men ]Duhte p he wasre to hefonum ahaefen gif he senigne dael hasfde £>ara J^inra gesaslöa Jse JJU nu giet hsefst. (24, 28 ff.) 'saelö' steht aber andererseits ebenso für ,beatitudo', für ,feücitas' — auch als rein irdisches Wohlergehen (IV, p. 6, 142 = 133, 24) und für das ,summum bonum' (III, p. 10, 39 = 84, 10). Alfred benützt 'saelö' auch für die ,bona' schlechthin.12 Hier haben sich die Grenzen zwischen den Begriffen deutlich verschoben. Für Boethius liegt die ,beatitudo' nicht mehr im Bereich der Fortuna, für Alfred aber ist mit den Geschenken der Fortuna überhaupt kein positiver Wert zu verbinden. Schwerer wiegt, daß in 'woruldsaelö' der Gedanke des „Geschicks" überhaupt nicht enthalten ist. Konsequenterweise hat Alfred dann zur Erklärung gegriffen, wenn eine Macht als Zuteilerin der Gaben bezeichnet wurde. Hier kam dann nur 'wyrd' in Frage, die aber der allgemeinen Vorstellung nach keine „Güter" spendet. So führt Alfred 'wyrd' an den Stellen ein, an denen ,fortuna' als Macht und Gesetzmäßigkeit und „Geschick" benannt ist. Damit rückt aber die Boethianische ,fortuna' deutlich in den Bereich, der nach der Lehre des Boethius dem ,fatum' zugehören sollte. g. Wyrd — Fatum (Fortuna) Im allgemeinen gilt auch heute noch die Annahme,13 daß das germanische Weltgefühl im letzten Grunde fatalistisch bestimmt war. 10 'saelö' zeigt eine Doppelnatur der Bedeutung. Objektiv bedeutet es den Besitz, subjektiv das Glück, das reicher Besitz gewährt. Vgl. E. Leisi, „Gold und Manneswert im Beomtlf", Anglia 71 (1952), 259 ff. und W. Grönbech, Kultur und Religion der Germanen, I (Hamburg, 41942), 126 u. a. 11 Alfred hilft sich auch durch Umformen (II, p. 4, 2 f. = 21, 13 ff.; II, p. 3, 13 f., 24 ff. = 20, 1 f., 13 ff.). 12 III, m. 1, 11 = 52, 10 ff.; III, p. 9, 59 f. = 77, 13. 18 B. J. Timmer, "Wyrd in Anglo-Saxon Prose and Poetry", Neophilologus XXVI (1941), 24. Man sollte aber auch Grönbechs Einwand bedenken, daß das Schicksal im
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Die „letztentscheidende Macht ist das unbarmherzig waltende Schicksal. Von ihm gibt es kein Wissen als: ihm kann niemand entrinnen".14 Dieses Element der Bestimmung ist so übermächtig, daß es das Zufällige zunächst nicht enthält. So ist die Entwicklung der Tyche und in ähnlicher Weise auch die der Fortuna erst allmählich in den Bereich des Planlos-Zufälligen geraten, wobei für Fortuna auch der Gegensatz zu dem Begriff der göttlichen Vorsehung mitwirkte.15 Nun ist es durchaus wahrscheinlich, daß in den poetischen Texten des Altenglischen aus dem 7. und 8. Jahrhundert der Schicksalsbegriff nicht mehr in übermächtiger und ungebrochener Stärke vor uns steht und daß sich der Schwerpunkt vom schicksalhaften Geschehen mehr auf das Geschehen an sich verlagert.18 Eine andere Frage aber ist es, ob wir unter 'wyrd' tatsächlich 'capricious fate' verstehen dürfen17 und ob Alfred zu dieser Entwicklung entscheidend beigetragen hat.18 Zwei Fortuna-Metra (I, m. 4 und II, m. 1) hat Alfred überhaupt nicht übertragen. In beiden Gedichten ist Fortuna eine machtvolle Gestalt, im ersten kommt noch das Fatum dazu als die Macht, die es niederzuzwingen gilt. Besonders das zweite Metrum hat im Mittelalter Schule gemacht. Alfred, dem es darauf ankommt, die Macht Gottes darzutun, legt keinen Wert darauf, Gott eine machtvolle Gestalt an die Seite zu stellen. Fortuna ist bei Boethius „superba" (II, m. 1,1) „saeva" {ebd., 3), „fallax" (ebd., 4), „caeca" (II, p. 1, 31), „lubrica" (I, m. 5,28), und dies entspricht in etwa ihren klassischen Epitheta. Die Attribute des rollenden Rades (II,p. 1,56 f. und II,p. 2,28) und des Segels (II,p. 1,52) hat Alfred nicht auf 'wyrd'bezogen, sondern auf die sich wandelnden 'woruldsaelöa' (16, 28 ff.). Die Epitheta hat er zunächst vermieden bis auf "sliöne" (13, 24), wo Boethius lediglich von „fortunarum vices" (I, p. 6, 44) spricht und "woon" (11, 31), das gleichfalls kein Vorbild im Text hat. 'Wyrd' konnte also zunächst einmal „grausam" und „schlimm" heißen, aber beide Epitheta haben Bereich der germanischen Kultur nicht als eine lediglich von außen her an den Menschen herangetragene Macht begriffen werden kann (Grönbech, I, 128 u. a.). 14 G. Ehrismann, Geschichte der Deutschen Literatur bis %um Ausgang des Mittelalters, I. Teil (München, Nachdr. 1959), 8. 15 H. R. Patch, The Goddess Fortuna, 142. » B. J. Timmer, 226. 17 B. S. Philipotts, "Wyrd and Providence in Anglo-Saxon Thought", Essays and Studies XIII (1928), 17. 18 Tatsächlich sind Alfreds Belege die einzigen, die für diese Theorie in Anspruch genommen werden können. Vgl. R. Jente, Die mythologischen Ausdrücke im ae. Wortschatz, Anglistische Forschungen 56 (Heidelberg, 1921), 198 ff., 205.
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nichts mit dem planlosen Wechsel zu tun, der bei Boethius hauptsächlich betont ist. Alfred hat I, m. 5 sehr sorgfältig übersetzt, aber gerade den Gedanken der „planlosen" Fortuna eingeschränkt: Nam cur tantas lubrica versat Fortuna vices? Hwy JDU la Dryhten aefre woldest p seo wyrd swa hwyrfan sceolde? (10,17 f.) Ähnlich ist der Ausdruck des Zufälligen unterdrückt in der Frage der Philosophie „ . . . mundum temerariis agi fortuitisque casibus putas, . . . " (I,p.6,5 f.). Alfred übersetzt: "Gelefst 9u p sio wyrd wealde Jjisse worulde, . . . " (12,16). 19 Es geht also nicht um eine Herrschaft des Zufalls, sondern um eine Herrschaft der 'wyrd'. In diesem Sinne sind auch zwei Stellen im Orosius zu verstehen, die stets nach dem Zufall hin ausgelegt werden.20 Dennoch kommt Alfred im Zusammenhang mit 'wyrd' der lateinischen Vorstellung von ,fortuna' sehr nahe, aber in diesem Fall hat er auch sämtliche Epitheta übernommen. Es handelt sich um die erste Lösung des Boethius im Sinne einer konstruktiven Einordnung der Fortuna in ein geordnetes Weltbild.21 Die ,fortuna' ist nur als ,adversa' dem Menschen nützlich, nicht als ,prospera' (II, p. 8,6 ff.). Alfred beginnt dieses Kapitel aber mit der Feststellung, die er einer fehlerhaften Übersetzung verdankt, daß "sio lease wyrd" dem Menschen oft weder Nutzen noch Schaden zufügen kann, daß sie kein Lob verdient, da sie selbst künde, daß sie nichts sei (47, 3 ff.). Bei Boethius ist der Sinn der Stelle, daß die Fortuna sich manches Mal Lob verdient, wenn sie nicht betrügt und offen ihren Charakter zeigt.22 Dann werden in kurzen Antithesen ,adversa£ und ,prospera' gegenübergestellt, und von der 'orsorge wyrd' heißt es, daß sie durch ihre Unbeständigkeit (hwurfulnesse) zeige, wie schwankend sie ist (47, 18 ff.). Im Gegensatz zu Boethius gibt Alfred aber anschließend diesen Sprachgebrauch wieder auf zugunsten von 'orsorgnes', 'lease gesaelö' und 'wiöerweardnes'. Es kann sich also bei dem Gebrauch von 'wyrd' als ,fortunac nur darum handeln, daß Alfred einen Begriff durch einen ähnlichen ersetzt, " Ebenso I, p. 6, 44, 49 f. = 13, 24, 31. 20 Orosius, ed. Sweet, 60, 23 "narrte wyrd" = „incettis casibus", 62, 10 " o f wyrda mxgenum" = ohne Entsprechung. 2 1 H. R. Patch, The Goddess Fortuna, 190. 2 2 Büchner, 50 folgt in seiner Ausgabe und Übersetzung einer Korrektur Klingners (Cnomott 1940, 26 ff.). Alfreds fehlerhafte Ubersetzung setzt das „nihil" voraus, das Klingner eliminieren möchte (Peiper, II, p. 8, 3; Büchner, 38).
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und wir dürfen ,fortuna' nicht mit 'wyrd' gleichsetzen.23 Der Gebrauch von 'wyrd' als 'capricious fortune' ist nur für die 'orsorge wyrd' belegt, aber nicht für 'wyrd' schlechthin. Dazu kommt, daß der Gebrauch von 'wyrd' „vox media in bonam partem" sonst nicht belegt ist. Alfred hat den Begriff der Übersetzung entsprechend gestreckt, aber die Gleichung 'wyrd' = ,fortuna' darf nicht aufgestellt werden. Wenn wir die fehlerhafte Übersetzung (II, p. 8, 2 f.) auf eine vorgefaßte Meinung Alfreds zurückführen dürfen, so ist es die, daß es eine ,fortuna' nicht gibt: "foröam hio hire seif gecyö p heo nanwuht ne biö" (47,7 ff. = „fallaxilla nihil", II, p. 8,3). So spricht Boethius vom schweren Los der Tyrannis, und Alfred führt die Macht Gottes als die verantwortliche Größe auf.24 Heu gravem sortem, quotiens iniquus additur saevo gladius venenol (II, m. 6, 17 f.) Wenst Qu f se godcunda anweald ne mihte afyrran Jsone anweald ]?am unrihtwisan kasere, him Jpaere wuhhunge gesteoran, gif he wolde? (39, 28 ff.) Es ist also deutlich, daß Alfred sich mit sehr verschiedenartigen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen hat, die die wichtigsten Vorstellungen der Boethianischen Denkweise betreffen. Zunächst einmal muß ,fortuna' eine Macht sein, wenn man ihr die Krone rauben will, und diese Anerkennung wollte Alfred ihr von Anfang an versagen. Drei Veränderungen lassen diese Einstellung erkennen: 1. Die Macht der Fortuna wird verschwiegen, anstelle der Göttin nennt Alfred die Gaben : 26 Fortunae te regendum dedisti (II, p. 1, 55) . . .gif]?u]pe selfne to anwalde ]?xm woruldsaelöum gesealdest.. .(16,31) M Mit Recht hat sich bereits H. Galinsky gegen die Identität von 'wyrd' und ,fortuna' ausgesprochen. 'Wyrd' steht als einziges für lat. .Parcae', ,sors', .conditio', ,fors', ,casus', ,fatum', ,fortuna', aber gerade das zeigt das Umfassende des Begriffs, der mit den lateinischen Spezialisierungen nicht gleichgesetzt werden darf. H. Galinsky, „Sprachlicher Ausdruck und künstlerische Gestalt germanischer Schicksalsauffassung in der angelsächsischen Dichtung", Engl. Studien L X X I V (1941), 273 ff. 24 Hier liegt eine Auffasssung zugrunde, die sich auf das Schriftwort „Per me reges regnant, et tyranni per me tenent terram" (Prov. 8, 15) bezieht, das durch Isidor von Sevilla (Etymologiae, PL 82 lib. IX, 3, c. 344) in seiner Lehre vom Staat dem Mittelalter überliefert wurde. (Vgl. R. W. and A. J. Carlyle, 173.) 25 H. R. Patch, The Goddess Fortuna, 149: "Alfred . . . translates Fortune the goddess by woruldsaelö . . . and fortune the abstraction by wyrd", vereinfacht die Beziehungen zu sehr.
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2. Zur wirklichen Herrin der Güter wird die 'Gesceadwisnes', die den Weg zu den Gütern und deren Gebrauch lehrt. 3. W o Alfred die Auffassung der Fortuna als lebensgestaltender Macht ausdrückt, greift er zu 'wyrd', die aber der „launischen" Göttin nicht entspricht, wie der vorsichtige Gebrauch der Epitheta zeigt. 'Wyrd' aber hat ihre große Stunde in der Diskussion um das ,fatum', die den Schluß der Consolatio beherrscht. Aber auch hier wird sichtbar, daß 'wyrd' nicht wertfrei gebraucht werden kann und daß es Assoziationen enthält, gegen die Alfred sich wehrt. E s ist zu der Lehre des Boethius oft ausgeführt worden, daß eigentlich das ,fatum' keinen Platz im christlichen Denken hat, und Remigius führt als Beweis dafür Augustinus und Gregor v o n Nazianz an: „ N o t a fatum nihil esse, ut beatus Augustinus dicit . . . " ; „ S e d beatus Gregorius dicit nihil esse fatum . . . " ( 7 r . 154v; Silk, 250, 27 f . ; 251, 17 f.; Eins. 167 „fatum vero nihil est sed omnia per dei nutum fiunt vel permittunt(ur) fieri"). Remigius verteidigt seinen Autor durch die Erklärung dessen, was unter ,fatum' zu verstehen sei, nämlich der zeitliche Aspekt der ,Providentia'. V o n Interesse ist weiterhin, daß Boethius sich auf die Autorität der Alten beruft. G o t t bestimmt dem Geschehen seine vielfältige F o r m (modus): Qui modus cum in ipsa divinae intellegentiae puritate conspicitur, Providentia nominatur; cum vero ad ea, quae movet atque disponit, refertur, fatum a veteribus appellatum est. (IV, p. 6,25 ff.) D e r Silksche Kommentator gestattet diesen Gebrauch als Möglichkeit, „ . . . potest a nobis appellari f a t u m " (250,19 f.), Remigius lehnt ihn ab „ . . . non a n o b i s " (7r. 154r). A u c h Augustin war dieser Meinung, wenn er erklärt, daß der, der dem Willen und der Macht Gottes den Namen Schicksal beilege, die Ansicht beibehalten, aber die Ausdrucksweise verbessern möge. 2 6 V o n diesen Differenzen ist in Alfreds Übersetzung zunächst nichts zu spüren. E r übernimmt die Gedanken des Boethius in vereinfachter F o r m und glossiert in etymologisierender Deutung: 2 7 Ac p p we wyrd hataö, f biö Godes weorc f he selce daeg wyrcö, segjper ge JMES (9e) we gesioö ge J>ses ]?e us ungesewenlic biö. (128,18 vgl. 129,1) D o c h läßt sich eine gewisse Vorsicht herausfühlen, wenn er sagt, „das, 2 * Augustinus, De Civ. Dei, V, 1, ed. Dombart-Kalb, Corpus Christianorum 128, I, 7. " Auch Notker etymologisiert bei 'urluag' (vgl. Schröbler, Notker H l , 88 f.).
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was wir 'wyrd' nennen", und wenn er hinzufügt, daß die Vorsehung Gottes unaussprechlich sei und daß er wirkt, wie er will. Alfred besteht also auf der unbedingten Freiheit Gottes und dessen Allmacht, Gedanken, die in der Umgebung des Boethius fremd wirken, der sich um so feine Unterscheidungen bemüht, wie z. B. daß Gott nur das Gute wollen und das Böse nicht vollbringen kann, weil das Böse nichts ist, und daß nur das Gute mächtig ist, weil es allein ist.2* Ansonsten entspricht die Ubersetzung Alfreds im Kern der oben zitierten Lehre des Boethius (IV, p. 6,25 ff.), wenngleich der Wortlaut mit Hilfe des Remigiuskommentars vereinfacht ist: 29 Illud quod in mente creatoris disponitur atque ordinatur qualiter perficiatur Providentia est; dum vero id ipsum sensim per genera et species foris perficitur, fatum vocatur. (7>. 154r, Silk, 250,29, Eins. keine Entsprechung, Eins. 167) Ac öaet ösette we hataö Godes forejaonc -| his foresceawung, f biö ]sa hwile J>e hit öasr mid him biö on his mode, serösem J?e hit gefremed weoröe, ]?a hwile ]se hit geloht biö; ac siööan hit fullfremed biö, Jponne hataö we hit wyrd. (128, 10 ff.) Alfred folgt auch — ebenso wie Remigius, aber im Gegensatz zu Einsiedel.nzo — mit nur leichter Änderung der Lehre von den Mächten und Kräften, mit deren Hilfe Gott das Schicksal sich verwirklichen läßt (IV, p. 6, 48 ff.). Aber aus den ,divinis spiritibus' sind Engel geworden {Eins. 167, i. e. angelis) und aus der Weltseele (anima) Menschenseelen. Gestirneinfluß und Dämonen hat Alfred beibehalten. Während Boethius aber Wert darauf legt, den dichten Zusammenhang der „Schicksalskette" 31 auszudrücken, geht Alfred darauf nicht ein. Den Begriff „fataüs series" (IV, p. 6,52,76) meidet er (129, 7; 130, 28) und ersetzt ihn (IV, p. 6,77) durch die Vorsehung (131,2). Die große Allegorie des Rades, die Alfred an die Stelle der Schicksalskreise setzt, die sich in immer größerem Radius von dem Kreis des Mittelpunktes, 28 Diese unbedingte und unumschränkte Allmacht Gottes hat Alfred öfter betont, bes. 79,16 ff., 23 ff, 30 f.; 48, 28 f.; 39, 28 ff.. Dieser Zug charakterisiert mit dem Zweckdenken und Materialismus das germanische Frühchristentum. A. Brandl spricht vom „Kraftevangelium" („Vom kosmologischen Denken des heidnisch-christlichen Germanentums", Sitxungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss. (1937), 117 f.). Vgl. S. 238 d. Arbeit. 29 Die Stelle fehlt im Einsidlensis. Die Hervorhebungen zeigen, wie wenig Alfred auf den Wortlaut einging und wie prekär in vielen Fällen die Berührungen mit den Kommentaren sind. 80 Eins. 167: „Hic magis philosophice quam catholice loquitur." 31 Über die antiken Grundlagen der Bildbegriffe im Zusammenhang mit dem Schicksal vgl. H. R. Patch, "Fate in Boethius and the Neo-Platonists", Speculum IV (1929), 62—86.
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Otten, Alfreds Boethius
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der Gott und die Freiheit vom Schicksal figuriert, entfernen und daher immer stärker im Fatum sich verstricken, geht zwar von dieser Tatsache der stärkeren Schicksalsverstrickung aus, endet aber bei einer Auflösung nach dem Prinzip von Lohn und Strafe (130, 23 ff.). Den Begriff der ,necessitas'hat Alfred ebenfalls vermieden {ebd. = IV, p. 6, 74). Als aber nun Boethius den Schicksalsbegriff in der ganzen Strenge seiner Unausweichlichkeit entwickelt, da zuckt Alfred endgültig zurück: Haec [fati series] actus etiam fortunasque hominum indissolubili causarum conexione constringit, quae cum ab immobilis providentiae proficiscatur exordiis, ipsas quoque immutabiles esse necesse est. Ita enim res optime reguntur, si manens in divina mente simplicitas indeclinabilem causarum ordinem promat . . . (IV, p. 6, 81 ff.) Diese Stelle hat Alfred ausgelassen und statt ihrer eine geharnischte Zurechtweisung aller Philosophen eingefügt, die glauben, daß 'wyrd' über Glück und Unglück der Menschen verfüge. „Ich sage dann, so wie alle Christenmenschen sagen, daß die göttliche Vorsehung ihrer waltet und nicht die 'wyrd',32 und ich weiß, daß sie Dinge sehr recht beurteilt, obgleich es törichten Menschen nicht so dünkt" (131, 8 ff.). Auch als Boethius am Schluß des Kapitels noch einmal festhält, daß es die „Kette schicksalhafter Notwendigkeit" sei, die das Böse von den Grenzen des Gottesreiches fernhalte, ersetzt Alfred diesen Begriff (IV, p. 6,194) durch den „Schöpfer und Walter aller Geschöpfe" (135, 9), ungeachtet der Tatsache, daß es Boethius ja um das Mittel geht, durch das Gott das Gute sichert, und um das zentrale Anliegen seiner ganzen philosophischen Bemühung. Alfred läßt tatsächlich 'wyrd' nur als den begrenzten Ausdruck des menschlichen Wissens gelten, nicht aber als eine unbedingte Macht göttlicher Bestimmung: •pwe^onnehataöwyrd, Jjonnese gesceadwisa God, ]pe aslces monnes öearfe wat, hwast wyrcö oööe gejjafaö ]p®s £>e we ne wenaö. (132, 20 ff., freier Zusatz zu IV, p. 6, 115/117) Hier wird also 'wyrd' zu einer bloßen Redensart, und wenn Alfred auch weiterhin mit diesem Begriff im Sinne des Boethius arbeitet (IV, p. 7), so läßt er doch die unbedingte Strenge der Schicksalsnotwendigkeit nicht mehr zu. Der Vorgang des Ausweichens und der schließlichen kategorischen Stellungnahme wiederholt sich sogar, als ** B. J. Timmer " W y r d " , 30 setzt hier für 'wyrd'wiederum 'chance' ein, aber hier fehlt jede Stütze im lateinischen Text, da Alfreds Stelle kein Vorbild hat. R. Jente, 197 zieht diese Stelle als Beleg für den heidnischen Schicksalsglauben heran.
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Boethius nach der Freiheit des menschlichen Willens fragt, wenn die Kausalverkettung des Schicksals, von Gott ausgehend, den menschlichen Geist in sich einbeschließt. Alfred ersetzt die „fatalis catena" (V, p. 2, 4) durch die "godcunde foretiohhung oööe sio wyrd", d. h. er mißt der "wyrd" keine eigene für das Geschehen konstitutive Bedeutung mehr zu. Als es Boethius aber darum geht, durch seine Argumentation zu erweisen, daß die göttliche Vorsehung notwendigerweise die menschliche Freiheit ausschließt, da läßt Alfred diesen Beweisgang, vor dem Remigius warnt (7r. 160v; Silk, 283,1 ff.; ohne Entsprechung in Eins. 175), fallen. Er ersetzt ihn zunächst durch eine Fragestellung, die längst erledigt ist: Weshalb gibt Gott den Bösen die Freiheit, Gutes oder Böses zu tun, obwohl er davon weiß? Alfred antwortet (142,1 ff.) mit der Parabel vom König, dessen es unwürdig ist, über Knechte zu herrschen. Er greift von der Rede des Boethius gegen die Willensfreiheit dann nur die Folge heraus, die sich im Falle des absoluten Determinismus für die Beziehungen zwischen Mensch und Gott einstellen muß. Für Boethius ist damit die Verbindung zwischen Mensch und Gott zerschnitten, das Gebet bleibt ohne Hoffnung. Alfred formt die Argumentation auf den Verdienstglauben hin um (142, 28 ff.) und weist sie sehr scharf unter Hinweis auf das Gebot Gottes zurück. Er tadelt Cicero und dessen Zeitgenossen, die allzusehr von den Begierden der Welt eingenommen waren, als daß sie solche Gedankengänge hätten lösen können, und 'Mod' wird vorgeworfen, sie habe vergessen, was vorher besprochen wurde (143, 7 ff., 15 ff.). Dann werden wiederum die Grundzüge von Alfreds praktischreligiöser Einstellung sichtbar: Lohn und Strafe, Sünde und Reue: Was die Vorsehung will, das führt sie durch, und wie kann ein Mensch faul sein, wenn Gott jedem vergilt nach seinem Verdienst (144, 3 ff.)? Die Argumentation des Boethius, ob das Wissen Gottes um die Zukunft bereits eine notwendige Handlungsverknüpfung schaffe (V, p. 4, 11 ff.), ist völlig ausgelassen. An keiner Stelle entfernt sich Alfred weiter vom Geist des Boethius und der Art seiner geistigen Auseinandersetzung als in diesem Abschnitt der Consolatio. Das abschließende Beispiel Alfreds, daß Gott die Dinge nicht deshalb vorausweiß, weil er will, daß sie so werden, sondern weil er wie ein guter Steuermann warnen will, damit sie nicht eintreten, zeigt, daß Alfred die Begriffe, die der philosophische Scharfsinn getrennt hat, wieder in unzulässiger Weise zusammenbringt. Von den krönenden Gedankengängen der ,Philosophia' 5'
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bleiben nur Bruchstücke. Die wesentliche Unterscheidung, daß Dinge, die von Gott her notwendig sind, dem Menschen in Freiheit überlassen bleiben, weil das Nacheinander des Geschehens nur in der Bedingung der zeitlichen Schau möglich ist, während für Gott alles unmittelbar gleichzeitig ist, fehlt wie alles, was mit der unbedingten Notwendigkeit des Schicksals im Zusammenhang stand. Stehen bleiben die Erkenntnisstufen, ausgehend von der Tatsache, daß die Dinge jeweils nur erkannt werden nach der Fähigkeit des Erkennenden (V, p. 4,69 ff. = 145,5 ff.), nicht aber nach dem ihnen eigenen Sein, ein Gedanke, der Alfred sehr viel bedeutet.33 Der Gedanke von der überlegenen Geistigkeit der Engel und Gottes wird zu einer Parainese im Sinne von V,m.5 (146,17 ff.), und die Ewigkeit wird im Blick auf das Wissen erläutert, aber ohne Beziehung auf die Notwendigkeit des Geschehens (V, p. 6, 88 ff.). Wir werden Alfreds Haltung gegenüber ,fatum' und ,fortuna' wohl am ehesten gerecht, wenn wir sie mit der Tendenz Alfreds in Zusammenhang sehen, alles das zurückzudrängen oder auszuschalten, was sich als „Macht" zwischen Gott und den Menschen drängen könnte. Boethius sieht auf die geistigen Mächte und Kräfte Gottes, die im Sinne des Neuplatonismus das Universum durchdringen. Alfreds Sinnen geht tinmittelbar auf Gott. Dazu kommt, daß ,fortuna' im christlichen Denken zunächst keinen Platz beanspruchen konnte.34 Ihr entsprach auch in ihrer eigentlichen Kraft keine Vorstellung im Bereich des Altenglischen. Hier bot der Begriff 'woruldsaslöa' einen Ausweg zu einer neuen Gestaltung36 im Sinne der christlichen Lehre, die Alfred in eigener Weise durchdachte und für seine Zwecke durchformte. Ging in 'woruldsielöa' für ,fortuna' der Begriff der Macht verloren, so war dieser in 'wyrd' allzu deutlich spürbar. Alfred erfaßte auch im Kampf des Boethius gegen die ,fortuna' den Kampf gegen 'wyrd', und wo immer dieser Kampf aufgenommen wurde, da ist Alfred mit ganzem Herzen dabei. Dies gilt besonders von den jeweils letzten Kapiteln des II. (p. 8) und IV. (p. 7) Buches, die bereits durch ihre 33 Alfred leitet daraus die Verpflichtung ab, daß der Mensch nach Maßgabe seines Verstandes sich um Erkenntnis zu bemühen hat (147, 14 f. und Prooem 13 f.), vgl. K. Sisam, Studies in the History of Old English Literature (Oxford, 1953), 295. 114 Vgl. Augustinus, De Civ. Bei, IV, 18, 19; H. R. Patch, The Goidess Fortuna, 180 ff. 86 Die Belege bei Bosworth- Toller stammen alle aus Alfreds Boethius mit einer Ausnahme (Orosius, ed. Sweet, 30, 4). Auch bei Notker zeigt die Wortwahl, daß die Fortunavorstellung etwas Neues ist (I. Schiöbler, Notker III, 148).
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Stellung im Ganzen ihre Bedeutung betonen. Hier spricht sich die kämpferische Tugend des Römertums aus,34 und Alfred fand keinen Grund zu Änderungen. Als aber das ,fatum' und damit die 'wyrd' wiederum eine Stellung einnehmen sollte, die das Geschehen der Welt in unabänderlicher Folge determiniert, da versagt er seinem Autor die Gefolgschaft. Er konnte das „falsche", „schlimme" und „grausame" Schicksal auf der einen Seite nicht gut hinauswerfen, um es auf einer höheren Stufe als Macht Gottes wieder zuzulassen. Er läßt es gelten als eine Form irdischen Geschehens, eine Form, in der sich das Wirken Gottes und der unaussprechlichen Vorsehung dem Menschen darstellen kann, der das Gesetz der Vorsehung nicht kennt. Aber die Vorsehung ist die letzte Gewißheit, und auf sie kommt es an. Alfred nimmt die wunderbar feine, aber extrem kühne Unterscheidung des Boethius nur als eine Sache des Ausdrucks und der menschlichen Perspektive. Wenn es um die Realität des Wirkens geht und um die unbedingte Notwendigkeit des Schicksalsgeschehens, geht er andere Wege. Ich glaube nicht, daß Alfreds Haltung verständlich ist, wenn man annimmt, daß 'wyrd' zu dieser Zeit bereits ein weitgehend neutraler Begriff des Geschehens geworden ist oder bereits ein Geschehen unter einem Schicksal bedeutet, das seinerseits der Vorsehung untergeordnet ist.37 Es ist schwer zu sagen, wieviel heidnischer Gehalt noch in der Alfredschen 'wyrd' vorhanden ist und ob 'wyrd' schon Substanz der christlichen Lehre in sich aufgenommen hatte, ehe sich Alfred an seine Übersetzung machte. Aber 'wyrd' war für ihn noch eine Größe, und er hat gespürt, daß für sie im vollen Sinne einer unbedingten Schicksalsnotwendigkeit kein Platz im christlichen Universum war. 'Wyrd' war ihm noch nahe, er erkannte die zwingende Fremdheit des Geschehens als Macht an und wußte, daß nur die Vorsehung sie aufhebt. Er hat sie gelten lassen für den Menschen, der mit ihr zu tun und gegen sie anzukämpfen hat, damit das gute Schicksal ihn nicht verführt und das schlechte ihn nicht verzweifeln läßt (138, 24 ff.). Den Menschen selbst aber wiederum einer notwendigen und unlösbaren Schicksalsordnung zu unterstellen, das hat er 98 K. Büchner über die Boethianische .beatitudo': „Ein Glück, das geformt ist von dem Erlebnis des Glücksgefühls, das die ,virtus' gewährt" („Bemerkungen", 38). 37 Vgl. B. S. Phillpotts, 25; A. Brandl, „Zur Vorgeschichte der Weird Sisters in Macbeth", Forschungen und Charakteristiken (Berlin, 1936), bes. 83; A. Brandl, „Vom kosmologischen Denken", 122 ff. Dort taucht Aldhelm als Vermittler auf. H. Galinsky, 315; zuletzt und auf breiter Basis B. J. Timmer, "Wyrd", 25, 28, 29 ff.; 226 f.
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nicht vermocht, auch dann nicht, wenn nur so sich die göttliche Vorsehung verwirklicht und gerade auf diesem Weg alles Böse aus dem Reich des allwissenden Gottes verbannt wird. Der große Prozeß der Aussöhnung des Schicksalsbegriffs mit der christlichen Lehre ist also bei Alfred in gewissem Sinn durchbrochen. Er bleibt hinter Boethius zurück. Wenn wir bedenken, daß die bewußte Aufnahme der Fortuna in ein christliches Universum Jahrhunderte dauerte, so scheint Vorsicht geboten gegenüber den Versuchen, sich diesen Prozeß — wenn auch in unbewußter Art — bereits zu altenglischer Zeit als vollzogen zu denken.38 h. Dualismus und Gradualismus Die großen geistigen Bewegungen der Spätantike und vor allem auch die des Neuplatonismus, in deren Schule Boethius entscheidend mitgeformt wurde,39 sind durchdrungen von den Denkweisen des Dualismus und des Gradualismus, die sich zunächst durch die Kirchenlehrer, dann aber auch durch Boethius, Macrobius und im 9. Jahrhundert durch die Übersetzungen des Pseudo-Dionysius bereits dem frühen Mittelalter tief eingeprägt haben.40 Dabei kann man bei Boethius nicht von einem absoluten Dualismus reden, wie er bei Plotin zu finden ist, sondern eher von dem relativen, wie er auch für Augustin bezeichnend ist.41 Noch weiter tritt das Gradualistische zurück, obwohl es latent durchaus vorhanden ist. Beide Denkweisen sind für Boethius ein selbstverständliches Medium seiner Philosophie, " Man beachte dabei die Stellungnahme Laistneis zu dem Beginn der Boethianischen Tradition in England : "The name occurs neither in Aldhelm nor in Bede ; nor does the internal evidence of their writings lend any support to the belief that either the Consolation of Philosophy or any of Boethius' other works had reached England in their day. The study and elucidation of Boethius became very active in the Carolingian age and as early as the 8th century some of the treatises were in York. Alcuin's list of books includes the names of Boethius and Aristotle." (M. L. W. Laistner, "The Library of the Venerable Bede", Bede, His Life, Times, and Writings, ed. A. H. Thompson [Oxford, 1935], 262). Ich glaube, daß dies auch für den neuerlichen Versuch W. Erzgräbers gilt nachzuweisen, daß sich der Dichter des „Wanderer" an Boethius orientiert habe. (W. Erzgräber, „Der Wanderer", Festschrift %um 75. Geburtstag von Th. Spira [Heidelberg, 1961], bes. 61 ff.) " Vgl. Fr. Klingner, De Boetbii Consolatione Philosophiae, Philologische Untersuchungen XXVII (Berlin, 1921) und P. Courcelle, Les lettres grecques en occident de Macrobe à Cassiodore, Bibliothèque des écoles françaises d'Athène et de Rome 159 (Paris, 1948). 40 M. L. W. Laistner, Thought and Letters in Western Europe (London, 1957), 42, 49, 86, 245 f., 323 ff. " Unterschieden nach G.Müller, „Gradualismus", DVJS 2 (1924), 686,688.
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aber an keiner Stelle hat er sie grundsätzlich zum Gegenstand der Auseinandersetzung werden lassen. Es sind Denkweisen, die nur am philosophischen Gegenstand deutlich werden, nicht aber selbst der Betrachtung unterzogen sind. Zu den dualistischen Zügen der Consolatio in dem relativen Sinne sind die Zurückweisung von Besitz, Macht, Ehren, Ruhm und Lust zu rechnen zugunsten des einzig ausschlaggebenden Strebens nach dem höchsten Guten und der Glückseligkeit. Diesem dualistischen Zug entspricht eine monistische Tendenz in dem alldurchdringenden Guten, das als Zwang der Natur alle Dinge die Einheit erstreben läßt und die Rückkehr zu Gott. Auf der einen Seite ist es deutlich, wie die geistige Größe Gottes alles Menschliche unendlich übersteigt, auf der anderen ist es möglich, daß der Mensch durch das Gute an Göttlichem Anteil hat, ja sogar selbst zu Gott wird, und daß der Geist des Menschen über dem höchsten Äther göttlichen Wohnsitz nimmt. Grundsätzlich treffen wir bei Alfred die gleichen Verhältnisse an, doch ist die Tendenz zum Dualismus wesentlich verschärft, und die gradualistische Weltordnung tritt viel ausgeprägter in Erscheinung, z. T. hat sie Alfred einfach der Consolatio hinzugefügt. Dies ließ sich größtenteils ohne Textzwang erreichen, da die gradualistische Ordnung in Ansätzen von Boethius berührt wird. Z. B. ist die relative Freiheit von der Schicksalsnotwendigkeit graduell geordnet (IV, p. 6, 61 ff.), aber bei Boethius ist dies nicht betont und wird als selbstverständlich behandelt, während sich bei Alfred einem dieses Wissen deutlich einprägt und in seiner Gestaltung einen fast dogmatischen Charakter annimmt. Von den mehr als 70 nominalen Komposita mit woruld, die im Altenglischen belegt sind42 und Begriffe wie „Ehre", „Reichtum", „Streben", „Macht", „Dienst", „Furcht", „Schwierigkeiten", „Begehr", „Sorgen" und ihre Synonyme in die beiden Zweckbereiche des Himmlischen und des Irdischen gliedern, finden sich in Alfreds Übersetzung zweiundzwanzig, und diese zum Teil in sehr großer Häufigkeit. Wohl kennt Boethius Begriffe wie ,vana gloria', ,caduca felicitas', ,bona corporis', ,terrena bona', aber die relative Häufigkeit ist weitaus geringer als bei Alfred, wo das Stilbild durch die woruldKomposita geprägt wird. Dazu kommt noch eine weitere Eigentümlichkeit Alfreds: seine Vorliebe für die Antithese, so daß das Himm42
Boswortk-Toller. Indifferente Bildungen sind nicht gezählt.
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lische und das Irdische dauernd kontrastiert werden, während bei Boethius das Gewicht der Aussage jeweils auf den einen oder anderen Teil der Aussage fällt. Bei Alfred stehen sich die beiden Welten im Ausdruck viel unvermittelter gegenüber, und während Boethius sie sehr oft ohne spezifischen Bezug zu der einen oder anderen Sphäre gebraucht, scheidet Alfred sehr genau. Dadurch wird nicht so sehr der Zug zum Jenseitigen gegenüber Boethius verdeutlicht — das ist bei der Hinordnung auf den Geist Gottes nicht mehr möglich —, sondern es wird eine dauernde Spaltung der Welt sichtbar, die um so erstaunlicher ist, wenn wir an das positive Bild denken, das Alfreds Güterlehre charakterisierte. Aber die Veränderungen, die in dieser Hinsicht Alfreds Übersetzung von dem lateinischen Original absetzen, sprechen ihre eigene Sprache. Wir hatten bei der Einschätzung der ,fortuna' bemerkt, daß in 'woruldsaelö' bereits die Wortbedeutung geprägt ist von dem Wissen, daß es sich hier um etwas Minderwertiges handelt. Die wahren Besitztümer sind in dieser Prägung gewissermaßen stets mitgedacht. So stand für Boethius die Möglichkeit offen, ,fortuna' durchaus positiv, beziehungsweise indifferent zu begreifen, während 'woruldsaelö' sich einer derartigen Bedeutung versagt. Die verschobene Grenzlinie wird nun von Alfred deutlich markiert. Die ,Philosophia' sagt zu Boethius im Blick auf die Vergangenheit: Verumtamen ne te existimari miserum velis. An numerum modumque tuae felicitatis oblitus es? (II, p. 3, 13 f.) Alfred spricht nicht von 'saslö', sondern von "arwyrönessa Joe öu for öisse weorulde haefdest" (20,2). Boethius folgert, daß das Glück keine Beständigkeit haben kann, da der schnelle Tod den Menschen treffe (II, p. 3, 43), und Alfred setzt hinzu: „Was sind die Weltgüter anders als Zeichen des Todes?..." (20, 23 ff.) Boethius spricht von den „umbrátiles dignitates" (III,p. 4,28), und der nachdenkliche Alfred überträgt das Bild auf das ganze Leben: Sis andwearde üf is swiöe anlic sceade, -] onjjsere sceade nan mon ne rmeg begitan ]?a soöan gesseljpa. (63, 12 ff.) Für Boethius erscheint es belanglos, ob der Mensch vom Glück scheidet, wenn er stirbt, oder ob das Glück vom Menschen scheidet. Für dieses überspitzte Argument philosophischer Gelassenheit (ebd.) im Umgang mit der ,fortuna' hat Alfred keinen Sinn. Seine Haltung dem Glück (woruldsaelöa) gegenüber ist die einer entschiedenen Ab72
l e h n u n g : Was dünkt dir besser, das G l ü c k z u verachten u n d es ohne Schmerz aus eigenem Willen z u verlassen, oder z u warten, bis es dich in S o r g e n verläßt (20, 30 f.) ? Bei Boethius heißt e s : . . . nec infitiari possum prosperitatis meae velocissimum cursum (II, P - 4 , 2 f.), Bei A l f r e d ist die v e r g a n g e n e ,prosperitas e bereits eine falsche A n nahme: . . . öa mine saelöa sio orsorgnes, ]pe ic xt wende f gesadöa beon sceoldan, nane saslöa ne sint, . . . (21, 13 f.) A u c h in d e m f o l g e n d e n Beispiel ist die moralische Beurteilung hinzugefügt: Anxia enim res est humanorum condicio bonorum . . . (II, p. 4, 39 f.) Swiöe nearewe sent
swiöe heanlicejpa menniscan gesasljsa . . . (23,26 f.)
Boethius rät (II, m . 4 , 1 5 ff.), der M e n s c h solle sturmumtoste H ö h e n u n d unsichere T i e f e n meiden, A l f r e d , der in der allegorischen D e u t u n g d e m K o m m e n t a r f o l g t , geht darüber w i e über den originalen T e x t hinaus, wenn er erklärt, daß der Weise sein L e b e n in dauernder F r e u d e u n d S o r g l o s i g k e i t führt, w e n n er irdisches G u t u n d irdisches Ü b e l beide verachtet u n d auf die z u k ü n f t i g e n u n d ewigen G ü t e r hofft (27, 8 ff.). S o faßt A l f r e d die stoische Lebensregel, daß w e n i g g e n ü g t , u m die natürlichen Bedürfnisse zu stillen, entschiedener als B o e t h i u s : Numquam tua faciet esse fortuna, quae a te natura rerum fecit aliena. Terrarum quidem fructus animantium procul dubio debentur alimentis; sed si, quod naturae satis est, replere indigentiam velis, nihil est, quod fortunae affluentiam petas. (II, p. 5, 37 ff.) A l f r e d schaltet seine G l o s s e zwischen den zweiten u n d den dritten Satz, w o b e i er aber auch das V o r h e r g e h e n d e durch den Z u g z u m Dualistisch-Antithetischen ändert: Nis hit no Jse gecynde pte JDU hi age; ne him nis gebyrde p hi de folgien. Ac ]pa hefoncundan ]sing öe sint gecynde, nass Jpaes eorölican. pas eorölican waestmas sint gesceapene netenum to andlifene; -j ]pa woruldwelan sint gesceapene to biswice {^am monnum Jse bioö neatum gelice, p beoö unrihtwise -] ungemetfaeste. (30, 1 ff.) Boethius vermeidet jede Beziehung auf den Widersacher G o t t e s , u n d es ist nur folgerichtig, wenn der K o m m e n t a t o r , sobald er ihn erwähnt, dazusetzt: „ D i a b o l u s b o n u s dicitur essentialiter" (Silk, 123, 22 z u III, m. 2 , 1 ; v g l . 2 1 3 , 7 ff. zu III, p. 1 2 , 5 2 f . ; 2 7 9 , 2 0 z u V , p. 2 , 5 ff.). 73
Anders bei Alfred. Boethius argumentiert, daß die sogenannten „Güter" der Welt nie gut in sich sein können, da sie sich sonst niemals mit schlechten Menschen assoziieren würden (II, p. 6, 54 ff.). In Alfreds kommentierender Übersetzung zeigt sich deutlich, daß seine am ,usus' Augustins orientierte Güterlehre den Dualismus keineswegs ausschließt: . . . gif ]pa gesseljoa öises andweardan lifes fmrh hie seife heora selfra geweald ahton, -| of heora agnum gecynde gode wasron, ¡sonne woldon hi simle on ¡Dam clifian Jse him god mid worhte, nalass yfel. Ac öaer öaer hi gode beoö, Jjonne beoö hi ¡Durh ¡Dies godan monnes god gode ¡De him god mid wyrcö, -) se bid Jsurh God god. Gif hine ¡Donne yfel mon hasfö, ¡Donne biö he yfel jaurh jsses monnes yfel ¡De him yfel mid deö, -i ¡Durh dioful. (38, 21 ff.) Wenn Alfred auch den Sündenfall nicht erwähnt, so ist die Macht Satans doch hier ebenso wie das Böse anerkannt, das sich durch ihn dem Guten entgegenstellt, während das Böse für Boethius auf dem Irrtum beruht und ein Nichts bedeutet, das in der übermächtigen Hinordnung der Natur auf Gott wieder ein Gut darstellt. An einigen Stellen finden wir eine verzerrte Wiedergabe der Gedanken des Originals, die auf diese andersartige Verständnisweise zurückzuführen ist. Nero ist für Boethius der Beweis, daß die „erhabene Macht" (Ironie!) niemals von sich aus gut sein kann: Celsa num tandem valuit potestas vettere pravi rabiem Neronis? (II, m. 6, 14 f.) Alfred versteht die Ironie nicht, da er sich unter „celsa potestas" nur die himmlische Macht Gottes vorstellen kann: Wenst 3u f> se godcunda anweald ne mihte afyrran Jpone anweald jpam unrihtwisan kasere, . . . (39, 28 ff.) Ein umgekehrtes Mißverständnis unterläuft ihm bei dem Gedanken des Boethius, daß sich das Bedürfnis der Menschen zur Vollkommenheit des Guten in den geringsten Dingen kundtut (III, p. 2,65 ff.). Alfred konstruiert einen Gegensatz, wo Boethius die Einheit herausstellt: Jeder Mensch kennt das höchste Gut, und doch suchen die Menschen es in den geringsten Dingen (56, 16 ff.). Selbst in Nuancen der Übersetzung tritt die Kraft des Bösen in der Anschauung Alfreds stärker hervor als bei Boethius. Auch wenn der Mensch sich nur dunkel des Guten erinnere, so meint Boethius, strebe er doch wie ein Betrunke74
ner, der nicht weiß, auf welchem Weg er heimfinden soll, dem Guten zu (III, p. 2,49 ff.). Alfred verlagert den Schwerpunkt des Satzes in der umgekehrten Weise: pa nu Jjeah heora mod -] heora gecynd sie adimmad, -| hi sien on f ofdasle asigen to yfele 7 ]?ider healde, Jseah hi wilniaö J>xs öe hi cunnon -j magon Jjass hehstan godes. (55, 15 ff.) Der Gedanke, daß das Gute den Menschen mit Gott verbindet, ist für Boethius von solch ungeheurer Tragweite, daß er sagen kann, der Besitz des Guten lasse den Menschen zu einem Gott werden. Daß dieser volle Besitz des Guten erreichbar ist, steht für Boethius außer Frage. Nur muß das Streben nach dem Guten dem einen Guten gelten, nicht irgendwelchen Einzelgütern. Alfred übersetzt die Stelle, aber in einer Glosse vergeht er sich gegen den Geist der Consolatio, wenn er fortfährt: Gif hwa wilnaö p he J>a fif eall hasbbe, f>onne wilnaö he ]?ara hehstena gesaslöa; ac he ne maeg öa fullice begitan on öisse weorulde . . . (77, 24 ff.) Die Spannung zwischen der Welt des Irdischen und der ewigen Glückseligkeit spielt für Boethius als Philosophen keine Rolle in dem mächtigen Zug der Weisheit zu Gott, für Alfred ist die Vorstellung der Erde bestimmt durch das Böse und das Unvollkommene, das nur im Jenseits aufgehoben ist. So markiert er deutlich die Trennungslinie.43 Die gleiche Scheidung findet sich bei dem Problem der ,sufficientia', des Höchstwertes, der das vollkommene Sichselbstgenügen bei der höchsten denkbaren Machtfulle zum Inhalt hat. Schon als Boethius das Problem überhaupt stellt, nimmt Alfred die Scheidung vor: Num enim videntur errare hi, qui nihilo indigere nituntur? Atqui non est aliud, quod aeque perficere beaütudinem possit quam copiosus bonorum omnium status nec alieni egens, sed sibi ipse sufficiens. (III, p. 2, 52 ff.) Hierzu greift Alfred zunächst eine Glosse des Kommentars auf, daß dieser Zustand durch die „temporales divitias" {Silk, 121, 19 ff.; Tr. 134r; ohne Entsprechung in Eins. 133) nicht zu erhoffen sei, und setzt dann hinzu, daß es keinen Menschen gibt, der nicht irgendeines Zuwachses bedürfe: buton Gode anum; he harfö on his agenum genog, ne öearf he nanes Ringes buton öass ]pe he on him selfum harfö. (55, 29 ff.) 43
Vgl. ähnliche Zusätze III, p. 9, 39 ff. = 76, 4 ff.; III, p. 10, 130 = 88, 27 ff.
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Boethius hätte einer solchen Formulierung wohl nicht widersprochen, dazu hat er selbst die ungeheure Fülle des göttlichen Seins zu groß gedacht, aber es kommt ihm an dieser Stelle eben nicht auf den Unterschied von göttlichem und menschlichem Sein an, sondern einzig auf das Streben des Menschen nach diesem übermächtigen Sein. Dieses allbeherrschende Streben bringt den Menschen in eine solch innige Beziehung zum Guten und zur Substanz des Göttlichen, daß diese Grenzziehung bei aller sachlichen Richtigkeit hier einfach keinen Platz hat. Ist es falsch, bei Alfred an einer Stelle so etwas wie Resignation herauszuhören oder etwas von der Melancholie, die den Menschen befällt, der allzusehr weiß, daß die wahren Güter nicht in der Welt zu finden sind, die ihn umgibt? Boethius spricht (III, p. 2, 72 ff.) abschließend von der großen Kraft der Natur, die dem Menschen den einen Trieb zum Guten eingepflanzt hat, so daß sie bei aller Vielfalt ihres Strebens doch immer nur das eine Gute suchen. Diese Stelle lautet bei Alfred: Be ]3am Bingum mon masg sweotole ongitan f aslc mon ¡des wilnaö f he masge f hehste god begitan f>aer hi hit gecnawan meahtan, oööe on riht secan cuöen; ac hi hit ne secaö on ]pone rihtestan weg; hit nis on Jpisse worulde. (56, 26 ff.) Aus den Worten des Boethius spricht die uneingeschränkte Bejahung, der Nachdruck liegt auf dem Positiven, dem realen und selbstverständlichen Wirken der Natur: Bonum est igitur, quod tarn diversis studiis homines petunt; in quo quanta sit naturae vis, facile monstratur, cum licet variae dissidentesque sententiae tarnen in diligendo boni fine consentiunt. (III, p. 2, 72 ff.) Diese Sehnsucht vom Diesseits zum Jenseits spricht bei Alfred auch aus einem anderen Zusatz. Im ersten Metrum des 3. Buches begründet die ,Philosophia' ihren Vorsatz, Boethius zunächst die falschen Güter vorzuführen, mit Beispielen der größeren Freude nach voraufgegangener Trauer. Alfred fügt der Beispielkette ein Glied hinzu (nach III, m. 1 , 1 0 ) : Swa biä eac micle ]pe winsumre sio soöe gesaelö to habbenne efter £>am eormöum Jsisses andweardan lifes. (52, 7 ff.) Für Boethius ist das Gute überall gegenwärtig, jeder vermag es zu verwirklichen und damit das Göttliche zu besitzen: Huc omnes pariter venite, capti, quos fallax ligat improbis catenis, terrenas habitans libido mentes, (III, m. 10, lff.) 76
In Alfreds Vorstellung findet man nicht so leicht zu Gott als ein im Irdischen noch Befangener:44 ade J>ara ö e f r e o sie f u n d i g e to ¡Dam g o o d e i to £>am g e s s e l ö u m ; -] se J)e n u gehasft sie m i d ]D£ere u n n y t t a n l u f e Risses m i d d a n e a r d e s sece h i m f r e o d o m h u h e maege b e c u m a n to ¡ J a m gesaelöum, . . . (89, 5 ff.)
Beim Preis der allwaltenden Natur, die die Geschöpfe nicht von dem vorgeschriebenen Weg abweichen läßt, nimmt Alfred Menschen und Engel aus (57, 8 f.), und das ist ein Zusatz gegenüber dem Kommentar {Silk, 123,15 ff., Tr. 134v, Eins. 133) wie auch gegenüber Boethius (III, m. 2 , 1 ff.). Auch hier ist Alfreds Position die richtige im Sinne der theologischen Lehre. Boethius zeigt eine monistische Einstellung — man kann auch von Pantheismus sprechen —, und es würde seinen ganzen Gedankengang aufs Empfindlichste stören, wenn er das Streben des Menschen zu dem Streben der Natur, zu Tier, Baum und Gestirn in Widerspruch setzen sollte. Boethius sucht den Menschen ganz in den Lauf der göttlichen Weltordnung hineinzunehmen, Alfred legt Wert darauf, daß der Mensch in dieser Ordnung abseits stehen kann.45 Auch als Alfred die dreifache Natur der Seele erläutert (III, m. 9,13): ,rationabilis', ,concupiscibilis', ,irascibilis', legt er keinen Wert darauf darzutun, wie alle Teile in der Obhut der Vernunft notwendig sind für die Verbindung des Menschen mit Gott.46 Er übernimmt die Bezeichnungen 'wilnigende', 'irsiende', 'gesceadwis', zieht aber eine scharfe Grenzlinie zwischen den beiden ersten Seelenteilen und dem letzten: T w a J>ara g e c y n d a h a b b a ö n e t e n u s w a s a m e s w a m e n ; . . . A c se m o n a n a hsefö g e s c e a d w i s n e s s e . . . (81, 19 ff.)
Durch Vernunft, so lehrt Alfred, rage er über alle anderen Geschöpfe empor, sie soll Willen und Zorn beherrschen, denn "hio is synderüc 44 Der Gedanke von den reinen Augen, die Gott schauen dürfen, und der Befleckung durch Hingabe an das Irdische ist ein Hauptpunkt der Soliloquien (Alfreds Ubersetzung, ed. Endter, 27, 9 ff., 30, 2 ff., 35, 14 ff.). 16 Ähnliche Ergänzungen 98, 11 ff.; 144, 2 f . ; 143, 31 f.; ein Remigiusscholion (Tr. 160r; Silk, 278, 20 ff.; Eins. 174 — „Divinisque sc. angelis et deo" — zu V, 2 , p . 5 ff.) gibt Alfred 140, 28 ff. wieder. 49 Eins. 144 hat hier den Hinweis auf die Weltseele: „Tu triplicis, i. e. solis. qui lucet fovet et incendit. vel caeli. terrae et maris. Maxima mundi anima quam omnem mundum movet." Weiteres interessantes Material bei K. Dolch, Notkerstudien III (New York, 1952), 335 f. zu den Seelenteilen bestätigt die abweichende Wertung Alfreds.
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craeft jpaere saule" (81, 24 f.).47 Remigius und seine Nachfolger legen Wert auf die innere Harmonie der Seelenteile, Alfred scheidet zunächst die Seelenvermögen und betont dann die gradualistische Ordnung.48 Wir hatten es an diesen Stellen mit ausführlich begründeten Einschüben zu tun, die, obwohl aus einer Absicht entstanden, dem Inhalt nach stark variieren. Wir finden aber auch eine Fülle rein formelhafter Antithesen, die ebenfalls das Gesicht der Alfredschen Übersetzung sehr verändern. Ihre Gegenstände sind Körper — Geist, Leib — Seele, Diesseits — Jenseits, Zeit und Ewigkeit. Für Boethius bilden diese Gegensätze natürliche Voraussetzungen seiner Philosophie, und so sind sie auch von den Kommentaren aufgefaßt und verstärkt sichtbar gemacht, aber bei Alfred treten sie mit einem Nachdruck in Erscheinung, der ihnen ein eigenes Gewicht verleiht, das in den Vorlagen nicht zu verspüren ist. Das berühmte Gedicht des Boethius über den Adel, dessen sich Menschen nicht rühmen sollen, da sie alle von einem Vater abstammen (III,m.6),erhält ebenso wie dieDiskussion in der Prosa (III,p.6) ein ganz anderes Moment durch den Zusatz Alfreds, daß der eigentliche Adel eher im Geist beschlossen liegt als im Fleisch (69,10 f.; 69, 28 ff.).49 Das Argument, daß der Mensch aufgrund seines Körpers keinen besonderen Vorzug verdient, stützt Boethius durch Hinweise auf Tiere, die dem Menschen an körperlicher Schnelligkeit, Masse und Kraft überlegen sind (III, p. 8, 13 ff.). Alfred übersteigert den Gedanken zu einem Lob der Weisheit: Gerade wenn ein Mensch alle animalische Kraft an Stärke und Schnelligkeit und auch den Menschen an Schönheit überrage und dann nach dem völligen Begreifen der Weisheit strebe, würde er einsehen: öast ealle Jsa magno -[ £>a crasftas . . . ne sint to metanne wiö £>sere sawle crasfta asnne. Hwset nu, wisdom is an anlepe crasft J>aere sawle ... f he is betera öonne ealle J)a oöre craeftas . . . (72,11 ff.)50 47 Die im Sinne des Boethius richtige Auffassung der Seelenteile: .Vitalis', .rationalis', ,immortalis', bei P. Courcelle, «Etüde critique», 126. 48 Während bei Boethius die Natur in ihrem einheitlichen Wirken gepriesen wird, betont Alfred auch hier die Trennung — Natur ist auch in den Tieren lebendig, und sie erreichen das, was ihnen als Ziel gesetzt ist — der schlechte Mensch nicht einmal das (IV, p. 3, 70 ff. = 108, 3 ff.). 48 Es ist dies ein Lieblingsgegensatz Bedas, vgl. ed. Plummer, II, 90 f. zu Hist. Eccl. II, c. 7. 60 Interessant ist, daß dieser Vergleich eine positive Wertung von Körperkraft und Schönheit voraussetzt. Wir finden auch die Schönheit des Alkibiades bei Alfred positiver
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Wie tief der Vorstellungsgehalt des Leib-Seele-Gegensatzes in Alfreds Denken wurzelt, zeigen einige Stellen, an denen das Beispielhafte dieses Gegensatzes andere Verhältnisse illustriert. Alfred erläutert die Identität des Guten mit Gott (III, p. 10,40 ff.) am gegensätzlichen Beispiel des Menschen. Beim Menschen fallen Leib und Seele und das Gute auseinander, wenn Gott sie nicht zusammenhält, in Gott ist das Gute mit Gott eins (84, 22 ff.). Da Alfred keinen Begriff kennt, der dem der ,substantia' entspricht, erläutert er wiederum am Leib-SeeleGegensatz des Menschen die substantielle Einheit Gottes mit der Glückseligkeit (III, p. 10, 89 ff. = 86, 22 ff.). An der Auflösung der Leib-Seele-Einheit (114, 4 ff.) verdeutlicht er, was es bedeutet, wenn der Mensch in sich die Einheit des Guten zerstört (zu IV,p. 3,42 ff.) und damit aufhört, Mensch zu sein. Auch ein Übersetzungsfehler Alfreds spiegelt dieses Verständnis: Iam vero corporis bona promptum est ut ad superiora referantur; (III, p. 2, 35 ff.) Be öisan i be masnegum Jsillicum masg beon eallum monnum cuö Jsxtte ealle ]ba licumlican good bio3 forcuöran öonne öasre sawle crasftas. (54, 20 ff.) Neben solchen längeren Beispielen des Leib-Seele-Gegensatzes finden wir eine Reihe weniger bedeutsamer Zusätze, die zeigen, daß der Gegensatz bei Alfred stets gegenwärtig ist.81 Ein anderer Gegensatz, der zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Gegenwärtigem und Zukünftigem, ist so stark an das Verhältnis von Lohn und Strafe gebunden, daß es genügt, auf den Abschnitt über Werkgerechtigkeit und Verdienstdenken zu verweisen.62 Starken Nachdruck legt Alfred im Gegensatz zu Boethius auf die Tatsache, daß das wirkliche Gut auch ein ewiges Gut sein muß. So umschreibt Alfred den idealen Wohnsitz (II, m. 4) des Weisen in der allegorisierenden Erklärung: Forjoam simle se wisa mon eall his lif Ixt on gefean unonwendendlice 1 orsorg, Jjonne he forsihd xgöer ge £>as eorölican god ge eac ]?a yflu, i hopaö to ¡Dam toweardan; f sint |>a ecan. (27, 8 ff.) Boethius nimmt für das ,verum bonum' die Ewigkeit nicht ausdrückbeurteilt als bei Boethius (III, p. 8, 21 ff. = 7 2 , 3 0 ff.). D e n Gedanken v o n dem häßlichen Inneren des Menschen, der zum T o p o s der mittelalterlichen Literatur wurde, hat Alfred ebenfalls abgemildert. V g l . J . Huizinga, Herbst des Mittelalters
(München, 1928), 197.
61
Weitere Stellenangaben bei K . H . Schmidt, 43.
52
35 ff.; weitere Stellen 113, 19 ff.; 139, 15 ff.; 138, 24 ff.; 143, 24 ff.
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lieh in Anspruch, 53 als er die Einheit der Güter als Grund für das wahre Gute statuiert. Alfred weist in seiner Ubersetzung (III, p. 11,11 ff.) mit einem stark berichtigenden Akzent auf das Ewige hin: . . . Jsonne ne biö öaer nanes goodes wana; Jponne Jja good ealle on annesse bioö, •] sio annes biö on ecnesse. Gif hi on ecnesse narren, Jsonne nare hiora swa swiöe to girnanne. (90,10 ff.) Auch bei der Belohnung der Guten kommt es Alfred stets auf das Ewige an, während für Boethius diese Kategorie keine besondere Rolle spielt, da es ihm nur um das Gute schlechthin geht. Wenn die Fülle der Beispiele für dualistische Denkformen in der Alfredschen Übersetzung für den beherrschenden Zug dieses Denkens spricht, so hat bereits die Güterlehre gezeigt, daß es ausgleichende Elemente zwischen Irdischem und Überirdischem gibt, die es nicht zulassen, daß ein absoluter Gegensatz zwischen Gott und der Welt endgültig scheidet. Es ergibt sich die Tatsache, die G. M Ü L L E R folgendermaßen formuliert hat: Wieder ist festzustellen, daß die Gesamtheit der Weltwirklichkeit weder als unterschiedslose, monistische Einheit, noch als unverträgliche Zweiheit erscheint, sondern als Organismus, in dem die, absolut gesehen, unvereinbaren Gegensätze durch Einbettung in die Realität relativiert und als dienende Glieder gesehen sind.54 Abgesehen von der Güterlehre, die dieses Denken implicite voraussetzt, finden wir bei Alfred nur einige wenige, aber ausgeprägt wichtige Stellen, an denen die gradualistische Denkform, die für die englische Literatur so wichtig ist,65 klar hervortritt. Respicite caeli spatium, firmitudinem, celeritatem et aliquando desinite vilia mirari. Quod quidem caelum non his potius est quam sua, qua regitur, ratione mirandum. (III, p. 8,16 ff.) Für Alfred stellt sich das dualistische Verhältnis gradualistisch dar: So wie der Himmel besser und höher und schöner ist als alles, was in ihm ist (eall his innung) mit Ausnahme des Menschen, so ist auch der Leib des Menschen besser und verehrungswürdiger als sein Besitz.66 58 Es überrascht, daß Boethius im Gegensatz zu Piaton und Augustin für das .verum bonum' nicht die Ewigkeit ausdrücklich beansprucht. Wahrscheinlich spielt hier der Satz des Aristoteles eine Rolle, daß der Begriff des Ewigen dem Begriff des Guten ebensowenig etwas hinzufügen kann, wie die Dauer etwas daran ändern kann, ob ein Gegenstand weiß ist (E/A. Nie., 1096h). 61 G. Müller, 694. 65 Die philosophische und z. T. auch literarische Entwicklung untersucht A. O. Lovejoy, The Chain ofBeing (Cambridge, Mass., 1948). 56 K. H. Schmidt, 37 versieht diese Stelle mit einem Fragezeichen, doch scheint mir der
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Ac hu micele £>incö ]pe Jjonne sio sawl betere -j deorwyröre Jjonne se lichoma? JElc gesceaft is to arianne be hire andefne, symle sio hehste swiöost; foröasm is se godcunda anwald to arianne . . . ofer ealla oöra gesceafta. (72, 24 fF.) Entsprechend dieser Wertskala ist auch das Sein der Seele mehr oder weniger vollkommen, je nach dem Gegenstand, bei dem sie denkend weilt: 67 ponne hio J^onne ymbe hire scippend smeaö, ¡sonne biö hio ofer hire selfre; ac Jponne hio ymbe hi seife smeaö, J^onne biö hio on hire selfre; -j under hire selfre hio biö Jsonne öonne hio lufaö J?as eorölican J)ing, i Jsara wundraö. (81, 29 fF.) So versteht Alfred auch den Gedanken, daß der Gute schließlich durch Teilhabe am Guten selber zu Gott wird. 68 Für Boethius ist wiederum die logische Richtigkeit ausschlaggebend: Sed uti iustitiae adeptione iusti, sapientiae sapientes fiunt, ita divinitatem adeptos deos fieri simili ratione necesse est. Omnis igitur beatus deus. Et natura quidem unus; participatione vero nihil prohibet esse quam plurimos. (III, p. 10, 81 fF.) Alfred erläutert: Dennoch ist ein Gott, und der ist Stamm und Grund aller Güter, und von ihm kommen alle Güter, und nachher streben sie zu ihm, und er waltet aller. Und obgleich er nun Ursprung ist . . . so kommen doch viele Güter von ihm, so wie alle die Sterne von der Sonne erleuchtet werden, einige aber heller, einige weniger hell (86,1 fF.). Das letzte Bild repräsentiert den Gedanken der Stufenordnung auch in einem anderen Zusatz (81, 32 = III, m. 9, 18 fF.). Das Boethianische Bild der Schicksalskreise (IV, p. 6,61 fF.)59 hat Alfred in eine sorgfältig ausgearbeitete Allegorie des Rades verwandelt. Gott ist der unbewegte Mittelpunkt (die Achse), die Seligen kreisen als Nabe nur wenig bewegt in der Nähe Gottes. Dann folgt die große Zahl derer, die sich als die Speichen hinunterziehen zu den Felgen. Gedankengang in dieser Weise völlig klar zu sein. Der Gedanke, daß der Besitz ein geringeres Gut darstellt als der Körper, findet sich bei Boethius (II, p. 6, 20 ff.) ausgesprochen. Dort hat ihn Alfred allerdings nicht übersetzt (36, 12 ff.). 67 Alfred erklärt die Bewegung der Seele (III, m. 9, 16 f.) in dieser Weise, die in den bekannten Kommentaren ohne Vorbild ist. 68 Der Gedanke hat für Alfred große Anziehungskraft, und er hat ihn stets uneingeschränkt wiedergegeben (IV, p. 3,27 = 113,19); der Text hat 'godas' — es muß 'Godas' heißen — ebenfalls 114,20, wo Alfred den Gedanken frei hinzugefügt hat (IV, p. 3,50 f.), und 109, 21. 59 Es handelt sich um Kreise — nicht um Kugeln. Vgl. P. Courcelle, Les lettres grecques. 6
Otten, Alfreds Boethius
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Es ist der mittlere Stand (fja midmestan), und dort wiederum sitzen die Besseren in der Nähe der Nabe, die Schlechteren der Felge zu. Aber auch die Schlechten, die auf der Felge kräftig durchgerüttelt werden, sind durch die Guten und die Seligen wiederum mit Gott verknüpft, und nur in dieser Weise werden sie nicht zunichte. Je fester sie aber an Gott geknüpft sind, desto seliger sind sie in ihrer Existenz. Von Gott getrennt, werden sie in dem Maß der Trennung Mühsal und Ungemach erdulden "asgjper ge on mode ge on lichoman" (129,19 — 130, 27). Liegt diesem Bild der Gedanke des Abstiegs vom Vollkommenen zum weniger Vollkommenen zugrunde, so zeigt Alfred an anderer Stelle den Weg zur Vollkommenheit. Boethius leugnet die wahre Existenz des Bösen und damit auch das Sein der Bösen: „Nam qui mali sunt, eos malos esse non abnuo; sed eosdem esse pure atque simpliciter nego." (IV, p. 2,98 ff.) Hier richtet Alfred den Blick auf die Möglichkeit des Aufstiegs: Ac hwa swa willnaö f he crxftig sie, he wilnaö p he wis sie . . . -| se 3e wis biö, he biö good; se ]se Jponne good biö, se biö gesadig . . . (109,17 £F.) Für Boethius genügt die Feststellung, daß die Schlechten nicht sind, Alfred zeigt, wie der Wille zur Tugend auch zu Weisheit und Seligkeit führt, eine Wahrheit, die für Alfred beinahe die Summe seines Verständnisses der Consolatio ausmacht. Der stufenweise Aufbau des Universums erscheint auch bei Boethius aufgrund der verschiedenen Erkenntnisweisen (V, p. 4, 79 ff.), ,sensus', ,imaginatio £ , ,ratio', ,intelligentia' dargetan. Sie gehören verschiedenen Lebewesen zu (V,p.5,10ff.). Alfred interpretiert diese Stufenordnung einmal im statischen Sinn der Ständeordnung, nach der alle Dinge nur an ihrer Stelle vollkommen sind,60 dann aber auch im Sinne des Aufstiegs zu den höchsten Stufen durch den Geist: For^am sint öas sceafta^us gesceapene p öa unstyriendan hi ne ahebben ofer Jja styriendan, ne him wiö ne winnan, ne Jja styriendan ofer \ML men, ne ]sa men ofer J>a englas, ne J)a englas wiö God. (146, 10 ff.) AcJjset is earmlic p se massta dasl monna ne secö no pp him forgifen is, p is gesceadwisness; ne f ne secö ¡Dast him ofer is, p is ]paet englas habbaö •) wise men; p is gewis andget [intellegentia]. (ebd., 14 ff.) Bei Boethius ist „intellegentia sola divini (generis)" (V, p. 5,17 f.). Für Alfreds Wiedergabe des 9. Metrums (III) ist ganz von diesem Gedanken geprägt. Auch dies eine Lieblingsidee Alfreds.
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Boethius verläuft hier eine Grenzlinie. Alfred spricht den weisen Menschen die gleiche Erkenntnisweise zu wie den Engeln. Eine entsprechende Kommentarglosse des Remigius (7r. 165r: „Quarta [species cogitationis] sanctis spiritibus et quibusdam hominibus, qui merito sanctitatis deo adhaerentes per contemplationem dei terrena omnia transcendunt.") fehlt in dem Einsidlensis (181). Alfred führt diese Glosse noch weiter aus und endet mit einer Parainese: Ac uton nu habban ure mod up swa swa we yfemest masgen wiö Jsass hean hrofes ]DXS hehstan andgites . . . {ebd. 26 ff.) Es dürfte deutlich sein, daß wir in diesem Kapitel entscheidende Perspektiven des Alfredschen Weltbildes in den Blick bekommen haben. Zwei Grundgegebenheiten der Boethianischen Philosophie und des Neuplatonismus, die für Boethius den Charakter des Selbstverständlichen tragen, gewinnen für Alfred eine Bedeutung, die seine Wiedergabe der Consolatio durchgängig verändert hat. Dabei scheint der Sachverhalt auf den ersten Blick paradox: Der Dualismus ist verstärkt, aber auch der Gradualismus, der den ersteren naturgemäß in seiner Wirkung wiederum aufheben müßte. Wir können in diesem Sachverhalt charakteristische Züge des mittelalterlichen Denkens und Empfindens feststellen, die später zu dem Dualismus führen, den H. SCHNEIDER als „Volkskrankheit"61 bezeichnet hat. Er ist in seiner Grundlage Augustinisch, doch werden wir nicht so sehr die Einzelheiten des Alfredschen Ausdrucks bei Augustin finden, wie die allgemeine Tendenz seiner Lehre. Auch die Betonung des gradualistischen Prinzips hat ihre Entsprechungen in der Augustinischen Lehre. Im Bereich von Alfreds Werken begegnen wir dem Leib-SeeleDualismus vor allen Dingen in den Dialogen Gregors, aber auch in der Kirchengeschichte Bedas. Die ,virtus' der Heiligen besteht zum großen Teil in der Überwindung des Körpers. Bei der Kasteiung des Heiligen verläßt die Sünde als Wunde der Seele den Körper durch die Wunde der Haut (Dial. II, 2, ed. Moricca, 79,5 ff.).62 St. Audrey frohlockt über die Halswunde, die sie als gottgesandte Sühne für die überflüssige Halskette erkennt, die sie als Mädchen trug (Beda, Hist. EccL, ed. Plummer, IV, xvii (xix) 246).63Wenn auch von solchen Entsprechun61 H. Schneider, „Heldendichtung, Geistlichendichtung, Ritterdichtung", Geschichte der deutschen Literatur, I, 135. Die einprägsame Formulierung bezieht sich auf die nachcluniazensische Zeit. 62 In Waerferös Übersetzung, ed. Hecht, 101, 20 ff. 63 In der ae. Übersetzung, ed. Miller, 322, 17 ff.
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gen in Alfreds Ubersetzung der Consolatio keine Rede ist, so ist es doch deutlich, wie dieser Gegensatz beherrschend auf das Denken gewirkt hat. Fast scheint es, daß Alfred diesem Gegensatz noch mehr verfallen war als seine Vorbilder. Ein Hauptthema der Soliloquien Augustins, soweit sie von Alfred übersetzt wurden, ist die Frage der seelischen Gesundheit als Voraussetzung für die Erkenntnis der Wahrheit. Daher gilt es von den Augen der Seele alles Sinnliche fernzuhalten. 64 Dort ist das Sinnliche, als das Verfallende, der Ewigkeit der Wahrheit entgegengestellt. Dem allesbeherrschenden Gedanken der Sehnsucht nach Erkenntnis Gottes wird die Welt völlig untergeordnet. Wenn Alfred auch die Soliloquien wahrscheinlich nach der Consolatio übersetzt hat, so wird er sie doch bereits vorher gekannt haben. Für Boethius geht von den Dingen der Welt keine Macht mehr aus, wenn man sie durchschaut hat. Die Hinordnung seines Denkens auf das Gute und auf Gott ist so ausschließlich, daß das Irdische nicht einmal mehr als Versuchung in Erscheinung tritt. Für Augustin ist bezeichnend, daß das Bewußtsein, sich beständig vom Irdischen lösen zu müssen, immer wieder leidenschaftlich nach Ausdruck drängt. Wie in Alfreds Auffassung der Sünde das Augustinische Willensmoment sichtbar war, so ist auch hier die Versuchung der Welt dauernd vorhanden. Der Blick Alfreds wechselt zwischen der Welt und Gott. Andererseits kennt Alfred nicht das quälende Sündenbewußtsein, wie es Augustin in den Confessiones (bes. X, c. 29—-39) schildert, das dauernde Verfolgtsein von der Sünde. Alfred geht es darum, die Welt in klare Schranken zu weisen, den Anspruch des Irdischen auf den Menschen abzuwehren und die beiden Welten beständig zu konfrontieren. Die Lehre des Augustinus, daß in der Welt Gutes und Böses vermischt sind (De Civ. Dei I, 35) und daß Gott erst am Jüngsten Tag die beiden Staaten trennt, ist Alfred beständig gegenwärtig. Wo immer er Gefahr wittert, daß es im Irdischen eine Art Genugtuung geben könne (fortuna), daß das Irdische nicht genügend als böse gekennzeichnet sei, oder daß es eine ,sufficientia' bereits in diesem Dasein geben könne, steckt er seine eigene Grenzmarkierung ab. Für den Gradualismus Augustins ist ein Text bezeichnend, der im Mittelalter große Wirkung ausübte: 66 64 Es ist kennzeichnend, daß Alfred auch hier Einschränkungen im Sinne der Güterlehre vorgenommen hat, die sich mit seinen Änderungen der Consolatio eng berühren (ed. Endter, 36,7 ff. ;38,7 ff.; 39,3 ff.). Andererseits hat er die „Leib-Seele"-Formel hinzugefügt (50, 4 f.; 34, 21; 35, 4). 66 F. Maurer, Leid, Bibl. Germ. 1 (Bern, München, 1951), 86.
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Cum enim Deus summa essentia sit, hoc est summe sit, et ideo inmutabilis sit: rebus, quas ex nihilo creavit, esse dedit, sed non summe esse, sicut est ipse; et aliis dedit esse amplius, aliis minus, atque ita naturas essentiarum gradibus ordinavit. (De Civ. Dei, ed. Dombart-Kalb, XII, 2, 357) Diese Auffassung spiegelt sich in dem Alfredschen Beispiel von den Sternen, die ein Licht erhellt, die aber verschieden stark erleuchtet sind. Sie spricht ebenfalls aus dem Gedanken, daß es gilt, jedes Geschöpf seinem Rang nach zu ehren (72,19 ff.). Hierher gehört auch der Gedanke vom Aufstieg der Seele zu Gott. Die denkende Seele erreicht nur dann den höchsten Zustand ihres vollen Seins, wenn sie sich denkend bei sich selbst und um Gott bewegt (81, 25 ff.). Diese Lehre hat Augustin, weit komplexer als diese wenigen Andeutungen Alfreds vermuten lassen, im 10. Buch (Ende) von De Trinitate dargestellt: Si quomodo mens veniat in mentem, quasi possit mens in mente non esse? (De Tritt. X, 4, 6, PL 42, c. 977) Der Geist hat seine bestimmte Stufe: Utquid ergo eo praeceptum est, ut et se ipsam cognoscat, credo ut se ipsam cogitet, et secundum naturam suam vivat, id est, ut secundum suum ordinari appetat, sub eo scilicet cui subdenda est, supra ea quibus praeponenda est; sub illo a quo regi debet supra ea quibus praeponenda est. Videt enim quaedam intrinsecus pulchra, in praestantiore natura quae Deus est; . . . (ebd.) Wie dieser Weg zu Gott führt, so verderben andererseits die sinnlichen Gegenstände die Seele: . . . Et quia illa corpora sunt, quae foris per sensus carnis adamavit, eorumque familiaritate implicata est . . . (ebd.) In diesem Zusammenhang steht dann auch der Gedanke, daß der Mensch die niedrigen Seelenteile mit dem Tier gemeinsam hat: Nam illas animae partes quae corporum similitudinibus informantur, etiam cum bestiis nos commune habere sentimus. (ebd. 5, 7, c. 977) Die kürzeste Formel für diese Angleichung der Seele an Gott lautet nach einem Zitat bei Gilson :M . . . talis est quisque, qualis ejus dilectio est. Terram diligis? terra eris. Deum diligis? quid dicam, Deus eris. (In epist.Joh. ad Parth. II, 2, 14, PL 35, c. 1997) 69
E. Gilson,
Introduction,
8.
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. . . qui verus est Deus facitque suos cultores deos. (De civ. Dei, ed. Dombart-Kalb, X, 1, 273, 95 ff.) Diese Lehre hat also durchaus nichts Pantheistisches, was Alfred bestürzt haben könnte,67 sondern sie spricht lediglich den höchsten Gedanken vom Leben der Seele aus, von ihrem natürlichen Platz bei Gott, der Teilhabe an Gott selber. So bedingen in einem gewissen Sinn Dualismus und Gradualismus einander. Sie stecken den Weg der Seele zu Gott ab. Daher steht auch die Weisheit im Mittelpunkt alles Strebens, weil sie lehrt, die Stufen zu unterscheiden, die Dinge zu erstreben, die zum Heil der Seele führen, und den Weg weist zur Erkenntnis Gottes, des eigenen Ichs und der Welt.68 Die Seele muß diesen Weg gehen, aber der Mensch steht auch inmitten der Welt, und so bricht der Konflikt auf, in dem der Mensch sich der Dinge bedienen muß zu seinem Heil. Aber die Seele kommt nur ganz zu Gott in der Kontemplation. So empfindet Gregor den Zwiespalt „nimis quorundam saecularium tumultibus depraessus" (Dial., ed. Moricca, 13,9) und denkt zurück an die Zeit, da der Geist gewöhnt war „nulla nisi caelestia cogitare" (ebd. 14, 8).69 Wir dürfen diese Haltung auch bei Alfred voraussetzen, wenn Asser über Alfreds nächtliche Meditationen und Lektüre und Andachten berichtet (ed. Stevenson, 59 §§ 76, 12 ff.; 79, 92, 1 ff.; 85, 99, 1 ff.). Alfred hat den Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen leidenschaftlicher empfunden als Boethius, für den das Böse vor der Übermacht des Guten zu nichts wird, aber um so inniger empfand er auch den Aufstieg der Seele zu Gott. i. Seele und Weisheit Zu den augenfälligsten Veränderungen der altenglischen Übersetzung gegenüber dem lateinischen Original gehört der Wechsel des Dialogpartners. Alfred scheint ihn nicht von vornherein beabsichtigt zu haben, und es ist anzunehmen, daß er sich aus der Art seiner Übersetzung ergab, wobei der altenglische Sprachgebrauch von 'Mod' sehr wahrscheinlich den Wechsel mitbewirkte.1 Daß Alfred mit dem histo«' K. H. Schmidt, 42 zu Alfred 86, 2 ff. Vgl. E. Gilson, Vesprit, 220 ff. 69 Waerferth, ed. Hecht, 3, 2 ff.; 4,17 ff.; (vgl. II, p. 3, 81,25 ff. = ed. Hecht, 106,16 ff. und 82, 17 ff. = ed. Hecht, 107, 27 ff.). 1 Vgl. 166 f. dieser Arbeit.
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tischen Boethius nicht allzuviel anzufangen beabsichtigte, sieht man aus der radikalen Kürzung aller der Umstände, die sein persönliches Schicksal erklären (I, p. 4). Außerdem galt Boethius als ein Märtyrer. Er ist ein Heiliger der katholischen Kirche,2 und gerade das Exemplarische, das für die Gestaltung aller Heiligenleben eine solch bedeutende Rolle spielt, wäre durch die Einzelheiten politischer Intrige, die zur Anklage und Verurteilung führten, eher gestört als gefördert worden. Dem Exemplarischen aber trägt die Einführung von 'Mod' als Dialogpartner in einer hervorragenden Weise Rechnung. Dieser Wechsel der Personen verlangte jedoch auch einen Wechsel des Tons. Dazu kommt, daß auch die ,Philosophia' von Alfred nicht als Lehrerin der Weisheit oder Göttin der Weisheit verstanden wurde, sondern als ,Sapientia Dei',3 wie es die mittelalterlichen Kommentare lehren. Damit aber hatte sich das ganze Verhältnis zwischen den Dialogpartnern verschoben, und es gilt, die Art und Weise darzustellen, in der Alfred auf die neue Lage einging. Zunächst ist dem lateinischen Original gegenüber ein Verlust festzustellen. Bei Boethius ist das Verhältnis der ,Philosophia' zu ihrem Schüler überstrahlt von einer wunderbaren Intimität der Beziehungen, und die urbane Diktion trägt gelegentlich einen leicht angedeuteten Akzent des Spielerischen. Das tritt hauptsächlich im ersten Buch hervor, während später der apokalyptische Charakter der ,Philosophia' das Bild beherrscht.4 Durch seine Kürzungen zu Beginn hat Alfred davon kaum etwas übriggelassen. So enthält der Vorwurf der ,Philosophia', als sie die Musen (scenicas meretriculas) verjagt, zugleich ein Kompliment: At si quem profanum, uti vulgo solitum, vobis blanditiae vestrae detraherent, minus moleste ferendum putarem . . . hunc vero Eleaticis atque Academicis studiis innutritum? (I, p. 1, 33 ff.) Oder die Invektive, mit der sie ihn aufrüttelt, den Schüler, der, unter ihrer Lehre zum Mann geworden, seine Waffen weggeworfen hat. Oder das understate?nent-. „Nihil, inquit, pericli est, . . . Sui paulisper oblitus est; recordabitur facile . . . " (I,p. 2,10 ff.). Das alles fehlt bei Alfred ebenso wie die pessimistische Anfrage des Boethius an die Vgl. E. K. Rand, Founders, 179 f. und Patch, The Tradition, 7. So auch bei Notker, vgl. I. Schröbler, Notker III, 6. Eins. 97: „Philosophia omnem transcellit vigorem propter theologiam, i. e. divinam rationem . . . Sapientia dei cum esset evangeliis deo patri." 1 F. Klingner, De Boethii Consolations, 114 ff. 2
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,Philosophia', ob sie etwa auch mit ihm angeschuldigt sei (I, p. 3, 7 f.). Es fehlt das schlichte Bekenntnis der ,Philosophia' zu der Treue, die sie dem hält, der um ihretwillen Anfeindungen auf sich genommen hat, die sie mit ihm teilt (I, p. 3,9 ff.), und die Erinnerung an die in gemeinsamer Muße verbrachten Stunden, so daß von Anfang an die Atmosphäre menschlicher Vertrautheit der Alfredschen Übersetzung abgeht. Bei Alfred ist die Philosophie die "heofencund Wisdom" (8,16), und nachdem sie Boethius die „Augen der Seele" getrocknet hat, erkennt er in ihr nicht nur seine Pflegemutter, sondern seine eigene Mutter, und sie verspricht ihm, ihn, wenn er sich schäme, bald mit in den Himmel 2u führen (9,18). Im Original fragt die ,Philosophia' zwar auch, ob ihr Schützling aus „Scham" oder ,Stupor' schweige, auch dort ist von dem Wohnort der ,Philosophia' über dem Pol die Rede (I, p. 3,7) und von der Burg, in die sie sich als Führerin mit den Ihren zurückzieht, um den Feinden spottend die Plünderung des Gepäcks zu überlassen. Aber was bei Boethius eine Reihe lockerer Topoi ist, das besitzt bei Alfred eine christliche Verbindlichkeit. Er übersetzt dementsprechend: sed sospitatis auctori grates, quod te nondum totum natura destituit. (I,p. 6, 46 ff.) Doncanu Gode p he 9e gefultumade p icjsin gewit mid ealle ne forlet. (13, 28 f.)
Dann ändert sich die Stellung der Philosophie bei Alfred wiederum dadurch, daß er in ihr auch die Walterin über das Glück und seine Gaben sieht, und bei dem nächsten Einsatz des Boethius muß Alfred gefühlt haben, daß er nicht mehr so fortfahren könne, wie es das Lateinische verlangt: Tum ego: Speciosa quidem ista sunt, inquam, . . . tum tantum, cum audiuntur, oblectant, sed miseris malorum altior sensus est; itaque cum haec auribus insonare desierint, insitus maeror praegravat animum. (II, p. 3, 4 ff.)
Für Alfred mußte sich diese Antwort in der einfachsten Form als ein „Du hast gut reden" darstellen. Jedenfalls fand er sie nicht mehr angängig und setzt statt ihrer ein Schuldbekenntnis der 'Mod': Ic me ongite asghwonan scyldigne, ac ic eom mid JJSCS laöes sare swa swiöe oförycced Jjaet ic inc geandwyrdan ne maeg. (19, 26 ff.)
Statt des einfachen „ita est" und der folgenden medizinischen Aufklärung legt Alfreds 'Gesceadwisnes' der 'Mod' eine christliche Seelendiagnose vor: 88
p is nu giet £>inre unrihtwisnesse f 8u eart fulneah for]?oht. Ac ic nolde p ]?u jse forjjohte, ac ic wolde f de sceamode swelces gedwolan; foröasm se se öe hine forjsencö se biö ormod, ac se se öe hine sceamaö se biö on hreowsunge. (19, 28 ff.) Hiermit hat Alfred nun eine Form des Verhältnisses zwischen 'Mod' und 'Gesceadwisnes' gefunden, die seinen veränderten Vorstellungen entspricht. Die himmlische Weisheit spricht zu der sündigen Seele, die verzweifelt und über die Scham zur Reue finden soll. Diese veränderte Beziehung bleibt nun beständig wirkungsvoll. Boethius und die ,Philosophia' sind Gefährten; man spürt ihre Gemeinsamkeit. Er stimmt der ,Philosophia' zu und fügt hinzu: ut tandem aliquando stultitiam magna lacerantem sui pudeat. (III, p. 12, 63 f.) Alfred bezieht diese Worte auf 'Mod': "ac me sceamaö nu öaet ic hit aer ne ongeat" (98, 25). Aber auch bei Boethius sind die Dialogpartner einander nicht ebenbürtig. Die ,Philosophia' ist „mulier imperiosae auctoritatis" (I, p. 1, 43), „veripraevialuminis" (IV, p. 1,5), „virtutum omnium nutrix" (II, p. 4,1 f.), aber esoterische Züge, wie sie z. B. in dem großen Hymnus Ciceros in den Tusculanen (V, 5) spürbar sind, fehlen in der Consolatio fast ganz. Bei Alfred treten sie deutlicher hervor. Vera, inquam, commemoias, o virtutum omnium nutrix, nec infitiari possum prosperitatis meae velocissimum cursum. (II, p. 4, 1 ff.) Eala, Wisdom, ]DU Jae eart modor eallra msegena, ne masg ic na wiöcweöan ne andsacigan f Jse JJU me asr siedest, forjaonjje hit is eall soö; forjsam ic nu hasbbe ongiten f 9a mine sadöa sio orsorgnes, Jje ic xr wende f gesxlöa beon sceoldan, nane saelöa ne sint, foröam hi swa raedlice gewitaj}. (21,10 fF.) Bei Boethius herrscht der Ton des platonischen Dialogs,6 der die Verehrung des Lehrers mit einer Gleichberechtigung des Partners zu paaren versteht in der sachlichen Gemeinsamkeit des Fragens, und eben das war für Alfred nicht verständlich. So hat er in der Veränderung der Partner auch den Ton des Dialogs geändert und der neuen Situation angepaßt. Es fehlen die Vertrautheit und die persönliche Nähe, aber in seiner Art gründet Alfred die Beziehungen der Dialogpartner tiefer, in der Sehnsucht des Himmlischen. Die Dialogpartner sind nicht nur weit davon entfernt, einander ebenbürtig zu sein, sondern sind voneinander geschieden wie Himmlisches und Irdisches. 6
F. Klingner, De Boethii Consolatiom, 74 ff.
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Aber die Weisheit überbrückt diese Ferne, und nur sie, und daher gehört ihr die Liebe und Dankbarkeit des Schülers, der, selbst im Irdischen noch befangen, den Blick für das Himmlische öffnet. Wie in den übrigen Fragen, in deren Behandlung Alfred von seinem Vorbild abgewichen war, so finden wir auch hier keine grundsätzliche und kritische Veränderung, die in klarer Form die eigene Meinung gegenüber dem Autor als Abweichung begründet, sondern es ist wiederum die innere Form des Verstehens wirksam, in der der Text interpretiert und im eigenen Nachdenken ausgeweitet wird. Wir finden Boethius, aber wir finden auch Alfred in den gleichen Worten. Besonders deutlich sprechen in der veränderten Form die Demut der Seele und die Innigkeit ihrer Unterwerfung eine eigene Sprache: Iam cantum illa finiverat, cum me audiendi avidum stupentemque arrectis adhuc auribus carminis mulcedo defixerat. Itaque paulo post: O, inquam, summum lassorum solamen animorum, quam tu me vel sententiarum pondere vel canendi etiam iucunditate refovisti, adeo ut iam me posthac imparem fortunae ictibus esse non arbitrer 1 (III,p.l,lff.) pa se Wisdom Jsa öis lioö asungen haefde, pa harfde he me gebundenne mid ]sasre wynsumnesse his sanges, f ic his was swiöe wafiende -] swiöe lustbaere hine to geheranne mid innewearde mode, -] pa fulhraeöe öaes ic cleopode to him -j pus cwasö: Eala, Wisdom, J>u öe eart sio hehste frofer ealra werigra moda; hu JJU me halfst afrefredne asgjjer ge mid pinre smealican sprsece, ge mid pinre wynsumnesse pines sanges. To J>aem ¡DU me hasfst nu aretne -| ofercumene mid Jsinre gesceadwisnesse, f me nu 3incö ösette no p an p ic 3as unwyrd arasfnan maEg öe me on becumen is, ac f>eah me giet mare frecenes on becume, ne cwiöe ic nasfre ma p hit butan gewyrhtum sie; foröasm ic wat p ic maran •] hefigran wyröe wasre. (50, 8 ff.)
Schon die Auflösung der Metonymie, der Zusatz „mit inwärtiger Seele", die relative Prädikation nach dem Appelativum, der Ausrufesatz und der emotionale Konsekutivsatz zeigen, wie Alfred den Stilwert des Originals erhielt und verstärkte, aber die im letzten Satz folgende Unterwerfung der Seele unter das schlimme Schicksal, die Bereitschaft zu schlimmerem und das Eingeständnis, auch dieses verdient zu haben, das alles bezeugt die Wandlung im Verhältnis der Partner und den adäquaten Ausdruck, den Alfred dafür gefunden hat. Die Seele unterwirft sich der Autorität der Weisheit. Nachdem die Philosophie dargetan hat, daß jeder Gute Gott sein kann, antwortet Boethius mit Erstaunen und Beifall, aber der Stil bleibt ganz im Bereich des Konversationstons: 90
Et pulchrum, inquam, hoc atque pretiosum, sive porisma sive corollarium vocari mavis. (III, p. 10, 85 ff.) In Alfreds fragender Antwort bricht das „fascinosum et tremendum" des religiösen Erlebens durch: pa ic ]pa ]sis spell ongeat, {3a wearö ic agaslwed -j swiöe afasred, -| cwasö: Is Jais la wundorlic 1 wynsum -j gesceadwislic spell p öu nu ssegst. (86, 9 fF.) Das dankbar-beglückende Gefühl, die Wahrheit gefunden zu haben, spricht aus der Erweiterung einer anderen Bekräftigungsformel: Vehementer assentior, inquam, et id te paulo ante dicturam tenui licet suspicione prospexi. (III, p. 12, 40 fF.) Die englische Entsprechung ist zu weitläufig, als daß sie hier wiedergegeben werden könnte (97,13—25), aber auch sie ist durchdrungen von dem dankbaren Erleben der Weisheit. Sie hat 'Mod' die Tür gezeigt, von der das Licht ausging, das er vorher als winzigen Schein sah, aber 'Mod' hat es nicht gefunden und im Dunkel herumgetastet. Auch den Eingang des vierten Buches hat Alfred in diesem Sinne vertieft und abgewandelt, obwohl dort auch Boethius das Pathos der Rede fühlbar erhöht hat. hu wundorlic me öincö f öast ]pu me recst; foröaem ic ongite pte eall öset J)u me xt reahtes me reahte God ¡surh öe, . . . (103, 27 ff.) Das steht für: . . . quae usque adhuc tua fudit oratio, cum sui speculatione divina tum tuis rationibus invicta patuerunt . . . (IV, p. 1, 5 ff.) Es folgt dann die auch Boethius entsprechende Stelle, nach der der Weise selbst zu Gott wird, die Alfred (109, 21) wiederholt, 6 und schließlich die in der Consolatio nicht enthaltene Feststellung, daß die Weisheit identisch ist mit Gott (145,12 ff.) dem Allwissenden. Die veränderte Stellung der Dialogpartner läßt sich nicht nur am sprachlichen Ausdruck mehr oder weniger indirekt ablesen, sondern ist auch aus dem offenen Tadel ersichtlich, mit dem die Weisheit 'Mod' bedenkt. An zwei sehr ähnlichen Stellen hält die Weisheit 'Mod' ihre Unvollkommenheit vor. 'Mod' gehört zu denjenigen Menschen, die mit einem Auge nach dem Himmel, mit dem anderen nach der Erde schielen (121, 29 ff. und — an dieser Stelle ist 'Mod' nicht ausdrücklich als betroffen genannt — 129, 27 ff). Als es um die * Im Text steht "god" statt "God", worauf K. H. Schmidt, 51 hingewiesen hat.
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Frage geht, inwieweit das göttliche Vorwissen die menschliche Freiheit einschränkt, da gibt die Weisheit ihrer Verwunderung Ausdruck, daß die Seele alles das vergessen habe, was vorher besprochen worden sei (143,15ff.= IV, p. 4,11 f.), obwohl Boethius nichts dergleichen im Sinn hat. Auch eine falsche Übersetzung Alfreds geht auf das Konto der veränderten inneren Einstellung. „Atqui hoc vobis in contrarium cedit" — „das schlägt euch aber ins Gegenteil aus" — (II, p. 5,61 ff.) übersetzt er: "Ac ic wat Jjeah swiöe geara pte p ic her sprece is wiö Jjinum willan" (31,16 ff.). An einer anderen Stelle, an der sich Boethius über die Methode der ,Philosophiac verwundert, worauf die ,Philosophia' auf die Autorität Piatons verweist (III, p. 12,100 ff), fällt Alfreds Antwort schärfer aus: Höre nur geduldig zu, auch wenn es dir vorher unnütz erschien, ob dir nicht das Ende besser gefällt (101,16 f.). So steht 'Mod' noch zwischen Gott und der Welt, aufgebrochen zu Gott, aber noch unvollkommen in Haltung und Erkenntnis, der Weisheit zugewandt, aber noch irrend und der Ermahnung bedürftig. Wenn Alfred so 'Mod' angesehen hat, wie schätzt er die Toren ein? Bereits K. H. SCHMIDT hat festgestellt, daß die Gegenüberstellung von Weisen und Toren für Alfreds Übersetzung charakteristisch sei, ohne weiter auf die Frage einzugehen.7 Bei Boethius spielen die Toren selbst keine besondere Rolle. Er würdigt sie keiner besonderen Aufmerksamkeit. Es kommt ihm auf ihre Meinungen an, die er allerdings eindeutig kennzeichnet: ,ignorantia', ,stultitia', ,opinio populi', ,popularis fortuna', ,populäres aurae' u. a. Er hält nicht viel davon, schüttelt den Kopf und hat Mitleid für die Törichten übrig (III, m. 8, 1 ff). Sind einmal Irren und Irrtum durch Schuld und Sühne ersetzt, so muß sich notwendigerweise auch die Beurteilung des Toren ändern. An die Stelle der Geringschätzung und des Bedauerns treten dann Zorn und Verachtung. Der Dualismus des lateinischen Werkes wird wiederum verschärft. Wenn ein großer Teil der Stellen, die Schmidt anführt,8 auch lediglich formelhaften Charakter hat, so zeigen doch längere Einschübe und Bearbeitungen einzelner Stellen tiefgreifende Unterschiede über das Formale hinaus. So sagt Boethius, daß, wer einen Schluß für hart hält, zeigen müsse, daß falsche Voraussetzungen bestanden haben, andernfalls solle er ' K. H. Schmidt, 34 mit Stellenregister. • K. H. Schmidt, ebd.
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sich über den Schluß nicht beklagen (IV, p. 4,32ff.).Dieser Überlegung schickt Alfred den Zusatz voraus: Ich spreche nicht zu Toren, sondern zu denen, die gern die Wahrheit begreifen wollen (118, 9 ff.). Für Boethius ist die Unwissenheit eine Schwäche: „Sed quid enervatius ignorantiae caecitate?" (IV, p. 2,89) — für Alfred eine Schande (109, 1 ff.): „Warum wollen sie nicht nach Tugenden und Weisheit streben?" "Ic wat ]}eah öset swongornes hi ofsit -j hi mid slsewöe ofercymö, 1 gitsung hi ablent" (109, 3 ff.). Während Boethius lediglich feststellt, daß die „Blinden" nicht wissen, wo das Gut zu finden ist, das sie eigentlich suchen (III, m. 8, 15 ff.), gesteht Alfred ihnen den unfreiwilligen Irrtum nicht zu, sondern sagt, daß sie keine Lust haben, die Wahrheit zu suchen (74, 7 f.). In Boethius' ,dubitatio' „Quid dignum stoüdis mentibus imprecer?" (III, m. 8, 19) ist das Flehen zum Tadel geworden: Ic nat nu hu ic msege heora dysig eall swa sweotole areccan -| swa swiöe getadan swa ic wolde, for]?am hi sint earmran -| dysigran •) ungesaeligran Jsonne ic hit arecan maege. (74, 9 ff.) Boethius gönnt den „Blinden" mit leichter Ironie Schätze und Ehren, die sie sich mit schwerer Mühe erwerben, um dann zu erkennen, welches die wahren Güter sind (ebd. 20 ff.), für Alfred bleiben sie im Irrtum befangen (74, 12 ff.). Der Gedanke, daß die schlechten Menschen gerade das nicht erreichen, was sie mit aller Macht erstreben, mußte Alfred schon aufgrund seiner Willenslehre verwirrend erscheinen, und so fehlt diese bedeutende Voraussetzung (IV, p. 2,76 ff.). Dafür ist der Tadel der Toren verschärft: sie haben ihren Platz unter den unverständigen Geschöpfen (108, 4, 15 f.). Bezeichnend für Alfreds Verachtung der ,opinio populi' ist die Tatsache, daß Boethius in somatischer Art auf eine volksgemäße Denkweise eingeht (IV, p. 7, 12ff.) und auch aus ihr eine Wahrheit herauszuarbeiten versteht, während Alfred das Argument abbricht und feststellt, daß man von aller Vernunft und allem Wissen abgehe, falls man so urteile wie das Volk (138, 9 ff.). Die Logik des Boethius ist an dieser Stelle allerdings nicht einfach, so daß das Abbrechen Alfreds verständlich wird, 9 der Grund dafür aber zeigt deutlich, daß Alfred mit den Toren kein Mitleid hat. Auch an einer anderen Stelle fordert Alfred durch 'Wisdom' die £Mod' auf, den Toren gegenüber Zurückhaltung beim Lehren der Weisheit zu üben: • Erklärungen finden sich bei Silk, 265, 25 ff., sie fehlen bei Tr. 157v und Eins. 171.
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pe ic nat hu nyt ¡DU me tsehst to 3asm dysegum monnum, Jsa naefre aefter me ne spyriaö; ic ne sprece nasfre to ösem, ac ic sprece to ]pe, fordsem ]pu tiohhast p |DU spyrie setter me, swiöor swincst on öaem spore Jjonne hi don. Ne recce ic hwaet hi demen; . . . (121, 22 ff., Zusatz zu IV, p. 4, 86 ff.) Noch ein letzter Punkt ist anzumerken: Die Tatsache, daß der Mensch mit Vernunft ausgestattet ist (gesceadwisnes), verpflichtet ihn, der Vernunft und Weisheit nachzustreben. Auch dieses ist eine Wahrheit, die Boethius geläufig ist (II,p. 5,69 ff.), aber sie gewinnt für Alfred eine größere Bedeutung aus dem gesteigerten Bewußtsein der gottgewollten Notwendigkeit. Weisheit und Gott sind für Alfred identisch, und so ist das Streben nach Weisheit ein Akt der Gottsuche: Swilc is se wisdom p hine ne maeg nan mon of jsisse weorulde ongitan swilcne swylce he is; ac aslc wind be his andgites masöe p he hine wolde ongitan gif he meahte. Ac se wisdom mseg us eallunga ongitan swylce swylce we sint, . . . foröasm se wisdom is God. (145, 7 ff., Zusatz nach V, p. 4, 73 f.) Foröy we scoldon ealle maegene spyrian asfter Gode, p we wissen hwaet he waere. Deah hit ure mxö ne sie p we witen hwylc he sie, we sculon Jpeah be jpaes andgites maeöe ¡De he us gifö fandian; . . . (147,12 ff. freie Wiedergabe V, p. 6, 1 ff.) Die lateinische Vorlage hat diesen imperativischen Charakter nicht. Die Erkenntnis Gottes ist darüber hinaus durch das „ T a b u " eingeschränkt : Quoniam igitur, uti paulo ante monstratum est, omne, quod scitur, non ex sua, sed ex comprehendentium natura cognoscitur, intueamur nunc, quantum fas est, quis sit divinae substantiae status, . . . (V,p.6, Iff.) Alfred ist also in diesem Punkt seiner Sache unbedingt sicher. In dieser Gewißheit liegt der Grund für seine Tätigkeit als Schriftsteller: Ne fo we no on öa bisna -j on öa bispel for öara leasena spella lufan, ac foröasmöe we woldon mid gebecnan jsa soöfasstnesse, -j woldon öaet hit wurde to nytte öam geherendum. (101,10 ff.; zu III,p. 12,100 ff.) Die Pflicht des Menschen, der Erkenntnis nachzustreben, entschuldigt die Unvollkommenheit seiner Bemühungen, die durch die Unvollkommenheit des Intellekts gegeben ist: So bittet Alfred den Leser im Vorwort, 1 0 daß er ihn nicht tadele, wenn er etwas richtiger begreife als der Übersetzer: 10 Der ganze Zusammenhang spricht unbedingt für die Verfasserschaft Alfreds. Vgl. K. Sisam, "The Authorship of the Verse Translation of Boethius's Metra", Studies in the History of Old English Literature (Oxford, 1953), 293 ff., Note D.
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forJjamJje aelc mon sceal be his andgites mseöe -] be his aemettan sprecan f he sprecö, -] don p Jaset he deja. (Proem, 1, 13 ff.) In dieser Aussöhnung der Unvollkommenheit des menschlichen Geistes mit der Pflicht zur Gotteserkenntnis, zu Wort und Tat in Demut vor Gott und Mensch tritt uns der menschlich ergreifendste Zug Alfreds entgegen. Diese hohe Einschätzung von Weisheit und Wissen von Gott, Welt und Mensch ist wohl mit Sicherheit ein Erbe des Augustinischen Intellektualismus. In der ,sapientia' ist die Glückseligkeit enthalten, die Fülle der Glückseligkeit. 11 Gott aber ist durch den Sohn die Weisheit selber: nos autem praedicamus Christum crucifixum . . . Christum Dei virtutem, et Dei sapientiam; (I Cor, 1, 23 f.) Dieser Satz ist von zentraler Wichtigkeit für Augustin und für die christliche Lehre der folgenden Zeit. Der Philosoph ist der „amator Dei". 12 Die Formel ,filium Dei, sapientiam Dei' findet sich in einer frühen gallischen ,expositio fidei',13 und in der Nach-Alfredschen Zeit liebt iElfric diesen Zusammenhang: Crist is manegum naman genemned. He is Wisdom gehaten, foröan öe se Fader ealle gesceafta Jjurh hine geworhte. He is Word gecweden, foröan J)e word is wisdomes geswutelung. (Homilies, ed. Thorpe, vol. I, 358)» Auch Augustin, der diese Lehre immer wieder betont, hat in ihr einen Glaubenssatz gesehen,15 und so ist es nicht verwunderlich, daß bereits der frühe St. Gallener Anonymus diesen Zusammenhang in der Consolatio gegeben sieht (Eins. 97).16 Im Gottesanruf der Soliloquien ist diese Lehre implicite enthalten, und dort hat sie Alfred übersetzt: 1 1 Vgl. E. Gilson, Introduction, ch. I, «La Béatitude», 4 f.; 2ieme Partie, ch. I «La Sagesse», 149 ff. 12 „Porro si sapientia Deus est, per quem facta sunt omnia, sicut divina auctoritas ueritasque monstravit, uerus philosophus est amator Dei" {De Civ. Dei, VIII, c. 1, 9 ff., ed. Dombart-Kalb, 216). 18 F. Kattenbusch, Das apostolische Symbol, I (Leipzig, 1894), 183, vgl. A. Haha, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln, ed. L. Hahn (Breslau, 3 1897), 350, 354. 14 Die Verwendung ist auffallend häufig im Gegensatz zu Wulfstan und anderen Homilien des Ae. Vgl. Mlkic, ed. Thorpe, De Fide Catholica I, 280, 290, 366. 16 „Nam si te hoc movet quod apud sacrosanctam disciplinam Christi in fidem recepimus, esse Patrem Sapientiae; memento nos etiam hoc in fidem accepisse, quod aeterno Patri sit aequalis quae ab ipso genita est Sapientia" {De ¡ib. arb. XV, c. 39, PL 32, c. 1262). 16 Vgl. P. Courcelle, «Etüde critique», 53.
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Te invoco, Deus veritas, in quo et a quo et per quem vera sunt quae vera sunt omnia. Deus sapientia, in quo et a quo et per quem sapiunt quae sapiunt omnia. . . . Ic J>e bydde, drihten, öu ]pe seart se hehstan wysdom, and J>urh ]pe sint wyse asalle ¡sa Jse wyse sint (ed. Endter, 5, 20 ff.). Die Weisheit ist aber auch bei Alfred und so bei Augustin die große Lehrerin der ,virtus', der Lebensführung, die Herrin der Güter. Augustin unterscheidet im Gegensatz zu Alfred zwischen der s a pientia' als dem Gegenstand der höchsten Kontemplation und der ,scientia', die in der ,sapientia' mit enthalten ist.17 Sine scientia quippe nec virtutes ipsae, quibus recte vivitur, possunt haberi, per quas haec vita misera sie gubernetur, ut ad illam quae vere beata est, perveniatur aeternam. (De Trin. XII, c. 14, 21, PL 42, c. 1009) In dieser Art sind auch die Kardinaltugenden von der Weisheit abhängig. Diesen Zusammenhang hat Alfred an zwei Stellen in seiner Übertragung aufgeführt. 18 In der Weisheit liegt die Kraft der Unterscheidung und Auswahl der Dinge, sie bestimmt die Liebe des Menschen und macht ihn fähig, seinen Geist der göttlichen Ordnung der Dinge anzugleichen. 19 So entspricht der Stufenleiter der Tugenden eine Stufenleiter der Einsicht, die zur Seligkeit führt: Ac hwa swa willnaä p he craeftig sie, he wilnaö p he wis sie . . . se Jse Jjonne good biö, se biö gesaelig . . . (109,17 ff.)20 Wie aber die ,sapientia' den Menschen zu Gott führt und schließlich mit Gott identisch werden läßt, so ist die ,ignorantia' das größte Übel und die unmittelbare Folge des Sündenfalls. 21 Die den germanischen Völkern natürliche Hochschätzung der Weisheit und des Wissens erhält hier einen Impuls, der anderer Art ist als die mächtige, aber feingesinnte ,Philosophia' des Boethius. So wie die Weisheit eine Gabe des Heiligen Geistes ist, 22 so sind ,insipientia' (unwisdom), ,stultitia e Vgl. E. Gilson, Introduction, 150 ff.; 156. 62, 22 ff., 87, 7 ff.; die Reihenfolge ist an beiden Stellen verschieden und entspricht weder der Augustinischen {De lib. arb. II, c. 19, 52; PL 32, c. 1231; De Civ. Dei XIX, c. 4, 85 ff., ed. Dombart-Kalb,II, 666) noch der des Remigius (zuIV, p. 7,47, Tr. 158r). " E. Gilson, Introduction, 5 ff., 11 ff., 19 f., 164 ff. et passim. 20 Vgl. S. 82 d. Arbeit. 21 «Les deux conséquences de la faute originelle, qu'Augustin associe toujours en les mentionnant, sont la concupiscence et l'ignorance» (E. Gilson, Introduction, 169). 22 jElfric, In Die Sancto Pentecosten, ed. Thorpe, I, 324, 326; Wulfstan, De Septiformi Spiritu, ed. Bethurum, 185. 17 18
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(stuntnys), ,ignorantia' (nytennys) 'Ipa yfelan ungifa J^aes arleasan deofles'. 28 Vor solchem Hintergrund wird es verständlich, daß Alfred jedes Laster in Zusammenhang mit der Unwissenheit bringt (109,3 ff.) und daß sein Tadel um so schärfer ausfällt und Zorn an die Stelle des Mitleids tritt. Wissen und Weisheit retten Mensch und Seele, Unwissenheit verdammt sie. Es weht ein aufklärerischer Zug aus Alfreds Boethius-Übertragung zu uns herüber, die unbedingte geistige Zuversicht, mit der das Christentum sich Bahn bricht, der Glaube an die Macht des Geistes und der Weisheit,24 der Glaube, dem wir Schulen und Bibliotheken verdanken und das Vertrauen in die Erziehung. Man hat Asser niemals recht beim Wort genommen, wenn er das Verlangen Alfreds nach Weisheit preist: Filios quoque eorum, qui in regali familia nutriebantur non minus propriis dillgens, ómnibus bonis moribus instituere et literis imbuere solus die noctuque inter cetera non desinebat. Se quasi nullam in his ómnibus consolationem haberet, et nullam aliam intrinsecus et extrinsecus perturbationem pateretur, ita tarnen cotidiana et nocturna anxius tristitia ad D o m i n u m et ad omnes, qui sibi familiari dilectione adsciti forent, querelaretur et assiduo gemebat suspirio, eo quod Deus omnipotens eum expertem divinae sapientiae et liberalium artium fecisset: et in hoc pium et opinatissimum atque opulentissimum Salomonem . . . aequiparans, qui primitus, despecta omni praesenti gloria et divitiis, sapientiam a D e o deposcit, et etiam utraque invenit... (Asser, ed. Stevenson, c. 76, 32 ff., 60)
Es handelt sich hier um einen Topos der Königsspiegel, 26 aber das schließt den Charakter des Leitbildes für Alfred keineswegs aus. Asser mag als Gelehrter die gelehrte Neigung Alfreds herausgestrichen haben, aber Weisheit muß für Alfred tatsächlich zur Zeit, als er den Boethius übertrug, eine alles umfassende Forderung gewesen sein, zu der ihn Pflicht und Liebe trieb: F o r ö a m ic öe bebeode öset öu doo swa ic gelife öaet öu wille, öset öu 9e Jjissa woruldöinga to Jaasm geaemettige swa öu oftost masge, öset öu öone wisdom Jje öe G o d sealde öser öaer öu hine befasstan m £ege, befaste. Geöenc hwelc witu us ]sa becomon for öisse worulde, J>a jsa we hit nohwasöer ne seife ne lufedon ne eac oörum monnum ne lifdon . . . (Alfred, Vorrede der Cura Pastoralis, ed. Sweet, 4, 1 ff.)26 » Wulfstan, 187. Über diese humanistische Seite des frühen Christentums und der lat. Patristik im Blick auf das Neue und Moderne E. K. Rand, Founders, 14 ff. 26 Vgl. S. 31 ff. dieser Arbeit. 26 Beispiele für die Pflicht zu lehren aus jElfric und Chrodegang bei Fr. Klaeber, „Zu 2
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Otten, Alfreds Boethius
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W i e K a r l der G r o ß e es liebte, sich den Beinamen des musischen K ö n i g s D a v i d zuzulegen, 2 7 so vergleicht A l f r e d sich m i t Salomon. W i e K a r l seine Palastschule stiftete, so richtet A l f r e d eine Hofschule ein 28 u n d z w i n g t die A d l i g e n , die Gerichte abhalten, n o c h zu spätem Studium, w e n n es n o t w e n d i g ist. 2 9 Gemeinsam mit K a r l ist i h m die Erkenntnis, daß die wichtigsten Bücher übersetzt w e r d e n müssen, 3 0 u n d auch die Überzeugung, daß jeder nach Maßgabe seines Verstandes G o t t suchen u n d lehren solle, hat eine Parallele in der berühmten Epistel K a r l s
De litteris colendis\ Notum igitur sit Deo placitae devotioni vestrae, quia nos una cum fidelibus nostris consideravimus utile esse, ut per monasteria nobis Christo propitio ad gubemandum commissa praeter regularis vitae ordinem atque sanctae religionis conversationem etiam in Htterarum meditationibus eis, qui donante Domino discere possunt, secundum uniuscuiusque capacitatem docendi Studium debeant impendere, qualiter sicut regularis norma honestatem moium, ita quoque docendi et discendi instantia ordinet et ornet Seriem verborum ut qui Deo placere appetunt recte vivendo, ei etiam placere non neglegent recte loquendo. 31
König Alfreds Vorrede zu seiner Übersetzung der Cura pastoralis", Anglia XLVII (1933), 56 f. 27 Es ist nur ein Beiname von mehreren, vgl. M.L.W. Laistner, Thought, 202; W. von den Steinen, Der Kosmos des Mittelalters (Bern, München, 1955), 39, 368, Nachweise 169. 28 „In qua schola utriusque linguae libri, Latinae scilicet et Saxonicae, assidue legebantur, scriptioni quoque vacabant, ita, ut antequam aptas humanis artibus vires haberent, venatoriae scilicet et ceteris artibus, quae nobilibus conveniunt, in liberalibus artibus studiosi et ingeniosi viderentur" (Asser, ed. Stevenson, c. 75,15 ff., 58). Über das Datum vor 893 vgl. B. A. Lees, Alfred the Great (New York, London, 1919), 282. 2* Die Worte, die Asser Alfred in den Mund legt, sind bezeichnend: „Nimium admiror vestram hanc insolentiam, eo quod, Dei dono et meo, sapientium ministerium et gradus usurpastis, sapientiae autem et operam neglexistis. Quapropter aut terrenarum potestatum ministeria, quae habetis, illico dimittatis, aut sapientiae studiis multo devotius + docere ut studeatis, imperol" (ed. Stevenson, c. 106, 32 ff, 93). Auch im eigenen Bereich hatte Alfred also wenig Nachsicht mit der Unbildung. 80 Aus einer Verordnung Karls des Großen zu dem Konzil von Tours 813, vgl. Klaeber, Zu König Alfreds Vorrede, 62 und Alfreds Ubersetzung ed. Sweet, 6, 6 ff. 81 P. Lehmann, Fuldaer Studien, Neue Folge in Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Philologisch-Historische Klasse (München, 1927), 8. — Aufgrund stilistischer und inhaltlicher Kriterien schreibt L. Wallach diese Epistel Alcuin als Verfasser zu. Zu der in unserem Zusammenhang interessanten Formel findet sich indessen keine Parallele, obwohl die Verwendung des Gedankens bei Alfred wie bei Karl es wahrscheinlich macht, daß es einen größeren gemeinsamen Hintergrund gibt. L. Wallach "Charlemagne's De litteris colendis and Alcuin — A Diplomatie HistoricalStudy", Speculum 26 (1951), 288 ff.; vgl. M. L. W. Laistner, Thought, 195 ff. 98
Alfreds Grundlagen und Möglichkeiten sind unvergleichlich bescheidener gewesen als die Karls des Großen. Der kleine Kreis seiner gelehrten Freunde konnte sich mit den Gelehrten Karls nicht messen, deren Welt von Monte Cassino bis York reichte, das damals in höchster kultureller Blüte stand. Jetzt lag die Klosterkultur in England danieder, und Alfred rettete mit Mühe die Reste einer zerstörten Kultur in dem engen, aber doch verhältnismäßig sicher umfriedeten Bereich des Westsachsenlandes.32 Dem großen Wirken Karls steht eine ganz im persönlichen Bereich eines einzelnen gegründete geistige Kultur gegenüber. Sie ist überall dort lebendig, wo wir Alfreds Spuren noch heute verfolgen können, aber sie ist nirgends unmittelbarer zu verspüren als in der Boethius-Übertragung. Dort weht der gleiche Geist, der Karl und seine Gelehrten beseelte, und er läßt sich im Vergleich mit der Gestalt des lateinischen Originals bezeugen. Aus der Consolatio spricht die in allen Beschränkungen doch aristokratische Kultur eines einzelnen, der weiß, daß er allein steht und für wenige spricht.33 In Alfreds Übertragung ist ein Geist wirksam, der nicht mehr nur den Einzelnen sieht, sondern den Kampf der Welt um Gut und Böse im Auge hat. Er richtet sein Augenmerk auf das mächtige Geschehen, in dem Dummheit Tod und Untergang bedeutet, Weisheit aber Leben und Dauer für das Werk, das ihm mit seinen Kräften zu wirken aufgetragen ist in der Welt und für die Seele vor Gott. j . Der königliche Gestus Innerhalb der bisherigen Kapitel war die Aufmerksamkeit darauf gerichtet, Alfreds Verstehen der Consolatio aufgrund seiner eigenen religiösen Auffassung darzustellen und diese wiederum von dem 32 Die Folgen des Verfalls der angelsächsischen Reiche in der Nordhälfte, vgl. A. Brandl, „Zur Entstehung der germanischen Heldensage gesehen vom ags. Standpunkt" jetzt in Forschungen und Charakteristiken (Berlin, Leipzig, 1936), bes. 6 f.; über den Zusammenhang von Kultur- und Sprachbereich und ihre Verschiebung vgl. H. M. Flasdieck, „Zur Charakteristik der sprachlichen Verhältnisse in Altenglischer Zeit", Beiträge %ur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 48 (1924), 376 ff., ebfs. die Standardwerke von Hodgkin und Stenton. 33 Das Bewußtsein des Boethius, in einer Welt zu Hause zu sein, in der er nur mehr zu wenigen Menschen sprechen konnte, ist in der Consolatio nicht ohne weiteres deutlich, es tritt erst in seiner relativen Geltung im Vergleich zutage. Ganz anders in den Vorworten zu den Traktaten Trinitas unus deus ac non tres dii und Quomodo suhstantiae sowie Contra Eutychen. Dort gesteht er, daß er sich eine Sprache schafft, in der er, umgeben von Ignoranz und Frivolität, nur zu den Wenigen spricht (vgl. bes. De Trinitate, ed. Stewart, Rand, 2 f.).
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Hintergrund der christlichen Lehrmeinungen seiner Zeit abzuheben. Dabei war es deutlich, daß der reinen Lehre der Theologie nur eine untergeordnete Rolle zukommt und daß wir es mit einer Auffassung zu tun haben, bei der die Lehre selbst in dem Medium der Person ebenso verwandelt wurde wie der lateinische Text der Vorlage. Diese persönliche Auffassung zeigte sich in der Güterlehre, in dem starken Herausstellen der Pflicht, in dem Nachdruck auf dem Willensmoment und auf der Milde Gottes bei seiner Darstellung der Sünde und in der allumfassenden Notwendigkeit des Strebens nach Weisheit. An diesen Stellen sprach nicht nur ein christlicher Autor, der versuchte, sich das lateinische Original denkend anzuverwandeln, sondern der König, der seiner Aufgabe gegenüberstand und bereit war, sie in der Kraft seines Geistes und seinen Gewissens vor Gott wahrzunehmen. Diese königliche Auffassung spricht aber auch aus anderen Stellen der Übertragung, die nicht so sehr in einer religiösen Überzeugung verwurzelt sind wie in der Uberzeugung vom königlichen Amt und seiner Würde. Alfreds Apologie seines Königtums endet in dem Gedanken, daß er die Mittel des Königs deshalb erstrebt, damit er die Macht ausüben kann, daß seine Macht und Tugenden nicht vergessen und nicht verborgen bleiben. Aber er fügt hinzu: ... p ic wilnode weoröfullice to libbanne Jja hwile Jse ic lifde, aefter minum life ]?£em monnum to lasfanne Jse asfter me waeren min gemyndig on godum weorcum. (41, 3 ff.) Wir haben den Gedanken an die Nachwelt gewissermaßen in doppelter Form. Einmal geht es darum, daß das menschliche Wirken an sich nicht vergessen wird, das andere Mal geht es um die guten Werke in Erinnerung an die Toten. Der letzte Gedanke gibt dem Nachruhm eine christliche Legitimität. Eine solche Auffassung des Nachruhms ist der Consolatio nicht ganz fremd. Dort ist in den ,exempla' die Rede von Menschen, die sich durch ihren Tod einen Namen machen, oder von anderen, die zeigen, daß Tugend durch Unglück nicht besiegbar sei (TV, p. 4,147 ff.). Ähnlich heißt es: Ite nunc, fortes, ubi celsa magni ducit exempli via. (IV, m. 7, 32 f.) Aber von der ,Philosophia' aus gesehen, wird gerade das Streben des Boethius „ne virtus tacita consenesceret" (II, p. 7,3 f.) zurückgewiesen. Es ist das einzige, was auserlesene, aber noch nicht vollendete Menschen verlocken könne, „gloriae scilicet cupido et optimorum in rem 100
publicam fama meritorum" (ebd. 6 ff.). Es ist gewissermaßen eine letzte und edle Versuchung, aber auch über sie muß Boethius hinauswachsen. Alfred muß diesen Gedanken unmittelbar nach seiner eigenen Apologie übersetzen. Er beginnt wörtlich, aber dann nimmt er Einschränkungen und Zusätze vor: f is Jponne wilnung leases gilpes i unryhtes anwealdes •] ungemetliccs hlisan godra weorca ofer eall folc. (41,12 ff.) Alfred spricht also lediglich vom eitlen Ruhm, ,vana gloria' oder ,iactantia' in den Homilien,84 von der ungerechten Macht und selbst für den Fall, daß es sich um gute Werke handelt, von einem übermäßigen Ruhm. Wir haben es also mit einer durchaus bedachten Umänderung zu tun, und Alfred setzt nun hinzu, daß gerade die Gewalt um des Ruhmes willen begehrt wird, und zwar von Unwürdigen, und daß dies sogar die niederträchtigsten Menschen begehren. Eine solche Einschränkung läßt aber Spielraum für eine Auffassung des Nachruhms im positiven Sinne, und diese Meinung hat nun auch ihren Niederschlag gefunden. Erit igitur pervagata Ínter suos gloria quisque contentus et intra unius gentis términos praeclara illa famae immortalitas coartabitur. Sed quam multos clarissimos suis temporibus viros scriptorum inops delevit oblivio. (II, p. 7, 40 ff.) Alfred übersieht die Ironie — „praeclara illa immortalitas" — und erweitert den Gedanken, daß der Mensch damit zufrieden sein solle, in seiner Heimat etwas zu gelten: auch dort wird oft sein Lob verkleinert — selten gefällt eine Sache verschiedenen Menschen —, aber noch schlimmer ist das üble Verhalten der Schriftsteller: Jjurh Jja heardsaelj>a ]?ara writera öset hi for heora slaewöe -] for gimeleste -j eac for recceleste forleton urvwriten Jpara monna öeawas 1 hiora daeda, ]je on hiora dagum formseroste -] weorögeornuste wseron. (44,1 ff.) Erstaunlich ist an dieser Formulierung, daß sich der Anspruch auf Nachruhm allein auf Berühmtheit gründet, ohne daß die Tugend erwähnt wird, die für Boethius ausschließlich ausschlaggebend ist.36 M Gewöhnlich die siebente Todsünde, vgl. jElfric, ed. Thorpe, II, 220, 222, Wulfstan, ed. Bethurum, 196, l f . ; 204, 84. Die Bezeichnungen wechseln. So sagt Alfred — wiederum unterscheidend — "idelan hlisan -] frane unnyttan gilp" (46, 3), während Boethius lediglich von „gloria" (II, m. 7, 1 f.) spricht. 85 Die Auffassung des Boethius „ne virtus tacita consenesceret" erinnert an die berühmte Rechtfertigung der Geschichtsschreibung des Tacitus: „Exequi sententias
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Wir können annehmen, daß hier noch die früheren Maßstäbe, wie sie etwa das Heldenlied überliefert, unberührt von stoischem Tugenddenken und der christlichen Erinnerung in guten Werken, nachwirken, wie sie Schücking charakterisiert hat: „Sich einen Namen machen, gepriesen werden, in der Nachwelt Munde sein, den Geschlechtern als Vorbild dienen — das ist das Ziel über alle Ziele."38 Nach diesem erstaunlich freimütigen Einschub fährt Alfred wiederum mit Boethius in der rein negativen Charakterisierung des Ruhms fort, wobei er sogar den Tadel deutlich verstärkt (44, 28 ff. = II, p. 7, 60 ff.). Aber dabei schwebt ihm immer der falsche Ruhm vor Augen. Er setzt ihn gegenüber dem ab, „der niemals endigt" (44, 24 ff.), oder er spricht von dem Lohn guter Werke, den die Menschen von den Worten Fremder erwarten, statt ihn bei Gott zu suchen (45, 3). Als Boethius dann aber ausdrücklich wiederholt, daß er hier vom Ruhm der Besten spricht — den der anderen würdigt er überhaupt keines Wortes — „quod ad praecipuos viros, de his enim sermo est" (II, p. 7,73 f.), da läßt Alfred diesen entscheidenden Satz, der seiner doppelten Auffassung zuwiderläuft, aus und differenziert in einem Nachsatz nochmals den „eitlen" und „falschen" Ruhm von den „guten Tugenden" (45,19 ff. = II, p. 7, 74 ff.). In Alfreds Vorstellung gibt es also einen guten und anerkennenswerten Ruhm und die ,vana gloria', die es abzulehnen gilt. Bei Boethius ist der Ruhm an sich etwas, um das sich der Weise nicht kümmert und das es zu überwinden gilt. Daß es sich hier bei Alfred nicht um ein isoliertes Einsprengsel handelt, lehrt nun eine Reihe ähnlicher Umformungen. So spricht Boethius davon, daß der Reichtum des einen Grund ist für die Armut der vielen. „Die Stimme kann ungeteilt zugleich vieler Ohren erfüllen, eure Reichtümer aber . . . " ( I I , p . 5,15 f.). Alfred, dessen Sinnverstehen sich oft an ein einzelnes Wort klammert, faßt ,vox' als ,fama' auf und stellt es in einen Zusammenhang, der das positive Verständnis des Ruhms sichtbar macht: Genoh sweotol f> is Jjastte god word -j god hlisa selces monnes biö betra •] deorra Jaonne senig wela . . . (28,10 ff.) haud instituí nisi insignes per honestum aut notabili dedecore, quod praecipuum munus annalium reor, ne virtutes sileantur utque pravis dictis factisque ex posteritate et infamia metus sit" {Ann., III, 65, 1). In Alfreds Bereich taucht der Gedanke zu Beginn von Bedas Historia ecclesiastica (ed. Plummer, I, 5) in der Praefatio auf. 88 L. L. Schücking, „Heldenstolz und Würde im Angelsächsischen", Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaft, Philos. Histor. Kl. 17, 5 (Leipzig, 1933), 14.
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Als Boethius von den Menschen spricht, die um weltlichen Ruhm (venerandum saeculiis nomen, IV, p. 6, 147) ihr Leben hingegeben haben, hebt Alfred diese Vorstellung, ohne Kritik zu üben, deutlich heraus: foröasm hi wenaö f hi nsebben nan oöer fioh JDEES hüsan wyröe buton hiora agnum fiore. (133, 30 f.) An einer anderen Stelle sagt Boethius, daß der Ruhm, der auf Verdiensten beruhe, dem Bewußtsein des Weisen nichts hinzufüge, da der Weise sein Gut nicht nach dem Gerede der Menge, sondern nach der Wahrhaftigkeit seines Gewissens messe (III, p. 6, 7 ff.). Diese Haltung scheint Alfred zu negativ, und er übersetzt: peah mon nu hwone godra mid rihte herige -j soö an segge, ne sceal he na Jje hraejjor to ungemetlice fasgnian öaes folces worda; ac JMCS he sceal faegnian öast hi him soö an seggaö. (68,16 ff.) Die rechte und maßvolle Freude über die Wahrheit des Lobes, das vom Volk ausgeht, das spricht in aller Kürze doch von einer dem Boethius der Consolatio fremden Auffassung her, die von einem hohen, rein geistigen Dignitätsideal geprägt ist. In diesem Zusammenhang hat also auch das Volk eine Stimme, obwohl Alfred sich bei der Diskussion der Weisheit mit dem törichten Volk keineswegs einlassen wollte. Boethius wertet bei der Bestimmung des Ruhms auch die „popularis gratia" völlig negativ. Der römische Charakter dieses Begriffs ist in Alfreds Übertragung nicht mehr vorhanden, bzw. durch einen Zusatz ins Positive gewendet: Inter haec vero populärem gratiam ne commemoratione quidam dignam puto, quae nec iudicio provenit nec umquam firma perdurat. (III, p. 6,16 ff.) Peah 9a nu foremasre sien ¡De folcisce men heriaö, jseah bioö ]?a foremaerran rihtlicran to herianne J>a J>e bioö mid crasftum geweoröode. (69,1 ff.) Den entscheidenden Zusatz Alfreds aber finden wir — wie bei der Auseinandersetzung um 'wyrd' — am Schluß der Argumentation. Boethius erklärt das „Adelsprädikat" für eine nichtige Sache, denn falls Ruhm wirklich berühmt macht, so doch die, die ihn wirklich erworben haben (III, p. 6,18 ff.). Alfred läßt das verallgemeinernde Urteil fallen und konkretisiert den zweiten Teil der Aussage: Wenn einer einen guten Vater hat, so ist der Sohn um nichts besser, wenn er selbst nichts taugt. Dann setzt er hinzu: 103
ForJjam ic lsere f öu faegenige oderra monna goodes i heora seöelo to J)on swiöe p {DU ne tilige öe selfum agnes, foröasmjje aelces monnes god 1 his seöelo bioö ma onjjam mode Jjonne on ]paemflassce.(69, 8 ff.) Alfred setzt also Ehre und Adel als etwas Selbstverständliches voraus, falls sie auf Verdienst beruhen, wenn er auch im Sinne des Dualismus von Leib und Seele den Adel der Seele besonders hervorhebt.37 Aber besonders bedeutsam ist es, daß er die rechte Verehrung und Freude am Guten des anderen zu einer Pflicht macht. Hier ist doch ein Ethos staatlicher Tugend lebendig, das sich auf Aufgaben bezieht, denen Boethius in seinem Denken keine Beachtung mehr schenkt. Es muß vom christlichen Denken her begründet sein, doch vermag ich keine Parallelen anzugeben. Alfred hat aber nicht nur Stellen, die sich auf Ruhm und Ehre beziehen, erweitert und abgeändert, er hat sie auch an einigen Stellen eingeführt, an denen Boethius keine Veranlassung sah, sie mit einzubeziehen. Wer das Gute verfehle, so sagt Boethius, der verfehle nicht etwa „levia aut ludicra praemia", sondern das höchste Ziel des Daseins (TV, p. 2, 76 ff.). „Ludicra praemia" regt Alfred zu einem Bild an: Kinder wie Greise wollen "sumes weoröscipes -] sumre maeröe", aber die Toren wollen überhaupt nicht Lob noch Lohn . . . (108,9 ff.). Beim Lob der Vorzeit beschreibt Boethius, wie die Menschen ohne Reichtum und Luxus lebten, so daß eben keiner auf Raub ausging, weil es niemanden gab, bei dem etwas zu holen gewesen wäre (II, m. 5, 19 ff.). Alfred gibt für den etwas nüchternen Sachverhalt eine würdigere Erklärung, und auch hier ist das Wort „praemia" wiederum ausschlaggebend.38 ne monn ne geseah ]pa git yfelwillende men; nasnne weoröscipe naefdon, ne hi non mon ne lufude. (34, 4 ff.) Die Sinnlosigkeit der Auflehnung des Menschen gegen Gott stellt Boethius am Beispiel des Gigantenkampfes dar. Alfred fügt dem ein " Der Gedanke vom Adel der Seele spielt in der Welt, in der das mönchische Ideal an die Seite des kriegerischen gestellt ist bzw. als diesem überlegen dargetan wird, eine große Rolle. Zahlreiche Belege aus Bedas Hist. Eccl., bei Plummer, II, 90f. L. L. Schükking sieht das kirchliche Bestreben darin, „den Stolz des königlichen Geistes in Demut zu verwandeln" („Heldenstolz", 15). *8 Über diesen auf den ersten Blick überraschenden Zusammenhang zwischen Belohnung und Ehre bzw. Besitz und Ehre handelt der aufschlußreiche Aufsatz von E. Leisi, „Gold und Manneswert im Beoaulf", Anglia 71 (1952/53), 259 ff.
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biblisches Gegenstück, die Erzählung vom Turmbau zu Babel, hinzu und endigt: Swa gebyreö selcum ]?ara ]?e wind wiö öaem godcundan anwalde; ne gewyxö him nan weoröscipe on ösem, ac wyrö se gewanod £>e hi aer haefdon. (99,17 ff.) Selbst der Kampf gegen Gott wird also noch im Widerspiel von Ehre und Ehrverlust gesehen. Boethius fordert von dem Weisen, daß er den Kampf mit dem Geschick auf sich nehme wie ein Held den Krieg. „Beiden nämlich ist gerade die Schwierigkeit Stoff: dem einen, seinen Ruhm auszubreiten, jenem aber seine Weisheit zu stärken" (IV, p. 7, 36 ff.). Die Dinge, zwischen denen Boethius unterscheidet, gehören für Alfred unbedingt zusammen: pi ne sceolde nan wis man wilnian seftes lifes, gif he asnigra crxfta recö odöe asniges weoröscipes her for weorulde oööe eces lifes sefter >isse weorulde. (138, 21 ff.) Boethius geht es lediglich um die Weisheit, Alfred auch um die Ehre. Sogar der Dualismus, der sonst zur Entwertung des Irdischen führt, weicht im Falle der Ehre einer einheitlichen Beurteilung. Die gleiche Auffassung prägt Alfreds Wiedergabe des folgenden Metrums: Hwy ge nyllen ascian asfter Jasm wisum monnum -| sefter Jjasm weorögeornum, hwylce hi wasron Jja ]pe aer eow waeron? . . . foröasm hi wunnon sefter weoröscipe on jpisse worulde, -| tiolodon goodes hlisan mid goodum weorcum, worhton goode bisne Jjaem Jje asfter him waeron. (139, 9 ff.) Selbst wenn zu dem lateinischen Original noch eine Glosse des Remigius hinzukommt, 39 so ist die Trias des Gedankens Alfredisch: Der Weise strebt nach Ehren, er tut gute Werke und Taten, er ist den übrigen Menschen ein gutes Beispiel. Die Ehre selbst kommt dem Weisen im Himmel und auf Erden zu. So wie Alfred auf Ruhm und Ehre besteht, so ist auch der Gedanke der Freiheit sehr stark betont. Schon bei der Diskussion um 'fatum' und ,wyrd£ hat Alfred es klargemacht, daß Gott den Menschen frei . . . pretiumque rursus ultimi caelum meruit laboris. Ite nunc, fortes, ubi celsa magni ducit exempli via. (IV, m. 7, 30 ff.). „Hoc carmen fabulosum est et pertinet ad eos qui per virtutem aeternum nomen volunt adquirere" (Tr. 158r, Silk, 269, 7 ff.; ohne Entsprechung in Eins. 172). Im Gegensatz zu K . H. Schmidt, 62 möchte ich keinen Einfluß des Kommentars annehmen.
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erschuf. Der Stolz des Königs sind die Freien, die aus freiem Willen dienen, und daher hat auch Gott die Menschen frei erschaffen: Hu wolde ]?e nu lician gif hwilc swiöe rice cyning wsere -j nsefde naenne freone mon on eallum his rice, ac wseren ealle jsiowe? . . . p wsere uncynlicre, gif God naefde on eallum his rice nane frige gesceaft under his anwalde. (142, 2 ff.)
Diese Stelle ist das für Alfred entscheidende Gegenargument zu dem Determinismus, dessen Grundlagen Alfred nicht dargetan hat.40 Sie hat kein Vorbild in der Consolatio oder in den Kommentaren. Alfreds Auffassung von dem unbedingten Primat der Freiheit zeigt sich an einer Fehlübersetzung. Boethius sieht in der Ruhmsucht einen Versuch der Menschen, der Sterblichkeit zu entgehen: Quid o superbi colla mortali iugo frustra levare gestiunt? (II, m. 7, 7 f.)
Die Vorstellung, daß jemand nicht danach trachten solle, einem ihm auferlegten Joch der Sterblichkeit zu entgehen, hat für Alfred keinen Sinn ergeben. Er übersetzt von der umgekehrten Vorstellung her, daß nämlich kein Mensch ein Joch auf sich nehmen will: iEala, ofermodan, hwi ge wilnigen p ge underlutan mid eowrum swiran p deaölice geoc? (46, 7 ff.)
Der Gedanke, daß der Mensch, der seinen Begierden lebt, der Gefangene seines Leibes ist, hat für Alfred nichts Fremdes. Aber er empfindet die Erniedrigung des Menschen durch die Sünde leidenschaftlicher als Boethius (vgl. 30, 1 ff. = II, p. 5, 39 f.), und daher vermag er sich nicht vorzustellen, daß ein der Begierde verfallener Gefangener ohne weiteres Erlösung bei Gott finden soll: Huc omnes pariter venite, capti, quos fallax ligat improbis catenis terrenas habitans libido mentes, haec erit vobis requies laborum. (III, m. 10, 1 ff.) Wella, men, wel; aslc ]para 9e freo sie fundige to ]pam goode •] to ]pam gesaslöum; se öe nu gehasft sie mid ]pa;re unnyttan lufe Risses middaneardes sece him freodom hu he masge becuman to J>am gesselöum, . . . (89, 5 ff.)
Zu Gott kommen kann nur der Freie, nicht der von Sünden und Begierden Geknechtete. Bei Boethius ist das Gute stets das Naheliegende und Natürliche, für jeden unmittelbar zuhanden, für Alfred 40
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Vgl. S. 66 f. d. Arbeit.
ist es in erster Linie das dem Bösen Entgegengesetzte. Boethius' Haltung braucht nicht mit dem Neuen Testament in Zusammenhang zu stehen, denn das Erlösungsmoment durch die Philosophie ist in vielen antiken Philosophen sehr stark (Lukrez!), aber Alfreds Wiedergabe jedenfalls enthält keinen Nachklang an das Evangelium: Venite ad me omnes qui laboratis et onerati estis et ego reficiam vos.
(Matth. 11,28)
Es ist schwierig, aufgrund dieser wenigen Beispiele zu entscheiden, ob Alfred hier stärker von der aristokratischen Welt seines Stammeskönigtums her denkt, oder ob in erster Linie christliches Denken auch diese Änderungen im Sinne der Freiheit mitbestimmt hat. Die wenigen Beispiele lassen sich auch durch Hinweise auf die übrigen Übersetzungen Alfreds nicht ergänzen. Deutlich ist jedenfalls, daß Alfred sehr bestimmte Auffassungen von Freiheit hat, von der Freiheit des Menschen vor Gott und der Freiheit von der Sünde, die dem lateinischen Text nicht entsprechen. Sie setzen eine adlige, auf das Praktische bedachte, strengere Denkart voraus, die anders ist als die vornehm vergeistigte und universalistische Humanität des Boethius. Wie Ruhm und Freiheit bei Alfred gegenüber Boethius verschieden abgegrenzt sind, so auch Ehrenstellen, Ämter und Macht. Für Boethius bedeutet die äußere Macht nichts mehr; ausschlaggebend ist lediglich das Herrsein des Menschen über sich selber, die Herrschaft über die Affekte und schließlich das Erreichen des Guten, das den Menschen mit Gott verbindet, bei dem alle Macht wirklich ist. Bei Alfred aber schwingt der Gedanke mit, daß die Macht als Triebbeherrschung die Vorbedingung ist für die Machtausübung des Herrschers: Qui se volet esse potentem, animos dornet ille feroces nec victa libidine colla foedis summittat habenis. (III, m. 5, 1 ff.) Se ]je wille fullice anweald agan, he sceal tiügan aerest f he hsebbe anweald his agenes modes, -] ne sie to ungerisenlice underöeod his unjseawum, -j ado of bis mode ungerisenlice ymbhogan, -| forlaste ]pa seofunga his eormj^a. (67, 26 ff.)
Alfreds Einschränkungen konkretisieren den allgemeinen Bereich der Affekte: Die volle Gewalt ist das Ziel, und dazu gehört die Gewalt über sich selber, das Loskommen von Untugenden, die mit diesem 107
Begriff der Macht nicht vereinbar sind, und vom Klagen über die Armut — im Bestreben den Besitz zu vergrößern. Diese Veränderungen reichen wiederum zu einer genaueren Bestimmung nicht aus, aber die Relativierung der Untugenden steht im Gegensatz zu Alfreds sonstiger Gewohnheit. Sie sprechen von einer positiven Auffassung der äußeren Macht bei einer gewissen Nachsicht mit dem Mächtigen. Für Boethius können Ehrenstellen und Macht von Natur aus keinesfalls gut sein, da sie sonst niemals schlechten Menschen zufallen könnten (II, p. 6, 38ff.).Alfred schränkt hier das grundsätzliche Urteil ein: "swa he nu hwilum deö" (37,16; ebenfalls 38, 2; 125, 8). Boethius sagt, daß meistens die schlimmsten Menschen Ämter innehaben (II, p. 6, 43 f.). Alfred mäßigt „plerumque" zu „oft" (37,27). Die ironische Unterstellung des Boethius: Sed dignitates honorabilem reverendumque, cui provenerint, reddunt a n , p. 4 , i ff.) wird von Alfred in das intendierte Gegenteil verkehrt, aber auf die „Toren" bezogen, die zu Amt und Würde gekommen sind (61,1 ff.). Die Möglichkeit, daß aber auch gute Menschen zur Macht kommen können (quod perrarum est, II, p. 6, 10), ist von der bloßen Erwähnung des Boethius zu einem Lobpreis von Tugend und Weisheit verwandelt (35, 6 ff.), die den Menschen, der sie besitzt, mit Notwendigkeit an die Macht bringen, selbst dann, wenn er die Macht nicht will: Forjsam hit biö J^aette nan man for his rice ne cymö to craeftum -| to medemnesse, ac for his crasftum -j for his medumnesse he cymö to rice to anwealde. . . . Ne Jsurfon ge no hogian on ]pam anwealde, ne him sefter Jaringan. Gif ge wise beod -j gode, he wile folgian eow, Jpeah ge his no ne wilnigen. (35,13 ff.) Alfred spricht auch an dieser Stelle ausdrücklich vom „guten König" (35,10). Boethius unterscheidet im Falle der Macht ebenfalls die irdische „sogenannte" Macht von der eigentlichen „vera dignitas" und „potentia", und ähnlich wie im Fall des Ruhms hat Alfred diese Unterscheidung vertieft (II, p. 6, 2 = 34,16—21; ebd. 12 f.; 42; = 35, 24 ff.; 37, 22). Auch die Lehre des Boethius, daß nur die Guten wirklich mächtig sind, weil sie das Ziel des Daseins zu erreichen vermögen, versteht Alfred im Sinne der Machtausübung: Dy is a to wilnianne Jsaes anwaldes f mon maege good don; foröaem öast is se betsta anwald p mon masge -j wille wel don, swa lasssan spedum swa maran, swasöer he hsebbe. (110, 25 ff.) 108
Dies ist Alfreds konkrete und praktische Erklärung der Grundvoraussetzung des Boethius : Atqui omnis potentia expetenda est. (IV, p. 2, 128 f.) Für Boethius hat „potentia" demnach eine ausschließlich geistige Bedeutung, der gegenüber die Tatsache der irdischen Machtausübung gleichgültig erscheint. Boethius wendet sich ganz dem unmittelbar Guten Gottes zu, aus Alfreds Übersetzung aber spricht der König, der im Besitz der Macht sie dem Guten zuwendet im Geist der Weisheit und Tugend, durch die sie ihm zukommt. Wie Alfred hier wiederum im Gedanken der Apologie das Bild des „guten Königs" vor Augen hat, so fesselt ihn im umgekehrten Sinn die Macht in der Entartung des Tyrannen. Als Boethius davon spricht, daß Macht und Würden Schurken in die Hände fallen, ist sein Ausdruck knapp und geballt, gekennzeichnet durch Verachtung: Quae [seil, dignitates et potentia] si in improbissimum quemque ceciderunt, quae flammis Äetnae eruetantibus, quod diluvium tantas strages dederint? (II, p. 6, 3 ff.) Alfred fühlt das Pathos, steigert es und gibt ihm eine neue Aktualität: Hwaet, se eower wela J>onne -j se eower anweald, {De ge nu weoröseipe hataö, gif he becymö to ]?am eallra wyrrestan men . . . swa he nu dyde to ]?is ilcan peodrice, -j iu ser to Nerone {3asm casere, -| oft eac to msenegum hiora gelicum, hu ne wile he öonne don. swa hi dydon get doö, ealle öa ricu Jje him under bioö oööe awer on neaweste, forslean forheregian, swa; swa fyres leg deö drigne hseöfeld, oöde eft se byrnenda swefel öone munt basrnö J>e we hataö Etne . . . (34,20 ff.) Alfred hat die Gegenwart vor Augen, das Übergreifen von Volk auf Nachbarvolk, seine Sprache ist den Dingen näher. Die eigentliche Schilderung des Tyrannen findet sich im IV. Buch (m. 2), doch sind die Texte zu weitläufig, um hier verglichen zu werden. Aber auch dort stößt Alfreds Wiedergabe in einen anderen Bereich sittlicher Erfahrung als der Text der Vorlage. Für Boethius sind die Tyrannen im wilden Glanz der Macht Exponenten der Unfreiheit und Ohnmacht als Gefangene der Leidenschaften, ein erbärmlicher Gegenstand von Jammer und Mitleid: „ . . . saeptos tristibus armis . . . maeror aut captos fatigat aut spes lubrica torquet . . . non facit quod optat ipse dominis pressis iniquis" (TV, m. 2, 2 ff.). Alfred schildert ihre Pracht im Kreis der waffenklirrenden Gefolgschaft,41 41 B. A. Lees, 232, hält die realistische Schilderung für ein Bild des Westsächsischen Königshofes.
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aber er zeigt sie dann in ihrer Beziehung zu den Menschen und zu Gott: Sie bedrohen die ganze Menschheit, sie achten weder Freund noch Feind in ihrem Hochmut mehr als einen wahnsinnigen Hund (111,13 ff.). Dann folgt die ganze Pathologie ihrer Schändlichkeiten in der kausalen Verkettung: 42 Stolz, das innere Zerwürfnis, Anschwellen und Aufkochen der Wut, das Aufkommen und Verharren der Verzweiflung (unrotnes), die trügerische Hoffnung der Rache. Die Tyrannen sind die einzigen Geschöpfe, die nichts Gutes tun können. Diese Übertragung des Boethius ist eine Studie in der Pathologie der Sünde und der Affekte, die weit über Boethius hinausgeht und für die eine Parallele nicht gefunden wurde. Alfred muß von der schrecklichen Gestalt des Tyrannen fasziniert gewesen sein, von der Entartung der Sünde und dem Verderben der Seele. In ähnlichem Sinn hat er auch die historischen Exempla des Seneca und des Papinianus (III, p. 5, 27 ff.) dargestellt und erweitert (66, 22 ff.). Positiv steht dieser Entartung des Königtums Alfreds Mahnung zur ,temperantia£ entgegen, denn mit Habgier und Stolz beginnt der Niedergang.43 Für Boethius könnte die Macht nur dann Glückseligkeit bedeuten, wenn sie vollkommen sein könnte, aber das ist unmöglich, denn so weit ein Reich sich ausdehnen mag, so stößt es doch immer an Grenzen, die es gefährden (III, p. 5, 5 ff.), so daß auch die größte Macht noch nicht einmal sich selber erhalten kann. In Alfreds Ubersetzung kommt dies Grundsätzliche nicht zur Geltung. Er sieht in dem König, der sein Reich immer weiter ausdehnen will, nicht den natürlichen Zug jeder Macht, die den, der ihr folgt, ins Unglück stürzt, sondern nur den König "J)e gitsere biö, p he haefö maran ermöe ]Donne anwald" (65, 26 f.). Also auch hier läßt er Raum für seine eigene Auffassung von Macht und Herrschaft. Noch ein letzter Gedankenkreis zeigt deutlich den königlichen Übersetzer. Er umschließt Freund und Gefolgschaft. Boethius war der Freund und Vertraute eines großen Königs, und er widmet ein Kapitel der Frage: An vero regna regumque familiaritas efficere potentem valet? (III, p. 5, lf.) In der Percontatio beantwortet die ,Philosophia' ihre Frage: Quidni, quando eorum feücitas perpetuo perdurat? « Vgl. S. 45 f., 47, 52 f. d. Arbeit. Zur .temperantia' sind außer den S. 27f., 45f., erwähnten Stellen noch im ae. Boethius hinzuzufügen 40, 19 ff., 30, 16 ff., 111, 26 ff., 138, 28 ff. 43
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Alfred läßt 'Mod' antworten, aber seine Wiedergabe läßt eine ganz andere Wertschätzung erkennen: Hwast is on 3is andweardan life wynsumre 7 betere Jponne JDXS cyninges folgaö -] his neawest, -] siööan wela -| anweald? (65, 5 ff.) Ungeheuerlich dünkt Alfred die Tatsache, daß Nero und Antoninus ihre Vertrauten und Mächtigen hinrichten lassen „ . . . familiarem praeceptoremque [Senecam] . . . Papinianum diu inter aulicos potentem" (III, p. 5, 27 ff.). „[Seneca] . . . his agenne magister -j his fostorfaeder . . . Papinianus waes Antoniose öaem casere ealra his dyrlinga besorgost . . . Hwaet, ealle men witan ]px.t se Seneca wass Nerone •] Papinianus Antonie jaa weoröestan •] ]pa leofostan, *] maestne anwald hasfdon ge on hiora hirede ge buton, . . . " Auch hier sieht Alfred die Sünde vom Ursprung her (67, 6 ff.). Boethius sieht in diesem Vergleich das Grundsätzliche, Beispiele, die alle Freundschaft der Mächtigen ein für allemal ihres Wertes berauben; Alfred erkennt den kaum zu fassenden Fall übergroßen Unrechts: „Tyrannen" (66, 22 f.) bringen ihre Freunde um. Der Satz des Boethius, vom Hintergrund der römischen Geschichte seiner Zeit sehr wohl zu verstehen, daß sich der König, der mächtig erscheinen will, in die Hand seiner Diener begibt (III, p. 5, 22 f.), hat bei Alfred eine Wendung erhalten, in der der König den Wert seiner Gefolgschaft anerkennt: Hu magon ]pa cyningas oösacan oööe forhelan heora unmeahte, Jjonne hi ne magon naenne weoröscipe foröbrengan buton hiora ]pegna fultume? (66,16 ff.) Boethius sieht die Gefährlichkeit der Praetorianergarde, Alfred den Wert der Gefolgschaft für den König und dessen Ansehen. Boethius spricht von der langen Reihe der Diener, „longus ordo famulorum" (II, p. 5,47), Alfred von"siomenigoöinramonna" (30,23) und denkt also wiederum an die Gefolgschaft. Boethius teilt sie ein in jvitiosi', die dem Haus Verderben bringen, und ,probi', bei denen die Rechtschaffenheit ihre eigene Tugend ist, die der Herr nicht mit Recht zu der seinen zählt. Alfred nennt ihre Tugenden und Eigenschaften, wie sie ihm wertvoll erscheinen. Die ,vitiosi' sind "yfele . . . j lytige . . . simle heora hlafordes fiend". Die anderen sind "gode . . . -] hlaford holde -7 untwifealde" (30, 24 ff.). Die Freunde hat Boethius ausdrücklich aus dem Bereich der ,fortuna e herausgenommen und dem der ,virtus' unterstellt (III, p. 2,32 ff.),44 und 44
„ . . . amicorum vero quod sanctissimum quidem genus est, non in fortuna, sed in 111
diesen Halbsatz hat Alfred im Gegensatz zu den Kommentaren erläutert: Da getriewan friend {sonne ic secgge sie öast deorwyröeste 3ing ealra jpisse weoruldgesaelöa. (54, 8 ff.) Sie gehören in den Bereich der göttlichen D i n g e , " . . . se God f)e hi gecyndelice gesceop to gemagum". Alle anderen Dinge in der Welt sind um der Macht oder der Lust willen erstrebenswert außer dem getreuen Freund. Den liebt man um seiner Liebe und um seiner Treue willen, und er erwartet keinen anderen Lohn. Diese Natur (f gecynd) fügt die Freunde zusammen in untrennbarer Liebe (54, 12 ff.).4® In fünf entscheidenden Punkten weicht Alfred vom Denken des Boethius ab, weil er zu seiner königlichen Aufgabe steht und zu dem Geist, der sich im Tun und Handeln des Königs ausdrücken soll. Dabei bewegen sich seine Gedanken um die folgenden Pole: Ruhm, Freiheit, Macht, Königtum und Tyrannis, Freundschaft und Gefolgschaft. Wiederum sind Alfreds Gedanken nicht scharf von dem Denken des Boethius abgegrenzt oder gar polemisch ihm entgegengesetzt. Alfred hat das Denken des Boethius in größeren und kleineren Veränderungen und Zusätzen so geformt, daß seine Auffassung mit der des Boethius eine Verbindung einging, die sein Denken zur Geltung brachte, ohne das des Boethius zu stören oder gar zu zerstören. Bei der Beurteilung des Ruhms war Alfred sich mit Boethius insoweit einig, wie sich die Meinung des Boethius auf ,vana gloria' beziehen ließ. Dort war seine Ablehnung deutlich, und hier handelt es sich um eine der sieben Todsünden. Aber zur gleichen Zeit setzte Alfred von ,vana gloria' eine ,gloria' ab, die den Taten des Menschen zukommt, die anerkannt werden muß, deren Platz die geschichtliche Uberlieferung ist und die den übrigen Menschen ein Beispiel darstellt. Dabei war es erstaunlich, daß der Nachruhm an sich als unbedingt wertvoll dargetan wurde und daß Alfred die Verbindung zur ,virtus' nicht überall herausstellte. Doch fand sich eine christliche virtute numeratur, reliquum vero velpotentiae causa veldelectationisassumitur." (III, p. 2, 32 ff.) 45 Ein weiterer Zusatz Alfreds (zu III, p. 5,36 ff.) fordert ebenfalls Liebe und Treue für den wahren Freund, der auch im Unglück Freund bleibt (67, 20 ff.).
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Verbindung zur ,gloria' im Gedanken an den Ruhm, der niemals endet, der auf Erden Geltung hat wie im Himmel und dessen die Menschen in guten Werken gedenken. Man wird demnach SCHÜCKINGS Urteil von der geringen Rolle, die der Ruhm im christlich-stoischen Denken Alfreds spiele,46 nicht zustimmen. Für Schücking ist Alfred ein Protagonist der neuen Haltung der Demut, die danach strebt, die heroischen Tugenden zu ersetzen, und tatsächlich spricht aus den Worten Alfreds in seiner Selbstcharakteristik, im Vorwort zum Boethius, in der absoluten Verdammung des Stolzes, von dem er die 'Mod' und noch nicht einmal Boethius selbst frei sieht, eine Demut, die sein Inneres durchdrungen hat. Aber dennoch ist dieses Innere groß und selbständig genug, eine hohe und adlige Auffassung des Königtums in sich aufzunehmen und ein Selbstbewußtsein, dem die Demut sogar erst die rechte Grundlage geben mag. Außerdem gehört auch die ,gloria' zu den Gaben der Weisheit: Longitudo dierum in dextera eius, et in sinistra illius divitiae et gloria. ( P r o v . 3, 13)
Der Königsspiegel der karolingischen Zeit, der sich auf diese Worte beruft, macht das Lob und die Verherrlichung der ruhmreichen Tat gerade zur Pflicht: cum si qua sunt laudabilia, si qua sunt gloriosae dispositionis Opera insigniter ostendat, ut qui interius coram Domino devota fulgescit voluntate, exterius coram populo sermone clarescat et opere. (Sedulius Scottus, De rectoribus, ed. Hellmann, 25, 20 ff.)
Wenn es sich bei der Wertschätzung von Ruhm und Ehre auch um einen gemeingermanischen Zug handelt, der in der volkssprachlichen Literatur überall zum Vorschein kommt und besonders das altenglische Epos beherrscht,47 so ergab sich dennoch dem Christentum mit seinen Idealen von Demut und Liebe gegenüber die Möglichkeit der Synthese. Die wenigen Andeutungen über die Freiheit, die sich aus Alfreds Übertragung gewinnen lassen, ergeben kein umfassendes Bild, aber auch hier ist deutlich, daß Alfred mit allem Nachdruck auf der Frei" L. L. Schücking, „Heldenstolz", 26. 47 Vgl. L. L. Schücking, „Heldenstolz", passim und als Fortführung von Schückings Arbeit E. Leisi, „Gold und Manneswert im Beowulf". Weitere Beispiele bei G. Ehrismann, Geschichte der deutschen Literatur bis %um Ausgang des Mittelalters, I (München, 1932), 10, 79, 131 u. a. 8
Otten, Alfreds Boethius
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heit des Menschen besteht, der von Gott frei geschaffen wurde. Alfreds veränderte Einstellung zur Sünde bringt es mit sich, daß er die Knechtschaft durch die Sünde intensiver empfindet als Boethius, daß er mit ganz anderem Nachdruck auf dem Freisein von Sünde besteht als Boethius, bei dem der Mensch sich nur Gott und dem Guten zuzuneigen braucht, um die ungeheure Überlegenheit Gottes zu fühlen und den Weg einzuschlagen, zu dem ihn die Natur drängt. Ähnlich wie bei der Frage des Ruhms scheidet auch bei der Frage der Macht Alfred zwischen dem Guten und Bösen, das sich im Gebrauch manifestiert. Diese Unterscheidung ist auch Boethius nicht fremd, denn Macht ist ein für den Menschen unbedingt erstrebenswertes Gut, aber für Boethius ist dabei nur die Macht ausschlaggebend, die der Mensch durch das Gute gewinnt, dem gegenüber die irdische Anwendbarkeit der politischen Macht überhaupt nichts mehr bedeutet. Sie erstreben zu wollen, heißt geradezu das Ziel des Guten verfehlen. Auch für Alfred steht die Macht im Zusammenhang mit dem Guten, aber auch die politische Macht. Es geht darum, daß der Mensch mit der Macht das Gute will, daß die Macht nicht Toren zufällt, und vor allen Dingen, daß die Macht nicht um ihrer selbst willen begehrt wird. Um ihrer selbst willen ist die Weisheit zu suchen, sie aber führt zur Tugend, und die Macht hängt notwendig dem Weisen und dem Tugendhaften an. Das ist nicht gegen den Geist des Boethius, wenn man Macht in dem geistigen Sinn des Boethius versteht, aber Alfred denkt jedenfalls auch an die Macht, die er als König in Händen hält. Man kann im übrigen nicht so klar zwischen Ruhm, Ehre(n) und Macht trennen, wie es hier zum Zwecke der Darlegung geschehen ist, denn dieser ganze Komplex gehört für das Denken des Boethius, aber auch für das Denken Augustins, zusammen. Es bildet ebenfalls einen Gesamtkomplex in der Vorstellung der altenglischen Epik, wie der angeführte Aufsatz von LEISI erweist, und Alfred bestand auf der positiven Wertung dieser Verhältnisse. Die christlichen Vorstellungen, wie sie in der Lehre vom ,usus' für die Gesellschaftsethik des werdenden Abendlandes maßgebend waren,48 kamen dieser Auffassung auch durchaus entgegen, sogar im Fall von ,honor' und ,potestas'. Eine interessante Stellungnahme u 31 ff. d. Arbeit; über die Bedeutung Augustins für diese Auffassung der „Weltund Kulturgüter" vgl. E. Troeltsch, Augustin, die christliche Antike und das Mittelalter (Berlin, München, 1915), 46, 50—53 u. passim.
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Augustins zu diesem Problem findet sich in dem Schreiben an die Witwe Proba, auf das MAUSBACH besonders hinweist.4® Placetne igitur ut super salutem istam temporalem optent sibi ac suis honores et potestates? Sane si, ut per hoc consulant eis qui vivunt sub eis, non propter haec ipsa sed propter aliud quod inde fit bonum, deceat ea velle: si autem propter inanem festum elationis pompamque superfluam vel etiam noxiam vanitatis, non decet. (Epist. 130, 6, 12; PL 33, c. 498) Die Annahme ist demnach durchaus gerechtfertigt, daß sich im Denken Alfreds die Welt des germanischen Stammeskönigtums und die des Christentums weder gegenseitig befehden, noch daß die eine Welt der anderen völlig unterlegen wäre. Der denkenden Betrachtung Alfreds boten sich die Lehren des Christentums nicht mehr in den Primitivitäten des Vulgärchristentums dar, sondern in den Prägungen des römischen philosophischen Denkens mit der Betonung der Staatsphilosophie, und die Werte, auf denen der römische Staatsgedanke beruhte, widersprachen nicht denen der adlig germanischen Stammeswelt. Für Boethius hatten sie das Interesse der praktischen Anwendung verloren. Er war für sie eingestanden und hatte vor der Welt den Kampf verloren. Es ging ihm nur noch um das Wesen der Güter vor Gott. Mit einem wunderbaren Sinn für das Königliche dieser Güter und für das Wirken des Menschen auf Erden zwischen Gut und Böse hat Alfred zugleich zurückhaltend und bestimmt, aber auch wohl sich selber weitgehend unbewußt, diesen Kreis wiederum geschlossen. In dem Zusammenfließen beider Welten lag für Alfred kein leichter Kompromiß, denn auch er sah das Böse mächtig in der Gegenwart. Aber um des Guten willen besteht er auf dem aktuellen Wert dieser Güter für den „guten König". Umgekehrt schlägt ihn die Erscheinung des Tyrannen in Bann als das personifizierte Böse, das einzige Geschöpf, das zum Guten unfähig ist (112, 5 ff.). Er sieht von dem Tyrannen das Verderben ausgehen für das eigene Volk und für die Nachbarvölker, er verfolgt die Änderung ihres Wesens vom dumpfen Drohen ihrer Macht bis hin zum Ausbruch von Wut und Rache. Auch bei dieser Darstellung bleibt Alfred in der Nähe des Originals, aber seine ausdeutende Wiedergabe vertieft den Sinn und läßt die Nähe des wirklich Gegebenen bewußt werden. " J. Mausbach, Die Ethik des Heiligen Augustinus (Freiburg, «1929), I, 281. 8'
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In der Beschäftigung mit der Erscheinung des Tyrannen steht Alfred in seiner Zeit nicht allein. M. L. W. LAISTNER hat auf die Pseudo-Cyprianische Schrift De duodecim abusivis saeculi und ihren Einfluß auf die Verfasser der Königsspiegel der karolingischen Zeit hingewiesen,60 aber Alfreds Schilderung berührt sich mit der des unbekannten irischen Verfassers lediglich in dem Blick auf die verheerenden Wirkungen der Tyrannis und in dem Bild des brennenden Feldes. Nichts weist auf die psychologische Seite der Pathologie der Sünde, die Alfreds Blick fesselt. Die Aussagen Alfreds über Freundschaft und Gefolgschaft nehmen nur wenig Raum in Anspruch, aber sie haben eine eigene Prägung und tragen den Charakter der aristokratischen Kriegerwelt. Treue gilt als das entscheidende Merkmal des Freundes und der Gefolgschaft, List und Untreue verkehren sie in ihr Gegenteil. Entsetzlich und beinahe unbegreiflich für Alfred ist der Mord der Vertrauten durch Nero und Antoninus, des Seneca und des Papinianus, „der Liebste von denen, die ihm teuer waren". Liebe ist das wiederkehrende Charakteristikum der Freundschaft, die nichts anderes will als Liebe. Den Freund schuf Gott zum Gefährten. Diese Berufung auf Gott, die bei Boethius wohl impliziert, aber nicht ausgesprochen ist, erinnert in der Hochschätzung an das Symposion, wobei dort natürlich ganz andere Vorstellungen zugrunde liegen als bei Boethius. Cicero und Augustinus, auf den sich spätere Autoren berufen61 — De amicitia spielt erst im 13. Jahrhundert eine Rolle62 —, gehen nicht so weit. Cicero unterscheidet ähnlich wie Boethius zwischen ,amor' und ,virtus' auf der einen Seite und der .utilitas' auf der anderen,63 aber der Gedanke, daß Gott den Freund zum Gefährten schuf, ist dort ebensowenig ausgesprochen wie bei Augustin, obwohl er von der Vorstellung der Schöpfung her nicht fernliegt. Augustin denkt über Freundschaft sehr hoch: Ita in quibuslibet rebus humanis nihil est homini amicum sine homine
amico. (Epist. 130, 2, 4; PL 33 c. 495)
eo M. L. W. Laistnet, Thought, 144 ff. Als Abfassungszeit ist dort 630—650 angegeben. Ein Teil der Schrift ist in einer späteren frühmittelenglischen Übersetzung zusammen mit einem Traktat über die Todsünden erhalten (Old English Homilies and Homiletic Treatises of the Twelfth and Thirteenth Centuries, ed. R. Morris, E.E.T.S. O.S. 34 [London, 1868], 106 ff.). 51 R. Egenter, Gottesfreundschaft (Augsburg, 1928), 41. " R. E. Artikel Cicero, VII, c. 1166. " Cicero, Laelitu, §§ 100 ff.
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Auch Augustin unterscheidet ähnlich wie Cicero und Boethius: In his [seil, bonis] itaque omnibus incolumitas hominis et amicitia propter se ipsam appetuntur. (ebd. 6, 13, c. 499) Aber im allgemeinen wird Freundschaft als Wesensgleichheit aufgefaßt und an anderer Stelle bei Augustin als Übereinstimmung in göttlichen Dingen.64 Auch der Königsspiegel des Sedulius behandelt die Freundschaft als eine Sache höchster Wichtigkeit für den Fürsten. Aber ihm geht es um den Rat der Freunde,55 und das steht wiederum auf der Seite der ,utilitas'. Die starke Betonung des Emotionalen in der Freundschaft aber ist ein Wesenszug des germanischen Gefolgschaftsverhältnisses, in dem der Herrscher als 'wine' = ,Freund' bezeichnet werden kann66 und in dem die Bezeugungen der Liebe und Dankbarkeit Umarmung, Kuß und Kniefall sind, wie sie in der wehmütigen Erinnerung des Wanderer zur Sprache kommen :57 J)inceö him on mode ]o£et he his monndryhten clyppe and cysse and on cneo leege Honda ond heafod, swa he hwilum aer On geardagum giefstoles breac . . . (42 ff.) Hier wachsen also wiederum antik-christliche Vorstellungen mit denen einer aristokratischen Kriegerwelt zusammen. Das Gefolgschaftsideal beruht auf dem freien Dienst in gegenseitiger Liebe und Treue und der Achtung individueller Würde,68 und dazu kommen nun der Gedanke der göttlichen Schöpfungsbestimmung und die philosophische Begründung der Einzigartigkeit dieses Verhältnisses. Als in Alfreds Prosa Sprache und Denken der Angelsachsen neben den literarischen Ausdruck des Lateinischen trat, erstand nicht nur eine neue Welt in der heimischen Sprache. Wesenszüge und Wertvorstellungen der eigenen Welt durchdrangen ihrerseits das Neue. Aber was sich innerhalb von Jahrhunderten und auf dem breiten Gebiet einer weiten Kultur ereignete, das trat innerhalb einer Übersetzung nur einmal in einer solch großen und persönlichen Form 64 J. Mausbach, Die Ethik, I, 281. Auch dieser Gedanke ist in Cicero bereits enthalten: „Est enim amicitia nihil aliud nisi omnium divinarum humanarumque rerum cum benevolentia et caritate consensio; qua quidem haud scio an excepta sapientia nihil melius homini sit a dis inmortalibus datum" (Cicero, Laelius, § 20). Vgl. J. Mausbach, 1,219 und R. Egenter, Gottesfreundschaft, 41. " ed. Hellmann, 39, 13 ff. 66 L. L. Schücking, „Heldenstolz", 23; z. B. Wanderer, 11, 22, 35. " C. S. Lewis, The Allegory, 9 f. 58 L. L. Schücking, „Heldenstolz", 20 ff.
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hervor. Es ist kein Zufall, daß sich dies nicht an einem Werk rein christlicher Lehre und Vorstellung ereignete, sondern an einem Werk, das von den Dingen der Welt her das Wesen des göttlichen Geistes zu erschließen strebt. Dabei verliefen die Grenzlinien anders, als es Alfreds Auffassung natürlich schien. An diesem Problem setzte sein eigenes Denken ein in dem Versuch, das Denken des Römers mit dem seinen in Einklang zu bringen. Weder Gregor noch Augustin boten solche Ansatzpunkte, und daher ist die Selbständigkeit der Jo/zVo^ffVÄ-Übersetzung doch im wesentlichen eine Selbständigkeit der Kontamination. Die Consolatio enthielt soviel Vertrautes in der inneren Erfahrung, daß Alfred sich in sie hineinzuversetzen vermochte, und soviel Fremdes, daß er gezwungen war, seinen eigenen Standpunkt zu klären und zu finden. Diesem Charakter der Begegnung in einem wunderbaren Sinn für die Wahrheit als geistige Erfahrung der Person verdanken wir eine der bedeutendsten Übersetzungen der europäischen Literatur.
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KAPITEL II
DIE KOMMENTARE a. Der Einfluß lateinischer Kommentare Die Entdeckung, daß Alfred eine Fülle von Zusätzen zu seiner Ubersetzung der Consolatio lateinischen Kommentaren verdankt, hatte seinerzeit einen Umschwung in der Bewertung Alfreds zur Folge. Sie „zwang dazu, die Preislieder, die man bisher dem königlichen Übersetzer wegen der selbständigen Verarbeitung seiner Vorlage gesungen hatte, um einige Töne herabzustimmen".1 Panegyrik ist selten ein legitimes Mittel der Literaturwissenschaft, aber es scheint doch, als habe man hier die falschen Dinge zum Kriterium literarischer Bewertung gemacht, nämlich einen reichen Schatz antiken Wissens in Geschichte und Mythologie, theologische, philosophische und kosmologische Kenntnisse, nach deren Stand ein Kommentator gewöhnlich beurteilt wird. Als sich dann eine lateinische Kommentargruppe als Trägerin dieses Wissens herausstellte und man sie als Quelle für Alfred glaubte beanspruchen zu dürfen, trat der Rückschlag ein. Die Tatsache, daß man es mit ungedruckten Kommentaren in Handschriften zu tun hatte, hat dann zu der allgemeinen Unsicherheit in der Bewertung beigetragen, die dieser Beitrag zu überwinden hofft. Schon jetzt dürfte dabei feststehen, daß die reicheren und systematischen Zusätze, die uns im ersten Teil der Arbeit den weiten Bereich von Alfreds denkendem Erfassen der Consolatio und seiner persönlichen Gestaltung erschlossen haben, die bessere Basis für das Verständnis Alfreds abgaben. Allerdings wird damit eine vergleichende Betrachtung der Kommentare nicht überflüssig. Die den Kommentaren entnommenen Anregungen und Erläuterungen sind dazu zu zahlreich, und außerdem ist es richtig, nach den Gesichtspunkten zu fragen, nach denen Alfred ausgewählt und verwandelt hat. 1 K. H. Schmidt, 10. So hatte bereits G. Schepss geurteilt. G. Schepss, Zu König Alfreds Boethius, 150.
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Dabei ist zu bemerken, daß unsere Ausgangsbasis sich nach den Darlegungen von PIERRE COURCELLE 2 sehr verschlechtert hat. Bis zu seiner Studie konnte man annehmen, daß Alfred einen guten Zugang zu einem Kommentar der Remigiusgruppe hatte. Allerdings hatte Alfred dann wohl nur einen kleinen Teil der Scholienmasse dieses Kommentars benutzt und auch diesen nur in wenigen Fällen dem klaren Wortlaut nach. So kam SCHMIDT ZU seiner Auffassung von der Planlosigkeit der Benutzung.3 Der Bischof der anglikanischen Kirche G. F. BROWNE, der versuchte, das Beste aus Alfreds Schriften und Vorlagen mit einer kritischen Würdigung dem Leser seiner Zeit zugänglich zu machen, kam angesichts der Fülle dessen, was Alfred im Kommentar des Remigius ignoriert hatte, zu dem Ergebnis, daß wir Alfred dankbar sein müssen für den Takt, mit dem er sich aus dem Kommentar herausgehalten habe.4 So ist auch von dieser Seite her Grund für Courcelles Annahme vorhanden, daß Alfred nicht den Kommentar des Remigius zur Hand gehabt habe, sondern dessen Vorläufer, den St. Gallener Anonymus, den wir in der Einsiedler Handschrift 179 bereits verschiedentlich herangezogen haben. Was aber Remigius zuviel hat, das hat der St. Gallener Anonymus zuwenig, so daß der Weg von Remigius zu Alfred leichter zu sein scheint als der vom St. Gallener Anonymus. Solange wir also von keinem Kommentar wissen, der Alfreds Version nähersteht als diese beiden, gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich die beiden Kommentare hinzuzuziehen und Alfreds Weg der Gestaltung vergleichend zu zeigen. Wie Courcelle feststellt, handelt es sich bei dem Kommentar des Remigius um einen für den Unterricht bestimmten Schulkommentar.6 Es geht also darum, daß zunächst rein lexikalische Schwierigkeiten beseitigt werden durch den Einsatz einfacher Synonyma für schwierige Begriffe, daß durch vereinfachendeParaphrasenkomplizierte Gedankengänge dargetan werden und daß unbekannte historische und mythologische Begriffe erläutert werden. Darüber hinaus allerdings finden sich bei Remigius auch wie schon vereinzelt bei dem St. Gallener Anonymus Hinweise auf die Rhetorik und die Metrik.6 Im Gegensatz zu dem St. Gallener Anonymus finden sich bei Remigius sehr viele Scholien P. Courcelle, «Etüde critique», vgl. d. Arbeit S. 9 ff., 14. K. H. Schmidt, 69 f. 4 G. F. Browne, King Alfred's Books (London, 1920), 331, vgl. 383—390, 344. 5 P. Courcelle, «Etüde critique», 56. • Meist nach dem metrischen Kommentar des Servatus Lupus von Fertiges, vgl. Peiper, ed., xxiiii ff. 2 s
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aus dem Bereich des Neuplatonismus und eine Fülle biblischer Zitate sowie Einzelheiten aus Heiligenviten und Zitate der Väter, besonders des Augustinus.7 Alles dieses hat Alfreds Übersetzung nicht. Ihm kommt es offenbar in erster Linie auf die lexikalischen Schwierigkeiten an, die dem Verständnis im Wege standen, und hier war ihm wohl Asser am meisten behilflich. Dort ist dann auch die Stelle zu suchen, an der der Kommentar von Wichtigkeit wurde. Allerdings müssen wir uns in vielen Fällen darüber klar sein, daß gemeinsame Auflösung von Schwierigkeiten keinesfalls Abhängigkeit erfordert, denn es ist durchaus möglich, daß an vielen Stellen Alfred und Asser oder ein anderer seiner gelehrten Freunde auf die gleiche Lösung verfielen wie die Kommentatoren. 1. Die Auflösung von Metaphern Die Krankheitsmetapher hat Alfred zunächst aufgelöst: Verum hi perturbationum mores, ea valentia est, ut movere quidem loco hominem possint, convellere autem sibique totum exstirpare non possint. (I, p. 6, 28 ff.) . . . foröaom sio gedrefednes masg f mod onstyrian, ac hio hit ne masg
his gewittes bereafian. (13, 8 ff.)
Remigius (7>. 124r): A loco animi et quietis hominem perturbatio movere potest non autem funditus supripere illi rationi valet. Eins. 112: movere quidem hominem a recto statu, totum sc. sensum. exstirpare penitus eradicare, i. e. alienari.
supripere = bereafian weist auf Remigius. Sed quoniam firmioribus remediis nondum tempus est . . . (I, p. 6, 52) nondum tempus est de sublimioribus loqui (7V. 124v) [Hervorhebungen vom Verfasser]
Alfred löst auf mit healicor (14,2), und in Eins. 110 fehlt hier die Entsprechung. Die Winde, die metonymisch für die Jahreszeiten bei Boethius stehen (I, m. 5,18 ff.), sind bei Remigius und Alfred (Tr. 122v; 10,11 ff.) richtig erklärt, in Eins. 109 fehlt der ,boreas', den Alfred zum Herbstwind macht.8 ' Für eine Charakteristik des Kommentars im Rahmen der Kultur seiner Zeit vgl. P. Courcelle, «La culture antique». » Vgl. K . H. Schmidt, 16.
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Die Frage der ,Philosophia', ob Boethius „subitus hospesque" (II, p. 3, 43) auf die Bühne des Lebens getreten sei, ist nach den Kommentaren aufgelöst, aber hier ist der Wortlaut in Eins. 117 —„Subitus. subitaneus ut novum aliquid subito tangat quod antea aliis non contigerit" — dem des Remigius9 so ähnlich, daß keine Trennung nach Alfreds Text möglich erscheint: Wenstu nu p ]?e anum jpellecu hwearfung i jDillecu unrotnes on becume -j nanum oörum mode swelc ne on become, ne asr ]pe ne asfter t>e ? (20,17 ff.)
Mit großer Bestimmtheit weist folgende Glosse auf die Benutzung eines Remigius näherstehenden Kommentars: Tu quoque falsa tuens bona prius incipe colla iugo retrahere: vera dehinc animum subierint. (III, m. 1, 11 ff.)
Alfred ersetzt die Metapher des Boethius durch eine andere des Remigius: Ita et homo, qui ad veram tendit felicitatem et ad summum bonum, quod est deus, debet prius eradicare truncos vitiorum et liberare animum suum a superfluis curis. (Tr. 133v) 1 eac micle 9i eö J)u miht J>a soöan gesxlöa gecnawan -| to hiora
cyööe becuman, gif öu aerest awjrtwalast of pinum mode da leasan gesaelöa, hi of atiht od öone grund. (52, 9 ff.) Eins. 131: iugo a falsis bonis.
Auch hier ist also der Kommentar des Remigius vorauszusetzen. Bei der Umformung treten zwei typische Kennzeichen der Alfredschen Ubersetzungsart auf: Die Erläuterung geschieht nach dem Kommentar, aber die Art der Erläuterung wird wiederum dem Text des Boethius anverwandelt — ,falsa4 und ,vera bona' sind als tragende Momente beibehalten. Dann ist das Verhältnis von Nach- und Vordersatz umgekehrt, wie es hier auch bei Remigius der Fall ist, aber im übrigen durchaus einer Eigenschaft von Alfreds Übersetzungstechnik entspricht. 2. Vereinfachende Erklärungen Bei einer sehr komplizierten abstrakten Überlegung (IV, p. 2.42 ff.), die Boethius später durch ein Beispiel erläutert, hat Alfred nur das • Die Glosse ist nicht in Tr. überliefert, sondern in der Miincbentr Hs. Y, 17 v: „ut novum tibi aliquid contingat quod antea aliis non contingeret." (zit. b. Schmidt, 21)
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Beispiel übernommen. Dies entspricht auch der Erklärungsweise der Kommentare, die die abstrakte Überlegung sofort mit dem Beispiel erklären. 10 Auch bei der schwierigen Definition von ,fatum' und »Providentia' hat Alfred (128, 10 ff.) sich einer vereinfachenden Umschreibung bedient. Gott gibt dem Geschehen seine Form (modus): Qui modus cum in ipsa divinae intelligentiae puritate conspicitur, Providentia nominatur; cum vero ad ea, quae movet atque disponit, refertur, fatum a veteribus appellatum est. (IV, p. 6, 25 ff.) Illud quod in mente creatoris disponitur atque ordinatur qualiter perficiatur, Providentia est; dum vero id ipsum sensim per genera et species foris perficitur, fatum vocatur (Tr. 154r). Ac öaet öaette we hataö Godes forejDonc -] his foresceawung, p biö Jaa hwile ]ae hit öaer mid him biö ort his mode, serösem ]pe hit gefremed weoröe, jäa hwile öe hit gepobt biS; ac siööan hit fullfremed biö, ]?onne hataö we hit wyrd. (128,10 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Eins. 166 hat die Entsprechungen nicht. Auch hier liegt bei der Beurteilung die Schwierigkeit darin, daß Alfred nicht einfach übernommen hat, sondern lediglich sich an eine einleuchtende Vorstellung — Vollendet- und Unvollendetsein — gehalten hat, die er dann seiner Art nach behandelte. Alfred erläutert die Feststellung der, Philosophia': Wie weit du verbannt bist (exilium) hätte ich nicht gewußt, wenn du es mir nicht gesagt hättest (I, p. 5, 4 f.). Alfred und Remigius greifen beide auf eine frühere Feststellung (I, m. 5, 25 ff.) zurück: . . . ]?a J)u J)ine faestrsednesse forlete, i wendest p seo weord ^as woruld wende . . . (11, 5 f.) Die Glosse des Remigius (Tr. 123r, Silk, 53, 13 ff.) ist ohne Vorbild in Eins. 109. Dies ist ebenfalls bei folgender Erklärung der Fall: Omne hominum genus in terris simili surgit ab ortu; (III, m. 6, 1) Rem. (Tr. 137v) . . . quia omnes aequaliter nascimur {Silk, 138, 17) . . . unum tantum hominem creavit, de quo mulierem produxit; de quibus duobus omnes sumus nati partiter. Hwast, ealle men hsfdon gelicne fruman, foröam hi ealle coman of anum faeder of anre meder, -j ealle hi beoö git geltet acenntde. (69,17 ff.) Keine Entsprechung in Eins. 139 [Hervorhebungen vom Verfasser] Gemeinsam mit Eins. 126 ist folgende Erklärung: . . . neque enim sibi solent adversa sociari. (II, p. 6, 40 f.) 10
K. H. Schmidt, 49f. gibt die Einzelheiten, aber hier hat auch Eins. 159 Entsprechendes.
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Rem. Tr. 130 v, Eins. 126 haben zu ,adversa' ,bonum ac malum', und in dieser Form hat Alfred auch übersetzt (37, 19 f.). Zu Beginn des 2. Buches macht die ,Philosophia' eine kleine Pause, die Remigius und Alfred deuten, während sich in Eins. 113 kein Eintrag dazu findet.11 Eine Ellipse wiederum ist von allen Kommentatoren vervollständigt, und so findet sie sich auch bei Alfred: hanc quisquís poterit notare lucem, candidos Phoebi radios negabit. (III, m. 10, 17 f.) Eins. 152: Candidos sc. esse radios in comparatione dei. Ad comparatiónem summi boni et verae lucis negabit candidos esse radios Phoebi (Tr. 143r, Silk, 201, 11 ff.). Gif Jponne hwelc mon maege gesion Jsa birhtu Jjass heofenlican leohtes . . . Jjonne wile he cweöan f sio beorhtnes Jpaere sunnan sciman sie Jsesternes to metanne wiÖ öa ecan birhtu Godes. (89, 20 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser].
Auch hier sind es lediglich Einzelheiten, die auf die Kommentare weisen, im Wortlaut als ganzem bleibt Alfred seiner Art der Übersetzung treu. Alfred liebt es, die rhetorischen Fragen des Boethius etwas pedantisch, aber wohl um der vollen Klarheit willen ausführlich zu beantworten : Non aurum in viridi quaeritis arbore nec vite gemmas carpitis. (III, m. 8, 3 f.)
Wiederum hat Eins. 141 kein Gegenstück: scilicet non quaerant aurum ubi non est quaerendum (Tr. 138r, Silk, 145,15 f.) Hwseöer ge nu secan gold on treowum? ic wat peah ß ge hit par ne secad, ne finde ge hit no, forjjamöe ealle men witon Jjaet hit Jjser ne weaxö . . . (73, 24 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser]
„Intemperies caeli" (III, p. 11, 64) hat Alfred mit Hilfe des Kommentars oder wenigstens gleichlautend mit diesem als (Tr. 144r) „Winter und Sturm" (92, 6) beschrieben, und auch hier fehlt ein Eintrag in Eins. 153. Der Praxis des Remigius folgt Alfred auch, wenn er einigen Gedichten Einleitungen über den Sinn des Metrums voranstellt (II, m. 8, 1 1 „vel ideo obticuit ut intentionem eius animadverteret" (Tr. 125r) (Silk, 63, 9) = "oö p he ongeat JJECS Modes inge^oncas" (14,26 f.). 'inge^onc' ist Alfreds allgemeine Entsprechung zu .intentio'.
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III, m. 2, IV, m. 2). Dabei schließt sich der Wortlaut der Einleitung von III, m. 2 auch an den des Remigius an: Ostendit autem omnem rem suam retiñere naturam. (Tr. 134v, Silk, 123,15 f.) . . . f a;lc gesceaft biö healdon locen wiö hire gecynde . . . (57, 6 f.) Eins. 133 hat hier ebenfalls kein Vorbild. Zu diesen verhältnismäßig klaren Fällen treten eine Reihe anderer, in denen Alfreds Abhängigkeit nicht so klar zutage tritt, die auch für seine Methode nichts Neues ergeben und hier außer Betracht bleiben können.12 Es wird jedenfalls schon hier deutlich, daß es Alfred nicht daran gelegen war, einen Kommentar zur Consolatio in seiner Sprache zu geben, sondern daß der Wortlaut des Originals in seiner Bedeutung durch den Kommentar erhellt, aber nicht — außer in wenigen Ausnahmen — ersetzt wurde. Bei dem Ersatz von Metaphern, aber auch bei der Begriffsklärung wendete sich Alfred nach der Klarstellung stets wiederum dem Text des Originals zu. Diese Kennzeichen werden im Verlauf der weiteren Untersuchung noch stärker hervortreten. 3. Scholien historischen, mythologischen und kosmologischen Inhalts Was die Consolatio im Kanon der lateinischen Autoren auf Jahrhunderte hinaus unentbehrlich machte, war die Tatsache, daß sie eine ungeheure Fülle antiken Wissens, auf einen verhältnismäßig kleinen Raum zusammengedrängt, enthielt. Aus diesem Grund wurde sie auch so bald und fortlaufend kommentiert, so daß die Kommentare schließlich ein eigenes enzyklopädisches Interesse beanspruchen konnten.13 Angesichts der Schwierigkeit des aktuellen Textes und der Gewohnheit des Boethius, Dinge im Vorübergehen und in bloßen Anspielungen zu behandeln, die er voraussetzen durfte, ist es zu verstehen, daß so viele Handschriften der Consolatio bereits Glossen enthalten oder vom Text abweichen.14 So stand es für Alfred, der seinerseits selbst Helfer bemühte, wohl von Anfang an fest, daß er die Hilfe, die er benötigte, auch anderen zukommen lassen müßte. Dies hat er in reichem Maße getan, aber wiederum, verglichen mit den Kommentaren, selektiv und ohne Weitschweifigkeit. Es sei nochmals auf die Arbeit von Schmidt als ganzes verwiesen. Vgl. E. T. Silk, "The Study of Boethius' Consolatio Philosophiae in the Middle Ages", Transactions and Proceedings of the American Philological Association LXII (1931), xxxvii f. 14 Peiper, ed., xviii. 12
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Boethius erwähnt die Ablösung der Königsherrschaft durch die Republik (II, p. 6, 5 ff.). Der Kommentar des Remigius (Tr. 130v) schreibt ausführlicher über Tarquinius, den Eins. 123 nicht erwähnt. Alfred erwähnt nur den Namen und verdeutlicht den Wortlaut des Boethius (34, 30 ff.). Die gan2e Geschichte von der Entartung der Königsherrschaft und dem Sturz des Tarquinius hatte er im Orosius (62, 6 f.; 66, 25 ff), sogar über diesen hinausgehend, übersetzt, so daß ihm größere Ausführlichkeit möglich gewesen wäre. Hier verzichtet er darauf. Bei Regulus erzählt er nicht dessen Geschichte, auch nicht die bekannte Erzählung von seinem Auftreten vor dem Senat 16 (Tr. 130v; Silk, 99, 22 ff; Eins. 125), sondern bemüht sich, Boethius nur durch das sachlich Notwendige zu ergänzen (37, 5). Bei Nero greift er weiter aus, sogar über den Kommentar des Remigius (Tr. 131r; Silk, 101, 11 ff; — Eins. 120) hinaus. Er erwähnt den Mord an dessen eigener Frau neben den anderen Schandtaten und gibt auch die Begründung für den Brand Roms, wie er bereits im Orosius (ed. Sweet, 260, 26 ff.) übersetzt wurde. Die Schandtaten Neros bei den Christenverfolgungen aber hat er in den Boethius nicht hineingenommen. Im Gegensatz zu den Kommentaren ( T r . 135v; Eins. 135) verwechselt er den Dichter — „poeta Veronensis" {Eins. 135)—Catull mit dem Konsul Catulus. Auf der anderen Seite vermeidet er einen der verbreitetsten Irrtümer des Mittelalters, wenn er Alkibiades einen "aejjeüncg" (72, 30) nennt. Das geht an Präzision über den Eins. 140, „aliquis pulcherrimus", hinaus. 16 Ebenfalls gegen die Kommentare (Tr. 132v, Eins. 129) setzt er Brutus mit Cassius gleich (II, m. 7 , 1 6 = 46, 21 ff.), und zu Cato gibt er keine andere Erklärung, als daß er ein Konsul und ein Philosoph gewesen sei (46, 21 ff), und das deckt sich mit keinem der Kommentare. 17 Eine Anekdote, die von einem „liberum quendam" (II, p. 6,25) spricht, in dem Remigius Anaxagoras zu erkennen glaubt, wird von Alfred auf einen ,Liberius' bezogen, wobei er vom Kommentar beeinflußt sein mochte, der zu ,liberum' folgenden Eintrag hat: „nobilem a terrenis desideriis expeditum" (Tr. 130v, Eins. 129). Wenn Alfred bei der Beschreibung der Präfektur von ed. Sweet, Orosius, 178. III, p. 8, 24; Tr. 138 t ; P. Courcelle glaubt, der St. Gallensis habe aus Unwissenheit das Richtige getroffen («Etüde critique», 53). Alfred erwähnt ihn nochmals als " c n i h t " (73,4). 1 7 Remigius (Tr. 132v): „ C a t o leges duras instituit." Eins. 129: „ C a t o censorius. semel in vita risit. moribus quoque fortissimus. et castus et r o m a n u s . " 16
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einer Scholie des Remigius beeinflußt wurde, so ist die verschiedene Intention Alfreds sehr deutlich: Atqui praetura magna olim potestas nunc inane nomen et senatorii census gravis sarcina; si quis quondam populi curasset annonam, magnus habebatur, nunc ea praefectura quidabiectius? (III.p. 4,39 ff.) Romanus olim populus solitus fuit annuatim mittere ad fertiliores regiones singulis annis maxime ad Africam et Siciliam; is vero, qui frumentis undique venditis praefuisset maximo habetur bonore. (Tr. 136r, Silk, 131, 19 ff.; ohne Entsprechung in Eins. 136) Hit wses gio giond ealle Romana mearce p heretogan -[ domeras, 1 ]?a maömhirdas Jje p fioh hioldon J>e mon Jsam ferdmonnum on geare sellan sceolde, -j £>a wisestan witan, haefdon maestne weordscipe; nu Jsonne . . . (64, 11 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Alfred führt Kommentarwissen ein, aber er bleibt eng am Text des Boethius, und er übersetzt das Wissen in Vorstellungsformen, die den angelsächsischen entsprachen. Die Geschichte vom Damoklesschwert ist von Remigius erweitert auf die Vorgeschichte der Herrschaft des Dionysius und dessen Tempelfrevel, ehe die Begebenheit erzählt wird, auf die Boethius nur kurz anspielt: Expertus sortis suae periculorum tyrannus regni metus pendentis supra verticem gladii terrore simulavit. (III, p. 5,14 ff.) gladium acutissimum tenuissimo filo ligatum super verticem illius suspendi et interrogavit eum, si videretur esse sibi beatus; qui respondit nullo modo se beatum esse, qui aestimaret casu gladii cito se moriturum. Cui Dionysius inquit: Qualem tu nunc habes timorem talem ego assidue patior. (Tr. 136v; ohne Entsprechung bei Silk. Eins. 137 ähnlich) Eala, hwast öaet biö gesaelig mon {De him ealne weg ne hangaö nacod sweord ofer öaem heafde be smale praede, swa swa me git sjmle djde? (65, 28 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Alfred ist detaillierter als Boethius, er kennt Einzelheiten, aber er erwähnt noch nicht einmal den Namen des Dionysius, und trotz der Erweiterung und Dramatisierung bleibt der Charakter der Anspielung erhalten. Einige Erläuterungen Alfreds zu geographischen Anmerkungen zeigen die gleichen Unterschiede. Die Scholie zur Insel Thüle (III, m. 5, 7=67,32 ff.) deckt sich weder mit Remigius, der die Insel durch ihre Lage zum Eismeer bestimmt (Tr. 137r, Silk, 126, 23 ff.), noch mit der Erwähnung im Orosius (Sweet ed., 24, 19 ff.), wo aber die Nordwestrichtung angeführt ist. Der Zusatz, daß es dort im Sommer nicht 127
Nacht und im Winter nicht Tag wird, findet sich in keiner dieser Quellen, gehört aber zu den dem Mittelalter vertrauten Kenntnissen.18 Zur Lage des Kaukasus gibt Boethius nur die Parther an (II, p. 7,30 f.). Alfred hat aber mit Remigius die Erwähnung der Skythen gemeinsam {Tr. 131r, Silk, 101, 11 ff., kein Eintrag in Eins. 128) „qui ei monti iunguntur" = "Jse on oöre healfe Jsara munta bugiaö" (43,10), 19 doch findet sich keine weitere Einzelheit zu den für die Zeit interessanten Fragen der Sitten der Parther und zu den Gegensätzen des Klimas, wie sie Remigius ebenfalls erwähnt. Boethius geht es (II, p. 7,13 ff.) darum, die Kleinheit der Erde darzutun, von der dazu noch lediglich der vierte Teil bewohnt ist. Remigius behandelt sehr ausführlich die einzelnen Zonen und schneidet die prekäre Frage der Antipoden an.20 Wenn Alfred in seinen Erläuterungen auf Remigius zurückgreifen konnte—Eins. 127 enthält dazu keine Information —, so kann nur ein einziger Satz dafür bedingt in Anspruch genommen werden: Quarum duae [seil, zonae] id est septentrionalis et australis inhabitabiles sunt frigore duae temperatae calore et frigore ac per hoc habitabilis id est solstitialis et brumalis. {Tr. 131 r, Silk, 103, 20 ff.) . . . for]3sem]?e hy [seil. ]?e men] hit ne magon eall gebugian, sum for
hato, sum for eile; (42, 2 f.) [Hervorhebung vom Verfasser]
Alfred hat also das eigentlich wissenschaftliche Detail im Gegensatz zu Remigius nicht verwendet, obwohl er eine wesentliche Beziehung zur Verdeutlichung herangezogen hat. Es ging ihm jedenfalls nicht darum, in diesen Dingen Vollständigkeit und Exaktheit zu suchen; die übrigen Einzelheiten dieses Kapitels mit der überraschend ungenauen Verwendung von Zahlen (42, 5; 16, 19) belegen dies ausgezeichnet. Dem äußeren und oberflächlichen Eindruck nach mag man bei der Erzählung vom Tod des Seneca und des Papinianus (66, 23 ff = III, p. 5,27), bei der Busiris-Episode (36,27 ff. = II, p. 6,32ff)zunächst anderer Meinung sein, aber die Anklänge an den Kommentar sind kaum der Erwähnung wert.21 Es ist Alfreds eigene Interpretation der Fakten, die den Ausschlag gibt. Dies gilt in gleicher Weise von den zum Teil sehr umfangreichen Erweiterungen zu mythologischen und kosmologischen Scholien: dem Kommentar verdankt Alfred verhältnismäßig Isidor, Etym. XIV, 4 — der Wortlaut deckt sich wiederum nicht. Augustin, De civ. Dei, X V I , c. 9; vgl. Silk, xliif. 2 0 Sie sind ebenfalls in der Oo-rötr-Übersetzung erwähnt (ed. Sweet, 14, 15 ff.). 2 1 Das Material, das die Kommentare geben, reicht nicht aus, um einen Einfluß über Boethius' Text hinaus für Alfred zu bestimmen (Tr. 130v;J7//fc,99, 12 S.;Eins. 125), vgl. Schmidt, 26. 18 11
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wenig, aber er hat seine eigene Art, von Gutem und von Bösem berührt zu werden, und eine eigene Schilderungsweise, die von der der Kommentatoren ebenso verschieden ist wie von Boethius und die an besonderer Stelle untersucht werden soll. Es kann hier schon festgestellt werden, daß Alfred die antike Mythologie liebt, obgleich er sie abwertet. Zur Erwähnung des Gigantensturzes hat bereits der St. Gallener Anonymus eine Scholie, die sich auch bei Remigius findet: Loquitur secundum fidem gentilium vel etiam tangit veritatem, quando divisio linguarum facta est. (Eins. 155) (vgl. Tr. 145v — Silk ab „vel", 213, 15 ff.) Die Boethiusstelle lautet: Accepisti, inquit, in fabulis lacessantes caelum Gigantas; sed illos quoque,uti condignum fuit, benigna fortitudo disposuit. (III,p. 12,64ff.) Alfred verschärft die Aussage des Kommentars: pylica leasunga hi worhton, -j meahton eaöe seggan soöspell, gif him ]pa leasunga naeren swetran, •] Joeah swiöe gelic öisum. (99, 4 ff.) Auch das Orpheusgedicht (III, m. 12) erhält vom Kommentator das signum: „Hoc Carmen est fabulosum" (Eins. 156, Tr. 146v). Hierübersetzt Alfred ohne Bewertung: We sculon get of ealdum leasum spellum öe sum bispell reccan. (101,21 f.) Diese Bemerkung ist aber mit einem Wort in Zusammenhang zu setzen, das Alfreds innere Einstellung zu seiner Tätigkeit als Schriftsteller ausdrückt: Ne fo we no on 9a bisna -j on öa bispel for öara leasena spella lufan, ac foröaemöe we woldon mid gebecnan J)a soöfsestnesse . . . (101,10 ff.) Alfred macht also darauf aufmerksam, daß es hier der Leser mit einer Erfindung (fabula) zu tun hat, die nicht als Wahrheit gelten kann, die aber dennoch Wahres enthalten mag. Ein solches Wort der Warnung findet sich auch bei der Übersetzung der Kirke-Fabel (115, 12 f.). Zusammen mit dem Tadel derer, die sich solche Fabeln ausdachten, gesteht Alfred ein, daß sie eine angenehme Lektüre abgeben. Ihre Berechtigung aber liegt in der Tatsache, daß auch sie Wahrheit enthalten. Er aber erzählt um der Wahrheit willen, so daß auch die Fabeln hier ihren Platz haben, denn sie werden nicht um ihrer selbst willen geliebt. Auch hier sind Alfreds Bemerkungen wiederum keine zufälligen Stellungnahmen, sondern überlegte Argumente, die ihren Platz in der 9
Otten, Alfreds Boethius
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langen Geschichte des wiederauflebenden Humanismus einnehmen. Bereits Augustin hat die heidnischen Mythen bei aller Ablehnung in diesem Licht gesehen : Si enim fictas poetarum fabulas, et ad voluptatem excogitatas animorum quorum cibus nugae sint, tarnen boni qui habentur atque appelantur grammatici, ad aliquamutilitatem referre conantur, quamquam et ipsam vanam et avidam saginae saecularis. {De catech. rud. VI, 10, PL 40,c. 31) Habent quidem et illi quaedam fabulosa figmenta, sed esse illas fabulas norunt; et vel a poetis delectandi causa fictas esse asserunt, vel eas ad naturam rerum vel mores hominum interpretari conantur. (Contra Faustum, XX, c. 19, PL 42) Dennoch war Alfreds Stellungnahme keine Selbstverständlichkeit. Noch Aldhelm hatte die Beschäftigung mit den ,artes' nur um der Schrift willen gelten lassen, und die Mythologie der Heiden war besonders verpönt. 22 Erst mit der karolingischen Renaissance setzte sich der Humanismus wiederum gegen den „kirchlichen Rigorismus" 23 durch. Wenn der Humanismus sich am Hof König Alfreds nicht in der Weise zeigen konnte wie am Hof Karls, so steckt doch in Alfreds Haltung gegenüber der heidnischen Mythologie etwas von den berühmten Versen des Theodulf von Orléans i24 Te modo Virgilium, te modo Naso loquax In quorum dictis quanquam sint frivola multa, Plurima sub falso tegmine vera latent. Hier ist auch Alfreds Einstellung gegenüber den antiken Göttern zu erwähnen. Als er die Erzählung von Kirke und Odysseus überträgt, führt er die Genealogie der Kirke auf und erläutert : pa wass Jpaer Apollines dohtor Iobes suna; se lob was hiora cyning, 1 licette f he sceolde bion se hehsta god; -] f dysige fole him gelyfde, forjsamöe he was cynecynnes; -| hi nyston nasnne oöerne god on Ipsene timan, buton hiora cyningas hi weorjjodon for godas. (115,23 ff.) Wenn auch Alfred davon spricht, daß Apollo log, ein Gott zu sein, so entschuldigt er die Heiden andererseits, da sie zu jener Zeit keinen 22 E. R. Curtius, „Zur Literarästhetik des Mittelalters" III, Zeitschrift für Romanische Philologie 58 (1938), 435 ff., 475; und Europäische Literatur, 54. 28 E. R. Curtius, Europäische Literatur, 54. 24 Zitiert nach W. P. Ker, The Dark Ages, 30. Aus Honorius von Autun zitiert von H. Rahner, Griechische Mythen, 465 : „Denn es geziemt sich, daß wir zur Erbauung der Kirche auch das verwenden, was wir in den Büchern der Heiden Nützliches gefunden haben." [Honorius lebte im 12. Jhdt.]. Theod. v. Orléans in Duemmler, Poetae latini aevi Carolini, MGHl, 543,18 ff.
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anderen Gott kannten und durch die Tatsache, daß Apollo königlicher Abstammung war. Wenn man diese Stellung zum Euhemerismus26 mit Wulfstan vergleicht, so wird es klar, wie leidenschaftslos und wenig voreingenommen Alfred hier erscheint: Da haejDenan noldon beon gehealdene on swa feawum godum . . . ac fengon to wuröienne ast nyhstan mistlice entas -] strece woruldmen ]pe mihtige wurdan on woruldafelum -j egesfulle wasran J)a hwyle Jje hy leofedon, -| heora agenum lustum fullice fulleodan. (De falsis deis, ed. Bethurum, 222, 35 ff.) Wulfstan fährt dann fort mit dem Kindermord des Saturn, dem Inzest Jupiters etc., so daß seine Darlegungen die des Isidor, auf die O T T O GRUPPE sie zurückführt,26 an Schärfe weit hinter sich lassen. Es ist auch für Alfreds Haltung bezeichnend, daß er die Klage des Orpheus über die „inmites superos" (II, m. 12, 18) nicht übersetzt. Alfreds Stellungnahme fällt in eine Zeit, in der ein neuer Humanismus eingesetzt hatte, und es ist kein Zufall, daß gerade unter Remigius auch die Beschäftigung mit der antiken Mythologie einen großen Aufschwung nahm.27 Noch vermochte die eigentliche Antike nach dem Niedergang von York nicht wieder Fuß auf englischem Boden zu fassen, aber für das wenige, das von einer ihrer schönsten, aber etwas angeschwärzten Erscheinungsformen durchdrang, hatte ein König einen offenen Sinn. So greift Alfred weit aus in der Erzählung des Gigantensturzes, während die Erwähnung bei Boethius nicht über eine Anspielung hinausgeht (Vgl. Zitat [1] S. 129). Auch Remigius ist hier sehr ausführlich (Tr. 145v, Silk, 213, 15 ff.) im Gegensatz zu Eins. 155. Er erwähnt Otho und Ephialtes, die den Pelion auf den Ossa türmen und schließlich unter Jupiters Blitzen und den Pfeilen von Diana und Apollo aus dem Himmel stürzen. Alfred aber spricht von Jupiter, dem Sohn Saturns, der des Himmels Sohn gewesen sein soll und dort herrschen soll, und den Giganten, die als Erdensöhne über die Erde herrschen sollten, bis sie nach der Herrschaft des Himmels streben und Donner, Blitz und Sturm erliegen (98, 25 ff.). Diese Geschichte hatte 25 Vgl. F. Wild, „Odin und Euemeros, Spiegelung germanischer Göttersage im englischen Schrifttum", Sitzungsberichte d. Akademie d. Wissenschaften in Wien, Philos.-Hist. Kl., Bd. 219, 3. Abh. (1941). 26 O. Gruppe, Geschichte der klassischen Mythologie und Religionsgeschichte mährend des Mittelalters im Abendland und während der Neuheit, Roschers Myth. Lex., Suppl. 4 (Leipzig, 1921), 8. " O. Gruppe, 8 ff., P. Courcelle, «Etüde critique», 65 ff.
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ihrerseits die Kommentatoren veranlaßt, im Gegensatz zu den Erzählungen der Heiden auf den Turmbau zu Babel hinzuweisen — „quando divisio linguarum facta est" {Eins. 155, vgl. S. 129, Zitat [1]). So erzählt dann Alfred die Geschichte von dem „Riesen Nimrod" (vgl. Orosius, ed. Sweet, 74,9), dem Sohn des Chus, der von Ham, dem Sohn Noahs, abstammte und der bei Augustin {De Civ. Dei XVI, c. 4)28 und später bei Isidor als Erbauer des Babylonischen Turms erwähnt wird {Etym. VII, 6,21). Weder dort noch in den Kommentaren findet sich die Scholie über die Anzahl von 270 Sprachen oder die Erwähnung, daß der Turmbau aus Wissensdurst unternommen wurde, statt aus Stolz und Gottlosigkeit {Gen. 10 u. 11), wie es bei Augustin ebenfalls zu lesen steht. Zu der Landschaft Sinear ist Dura {Dan. 3, 1) hinzugekommen. Außerdem stürzt auch hier die Gewalt Gottes die Frevler herab und tötet viele (99, 13 ff.). Die schönste Gestaltung antiken Sagenguts stellt Alfreds Bearbeitung des Orpheus-Gedichts dar (III, m. 12 = 101, 19 ff.). Auch hier finden sich Berührungen mit dem Kommentar, die aber wiederum für die Gestaltung sekundär bleiben. „Orpheus citharista fuit" (Tr. 146v) „a Tracia patria" = " . . . an hearpere WES on ösere öiode öe Dracia hatte" (101, 23). Von seiner Mutter findet sich nichts, ebenfalls sind Aristaion und Pluto nicht genannt. Analog dem dreiköpfigen Cerberus hat Alfred auch einen dreiköpfigen Charon, den Boethius und die Kommentare überhaupt nicht erwähnen, und die Furien verwechselt Alfred mit den Parzen. Boethius nennt drei Büßer, Ixion, Tantalus und Tityus, und die Kommentare sehen in diesen drei besondere Arten der Sünder figuriert: Ixion und das Rad stehen für das Rad der Fortuna und für die, die darangebunden sind, weil sie weder Rat noch Vernunft annehmen. Tantalus gilt als der Begehrliche und wird mit dem Dives des Evangeliums verglichen, der ähnliche Qualen in der Hölle auszustehen hat. Tityus' Geier exemplifiziert das böse Gewissen {Eins. 157). Diese klare Scheidung findet sich bei Remigius nicht mehr. Dort steht Tityus für die ,luxoriosi', Ixion gilt als ,avarus' (Tr. 146v; vgl. Silk, 219, 5 ff). Alfred hat nur die sinnbildliche Deutung für Tantalus angegeben, so daß er hier im Wortlaut dem St. Gallener Anonymus nähersteht: 1 Tantulus se cyning öe on öisse worulde ungemetlice gifre waes, 1 him öxr öast ilce yfel filgde öasre gifernesse . . . (102, 31 ff.) 28
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K. H. Schmidt, 46 im Anschluß an G. Schepss.
Alfred hat am Schluß des Gedichts eine allegorische Mythenerklärung, die die Kommentare dem Metrum vorangestellt haben, und diese ist bei Alfred und bei Remigius vollständiger als im St. Gallener Kommentar: Hoc carmen est fabulosum et beatificat illos qui exuti carnaübus desideriis erigunt se ad cernendam verae beatitudinis claritatem. Et admonet ne aliquis inventa luce summi boni iterum redeat ad nequitias tenebrosi orbis . . . Qui ad mundi cupiditatem respexerit post summum bonum inventum, quicquid profecit de eo, perdit dum ad terrena dilabitur. Das leasan spell IceraÖ gehwylcne mon öara öe wilnaö helle öiostro to flionne 7 to dxs sodan godes liohte to cumanne, p he hine ne besio to bis ealdan yflum, ... -j hi dorne fullfremeÖ . . . öonne forlyst he eall his serran good . . . (103, 14 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser]
Man sieht aus dem Vergleich mit dem Original — schon die Stellung am Schluß ist bezeichnend —, daß Alfred die Erläuterungen des Kommentars in den Gang des Metrums einbezogen hat: Vos haec fabula respicit, quicumque in superum diem mentem ducere quaeritis; nam qui Tartareum in specus victus lumina flexerit, quicquid praecipuum trahit, perdit dum videt inferos. (III, m. 12, 52 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser]
Für die übrigen Veränderungen sind stilistische Gewohnheiten Alfreds maßgebend. Obgleich Alfred auch die Kirke-Episode weitläufiger als Boethius erzählt, fehlen sichere Anhaltspunkte für die Benützung des Kommentars. Ähnlich wie bei dem Gigantensturz gab Alfred eine breitere Grundlage für das Verständnis, ohne aber die Vorgeschichte des Trojanischen Krieges zu erwähnen, die im Orosius geschildert wird (ed. Sweet, 50, 5 ff.). So erwähnt er, daß "Aulixes" mit zwei Völkern, den Ithakern und den "Retie" (verlesen aus „Neretii ducis" (IV, m. 3, l), 29 unter dem "kasere Agamenon" mit einigen hundert Schiffen — im altenglischen Metrum sind es einhundert — nach Troja gefahren sei und nach dem zehnjährigen Krieg mit einem einzigen zurückkehrte. Dann folgt die Genealogie der Kirke und die Geschichte selbst, voll von Veränderungen, die Alfreds persönliche Auffassung und Schilde29
So G. Schepss und nach ihm K. H. Schmidt, 53.
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rungsweise kundtun. Hier interessiert, daß er die Rolle des Merkur gestrichen hat und in diesem Punkt, wie auch in anderen, Kirke von der Verantwortung für ihr Handeln etwas entlastet. Aber diese andere Konzeption hat bereits mit der Darstellung des Kommentarwissens nichts mehr zu tun. Auch die Einzelheiten, die Alfred zur Erläuterung der Hydra (IV, p. 6, 8 ff.) anführt — neun Köpfe und sieben, die jeweils auf dem abgeschlagenen nachwachsen (127, 9 ff.)—, finden sich nicht in den Kommentaren. Größere Bedeutung kommt den Kommentaren ebenfalls für Alfreds Verständnis der antiken Kosmologie zu. Aber auch hier ist Alfred selektiv vorgegangen. Er gibt nur das Notwendige für das Verständnis, zieht auch gern Details heran, aber er vermeidet es, Wissen rein um des Stoffes willen und unabhängig von der Intention der Vorlage aufzuführen. Zur Kenntnis der Kosmologie war besonders das neunte Metrum des dritten Buches wichtig, das eine zentrale Stelle im Angelpunkt des Dialogs einnimmt und das auch für sich kommentiert wurde.30 Alfred hat dies auch empfunden, und seine Gestaltung dieses Gedichts ist besonders ambitiös. Aber wiederum ist das, was er den Kommentaren dazu entnommen oder mit ihnen gemeinsam hat, erstaunlich wenig. Der Anfang ist eine Paraphrase des Boethius wiederum mit Alfreds eigenen Gestaltungsmerkmalen (79, 10—32). Wenn er sich hier des Kommentars, den Silk im Anhang seiner Ausgabe vollständig abdruckt (332 ff.), bedient hat, um die Gedanken des Boethius voller zu erfassen, so ist es nicht mehr durchzufühlen. Erläutert nach dem Kommentar ist folgende Stelle: Tu numeris elementa ligas, ut frigora flammis, arida conveniant liquidis, ne purior ignis evolet aut mersas deducant pondera terras. (III, m. 9, 10 ff.)
Alfred führt zuerst die vier Elemente an. Dann erläutert er mit dem Blick auf den Gedanken des ,ordo', daß jedes Element seinen eigenen Ort hat (sunderstow, 80,2), aber dennoch den anderen Elementen verbunden ist. Da jedes der Elemente zwei von vier möglichen Eigenschaften hat, denkt man sich jeweils die Elemente durch
, 0 R. B. C. Huygens, „Mittelalterliche Kommentare zum O qui perpetua", Sacris Erudiri V I (Steenbrugge, 1954), 3 7 3 ff.
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die Eigenschaften verbunden, die sie miteinander gemeinsam haben.31 Das erklärt Remigius — Eins. 144 hat nur einzelne Begriffserklärungen — wie folgt: Aer calidus et humidus est. Huius caliditas coniungitur caliditati ignis qui est calidus et siccus. Huius caliditas aeris caliditati coniungitur siccitas autem terrae copulatur quae est frigida et sicca ... Huius siccitas ignis siccitati coniungitur. Frigiditas vero aquae frigiditati nectitur. Aqua frigida est et humida. Eius frigiditas terrae frigiditati humiditas autem aeris humiditati sociatur. (Tr. 141r; Silk, Appx. 334, 174 fF.) . . . se eile gej^rowode wiö öa hasto, -| p wast wiö \>am drygum.
Eoröan gecynd
wseteres is ceald; sie eoröe is drjge -| ceald, -j p waeter
waet i ceald. Sie I j f t Jsonne is genemned p hio is seg^er ge ceald ge waet ge wearm. Nis hit nan wunder, forjpam öe hio is gesceapen on Jsam midie betwux J^Ere drygan i Jjsre cealdan eoröan -] Jsam hatan fyre. (80, 4 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser]
Alfred unterscheidet sich also beträchtlich von der Darstellung des Remigius, obwohl es sich um die gleichen Prinzipien handelt. Remigius erklärt den Grund für alle Verbindungen der Elemente untereinander aufgrund der gemeinsamen Eigenschaften. Alfred aber geht von den unvermittelten Gegensätzen aus — warm und kalt —, und es kommt ihm hauptsächlich darauf an, daß die Gegensätze vermittelt werden, daß das Wunder geschieht, daß das einander Entgegengesetzte in Frieden verbindet: pundorlic is f |>in geöeaht . . . gemengde £>a drigan eoröan -] ]pa cealdan under ]pam cealdan wastere -| ]pam wastan . . . (80, 11 ff.)
Es kommt Alfred nicht darauf an, die technisch-wissenschaftliche Erklärung zu finden — der Satz, daß die Luft drei Eigenschaften hat und zwischen der Erde und dem Feuer ihren Ort hat, ist falsch32 —, sondern darauf, daß der Leser begreift, ein wie großes Wunder geschieht, wenn Gott aus dem Gegensatz die Harmonie schafft: Wundorlice crasfte ]pu hit hasfst gesceapen Jaast p fyr ne forbasrnö p waeter . . . (80, 22)
In der gleichen Weise macht er Gebrauch von der Glosse zu „ne purior ignis evolet": 31 Diese Beziehungen werden in der Figur des Kreises, des „Rades des Mikrokosmos", ausgedrückt, vgl. Silk, 173. Sie waren behandelt in Bedas De rerum natura, das in der Hauptsache auf das gleichnamige Werk von Isidor zurückgeht, vgl. Isidor de Seville, Traité de la nature, ed. J. Fontaine, Bibliothèque de l'école des hautes études hispanique, Fascicule xxviii (Bordeaux, 1960). 82 Vgl. Isidor, De rerum natura, ed. Fontaine, 213 und Silk, 173.
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ignis duobus crassioribus se elementis tenetur aqua scilicet et aere ne ad sedem suam evolet. In aethere enim eius sedes est unde Semper superiora petit. ( T r . 141 r, Silk, Appx. 335, 177 f.) A c Jsaes fyres agen stede is ofer eallum woruldgesceaftum gesewenlicum, 1 Jseah hit is gemenged wiö ealle gesceafta; -j Jjeah ne maeg nane Jsara gesceafta eallunga forcuman, for^amjje hit naefö leafe |3£es aslmihtigan. (80,26 ff.)
Alfred legt den Nachdruck darauf, daß die Elemente ihren eigenen Ort haben und dennoch miteinander gemischt vorkommen. Remigius erklärt die Mischung, Alfred bleibt bei der Tatsache stehen, daß das Gegensätzliche zusammen existiert und daß Gott nicht duldet, daß es sich zerstört. Der naturwissenschaftliche Grund bleibt unberücksichtigt. Wenn es sich also hier um den gleichen Wissensgehalt handelt, so ist die Interpretation grundverschieden. Aber dieses Umdenken des Wissenschaftlichen in das Religiöse liegt auf der gleichen Basis wie Alfreds Versuch, die geistigen Grundlagen des Universums als wirkende Kräfte zurückzudrängen gegenüber dem unmittelbaren Wirken Gottes.323 Gott ist Weltschöpfer und Welterhalter. Das Wissen ist recht, wenn es diese Gegebenheit klärt und sichtbar macht, wenn es das Bewußtsein des Menschen von Gott als Schöpfer und Erhalter vertieft. Im Gegensatz der Elemente öffnet sich für Alfred ein neuer und wunderbarer Aspekt. Das Wunder dieses Aspekts möchte er darstellen — es nicht wie die Kommentare erklären. Und das bringt ihn wieder zu der Grundabsicht des Boethius zurück, Gott zu preisen mit dem ergründeten Sein der Dinge,33 nicht mit dem erklärten. So greift Alfred auch die Lage der Erde auf und erklärt sie zunächst in Anlehnung an eine Glosse: terra gravior sit aliis omnibus elementis et imurn locum Semper teneat
...
{Tr. 141 r, nicht im Appx. bei Silk) Terra ponderata est unde et omnia quae pondus habent de quacumque caeli parte cadant ad terram feruntur, quia videlicet in imo posita est undique caelum sursum habens ne subsidat pondus eius et ad nihilum deducatur duobus elementis levioribus sustentatur aqua videlicet et aere. (Tr. 1 4 0 v , Silk, 335, 177 f.) Sio eorpe ponne is hefigre -j piccre ponne odra gesceafta, forpam hio is nioSor ponne anig oSru gesceaft buton }jam rodore; forpam se rodor hine hafd alce dag utane, ]peah he bire naiver ne genealace; on aslcere stowe he is hire emnneah. (80, 29 ff.) [Hervorhebungen v o m Verfasser] «»Vgl. 13 ff. d. Arbeit. •* Vgl. F. Klingner über die Prädikationen dieses Metrums: „ . . . nomina rerum ita quasi dilatare, ut nomina dei fiant...", De Boethii, 56 f.
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Dann aber greift Alfred den gleichen Sachverhalt34 nochmals auf, und hier ist die religiöse Intention deutlich:35 pu gestaöoladest eoröan swiöe wundorlice i festEce, p heo ne helt on nane healfe ne on nanum eorölicum Jsinge ne stent; ne nanwuht eorölices hi ne healt p hio ne sige, -j nis hirejaeahfjonne eöre to feallanne ofdune Jjonne up. (81, 10 fF.)
Um das Wunderbare deutlich sichtbar zu machen, hat Alfred nur verneinende Aussagen gebraucht, die, wenn auch unausgesprochen und im Unterton, das Wissen wiederum zur Frage werden lassen, die Alfred aber nicht mehr beantwortet. Er will das Wunder nur bekräftigen, nicht es erklären. Die unmittelbar folgenden Verse enthalten die neuplatonische Seelenlehre: Tu triplicis mediam naturae cuncta moventem conectens animam per consona membra resolvis; quae cum secta duos motum glomeravit in orbes, in semet reditura meat mentemque profundam circuit et simili convertit imagine caelum. (III, m. 9, 13 fF.)
Der St. Gallener Kommentator und ihm folgend Remigius36 beziehen die „media anima" auf die Sonne als Weltseele, die die Körper erwärmt, erleuchtet und belebt. Die Annahme einer Weltseele aber ist gegen die Lehre der Kirche,37 so daß die Kommentatoren sich hier in ihren Stellungnahmen scheiden. In Alfreds Übersetzung ist weder von den neuplatonischen Ideen noch von den Kontroversen irgendetwas zu verspüren. Seine Stellungnahme ist orthodox. Bezeichnend ist seine Auffassung von der Verteilung der Seele im Körper. Dazu Remigius: media dicitur anima non quod a meditullio corporis id est ab umbilico sit porrecta sed quia in corde sedes illius proprie est ubi pontificum est vitae. (7>. 140v; fehlt in Eins., 144; Silk, Appx. 336, 181—183) pu eac J>a öriefealdan sawla on geöwserum limum styrest, swa p ösere sawle Jsy laesse ne byö on öam lass tan fingre öe on eallum ]?am lichoman. (81, 13 fF.) 84 In diesen Zusammenhang vom Schweben der Erde gehört auch das Beispiel des Eidotters im Eiweiß, das Alfred in den Metra verwendet (20,169 ff.). Es ist bereits im St. Gallener Anonymus enthalten {Eins. 144): „caelum et terram mareque in modum ovi dicunt figurari" (vgl. Schmidt, 40). 36 Die Weitläufigkeit der Erläuterungen, die Schmidt, 39 tadelt, ist nicht ohne System. Die Behandlung des Feuers (81, 2 ff.) geschieht in der gleichen Weise. 86 Vgl. 77 d. Arbeit, Anm. 46; Tr. 141 r — Silk, Appx. 335, 178 f.; Eins. 144. " Augustin, De civ. Dei, VII, 29; vgl. P. Courcelle, «Etüde critique», 51 ff.
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Das aber gibt die Meinung des Augustin wieder, die zur Lehrmeinung geworden war :38 Nam per omnes ejus partículas tota [seil, anima] simul adest, nec minor in minoribus et in majoribus major; sed alieubi remissius, et in ómnibus tota. (Epist. 156, II, 4, PL 33 c. 722)
Die Dreiteilung der Seele deckt sich bei Alfred mit der des Remigius, aber die Auffassung Alfreds ist eine andere, weil er die unteren Seelenteile abwertet, während Remigius ihren Sinn im Verhältnis des Menschen zu Gott betont.39 Der Gedanke von den harmonischen Entsprechungen von Makrokosmos und Mikrokosmos fehlt vielleicht aus dem gleichen Grund. Die Bewegung der Seele wird bei Remigius als Erkenntnis der Dinge gewertet, Alfred versteht sie als das Ubersichhinauswachsen der Seele zu Gott, der ihnen den ihren Verdiensten entsprechenden Platz im Himmel gegeben hat. Damit ist aber auch der platonische Gedanke des „desursus et recursus"40 ausgeschlossen und damit die Präexistenz der Seelen. Die Lehre vom Seelenwagen, die zu den folgenden Versen gehört, fand schon im Einsidlensis keinen Platz, und auch Remigius äußert sich darüber nicht sehr klar.41 Tu causis animas paribus vitasque minores provehis et levibus curribus aptans in caelum terramque seris, quas lege benigna ad te conversas reduci facis igne revertí. (III, m. 9, 18 ff.)
Unter „animas... vitasque minores" versteht Alfred im Zusammenhang mit „paribus causis" die gesamte Schöpfung in ihrer graduellen Ordnung (81, 32 ff.). Er wich darin vom St. Gallener Kommentator {Eins. 145) ebenso ab wie von Remigius. Der Anonymus versteht nur Engel und Menschen darunter, Remigius ist mit „minores peeudum animas" (7>. 141 r, Silk, Appx. 338, 199) daher Alfred näher: pu fyldest öas eoröan mid mistlicum cynrenum netena, -j hi siööan aseowe mistlicum sasde treowa •] wyrta. (82, 5 f.)
Alfred betont also das vegetative Leben, und das nicht nur an dieser Stelle (80, 15 ff.). Weitere Stellen vgl. E. Gilson, Introduction, 63. " Vgl. 77 d. Arbeit — vgl. Silk, Appx. 336 f., 193. 40 F. Klingner, De Boethii Consolatione, 32, 34, 40. 41 Eins. 145 „Curribus aptans. motibus. Non quia angeli vel animae curribus pergant, sed propter velocitatem vel levitatem et facilitatem earum dicit." Remigius erwägt mehrere Möglichkeiten. 38
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Die Beantwortung der Frage, ob Alfred im 9. Metrum mehr oder weniger unbewußt die neuplatonische Philosophie des Boethius in eine ihm geläufigere Lehre von der Schöpfung und der Seele übertragen hat oder ob er ganz bewußt eine orthodoxe Interpretation gegeben hat, wird davon abhängen, wie der Einfluß der Kommentare eingeschätzt wird. Nur wenn wir annehmen, daß Alfred und seinen Freunden lediglich einzelne Scholien zur Verfügung standen, die uns nun beinahe zufällig in Alfreds Boethius überliefert sind, werden wir der Ansicht sein dürfen, daß keine bewußte Entscheidung vorliegt. Da aber die Scholien mit einiger Sicherheit für einen größeren und dem Remigius nahestehenden Kommentar und nicht für den St. Gallener Anonymus als einzige Quelle sprechen, dürfen wir schließen, daß Alfred und seine Freunde bewußt die neuplatonischen Lehren aus der Übersetzung heraushielten und eine philosophisch unverfängliche Darstellung für den großen Hymnus des Boethius suchten. Besonders deutlich scheint dies bei der Scholie über die Verteilung der Seele im Körper zu sein.42 Bedeutsam ist, daß Alfred den Wissensstoff um seiner selbst willen nicht gesucht hat, daß es ihm um das Lob Gottes in der Weise ging, daß das menschliche Wissen die Erkenntnis von der Größe der Schöpfung vertieft, ohne sie durch Erklärungen zu reduzieren. Alfreds eigenes Verständnis sprach sich dabei in der Betonung des ,ordoc - Gedankens aus, in dem Erfassen und Betonen des Aufstiegs der Seele und in dem Preis der Vegetation. Der Lobpreis Gottes als Schöpfergott und Weltenherr steht am Anfang der christlichen Dichtung der Angelsachsen und ist einer der verbreitetsten Gegenstände der christlichen Kunst des Mittelalters. Er baut auf den Wahrheiten des christlichen Glaubens auf, die bekannt waren. Der große Hymnus des Boethius beruht auf einem Wissen, das, wie der Fehler bei der Elementenlehre zeigt, Alfred und seinen Klerikern und natürlich auch den Schülern, an die er dachte, nicht geläufig war. Er war gezwungen, Erklärungen hinzuzuziehen. Das Wunderbare der Schöpfung, auf dem jedes Gotteslob beruht und das Alfred auch sehr deutlich betont hat, verträgt die Erklärung nur bis zu einem gewissen Grad, so daß diese Notwendigkeit der Wahl zwischen dem umfangreichen Wissen des Kommentars und der hymnischen Erwäh42 Bovo II von Corvey, der sich über die philosophischen Verhältnisse im klaren war und vor der Kritik des Boethius nicht zurückschreckte, hat auch eine Anmerkung in Alfreds Sinn: „anima cuiuscumque hominis totum implet corpus" (A. Mai, Classici auctoris e vaticanis codicibus editi, III [Rom, 1831], 338).
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nung der Wunder bei Boethius ohne Erklärung wohl ein entscheidendes Korrektiv für die Alfredsche Übertragung und für die Benutzung des Kommentars darstellt. So halten sich auch die Erklärungen Alfreds zu den übrigen Metra stets in Grenzen, wenn auch der Einfluß der Kommentare zu spüren ist. Keinen Abbruch tut die Erklärung dem Metrum von dem Wunderglauben der Toren, die eben bewundern, was sie nicht verstehen (IV, m. 5). Boethius deutet nur an, worin die „Wunder" bestehen, die Kommentare und Alfred erklären sie. Boethius' erstes Beispiel ist die Bewegung des Polsterns, die sich nur der erklären kann, der weiß, daß er der Himmelsachse am nächsten steht. Dann folgen der langsame Aufgang und der schnelle Untergang des ,Bootes'. In beiden Fällen vereinheitlicht Alfred, indem er Auf- und Untergang und Polnähe auf den kürzeren und längeren Umlauf bezieht. Die Kommentare haben hier die richtige Erklärung (7>. 153v; Silk, 246, 20 ff.). So nimmt Alfred für,Bootes' eine längere Umlaufzeit an und erwähnt die des ,Saturn* mit 30 Jahren. 43 Am Anfang seiner Übertragung hat er als Gegenstand der Bewunderung noch Schnelligkeit und Ausdehnung des Firmaments genannt. Außerdem nimmt er Bezug auf den Irrglauben, daß die Sonne im Meer versinke (125, 31 ff., 136, 10 ff.), wie es bei einigen Sternen der Fall sei. Die Eklipse des Vollmondes, die auch in den Kommentaren erklärt ist {Eins. 166; Rem. 153v, Silk, 247,29 f.), hat Alfred verstanden, den Abwehrzauber durch Lärm dagegen wie Remigius nicht erwähnt (IV, m. 5, 12). Hier folgt also Alfred mehr der Praxis der Kommentare als den Erklärungen. Ein letzter Anklang dieser Art an den Kommentar des Remigius findet sich zu IV, m. 6, 14 f.: Vesper seras nuntiat umbras revehitque diem Lucifer almum. Remigius (7r. 157r) Post solem videlicet apparendo ... ante ortum solis oriendo. (fehlt bei Silk, 263, 21 ff. und Eins. 170) Fard ponne after pare sunnan on öaere eoröan sceade od he ofirnd pa sunnan hindan. (136, 2 f.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Man wird sagen können, daß Alfred Wissen um seiner selbst willen nicht übermäßig schätzte, besonders wenn es sich zudem noch auf das 43 Vgl. K. H. Schmidt, 58. An der entsprechenden Stelle des altenglischen Metrums ist die Umlaufzeit für .Bootes' und .Saturn' mit je 30 Jahren angegeben (v. 25 ff.). Es ist der gravierendste Fehler der Metrenübersetzung, und es fallt schwer, für ihn eine vernünftige Erklärung zu finden, auch wenn man ein gewisses Maß an Desinteresse voraussetzen kann.
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spekulative Wissen des Neuplatonismus bezog. Seine Glossen zur Geschichte und Mythologie sind reichhaltiger als die zur Kosmologie. Die Hochschätzung der Weisheit wirkt sich hier weniger aus, wo es nicht nur um das Wissen von Gott, Seele und Dasein geht, sondern um spekulative Naturphilosophie. Diese Haltung hat ihre Vorgeschichte in dem Wissenschaftsbegriff, wie er besonders bei Ambrosius anzutreffen ist, wenn er auch weiter in die Antike zurückreicht. Aus unserem Sachbereich macht E. K. RAND auf folgendes Zitat aufmerksam: 44 de terrae quoque vel qualitate vel positione tractare nihil prosit ad speciem futuri, cum satis sit ad scientiam quod scripturam divinarum sériés comprehendit quia suspendit terram in nihilo. quid nobis discutere utrum in aere pendeat an super aquam, ut inde nascatur controversia quomodo aeris natura tenuis et mollior molem possit sustentare terram aut quomodo, si super aquas, non demergatur in aquam . . . ? nonne evidenter ostendit deus omnia maiestate sua consistere, non numéro, pondéré atque mensura? neque enim creatura legem tribuit, sed accipit aut servat acceptam. non ergo quod in medio sit terra quasi aqua lance suspenditur, sed quia maiestas dei voluntatis suae eam lege constringit. 4. Die allegorische Interpretation Im philosophischen Denken des Mittelalters ist die Wirklichkeit geistiger Natur. Gott ist das ,ens realissimum', von dem aus die Dinge der Welt ihr Sein erhalten. Es ist ein gemindertes Sein, aber es hat auch seine Vollkommenheit und Singularität, und das einzelne Seiende weist in seiner Art und in seiner Stellung in der Ordnung des Seins auf das Ganze und auf Gott, den es in vielfacher Weise offenbart. E. GILSON hat dies folgendermaßen beschrieben :45 Comme c'est par bonté que Dieu donne aux êtres d'être, c'est par bonté qu'il donne aux causes d'être causes, leur déléguant ainsi quelque participation de sa puissance en même temps que son actualité. Ou plutôt puisque la causalité découle de l'actualité, il leur confère l'une par la même qu'il leur confère l'autre, si bien que le monde physique où nous vivons offre à la pensée du chrétien, comme un revers de son physicisme même, une autre face où tout ce qui se lit, d'un côté, en termes de forces d'énergies et de lois, se lit en termes de participations à l'être divin et d'analogies. 44 E. K. Rand, Founders, 92 ff., Ambrosius, Exameron, I, 6, 22, Sancti Ambrosi I, Ree. C. Schenkl, C. S. E. L. 32, 1, 18 (Leipzig, 1897). 46 E. Gilson, L'esprit de la philosophie médiévale (Paris, 2 1948), 101 f.
Opera,
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Zum literarischen Ausdruck solchen Weltverstehens gehörte die Allegorie. Sie hatte sich aus sehr verschiedenen Bereichen des philosophischen Denkens und der literarischen Darstellung entwickelt und, obgleich sie im 9. Jahrhundert schon eine ehrwürdige Tradition besaß, lag die Periode ihrer höchsten Entfaltung noch vor ihr.46 Wenn wir bei den Kommentatoren und bei Alfred auf sie stoßen, so stellt sie sich noch nicht eindeutig dar. Sie trägt noch deutlich die Charakteristiken des jeweiligen Ursprungs, und wenn es bei der Komplexität der Gestaltung im einzelnen Fall auch nicht angängig ist, allzu streng zu rubrizieren, so seien doch zu Anfang dieses Kapitels die Hauptgruppen ihrer Entstehung und Eigenart nach kurz erwähnt: 1. Am ursprünglichsten dürfte die ,personificatio' sein. Sie hat im anthropomorphen Denken der Sprache ihren Platz und ist mit Denken und Sprache unmittelbar als Anschauung gegeben. Sie drückt sich im religiösen Bewußtsein ebenso aus wie in der Poesie und der Philosophie. Der Aufschwung dieser originären Form geistiger Anschauung zur bewußten Gestaltung allegorischer Mächte im Denken und in der künstlerischen Darstellung fällt in die Spätantike und wird nicht nur als ein literarisches und philosophisches, sondern auch als ein psychologisches Phänomen bewertet.47 Bei Boethius hat diese Personifizierung in erster Linie philosophische Hintergründe. Wir treffen sie an als „Hypostasen" in der Gestalt von Mächten, potenzierte Abstrakta, wie ,natura', ,Providentia', ,ratio', ,bonum' u. a. Wir dürfen sie nicht als leichtfertige Fiktionen abtun, sondern müssen sie als wirkende Kausalitäten und Analogien des göttlichen Geistes verstehen, wie sie in dem Zitat von Gilson aufgefaßt sind und wie sie sich in der langen Geschichte der griechischen Philosophie von den Joniern her entwickelt haben. Fortuna trägt ein doppeltes Gesicht, weil sie sich seit der Sullanischen Zeit und besonders in der römischen religiösen Vorstellung der Spätantike dem Bewußtsein der Menschen tief eingeprägt hat. 2. Die ursprüngliche Form der ,personificatio' verdichtet sich in der Kunst zu dem, was wir „allegorische Person" nennen und als literarische Konvention negativ zu werten gewöhnt sind. Das ist unhistorisch und verstellt uns den Blick auf das Typische, das immer, wenn auch unter wechselnden Formen, literarische Geltung beansprucht. 46 Vgl. C. S. Lewis, The Allegory, passim; E. R. Curtius, Europäische Literatur, 209 ff., u. a.; E. K. Rand, Founders, 85 ff. u. a. 47 E. R. Curtius, Europäische Literatur, 109 ff; C. S. Lewis, The Allegory, 59 ff.
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In der Consolatio entspricht dieser Form die beherrschende Gestalt der ,Philosophia'. Sie stellt keinen konventionellen Trick dar, sondern eine wirkliche Macht, sie ist Mutter der Tugenden, mächtige Führerin des Geistes zur Erkenntnis, und wenn die Kommentare und Alfred sie mit der ,Sapientia Dei£ oder mit Augustin dem Sohn Gottes gleichsetzen, so spricht das für die Aufhöhung, deren eine solche Fiktion fähig war, für die innere Wahrheit einer geistigen Anschauung und ihre Kraft der Überzeugung. 3. Die allegorisierende Deutung. Aus der allegorischen Umdeutung des Homer in der Apologie des Dichters gegen die Philosophen, aus der Allegorese des Vergil und der Bibel erwachsen, wurde sie zur „Grundlage aller Textinterpretation" im frühen Mittelalter.48 Ein Seitenzweig ist die allegorische Mythendeutung, die dann von der Philosophie, Theologie und Philologie wieder auf die Literatur zurückgewirkt hat. In der Consolatio begegnen wir ihren Spuren bei der Ausdeutung der Sagen von Orpheus, Odysseus, Kirke und Herakles.48 4. Die Bildallegorie. Sie ist vielleicht die am meisten bewußte literarische Schöpfung allegorischen Gehalts, die aber auch dem volkstümlichen Bewußtsein nicht fremd und im Bereich der bildenden Kunst und der Religion selbstverständlich ist. C. S. LEWIS datiert sie in ihren eigensten Zügen auf Claudian, läßt aber dabei eine Fülle literarischer Vorformen außer Betracht.60 Boethius verwendet sie nicht, die Kommentare nennen nichts dergleichen, aber Alfred führt sie in die Übertragung ein. Sie wird eine beherrrschende Form allegorischer Darstellung im Mittelalter, und von ihr oder von der „allegorischen Person" aus sind die modernen Definitionen der „Allegorie" gedacht, die darauf beruhen, daß „eine Beziehung des Bedeutens zwischen einem Sinnfälligen und einem Abstrakt-Ideellen" hergestellt wird.61 E. R. Curtius, Europäische Literatur, 209 f. und die dortigen Literaturangaben. Vgl. H. Rahner, Griechische Mythen in christlicher Deutung (Zürich, 1945) und O. Gruppe, Geschichte der klassischen Mythologie, 10 ff. über das Wiederaufleben der symbolischen Mythenauslegung im 9. Jahrhundert. Vgl. 129 ff. d. Arbeit. 60 C. S. Lewis, The Allegory, 73 ff. Man findet bei Plautus bereits detaillierte Bildallegorien, aber besonders scheint Ovids Rolle bei der Ausbildung der Allegorie unterbewertet. 51 H. H. Glunz, Die Literarästhetik des europäischen Mittelalters (Bochum, 1937), 27 im Anschluß an Gundolf und Goethe. Über das Wiederaufleben der allegorischen Interpretation und deren Grundzüge im frühen Mittelalter enthält dieses Buch, das Curtius eines umfassenden Tadels würdigte, viel Wichtiges und auch Richtiges. 49
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Boethius knüpft mit der Einführung der ,Philosophia' an eine alte apokalyptische Tradition an, die er aber doch in eigener Weise abgewandelt hat.62 Dabei hat er den Zeichencharakter der allegorischen Züge bis auf eine einzige Ausnahme nicht gedeutet. Er führt die ,Philosophia' vor in ihrer wechselnden Gestalt, ihre Gesichtszüge, ihre Kleidung, ihre ikonographischen Attribute, Szepter und Schriften. Jeder Zug hat eine oder mehrere Bedeutungen, aber er selbst hat sie nicht erklärt, und sie sind nur in der Sprache der Bildzüge lebendig bis auf die eine Ausnahme, wo es Boethius auf eine Bedeutung ankam, die er besonders und unmißverständlich verstanden haben wollte. Aus dem Kleid der ,Philosophia', an sich aus unzerreißbarem Stoff gewirkt, sind einige Fetzen mit Gewalt herausgerissen (I,p. 1,21 ff.), wie sie die Schüler gerade erwischen mochten. Unter diesen Schülern will Boethius Stoiker und Epikuräer verstanden wissen (I, p. 3,19 ff.), die nunmehr die kümmerlichen Lappen, die sie erwischt haben, für das Ganze der Philosophie ansehen. Eine solche Aussage überstieg die Möglichkeiten der rein bildlichen Darstellung, und daher blieb nur der Weg der ergänzenden Deutung. Ansonsten hat er es bei der bildlichen Darstellung belassen und so die Allegorie als eine künstlerische Fiktion genommen, die eine Aussage in Form eines Bildes gibt, die aber zu deuten nicht die Sache des Dichters ist. Darin haben die Kommentatoren ihre Aufgabe gesehen, und zwar haben sie zum Teil auch mehrere Möglichkeiten der Deutung gegeben, ohne daß man den berühmten Drei- oder Vierschritt der Deutung63 erkennen könnte. Alfred ist dem Vorbild der Kommentatoren in der allegorisierenden Deutung zum großen Teil gefolgt, und an einigen Stellen ist er sogar mit einer gewissen Pedanterie zu Werke gegangen. Daneben aber finden wir auch wiederum Auswahl und Zurückhaltung, und wenn sich auch eine starke Liebe zur Bildhaftigkeit herausstellt, so gibt er doch oft der Klarheit der begrifflichen Sprache den Vorzug. So ist der Beginn der Co/zW^/zo-Übertragung recht prosaisch, wie es überhaupt den Anschein hat, als habe sich Alfreds innere Einstellung 62 Vgl. K. Reichenbeiger, Untersuchungen, 5; F. Klingner, DeBoethii, 113 ff.; W. Schmid, „Philosophisch-Medizinisches in der Consolatio des Boethius", Festschrift für B. Stull (München, 1956), 114; P. Courcelle, Les lettres, 279. 53 Vgl. E. K. Rand, Founders, 86 ff.; H. H. Glunz, Die Literarästhetik; H. Schelp, „Die Deutungstradition in -äLlfrics Homiliae Catholicae", Archiv für das Studium der neueren Sprachen 196 (1960), 273 ff.
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zum Stoff erst während der Arbeit geformt. So läßt es sich am besten erklären, daß er die kunstvolle Allegorie der ,Philosophia' bis auf wenige Züge gestrichen hat. Die in ihrer ganzen Macht geschilderte Erscheinung wird von dem Tränenblinden zunächst überhaupt nicht erkannt, während sie Alfred sofort mit ihrem Namen einführt "heofencund Wisdom" (8, 16).54 Das zerrissene Kleid ist das einzige Attribut, das Alfred erwähnt und deutet. Aber die Festlegung des Boethius hat er ebensowenig übernommen wie die der Kommentare, die von Häretikern sprechen {Eins. 98; Tr. 118v; Silk, 15,14 ff.), die die Lehre in Stücke reißen. Alfred aber sieht seiner inneren Einstellung nach hier solche Jünger der Weisheit am Werk, die sich mit allzugroßem Selbstvertrauen und Sucht nach Ruhm Torheit erworben haben (9, 4 ff.) —• mit dem charakteristischen Zusatz, es sei denn, daß sie sich später besserten. Wir können wohl annehmen, daß Alfred sich hier sehr selbständig zu einer eigenen Auslegung im Sinne einer einfachen moralischen Nutzanwendung (sensus moralis) entschied gegen die philosophische Erklärung des Boethius und die theologische der Kommentare. Ebenso hat Alfred die Musen zusammengestutzt, die die Kommentare mehrfach deuteten. Bei ihm sind es ganz einfach die "woruldsorga" und nicht die „scenicae meretriculae" (I, p. 1. 27 f.), denen 'Wisdom' die Tür weist (8, 21 ff.). Kann man hier noch bei den „Personifizierungsallegorien"65 die Berechtigung der Auslegung völlig anerkennen, so bleiben die Kommentatoren dabei nicht stehen, sondern suchen überall die geistige Bedeutung, und an einer Stelle hat Alfred explicite auf die Methode der Auslegung Bezug genommen. Die ,Philosophia' erinnert Boethius an seine Heimat: Si enim, cuius oriundo sis patriae, reminiscare . . . (I, p. 5, 9) . . . ¡Dser JDU gemunan woldest hwylcra gebyrda D ¡ U waere -| hwylcra burgwara for worulde; oööe eft gastlice hwilces geferscipes JJU wasre on Jsinum mode . . . (11, 13 ff.) Alfred überträgt also zuerst dem Wordaut entsprechend literaliter, dann nach der Bedeutung „im geistigen Sinn" (gastlice = spirit(u)aliter). Er versteht die Frage des Boethius nach der Heimat im philosophischen Sinn als Hinweis auf die geistige Heimat der Seele. Dies ist aber die 64 Wahrscheinlich bedingt das Genus die Änderung zu 'seo Gesceadwisnes', das Alfred später meistens gebraucht. 56 E. Auerbach, Typologische Motive in der mittelalterlichen Literatur, Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts Köln II (Krefeld, 1953), 12.
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Otten, Alfreds Boethius
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einzige Stelle, an der Alfred ausdrücklich kundgibt, daß er nicht nur Ubersetzer sein will, sondern Deuter des verborgenen Sinns. Das ist nun durchgehend zu verfolgen, und wenn an dieser Stelle die Kommentare nur mittelbar von Einfluß sind, so gehen doch die allegorischen Deutungen Alfreds bis auf geringe Ausnahmen auf die Kommentare zurück. Die ,Philosophia' trocknet die Tränen des Boethius: Haec dixit oculosque meos fletibus undantes contracta in rugam veste siccavit. (I, p. 2, 15) Eins. 101 hat folgende Glosse: lumina eius scilicet cordis eius. (Keine Entsprechung bei Remigius Tr. 123 r)
Alfred hat bei der Zusammenziehung des Beginns der Consolatio diese Geste beibehalten und erklärt: pa eode se Wisdom near, cwieö Boetius, minum hreowsiendum gelohte, -] hit swa niowul ]pa hwaethwega up araerde; adrigde J>a mines modes eagan, -| hit fran . . . (8, 24 ff.)
In Alfreds Übersetzung steckt noch eine andere Geste der ,Philosophia': „Tum illa propius accedens" (I, p. 1,45). Bemerkenswert ist, daß Alfred in diesem Fall die wörtliche Entsprechung überhaupt vermieden und den geistigen Sinn wohl gemäß dem Kommentar in einer für unsere Begriffe kühnen Metonymie allein berücksichtigt hat. Das ist jedoch nicht seine allgemeine Praxis. Wenn aber die Bedeutung stets neben den Wortlaut tritt, so wird dadurch die poetische Ambivalenz leicht zerstört und die Anschauung durch den Begriff in undichterischer Weise aufgehoben, wie es in der Metrenübersetzung manchmal der Fall ist: Heu quam praecipiti mersa profundo mens hebet et propria luce relicta tendit in externas ire tenebras, terrenis quotiens flatibus aucta crescit in immensum noxia cura! (I, m. 2, 1 ff.)
Alfred hat von diesem Metrum nur diese fünf Zeilen übersetzt und dabei Kommentarscholien herangezogen: Tr. 119: Propriam lucem relinquit, qui deo se alienaverit, qui vera lux est . . . Tenebras . . . infernales perturbationes saeculi . . . Gif hit \scil. Mod] Jjonne forget his ahgen leoht, f is ece gefea, -| öringö on Jsa fremdan Jsistro, p sind woruldsorga, swa swa öis Mod nu deö, nu hit nauht elles nat butan gnornunga. (9, 12 ff.)
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Hier ist von poetischer Wirkung keine Rede mehr, und die Form des Nachtrages und die Gestaltung lassen das Didaktische allzudeutlich erkennen. Daneben wird deutlich, daß Alfred gegenüber dem Kommentar seine eigenen Wege geht und vor allen Dingen das Theologische nicht in seiner Schwerfälligkeit übernommen hat,66 sondern sich doch wiederum mehr von der Form des Metrums hat leiten lassen. Unter dem Bild der Verbannung legt die ,Philosophia' dar, daß Boethius sein Vaterland verlassen habe: Cum te, inquit, maestum lacrimantemque vidissem, ilico miserum exsulemque cognovi . . . (I, p. 5, 2 ff.) Remigius ergänzt zu „exsulem" „a statu sapientiae" (Tr. 123 r; Silk, 53, 20 ff.; Eins. 109 „a tuo sensu"): . . . ic ongeat f JDU wacre ut afaren of Jsines Fseder eöele, p is f or minum larum. (11, 3 f.) Hier hat der obenerwähnte Zusatz Alfreds von der „geistigen" Heimat der Seele seinen Platz (vgl. 145 f.), und gemäß Remigius wird dann das eigentliche Vaterland des Boethius als das „himmlische Jerusalem" gedeutet (Tr. 123r; Silk, 53, 27 ff.; Eins. 109 fehlt die Glosse), eine Lieblingsidee der Homilienliteratur.67 Unabhängig von den Kommentaren ist die Bezeichnung des „celestis patria" {Eins. 109) als der Platz der "rihtwisena -] Jaara ryhtwillendra" (11,17), und ohne Vorbild im Kommentar sind gleichfalls die Deutungen zur Willenslehre, nach denen Boethius sich selbst „von seinem guten Willen" vertrieben habe, der Heimstatt der Menschen und ihrer Freiheit.88 Hier tauchen also unter der Form der allegorischen Erklärung auch Alfreds eigene Ideen auf. Remigius nennt als Vaterland auch Rom und die Kirche (ebd.), so daß bei Alfred in dieser Glosse wiederum ganz andere Züge seines Denkens zu beobachten sind als bei Remigius. Diese dichte Folge allegorischer Erläuterungen ist auch bei Alfred im Gegensatz zu den Kommentaren auf bestimmte Höhepunkte be68 Auch der Eins, hat die starke Durchsetzung der Consolatio mit Theologischem. Diese Stelle ist auch durch den sprachlichen Anklang bemerkenswert: „Tendit in externas ire tenebras. alienas in potestate diaboli. in desperationem. Ob magnitudinem tristitiae errorem incidit desperationem." (99). 67 G. Ehrismann, „Religionsgeschichdiche Beiträge zum germanischen Frühchristentum", Beiir. zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur X X X V (1909), 219 ff., 226 ff. 68 Vgl. 43 ff. d. Arbeit.
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sonders des Anfangs beschränkt, und während er die Licht-DunkelMetapher (I, m. 2) zunächst erklärt hatte, hat er die große Metaphernkette von Dunkel und Licht am Schluß von Buch I (p. 6, 48 ff. und m. 7) im Gegensatz zu den Kommentaren ganz im bildlichen Ausdruck belassen (Eins. 113, Tr. 125v, Silk, 16, 10 ff.). Im Metrum (14, 17 ff.) hat er allerdings einen Hinweis auf die intendierte geistige Bedeutung eingefügt, der formal bereits den Charakter des Vergleichs trägt. In einem einzigen Gedicht (II, m. 4) hat Alfred mit Hilfe der Kommentare alle allegorischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Bei Boethius stehen die Dinge selbständig: Wer ein dauerndes Haus bauen will, der baut es nicht auf Bergesgipfel und nicht in den Sand, sondern auf Fels in anmutiger Niederung. „Sedem perennem" steht nicht wie bei Remigius (Tr. 128v, Silk, 88,7) für„paratam sedem in caelis", sondern für "godcunde wisdom" in Übereinstimmung mit Alfreds sonstiger Betonung der Weisheit. Den hohen Berg deuten Alfred und die Kommentare auf „superbia" (Eins. 121 ebenfalls). Der durstige Sand entspricht nicht den „negotia saecularia" (ebd.), sondern den "gitsunga", so daß Alfred auch hier seinen Anschauungen der Güterlehre entsprechend scheidet. Gleichlautend mit den Kommentaren ist das Haus „domus mentís" = "p hus his modes" (27, 6), und „saxum" ist Christus selbst. Dies ist die einzige Stelle, an der Alfred auf Christus Bezug nimmt. Inhaltlich haben wir es ohne Zweifel mit einer allegorischen Deutung zu tun, aber formal hat Alfred zwischen Bild und Deutung durch den Vergleich vermittelt. Bild und Deutung sind also nicht in der Epexegese "p is" auseinandergerissen, sondern die Deutung ist wiederum bis in die Einzelzüge hinein in das Bild mit Hilfe des Vergleichs zurückverwandelt. Streng genommen verlassen wir hier den Bereich der Allegorie, die auf der unmittelbaren und unbedingten Entsprechung des Ideellen mit dem Sinnfälligen beruht. Aber da Alfred die Form des Vergleichs auf die allegorische Ausdeutung überträgt, wäre es unangebracht, hier rein aus formalen Gründen allzu scharf zu scheiden. Ohne Vorbild im Kommentar ist die folgende Erklärung, die, auch von Boethius' Text her gesehen, keinesfalls allegorisch gemeint war. Als die ,Philosophia' aufzählt, welche Güter Boethius noch im Kerker verblieben sind, schließt sie: . . . nec tibi nimium valida tempestas incubuit, quando tenaces haerent ancorae, quae nec praesentis solamen nec futuri spem temporis abesse patiantur. (II, p. 4, 29 ff.) 148
Alfred faßt „Anker" hier auf zwei Ebenen auf. Einmal deutet er „ancorae" in selektiver Anlehnung an den Kommentar (Tr. 127v; Silk, 81, 1 ff.; Eins. 119) als die beiden Söhne des Boethius, von denen kurz vorher die Rede war, dann aber selbständig wohl im Blick auf „spes" als "|}in agna treowa -] seo godcunde lufu -| se tohopa", die den Menschen am ewigen Leben nicht verzweifeln lassen. Daß hier (23, 6 ff.) eine feste emblematische Beziehung zugrunde liegt, ist daraus zu erkennen, daß Alfred in der Soliloquien-Übctsctz-ang den gleichen Zusatz in ähnlichem Zusammenhang macht (ed. Endter, 30, 2 ff.). Man kennt die allegorische Darstellung von ,Spes' mit dem Anker aus der christlichen Ikonographie. Sie ist noch der Barockkunst vertraut. Bei einer solchen allegorischen Deutung geht Alfred in einem anderen Fall zu weit. Er übersetzt die Feststellung des Boethius, daß nicht dem Träger der schönen Kleider die Bewunderung gebührt, sondern dem „ingenium artificis" (II, p. 5, 45) mit: J>am wyrhtan ]pe hi worhte, . . . Se wyrhta is God. (30, 21 f.) Auch Remigius schießt einmal mit der Deutung über das Ziel hinaus, und Alfred folgt ihm. Boethius erklärt, daß der Ruhmreiche zweimal sterbe, einmal den natürlichen Tod und zum zweiten Mal, wenn Name und Ruhm endgültig dem Vergessen anheimfallen (II, m. 7, 26). Remigius und Alfred (7>.132v — nicht so Silk, 110,28 und Eins. 130)59 verstehen beide „secunda mors" als „aeterna perditio" (47, 1). Ohne Zweifel hängt mit dem Bestreben nach allegorischer Deutung auch jene am Anfang behandelte Erscheinung des Ersatzes von Kräften und Mächten des Geistes Gottes durch den Namen Gottes selbst zusammen.60 Allerdings handelte sich es dort nicht um Deutung im Sinne des Allegorischen, sondern um den bloßen Ersatz von Ausdrücken. Diese Erscheinung greift aber in den Bereich des Allegorischen über. So beklagt Boethius (III, m. 8, 1 f.), daß die Unwissenheit den unglücklichen Menschen vom rechten Weg abbringe, und Alfred erläutert: "Se weg is God" (73, 24). Diese vorschnelle Identifikation von Dingen und Kräften mit Gott hat in diesem Fall noch den Charakter der allegorischen Deutung, 6* Eins. 1 3 0 : „Cum sera. iudicialis novissima omnium dies, licet sero veniat. etiam famam rapiet. si antea terminata non fuerit. hoc etiam dies, inanibus laudibus. iam TOS in anima si rea. Manet. expectat primitus in corpore postea in fama." Hier könnte aber auch das Verständnis anderweitig vermittelt sein, vgl. „ M o r s secunda et mors vocatur, et nemo ita moritur" (Augustin, Serm., 3 0 7 , 5 u. a. bei J . P. Christopher ed., De Catecb. Rud., 143). 60 V g l . 1 7 ff. dieser Arbeit.
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aber wenn es um Begriffe wie „bonum" (III, m. 8,15 = 74,9) 61 oder „principium" (III, p. 3, 2 = 58, 8) 82 und„beatitudinis finem" (III,p. 2, 4 f. = 52,20) 63 geht, so handelt es sich zwar auch hier um eine Deutung, aber es wird kein Bild mehr gedeutet, sondern ein besonderes Attribut Gottes, und ein Aspekt seines göttlichen Seins wird durch Gott selbst ersetzt. Auch eine andere Erscheinung, die zur Allegorisierung des altenglischen Textes gehört, soll hier nicht mehr besprochen werden: Alfreds Bildallegorien. Sie sind Teil einer bildlichen Anschauungsweise, die umfassender ist als die Form der Allegorie und die weder durch Boethius noch durch die Kommentare bestimmt ist, sondern durch Alfreds Stil und die Eigenart seiner Vorstellungsweise, und sie soll daher im Zusammenhang mit Stilfragen behandelt werden. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Alfreds Stellung zur allegorischen Interpretation nicht eindeutig ist. Er hat zu Beginn seiner Übersetzung, abgesehen von den Kürzungen, öfter von der Deutung Gebrauch gemacht als in den folgenden Teilen. Auf der einen Seite suchte er begriffliche Eindeutigkeit und den verborgenen Sinn, auf der anderen liebte er das Bild, das den Sinn birgt und verhüllt. So wandelt er die Form der allegorischen Interpretation in einigen Fällen zum Vergleich ab und vermittelt solcherart zwischen der Form der Kommentare und der des Originals. Bei der Benutzung der Kommentare fallt wiederum Alfreds Selbständigkeit auf. Er hat den spezifisch theologischen Gehalt vielfach gemieden und seine eigenen Gedanken untergebracht. Die starke Ausformung der Allegorie vom himmlischen Jerusalem und der Heimat der Seele im Himmel zeigt Alfreds persönliches Interesse, das aber in der religiösen Eigenart seiner Zeit mitbegründet ist, das Wissen, daß die Seelen im Irdischen zum Himmlischen aufgebrochen sind. Wenn es sich bei dem Verständnis des Boethius darum handelte, göttliches Sein und Wirken in Ding und Begriff sichtbar zu machen, so hat Alfred die allegorische Interpretation als Pflicht angesehen, und daher finden sich allegorische Erklärungen, für die die Kommentare kein Vorbild abgeben; wo aber der Bildcharakter Aussagekraft genug besaß, hat Alfred das Bild des Originals beibe-
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Eins. 140 f; Tr. 138 v. «2 Tr. 135 r; Eins. 134; Silk, 125, 21 f. 68 Ohne Vorbild in den Kommentaren {Tr. 133y; Eins. 132) — ähnliche Stellen bei Alfred 76, 7 ff., 12 ff.; 94, 4.
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halten.64 Doch das erkannte Sein Gottes als Sinn eines Begriffs, das ließ er nicht unter der Hülle des Wortes verborgen. Bei den Heiligen Schriften hat Augustin die allegorische Deutung ausdrücklich zur Pflicht gemacht, gerade für solche Katecheten, die die Rhetorenschulen besucht haben: neque arbitrentur carnalibus integumentis involuta atque aperta dicta vel facta hominum, quae in illis libris leguntur, non evolvenda atque aperienda ut intellegantur, sed sie aeeipienda ut litterae sonant. His enim maxime utile est nosse, ita esse praeponendas verbis sententias, ut praeponitur animus corpori. {De catch, rud. IX, 13, PL 40, c. 320) 5. Sonstige theologisch-philosophische Scholien der Kommentare Nur noch wenige Zitate des Kommentars sind bei der gewählten Gruppierung unberücksichtigt geblieben und sollen hier mit solchen, die besonderes Interesse verdienen, nachgetragen werden. Wir haben festgestellt, daß Alfred gegenüber dem Gedanken der Harmonie der Schöpfung, wie Boethius sie verstanden hat, vorsichtiger ist. Seine Vorstellung ist vom Dualismus geprägt, und innerhalb der Schöpfung betont er stark die Sonderstellung des Menschen: nihil antiqua lege solutum linquit propriae stationis opus. (I, m. 5, 23 f.) Homines non tenentur ea lege qua conditi sunt, quia, cum omnia teneant propriam legem, homines sua adinventione Semper faciunt malum. (7>. 122v; die Glosse fehlt in Eins. 109 und bei Silk, 51, 20 ff.) Hwast, pe ealle gesceafta heorsumiad, -j pa gesetnessa pinra beboda healdad, butan men amm\ se Jje oferheorö. (10, 14 f.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Wenn auch für Alfreds Aussage die folgenden Verse noch mitzuberücksichtigen sind, so ist doch die Form der Remigius-Glosse deutlich genug, so daß wir auch hier ein Beispiel für die Annahme haben, daß Alfred mit dem St. Gallener Anonymus keinesfalls allein ausgekommen sein kann. Die Form der Glosse bei Alfred erklärt sich im übrigen aus der Anlehnung an Boethius und aus der antithetischen Sprachgestaltung. Gemeinsam mit den Kommentaren ist die Deutung folgender Stelle: 64 In allen Kommentaren ist der Anfang des 1. Metrums Buch IV „Sunt enim pennae volucres mihi" allegorisch gedeutet, als „virtutes" (7>. 147 v, Silk, 222, 11 f.) oder „acutissimi sensus" {Eins. 158) — Alfred hat nur die wörtliche Übertragung.
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Quodsi multos scimus beatitudinis fructum non morte solum, verum etiam doloribus suppliciisque quaesisse . . . (II, p. 4, 91 if.) Unter „multos" verstehen Alfred und die Kommentare in gleicher Weise "J>a halgan martiras" (26, 21).6B Der Begriff der Substanz bereitete Alfred bei der Übersetzung Schwierigkeiten, und seine Erläuterungen decken sich mit denen der Kommentare. . . . sufficientiae, potentiae etc. . . . nomina quidem esse diversa, nullo modo vero discrepare substantiam. (III, p. 9, 39 ff.) sicut in deo cognoscitur qui omnia bona in se continens diversis censetur nominibus ipsa autem eius substantia una est et deitate simplex. (Tr. 139r; ähnlich Silk, 151, 3 ff.) quamvis divinitàs quae cuncta in se continet bona multis nuncupatur nominibus ipsa tam substantia individua est. {Eins. 142) (God) biö anfeald untodceled, peah he asr on manig tonemned ware. (76, 9 f.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Hier steht Alfreds Formulierung dem St. Gallener Anonymus um einiges näher. Der gleiche Zusammenhang taucht nochmals (10,106ff.) auf, und hier benutzen Alfred (86, 26 ff. und 87, 23 ff.) und die Kommentare (Tr. 142v; Silk, 197,18 ff. ; Eins. 149) die Leib-Seele-Metapher zur Verdeutlichung, aber die Ausdrucksweise läßt keine Differenzierungen zu. Die Vorsicht Alfreds gegenüber einem Gedanken, der Gott Ungerechtes zusprechen könnte, wird von den Kommentaren geteilt: Sed ea res ipsa est vel maxima nostri causa maeroris, quod cum rerum bonus rector exsistat, vel esse omnino mala possint vel impunita praetereant. (IV, p. 1, 8 ff.) . . . si deus bonus est et solum bonum velit, quo modo impiorum perversitas adversus iustorum innocentiam non numquam praevalere possit, vel etiam quem admodum malum esse possit; aut si est, qualiter inpunitum praetereat. (Tr. 147r, Silk, 104, 1 ff.) Vel esse omnino sub [sequitur?] cur vel impunita praetereant id est non statim puniat. Duas hereses pro miraculo ponit, unam cur deus flagitiosus impune fieri sinat. Alteram cur sanctis et iustis hominibus dominari permittentur. (Anschließend folgen die Gegenargumente. Eins. 157) p ic wundrige forhwy se gooda God laste asnig yfel bion, oööe gif hit peah bion scjle, -] he hit gej>afian wille, forhwy he hit ponne sona ne wrece. (104, 1 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser] " Tr. 128v, Silk, 87, 14 f., Eins. 120.
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Alfred hat mit Remigius die Einschränkung der Aussage zur Hypothese gemeinsam, mit dem Einsidlensis das Eliminieren der Straflosigkeit. Deutlich ist wiederum, wie wenig sich Alfred um die theologischen Implikationen gekümmert hat, die hier im St. Gallener Kommentar besonders auffallen. An einer Stelle: „vilia vasa colerentur pretiosa sordescerent" (IV, p. 1, 21 f.) haben die Herausgeber,66 aber auch bereits Remigius, eine Ähnlichkeit mit einem Paulinischen Gleichnis (2. Tim. 2, 20) festgestellt (Tr. 147 r, Silk, 221,13), und Alfred hat „vilia" und „pretiosa" dem Wortlaut dieser Paulus-Stelle nach aufgelöst: on sumes cyninges hirede sien gyldenu fatu selfrenu forsewen, -\ treowenu mon weoröige. (104, 16 f.) Der Hinweis auf die Paulusstelle fehlt in Eins. 158. Boethius hat die Strafen der Schuldigen nach dem Tod kurz erwähnt (IV, p. 4,70 ff.), und Alfred hat diese Stelle erweitert (120, 8 ff.). Doch ist Alfreds Darstellung umfassender als die der Kommentare, so daß genauere Schlüsse nicht möglich sind (IV, p. 4,70ff.—-Silk, 241, 1 ff.; Tr. 152r; Eins. 164: „poenali acerbitate. aeternitate. purgatoria. expiabili veniabiü"). Zu der umstrittenen Frage der Präexistenz der Seelen (V, p. 2,15 ff.) führen die Kommentare voneinander abweichende Stellungnahmen Augustins (Tr. 160r, Silk, 280, 5 ff.)67 an. Alfred hat die sich ergebende Frage ausgeschlossen durch ein anderes Verständnis der Stelle, sich aber dabei der Umformung des Remigius bedient: Nam supernis divinisque substantiis et perspicax iudicium et incorrupta voluntas et efficax optatorum praesto est potestas. Humanas vero animas liberiores quidem esse necesse est, cum se in mentis divinae speculatione conservant, minus vero cum dilabuntur ad Corpora, minusque etiam, cum terrenis artubus colligantur. (V, p. 2,13 ff.) Zu „divinisque substantiis" ergänzt Remigius „angelicis spiritibus" (Tr. 160r; Silk, 279, 22 ff), Eins. 174 „angelis et deo", und Alfred übersetzt "Englas". Zu „incorrupta voluntas" findet sich bei Remigius (Silk, 279, 1 ff.): „Sancti vero angeli . . . ita solidati sunt . . . ut iam non velint nec etiam possint malum et bonum quod velint statim omnino possint perficere." •• Vgl. Index der Schriftzitate bei Bieler im Anhang zur Ausgabe. " Vgl. P. Courcelle, «Etüde critique», 62 u. a. I. Schröbler, Notker III, über die Behandlung der Frage bei Notker mit den einschlägigen Augustin-Zitaten. Notker hat im Gegensatz zu Alfred dazu Stellung genommen.
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Alfred übersetzt: 1 eall p hi wilniaö hi begitaö swiöe eaöe, forösemj^e hi nanes wos ne wilniaö. (140, 28 ff.) Einleitend findet sich bei Remigius (Tr. ebd.; Silk, 278, 22 ff.): Sciendum itaque, quod soli angeli et homines rationabiles a deo creati sunt, quibus etiam liberum arbitrium est concessum sive ad bonum sive ad malum. (Tr. 160r) Alfred nimmt dies zum Teil auf: Nis nan Jse hsebbe friodom monnum; (140, 30 f.)
gesceadwisnesse buton englum •)
Als es aber nun darum geht, den ,decursus' der Seele aufzuzeigen, verläßt Alfred die Kommentare: Humanas vero animas i. e. excellentias naturae animarum monstrat in suo arbitrio. In mentis scientiae. divina sc. arte contemplativa. Conservant prius quam in corpora veniant ut philosophi voluerint. (Eins. 174) Humanae vero animae tunc sunt liberae quando sunt in contemplatione divinae mentis; quando autem voluptatibus corporis afficiuntur et in terrenis delectantur, tunc a libertate decidunt. Hie tangit quod philosophi . . . (Tr. 160r; Silk, 280, 8 ff.) ]sa men habbaö simle freodom J)y maran ¡De hi heora mod near godcundum öingum laetaö. (140, 31 f.) Alfred versteht also ,contemplatio' nicht als ein Stadium der Seele vor ihrer Vereinigung mit dem Körper, sondern als das denkende Verweilen des Menschen mit Göttlichem, wie er es auch vorher schon ausgesprochen hatte (81, 25 ff.), und dieser Gedanke verträgt sich mit der Lehre der Kirche. Ein bedeutsames Scholion findet sich zur Frage der göttlichen und menschlichen Erkenntnisweise. Boethius spricht die ,Intellegentia' nur Gott zu: Ratio vero humani tantum generis est sicut intellegentia sola divini. (V,p. 5, 17 f.) Quarta [species cogitationis, seil, intellegentia] sanetis spiritibus et quibusdam hominibus, qui merito sanetitatis deo adhaerentes per contemplationem dei terrena omnia transcendunt. (Tr. 165r) Alfred, der diesen Gedanken in Form der Parainese gibt, hat nur das Wesentliche übernommen, das ihn aber von Boethius vinterscheidet: 154
Ac \>xt is earmlic f se maesta dasl monna ne secò . . . ]p£et him ofer is, p is Jsast englas habbaö i wise men; p is gewis andget. (146,14 ff.) Für Alfred stand hier ein Gedanke auf dem Spiel, an dem ihm besonders gelegen war: Der Mensch kann göttlich werden, wenn er das höchste Ziel des Strebens der Seele erreicht: Gott. Er vermochte die Ontologie des Boethius, den Unterschied der Seinsweise von göttlichem und menschlichem Geist nicht von der Frage des Aufstiegs der Seele zu Gott zu trennen. Für Alfred wie für Remigius stand es fest, daß Gott den Heiligen und den, der im vollen Besitz der Gnade ist — und sie daher auch von Gott aus gesehen verdient — auch solcher Einsichten würdigt, die sonst der spezifisch göttlichen Erkenntnisweise vorbehalten sind. Auf dieser Auffassung beruht letztlich die Visionsliteratur der christlichen Schriftsteller, wie wir sie in den Dialogen Gregors oder in Bedas Kirchengeschichte kennengelernt haben. b. Der Beitrag der Kommentare
Alfreds Boethius
Es ist nicht zu bezweifeln, daß Alfred oder seine Gelehrten Kommentare zur Erläuterung der Consolatio benutzt haben. Die Entlehnungen sprechen dafür, daß dem Kommentar des St. Gallener Anonymus (Eins. 179), dem Vorläufer des Remigius, nicht der erste Platz zukommen kann, geschweige denn, daß er die ausschließliche Quelle für Alfreds Kommentarwissen darstellen könnte. Wenn Alfred den Kommentar des Remigius nicht benutzt haben kann, weil dieser erst im 1. Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts geschrieben wurde,68 so muß man annehmen, daß es einen Kommentar gegeben hat, der Remigius näherstand als der St. Gallener, für uns aber verloren oder unbekannt geblieben ist. Es ist ebenfalls deutlich, daß die Bedeutung des Kommentarwissens für Alfreds persönliche Konzeption der Consolatio verhältnismäßig gering anzusetzen ist. Zu den wichtigen und persönlichen Zügen seiner Interpretation, die Ausweitung zu einer Individuai- und Gesellschaftsethik, die Hingabe an das eigene Werk vor Gott, die handlungsbetonten Züge einer Pflichtlehre mit starker Ausprägung germanischer Tugenden, die lebensgestaltende Natur der Weisheit, die auch die Dinge der Welt behütet, die Verinnerlichung des Verhältnisses von Seele und Weisheit, das ausschließliche Vertrauen auf die Rettung der " Vgl. P. Courcelle, «Etüde critique», 26 ff. und 9 f. dieser Arbeit.
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Seele durch die Weisheit, das Denken und Handeln gegen das Böse und die Sünde im Vertrauen auf Gottes Milde und Geduld — zu diesem elementaren und doch vergeistigten Verständnis der christlichen Eschatologie haben die Kommentare so gut wie nichts beigetragen. Im Falle des Dualismus und der Auffassung der ,Philosophia' als ,Sapientia Dei', der Einschätzung von Traurigkeit und Verzweiflung gibt es allerdings bemerkenswerte Parallelen, die jedoch in den unmittelbaren Entlehnungen Alfreds weniger in Erscheinung treten, aber auch hier ist das Herausarbeiten dieser Züge zu einem systematischen Verständnis das Werk Alfreds. Dennoch gilt es, den Einfluß der Kommentare nicht unterzubewerten. Mit ihrer Hilfe hat Alfred bildliche Ausdrucksweisen verstanden und erläutert, sie haben ihm zu Hinweisen für eine vereinfachende Darstellung der Fatum-Providentia-Lehre und des Substanzbegriffs verholfen und in vielen Fällen ihm das Wissen gegeben, historische und mythologische Anspielungen des Boethius mit erweitertem Verständnis darzustellen. Dabei hat es sich herausgestellt, daß Alfred nicht daran gelegen war, die knappen Hinweise des Boethius ins Enzyklopädische zu erweitern, wie es ohne Zweifel bei Remigius bereits der Fall ist. Von „Prunken mit Wissen" 48 kann keine Rede sein, wenn Alfred das Wissen noch nicht einmal auf den Stand des Orosius aufgearbeitet hat und in vielen Fällen der Kommentar offensichtlich nicht zu Rate gezogen wurde. Dieses ökonomische Prinzip ist in einigen Fällen durchbrochen, besonders bei der Gestaltung der mythologischen Metra. Hier scheint eine persönliche Vorliebe Alfreds für das sagenhafte Geschehen der heidnischen Vorzeit und für dessen Erzählgehalt mitzuspielen, dessen Wahrheit er betont, selbst wenn es sich um die suspekte Welt heidnischer Götter handelt. Ebenfalls bei der allegorischen Deutung ging Alfred über das Vorbild der Kommentare hinaus. Es war ihm daran gelegen, seinen Lesern nicht nur das Original zu übersetzen, sondern er wollte, daß sie auch den geistigen Sinn verstehen, so wie es auch bei den Verfassern der Homilien, besonders aber der bei iElfric geübten Praxis entspricht. Hier war er beinahe ängstlich bedacht, Gottes unmittelbares Sein und Wirken auch dort aufzuzeigen, wo es Boethius darauf ankam, die Dinge und Begriffe zunächst als eigene Größen darzustellen. Doch ist " Diese Formulierung hat sich seit dem Archiv-Kuhatz von G. Schepss bis in die Arbeiten von K. H. Schmidt, 54, 63 und L. Borinski, Der Stil König Alfreds, 300, 310 gehalten.
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festzustellen, daß sich die meisten allegorischen Deutungen im ersten Teil der Übertragung finden und daß Alfred auch eine Liebe zum Bild an sich hat, so daß er nur in wenigen Fällen das Bild durch die abstrakte Deutung ersetzte und meistens die Deutung neben dem Bild bringt oder sogar in das Bild zurückverwandelt. Entschiedene Zurückhaltung gegenüber den Kommentaren bemerken wir bei den Scholien Alfreds zum Verständnis der neuplatonischen Kosmologie. In der großen Hymne des dritten Buches fehlt in Alfreds Bearbeitung das spekulative Interesse der Kommentare völlig. Ein beachtliches Mißverständnis kann seinen Grund nur darin haben, daß Alfred nicht beabsichtigte, kompetente naturwissenschaftliche Erkärungen über den Aufbau von Makro- und Mikrokosmos zur Hymne des Boethius abzugeben. Der Aufbau der Welt hatte für ihn nur insofern Interesse, wie er als moralische Anschauung gewertet werden konnte und die Größe der Schöpfung kundtat. In die Schöpfung aber mit Hilfe neuplatonischer Spekulationen einzudringen, hat Alfred ferngelegen. Und bei allen Erklärungen und Erweiterungen hat er versucht, die dichterische Intention des Boethius zu wahren: die Größe Gottes in seinem Wirken zu preisen, aber nicht sie zu erklären. Der Neuplatonismus stand zu Alfreds Zeit in Ansehen, man denke an Johannes Scottus,70 und wenn Alfred auf das Neuplatonische nicht eingeht, so liegt das kaum daran, daß ihm dies entgangen wäre, sondern Alfred hat, wie der St. Gallener Kommentator, ihm innerlich ferngestanden und keine Veranlassung gesehen, umstrittene Tatsachen in seine Übertragung hineinzunehmen. Dazu kommt, daß Alfred im allgemeinen dem lateinischen Vorbild nahebleiben wollte und daß er auch die theologischen Scholien nur insoweit berücksichtigt hat, als sie in seine Konzeption passen. Er hat noch nicht einmal den Sündenfall und die Erbsünde erwähnt. In Alfreds Haltung als Übersetzer nimmt man ein Paradoxon wahr: es war ihm darum zu tun, nur den Boethius zu verstehen und zu übertragen, und mehreren hundert Änderungen und Zutaten liegt keine andere Absicht zugrunde als die, dem Verständnis des Originals nahezukommen.
70 Eine Zeitlang gab es eine Theorie, daß Johannes Scottus am Hof Alfreds Asyl gefunden hätte (vgl. B. A. Lees, 266).
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KAPITEL III
ZUR FORM a. Die Begriffssprache der Philosophie Die Consolatio philosophiae ist das letzte größere philosophische Werk der Spätantike. Aber bei aller Geschlossenheit der Gedankenführung ist das philosophische Material nicht homogen. Das erste und zweite Buch lehnen sich stark an die popularphilosophische Diatribe an,1 während das vierte und fünfte Buch eine Höhe des rein philosophischen und abstrakten Denkens erreichen, die den großen Philosophen der Antike nicht nachsteht. Der ganze Gang der Untersuchung stellt sich geradezu als ein Aufstieg des Denkens zu immer reineren Formen philosophischer Einsicht dar,2 wie ihn Boethius im Bild des sich wandelnden Wuchses der ,Philosophia' dargestellt hat oder in den Metaphern der Heimkehr und des Aufschwungs zu dem höchsten Pol, in dem Aufbau vom Trost der rein persönlichen Leiderfahrung bis hin zur Einsicht in das Wirken Gottes und seiner geistigen Gesetze, die die Welt lenken, und zur schließlichen Betrachtung des göttlichen Geistes selbst. Die kommentierenden Bemerkungen der ,Philosophia' begleiten dieses Fortschreiten, und das Bild der Stufen auf ihrem Gewand ist wiederum ein anderes Kennzeichen einer vollendeten Struktur. Es ist natürlich, daß mit diesem Aufstieg die Diskussion fortschreitend abstrakter wird und sich dem Übersetzer immer größere Schwierigkeiten in den Weg stellen. Boethius arbeitet mit Vorstellungen und Begriffen, die eine lange Geschichte der Philosophie, gipfelnd in Plato und Aristoteles, durch ein Jahrtausend ausgebildet und bewahrt hat und denen zum großen Teil Cicero und dann Boethius erst ihre lateinischen Äquivalente gegeben haben. Boethius 1 Für das erste Buch vgl. die Untersuchung von K. Reichenberger. Die umfassendste Darstellung ist noch immer Fr. Klingners De Boethii Consolatione Philosophiae. 2 «Ordinata la struttura essenziale dell'opera, che si svolge per gradazione perfetta, dal piti semplice al piü arduo.» (L. Alfonsi, «L'umanesimo», 167).
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hat vor allem in seinen Übertragungen des Aristoteles und des Porphyrios durch die Schöpfung neuer und wörtlicher Entsprechungen nicht nur die Technik der Übersetzung philosophischer Werke auf Jahrhunderte hinaus festgelegt,3 sondern durch seine neue Terminologie die Grundlagen für die philosophische Begriffswelt der Scholastik geschaffen und deren Methode eigentlich begründet.4 Wenn wir an diese schwierige, aber sichere Begriffswelt denken und an die Genauigkeit der Definitionen und eine solche Spezialsprache mit den Möglichkeiten des Altenglischen vergleichen, das wir außerhalb der Dichtung überhaupt erst zur Zeit Alfreds richtig fassen können, so scheint die Leistung Alfreds als Übersetzer der Consolatio an das Wunderbare zu grenzen. Diese Leistung Alfreds wird auch von seinen Biographen ebenso wie von der Forschung hervorgehoben,6 wenn wir aber versuchen, sie auch nur in bescheidenem Umfang der wissenschaftlichen Betrachtung zugänglich zu machen, so zeigt es sich, wie schwierig es ist, geeignete Kategorien zu finden. Zunächst muß jede Beurteilung der sprachlichen Leistung Alfreds eine Reihe von größeren Unbekannten in Rechnung stellen. 1. Die Prosa Alfreds und die seiner Gelehrten ist die einzig repräsentative Prosa seiner Zeit und die erste, die überliefert ist. Es fehlt also die Basis eines Vergleichs, und es lassen sich somit lediglich die Werke Alfreds, von denen wir mit einiger Sicherheit annehmen dürfen, daß er sie geschrieben hat, von denen absetzen, die in der Hauptsache nur mit seinem Namen verbunden sind.6 2. Wir wissen kaum etwas über den Unterschied zwischen dem literarischen Ausdruck und der gesprochenen Sprache, so daß sich auch die Stilebenen nur relativ festlegen lassen. 3 Vgl. E. K. Rand, Founders, 144 f.; W. Schwarz, "The Meaning of Fidus Interpres in Médiéval Translation", The Journal of Theological Studies XLV (1944), 78. 4 M. Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode, I (Freiburg, 1909), 157. 6 Vgl. K. H. Schmidt, 71. 6 Es ist unmöglich, auf die vielen und einander widersprechenden Ansichten einzugehen. Als wirklich von Alfred verfaßt gelten: Cura pastoralis (siehe aber S. Potter, "On the Relationship of the Old English Bede to Waerferth's Gregory and to Alfred's Translations", Mémoires de la Société Royale des Sciences de la Bohême, Classe de Lettres [Prague, 1930], 73), Orosius, Boethius und die Soliloquien. An besonders aufschlußreichen Untersuchungen neben der Arbeit von S. Potter ist Fr. Klaeber, „Zur altenglischen Bedaübersetzung", Anglia 25 (1902), 257 ff. und Anglia T1 (1904), 399 ff. zu nennen. Uber die Schwierigkeiten, die bereits einem Vergleich mit Waerferth im Wege stehen, vgl. P. N. U. Harting, "The Text of the Old English Translation of Gregory's Dialogues", Neophilologus XXII (1937), 281 ff.
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3. Damit hängt zusammen, daß das Verhältnis von Alfreds Sprache zur Sprachgemeinschaft schwierig zu bestimmen ist.7 4. Für die Terminologie, um die es hier hauptsächlich geht, haben wir nur das Zeugnis Alfreds. Im Wörterbuch von Bosworth-Toller sind fast alle wichtigen Begriffe der Co/woZa/zo-Übertragung als Erstbelege eingetragen. Demnach müßte man sich Alfred als Schöpfer von etwa 600 Begriffen vorstellen, die allerdings auch vielfach nach Alfred nicht mehr überliefert sind.8 Angesichts dieser allgemeinen Tatsachen setzt sich diese Untersuchung zunächst nur das Ziel, an einigen ausgewählten lateinischen Begriffen, deren Wiedergabe im Altenglischen besonders variiert, aufzuzeigen, welchen Schwierigkeiten Alfred sich gegenübersah und wie er ihnen beizukommen suchte. 1. Natura Es wurde bereits mehrfach erwähnt, daß Alfred es vermieden hat, natura, amor und andere „Mächte" zu verselbständigen,9 wie es einer grundsätzlichen Betrachtungsweise des Boethius entspricht. Boethius sieht die Welt voll von Kräften und Ausstrahlungen, Kausalitäten Gottes, wo Alfred den persönlichen Gott sieht. Das Universum Alfreds ist nicht im Sinn des Boethius eine Vergeistigung des Seins Gottes, und wenn Alfred dieser Tendenz zur Vergeistigung der Mächte nicht folgt und sein Widerstreben sichtbar wird, so fragt es sich doch, ob hier religiöse Widerstände teilweise oder ausschließlich angenommen werden sollen oder ob nicht auch von der Sprache her Alfred Grenzen gesetzt sind, die sein Verständnis bestimmen. Nun ist im Fall von ,natura' der Sprachgebrauch des Boethius nicht ganz eindeutig. In den Metra ist,natura' ohne Zweifel schöpferisches Prinzip und Macht (bes. III, m. 2), aber in der Prosa bedeutet,natura' vielfach das Gesetz der Natur, Naturtrieb und Naturvernunft, die den Menschen zu Gott fuhren, wenn sich der Mensch ihrem Walten nicht widersetzt. Augustins Gedanke der ,natura vitiata' taucht bei Boethius ' L. Borinski, Der Stil, 5, nimmt an, daß in Zeiten einer nicht sehr fortgeschrittenen Kulturentwicklung die Diskrepanz zwischen psychischer Struktur der Sprachgemeinschaft und der psychischen Struktur des Individuums nicht bedeutsam ist. 8 Nach E. Schlepper, Die Neubildung von Substantiven in den Übersetzungen König A.lfreds (Diss. Münster, 1936). • Vgl. 17 S., 136, 149.
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bezeichnenderweise nicht auf,10 aber die Grundvoraussetzungen für den Begriff,natura' dürften nicht verschieden sein. Boethius spricht im teleologischen Sinne von der „intentio naturae" (I, p. 6,23 f.) oder „naturalis intentio" (III, p. 3,5; III, p. 11,82; IV, p. 2,72 f.), dem „naturale officium" (IV, p. 2, 52,58). Die Bezeichnung der Natur als schöpferisches Prinzip ist aber nicht den Metra vorbehalten, gewissermaßen als poetische Fiktion, sondern sie ist ausdrücklich als Wirklichkeit hinter Gegenständen der unbelebten und belebten Welt dargetan, „naturae diligentia" (III, p. 11,65 f.), und die „naturae vis" (III, p. 2,74) ist so mächtig, daß sich die Menschen ihr bei aller Verschiedenheit der Ansichten darüber, was das Gute sei, nicht entziehen können, sondern immer das Gute lieben müssen. An dieser entscheidenden Stelle hat Alfred „naturae vis" nicht übersetzt und für die einigende Kraft, die Boethius im Tun der Menschen wirksam sieht, überhaupt keine Entsprechung gefunden (56, 25 ff). Ebenso fehlen „naturae intentio" (I, p. 6, 23 f. = 13, 2) und ähnliche Formulierungen (IV, p. 2, 41 f. = 107,2) und besonders: „Est enim, quod ordinem retinet servatque naturam" (IV, p. 2,103 f. = 109,22 ff.). Bei „diligentia naturae" (III, p. 11, 65 f.) spricht er (92, 7 ff.) lediglich vom Schöpfer, und der große Natur-Hymnus (III, p. 2) sieht bei Alfred ganz anders aus als bei Boethius, wobei Alfred sich allerdings an die Kommentare anschließt : u selc gesceaft biö healdon locen wiö hire gecynde, fjaere gecynde ¡De heo to gesceapen wes . . . (57, 6 f.)
Das aber ist etwas ganz anderes als der kraftvolle Eingang des Boethius: Quantas rerum flectat habenas natura potens, quibus immensum legibus orbem . . . (III, m. 2, 1 ff.)
Boethius hat,natura' völlig absolut gebraucht, Alfred hat gemäß dem Kommentar ,sua natura', also die Natur eines Gegenstandes im Sinn. Dieser Gebrauch des Wortes ist nun vorherrschend, so daß man hier geradezu mit „Art" übersetzen könnte. Auch die Belege bei Grein und Bosworth-Toller zeigen, daß Belege für den absoluten Gebrauch von natura im Altenglischen bis auf 2 Ausnahmen auf Alfred be10 11
E. Gilson, Introduction, Vgl. 125 d. Arbeit.
11 Otten, Alfreds Boethius
186 ff. über natura.
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schränkt sind.12 Dieser Gedanke der „Art" der Dinge, die ihren Zweck abgrenzt, ist Alfred geläufig: Numquam tua faciet esse fortuna, quae a te natura rerum fecit aliena (II, p. 5, 37 f.) Wenst ]du masge seo wyrd J>e gedon p J)a Jsing Join agnu sen Jsa öe heora agene gecynd jse gedon fremde? (29, 28 f.) Alfred erläutert dann diesen Gedanken mit Hilfe des Adjektivs: Nis hit no f>e gecynde f t e ... (30,1) . . . p J^e is gecynde (30, 9). Das folgende „quod naturae satis est" hat Alfred ohne Hinweis auf ,natura' übersetzt, aber die stoische Lebensregel: Paucis enim minimisque natura contenta est; (II, p. 5, 42 f.) lautet in Alfreds Übersetzung: On swiöe lytlon hiera hasfö seo gecynd genog. (30,12 f.)13 Alfred bereitet das Verständnis durch Erläuterung vor, und so geschieht es auch später noch einmal: neque enim sibi solent adversa sociari, natura respuit, ut contraria quaeque iungantur. (II, p. 6, 40 ff.) . . . hit nis nauht gecynde ne nauht gewunelic f senig wiöerweard J)ing bion gemenged wiö oörum wiöerweardum . . . Ac seo gecynd hit onscunaö . . . (37, 17 ff.) Auch hier kann "gecynd" noch als die Eigenschaft einer Sache verstanden werden, aber der Gebrauch entspricht dem Lateinischen. Dann aber gebraucht Alfred es nach dem Natur-Hymnus auch in einem Zusammenhang, der ein kraftvolles Handeln der Natur voraussetzt — „naturalis ducit intentio" (III, p. 3,4) — "sio gecynd eow tihö to ösem andgite" (58,10 f.), auch wenn der Gedanke von der Natur als Eigenart noch deutlich ist. Den Gedanken von der Kraft, die den Dingen durch ihre Natur eigen ist, hat Alfred aber wiederum so ausgedrückt, daß ,natura' nicht als Subjekt einer Handlung erscheint: agit enim cuiusque rei natura quod proprium est. (II, p. 6, 53) Swa deö eac se gecynda crseft. (38, 9) So hat er auch den Satz: Sed dat cuique natura quod convenit, et ne, dum manere possunt, intereant elaborat (III, p. 11, 57 ff.) Bosworth-Toller, 382; Suppl. 309, Eintrag IV. C. S. Lewis behandelt diese Stelle unter der Überschrift "The 'Natural' as an Element in Man". C. S. Lewis, Studies in Words (Cambridge, 1960), 47 f. 12
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verwandelt: aslces landes gecynd is p hit . . . tydre . . . swa lange swa hiora gecynd biö p hi g r o w a n moton. (91, 2 2 ff.)
Alfred läßt also nicht gern den Begriff der Natur als Allgemeinbegriff gelten und sucht, wo immer er kann, ihn mit einem spezifischen Inhalt zu verbinden. Die Bösen erreichen das Gute nicht: ad quod eos naturalis ducit ac paene compellit intentio. Et quid, si hoc tarn magno ac paene invicto praeeuntis naturae desererentur auxilio? (IV, p. 2, 72 ff.) . . . hi ne magon cuman öider öider 8 a ungewittigan gesceafta wilniaö to to cumanne; i hu micle unmihtegran hi waeren gif hi his nan gecynde nsefden. (108, 4 ff.)
Als Boethius den Gegensatz von Natur und Willen behandelt, sucht Alfred durch eine bezeichnende Erklärung den Sachverhalt zu erläutern: Neque nunc nos de voluntariis animae cognoscentis motibus, sed de naturali intentione tractamus . . . (III, p. 1 1 , 81 ff.) Ic saede Jjeah nu hwene xr pte nanwuht his agenum willum nolde f o r w e o r ö a n ; ac ic eom nu ma y m b p gecynd Jaonne ymbe Jaone willan . . . Pu meaht witan be manegum Bingum p p gecynd is swiöe micel; is p formicel gecynd . . . (92, 29 ff.)
Gerade der letzte Satz ist eine Grundvoraussetzung der Lehre des Boethius, die Alfred bei seinen Lesern nicht erwarten kann und deren weittragende Bedeutung sich auch ihm als Ganzes entzogen hat. Auch für die Schreiber des Alfredschen Boethius war der Zusammenhang an einer Stelle nicht ganz zu durchschauen. Dies mag die folgende Textvariante erklären: Nihil est igitur quod naturam servans deo contra ire conetur. (III, p. 12, 52)
Die ältere Handschrift
C,
die
SEDGEFIELD
aufgenommen hat, schreibt:
Nis nan gecynd Joe w i ö hire scippendes willan winne . . . (98, 11 f.)
MS B hat "gecynd" durch "gesceaft" ersetzt. In Fällen, in denen natura lediglich „Beschaffenheit" bedeutet und die Beschaffenheit näher ausgedrückt ist, hat Alfred es nicht übersetzt, z. B. „ . . . animalia . . . quae habent aliquam volendi nolendi natura" (III, p. 11, 43 = 91, 7) u. a.,14 doch ist dies eine 14 Vgl. "Genog sweotol hit is pte God is anfeald T untodaelendlic" (74,29 f.) = „Quod enim simplex est indivisum natura" (III,p. 9,10 f.) u. a. (III, p. 9,16 f., 43 = 75,9; 76,12 u. a.).
11*
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Frage der Idiomatik, die die hier behandelten Verhältnisse nicht berührt. Wir müssen annehmen, daß Alfred den vollen Sinn von ,Natura' nicht verstanden hat. Wenn Boethius mit ,Natura' eine geistige Kausalität Gottes meint, so hat Alfred es durchweg vorgezogen, eine solche Kraft durch den Namen Gottes zu ersetzen. Daß er ,Natura' deshalb gemieden hat, weil er das Gefährliche in einer Konzeption wie der der 'Great Mother Nature'16 gesehen hat, kann man kaum annehmen. Wahrscheinlich ist, daß Alfred vom altenglischen Wortgebrauch her diesen Begriff nicht so sehr von der einzelnen Erscheinung hat ablösen können, um etwas so Umfassendes wie die hypostasierte Natur des Boethius auszudrücken. Er verstand ,natura' in 'gecynd' als die Kraft, die dem einzelnen Ding innewohnt und seine Eigenart, seine Verwendung, seine Bedürfnisse, kurz sein gesamtes Wesen aufbaut, oder, wie Alfred es verstand, seine ,virtus' ausmacht.16 In Alfreds Auffassung ist aber der Schritt nicht vollzogen, der das jeweils Einzelne in der Vielheit zu einem Einen in der Allheit werden läßt, und eben diese Möglichkeit ist für Boethius von entscheidender Bedeutung. Sie lag in der Geschichte des Naturbegriffs bei den Griechen beschlossen und wurde von dort her in das Lateinische übernommen, wo die entscheidende Verwandlung in die Konzeption des mittelalterlichen Denkens stattfand.17 So ging in Alfreds Übersetzung der Consolatio einer der tragenden Gedanken des Boethius weitgehend verloren, die Überzeugung, die das Ergebnis des dritten Buches ausmacht, daß es durch die Natur überhaupt nichts Böses geben könne, daß das Gute durch die Natur allmächtig sei. Zu diesem Denken fehlt Alfred der Zugang, da für ihn der Begriff der Sünde und des Bösen sowie die dualistische Denkform des Augustin näherlagen als die neuplatonische Gedankenwelt des Boethius. Richten wir den Blick auf die Technik der Übersetzung, so stellen wir fest, daß Alfred nicht schematisch übersetzte und lexikalisch einen lateinischen Begriff durch ein allgemein entsprechendes Wort des Altenglischen ersetzte. Er hat sich des Inhalts gewissermaßen von Satz zu Satz immer wieder neu versichert und für jede Stelle, an der er 1 6 C. S. Lewis, Studies in Words, 4 1 ; vgl. 19 d. Arbeit und Curtius, Europäische Literatur, 1 1 4 ff. Der Begriff der Personifikation muß im Falle des Boethius aus dem Spiel bleiben. » Vgl. 28 f . d . Arbeit. 1 7 Vgl. C. S. Lewis über Physis, Studies, 33 ff.; 141 f. d. Arbeit.
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mit Schwierigkeiten rechnen mußte, einen erklärenden Kontext geschaffen, in dem auch eine etwas ungewöhnliche Sachlage begriffen wurde. So finden wir im Fall ,natura' Auslassung, Umschreibung, Ersatz, Erläuterung und unmittelbare Wiedergabe. Aber wie Alfred sich Satz um Satz des Sinns vergewisserte, ging der übergreifende Zusammenhang doch vielfach verloren. 2. Geist und Seele Weit komplexer als im Fall des Naturbegriffs liegen die Verhältnisse bei Begriffen im Erfahrungsbereich von Geist und Seele. Hier sind die Grenzen mehr als sonst schon im individuellen Gebrauch innerhalb einer Sprachgemeinschaft fließend und entsprechen daher beim Wechsel von Sprache zu Sprache einander noch viel weniger, so daß gerade in diesem Ausdrucksbereich für den Übersetzer eine Fülle von Schwierigkeiten auftreten. Ganz allgemein gilt dabei, daß das Altenglische eine größere Auswahl an differenzierenden Begriffen für Geistig-Seelisches besitzt18 als die terminologisch auf bestimmte Begriffe festgelegte Sprache der Philosophie, wie sie uns in der Consolatio entgegentritt. Der umfassendste Begriff Alfreds ist dabei ,mod', und da er schon durch die Bezeichnung für den Dialogpartner 'Mod' wichtig ist, soll von diesem altenglischen Begriff ausgegangen werden, der für eine Reihe lateinischer Entsprechungen steht. Bei der Untersuchung dieser Begriffe stellt eine Göttinger Dissertation von H. S C H E L P eine wertvolle Hilfe dar.19 3. Mod 'Mod' hat den größten Bedeutungsumfang, es umfaßt Geist und Seele in gleicher Weise und kann von Menschen und vielleicht — eine einzige Stelle bildet den Beleg — auch von Gott gesagt werden, 1 8 Über die große Anzahl von Ausdrücken f ü r Denken und Sprache vgl. Brandl, „ V o m kosmologischen Denken", 124. H. Schelp behandelt 69 Einzelbegriffe nach der Sprachfeld-Theorie. 1 9 H. Schelp, Der geistige Mensch im Wortschatz Alfreds des Großen (Diss. Göttingen, 1956) — über 'Mod': „Der Grundgehalt des Begriffes ist das Bewußtsein . . . 'Mod' ist Aktivierungszentrum und Ausgangspunkt der bewußten Handlungen des Menschen . . . die immanent wirkende seelisch-geistige Substanz, die Beziehung zum Immanenten und Transzendenten hat." (71)
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aber nicht von den Tieren, die eine ,anima' haben. Es entspricht in der Hauptsache ,mens' und ,animus', aber auch ,cogitatio', ,ratio', ,intelligentia'. Es ist nur ein einziges Mal auf Gott bezogen, obwohl der Ausdruck ,mens divina' für Boethius eine selbstverständliche Fügung darstellt, die für die Consolatio elfmal belegt ist. Alfred übersetzt an dieser Stelle das „Denken Gottes bei sich selber": Qui modus cum in ipsa divinae intelligentiae puritate conspicitur . . . (IV, p. 6, 25 f.) A c öaet ösette we hataö Godes forejjonc -| his foresceawung, p biö ¡Da hwile Jje hit dxr mid him biö on his mode. ( 1 2 8 , 1 0 ff.)
Abgesehen von dieser Stelle scheint 'mod' etwas so spezifisch Menschliches zu sein, daß es als Entsprechung zu ,mens divina' nicht in Frage kommt.20 Gott darf auch nach der Lehre des Augustin eine „Seele" — und 'mod' enthält Seelisches — nicht zugesprochen werden.21 Wie Schelp gesehen hat, kann 'Mod' stellvertretend für den Menschen stehen.22 Auf diese Möglichkeit ist Alfred eingegangen, so daß wir es zu Beginn der Übertragung bis zum Ende des zweiten Buches mit einem Dialog zwischen 'Mod' und 'Wisdom' zu tun haben. Allerdings handelt es sich dann doch um einen Dialog zwischen Seele und Weisheit, auch wenn 'Mod' für den Menschen steht. Es scheint, daß der Gedanke zu diesem Wechsel Alfred erst beim praktischen Übersetzen gekommen ist, und es ist aufschlußreich für Alfreds Verwendung von 'mod', den Gang seines Denkens zu verfolgen. Ganz am Anfang muß Alfred, von der Vita des Boethius herkommend, im Sinne gehabt haben, die Rolle eines Erzählers zu übernehmen, wie er es auch in den Soliloquien getan hat.23 Die Vita endet mit einer dramatischen Vergegenwärtigung der Situation: . . . he gefeoll niwol ofdune on J>a flor, -) hine astrehte swiöe unrot, 1 ormod hine selfne ongan wepan -| JDUS singend cwasö: (8, 3 ff.) 20 H. Schelp, 40, wertet diese Stelle als Beleg dafüt, daß Gott ein 'mod' haben kann. Angesichts der Tatsache, daß ,mens' und 'mod' meist übereinstimmen — außer, wenn es um die ,mens divina' geht — ist es wahrscheinlicher, daß hier ein Grenzfall im Gebrauch von 'mod' vorliegt. 21 De Civ. Dei, IV, 31; VII, 29; VIII, 5, 6. 22 H. Schelp, Der geistige Mensch, 70 f. 23 „Einen Bericht über ein Zwiegespräch" nennt es K. Jost, „Zur Textkritik", 260. D. Whitelock, "Alfred's Books", Fifth International Conference of the International Association Universitj Professors of English (Edinburgh, Glasgow, 1962), 14, nimmt an, daß Alfred vor der ütfi/A/«.r-Übertragung bereits die Soliloquien gekannt habe. Daß der Wechsel der Erzählweise auf einen Wechsel der gelehrten Berater Alfreds zurückzuführen sei, scheint weniger wahrscheinlich und entzieht sich des Nachweises.
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Es ist dann nur natürlich, daß Alfred diese Erzählhaltung zunächst beibehalten möchte, und so berichtet er die Consolatio gewissermaßen als Dritter: 24 pa ic Jja J>is leoö, cwaeö Boetius, geomriende asungen hsefde, Jsa com \>xi gan in to me heofencund Wisdom, i f min murnende mod mid bis wordum gegrette, i ]?us cwasö: (8,15flF.)[Hervorhebungen vom Verfasser.] In dieser Übersetzung des Anfangs scheint der Schlüssel für Alfreds Übertragung der Rolle des Boethius auf 'Mod' zu liegen. Boethius hat nichts dergleichen: Haec dum mecum tacitus ipse reputarem queremoniamque lacrimabilem stili officio signarem, astitisse mihi supra verticem visa est mulier . . . (I, p. 1,1 ff.) 'Mod' wird gewissermaßen als ein Organ empfunden, das vom übrigen Menschen funktional selbständig gedacht werden kann. 'Mod' ist aber das Organ des Bewußtseins und das verantwortliche Organ des Menschen zum Guten und Bösen, der Sitz der Seelenkräfte und des Willens, und darum wendet sich die ,Philosophia' an 'Mod'. Dieses Verhältnis wird noch deutlicher: Sed abite potius, Sirenes usque in exitium dulces, meisque eum Musis curandum sanandumque relinquite. (I, p. 1, 37 ff.) Tum illa propius accedens in extrema lectuli mei parte consedit . . . (I,p. 1,45 £.) Haec dixit oculosque meos fletibus undantes . . . siccavit. (I,p.2,15f.) Alfred faßt diese drei Gesten zusammen: Gewita]? nu awirgede woruldsorga of mities pegenes mode, forjpam ge sind ¡Da masstan sceajpan . . . pa eode se Wisdom near, cwseö Boetius, minum hreowsiendum gepohte, i hit swa niowul Jsa hwsethwega up arxrde; adrigde pa mines modes eagan, hit fran bliöum wordum . . . Mid Jjam Jse 8a f Mod wid bis bewende. (8, 21 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser.] Alfred sieht das Handeln lediglich in Beziehung auf die Seele, und an die Stelle der Erlebniseinheit des Subjekts tritt das betroffene seelische 24 Alfred ändert später die Erzählweise und läßt 'Mod' als Dialogpartner fallen. Die ,Philosophia' wendet sich (III, p. 3,14) unmittelbar an Boethius, und Alfred übersetzt dementsprechend: "Geöenc f>unu be öe selfum, la, Boetius, . . . " (58, 24 f.). Danach folgt eine schnelle Aufeinanderfolge von: "Pa andsworode Boetius . . . f>a cwaeö se Wisdom . . . " (58, 29; 59, 16), und da mit fortschreitendem Dialog die Beiträge des Boethius immer seltener werden, bedient sich Alfred dann schließlich nur mehr der Ausdrucksweise des Originals.
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Organ. Ohne Zweifel hängt diese Form geistigen Erlebens mit der Bewußtseinslage einer Frühstufe des Denkens zusammen, in der seelische Vorgänge als Teilvorgänge ohne den geschlossenen Zusammenhang des Selbstbewußtseins erlebt werden.25 Auf der anderen Seite ist diese Ausdrucksform durch die Tradition des lateinischen Schrifttums bedingt,26 die besonders durch Augustin und Gregor verbreitet wurde: Die animae meae: salus tua ego sum. Sic die, ut audiam. Ecce aures cordis mei ante te, domine; aperi eas et die animae meae: salus tua ego sum. (Conf. I, c. 5, ed. Labriolle, I, 6 , 1 0 ff.)
So wie Augustin von den „Ohren des Herzens" spricht, liebt Alfred die Metapher von dem „Auge der Seele", die eine lange Geschichte hat.27 Sie kommt bei Boethius nicht vor, aber Alfred hat sie wohl aus anderen Uber Setzungen nach dort verpflanzt.28 Zweifellos bedeutet dieser Topos für Alfred mehr als eine angelernte literarische Ausdrucksweise, derer man sich zu bedienen hat. Sie enthüllt am sinnlich wahrnehmbaren Detail die nur dem reinen Denken zugängliche geistige Wahrheit29 und ist darum auch unter dem Aspekt der besonderen Bewußtseinslage zu sehen, der wir bereits an anderer Stelle begegnet sind.30 Diese Darstellung führt Alfred zu einer Verinnerüchung des Geschehens und zu einer vergeistigten Auffassung, aber zu gleicher Zeit hat sich, wie das Zitat aus den Confessiones ebenfalls erkennen läßt, die seelische Erfahrung zu einem dem Körperlichen analogen Eindruck verfestigt. Das Geistige wird Vgl. E. Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, I (Nachdruck Darmstadt, 214 ff. und B. Snell, Die Entdeckung des Geistes (Hamburg, 21948), 29 ff., ebenfalls W. Grönbech, Kultur und Religion, 156 ff. und H. A. Benning, „Welt" und „Mensch" in der altenglischen Dichtung, Beiträge zur englischen Philologie 44 (1961), 7. — L. Borinski, Der Stil König Alfreds, 123 und 183 erklärt Alfreds Betrachtungsweise aus der „naiven Auffassung vom Menschen, die noch vor allem den Leib als das menschliche Selbst betrachtet und deshalb die Seele besonders bezeichnet". (123) 2 ' Vgl. J. Bamberger, Teil und Ganges in der leib-seelischen Struktur des Menschen bei Catull und Hora% (Diss. Tübingen, 1951) und E. Sperka, Cor und Pectus, Untersuchung Zum Leib-Seele-Problem bei den Römern (Diss. Tübingen, 1952). " E. R. Curtius, Europäische Literatur, 144 ff.; vgl. E. Sperka, 92 ff. 2S Die Ubersetzung von Gregors Dialogen (ed. Hecht): "eagum minre heortan" (3,21); „Seelenauge", 106,8; 117,17; 188,23 ; 272,2 ; 297, 2 f . Das „Vergessen der Seele", 6, 12 zu Alfreds Boethius (9, 12). — Cura pastoralis, ed. Sweet: „Ohren des Herzens", 30, 16; „Seelenauge", 56,13; 69,14 u. a. Vgl. H. Schelp, Der geistige Mensch, 52 ff. — Soliloquien, ed. Endter, 27, 10; 45, 17; 67, 17 u. a. " „Nam mentis quasi sui sunt oculi sensus animae . . . " Augustin, Soliloquien, I, 6. Vgl. 141 f., Anm. 47 d. Arbeit. 26
2 1956),
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Gegenstand einer nicht zu bezweifelnden konkreten Erfahrung und bleibt doch in seiner Welt höherer Wirklichkeit. Diese vergeistigte Auffassung und Verinnerlichung des seelischen Erlebens tritt an verschiedenen Stellen deutlich hervor: Da, pater, augustam menti conscendere sedem, da fontem lustrare boni, da Iuce reperta in te conspicuos animi defigere visus. Dissice terrenae nebulas et pondera molis atque tuo splendore mica. (III, m. 9, 22 ff.) Forgif nu, Drihten, urum modum p hi moton to J>e astigan . . . 1 openum eagum ures modes we moten geseon Jjone sejpelan aewelm ealra goda; . . . Forgif us Jionne hale eagan ures modes, f we hi Jjonne moton afaestnian on J>e; -j todrif öone mist ]?e nu hangaö beforan ures modes eagum, onliht J)a eagan mid öinum leohte. (82, 6 ff.)
Bei Boethius ist das Sehen vornehmlich geistbetont (animi visus), bei Alfred ist die Doppelnatur des Geistig-Seelischen in 'mod' spürbar, die verstärkte Demut, die Schwäche des Seelischen gegenüber dem Geistigen (Forgif us J^onne hale eagan), aber auch der größere „Anspruch auf Seelisches",31 wie ihn das Christentum erst eigentlich geschaffen hat, beziehungsweise zu erfüllen wußte. Diese Verinnerlichung des Geistigen zum Seelischen hat ihrerseits auch das Verhältnis von 'Mod' zu 'Wisdom' verwandelt.32 Wenn irgend etwas besonders betont oder die innere Anteilnahme besonders hervorgehoben werden soll, so findet sich der Zusatz "mid innewearde mode" (50,11; 28 = III,p. 1,1 ff.,9ff.; 119,10f.= IV, p. 4, 58). Aber auch in anderen Fällen liebt es Alfred, die Seele als das eigentliche Zentrum des Geschehens und der Erfahrung auszusondern: Quid tantos iuvat excitare motus (IV, m. 4, 1) Forwhi drefe ge eowru mod mid unrihtre fiounge. (124, 3) . . . quoniam hoc me miraculum maxime perturbat (IV, p. 6, 3 f.) . . . be öiere wisan J^e min mod swiöost gedrefed hasfö (126, 31) . . . sed cum tui muneris sit latentium rerum causas evolvere velatasque caligine explicare rationes (IV, p. 6, 1 ff.) . . . f ]JU woldest selcum mode deglu öing tjecan -| selöcuö. ( 1 2 7 , 1 )
Im übrigen aber ist diese Darstellungsart auch im lateinischen Original zu Hause, was jedoch die Tatsache, daß Alfred sich ihrer so 81 82
So B. Snell noch im Blick auf Vergil, Die Entdeckung, 280. Vgl. 89 f. d. Arbeit. 169
exzessiv bedient, in ihrer Bedeutung nicht mindert. Am häufigsten nimmt dabei 'mod' die Stellen von ,mens£ und ,animus' ein: mens hebet (I, m. 2, 2) = mod drigö (9, 11) Nubila mens est = f mod . . . bi3 gebunden mid vinctaque frenis (I, m. 7, 29 f.) gedrefednesse (14, 24) iucunditatem animo afferre = oleccaö Jsam mode (55, 11) (III,p. 2, 48) lassorum solamen animorum = frofer ealra werigra moda (50,13) (III, p. 1,4) Qui se volet esse potentem = . . . he haebbe anweald his animos dornet ille feroces agenes modes (67, 27) (III, m. 5,1 f.) Diese aus einer Vielzahl herausgegriffenen Fälle genügen, um zu zeigen, daß 'mod' ein kraftvolles Prinzip bedeutet, das handelt und erleidet, dessen Kraft verdunkelt werden kann, das sich aber auch mächtig regt. Gerade das lateinische ,animus' betont die vitale Seite des Geistes, seine Energie, und daher kann es auch übertragen für die unbeugsame Willensenergie des Löwen stehen (III, m. 2,12; IV, p. 3, 58 f.), aber in beiden Fällen hat Alfred keinen entsprechenden Begriff für die Sinnesart eines Löwen (57, 8 ff. und 114, 29 f.). ,Mens' ist für Boethius der umfassendere Begriff und bezeichnet die eigentliche Denkkraft, die geistige Kraft des Erkennens, die Mensch und Gott zu eigen ist.33 Wir haben gesehen, daß hier die Grenzen von 'mod' anders verlaufen und daß auch das „Seelische" dieses Begriffes etwas von dem Bedeutungsgehalt enthält, der an 'sawle' grenzt. 'Sawle' allerdings kommt für die Verinnerlichung nicht im gleichen Sinn in Frage wie 'mod'. Grundsätzlich sind im altenglischen mod der Ausdrucksgehalt und der Bedeutungsumfang von neuenglisch mind angelegt.34 Von dieser Grundlage aus ist es möglich festzustellen, wann Alfred einen spezielleren Ausdruck vorzieht, um andere Ausdruckswerte zu verwirklichen. In einigen Fällen hat Alfred ,mens' und ,animus' nicht übersetzt, und zwar, wenn es als ,pars pro toto' weitgehend idiomatisch gebraucht wird: 88 Vgl. über Umfang und Grenzen dieser Begriffe bei Augustin E. Gilson, Introduction, 56 f. 84 H. Schelp, Der geistige Mensch, 37.
170
probis animis (IV, p. 3, 15) atrox mens (IV, p. 4, 4)
= J>a goodan (113, 4) = yfelwillendan men (117, 3).
Das folgende Beispiel zählt allerdings schon zu dem Bereich, in dem Alfred sonst die Beziehung zu dem „signifikanten Substantiv" geradezu gesucht hat: terrenas habitans libido mentes (III, m. 10, 3) . . . se Jae nu gehaeft sie mid J^xre unnyttan lufe jpisses middaneardes. (89, 6 f.)
,Mens' hat Alfred auch dort nicht übersetzt, wo von einem Geisteszustand schlechthin die Rede ist, z. B. „uti nunc mentis es" (I, p. 5,38). Hier gibt Alfred es wieder durch "irre" und "gnornunga" (12, 4), also durch den konkreten Inhalt der Empfindung.36 Bei „tuae mentis habitum vel expectavi" (III, p. 1,11) muß Alfred mit einem ganzen Satz umständlich umschreiben: Foröaem ic geanbidode swiöe wel 0J3 ic wisse hwaet JDU woldest -| hu . . . (50, 29 f.)
Es ist die Frage, ob Alfred kein Wort kannte, das einer so weitgehenden Abstraktion, wie sie zu dem Begriff einer allgemeinen geistigen Verfassung gehört, entsprach, oder ob Alfred aus persönlicher Eigenart hier bewußt den konkreten Inhalt wählte, aber das letzte Beispiel macht die erste Annahme wahrscheinlicher. Ein großer Teil der abweichenden Entsprechungen zeigt Spezialisierung im seelischen Bereich: Sola mens stabilis super monstra, quae patitur gemit (IV, m. 3, 27 f.) selc wisste Jpeah his gewit . . . p gewit was swiöe sorgiende (116, 24 ff.)
...
Hier verschiebt Alfred also den Begriff nach der geistig-verstandesmäßigen Seite.36 Aber als es vom Gifttrank heißt: membra quae valeant licet, corda vertere non valent, (IV, m. 3, 31 f.)
da übersetzt Alfred wieder mit dem umfassenderen Begriff 'mod\ Als aber der klagende Boethius auf seine Gefängniszelle hinweist, die an die Stelle seiner Bibliothek getreten ist, erwidert ihm die ,Philosophia', daß sie nicht so sehr nach seiner Bibliothek wie nach dem 36 Ein weiteres Beispiel: „statum mentis" (I, p. 6, 2) wird "faestrednes" (12, 13) konkretisiert. 86 Vgl. H. Schelp, Der geistige Mensch, 98 f.
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Wohnsitz seines Geistes, „tuae mentis sedem", frage (I, p. 5 , 1 9 f.), und hier übersetzt Alfred wiederum mit "Jain gewit" (11,30),d.h. er fragt nach dem Verstand. Wieder anders übersetzt Alfred, wenn ein besonderes Pathos es erfordert, wie zu Beginn eines neuen Themas, das auch Boethius entsprechend betont: Tum defixo paululum visu et velut in angustam suae mentis sedem recepta sie coepit. (III, p. 2, 1 f.) . . . ongann smealice Jjencan on his modes ingejjance, -j 8a cwseö. (52, 15 f.) Auch dies ist wiederum eine Fügung der Verinnerlichung des denkenden Erlebens, die denkende Seele. 'IngeJ^onc' kennzeichnet nach Schelp37 das „Innere als den Ort der geistigen Handlungen", das „einem ,außen' . . . entgegengestellt wird". Es ist außerdem mit einem „intentional-voluntativen Element" verbunden,38 wie aus anderen Beispielen deutlich hervorgeht: Hu maeg p yfel beon pte selces monnes ingejpanc wenö pte good sie, 1 sefter higaö, wilnaö to begitanne? (56, 3 ff.) Hier übersetzt Alfred „intentio" (III, p. 2, 59), und der Bereich des Wollens und Strebens tritt im Zusammenhang mit der Absicht stark in den Vordergrund. In der gleichen Bedeutung findet es sich als "aelces mennisces modes inge^anc" (54, 2 = III, p. 2, 29). Es tritt sogar für das „Bewirken menschlicher Handlungen" ein: Duo sunt, quibus omnis humanorum actuum constat effectus. (IV, p.2,11) Twa öing sindon öe selces monnes ingeöonc to fundaö. (106, 9 f.) In diesem Fall aber ließ sich Alfred mehr von seinen eigenen Vorstellungen als vom lateinischen Text leiten. Geht es um Verstandesschärfe, so übersetzt Alfred ,mens' mit 'andgiet': vivacissimo mentis igne coherceat. (IV, p. 6, 9 f.) he hsebbe swa scearp andgit swaöaer fyr. (127, 16 f.) Den Gedanken, daß Gott die Welt im Geist vor der Schöpfung als Archetypus bei sich trug, „mente gerens" (III, m. 9, 8), überträgt er in das planende Denken Gottes: 39 »' H. Schelp, 92. - H. Schelp, 92. " H. Schelp, 170, übersetzt mit „Ratschluß".
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öu ealle god mid öines anes gejseahte gejsohtest -| gewoihtest. (79,25 f.)
Bei der Beschreibung der Erkenntnisart Gottes, der die Dinge „uno ictu mentis" (V, p. 4, 98 f.) auffaßt, hat Alfred "wisdom" gesetzt, die höchste Weisheit, die mit Gott identisch ist (145, 7 ff.). 4. sawol Auch bei ,sawol' treffen wir zunächst gegenüber dem lateinischen Text einen größeren Begriffsumfang an, denn es übersetzt ,mens', ,animus' und ,anima c . Bei Boethius ist ,anima' der Sitz der Lebensfunktionen schlechthin, sie enthält aber als ,anima humana' auch die höheren Seelenvermögen und den unsterblichen Geist, den Boethius mit ,mens' bezeichnet. 40 Im Altenglischen gibt es aber keinen Ausdruck, der gleichzeitig das seelische Vermögen eines Tieres und eines Menschen als eine beiden gemeinsame Seelensubstanz bezeichnet. Dann zeigt sich deutlich, daß im Bereich der lateinischen ,anima' für Alfred das Religiöse Vorrang vor dem eigentlich Geistigen besitzt, und diese Trennung, die bei Boethius noch kaum spürbar ist, wirkt sich bei Alfred deutlich aus. Quid vero aliud animorum salus videtur esse quam probitas, (IV, p. 6, 112 f.) Hwast is sawla hslo bute rihtwisnes ? (132, 13 f.)
Wo bei Boethius die Gesamtheit der Seelenkräfte gemeint sein muß, sieht Alfred das Religiöse des Seelenbegriffs als ausschlaggebend. 41 Auch „mendicator mentium" (IV, p. 6,115) ist im Altenglischen "bece ]jsere sawle" (132,15). [Hervorhebungen vom Verfasser.] Der Seele ist der Platz im Himmel bereitet, sie ist die ewige Substanz, die zugrunde gerichtet und verdammt wTerden kann, aber auch in ewiger Seligkeit zu sein vermag. Sie geht dann als Ganzes verloren oder wird als Ganzes gerettet. In dieser Vorstellung der Ganzheit trifft sich der Gebrauch Alfreds mit dem des Boethius. splendor, quo regitur vigetque caelum, vitat obscuras animae ruinas. (III, m. 10, 15 f.) 40
Vgl. E. Gilson, Iniroduction, 56 f. Die Verwendung bei Augustin deckt sich nicht ganz mit der Boethianischen. 41 'sawol' bezeichnet nach H. Schelp die „unvergängliche geistig-seelische Substanz". {Der geistige Mensch, 19). Zum Wortgebrauch in der Curapastoralis merkt H. Schelp, 9 an, daß Seele in erster Linie den „Gegenstand der seelsorgerlichen Bemühungen" bezeichne.
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Ac sio wundorlice beorhtnes . . . nyle p öa sawla forweoröan . . . (89,18 ff.) Als Boethius im technisch-philosophischen Sinn von der dreiteiligen Seele (III, m. 9,13) spricht „conectens animam per consona membra resolvis", übernimmt Alfred die Bezeichnung als solche, 'öriefealdan sawla', faßt aber nach seinen Erläuterungen das Wichtigste nochmals zusammen: Hwaet Jsu, Drihten, gegasderast |)a hiofonlican sawla -| Jja eorölican lichoman . . . (81,14; 82, 2 f.) 'Sawol' ist also primär die gottgeschaffene Seele, lebendige und unsterbliche Trägerin göttlichen Lebens, während 'mod' das geistig Wirksame bedeutet, und diese Abgrenzung erhellt aus folgendem Beispiel: Non omne namque mente depulit lumen obliviosam corpus invehens molem; haeret profecto semen introrsum veri. (III, m. 11, 9 ff.) Boethius spielt hier auf die Präexistenz der Seele an, was Alfred aber nicht kümmert. Zunächst behält er 'mod' bei, als es um die tätige Seele geht: ForJjam nan hxfignes £>aes lichoman . . . ne mxg aellunga ation of his mode jpa rihtwisnesse . . . -] Jseah biö simle com Jsxre soöfasstnesse sxd on Jjasre sawle wunigende . . . (95, 7 ff.) Das dauernde Sein der Seele als 'sawol' steht dem Zentrum des Erlebens und der Entscheidung als 'mod' gegenüber. Auch der Gegensatz von Leib und Seele im Sinn des eschatologischen Dualismus ist den Regeln dieses Wortgebrauchs unterworfen, allerdings ist die geläufige Form hier "sawl -] lichoman" (84, 23 f.; 54, 22; 87,1; 86, 29 f.; 114, 4 f. u. a.).42 Auch wenn von der Trennung der Seele vom Körper die Rede ist, setzt Alfred 'sawol': . . . mentes hominum nullo modo esse mortales . . . (II, p. 4, 87 f.) . . . monna sawla sint undeadlica -j ece. (26, 11) Dieser Gegensatz ist aber trotz seiner Formelhaftigkeit durchbrochen, wenn die Seele als aktive geistige Kraft gefaßt werden soll. So heißt es beim Trank der Kirke (IV, m. 3, 29 ff.): ne mihte jsara monna mod onwendan, Jseah hio Jsa lichoman onwende. Eala f hit is micel crxft Jpss modes for {aone lichoman. (116, 27 ff.) 42
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Vgl. H. Schelp, 18; K. H. Schmidt, 43.
J e mehr der Mensch von Gott getrennt lebt, desto mehr muß er dulden und ertragen, "aegjjer ge on mode ge on lichoman" (130, 26 f. — ohne lat. Vorbild). In Verlegenheit gerät Alfred, wenn Boethius von allen beseelten Lebewesen spricht, ,animal', ,animalia', denn er möchte offensichtlich dem Tier keine Seele zugestehen. Er hilft sich auf verschiedene Weise: Nam ne in animalibus quidem manendi amor ex animae voluntatibus . . . venit (III,p. 11, 85 f.) Hwaet, J)a nytenu öonne -) eac ]?a oöra gesceafta . . . (93, 9 f.)
Gerade die ,anima', auf die es ankommt, fehlt. Boethius definiert den Menschen als „rationale animal atque mortale" (I, p. 6, 34). Alfred übersetzt: Ic wat f ic on libbendum men on gesceadwisum eom Jseah on deadlicum. (13,11 ff.)
Auch bei der Definition des Lebewesens: . . . cum in unum coeunt ac permanent anima corpusque, id animal vocatur (III, p. 11, 30 f.)
bezieht sich Alfred nur auf den Menschen (90, 27 ff.). Daß er den Tieren auch keinen geistigen Habitus (animus) zugesteht, war bereits erwähnt worden (vgl. 170). Eine einzige Ausnahme ist wiederum auf besondere Umstände zurückzufuhren. Bei der ,triplicis natura animae' erwähnt Alfred, daß der Mensch mit den Tieren die zwei niedrigen Seelenteile gemeinsam hat. Hier benutzt er 'sawol' (vgl. 174) als terminus technicus der Philosophie, aber der Wortgebrauch 'sawol' für das Tier ist ungewöhnlich und kann als eine vom Text aufgezwungene Ausnahme gewertet werden.43 Es ist interessant, daß Alfred den Ausdruck 'cwice wuht' an diesen Stellen nicht benutzt, wohl weil er keine Assoziation mit dem Begriff des Beseelten gemeinsam hat.44 Zwei Dinge fallen bei der Untersuchung von 'mod' und 'sawol' und ihren lateinischen Entsprechungen auf. Einmal wiederum die Tatsache, daß Alfred von Fall zu Fall seine Übersetzung den gegebenen Verhältnissen anpaßt und stets das Verständnis sucht, das ihm die eigene Sprache am klarsten ausformt. Dabei scheut er nicht den ungewöhn4 3 E s findet sich in den Alfredschen Schriften (vgl. H . Schelp, Der geistige Mensch, 20), aber auch in Bosworth-Toller, 818 f., kein zweiter Beleg. Vgl. iElfric, ed. Thorpe, I, 276: "Nytenu and deor, fixas and fugelas, he gesceop on flassce buton sawle." 4 4 Stellen im ae.. Boethius: 91, 6; 92, 3 ; 145, 32; — 'cwice wuht' ist bereits verschiedentlich in der älteren Poesie belegt {Bosworth-Toller, 179).
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liehen Gebrauch in einem seltenen Fall. Im allgemeinen jedoch hält er sich ganz an das, was die Muttersprache als treffende Vorstellung vermittelt. Besonders bemerkenswert ist indessen die Änderung der inneren Auffassung des Geschehens gegenüber Boethius. Die vertiefte Sündenauffassung, der Leib-Seele-Dualismus, die Demut als besondere Tugend, die veränderte Auffassung von der Weisheit, die Gott selber ist und die die im Irdischen befangene 'Mod' lehrt, das alles spricht für eine Haltung, die nicht von der selbstverständlichen Souveränität des Geistigen ausgeht, wie es bei Boethius der Fall ist, sondern ihre Wurzeln im Religiösen hat. In dieser Richtung haben sich die Grenzen im Bereich des Geistig-Seelischen in Alfreds Wiedergabe verschoben. 'Mod' steht nicht nur als Dialogpartner im Zentrum des Geschehens, sondern das geistige Handeln ist als Ganzes auf das Seelische abgestellt. 'Mod' selbst erwies sich als willensbetonte Substanz des GeistigSeelischen, und Alfred war es darum zu tun, das inwärtige Erleben ganz auf das Wort der Weisheit und auf das Göttliche hin zu orientieren. Wenn auch diese Aussonderung eines besonders betroffenen Organs durch verschiedene Gründe, wie kulturelle Frühstufe, latinisierende Redeweise und patristische Vorbilder angeregt ist, so sprechen Häufigkeit und Art der Verwendung doch für eine andere seelische Ausgangslage als die des Boethius. Das Seelische soll ganz unmittelbar als Eindruck höchster Erfahrung gefaßt werden, und nichts als das Seelisch-Geistige des Menschen soll sich im Blick auf Gott darstellen. Innerhalb dieses Bereiches ist besonders durch 'sawol' das eigentlich Religiöse im Sinne der christlichen Lehre gegeben, während bei Boethius das Geistig-Philosophische fast ausschließlich vertreten ist. Während wir bei Boethius eine nicht nur vergeistigte, sondern auch bewußt geistbetonte Frömmigkeit vor uns haben, zeigt sich bei Alfred eine Frömmigkeit, die emotional offenkundiger empfunden ist und ihr Zentrum im seelischen Empfinden hat, aus dem heraus ein mächtiges Streben nach Geist und Erkenntnis, rechtem Sinn und Handeln wächst. Das rettende Prinzip ist bei Boethius der Geist, bei Alfred die Seele. 5. ratio - (causa), sensus, imaginario, intellegentia ,Ratio' tritt dem Leser der Consolatio in folgenden Bedeutungen entgegen: 176
1. Vernunft als spezifische Kraft der ,mens', die höchste Kraft des menschlichen Geistes (V, p. 5,17). 2. Vernunft als diskursives Denken, das die einzelnen Erscheinungen auf seine Idee hin zusammenfaßt (V, p. 4, 82 ff.). 3. Vernunft als Vernünftigkeit einer Sache und eines Beweisgangs. 4. Vernunft als logischer Grund von etwas. 5. Die bloße Art und Weise eines Geschehens. Für die beiden ersten Bedeutungen tritt bei Alfred 'gesceadwisnes' ein.45 'Gesceadwisnes' ist teilweise auch Dialogpartner und dann synonym mit 'Wisdom'. Auch in der Soliloquien-Üb&ntmgüng hat Alfred ,ratio' als „Dialogpartner" mit 'Gesceadwisnes' übersetzt. Sonst ist die Weisheit bei Alfred ein Höchstwert im Bereich der Erkenntnis und identisch mit Gott. Vielleicht ist es aus diesem Grund zu erklären, daß Alfred trotz der Schwierigkeit des Genus bei'se wisdom' im späteren Verlauf der Übertragung nur dieses verwendet. ,Ratio' ist für Boethius nur ein höchstes Vermögen im Bereich des menschlichen Erkenntnisvermögens. Die höchste Erkenntniskraft ist die ,intellegentia', die aber Gott allein vorbehalten ist: „sola divina" (V, p. 5,17 f.).46 Hier hat Alfred ein Ausdruck zunächst gefehlt, und er übersetzt mit "gewiss andgit" (145,32; 146,10,16) und "untwiogende andgit" (146,19). Dann bildet er ein neues Wort "gearowita" (146,23; 146, 21), das laut Bosmrth-Toller nur für diese Stellen belegt ist (Bosworth-Toller, 368, Suppl., 289), das aber an ähnliche Bildungen anschließt. Hier sieht man deutlich, wie schwer es Alfred fiel, die Begriffe so klar zu scheiden, wie es Boethius tut, aber auch wie sehr er sich um diese Klarheit bemüht hat. Daß 'andgit' für ,ratio' bzw. ,intellegentia' nicht besonders geeignet ist, geht aus folgenden Beispielen hervor. Alfred hat keinen eigenen Begriff für ,sensus', eine niedrige Form geistigen Vermögens, die Boethius den niederen Tieren wie den Muscheln zuspricht. Diese Stelle (V, p. 5, 11 ff.) übersetzt Alfred: . . . swa swa nu scylfiscas sint, •] habbaö J>eah sumne diel andgites. ( 1 4 6 , 1 f.)
46 H. Schelp, 130, erläutert gesceadwisnes etym. von scead = scheiden und belegt dies durch den Gebrauch Alfreds in der Cura pastoralis, wo es für discretio steht. 48 Hier weicht Boethius von Augustin ab, der den Menschen auch die .intellegentia' zuschreibt (vgl. E. Gilson, Introduction, 57). Vgl. 154 f. d. Arbeit über die Kommentarglosse und die Bedeutung des Gedankens.
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Otten, Alfreds Boethius
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'Andgit' wird also, wenn auch durch Attribute unterschieden, sowohl von den niederen Tieren als auch von Gott ausgesagt,47 und Alfred hat gefühlt, daß er durch Erklärungen nachhelfen mußte: . . . foröxm hi ne meahton elles libban, gif hi nan grot andgites nxfden. Sume magon gesion, sume magon geheran, sume gefredan, sume gestincan. (146, 2 ff.) Offensichtlich fehlt Alfred ein Sammelbegriff für die Sinne.48 Ähnlich unsicher ist Alfred bei der Übersetzung von ,imaginatio', die den höheren Tieren zukommt ebenso wie die Affekte. Beide Begriffe muß Alfred verbal umschreiben, wobei er ,imaginatio' noch in Anlehnung an ,imitatio' erläutert: imaginatio vero mobilibus beluis, quibus iam inesse fugiendi appetendive aliquis videtur affectus. (V, p. 5,15 f.) ... f is p hi onhyriaö monnum; . . . lufiaö f hi lufiaö •) hatiaö f hi hatiaö, i flioö f hi hatiaö secad f hi lufiaö. (146, 6 ff.) Als Alfred dann die Stufenfolge der Erkenntniskräfte in vager Anlehnung an den Kommentar wiederholt, 481 hilft er sich auf der unteren Ebene wiederum durch etwas undeutliche Synonyma: . . . foröi is hiora [seil, engla] gearowito swa micle betra {sonne ure gesceadwisnes se, swa ure gesceadwisnes is betere jponne nytena andgit sie, oööe ]?aes gewittes xnig dsel J>e him forgifen is . . . (146, 23 ff.) "Gewitt" ist also hier synonym mit "andgit". Beide Worte haben einen sehr großen Begriffsumfang, der nur durch das betreffende Syntagma definiert wird, 49 so daß eine klare begriffliche Scheidung, die dem Lateinischen entsprechen würde, nicht möglich wird. Für ,imaginatio' steht Alfred noch ein ebenfalls mehrdeutiger Begriff zur Verfügung, 'rasdelse', den er zunächst gebraucht hatte (V, p. 4,79 = 145,31), aber während an dieser Stelle der Begriff wertfrei gebraucht ist, ist der negative Sinn an anderen Stellen wirksam. So findet sich "raedelse" als Entsprechung zu „fallax opinio" (III, p. 4,35 f. = 63, 27), und als Alfred in freier Form die Richtigkeit einer Argu47
H. Schelp, 106 f., definiert andgiete primär als Apperzeptionsvermögen, das aber in das Feld des Intellekts hineinreicht. 48 Vgl. V, p. 4, 79 zu 145, 28 ff. Die gleiche Schwierigkeit zeigt sich in der Alfredschen Übertragung der Soliloquien (ed. Endter, 6, 7 f. und 19, 2). 4ea Vgl. Anm.46. 4 " Vgl. H. Schelp, 98 f.: „gewit ist in Alfreds Wortschatz der umfassende Ausdruck des intellektuellen und sinnlichen Bereichs (rationabilitas-sensualitas)." Erst der Kontext macht dann die Zugehörigkeit deutlich.
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mentation bestätigt (III, p. 12, 91 ff.), sagt er "buton aelcre leasre radelsan" (100, 25). [Hervorhebung vom Verfasser.] Die Beispiele lassen erkennen, daß Alfred in diesen Fällen nicht in der Lage war, mit klaren, qualitativ verschiedenen Begriffen zu arbeiten. Seine Begriffe erhalten ihren Sinn vom Kontext her, der der veränderten Lage Rechnung trägt. Im Falle der ,imaginatio' allerdings geht der Sinn, die Tatsache, daß in der ,imaginatio' Bilder und Eindrücke aufgehoben und reproduziert werden, verloren. Auch wenn Alfred in der Verwendung von 'gesceadwisnes' für ,ratio' zunächst konsequent erscheint, so sind doch 'gesceadwisnes' Grenzen gesetzt, die seinen Gebrauch ,ratio' gegenüber einschränken. Er übersetzt „ratio divina" (IV, p. 6,30) mit "godcunde gesceadwisnes" (128,16), „ratio humana" (IV, p. 6,120) mit "mennisce gesceadwisnes" (132, 23), und die „scientes" (IV, p. 2, 93) sind "¡aa gesceadwisan" (109, 7). Sobald es aber darum geht, ,ratio' als die Kraft Gottes zu erfassen, die den Kosmos lenkt, wird 'gesceadwisnes' selbst als Agens nicht verwandt: O qui perpetua mundum ratione gubernas, (III, m. 9, 1) Eala, Dryhten, . . . Jdu, öe ealle ]}ine gesceafta . . . wunderlice gesceope -] gesceadwislice heora wehst; (79, 10 ff.) . . . quin ratione regerentur, nihil movebare. (I, p. 6, 13 f.) aelc wuht from Gode wisse his rihttiman i his rihtgesetnesse fuleode, . . . (12, 22 f.) Quod quidem caelum non his potius est quam sua, qua regitur, ratione mirandum. (III, p. 8, 18 f.) . . . f he (heofon) is ealles nauht wi3 his sceppend to metanne . . . ( 7 2 , 1 7 f.)
Es stellt sich von neuem die Frage, ob es religiöse Bedenken und der Eindruck der alles überragenden Größe Gottes sind, die Alfred hier bestimmen, wie auch im Falle von ,natura' den Schöpfer an die Stelle des geistigen Prinzips, durch das er waltet, zu setzen, oder ob, wie es auch von 'gecynd' gesagt werden konnte, 'gesceadwisnes' nicht einer solchen umfassenden Steigerung und Abstraktion fähig war. Wenn wir davon ausgehen, daß 'gesceadwisnes' als „Erkenntniskraft" im allgemeinen zu bezeichnen ist,60 d. h. als eine theoretische Eigenschaft, die Gott und Mensch zukommt, aber an sich nicht als Agens und 50 H. Schelp, Der geistige Mensch, 104. Sonst betont Schelp besonders die ethische Bedeutung des Begriffs.
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Wirkkraft verstanden wird, so scheint es unwahrscheinlich, daß der altenglische Begriff der notwendigen Steigerung fähig gewesen wäre. Bei ,natura' hat Alfred auf die Kraft, die in 'gecynd' als dingliche Eigenart angelegt ist, besonders hingewiesen. Bei ,virtus' hat er das schaffende Prinzip erläutert, und hier bot 'crseft' vom Begriff her einen trefflichen Ansatzpunkt. An dieser Stelle aber scheint sich die Möglichkeit zur Darstellung der 'gesceadwisnes' als Wirkkraft kosmischer Gestaltung nicht geboten zu haben. 6. ratio (causa) Alfred hat keine Entsprechung für den „vernünftigen Grund" und für den „Grund" überhaupt (ratio (3) und (4) der obigen Einteilung sowie causa): Non est iusta satis saevitiae ratio (IV, m. 4, 10) Ac hit nasre no manna riht p . . . (124, 12) Malos vero odisse ratione caret (IV, p. 4, 140) . . . ne f> nis nan riht p mon Jjone yflan hatige (123, 29 f.) . . . quaeque tarn iniustae confusionis ratio videatur, ex te scire desidero (IV, p. 5 , 1 5 f.) Foröasm ic wolde witan nu aet J?e hu öe licode f gewrixle. ( 1 2 5 , 1 1 f.)
Die Frage nach dem vernünftigen Grund und nach dem eigentlichen Sinn einer Sache oder einer Handlung ist hier in keinem Fall erfaßt. Aber es kommt Boethius bei seinen Fragen gerade auf die „Vernunft" an, die im Gefüge der Welt mit dem Durcheinander von Gut und Böse, Verdienst und Strafe, herrschen soll. Soll dieser Vernunftgrund ausgedrückt werden, so bleibt Alfred nur der Nebensatz: Nec mirum, . . . si quid ordinis ignorata ratione temerarium confusumque credatur. (IV, p. 5, 22 f.) öonne he ne con ongitan -j gereccan forhwy swylc God gejsafaö. (125, 25 f.) . . . morbi tui aliam vel maximam causam [scio] (I, p. 6, 36 ff.) . . . aegritudinis tuae rationem inveni (ebd.) Nu ic hiebbe ongiten Jsine ormodnesse (13,16)
Der Begriff des Grundes ist natürlich in einer Philosophie, der es um die geistige Struktur des Universums zu tun ist, einer der wichtigsten Begriffe überhaupt. So muß Alfred fast überall umschreiben und verbale Lösungen für nominale Verhältnisse suchen, aber für jede Philosophie sind die nominalen Begriffe als unveränderliche Gegebenheiten die Hauptsache. 180
Wichtig für Boethius ist der Gedanke, daß das Gute eben nicht nur das höchste Erstrebenswerte ist, sondern auch dessen Grund: Quo fit uti summa, cardo atque causa expetendorum omnium bonitas esse iure credatur. (III, p. 10, 121) . . . f f hehste good sie se hehsta hrof eallra gooda -| sio hior öe eall good on hwearfaö, •) eac öaet jsing ]pe mon eall good fore deö; for öasm J>inge men lyst aslces ]para gooda Jse hi lyst. (88,11 ff.) Alfred legt also den Nachdruck auf die richtige Sache, aber die enge substantielle Einheit von „summa, cardo atque causa" ist verloren, es fehlt das Prin2ipielle. Nun ist es kennzeichnend, daß bei der Übersetzung von Bedas Kirchengeschichte eine Entsprechung für ,causa' verwendet wird, nämlich 'intinga', und es erscheint äußerst seltsam, daß Alfred ein derart wichtiges Wort für eine von ihm übersetzte Schrift benutzt haben soll, für die anderen dagegen nicht.61 Wenn ,ratio' oder ,rationes' im Sinne von „vernünftigem Argument" gebraucht werden, so kennt Alfred mehrere und zum Teil gute Entsprechungen. „Ratio demonstrat" (III, p. 10,26) übersetzt er, da es sich um etwas für den gesunden Menschenverstand Selbstverständliches handelt, mit "us sxgö aelc gesceadwisnes" (83, 26). Als es aber um einen Gedanken geht, der für die einfachen Gemüter nicht sehr einleuchtend erscheint, setzt er für „cum tuas rationes considero" (IV, p. 4, 85 f.) zweifelnd: Ne jDincö me nsefre nanwuht swa soölic swa me J>inca9 jpine spell öaem tidum 9e ic da gehere. (121, 4 ff.) Ganz anders, wenn an einem Beweis nicht zu rütteln ist: cuncta enimfirmissimisnexa rationibus constant (III, p. 11, 1 f.) FORJJSEMJDE JDU hit hasfst geseöed mid gesceadwislicere race. (89, 25 f.) Racu enthält das Element der geordneten Darlegung (BosworthToller, 780), so daß es sich hier als Entsprechung gut eignet, und die Verwendung dieses Wortes zeigt überall die gleiche Konsequenz: . . . quod aeque validis rationum nititur firmamentis: (IV, p. 4, 107 f.) Ic öe wolde giet reccan sume swiöe rihte raca. (122,17) Nimis quidem . . . vera ratio . . . (IV, p. 7, 8) Is f forinweardlice rihtracu (137,15) " Bede's Eccl. Hist. ed. Miller, 180, 1 6 ; 198, 2 0 ; 230, 3 ; 260, 7. D i e wichtige Tatsache hat bereits Klaeber, „ Z u r altenglischen Beda-Übersetzung", 272, erwähnt. — I. Schröbler, Notker III, 176, nimmt an, daß Notker das W o r t .Urspring' bei dieser Gelegenheit erfand. A l f r e d benutzt in der Cura pastoralis (ed. Sweet, 49, 13) 'sespring' f ü r ,fons' im übertragenen Sinn.
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Aber „rationes non extra petitas" (III, p. 12,100) fallen bereits nicht mehr unter diese Kategorie, sondern werden mit "ungelic bispell" (101,15) oder „crebras rationes" (IV, p. 2,70) mit "manigu spell manega bisna" übersetzt (108,1 f.). Auch hier wird Alfreds Fähigkeit der Differenzierung wiederum offenbar, sein Bestreben, genaue Entsprechungen in der Muttersprache zu geben. Wenn aber Boethius verlangt, zwischen Dingen zu unterscheiden, die natura eine Einheit bilden, ratione aber verschieden sind (III,p. 10,48), so ist die Fähigkeit der Abstraktion überfordert, und Alfred kann sich nur durch den Vergleich mit dem Körper, dessen Einheit durch Zusammensetzung besteht, helfen (84, 22 ff.). Auch der abgeblaßte Gebrauch von ,ratio' als „Art und Weise" bereitet Alfred Schwierigkeiten. Er muß dann immer wieder einen spezifischen Inhalt suchen oder ,ratio' unterdrücken: Oportet igitur idem esse unum atque bonum simili ratione concedas. (III,p. 1 1 , 2 3 f.) pu scealt Jjeah gelyfan öaet sio annes -] sio goodnes an öing sie. (90,20 f.)
Da der Hinweis auf das analoge Verhältnis fehlt, ist der Zusammenhang verlorengegangen, der Stil wurde dadurch ins Apodiktische verwandelt. Sed uti iustitiae adeptione iusti, sapientiae sapientes fiunt, ita divinitatem adeptos deos fieri simili ratione necesse est. (III, p. 10, 81 ff.) Hu ne wast ]pu nu p we cweöaö p se bio wis ]pe wisdom hasfä . . . Swa we cweöaö eac p p sie God . . . (85, 30 ff.)
Auch hier ist die innere Logik des Geschehens aufgehoben, die Abhängigkeit ist einem Nebeneinander gewichen. Soll die Analogie aber beibehalten werden, so muß Alfred einen konkreten Inhalt suchen: Alle Geschöpfe suchen Dauer. Boethius hat dies zuerst an den beseelten Lebewesen gezeigt, jetzt weist er es „simili ratione" (III, p. 11, 70 f.) an den unbeseelten—für Alfred den „sprachlosen"— nach: 9a uncweöendan gesceafta wilnodon to bionne on ecnesse swa ilce swa men. (92,16 f.)
Alfred hat also das Prinzipielle in das Partikulare verwandelt, sachliches Denken in personhaftes. So werden bei Alfreds Ubersetzung von ,ratio' überall Grenzen sichtbar, die ihm seine Sprache aufzwingt gegenüber einer Terminologie, die sich seit Anaxagoras herausgebildet hat, die sich auf das 182
allgemeine Verhalten von Dingen spezialisiert hat, in Kausalitäten und Analogien denkt, Natur und Vernunft, Augenschein und Wirklichkeit trennt und auf der Konsequenz der Logik besteht. Wo der einzelne Inhalt von Dingen und Begebenheiten längst dem nominalen Sein geistiger Gesetze, denen die Dinge gehorchen, Platz gemacht hat, muß Alfred versuchen, von einer Sprache her, die noch keine allgemeinen Kategorien des Seins kennt, die noch viel mehr an das Einzelne, an das Tun und an die Person geknüpft ist, das Allgemeine der Konzeption zu zerlegen in den Sinn des jeweiligen Zusammenhangs. Daß in Alfreds Wiedergabe eine eigene Konsequenz herrscht und keine Beliebigkeit der Formulierung, ist an den Beispielen zu erkennen, ebenso wie die Tatsache, daß Alfred eigentlich nur an jenem Letzten scheitert, an dem Gedanken der großen vergeistigten Mächte und Gesetze und an der Konsequenz des Gesamtzusammenhangs. Aus Alfreds Übersetzung wird man im Gegensatz zu Boethius nicht entnehmen können, daß 'gesceadwisnes' als ,ratio' die Vernunftordnung des Universums bedeutet. Es fehlt ihm die einheitliche Grundvorstellung für Vernunft als waltende Ordnung der Dinge, als Grund und Ursache und als allgemeine Art und Weise eines Seins, kurz, für das, was die Philosophiegeschichte gern als „stoische Weltvernunft" bezeichnet. Ein solcher Aufbau des philosophischen Denkens im Sinne der antiken Philosophie wurde in der Volkssprache in England nur möglich mit Hilfe des romanischen Wortschatzes, und auch noch die Leistung Chaucers blieb innerhalb von Jahrhunderten singulär. 7. ordo ,Natura' und ,ratio' sind Begriffe, von denen ebenso wie von ,fatum' und ,Providentia' Geschehen ausgeht. Wie Alfred bei .natura' und ,ratio' in Verlegenheit geraten war, so auch bei der Übersetzung von ,ordo', einem Lieblingsbegriff noch der Shakespeare-Zeit, dessen überragende Bedeutung schon in Alfreds Übersetzungen sichtbar wird. Aus diesem Grund ist die Verlegenheit um so erstaunlicher, denn die Sache, um die es ging, war, anders als bei,ratio', der Aufmerksamkeit Alfreds sicher, wie seine Zusätze zeigen. Außerdem hatte er hier einen guten Begriff in seiner Sprache zur Verfügung, aber ähnlich wie im Fall von 'gecynd' leistet dieser Begriff nicht das, was das Lateinische verlangt. 183
Alfred verwendet 'endebyrdnes', 'endebyrdan' und am häufigsten das Adverb 'endebyrdlice'. Diese Wörter sind in dem Corpus der Schriften Alfreds reich belegt, ebenso wie in den Homilien und in der Übersetzung der Benediktinerregel, und sie enthalten alle Vorstellungen, die für den Wortsinn von ,ordo' wesentlich sind: Stand, Rang und Ordnung.62 Alfred verwendet 'endebyrdnes' auch als Entsprechung für ,lex', das bei Boethius bereits den Charakter des „Naturgesetzes" (vgl. III, m. 2, 3) angenommen hat. Gelegentlich überträgt Alfred ,lex' mit 'as' oder 'bebod', meist allerdings läßt er es wegfallen,63 so daß auch hier wiederum bei einem wichtigen Begriff für den geistigen Aufbau des Universums eine einheitliche und angemessene Entsprechung fehlt. Dennoch ist der Begriff der Ordnung für Alfred wie für Boethius wesentlich, wenn auch, von den Verschiedenheiten der Begriffe bedingt, die Auffassungen auseinandergehen. So faßt Alfred endebjrdnes statischer auf: O felix hominum genus, si vestros animos amor, quo caelum regitur, regat. (II, m. 8, 28 ff.) Eala pte J>is moncyn waere gesaslig, gif heora mod waere swa riht 7 swa gestaöelod i swa geendebyrd swa swa ]pa oöre gesceafta sindon. (50, 3 ff.)
Auch hier ist das aktive Wesen der kosmischen Macht, „amor quo . . . regitur, regat", zusammengedrängt zu einer bloßen Einrichtung. Im folgenden Beispiel ist nicht das Gesetz der Schöpfung die Hauptsache, sondern der Gehorsam der Geschöpfe: O stelliferi conditor orbis qui . . . legemque pati sidera cogis (I, m. 5, 1 ff.) . . . -| ]pa tunglu ]DU gedest jse gehyrsume, . . . (10, 3)
Aber die Vorstellung der 'endebyrdnes' ist für Alfred so umfassend, daß sie überall, allerdings mit einer gewissen Gleichförmigkeit, auftreten kann: Quantas rerum flectat habenas natura potens, quibus immensum legibus orbem provida servet (III, m. 2, 1 ff.) Vgl. Bosworth-Toller, Suppl., 188 £. II, m. 3 , 1 7 = 21, 8; III, m. 9, 20 = 82, 5 ff.; I, p. 5, 14 = 11; II, p. 1,49 = 1 6 , 2 1 ; III, m. 12, 47 = 103, 6 ff.; IV, m. 5, 6 = 123, 31 ff.; lex = a: IV, m. 6, 27 = 136, 25. 62
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. . . i mid hwilcere endebyrdnesse he gestaöolaö -) gemetgaö ealle gesceafta. (57, 4 f.) . . . cuncta . . . sine rectore fluitabunt (III, p. 11, 107 f.) . . . "i nanne sibbe ne nane endebyrdnesse ne heolden, ac swiöe ungereclice toslupen . . . (94, 9 ff.) . . . divina ratio quae cuncta disponit (IV, p. 6, 30 f.) Ac se godcunda foref>onc heaöeraö ealle gesceafta, f hi ne moton toslupan of hiora endebyrdnesse. (128, 20 ff.) In ähnlichen Worten umschreibt er sehr frei den Anfang von II, m. 8: para unstillena gesceafta styring ne masg no weoröan gestilled, ne eac onwend of Jsam ryne -j of Jsasre endebyrdnesse J>e him geset is . . . (48, 30 ff.) Aber bei aller Vorliebe Alfreds für diese Konzeption ist die 'endebyrdnes' etwas den Dingen Auferlegtes, während dem eigentlichen ,ordo' wiederum eine Kraft und eine Aktivität innewohnt: Non tarn vero certus ordo naturae procederet . . . nisi unus esset . . . (III, p. 12,19 ff.) I nsere no [seil, gesceafta] swa gewislice ne swa endebyrdlice ne swa gemetlice hiora stede -] hiora ryne funden . . . (96,18 ff.) Ohne den lenkenden Gott würde, was jetzt die feste Ordnung hält, zerbrechen: quae nunc stabilis continet ordo, dissaepta suo fönte fatiscant. (IV, m. 6, 42 f.) Pier se an gestasjpjjega cyning gif he ne stajpelode ealla gesceafta, J>onne wurdon hi ealle toslopene i tostenete . . . (136, 26 ff.) Bei Alfred liegt der Nachdruck auf der Tatsache, daß die Ordnung von Gott eingerichtet ist, nicht darauf, daß sie einrichtet und zusammenhält. Das schaffende Prinzip ist ihm auch hier entgangen. An einer zentralen Stelle hat er den ordo-Begriff überhaupt nicht berücksichtigt: Est enim quod ordinem retinet servatque naturam (IV, p. 2,103) Alfred berücksichtigt weder „ordo" noch „natura": . . . foröaem swa hwa swa öone gemaenan God eallra goda forlset buton tweonne ne biö se nauht. (109,16 f.) Aber ,ordo' wird von Boethius eigentlich erst im vierten Buch als Kraft Gottes wirklich definiert, und eben dort hat Alfred alle wichtigen Stellen ausgelassen: 64 64
Besonders IV, p. 6, 182 ff. und V, p. 1, 53 ff. 185
Ita enim res optime reguntur, si manens in divina mente simplicitas indeclinabilem causarum ordinem promat, hic vero ordo res mutabiles et alioquin temere fluituras propria incommutabilitate coherceat. (IV, p. 6, 85 ff.) [Hervorhebung vom Verfasser]
Boethius bindet den ,ordo£ an die Unbedingtheit und Unwandelbarkeit des aus der Einfachheit Gottes hervortretenden Geschehens, und Alfred, der in der Auseinandersetzung um ,necessitas' und ,liberum arbitrium' alles vermieden hatte,65 was irgendwie hätte geeignet sein können, die menschliche Freiheit anzutasten, wollte auch diesen Begriff des ,ordo' nicht übernehmen. Es kann kein Zweifel sein, daß hier eine bewußte Wendung Alfreds gegen den Text der Vorlage erfolgt ist, und zwar bei einer Vorstellung, auf die er selbst großen Wert gelegt hat. Andererseits hat aber auch Alfred in diesem Fall die ganze geistige Struktur des Boethianischen Weltbildes nicht durchschaut, wie sich schon bei seiner sporadischen und ungenauen Wiedergabe von ,lex' zeigt. Das personhafte Wirken Gottes als Weltenlenker, Gebot und Strafe, die unbeschränkte Herrschaft und die eingerichtete Ordnung sind für ihn wesentlicher als die Gründe und das dauernde Werden dieser Ordnung. Den Gedanken von den unabdingbar wirkenden Kausalitäten Gottes, dessen in den Gesetzen der Welt völlig vergeistigtes Sein, hat Alfred kaum in seiner Bedeutung geahnt, aber er war auch auf Grund der Wortentwicklung nicht in der Lage, diese komplizierte Wirkwelt rein ideeller Formen sprachlich auszudrücken. Bei allen untersuchten Begriffen erwies es sich, daß der unmittelbare Zusammenhang der jeweiligen Stelle ihre Verwendung weitgehend bestimmte. Der Zusammenhang des Ganzen wird dadurch empfindlich beeinträchtigt, denn wenn auch ein Begriff wie 'endebyrdnes' vielfach im gleichen Kontext verwandt wurde, so eben doch nicht ausschließlich, wie es die philosophische Systematik der Vorlage verlangt. Alfreds eigene Leistung ist im Durchdenken der Einzelstellen zu sehen, und man wird sagen dürfen, daß das, was für Boethius das große und umfassende Verstehen des göttlichen Geistes bedeutet, für Alfred in der jeweils unmittelbaren Erfahrung der Wahrheit im Seelischen zu suchen ist. Der geistige Überblick tritt zurück, an seiner Stelle finden wir die vertiefte Auffassung des einzelnen in seiner Wahrheit und Weisheit im Blick auf die unsterbliche Seele. " Vgl. bes. 64 ff. d. Arbeit 186
b. Die Stellung Alfreds %ur philosophischen Methode des Boethius Alfreds Philosophieren sind von seinem Gesamtverständnis und von der Terminologie des Altenglischen her Grenzen gesetzt. Auch dort, wo kongruente Bildungen im Altenglischen existieren, ist die Kongruenz nur auf einzelne Bedeutungen beschränkt und erreicht nicht den geforderten Gesamtumfang des Begriffs. Dazu kommt, daß wichtige Formalbegriffe vollständig fehlen. Neben ,causa' fehlt ,modus' — dort kennt Alfred nur 'gemet', für ,forma' nur 'wlite', das allzusehr auf „schönes Aussehen" (vgl. Bosworth-Toller, 1259 f.) beschränkt ist. Noch unbestimmter ist ,substantia' ausgedrückt, und ,absolutus', ,participado', ,genus' und ,effectus' fehlen überhaupt. Da aber die Wiedergabe dieser Begriffe doch sehr technischer Natur ist und das zentrale Anliegen des Boethius von ihnen nicht abhängt, wäre es verfehlt, den Mangel solcher Begriffe allzusehr herauszustellen. Da andererseits Boethius selbst auf die Richtigkeit seiner Methode großen Wert legt, ist es doch nicht ohne Interesse zu sehen, an welchen Stellen Alfred sich allzusehr von der Methode entfernt. Mit den Kommentaren hat Alfred eine Eigenheit gemeinsam, auf die bereits hingewiesen wurde, die vorschnelle Identifikation von Kräften und Dingen mit Gott. 66 Es bedeutet dies eine Vorwegnahme des erst zu erschließenden Resultats, die den sorgsamen Aufbau der Untersuchung und im Grunde das Philosophieren selber zur Illusion werden läßt, weil das Wichtigste schon von Beginn her feststeht. Diese Denkweise findet sich auch an Stellen, an denen sie im Kommentar fehlt, z. B. als die ,Philosophia' dem Boethius vorschlägt, ihm ganz kurz den Angelpunkt aller Güter zu zeigen (II, p. 4,68 f.), setzt Alfred hinzu: " p i s ]Donne good" (25,19). In Wirklichkeit geht es Boethius an dieser Stelle nicht um das Gute, sondern um die Tatsache, daß das Glück nur in einer Macht des Menschen über sich selber bestehen kann, weil es etwas sein muß, das man nicht und niemals verlieren kann. Daß das Gesuchte das Gute ist, das wird von Boethius erst wesentlich später, nämlich III, p. 10, mit Gewißheit ausgesprochen. Ähnlich unphilosophisch verfährt Alfred mit einigen logischen Schlüssen. Die ,Philosophia' fordert, daß man den irdischen Gütern nur dann die Fähigkeit, Glückseligkeit zu bewirken, zuerkennen dürfe, wenn in ihnen alle Güter ausnahmslos enthalten seien (III, p. 3,6 ff.). Alfred übergeht das Postulat und stellt einfach die Frage, ob irdische «« Vgl. 18 ff., 149 f. d. Arbeit.
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Güter irgendeinen Menschen glücklich machen können, was dann von 'Mod' prompt und ohne weiteres verneint wird (58,15 ff.). Schon bei der Terminologie fiel auf, daß es Alfred schwerfällt, Prinzipielles herauszuarbeiten, und diese Schwierigkeit macht sich auch dort bemerkbar, wo es um die Methode des Philosophierens geht: In quo illud primum arbitror inquirendum, an aliquod huius modi bonum, quäle paulo ante definisti, in rerum natura possit exsistere, ne nos praeter rei subiectae veritatem cassa cogitationis imago decipiat. (III, p. 10, 4 ff.) Ac anes Ringes ic J>E wolde asrest acsian: Hwasöer JDU wene p senig ping on jsisse worulde swa good sie p hit 9e m£ege forgifan fulla gesaclöa? pe ic öe ascige \>y ic nolde p unc beswice senegu leas anlicnes for soöa gesxlöa. (82, 22 ff.)
Bei Alfred fehlt trotz der sehr wörtlichen Übersetzung und dem Bemühen, die Voraussetzung klarzumachen, Verschiedenes: Zunächst die Zwangsläufigkeit der Logik: „primum arbitror inquirendum"; dann die Notwendigkeit der Übereinstimmung zwischen einem ratione definierten Gegenstand mit dessen Existenz in der Welt natura. So bleibt das Grundsätzliche des logischen Arguments, „quäle paulo ante definisti", verborgen. Auch die Übertragung von „rei subiectae" in den konkreten Fall ist in diesem Sinn zu beurteilen. Bei grundsätzlichen Überlegungen spielt das verallgemeinernde Relativpronomen eine erhebliche Rolle, „aliquod huius modi bonum", und während hier für Alfred „huius modi" ausscheidet, ist es in anderen Fällen das Relativpronomen mit allgemeinem Sinn, das Schwierigkeiten bereitet: Quod enim simplex est, indivisumque natura, id error humanus separat . . . (III, p. 9, 9 f.) God is anfeald -j untodaslendlic, Jseah hine dysige men on masnig todaelen, . . . (74, 30)
Alfred bedient sich des Konkreten, und im Einzelfall spiegelt sich nicht das Grundsätzlich-Allgemeine. Ähnlich wenige Zeilen später: nam si quid est, quod in ulla re imbecillioris valentiae sit, in hac praesidio necesse est egeat alieno. (III, p. 9 , 1 4 ff.)
Alfred muß die konkreten Fakten des betrachteten Falles einsetzen: Jaeah hwa anwald hasbbe, gif oöer hsefö maran, {sonne bej>earf se unstrengra JDXS strengran fultumes. (75, 6 ff.) Quod vero huius modi sit . . . (III, p. 9, 18) Wenstu nu p se anwald •) p geniht . . . (75,11 f.) 188
Diese wenigen Beispiele innerhalb von 8 Zeilen des lateinischen Textes mögen genügen. Ihre Anzahl ist so groß, daß es ohne Zweifel feststeht, daß Alfred gezwungen ist zu konkretisieren, wo im lateinischen Text immer wieder ein allgemeines Gesetz der Logik erwiesen wird. Eine weitere wichtige Abweichung ist in der Neigung Alfreds zu sehen, die Gedankenfolge des Boethius umzukehren, um, vom erkannten Ziel des Boethius ausgehend, die Grundlage zu erläutern. So stellt er in Kausalsätzen die Folgerung als Behauptung an den Anfang, um sie dann zu begründen: Cum deus, . . . omnia bonitatis clavo gubernare iure credatur, . . . num dubitari potest, quin voluntaria regantur . . . (III, p. 12, 44 ff.)
Alfred hat die Periode aufgelöst und ist dabei vom Ergebnis zur Begründung geschritten: Ne maeg nsenne mon Jsxs twiogean J>te ealra gesceafta agnum willum God ricsaö ofer hi, . . . Be J^am is swiöe sweotol ösette God seghwaes wealt mid Jiitm helman . . . his goodnesse; (97, 30 ff.)
Die logische Zwangsläufigkeit erweist nicht die Freiwilligkeit des Dienstes der Kreatur, sondern setzt sie in apodiktischer Weise voraus, um das Gute als Instrument des waltenden Gottes abzuleiten. Dann aber ist es Alfred klargeworden, daß die Argumentation nun nicht weiter fortschreitet, und er setzt hinzu: foröasmjse ealla gesceafta gecyndelice hiora agnum willum fundiaö to cumanne to Gode, . . . (98, 2 ff.)
Dies ist wiederum ein Fall, der es schwer macht anzunehmen, daß Alfred von einer vereinfachten Version der Consolatio ausging. Hier bemüht sich ein in der Logik des Lateinischen ungeschulter Geist um die Klarheit eines schwierigen Gedankens. Bei einer schwierigen Argumentation treten mehrere kennzeichnende Vereinfachungen auf: Zunächst hat Alfred den Einleitungssatz, der das Ziel und den Gegenstand der Untersuchung enthält, einfach fortgelassen : Atque ut agnoscas in his fortuitis rebus beatitudinem constare non posse, sie collige. (II, p. 4, 72 ff.)
Wiederum völlig apodiktisch setzt er den zu führenden Beweis bereits als erbracht voraus: Hu ne is ]pe nu genoh sweotole gesasd p sio wyrd Jse ne masg nane gesaslöa sellan? (25, 28 ff.) 189
Boethius sichert den Beweisgang durch Ober- und Untersatz: a) beatitudo est summum naturae bonum b) nec est summum bonum quod eripi ullo modo potest, . . . Was das Schicksal bringt, das kann es nehmen. Dieser Gedanke muß aber aus bereits Gesagtem ergänzt werden. Formal handelt es sich um ein Enthymen. c) manifestum est, quin ad beatitudinem . . . fortunae instabilitas aspirare non possit (ebd.) Dieser Aufbau ist Alfred entgangen, so daß bei ihm lediglich von einer Behauptung die Rede sein kann: forjixmjje asgjjer is unfasst, ge seo wyrd ge seo gesslö; forjjam sint swiöe tedre -] swiöe hreosende ]pas gesasljja. (25, 30 f.) Der Schluß dieses Kapitels ist in der gleichen Weise gebaut: a) Wenn der Tod ein Unglück ist, dann hört alle Seligkeit mit dem Tode auf. b) Viele haben um der Glückseligkeit willen den Tod gesucht. c) Was, wenn es vergangen ist, nicht unglücklich macht, das kann durch seine Gegenwart auch nicht glücklich machen. Auch von diesem Beweisgang ist bei Alfred nur das Resultat übriggeblieben (II, p. 4, 86 ff. = 26, 9 ff.). Ähnlich ist die Wiedergabe des wichtigen Schlusses von III, p. 11, der das Gute als das Ziel aller Dinge erweist. Der Aufbau des Boethius: a) Das Ziel der Dinge ist, was von allen ersehnt wird. b) Ersehnt wird das Gute. c) Folglich ist das Gute das Ziel. Quis esset, inquit, rerum omnium finis; is enim profecto, quod desideratur ab omnibus; quod quia bonum esse collegimus, oportet rerum omnium finem bonum esse fateamur (III, p. 11,114 f.) ac wite nu f f is allere gesceafte ende p 3u seif aer nemdest, f is God — (die ältere Hs C hat das richtigere 'good') — to ]?am fundiaö ealle gesceafta. Nabbaö hi nan god ofer f to secanne, ne hi nanwuht ne magon ne ufor ne utor findan. (94, 22 ff.) Alfred erhärtet wiederum die Hauptwahrheit, daß Gott das höchste Ziel und das höchste Gute ist; der Gedanke, diesen Beweis durch die Logik zu sichern, ist nicht zu erkennen. Das Fehlen eines philosophisch geschulten Verstandes zeigt sich auch bei folgender Argumentation: Boethius stellt fest, daß zwei Dinge für das Zustandekommen einer Handlung notwendig sind, 190
nämlich die Möglichkeit und der Wille (IV, p. 2,11 ff.). Alfred faßt ,voluntas' als ,liberum arbitrium' auf und setzt noch das „Müssen" hinzu (106,13 f.), was natürlich völlig irrelevant und geradezu irreführend ist. Boethius führt den Nachweis, daß es nur ein ,summum bonum' als Einheit geben kann, weil „duo summa bona, quae a se diversa sint, esse non possunt" (III, p. 10, 65 f.). Alfred übersetzt zunächst nur "tu good" (85,12), obwohl der Sinn an dem Superlativ hängt, und läßt auch hier den Beweisgang außer acht, ehe er den Lapsus nachträglich ausbessert: foröy ne masg f fülle god bion no todseled. (85,15) Auch hier wird also das klärende Bemühen fast in seinem Werden sichtbar. Als Fazit dieser Überlegung wird man sagen dürfen, daß Alfred nur festgehalten hat, was er als wesentlichen Inhalt ansah. Den Weg der logischen Richtigkeit, die als einziges Kriterium für die Wahrheit in der philosophischen Methode Geltung beanspruchen durfte, vermochte er nicht nachzuvollziehen. An einigen Stellen hat er auch einen schwierigeren logischen Aufbau nicht richtig durchschaut. Wir werden daraus den Schluß ziehen dürfen, daß Alfred keineswegs von einer vereinfachten lateinischen Consolatio ,in usum Delphini' ausging, denn gerade eine gute Kürzung, beziehungsweise eine Vereinfachung, hätte diese Unklarheiten leicht vermeiden können. Der Versuch, sich zunächst des Resultats einer Argumentation zu versichern und dann eine Begründung nachzutragen, läßt eher die unmittelbare Beschäftigung mit einem schwierigen originalen Text vermuten, bei dem der Verfasser sich Schritt für Schritt um die Klarheit bemühte. Das schließt eine mündliche Zusammenarbeit nicht aus. Gerade die Vorausdeutung und der Nachtrag sprechen für diese Art der Hilfe, denn sie setzen einen originalen Text voraus, zu dem sich dann der Ubersetzer Erläuterungen geben ließ. Die Consolatio ist aber nicht nur eine in Gedankenführung und Aufbau nach den Gesetzen der Logik durchgeführte philosophische Untersuchving, wie man dies als selbstverständlich hätte erwarten können, sondern so sehr mit Bemerkungen zur logischen Richtigkeit durchschossen, daß man deutlich erkennt, daß nur das wahr sein kann, was logisch richtig ist. Auch diese methodischen Bemerkungen mußten ebenso wie die Gesetzmäßigkeiten, für die sie stehen, verlorengehen, da ihnen im altenglischen Wortschatz nichts mit an191
nähernder Richtigkeit entsprach. Dennoch hat sich Alfred bemüht, mittelbar diese Bemerkungen wiederzugeben: Nec propositis, inquam, prioribus refragari queo et illis hoc inlatum consequens esse perspicio. (III, p. 10, 62 f.) Ne mag ic dxs oösacan, foröaem Jse ic his wxs xt gejjafa. (85, 9 f.) Daß von Vordersätzen und Folgerungen die Rede ist, würde man aus der Übersetzung nicht schließen können. Quisquis, inquam, dubitat, nec rerum naturam nec consequentiam potest considerare rationum. (IV, p. 2, 40 ff.) Se öe ne wenö p öis soö sie, öonne ne gelyfö he nanes soöes. (107, 9 f.) Der Zusammenhang von ,natura' und ,ratio' ist wiederum unsichtbar. Eine schwierigere methodische Erörterung über Schluß und Stellung der Vordersätze hat er in einen Angriff gegen die Toren verwandelt, die von der Weisheit nichts wissen wollen. Aber etwas von der Vorlage scheint noch durch: öonne gerecce he gif he masge oöer twega, oööe ]para spella sum leas, oööe ungelic Jpsere sprasce Jse wit xfterspyriaö ;(118,13 ff. =IV, p. 4,30 ff.) Das aber ist eine Anknüpfung an eine frühere Stelle, wo von einem Wort Piatos die Rede ist, daß die Worte den Sachen, von denen sie handeln, verwandt sein müssen.67 Alfred hatte dies (III, p. 12,100 ff.) übersetzt: Ic gemunde nu ryhte jsass wisan Piatones lara suma, hu he cwasö öxt te se mon se öe bispell secgan wolde, ne sceolde fon on to ungelic bispell öasre sprsece ]je he öonne sprecan wolde. (101,13 ff.) Außerdem hat Alfred diese Stelle zum Anlaß genommen, seine eigene Anschauung über die Argumente und Beispiele der Consolatio und auch über die literarische Methode der Gestaltung wiederzugeben. Ausschlaggebend ist der Dienst an der Wahrheit und der Nutzen der Hörer, und bei aller Verschiedenheit von Gedankengängen und Beispielen ist wichtig, daß die Seele an dem hängt, was erspürt wird. 58 Was bei Boethius zur philosophischen Methode gesagt wird, daß es sich bei der Darlegung der Identität des Guten mit der Glückseligkeit und des Guten wiederum mit Gott nicht um einen Zirkelschluß handele, das faßt Alfred als Methode der erzählenden Darlegung: 57 Plato, Timasus, 29b, vgl. Büchner, Boethius Trost der Philosophie, Bieler, 62 und 117 dieser Ausgabe. 68 Vgl. 129 d. Arbeit.
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174 Anm.;
Forösem öu ne joearft nauht swijse wundrian öeah we spyrien aefter öaem 9e we ongunnon, swa mid las worda swa mid ma, swasöer we hit gereccan magon. (101, 6 ff.) Dieses Prinzip der stilistischen Variatio ist von Augustin in De catechi^andis rudibus für die Predigt in Anspruch genommen worden: Quapropter non arduum est negotium, ea quae credenda insinuantur, praecipere unde et quousque narranda sint; nec quomodo sit varianda narratio, ut aliquando brevior, aliquando longior Semper tarnen plena atque perfecta sit; et quando breviore, et quando longiore sit utendum. {De cat. rud. II, 4, PL 40, c. 312) Wir kommen der Wahrheit wohl am nächsten, wenn wir annehmen, daß Alfred die Consolatio nicht als eine nach den Regeln der formalen Logik durchgeführte philosophische Argumentation aufgefaßt hat, sondern als eine Erzählung geoffenbarter göttlicher Wahrheit aus dem Mund der Weisheit. So hat er überhaupt keinen Versuch gemacht, das Technische der Diktion im Sinne des Originals wiederzugeben, und auch beim Aufbau selbst hat er auf die notwendige Reihenfolge von Prämissen, Folgerungen und Schlüssen keine Rücksicht genommen. Entscheidend ist das Wiedergeben der Wahrheit, und hier legt Alfred Wert darauf zu vermerken, daß der Ausdruck immer nahe bei der Sache zu bleiben hat, was an das Catonische ,rem tene, verba sequentur' erinnert. Alfreds Haltung ist zwar von seiner Auffassung der obenerwähnten Platon-Stelle abhängig, aber er hat sie verstanden in etwa dem gleichen gesunden Prinzip. Dazu kommt bei schwierigen Stellen ein Abweichen von der verbindlichen Darlegungsweise des Boethius zugunsten der apodiktischen Aussage, die eher durch Autorität belegt ist als durch logische Richtigkeit. Man kann für den Inhalt und die Auslegung einiger Stellen wohl Rat und Hilfe in mündlicher Erklärung in Rechnung stellen, aber der Geist der Wiedergabe ist nicht der eines Gelehrten, sondern eines Mannes, dem an der Wahrheit gelegen ist, schlicht und einfach, nicht an dem komplizierten Weg, auf dem sie gewonnen wird, der sie mit Demut begreift und mit Nachdruck vertritt. c. Alfreds Lateinkenntnisse und die Hilfe seiner Gelehrten Die ältere Diskussion um Alfreds Werk ist von zwei Fragen beherrscht, die eng miteinander zusammenhängen, die Fragen nach der Reihenfolge der Ubersetzungen und nach der Einschätzung der Hilfe seiner Gelehrten. Von Alfreds Gelehrten wissen wir in der 13 Oteen, Alfreds Boethius
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Hauptsache durch das Eigen2eugnis Alfreds in der Vorrede zur Cura pastoralis (ed. Sweet, 7, 15—25), durch seinen Biographen Asser (ed. Stevenson, §§ 77—89) und durch das spätere Zeugnis Williams of Malmesbury, das Assers Hilfe für den Boethius ausdrücklich bestätigt.69 Da nun die Übertragung der Consolatio wesentlich mehr Erklärungen zum Verständnis enthält als irgendein anderes Werk der Alfredschen Ubersetzungen, galt zunächst die Meinung, daß Alfred eben dort am meisten der Hilfe bedurft hätte und daß man es aus diesem Grund mit der ersten von Alfred selbst übersetzten Schrift zu tun habe. R I C H A R D W Ü L K E R und, ihm folgend, die meisten anderen Gelehrten60 haben dagegen geltend gemacht, daß eine freiere Bearbeitung die größeren Kenntnisse erfordere gegenüber der engen oder sogar ängstlichen Anlehnung an den Text, und sie haben die £7o«W¿zA'fl-Übertragung mit den Soliloquien als letzte Schrift an den Schluß der Liste gesetzt. Denn in den Soliloquien verläßt Alfred die Vorlage schließlich gänzlich und zieht andere Werke in freier Form hinzu,61 so daß sich hier die Kriterien der Reihenfolge bewähren, zumal das Werk, das man entsprechend dem Vorwort Alfreds an den Anfang zu rücken hat,62 die Cura pastoralis, die größte Nähe zum Original innerhalb der echten Alfredschen Schriften für sich beanspruchen darf. Allerdings paßt die Übersetzung von Bedas Kirchengeschichte nicht in diesen Kreis. Die Auslassungen zeigen wohl Selbständigkeit der Auffassung, aber die Übersetzungstechnik und die Sprache weichen sehr von den übrigen Schriften Alfreds ab. Allerdings sind die äußeren Zeugnisse für Alfreds Verfasserschaft sehr stark.63 Unsere Arbeit dürfte bis jetzt hinlänglich deutlich ge69 Vgl. S. Potter, "On the Relation", 68 ff., über die Stellen in den Gesta Regum Anglorum, II § 122 und Gesta Pontificum Angliae, II § 248; vgl. Ch. Plummer, Life and Times, 188. 60 R. Wülker, Grundriß ^ur Geschichte der angelsächsischen Litteratur (Leipzig, 1885), 394; E. Wülfing, Die Syntax in den Werken Alfreds des Großen, I, VII ff.; K. Malone, "The Old English Period (to 1100)", A Literary History of England, ed. A. C. Baugh (London, 1948), 97; W. F. Schirmer, Geschichte der englischen und amerikanischen Literatur (Tübingen, 2 1954), I, 41; W. L. Renwick and H. Orton, The Beginnings of English Literature toSkelton, Introductions to English Literature, ed. B. Dobrée (London, 1952), I, 238. Anders A. Brandl, Geschichte der altenglischen Literatur, I, Pauls Grundriß (Straßburg, 1908), 1064. L. L. Schücking, Die englische Literatur im Mittelalter, Handbuch der Lit. Wissenschaft, 17, 32 f. und G. K. Anderson, The Literature, 264. 1,1 Vgl. S. Potter, "On the Relation", 65 ff.; K. Jost, „Zur Textkritik", 272 ff. «2 Vgl. Fr. Klaeber, „Zu König Alfreds Vorrede", 53; H. M. Flasdieck, „Das Kasseler Bruchstück", 211 f. •3 Vgl. S. Potter, "On the Relation", 68 ff.
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macht haben, daß die Boethius-Übertragung nicht ein Anfangswerk sein kann. Eine solche Fülle von Wissen und Erfahrung ist in organischer Weise in den Boethius hineingearbeitet, eine solche Selbständigkeit der Auffassung, der Wiedergabe und des Stils erreicht, daß der Weg Alfreds nur zu dieser Ubersetzung hinführen, nicht aber von ihr ausgehen kann. Eine solche Chronologie der Werke Alfreds, die mit der Cura pastoralis 894 beginnt,84 hat den Vorteil für sich, daß sich in ihr eine geistige Entwicklung überzeugend ausspricht: Die Cura pastoralis als das wichtigste Werk für das innere Sein und das äußere Wirken von Priester und Bischof,66 Orosius' Historiarum adversum paganos libri Septem mit seiner Auffassung der Geschichte als Katastrophe und als Heilsgeschehen und seinem moralischen Pragmatismus, ein Werk, das König, Krieger und Geschichte ebenso in der pervertierten Form ihrer Erscheinungen zeigt wie in der inneren Erfüllung ihres Sinns.84 Diese beiden Werke spiegeln geradezu die wichtigen Seiten des königlichen Geistes, seine Sorge um den Priesterstand und seine Aufgabe als Krieger und König. Diesen mehr auf das Praktische gerichteten Werken folgen Boethius und die Soliloquien, die das Leben der Seele zum Gegenstand haben, Boethius mit der unbedingten Gewißheit des Guten und der Rückkehr der Seele zu Gott, dem Nachdruck auf dem geistigen Sein, Augustin mit der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und der Lauterkeit von Seele und Geist. Eine solche Stufenleiter zur Vollkommenheit scheint Alfreds Entwicklung geradezu exemplarisch darzustellen, und in dieser oder ähnlicher Form finden wir sie vielfach beschrieben.87 Wie soll man angesichts dieser Entwicklung die Hilfe der Gelehrten einschätzen? Alfreds beinahe übermenschlicher Zug zur Weisheit, wie Asser ihn schildert, sein Wille, seinem Werk Dauer zu sichern, wie er überall zutage tritt, im Boethius wie in den Chroniken, seine unermüdlichen Bemühungen um Gelehrte und die betonte Form, in der er im Vorwort der Cura pastoralis von dem Bildungsvorhaben als 61 Asser erwähnt nur die Dialoge Waerferths (§ 77). Seine Biographie ist auf 893 zu datieren (vgl. Asser, ed. Stevenson, lxxi ff. ; lxxxii ; vgl. B. A. Lees, Alfred the Great, 340 f.). 66 Vgl. S. Potter, "The Old English Pastoral Care", Transactions of the Philological Society (1947), 114 ff. " Sein Werk wird in seiner Qualität heute nicht sehr hoch veranschlagt, doch gilt das nur vom Standpunkt des Historikers aus. Vgl. Laistner, Thought and Letters, 3 f. 67 So bereits Wülker, Grundriß, 394 ff.; Plummer, The Life and Times, 140 ff.; Lees, Alfred the Great, 340 ff. ; Duckett, Alfred the Great, 127 ff.
seinem eigenen spricht, das alles zeigt doch, daß Alfred wirklich der persönliche Mittelpunkt und das geistige Zentrum aller literarischen Bemühungen war. Die ganze Auffassung der Consolatio, wie versucht wurde sie darzulegen, trägt das Siegel seines Geistes, und bereits in der Cura pastoralis wirkt ein Geist, der die Dinge viel unmittelbarer auffaßt und persönlicher darlegt, als es in der Übersetzung Waerferths oder in der ifafo-Übersetzung der Fall ist. Dennoch wäre es falsch, die Rolle von Asser, Waerferth, Plegmund, Grimbald, Johannes Saxonicus, die von seinen Gelehrten als die eigentlich profilierten erscheinen, zu unterschätzen. Das Wissen seiner Zeit, das uns in der Co/iro/a/rä-Übertragung entgegentritt, mit den mannigfachen Parallelen bei Augustin und in anderen Quellen, scheint kaum aus der Primärlektüre zu stammen, sondern ist aufgenommen aus der Diskussion solcher Fragen, aus dem, was die Gelehrten ihm beständig vorlesen mußten,68 erinnert und umgestaltet. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, daß Alfred seinen Gelehrten wohl den größten Teil seiner Kenntnisse der lateinischen Sprache verdankt, deren Lektüre er erst spät wirklich selbständig gemeistert haben dürfte, wenn wir das folgende Zitat Assers auf das Lateinische beziehen dürfen: Nam die noctuque, quandocunque aliquam licentiam haberet, libros ante se recitare talibus imperabat — non enim unquam sine aliquo eorum se esse pateretur — quapropter pene omnium librorum notitiam habebat, quamvis per se ipsum aliquid adhuc de libris intelligere non posset. Non enim adhuc aliquid legere inceperat. (§ 77, 20 ed. Stevenson)
Asser beschreibt, wie Alfred erst im 12. Lebensjahr lernte, seine eigene Sprache zu „lesen" = „recitare" (§ 22, 19 f.),69 und auch dort geht die Aneignung über das Gedächtnis. Alfreds Übersetzungsarbeit spielt sich demnach in enger Zusammenarbeit mit seinen Gelehrten ab, aber über die Art dieser gemeinschaftlichen Arbeit fehlen die Zeugnisse, abgesehen von der Entstehung des nicht erhaltenen Encheiridions, das ebenfalls der Lektüre wie dem Gespräch entsprang und den Anfang der eigenen Übersetzungstätigkeit bildet: Eodem quoque anno (887) saepe memoratus .¿Elfred, Anglosaxonum rex, divino instinctu legere et interpretari simul uno eodemque die primitus inchoavit. (73, § 87, 1 ff.) 68 69
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Vgl. das folgende Zitat und Stevenson, ed., 67 § 81, 7 ff. Über die Bedeutung von .recitare' vgl. B. A. Lees, 77.
Die kleine Szene, die Asser anschließend schildert, ist bekannt, aber sie verdient dennoch, ausführlicher zitiert zu werden, weil das innere Begreifen der Weisheit, die Bezogenheit des Tuns auf Gott gerade auch in der ^o^/aj-Übertragung spürbar wurde und wir in einem historischen Beleg etwas von der geistigen Gestimmtheit erfahren, die wir zuvor in Alfreds Text zu fassen suchten. Nam cum quodam die ambo in regia cambra resideremus, undecunque, sicut solito, colloquia habentes, ex quodam quoddam testimonium libro illi evenit ut recitarem. Quod cum intentus utrisque auribus audisset et intima mente sollicite perscrutaretur, subito ostendens libellum, quem in sinum suum sedulo portabat, in quo diumus cursus et psalmi quidam atque orationes quaedam, quas ille in iuventute sua legerat, scripti habebantur imperavit, quod illud testimonium in eodem libello literis mandarem. Quod ego audiens et ingeniosam benevolentiam illius ex parte, atque etiam tarn devotam erga Studium divinae sapientiae voluntatem eius cognoscens, immensas Omnipotenti Deo grates, extensis ad aethera volis, tacitus quamvis, persolvi, . . . (ebd.) . . . Ac deinde cotidie inter nos sermocinando, ad haec investigando aliis inventis aeque placabilibus testimoniis, quaternio ille refertus
succrevit • • • (ebd.)
. . . Nam primo illo testimonio scripto, confestim legere et in Saxonica lingua interpretari, atque inde perplures instituere studuit . . . (ebd.)
Eine solche Arbeitsweise, bei der der Text im Gespräch geklärt und dann in der Übersetzung niedergeschrieben wird, wobei Alfred die Niederschrift oder das Diktat selbständig vollzieht, läßt die Möglichkeit offen, die Erläuterungen zunächst einmal aufzunehmen und dann später in die Übersetzung hineinzuarbeiten. Sie erklärt auch die zahlreichen Ungenauigkeiten am besten, denen wir begegnet sind. Das Zeugnis Williams of Malmesbury70 sollte auch schon deshalb nicht im Sinne einer von Asser schriftlich festgehaltenen vereinfachten Fassung der Consolatio, „planioribus verbis", genommen werden, weil man Alfreds Ringen mit dem Text beobachten kann und weil man eine Reihe Verständnisfehler in der Cö«Jö/a//ö-Übertragung findet, die man Asser kaum aufbürden darf und aus denen hervorgeht, daß auch die Zusammenarbeit nicht so beständig gewesen sein kann, wie es Assers Zeugnisse vermuten lassen. Ein Gespräch hingegen 70 „Asserus, ex Sancto Dewi evocatus, non usquequaque contempnendae scientiae fuit, qui librum Boetii De Consolatione Philosophiae planioribus verbis elucidavit, labore illius diebus necessario nostris ridiculo. Sed enim iussu regis factum est ut levius ab eodem in Anglicum transferretur sermonem." Aus den Gesta pontificum, c. 80 nach Stevenson, Asser's Life of King Alfred, lxviii.
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läßt der Improvisation und der Vermutung anstelle des sicheren Wissens weit mehr Spielraum, und dessen bedürfen wir, wenn wir uns die Fehler erklären wollen, die nicht die Fehler eines Gelehrten sind. Idcirco nemo facile cum fortunae suae condicione concordat; inest enim singulis, quod inexpertus ignoret, expertus exhorreat. (II, p. 4, 47 ff.) Alfred gibt den Sinn anders wieder, weil er „expertus — inexpertus" nicht so versteht, wie es gemeint ist: peah he nu nanwuht elles nsebbe ymbe to sorgienne, p him maeg to sorge Jsast he nat hwaet him toweard biö . . . (24,15 ff.) Iam vero corporis bona promptum est ut ad superiora referantur; (III, p. 2, 35 f.) Alfred übersetzt „superiora" = „zu den obengenannten", als ob „inferiora" = „geringere" dastehe: . . . ealle jsa licumlican good bioö forcuöran Jjonne öaere sawle crseftas. (54, 21 ff.) Atqui hoc vobis in contrarium cedit (II, p. 5, 61) „Zum Gegenteil ausschlagen" übersetzt Alfred mit „wider deinen Willen": Ac ic wat peah swiöe geara pte eall p ic her sprece is wiö Joinum willan. (31, 16 ff.) Aus „in somno spiritum ducimus nescientes" (III, p. 11, 84) wird bei Alfred das „ungewollte Wandern des Geistes im Schlaf" (93, 6 ff.). Als die ,Philosophia' über das Unglück spricht, das Söhne ihren Eltern bereiten können, nimmt sie Boethius ausdrücklich aus: neque alias expertum te neque nunc anxium necesse est ammonere. (III,p. 7, 14) Bei Alfred wird daraus das genaue Gegenteil: ne J>earf ic Jse peah p secgan, forösem JDU hit haefst afunden be Jje selfum. (70, 28 f.) Wenn einer den Tyrannen den Putz ihrer Umhüllung nimmt: iam videbit intus artas dominos ferre catenas. (IV, m. 2, 5) Damit meint Boethius die Ketten der Leidenschaften. Alfred übersetzt falsch: Jponne Jsincö him, p he sie on carceme gebroht, oööe on racentum, (111,25 f.) 198
Er verwechselt—diesen an sich verständlichen Fehler hat ZANDVOORT erklärt71 — „classica saeva" (II, m. 5,16), „die Kriegstrompete" mit „classis" und übersetzt es mit "sciphere", dem „stehenden Ausdruck für eine dänische Kriegs- und Raubflotte" (Zandvoort, ebd.). Das Gemeinsame an diesen Fehlern ist nicht so sehr darin zu suchen, daß Alfred ein Wort falsch aufgefaßt und übersetzt hat, sondern darin, daß er ganz andere Zusammenhänge für ein mißverstandenes Wort einsetzt. Er hat nach dem Sinn gesucht, der sich ihm am ehesten darbot, und danach den Text als Ganzes verändert. Das aber ist nicht ein Fehler, wie er auch Kennern der lateinischen Sprache unterläuft, sondern erinnert in seiner Art an das Raten eines Schülers — klug aber falsch. Noch deutlicher wird das bei den folgenden Stellen, bei denen Alfred den Sinn nur mehr irgendwie ahnt und sich weit vom wirklichen Inhalt entfernt: Sed quod decora novimus vocabula, num scire consumptos datur? (II, m. 7, 19 f.)
Der Sinn ist, daß der Tote am Glanz der Buchstaben, die seinen Nachruhm künden, keine Freude mehr hat, da er sie nicht mehr zur Kenntnis nehmen kann. Alfred übersetzt von seiner eigenen Auffassung her (vgl. II, p. 7, 43 f.):72 . . . we witon manige foremaere -) gemyndwyrjse weras forögewitene ¡De swiöe feawa manna a ongit. (46, 27 ff.)
Alfred hat das vierte Metrum des vierten Buches weitgehend umgestaltet, weil es Verhältnisse enthält, die der antiken Welt geläufig, seiner eigenen aber fremd waren. Aber er beginnt mit einem Mißverständnis : Quid tantos iuvat excitare motus et propria fatum sollicitare manu? (IV, m. 4 , 1 f.) Forhwi drefe ge eowru mod mid unrihtre fiounge, . . . oööe forhwy setwite ge eowerre wyrde p hio nan geweald nah? (124, 3 ff.)
Dies ist die einzige Stelle im altenglischen Text, die mir keinen eindeutigen Sinn zu ergeben scheint. Aber wir bewegen uns hier auf der Grenze, an der es schwer ist, „Fehler" von bewußten Änderungen zu unterscheiden, und es hat keinen Sinn, zweideutiges Material in diesem Zusammenhang heranzuziehen. 71 R. W. Zandvoort, "Three Notes on King Alfred's Boethius", Englisb Studies 28 (1947), 74fT. 72 Vgl. 100 f. — Der Gedanke ist der Antike geläufig, vgl. Horaz, Carmina, IV, 9,25 ff.
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Die Natur der vorliegenden Fehler genügt, um festzustellen, daß weder Asser noch ein anderer Gelehrter dauernd Alfred über die Schulter gesehen hat. Außerdem sprechen die Fehler bei verhältnismäßig schwierigen Stellen dafür, daß Alfred keine im ganzen vereinfachte Fassung der Consolatio vor sich hatte, sondern seinen Weg im lateinischen Original in manchen Schwierigkeiten selbst finden mußte. Weiterhin sprechen die Fehler nicht für eine fachgemäße Wiedergabe durch einen Gelehrten. S. POTTER hat an der Beda-V}bersetzung festgestellt, daß die Fehler grammatischer Natur sind,73 und beim Vergleich mit den Fehlern der Consolatio sieht man, daß sie sich lediglich auf einzelne Begriffe beziehen. Das Erraten eines neuen Zusammenhangs hingegen und eine gewisse Sorglosigkeit der Wiedergabe scheinen für den Orosius74 und den Boethius charakteristisch zu sein. Wenn wir uns also ein Bild von der Entstehungsweise der Übertragung machen wollen, so ist wohl am wahrscheinlichsten anzunehmen, daß Alfreds Gelehrte den Text abschnittweise ihm vorlasen und ihn im Gespräch mit ihm erläuterten. So gewann Alfred ein ungefähres Bild und vermochte selbständig und ohne größere Revision an Hand des Textes sein eigenes Verständnis wiederzugeben. d. Die Technik der Alfredschen Übersetzung Nach dem Urteil von J. GHELLINCK stellt die freie Wiedergabe eines lateinischen Textes in einer solchen Selbständigkeit, wie sie Alfreds Übersetzung charakterisiert, eine Leistung dar, die innerhalb des späteren Mittelalters nicht ihresgleichen hat.75 Dieses Urteil hat eigentlich nur für die Ä^/tew-Übersetzung Geltung, denn dort sind die Zusätze und Verwandlungen so zahlreich, und nur dort ergeben sie ein geschlossenes Bild eigenen Denkens. Das ist kein Zufall, denn keiner der anderen Texte, die Alfred und seine Gelehrten übersetzten, enthielt so viel Material, das von der herkömmlichen Lehre der Kirche so sehr verschieden war, und damit eine derartige Herausforderung an das eigene Denken.76 Daß Alfred aber dieser Herausforderung 78 Vgl. S. Potter, "On the Relation", 13. Den Fehlercharakter innerhalb der Cura pastoralis kann man mit dem Boethius gleichsetzen, ebd., 46 ff. 74 S. Potter, "Commentary on King Alfred's Orosius", Anglia 71 (1952/53), 385 ff., bes. 408 (Orosius, ed. Sweet, 110,30), 412. (IOrosius, 132, 32), 414 (150, 8) u. ö. 74 J. Ghellinck, La littérature latine au moyen-âge, 2 (Brüssel, 1939), 15 f. 7« Vgl. 117 f. d. Arbeit.
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wirklich gerecht werden konnte, liegt in der Methode seiner Übersetzung begründet, die er im Vorwort zur Cura pastoralis und dann wiederum im Vorwort derÄ^ifekr-Übersetzung ausgesprochen hatte:77 . . . ]?a ongan ic ongemang oörum mislicum & monigfaldum bisgum öisses kynerices Jsa boc wendan on Englisc ]3e is genemned on Laeden Pastoralis, & on Englisc Hirdboc, hwilum word be worde, hwilum ondgit of andgite, swse swie ic hie geleornode set Plegmunde minum aercebiscepe & s t Asserie minum biscepe & . . . (ed. Sweet, 6,17 ff.) Daß diese Formulierung in Alfreds Kreis gängig war, ersehen wir aus einer Parallele in Assers Biographie, auf die bereits F R . KLAEBER hingewiesen hat:78 . . . Werfrithum, . . . qui, imperio regis, libros Dialogorum Gregorii papae et Petri sui discipuli de Latinitate primus in Saxonicam linguam, aliquando sensum ex sensu ponens, elucabratim [wohl: elucubratim] et elegantissime interpretatus est. (ed. Stevenson, 62, § 77, 4 ff.) Die Formel begegnet uns ebenfalls am Schluß des Vorworts der Dialoge, als Gregor erklärt, daß seine Gewährsmänner sich nicht der literarischen Ausdrucksweise bedienen, und er deshalb teils dem Sinn, teils dem Wort nach das Gehörte wiedergebe: . . . ic wille, Petrus, Jsaet jpu wite, Jwet ic nime in sumum Jsaet andgyt -j in sumum ]pa word mid Jjy andgite (ed. Hecht, 9, 10 ff.) Wir haben es hier mit einem sehr geläufigen Gegensatzpaar zu tun, das eine bestimmte Einstellung vom Übersetzer verlangt, die besonders Hieronymus beschäftigt hat, der auf der Wiedergabe „sensum e sensu" besteht, und sie gegen viele Angriffe verteidigt:79 . . . quasi non et apud Graecos Aquila, Symmachus, et Theodotio, vel verbum e verbo, vel sensum e sensu, vel ex utroque commixtum, et medie temperatum genus translationis expresserint; . . . Ego enim non solum fateor, sed libera voce profiteor, me in interpretatione Graecorum, absque scripturis sanctis, ubi et verborum ordo mysterium est non verbum e verbo, sed sensum exprimere de sensu. (Epist. 57; Ad Panachium (de optimo genere interpretanda, PL, 22, c. 571) Hieronymus tritt in leidenschaftlicher Form dafür ein, den Sinn vor allen Dingen klar herauszubringen, und das vermag die Methode „verbum e verbo" nicht: " Uber die Echtheit vgl. die 94 d. Arbeit zitierte Studie von K. Sisam. 78 Fr. Klaeber, „Zu König Alfreds Vorrede", 62. n Vgl. F. Stummer, Einführung in die lateinische Bibel (Paderborn, 1928).
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Alii syllabas aucupentur et litteras, tu quaerere sententias. {ebd. c. 6, c. 572) Hoc tantum probare voluerim, me Semper ab adulescentia non verba sed sententias transtulisse. {ebd.) . . . hoc unum scio non potuisse me interpretari nisi quod ante
intellexeram. (Hieronymus in lib. Job Praefatio, xxx, Biblia Sacra, ed. V. Loch, T. 1 [Regensburg, 1903])
Boethius hingegen benützt die andere Methode in seiner Übersetzung der Isagoge des Porphyrios und wird dadurch zum Schöpfer des Vokabulars der scholastischen Philosophie: His system of translation is something new, and exceedingly scientific. He fears, he teils us, that Horace would not relish his method, which is to render the most trivial phrases and particles ,ad verbum'; (E. K.
Rand, Founders, 143 f.)80
Wenn der Aufsatz von W. SCHWARZ 8 1 feststellt, daß diese Methode für das ganze Mittelalter bis zum 15. Jahrhundert für die Übersetzung als maßgeblich erachtet wurde, so erscheint die Wahl Alfreds tatsächlich als eine bewußte Entscheidung, die von ebensoviel Kühnheit wie literarischem Sinn Zeugnis ablegt. Allerdings hatte Alfred, darin den Vorläufern des Hieronymus ähnlich, die beiden Methoden nebeneinander verwendet, und vielleicht war er darin auch von Augustinus beeinflußt, der die wörtliche Übersetzungsmethode als ungenügend bezeichnet.82 Für iElfric als dem Nachfolger Alfreds scheint die Wahl nicht so selbstverständlich gewesen zu sein, und er hat dem „verbum ex verbo" die Priorität zugestanden, da sie größere Sicherheit vor Irrtümern bietet: Nec ubique transtulimus verbum ex verbo sed sensum ex sensu, cavendo tarnen diligentissime deceptivos errores ne invenirentur aliqua haeresi seducti seu fallacia fuscati. {Horn., ed. Thorpe, 1 , 1 — Praefatio)83
Alfred hingegen war es vor allen Dingen um das Verständnis zu tun. Er übersetzt für alle, wenn er auch zunächst hauptsächlich an die Jünglinge aus der Nobilität dachte : Die lateinischen Zitate im Anhang 312 f.; Horaz, A. P., 133. W. Schwarz, "The Meaning of ,Fidus Interpres' in Medieval Translation", The Journal of Theological Studies XLV (1944), 73 ff. 82 Augustinus, De doctrina christiana, 13, 9; PL 34, 44. 88 Ähnlich sind auch andere Belege bei iElfric zu verstehen. (Vgl. F. R. Amos, Early Theories of Translation, Columbia Univ. Studies [New York, 1920], 3.) 80
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. . . ]past we eac suma bec, öa ]?e nidbeöyrfesta sie eallum monnum to witanne, Jjast we J)a on öset geöeode wenden J?e we ealle gecnawan maegen, & . . . öaette eal sio gioguö Jae nu is on Angel kynne friora monna . . . sie to leornunga oöfaeste . . . (Cura pastoralis, ed. Sweet, 6, 6 ff.)
Nun dürfen wir einerseits annehmen, daß die Formel seiner Methode „hwilum he sette word be worde, hwilum angit of andgite" (1, 2 f.) für Alfred verbindlichen Charakter hat, aber andererseits gilt Assers „aliquando sensum ex sensu" auch für Waerferths Übersetzung der Dialoge Gregors. Diese wiederum sind ebenso wie die Kirchengeschichte Bedas weit wörtlicher übertragen als die Cura pastoralis, die ihrerseits wörtlicher ist als die Geschichte des Orosius, so daß sich tatsächlich über den Boethius bis zu den Soliloquien ein immer stärker werdender Zug zur freien Wiedergabe herausgebildet hat. Verglichen mit den eigentlichen Übersetzungen Alfreds sind Bedas Kirchengeschichte und die Dialoge Gregors wörtlich und ohne Spuren freier Wiedergabe übertragen,84 so daß die lateinischen Wortstellungen ebenso im Altenglischen beibehalten wurden wie die Partizipialkonstruktionen, wobei besonders die Anzahl der absoluten Dativ-Konstruktionen überrascht.86 Wenn man also nicht der Meinung ist, daß Assers Formulierung „aliquando sensum ex sensu" als eine Einschränkung gegenüber der Alfredschen anzusehen sei, so ist es doch klar, daß Alfred in der sinngemäßen Umformung viel weiter geht als Waerferth und der ifo¿?-Übersetzer. Bereits in der Orarz».r-Übersetzung ist es nicht so ganz einfach, wirklich wörtliche Stellen zu finden,88 und der Herausgeber und Übersetzer des altenglischen Boethius, W. SEDGEFIELD, hat im Vorwort der Ausgabe einen Überblick über die Wörtlichkeit der einzelnen Abschnitte gegeben, wobei er (XXV ff.) das Prädikat 'close' nur einer einzigen Stelle zugestand.87 Wenn wir also der Ansicht sind, daß Alfred sich nicht lediglich einer bequemen Formulierung bediente, als er sich auf die Methode der Übersetzung festlegte, sondern sich seine Absicht be84 "Both endeavour to follow the Latin text slavishly, so slavishly, in fact, that the translation sometimes becomes little more than a gloss, 'worde by worde' " (S. Potter, "On the Relation", 2). 85 S. Potter zählt 100 Beispiele bei Beda, 123 in den Dialogen. Die Cura pastoralis enthält nur ein Beispiel, der Orosius fünf und im Boethius findet sich kein Dat. absolutus {ebd. 21). 88 Meist dort, wo der sachliche Zusammenhang deutlich ist und keine andere Auffassung zuläßt (vgl. S. Potters Beispiel im "Commentary", 409, [vgl. Sweet, 116, 9 ff.]). 87 Es handelt sich um den Hinweis auf die Familie des Boethius, II, p. 4,13 ff. = 22,4 ff.
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wüßt und vergleichend bildete, so werden wir sagen, daß es ihm wie Hieronymus darum ging, nichts niederzuschreiben, was er nicht vorher verstanden hatte und dessen Sinn er nicht voll erfassen konnte. Dabei schloß er die wörtliche Übersetzung nicht aus. Wenn wir an die Einstellung des Boethius und an die Vorsicht iElfrics und die apologetische Form des Zugeständnisses in Gregors Dialogen denken, so erhellt, daß Alfred sich zu einem Unternehmen entschloß, bei dem er bewußt die Gefahren des falschen Verständnisses und die Grenzen seines eigenen Verstehens überhaupt mit in Kauf nahm. So hat er sich denn am Schluß der Praefatio zur Ä^/^kr-Übersetzung in Selbstgewißheit und Demut zu diesen Grenzen bekannt: . . . i nu bit i for Godes naman he halsaö aelcne Jaara £>e Jjas boc rasdan lyste, p he for hine gebidde, -] him ne wite gif he hit rihtlicor ongite Jjonne he mihte; forJ>amJ>e aslc mon sceal be his andgites masöe 1 be his amettan sprecan p he sprecö, -j don p Jja:t he de]?. (1, 10 ff.) Nehmen wir Alfreds methodische Erklärung beim Wort, so können wir feststellen, daß die Boethius-Übertragung tatsächlich eine Fülle von Stellen enthält, die nach Sedgefield als 'rather close' einzustufen sind, gegenüber solchen, die er als 'rather' oder 'very free' und 'very (gready) extended' bezeichnet. Beide Methoden der Übersetzung sind also vertreten. Wir dürfen natürlich nicht den Begriff 'word be worde' im Sinne der Wörtlichkeit der ^^-Übersetzung nehmen, sondern ihn in dem relativen Sinn verstehen, in dem er für die Cura pastoralis und den Orosius Geltung beanspruchen darf. Dann aber stellen wir fest, daß die „wörtliche" Übertragung, Sedgefields 'rather close', die Grundlage für den Boethius bildet, von der sich dann die freiere Wiedergabe abspaltet. Das Verhältnis ist etwa 4:3. Die „wörtlichere" Übersetzungsart überwiegt, wenn das Frageund-Antwort-Spiel lebhaft wird (I, p. 6 = 12,20 ff.; III, p. 2,56 ff. = 55, 31 ff.; III, p. 3, 1 ff. = 58, 4 ff.; III, p. 9,1 ff. = 74,15 ff.) und wenn die Argumentation geschlossen abläuft, ohne daß Alfred Erläuterungen als notwendig erachtet (II, p. 5, 81 ff. = 32, 18 ff.; II, p. 6,38ff. = 37, 14 ff. — über „fortuna adversa" II, p. 8,1 ff. = 47,3—48, 15; III, p. 2, 1 ff. = 52, 14—30; III, p. 10, 112ff. = 88, 1 ff; der Beginn des IV. Buches mit Einführung, Themenstellung und Argumentation [103, 23 ff.]; IV, p. 3,15 ff. = 113, 3—115). Die „sinngemäßere" Übertragung findet sich naturgemäß bei den Erweiterungen, die entweder rein sachlich bedingt sind oder Gegenstände betreffen, über die Alfred besonders gründlich nachgedacht 204
hat und bei denen er besonders stark persönlich empfindet. Dies betrifft die Darlegungen über 'gemet', geistige und körperliche Güter (30—32 = II, p. 5, 32 ff.), das Kapitel über ,dignitates' und ,gloria' (II, p. 6 = 34 ff.; p. 7 = 40—45) und die ähnlichen Gegenstände im III. Buch (61 ff. = p. 4). Stark abweichend vom Lateinischen sind die Beispiele und Episoden dargestellt, bei denen es Alfred darauf ankam, den Sinn voll auszuschöpfen (Allegorisierung!). Ebenfalls bleibt das emotional betonte Sinnverstehen an gewissen Höhepunkten haften wie dem Begreifen der Weisheit (III, p. 1, 1 ff. = 50, 8 ff.; III, p. 12, 40 f. = 97, 4), der Einheit der Güter und ihrem wahren Sein in Gott, (III, p. 9, 43 ff. = 76,12 ff; III, p. 10,1 = 82,18 ff), dem Höhepunkt des „omnis beatus deus" (III, p. 10, 79 ff. = 85, 27 ff), den Ausführungen über die schlechten Menschen (IV, p. 2, 86 ff. = 108, 27 ff.) und über Lohn und Strafe (IV, p. 3,4 ff. = 112,17 ff). Der Schluß mit der starken Kürzung, der Abweichung in der Auffassung des Schicksals und der Betonung des Freiheitsgedankens entfernt sich so weit vom Original, daß der formale Vergleich nicht mehr sinnvoll ist. Bei den Metra liegen die Verhältnisse etwas anders als bei der Prosa, denn hier zwingt schon die etwas preziöse Diktion des Boethius dazu, die wörtliche Übertragung zu vermeiden, und hier fällt die Betonung der religiösen Sinngehalte wiederum besonders stark auf (II, m. 8 = 48, 21 ff; III, m. 2 = 57,1 ff. u. a.). Auch das vegetative Leben im Zusammenhang mit der Schöpfung ist von Alfred in Vers und Prosa durch eigene Darstellung aus dem übrigen Bereich hervorgehoben worden (III, m. 9,10 = 80,15 ff; ebd. 18 = 82, 5 f.; III, p. 11, 43 = 91, 6 ff; ebd. 59 ff. = 92, 4 ff). Diese schematische Einteilung vermag vielen kleineren Einschüssen nicht gerecht zu werden, doch geht aus ihr hervor, daß Alfred grundsätzlich keinen verbesserten Text der Consolatio bieten wollte, sondern die wörtliche Grundlage der Übersetzung beibehielt. Sie findet sich vornehmlich in den stärker argumentierenden Teilen, in der Wechselrede und auch zu Anfang der Fragestellung und in den Zusammenfassungen am Schluß. Die sinngemäße Übertragung hat ihren Ort dort, wo die Argumentation nicht so leicht einsichtig erschien, und wo es galt, den Gedankengang verständlich zu machen und auszuschöpfen. Hier fand Alfred den Spielraum für sein subjektives Verständnis und zum Ausdruck seiner eigenen Gedanken im Rahmen der Boethianischen Vorstellungen, so daß die Formel des 205
Hieronymus gewissermaßen die technischen Voraussetzungen schuf zu der Eigenständigkeit der Alfredschen Übersetzung. Vielleicht verdankt Alfred ihr geradezu die Legitimation, das eigene Denken so innig mit dem des Boethius zu verbinden, die Möglichkeit vom Text der Vorlage auszugehen und über das eigene Verständnis wieder zu ihr zurückzufinden. Nun genügt es natürlich nicht, die „Wörtlichkeit" einer Übersetzung quantitativ zu bestimmen, zumal wenn es sich um einen derartig relativen Begriff handelt. Es ist daher notwendig zu fragen, inwieweit auch die wörtliche Übersetzung Alfreds bereits den lateinischen Text verändert, beziehungsweise ihm Rechnung trägt. Dies ist aber bereits eine Frage des Stils, und solche Fragen soll das anschließende Kapitel untersuchen. Dennoch soll an einigen wenigen Beispielen aufgezeigt werden, wie wenig „wörtlich" auch Alfreds wörtliche Übersetzung ist. 1. Beispiele „wörtlicher" Übersetzung Zunächst betrachtet Boethius die Gaben der Fortuna an sich, um sie später aus dem Blickwinkel der Glückseligkeit heraus erneut zu werten. Wie vielfach, ist die Einleitung der Fragestellung wörtlich behandelt: Age enim, si iam caduca et momentaria fortunae dona non essent, quid in eis est, quod aut vestrum umquam fieri queat aut non perspectum consideratumque vilescat? (II, p. 5, 2 ff.) GeJ>enc nu hwast Jjines agnes sie ealra öissa woruldaehta -j welena, oööe hwast Jsu Jsasron age unandergildes, gif JJU him sceadwislice aefter spyrest. Hwaet hasfst ]DU set ]aam gifum ]pe pu cwyst p seo wyrd eow gife, i set öasm welan, ]peah hy nu ece wasron? (27,18 ff.)
Alfred hat den hypothetischen Konditionalsatz von dem indirekten Fragesatz getrennt und dadurch das Satzgefüge vereinfacht. Er hat den Hauptsatz, vom Zentrum der Aussage ausgehend, nach vorn gezogen,88 d. h. er hat sich zunächst des Sinns vergewissert. Wie er die Periode aufgelöst hat, so auch die Partizipien, so daß eine neue Periode entsteht. Die korrelative Satzkonstruktion des Boethius hat er so trotz der Umstellung beibehalten (quid . . . quod aut . . . aut = 88
"unandergilde" entspricht „vilescat"; es ist nur für diese Stelle belegt (Bosmrth1090; vgl. Suppl., 39, für das Simplex, das ebenfalls nur einmal belegt ist).
Toller, 206
hwiet oööe hwaet). Für „caduca et momentaria" hat er keine wörtliche Entsprechung — ansonsten benutzt er gewöhnlich 'hwilendlic' —, aber die pejorative Form der Verallgemeinerung (ealra öissa . . . ) ist auch ohne entsprechende Epitheta ausdrucksstark. Dabei hat er aber die Zweigliedrigkeit (caduca et . . . ; perspectum . . . ; ) , wenngleich in anderen Begriffen (woruldaehta -] . . . gifum . . . 7 welan), bewahrt. Was aber ganz anders geworden ist, ist die persönliche Form (hwast ]pu . . . , gif ]DU. . . , haefst £>u . . . , JDU cwyst . . . eow gife . . . ) . Sie ist an die Stelle der Sachlichkeit getreten, mit der Boethius, wenn auch nicht ohne Emphase, so doch mehr vom Gegenstand her als von der Person betont, seinen Gedanken darlegt. Nun ist es besonders in der mittelalterlichen Literatur nicht angängig, jedes stilistische Pathos als persönliche Involviertheit zu deuten, aber zusammen mit den übrigen Stilmitteln (Anapher, figura etymologica, Alliteration, rhethorische Frage) ist doch der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, daß Alfred hier mit einer stärkeren inneren Beteiligung spricht. Außerdem bewegen wir uns in dem Gedankenkreis des Dualismus. Also auch die „wörtliche" Wiedergabe ist weit davon entfernt, wörtlich zu sein. Sie ist bereits durch das Sinndenken hindurchgegangen, und bei aller inhaltlichen Nähe zur Vorlage ist die persönliche Auffassung eine andere. Was allerdings verwundert, ist die Tatsache, daß die Wirkung des Boethius durch Satzbau und Stellung der Glieder durch die Änderungen nicht zerstört wurde, sondern sich in anderen Mitteln neu darstellte. Bedeutsam für Alfreds Gestaltung der Consolatio ist jedenfalls, daß dies kein isoliertes Beispiel darstellt, sondern die Regel. Im nächsten Beispiel weichen die Stilformen mehr voneinander ab: Humanae quippe naturae ista condicio est, ut tum tantum ceteris rebus, cum se cognoscit, excellat, eadem tarnen infra bestias redigatur, si se nosse desierit; nam ceteris animantibus sese ignorare naturae est, hominibus vitio venit. (II, p. 5, 81 ff.) pass menniscan lifes gecynd is p hi ]jy anan seon beforan eallum oörum gesceaftum ]py hi hie seife ongiton hwast hie send -j hwonan hi send; -j J)i hi send wyrsan Jsonne nytenu, Jjy hi nellaö witan hwaet hi sint, oööe hwonan hi sint. pam neatum is gecynde p hi nyton hwast hie send; ac p is J^ara monna unöeaw Jjaet hi niton hwaet hie sen. (32,18 ff.)
Alfred hat den Gedanken des Boethius und auch die Reihenfolge der Gedanken fast gänzlich bewahrt. Er hat den einschränkenden Be207
dingungssatz beibehalten und wie Boethius durch den attributiven Genitiv am Satzbeginn die Akzente gesetzt. Der kunstvolle Chiasmus mit seiner Variatio und der Anapher (cognoscit — excellat / redigatur — nosse desierit), der egressive Aspekt, die asyndetische Parataxe mit dem starken Identitätspronomen, der Variation im Wechsel von Wort, Aktiv und Passiv und in der Länge der Satzglieder, das sind Feinheiten des Ausdrucks, die sich Alfreds Wiedergabe entziehen. Aber Alfred hat auf die Ausdrucksstützen der Stilistik nicht verzichtet, nur seine Mittel sind andere: „ista condicio . . . ut . . . eadem" hat er hervorgehoben durch einen Hinweis auf das Ausschließliche (p hi ]py anan . . . ) , und die verschlungene Antithesis, die Boethius erst zum Schluß im Parallelismus gegenüberstellt, hat Alfred sofort parallel geordnet und durch die Stilmittel der Isometrie verstärkt. Dementsprechend sind ganze Satzglieder anaphorisch angeordnet, die Konstruktion des Schlußsatzes ist die gleiche wie zu Anfang, so daß an Stelle der abgewogenen Feinheit der Variatio des Boethius eine gewisse Uniformität der reichen rhetorischen Figuren getreten ist. Die Emphase ist stärker aber auch primitiver geworden. Gleichzeitig erkennen wir aber auch, vor welche Aufgabe sich Alfred gestellt sah, und welche Schwierigkeiten auch an einer einfachen Stelle des lateinischen Textes einer wörtlichen Übersetzung im Wege stehen. Alfred hat wohl die Emphase des Textes gespürt und versucht, sie unter Beibehaltung des Wortlauts nachzuzeichnen. Das war in seiner Sprache aber mit den gleichen Mitteln des Boethius nicht zu schaffen, und so führte er stilistisch den Text hinüber in ein anderes Stilmilieu. Wie sorgsam er dabei verfuhr, wird man auch an dem nächsten Beispiel sehen. Id autem est bonum, quo quis adepto nihil ulterius desiderare queat. Quod quidem est omnium summum bonorum cunctaque intra se bona continens, cui si quid aforet, summum esse non posset, quoniam relinqueretur extrinsecus quod posset optari. Liquet igitur esse beatitudinem statum bonorum omnium congregatione perfectum. (III, p.2,4ff.) past me öincö sie p hehste good, ]paette mon ne öurfe nanes oöres godes, ne eac ne recce ofer p, siööan he p hsebbe p is hrof eallra oöerra gooda; forfjam hit eall oöru god utan befehö, -j eall oninnan him haefö. Nasre hit no p hehste god gif him aenig butan waere, forjsaem hit Jjonne hasfde to wilnianne sumes goodes ]pe hit seif naefde. pa andswarode sio Gesceadwisnes cwseö: Dast is swiöe sweotol p öset is sio hehste gesaelö, foröasm hit is segöer ge hrof ge flor ealles goodes. (52, 22 ff.) 208
Alfred hat nur wenig geändert. Er hat diesen Passus 'Mod' in den Mund gelegt, wie er manchmal die Wechselrede einführt, vielleicht um den Ablauf etwas lebhafter zu gestalten, vielleicht aber auch aus Gründen einer anderen handschriftlichen Überlieferung, die verschiedentlich beim Gespräch, aber vor allem in der Interpunktion des Satzendes zahlreiche Varianten aufweist. Dann hat er den ersten Satz von einem Verb des Denkens abhängig gemacht, wie es sich öfter bei Boethius findet und wie es Alfred besonders liebt, vielleicht wiederum um der Gesprächssituation willen oder auch, weil er die Stütze durch feste Formulierungen liebt, die es leichter machen, einen Satz zu gliedern. Er hat den verschränkten Relativsatz nicht nachgebildet und die Partizipia aufgelöst, aber so, daß alle Vorstellungen des Originals erhalten bleiben und der Satz selbst in steigender Folge anaphorisch gegliedert wird (|)xt me öincö . . . Jsxtte mon ne öurfe . . . ne recce ofer p, siööan), wobei der Kausalsatz den Gedanken abschließend nochmals eigens begründet. Der relativische Anschluß (cui si quid . . . ) ist verloren, aber durch die Inversion ergibt sich die Satzspannung für die weitere Fortführung des Satzes. Die schwierige Ballung der Nomina im letzten Satz hat Alfred auflösen müssen, aber die korrespondierende Antithesis mit ihrem Ausschließlichkeitscharakter wird der Vorstellung der Identität gerecht, um die es Boethius geht. Wiederum sind die Mittel Alfreds einfacher. Der Ausdruck des allumfassenden Guten ist durch die anaphorische Antithese mit einfachsten Begriffen zu einer Einheit zusammengefaßt: for]pam hit eall oöru god utan befehö,
7
eall oninnan him hasiö.
(ebd.)
Auch hier macht sich das Fehlen der Abstrakta bemerkbar, aber dafür steckt in diesen Fügungen noch die Kraft konkreter Anschauung, wie in dem Ersatz des ,summum bonum' durch 'hrof', das poetisch für das Dach des Himmels steht und in der Abstraktion das „Höchste" bedeutet.89 Das „höchste G u t " ist wiederum in der Vorstellung Alfreds persönlicher gedacht (hit Jjonne haefde . . . ) gegenüber Boethius (posset optari). Durch die Beschränkung im Wortschatz auf einfachste Formen ( . . . he p haebbe . . . oninan him haefö . . . haefde . . . fje hit seif nxfde) tritt in der vielleicht durch Mangel an Synonyma mitbedingten Anapher die Antithese noch deutlicher her8e
Bosworth-Toller, 562, Suppl., 568. Es dürfte allerdings schwierig sein, den Grad der Abstraktion festzulegen. 14 Oteen, Alfreds Boethius
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vor, und bei aller Simplizität wirkt der Gedankengang nicht nur markant emphatisch, sondern durch die statische Form —- in diesem Fall der Hilfsverben — völlig abgeschlossen. Alfred war kein leichtfertiger Übersetzer, und er ging auch nicht darauf aus, die Consolatio für „sein Volk" zu überarbeiten, worin nach der Meinung einiger Historiker und Literaturgeschichten seine größte Leistung zu sehen ist. An diesem Werk sind die stillen Stunden nächtlicher Meditationen beteiligt, von denen Asser spricht, in denen Alfred sich Satz um Satz und oft vielleicht Wort für Wort des Sinns vergewisserte und dann doch wieder zu dem Wörtlichen zurückkehrte. Er löste die Hypotaxe und die Partizipien auf, achtete mit Sorgfalt darauf, daß nichts verlorenging, verweilte bei einem Begriff, und wenn er den Hauptsatz als Hauptsache an die Spitze seiner Darlegung zog um des Verständnisses willen, so begründete er nachträglich (die fordaem-Sälzt) und formte seine Sätze wiederum in Anlehnung an die Folge der Satzteile und oft auch an die Wortfolge bei Boethius. Es ist ein sorgsames Umdenken, das dem Sinn so treu wie möglich bleiben möchte und doch geprägt bleibt von dem Verstand, der nach dem Sinn sucht und ihn in der anderen Sprache wiedergibt. Dieses Umdenken sucht mehr als den bloßen Inhalt des Gedankens. Alfred hat im Gegensatz zu seiner Übersetzung der Cura pastoralis, obwohl sich auch dort diese Tendenzen schon bemerken lassen, den Ausdruckswert des Boethianischen Stils gespürt und versucht, ihm Rechnung zu tragen und ihn in ein anderes Stilmilieu zu übertragen. Die Stilmittel, die Alfred verwendet, sind dabei zum Teil die gleichen, die Boethius auch kennt, aber die Zusammensetzung ist anders, und die Möglichkeiten sind begrenzter. Vor allen Dingen hat sich der Wortschatz geändert, und die gleichen Stilmittel wirken verschieden, wenn die Umgebung sich ändert. Dadurch, daß die Varianten der Sprache und der Formen fehlen, die nominalen Ballungen verbal aufgelöst werden, werden die verbalen Fügungen reicher in den Anaphern, die Satzglieder länger, der Parallelismus markanter, die Antithesen aufdringlicher. Dazu kommt, daß die Wörter viel weniger abstrahiert sind, sachliche Zusammenhänge oft persönlicher dargestellt sind, einzelne Begriffe als wichtig festgehalten und wiederholt werden, so daß wir am Ende Gedanken haben, die auf den ersten Blick gleich scheinen, es aber doch nicht mehr sind, und hier öffnet sich der Bereich, in dem sich für das persönliche Denken von der Sprache, von der Methode und von der Sache her 210
die Verschiedenheiten ergeben, denen wir nachzugehen versucht haben, und die eingebettet sind in den Sinn des Originals. Es ist schwierig und führt leicht zu Mißverständnissen, sich die Situation rekonstruieren zu wollen, in der Alfred die Consolatio übersetzte, aber es ist anzunehmen, daß er mit Ausnahme der Weglassungen dort, wo er sich mit dem Text vertraut machte, wirklich den Sinn des Boethius geben wollte. Aber dadurch, daß der Sinn an ihn als an den Übersetzer gebunden bleibt, ergab sich dieser Spielraum, den Alfred mit Selbstvertrauen und mit Demut ausnutzte. Was aber vielleicht das Bedeutsamste ist, ist die einschmelzende Kraft der Sprache, die eben erst als Prosa literarisch erstanden war und in wenigen Jahren unter Alfreds Hand zu einem Mittel des persönlichen Ausdrucks wurde. Eine Sprache, die sich am Lateinischen orientiert, aber doch ihre eigenen, einfacheren Wege geht, und das bei einem Original, das stilistisch vielleicht zu den „modernsten" Werken der Antike zählt.90 Aber vielleicht war es gerade durch solche Selbständigkeit möglich, dem Original auf dieser Stufe der Kulturentwicklung am meisten die Treue zu halten.91 e. Der Stil der Alfredschen Übertragung Am Ausgangspunkt dieser Untersuchung stand die allgemeine Frage, wie es kommt, daß sich in der altenglischen Boethius-Übettragung kaum zwei Sätze so mit dem Original decken, wie man es als naiver Leser vermuten sollte. Die Untersuchung dieser einfachen Frage führte von einer inhaltlichen Bestandsaufnahme mit den sachlichen Unterschieden zum Versuch, anhand der Terminologie die Möglichkeiten des Altenglischen gegenüber dem Lateinischen einzuschätzen, bis zur Frage der wörtlichen Wiedergabe und damit an die Grenze des stofflichen Bereichs, an der der Stoff dem Betrachter das Attribut der Form entgegenstellt. Die Sprache trägt so sehr das Signum des persönlichen Ausdrucks, daß es problematisch wird, vom Individualstil auf die sprachlichen Möglichkeiten des Altenglischen im allgemeinen und die ihrem Entwicklungsstand gemäßen Ausdrucksmöglichkeiten zu schließen. Auch wenn man die anderen 90 So hat es Karl Büchner, sein Übersetzer, gesehen. Römische Literaturgeschichte, (Stuttgart, 21959), 547. 91 Diese paradoxe Situation des Übersetzers hat W. Schadewaldt aufgezeigt: „Das Problem des Ubersetzens", jetzt: Hellas und Hesperien (Zürich, Stuttgart, 1960), 523 ff.
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Übersetzungen stärker berücksichtigen könnte, müßten für die Consolatio andere Bedingungen gelten, weil sie sich stilistisch nicht mit dem Latein Bedas, Gregors und auch Augustins vergleichen läßt. Der Gegenstand, selbst unter komplexen geistigen und materiellen Gegebenheiten entstanden, zwingt Art und Stil einer Übersetzung dem Übersetzer ebenso auf wie dessen eigene Kultursituation, die Sprache, das geistige Milieu und die persönliche Absicht.1 Daher soll in diesem Kapitel nahezu ausschließlich von dem Stil der Co/zWizAö-Übertragung gesprochen werden. Es soll vom Stil dieser Übertragung aus dem Grund gesprochen werden, weil sich bestimmte stilistische Momente in der Übersetzung wiederholen, und diese Konstanten in ihrer Formkraft ebenso beharrlich auf die Umformung des lateinischen Textes gewirkt haben wie die inhaltlichen Konstanten sachlicher Meinungsverschiedenheiten. Eine solche Untersuchung wird sich in diesem Rahmen nur auf einige wenige Beispiele stützen können, von denen man annehmen darf, daß sie repräsentativ für große Teile des Ganzen sind. Die eingehende Studie von L. BORINSKI enthält praktisch das ganze Inventarium des Alfredschen Stils nach allgemeinen logischen und psychologischen Kategorien mit Häufigkeitszahlen geordnet, so daß sie ein vorzügliches Korrektiv für die einzelnen Untersuchungen abgeben konnte. Hier kommt es aber nicht darauf an, ein Gesamtbild des Alfredschen Stils zu geben, sondern zu untersuchen, inwieweit stilistische Komponenten das Abweichen vom lateinischen Vorbild bedingen, und den Abstand zu erkennen, der allgemein zwischen dem Stil des Originals und der altenglischen Übersetzung liegt, und wenn möglich Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen, die vom Stil her die Form des altenglischen Boethius bestimmen. Um die verschiedenen Übersetzungen Alfreds den gleichen Gesichtspunkten unterordnen zu können, hat sich L. Borinski sehr allgemeiner Kategorien des Verständnisses bedient, bei denen der Inhalt der jeweiligen Stellen weder im Original noch in der Übersetzung eine Rolle spielte, so daß von dort her kein Licht auf die stilistische Absicht und den Sinn der Umformungen fallen konnte. Diese Untersuchung möchte den umgekehrten Weg gehen und von der inhaltlichen Verflechtung her zur Einschätzung des Stils kommen. 1 Det obenangeführte Aufsatz von W. Schadewaldt hat diese Komplexität zum Gegenstand.
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1. Zum Stil der Consolatio
philosophiae
Es gibt zur Consolatio philosophiae mehrere Sprachuntersuchungen, aber keine eigentliche Stiluntersuchung, die dem Stil als Gesamtphänomen Rechnung trüge. 2 In der älteren Literatur begegnen uns zwei Ansichten, die auch heute noch gelegentlich vertreten werden. Der einen Ansicht nach ist Boethius ein Ciceronianer,3 zufolge der anderen spricht er die „gezierte und manierierte Sprache seiner Zeit". 4 Das letztere Urteil ist sachlich übertrieben und als Werturteil ganz bestimmt falsch, das erstere aber ist gleichfalls nur mit Einschränkungen richtig. Cicero und Boethius behandeln gelegentlich gleiche Gegenstände, so zum Beispiel das Thema, daß Tod und Martyrium nicht unglücklich machen, bei Cicero allerdings weitaus schärfer formuliert: der Weise ist auch in Tod und Martyrium glücklich (Tusc. V, 68—82). Es sind verwandte Themen, aber die Stile sind völlig verschieden. Bei Cicero herrscht die Langperiode vor, bei Boethius die Kurzperiode, bei Cicero Dreigliedrigkeit, bei Boethius ist die Zweigliedrigkeit bestimmend. Beiden gemeinsam ist der Gedanke, daß der Tod nicht unglücklich machen kann, wenn es Menschen gibt, die ihn sogar unter Qualen gesucht haben. Bei Boethius finden wir die sachliche Einfachheit einer bloßen Feststellung, die etwas provozierend in die Form der rhetorischen Frage gekleidet ist. Die Antithese ist fast bis zum Paradoxon zugespitzt. Die leichte Ellipse gibt ihr den kolloquialen Ton und den ruhigen Effekt des Selbstverständlichen: Quod si multos scimus beatitudinis fructum non morte solum, verum etiam doloribus suppliciisque quaesisse, quonam modo praesens facere beatos potest, quae miseros transacta non efficit? (II, p. 4, 91 ff.) Bei Cicero ist dieser Gedanke nun in mehreren Abschnitten mit einem ungeheueren rhetorischen Aufwand behandelt: Langsätze mit kümaktischer Gliederung wechseln mit kurzen Ausrufen, der Götteranrufung, rhetorischen Fragen, Reihungen von Synonyma, Hyperbeln 2 Besonders ist die Arbeit von K. Dienelt zu nennen, die zeigt, daß für Boethius das klassische Vorbild allein nicht mehr maßgebend ist: „Sprachliche Untersuchungen zu Boethius Cons.phil.", Glotta xxix (1942), 98 ff. und xxxi (1951), 28 ff. 3 E. Norden, Die antike Kunstprosa (Leipzig, 2 1909, Nachdruck Darmstadt, 1958), 586 f.; Rand, Founders, 161. 4 A. Ebert, Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendlande (Leipzig, 1874), I, 473; W. S. Teuffels, Geschichte der röm. Literatur, Neubearb. v. W. Kroll und F. Skutsch (Leipzig, Berlin, 1913), III, 476.
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und superlativischen Ausdrücken, extremen Antithesen, die Figur der Correctio findet sich und die Praeteritio, kurz, er spricht im hohen Stil erregter Rede, und am Ende ruft er sich selbst zur Ordnung: „Sed adhibeat oratio modum et redeat illuc unde deflexit" (80), und dann geht es im gleichen Stil weiter. Es finden sich in diesen Abschnitten eine ganze Anzahl Exempla mit den Torturen, die Menschen zu bestehen fähig waren, die ihre Tugend auch vor dem Gesicht des Henkers nicht im Stich ließ, und überall werden die Möglichkeiten bis ins letzte Teil ausgenutzt. Es handelt sich hier um extreme Unterschiede, aber man wird auch nicht einmal annähernd Ähnliches bei Boethius finden, sondern einen Ton, der bei aller Reichweite eher das genaue Gegenteil bietet. Boethius deutet meist die Exempla lediglich an — man vergleiche die Damokles-Episode bei Cicero (Tusc. V, 61, 62) mit der entsprechenden Stelle der Consolatio (III, p. 5,14ff.), an der Boethius noch nicht einmal die Namen nennt —- Cicero führt sie aus. Boethius liebt das Understatement, die Meiosis, die Litotes, die leichte Ironie und einen gewissen Lakonismus. Aber dennoch sind andere Mittel durchaus „Ciceronianisch": Alliteration, Anapher, Parallelität und Antithesen, Klimax, aber selten mit mehr als drei, gewöhnlich mit zwei Gliedern, Polysyndeta sind nicht häufig, Asyndeta selten, aber mit starkem Effekt verwendet, ebenso wie kurze Hauptsätze, während im übrigen die Kurzperiode herrscht und längere Perioden die Ausnahme bilden. Das sind äußere und schematisierende Kriterien, aber sie lassen erkennen, daß dies kein Spätstil ist, und darauf hat E. NORDEN mit einem Blick auf Martianus Capeila hingewiesen: 43 In durchaus klassischem Stil von geradezu bewundernswerter Reinheit ist endlich das edelste Werk des ausgehenden Altertums geschrieben, die Consolatio des Boethius. Aber wenn man unter „klassisch" den Stil Ciceros versteht, so muß man auch den Unterschied zu diesem Latein betonen, so daß das treffendste Urteil K. BÜCHNER fällt: 5 Boethius steht mit dem Stil der Consolatio fremd in seiner Zeit, ohne Polemik gegen eine vorhergehende Richtung, aber auch ohne sich in schwächlichem Klassizismus das Muster einer bestimmten Zeit zu wählen, dem er folgte: seine Frische und Klarheit ist völlig eigen, die Sache herrscht, und die Möglichkeiten der gesamten Latinität sind 4a 6
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E.Norden, 586f. K. Büchner, Römische
Literaturgeschichte,
547.
gegenwärtig. Boethius ist dabei aber so eminent wählerisch, daß sein Stil zum adäquaten Ausdruck seiner aristokratischen Gedanken wird. . . . es ist die Erlesenheit der höchsten Sache, die sich feierlich doch beschwingt und mitreißend-verwandelnd in ihm manifestiert, also höchste, absolute Kunst, die sich in diesem Stil das Symbol geschaffen hat, in dem der Inhalt der Aussage ebenso beschlossen ist wie im Gedanken selbst. Wir werden diesem Urteil keinen Maßstab entnehmen, um Alfreds Leistung daran zu messen, denn hier tritt eine Seite des Kunstwerks hervor, deren Vollendung der Kritiker empfindet, dem die Kunstauffassung und zum Teil auch die Kunst unserer Zeit seit den Ansprüchen der Romantik den Blick geschärft haben. Doch wird uns deutlich, mit welchem Werk Alfred Umgang gepflogen hat und welchem Geist er als der erste Übersetzer der Consolatio Heimrecht in seiner Sprache gegeben hat.6 2. Nominalstil — Verbalstil Ein Unterschied, der auf den ersten Blick auffällt, besteht in der Verwandlung des Nominalen. Der Stil des Boethius ist in stärkerem Maß als bei Cicero und Beda ein ganz vom Nominalen her geprägter Stil. Das macht seine Kürze aus, hängt aber auch deutlich mit dem philosophischen Charakter des Werkes zusammen, in dem nicht erzählt wird, sondern Tatsachen geistiger Natur aufgewiesen werden, und dazu gehört eine abstrakte Diktion, die sehr stark vom Nomen selbst abhängig ist. Alfred löst diese nominalen Verhältnisse auf, wobei ihm in dem folgenden Beispiel ein Verständnisfehler unterläuft: Bonum est igitur, quod tam diversis studiis homines petunt: (III, p. 2, 72 ff.) pass ealles [seil, wela, weoröseipe etc.] hi wilniaö, -j wel doj) p hi ]?ses wilniaö, Jpeah hi mistlice his wilnigen. (56, 24 ff.) Alfred bemerkt, daß dies keinen hinreichenden Sinn ergibt: Be ]pam Jaingum mon masg sweotole ongitan p selc mon \>xs wilnaö p he masge p hehste god begitan \>xt hi hit geenawan meahtan, oööe on riht secan cuöen. (ebd.) • Allein durch die Tatsache der Ubersetzung solcher Werke in die Volkssprache war Alfred seiner Zeit um ein Jahrhundert gegenüber dem übrigen Europa voraus, von dem Stand der tatsächlichen Leistung gänzlich abgesehen (vgl. J. Ghellinck, La littérature, II, 15 f.).
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Der Begriff des Guten macht Alfred die bekannten Schwierigkeiten der Substantivierung von Adjektiven, die eine Grundlage des philosophischen Denkens bildet.7 Hier umschreibt er — wohl aus Gründen der falschen Auffassung — sonst setzt er gewöhnlich das „höchste Gut" ein. „Tarn diversis studiis" muß er in verschiedenen Anläufen verbal umschreiben, so daß er sieben verbale Fügungen hat, wo Boethius mit einer auskommt. Neque enim vile quiddam contemnendumque est, quod adipisci omnium fere mortalium laborat intentio. (III, p. 2, 57 ff.) Hu maeg p yfel beon pte adces monnes inge]panc wenö pte good sie, 7 rfter higaö, 1 wilnaö to begitanne? (56, 3 ff.)
Hier verdanken wir die verbale Häufung der Ausdrucksverstärkung,8 der auch die rhetorische Frage dient. Der Gedanke erscheint Alfred so wesentlich, daß er die Litotes des Boethius mit der bewußten Zurückhaltung in die Emphase verkehrt, wobei die starke Stoßkraft der Verben benutzt wird. Im nächsten Beispiel ist der philosophische Charakter der Aussage verwandelt: Quid autem de corporis voluptatibus quidem plena est anxietatis, satietas vero Hwaet godes magon we seggan on J?a swa hwa swa hi forlastan wile, he sceal manige gearfoöu. (70, 2 ff.)
loquar, quarum appetentia paenitentiae? (III, p. 7, 1 ff.) flasslican unjseawas? Forjpam gejjolian miele nearanesse •]
Die Ballung der Nomina drückt Zustände aus, hier das unbedingte Sein der Dinge miteinander. Ein Nomen wird zum Attribut eines anderen und beide bleiben miteinander fest verbunden als sachliche Gesetze. Dieses Seinsverhältnis der Dinge ist bei Alfred in personales Handeln und Dulden verwandelt. Die Selbständigkeit der dinglichen Gegebenheit ist gewissermaßen außerhalb ihrer selbst im Bereich des Menschen durch das moralische Sollen ersetzt und meist ausdrücklich durch 'foröasm' begründet. Dazu ist hier, wie im obigen Beispiel, der stilistische Effekt des Boethius verlorengegangen, die Dubitatio mit dem gespielten Kopfschütteln und dem Überdruß der Frage. Alfreds Formulierung ist apodiktisch, imperativisch und seriös, wo bei Boethius Raum für das persönliche Empfinden und den Unterton gelassen ist. Die logische Geschlossenheit durch verbale Erweiterung geht auch in folgendem Beispiel verloren: Vgl. B. Snell, Die Entdeckung des Geistes (Hamburg, H948), 217 f. L. Borinski hat in der Tendenz der Ausdrucksverstärkung zu Recht einen der wesentlichsten Stilzüge Alfreds erkannt (Der Stil, 79 ff., 142 ff., 306 ü. ö.). 7
8
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Quae cum ita sint, de malorum quoque inseparabili poena dubitare sapiens nequeat. (IV, p. 3, 30 f.) Fordaem ne J>earf naenne wisne mon tweogan f öa yflan naebben eac ecu edlean hiora yfles; . . . (113, 21 ff.) Auch hier ist das sachliche Verhältnis „inseparabili poena" verlorengegangen. Alfred hat auch dies wieder gefühlt und in einem Zusatz das Verlorene nachgeholt: . . . he hasfö ]?eah symle his yfel mid him, (113, 23 f.)
eac Jjses yfles edlean . . .
Da sich diese Sachverhalte wiederholen und es nur darum zu tun ist, die hauptsächlichsten Merkmale der Abweichungen sichtbar zu machen, sollen diese Beispiele genügen. Es dürfte deutlich sein, wie sehr die philosophische Sprache des Boethius auf die sachlichen Beziehungen, wie sie im Nomen abstrahiert und auswechselbar vorliegen, angewiesen ist, und wie Alfred hier zu verbalen Lösungen greift, die einen personalen Charakter haben und oft zu längeren Umschreibungen Anlaß geben, die nicht mehr die Gesetzmäßigkeit wiedergeben, die im lateinischen Original ausgedrückt ist. Wir können der Frage nicht nachgehen, ob Alfreds Sprache eine dem Lateinischen entsprechende Abstrahierung zugelassen hätte. Ich glaube, daß es der Fall sein könnte, weil die Wiedergabe der übrigen Schriften einen mehr nominalen Charakter trägt; aber gerade die Tatsache, daß Alfred anders übersetzt als Waerferth und der BedaÜbersetzer, spricht dafür, daß Alfred seine Bedenken hatte. Er wollte jedenfalls den Sinn von sich aus durchdenken und hervorheben, und anscheinend war dies doch nicht anders möglich. 3. Der Stilcharakter der Erweiterungen Wir haben gesehen, wie Alfreds Übersetzungsmethode unmittelbar zur Erweiterung des Textes führen muß, sowohl von seiner Theorie als auch von seiner Praxis her. Innerhalb dieser Erweiterungen finden wir bestimmte stilistische Züge, die das Gesamtbild mitprägen. Besonders vorherrschend sind die antithetischen und die kausalen Erweiterungen. Der Zug zur Antithese ist bereits in den hier behandelten Beispielen so stark sichtbar, daß er nicht eigens behandelt werden soll. Die Kausalerweiterung ist meist durch forpcem eingeleitet, das für Hauptund Nebensätze gleichbleibt, ebenso wie verschiedene seiner ver217
wandten Formen. 9 Negativ steht für den Konzessivsatz die Konjunktion peah, und ein einziger Blick in den Text zeigt die große Häufigkeit dieser Fügungen, die in einer großen Anzahl von Fällen keine Entsprechung im Lateinischen haben und damit auf eine Sonderart der Übersetzung schließen lassen. Cum igitur bonorum tantummodo potens possit omnia, non vero queant omnia potentes etiam malorum, eosdem, qui mala possunt, minus posse manifestum est. Huc accedit, quod omnem potentiam inter expetenda numerandam omniaque expectenda referri ad bonum velut ad quoddam naturae suae cacumen ostendimus. Sed patrandi sceleris possibiütas referri ad bonum non potest, expetenda igitur non est. Atqui omnis potentia expetenda est; liquet igitur malorum possibilitatem non esse potentiam. (IV, p. 2, 120 ff.) Aus unseren Ergebnissen bei der Betrachtung der philosophischen Methode kann bereits geschlossen werden, daß Alfred diesen komplizierten Sachverhalt nicht wörtlich übersetzen konnte (187 ff.). Er denkt wieder vom Ergebnis her und beginnt beim ersten Satz mit dem Hauptsatz (manifestum est): Hit is sweotol f hi magon don yfel, -| ne magon nan good; f is f yfel nis nauht; ac J>a goodan, gif hi fulne anwald habbaö, hi magon don to goode f p hi willaö. ForÖj is se fulla anwald to tellane to öaem hehstum goodum, foriam aegjser ge se anwald ge J>a oöru good . . . sindon fteste on öaem hehstan goode. . . . swabiö xlc good on Gode fasst; fordmm he is aelces godes asgöer ge hrof ge flor. Dy is a to wilnianne ]jaes anwaldes f mon maege good don, foröam öast is se betsta anwald . . . Foröam swa hwa swa wilnaö good to donne, he wilnaö good to habbanne -| mid goode to bionne. (110, 16 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser]
fordampe
Alfred geht zunächst von der Behauptung aus, dann stützt er sie durch den Grund. Die Denkbewegung des Boethius ist also umgekehrt. Dann wird die Argumentation in kleine Teile zerlegt, die alle dem gleichen Schema folgen: „Deshalb . . . weil . . . denn." Der große Gegensatz, auf den es Boethius ankommt, daß eine bloße Fähigkeit nicht mit wirklicher Macht und wirklichem Vermögen gleichzusetzen ist, diese Unterscheidung fehlt völlig. Alfred überblickt nicht das Ganze, sondern nur die Teile, die er dann einem vereinfachten Schema nach begründend darlegt. Wo bei Boethius ein handelnder ' E. Wülfing, Die Syntax in den Werken Alfreds des Großen (Bonn, 1901), II, 125. Es ist natürlich problematisch, Haupt- und Nebensätze unserem modernen Verständnis entsprechend abzugrenzen, weil diese Kategorien noch nicht klar entwickelt sind.
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Vollzug etwas innerlich begründet, da macht oft fordam nur die formale Gliederung sichtbar: omne enim, quod imperfectum esse dicitur, id imminutione perfecti imperfectum esse perhibetur. (III,p. 10, 9 f.) Foröy mon cwiö be sumum goode f hit ne sie ful good, foröiem him biö hwasshwugu wana. (82, 28 ff.) Q u o fit, uti summa, cardo atque causa expetendorum omnium bonitas esse iure credatur. (III, p. 10, 121 ff.) Foröiem we cweöaö f f hehste good sie se hehsta hrof . . . (88,10 f.)
Forbeem tritt also für eine Reihe von Möglichkeiten ein und dient hier im letzten Fall mit einem Verb des Sagens dazu, ein zusammenfassendes Resultat einzuführen, wobei aber die Mehrdeutigkeit von foröam wiederum den inneren Zusammenhang nicht sichtbar macht. Alfreds Sinndenken fragt immer wieder nach dem „Warum" und „Wozu", und damit zerlegt er den Zusammenhang der Argumentation in viele kleine Verständnisabschnitte, die den größeren Zug des Denkens nicht mehr ausdrücken. Dadurch erscheinen viele Kausalgliederungen dieser Art ebenso wie die Antithesen und Parallelismen schematisch. Den Zusammenhang dieser Stilformen mag das folgende Beispiel zeigen: Mali vero si adipiscerentur, quod appetunt, bonum, mali esse non possent. Ita est. Cum igitur utrique bonum petant, sed hi quidem adipiscantur, illi vero minime, num dubium est bonos quidem potentes esse, qui vero mali sint imbecilles. (IV, p. 2, 36 ff.) pa yfelan naeron na yfle gif hi gemetten öaet good öaet hi wilniaö; ac foröy hi sint yfele Jje hi hit ne metaö, -] foröy hi hit ne metaö öe hi hit on riht ne secaö. . . . Foröaem hit is nan tweo f ta goodan beoö symle waldende . . . foröy öa goodan öaet god on riht secaö, i öa yflan on woh. (107, 2 ff.)
Alfred hat seinen eigenen Zusatz "foröy hi hit ne metaö . . . " ebenfalls begründend eingeführt, und wenn man die im ersten Teil der Arbeit behandelten Zusätze heranzieht, wird man finden, daß eine ganze Fülle diesem Schema entspricht und gewissermaßen ihre Existenz der kausalen Denkweise verdankt, die hier als stilistischer Faktor erscheint. Daher nur einige wenige Beispiele, die diese Tendenz im Moralisch-Psychologischen bestätigen. Boethius erwähnt lediglich, daß die Bösen mit sich selber zerfallen sind (a semet ipsis discerpentibus conscientiam vitiis quisque dissentiat . . . , IV, p. 6, 173 ff.). Alfred macht das ganz klar: 219
. . . forösem Jae he wat f he untela deö, -] wenö him Jsara leana, i nyle Jjeah Jsass geswican, ne hit furöum him ne Ixt hreowan; -| Jponne for ösm singalum ege ne maeg no weoröan gejiwiere on him selfum. (134, 29 ff.) Oder der folgende Zusatz: Ac ic nolde f ]du Jse forjsohte, ac ic wolde f de sceamode swelces gedwolan; foröasm se se 9e hine forjsencö . . . (19, 29 ff.) Es ist kein Zufall, daß sich beide Erweiterungen auf die Sündenseele beziehen, denn in seiner Sündenauffassung weicht Alfred von Boethius sehr weit ab.10 Aber auch bei der Schilderung der verlassenen Gattin des Boethius bewährt sich diese Denkweise: . . . vivit [seil, uxor], inquam, tibique tantum vitae huius exosa spiritum servat, quoque uno felicitatem minui tuam vel ipsa concesserim, tui desiderio lacrimis ac dolore tabescit. (II, p. 4, 19 ff.) Sio liofaö nu J)e, Jse anum, fordernde hio nanwuht elles ne lufaö buton J>e. iElces godes hio hiefjs genoh on öys andweardan li£e, ac heo hit haefö eall forsawen ofer 3e anne; eall heo hit onscunab, fordamSe heo J>e senne nsefö; {jss anes hire is nu wana. For ]pinre asfweardnesse hire Jjincö eall noht f hio haefö, foröcem hio is for Jjinum lufum ormod -j fulneah dead for tearum -] for unrotnesse. (22, 16 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Wir erkennen wiederum das kausale Schema zusammen mit den übrigen Merkmalen von Alfreds Stil, Parallelismus und Antithese, Vereinfachung des Wortschatzes und die Wiederholungsfiguren, die für die Gedanken einen engen Raum schaffen, in dem allerdings die Möglichkeit starker Kontraste gegeben ist. Wenn wir die Texte allgemeiner vergleichen, werden wir wiederum bemerken, wie Alfred hier, von der stilistischen Form der Vorlage beeindruckt, seinen eigenen Weg der Übertragung sucht. Zunächst der Satz des Boethius. Er wirkt durch die periphrastische Wiederaufnahme von „vivit" nach der Paranthese mit der betonten Zurückhaltung des Euphemismus „spiritum servat", durch die Suggestion des Leidvollen „vitae huius exosa", die potentiale Form des allmählichen Zugeständnisses, die das Zögern und die Rücksichtnahme der ,Philosophia' durchklingen läßt vor der Schwere des schließlichen Eingeständnisses, das dann durch den zweigliedrigen Ausdruck, Assonanz und Alliteration und durch den rhythmischen 10
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Vgl. 42 ff. d. Arbeit.
Schluß betont ist. Das alles in dieser Kürze herauszubringen, war natürlich unmöglich, aber in der einfachen Form Alfreds lebt doch etwas vom Geist der Vorlage: das fast volksliedhafte „sie lebt nur dir, dir allein", die Verstärkung durch den erneuten Hinweis auf die Ausschließlichkeit "foröaemöe hio nanwuht elles ne lufaö . . . .", die Beteuerung, daß sie alle Güter des gegenwärtigen Lebens besitze, „vitae huius", und die Inversion des Genetivobjektes, das im Satzanfang in betonter Stellung steht. Weiter gehören hierher die Variatio im Ausdruck und in der Stellung der Wiederholungsfiguren "iElces godes . . . heo hit hasfö e a l l . . . . eall heo hit11 onscunaö", oder bei den Epiphora "nu Jje, [je anum . . . buton |)e:, ]?e anum . . . öe asnne . . . £>ass anes" und die Inversion am Anfang des letzten Satzes, die Antithesen von „dein" — „ihr", „alles" — „nichts" und „Liebe" und „Tod". Alfred arbeitet mit einfachen Mitteln, seine Effekte sind anders, aber auch bei ihm erkennt man die Gesetze großer Sprachkunst. Die Untertöne der Zurückhaltung, die schonende Erkenntnis des Schweren sind verlorengegangen, aber in Alfreds Ausdruck lebt das Empfinden für die Treue der Gattin und die Tragik des Verlusts. 4. Die Auflösung der Periode Der Stil des Boethius liebt die lange Periode nicht, aber die Kurzperioden sind durchweg stark hypotaktische Gebilde mit dichter Gliederung. Es ist verständlich, daß Alfred diese Dichte nicht nachahmen konnte, wenn auch im allgemeinen, wie das fordmm-Beispiel zeigt, Ansätze zur Hypotaxe durchaus vorhanden sind. Aber bei genauem Hinsehen ist Alfreds „Hypotaxe" „parataktischer" als die des Boethius, denn es fehlt eben die logische Dichte. Bei Alfred müssen die Partizipien aufgelöst werden, nominale Strukturen umschrieben werden, sinnklärende Erweiterungen sind notwendig, der Hauptsatz kommt an den Anfang zu stehen, so daß Teile der Argumentation in der Luft hängen, die wiederum gestützt werden müssen. Dazu kommt, daß Alfred Stilfiguren der Häufung liebt, Synonymie, Parallelismus, disjunktive und koordinierende Konjunktionen und die Antithesen. Das läßt sich jedoch in der Art des Boethius nicht innerhalb einer dichten Periode bewältigen. Unser letztes Beispiel lehrt, daß eine solche Satzgestaltung nicht unkünstlerisch zu sein 1 1 Die Objektverstärkung durch das Personalpronomen ist eine allgemeine Erscheinung, vgl. E. Wülfing, Die Syntax, 343 ff., 347 f.
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braucht, sondern ihre eigenen Gesetze hat. Allein im Bereich des philosophischen Denkens hat sie auch ihre Nachteile, weil die logischen Bindungen sich auflösen und der große Zug der Argumentation verlorengeht. Da diese Auflösungserscheinung wiederum sehr allgemein ist, genügen wenige Beispiele. Ita cum pessimos plerumque dignitatibus fungi dubium non sit, illud etiam liquet natura sui bona non esse, quae se pessimis haerere patiantur. (II,p. 6, 42 ff.)
Der Gedankengang des Boethius ist klar: die schlimmsten Menschen haben meistens Würden inne, was aber am Schlechten haftet, kann in sich nicht gut sein. Alfred braucht für den einen Satz drei Sätze. Zunächst vergewissert er sich des Sinns und beginnt mit dem Resultat: Nu J>e is swiöe openlice gecyöed p pis andwearde rice -j |>as weoruldgesaeljja -| Jjes anweald of heora agnum gecynde -j heora agnes gewealdes nauht gode ne sient, ne heora selfra nanne anwald nabbaö, nu hi willaö clifian on pam wyrrestan monnum, -] him gepafiaö paet hi bioö hiora hlafordas. (37, 21 ff.)
In diesem Satz fehlt aber noch der Gedanke „pessimos plerumque dignitatibus fungi", und so trägt Alfred ihn nach: Nis öaes nu nan tweo öaet oft pa eallra forcupestan men cumaö to pam anwealde -| to J>am weoröscipe. (37, 26 ff.)
Nun ist der logische Ablauf aber verlorengegangen und ihn holt Alfred wiederum nach, indem er auf seinen eigenen Wortlaut zurückgreift: Gif se anweald öonne of his agenre gecynde -] his agnes gewealdes god waere, ne underfenge he nasfre pa yfelan ac pa godan. (37, 28 ff.)
Wir haben auch bei Alfred eine hypotaktische Periode, aber die Elemente der Reihung sind viel stärker ausgeprägt. Die logische Folge „Ita cum . . . . illud etiam liquet" hat er nicht in einem Satz unterzubringen vermocht, für „dignitatibus" hat er einen dreigliedrigen Ausdruck gewählt, der umfassender ist aber stilistisch dann auch wieder eine zusätzliche Erweiterung nach sich zieht, wenn die Balance des Satzes nicht verlorengehen soll. So ist „natura" mit "gecynde 1 geweald" umschrieben, wahrscheinlich, weil 'gecynd' in sich nicht die Aktivität hat, die ,natura' im Denken des Boethius zukommt, und ähnlich ist auch „bona" erweitert. Statt der Unterordnung von „haerere patiantur" findet sich die Nebenordnung "hi willaö clifian . . . i him gepafiaö . . ." Es ist kein Stil der bloßen Form, denn 222
das Denken Alfreds in seinem Suchen nach dem Sinn drückt sich deutlich in ihm aus, aber es ist auch hier nicht mehr der Stil des Boethius. Dieser Stil des sukzessiven Denkens führt zu dem, was man nach HÄVERS als epexegetischen „Nachtrags"-Stil bezeichnen kann. 12 So spricht Boethius über die Einheit der Güter: Atqui illud quoque per eadem necessarium est: sufficientiae, potentiae, claritudinis, reverentiae, iucunditatis nomina quidem esse diversa, nullo modo vero discrepare substantiam. (III, p. 9, 39 ff.) Alfred kennt keine Entsprechung für „substantia", so daß er hier gezwungen ist, zu umschreiben und die Tatsache selbst auf Gott festzulegen, während Boethius rein sachliche Verhältnisse im Auge hat. Aber bezeichnend ist die Art und Weise, wie das geschieht. SwajDeah is to gejsencanne p 3afifping Jse we aer ymb sprsecon, Jseah hi tonemde sien mid wordum, p hit is eall an ping, Jsonne hi gegaderede bioö. (76, 1 ff.) [Hervorhebungen vom Verfasser] Dann folgt als Epexegese: p is anwald
genyht -j foremsrnes -j weoröscipe -| blis. (76,4)
Dann kommt wieder der Anschluß: pa fif öing, Jponne hi ealle gegaderade bioö, Jsonne biö p God . . . Ac Jjonne |)a fif J^ing, swa we asr cwasdon, eall gegadorede bioö, {sonne biö hit eall an Jsing, 7 p an öing biö God; he biö anfeald untodasled . . . Diese ganzen Sätze bestehen aus Nachträgen, die nicht hypotaktisch gegliedert sind, sondern der sukzessiven Denkweise entsprechend einfach mit „und" aneinandergereiht werden. Wie nahe Alfred dieser volkstümliche und umgangssprachliche Erzählstil liegt, geht aus seiner Wiedergabe eines Beispiels hervor: Wenn jemand die Sehkraft völlig verloren hätte und sogar die Erinnerung daran, daß er sie je besessen hätte, würden dann die übrigen Menschen glauben, daß ihm nichts zur Vollkommenheit fehle? Alfred baut aus diesem Satz (IV, p. 4,103 ff.) eine ganze Geschichte zusammen, an der nur die Erzählform interessiert: . .. sum cild sie füll hal -j ful seltaswe geboren, swa fullice öionde on eallum cystum -] craeftum . . . 1 swa forö eallne giogoöhad, oö he wyrö aelces craeftes medeme, 1 öonne lytle asr his midferhöe weoröe b;em eagum blind, 1 eac ]j£es modes eagan weoröan swa abiende . . . 12
W. Hävers, Handbuch der erklärenden Syntax (Heidelberg, 1931), 48 ff.
223
1 wene J>eah . . . i wenö p aslcum men . . . öince swa swa him J)inc3. (122, 2 ff.) Dies ist kein eigentlich literarischer Stil, sondern ein „parataktischer Nachtragsstil" 13 mit seinem natürlichen Bestreben nach Parallelisierung und Koordination. Wir finden ihn in Alfreds Übersetzung der Consolatio nur an wenigen Stellen, aber seine Nähe kann man sehr oft durchfühlen. Zu diesem Nachtragsstil gehören auch die vielen mit „]p£et is" angeschlossenen einzelnen Glieder, die sich allerdings zum großen Teil aus dem „id est" der Kommentare erklären und dementsprechend Scholien einführen. Aber auch darüber hinaus nimmt Alfred an der Form auch in anderen Zusammenhängen keinen Anstoß. So heißt es bei Boethius, daß nach Bitterem das Süße besser munde: Dulcior est apium mage labor, si malus ora prius sapor edat. (III, m. 1, 5 f.) Eac is 3eos bisen to geöencenne, p is p aelcum men Jjincö huniges biobread ]py weorodra gif he hwene xt biteres onbirigö. (52, 2 ff.) Die gleiche Konstruktion findet sich mit geringer Umstellung auch im entsprechenden Metrum. Alfred, der nicht begreifen kann, daß die Menschen in den kleinen Dingen des Irdischen eigentlich das wahre Glück suchen, löst den auf diese Überlegung folgenden Satz auf: Atqui haec sunt, quae adipisci homines volunt eaque de causa divitias, dignitates . .. desiderant, quod per haec sibi sufficientiam, reverentiam . . . credunt esse venturam. (III, p. 2, 68) p is öonne p hi swiöost wilniaö to begitanne: wela -[ weoröscipe -| rice 1 Jaisse worulde wuldor . . . (56,19 ff.) Oder eine Redeeinführung, die kein Vorbild im Lateinischen hat (III, p. 3, 40 f.): " t>e ic nu secgan wille; p is pte . . ." (60, 2). Es wäre falsch, diese Konstruktion rein ästhetisch werten und ablehnen zu wollen, denn sie hat eine starke Zeigefunktion, und dadurch, daß sie isoliert, eignet sie sich nicht für einen komplexen Zusammenhang, aber um so mehr für die Emphase einzelner Begriffe, z. B.: Eala ea, is p Jponne forweoröfullic wela p ... (65, 15 f.) für den ironischen Ausruf des Boethius: O praeclara potentia. (III, p. 5, 5) Es ist im übrigen verständlich, daß Alfred sich dieser Stützfunktion bedient, denn wenn in der hypotaktischen Ordnung der Sinn von 18
224
W. Hävers, 45 f.
Konjunktionen und Flexionselementen besonders in partizipialen Gruppen getragen wird, so muß etwas anderes bei der Auflösung als Stütze in Erscheinung treten, und eines dieser Mittel ist der Nachtrag mit "]}xt is". So ist im Grunde „Auflösung" ein zwiespältiger Begriff, denn wie sich Hypotaktisches auflöst, verfestigt es sich wiederum in anderen Fügungen, man braucht nur an 'foröaem' zu denken. In diesen Zusammenhang gehört aber auch Alfreds Abneigung gegen das Asyndeton, das Boethius bisweilen mit starker Wirkung verwendet. Im Gegensatz zum Ciceronianischen meidet er Polysyndeta. Dies ist bei Alfred anders. Das Bedürfnis nach restloser Klarstellung der Beziehungen scheint ihm ebenso wie das Gesamtgefüge seines Stils zu veranlassen, polysyndetische Fügungen zu suchen. So stellt Boethius in einer glänzenden Phalanx die ,fortuna prospera' der ,adversa£ gegenüber: Illa enim Semper specie felicitatis, cum videtur blanda, mentitur, haec Semper vera est, cum se instabilem mutatione demonstrat. Illa fallit, haec instruit, illa mendacium specie bonorum mentes fruentium ligat, haec cognitione fragilis felicitatis absolvit . . . (II, p. 8, 7 ff.) Alfred ist nicht unempfindlich gegen den Effekt der Kürze, aber die Ausdeutung des Sinns zieht eine andere stilistische Komposition nach sich: Foröasm seo orsorge simle lihö -j licet p mon scyle wenan p hio is sio soöe gesselö; ac sio wiöerwearde is sio soöe gesadf), Jseah hwaem swa ne Jjynce, foröaem heo is fiestraed14 -] gehast simle pte soö biö. Sio oöru is leas -| beswicö ealle hire geferan, foröxm hio hit gecyö seif mid hire hwurfulnesse p hio biö swiöe wancol; ac sio wiöerwearde gebet i gelasreö alene Jaara jse hio hi to geriet. Sio oöru . . . sio wiöerwearde Jjonne . . . Ac seo orsorhnes . . . (47,14 ff.) Die asyndetische Parataxe ist nicht mehr möglich, wenn so viele Beziehungen geklärt werden müssen, sie verlangt einen dichten Stil, keine sukzessive und lockere Fügung mit Ergänzungen. Dazu kommt aber auch der Effekt des Stils im ganzen: Alfred behält seine geliebten Parallelismen bei "lihö -| licet. . . gebet gekereö", die Neigung zum Isokolon, diesmal im lockeren Chiasmus, und sehr weit ausgesponnen "scyle p wenan hio is sio soöe — ac sio wiöerwearde is sio soöe. . . Jpeah swa ne pjnce . . . " ebenfalls durch die Stellung von 'forösem'. 14
Das Paradoxon des Boethius ist Alfred entgangen.
15 Otten, Alfreds Boethius
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Wir sehen an diesem Beispiel auch eine Erscheinung, auf die großen Wert gelegt hat, die Tendenz zum kurzen Satzkern:16 „illa enim semper . . . mentitur" = "seo orsorge simle lihö". Es hängt diese Tendenz aufs Innigste mit dem Stilganzen zusammen, mit der Neigung, die wir beim Umdenken beobachteten, den Hauptsatz als Hauptsache an die Spitze des Satzes zu stellen und das übrige nachzutragen. Daß es im Altenglischen auch anders geht, wie man es bei einer stark flektierten Sprache erwartet, zeigen die wörtlicheren Übersetzungen {Beda und Gregors Dialoge), aber Alfred hat hierin anders gedacht, so daß dieser „kurze Satzkern" für ihn sehr stark charakteristisch ist. Ob diese Tendenz durch volkstümliche Denk- und Redeweise verursacht wird, ob und inwieweit sie mit der Erscheinung von der „geringen Tragfähigkeit der Satzteile"16 verbunden ist, wird zu ermitteln schwierig sein. Sie widerspricht dem lateinischen Gebrauch, so daß sich hier unbedingt ein anderes Denken durchsetzt. Das ist denn auch das wesentliche Resultat, das Borinski bereits gesehen hat, daß „die Wiedergabe von Sinngehalten des Originals mit eigenständigen Stilmitteln" von „riesiger Bedeutung" sei.17 Alfred hat die Consolatio weit mehr als die Cura pastoralis in ein anderes Denken und in eine andere Sprachform umgegossen. Die Consolatio war das anspruchsvollste Werk. Er konnte ihrem Stil nicht gerecht werden, aber es war ein anderer Stil da, der die Möglichkeiten bot, sich mit dem Ausdrucksbereich des Boethianischen Stils auseinanderzusetzen, und der in entscheidenden Dingen anders ist als der Stil des Vorbildes, aber auch anders als lateinischer Stil zu sein pflegt, vor allem durch den Nachtragsstil und die Tendenz zum kurzen Satzkern. BORINSKI
5. Die Sprache Alfreds in der Emphase Die Möglichkeiten eines Stils entfalten sich am stärksten in der Überhöhung des Ausdrucks. Nun haben wir gesehen, daß die Ausdrucksverstärkung auch im allgemeinen bei der Wiedergabe einen sehr großen Raum einnimmt, so daß es den Anschein hat, als ob Alfred überhaupt emphatisch übersetze und den Text durchweg ornamental behandle gegenüber der Funktionalität des Stils bei Boethius. Das ist auch das vorherrschende Bild, doch seien einige Ausnahmen nicht « L. Borinski, Der Stil, 57, 112, 120 18 Vgl. W. Hävers, Handbuch, 170. 17 L. Borinski, Der Stil, 293.
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\i.passim.
unterschlagen, in denen Alfred durch geraffte Kürze und Pointierung wirkt. Boethius erläutert den Abstieg der Ehrenämter. Früher war die Prätur ein großartiges Amt, was gibt es heute Elenderes! (III, p. 4, 39 ff.). Alfred übersetzt in knapper Antithese: Hit W£es gio giond ealle Romana mearce f> . . . pa wisestan witan, hasfdon rmestne weoröscipe; nu jjonne oöer twega, oööe 18 Jaara nan nis, oööe hi naenne weoröscipe nabbaö, gif hiora aenig is. ( 6 4 , 1 1 ff.)
Oder die spitze Formulierung des Boethius über den Tyrannen und seine Gefolgschaft: „ . . . qui quos terret ipse plus metuit"(III, p. 5,21 ff.): . . . oööe eft se [cyninc] öe segöer ondraed ge ]pone £>e hine ondrast ge pone pe hine no ne ondrast? (66, 9 f.)
Das ist ein Paradoxon, das auch des Boethius nicht unwürdig wäre. An einer anderen Stelle führt Boethius aus, daß die Bösen das verlieren, was die Existenz überhaupt erst ausmacht, das Gute: Quo fit, ut mali desinant esse quod fuerant; sed fuisse homines adhuc ipsa humani corporis reliqua species ostentat; quare versi in malitiam humanam quoque amiserunt naturam. (IV, p. 3, 46 ff.) . . . f mon maeg gesion f hi gio men waeren, ac hi habbaö Jsass mennisces ponne pone betstan diel forloren, pone forcupestan gehealden. ( 1 1 4 , 1 4 ff.)
Die Aufforderung des Boethius an die „terrena animalia", doch einmal zuzusehen, was das für Geschöpfe sind, die da einander Vorsitzen (consideratis quibus qui praesidere videamini, II, p. 6,14 f.), hat Alfred nicht verstanden, aber sein Ersatz ist ebenfalls von zwingender Kürze und Überzeugung: Eala, hwasöer ge netenlican men ongiten hwilc se wela sie, i se anweald, i öa woruldsaslöa? pa sint eowere hlafordas eowere waldendas, naes ge heora. (35, 28 ff.)
Man darf also Alfreds Stil nicht grundsätzlich für umständlich oder unscharf halten und tut deshalb gut daran, sich auch der wörtlichen Übersetzung zu erinnern, die teilweise sehr flüssig ist gegenüber den aus sachlichen Gründen erweiterten Stellen, denn das Tempo des Stils ist nicht überall gleich. Es lebt auch hier eine Sachangemessenheit, wie wir sie in der Übersetzungsform ebenfalls gefunden haben: 18 Auch die Altemativformen sind für Alfred charakteristisch, vgl. S. Potter, "Commentary", 392 f.; vgl. "sume.. .sume",iW., 414.
15*
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An in bonis non est numeranda potentia? Quid igitur, num imbecillum ac sine viribus aestimandum est, quod omnibus rebus constat esse praestantius? An claritudo nihil pendenda est? (III,p. 2, 59 ff.) Hwi nis nu anweald to tellanne to sumum Jsara hehstena goda Risses andweardan lifes? Hwasöer p nu sie to talianne waclic -j unnyt öastte nytwyröost is eallra J>issa woruldjsinga, p is anweald? Hwseöer nu good hlisa •] foremaernes seo for nauht to tellenne? Nese, nese; nis hit nan cyn . . . (56, 6 ff.) Hier ist die Bewegung, verglichen mit Boethius, ebenfalls weniger schnell, aber Alfred hat nicht aus eigenen Stücken erweitert, und wenn er nicht ganz beim Wortlaut blieb, so blieb das provozierend Kurze des Tons doch erhalten. Diesem Eifer entspricht dann auch die Beantwortung der rhetorischen Frage, die Alfred ebenso wie die Epexegese hinzugefügt hat, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen. Aber im großen und ganzen strebt Alfred nach der Abundanz der Rede, und das tut Boethius nicht. Dieser Unterschied tritt besonders deutlich in der Emphase hervor. Wir haben bereits gefunden, daß Alfred sich vielfach dem Ausdruck des Boethius angleicht, aber seine Mittel sind auch hier wiederum andere, und sie sind als Steigerung des Boethianischen Pathos gedacht. L . BORINSKI spricht hier von einer sekundären Emphase, die sich am Vorbild entzündet.19 Die Lösung der Aporie, daß die Menschen, wenn sie nach Ehren, Macht etc. streben, wohl auf Erstrebenswertes aus sind, es aber nicht erlangen können, leitet Boethius mit einer Apostrophe ein, die im Ton deutlich den Charakter der Invektive verrät: Vos quoque, o terrena animalia, tenui licet imagine vestrum tarnen principium somniatis verumque illum beatitudinis finem licet minime perspicaci, qualicumque tarnen cogitatione prospicitis eoque vos et ad verum bonum naturalis ducit intentio et ab eodem multiplex error abducit. (III, p. 3,1 ff.) Der Satz des Boethius wirkt durch den Aufbau der Klimax mit dem rapiden Umschwung: „et ad verum bonum naturalis ducit intentio et ab eodem . . Es ist Aufstieg und Fall, wobei die gleichen Bauelemente den schnellen Umschwung einleiten, die vorher in weitem Aufstieg die Klimax schlössen. Einschränkung und Verstärkung sind abgewogen, und der Vorwurf ist durch das Bedauern gemildert, das Versprechen der „beatitudo" (vestrum tarnen principium . . . verum " „Sie ist keine primäre Emphase, d. h. sie entspringt nicht einer Gefühlserregung des Sprechers selbst, die durch die Gesamtapperzeption hervorgerufen wäre." (Der Stil, 308).
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illum beatitudinis finem . . . verum bonum) mit dem starken Richtungsakzent (eoque vos . . . et a d . . .) beherrscht den Satz bis zu dem schnellen Fall. Diese Melodie ist bei Alfred verlorengegangen, der Ton des Bedauerns fehlt gänzlich, und gerade der Klang des Versprechens ist aus dem Schluß gewichen: Eala, hwset, ge eorölican men, Jpeah ge eow seife nu don neatum gelice for eowre dysige, hwxt, ge jpeah magon hwaethwugu ongitan swelce eow mäste be eowrum frumsceafte, f is God; öone soöan fruman -| ]pone soöan ende selcre gesxlöe ge ongitaä, Jjeah ge hine fullice ne oncnawen; swaöeah sio gecynd eow tihö to öasm andgite, ac eow teohö swiöe manigfeald gedwola of Jjam andgite. (58, 5 ff.)
Alfred hat die Apostrophe ebenso verstärkt wie die Interjektion, die Abschwächung des „licet" als Entschuldigung fehlt, die Zeigefunktion der Personalpronomina tritt schärfer hervor. Die Stellung ist ebenfalls kunstvoll, die Objekte mitsamt den anaphorischen Epitheta stehen in betonter Stellung vor dem Verb, so daß über die Epanalepsis und die chiastisch verschränkten Glieder des Hauptsatzes (ongitan. . . frumsceafte / fruman. . . ongitaö) die Spannung ebenfalls bis zu dem Konzessivsatz erhalten bleibt. Mit der Vereinfachung des Wortschatzes sind eine Reihe rhetorischer Figuren, wie das Polyptoton, die figura etymologica und eine stärkere Synonymie als bei Boethius in den Satz hereingekommen. Aber der Effekt ist ein anderer. Der Nachdruck liegt auf dem Tadel des Menschen, der von Gott weiß, was er erwarten, aber auch nicht erwarten kann, durch den Irrtum aber von ihm weggezogen wird. Im Höhepunkt des Satzes steht "p is God", da gibt es keine Unsicherheit mehr, wie das traumhafte Schauen des Boethius. Die Personalpronomina mit ihrem starken Moment der Aussonderung haben sich verdoppelt, "ge eow seife", und der Mensch erscheint beschuldigt, während bei Boethius noch das Verborgene bleibt und den Menschen entlastet, „licet. . . minime perspicaci". „Terrena animaüa" ist bei Alfred eindeutig pejorativ aufgelöst. Alfreds Übertragung ist leidenschaftlicher als das lateinische Vorbild, das allerdings von einer stillen Glut beseelt ist, deren klassische Verhaltenheit Alfred im Eifer verwandelt. Es ist ein Bekehrungseifer bei Alfred zu verspüren, der in der rein vom Denken und seiner Klarheit durchdrungenen Consolatio keine Parallele hat. Sachlich haben wir ihn am Werk gefunden in der Willenslehre, im Dualismus, in der Sündenauffassung und im Verhältnis von Weisheit und Torheit. Hier 229
tritt er uns im stilistischen Ausdruck entgegen als die formale Seite des Inhalts. Die Beispiele ließen sich häufen, doch genügt es, auf die entsprechenden Kapitel der Arbeit zu verweisen. Es hat sich nicht nur der Inhalt geändert, sondern auch die Form. Das folgende Beispiel bedeutet auch bei Boethius einen Höhepunkt, die Freude, gefunden zu haben: Per bonum igitur cuncta disponit [seil, deus], si quidem per se regit omnia, quem bonum esse consensimus, et hic est veluti quidam clavus atque gubemaculum, quo mundana machina stabilis atque incorrupta servatur. (III, p. 12, 36 ff.) purg good God geseeop eal öing, foröasm he wilt ]purh hine selfne ealles Jsaes Jse we x r ewaedon 5a;t good wacre; -] he is ana staöolfsest wealdend -j stiora i steorroöer i helma, forösem he riht -| ixt eallum gesceaftum, swa swa good stiora anum seipe. (97, 9 ff.)
Bei Boethius ist die Spannung, die in der Lösung der Frage frei wird, durch die Umstellung des Sachobjekts angezeigt. Die Emphase steckt in den verschiedenen Anaphern (per bonum . . . per se . . . quem bonum), der Synonymie (cuncta disponit. . . regit omnia, clavus atque gubemaculum), der ausgewogenen Zweigliedrigkeit und dem rhythmischen Schluß. Dann fällt die lange Periphrase auf, die sich steigernde relative Prädikationsform, bei der es Boethius in frommer Achtung vermeidet, den Namen Gottes — des Subjekts des Satzes —• auszusprechen. Der Stileindruck vermittelt das kurze Aufleuchten der Freude und dann die Zurückhaltung in Würde und Ehrfurcht. Anders bei Alfred. Das Bekenntnis tritt ganz offen hervor. Er fügt den Namen Gottes, bekannt und benannt, in signifikanter Stellung zum Sachobjekt hinzu. Die vorsichtig argumentierende Art des Philosophen, der sich auf die einschränkenden Voraussetzungen seines Gedankengangs beruft (si quidem...), ist in die unbedingte Gewißheit verwandelt und dementsprechend begründet. Der verhüllte Prädikationsstil ist zu der offenen Bekenntnisform der „Er"-Prädikation20 geworden. Für Alfred ist der Sinn dieser Zeilen der Gottespreis, und so ist die weitgeschwungene Metaphernreihe zu verstehen, die mit den übrigen Ausdrucksmitteln (Polysyndeta, figura etymologica, Alliteration und Assonanz) bestimmt und markant in der Kürze der Wörter das Bild beherrscht. Auch Boethius hat zur Metapher gegriffen, aber es ist keine eigentliche Metapher, sondern ein Vergleich, und 20
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Vgl. E. Norden, Agnostos Theos (Nachdruck Darmstadt, 1956), 163 ff.
dieser Vergleichscharakter ist verdeutlicht. Für Alfred aber ist Gott Steuermann und Steuerruder, und der nachgetragene Vergleich schränkt nicht ein wie bei Boethius, sondern er bestätigt das göttliche Wirken durch das Bild. An die Stelle des geistigen Seins Gottes tritt sein personhaftes Wirken. Den für die kosmologische Vorstellung der christlichen Philosophie und Hymnik wichtigen Begriff der ,mundana machina' hat Alfred nicht übertragen. Der persönliche Gott steht im Mittelpunkt seiner Auffassung, er ist es, nicht die komplexe Geistigkeit seiner Gesetze und seines Denkens, die machtvoll Mensch und All bewegt. Es sind nicht unbedingt hohe Augenblicke, die die Kraft der Emphase entbinden, denn so eindringlich Alfred dem Sinn des einzelnen nachspürt, so schnell fängt andererseits sein Geist Feuer. So spricht Boethius über den Reichtum und erläutert die Grenzen des Geldes: ist es im Besitz des einen wertvoll, dann sind andere arm, oder es geht auf viele über und verliert seinen Wert. Ganz anders als eine Stimme, die an viele Ohren dringt: et vox quidem tota pariter multorum replet auditum, vestrae vero divitiae nisi comminutae in plures transire non possunt. (II,p. 5,15 ff.) Alfred versteht „vox" als "good word -] god hlisa" und stellt also das „gute Wort" im Zusammenhang mit dem Ansehen wohl als Lob und Mahnung dem Reichtum gegenüber: Genoh sweotol f is Jjaette god word -] god hlisa aelces monnes biö betra deorra ]ponne aenig wela; hwset, Jpast word gefylö slces Jjara earan jse hit gehetö, -j ne biö Jjeah na jsy lasse mid Jjsem ]pe hit spricö. His heortan diegelnesse hit geopenaö, -j Jpaes oöres heortan belocena hit Jpurhfaerö, -j on J i m fxrelde jMerbetwyx ne biö hit no gewanod; ne mseg hit mon mid sweorde ofslean ne mid rape gebindan, ne hit nasfre ne acwylö. (28,10 ff.) Zunächst sehen wir wiederum Alfreds Denken bei der Arbeit: er stellt das Urteil als Resultat auf und begründet es dann. Der Einsatz ist durch den unpersönlichen Ausdruck mit Gradadverb bewußt abrupt, zugleich dient der feste Ausdruck wiederum der leichteren Gliederung des Satzes, wie vielfach bemerkt. Im ersten und zweiten Satz verstärken Indefinita den Gegensatz zwischen den als Antithesen ausgerichteten Zweiergruppen mit gleichem Gewicht und bewirken mit den Komparativen einen hyperbolischen Effekt (aelces monnes biö betra . . . Jjonne aenig . . . / aslces Jsara earan . . . na Joy laesse mid J>a£m . . .). Der zweite Satz wird durch einen Ausruf eingeführt, und 231
dadurch steigert sich die Spannung dem ersten gegenüber, obwohl er sonst dem Satzschema des ersten folgt. Im dritten Satz wird die Steigerung dann zur Klimax hin fortgeführt. Zwei attributive Genetive stehen in Inversion21 und fuhren die letzte Steigerung ein. Dann folgen gegenüber den Zweiergruppen der ersten Sätze Dreier- bzw. Vierergruppen, wobei sich Position und Negation, Handlung und Betroffensein ablösen, und die Negationen mit der Ausschließlichkeit der Vorstellungen den Schluß der Klimax bilden: "ne hit naefre ne acwylö". Besonders wirkungsvoll sind dabei der Wechsel von Polysyndeton zum Asyndeton und die Stellung des kürzesten Gliedes als Höhepunkt am Schluß.22 Die parataktische Gruppe ist also mit den einfachsten Mitteln ausgesprochen wirkungsvoll gebaut.23 Daneben ist natürlich die Plastik der Vorstellungen wichtig: die dynamischen Verben, auf Abstrakta bezogen, zeugen von einer großen Kraft bildlicher Vorstellung. Das ganze Beispiel belegt aber auch die Inspiration, die für Alfred von Boethius ausging und die innere Beteiligung, deren er fähig war. Wie allgemein in der Frühzeit der germanischen Dichtung besitzt der Gedanke vom Wirken des Schöpfergottes in der Vegetation und in der Erneuerung und Erhaltung der Schöpfung auch für Alfred eine starke Faszination.24 So hat er sich auch mit der folgenden Schilderung des Boethius nicht zufrieden gegeben: Iam vero quanta est naturae diligentia, ut cuncta semine multiplicato propagentur! Quae omnia non modo ad tempus manendi, verum generatim quoque quasi in perpetuum permanendi veluti quasdam machinas esse quis nesciat? (III, p. 11, 65 ff.) Hwa maeg f he ne wundrie swelcra gesceafta ures scyppendes, huru JDXS scyppendes? ]peah we his nu wundrigen, hwilc ure mag areccan medemlice ures scyppendes willan -j anwald, hu his gesceafta wexaö -] 21 Wortstellungen der Inversion finden sich häufig bei Alfred über das Original hinaus (Borinski, Der Stil, 143 ff.; 307). 22 Dieses effektvolle Stilmittel findet sich bei Alfred wie bei seinen lateinischen Originalen und über diese hinaus. 2» Daß Parataxe raffiniert sein kann, bemerkt Hävers, Handbuch, 47. 24 G. Ehrisman, Geschichte der deutschen Literatur, 141, 169 f. u. ö.; W. v. d. Steinen, Der Kosmos, 139 ff.; Chr. Dawson, Religion and the Rise of European Culture (London, 1950), 41 gehen auf die Fragen ein. Interessant sind auch die Zusammenhänge des Wortschatzes von „Welt" und „Mensch" mit den älteren Kulturen von Wald, Niederwald und Weide, •wenn es auch fraglich ist, inwieweit diese Ursprünge wirklich noch in der Dichtung durchgefühlt werden. Vgl. H. A. Benning, „Welt" und „Mensch" in der altenglischen Dichtung, Beiträge zur englischen Philologie 44 (Bochum, 1961).
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eft waniaö, ]sonne Jsaes tima cymö, i of hiora siede wioröaö eft geedniwode, swylce hi Jjonne weoröen to edsceafte? Hwast, hi ]?onne eft bioö, i eac hwasthwugu anlice bioö swilce hi a bion, foröaem hi aelce geare weoröaö to edsceafte. (92, 7 ff.) Auch hier hat Alfred die Satzbewegung des Originals zu halten versucht, aber sie auch im Ausdruck wiederum gesteigert. Der letzte Satz ist durch die Interjektion, die Epipher und den Vergleichssatz angeschlossen, während der begründende Schlußsatz das Ganze bestätigt. Die Gestaltung ist zugleich einfach und komplex. Den Ausrufesatz des Boethius hat Alfred durch die rhetorische Frage vervollständigt und dadurch die Satzführung vereinheitlicht, die nunmehr ganz von einem Verb der Meinungsäußerung abhängig ist: "he ne wundrie . . . wundrigen . . . areccan ures scyppendes willan . . . ., hu his gesceafta". Das erlaubt zusammen mit der Epanalepse (lockere Form) und der Concessio (Jjeah we his nu wundrigen. . .) mit anschließender Antithese eine natürliche Steigerung, wobei der Wechsel von direktem Objekt zum Objektsatz (Inkonzinnität) die breitere Basis für den Übergang von Gott als Schöpfer zu dem Wirken der Geschöpfe gibt und die beiden Teile auseinandergehalten werden. So wird dann auch der Nachdruck auf dem Schluß möglich, der bei Boethius durch die steigende Form der Koordination und die Distinctio mit figura etymologica (non modo ad tempus manendi, verum. . . quoque. . . in permanendi) erreicht ist. Die übrigen Stilmittel treten sehr reich, z. T. durch den vereinfachten Wortschatz bedingt, in Erscheinung (Anaphern, Bikola, Polyptoton, figura etymologica, Isokola und Alliteration). Sinn der Gestaltung ist von der rhetorischen Frage her der Lobpreis des Schöpfergottes, dessen Größe niemand voll begreifen kann. Alfred nennt ihn zunächst „unseren" Schöpfer, ehe er vom Schöpfer allgemein spricht. Er ist das natürliche Objekt der Aussage, das in der inkonzinnen Fügung dann auf das Werden und Vergehen der Geschöpfe übergeht, wobei aber vom Vergehen her der Nachdruck ganz deutlich auf das immerwährende Neuschöpfen fällt. Das persönliche Gottesbild Alfreds bestätigt sich wiederum in der starken Form der Aussage, besonders wenn man bedenkt, daß Boethius hier lediglich ,natura' und ihre Einrichtungen, ,machinas', im Sinn hat. Bei allem Pathos der Aussage sind es aber nicht so sehr Gefühle, die Alfred weckt, sondern gedanklich klare Erkenntnisse: er betont mit theo233
logischer Korrektheit, daß in Gott Wille und Macht sind,25 daß es nicht genügt, die Geschöpfe zu loben, sondern den Schöpfer, und daß der Mensch Gottes Größe zwar bewundern mag, aber nicht ermessen kann. Dem Satzablauf entsprechend sind das die Voraussetzungen, unter denen die Kraft des Werdens und Vergehens dargestellt ist. Trotz der doch ansehnlichen Rhetorisierung wirken daher die Sätze keineswegs hochpathetisch. Die Sprache ist gehoben, aber sie enthält sehr stark betrachtende und verweilende Elemente (hu masg areccan medemlice . . .) und durative Vorstellungen (. . . hu his gesceafta wexaö -] eft waniaö, Joonne Joass tima cymö), und die Parenthesen der Nebensätze zweiten Grades sowie die begründende Form des Schlusses lassen die Denkbewegung des Meditativen eher erkennen als den Eifer, der aber in der Emphase doch stark durchschlägt. Alfreds Stil ist ein komplexer Stil und zugleich ein unbedingt persönlicher Stil mit reichen Möglichkeiten der Nuancierung, aber die gestaltende Kraft ist nicht überall gleich groß. Wie sehr sie sich aber gerade in diesem Vorstellungsbereich der Schöpfung und Lenkung der Welt angesprochen fühlt, mögen die folgenden Beispiele in kürzerer Betrachtung dartun: Ea [ s e i l , fatalis] series caelum ac sidera movet, elementa in se invicem temperat et alterna commutatione transformat; eadem nascentia occidentiaque omnia per similes fetuum seminumque renovat progressiv. (IV, p. 6, 77 ff.) Hier hat Alfred auf die Möglichkeiten der nominalen Wiedergabe völlig verzichtet: Swa deö se godeunda foreöonc; he astereö Joone rodor Joa tunglu, ]sa eoröan gedeö stille, i gemetgaö {ja feo wer gesceafta; p is waster -| eoröe -| fyr lyft. pa he geöwteraö -| wlitegaö, hwilum eft unwlitegaö, 1 on oörum hiwe gebrengö, -¡ eft geedniwaö, i tidreö £elc tudor, - hi eft gehyt i gehelt Joonne hit forealdod biö -j forsearod, 7 eft geewö -| geedniwaö Jjonne Jjonne he wile. (131, 2 ff.) Eine Parataxe aus lauter verbalen Zweier- und Dreiergruppen in polysyndetischer Anordnung ist durch Alliteration (Präfix- und Suffixgleichheit), Homoioteleuta, figura etymologica und Anaphern verbunden. Die wenigen Mittel der Satzstellung geben nur wenig Gliederung, und alles scheint vollkommen assoziativ hervorgegangen zu sein aus Freude an dem Reichtum von Vorgängen schöpferischen 25 Vgl. V, p. 2, 13 ff.: „ N a m supernis divinisque substantiis et perspicax iudicium et incorrupta voluntas et efficax optatorum praesto est potestas" ( = 140, 27 ff.).
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Lebens, die wie in der Natur im antithetischen Wechsel von Werden und Vergehen ineinander verschlungen sind. Es ist ein Mittel, das Alfred des öfteren verwandt hat, das aber selten so outriert erscheint. Im folgenden Beispiel wirkt die Reihung ganz anders, obwohl Thema und innere Einstellung gleich sind: His de causis vere tepenti spirat florifer annus odores, aestas cererem fervida siccat remeat pomis gravis autumnus, hiemem defluus inrigat imber. (IV, m. 6, 25 ff.) Be Jjses cyninges gebode brengö eoröe aslcne westm i selc tudor aslce geare, se hata sumor drygö -) gearwaö saed -j bleda, -j westmbaera hasrfest bryngö ripa bleda. Hasglas -j snawas -] se oftraeda ren leccaö Jsa eoröan on wintra; forj^am underfehö sio eoröe Jsset sxd -| gedeö Jjast hit grewö on lengten. (136, 14 ff.)
Alfred hat die Abfolge der Jahreszeiten gegenüber Boethius geändert, die Metonymien wie den dichterischen Ausdruck im ganzen durch andere Vorstellungen ersetzt, für den preziösen Ausdruck „spirat. . . odores" fehlt ihm der Sinn, und auch die kunstreiche Personifizierung ist eingeschränkt.26 Wichtiger aber ist das Prinzip der Gliederung: Zweigliedrigkeit wechselt mit Dreigliedrigkeit, die Subjektgruppe ist wie bei Boethius attributiv erweitert, aber während Boethius nur jeweils ein Glied als repräsentativ für die Jahreszeit aufführt, nennt Alfred mehrere: Sproß, Saat, Schößling; Hagel und Schnee neben dem häufigen Regen. Die Gliederung ist die der Diairese mit dem Summativum am Anfang (aelc tudor aelce geare). Die Umstellung des Schlußglieds folgt wiederum Boethius (Hasglas . . .), der innere Sinn ist wiederum bedacht in dem Kausalsatz am Schluß, der das Geschehen wieder zum Lenz zurückführt, statt wie bei Boethius im Winter zu enden. Das ganze ist ein kleines, aber gutes Beispiel für die durchdachte Art der Gliederung, die den Reichtum der Vorstellung in einer sinnvollen Struktur erfaßt und wiedergibt. Vielleicht hat Alfred nirgendwo so bewußt gestaltet wie im Gebet, und hier ist naturgemäß der große Hymnus des dritten Buches 26 L. Borinski, 171, sagt, daß die Personifizierung bei Alfred eine gewaltige Rolle spiele. Aber bei Boethius geht die Personifizierung viel weiter als bei Alfred. Man braucht nur an ,ratio', ,natura' etc. als Handlungsträger zu denken. Aber auch z. B. „te dolor, ira maeror distrahunt" (1, p. 5, 37 f.), „saeva rapacitas.. .pandit hiatus" (II, m. 2, 13 f.) und viele derartige Wendungen. Alfred hat diese nicht personifiziert wiedergeben, weil sie bereits ein hohes Maß an Abstraktion voraussetzen. Personifizierung bei Boethius und Personifizierung bei Alfred sind nicht dasselbe.
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besonders zu erwähnen. Man findet alle Stilmittel der Emphase vertreten, aber die Gliederung ist straff und eindringlich, die Wortwahl schlicht, jedoch nicht ohne Würde. O qui perpetua mundum ratione gubernas, terrarum caelique sator, qui tempus ab aevo ire iubes stabilisque manens das cuncta moveri, quem non externae pepulerunt fingere causae materiae fluitantis opus, . . . (III, m. 9 , 1 ff.) Eala, Dryhten, hu micel -) hu wunderlic {DU eart, {DU 3e ealle {nne gesceafta gesewenlice -] eac ungesewenlice wunderlice gesceope gesceadwisüce heora weltst; öu öe tida fram middaneardes fruman od öone ende endebyrdüce gesettest, swa pte hi aeg]per ge forö farad 5 ge eft cumaö; {DU öe ealle {DA unstillan gesceafta to ]?inum willan astyrast, -j {DU seif simle stille -j unawendedlic {Durhwunast; foröam öe nan mihtigra {De nis, ne nan Jjin gelica, ne {je nan neod]pearf ne laerde to wyrcanne p p öu worhtest; ac mid {Dinum agenum willan -j mid Jpinum agenum anwealde {DU ealle {DING geworhtest, öeah öu heora nanes ne 10 be^orfte. (79, 10 ff.)
Die christliche Form des Gebetes ist so vollendet, daß man glaubt, Alfred habe ein anderes Gebet mit zugrunde gelegt, und tatsächlich ist in der 2. Zeile die Formel des Symbolums benutzt, und in den Zeilen 3 , 4 und 6, 7 klingen liturgische Formen deutlich an, aber dann ist doch die Übersetzung wieder so dem von Boethius aus entfalteten Sinn nahe, daß die Zusammenstellung unbedingt Alfreds eigene Leistung scheint. Begriff auf Begriff der Vorlage ist erweitert, jedoch ohne daß die Vorlage aus den Augen verloren würde. Die Intensität ist durch die Erweiterungen nicht geringer geworden, sondern gesteigert, weil das Netz der relativen Du-Prädikationen dichter geworden ist, besonders durch die erweiterte Anakiese des Anfangs, die einen verstärkten Auftakt für das Kommende darstellt. Dort wird auch wiederum im Gegensatz zu Boethius der Name Gottes sofort ausgesprochen. Die Prädikation ist durch den Ausruf verstärkt, der in Epanalepsis wiederaufgenommen wird ({DU eart, Jou). Boethius hat das Große und Wunderbare Gottes als solches an keiner Stelle des Gedichts ausgesprochen, obwohl es sich dauernd bezeugt, aber das ist die Art seiner Zurückhaltung, von der wir am Anfang dieses Kapitels gesprochen haben. Alfred hat aber gerade das bewußt Unausgesprochene wieder in das offene Bekenntnis verkehrt. Er nimmt auch im weiteren Verlauf des Gedichts das Wunderbare immer wieder auf, um in der Fülle 236
des erklärenden Details das Hymnische zu erhalten, die Tatsache, daß es nicht um die Schöpfung geht, sondern um den Schöpfer. Die Begriffe sind anders als bei Boethius in den Gegensätzen erweitert, wobei die Länge der Worte und Zusammensetzungen gegenüber dem sonstigen Gebrauch Alfreds hervorsticht. Ebenfalls ist die Tendenz zum kurzen Satzkern nicht mehr durchlaufend zu bemerken (]DU de ealle . . . weltst — öu 9e tida . . . gesettest). Der Stil wirkt dadurch getragen, weit und feierlich. Die kleineren Einheiten wechseln zweigliedrig mit den dreigliedrigen ab, zum Teil bauen sie die Triaden auf (Z. 1—3; 6—8). Das Gesetz der wachsenden Glieder ist — bis auf die Wende (Z. 10) — überall beachtet, die Gruppen sind dementsprechend ausgeglichen: hu micel i hu wunderlic gesewenlice -j eac ungesewenlice stille i unawendedlic. „ . . . quem non externae pepulerunt fingere causae" hat Alfred als abschließende Satzreihe wiederum begründet (foröasm) durch eine liturgische Formel der Allmacht Gottes in drei aufsteigenden negativen Aussagen — nach Dionysius vom Areopag die einzig möglichen wahren Aussagen über Gott27 —, denen zwei positive Glieder folgen. Sie nennen als Summativum noch einmal die Allmacht und das Allerschaffene, ehe in dem gekürzten konzessiven Schlußglied eben diese ungeheuere Größe des Geschaffenen dem Nichts entgegengesetzt wird, dessen Gott von allem bedurft hätte. In dieser Form, die dann umschwingt zum Preis der Natur des göttlichen Guten, aus dessen Übermaß Gott das All geschaffen hat, in dem weiten Bogen der Aussagen, der Innigkeit der Prädikation, der denkend gestalteten Ordnung der Gegensätze innerhalb der Schöpfung und zwischen Schöpfer und Geschaffenem, liegt etwas von der überwältigenden Einsicht der denkenden Erfahrung beschlossen, das in seiner Art in wunderbarer Selbständigkeit neben die Verse des Boethius tritt. Der Ausdruck des Boethius ist vergeistigter, die gedrängten nominalen Formen enthalten eine Welt des Wissens von der Größe des sich entfaltenden Geistes Gottes, aber in Alfred lebt die Innigkeit der persönlichen Erfahrung, das Bezwingende der in Gegensätzen erfahrenen Größe 87 Dionysius Areopagita, Himmlische Hierarchie, Kap. II, übers, v. J. Stiglmayer, S. J., Bibliothek der Kirchenväter, hrsg. von O. Bardenhewer, Th. Schermann, K. Weymann (München, 1911), 11.
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des göttlichen Wirkens und Seins, in der die Seele nur den Ausweg kennt, Gott zu loben. Alfred hält diesen Stil nicht durch, aber er war zu solchen Höhepunkten fähig, und das bedeutet viel an der Schwelle einer Literatur, die bis dahin nur den Vers kannte, und hier im Gedankenausdruck der Prosa einem Stil gegenübersteht, der sich durch Jahrhunderte gewachsen in einem Autor vollendet hat. Der Sachbereich deckt sich mit dem Formalen, sei aber wegen seiner grundsätzlichen Wichtigkeit nochmals hervorgehoben. Die persönliche Beziehung zu Gott ist deutlicher durch das Personalpronomen "J^ine gesceafta",28 Gott ist ausdrücklich als Schöpfer und Walter genannt, und seine absolute Freiheit ist stärker betont als bei Boethius,29 der in dieser Auffassung sich von ganz anderen Absichten leiten läßt. Ihm kommt es darauf an, den Geist Gottes als unwandelbares Gesetz in den Dingen walten zu sehen, Alfred betont gewissermaßen, daß Gott in allen Dingen auch fähig ist, anders zu handeln, und diese Form des Denkens nimmt sich gegenüber Boethius, aber wohl auch gegenüber der antiken Philosophie, seltsam aus.30 f . Alfreds Lebensbereich in seiner Übertragung Wie im Bereich des Denkens und der sprachlichen Wiedergabe Alfred seine eigenen Formen hatte, in denen der lateinische Gehalt umgeprägt wurde, so sieht er auch den Sachbereich der Consolatio mit anderen Augen an und überträgt ihn, wo dies möglich ist, in die Nähe seiner eigenen Welt.31 Ist das nicht möglich, so läßt er ihn aus der Übertragung heraus. So fehlen die Musen, die sachlichen Teile der Verurteilung des Boethius und die eigentlichen Ankläger des Boethius. Theodorich übernimmt ihre Rolle als Repräsentant des Tyrannen (I, p. 4; III, p. 4,11 = 62,12). Im lokalen Kolorit der Bibliothek fehlt das Elfenbein, aber die mit Glas geschmückten Wände32 sind geblieben, und ein Sessel, mit Gold und Juwelen ausgelegt, und goldgeschriebene Bücher sind dazugekommen (11, 26 ff. = I. p. 5,19). Der treue 28 Vgl."Eala ]?u admihtiga scippend ...helpnu{Mnumearmummoncynne", 10, 15 ff.; vgl. 232 f. d. Arbeit. 2" Vgl. 79, 30; 48, 28 ff.; 49, 26 ff.; 136, 20.ff; vgl. 65, 272 d. Arbeit. 80 Vgl.W. Schadewaldt, „Das Weltmodell der Griechen", Hellas undHesperien{St\xttgitt, Zürich, 1960), 462 ff. 31 Ähnlich auch im Orosius, vgl. S. Potter, "A Commentary", 397 £. 82 Es handelt sich um „Glasfluß", wie Büchner, 18, übersetzt, eine Art Emaille.
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Fabricius (II, m. 7,15) ist wahrscheinlich über die Etymologie,faber' = „Schmied" zu'Weland' geworden (46,16 ff.), die „forenses querimoniae" (III, p. 3, 34) sind aufgelöst zu "swelc seofung -] swelce geflitu i gemot -] domas" (59, 25), und auch wenn der Kommentar Erklärungen gab, sind sie umgesetzt in die altenglischen Verhältnisse. So ist bei der Erklärung der Ämter, besonders der Prätur von "heretogan -j domeras, -] maömhirdas Jje p floh hioldon £>e mon £>am ferdmonnum on geare sellan sceolde" die Rede als Entsprechung für den „senatorius census" (III, p. 4, 40 = 64,12 ff.). Der Tyrann ist ein "unrihtwisa cyning" (36,25; 105,26) oder ein "leodhata" (36, 29) wie Busiris. Aus dem „pater familias", der über kostbare Gefäße verfügt, wird des "cyninges hirede", der Königshof. Daß die Söhne des Boethius unter dem Geleit der Senatoren und dem Jubel des Volkes, beide zu gleicher Zeit als Konsuln berufen, zur Kurie gebracht wurden und die Preisrede des Boethius als „regiae laudis orator" unter den Augen der Söhne, die Triumphspende im Circus (II, p. 3, 27ff.),alles das fehlt, aber nicht das Bild des Vaters, der seine und der Vorväter Tugenden in den Söhnen überliefert sehen darf (II,p. 4, 22ff): Hwset wille we cweöan be Jpinum twam sunum? öa sint ealdormen -j geöeahteras; on Jjasm is swiotol sio gifu -) ealla da. dugujja heora faeder -[ heora eldran fieder, swa swa geonge men magon gelicoste beon ealdum monnum. (22, 23 ff.)
Den Gedanken, daß es die Seefahrt im Goldenen Zeitalter nicht gegeben hat, daß die Meerfahrt Frevel bedeutet,33 hat Alfred nicht verstanden, und so bleibt von den folgenden Versen nur wenig: Nondum maris alta secabat nec mercibus undique lectis nova Iitora viderat hospes. (II, m. 5, 13 ff.) Ne geseah nan cepa ealand ne weroö . . . (34, 1) Die „classica saeva" wich (ebd. 16) der Raubflotte,34 der mehrfache Konsul, „si qui multiplici consulatu functus in barbaros nationes forte devenerit" (III, p. 4, 29 f.), verwandelt sich in den mächtigen Herrn, der in die Verbannung getrieben wurde oder als Bote im Auftrag seines Herrn zu fremdem Volk kommt (63,14 ff.). Selbst das Klima ist englischer geworden. Der Nordwind bringt nicht nur Regen, sondern auch Schnee (III, m. 1, 7 f. = 52, 5), und 83 M
Vgl. Ovid, Metam., I, 94 ff., Horaz, Carm., I, 3, für den Topos. Vgl. 199 f. über den Charakter des Fehlers.
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zum Winter gehören neben dem Regen (IV, m. 6,29) auch Hagel und Schnee (136,17). Zu den Schranken, die Gott dem Meer gesetzt hat (II, m. 8, 9 f.), zählt Alfred auch Ebbe und Flut (49, 25 f.), die der Römer nicht nennt und vom Mittelmeer nicht kennt. Auch Sprichwörter haben sich gewandelt. Das feierliche „defunctumque leves non comitantur opes" (III, m. 3,6) ist dem Wort gewichen, daß selbst der, der die ganze Erde besitzt, von ihr nicht mehr mitnimmt, als er dorthin gebracht hat (60, 30 ff.). Die Moral, daß denjenigen, der stürzt, sein eigenes Gewicht hinunterzieht, „ruituros moles ipsa trahit" (III, p, 5,33), hat er in die Weisheit der Ameise verwandelt mit dem Satz, daß der, der sich zur rechten Zeit nicht sorgt, sich zu seiner Zeit unversorgt finde (67,11 ff.) und: Numquam dives agit, qui trepidus gemens sese credit egentem (II, m. 2 , 1 9 f.)
heißt einfach: "Swa him mon mare selö, swa hine ma lyst" (19, 9 f.). Es sind dies kleine Züge, aber sie runden das Bild ab und sind bezeichnend für den Willen Alfreds, das lateinische Werk ganz in die eigene Heimat hineinzunehmen. Es soll vertraut zu vertrauten Menschen sprechen, nichts unbegriffen Fremdes an ihm bleiben. W. SCHADEWALDT hat diese Art des Übersetzens als „umsetzende, transponierende" Übersetzung bezeichnet, in der das Fremde ganz zu Eigenem wird, in der es aber auch sein Eigenstes verliert.3® g. Alfreds
Bildersprache
Daß bildliche Vorstellungsformen für Alfred wesentlich sind, geht aus seinem Gebrauch der Allegorisierung hervor. Wie sich dort eine andere Auffassung gegenüber Boethius kundtut, so auch in der Bildersprache allgemein. Bei Boethius finden wir einen reichen Gebrauch von Metaphern und auch besonders in den Gedichten von Metonymien. Bei der Betrachtung der Rolle des Kommentars war bereits darauf hingewiesen worden, daß Alfred Metaphern auflöst und ihren Sinn abstrakt erklärt. Das ist auch allgemein seine Haltung zu solcher Metaphorik, die in den Bereich der Idiomatik gehört, wenn auch natürlich die Grenzen fließend sind: 86 W. Schadewaldt, „Die Wiedergewinnung antiker Literatur auf dem Wege der nachdichtenden Übersetzung", Hellas und Hesperien, 538.
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falsae opinionis supplicium luas (II, p. 4, 6) = Hit is leasung (21,21) promovimus (II, p. 4, 34) = Ic wene ]peah p ic hwsethwugununges ]je up ahofe of Jaaere unrotnesse . . . ( 2 3 , 1 8 f.) quem caduca iste felicitas vehit (ebd. 79) = aslc ]?ara ]pe J^as woruldgesasljja hasfö (26, 1) error patet (II, p. 5, 5) = dysige men wafiaö (31, 12) hae ad beatitudinem viae devia quaedam sint (III, p. 8, 1 f.) = . . . f ¡Des andwearda wela myrö -] let Jja men Jje bioö . . . (71, 10 f.)
Es hat keinen Zweck, Beispiele zu häufen, die sich bei der schwierigeren Diktion der Metra noch häufiger finden als in der Prosa, weil es nur darum geht, allgemeine Gesetzmäßigkeiten für Alfreds Übertragung zu finden. Deutlich ist, daß Alfred hier weniger anschaulich überträgt, als es das Original verlangt, daß er für den schwungvollen und treffenden metaphorischen bzw. idiomatischen Ausdruck eine in den meisten Fällen umständliche und abstraktere Umschreibung gewählt hat. Wenn man sich die Wendungen ansieht, erkennt man, daß in der Mehrzahl dieser Ausdrücke der Bildgehalt abstrahiert wird. Denn die Wirkung der Metapher geht ja nicht nur von der Bildsphäre auf die Sachsphäre, die Sachsphäre wirkt auch umgekehrt und verselbständigt sich dann im Bild. Dann führt der Weg weiter zur Katachrese und zur Idiomatik. Vielleicht muß das „Bild", um Metapher zu werden, überhaupt schon einen Teil der konkreten Vorstellung preisgegeben haben, und so treffen wir in Alfreds Übersetzung der Consolatio einen Metaphernbereich des Lateinischen, für den Alfred keinen gleichwertigen Ausdruck finden konnte.36 Denn Alfred liebt Bilder, und vielfach sind seine Ausdrücke von großer Bildkraft, eben weil die Bildsphäre noch konkreter wirkt: Num vis ea est magistratibus, ut utentium mentibus virtutes inserant, vitia depellant. (III, p. 4, 2 f.) Hwasöer nu se anwald haebbe ]jone Jjeaw 3aet hi astificige unöeawas 1 awyrtwalige of ricra monna mode, -] plantige 9¡er crasftas on? (61, 7 ff.) haeret profecto semen introrsum veri, quod excitatur ventilante doctrina; (III, m. 11, 11 f.) . . . i Jseah biö simle com Jjasre soöfaestnesse sied on Jpaere sawle wunigende . . . p com sceal bion aweht mid ascunga 7 mid lare, gif hit growan sceal. (95,13 ff.) 36 Das gilt ebenfalls für die Personifizierung (vgl. 235 d. Arbeit). Es wäre wünschenswert, genauer den Grenzverlauf bestimmen zu können, doch reicht dazu naturgemäß die Grundlage dieser Arbeit nicht aus.
16 Otten, Alfreds Boethiiu
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Beide Beispiele zeigen im Vergleich mit dem Lateinischen, wie unverbraucht die Sprachkraft der Bilder noch im Altenglischen ist. jDepellere' kann in allen möglichen Zusammenhängen stehen, aber 'astyfician' bzw. 'styfician' und 'awyrtwalian' bedeuten „mit der Wurzel herausziehen",37 und auch .inserere' wird in diesem Zusammenhang nicht mehr ursprünglich gefühlt worden sein. So hat Alfred im zweiten Beispiel das Bild in den konkreten Einzelzügen verstärkt, während bei Boethius die Bildbedeutung zwischen „semen" und „ventilante doctrina" zwar gut, aber doch auch übertragen, aufrecht erhalten wird. Vielleicht konnte Alfred auch auf den Zusatz "gif hit growan sceal" überhaupt nicht verzichten, weil das „Bild" noch als wirkliche Gegebenheit der Sache gefühlt wurde. Das gibt, wenn Konkretes und Abstraktes aufeinanderprallen, sehr plastische Effekte :38 Sed visne rationes ipsas invicem collidamus? Forsitan ex huius modi conflictatione pulchra quaedam veritatis scintilla dissiliat. (III, p. 12, 66) Ic wene ]peah, gif wit giet uncru word tosomne sleaö, p öaer asprunge sum spearca up soöfasstnesse ]para ]pe wit xr ne gesawon. (99, 23 fF.)
Besonders die Metonymie setzt ein hohes Abstraktionsvermögen voraus, und so hat Alfred sie häufig aufgelöst oder gestützt: Videsne igitur, quanto in caeno probra volvantur, qua probitas luce resplendeat ? (IV, p. 3 , 1 f.) Gesihst )ou nu on hu miclum -| on hu diopum -j on hu ]piostrum horoseaöe Jpara unöeawa 9a yfelwillendan sticiaö, hu öa goodan scinaö beorhtor Jjonne sunne P ( 1 1 2 , 1 3 fF.)
So hat Alfred ein zwiespältiges Verhältnis zur Metapher. Er liebt sie um ihrer Aussagekraft willen, er vermeidet sie, wo das „Uneigentliche" des Bildes das geistig Gemeinte verdunkeln könnte. Oder er erklärt sie: Itaque remedia, quae paulo acriora esse dicebas, . . . vehementer efflagito. (III,p. 1, 7 ff.) Ac ic wolde ymbe Jsone lascedom ]para Jpinra lara hwene mare geheran. (50, 20 f.) Omnis mortaliumcura . . . diverso quidem calle procedit. (III, p. 2,2ff.) . . . wilniaö ealle öurh mistlice paöas cuman . . . p is f hi wilnaö ]ourh ungelice earnunga . . . (52, 18 ff.) 87 In übertragener Bedeutung für .eradicare' auch in der Cura pastoralis, 427,18; vgl. Bosworth-Toller und Suppl., 55, 930 und 53, 714. S8 Vgl. 231 d. Arbeit: „vox".
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ed. Sweet,
Hier stehen wir an dem Punkt, an dem die einfache Erläuterung der Metapher umschlägt in die allegorisierende Deutung. Aber es ist deutlich, daß Alfred zunächt auf den Sinn sieht, dann erst kommt die Metapher zu ihrem Recht. So ist die Inkonsequenz zu erklären, daß Alfred am Anfang der Ubersetzung auf die große Metaphernkette von Krankheit, Heilmittel und Genesung nicht eingeht, sie aber später mit offensichtlicher Freude an der Darstellung übernimmt (I, p. 6, 48 ff. = 13, 30). Auch sonst liebt Alfred einige Bildbereiche, und dort kommen auch die Metaphern zu ihrem Recht, z. B. Gott als Weltenlenker mit dem Zügel (II, m. 8, 16 = 48, 9 f., 27 f.; III, m. 2 , 1 = 57, 2 f.; IV, m. 2,18 f. = 105,18 f.) oder die Seefahrt-Metaphern, aber es geht hier noch nicht um den Sachbereich, sondern zunächst um die Form. Man kann sich nun denken, daß die Schwierigkeiten des Mißverstehens wie die der Abstraktion wohl bei der Metapher gegeben sind, aber nicht beim Vergleich, so daß man erwarten sollte, daß Alfred die Vergleiche des Boethius weit mehr übernimmt als die Metaphern, und das ist tatsächlich der Fall. Denn im Vergleich kann es zu keinem Mißverständnis kommen, weil ja Sach- und Bildsphäre unbedingt auseinandergehalten werden. So ist denn die Form, in der sich Alfreds Neigung zum bildlichen Ausdruck hauptsächlich ausspricht, die des Vergleichs bzw. der Allegorie, in der ja die Bedingungen ähnlich sind. Schon bei der Klarstellung des gedanklichen Sinns einer Metapher drückt sich Alfred gelegentlich im Vergleich aus; z.B. wenn die Gestirne, vom Wolkenhimmel verdeckt, kein Licht geben (I, m. 7,1 ff.): Swa doö nu öa Jjeostro Jjinre gedrefednesse wiöstandan minum leohtum larum. (14, 17 f.) Oder wenn Boethius davon spricht, daß die ,virtus' von Lumpen mit Füßen getreten wird (IV, p. 1,14 f.), so hat das Alfred in einem Vergleich verwandelt: „sie liegen verachtet, wie Kot unter Dung" (104, 8f-)Nachdem die Formen damit geklärt sind, geht es darum, die inhaltlichen Verhältnisse, insoweit als sie von Boethius verschieden sind, zu betrachten. Die Größe der Erde vergleicht Boethius mit dem Himmelsraum,wobei die Erde zu einem bloßen Punkt zusammenschrumpft (II, p. 7,9 f.). Alfred überträgt: „wie ein Pünktchen (lytlu brice) auf einem breiten 16»
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Brett oder wie ein Rundbuckel (roundbeag) auf einem Schild" (41, 25 ff.). Der unerwartete Fall eines Bösen aber ist wie der Fall eines großen Baumes, der mit dem lautesten Krachen stürzt, wenn es der Mensch am wenigsten vermutet (117, 29 f.). Boethius spricht hier von der „excelsa facinorum machina repentino atque insperato saepe fine destruitur" (TV, p. 4, 21 f.), so daß Alfreds Wiedergabe ob ihrer Suggestivkraft und der Natürlichkeit der Assoziation aus einem völlig anderen Sachbereich erstaunlich ist. Die Herrschaft eines Tyrannen vergleicht Boethius in ihrer Wirkung mit einem Ausbruch des Ätna und mit einer Wasserflut (II, p. 3 ff.), Alfred fügt noch die Feuerlohe auf trockenem Heidefeld (34, 27) hinzu. Die Aufnahme der Speisen in den Leib bei der Verdauung stellt er sich vor wie bei einem Mehlsieb, wenn das Mehl durch die Löcher dringt (III, p. 11, 83 f. = 93,5). Den Gedanken, daß der Mensch, der das Gute im Leben verfehlt, nicht „levia aut ludicra praemia" (IV, p. 2, 76 f.) verliert, sondern das Höchste, was es gibt, hat Alfred illustriert, indem er „praemia" als Ausgangspunkt für einen Vergleich genommen hat: Kinder und alte Männer wollen sogar noch Ehre und Würde. Die Kinder reiten auf Stöcken und spielen, um den Alten nachzueifern (108, 8 ff.). Der Tyrann, so heißt es in einem Zusatz (IV, m. 2 , 1 ff.), achtet weder Freund noch Feind mehr als einen tollen Hund (111,18 f.). Den schwierigen Begriff der Einheit der Güter (III, p. 11,11 ff.) hat Alfred durch ein Beispiel aus der Technik des Metallgießens erläutert: "swelce hi sien to anum wegge (Barren) gegoten" (90, 7 f.). Das Verhältnis von Lust und Schmerz (III, p. 7, 5 ff.) hat Alfred zusätzlich durch einen Topos der patristischen Literatur dargestellt. Lust ist schon auf Erden mit Schmerz verbunden, wieviel mehr Schmerzen wird der Lüstling erst als Lohn im Jenseits erdulden müssen: swa swa bearneacen wif acenö bearn örowaö micel earfoöu, aefter J)am ]pe hio xt micelne lust ]purhteah. (70,11 ff.)
Alfred mochte den Topos, der auf Gen. 3,16 zurückgeht, aus Beda kennen, wo er in einem Brief Gregors zitiert ist: In carnis autem commistione uoluptas est; nam in prolis prolatione
gemitus. (Hist. Eccl. I, 28, ed. Plummer, 54)
in ]?ses lichoman gemengednesse biö willa, Jjonne in Jsass tudres forölsednisse biö gooung sar. (ed. Miller, 76,14 f.)
Auch den Gedanken, daß es ein Quälgeist war, der die Söhne erfand, „nescioquem filios invenisse tortorem" (III, p. 7,12), hat Alfred durch 244
den Hinweis auf den Tod der Mutter im Kindbett ersetzt, die stirbt, bevor sie noch das Kind zur Welt bringen kann (70,19 ff.). Diese Beispiele Alfreds sprechen für das Nachdenkliche ebensosehr wie für den scharfen Blick in die Welt der Dinge, den Wunsch, Sachverhalte ganz klar und konkret vor sich zu haben und sie in derselben Form weiterzugeben, sinnenkräftig und anschaulich, "swelce hi sien to anum wegge gegoten". Sie zeigen die gleiche Neigung zur Emphase, die seinen Stil auch sonst charakterisiert, und im Verhältnis zur Metapher auch die ursprüngliche Gegenstandsgebundenheit der Sprache, die noch in vielen Bereichen den Ausdruck neben das Ding stellt, das eine am anderen mißt, aber nicht das eine mit dem anderen vertauscht. Dann haben diese Vergleiche einen momentanen Charakter, sie tauchen auf und erläutern jeweils eine Stelle und einen einzigen Bezug, aber sie haben außer über den Stil keine sachliche Beziehung zum Ganzen. Das ist anders bei den folgenden Vergleichen, die um des sachlichen Gehalts willen mit den Metaphern zusammen behandelt werden. Solche zentrale Bilderketten sind die Leib-Seele-Analogie, der Tiervergleich, Quelle und Meer, Seefahrt und Medizin, Steuermann und Seelenarzt und die Vorstellung des Rades. Diese Vergleiche und Metaphern haben einen Ursprung in dem lateinischen Text der Consolatio, aber wie es auch bei den sachlichen Meinungen des ersten Abschnitts unserer Untersuchung der Fall war, so sind sie auch in diesem Bereich schärfer konturiert und mit größerer Eigenständigkeit ausgearbeitet. Für Boethius sind sie selbstverständliches Gut seiner Welt, für Alfred Entdeckungen, die es gilt mitzuteilen und in ihrer Bedeutung ganz zu erfassen. Die Leib-Seele-Analogie ist Alfred stets gegenwärtig, wenn es um den Begriff der Einheit geht, um Mensch und Gott. Sie ist die Grundgegebenheit des Menschen. Boethius spricht von der Einheit der göttlichen Substanz, der Identität Gottes mit seinen „Attributen", die keine Attribute sind, sondern Substanz (III, p. 10, 40 ff.). Alfred erläutert das am Beispiel des Menschen: Eines ist der Mensch, Seele und Leib, ein anderes ist sein Gutes. Gott hat sie zusammengefügt und erhält sie. Aber in der Natur Gottes ist nichts Mächtigeres, was sie (von außen) zusammenhält (84,22 ff), Gott und sein Gutes. Alfred spricht von Gott und Mensch, Boethius nur von Gott. Die Stelle spricht für die dualistische Auffassung Alfreds. Daß das Gute göttlich ist, ist ein grundlegender Gedanke der Consolatio, aber aus der 245
Betonung der Tatsache, daß Gott das Gute, was der Mensch hat, im Menschen zusammenhält, aus diesem Gedanken scheint mir das Augustinische zu sprechen, die Erkenntnis, daß ohne einen Akt Gottes nichts Gutes im Menschen bleiben kann. Es geht dann um die Einheit der Güter in der Glückseligkeit. Boethius bestimmt, daß das Verhältnis das der Substanz ist, die Güter sind nicht Teile, die einen Körper ausmachen (III, p. 10, 89 ff.). Der Vergleich ist also gewissermaßen präformiert. Alfred führt ihn aus: mannigfache Glieder kommen zu einem Körper zusammen; Leib und Seele machen einen Menschen, und alle Glieder sind auf diese zwei bezogen, auf Seele und Leib. So sind auch die Güter zu denken. Güter des Körpers sind Schönheit, Stärke etc., Güter der Seele sind die Tugenden. Hier kann das eine verlorengehen, dann sind Körper und Seele aber doch noch erhalten, aber in der Glückseligkeit müssen alle Güter eins sein (86, 22 ff.). Was Alfred hier vorführt, ist ein Stück wissenschaftlicher Anthropologie: der Aufbau des Menschen ist ein Zugang zur Erkenntnis der geistigen Wahrheit, „analogia entis". In der Consolatio ist dazu keine Parallele zu greifen. Der Gedanke, daß das Gute mit der Einheit identisch ist (IV, p. 3, 42 ff.) und daß nur es ist, hat Alfred, der den prägnanten Gebrauch von esse nicht erkennt, Schwierigkeiten gemacht. Auch hier greift er auf den Körper und seine Teile zurück. Sobald etwas fehlt, ist der Körper nicht mehr das, was er vorher war, und so verhält es sich mit dem Guten am Menschen (114, 4 ff.). Gemeinsam ist diesen Beispielen, daß geistige Zusammenhänge sich für Alfred an der Analogie des menschlichen Daseins erst als begreiflich erweisen. Die Leib-Seele-Analogie ist ein Schlüssel zum Verständnis der Welt. Auch dieses Denken hat in der Consolatio keine Parallele. Der Begriff des Kreises ist auch für Boethius wichtig. Für Alfred verdichtet sich das im Emblem des Rades, wie es Boethius der Fortuna zuerkennt (II, p. 1, 56 f.) und das Alfred auch so wiedergegeben hat: Wenn das Rad einmal am Laufen ist, so kann er es nicht mehr umkehren, und so ist auch der Lauf der Weltgüter nicht umzukehren (16, 32 ff.). Aber auch die Bewegung der Dinge im Kreislauf von Ausgang und Wiederkehr (Proodos, Epistrophe, Anodos),39 der „stabilis orbis" (III, m. 2, 34; III, m. 9,15), wird von Alfred unter " F. Klingner, De Boethii, 32, 34, 40.
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dem Bild des sich drehenden Rades dargestellt, das, wenn es sich dreht, wieder zu seinem Anfang zurück muß :40 Ac selc gesceaft hwearfaö on hire selfre swa swa hweol; -j to J>am heo swa hwearfaö p heo eft cume jpasr heo asr wses, -] beo p ilce p heo xr was, öonecan öe heo utan behwerfed sie p p hio xr wass, -j do p p heo asr dyde. (57, 31 ff.) Auch bei der Übertragung von III, m. 9 greift Alfred bei „orbis" auf das gleiche Bild zurück: in semet reditura meat [anima] mentemque profundam circuit et simili convertit imagine caelum (III, m. 9, 16 f.) Swa öu gesceope ]pa saule Jjaet hio sceolde ealne weg hwearfian on hire selfre, swa swa eall J>es rodor hwerfö, oööe swa swa hweol onhwerfö . . . (81, 25 ff.) Alfred führt dies nun weiter aus durch das denkende Sein der Seele bei sich selbst, bei Gott oder bei den Dingen. Die Schicksalskreise des Boethius (IV, p. 6, 61 ff.), die sich um einen inneren unbewegten Kreis drehen und, je größeren Abstand sie vom Zentrum haben, in der Bewegung beschleunigt werden, hat Alfred in eine große Allegorie des Rades verwandelt, bei dem die Achse für Gott steht, Nabe, Speichen und Felge für die Menschen je nach dem Stand ihrer Gottferne. Die am weitesten vom Zentrum entfernten Menschen müssen die härtesten Stöße erdulden, aber das ganze Rad hält nur zusammen dadurch, daß die Menschen an der Peripherie von denen, die den Speichen entsprechen, gehalten werden, während diese wiederum von denen abhängen, die die Nabe bilden und „am besten fahren". Das ganze Bild ist vom Kommentar angeregt worden, der ebenfalls die von Boethius an mehreren Kreisen exemplifizierten Verhältnisse auf ein Rad überträgt. Aber die Deutung selbst ist Alfredisch. Bei Boethius ist also lediglich von den Kreisen die Rede, bei Alfred wird dies konkretisiert im Bild vom Rad. Der Gegenstand gewinnt emblematische Bedeutung, und wenn das Rad auch im Mittelalter hauptsächlich als das Rad der Fortuna Geltung gewinnt, so ist doch hier von der Anschauung her die Wende gegenüber dem Denken des Boethius bereits spürbar. Auch den Vergleich des Menschen mit dem Tier hat Alfred umfassender und exemplarischer verstanden als Boethius. Bei Boethius 40 Der Sinn ist im altenglischen Metrum klarer, er wird hier durch die Epexegese verdunkelt.
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hat der Vergleich noch innere Beziehungen zu dem Mythos des platonischen Staates (Buch X, St. 620) und zu verwandten neuplatonischen Lehren, 41 obwohl der Hinweis auf die Metempsychose fehlt: die Bösen sind je nach Wesensart bereits in diesem Leben ihrer Seele nach Wolf, Hund, Fuchs, Löwe, Hirsch (bei Alfred ist es der Hase), Esel, Vogel, Schwein (IV, p. 3,48 ff.; IV, p. 4,1 ff.). Besonders das letzte Beispiel hat Alfred mit Nachdruck ausgeführt (115, 5 ff.).42 Dieses Absinken des Menschen hat Alfred mit mehr Emphase dargetan. So tadelt Boethius den Menschen allgemein (II, p. 5, 69 ff.), der als „divinum mérito rationis animal" nach dem Besitz der unbeseelten Überflüssigkeiten trachtet. Während unbeseelte Lebewesen mit dem Ihren zufrieden sind, stößt der Mensch seine Würde unter das Niedrigste. Alfred hat den Tiervergleich, der hier nur impücite angedeutet ist, ausgeführt: Tiere, die keinen Geist besitzen, trachten nicht nach eigenem Besitz, sondern ihnen dünkt genug, was sie unter ihrer eigenen Haut haben, der Zuwachs an Futter, der ihnen natürlich ist (31, 30 ff.). Bei der Diskussion der Macht verspottet Boethius die menschliche Selbsteinschätzung im Blick auf die Hinfälligkeit der menschlichen Natur und vergleicht den Menschen mit Mäusen, bei denen eine vor der anderen einen lächerlichen Machtanspruch geltend macht — bei Alfred erläßt die Maus Urteile und Steuern (35, 30 ff.). Alfred aber sieht gleichzeitig den Unterschied zwischen Mensch und Tier, der so zusammengeschrumpft ist, und überträgt ihn auf die riesige Distanz, die zwischen Körper und Seele liegt. Was für Boethius eine bloße Illustration ist, wird für Alfred zu einer unbedingten Wahrheit im Koordinatensystem von Mensch-Tier, Körper-Seele und Mensch und Gott. In der gleichen Weise hat er einen anderen Vergleich des Boethius aufgenommen. Boethius erwähnt, daß es sinnlos sei, sich auf körperliche Vorzüge etwas einzubilden, weil man die Elefanten nicht an Masse, die Stiere nicht an Kraft und die Tiger nicht an Geschmeidigkeit übertreffen könne (III, p. 8, 13 ff). Alfred stellt zum Tier auch die Schönheit des Menschen und fügt hinzu: selbst wenn einer alles dies hätte, dann würde er erst recht nach dem Besitz der Weisheit streben, mit der alle anderen Fähigkeiten nicht zu messen sind (72,4 ff.). Wir bemerken deutlich (vgl. die Kirke-Episode 116, 23 ff), daß sich in Alfreds Auffassung des Tiervergleichs schon etwas von der 41 42
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Vgl. P. Courcelle, Lei lettres grecquei, 290. Vgl. die Einschätzung als Topos „Schweinehund", 48 ff. d. Arbeit.
Einschätzung der Tiere innerhalb der Schöpfung bemerkbar macht, was zum Physiologus hinführt und natürlich auch Grundgegenstand des mittelalterlichen Weltbildes ist: alles Erschaffene weist auf seine Stelle im Kosmos und auf den Schöpfer. Das ist bei Alfred nicht prinzipiell erfaßt, aber es stellt sich so dar, aus der Consolatio ließe es sich niemals erschließen. Licht und Dunkel sind Gegensätze, die durch die Consolatio hindurchlaufen. Sie gehören ebenso wie der Gegensatz von Freiheit und Sklaverei und Fessel, Heimat und Fremde zu der esoterischen Welt der antiken Philosophie und Literatur. Nun ist der Gegensatz von „Licht und Dunkel" aber auch der angelsächsischen Literatur von sich aus eigen, und wird daher gelegentlich im Zusammenhang mit der geographischen Lage und dem Klima als Eigencharakteristikum überschätzt. Jedenfalls ist unabhängig von der Geographie der Gegensatz Dunkel-Licht, Weiß-Schwarz ein Urgegensatz, der sich bei den meisten Völkern findet, und Alfred ist ihm, wie er ihn in der Consolatio fand, voll gerecht geworden in seiner Wiedergabe, obwohl die Vorstellungen, die mit diesem Gegensatz in der altenglischen Epik verbunden werden, andere sind als in der Consolatio. Dort ist es das Böse und Unheilvolle im Gegensatz zu Hoffnung, Freude und Ruhm,43 hier ist das Licht Wahrheit und Erkennen, Finsternis Irrtum und Lüge. Licht ist Erreichen, Dunkel Verfehlen. Zwischenstadien sind dabei Traum, Schatten, Trunkenheit und Nebel, und sie stehen für die unvollkommenen Erkenntnisweisen des Menschen bei den antiken Philosophen und auch später in der Offenbarung des Christentums.44 So ist es denn nicht verwunderlich, daß die erste Metaphernkette, die Alfred vollständig wiedergibt, eben diesem Bereich entstammt. Sie bedurfte keines Kommentars (Zunder, Funken, Lebenslicht [vitalis calor], Nebel [caligo], schwarze Wolken, Sonne und Sterne [I, p. 6,48 ff., m. 7,1 ff. = 13, 29 ff.], spiegelndes Wasser und aufgewühlter Schlamm). Aber die Metapher „nubila mens est / vincta frenis" hat Alfred nur ihrem zweiten Teil nach wiedergegeben: Foröasm p mod siemle biö gebunden mid gedrefednesse . . . (14, 23 f.) 18 Vgl. H. G. Wright, "Good and Evil, Light and Darkness, Joy and Sorrow in Beowulf", Review of English Studies N. S. VIII (1957), 1 ff. 44 Vgl. O. Weinreich, Die Distichen des Catull (Tübingen, 1926), 17 und 89. R. Bultmann, „Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum", Philologus 97 (1948), 1 ff. und ebenfalls von Bultmann den Artikel Phos im Kitteischen Wörterbuch %um N. T.
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Alfred weicht der Metaphernhäufung aus, wenn sich komplexe Vorstellungen durch Mischung ergeben.46 Er bevorzugt klare Gliederung und, wenn nötig, die Interpretation bzw. Deutung. Gold und Smaragde erleuchten das Augenlicht nicht, sondern: . . . magisque caecos in suas condunt animos tenebras. Hoc, quicquid placet excitatque mentes, infimis tellus aluit cavernis; splendor, quo regitur vigetque caelum, vitat obscuras animae ruinas; (III, m. 10, 11 ff.) Alfred bleibt der Vorstellung näher, wenn er sagt, daß Gold und Silber und Edelsteine die Augen der Seele nicht erleuchten: ac get swiöor hi ablendad JMES modes eagan Jponne hi hi ascirpan. (89,15 ff.) Aber „infimis tellus aluit cavernis" hat er wiederum gedeutet als das Irdische und Vergängliche, ohne das Bild hinzuzufügen. Die schönste und selbständigste Lichtmetapher findet sich in Umschreibung eines abstrakten Sachverhalts. Boethius erkennt das Ziel eines Gedankengangs „ . . . et id te paulo ante dicturam tenui licet suspicione prospexi" (III, p. 12, 41). Er bezieht sich damit auf eine Bemerkung (III, p. 9,7 f.), daß er die Dinge wie durch einen Spalt wahrnehme, sie aber lieber offener ins Auge fassen möchte. An der betreffenden Stelle hatte Alfred abstrakt erklärt (74, 27), jetzt aber, auf dem Höhepunkt des Dialogs, greift er auf das Bild zurück: er bekennt, die Tür gefunden zu haben, wo er vorher nur einen kleinen Ritz wahrgenommen hatte, den er wegen der Dunkelheit kaum sehen konnte, und obgleich ihm die ,Philosophia' die Tür gezeigt hatte, tappte er weiter im Dunkeln an der Stelle herum, an der er das Licht schimmern sah. Aber nun hat ihm die ,Philosophia' alles aufgezeigt: swylce ]?u hasbbe Jaa dura abroden J>e ic ser sohte. (97, 24 f.) Das wohl auf das platonische Höhlengleichnis verweisende Beispiel des Auges, das, an die Finsternis gewöhnt, sich nicht zum Licht der Wahrheit emporzuheben vermag (IV, p. 4,89 f.), hat Alfred durch eine ihm vertrautere Vorstellung ersetzt: Kranke Augen können nicht gut in die hellste Sonne blicken, ja sogar nicht einmal in das Feuer oder in sonst etwas Helles (121, 8 ff.). Auch das sich anschließende Beispiel von den Nachtvögeln hat Alfred wieder erläuternd und deutend " Vgl. 240 f. d. Arbeit.
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ausgeführt. Das Beispiel des Erblindeten, der sein Gedächtnis verloren hat, und daher glaubt, daß ihm kein Sinn fehle, hat Alfred durch eine Reihe von Einzelzügen aus dem Hypothetischen ins Wirkliche konkretisiert (IV, p. 4,103 ff. = 122,1 ff.). Die gleiche Gestaltung eines erweiterten Bildbezugs bei gleichzeitiger Erweiterung der Deutung ist am Beispiel eines Trunkenen zu erkennen, der weiß, daß er nach Hause und zu seiner Ruhestätte finden sollte, aber den rechten Weg verfehlt (55, 14 ff. = III, p. 2, 49 ff). Alfred hat eine wesentliche Metapher in die Übertragung eingeführt, die Kreisbewegung des Wassers. Das Bild steht für den Gedanken, daß Gott als das ,summum bonum' alle anderen Güter in sich enthält. Alfred hat ihn verschieden verdeutlicht, Gott ist ihm der Stamm und Grundstock (stemn i staöol) aller Güter (86, 2 = III, p. 10,83 f.), von dem alles Gute kommt und zu dem es wieder zurück will. Oder er ist das Licht, das den Gestirnen ihr Licht gibt {ebd. 81, 32 ff. = III, m. 9,15 ff), den einen mehr, den anderen weniger. Aber besonders ausgearbeitet hat er den Gedanken im Bild des Wassers: Aus dem Meer kommt das Wasser in die Erde und wird dort frisch und kommt als Quelle hervor, wird zu Bach und Strom und fließt zum Meer zurück (III, p. 10, 89 ff, zur Verdeutlichung des Substanzbegriffes = 86,18 ff.). In der umgekehrten Reihenfolge hatte er das Bild aus dem „fons bonorum" (III, p. 10, 8) entwickelt, aber dort weniger weit ausgeführt (82, 26 ff, 83, 3 f.). Das Bild erinnert an den Jenseitsmythos des Pbaidon (St. 112,113) oder auch an die Paradiesflüsse,46 aber näher liegt Eccl. 1, 7: Omniafluminaintrant in mare, et mare non redundat ad locum unde exeunt flumina revertuntur ut iterum fluant. Wenn man für die Periphrasis „ad locum unde exeunt" „fons" einsetzt und den Gedanken des Überlaufens ausscheidet, weil er nicht in den Sinnbezug paßt, so steht dieses Zitat Alfreds Vergleich sehr nahe. Der bildlichen Darstellung Gottes sind zwei Metaphern vorbehalten, Gott als Seelenarzt und als Steuermann. Beide Vorstellungen haben einen weiten historischen Hintergrund und sind in der Consolatio mit dem Geschehen wiederum auf einer breiteren Basis ver" Vgl. H. Rahner, „Flumina de ventre Christi", BiblicaRomaXX.il (1941), 269 ff., 367 ff. — aber die Zusammenhänge sind grundsätzlich anders trotz äußerer Berührungspunkte.
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flochten.47 Besonders das Bild der Seefahrt hat Alfred über Boethius hinaus entwickelt: Si ventis vela committeres, non quo voluntas peteret, sed quo flatus impellerent, promoveres; si arvis semina crederes feraces inter se annos sterilesque pensares. (II,p. 1, 52 ff.) Alfred hat wiederum nur ein Bild ausgeführt, das Bild des Ackers und der Saat hat er ausgelassen: Hwast, JDU wast gif {DU Jaines scipes segl ongean ]pone wind tobrsedest, p ]pu Jjonne laetsest eall eower faereld to öass windes dorne. (16, 28 ff.) Man merkt an der Ausführung, daß es sich bei Boethius um eine bildliche Redensart handelt, die in ihrer konkreten Sachlichkeit nicht mehr gefühlt wird, während Alfreds Form den Dingen nähersteht: die Segel gegen den Wind stellen, die Fahrt dem "dorne" des Windes überlassen, wobei "dorne" nicht nur Urteil bedeutet, sondern auch Befehl und Macht und Wille. 48 Selbst wenn nur das letzte gemeint sein sollte, wird es doch anders gefühlt. In „motus" = „Aufruhr" entfaltet Alfred das verborgene Bild: Quid tantos iuvat excitare motus. (IV, m. 4,1) Forhwi drefe ge eowru mod mid unrihtre fiounge, swa swa yöa for winde Jja sas hreraö? (124, 3 f.) Gott lenkt durch das Gute die Welt, „et hic est veluti quidam clavus atque gubernaculum, quo mundana machina stabilis atque incorrupta servatur" (III, p. 12, 38 ff.). Auch hier sind die Beziehungen ausgedeutet und konkretisiert: 1 he is ana staöolfaest wealdend i stiora -j steorroöer -] helma, foröasm he riht -j rast eallum gesceaftum, swa swa good stiora anum scipe. (97,10 ff.) Man spürt aus dieser Häufung des Details die Nähe zu dem „Kraftevangelium" des frühen germanischen Christentums und das höchste Lob, das darin besteht, als guter Steuermann sein Schiff zu lenken und " Über das Bild der Seefahrt bei Boethius im Vergleich zu den frühen Dialogen Augustins vgl. E. T. Silk, "Boethius's Consolatio Philosopbiae as a Sequel to Augustine's Dialogues and Soliloquia", Harvard Theological Review xxxii (1939), 19 ff. E. R. Curtius behandelt das Bild der Seefahrt lediglich als Schluß- und Exordialtopik im Zusammenhang von Schriftsteller und Werk, nicht wie hier unter dem Blickpunkt der Seele in Europäische Literatur, 139 ff. Für den Topos von der Schiffahrt des Lebens vgl. H. Rahner, Griechische Mythen, 120 f., 414 ff. Eine besonders eingehend ausgearbeitete Metaphernkette findet sich in den Dialogen, ed. Moricca, 14,19 ff., ed. Hecht, 5,13 ff. 48 Bosworth-Toller, 207, Suppl. 154.
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zu beherrschen. Ganz selbständig ist Alfred, als er, den Schwierigkeiten der abstrakten Darlegungen über das Verhältnis von Gottes Vorwissen und der Notwendigkeit des menschlichen Handelns ausweichend, am Bild des Steuermanns aufzeigt, wozu Gottes Vorwissen dient. Es dient nicht dazu zu bewirken, daß Dinge geschehen, die den Geschöpfen schaden, sondern es will warnen, „wie ein guter Steuermann den starken Wind auf rauher See bemerkt, ehe er aufkommt und befiehlt, das Segel zu raffen und manchmal den Mast umzulegen und die Leinen gehen zu lassen, und wenn er vor dem widrigen Wind das Schiff festmacht, sieht er sich vor gegen solches Unwetter" (144, 28). Hier überläßt Alfred sich nun ganz der Vorstellung, und wir bewundern den Blick für das Detail, die Kraft der religiösen Vorstellung, die alle Einzelheiten durchdringt, das Begreifen des Göttlichen im Anthropomorphen und die Einheit von Sehen und Sinn, ohne daß Alfred wie sonst die Metapher mit dem intendierten Sinn sorgfältig zur Deckung bringt, den Vorstoß in den Bereich des Symbolischen. Die Metapher der Krankheit hat Alfred nicht in diesem Sinn zu übertragen verstanden, und besonders am Anfang des Werkes die wichtigen Beziehungen, die für den modernen Leser erst durch W. SCHMID wieder erschlossen wurden,49 nicht sichtbar gemacht, so daß die Einheit der Metaphernkette bei Alfred verlorengeht. Aber die Metapher von Gott als dem Seelenarzt hat Alfred voll entwickelt. Auch Boethius spricht davon, daß die Schuldigen vor Gericht geführt werden müssen wie die Kranken zum Arzt, um die Krankheit der Schuld durch die Strafe auszuschneiden (IV, p. 4,124 ff.). Alfred hat wiederum die beiden Bereiche formal klarer auseinandergehalten und zum „Schneiden" noch das „Brennen" hinzugefügt (123,12 ff.). Kein Mensch vermag die innere Abgestimmtheit (temperies) der Seelen zu erkennen, und daher wundern sich die Menschen über die Absichten des Schicksals, wie sie sich darüber wundern, daß der Arzt einmal Süßes und das andere Mal Bitteres verordnet. Wer aber ist ein besserer Arzt der Seelen als der, der sie erschaffen hat (IV, p. 6,104 ff.), „rector ac medicator mentium deus" (114 f.)? Diesem ausführlichen Vergleich fand auch Alfred nichts mehr hinzuzusetzen (132 ,4 ff.), 49 W. Schmid, „Philosophisches und Medizinisches in der Consolatio des Boethius", Festschrift für Bruno Snell (München, 1956), 113f. Über die Verwandtschaft der .philosophia medicans* zu .Christus medicus', vgl. W. Schmid, "Boethius and the Claims of Philosophy", Studia Patristica II, Texte und Untersuchungen %ur Geschichte der altchristlichen Literatur 64, V. Reihe, 9 (1957), 374 f.
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aber als Boethius dann von den Menschen spricht, die so rücksichtslos sind, daß Armut sie zu Verbrechern machen könnte, und deren Leiden die Vorsehung dann mit Geld heilt, um sie vor dem Verbrechen zu behüten (IV, p. 6,160 ff.), da übersetzt Alfred: Ac se gooda Ixce, f is God, lacnaö hiora mod mid ösem welan. (134,16 f.) Er selbst kannte wohl das Bild bereits aus der Cura pastoralis.m Wir erkennen in Alfreds Bildgestaltung deutlich einen anderen Ausdruckswert gegenüber der Consolatio. Aus dem peripheren Charakter der bloßen Illustration und des Ornaments ist bei Alfred eine Form der Erkenntnis geworden. Sie hängt ab von der Einschätzung des Irdischen oder wenigstens mit ihr zusammen. Die Verbindung wird nachweisbar, wie mir scheint, an der Übersetzung von ,imago' und der Theorie des „Abbildes". Alfred übersetzt ,imago' mit 'anlicnes', und wie sehr Alfred selbst mit der dahinterstehenden Vorstellungswelt vertraut ist, ersieht man aus folgendem Beispiel, in dem Boethius, ohne unmittelbar zu werten, vom Gut der Menschen spricht: formam felicitatis humanae (III, p. 2, 44 f.) Alfred übersetzt das konkrete „forma" mit dem Abbild: £>ara leasena gesadöa anlicnes. (55, 6)61 Die bildlichen Vorstellungen für diesen Gedanken des Vergänglichen und Unwirklichen sind dem Bereich von Licht und Dunkel entnommen, Schatten, Rauch und Traum. Alfred kehrt die Gedanken des Boethius wiederum stärker hervor. So spricht Boethius von den „umbrátiles dignitates" (III, p. 4, 28). Alfred war dieser Gedanke so wichtig, daß er ihn ausdehnt und als Welterfahrung schlechthin darstellt: Ac ic ]?e msg eaj>e gereccan . . . f öis andwearde lif is swiöe anlic sceade, -j on Jpasre sceade nan mon ne masg begitan £>a sodan gesaslöa. (63,11 ff.) 50 ed. Sweet, 123, 2 0 , 1 (III, Prooem). Vgl. St. Gregory, Pastoral Care, transl. and ann. by Henry Davies, Ancient Christian Writers 1 1 (London, 1950), 262 und St. Augustine, The Lords Sermon on the Mount, transl. and ann. J. J. Jepson, Ancient Christian Writers 5 , 1 9 0 und die bei Schmidt zitierte Arbeit v o n J. Courtès, «St. Augustin et la médicine», Augustus Magister, Etudes augustiniennes (1954), bei Schmid, 117, 132, 137. » Vgl. 72 ff., 144 ff. d. Arbeit.
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Zum Gedanken, daß die falschen Würden schon beim Verlassen des eigenen Landes verschwinden (III, p. 4, 34 ff.), während das Feuer überall seine Wärme behält, setzt Alfred hinzu: foräy hi losiaö swa swa sceadu oööe smec. (63, 26 f.) Wenn schlechte Menschen etwas Böses im Sinne haben und es nicht ausführen können, so verfliegt der böse Wille wie Rauch vor dem Feuer (IV, p. 4,13 ff. = 117,17 f.). Mit der im Grunde platonischen Anschauungsweise des Irdischen als Schatten hängt eine Auffassung zusammen, die im Irdischen die Dinge nur noch als Zeichen sieht und so lediglich als Bilder bewertet. Die Dinge der Welt weisen dann, wie wir es bereits bei der Besprechung der Allegorie gesehen haben,52 durch ihr Sein, ihre Stellung und ihre mit dem Sein gesetzte Kausalität auf Gott. Ein solches Denken ist dem Geist der Consolatio nicht fremd, aber es ist nicht in dieser Form ausgeprägt. Anders bei Alfred. Boethius sagt, was denn die Flüchtigkeit der Dinge anderes sei als eine Art Anzeichen künftigen Unheils (II, p. 1, 40 ff.). Alfred überträgt das auf die Dinge selbst: to hw2em cumaö hi öonne elles butan to tacnunge sorges -j anfealdes sares? (16,17 f.) Wie können die menschlichen Dinge Bestand haben, wo der Tod den Menschen ereilt? Auch hier greift Alfred auf diese Anschauung zurück (II, p. 3, 42 ff.): Hwast syndon öa woruldsaelda oöres buton deaöes tacnung? (20,23 f.) So ist Straflosigkeit bei begangenem Unrecht das "sweotoloste tacen" des größten Unglücks auf dieser Welt und der größten Strafe im Jenseits (IV, p. 4, 60 ff. = 119,16 ff.), und dies ist ohne Vorbild im lateinischen Text ebenso wie bei dem Gedanken, daß das Gute, das dem Guten zufällt, ein Zeichen bedeutet für die ewigen Güter als sein Lohn im Himmel (IV, p. 7, 23 ff. = 137, 27). Bei Boethius wie bei Alfred zeigt sich diese Betrachtungsweise bei der Beurteilung des aufrechten Ganges des Menschen. Er bedeutet (Haec. . . ammonet figura, V, m. 5, 12) für den Menschen, daß er auch den Geist emporhebe zum Erhabenen, und Alfred übersetzt: 62 Vgl. 144 ff. d. Arbeit. Der Unterschied liegt in der Entwertung des Irdischen, die keineswegs notwendig mit dem Piatonismus des Mittelalters verbunden ist, wenn sich auch die Spannungen überall nachweisen lassen. Vgl. die Kapitel zur Güterlehre und zum Dualismus.
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p tacnaö f he sceal ma Jsencan up Jjonne nyöer, J>i lass f mod sie nioöoror Jjonne 9e lichoma. (147, 9 f.) Diese Betrachtungsweise findet sich sehr häufig in der Übersetzung von Gregors Dialogent63 ac soölice Jsaet mod, ]pe mid jDam godcunde gaste byö gefylled, Jjonne biö J>is ]sa cuölascestan tacnu, {aast is Jsonne witodlice nixgenes -j eadmodnysse. (ed. Hecht, 13, 8 ff.) Sie ist mit der Legende eng verbunden, die das Wirken des unsichtbaren Gottes in der Welt der sichtbaren Dinge zum Gegenstand hat.54 Ihre eigentliche Form des Ausdrucks ist die Allegorie, aber sie greift weit darüber hinaus und durchdringt das gesamte Erlebnis der Welt. Wenn also die Metapher bei Alfred konkreter gefaßt wird, so ist das nicht nur ein Akt verstärkter Anschaulichkeit, durch Gemütsart und Sprachstand bedingt, sondern auch ein Akt der Erkenntnis, in dem „konkret" auch und gerade das Geistige der Dinge in die Struktur ihres Bedeutens bezeichnet und der Mensch überall und immer die Welt der Dinge in unverstellter Natürlichkeit als Spuren des Göttlichen versteht. b. Die Gestaltung der Exempla Schon bei der Betrachtung des Stils der Übertragung wurde deutlich, daß Alfreds Wiedergabe versucht, den Sinn des Boethius in seinem eigenen Medium von Sprache und Stil umformend neu erstehen zu lassen. Alfred hat den Boethius in ein anderes stilistisches Milieu übertragen und neu gestaltet. Ähnliches läßt sich von den Metaphern sagen. Alfred hat eine andere Anschauung vom Wesen dieser Bilder, und er setzt die Bilder des Boethius dementsprechend in andere Zusammenhänge. Es ist also nicht so, daß es zu Beginn der altenglischen Prosa keine eigenständigen literarischen Ausdrucksformen gegeben hätte, sondern man muß eher vermuten, daß es recht ausgeprägte Formen gegeben hat, die in der Lage waren, einen geistigen Inhalt samt seiner formalen Gegebenheit aufzunehmen und neu zu gestalten, wobei wir versuchten, die Differenzen sichtbar zu machen. Von einer solchen Eigenständigkeit vorgeprägter Formen in der altenglischen Prosa wüßten wir sehr wenig, wenn wir nur auf •» ed. Hecht, 86, 29; 90, 30; 161, 18; 176, 9 u. ö. M „Zeichen und Wunder", vgl. A. Jolles, Einfache Formen (Leipzig, 1930), 36 ff.
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die Übersetzungen Waerferths oder auf Beda zurückgreifen könnten, und auch die übrigen Ubersetzungen Alfreds lassen uns über den Umfang und über die Leistungsfähigkeit dieser Formen im Unklaren, weil die Differenz zwischen Original und Übertragung nicht groß genug ist, während sie im Boethius deutlich genug hervorsticht. Aber diese stilistische Differenz der Ausdrucksmöglichkeiten ist an keiner Stelle so spürbar wie in der Behandlung einiger Exempla, wo sie auch am meisten über das rein Stilistische hinausgeht. Freundschaft der Könige vermag nicht Sicherheit zu gewähren. Als Beispiel deutet Boethius die Geschichte von Seneca und Papinianus: Nero Senecam familiarem praeceptoremque suum ad eligendae mortis coegit arbitrium, Papinianum diu inter aulicos potentem militum gladiis Antoninus obiecit. Atqui uterque potentiae suae renuntiare voluerunt, quorum Seneca opes etiam suas tradere Neroni seque in otio conferre conatus est; sed dum ruituros moles ipsa trahit, neuter, quod voluit effecit. (III, p. 5, 27 ff.) Der Stil des Boethius ist ein Beispiel der Zurückhaltung. E r erzählt mit knapper Selbstverständlichkeit, wie dem einen dies zustieß, dem anderen jenes: der eine war der Freund und Lehrer, der andere mächtig bei Hofe eine lange Zeit. Sie wollten alle beide ihre Macht aufgeben, Seneca noch seinen Besitz dem Nero geben und sich ins Privatleben zurückziehen, aber wer fällt, den zieht schon sein Gewicht zu Boden, und keiner hat erreicht, was er wollte. Wenn man ein Gefühl aus diesem Erzählstil herauslesen will, so ist es das der Verachtung und einer gewissen Gleichgültigkeit, die bewußt etwas Ungeheuerliches als eine selbstverständliche Gesetzmäßigkeit schildert. Es ist eine legitime Art, sich das Grauen vom Leibe zu halten. Der Gesetzmäßigkeit trägt die Spruchweisheit Rechnung, der Verachtung die sprachliche Geste, mit der Papinianus den Schwertern der Soldaten vorgeworfen wird. Alfred schildert diese Episode in 21 Zeilen, und gerade das Selbstverständliche will ihm nicht in den Kopf. Zunächst macht er die Erzählung zum Gegenstand des Wissens und setzt mit einem Ausruf ein, der noch zweimal wiederaufgenommen wird: "Hwast, we witon . . . Hwast, we eac geherdon . . . Hwast, ealle men witan" (66, 23; 66, 29 f.; 6 7 , 1 ) . Anstelle des historischen Perfekts findet sich der K o n ditional: "Neron wolde hatan his agenne magister i his fostorfseder acwellan." So bleibtalso noch Raum zur Gegenhandlung: "pa he \>2. onfunde p he dead bion sceolde, ]pa bead he ealle his aehta wiö his feore." 17
Octen, Alfreds Boethius
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Aber der König kommt dann wieder zum Zug: "J^a nolde se cyning . . ." Und nun kommt die Wendung: "pa he [Seneca] p ongeat, ]Da geceas he him Jjone deaö . . . . -j öa dyde mon swa." Es ist deutlich, daß wir uns hier einem ganz anderen Stil und einer verschiedenen Ausdrucks- und Empfindungsart gegenübersehen. Es ist der Stil von Märchen und Sage, oder weniger spezifisch, der Stil der einfachen Formen.55 Die Handlung wird in Zug und Gegenzug erzählt, wobei die Einleitung stereotyp bleibt: "]pa. . . J?a". Dazu gehört ebenfalls die Berufung auf eine Autorität, wie hier auf das allgemeine Wissen: "we witon . . ." Bei Boethius wirkt die historische Situation noch stärker, Alfred ist exemplarischer. Vom Privatleben ist keine Rede mehr, sondern „Besitz gegen Leben". Auch macht er zwischen Seneca und Papinianus keinen Unterschied mehr.: Hwast . . . se Seneca wass Nerone -| Papinianus Antonie ]pa weoröestan 1 ]?a leofostan, -] macstne anwald hsefdon ge on hiora hirede ge buton, 1 Jaeah buton aelcre scylde wurdon fordone. Hwxt, hi wilnedon begen eallon msegene p öa hlafordas naman swa hwast swa hi hasfden, -j leten hi libban . . . (67, 1 ff.)
So werden die Unterschiede zugunsten der exemplarischen Ähnlichkeiten verwischt. Ebenso ist bei Papinianus nicht mehr von „gladiis obiecit" die Rede, sondern "he hine het gebindan -] siööan ofslean". Es kommt auf das Einzelne nicht mehr an, es gilt nur das Exemplarische. Bei dieser Umformung kann vom Übersetzen keine Rede mehr sein, sondern es findet eine Übertragung in ein anderes Medium der Erzählung statt, dessen Formen noch in Sage, Märchen und Legende greifbar sind. Aus dem Rahmen dieser einfachen Formen fallen allerdings zwei Züge heraus, die „Sentimentalisierung" und die psychologische Motivierung: Ach, sie wollten beide mit ganzer Kraft, daß ihre Herren nähmen, was sie auch hätten und ließen sie leben, aber das vermochten sie nicht zu bekommen, denn der Könige Grausamkeit war so groß, daß ihre Demut nichts nützen konnte, noch hätte es Anmaßung vermocht, was auch immer sie tun mochten, nicht taugte ihnen das eine oder das andere, sie mußten dennoch das Leben lassen. (67, 4 ff.)
Es ist die einfache Sprache von Rührung und Grausamkeit, wie sie in so vielfacher Form aus der mittelalterlichen Literatur spricht, die hier Gestalt und Stil der Erzählung bestimmt. Wir treffen diese 66
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A. Jolles, Einfache Formen (Leipzig, 1930).
Struktur, wenn auch mit einer Reihe Varianten, so doch im Grundsätzlichen gleich, bei fast allen Exempla des Boethius, doch sollen nur die wichtigsten Züge herausgegriffen werden. Das Erzählprinzip bewährt sich sofort am Anfang der Übertragung bei der Vita des Boethius. Sie geht, wie SCHMIDT gezeigt hat, auf verschiedene Viten-Fassungen zurück, 68 die Kommentaren und Handschriften vorausgingen und bei Peiper (Teubneriana, X X X ff.) bequem zugänglich sind. Die Einleitung mit dem weiteren Hintergrund der gotischen Invasion stammt demnach aus Orosius, 67 die wichtige Erwähnung des geheimen Schreibens an den Kaiser in Byzanz, das Boethius abstreitet,68 könnte 69 aus der Vita I ( X X X f.) stammen,60 das Versprechen Theoderichs, die Rechte von Volk und Senat Roms zu wahren, aus Vita VI. 61 Als Märtyrer wird Boethius nicht erwähnt, 62 die Hinrichtung des Papstes Johannes durch Theoderich findet sich zusammen mit der Tatsache, daß Boethius als Heiliger genannt wird in der VI. Vita ( X X X V ) . So fehlt eine einheitliche Quelle für Alfreds Darstellung, und es ist auch schwierig zu sagen, welche Vita mit Ausnahme der ersten einen besonderen Vorzug verdient. Sie findet sich zusammen mit II, III, IV und z. T. V in den Handschriften des Remigius63 und ist auch mit II im Eins. 97 «• K.H. Schmidt, 11 f. « ed. Zangemeister, VII, 33, 19 (ed. Sweet, 290, 25 — 292, 3), VII, 34, 5 (ed. Sweet, 296, 9 ff.) M I, p. 4, 80ff.Dies deckt sich mit einer der wichtigsten Darstellungen, der des Anonymus Valesianus (nach dem ersten Herausgeber, Henri de Yalois, 17. Jh.), die am bequemsten zugänglich im 3. Bd. von Ammianus Marcellinus, Loeb Classics (London, 1958), 508 ff. abgedruckt ist (Vgl. Ausgabe von R. Cessi, Anonymus Valesianus, Rerum Italicarum Scriptores XXIV, 4 [Castello, 1913], cxxxvff.). Boethius' Worte sind dort wie folgt überliefert: „Falsa est insinuatio Cypriani; sed si Albinus fecit, et ego et cunctus senatus uno Consilio fecimus; falsum est, domne rex" (561). Auf den Widerspruch zwischen Alfreds Darstellung und der Darstellung des Boethius macht S. Potter, "On the Relation", 61 aufmerksam. 69 , , . . . boetius uero eius dolos effugere gestiens, quippe qui bonis omnibus necem parabat, uidelicet clam litteris ad grecos missis nitebatur urbem et senatum ex eius impiis manibus eruere et eorum subdere defensioni" (xxx, 3 ff.). Vgl. K . H . Schmidt, 11. 41 „contra quem seno [Zeno] imperator . . . misit theodoricum . . . commendans ei precipue senatum romanum et populum" (xxxv, 2 ff.). Der Valesianus steht Alfred näher. Bei Theoderichs Einzug in Rom heißt es: „Cui papa Symmachus et cunctus senatus vel populus Romanus cum omni gaudio extra urbem occurentes. Deinde veniens ingressus urbem, venit ad senatum, et ad Palmam populo allocutus, se omnia, deo iuvante, quod retro principes Romani ordinaverunt inviolabiliter servaturum promittit" {ebd. 550). 62 Als Heiliger zum erstenmal bezeugt von Ado von Wien (ob. a. 875), vgl. Bieler, Einl. zur Ausgabe, viii. «» K. H. Schmidt, 11. 17»
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überliefert. Die VI. Vita hingegen ist lediglich in einer späteren, sonst wenig bedeutsamen Handschrift, Rehdigerianus,M auf uns gekommen als eine Marginalie des 13. Jahrhunderts. Daß die Verhältnisse nicht klar zu durchschauen sind, liegt aber wiederum an der Schilderungsweise, die sich vom Historischen entfernt und auf das Exemplarische hinaus will. Alfred beginnt mit einem großen Duktus: dem Siegeszug der Goten unter Rhadegast und Alarich, die Rom im Sturm nehmen und über das ganze „Italienreich" von den Alpen bis zu der Insel Sizilien herrschen, und der Machtergreifung des Theoderich. Dann beginnt die scharfe moralische Konfrontierung: Se peodric waes Amulinga; he was cristen, Jseah he on J>am arrianiscan gedwolan Jsurhwunode. He gehet Romanum his freondscipe . . . Ac he \>a. gehat swyöe yfele gelseste, -| swiöe wraöe geendode mid manegum mane. (7, 6 ff.) Das ganze moralische Gesetz, das sich in der Erscheinung Theoderichs darstellt, ist in zwei Sätzen zusammengedrängt, und Ähnliches bietet keine Quelle. Anfang und Ende stehen unter einer Bedingung, der Ablauf ist klar: „Das kam noch zu ungezählten Schandtaten hinzu, daß er Johannes, den Papst, zu erschlagen befahl." In dieser Situation taucht das Neue auf, es wird mit der festen Formulierung der Sage eingeführt: pa wass sum consul, f we heretoha hataö, Boetius wies gehaten . . . Er wird nun mit Theoderich auf exemplarische Weise konfrontiert: se wss in boccrseftum on woruldjjeawum se rihtwisesta. Se Jsa ongeat Jja manigfealdan yfel Jse se cyning peodric wiö J^am cristenandome 1 wiö J>am romaniscum witum dyde. He ]pa gemunde ]para eönesse •] ]para ealdrihta . . . (7,12 ff.) Man beachte, wie Boethius als der einzige herausgestellt wird, der denkt und handelt, und wie sorgfältig die Motivation dargelegt ist: pa ongan he smeagan -| leornigan on ihm selfum . . . Sende Jsa digellice asrendgewritu to Jsam kasere to Constantinopolim . . . (7,17 ff.) Jetzt wechselt die Handlung wieder zu Theoderich und dann zum Innern des Boethius in der Verzweiflung des Gefängnisses, in dem er, im Gegensatz zur II. Vita, zunächst keinen Trost findet: 66 ed. Peiper, xviiii. „ d u m erat in ergastulo adhibuit sibi consolationem uidelicet philosophiam, ne nimio dolore aut tristicia uel ira quandoque laberetur in desperationem, quia perniciosum erat apud veteres, si quis de sapientibus facile irasceretur" (xxxi, 4 ff.). — Z u Theoderich in der altenglischen Literatur vgl. P. J . Frankis, "Deor and Wulf and Eadn>acer: Some Conjectures", Medium Aevum 31 (1962), 162 ff. 61
66
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. . . ]sa wass he swa micle swiöor on his mode gedrefed swa his mod aer swiöor to ^am woruldsael]Dum gewunod waes; -] he Jja nanre frofre beinnan f>am carceme ne gemunde; ac he gefeoll niwol ofdune on ¡3a flor, 1 hine astrehte swiöe unrot . . . (8,1 ff.) Die psychologische Motivation ist sorgfältig in Stufen aufgebaut: erst die Not des Kerkers, dann der Wechsel von Glück und Pein und das Fehlen der Erinnerung an Trost. Dann die starke und wiederum als ein Grundbestandteil der mittelalterlichen Schilderungsweise zu betrachtende Gebärde des Ausdrucks:84 das Niederfallen auf den Boden und das Sichstrecken in der Verzweiflung. Das ist nun nicht mehr die Sprache einer lateinischen GelehrtenVita, sondern die Schilderungsweise eines Erzählers, der seine eigenen Formbegriffe hat, die aber wenigstens zum Teil auch Gattungsbegriffe sein müssen, da sie derart bestimmt auftreten und sich bei fast allen Exempla in ähnlicher Weise bewähren.67 So ist es denn auch zu verstehen, wenn Alfred sich bei den Exempla des Orpheus und der Kirke überhaupt keine Mühe gibt, anhand des lateinischen Textes zu schildern. Er hatte eine Gestaltungsweise, die er beherrschte, die ihm natürlich schien, und die sich im Verlauf der Literatur in den nachfolgenden Jahrhunderten als die überlegene erwies. Wir haben die Märchenformel "hit gelamp gio öaette an hearpere wass . . .", das Betonen des Exemplarisch-Einzigartigen . . se hearpere wses swiöe ungefraeglice good. . .", und erst jetzt kommt der Name . . 3aes nama waes Orfeus" (101, 22 ff. = III, m. 12). Die Berufung auf die Überlieferung fehlt ebenfalls nicht: "pa ongon mon secgan . . .", "Pa saedon hi . . . " (101, 26; 102,1). Zweimal berichtet Alfred von der großen Kunst des Orpheus, einmal im Zusammenhang mit der Einzigartigkeit seines Spiels, dann im Klagegesang, in dem, formelhaft wiederholt, aber auch gesteigert Gleiches durch Ähnliches variiert wird. Wiederum ist die formelhafte Klagegebärde deutlich: pa sceolde se hearpere weoröan swa sarig p he ne meahte ongemong oörum monnum bion, ac teah to wuda, -| sast on 9 asm muntum asgöer ge dasges ge nihtes; weop •] hearpode öast öa wudas bifedon . . . (102, 2 ff.) 66 W. Habicht, Die Gebärde in englischen Diebtungen des Mittelalters, Bayr. Akademie der Wissenschaften, Philos. Hist. Kl. Abh. N. F. 46 (München, 1959), bes. 98. " Hierhin gehören die Busiris Episode (II, p. 6,32 ff. = 36,28 ff.), die Geschichte vom aufgeblasenen Philosophen (II, p. 7, 63ff. = 45,4 ff.) und der Gigantensturz (III, p. 12,64 = 98, 26 ff.).
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Der Hirsch scheute weder den Löwen, noch der Hase den Hund, und kein Tier kannte Haß oder Furcht gegenüber dem anderen aus Entzücken über den Klang. Dem Harfner dünkt, daß ihm auf dieser Welt nichts von allen Dingen gefällt. Das ist in der rührenden Zeichnung der Einsamkeit, in der Einfachheit der sprachlichen Gebärden, im Gegensatz von Freude und Trauer, aber auch in der Gemütartigkeit im ganzen nicht mehr mit der feinen und abwechslungsreichen, aber durch die Metaphern bzw. Metonymien von der Wirklichkeit entfernten kunstsinnigen Sprache des Boethius zu vergleichen: Quondam funera coniugis vates Threicius gemens, postquam flebilibus modis silvas currere mobiles, amnes stare coegerat iunxitque intrepidum latus saevis cerva leonibus nec visum timuit lepus iam cantu placidum canem, cum flagrantior intima fervor pectoris ureret nec, qui cuncta subegerant, mulcerent dominum modi. (III, m. 12, 5 ff.) Im einzelnen ist Alfred sachlich Boethius eng gefolgt, aber er hat in der Gestaltung zu ganz anderen Möglichkeiten gegriffen. Wahrscheinlich wäre der Kunstausdruck auch im Altenglischen überhaupt nicht nachzuahmen gewesen, „funera gemens . . . intrepidum latus . . .", aber daß es im Altenglischen eine literarische Form gab, die stark genug war, solche Verwandlungen durchzuführen, das erstaunt, wenn man bedenkt, daß dies den Anfang der eigenständigen Prosa darstellt. Alfred hat zu diesem Gedicht noch einige Details hinzuerfunden, wie den Cerberus, der mit seinem Schwanz zu wedeln anfängt und mit Orpheus spielen möchte, und das Zusammenlaufen der Höllenkrieger, die mit Orpheus zusammen bitten; und die Parzen (bei Alfred!) beginnen erst zu weinen, nachdem Orpheus sie um ihre Gunst gebeten hat. Es sind kleine Züge, aber sie zeigen alle das Gemüthafte seines Empfindens und zu gleicher Zeit auch einen Zug ins Burleske, der Boethius völlig fremd ist. Die Kirke-Episode zeigt den gleichen Erzählcharakter, der aber nicht nochmals im einzelnen dargetan werden soll: die Eingangs262
formel "hit gebyrede gio . . . p J^asr wass an cyning", die wechselnde Einführung der Personen, der Verlust der Schiffe des Odysseus, sein Umherirren im Sturm und dann die Genealogie der Kirke und der Name wiederum am Schluß (116, 2 f.). Er schildert sie in der Umgebung ihres Hofes und motiviert durch das Übermaß der Liebe auf den ersten Blick. Und nun gibt Odysseus seine Heimat auf und seine Sippe, und die Gefährten wollen ihn aus Liebe zur Heimat und wegen der Verbannung in der Fremde verlassen. Dann begannen böse Menschen Zauber zu wirken (wyrcan spell), daß Kirke durch ihre Zauberkunst die Männer verwandele. Von allen diesen Dingen ist bei Boethius überhaupt keine Rede, und was Alfred getan hat, bedeutet eine Verwandlung im gleichen Sinne, wie später Chaucer Boccaccio psychologisch vertieft und nach dem moralischen Gesetz der Dinge sucht. Statt der bösen Zauberin haben wir Liebe im Übermaß und die Einflüsterungen falscher Menschen gegenüber denen, die das Heimweh in der Fremde zwingt, den Herrn zu verlassen. So verwandelt auch Kirke nicht den Odysseus, und es bedarf des Hermes nicht und der Moly. Die Spuren dieser Erzählkunst sind einmalig im Bereich der Alfredschen Prosa. So erzählen weder Gregor noch Beda, die beide gute Erzähler sind, und erst recht nicht Orosius. Aber eine Reihe von Gestaltungszügen sind überpersönlicher Art: Die Formel, mit der sich die Erzählung selbst auf ihren Ursprung beruft,68 die Sprachgebärden, die sich gleichbleiben, die Reduzierung vielfältigen Geschehens auf das Exemplarische, die Schilderung von großer Macht oder besonderer Kenntnis am Anfang der Einführung, der Nachtrag des Namens, die Dopplung des Geschehens in gewissen Zügen, der starke Nachdruck auf der Gerechtigkeit. Was Alfred selbst zugehört, wird der Sinn für das Psychologische sein, das Gemüthafte, die Liebe zum Detail, aber vor allem das Menschliche und Natürliche seiner Auffassung, das sich der Dinge bemächtigt und sie in einer Geschlossenheit der Auffassung und stilistischen Gestaltung bewältigt, die an den Gedanken erinnert, den W. P. KER so oft betont hat, daß es das Erzählertalent der Germanen und Kelten ist, das die starren Formen der lateinischen Vorbilder sprengt und die eigentliche Blüte der mittelalterlichen Literatur heraufführt.69 88
"
A. Jolles, 66; über Sprachgebärde vgl. 100 f., über das Exemplarische, 36 ff. The Dark Ages, 38, 44, 126, 145,164 f., 167 u. ö.
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ZUSAMMENFASSUNG a. Die Verwandlung der lateinischen „Consolatio" in Alfreds Übertragung Diese Arbeit ging in der Hauptsache von folgenden Fragen aus: 1. Wie hoch ist der Einfluß der lateinischen Kommentare auf Alfreds Übertragung einzuschätzen? War die Benutzung der Kommentare planlos? Welche lateinischen Kommentare sind benutzt worden? 2. Hatte Alfred eine einheitliche Konzeption von seiner Übertragung, oder hat er hier und da etwas zugesetzt oder weggelassen? Hat er mehr oder weniger wörtlich übersetzt, so gut es eben ging in einer aufregenden Zeit und mit der Hilfe von Gelehrten, die auf eine wissenschaftliche Bildung im eigentlichen Sinne keinen Anspruch erheben durften? "The movement connected with the circle at Alfred's court, important though it may be, is more concerned with the recovery of the old Northumbrian standards (witness especially Alfred's devotion to St. Gregory) than with the creation of novelty or the revival of antiquity. It was pastoral and practical in aim, definitely less 'literary' than the culture of Malmesbury."1 Gelehrte wie HIGHET und BOLGAR haben für Alfred bestenfalls einen Platz in den Anmerkungen,2 im Gegensatz zu NEWALD, 3 der die Verbindung zum Karolingischen Vorbild betont. 3. Wie war es möglich, ein Werk von solch hoher Kultur, antikaristokratischer Gotteserkenntnis, höchster Sublimation des Christlichen und einer stilistischen Feinstruktur, deren Eleganz und Ausdrucksreichtum wir erst in unseren Tagen erfahren, umzusetzen in eine Sprache, die als literarische Prosa noch kaum zu atmen begonnen 1 E. F. Jacob, "Some Aspects of Classical Influence in Mediaeval England", England und die Antike, Vortr. d. Bibl. Warburg (Leipzig, Berlin, 1932), 9 f. 2 G. Highet, The Classical Tradition (Oxford, 1951), erwähnt ihn überhaupt nicht. R. R. Bolgar, The Classical Heritage and its Beneficiaries (Cambridge, 1958), erwähnt die Übersetzung im Register. 8 R. Newald, Nachleben des antiken Geistes im Abendland bis zum Beginn des Humanismus (Tübingen, I960), 114.
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hatte, in die Kultur einer, verglichen mit dem Römischen, engen und rauhen adligen Kriegerwelt, in der es auch für den Adligen noch ein weiter Weg war, vom Lesen zum Schreiben und von dort zur Bildung zu kommen. Was für ein mächtiges Regen muß hier am Werk gewesen sein, um solches zu verbinden! Welchen Wandel mußte die Consolatio erfahren, und wie konnte sie in dieser Welt zur Geltung kommen? Bei der Einschätzung der Kommentare hatte die unter Hans Hecht angefertigte Göttinger Dissertation von K. H. SCHMIDT gutes Material geboten, das allerdings jeder Gliederung zu spotten schien. Schmidt hatte den Remigius-K.ommea.t3Lt in den drei Haupthandschriften sorgfältig mit Alfred verglichen, aber Alfreds Text bei weitem nicht so sorgfältig mit der Consolatio. So fand er Alfreds Abhängigkeiten, sah aber nicht das Eigene in der Nachschöpfung. Es war notwendig, die Zahl der Abweichungen vom Text des Boethius zu verdreifachen und die Logik dieser Abweichungen herauszufinden, um ein Urteil über Alfreds eigene Leistung abzugeben. Dann erst konnte man entscheiden, ob hier ein Übersetzer zwar eifrig, aber planlos gearbeitet hatte, mit dem besten Willen, aber mit geringem Vermögen, oder ob sich Konturen eines schöpferischen und eigenen Wollens nachzeichnen ließen, das wir nicht zu entschuldigen und dem wir nichts von unserer Achtung zu versagen brauchen. Was wir gefunden haben, deutet fast ausschließlich in jene zweite Richtung. Wir dürfen in dem Übersetzer der Consolatio einen Geist erkennen, dessen Denken und Begreifen sich an der Größe der Sache entzündete, der aber auch eine andere Auffassung an den Text des Boethius herantrug und der Consolatio in einer Welt seiner eigenen Vorstellung Heimrecht gab. Dabei entfaltete sich in der Begegnung Alfreds literarischer Ausdruck und sein geistiges Erfassen zu einer hohen Leistung. Der Kommentar erwies sich auch nach der Durchsicht des St. Gallener Anonymus4 als weniger bedeutsam, als bis dahin annommen wurde. Alfred verdankt ihm Hilfe in den sachlichen Schwierigkeiten, in der Erklärung schwieriger Stellen, in der allegorischen Deutung, bei Fragen der antiken Geschichte, Kosmologie und Mythologie. Aber die Kommentare sind selektiv benutzt, fast äußerst sparsam im Blick auf die Scholienmasse, sie erläutern wirklich nur den Boethius, und sind nicht um des bloßen Wissens willen eingearbeitet. 4
Vgl. 11 f., 119—157 d. Arbeit.
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Es wuchert an keiner Stelle, und das Kommentarwissen wird genauso persönlich in den Sinn umgesetzt, den sich Alfred erarbeitet hat, wie die Consolatio selbst. Es wird zurückgedrängt, weil es um die Consolatio geht und nicht um die Kommentare. Andererseits waren die Kommentare besonders für das allegorische Verständnis wichtig. Es ist gut möglich, daß Alfred mehrere Kommentare benutzt hat, einer aber muß jedenfalls, wenn er nicht aus der Remigius-Gruppe stammen kann, dem Remigius nähergestanden haben als dessen Vorläufer, der St. Gallener Anonymus. Sachlich hat sich so viel gewandelt, daß es beinahe unerfindlich ist, daß dieser Wandel der Auffassung nicht schon früher bemerkt wurde. Alfred ist durchdrungen vom Augustinismus des 9. und 10. Jahrhunderts,5 und er stellt beinahe ein Kompendium dar für Auffassungen, die erst später herrschend werden, und deren Ausstrahlungen wir in der volkssprachlichen Literatur hier zum ersten Mal in zusammenhängender Form und zu einem sehr frühen Zeitpunkt verspüren. Eine der wichtigsten Änderungen treffen wir in der Güterlehre an. Boethius diskutiert die irdischen Güter unter dem Aspekt ihrer Mangelhaftigkeit. Man kann sie nicht mehr wollen, weil das menschliche Wollen an ihrer Endlichkeit scheitert. Nur die Einheit der Güter, das Gute, kann das Ziel des menschlichen Strebens sein. Das höchste Gut aber ist Gott, Einheit aller Güter, das Eine und die Glückseligkeit. Man muß das Eine wollen, nicht das Vielerlei der Güter, bei dem sich das Gute dem Menschen immer wieder entzieht. Hier denkt Alfred anders, aber diese andere Denkart kristallisiert sich nur langsam und im Lauf vieler Zusätze heraus. Alfred setzt sich nur selten in bewußten Gegensatz zum Text, wie etwa in der Lehre von der Notwendigkeit des Schicksals. Er versteht den Text in seinem Sinn, und,das macht es so schwierig, sein eigenes Denken von dem des Boethius zu trennen. Aber die Grenzen erscheinen dennoch klar dort, wo Alfred sich am meisten bedrängt fühlt, nämlich in seiner Aufgabe als Herrscher, in der ,virtus' des Herrschers. Wenn diese ,virtus' erhalten bleiben soll und ihre Funktion, zu der sie von Gott angelegt ist, erfüllen soll, so bedarf sie bestimmter Dinge. Zu diesen Dingen ist sie geschaffen, und diese hat sie zu benutzen. Hier tut sich 6 H. H. Glunz, Die Literarästhetik, 17 f . : „ M i t der Karolingischen Kultur beginnt der Siegeszug des Augustinismus . . . " E. Troeltsch, Augustin, 38, 50 ff. u. ö., gibt keine Datierungen, aber seine Erkenntnisse entsprechen unseren Ergebnissen.
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der Raum auf, in dem die Augustinische Lehre des ,usus' ihren Platz hat, der Gedanke, daß jedes Ding an seiner Stelle und in seinem rechten Gebrauch gut ist. So treffen wir die Ständelehre bei Alfred an, und, von der zentralen Stelle der Apologie des Königstums ausgehend, durchdringen diese Gedanken die Übertragung. So hat Alfred die ,Fortuna' umgedeutet, und so wird die Weisheit, ohne die es keine ,virtus' gibt, zur Spenderin und Bewahrerin auch der irdischen Güter, deren Gebrauch sie lehrt. Diese Gedanken stellen sich aber für Alfred nicht systematisch an dieser oder jener Stelle dar, sondern sie durchdringen den lateinischen Text mehr oder weniger deutlich und verformen ihn. Eine solche Güterlehre, wie sie auch den Königsspiegeln nicht fremd ist, ist in sich harmonisch und geschlossen. Sie läßt den Gebrauch nicht nur zu, sondern sie verlangt ihn, und in dieser Forderung des Handelns geht Alfred nicht nur über Boethius hinaus, sondern auch über Augustinus, dessen Lehre ja eigentlich nur die Möglichkeiten offenließ, der aber sein eigenes Interesse nicht im rechten Gebrauch irdischer Güter gesehen hat. So einfach allerdings ist auch die Anschauung Alfreds nicht. Alfred erwähnt zwar den Sündenfall nicht, aber er fügt dem Gedanken des Boethius hinzu, daß die Menschen die Güter Gott entfremdet haben und daß ebenso wie das Gute durch den Menschen gut ist, der durch Gott gut ist, das Böse durch das Böse am Menschen böse ist, und der wiederum böse ist durch den Teufel. Alfred erwähnt ebensowenig wie Boethius den Begriff der Sünde unmittelbar, aber er ist in Alfreds Übertragung gegenwärtig. Für Boethius ist das Böse ein Irrtum des Menschen, der, wenn er seine wahren Interessen im Auge hat, niemals Böses wollen kann, aber hier denkt Alfred anders. Er sieht die Neigung zum Bösen, den Beginn der Sünde im Stolz oder in der Habsucht, die dann in moralischer und psychologischer Kausalität den Menschen immer tiefer herabsinken lassen. Damit kommen Kategorien in die Consolatio, die dem klassischen Denken der Antike fremd sind und auf die die großen Veränderungen im spätantiken und christlichen Denken zurückgehen. Alfred weiß, daß der Mensch auch bei gutem Wollen das Gute verfehlen kann, aber er ist von der Augustinischen Erkenntnis durchdrungen, daß der Wille den Ausschlag gibt. Bei Boethius hingegen liegt das Gute dem Menschen nah. Die ganze Natur des Menschen will das Gute, und es ist beinahe unvorstellbar, daß der Mensch es verfehlt, denn er muß 267
sich gegen alle Kräfte seiner eigenen Natur stellen. Hier bricht für Alfred der tiefe Konflikt des „eschatologischen Dualismus"8 auf, den Boethius in dieser scharfen Form nicht kennt. Sein Werk richtet sich nur auf das Gute als das wirklich Seiende, das Böse hat in sich keine Kraft, weil es nicht ist. So kommt es, daß die Consolatio ein Werk monistisch oder sogar pantheistisch gerichteten Daseinsverständnisses ist, während für Alfred ein starker Dualismus nachzuweisen ist. Aber der Aufbau des menschlichen Geistes wie der ,ordo' des Universums weisen auf die gradualistische Struktur, und so bedrängend Alfred das Böse wahrnimmt, besonders in der Gestalt des entarteten Königs, so beseligend empfindet er den Gedanken, daß Gott den Seelen ihren Platz im Himmel zugewiesen hat, und hier klingen seine eigenen Gedanken mit denen des Boethius zusammen. Alfred hat nicht nur den Dualismus schärfer gesehen, sondern auch die Möglichkeiten der Rettung der Seele und ihren Aufstieg zu Gott herausgestellt in der gradualistischen Ordnung der Dinge. Der Platz der Seele ist bei Gott, dort ist ihre Heimat und ihm muß sie denkend nahe sein, denn er hat sie geschaffen zu einem Platz im Himmel. Die neuplatonische Lehre von der ,contemplatio' und dem Abstieg der Seele zum Körper hat Alfred vermieden. Alfred sieht deutlich die zwiespältige Position des Menschen zwischen Irdischem und Himmlischem, die für Boethius nichts Schwieriges hat, weil das Gute immer mit dem Menschen ist und weil es natürlich ist, das Gute zu tun. In Alfreds Fassung schilt 'Wisdom' 'Mod', da sie mit einem Auge nach dem Irdischen schiele und mit dem anderen nach dem Himmlischen, und im Gegensatz zu Boethius betont Alfred, daß das volle Sich-selbstGenügen und die höchste Glückseligkeit in diesem Leben nicht erreichbar seien. Alfreds Gottesvorstellung richtet sich auf einen persönlichen Gott. Und dieser Gott ist mild. Es ist daher nicht nur der Gradualismus, der den Dualismus bei aller Schärfe, mit der er in Erscheinung tritt, zu überwinden vermag, sondern der Glaube auch an die „Mildherzigkeit" Gottes. Denn der Böse bedarf nur der Reue und des guten Willens. Selbst wenn er rückfällig wird und dabei doch den Willen zum Guten hat, das er selber nicht mehr vermag, so wird er nicht verdammt sein. Man hat die 'mildheortnes' eine Alfredsche Tugend genannt,7 und tatsächlich spricht dieses Vertrauen so wenig doktrinär und mit einem so mensch6 7
268
Chr. Dawson, Religion, 33. B. A. Lees, Alfred the Great, 330.
liehen Klang zum Leser, wie er ähnlich noch nicht einmal in den Homilien /Elfrics zu vernehmen ist. Von den Bedenken und Schwierigkeiten der Augustinischen Gnadenlehre ist kein Schatten auf dieses Vertrauen gefallen. Der Begriff der Gnade kommt überhaupt nicht vor. Wenn man also im Vergleich zu Boethius in Alfreds Übertragung wenig verspürt von j ener zauberhaften Nähe des Guten, die übermächtig durch die Kraft der Natur gewollt wird, weil das Gute mit Gott als dem höchsten Guten und der Glückseligkeit identisch ist, so verbindet doch diese freie Auffassung Alfred wiederum mit dem Geist der Consolatio. So hat auch Alfred ohne Scheu den Gedanken des Boethius ausgesprochen und besonders betont, daß der Mensch durch das Gute selbst zu einem Gott wird. Hier hat also wohl durch Boethius, obschon sich der Gedanke auch bei Augustin findet,8 Alfreds christliches Verstehen eine Form erhalten, die ihn deutlich von seinen Zeitgenossen unterscheidet. Ganz unter dem Einfluß des zeitgenössischen Christentums steht Alfred mit der Lehre vom Verdienst. Der Gedanke spielt auch bei Boethius eine Rolle, er taucht am Schluß der Consolatio auf und bestätigt, daß Gott bei aller Vergeistigung auch von Boethius als ein persönlicher Gott gedacht wird. 9 Bei Alfred aber durchdringt dieser Glaube das ganze Werk. Die Zusätze zu diesem Bereich treten an Wichtigkeit und Häufigkeit neben die zur Güterlehre und zum Dualismus. Es ist kein Gedanke, der, so wie wir ihn hier vorfinden, in die Nähe Augustins zu rücken wäre, und es hat sich gezeigt, daß er von den Schriften Gregors aus simplifiziert verbreitet wurde. Sein Zusammenhang mit dem „grob materialistischen Zweckdenken", das bei der Bekehrung eine große Rolle gespielt hatte, erhellt schon zum Teil aus der Verwendung des Wortes 'unnytt' als schwerwiegender moralischer Tadel. Für Boethius ist der Gedanke, daß er, der selbst nur das Gute gewollt und getan hat, im Kerker endet, Grund zu dem Glauben, daß Gott die Menschen aus seiner Fürsorge verstoßen hat. Alfred beseitigt diese Ungewißheit durch die Feststellung, daß dieses Leiden verdient sei. Nach Alfreds Interpretation hatte Boethius geglaubt, den Lohn für seine guten Werke auf Erden zu erhalten, und dieses übergroße Selbstvertrauen, das in der Nähe des Hochmuts zu Hause ist, war der Grund für den Fall. Aber andererseits zeigt sich 8 Vgl. 85 f. d. Arbeit. * Vgl. E. K. Rand, "On the Composition", 14.
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der Mechanismus der Lohn-Verdienst-Beziehung auch bereits am Erfolg in diesem Leben, so daß Alfred beide Bereiche durchaus zusammen sieht. Hier hat dann auch die Demut als Alfredsche Tugend ihren Platz,10 denn den Niedrigen wird Gott erhöhen. Boethius aber hat dieses Denken überwunden. Für ihn bedarf es keiner äußeren Strafe, denn das Gute ist so übermächtig, daß es allein als Besitz und Anteil an Göttlichem seinen Lohn in sich trägt. Ausschließlich das Gute läßt den Menschen sein, denn das Böse ist nicht. Alfred hat diese ontologische Denkweise nicht verstanden. „Sein" ist ihm „nützlich sein", und er fügt Lohn und Strafe hinzu. Die Unsicherheit über die Frage, ob das Vorauswissen Gottes nicht die Handlungen der Menschen determiniert, beseitigt Alfred nicht durch die logische Argumentation des Boethius, der hier einen der bedeutendsten Gedanken der Antike vollendet,11 sondern schlicht durch den Hinweis auf Gottes Gesetz von Lohn und Strafe gemäß dem Verdienst. Wenn Alfred so empfand, mußte seine Grundauffassung durch einen deterministischen Begriff des Schicksals in Gefahr geraten. So hat er die wesentliche Unterscheidung des Boethius, daß die Dinge von Gott her mit Notwendigkeit geschehen, vom Menschen her aber mit Freiheit, nur unvollkommen übernommen. Er hat ,Fatum' nur als Bezeichnung gelten lassen für das, was eigentlich ,Providentia' heißen muß, sich aber aus mangelnder Einsicht als ,Fatum' darstellt. Den Begriff der Notwendigkeit hat er eliminiert, ähnlich wie er an einer zentralen Stelle ,Fortuna' als zuteilende Göttin der Güter durch 'Wisdom' ersetzt hat,12 denn die Güter kommen von Gott, und die 'Wisdom' ist die ,Sapientia Dei'. Wir berühren hier den zentralen Punkt von Alfreds Auffassung der Consolatio. Es ist falsch, die ,Philosophia' lediglich als Personifikation zu bewerten. Die Erkenntnis der Welt und die Erkenntnis Gottes ist von einer solchen Macht und Wirkung auf den Geist des Menschen, daß sie als Einheit gefühlt wurde, denn Erkennen und Sein liegen für Boethius wie zum Teil auch für Augustin noch nahe beieinander. Bei Augustin finden wir auch ausgesprochen, daß Christus als Sohn Gottes Wort ist, und das Wort ist Weisheit.13 In diesem Sinn haben die Kommentare, Alfred und die Homileten die Weisheit verstanden, 10 11 12 13
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L. L. Schücking, „Heldenstolz", 26. F. Klingner, „Boethius", Rom. Geistesmlt, 556—559. V g l . 21 ff. d. Arbeit. Paulus, I, Cor. 1, 23, 2 4 ; vgl. 95 f. d. Arbeit.
und tatsächlich findet sich diese Auffassung auch in Fassungen des Symbolums. So erklärt es sich, daß Alfred mit dem Ton des platonischen Dialogs nicht viel anzufangen wußte, in dem der Lehrer und sein Schüler im Suchen um den gleichen Gegenstand auch Partner auf gleicher Ebene sind. Für Alfred aber ist Boethius bzw. 'Mod' noch im Irdischen befangen. Unkenntnis ist für Alfred wie für Augustin Sünde, und Boethius ist ein Unwissender. So hat Alfred Boethius in seiner Interpretation zwar vor den übrigen Menschen ausgezeichnet als einen Menschen, der die Weisheit achtet, aber der doch vor Gott seine Schuld bekennen muß, der sich schämt und einsieht, daß er größere Strafe verdient hätte. Von hier aus kommt nun ein ganz anderer Ton in das Verhältnis der Dialogpartner. Boethius erlebt in Dankbarkeit und Demut, daß ihm im tiefsten Dunkel das Licht der Wahrheit dargetan wird. Von der früheren Gemeinsamkeit im Studium, dem Erlebnis der ,Philosophia' als einer Gefährtin, ist nicht mehr die Rede, sondern von der Weisheit, die der Mensch nicht begreifen kann, wie sie ist, die aber ihrerseits den Menschen ganz begreift, denn sie ist Gott. Die Weisheit ist gleichzeitig auch die Mutter der Tugenden, bei Boethius wie bei Alfred, aber Alfred hat diesen Zusammenhang konkretisiert: Sie führt den Menschen zur höchsten Einsicht, sie verschafft die Kardinaltugenden und lehrt das für den König so wichtige Maß (temperantia = gemet) im Gebrauch der Güter.14 Sie gibt dem, der ihr folgt, auch die Macht, das Werkzeug des Königs. Wer diese Weisheit hat, dem wird alle Macht von selbst zufallen. Wie hier die Auffassung vom Beispiel des Königs Salomon und von der Spruchweisheit des Alten Testaments und die Königsspiegel hereinspielen, ist gezeigt worden.18 Wenn solcherart die Weisheit erscheint, wie muß man die Torheit einschätzen? An dieser Stelle bricht wiederum der Dualismus auf, die Erkenntnis, daß das Böse nicht wie bei Boethius ein Irrtum ist, sondern Schuld und daß Unkenntnis Sünde bedeutet. So wie die Weisheit höchste Tugend ist und zu Gott führt und den Menschen zu Gott werden läßt, so verdammt ihn das Laster der Torheit. Und Alfred hat für das eigentliche Gemeine des Lasters einen ebenso scharfen Sinn wie für die Reinheit der Seele, was wiederum in seiner Art Augustinisch erscheint und auch in den Soliloquien eine besondere Rolle 1 4 Darauf hat H. H. Glunz mit Nachdruck hingewiesen, vgl. Die Literarästhetik, 45 ff. und 50. 1 6 Vgl. 30—35 d. Arbeit.
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spielt. Mit diesen Gedanken und ihrer unvermittelten Ausprägung in Wort und Stil bis hin 2ur Verachtung ändert sich der Ton, und ein Eifer tritt in Erscheinung, der weit abliegt von der stillen aber zwingenden Kraft der Boethianischen Diktion. Ein letzter großer Zusammenhang tut sich auf, wenn man auf das Königliche blickt, das in der Übertragung lebt. Es ist hauptsächlich wahrnehmbar in der Güterlehre, im Ständegedanken, in der Rettung der Macht vor dem Urteil des Boethius und in der Rettung des Ruhms. Da ist Alfreds Übertragung nicht immer ganz eindeutig. Macht kann auch bei Boethius das Höchste bedeuten, aber nur als geistige Größe. Alfred läßt den bei Boethius klaren Zusammenhang ungeklärt, und damit ist Macht auch für das Wirken des Königs auf Erden in Anspruch genommen. Beim Ruhm aber ist es ganz deutlich, daß es einen Ruhm gibt, der dem Guten zukommt, der gelobt werden muß und der überliefert werden soll, der wahr zu sein hat und im rechten Maß gespendet wird, über den man sich aber nicht sehr freuen darf wie darüber, daß die Leute Wahres sprechen. Solche Gedanken lagen Boethius fern, dessen Blick nur noch der Erkenntnis Gottes galt. So denkt Alfred auch anders über körperliche Vorzüge und über Berühmtheit an sich. Eine fast naive Wertschätzung spricht aus einigen Stellen.16 Auch der Gedanke der Freiheit ist betont: Das Reich Gottes ist in Analogie zum germanischen Königtum ein Reich der Freien. Die Größe eines Königs besteht nicht darin, über Unfreie zu herrschen, und dies ist für Alfred wiederum ein entscheidender Punkt in seiner eigenen Polemik gegen den Determinismus. Freundschaft und Gefolgschaft gelten einige Überlegungen, wobei Alfred die selbstlose Liebe und Treue des von Gott zum Gefährten geschaffenen Freundes preist. Das, was man einmal den „Schwanengesang der Antike" genannt hat, ist zu einem Morgenlied des Mittelalters geworden. Aber es ist deutlich, daß Alfred, wenn wir so wenig behutsam aufteilen dürfen, nur einen halben Boethius begriffen hat, den römisch-christlichen Moralisten mehr als den griechisch-neuplatonischen Philosophen. Vom stoischen Denken ist außer der Ataraxia das Wesentliche geblieben, der Kampf gegen das Schicksal, den der Weise führt wie ein Soldat, aber die geistigen Gesetze des Universums, die von dem Denken der Vorsokratiker her bis in die Spätantike und über Mittel" Vgl. 78 f. (Anm. 50), 102 d. Arbeit.
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alter und Renaissance bis in das 18. Jahrhundert hinein das Weltbild bestimmt haben, sind dem anthropomorphen Gottesdenken Alfreds zum Opfer gefallen. Das hat verschiedene Gründe. Das beherrschende Gottesbild des frühen Mittelalters ist Gott als Weltenlenker, als Herrscher und Schöpfer. So hat ihn auch Boethius besungen (I, m. 5; III, m. 9; IV, m. 1, 19 ff.; V, m. 2), und Alfred ist ihm darin begeistert gefolgt. Aber Boethius hat auch die kosmische Gewalt der Liebe und der Natur besungen und dargestellt, und hier hat Alfred gezögert. Zum Teil hat er diese Mächte durch Gott ersetzt, zum anderen sie auf Gott bezogen, aber die machtvolle Verabsolutierung dieser „Begriffe" findet sich nur ganz vereinzelt.17 Wenn eine solche Veränderung auch in der Hauptsache vom Gottesbild her bestimmt erscheint, so finden wir doch auch sprachliche Gründe. Wörter, wie 'gesceadwisnes', 'gecynd', 'endebyrdnes' können nicht voll in die Funktionen von ,ratio', ,natura' und ,ordo' eintreten, weil sie noch allzusehr attributiv gebunden sind. Sie haben noch etwas Zuständliches, sind Befindlichkeiten an Gegenständen, und diese Grenzen können zwar gelegentlich einmal durchbrochen werden, aber das Maß an Abstraktion und „Hypostasierung", das notwendig ist, um sie als mächtige Potenzen des Geistes Gottes zu verstehen, erreichen sie nicht. Die letzte große Tat der spätantiken Philosophie war aber die völlige Vergeistigung des Universums, bei der die Welt in Analogien und Kausalitäten Gottes begriffen wird. Diese Vergeistigung beruht auf sprachlichen Voraussetzungen, die in fast einem Jahrtausend erarbeitet wurden, und nicht ohne weiteres einfach übertragen werden können. Alfred kennt nicht nur zu den obigen Begriffen keine rechten Entsprechungen, sondern noch viel schlechtere oder überhaupt keine zu ,modus', ,participatio', ,effectus', ,lex', ,causa' und ,forma'. Alfreds Entsprechungen entwickeln nicht die geforderte Aktivität, die überragende Selbständigkeit, mit der diese Begriffe im Lateinischen versehen sind. Dieses vergeistigte Universum als Gedanke Gottes ist aber der Gegenstand der Boethianischen Philosophie. Daher macht ihm der Schicksalsbegriff eine solche Mühe, weil der Mensch in seinem Handeln nicht aus der Gesetzmäßigkeit dieser Welt herausfallen darf, und daher beharrt er auf der Notwendigkeit der Schicksalsordnung, die Alfred ebenfalls nicht begreift und wahrscheinlich auch nicht übersetzen konnte, weil eine aktive Ent" Vgl. .natura' 162 f., ,ordo' 183 ff. und zum Gesamten 17 ff. 18
Otten, Alfreds Boethius
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sprechung zu ,necessitas' fehlt. Boethius begreift die Welt als eine ,machina' (III, p. 12, 39; II, m. 8, 21; IV, p. 6,188), 18 in der Gott das Universum durch das mit ihm identische Gute regiert, und dieser Gedanke selbst wird eine mächtige Zukunft haben, von der Alfred nichts ahnt. So begreift er das Gute auch nicht als das „Sein" schlechthin, durch das alles ist, und das daher diese wunderbare Nähe zum Menschen hat, zu Vernunft und Natur, das sich als die Liebe darstellt, als zwingende Macht, der sich alle Kreaturen hingeben im Gesetz Gottes als des höchsten Guten und der Glückseligkeit. So ist es denn auch nicht zu verwundern, wenn das Neuplatonische fehlt, der Gedanke der Weltseele, der Präexistenz in der Contemplatio, der Seelenwagen, die Lehre von der Anfanglosigkeit der Welt. Nur die Mächte, die das Schicksal heraufführen (IV, p. 6, 45 = 129, 3 ff.), Engel, Dämonen, Sterne, Menschenseelen und andere Geschöpfe sind genannt. Auch zur philosophischen Methode selbst fehlen alle Voraussetzungen. Alfred kennt keine Entsprechungen für Ober- und Untersätze, Schlüsse und Prämissen, und er versteht auch nicht den streng logischen Aufbau der Consolatio. Wenn die Gedankengänge schwieriger werden, übersetzt Alfred vom Resultat her und dreht den Gedankengang einfach herum, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dann versucht er das Resultat durch die entsprechenden Überlegungen wiederum zu unterbauen. Häufig aber geht dabei der große Duktus der Argumentation verloren. Außerdem hat Alfred sehr oft nur die einzelne Stelle im Sinn, wie er auch die umfassende Bedeutung der Termini nicht erkennt, z. B. ,ratio', ,anima', u. a., und sie je nach dem Sinn der einzelnen Stelle anders übersetzt. Dazu kommt, daß Boethius mit abstrakten Inhalten arbeitet und Alfred konkretisieren muß, daß ein Allgemeinfall in einen persönlichen verwandelt werden muß und daß das Logische, das Prinzipielle und das Zwangsläufige im Ablauf einer Argumentation überhaupt nicht erfaßt werden. Aber diese Eigenschaften zusammen mit den Auffassungsfehlern dürften der beste Beweis dafür sein, daß Alfred im allgemeinen selbständig 1 8 Diese Metapher, die bei Lukrez, De rerum natura (V, 96), bezeichnenderweise zum erstenmal belegt ist, gewinnt größere Bedeutung erst in der chrisdichen Literatur. Die Belege des Thesaurus (III, fasc. I, c. 13, 73 ff.) stützen sich in der Hauptsache auf Apuleius, Chalcidius, Arnobius, Statius, Claudianus, Martianus Capella, Marinus Victor, Rufinus, Venantius Fortunatus, Paulinus v o n Nola, Ambrosius und Ennodius. Im 7. Jh. war ,machina mundi' bereits ein geflügeltes W o r t (J. D . A . Ogilvy, Books known to Anglo-Latin Writers, 62).
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gearbeitet hat. Er hatte keine fortlaufende Paraphrase des Boethius zur Hand, wie man ein Wort Williams of Malmesbury verstehen könnte,19 sondern gerade an schwierigen Stellen kann man bemerken, wie er sich den Sinn beinahe Wort um Wort erarbeitet hat. Damit finden wir aber erneut einen Zugang zu der Größe der Alfredschen Leistung. Alfred hat jeden Satz seinem Sinn nach bedacht. Schon seine erste Übersetzung, die der Cura pastoralis, zeigt das sinnverstehende Denken am Werk, das Erläutern und Ergänzen und Betonen, aber die Wörtlichkeit ist großenteils gewahrt. Die Übersetzung des Orosius ist freier, aber auch weniger sorgfältig, und erst in der Consolatio scheint Alfred dann das Höchste erkannt und gewollt zu haben. Hier stand die ganze Welt zur Diskussion im Blick auf das unendliche Gute Gottes, und die Grenzen verliefen anders, als Alfred sie, von Augustinus und von Gregor ausgehend, im Sinn hatte. Aber die Consolatio war das große Buch von den Dingen der Welt und ihrem Sein in Gott, von der Rückkehr der Seele zu Gott, durchstrahlt von einer Gewißheit, die nicht durch die Autorität des Glaubens gewonnen war, sondern durch geistige Erkenntnis, die von den Dingen der Welt stufenweise höher schritt zu ihrem Wesen in Gott. Es ging um das, was E. BRÉHIER den einzigen Gegenstand des mittelalterlichen Denkens genannt hat: 20 comment la nature humaine, venue de Dieu comme principe, retournera-t-elle à Dieu comme fin? Wir wissen nicht, welcher Tatsache das plötzliche Auftauchen der Consolatio und ihre rasche Aktualität im 9. Jahrhundert zuzuschreiben ist,21 aber ihre Anziehungskraft muß auch auf Alfred groß gewesen sein, denn mit keiner anderen Schrift hat er sich solche Mühe gegeben und so sorgfältig bedenkend übersetzt wie hier. Wo immer der Gedankengang schwieriger wurde, hat er die Gedanken Stück für Stück isoliert, sich des Sinnes vergewissert und dann den gewonnenen Baustein wieder in den Sinnzusammenhang zu fügen versucht. Wir haben versucht, die Überlegungen sichtbar zu machen, die allgemein hinter dem Entschluß standen, ,sensum e sensu' mehr als „Wort für Wort" zu übertragen, um die Kühnheit zu verstehen, aber auch die Vgl. 9,193 ff. d. Arbeit. E. Bréhier, La philosophie du moyen-âge (Paris, 1949), 58. 21 P. Courcelle: «il reste inconnu du VI e au IX e siècle; à cette époque, dans des circonstances mystérieuses, il est brusquement découvert» («Etude critique», 116). Vgl. H. R. Patch, The Tradition, 48; Van de Vyver, «Les traductions», 25. 19
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Hingabe, mit der Alfred an den Boethiustext herangetreten ist.22 So ist das Tempo seiner Ubersetzung langsam, 23 man spürt das Verweilen bei einem Gedanken, das Umformen und Klären, das Insistieren auf Wichtigem und die Emphase und bei allem den Willen, nichts Fremdes oder Unverstandenes stehenzulassen, den Sinn des Boethius in der eigenen Welt und in dem Denken der eigenen Sprache ganz bewußt heimisch werden zu lassen. So entstand das vielseitig bedingte Bild des Verstehens, das wir zu erkennen versuchten, nicht als eine bewußte Überarbeitung, sondern als ein dauerndes Bemühen um den wahren Sinn. Es ist eine Art der Übersetzung, die ihre eigene Treue hat und besonders in einer Frühphase der Kultur ihren großen Sinn.24 Verglichen mit den übrigen Übersetzungen der Alfredschen Zeit, mußten demnach in Inhalt und Form andere Maßstäbe gelten. Wenn irgendwo, so mußte sich hier auch Alfreds Sprache in einer eigenen Ausprägung zeigen anders als bei der Cura pastoralis und dem Orosius, die, obwohl Gregor ein guter Stilist ist und besser als sein Ruf, doch einem Ubersetzer nicht das abverlangen, was Boethius auszeichnet. Darum sind hier die Vergleiche gefährlich, und sie werden noch problematischer, wenn man die Übersetzung Waerferths und die ^ ^ - Ü b e r s e t z u n g hinzuzieht, bei denen das Altenglische, wie sehr weiß man nicht, über den Leisten des Lateinischen geschlagen ist.26 Wir haben versucht, die Bedeutung des Boethianischen Stils zu zeigen und die Schwierigkeiten, denen sich ein Übersetzer gegenübersehen mußte, denn die Ausdrucksmittel Alfreds sind ganz andere als die des Boethius. Bei Boethius ist der Nominalstil schon durch den Gegenstand vorgeprägt, dazu kommen die Möglichkeiten der Partizipialkonstruktionen, die Alfred nicht nachgeahmt hat. So ist sein Stil als Verbalstil zu charakterisieren, und dies führt zur Längung. Die variationsreiche Hypotaxe des Boethius wurde somit aufgelöst in die lockere Reihung. Die Möglichkeiten der kausalen und mo22
Vgl. 97 ff., 200 ff., 210 f. d. Arbeit. Vgl. L. Borinski, Der Stil, 307. " Vgl. W. Schadewaldt, „Das Problem", 524 f. 25 Der altenglische Prosastil ist noch unerschlossen. Borinskis Versuch hat keine Nachahmer gefunden, das oftgenannte Werk von E. K. Chambers, On the Continuity of English Prose, differenziert zu wenig. Kürzlich hat Vleeskruyer die Forderung nach einer altenglischen Stilistik besonders für die Übersetzungen erhoben (R. Vleeskruyer, The Life of St. Chad [Amsterdam, 1953], 20). Das Problem des lateinischen Einflusses hat für die Dichtung Derolez in einer Form geprägt, die auch für die Prosa nicht ohne Bedeutung ist (R. L. M. Derolez, "Anglo-Saxon Literature: Attic or Asiatic", English Studies Today, 2nd Series [Bern, 1961], 93 ff.). 28
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dalen Unterordnung sind im Altenglischen geringer als im Lateinischen, und so verdrängen einförmige Fügungen eine Vielfalt von logischen Nuancierungen. Um dieser Auflösung nach der Parataxe entgegenzuwirken, finden wir starke Bindemittel durch kausale Konjunktionen, andererseits den Versuch, die Kurzsätze miteinander durch die Stellung der Glieder zu verzahnen. Dazu kommt die Tendenz zum kurzen Satzkern, dem Epexegesen angeschlossen werden. Auch dort muß der Zusammenhang wiederum geschlossen werden durch Fügungen der Verstärkung, durch Polysyndeta und Wiederholungsfiguren (Anapher, Synonymie u. ä.), wobei eine imposante Phalanx des rhetorischen Fußvolks in Erscheinung tritt: Alliteration, Assonanz (Präfix-Suffix-Gleichheit), Polyptoton (figura etymologica). Was aber zunächst hochpathetisch aussieht, scheint andererseits auf Sprachzwang zu beruhen, denn gegenüber Boethius sind die Variationsmöglichkeiten des Wortschatzes erheblich eingeschränkt. Dann ist die Hendyadis vielfach durch Mangel an präzisen Entsprechungen erzwungen, und in einem ausgeglichenen Stil verlangt eine Erweiterung in einem Glied sofort auch die Erweiterung anderer Glieder. Muß dann aber ein in der Auflösung geschwächter oder verlorener logischer Zusammenhang nachgetragen werden, so geschieht das nur mit neuen Anaphern und Erweiterungen bereits benutzter Ausdrucksmittel. Eine weitere Schwierigkeit ist die Neigung zur Formelhaftigkeit, mit der anscheinend jeder Stil das Licht der Welt erblickt. Viele Doppelungen sind stereotyp, und das hängt vielleicht mit der Anzahl der Einsilber zusammen, aber auch mit der Freude am assoziativen Element, und das ist bei Alfred ebenso wie bei Waerferth zu spüren. Dann eine Neigung zum gleichlaufenden Satz mit Hilfe fester Einleitungs- und Gliederungsformen, wobei solche des Sagens und Denkens besonders häufig sind. Außerdem sind die distributiven Konstruktionen bei Alfred besonders beliebt. Betrachtet man von diesen Grundvoraussetzungen aus die eigentliche Leistung Alfreds, so beobachtet man eine Beherrschung der Mittel und eine künstlerische Kraft des Ausdrucks, die aus der Not eine höchste Tugend macht. Vor allen Dingen bemerken wir, daß die Ausgewogenheit nicht schematisch ist, daß der Ton vielfach genau dort liegt, wo Boethius ihn haben wollte, daß durch Wortumstellungen, verlängerte Satzglieder, Ausrufe, Diairesis mit wechselnder Stellung des summativen Glieds, abschließenden Begründungen, 277
Alfred seine Perioden vielfach meisterhaft zu gliedern versteht. Wenn ganz allgemein die rhetorische Emphase sprachnotwendig stärker ist, so hat das der eigentlichen Emphase keinen Abbruch getan, die oft höchste Wirkungen erzielt. Was Alfred allerdings nicht wiedergeben kann, sind die Untertöne des Boethius, eine höfliche Zurückhaltung, die Ironie, das Offenlassen eines Gedankens, den der andere schon halb errät, das Paradoxon und ein gewisser Lakonismus, ein Element des Spielerischen im Ernst. Alle Züge solcher Urbanität waren bei Alfred verloren, aber wenn Boethius tadelt, lebt in Alfred der Zorn auf, wenn er Schmerz empfindet, erscheint es bei Alfred tragisch, wenn er lobt, wird Alfred hingerissen, und wenn es um die Größe Gottes geht, verbinden sich Demut und Überschwang. Das, was bei Boethius oft unausgesprochen bleibt, kehrt Alfred ins Offene, und Zurückhaltung wird zu ihrem Gegenteil. Aber wer akzeptiert, daß Alfred vielen Dingen der Consolatio einen neuen Inhalt gegeben hat, um sie ganz sein eigen werden zu lassen, für den wird auch die neue Form als Schöpfung eigenen Ranges gelten. Denn bei allen Erweiterungen und bei dem Reichtum der Begriffe spricht aus ihr der Eifer niemals ungezügelt, sondern wird immer wieder in der verinnerlichenden Meditation gefangen und durch die Kraft des Gedankens in Höhepunkte gedrängt, die im Zusammenklang von Denken und Empfinden ihre eigene geistige Bewegung haben. Die starke Bildlichkeit der Sprache Alfreds ist niemandem entgangen, der sich mit der Co/wo/a/zo-Übertragung beschäftigt hat, doch ist sie stets nur als ein persönliches Charakteristikum empfunden worden. Wir haben versucht zu zeigen, daß dieser bildhafte Ausdruck sich nicht nur durch die Freude am konkreten Detail erklärt, sondern mit der Liebe zur Allegorie und zur allegorischen Deutung in einem gemeinsamen Zusammenhang steht. Eine Reihe von Bildern wird nicht isoliert und lediglich als Verdeutlichung empfunden, sondern als Zeichen des göttlichen Wirkens in der Ordnung der Dinge. Bilder sind, wie naturwissenschaftliche Befunde, Erkenntnisse der Spuren Gottes in der Welt. Sie sind wie die Gegenstände, für die sie stehen, nicht so sehr um ihrer selbst willen da als um eben dieser Offenbarung willen. Der Gedanke von der Wahrheit, die überall in der Schöpfung lebt, billigt auch für Alfred die Verwendung der heidnischen Mythologie, über deren suspekten Charakter er sich nicht im Unklaren war.28 » Vgl. 129 ff. d. Arbeit.
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Aber andererseits sind die Schilderungen der Orpheus- und KirkeMetren Höhepunkte seiner Übertragung, und dort, wie in den anderen Episoden, tun sich ein Erzählertalent und eine Beherrschung der Form kund, die über die Vorlage weit hinausweisen. Es zeigen sich Charakteristiken, an die Boethius in dieser Form nicht gedacht hat: Poetisches Empfinden eigener Art, menschliche Sympathie, feines seelisches Verstehen menschlichen Handelns, Sinn für Gerechtigkeit und für die Gesetze des Daseins in einer Welt von Gut und Böse. Gerade in den Metren, in denen sich Boethius durch seine überfeine Diktion am meisten von der Wirklichkeit entfernt, ist Alfred vielleicht aus diesem Grunde der poetischen Wirklichkeit am nächsten. So ist das Geflecht der Beziehungen zwischen Alfred und Boethius trotz der Einfachheit der Alfredschen Übersetzung voll von überraschenden Komplexitäten. Von dem kühnen Geist der Spekulation, der sich schon zu Alfreds Zeiten der Consolatio bemächtigt hatte, ist in Alfreds Übertragung nichts zu spüren. Auch läßt seine Darstellung nichts ahnen von den Schicksalen von ,amor', ,natura', ,fatum£, ,fortuna' und ,necessitas', die die späteren Jahrhunderte bewegen. Aber den Gedanken, daß der Weg des Menschen aus der Welt der Dinge zu Gott geht, daß sich die ,virtus£ des Einzelnen und seine Macht nur durch Weisheit bewähren, hat von Alfreds Nachfolgern wohl keiner besser begriffen oder inniger gestaltet.
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SUMMARY
It is common knowledge that Alfred's translation of De consolatione philosophiae is his most ambitious work and the finest achievement in the history of Old English prose. The Old English Bede or Bishop Waerferth's translation of Pope Gregory's Dialogues, important as they are, adhere too closely to the Latin originals and are reminiscent of the older type of interlinear translation. Even if Old English prose style comes into its own with Alfred's translation of the Regula curae pastoralis and the Historia adversus gentiles, these two works cannot compare with the Old English Boethius. Both are of a very straightforward, dry and factual nature. One contains sets of rules and categories of people, listing their different inclinations and the dangers to which their souls are exposed; and the advice to priests and bishops displays considerable psychological insight. The other is a catalogue of historical dates and incidents, a rich and interesting tableau of the vices and fall of kings and their hour of glory. Nonetheless it is still devoid of that lofty and grandiose speculation on God and the way in which He sustains his creatures. This speculation is what we find preeminently in Boethius, whose richness and depth of thought, sublimity of argument and wealth of mythological, scientific and philosophical information have no parallel in any of the works to which the age had access. Moreover it is all compressed within a short treatise; it has all the charm of a Platonic dialogue and at the same time it creates the atmosphere of finality present in the Apology, Criton and Phaidon. It is the finest work of lost Roman antiquity which brings out the noblest and most personal traits of its translator. Unfortunately most attempts to assess the true qualities of Alfred's Boethius have remained provisional, unconvincing and rather vague. It has seemed impossible to separate Alfred's own comments from those he or his scholars might have culled from contemporary commentaries. Whilst one critic maintains that Alfred owed most of his knowledge to Latin Commentaries, another is ready to congratulate him on the fact that he has taken over so little (cf. 119 f.). We are 280
not sure how many alterations stem from Alfred's insufficient knowledge of Latin and how many from deliberate changes. There is a tendency to-day to date the Boethius late in Alfred's career, but this is not safely established. Most critics seem to think that on the whole Alfred's additions are rather wilful and neither reveal anything of definite interest nor add up to an organic whole (cf. 4 ff.). Some think that Alfred simply wanted to show off odd pieces of learning. It is this state of doubt and insecurity which the thesis sets out to overcome. The method is that adopted by F R . K L A E B E R and F. P. M A G O U N in their discussions of the Preface to the Curapastoralis. It consists in comparing the statements of Alfred with as many parallels as can be found in the writings of others current in those days, above all in the relevant works of the Church Fathers to which Alfred may have had access and in trying to work out Alfred's own position in regard to that of Boethius. The best results were simply achieved by a closer study of both the Latin and the Old English Boethius than had hitherto been made. Most previous critics seem to have failed through not taking either Alfred or Boethius seriously enough. The best study is K. H. S C H M I D T ' S doctoral dissertation of 1934, since it enables us to see what bits and pieces of information Alfred may have taken from the commentary of Remigius of Auxerre. But Schmidt despaired at the task of classifying the material and saw none of the larger issues involved. His work has never been utilized. This study does not begin with the scrutiny of the Latin commentaries, but with such additions and deviations from the Latin original which stem from Alfred's own mind. Generally they are not in keeping with any of the known commentaries but can only be presumed to be the work of Alfred. The number of such deviations is much greater than had previously been supposed, and it will become clear that they are not stray pieces of learned information, but that they proceed from a different yet organic conception of many of those problems which are essential to De consolatione philosophiae. Alfred does not read Boethius in the light of neo-Platonic philosophy, but in the light of the teachings of Augustine and Pope Gregory. Augustine is by far the more important. A first important group of additions is concerned with the use of temporal things, especially those which constitute the power of kings. In the eyes of Boethius temporal things such as wealth, position, honour, power, 281
glory, and love cannot be good since they are usually in the hands of bad masters. Alfred views glory, honour, and power as things which God has given to man on loan to bring about good and so to reconcile them to their Creator. Only the wise man can achieve that and for this reason: Wisdom is the most essential virtue for those who want to obtain temporal things and to preserve them through the right use of them. Alfred arrived at this different conception mainly by way of the teachings of Augustine on 'usus', 'ordo', 'ordinata dilectio' and on the doctrine of 'temperantia' and 'virtus' (cf. 21 ff., 32 ff., 45 ff., 84 fF., 110). If we bear these points in mind, all difficulties which have been associated with Alfred's interpretation of De consolatione II, p. 2 (16—19 in Sedgefield's edition) vanish (cf. 22 ff.). These ideas are central to Alfred's understanding of De consolatione and most other changes can be related to them. Alfred has introduced the doctrine of merit as we find it especially in the writings of Pope Gregory and as was natural to Bede. God gives everyone what is his due, punishing those who do evil and rewarding those who do good. This doctrine is Alfred's ultimate answer to the problems of the secret workings of fate and fortune (cf. 35 ff., 67). Such an opinion is almost irreconcilable with Boethius since it disposes of the main problem of De consolatione, i.e. the inscrutable ways in which fate and fortune work under the governance of God. Alfred's translation is permeated by the 'eschatological dualism' of Augustine. Boethius is almost solely concerned with the ways in which the human soul may become united to the 'summum bonum' of God. The 'malum' is in his view something which does not exist. He is still safely grounded in the Socratic tradition that 'sin', tragic as it is since it cuts off man from the source of his existence, proceeds from mental error. For Alfred evil is associated with something utterly rotten and depraved, and he shrinks from it almost physically. He sees sin really at work and denounces it violently. He introduces pride at every possible opportunity (44 ff.) and in his interpretation does not exempt even Boethius/Mod from the charge of false trust and indeed calls upon him to repent. Furthermore we can find traces of Augustine's philosophy of will and a psychological insight into the nature of sin which are far removed from the spirituality of Boethius. But there is also the 'mildheortness' of God who does not look at the deeds of men but on their will to do good. Alfred and Boethius coincide in their views of the divine soul as desiring to flee 282
from the darkness of the world to the light of God and to return to where it came from. But even here Alfred stresses the fact that the soul can only fully realise itself in the other world. Boethius is satisfied with the fact that man can join in the divine and universal good and beyond that need not trouble nor care. The fact that Alfred did not follow Boethius in his teachings on fate and free will has often been noticed before. To him man was above all created free (cf. 106ff.,238) and 'wyrd' is felt as a compulsory force which he strives to eliminate. So the categories of 'necessity' and the 'fatal chain' (fatalis series, IV, p. 6, 79 f.) do not occur in Alfred's translation whilst Boethius sees divine providence working through the "indissolubili causarum connexione" {ibid.). What made Alfred choose De consolatione for translation? We can find many answers to the question, but above all it should be borne in mind that De consolatione belongs to the apocalyptic literature which was so popular throughout the early middle ages. 'Philosophia' appearing to Boethius in the prison is not a trite allegorical device, for 'philosophy' is 'divine wisdom', verburn Dei, the Son of God. We have already pointed out that Wisdom is the source of every virtue, and that only through Wisdom can man hope to escape from the slough and sin of ignorance and seek refuge with God. The urbane atmosphere of the Platonic dialogue is not always in keeping with this esoteric conception and Alfred has introduced the necessary changes. Boethius/Mod is regarded by Alfred almost as an example of mankind. Though already advanced on his way towards God, he is still not perfect. He is forgetful of the teachings of 'Philosophia' and through excessive self-confidence he has fallen into the sin of despair. Alfred has no patience with those who are ignorant and who do not care about knowledge and he castigates them throughout the dialogue. Alfred's passionate yearning after knowledge and his condemnation of those who prefer to continue in ignorance have changed the whole atmosphere of the Latin original. The details of the comparison (86 ff.) show that Asset's remarks on Alfred's almost superhuman love of wisdom (cf. 193 f.) should not merely be taken as the interested oratory of a priest who wished to stress the importance of the monastic ideal but as statement bearing the mark of truth. L . L . SCHUCKING has described Alfred's teachings as characterized by his love of humility. He supposed that Alfred tried to exalt the new Christian and monastic virtues at the expense of older tribal ideals of 283
the warrior (cf. 102 f., 112 ff.). We may suppose that Alfred would disagree. We have already observed that he differs very much from Boethius as to the duties and possessions of a king. The same differentiation appears when Boethius speaks of 'potentia', 'dignitates', and 'gloria'. Alfred distinguishes clearly between 'vainglory' and that glory which has been earned rightly. He blames writers of history who forget to give honour to whom honour is due. Boethius has nothing similar. He has ceased to care about these things. Alfred's ideals are Christian ideals and his humility need not be doubted, but nonetheless they are the ideals of a king. Other additions and changes are clearly written from a regal standpoint. For example he stresses the importance of friends; he recognizes the need of good and trusty followers, and he shows his dependance on his 'Jjegnas' in his pursuit of'weor5scipe' (cf. 111). The duties of the wise king and his necessary power are outlined and even more attention is devoted to the phenomenon of the tyrant. Since the first traces of the Latin commentaries of the 9th century were discovered in Alfred's work 80 years ago, the role of these commentaries has constantly been in dispute. In 1937 the commentary of Remigius of Auxerre, previously regarded as Alfred's main source, was dated so late by P. C O U R C E L L E as to deny Alfred or his scholars the possibility of having used it. Courcelle supposed that Alfred had used an earlier commentary, written by an anonymus monk of St. Gall. Having compared Alfred's additions with the Trier MS of Remigius and with the Einsiedeln MS of the Anonymus, I hope to show that Alfred's additions cannot be based solely on the St. Gallertsis.1 So, should Alfred not have had access to the commentary of Remigius, he must have used a commentary or scholia closer to Remigius than the Anonymus of St. Gall. The whole question is so complicated because Alfred treats the information taken from the commentaries in exactly the same way in which he interprets De consolatione. The scholia become an integral part of his understanding and are transformed, so that it is very difficult to trace them back to their probable source. Compared with the additions and changes which I have treated in the first part of the thesis, the commentaries are definitely of minor importance. They are used in the following instances : 1 I have only consulted the Einsidlensts, which is regarded by Courcelle as the best MS. (Cf. 9 f., 65, 75, 83, 105,122 ff., 133,135 f., 1 3 8 , 1 4 0 , 1 4 7 , 1 4 9 , 151,155).
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1. For the understanding of difficult passages and a simplified rendering of a complicated matter. 2. For information on subjects which were simply alluded to by Boethius and with which neither Alfred nor the readers of his translation might have been familiar. 3. Alfred followed the common trend of the commentaries with their love of allegorical interpretation. But even there he is critical and in some instances gives interpretations of his own. It is quite obvious from the detailed comparison that Alfred did not try to show off odd bits and pieces of learning (cf. 156). It is also apparent that he did not regard Boethius as a pagan author who needed to be 'Christianized'. He did not include much of the theological information which is amply contained in the commentaries. Alfred is, however, much interested in the legends of classical mythology, even if he shares some of the Christian prejudices against them (cf. 129 ff.). He did not particularly care for the scientific information which the commentaries provided. He evaded all neoPlatonic speculation which might have been offered by the Remigius commentary and to a much lesser extent by the Anonymus of St. Gall. It is for this reason that Courcelle came to regard the St. Gallensis as a likely source for Alfred. I think that Alfred simply was not interested in theological and neo-Platonic speculation. He had an understanding of his own, as we have seen, and above all a deeply rooted conviction of a personal God which is widely different from the neo-Platonic conception of God, yet not fundamentally from that of Boethius (cf. 17 if., 137 ff., 149 £, 157, 164, 179 f., 182 f., 186). The fact that the neo-Platonic conception of the universe is only inadequately and fragmentarily rendered by Alfred should neither be attributed wholly to a theological controversy of the age, nor to Alfred's religious outlook. It is certainly to some extent grounded in Alfred's language and his use of it. One of the great features of late antique philosophy had been the complete spiritualization of the universe. God is the soul of the universe which is permeated, regulated and maintained by the emanations of His spirit. 'Amor', 'natura', 'ordo', 'necessitas', 'fatum', 'bonum' and above all 'ratio' are divine and universal powers, integral parts of the 'summum bonum' which is God. If we try to analyse the corresponding Old English equivalents according to the way in which Alfred used them, we can easily see 285
that 'gecynd' 'endebyrdnes', 'gesceadwisnes', etc. were unable to convey the ideas which the Latin or Greek words had developed since the days of the Ionian philosophy. Alfred's way of handling these words and concepts is not wholly conservative; he tries to express new ideas through them, but they simply do not admit that degree of generalization which is necessary to convey the neo-Platonic ideas (cf. 158 if.). We may well ask whether Alfred was conscious of the barriers which separated him from a true understanding of Boethius. I do not think so, and the reasons can be deduced from Alfred's technique of translation. Alfred's own ideas are so closely fused with the Latin text that it is not easy to distinguish between what can still be regarded as a legitimate extension of the thought of Boethius and a definite alteration by Alfred. Alfred has read his own thoughts into the original without being really aware of the difference. He wanted to understand Boethius as best he could, but he could only understand him in the light of his own experience and ability (cf. 157, 193, 200 ff., 210 f.): 1 nu bit -j for Godes naman he halsad aelcne Jsara Jse ]pas boc rasdan lyste, p he for hine gebidde, -j him ne wite gif he hit rihtlicor ongite ]sonne he mihte; fof^amj^e aslc mon sceal be his andgites mas5e -| be his semettan sprecan f he sprecQ, -) don f Ipxt he deja. (Preface, 1, 10 fF.) For much the same reasons it is improbable that Alfred worked from a written paraphrase of the original. Alfred explains those things that strike him as being difficult to understand in the original. He wants to make his meaning absolutely plain. A written paraphrase might have easily eliminated such difficulties. Alfred's wrestling with the sense of the original (cf. 50, 187 fF., 193 ff.) is too manifest to admit of such an explanation. It is only natural that Alfred should have relied on much help from his scholars, but that was most probably given in the way Asser described (cf. 197 ff.). As regards the relative date of the Old English translation, it seems fairly certain that a work of such scope and knowledge cannot be an early achievement of Alfred's, but has to be placed late in his life, most conveniently after the Cura pastoralis and probably before the Soliloquies (cf. 194 £). In the last chapters (211 ff.) an attempt is made to account for those divergencies which have not been dealt with in the earlier part of the 286
work and which result from the immense differences between the styles of Boethius and King Alfred. The main points of difference are: 1. Boethius has no difficulties in expressing abstract relationships, general laws, and indefinite statements, whereas Alfred is often forced to introduce particular instances, similies and circumstantial detail. Personal relationships are often substituted for abstract ones. 2. Many Latin words can be used in a wider sense, as metaphors and metonymies, whilst the use of the Old English equivalents is restricted. It is also interesting to note that the quality of personification in Latin differs from that in Alfred's language (cf. 235, 241). 3. Boethius' style is dominated by the noun, Alfred's by the verb. Alfred's means of hypotaxis are limited and his development of thought is virtually restricted to two categories: antithesis and causality respectively concessive relationships (cf. 217 ff.), which are repeated frequently and without much variation. 4. The style of Boethius is concise, whereas Alfred delights in figures of rhetorical amplitude. In many instances synonyms are necessary since the Latin words carry a wider meaning, but Alfred has also introduced them for their own sake. But his style is always balanced, even with a certain rigidity. 5. Alfred's prose contains many formal elements of sentence structure, e.g. distributive conjunctions, introductory formulas, clauses dependent on impersonal statements and on words of knowledge and observation (T wat . . . ' , 'men pincQ ...', 'wite ]pu ...' etc.). But with all these limitations Alfred's style is remarkable and at times truly great. The richness is never without balance and structure, and the rhetorical colouring is never devoid of meaning. His style is sometimes moving in its simplicity, sometimes almost monumental in its richness of expression and in the effective structure of parallelisms. We can only account for some of the finest passages of Alfred's Boethius if we suppose that he read them in the original and wanted to bring out the qualities of the diction. He did not grasp the subtle ironies of Boethius, the understatement, colloquial touches and restraint, or the hidden energy of his persuasiveness. But Alfred could feel sorrow and contempt, joy and triumph and bring them out forcefully. The praise of God's greatness and the delight in the forces of creation are instances when his style has a greatness of its own (cf. 226 ff, 230 ff, 235 ff). 287
Alfred's love of imagery has been praised by most critics, but Alfred was very careful in his rendering of Latin metaphors for fear that he might hide the sense they meant to convey (240 ff.). Some of his images show his tendency to regard images as a vehicle of allegory. They reveal a deeper significance as in 'vestigia Dei' (cf. 254 ff. and more general 141 ff.). But some of the finest features of his art can be found in connection with his rendering of the exempla of Boethius (cf. 256 ff.). The excellent qualities of Alfred's Boethius have been felt by most of his readers, and S E D G E F I E L D was certainly right when he pointed out "the personal note . . . such as we look for in vain in English literature for hundreds of years after". 2
2 W. J. Sedgefield, King Alfred's Version of the Consolations of Boethius, D o n e into English, with an Introduction (Oxford, 1900), VIII.
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LITERATURVERZEICHNIS Es sind nur solche Werke verzeichnet, die mehrmals benutzt sind oder unmittelbar zum Thema gehören. Alle anderen Werke sind im Text mit vollem Titel aufgeführt. Die üblichen Nachschlagewerke erscheinen ebenfalls lediglich im Text. Für die benutzten Handschriften vgl. die Einleitung, für die Ausgaben, nach denen Alfred, Boethius und die deutschen Übersetzungen der Consolatio zitiert werden, vgl. 10 f., 15 und 17 d. Arbeit. Lateinische Ausgaben Asset's Life of King Alfred, ed. W. H. Stevenson (Oxford, 1904). Augustinus, De Cintate Dei, ed. Dombart-Kalb, 2 Bde. C(orpus) C(hristianorum) S(eries) L(atina) 36 (Twinholt, 1956). Augustinus, Selbstgespräche, Lat. u. Deutsch, ed. H. Fuchs, Bibliothek der Alten Welt (Zürich, 1954). Venerabiiis Bedae historiam ecclesiasticam gentis anglorum historiam abbatum epistulam ad Ecgberctum una cum Ustoria abbatum auctore anonymo adfidem codicum manuscriptorum denuo recognovit commentario tarn critico quam historico instruxit Carolus Plummer (Oxford, 1896, repr. 1956). Boethius, Philosophiae Consolationis libri quinque, ed. K. Büchner, Editiones Heidelbergenses II (Heidelberg, "I960). Boetbii Philosophiae Consolationis Libri Quinque . . . , ed. Guilemus Weinberger, C(orpus) S(criptorum) E(ccleSiasticorum) L(atinorum) LXVII (Wien, 1934). Boethii Philosophiae Consolationis, ed. L. Bieler, C.C.S.L. XCIY (Twinholt, 1957). Boethii Philosophiae Consolationis libri quinque (acc. eiusdem atque incertorum opuscula sacra), ed. R. Peiper. Teubneriana (Leipzig, 1871). Boethii In Isagogem Porphyrii Commentarli, ed. S. Brandt, C.S.E.L. XLVIII (Leipzig, 1906). Boethius, The Theological Tractates with an English Translation by H. F. Stewart and E. K. Rand. The Consolation of Philosophy with the English Translation of "I. T." 1609, revised by H. F. Stewart. Loeb Classical Library (London, 1918, repr. 1953). Saeculi noni auctoris in Boetii Consolationem philosophiae Commentarius, ed. E. T. Silk. Papers and Monographs of the American Academy in Rome IX (Rom, 1935). Gregorii magni dialogi libri IV, a cura di Umberto Moricca, Fonti per la storia d'Italia 57 (Roma, 1924). Sancii Gregorii Papael, Cognomento Magni Opera Omnia, Patrologia) L(atina) 77, ed. Migne (Paris, 1862). Isidori Hìspalensis Episcopi Etymologiarum sive Originum libri XX. 2 Bde. (Oxford, 1911, repr. 1957). Pauli Orosii historiarum adversum paganos libri VII, accedit eiusdem apologeticus liber recensuit et commentario instruxit Carolus Zangemeister, C.S.E.L. V (Wien, 1882). Sedulius Scotus, ed. S. Hellmann, Quellen und Untersuchungen I (München, 1906). 19 Oteen, Alfreds Boethius
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REGISTER
Das Sachregister enthält nur die Hauptbegriffe. Rhetorische Termini sind nicht aufgeführt. Für die altenglischen und z. T. auch für die im Text sinngemäß im Deutschen aufgeführten Begriffe stehen durchweg lateinische Entsprechungen. absolutas, 187 Ado von Wien, 259 ¿Elfric, 97, 204 In die soneto pentecosten, 96, De fide catholica, 55, 95, Homilien, 156, 175, 202, 269, De penitentia, 54 TEthelwulf, 9 Alcuin, 54, 70, 98 Aldhelm, 69 f., 130 Alfonsi, L., 27, 42, 158 Alfred, Apologie, 100 f., 109, 267, Chronologie, 194 f., Echtheit der Alfredschen Schriften, 159, Encheiridion, 196, Lateinkenntnisse, 193—200, Prooemium Boethius, 29 f., 68, 94, 113, 201, 204, Prooemium Cura pastoralis, 7,26,97,194—196, 201, Übersetzungen: Beda, 36, 83, 102, 181, 194, 196, 200, 203 f., 217, 226, 257, 276, Cura pastoralis, 45, 48, 52 f., 159, 168,173,177,181,194—196,200, 203 f., 210, 226, 242, 254, 275 f., Orosius, 9, 62, 68,126—128,132 f., 159,195,200,203 f., 238, 259, 275 f., Soliloquia, 77, 84, 95 f., 118,149,159,166,168,177 f., 194 f., 203 Alkibiades, 126 Allegorie, 133, 141—151, 157, 205, 243, 255 f., 266,278 Allmacht Gottes, 16, 63, 136, 139, 233 f., 237 f., 273 Ambrosius, Exameron, 141 amicitia, 110—112, 116 f., 272 Ammianus Marcellinus, 259 amor, 17, 22, 116, 160, 184, 279 Amos, F. R., 202 Analogie, 245 f., 254—256, 272 Anaxagoras, 126, 182 Anderson, G. K., 5 f., 194 Andreas, 24
anima, 77 f., 173, 175, 274 anima mundi, 137, 274 animus, 170, 173, 175 Antipoden, 128 Antoninus, 111, 116 Aristoteles, 42, 47, 70, 158 f., Eth. Nie., 80 Asser, 97, 98, 196, 200, 203 Alfred-Vita, 34, 86, 97, 194—197, 201, 210, zu Assers Paraphrase, 9 f., 121, 189 Auden, W. H., 2 Auerbach, E., 145 Augustin, 2, 7, 34 f., 40, 44, 46, 59, 70, 74, 80, 83 f., 96, 114—118, 121, 143, 153, 160, 164, 166, 168, 170, 173, 177, 195 f., 212, 246, 254, 267, 269—271, 275, De catecbi^andis rudibus, 54,130,149,151,193, De civitatedei, 11,33, 64,68,84—86,95f., 128, 132, 137, 166, Confessiones, 84, 168, De doctrina Christiana, 44, 54, 202, Epist., 115 f., 138, Contra Faustum, 130, De libero arbitrio, 55, 95 f., Soliloquia, 84, 95, 168, 271, De trinitate, 85, 96 Augustinismus, 266 avaritia, 44, 47, 52 f., 110, 267 Bamberger, J., 168 Batley, J. M., 9 beatitudo, 22 f., 56, 60, 69, 72, 75, 79, 150, 228 Beda, 54, 70, 212, 215, 263, Historia eccl., 36, 40 f., 78, 83, 102, 104, 155, 244, De rerum natura, 135 Benediktinerregel, 184 Benning, H. A., 168, 232 Beowulf, 39 Bergsten, St., 1 Biblia Sacra, 24, 31 f., 36, 38, 46, 48 f., 52, 63, 95,107,113,132,153, 244, 251 Bildallegorien, 143,150, 240—256
297
Birt, Th., 11 Bloomfield, M. W., 44, 46 Boethius-Kommentare, 4—11, 14, 16—18, 20—22, 27 f., 30, 38, 45, 55, 64 f., 73, 75,77 f., 81, 87,106,112,119—157,161, 178,187,224,239 f., 247,259,264—266, 270 Boethius-Stil, 213—226 Boethius-Vita, 87, 166, 259 f. Bolgar, R. R., 264 bonum {bona), vgl. Güterlehre, 18, 56, 71, 75, 79—81, 91, 142, 150, 209, 216 Borinski, L., 7, 156, 160, 168, 212, 216, 226, 228, 232, 235, 276 Bovo II von Corvey, 139 Brandl, A., 65, 69, 99, 165, 194 Bréhier, E., 275 Browne, G. F., 120 Brutus, 126 Büchner, K., 2, 17, 21, 27, 38, 62, 69, 192, 211,214 f., 238 Bultmann, R., 249 Burdach, K., 3, 20 Busiris, 128, 239, 261 Carlyle, R. W. u. A. J., 32, 63 Cassirer, E., 168 Cassius, 126 Cato, 126, 193 Catullus, 126 Catulus, 126 causa, 180—183, 187, 273 Chambers, E. K., 276 Chatillon, W. de, 33 Chaucer, G., 2 f., 8, 183, 263, Troilus and Criseyde, 58 Christianisierung, 2, 5 f., 8, 14 f., 18—20, 42,44,46, 52, 56, 68,88,100,148,156 f., 174 Christopher, J. P., 54 Chrodegang, 97 Cicero, 67,116 f.,158,213,215, Deamicitia, 116, Somnium Scipionis, 2, Disp. Tusc., 89, 213 f. Claudian, 143 comitatus, 110—112, 116 f., 272 contemplatiti, 154, 274 Courcelle, P., 5, 9 f., 14, 70, 78, 81, 95, 120 f., 126, 131, 137, 144, 153, 155, 248, 275 Courtes, J., 254 craft, vgl. virtus Croesus, 25 298
Curtius, E. R., 1, 18, 130, 142 f., 164, 168, 252 Dante, 2, 52, 57, Divina commedia, 17, 58, Davies, H., 48, 254 Dawson, Chr., 232, 268 decursus, 154, 138, 246 Derolez, R. L. M., 276 Dienelt, K., 213 dignitas (dignitates), vgl. Güterlehre, 27, 72, 78, 103 f., 108, 114, 205 Dionysius Areopagita, Himmlische Hierarchie, 237 Dionysius tyrannus, 127, 214 Dolch, A. K., 10, 77 Dualismus, 70—86, 92, 104 f., 151, 156, 164, 174, 176, 207, 229, 245 f., 255, 268 f., 271 Ducke«, E., 5 f., 195 Ebert, A., 31, 213 effectus, 187, 273 Egenter, R., 116 f. Ehrismann, G., 39, 61, 113, 147, 232 Einsidlensis, 10, 14—18, 20, 22, 27, 45, 55, 64 f., 67, 75, 77,83,87,93,95,105,120— 129,131—133,135,137—140,145—155, 157, 259, 265 f. Eliot, T. S., FourQuartets, 1 Eros, kosmogonischer (vgl. amor), 17 f., 273 f., 279 Erzgräber, W., 70 Euhemerismus, 131 Exempla, 256—263 Fatum, 37 f., 57—70, 81, 105 f., 123, 156, 183, 205, 270, 273, 279 Fehlauer, F., 4 f. Flasdieck, H. H., 99, 194 forma, 187, 254, 273 Fortuna, 16 f., 22—25, 30, 57—70, 72, 84, 111, 142, 204, 206, 225, 246 f., 267, 270, 279 Frankis, P. J., 260 Freiheit, 37, 57, 67, 92, 105—107, 112— 114, 238, 270, 272 Fulko von Reims, 9 Funke, O., 40 Furien, 36, 262 Galinsky, H., 63, 69 Gebetsstil, 15, 19, 90, 137, 230, 235—238 genus, 187 Gesellschaftsethik, 21—35, 155 Ghellinck, J., 31, 200, 215 Gigantensturz, 104 f., 131 f., 133, 261
Gilson, E., 40, 42, 44, 46, 85 f., 95 f., 138, 141 f., 161, 170, 173, 177 gloria, 28, 100—105, 107, 112—114, 149, 199, 231, 249, 272 Glunz, H. H., 35, 143 f., 266, 271 Grabmann, M., 159 Gradualismus, 70—86, 158, 268 Gregor d. Gr., 118, 168, 212, 263 f., 269, 275 f., Dialogi, 24, 40 f., 83,86,155,201, 204, 252, Moralin, 40, 46, Regula curae pastoralis, 41, 45, 48, 52 f. Gregor von Nazianz, 32, 64 Gregor von Nyssa, Von den Seligpreisungen, 56 Grimbald, 9, 196 Grönbech, W., 60 f., 168 Gruppe, O., 131, 143 Güterlehre, 21—35, 39, 41 f., 72—74, 80, 84, 100, 114, 117, 148, 255, 266 f., 269, 272 Habicht, W., 261 Hahn, A., 95 Harting, P. N. M., 159 Hävers, W., 223 f., 226, 232 Herakles, 38, 143 Hieronymus, 204, 206, Epist., 201 f., 204, 206, In lib. Job. praefatio, 202 Highet, G., 264 Himmelsreise, 24 f. Hodgkin, R. H., 99 Homer, 143 Homilien, 54, 101, 156, 184 bonores, vgl. gloria, dignitates, Güterlehre, 103—105, 114 Honorius von Autun, 130 Horaz, 202, Carmina, 23, 199, 239 Huizinga, J., 57, 79 Humanismus, 130 f. bumilitas, 24, 41, 52, 113, 176, 270 Huxley, A., 1 Huygens, R. B. C., 134 iactaniia, 101 igporantia, 92 f., 96 f. imaginatio, 176—180 imago, 254 intelligentia, 82, 154, 166, 176—180 intentio, 161 f., 172 Isidor von Sevilla, 131, Etymologiae, 63,128, 132, De rerum natura, 135 Jacob, E. F., 264 Jente, R., 61, 66 Jepson, J. J., 254
Johannes Saxonicus, 196 Johannes Scotus, 157 Jolles, A., 256, 258, 263 Jost, K., 54, 166, 194 Kardinaltugenden, 31, 46, 96, 271 Karl d. Gr., 98 f., 130, 264, De litteris colendis, 98 Kattenbusch, F., 95 Kellermann, G., 20 Ker, W. P., 25, 130, 263 Kirke, 129, 133, 143, 262 f. Klaeber, Fr., 7, 26, 39, 56, 97 f., 159, 181, 194, 201 Klingner, Fr., 21, 33, 57 f., 62,70, 87, 89, 136, 138, 144, 158, 246, 270 Königsspiegel, 31, 33, 97, 113, 116 f., 267, 271 Kosmologie, 125—141, 157, 265 Kraftevangelium, 65, 252 Labriolle, P. de, 40 Laisttier, M. L. W., 31, 70, 98, 116, 195 Lees, B. A„ 98, 109, 157, 195 f., 268 Lehmann, P., 98 Leicht, A., 4 Leisi, E., 60, 104, 113 f. Lewis, C. S., 43, 57, 117, 142 f., 162, 164 lex, 184, 186, 273 liberum arbitrimi, 57, 67, 186, 191 Lovejoy, A. O., 80 Lukan, Pharsalia, 16 Lukrez, 107, De rerum natura, 274 Lupus von Ferrière, 9, 120 Macrobius, 2, 70 Magoun Jr., F. P., 7 Malmesbury, W. of, 9,194, 197, 264, 275 Malone, K., 194 Manitius, M., 9, 31 Map, W., 33 Marrou, H. I., 33 Martianus Capella, 214 Mathon, G., 10 Maurer, F., 84 Mausbach, J., 33, 115, 117 Meier, P. G., 10 mens, 170—173 Metapher, 20, 121 f., 125, 158, 168, 230, 240—256, 278, Krankheitsmetapher,121, 243, 253, Licht-Dunkel, 91, 148, 249— 251, 254, Medizin, 245, 251, Quelle und Meer, 245, 251, Seefahrt, 245, 252 f., Seelenarzt, 245, 253 f., Steuermann, 245, 251—253, Tier, 245, 247—249
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mildbeortms, 52, 56, 100, 156, 268 Mod, 25, 36, 49, 53, 67, 86—89, 91—93, 165—176, 188, 209, 268, 271 modus, 187,273 Mohl, R., 33 Müller, G., 70, 80 mundana machina, 231, 252, 274 Mythologie, 16 £., 104 f., 125—141, 156, 261—263, 265, 278 £. natura, 17—19, 22, 142, 160—165, 179 f., 182 f.,185,188,192,222,233,235,273,279 natura vitiata, 56, 160 Naumann, H., 4, 10, 12, 14 necessitas, 57, 66 f., 69, 186, 274, 279 Nero, 12, 74, 111, 116, 126, 257 Neuplatonismus, 14—21, 68, 70, 83, 121, 137—139, 141, 157, 164, 246, 248, 268, 272, 274 Newald, R., 264 nobilitas, vgl. dignitatis, 78 Norden, E., 213 f., 230 Notker von St. Gallen, 7, 11 f., 14 f., 43, 64, 68, 87, 153, 181 Odysseus, 12, 133, 143, 263 Ogilvy, J. D. A., 274 ordo, 17, 30, 82, 134, 139, 183—186, 268, 273 Orosius, 11,62,126,156,259,263 Orpheus, 17, 50,132,143, 261 f. Ovid, 143, Metam., 239 Pantheismus, 77, 86 Papinianus, 110 f., 116, 128, 257 £. Parther, 128 participate, 187, 273 Patch, H. R., 2 f., 23, 25, 57, 59, 61—63, 65, 68, 87, 275 Paulus, L. Aemilius, 25 Personifizierung, 235, 241 Personifizierungsallegorien, 142—146 Pflichtlehre, 155 Philipotts, B. S., 61, 69 Physiologus, 249 Plato, 21, 42, 50, 80, 89, 92, 138, 158, 250, 255, 271, Phaidon, 251, Politeia, 29, 33, 248, Symposion, 116, Timaeus, 192 f. Piatonismus, 255 Plautus, 143 Plegmund, 196 Plotin, 70 Plummer, Ch., 6, 9, 11, 194 f. Porphyrios, 159, 202 potentia, vgl. Güterlehre, 27, 107—110, 300
112, 114, 271 f. Potter, S., 159, 194 f., 200, 203, 227, 238, 259 Präexistenz, 153, 174, 274 Providentia, 57—61, 64—67, 69 f., 92, 123, 142, 156, 183, 270 Pseudo-Cyprianus, De duodecim abusivis saeculi, 116 Pseudo-Dionysius, 70 Psychologisierung, 45, 53, 110, 116, 219— 221, 258—263, 267 Rahner, H., 16,130,143,251 f. Rand, E. K., 42, 49, 87, 97, 141 f., 144, 159, 202, 213, 269 ratio, 17, 19, 22, 77 f., 82, 94, 142, 166, 176 bis 183,188,192,235,273 f. Regulus, 126 Reichenberger, K., 21, 144, 158 Remigius von Auxerre, 4—7, 9—11, 14 f., 18 f., 64 f., 67, 77 f., 83, 96, 105, 120— 129,131—133,135—138,140,146—149, 151, 153—156, 259, 265 f. Renwick, W. L. u. Orton, H., 194 Roman de la Rose, 2 sapientia, vgl. Sapientia Dei, 22, 24 f., 29 f., 86—99, 108, 113, 141, 155 f., 169, 177, 205, 229, 268 Sapientia Dei, 87, 95, 143, 156, 270 f. Schadewaldt, W., 211 f., 238, 240, 276 Schelp, H., 144, 165 f., 168, 170—175, 177 bis 179 Schepps, G., 4, 10 f., 119, 132 f., 156 Schiffahrt des Lebens, 252 Schilling, O., 32 f., 56 Schirmer, W. F., 194 Schlepper, E., 160 Schmid, W., 144, 253 f. Schmidt, K. H., 5 f., 9 f., 18, 22 f.,27f.,47, 79 f., 86, 91 f., 105, 119—121, 123, 125, 128, 132 f., 137, 140, 156, 159, 174, 254, 259, 265 Schneider, H., 83 Schröbler, I., 7, 22, 43, 64, 68, 87, 153, 181 Schücking, L. L., 5, 41, 102,104, 113, 117, 194, 270 Schwarz, W., 159, 202 scientia, 96, 136 Sedgefield, W. J., 30, 203 f. Sedulius Scotus, Líber de rectoribus christianis, 32 f., 113, 117 Seelenlehre, 77 f., 137—139, 174 f., 274 Seneca, 110 f., 116, 128, 257 f.
sensus, 176—180 Sentimentalisierung, 258 Silk, E. T., 6, 125, 252 Silvestre, H., 10 Sisam, K., 68, 94, 201 Skythen, 128 Snell, B., 168 f., 216 Sperka, E., 168 Ständelehre, 29, 33 f., 267, 272 St. Gallener Anonymus, s. Einsidìensis De statibus mundi, 33 Steinen, W. von den, 16, 98, 232 Stenton, F., M., 99 Stewart, H. F., 10 Stiglmayer, J., 237 Stoa, 14—21, 30, 32, 44, 48, 73, 102, 144, 183, 272 Stummer, F., 201 substantia, 79, 152 f., 156, 187, 223, 245, 251 Sündenlehre, 4 2 - 4 9 , 101, 109 f., 220, 229, 267 sufficientia, 47, 75, 84 superbia, 44—47, 52 f., 110, 148, 267, 269 Tarquinius, 126 temperantia, 27, 45 f., 73, 103, 110, 205, 271 Tetzlaff, G., 44 Teuffei, W. S., 213 Theoderich, 12, 15, 109, 238, 259 f. Theodulf von Orléans, 130 Theophrast, 47 Thüle, 127 Timmer, B. J., 60 f., 66, 69 Troeltsch, E., 32, 114, 266 Tyrannis, 46, 51, 63, 109—112, 115 f., 227, 238 f., 244, 268
Ubersetzungsfehler, 37, 79, 197—200 Ubersetzungsmethode, 159, 200—211, unnyt, 38, 44 f., 101, 269 f. usus (utilitas), vgl. unnyt, Güterlehre, 33, 74, 117 Vegetation, Lob der, 19, 138 f., 232, 234 f. Verdienstlehre, 35^12, 51, 67, 79 f., 269 f. Vergil, 143, 169, Georgica, 48 Verinnerlichung, 90 f., 176, 200 f., 229, 232, 237, 258—263 vestigia Dei, 246, 255 f., 278 virtus, 21, 28 f., 31, 57 f., 69, 83, 96, 100 f., 111 f., 114,116,164,180,243,266 f., 279 Vleeskruyer, R., 276 voluptas, 36, 47 f., 216, 244 f. Vulgärchristentum, 39, 115 Vyver, van de, 275 Waerferö, Übers. Dialogi, 24, 40, 83, 86, 159,168,195 f., 203,217,226,256 f., 276 Wallach, L., 98 Wanderer, 117 Wandruszka, M., 28 Weinreich, O., 249 Whitelock, D., 166 Wild, F., 131 Willensethik, 37 f., 43, 49—51, 93, 147, 229, 267 Wright, H. G., 249 Wülfing, E., 194, 218, 221 Wülker, R., 194 f. Wulfstan, 95, 97, De christianitate, 44, 54, De falsis deis, 131, De fide catholica, 54, Homilien, 101, Polity, 54, De septiformi spiritu, 96 Zandvoort, R. W., 199
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