Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel 9783428130498, 3428130499


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Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel
 9783428130498, 3428130499

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Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 47

Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel Herausgegeben von

Ansgar Hense und Martin Schulte

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ANSGAR HENSE / MARTIN SCHULTE (Hrsg.)

Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Otto Depenheuer · Alexander Hollerbach · Josef Isensee Joseph Listl · Wolfgang Loschelder · Hans Maier · Paul Mikat Stefan Muckel · Wolfgang Rüfner · Christian Starck

Band 47

Kirchliches Stiftungswesen und Stiftungsrecht im Wandel

Herausgegeben von

Ansgar Hense und Martin Schulte

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 978-3-428-13049-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft kirchlicher Stiftungen: einleitende Bemerkungen Von Ansgar Hense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Historische Grundlagen des kirchlichen Stiftungswesens Memoria, Caritas und das Problem der Dauer. Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche im Mittelalter Von Benjamin Scheller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kirchliche Stiftungen zwischen Säkularisierung und Rekonfessionalisierung Von Albrecht Fiedler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die kirchliche Stiftungslandschaft Katholische Stiftungslandschaft in Deutschland Von Kristin Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die evangelische Stiftungslandschaft in Mecklenburg Von Rainer Rausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Caritative Unternehmen katholischer Kirchengemeinden und der Stiftergedanke Von Wilhelm Mensing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des kirchlichen Stiftungswesens Ökonomische Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen Von Christian Opelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Innovative Investmentansätze für Stiftungen Von Jörg Liesner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

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Inhaltsverzeichnis

Nachhaltige Vermögensverwaltung im Bereich der kirchlichen Stiftungen. Anlage von Stiftungsvermögen im Einklang mit dem kirchlichen Auftrag Von Franziska Grüner und Sonja Gebhard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 IV. Die rechtlichen Grundlagen des kirchlichen Stiftungswesens Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der kirchlichen Stiftung Von Heinrich de Wall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Kirchliche Stiftungen im Spannungsfeld von Staat und Kirche Von Martin Schulte und Kristin Meyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Kirchliche Stiftungen in den (novellierten) Landesstiftungsgesetzen Von Ben Michael Risch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Kirchliche Stiftungen und kirchliches Arbeitsrecht Von Richard Giesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft kirchlicher Stiftungen: einleitende Bemerkungen Ansgar Hense I. Die Kirche geht stiften? Ein solcher (Unter-)Titel könnte als unseriös aufgefasst werden, da das „Stiften gehen“ weniger einigen positiven Stiftungsakt meint, als vielmehr den Verlust, das Verlorengehen. Es lässt sich aber feststellen: Kirchliche Stiftungen sind im Kommen 1. Und der Bericht über eine kirchliche Initiative zur Förderung des kirchlichen Stiftungswesens kann durchaus mit „Stiften gehen“ überschrieben werden 2. Stiftungen liegen aktuell überhaupt im Trend. Stiftungen gelten als Zeichen einer aktiven Bürgergesellschaft. So nimmt die große Zahl der in den letzten Jahren errichteten Bürgerstiftungen nicht wunder, zumal das bürgerschaftliche, gemeinnützige Engagement auch durch verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen gefördert werden soll. Die Erwartung, dass Stiftungen finanzielle Deckungslücken kompensieren sollen, dürfte von nicht geringer Bedeutung gewesen sein. Dies gilt für den öffentlichen-staatlichen Sektor ebenso wie auch für den innerkirchlichen Bereich. Demographischer Wandel und andere Faktoren führen auch bei den Kirchen zu stärkeren Sparmaßnahmen und nicht selten zum Rückzug der Kirche aus bisher betriebenen Sozialeinrichtungen. Dass sich gerade in einer solchen Situation der Stiftungsgedanke zu einem Motor und Aktivator entwickeln lässt, der zu einer „Gemeinde im Aufbruch“ führt, zeigt sich an der Bürgerstiftung Rheinviertel in Bonn-Bad Godesberg 3. Es konnte nicht nur die drohende Schließung von Kindergärten und anderem abgewendet werden, sondern auch ein Pilotprojekt von Bürgersinn gestartet werden, das „aus dem Herzen einer Kirchengemeinde“ entwickelt worden ist: „Die Kirche ist das Bindemittel, ideengebend und integrierend, den Geist der Initiative prägend und doch so zurückhaltend, dass jeder mitmachen 1 Plakativ der Sammelband: Wolfgang Vögele / Ralf Tyra (Hrsg.), Kirchliche Stiftungen sind im Kommen!, 2002 (Loccumer Protokolle 41/02). 2 Wolfgang Janowsky, ‚Stiften gehen‘ – oder: Wann macht Geld glücklich?, in: Wolfgang Vögele / Ralf Tyra (Hrsg.), Regionale kirchliche Stiftungen in der ev.-luth. Landeskirche Hannovers, 2001, (Loccumer Protokolle 30/01), 59 ff. 3 Aufschlussreich neben der Homepage [www.buergerstiftung-rheinviertel.de] die Beiträge in Simone Stein-Lücke / Thomas Schwittala, Gemeinde im Aufbruch: Selbsthilfe in der Epochenwende, hrsg. von der Bürgerstiftung Rheinviertel, Bonn 2007.

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kann, ohne sich vereinnahmt zu fühlen. Die Kirche steht wieder im ‚Dorf‘ und wird zum Symbol einer neuen Epoche bürgerschaftlichen Engagements, zum Zeichen einer gesellschaftlichen Rückbesinnung und Erneuerung“ 4. Katholische Kirchengemeinde St. Andreas und St. Evergislus in Bonn-Bad Godesberg führen nicht nur eine institutionelle Koexistenz, sondern beides ist miteinander verschränkt und aufeinander bezogen. Mag man auch nicht von einer Wiederkehr des Gleichen sprechen, so ist es doch bemerkenswert, dass bereit 100 Jahre vor der Reformation den kirchlichen Stiftungen eine besondere Funktion bei der ‚Kommunalisierung‘ zugekommen war 5. Stiftungen dienten – wie insbesondere die spätmittelalterlichen Forschungen der Historikerin Rosi Fuhrmann zum südwestdeutschen Raum gezeigt haben 6 – den Selbstbestimmungschancen von (Dorf-)Gemeinden, weil es sich um eine Vermögensmasse handelt, die weder dem Diözesanvermögen oder dem Pfarrkirchenvermögen einverleibt werden konnte noch auf andere Weise der Verfügungsgewalt kirchlicher Autorität unterfallen sollte 7. Vielmehr erfolgte eine Abkoppelung vom Kirchengut (im engeren Sinne). Die Selbständigkeit einer Stiftung – insbesondere sog. Minderstiftungen – war ein Recht des ortsansässigen Kirchenvolkes und stand mit seinen Zwecken zugunsten der Armen-, Kranken-, Siechen- und Altenpflege trotz seiner zweifelsfreien religiösen Motivation dem weltlichen Recht vielleicht näher als dem kirchlichen 8. Fuhrmann vertritt die These, dass durch eine Stiftung sich die (Dorf-)Gemeinschaft (communitas) konstituierte, sie sich letztlich also selbst gestiftet habe 9. Die reformatorische Hochschätzung der Kirchengemeinde war demzufolge nur der Nachvollzug einer Tendenz, die im spätmittelalterlichen

4 So der Pfarrer, Motor und Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Wolfgang Picken, Eine Idee schlägt Funken: ‚Bürgerstiftung Rheinviertel‘, in: Stein-Lücke / Schwitalla (Fn. 3), 9 und passim. 5 Zu den im einzelnen komplizierten gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Vorgängen siehe die Skizze von Peter Blickle, Die Reformation vor dem Hintergrund von Kommunalisierung und Christianierung, in: ders. / Johannes Kunisch (Hrsg.), Kommunalisierung und Christianisierung: Voraussetzungen und Folgen der Reformation 1400 –1600 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 9), Berlin 1989, 9 ff. Grundlegende Vertiefung Rosi Fuhrmann, Kirche und Dorf: religiöse Bedürfnisse und kirchliche Stiftung auf dem Lande vor der Reformation, Stuttgart u. a. 1995. 6 Fuhrmann, Kirche und Dorf (Fn. 5): dies., Dorfgemeinde und Pfründestiftung vor der Reformation: Kommunale Selbstverwaltungschancen zwischen Religion und Recht, in: Blickle / Kunisch (Fn. 5), 77 ff.; dies.; Christenrecht, Kirchengut und Dorfgemeinde: Überlegungen zur historischen Entwicklung kommunaler Rechte in der Kirche und deren Deutung für eine Rezeption der Reformation auf dem Lande, in: Allgemeine Geschichtforschende Gesellschaft (Hrsg.): Bäuerliche Frömmigkeit und kommunale Reformation; Itinera 8, 1988,14 ff. 7 So Rosi Fuhrmann, Dorfgemeinde und Pfründstiftung (Fn. 6), 77 (101). 8 Fuhrmann, Kirche und Dorf (Fn. 5), 409, 410. 9 Fuhrmann, Kirche und Dorf (Fn. 5), 425.

Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft kirchlicher Stiftungen

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südwestdeutschen Dorf bereits angelegt war und in dem Stiftungsboom zwischen 1450 bis 1500 seinen beredten Ausdruck gefunden hatte. Es ist hier nicht der Ort, diese Thesen zur Kommunalisierung und der Bedeutung von Stiftungen im einzelnen zu diskutieren. Die Mannigfaltigkeit kirchlichen Stiftungswesens – von der Pfründestiftung bis zur Hospitalstiftung – muss nicht zwingend dagegen sprechen. Es zeigt sich aber, dass das Stiftungswesen ein universalhistorisches Phänomen ist 10, das auch innerhalb der Kirche von Uniformität weit entfernt ist und unterschiedlichsten Interessen zu dienen bestimmt sein kann, ohne dass die religiöse Zwecksetzung dahinter zurücktreten muss. Das Stiftungswesen verfügt über eine reiche Geschichte. Ob und inwieweit die Stiftungen Katalysatoren beim Auseinandertreten von kirchlicher und politischer Gemeinde – einem Prozess, der wohl erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen wurde – waren, ist eine zwar bemerkenswerte Frage, die sich angesichts der Komplexität dieses Prozesses 11 nicht leicht beantworten lassen wird. Bemerkenswert ist in jedem Fall die Vielseitigkeit der kirchlichen Stiftung, die sich eng an ‚amtskirchliche‘ KernStrukturen anlegen lässt, aber auch Freiraum für pfarrliche bzw. kirchengemeindliche Aktivitäten bietet, ohne die kirchliche Zwecksetzung zu vernachlässigen 12. Unter günstigen Voraussetzungen und Bedingungen bietet eine Stiftung, wie das Godesberger Beispiel vielleicht zeigt, die Chance, dass sich eine Pfarrei in einer schwierigen Situation noch einmal neu zusammenfinden und ausrichten kann, mit Wirkung nach Innen wie nach Außen. Zumindest kann eine solche Stiftung ein Baustein dafür sein. Welche Wirkung die religiös-kirchlich fundierte Bürgerstiftungsidee im Rahmen der allenthalben zu beobachtenden Entkirchlichungsprozesse unter dem Label ‚believing without belonging‘ auf lange Sicht haben wird, lässt sich kaum prognostizieren. Vorläufig lässt sich aber konstatieren: sehr erfreulich! 13 10 Michael Borgolte, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne: Auf der Suche nach ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden in religiösen Grundlagen, praktischen Zwecken und historischen Transformationen, Berlin 2005, 9 ff. (9, 10); ders., Artikel ‚Stiftungen, kirchliche‘ in: TRE XXXII (2001), 167 ff. (167). 11 Dies betrifft dann auch übergreifende Prozesse wie die Unterscheidung bzw. Trennung von Staat und Kirche oder Staat und Gesellschaft. 12 Zur durchaus flexiblen organisatorischen Bandbreite im katholischen Rechtskreis näher Ansgar Hense, Katholische Stiftungen, Überblick, Grundlegung, Geschichte, in: W. Rainer Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, 1 (33 ff. m.w. N.). 13 „Die Stiftungsidee hat großes Potential. Was in den USA und England möglich ist, wird – wenn auch nicht sofort im selben Umfang – auch bei uns möglich werden. Eine Stiftung speziell, die aus einer kirchlichen Gemeinde heraus wächst, ist ein besonderer Brückenschlag in die Gesellschaft. Die Leute werden mit der gesellschaftlichen Dimension von Kirche vertraut gemacht, die es immer gab. Das zeigt das Potenzial der Stiftung: Menschen an die Kirche heranführen, aber auch der Kirche ein neues Gesicht geben“. So in einem Interview der Richter des Bundesverfassungsgerichts Udo Di Fabio, in: SteinLücke / Schwitalla (Fn. 3), 65 (71).

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Die Attraktivität des Stiftungswesens im kirchlichen Bereich liegt an dessen langer Geschichte, in der sich grundsätzlich immer wieder Kontinuität und Flexibilität dieser Rechtsform gezeigt haben. Die Stiftung gilt etwa als moderne rechtliche Form für Krankenhäuser 14. Während der Betrieb einer Sozialeinrichtung als eingetragener Verein – insbesondere als sog. Trägerverein – nicht unproblematisch ist 15, bietet sich die Stiftung neben der GmbH bzw. der gemeinnützigen GmbH als durchaus attraktive Rechtsform an 16. Die Stiftung kann sich dabei durchaus etwa den Anforderungen eines modernen Sozialmarktes gewachsen zeigen 17. Die Renaissance des Stiftungsgedankens wird befördert durch ihre Anschlussfähigkeit im kirchlichen Rechtskreis: Während dem Kirchenrecht die Rechtsform der GmbH ungeläufig ist, kann die Rechtsform der Stiftung auf eine lange kirchenrechtliche Tradition zurückblicken. In dieser Rechtsform besteht eine genetische Koinzidenz von weltlicher und kirchlicher Rechtsordnung. Die historisch-genetische Herkunft zementiert aber nicht die Rechtsform Stiftung. Die Leistungsfähigkeit dieser Rechtsform zeigt sich in ihrer Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, neue Herausforderungen und Aufgaben aufzunehmen. Eine aktuelle Herausforderung für die Stiftung ist ihre Fähigkeit, als unternehmerisch agierende Rechtsform zu fungieren. Dies gilt gerade für karitativ-diakonische Stiftungen. Die Herausbildung unternehmerischer Entscheidungsstrukturen unter Beachtung des Stifterwillens kann sich in Form einer sog. Unternehmensträgerstiftung realisieren 18. Hierbei wird zwischen unmittelbarer und mittelbarer Trägerstiftung unterschieden. Während die unmittelbare Trägerstiftung die soziale Einrichtung selbst betreibt, beteiligt sich die mittelbare Unternehmensträgerstiftung an der beispielsweise als GmbH verfassten Sozialeinrichtung, weshalb diese Konzeption als unternehmensverbundene Stiftung oder als Beteiligungsstiftung bezeichnet wird. Selbst wenn die Beteiligungsstiftung nicht Trägerin einer so14 Horst Ohlmann, Die Stiftung als moderne Rechtsform für Krankenhäuser, ZMGR 1/2003, 14 ff. 15 Jedenfalls soweit man einem solchen Ansatz folgen würde, wie es das OLG Dresden in seinem – mittlerweile vom BGH aufgehobenen – Urteil vom 9. August 2005 (Az. 2 U 897/04). Kritisch zu dieser Entscheidung Karsten Schmidt, Wirtschaftliche Betätigung und Idealverein: Rechtsfolgen einer Überschreitung des ‚Non-Profits‘-Privilegs, ZIP 2007, 605 ff. Siehe auch Wolfgang Rüfner, Schulden als Dank fürs Ehrenamt?, Neue Caritas 3/2006, 22 ff. Zum Urteil des BGH vom 10. Dezember 2007 (Az. II ZR 239/05) siehe Rüfner, Der Verein haftet, nicht die Mitglieder, Neue Caritas 7/2008, 25 f. 16 Zu einigen Fragen siehe Ulrich Burgard, Mitgliedschaft und Stiftung: Die rechtsfähige Stiftung als Ersatzform des eingetragenen Vereins, in: Non Profit Law Yearbook 2005 (2006), 95 ff. Speziell zur Alternative GmbH Thomas Bauer, Die GmbH als Rechtsform karitativer Einrichtungen der Kirche, Frankfurt a. M. u. a. 2003. 17 Instruktiv Josef Gronemann, Die kirchliche katholische Stiftung privaten Rechts: Träger sozialer Einrichtungen, in: 100 Jahre GFO – Dem Nächsten zugewandt. Festschrift der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe, 2002, 38 ff. 18 Dazu und zum Folgenden siehe nur Gronemann, Stiftung (Fn. 17), 38 (42 f.).

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zialen Einrichtung ist, so ist sie doch Garantin der kirchlichen Zwecksetzung 19. Neben der Sicherung von Kirchlichkeit der Stiftung bedarf es einer professionellen Organisationsstruktur 20, zu der etwa die Trennung von Geschäftsführung und (interner) Aufsicht gehört. Die durch KonTraG 21, TransPuG 22 und DCGK 23 normierten Grundsätze gelten zwar nicht unmittelbar für die Rechtsform Stiftung, doch reichen die Auswirkungen dieser Grundsätze nach allgemeiner Auffassung über die Rechtsform der börsennotierten Aktiengesellschaften hinaus und sind zumindest für solche Stiftungen zu bedenken, die als Einrichtungsträger fungieren 24. Hinter der Fassade der Stiftungen mag es immer wieder zu Neujustierungen, instrumentellen Verfeinerungen kommen, die auf zeitliche Herausforderungen und Anpassungsbedürfnisse reagieren, das rechtliche Gehäuse, die Idee der Stiftung bleibt in den Zeitläuften aber im Grundsatz die Gleiche. Bemerkenswert ist, dass Stiftungen mit religiös-kirchlicher Zwecksetzung keineswegs nur auf die christlichen Kirchen beschränkt sein müssen, vielmehr lässt sich entgegen der Terminologie vieler Landesstiftungsgesetze, die regelmäßig den Terminus ‚kirchliche Stiftungen‘ verwenden, sogar von religiösen Stiftungen sprechen 25. Ebenso wie es buddhistische Stiftungen gibt, so ist die Stiftung auch eine dem islamischen Rechtsdenken nicht ungeläufige Rechtsform 26. Die kirchlichen Stiftungen – wie das Stiftungswesen überhaupt – blicken nicht nur auf eine bewegte Geschichte zurück 27, sondern haben noch eine bewegende Geschichte vor sich. 19

So Gronemann, Stiftung (Fn. 17), 38 (43 f.). Zu der relativen Freiheit bei der Ausgestaltung der Stiftungsorganisation siehe Dominique Jakob, Schutz der Stiftung: Die Stiftung und ihre Rechtsverhältnisse im Widerstreit der Interessen, Tübingen 2006, 200, 228 und passim. Siehe auch Ulrich Burgard, Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht: Zur Einführung korporativer Strukturen bei der Stiftung, Köln 2006. 21 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich. 22 Transparenz- und Publizitätsgesetz. 23 Deutscher Corporate Governance Kodex. 24 Ludwig Schüller, Die Auswirkungen des KonTraG auf Stiftungen, in: Die Roten Seiten, Stiftung & Sponsoring, 3/2002, 5. Siehe auch Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und wirtschaftlicher Aufsicht. Eine Handreichung des Verbandes der Diözesen Deutschlands und der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, 2. Aufl., März 2007 (Arbeitshilfen 182). Instruktiv die im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes e.V. und des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. von der Solidaris Unternehmensberatungs-GmbH erarbeitete Arbeitshilfe „KonTraG, TransPuG, DCGK: Auswirkungen auf die Arbeit von Geschäftsführungen und Aufsichtsgremien gemeinnütziger Organisationen“, 2. Aufl. 2003. 25 Dies herauszustellen war das Anliegen des zu früh verstorbenen Hamburger Rechtswissenschaftlers Rainer W. Walz. Siehe dazu die Beiträge in dem von ihm herausgebenen Sammelband (Fn. 12). 26 Statt vieler siehe Ansgar Hense, ‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft: religionsverfassungs- und stiftungsrechtliche Problemübersicht, in: Non Profit Law Yearbook 2005, 15 (33 ff. m.w. N.). 20

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II. Die Beiträge dieses Bandes Der bewegt-bewegende Erfahrungsraum des Stiftungsgedankens und der nicht minder herausfordernde Erwartungshorizont des Stiftungswesens beschränken sich nicht ausschließlich auf die rechtliche Verortung und die juristischen Probleme. Es empfiehlt sich aus diesem Grunde auch zu diesem Sektor ein mehrperspektivischer Zugang 28. Benjamin Scheller geht in seinem Beitrag „Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche im Mittelalter“ nach. Hierbei wendet er sich zuerst der Konnexität von Stiftung und Totenmemoria zu, die in der Karolingerzeit entstand und bis zum Ausgang des Mittelalters bestand. Da die reformatorische Theologie die Messe nicht mehr als Opfermahl verstand, erfolgte eine Abkehr von der überkommenen theologischen Konzeption, die nicht ohne Auswirkung auf das Stiftungswesens bleiben konnte. Die Wahlverwandtschaft zwischen Stiftung und kirchlicher Caritas ist der Kirche seit alters her eigen gewesen. Hier zeigt Scheller, dass die Anlehnung an die Institution Kirche den caritativen Initiativen Dauer vermitteln konnte, weil es an stabilen, institutionalisierten Rechtsformen mangelte. Da diese Beziehung zu Vermischungen von Stiftungs- und Kirchenvermögen führten und teilweise Zweckentfremdungen des Stiftungsguts die Folge waren, kam es zu Entkoppelungen, bei denen die Stiftungen sich mehr an weltliche Genossenschaften anlehnten und es somit zu einer Konkurrenz der ‚Dauerpersonen‘ gekommen ist. Auf welche Schwierigkeiten die rechtliche Qualifikation einer Stiftung als kirchliche stoßen kann, beschäftigt immer wieder die Gerichte. Der Fall der Stiftung Liebenau – immerhin eine Stiftung, die unter die zehn größten Stiftungen in Deutschland überhaupt zählt – ist momentan zwar gerichtlich noch nicht abschließend entschieden, aber schon Gegenstand eingehender rechtswissenschaftlicher 27 Grundlegend dazu die Forschungen des Berliner Historikers Michael Borgolte und seiner Schüler. Siehe etwa Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht, in: ZRG Kan. Abt. 105 (1988), 71 ff.; ders., „Totale Geschichte“ des Mittelalters? Das Beispiel der Stiftungen, 1993; ders., Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft, in: Geuenich / Oexle (Hrsg.), Memoria in der Gesellschaft der Mittelalters, Göttingen 1994, 267 ff.; ders., Von der Geschichte des Stiftungsrechtes zur Geschichte der Stiftungen, in: Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, hrsg. von Campenhausen u. Mecking, 2. Aufl., Tübingen 2002, 13* ff.; Benjamin Scheller, Memoria an der Zeitenwende: Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505 –1555), Berlin 2004; ders., Gedenken und Geschäft: Die Repräsentation der Fugger in ihrer Grabkapelle bei St. Anna in Augsburg, in: Borgolte / Fonseca / Houben (Hrsg.), Memoria: Erinnern und Vergessen in der Kultur des Mittelalters, Berlin 2005, 133 ff. 28 Zu einem solchen Ansatz Martin Schulte, Recht, Staat und Gesellschaft – rechtsrealistisch betrachtet, in: Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit. Festschrift für Werner Krawietz zum 60. Geburtstag. Hrsg. von A. Aarnio u. a., Berlin 1994, 317 ff.

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und historischer Gutachten geworden 29. Ein anderer Fall sind die Vereinigten Hospitien Trier, die Albrecht Fiedler in seinem Beitrag „Kirchliche Stiftungen zwischen Säkularisierung und Rekonfessionalisierung“ näher untersucht. Es zeigt sich an diesem Beitrag einmal mehr, mag man mit den Ergebnissen Fiedlers übereinstimmen oder nicht, wie bedeutungsvoll und komplex die historische Analyse gerade bei den altrechtlichen Stiftungen ist. Verallgemeinernde Aussagen werden sich kaum feststellen lassen, so dass es immer der konkreten Untersuchung des Einzelfalls bedarf, was sich nicht zuletzt wiederum auch am Beispiel Liebenau zeigt, aber auch an anderen Stiftungen nachgewiesen werden könnte. Den kirchlichen Stiftungslandschaften wenden sich die beiden Beiträge von Kristin Meyer und Rainer Rausch zu. Während Meyer die katholische Stiftungslandschaft in ganz Deutschland untersucht und dabei insbesondere auch die kirchenrechtlichen Vorgaben thematisiert, behandelt Rausch konkret die evangelischen Stiftungslandschaft in Mecklenburg und analysiert damit das Stiftungswesen und die Bedeutung von Stiftungen innerhalb eines Territoriums, welches durch die wechselhafte Geschichte geprägt worden ist. Erfahrungsraum und Erwartungshorizont der Stiftungsidee zwischen den Zeiten werden anschaulich nachgezeichnet. Ein besonderes Fallbeispiel stellt Wilhelm Mensing in seinem Beitrag „Caritative Unternehmen katholischer Kirchengemeinden und der Stiftergedanke“ vor. Er zeigt die mögliche Bedeutung der Rechtsform Stiftung im Rahmen von kirchlichen Umbau- und Neubauprozessen auf. Das eingangs erwähnte Beispiel einer kirchlichen Bürgerstiftung wird um eine andere Facette kirchengemeindlichen Bewusstseins ergänzt. Die Frage der Anlage des Stiftungsvermögens dürfte ein nicht zu vernachlässigender Aspekt bei der Behandlung des Stiftungsthemas sein. Deshalb gelten drei Beiträge den (betriebs-)wirtschaftlichen Aspekten. Die Anlage des Stiftungsvermögens ist die praktische Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit der Stiftung. Christian Opelt widmet sich den „Ökonomischen Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen“ bei der Anlage des Stiftungskapitals. Jörg Liesner leuchtet eingehend „innovative Investmentansätze für Stiftungen“ aus und Franziska Grüner und Sonja Gebhard setzen sich mit der nachhaltigen Vermögensverwaltung im Bereich der kirchlichen Stiftungen auseinander, die als ethische Investments mit dem kirchlichen Auftrag in Einklang stehen. Die ökonomischen Beiträge sollen keine Patentrezepte der Anlage von Stiftungsvermögen vermitteln, sondern können nur denkbare Ansätze und Konzepte sowie die Schwierigkeiten ‚richtiger‘ Anlagestrategien illustrieren. 29 Andreas Holzem, Konfession und Sozialstiftung in Württemberg (1870 –1970). Stiftungsrecht und Religionskultur der Stiftung Liebenau zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik Deutschland (Tübinger Kirchenrechtliche Studien, hrsg. v. Richard Puza, Bd. 6), Berlin 2008; Karl-Hermann Kästner / Daniel Couzinet, Der Rechtsstatus kirchlicher Stiftungen staatlichen Rechts des 19. Jahrhunderts. Eine Untersuchung am Beispiel der Stiftung Liebenau, Tübingen 2008.

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Den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der kirchlichen Stiftung gilt das Augenmerk von Heinrich de Wall, der in einem ersten Schritt die grundlegenden allgemeinen Aspekte eines Stiftungsverfassungsrechts beleuchtet, bevor er sich in einem zweiten Schritt der religionsverfassungsrechtlichen Verortung der kirchlichen Stiftungen zuwendet. Sein besonderes Augenmerk gilt hierbei der sog. Kirchengutsgarantie nach Art. 140 GG/138 Abs. 2 WRV und der Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG/137 Abs. 3 WRV. Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen bieten eine stabile Fundamentalordnung für das Stiftungswesen. Sie umhegen die Besonderheiten des sehr mannigfaltigen kirchlichen Stiftungswesens, bei dem zwei komplementär aufeinander bezogene Rechtsordnungen kirchlichen und staatlichen Ursprungs in Konkordanz zu bringen sind. An den Grundsatzbeitrag von de Wall schließen sich die Ausführungen von Martin Schulte und Kristin Meyer zu den kirchlichen Stiftungen im Spannungsfeld von Staat und Kirche an. Während de Wall den verfassungsrechtlichen Horizont des Stiftungswesens im Allgemeinen wie der kirchlichen Stiftungen im Besonderen abgeschritten hat, so analysieren Schulte und Meyer die rechtlichen Fragestellungen – vor dem Hintergrund der Stiftungsrechtsprechung – in einer Tiefendimension, die von der Qualifikation als kirchlicher Stiftung über die praktisch hoch bedeutsamen Aufsichtsfragen angesichts der Liberalisierung kirchlicher Stiftungsaufsicht bis zu den vergaberechtlichen Problemen kirchlicher Stiftungen als öffentlicher Auftraggeber im Sinn des § 98 GWB reicht. Es gehört zu den Eigenheiten des deutschen Föderalismus, dass das Stiftungswesen vorrangig in den Landesstiftungsgesetzen normiert wird. Angesichts der deskriptiven Leitbilder kompetitiver Föderalismus oder Gestaltungsföderalismus kommt dem binnenföderalen Rechtsvergleich große Bedeutung zu. Ben Michael Risch geht im Folgenden den kirchlichen Stiftungen in den novellierten Landesstiftungsgesetzen nach und zeigt hier Entwicklungsstand und -perspektiven im Einzelnen auf, wobei trotz weitreichender Vergleichbarkeit der Landesrechte doch nicht unerhebliche Unterschiede zu den kirchlichen Stiftungen auszumachen sind. Stiftungen sind – wie eingangs angedeutet – nicht selten Träger sozialer Einrichtungen und gelten neben der GmbH bzw. der gemeinnützigen GmbH als die Rechtsform, die sich für solche Trägerschaften geradezu anbietet. Dies berührt dann auch die für die Kirche so bedeutsamen Fragen des Arbeitsrechts. Richard Giesen untersucht eingehend die Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts für die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Stiftungen. Nicht wenige gerichtliche Auseinandersetzungen über die Qualifikation als kirchliche Stiftung fanden ihren Grund in diesem Punkt. Die berühmte Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall des Wilhelm Anton Hospitals zu Goch ist ein Beispiel hierfür 30. Rechts30 BVerfGE 46, 73. Siehe dazu Karl Eugen Schlief , Der Fall Goch, in: Verantwortlichkeit und Freiheit. Festschrift für Willi Geiger zum 80. Geburtstag. Hrsg. von H. J. Faller u. a., Tübingen 1989, 704 ff.

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fragen entstehen auch bei der Überführung bestehender sozialer Einrichtungen in eine kirchliche Stiftung oder bei einem Wechsel vom kirchlichen ins rein staatliche Arbeitsrecht und umgekehrt. III. Kurzer Ausblick Ein renommierter Stiftungs- und Zivilrechtler hat die kirchlichen BGB-Stiftungen jüngst – trotz wachsender dogmatischer Ordnungsbemühungen – als ein „Paradebeispiel für ungeordneten Wildwuchs“ charakterisiert 31. Er hat den Landesgesetzgebern vorgeworfen, dass sie sich nicht hinreichend bemüht hätten, das Spannungsfeld von staatlicher Verantwortung, Kirchenautonomie und Autonomie von Stifter und Stiftung auszutarieren. Herausgekommen seien unterschiedliche landesrechtliche Regelungen, die den Wünschen von Interessengruppen nachgegeben hätten. Statt den kirchlichen Stiftungen unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben „den ihnen gemäßen Platz im Gesamtssystem des Stiftungswesens zuzuweisen“, habe man mit den Kirchen verhandelt 32. Über diese Vorwürfe könnte man sich ad infinitum streiten. De Wall hat nicht zu Unrecht in diesem Band vor dem religionsverfassungsrechtlichen Hintergrund ausgeführt, dass sich gerade angesichts der Besonderheiten kirchlicher Stiftungen schematische Lösungen verbieten. Eine „entwicklungsgeschichtlich belehrte Gegenwartsdogmatik“ 33 weiß um die Besonderheiten des Verhältnisses von Staat und Kirche, Staat und Religion. Es gilt, was Rainer Wahl in einem anderen Zusammenhang ausgeführt hat, auch für das kirchliche Stiftungswesen: „Was kompliziert ist, kann durch geschicktes Arrangement etwas weniger kompliziert werden, es kann aber nicht wirklich einfach gemacht werden“ 34. Das kirchliche Stiftungswesen – eventuell noch allgemeiner ein denkbarer Sektor religiöser Stiftungen – wird sich angesichts seiner fast unendlichen Mannigfaltigkeit kaum systemisch geschlossen erfassen lassen. Darin liegt ein faktischer Reiz und eine wissenschaftliche Herausforderung, an deren Verarbeitung und geschicktem Arrangieren es weiter zu arbeiten und zu forschen gilt.

31 Dieter Reuter, Die privat gegründete kirchliche BGB-Stiftung im Spannungsfeld von staatlicher Verantwortung, Kirchenautonomie und Autonomie von Stifter und Stiftung, in: Zwischen Markt und Staat. Gedächtnisschrift für Rainer Walz. Hrsg. von H. Kohl u. a., Köln u. a. 2008, 539 (557). 32 Reuter, ebda. 33 Näher zu diesem Konzept Eduard Picker, Der vindikatorische Herausgabeanspruch, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. I (2000), S. 693 (698). 34 Rainer Wahl, Herausforderungen und Antworten: Das Öffentliche Recht der letzten fünf Jahrzehnte, Berlin 2006, 66.

I. Historische Grundlagen des kirchlichen Stiftungswesens

Memoria, Caritas und das Problem der Dauer Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche im Mittelalter 1 Benjamin Scheller Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass es die Aufgabe der Geschichtswissenschaft wäre, die Vergangenheit zu rekonstruieren. Denn das „Ergebnis historischer Forschung“ ist, mit den Worten Johann Gustav Droysens, „nicht die Herstellung der Vergangenheit, sondern ein Etwas, dessen Elemente, wie latent und eingehüllt immer, in unserer Gegenwart liegen. (...) Und indem wir diese gewissen Dinge in unserer Gegenwart so forschend erschließen und aufklären, entwickeln wir latente Reichtümer unserer Gegenwart und zeigen, wie viel mehr sie enthält als nur das auf der Oberfläche Liegende.“ 2 Wie richtig dies ist, zeigt kaum etwas besser als das Beispiel der Stiftungen. Stiftungen, so die Auffassung, die seit ca. Mitte der 90er Jahre des gerade vergangenen Jahrhunderts immer stärker durchdringt, gehören zu den latenten Reichtümern unserer Gegenwart, die dringend aufgeschlossen gehören. Verspricht man sich doch von dieser Form bürgerlichen Engagements einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung drängender Probleme der Gegenwart. Stiftungen sollen einen Ausgleich dafür schaffen, dass sich der Staat aus der Finanzierung von Bildung, Kultur und der sozialen Abfederung von Lebensrisiken zusehends stärker zurückzieht. Mit der Reform des Stiftungssteuerrechts im Jahre 2000 hat auch der Gesetzgeber einen Beitrag zur Aufschließung des Potentials, das unsere Gesellschaft für Stiftungen bietet, geleistet. Und nun, so verkündet es der Titel dieser Tagung, will auch die Kirche „stiften gehen“, die latenten Reichtümer der Stiftungen für sich erschließen, wobei es, wie ich einmal unterstellen will, natürlich nicht nur um materielle Reichtümer geht, auch wenn solche in Zeiten rückgängiger Kirchensteuereinnahmen sicherlich nicht ganz unwillkommen sind. Lange bevor in Politik und Kirche hierzulande begonnen wurde, dermaßen anwendungsorientiert über Stiftungen nachzudenken, hatte jedoch bereits die 1 Im Folgenden wird der Vortrag auf der Tagung „Die Kirche geht stiften“ in der Katholischen Akademie in Mainz vom 03. 11. 2005 im Wortlaut wiedergegeben. 2 Droysen, Historik. Rekonstruktion der ersten vollständigen Fassung der Vorlesungen (1857). Grundriss der Historik in der ersten handschriftlichen (1857/1858) und in der letzten gedruckten Fassung (1882) (1977), hrsg. v. Peter Leyh, Stuttgart, 219.

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Geschichtsforschung, genauer: die Wissenschaft von der Geschichte des Mittelalters, begonnen, sich für Stiftungen zu interessieren. Und im Verlauf der letzten 25 Jahre hat sich das Terrain der Stiftungsgeschichte hier zu einem blühenden Forschungsfeld entwickelt. 3 Grundlegend war dabei ein Perspektivenwechsel von der Rechtsgeschichte zu einer integrierten Kultur- und Sozialgeschichte. Dies bedeutet freilich nicht, dass nach der genuin juristischen Dimension von Stiftungen nicht mehr gefragt worden wäre. 4 Ein sozial- und kulturhistorisches Konzept der Stiftung soll das juristische nicht ersetzen. Vielmehr besteht seine Funktion darin, vernachlässigte Dimensionen von Stiftungen untersuchen zu können. Sein Angelpunkt ist die Einsicht, dass die Stiftungen des Mittelalters stets die vergegenwärtigende Erinnerung an den Stifter sichern sollten, kurz der Memoria dienten. Von hier aus erschließt sich die Geschichte der Stiftungen als Geschichte der Menschen und „ihrer Sorge um Memoria und Gegenwart unter den Lebenden“. 5 Kulturgeschichtlich ist dieser Ansatz, da er von der Bedeutung ausgeht, die Stiftungen als Form sozialen Handelns für Stifter und Destinatäre hatten: Sicherung der Memoria für erstere, Vergegenwärtigung der Toten durch memoriales Handeln für letztere; sozialhistorisch, weil er den Blick auf die Wechselbeziehung zwischen Stiftern und Empfängern lenkt, auf die sozialen Gebilde, die durch Stiftungen geschaffen werden und die sozialen Zusammenhänge, in denen Stiftungen etabliert und vollzogen werden. 6 Dass die Kultur- und Sozialgeschichte der mittelalterlichen Stiftungen eng mit der Geschichte der mittelalterlichen Kirche verwoben war, liegt auf der Hand, und man kann wohl sagen, dass Stiftungen und Kirche nie zuvor und nie danach in einer so engen Beziehung zueinander standen, wie während des Mittelalters. Wenn die Kirchen heute „stiften gehen“ wollen, so mag es deshalb hilfreich sein, die Stiftungen des Mittelalters in den Blick zu nehmen, um so möglicherweise im Sinne Droysens latente Reichtümer unserer Gegenwart in den Beziehungen der Kirche zu den Stiftungen ins Bewusstsein treten zu lassen. 3 Vgl. den Überblick bei Wagner, Stiftungen des Mittelalters in sozialgeschichtlicher Perspektive (2001), in: Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 27, 639 –655. 4 Vgl. Goez, Misstrauische Stifter. Aus Testamenten und Schenkungsurkunden zugunsten der fränkischen Zisterze Ebrach (2000), in: Matthias Thumser / Annegret WenzHaubfleisch / Peter Wiegand (Hrsg.), Studien zur Geschichte des Mittelalters. Fschr. Jürgen Petersohn, Stuttgart, 260 – 270. 5 Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht (1988), in: ZRG KA 105, 71 – 94, 94. 6 Scheller, Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505 –1555) (Stiftungsgeschichten, Bd. 3) (2004), Berlin, 20 f.

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Dabei soll im Folgenden bewusst nicht nur nach den kirchlichen Stiftungen des Mittelalters gefragt werden. 7 „Stiftungen sind eine universalhistorische Erscheinung, sie begegnen also auch außerhalb des Christentums.“ 8 Und auch im okzidentalen Mittelalter gab es durchaus und immer wieder Stiftungen, an denen die Kirche weder als Stifter, noch als Destinatär oder als Stiftungsorgan beteiligt war. Soll die Geschichtswissenschaft vom Mittelalter einen Beitrag zur Erschließung latenter Reichtümer auf dem Gebiet kirchlicher Stiftungen der Gegenwart leisten, dann erscheint es deshalb sinnvoller, die Beziehung von Kirche und Stiftungen nicht vorauszusetzen, sondern als historisches Problem zu formulieren. Es gilt also, danach zu fragen, welche Schnittmengen bzw. welche besonderen Wechselbeziehung zwischen dem universalhistorischen Phänomen der Stiftung und dem zeitlich und räumlich begrenzten Phänomen der mittelalterlichen, westlichen Kirche bestanden. Zu diesem Zweck sollen drei konstitutive Dimensionen mittelalterlicher Stiftungen in den Blick genommen und auf ihre Wechselbeziehungen zur mittelalterlichen Kirche hin untersucht werden: 1. Das alles überwölbende Motiv, das die Stifter des Mittelalters antrieb: ihr Streben nach Memoria. 2. Der zwar nicht einzige, aber wohl typische Zweck mittelalterlichen Stiftungen, die Caritas. 3. Das überzeitliche Problem von Stiftungen, die Sicherung ihrer Dauer. Denn die Dauer des vom Stifter bestimmten Zwecks und der von ihm angestrebten Memoria über den Tod des Stifters hinaus, ist es ja, was die Stiftung von der einfachen Schenkung unterscheidet. Untersucht man diese drei konstitutiven Dimensionen der mittelalterlichen Stiftungen, dann treten spezifische Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche des Mittelalters zutage. I. Das Motiv der Memoria Stiftungen waren und sind in allen Kulturen, die Stiftungen kennen, durch den Wunsch des Stifters motiviert, den Tod durch Nachleben in vergegenwärtigender 7 Zu diesen vgl. Campenhausen, Kirchliche Stiftungen in Vergangenheit und Gegenwart (1984), in: Jb. d. Ges. f. Nieders. KG 82, 113 ff. 8 Borgolte, Art. Stiftungen, Kirchliche I. Alte Kirche und Mittelalter (2000), in: TRE. Bd. 32. Berlin / New York, 167 –170, 167; vgl. dazu jetzt die Beiträge in: ders. (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4.) (2005), Berlin; sowie ders., Von der Geschichte des Stiftungsrechts zur Geschichte der Stiftungen (2002), in: Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts, I. Band: Geschichte des Stiftungsrechts, Ndr. Tübingen, 13*-69*.

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Erinnerung zu überwinden. 9 Dies gilt auch für die christlichen Stiftungen des okzidentalen Mittelalters. Ihre Besonderheit bestand jedoch darin, dass sich in ihnen der Gedanke der Gegenwart der Toten mit der Idee der Interzession der Lebenden verband. 10 Der Gedanke der postumen Sündenläuterung findet sich bereits bei Cyprian († 258), also um die Mitte des 3. Jahrhunderts. Ihm zufolge werden alle, die Christus verleugnet haben, in die Unterwelt versetzt, wo sie bis zur Auferstehung büßen müssen. 11 Augustinus und vor allem Gregor der Große formulierten dann im 5. und 6. Jahrhundert die Vorstellung aus, dass die Lebenden den Seelen der Verstorbenen durch stellvertretende Bußleistungen bei der Reinigung von lässlichen Sünden behilflich sein könnten. Das betrifft freilich nur die, um mit Augustinus zu sprechen, non valde mali. Die valde boni bedürfen der Interzession der Lebenden nicht, und für die valde mali ist sie nutzlos. 12 Die spezifische Wahlverwandtschaft zwischen den Stiftungen des Mittelalters und der Kirche entstand jedoch erst, als sich erstens die Ansicht verbreitete, dass die postume Reinigung der Seele von Sünden vor allem durch die Feier des Messopfers befördert würde, und zweitens die Privatmessen entstanden, deren Wirkung allein auf den Opfernden eingeschränkt wurde, der diese aufgrund der Gaben, die er dargebracht hatte, für sich beanspruchen zu können glaubte. Bereits Gregor den Große hatte der Messe eine besondere sühnende Wirkung zugeschrieben. Die Auffassung, dass die Messe auch fürbittend wirkt, setzte sich jedoch erst in karolingischer Zeit durch. 13 „In dieser Auffassung haben wir eine der wichtigsten Voraussetzungen zu sehen für die damals aufkommenden Messen in besonderen Anliegen wie dann auch für die Totenmessen.“ 14 Die sukzessive „Monopolisierung des Gedenkens durch die Kirche“ in karolingischer Zeit hatte hierin wohl eine ihrer Ursachen. 15 Die Messe war schließlich „ein allein den Priestern möglicher Sühneakt“. 16 Und so verschwanden nun die frühchristlichen Memorialstiftungen, die in der Tradition der heidnischen Antike 9 Borgolte, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4) (2005), Berlin, 9 –21, 11. 10 Oexle, Die Gegenwart der Toten (1983), in: Herman Braet / Werner Verbeke (Hrsg.), Death in the middle ages (Medievalia Lovaniensia, I/9.), Leuven, 19 –77; Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria (1984), in: Schmid / Wollasch (Hrsg.), Memoria, 79 –199. 11 Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria (1984), in: Schmid / Wollasch (Hrsg.), Memoria, 79 – 199, 157. 12 Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria (1984), in: Schmid / Wollasch (Hrsg.), Memoria, 79 – 199, 158. 13 Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria (1984), in: Schmid / Wollasch (Hrsg.), Memoria, 79 – 199, 143. 14 Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria (1984), in: Schmid / Wollasch (Hrsg.), Memoria, 79 – 199, 146.

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Freigelassene mit der Sorge für die Memoria beauftragt hatten. 17 Letztmalig findet man eine solche Freigelassenenstiftung zu Beginn des 7. Jahrhunderts im Testament des Bischofs Bertram von Le Mans (616). 18 An die Stelle der Freigelassenen, die sich am Todestag des Stifters an dessen Grab versammelten und dort zu dessen Gedächtnis ein gemeinsames Mahl zelebrierten, Lichter entzündeten und beteten, traten die Priester, die am Todestag des Stifters die Messe für ihn zelebrierten. 19 Die Klerikalisierung der ursprünglich laikalen Mönchskonvente in karolingischer Zeit muss man wohl ebenfalls als Folge der stetig wachsenden Nachfrage nach Messen ansehen. 20 Die in karolingischer Zeit entstandene Totenmesse wurde in der Folgezeit sukzessive zum Zentrum des liturgischen Totengedächtnisses, und die Messstiftung blieb bis zum Ende des Mittelalters die wichtigste Form, das liturgische Gedächtnis durch Stiftung zu sichern. Im Vordergrund stand dabei vor allem die Totenmesse am Anniversar des Todestages. 21 Doch auch andere Messen konnten den Stiftern zur postumen Läuterung ihrer Seele appliziert werden. 22 Daneben existierten freilich auch andere Formen liturgischer Memoria und damit auch der Memorialstiftung weiter, hingewiesen sei hier auf das Totengedenken der Mönche während des Officium capituli. 23 Auch in dieses konnte man aufgrund einer Stiftung eingeschlossen werden. Die bedeutendste Alternative zum liturgischen 15 Borgolte, Freigelassene im Dienst der Memoria. Kulttradition und Kultwandel zwischen Antike und Mittelalter (1983), in: Frühmittelalterliche Studien 17, 1983, 234 –250, 249. 16 Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria (1984), in: Schmid / Wollasch (Hrsg.), Memoria, 79 – 199, 148. 17 Borgolte, Freigelassene im Dienst der Memoria. Kulttradition und Kultwandel zwischen Antike und Mittelalter (1983), in: Frühmittelalterliche Studien 17, 1983, 234 –250; zu den antiken Freigelassenenstiftungen jetzt Pickert, Die römischen Stiftungen der augusteischen Zeit (2005), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4), Berlin, 23 –45; vgl. auch Oexle, Mahl und Spende im mittelalterlichen Totenkult (1984), in: FMSt. 18, 401 –420. 18 Borgolte, Felix est homo ille, qui amicos bonos relinquit. Zur sozialen Gestaltungskraft letztwilliger Verfügungen am Beispiel Bischof Bertrams von Le Mans (616) (1982), Festschrift für Berent Schwineköper, hg. von Helmut Maurer – Hans Patze, Sigmaringen, 5 –18; ders., Freigelassene im Dienst der Memoria. Kulttradition und Kultwandel zwischen Antike und Mittelalter (1983), in: Frühmittelalterliche Studien 17, 1983, 234 –250. 19 Borgolte, Freigelassene im Dienst der Memoria. Kulttradition und Kultwandel zwischen Antike und Mittelalter (1983), in: Frühmittelalterliche Studien 17, 1983, 234 –250. 20 Angenendt, Missa Specialis (1983), Zugleich ein Beitrag zur Entstehung der Privatmessen, in: FMSt 17, 153, 208. 21 Lentze, Begräbnis und Jahrtag im mittelalterlichen Wien (1950), in: ZRG KA 36, 1950, 328 –364; ders., Das Seelgerät im mittelalterlichen Wien (1958), in: ZRG KA 44, 1958, 35 – 103. 22 Merk, (1926), Die messliturgische Totenehrung in der römischen Kirche. Zugleich ein Beitrag zum mittelalterlichen Opferwesen. T. 1 (1926), Stuttgart.

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Gedächtnis in der Messe bildete freilich das Gebet der Armen. Auf dieses wird weiter unten noch zurückzukommen sein. In eine gewisse Konkurrenz zu gestifteten Ewigmessen traten mit der Verbreitung der Fegefeuerlehre seit dem 12. Jahrhundert kumulative Messen, die nur für einen begrenzten Zeitraum unmittelbar nach dem Tod gelesen wurden. 24 Für sie bedurfte es keiner Stiftung, sondern nur der Schenkung. Denn es lag in der Logik der Fegefeuerlehre, unmittelbar nach dem Tod möglichst viele Messen lesen zu lassen, um so den Aufenthalt am Läuterungsort auf das unbedingt Nötige zu beschränken. Doch konnte diese Praxis die Ewigmessen bis zum Ende des Mittelalters nicht verdrängen. 25 Wohl nicht zuletzt deshalb, weil man sich nicht sicher war, ob die Messen den Seelen im Fegefeuer zugutekommt, indem sie die Dauer ihrer Leiden verkürzten, oder indem sie die Leiden nur linderten. 26 Und so schien es ratsam zu sein, der Seele im Fegefeuer möglichst lange Fürbitte zugute kommen zu lassen. Messstiftungen wurden vor allem im frühen Mittelalter aber auch noch später als Schenkung unter Auflagen an Klöster und Stiftskirchen gemacht. 27 Der Konvent hatte dann dafür zu sorgen, dass einer seiner Angehörigen am Jahrtag des Stifters die Messe las. Das gleiche galt, wenn ein Stifter eigens eine monastische oder geistliche Gemeinschaft gründete. 28 Mit der Entwicklung des Patronatsrechts seit dem 12. Jahrhundert entstand dann die Möglichkeit, eine Pfründe als selbständige Vermögenseinheit zu stiften, mit der Priester ausgestattet wurden, die am zugehörigen Altar oder gar der zugehörigen Kapelle die Messe für den Stifter für 23

Hofmeister, Das Totengedächtnis im Officium Capituli (1959), in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 70, 189 –200; Lemaître, (1984): Liber Capituli. Le livre du chapitre, des origines aux XVI e siècle (1984), in: Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter. Bestandteil des Quellenwerks Societas et Fraternitas, hrsg. von Karl Schmid und Joachim Wollasch, München, 625 – 648. 24 Chiffoleau, La comptabilité de l’au-delà (Collection de l‘École française de Rome, 47) (1980), Rom. 25 Lusiardi, Fegefeuer und Weltengericht. Stiftungsverhalten und Jenseitsvorstellungen im spätmittelalterlichen Stralsund (2000), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis zu Gegenwart (Stiftungsgeschichten, Bd. 1), Berlin, 97 –109; ders., Stiftung und städtische Gesellschaft. Religiöse und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im spätmittelalterlichen Stralsund (Stiftungsgeschichten, Bd. 2.) (2000), Berlin; ders. Spätmittelalterliche Memoria zwischen Erinnern und Vergessen (2001), in: Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 27, 671 –690. 26 So schon Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter: Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens (1902), Freiburg Ndr. Darmstadt 1963, 57. 27 Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (Forschungen zum deutschen Recht, Bd. 3, H. 3) (1938), Weimar, 37 – 49. 28 Sauer, Fundatio und Memoria. Stifter und Klostergründer im Bild. 1100 bis 1350 (VMPIG, Bd. 109) (1993), Göttingen.

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alle Zeiten zelebrieren sollten. 29 Je nachdem, wem der Patronat zustand, lassen sich verschiedene Formen der Pfründstiftung unterscheiden. 30 Mit den Messstiftungen verbunden waren vielfach auch Kunststiftungen. 31 Die Altäre wurden mit Bildern geschmückt. Die Kapellen wurden mit Grabmälern ausgestattet, die auf die Liturgie der Totenmesse bezogen waren. 32 Ein herausragendes Beispiel für eine solche Kunststiftung, die gleichsam um eine Messstiftung gruppiert war, ist die im frühen 16. Jahrhundert gestiftete Grabkapelle der Fugger bei St. Anna zu Augsburg, die in der Kunstgeschichte als erstes RenaissanceBauwerk nördlich der Alpen gilt. 33 Solche aufwendigen Stiftungen konnten sich allerdings nur die wenigsten leisten. Und auch die einfache Dotation einer Altarpfründe überstieg die finanziellen Möglichkeiten der meisten Menschen bei weitem. 34 Die gestifteten Votivmessen eröffneten also den Wohlhabenden einen privilegierten Zugang zum Seelenheil. Und nicht zuletzt aus diesem Grund ist diese mittelalterliche Memorialpraxis auch immer wieder kritisiert worden. 35 Erfolg war allerdings erst der Kritik der Reformatoren an der mittelalterlichen Memorialpraxis beschieden. Martin Luther etwa bezeichnete in seiner Schrift „Von der babylonischen Gefangenschaft der 29 Landau, Art. Patronat (1996), in: TRE. Bd. 26. Freiburg i. Brsg., 106 –114; ders., Jus Patronatus. Studien zur Entwicklung des Patronatsrechts im Dekretalenrecht und der Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte u. zum Kirchenrecht, Bd. 12.) (1975), Köln / Wien; Puza, Art. Patronat, -srecht: Westen (1993), in: LMA. Bd. 6, München, 1809 f.; Leisching, Art. Patronatsrecht (1984), in: HRG. Bd. 3, Berlin, 1558 –1564; Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die Katholische Kirche. Bd. 1. (1972), 5. Aufl., Köln / Wien, 397. 30 Vgl. Lentze, Die Rechtsform der Altarpfründen im mittelalterlichen Wien (1951), in: ZRG KA 37, 1951, 221 –301; sowie die Literatur bei Kurze, Pfarrerwahlen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Niederkirchenwesens. (Forschungen zur Kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, Bd. 6.) (1966), Köln / Graz, 444 –446. 31 Schmid, Stifter und Auftraggeber im spätmittelalterlichen Köln (Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums, Bd. 11) (1994), Köln. 32 Schwarz, Liturgie und Illusion. Die Gegenwart der Toten sichtbar gemacht (Naumburg, Worms, Pisa) ..., (2000) in: Maier / Schmid / Schwarz (Hrsg.), Grabmäler. Tendenzen der Forschung an Beispielen aus Mittelalter und früher Neuzeit, Berlin, 147 –177; Körner, Grabmonumente des Mittelalters (1997), Darmstadt; Göttler, Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablass und Almosen in Antwerpen und Bologna um 1600 (Berliner Schr. zur Kunst, Bd. 7.) (1996), Mainz. 33 Scheller, Gedenken und Geschäft. Die Repräsentation der Fugger in ihrer Grabkapelle bei St. Anna in Augsburg (2005), in: Michael Borgolte / Giorgio Cracco / Hubert Houben (Hrsg.), Memoria. Erinnern und Vergessen in der Kultur des Mittelalters, Bologna, 133 – 168; ders., Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505 – 1555) (Stiftungsgeschichten, Bd. 3) (2004), Berlin. 34 Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter (Abh. zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 19) (1971), Augsburg, 247. 35 Angenendt, Missa specialis (1983), Zugleich ein Beitrag zur Entstehung der Privatmessen, in: FMSt 17, 153, 213 – 216.

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Kirche“ 1521 die Auffassung von der Messe als Sühneopfer als Missbrauch des Sakraments, der unzählige andere Missbräuche nach sich gezogen habe. Aus dem göttlichen Sakrament seien „lauter Jahrmärkte, Krämerei und gewinnsüchtige Kontrakte“ gemacht worden. „Jahrbegängnisse“ und „Gedächtnisse“ würden in der Kirche verkauft, gekauft, durch Verträge erhandelt und verglichen“. 36 Wie Luther verwarfen auch andere Reformatoren wie Zwingli oder Calvin die Auffassung, dass die Seelen durch für sie gefeierte Messen postum geläutert werden könnten. Dort, wo die Reformation Fuß fasste, zerbrach daher die Wahlverwandtschaft zwischen Kirchen und Stiftungen in der Memorialpraxis, die auf der Messe basierte. In reformierten Territorien und Städten wurden die Messstiftungen aufgehoben und ihr Vermögen neuen Zwecken zugeführt. 37 Erleichtert wurde dies dadurch, dass sich zum Zeitpunkt der Reformation vor allem in den Stadtgemeinden viele Patronate auf Messpfründen in der Hand der Obrigkeit befanden. Denn in ihrem Bestreben, ihre Memoria dauerhaft zu sichern, hatten viele Stifter die Räte oder besondere Ratsausschüsse mit der treuhänderischen Wahrnehmung des Patronats auf ihre Pfründen beauftragt. 38 Wo noch altgläubige Erben der Stifter lebten, zog es die entsprechende Obrigkeit deshalb vielfach vor, sich mit diesen zu vergleichen und gegebenenfalls das Stiftungsvermögen an diese zurückzuerstatten. 39 II. Caritas Als „Innovation des Christentums“ hat man die „Verbindung des Stiftungswesens mit der Caritas“ bezeichnet. 40 Seit den Kirchenvätern schrieben die Christen dem Almosen eine sündentilgende Wirkung zu. 41 Es lag also nahe, es mit dem 36 Luther, De Captivitate Babylonica Ecclesiae (1962), in: ders., Ausgewählte Werke, hrsg. v. Hans Heinrich Borcherdt / Georg Merz, München, 172. 37 Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts. I. Band: Geschichte des Stiftungsrechts (2002), Ndr., Tübingen, 133 f., 147. 38 Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit im spätmittelalterlichen Okzident. Kommunaler Pfründenfeudalismus in den Städten des spätmittelalterlichen Reichs (2005), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4), Berlin, 205 – 222, 213 f. 39 Scheller, „Damit dannocht etwas vmb das gelt vnd des stifters willen beschech ...“ Der Streit um den Stiftungsvollzug der Vöhlinschen Prädikatur bei St. Martin in Memmingen nach der Reformation (1526 –1543) (2000), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis zu Gegenwart (Stiftungsgeschichten, Bd. 1), Berlin, 257 –278; Berger, Spital und Seelhaus. Entstehung und Wandel wohltätiger Stiftungen für das Seelenheil am Beispiel der „Dreikönigskapelle“ und „Vöhlins Klösterle“ in der Reichsstadt Memmingen (1993 –96), in: Memminger Geschichtsblätter, 63 – 123; Dormeier, St. Rochus, die Pest und die Imhoffs in Nürnberg vor und während der Reformation. Ein spätgotischer Altar in seinem religiös-liturgischen, wirtschaftlich-rechtlichen und sozialem Umfeld (1985), in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 7 –72.

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liturgischen Gedächtnis zu verbinden, von welchem man sich ja die gleiche Wirkung erhoffte. Außerdem galt auch das Gebet der Armen als erstrebenswert. Viele Jahrtagsstiftungen des Mittelalters sahen deshalb auch die auf ewig wiederkehrende Speisung der Armen am Todestag des Stifters vor, die diese Wohltat mit dem Gebet für den Stifter erwidern sollten. 42 Wer die dauerhafte Gebetshilfe der Armen erlangen wollte, der ließ seine Stiftung seit frühster Zeit vielfach der Kirche zukommen. Gehörte die Sorge um die Armen doch seit spätantiker Zeit zu den Kernaufgaben der Kirche. Der mittelalterliche Bischof galt neben seiner Rolle als erster Liturge, Prediger und Güterverwalter vor allem auch als „Vater der Armen“. Schon die Kirchenväter hatten den Kirchenbesitz samt und sonders als Armengut bezeichnet. Seit Gratians Dekret war diese Sicht auch Bestandteil des kanonischen Rechts. 43 Um ihren caritativen Aufgaben nachzukommen, bedienten sich die Bischöfe während des Mittelalters auch immer wieder des Instruments der Stiftung. Bereits gallische Bischöfe des 6. und 7. Jahrhundert stifteten Xenodochien, also Herbergen für Arme, und bedachten die sogenannten Armenmatrikeln, also Kommunitäten von unterstützungsberechtigten Armen unter bischöflicher Aufsicht, mit Legaten. 44 Dabei verbanden die Bischöfe den allgemeinkirchlichen Auftrag der Caritas mit ihrem individuellen Streben nach liturgischem Gedächtnis. So soll etwa der Erzbischof Kunibert von Köln († 651), zwölf „eleemosinarii“, beim Hospital St. Lupus zu Köln aus den bischöflichen Gütern einen halben Malter Brot bzw. Getreide, eine halbe Seite Speck und einen halben Eimer Bier zugewiesen haben, auf dass sie die Leichenwache an der Bahre des Bischofs übernähmen. Dies sollte sich an allen Jahrgedächtnissen wiederholen. 45 Aber auch vermögende Laien bedachten Matrikularier und stifteten Xenodochien. 46 40

Borgolte, Art. Stiftungen, Kirchliche I. Alte Kirche und Mittelalter (2000), in: TRE. Bd. 32, Berlin / New York, 167 – 170, 167. 41 Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter (2000), Darmstadt, 592 –595. 42 Lentze, Begräbnis und Jahrtag im mittelalterlichen Wien (1950), in: ZRG KA 36, 1950, 328 – 364. 43 Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter (2000), Darmstadt, 587. 44 Sternberg, Orientalium More Secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien (Jb. f. Antike und Christentum, Ergbd. 16.) (1991), Münster, 125 –127, 292; Borgolte, Felix est homo ille, qui amicos bonos relinquit. Zur sozialen Gestaltungskraft letztwilliger Verfügungen am Beispiel Bischof Bertrams von Le Mans (616) (1982), Festschrift für Berent Schwineköper, hg. von Helmut Maurer / Hans Patze, Sigmaringen, 5 – 18. 45 Sternberg, Orientalium More Secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien (Jb. f. Antike und Christentum, Ergbd. 16.) (1991), Münster, 125. 46 Sternberg, Orientalium More Secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien (Jb. f. Antike und Christentum, Ergbd. 16.) (1991), Münster, 292.

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Wie auf dem Gebiet der liturgischen Memoria, so kam es auch auf dem Gebiet der Caritas zu einem Wandel im Übergang von der frühfränkischen zur karolingischen Epoche. An der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert verschwinden die Xenodochien. An ihre Stelle tritt das hospitale. Und mit den Aachener Reformbeschlüssen von 816 wurde jeder Bischof verpflichet, ein Hospitium für pauperes und peregrini zu errichten. 47 Solche bischöflichen Spitalstiftungen sind für Deutschland seit der Mitte des 9. Jahrhunderts belegt. Ein frühes Beispiel für die Stiftung eines domstiftischen Spitals durch einen Laien ist das Hl.-KreuzSpital in Augsburg. Zur Zeit Bischof Ulrichs (923 –975) tradierte ein Walgerus dem Augsburger Domstift zum Heil seiner Seele eine Reihe von Liegenschaften. Mit diesen sollte zum dauerhaften Unterhalt von 12 Armen ein Spital errichtet werden. Bischof Ulrich ergänzte diese Dotation dann noch um einen Platz in der Nähe des Doms und verschiedene Zehnteinkünfte. 48 Wichtiger noch als die bischöfliche war allerdings während des frühen und hohen Mittelalters die klösterliche Caritas. 49 Schon die Benediktsregel hatte vorgeschrieben, den Gast „wie Christus aufzunehmen“. Der Ort im Kloster, an dem dies geschah, war das hospitale pauperum, von dem sich in karolingischer Zeit das hospitale divitum geschieden hatte. 50 Stiftungen an Klöster forderten deshalb seit dem Frühmittelalter immer wieder sowohl das Gebetsgedächtnis der Mönche als auch die Speisung der Armen. 51 Seit dem hohen Mittelalter verbanden sich kirchliche und gestiftete Caritas in den sogenannten bruderschaftlichen Spitälern dann in ganz neuer Weise. Spitalbruderschaften waren zunächst vor allem Genossenschaften von Laien, die dem weltlichen Leben entsagten, um sich ganz dem Dienst an Armen und Kranken zu widmen. Die Stifter von bruderschaftlichen Spitälern traten selbst in die Bruderschaft ein und übernahmen auch oft die Leitung desselben. 52 Das bruderschaftliche Spital verwaltete seine Angelegenheiten selbständig, unterstand in der 47 Boshof, Untersuchungen zur Armenfürsorge im fränkischen Reich des 9. Jahrhunderts (1976), in: AKG 58, 265 – 339, 290. 48 Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg von den Anfängen bis 1152 (1985), bearbeitet von Volkert, Augsburg, Nr. 127; vgl. Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 –114) 2. T. (1932), Stuttgart, 32. 49 Sternberg, Orientalium More Secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien (Jb. f. Antike und Christentum, Ergbd. 16.) (1991), Münster, 298; Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter (2000), Darmstadt, 592 –595, 591. 50 Sternberg, Orientalium More Secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien (Jb. f. Antike und Christentum, Ergbd. 16.) (1991), Münster, 304; Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 16. 51 Beispiele aus dem hohen Mittelalter bei Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 19.

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Regel jedoch der Aufsicht des Diözesanbischofs. Dieser genehmigte die Ordnungen, hatte die Entscheidung bei der Wahl des Spitalvorstehers und überwachte und kontrollierte die Verwaltung des Anstaltsvermögens. Daneben existierten „mannigfache(.) kirchliche(.) Abhängigkeitsverhältnisse(.)“. 53 Nach dem Vorbild der Laien bildeten auch Kleriker Bruderschaften. Und vor allem die Bischöfe bedienten sich ihrer, um die domstiftischen und klösterlichen Spitäler, in denen die Armensorge vielfach danieder lag, zu reorganisieren und wieder ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zuzuführen. Die Einsetzung von geistlichen Bruderschaften in Spitälern hatte dabei zur Folge, dass diese sich bis zu einem gewissen Grade verselbständigten und aus dem domstiftischen bzw. klösterlichen Verbande lösten. So bestimmte die kaiserliche Bestätigungsurkunde für die Übertragung des Konstanzer Hl. Kreuz-Spitals an eine Klerikergenossenschaft durch Bischof Ulrich I. im Jahr 1125, dass der Bischof keinerlei Einfluss in disponendis rebus haben sollte. 54 Oftmals standen jedoch auch Mitglieder des Domkapitels dem Spital vor. Es bestand also gleichsam eine Personalunion zwischen der Leitung des Spitals und der des Domstifts. Stärker noch als bei den domstiftischen bzw. klösterlichen Spitälern jüngerer Ordnung war der herrschaftliche Impuls bei den Spitälern der Spitalorden. Sie waren, folgt man Siegfried Reicke „vollkommster Ausdruck der von der Kirche beherrschten anstaltlichen Wohlfahrtspflege“. 55 Gestiftete und kirchliche Caritas standen allerdings von Anfang an auch in einem gewissen Konkurrenzverhältnis. Bereits die Monopolisierung des Totengedenkens durch die Kirche hatte ja die spätantiken Freigelassenenstiftungen verdrängt. Allerdings blieb das Gebet der Armen während des gesamten Mittelalters die wichtigste Ergänzung zur Messliturgie für die Toten. Seit dem hohen Mittelalter entstanden dann wieder Stiftungen, die zuvörderst oder ausschließlich Arme bedachten, ohne dass die Kirche daran in irgendeiner Weise beteiligt gewesen wäre. Zugrunde lag ihnen ein gewandeltes Verständnis von Bedürftigkeit. Im 13. Jahrhundert begannen viele Stifter ihre Wohltaten für bestimmte, „ehrbare“ Arme zu reservieren. Diese waren dadurch definiert, dass sie zwar noch einen eigenen Haushalt führten und einer Arbeit nachgingen bzw. zumindest arbeitswillig waren, ihnen aber dennoch der soziale Abstieg und damit der Verlust der Haushälterexistenz drohte. Trotzdem schämten sie sich zu betteln und wurden deshalb als Hausarme oder verschämte Arme bezeichnet. 52 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 59 f. 53 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 67 f. 54 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 74. 55 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 53.

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Zwar hatten bereits die Dekretisten des 12. Jahrhunderts begonnen, zwischen fürsorgewürdigen, weil arbeitenden Armen und fürsorgeunwürdigen, bettelnden „Müßiggängern“ zu unterscheiden. 56 Wirkmächtig wurde diese Unterscheidung jedoch nicht in der kirchlichen Caritas, sondern in Stiftungen, an denen die Kirche nicht oder nur am Rand beteiligt war. Dies betraf sowohl die offene als auch die geschlossene Armenfürsorge. Der Fürsorge für die Hausarmen dienten in erster Linie bestimmte Wohnstiftungen, die die Forschung als Armenhäuser bezeichnet. 57 Sie lassen sich seit dem 14. Jahrhundert nachweisen und waren als dauerhafte Wohnungen (in der Regel weniger) Armer konzipiert. In ihnen wurde den Bewohnern ein individuell abgegrenzter Wohnbereich zugestanden, der zwar unter Umständen nur aus einem Raum bestand, innerhalb der Gesamtanlage jedoch volle Eigenständigkeit besaß. Dies hing mit dem Stiftungszweck der Armenhäuser zusammen. Sie sollten die Hausarmen nicht nur einfach vor Obdachlosigkeit bewahren, sondern auch ihren Status als Mitglied der Mehrheitsgesellschaft der ehrbaren Haushälter sichern: „Wer durch Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit oder berufliches Missgeschick wirtschaftlich abhängig geworden war, sollte nicht zugleich den sozialen Niedergang bis auf die Stufe der lohnabhängigen Nichtbürger erleiden, sollte nach den Begriffen seiner Zeit auch weiterhin ‚Haus halten‘“. 58 Solche Wohnstiftungen konnten zwar von ihren Stiftern mit Kapellen verbunden werden, in denen die Armen an den Messen für die Stifter teilnehmen mussten. Vielfach jedoch begnügten sich die Stifter allein mit dem Gebet der Armen, um so dauerhaft vergegenwärtigt zu werden und ihre Seelen zu läutern. Die Hausarmen, die eine Wohnung in der Augsburger Fuggerei, die eine Sonderform des spätmittelalterlichen Armenhauses darstellte, bewohnten, sollten täglich ein Glaubensbekenntnis, ein Vaterunser und ein Ave Maria für den Stifter Jakob Fugger beten. Priester und die Kirche als ganze waren von einer Beteiligung am Stiftungsvollzug ausdrücklich ausgeschlossen. 59 56 Tierney, The Decretists and the „Deserving Poor“, zuletzt in: ders., Church, Law and Constitutional Thought in the Middle Ages (Collected Studies Series, vol. 90) (1979), London, 360 – 373. 57 Rexroth, Armut und Memoria im spätmittelalterlichen London (1994), in: Geuenich, Dieter / Oexle, Otto Gerhard (Hrsg.) Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters (VMPIG, Bd. 111), Göttingen, 336 –360; ders, Das Milieu der Nacht. Obrigkeit und Randgruppen im spätmittelalterlichen London (VMPIG, Bd. 153) (1999), Göttingen, 253 f.; Scheller, Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505 – 1555) (Stiftungsgeschichten, Bd. 3) (2004), Berlin, 132 –134. 58 Rexroth, Das Milieu der Nacht. Obrigkeit und Randgruppen im spätmittelalterlichen London (VMPIG, Bd. 153) (1999), Göttingen, 279 f. 59 Scheller, Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers des Reichen vor und während der Reformation (ca. 1505 –1555) (Stiftungsgeschichten, Bd. 3) (2004), Berlin, 129.

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Ebenfalls ausschließlich in der Hand der Stifter bzw. weltlicher Organe, die dieser bestimmt hatte, waren auch Almosenstiftungen für solche Hausarme, die noch nicht genötigt waren, um eine Bleibe in einer Wohnstiftung nachzusuchen. Durch sie erhielten Hausarme eine Beihilfe zu ihrem Lebensunterhalt, sei dies in Form von Nahrungsmitteln, Kleidern oder gar der Aussteuer für ihre Töchter. Aus dem spätmittelalterlichen Augsburg etwa sind die sogenannten „Almosen der Schüsseln“ überliefert, die sich seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts häuften. Diese Nahrungsbeihilfen waren oftmals befristet und dienten somit zur Überbrückung temporärer Notlagen. Danach sollten die Pfleger neue Bedürftige auswählen, die sie zuvor auf ihre Bedürftigkeit hin überprüft hatten. 60 In der frühen Neuzeit sollte diese Verbindung von Kategorisierung und Kontrolle, die in den spätmittelalterlichen Hausarmenstiftungen erprobt worden war, dann zur Richtschnur der obrigkeitlichen Armenfürsorge werden. Und es waren nicht zuletzt aufgehobene Pfründstiftungen, deren Kapital den Grundstock für die sogenannten Gemeinen Kästen bildete, aus denen vor allem in den reformierten Städten und Territorien die ehrbaren Armen weiterhin unterstützt wurden. III. Das Problem der Dauer Die dritte und letzte Wahlverwandtschaft, die zwischen den Stiftungen und der Kirche des Mittelalters bestand, resultiert aus einem Problem, vor dem Stiftungen stets standen und stehen: der Sicherung ihrer Dauer. Denn Stiftungen waren und sind ja eben durch dieses Moment der (theoretisch unbegrenzten) Dauer definiert und von der (einmaligen) Schenkung unterschieden. Entsteht eine Stiftung doch dadurch, dass ein Stifter ein Vermögen zur Verfügung stellt, aus dem ein von ihm bestimmter Zweck dauerhaft über den eigenen Tod hinaus erfüllt wird. 61 Das Streben nach Dauer der Stiftungen war und ist in allen Kulturen, die Stiftungen kennen, durch den Wunsch des Stifters motiviert, den Tod durch Nachleben zu überwinden. 62 Um die Dauer seines Werks über den eigenen Tod hinaus zu erreichen, musste ein Stifter deshalb eine eigene Dauerperson ins Leben rufen, oder aber seine Stiftung an eine vorhandene Dauerperson anlehnen bzw. übertragen. 63 Dabei bedeutet Dauerperson nicht unbedingt juristische Person. 60

Kießling, Vom Pfennigalmosen zur Aussteuerstiftung. Materielle Kultur in den Seelgeräten des Augsburger Bürgertums während des Mittelalters (1990), in: Materielle Kultur und religiöse Stiftung im Spätmittelalter. (SB Österr. Akad. d. Wiss. Philos.-Hist. Kl., Bd. 554.), Wien, 37 – 62, 47 f. 61 Borgolte, „Totale Geschichte“ des Mittelalters? Das Beispiel der Stiftungen (Humboldt-Universität zu Berlin: Öffentliche Vorlesungen, 4.) (1993), Berlin, 8. 62 Borgolte, Der König als Stifter. Streiflichter auf die Geschichte des Willens (2000), in: ders. (Hrsg.), Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis zu Gegenwart (Stiftungsgeschichten, Bd. 1), Berlin, 39 – 58, 40.

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Dass die Kirche im frühen und hohen Mittelalter die zentrale Rolle beim Vollzug von Stiftungen spielte, beruhte deshalb nicht nur darauf, dass sie die Sorge für das Seelenheil und die Caritas als ihre ureigenste Kernkompetenz betrachtete, sondern auch darauf, dass nur sie in dieser Zeit in der Lage war, Dauerpersonen hervorzubringen. Galt und gilt doch ecclesia nunquam moritur. 64 Dies wird bereits an Freigelassenenstiftungen der Merowingerzeit deutlich. Während ihre heidnisch-antiken Vorläufer an die jeweilige Stadtgemeinde angelehnt waren, wurden in frühfränkischer Zeit die Freigelassenen im Dienst der Memoria dem Schutz der Kirchen, vor allem der Bischofskirchen unterstellt. 65 Hatte doch die Kirche nach dem Zusammenbruch der römischen Verwaltung in den ehemaligen Provinzen zunehmend die Aufgabe übernommen, die Ordnung in den civitates zu garantieren. Und dass seit karolingischer Zeit Klöster die Bistümer als primäre Empfänger von Stiftungen ablösten, hatte eine Ursache auch im Verfall dieser civitates in der späten Merowingerzeit. Die Anlehnung an die Kirche war für die Stiftungen allerdings zweischneidig. Auf der einen Seite konnte vor allem während des Frühmittelalters nur die Kirche jene institutionelle Stabilität bieten, die die Dauer in der Zeit überhaupt ermöglichte. Auf der anderen Seite war die dauerhafte Existenz der Stiftung aber auch stets gefährdet. Stiftungsvermögen und allgemeines Kirchenvermögen waren nämlich bis in das hohe Mittealter und bei einigen Formen von Stiftungen auch darüber hinaus nicht klar voneinander geschieden. Und so bestand stets die Gefahr, dass die Kirche die Auflagen, die sie mit der Vermögensübertragung übernommen hatte, nicht mehr erfüllte, kurz das Vermögen zweckentfremdete. Es mag zwar überpointiert erscheinen, wenn Siegfried Reicke für die Spitäler postuliert, sie seien für Klöster und Domstifter „immer eine Nebenaufgabe gewesen“. Es gibt jedoch eine Fülle von Beispielen dafür, dass Spitäler „wenn die allgemeinen Mittel des kirchlichen Instituts fehlten, zugunsten der Unterhaltung der Kapitel und Konvente zurückgestellt wurden“. 66 So wurden etwa jene villae, mit denen Erzbischof Ansgar von Hamburg-Bremen 847 das älteste domstiftische Spital Deutschlands ausgestattet hatte, von dessen Nachfolger Adalbert 1050 verwendet, um mit ihnen ein Kanonikerstift zu dotieren. 67 63

Borgolte, Der König als Stifter. Streiflichter auf die Geschichte des Willens (2000), in: ders. (Hrsg.), Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten. Vom Mittelalter bis zu Gegenwart (Stiftungsgeschichten, Bd. 1), Berlin, 39 – 58, 41. 64 Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts. I. Band: Geschichte des Stiftungsrechts (2002), Ndr., Tübingen, 122. 65 Borgolte, Freigelassene im Dienst der Memoria. Kulttradition und Kultwandel zwischen Antike und Mittelalter (1983), in: Frühmittelalterliche Studien 17, 1983, 234 –250, 248 f. 66 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 49.

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Die Gefahr der Zweckentfremdung stimulierte die Kreativität der Stifter, die auf immer neue Weise versuchten, die Zweckbindung ihrer Stiftungen dauerhaft zu sichern. Die Entwicklung neuer Rechtsformen wurde dadurch befördert. Ein frühes Beispiel hierfür sind die „piae causae“, von denen die Quellen des 6. Jahrhunderts sprechen, und die Vermögenswerte wie Häuser oder Liegenschaften, aber auch Oratorien, Fremdenhäuser oder Armenwohnungen bezeichnen konnten. Zwar unterstanden auch sie bei eigener Verwaltung der bischöflichen Jurisdiktion und zählten zum Vermögen der Bischofskirche. Der Bischof durfte jedoch nicht uneingeschränkt über die Stiftungsgüter verfügen, sondern musste den Willen der Stifter respektieren. 68 Als Beispiel aus dem Hochmittelalter mag die Pfründstiftung herhalten, die als selbständige Vermögenseinheit größere Chancen hatte, ihre Zweckbindung zu wahren, als die Schenkung unter Auflagen. 69 Vor allem, wenn es dem Stifter gelang, den Patronat auf die von ihm gestiftete Pfründe sich selbst und seinen Erben vorzubehalten. Ganz neue und äußerst aussichtsreiche Möglichkeiten, die Dauer ihrer Werke zu sichern, bot den Stiftern die Verbindung ihrer Stiftungen mit Personengruppen, also genossenschaftlichen Zusammenschlüssen. Denn diese brachten die stabilsten Dauerpersonen des Mittelalters hervor. Sie waren also keineswegs der ewige Antagonist der Stiftungen, wie noch Hans Liermann gemeint hat, sondern während des Mittelalters geradezu ihr wichtigster Partner. 70 Schon die bruderschaftlichen Spitäler, die seit dem 12. Jahrhundert entstanden, lassen sich als Verbindung von Stiftungen mit genossenschaftlichen Personengruppen verstehen, die diesen neue Chancen eröffnete, die Erfüllung ihrer Zwecke auf Dauer zu stellen. 71 Die Einsetzung von Klerikerbruderschaften in domstiftischen und klösterlichen Spitälern bewirkte nicht nur, dass diese wieder ihren caritativen Zweck erfüllten, sondern auch, dass diese sich bis zu einem gewissen Grad verselbständigten. Besaßen die Spitäler mit den Bruderschaften doch nun ein handlungsfähiges personales Substrat. 67 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 30 f. 68 Sternberg, Orientalium More Secutus. Räume und Institutionen der Caritas des 5. bis 7. Jahrhunderts in Gallien (Jb. f. Antike und Christentum, Ergbd. 16.) (1991), Münster, 32. 69 Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (Forschungen zum deutschen Recht, Bd. 3, H. 3) (1938), Weimar, 21. 70 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht. Dritter Band: Die Staats- und Korporationslehre des Alterthums und des Mittelalters und ihre Aufnahme in Deutschland (1881), Berlin, 198 u. ö.; ders., Deutsches Privatrecht, Erster Band: Allgemeiner Teil und Personenrecht (1895), Leipzig, 646 f.; vgl. Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechtsund sozialhistorischer Sicht (1988), in: ZRG KA 105, 71 –94, 82; Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts. I. Band: Geschichte des Stiftungsrechts (2002), Ndr., Tübingen, 29, mit Anm. 24. 71 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 50 f.

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Allerdings war auch das bruderschaftliche Spital nicht sicher vor Zweckentfremdung. Domstiftische und klösterliche Spitäler jüngerer Ordnung wurden vielfach zu Klöstern, entweder zu Augustinerchorherrenstiftern oder zu Nonnenklöstern. Und jene Spitäler, die von Laienbruderschaften betrieben wurden, wurden in den spätmittelalterlichen Städten in der Regel verbürgerlicht, d. h. die Verwaltung des Spitals ging in die Hände des Rats über. Dies hatte auch Folgen für ihren Stiftungszweck. Aus Armenspitälern wurden Pfründneranstalten. Seit Siegfried Reickes „Spital“ von 1932 sieht die Mittelalterforschung die Ursache für diese Verbürgerlichung der bruderschaftlichen Spitäler in dem Bestreben des Rats, seine Kompetenzen auf den traditionell kirchlichen Bereich der Sozialfürsorge auszudehnen. Es seien „vor allem und in entscheidender Weise die Kräfte von außen, konzentriert in der bürgerlichen Spitalpflege“ gewesen, die die „bruderschaftlichen Bildungen zur Auflösung brachte“. 72 Dass sowohl die Spitäler der Laienbruderschaften, als auch die der Klerikerbruderschaften mit der Zeit oftmals ihre bruderschaftliche Verfassung verloren, legt allerdings nahe, dass dies an der Vergesellschaftungsform „Bruderschaft“ selbst lag und nicht so sehr an äußeren Faktoren. Bruderschaften hatten zwar die Chance durch Kooptation überpersönliche Dauer zu gewinnen. Allerdings war diese Chance prekär. Denn Bruderschaften waren ja ganz besondere Genossenschaften, die von ihren Mitgliedern vollständige Hingabe an die Gemeinschaft und deren Aufgaben verlangten. Die Spitalbrüder mussten dem weltlichen Leben entsagen. Sie legten eine Profess ab, nahmen zumeist die Augustiner-Regel an und widmeten sich als Pfleger und Diener ganz den Armen und Kranken des Spitals. Den Konventen fiel es deshalb wohl nicht immer ganz leicht, neue Mitglieder zu rekrutieren, die bereit waren, ein solchermaßen entsagungsvolles Leben zu führen und so die Dauer der Personengruppe durch Selbstergänzung zu sichern. Es ist denn auch vielfach belegt, dass städtische Pfleger die Verwaltung eines Spitals übernahmen, nachdem sich die Spitalbruderschaft aufgelöst hatte. 73 Stabilere Dauerpersonen bildeten rein weltliche Genossenschaften. Sie konnten wenige Mitglieder umfassen und eigens als Stiftungsorgan ins Leben gerufen werden, wie die Treuhänderkollegien, die seit dem 14. Jahrhundert von vielen Stiftern eingesetzt wurden, um so den Vollzug zum Beispiel von Pfründstiftungen dauerhaft zu sichern. 74 Große Bedeutung als Dauerpersonen, an die die Stiftungen angelehnt wurden, erlangten auch Gilden und Zünfte bzw. gildenartige Zusammenschlüsse. Eine große Rolle im kirchlichen Leben spielten dabei Genos72 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart, 70. 73 Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter (Kirchenrechtliche Abh., H. 111 – 114) 2. T. (1932), Stuttgart. 74 Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (Forschungen zum deutschen Recht, Bd. 3, H. 3) (1938), Weimar, 58 – 75.

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senschaften der Pfarreimitglieder, die sogennannten Kirchenpflegschaften. Diese „entstanden aus dem Bestreben, Stiftungen und Opfergaben, die für die Erhaltung der Kirche und den Gottesdienst bestimmt waren, vor dem Zugriff der Pfründeninhaber oder, wenn die Kirche inkorporiert war, des Eigentümers der Kirche sicherzustellen und zu erreichen, dass sie ausschließlich für den Zweck verwendet wurden, für den sie gegeben waren“. 75 Da mit wachsendem Stiftungseifer ein immer größerer Teil des Fabrikvermögens aus Stiftungen der Pfarrkinder resultierte, konnten die Pflegschaften mancherorts im Verlaufe des Mittelalters beträchtlichen Einfluss auf ihre Pfarrei erlangen. 76 Die größte Bedeutung als Dauerperson erlangte freilich die Stadtkommune als Ganze bzw. ihre Repräsentation, der Rat. In den deutschen Städten wurden am Ende des Mittelalters so viele Spitäler von städtischen Pflegern verwaltet, dass man davon gesprochen hat, das kommunale Spital sei der Regelfall gewesen. Dabei spielte die Tatsache, dass die Stadtgemeinde dauerhaft als Treuhänder der Stifter fungieren konnte, wohl eine größere Rolle, als bisher angenommen. Eine Stifterin aus dem Lüneburg des 14. Jahrhunderts bringt dies auf den Punkt: ... wente en rat kann nicht vorsterven ..., aus diesem Grund ließ die Stifterin ihr Testament im Register der Stadt eintragen. 77 Es galt also nun: universitas nunquam moritur. Auch den Patronat auf Pfründstiftungen bekam der Rat oftmals übertragen, damit er diesen treuhänderisch für den Stifter ausübte. 78 Manche Städte erlangten so regelrechte Pfründenmonopole. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass die Stadtgemeinden durch Amortisationsgesetzgebung und Aufsicht über das Testamentswesen Druck auf die Stifter ausüben konnten, nicht etwa eine andere Dauerperson mit der Treuhand zu beauftragen. 79 Viele Stadtgemeinden besaßen daher bereits im späten Mittelalter eine Fülle von Stellenbesetzungsrechten an Kirchen und Spitälern. Hier konnte das Kirchenregiment protestantisch gewordener Stadtgemeinden direkt anknüpfen. Im 75 Schröcker, Die Kirchenpflegschaft. Die Verwaltung des Niederkirchenvermögens durch Laien seit dem ausgehenden Mittelalter (Görres-Gesellschaft, Veröffentl. d. Sektion f. Rechts- u. Staatswiss., Bd. 67) (1934), Paderborn, 93. 76 Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter (Abh. zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 19) (1971), Augsburg, 176. 77 Reinhardt, Stiftersorgen – das Testament der Elisabeth Stöterogge (1385) (1993), in: Recht und Alttag im Hanseraum. Fschr. Gerhard Theuerkauf, hrsg. v. Silke Urbanski / Christian Lamschus / Jürgen Ellermeyer, Lüneburg, 359 – 381, 360. 78 Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit im spätmittelalterlichen Okzident. Kommunaler Pfründenfeudalismus in den Städten des spätmittelalterlichen Reichs (2005), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4), Berlin, 205 – 222, 213 f. 79 Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit im spätmittelalterlichen Okzident. Kommunaler Pfründenfeudalismus in den Städten des spätmittelalterlichen Reichs (2005), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4), Berlin, 205 – 222, 217 f.

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Unterschied zu den Städten war es den Territorien im Spätmittelalter nur in Einzelfällen gelungen, Stifterrechte in großer Zahl an sich zu ziehen. Die Reformation eröffnete daher den Landesherrn durch die „Ablösung der kirchlichen Hierarchie, die Aufhebung von Klöstern und Einziehung von Kirchengütern“ ganz neue Möglichkeiten, vor allem Patronate zu erwerben und so den Rückstand zu den Städten, der noch vor der Reformation bestanden hatte, auszugleichen. 80 IV. Schluss Ich bin am Ende meiner tour d’horizont. Sie hat deutlich werden lassen, dass Memoria, Caritas und das Problem der Dauer spezifische Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche im Mittelalter begründeten, Wahlverwandtschaften die jeweils unterschiedliche Epochen hatten. Die Wahlverwandtschaft auf dem Gebiet der Memoria entstand in der Karolingerzeit und dauerte bis zum Ende des Mittelalters. Erst mit der Reformation wurde wirksam bestritten, dass die Messe als Sühneopfer zu verstehen ist, und damit die mittelalterliche Theologie der Totenmemoria fundamental in Frage gestellt, was eine Krise der Stiftungen nach sich zog. Die Wahlverwandtschaft, die in der Caritas begründet lag, bestand dagegen spätestens seit der Zeit der Kirchenväter. Doch auch hier kam es in der Karolingerzeit zu einer Intensivierung der Beziehungen von gestifteter und kirchlicher Caritas. Seit dem 13. Jahrhundert lockerten sich diese dann wieder soweit, dass wieder Stiftungen entstanden, die ausschließlich Armen zugute kamen, ohne dass die Kirche hier involviert gewesen wäre. Das Problem der Dauer schließlich verwies die Stifter ebenfalls seit dem Ende der Antike auf die Kirche. Bis zum hohen Mittelalter bot nur diese ausreichende institutionelle Stabilität, um einem dauerhaften Stiftungsvollzug überhaupt eine Chance zu eröffnen. Da Stiftungsvermögen und Kirchenvermögen nicht klar geschieden wurden, kam es jedoch immer wieder zu Zweckentfremdungen von Stiftungsgut. Nicht zuletzt aus diesem Grund begannen Stifter seit dem 13. Jahrhundert zusehends, ihre Stiftungen an weltliche Genossenschaften anzulehnen, die auf dem Markt der Dauerpersonen so zum Hauptkonkurrenten der Kirche wurden.

80 Landau, Art. Patronat (1996), in: TRE. Bd. 26, Freiburg i. Brsg., 106 –114, 108; Sieglerschmidt, Territorialstaat und Kirchenregiment. Studien zur Rechtsdogmatik des Kirchenpatronatsrechts im 15. und 16. Jahrhundert (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte u. zum Kirchenrecht, Bd. 15) (1987), Köln / Wien; zu den Patronaten von Städten und Territorien vgl. Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit im spätmittelalterlichen Okzident. Kommunaler Pfründenfeudalismus in den Städten des spätmittelalterlichen Reichs (2005), in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne (Stiftungsgeschichten, Bd. 4), Berlin, 221 f.

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In der Zusammenschau zeigt sich also: Die eigentliche Epoche der „kirchlichen Stiftungen“ des Mittelalters war also die Zeit vom 8. bis zum 12. / 13. Jahrhundert. In dieser Zeit war die Wahrscheinlichkeit, dass eine Stiftung mit der Kirche verbunden war, so hoch wie wohl nie zuvor und nie danach. Dass Stiftungen und Kirche im Okzident während der Zeit vom 8. bis zum 12. / 13. Jahrhundert quasi untrennbar miteinander verbunden waren, resultierte dabei ebenso aus innerkirchlichen Entwicklungen, wie aus Entwicklungen in der gesellschaftlichen Umwelt. Während die Wahlverwandtschaft auf dem Gebiet der Memoria und teilweise auch auf dem Gebiet der Caritas aus der Entwicklung der Theologie der Totenmemoria resultierte, bestand die Wahlverwandtschaft der Kirche als Dauerperson zu den Stiftungen vor allem ex negativo, weil nach dem Untergang der Antike bis zur Entstehung der mittelalterlichen Stadtkommunen keine stabilen weltlichen Dauerpersonen zur Verfügung standen, die das Streben der Stifter nach dauerhafter Vergegenwärtigung halbwegs sichern konnten. Welche innerkirchlichen Faktoren und welche gesellschaftlichen Entwicklungen heute Wahlverwandtschaften zwischen Kirche und Stiftungen begründen und welche aktuellen Dimensionen von Stiftungen hierfür entscheidend sein können, diese Frage kann der Historiker des Mittelalters freilich nicht beantworten. Er kann nur hoffen, dass seine Worte den Praktikern der kirchlichen Stiftungen der Gegenwart den einen oder anderen Denkanstoß geliefert haben.

Kirchliche Stiftungen zwischen Säkularisierung und Rekonfessionalisierung * Albrecht Fiedler I. Einleitung Rechtsfragen in Bezug auf kirchliche Stiftungen beschäftigen von Zeit zu Zeit die staatlichen Gerichte. Das letzte Beispiel hierfür ist der Rechtsstreit um die Rechtsnatur der Vereinigten Hospitien in Trier, der noch nicht rechtskräftig beendet ist. Das OVG Rheinland-Pfalz entschied, dass es sich bei den Vereinigten Hospitien um keine kirchliche Stiftung handelt. 1 Dem war eine gegenteilige Entscheidung des VG Trier 2 vorausgegangen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und zur erneuten Entscheidung dieses zurückverwiesen. 3 Auslöser des Prozesses war der Streit um die Verpflichtung zur Freistellung des Personalratsvorsitzenden nach dem staatlichen Landespersonalvertretungsgesetz. Gemäß § 126 LPersVG Rh-Pf findet das Gesetz „keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen ... ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform“. Voraussetzung für die Anwendung dieses Gesetzes war somit, dass es sich bei den Vereinigten Hospitien um keine kirchliche Einrichtung handelt. Der Rechtsstreit um die rechtliche Zuordnung der Vereinigten Hospitien in Trier lenkt den Blick auf den Bereich der kirchlichen Stiftungen. Dieses stiftungsrechtliche Gebiet ist trotz des Aufschwungs der letzten Jahre, der nicht nur das Stiftungswesen, sondern auch das wissenschaftliche Interesse am Stiftungsrecht erfasst hat 4, weitgehend unbeachtet geblieben. Und dies völlig zu Unrecht 5, wie bereits die Schätzungen zu den bestehenden rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen *

Die Abhandlung hat den Stand vom 3. November 2005. OVG Rheinland-Pfalz, 7 A 10146/03.OVG, 16. 11. 2004. 2 VG Trier, 1 K 183/01.TR, 27. 06. 2002. 3 BVerwG, 7 B 12.05, 29. 08. 2005. Das OVG Rheinland-Pfalz, 2 A 11376 / 05. OVG, wies mit Urteil vom 12. 06. 2006 die Klage erneut ab. Die Beschwerde der Vereinigten Hospitien wies das BVerwG, 7 B 65.06, mit Beschluss vom 02. 07. 2007 zurück. Die Verfassungsbeschwerde gegen die beiden letztgenannten Entscheidungen nahm das BVerfG, 2 BvR 1735 / 07, mit Beschluss vom 14. 02. 2008 nicht zur Entscheidung an. 4 Dies führte u. a. zur Etablierung der „Zeitschrift zum Stiftungswesen“ (ZSt). 1

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belegen. 6 Unabhängig von genauen Zahlen bezüglich weltlichen und kirchlichen Stiftungen ist unzweifelhaft, dass der Bereich der kirchlichen Stiftungen der wesentlich größere ist. Dies ist nicht überraschend, wenn man sich die historische Entwicklung des Stiftungswesens und Stiftungsrechts vergegenwärtigt. Und gerade die wechselvolle Vergangenheit von Stiftungen ist Auslöser für Streitigkeit über ihre Rechtsnatur. 7 II. Historische Entwicklung 8 1. Antike und Mittelalter Stiftungsähnliche Rechtsgeschäfte hat es schon in der vorchristlichen Antike, vor allem in Zusammenhang mit dem Totenkult und dem Andenken Verstorbener, gegeben, wenngleich die Bezeichnung „Stift“ oder „Stiftung“ erst im Hochmittelalter gebräuchlich wurde. In der christlichen Antike gewannen die Stiftungen eine rechtliche Selbstständigkeit, auch wenn sich der Begriff einer juristischen Person erst später herausbildete. Im Codex Justinians wurden einige Bestimmungen in Bezug auf Verfügungen zu kirchlich-religiösen und sozialen Zwecken getroffen. Hierzu sollte nach der Lehre vom Sohnesteil Christi jeder Christ einen Teil seines Vermögens durch Schenkung oder Zuwendung von Todes wegen zur Verfügung stellen und so für sein eigenes Seelenheil (pro salute animae) sorgen. Derartige Zuwendungen wurden mit dem für die Entwicklung des Stiftungsrechts zentralen Begriff „piae causae“ bezeichnet. Darunter wurden z. B. Gaben für Klöster, Arme, 5 A. A. Schiller, Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß, Baden-Baden 1969, S. 130, der die Stiftungen mit religiösen Zwecken unter den milden Stiftungen für die Unbedeutendsten hält. 6 Neuhoff, in: Soergel, BGB, 13. Auflage, Stuttgart 2000, Vor § 80 RdNr. 47 schätzt den Bestand rechtsfähiger kirchlicher Stiftungen im Bereich der katholischen Kirche auf etwa 40000, im Bereich der evangelischen Kirche auf ca. 15000; Mecking, Stiftungslandschaft in Deutschland, Stiftung&Sponsoring, Beilage zu Heft 2/2005, S. 1–24, 14 f. hält die Existenz von ca. 28500 kirchlichen Stiftungen für gesichert. Ders., Einführung: Stiftungswirklichkeit in Deutschland, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Verzeichnis Deutscher Stiftungen 2005, S. IX–XXII (X f.) zu den rechtsfähigen Stiftungen im Bereich der katholischen Kirche. Weitere Angaben bei Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 5 f. und Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 16. 7 Beispiele aus der Rechtsprechung sind OVG Lüneburg, OVGE 37, S. 412 ff. (Johannishofstiftung Hildesheim); OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 ff.; VG Oldenburg, 1 VG A 172/88, 14. 03. 1991 (Evangelische Stiftungen Osnabrück). 8 Vgl. zum Folgenden ausführlich v. Campenhausen, Geschichte des Stiftungswesens, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage, Wiesbaden 2003, S. 19 –42; Coing, § 5. Geschichte, in: Seifart / v. Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage, München 1999, S. 73 –83; Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, 2. Auflage, Tübingen 2002 jeweils m.w. N.

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Kranke, Gefangene, Witwen und christliche Wohltätigkeitsanstalten (Fremden-, Armen-, Kranken-, Waisen-, Findel- und Altenheime) verstanden. Die praktische Durchführung dieser Verfügungen oblag ebenso wie die Aufsicht über die Wohltätigkeitsanstalten den Ortsbischöfen. Die Regelungen über „piae causae“ wurden in dem sich im Mittelalter bildenden kanonischen Recht ausgebaut. Im Rahmen dieses kirchlichen und römischen Rechts entwickelte sich das Stiftungswesen bis zum Beginn des Hochmittelalters. Ab dem 13. Jahrhundert entstand ein Stiftungswesen außerhalb der Kirche. Die Stifter übertrugen ihre Zuwendungen nicht mehr unmittelbar an die Kirche oder kirchliche Organisationen, sondern ernannten Testamentsvollstrecker (häufig Laien) und beauftragten sie, die Einkünfte für piae causae zu verwenden. Für Spitäler wurde z. T. eine eigene Verwaltung eingesetzt. Die Städte beaufsichtigten die Ausführung. 9 Diese „Verweltlichung“ des Stiftungswesens änderte allerdings nichts daran, dass es sich weiterhin um Stiftungen für piae causae handelte. 2. Reformation Die Reformation führte dann zu einer erheblichen Umgestaltung des kirchlichen, politischen, rechtlichen und sozialen Lebens und hatte auch entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Stiftungswesens. Zahlreiche Stiftungen wurden liquidiert oder umgewidmet, soweit ihr Zweck mit dem Protestantismus nicht mehr vereinbar erschien. Zudem versuchten die Landesherren der sich bildenden Territorialstaaten, Einfluss auf die (kirchlichen) Stiftungen und vor allem das darin angesammelte Vermögen zu gewinnen. Staatliche Behörden übernahmen die Befugnisse der Kirchen, wodurch eine staatliche Aufsicht entstand. Diese Verweltlichung darf zwar nicht im Sinne einer Säkularisierung verstanden werden. 10 Das Stiftungsrecht wechselte allerdings nun aus dem kirchlichen in das weltliche Recht über. Die Vorschriften des kanonischen Rechts, und damit auch die Regelungen der piae causae, wurden in das weltliche Stiftungsrecht übertragen. Hinzu kommt, dass der soziale und kulturelle „Monopolbereich“ der Kirche entscheidend verkürzt wurde. Staat und Kommunen erkannten in den bislang der Kirche vorbehaltenen Bereichen des Bildungs- und Gesundheitswesens und 9 Zur geschichtlichen Entwicklung von Hospitalstiftungen ausführlich Siegmund-Schultze, Hospitalstiftungen zwischen Kirche und Stadt im nachkonstitutionellen Stiftungsrecht, in: Faller / Kirchhof / Träger (Hrsg.), Verantwortlichkeit und Freiheit. Die Verfassung als wertbestimmte Ordnung. Festschrift für Willi Geiger zum 80. Geburtstag, Tübingen 1989, S. 671 – 703 (673 ff.). 10 So zu Recht Liermann, ebd., S. 125 mit der Begründung, dass es sich „noch nicht um ein brutales Kassieren von Stiftungen zugunsten des Staates, sondern um die Änderung des Stiftungszweckes unter mindestens äußerlicher Wahrung der alten Rechtsform“ handelte. Auch Siegmund-Schultze, Zur konfessionell beschränkten Stiftung im heutigen Recht, DÖV 1994, S. 1017 –1024 (1018) sieht in der Kommunalisierung die kirchlichen Verbindungslinien noch nicht abgeschnitten.

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der Armenfürsorge neue Betätigungsfelder. Dies führte zu einem gesteigerten Finanzbedarf, der zum Teil über Stiftungen gedeckt wurde. 3. Aufklärung Die Aufklärung hat mit der Säkularisierung gerade auch für kirchliche Stiftungen ein großes Stiftungssterben gebracht. Die Aufhebung der Klöster durch Kaiser Joseph II., die Säkularisierung des Kirchengutes einschließlich der Stiftungen während der Französischen Revolution und der Reichsdeputationshauptschluss 1803 führten zu einem Niedergang des Stiftungswesens. Lediglich um das Pfarren, Schulen und milde Anstalten unterstützende Vermögen zu erhalten, wurde durch den Reichsdeputationshauptschluss in Deutschland das dem kirchlichen Bedarf der Ortsgemeinde dienende Stiftungsgut von der Wegnahme ausgenommen. Im Zuge der Aufklärung traten nunmehr weltliche Zwecke in den Vordergrund. Es setzte sich die Auffassung durch, dass die Sorge um das gemeinsame Wohl Staatsaufgabe sei. Zudem erschien die Bindung der lebenden Generation an den Willen verstorbener Stifter (die sog. „tote Hand“) wider die Vernunft. Da Stiftungen, die der Förderung des gemeinen Wohls dienten, als Gefahr für die Verwirklichung staatlicher Gemeinwohlvorstellungen angesehen wurden, bedurften selbstständige Stiftungen fortan einer staatlichen Genehmigung (Privileg), die regelmäßig die Organisation der Stiftung festlegte und sie einer staatlichen Aufsicht unterwarf 11. 4. Das 19. und 20. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert führte wieder zu einem deutlichen Anstieg der Anzahl von Stiftungen. Der Städel-Fall 12 löste zudem eine wissenschaftliche Diskussion aus, die zur Anerkennung der Allzweckstiftung führte. Hiernach sind alle nicht gegen die Gesetze verstoßenden Zwecke als Stiftungszwecke zulässig. In der Privatrechtswissenschaft wurden Stiftungen als eigenständige juristische Personen den Korporationen gegenübergestellt 13, was sich auch in der landesstaatlichen Gesetzgebung 14 und später im BGB niederschlug. Bereits in Titel IV § 9 Abs. 4 der Bayerischen Verfassung vom 26. 05. 1818 wurde allen „Religionstheilen, ohne 11

§ 65 des Reichsdeputationshauptschluss: „Fromme und milde Stiftungen sind, wie jedes Privateigenthum, zu conserviren, doch so, daß sie der landesherrlichen Aufsicht und Leitung untergeben bleiben.“ 12 Der Rechtsstreit wurde durch die Gründung der Stiftung Städelsches Kunstinstitut im Jahr 1816 hervorgerufen und betraf die Frage, ob die Errichtung einer reinen Kulturstiftung rechtlich zulässig sei. Vgl. hierzu Becker, Der Städel-Paragraph (§ 84 BGB), in: Baumgärtel / Becker / Klingmüller / Wacke (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hübner zum 70. Geburtstag am 7. November 1984, S. 21 – 33. 13 Heise, Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts zum Behuf von PandectenVorlesungen, Heidelberg 1807; v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, II. Band, Berlin 1840, S. 243 f.

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Ausnahme, ... das Eigenthum der Stiftungen und der Genuß ihrer Renten nach den ursprünglichen Stiftungs-Urkunden und dem rechtmäßigen Besitze, sie seyen für den Cultus, den Unterricht oder die Wohlthätigkeit bestimmt, vollständig gesichert.“ Eine vergleichbare Garantie wurde durch Art. 138 Abs. 2 in die Weimarer Reichsverfassung vom 11. 08. 1919 übernommen. Als Folge der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einem erneuten großen Stiftungssterben, von dem auch kirchliche Stiftungen betroffen waren. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden zudem viele Stiftungen an nationalsozialistischen Zwecken ausgerichtet oder liquidiert. 15 Mit dem Vorwand, dass konfessionelle Zwecksetzungen mit dem Gedanken der „Volksgemeinschaft“ unvereinbar seien, kam es zu einer erneuten Säkularisierung. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der mit der Währungsreform 1948 in der späteren BRD verbundenen Geldentwertung folgte ein zweites Stiftungssterben im letzten Jahrhundert. Der danach einsetzende wirtschaftliche Aufschwung und die stiftungsrechtlichen Regelungen auf Landesebene begünstigten ein rasches Wiederaufblühen der Stiftungslandschaft. In der DDR wurde mit Einführung des ZGB 16 1976 die rechtliche Grundlage für selbstständige Stiftungen beseitigt. § 9 EGZGB ermöglichte eine erhebliche staatliche Einflussnahme auf bestehende Stiftungen. Da eine private Gemeinwohlpflege der Idee des sozialistischen Staates widersprach, wurden in der DDR viele Stiftungen enteignet oder zusammengelegt. 17 Nach der Wiedervereinigung 1990 erfuhr das Stiftungswesen wieder einen deutlichen Aufschwung. Diese wechselvolle Entwicklung des Stiftungswesens hatte auch Auswirkungen auf die Rechtsnatur vieler einzelner Stiftungen. Aufgrund der Verweltlichung und Säkularisierung des Stiftungswesens kann jedoch nicht (mehr) zwangsläufig von der wahrgenommenen Aufgabe auf die Rechtsnatur der ausführenden Einrichtung geschlossen werden. 18 Dies zeigen auch die normativen Grundlagen für kirchliche Stiftungen.

14 Z. B. Badisches Gesetz, die Rechtsverhältnisse und die Verwaltung der Stiftungen betreffend, vom 14. 5. 1870 (GVBl. für das Großherzogtum Baden 1870, S. 399). 15 Eine wichtige Grundlage hierfür war § 66 DGO. Ausführlich zur Geschichte des Stiftungsrechts im Nationalsozialismus Rawert / Ajzensztejn, Stiftungsrecht im Nationalsozialismus, in: v. Campenhausen / Kronke / Werner (Hrsg.), Stiftungen in Deutschland und Europa, Düsseldorf 1998, S. 157 – 181. 16 Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. 6. 1975 (GBl. I 1975, S. 465). Bis dahin galt das BGB. 17 Vgl. zu den Zusammenlegungen in Sachsen Sollondz, Die Einebnung der sächsischen Stiftungslandschaft durch die Zusammenlegungsgesetze von 1948/49, in: v. Campenhausen / Hauer / Pölnitz-Egloffstein / Mecking (Hrsg.), Deutsches Stiftungswesen 1988 –1998, Tübingen 2000, S. 347 –365. Vgl. auch v. Campenhausen, Alte Stiftungen in den neuen Ländern, in: v. Campenhausen / Kronke / Werner (Hrsg.), Stiftungen in Deutschland und Europa, Düsseldorf 1998, S. 183 – 199. 18 OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (452).

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III. Rechtsgrundlagen 1. Das Recht kirchlicher Stiftungen Das Recht kirchlicher Stiftungen liegt im Schnittpunkt mehrerer Rechtskreise und ist angesichts der geschichtlichen Entwicklung des kirchlichen Stiftungswesens durch zahlreiche alte, nach wie vor geltende, Rechtsschichten geprägt. Dabei ist zwar zwischen dem staatlichen und innerkirchlichen Recht zu unterscheiden. Allerdings stehen beide nicht beziehungslos nebeneinander. Neben die staatlichen Bestimmungen (z. B. BGB, Landesstiftungsgesetze, steuerrechtliche Bestimmungen) tritt der staatskirchenrechtliche Normenbestand, der neben den religionsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes auch das Staatskirchenvertragsrecht umfasst. Die zwischen den Kirchen und den Ländern geschlossenen Staatskirchenverträge normieren weitreichend stiftungsrechtliche Materien. Die Art. 140 GG i.V. m. Art. 136 –139, 141 WRV garantieren den als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten Religionsgesellschaften u. a. die Organisationsgewalt zur Regelung innerkirchlicher Angelegenheiten. 19 Die Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3, 138 Abs. 2 WRV gewährleisten den Kirchen das Recht, ihre Angelegenheiten selbstständig, z. B. auch in Form rechtsfähiger Stiftungen kirchlichen Rechts, zu verwalten und kircheneigenes Stiftungsrecht zu schaffen. 20 Dieses enthält z. B. Regelungen über die Verwaltung und Aufsicht kirchlicher Stiftungen, da diese nach Verleihung der staatlichen Rechtsfähigkeit 21 weitgehend aus der staatlichen Obhut entlassen und der der Kirche unterstellt werden 22. Denn aufgrund der verfassungsrechtlichen Verbürgungen des Selbstbestimmungsrechts und des Schutzes des Kirchengutes (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1, 138 Abs. 2 WRV) muss der Staat auch im Bereich der Aufsicht über kirchliche Stiftungen deren Eigenständigkeit wahren. Daher hat er auch im Rahmen der Aufsicht weitgehend Zurückhaltung zu üben. 23 Im evangelischen Rechtskreis erfolgt die Regelung vor allem durch die Stiftungsgesetze der Landeskirchen. 24 19

BVerfGE 46, S. 73 – 96. Zur Abgrenzung gegenüber der kirchlichen Stiftung nach staatlichem Recht vgl. BVerfGE 46, S. 73, 83 f., Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 47 ff., 130 ff. 21 Aus der Funktionsgarantie durch die Kirche folgern Neuhoff, in: Soergel, BGB, Vor § 80 RdNr. 46 und Röder, Katholische Stiftungen in Deutschland, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage, Wiesbaden 2003, S. 127 (139), dass ausnahmsweise auch Einkommensstiftungen anerkannt werden müssten. Zur Unzulässigkeit von Einkommensstiftungen Fiedler, Staatliches Engagement im Stiftungswesen zwischen Formenwahlfreiheit und Formenmissbrauch, Berlin 2004, S. 142 ff. m.w. N. 22 Der Umfang der kirchlichen Stiftungsaufsicht ist regional unterschiedlich und erfolgt teils in Form einer Rechts- teils in Form einer Fachaufsicht. 23 Die Art. 31 Abs. 1 S. 1 StiftG Bay, § 4 Abs. 3 S. 1 StiftG Bdb, § 16 Abs. 2 Nr. 5 StiftG Bre, § 20 Abs. 4 StiftG He, § 26 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 StiftG M-V, § 20 Abs. 2 S. 5 StiftG Nds, § 14 Abs. 5 StiftG NRW, § 19 Abs. 4 StiftG Saar, sehen vor, dass kirchliche Stiftungen 20

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Der katholische Rechtskreis wird durch die Vorgaben der cc. 1299 ff. Codex Iuris Canonici (CIC) 1983, die auf diözesaner Ebene durch die Stiftungsordnungen der (Erz-)Bistümer konkretisiert werden, geprägt. 25 Dabei lassen sich vor allem Pfründe-, Ortskirchenstiftungen und sog. sonstige Stiftungen, wozu vor allem Wohltätigkeits- und Schulstiftungen zählen, unterscheiden. Pfründestiftungen wurden geschaffen, um Pfarrern ihren Lebensunterhalt zu sichern, und bestehen im Wesentlichen aus Grundstücken. Im Gegensatz zum CIC 1917 sind im CIC 1983 keine eigenen Regelungen zu Pfründestiftungen mehr enthalten, so dass keine neuen Pfründestiftungen geschaffen werden. Der Zweck von Ortskirchenstiftungen, die häufig als Kirchenstiftung oder Kirchenfond bezeichnet werden, besteht in der Befriedigung ortskirchlicher Bedürfnisse. Dazu zählen neben der Errichtung, Ausstattung und Unterhaltung der Kirchengebäude, Friedhöfe, Amtsund Wohngebäude der Geistlichen und ihrer Mitarbeiter ebenso die Beschaffung des Sachbedarfs für Gottesdienst und Seelsorge. 26 Daneben tritt das Satzungsrecht der einzelnen kirchlichen Stiftungen. 2. Abgrenzung weltlicher und kirchlicher Stiftungen nach staatlichem Recht Die durch die staatlichen Verwaltungsbehörden und Gerichte vorzunehmende Abgrenzung zwischen weltlichen und kirchlichen Stiftungen staatlichen Rechts richtet sich nach staatlichem Recht 27, wobei rechtsfähige Stiftungen kirchlichen Rechts auch solche des staatlichen Rechts sein dürfen 28. Rechtsfähige Stiftungen nehmen selbst an dem verfassungsrechtlich fundierten Selbstverwaltungsrecht der Kirchen teil, wenn sie der Pflege und Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder der Verkündigung des Glaubens der Kirchenmitglieder dienen. 29 Staatsrechtliche Grundlage für kirchliche Stiftungen bilden die Landesstiftungsgesetze, wobei keiner Staatsaufsicht unterliegen. Nach den Vorschriften der § 25 Abs. 1 StiftG B-W, § 27 Abs. 3 StiftG DDR, § 27 Abs. 3 StiftG S-A, § 27 Abs. 3 StiftG Th findet eine staatliche Stiftungsaufsicht über kirchliche Stiftungen nur soweit statt, wie eine kirchliche Aufsicht nicht stattfindet. Nach § 18 Abs. 2 StiftG S-H ist ein Einvernehmen zwischen staatlicher Aufsichtsbehörde und Kirchenbehörde erforderlich. 24 Ausführlich zu den Stiftungen kirchlichen Rechts Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 47 ff. 25 Vgl. hierzu auch Pirson, Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln, Berlin, Bonn, München 2001, S. 555 –570. 26 Röder, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, S. 127 (132 ff.). 27 BVerfGE 46, S. 73 (84). 28 BVerfGE 46, S. 73 (84); Neuhoff, in: Soergel, BGB, Vor § 80 RdNr. 46, 55; SiegmundSchultze, Kommentar zum Niedersächsischen Stiftungsgesetz, 8. Auflage, Wiesbaden 2002, Erl. 1 zu § 20. Ausführlich zur Frage der rechtlichen Identität einer kirchlichen Stiftung staatlichen Rechts mit der kanonischen Stiftung Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. auch OLG Zweibrücken, MDR 1966, S. 672.

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kirchliche Stiftungen staatlichen Rechts nicht auf Kultuszwecke der jeweiligen Kirche beschränkt sind. In den Landesstiftungsgesetzen sind Kriterien festgelegt, wann es sich um eine kirchliche Stiftung staatlichen Rechts handelt. 30 Voraussetzung ist danach, dass die Stiftung eine ausschließlich oder überwiegend kirchliche Zweckbestimmung und eine organisatorische Zuordnung zu einer Kirche aufweist und durch die zuständige Behörde dieser Kirche anerkannt ist. 31 Nicht entscheidend für die Qualifikation als kirchliche Stiftung ist, ob der Stifter aus religiösen Motiven heraus gehandelt hat. 32 a) Kirchliche Zwecke Bereits Art. 138 Abs. 2 WRV zeigt in seiner nicht abschließenden Aufzählung 33, dass zu den kirchlichen Zwecken nicht nur die Verkündigung des Glaubens zählt, sondern auch karitative Tätigkeiten 34. Letztere Aufgaben sind allerdings nicht mehr bei kirchlichen Einrichtungen monopolisiert, sondern werden ebenso von der öffentlichen Hand oder privaten Institutionen wahrgenommen. Zu den kirchlichen Aufgaben gehören aber nur diejenigen, welche durch den Auftrag der jeweiligen Kirche geprägt sind. 35 Deshalb ist die Feststellung, dass eine Aufgabe generell kirchlich sein kann, für die Charakterisierung als kirchliche Stiftung nicht ausreichend. 36 Entscheidend ist damit das Selbstverständnis der Kirche, das (lediglich) auf Glaubwürdigkeit geprüft werden kann und zu respektieren ist. 37

29 BVerfGE 46, S. 73 (85 ff.); 53, S. 366 (391); BAG, NJW 1978, S. 2116; BAG, ZevKR 27 (1982), S. 312 (315). 30 § 22 StiftG B-W, Art. 29 StiftG Bay, § 2 Abs. 1 StiftG Bdb, § 16 Abs. 1 StiftG Bre, § 26 Abs. 1 StiftG DDR, § 20 Abs. 1 StiftG He, § 26 Abs. 1 StiftG M-V, § 20 Abs. 1 StiftG Nds, § 13 Abs. 1 StiftG NRW, § 12 Abs. 1 StiftG Rh-Pf, § 19 Abs. 1 StiftG Saar, § 26 Abs. 1 StiftG S-A, § 18 Abs. 1 StiftG S-H, § 26 Abs. 1 StiftG Th. 31 Vgl. zu den Abgrenzungsproblemen Schulte, Staat und Stiftung, Heidelberg 1989, S. 16 ff. 32 OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (450). Ebenso Pohley, Kommentar zum Bayerischen Stiftungsgesetz, Wiesbaden 1993, Erl. 1.2 zu Art. 36. Er betont zu Recht, dass nicht die Motivation des Stifters, sondern der Zweck der Stiftung ausschlaggebend ist. Dies verkennt Bär, Das Stiftungswesen als Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche, ArchsozArb 1993, S. 93 – 116 (109). 33 Korioth, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 140 GG Art. 138 WRV RdNr. 16. 34 BVerfGE 46, S. 73 (85 ff.); 53, S. 366 (391 ff.); 70, S. 138 (162 f.); BVerwGE 72, S. 135 (139 f.); OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (451). Zu der mit Art. 36 StiftG Bay a. F. verbundenen, problematischen Interpretation des Begriffs „religiöse Zwecke“ vgl. nur Hofmann, Die Rechtsstellung der kirchlichen Stiftungen unter besonderer Berücksichtigung ihres Verhältnisses zu Staat und Kirche, ZevKR 12 (1966/1967), S. 313 (320 f.) m.w. N. 35 So muss ein in Form einer Stiftung organisiertes Krankenhaus, um als kirchliche Stiftung zu gelten, die Krankenpflege spezifisch im Geist der jeweiligen Kirche ausführen. Vgl. BVerfGE 46, S. 73 (87 f.); OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (452 f.).

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b) Organisatorische Zuordnung zu einer Kirche Die Anforderungen an die organisatorische Zuordnung zu einer Kirche 38 sind in den einzelnen Landesstiftungsgesetzen unterschiedlich ausgestaltet. Dafür ist ausreichend, wenn entweder die Stiftung durch eine Kirche errichtet wurde 39, eine organisatorische Verbindung zwischen der Stiftung und der Kirche besteht 40, die Stiftung kirchlicher Aufsicht untersteht 41 oder eine Aufgabe nur sinnvoll in Verbindung mit einer Kirche erfüllt werden kann 42. Von einer organisatorischen Verbindung kann nur dann gesprochen werden, wenn diese geeignet ist, die Verantwortlichkeit der betreffenden Kirche für die Stiftung und die Verfolgung der Stiftungszwecke im kirchlichen Sinne zu dokumentieren. 43 Dies ist der Fall bei der Verwaltung einer Stiftung durch eine Kirche oder deren Organe, oder wenn die Kirche einen bestimmenden Einfluss auf die Besetzung der Stiftungsorgane besitzt. Es ist allerdings nicht ausreichend, dass ein kirchlicher Amtsträger als Stiftungsorgan bestellt ist oder dass nur Angehörige einer bestimmten Konfession von der Stiftung begünstigt werden. 44 Das Merkmal einer besonders engen Zweckver-

36 OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (452 f.); ebenso Siegmund-Schultze, Kommentar zum Niedersächsischen Stiftungsgesetz, Erl. 2a zu § 20. A. A. VG Oldenburg, 1 VG A 172/ 88, 14. 03. 1991, S. 10 f. des Urteils. 37 Bär, ArchsozArb 1993, S. 93 (105 ff.). 38 Auch hierfür hält ders., ebd. aus verfassungsrechtlichen Gründen das kirchliche Selbstverständnis für entscheidend. 39 Art. 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StiftG Bay, § 16 Abs. 1 Nr. 1 StiftG Bre, § 26 Abs. 1 StiftG DDR, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StiftG Nds, § 13 Abs. 1 lit. a) StiftG NRW, § 3 Abs. 6 S. 1 StiftG Rh-Pf, § 26 Abs. 1 StiftG S-A, § 19 Abs. 1 Nr. 1 StiftG Saar, § 26 Abs. 1 StiftG Th. 40 Art. 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StiftG Bay, § 2 Abs. 1 S. 1 StiftG Bdb, § 16 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Bre, § 26 Abs. 1 StiftG DDR, § 20 Abs. 1 StiftG He, § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StiftG M-V, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StiftG Nds, § 26 Abs. 1 StiftG S-A, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StiftG S-H, § 19 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Saar, § 26 Abs. 1 StiftG Th. 41 § 22 Nr. 1 StiftG B-W, Art. 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StiftG Bay, § 16 Abs. 1 Nr. 3 StiftG Bre, § 26 Abs. 1 StiftG DDR, § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StiftG M-V, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StiftG Nds, § 13 Abs. 1 lit. a), b) StiftG NRW, § 26 Abs. 1 StiftG S-A, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StiftG S-H, § 26 Abs. 1 StiftG Th. 42 § 22 Nr. 2 StiftG B-W, § 16 Abs. 1 Nr. 4 StiftG Bre, § 26 Abs. 1 StiftG DDR, § 20 Abs. 1 StiftG He, § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StiftG M-V, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StiftG Nds, § 26 Abs. 1 StiftG S-A, § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StiftG S-H, § 19 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Saar, § 26 Abs. 1 StiftG Th. 43 OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (452). Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 150 f. 44 So ausdrücklich Art. 29 Abs. 2 StiftG Bay. Siegmund-Schultze, DÖV 1994, S. 1017 – 1024 (1019). Vor dem Hintergrund der sog. Rumpelkammer-Entscheidung, BVerfGE 24, S. 236–252, kritisch hierzu Bär, ArchsozArb 1993, S. 93 (108 f.). Das VG Oldenburg, 1 VG A 172/88, 14. 03. 1991, entnimmt dem Vorbehalt der Stiftungsmittel zugunsten Angehöriger eines bestimmten Glaubensbekenntnisses die erforderliche kirchliche Aufgabenstellung

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bindung ist erfüllt, wenn der Stiftungszweck nur durch ein enges Zusammenwirken zwischen Kirchengemeinde und Stiftung erreicht werden kann. 45 c) Anerkennung durch die zuständige Kirchenbehörde Um der Kirche keine Stiftung „aufzuzwingen“, muss eine kirchliche Stiftung staatlichen Rechts von der zuständigen Kirchenbehörde anerkannt werden. 46 Diese Anerkennung darf nicht mit der für die Erlangung der staatlichen Rechtsfähigkeit nach § 80 Abs. 1, 2 BGB erforderlichen Anerkennung durch die staatliche Stiftungsbehörde verwechselt werden. Dies stellt auch § 80 Abs. 3 BGB klar. Damit wird dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) Rechnung getragen. 47 IV. Der Fall Vereinigte Hospitien In der Praxis kommt es immer wieder zu Streitigkeiten über die Rechtsnatur von Stiftungen. Der geschichtliche Überblick hat gezeigt, dass vor allem alte Stiftungen einer wechselvollen Entwicklung der rechtlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen ausgesetzt waren, die zum Teil nicht ohne Auswirkungen auf ihre Organisation blieben. Ein Beispiel hierfür ist auch die Entstehung der Vereinigten Hospitien, die nach der Besetzung der Stadt durch französische Revolutionsheere 1794 Teil der Neuordnung des stark zersplitterten Hospitienwesens in Trier war. Zumindest ein Teil dieser Einrichtungen aus vornapoleonischer Zeit hatte zweifellos kirchlichen Charakter. Bereits 1798 nahm eine neu errichtete zivile Hospitienkommission ihre Arbeit auf. Ihr waren sämtliche Hospitäler unterstellt. Noch während der französischen Besatzungszeit wurden durch Dekret Napoleons vom 24. 05. 1805 mehrere ältere Einrichtungen, vor allem der Krankenund Armenpflege, zu den Vereinigten Hospitien zusammengefasst. Anlass des Rechtsstreits über die Einordnung der Vereinigten Hospitien waren unterschiedliche Auffassungen zwischen dem neu konstituierten Personalrat und den Vereinigten Hospitien darüber, ob auf diese das staatliche Landespersonal(S. 11 des Urteils). Ebenso Renck, Zur Problematik der Verwaltung religiöser Stiftungen durch die öffentliche Hand, DÖV 1990, S. 1047 (1048). 45 Bär, ArchsozArb 1993, S. 93 (110) stellt für dieses Merkmal wiederum das kirchliche Selbstverständnis in den Vordergrund. 46 § 24 S. 1 StiftG B-W, Art. 30 Abs. 1 S. 2 StiftG Bay, § 5 Abs. 2 S. 1 StiftG Bdb, § 16 Abs. 2 Nr. 1 StiftG Bre, § 27 Abs. 2 StiftG DDR, § 20 Abs. 2 S. 1 StiftG He, § 26 Abs. 1 S. 2 StiftG M-V, § 20 Abs. 1 S. 2 StiftG Nds, § 14 Abs. 2 StiftG NRW, § 12 Abs. 1 S. 2 StiftG Rh-Pf, § 27 Abs. 2 StiftG S-A, § 18 Abs. 1 S. 2 StiftG S-H, § 19 Abs. 3 StiftG Saar, § 27 Abs. 2 StiftG Th. 47 Nissel, Das neue Stiftungsrecht, Baden-Baden 2002, RdNr. 156 f.

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vertretungsgesetz Anwendung findet. Das ist gemäß § 126 LPersVG Rh-Pf nicht der Fall, wenn die Vereinigten Hospitien als kirchliche Stiftung zu qualifizieren sind. Zur Klärung dieser Frage stellten die klagenden Vereinigten Hospitien beim beklagten Land Rheinland-Pfalz den Antrag, dieses möge im Rahmen seiner Stiftungsaufsicht feststellen, dass es sich um eine kirchliche Stiftung handele. Prüfungsmaßstab für die Rechtsnatur der Vereinigten Hospitien war § 41 StiftG Rh-Pf a. F. 48 Sowohl Ausgangs- als auch Widerspruchsbehörde lehnten diesen Antrag ab. Daraufhin erhob die Stiftung Klage vor dem VG Trier, das der Klage stattgab, wogegen das Land erfolgreich Berufung einlegte. 1. Argumentation der Vereinigten Hospitien und des Landes Rheinland-Pfalz Die Vereinigten Hospitien argumentierten im Wesentlichen, dass die Verbürgerlichungsbewegung im 14. Jahrhundert zu keiner Säkularisierung der damaligen Einrichtungen geführt habe und auch die Ereignisse während der französischen Besatzungszeit nichts am (zumindest zum Teil) ursprünglich katholischen Charakter geändert hätten. Es sei mit der Zusammenfassung der bestehenden Einrichtungen lediglich zu einer verwaltungstechnischen Vereinheitlichung und Veränderung der Wirtschaftsführung gekommen. Jedoch seien die religiösen Motive der Stifter nie in Frage gestellt worden. Das beklagte Land hielt bereits diesen tatsächlichen Ausgangspunkt für unzutreffend und nahm zudem auf die aktuelle Stiftungssatzung Bezug, die nicht hinreichend den kirchlichen Charakter oder eine kirchliche Anbindung zum Ausdruck bringe. Während der französischen Besetzung seien die alten Stiftungen aufgelöst und neue Einrichtungen geschaffen worden, die allerdings staatlichen Charakter aufweisen würden.

48 § 41 Begriffsbestimmung (1) Kirchliche Stiftungen sind: a) die ortskirchlichen Stiftungen und Pfründestiftungen, b) sonstige von den Kirchen durch ihre Organe errichtete Stiftungen, c) von anderen Personen errichtete Stiftungen, 1. die entweder organisatorisch in die Kirchenverwaltung eingegliedert sind oder 2. deren Zweck so bestimmt ist, dass er sinnvoll nur in Verbindung mit der Kirche erfüllt werden kann. (2) Eine Stiftung wird nicht schon dadurch zu einer kirchlichen, daß ein kirchlicher Amtsträger als Stiftungsorgan bestellt ist oder daß nur Angehörige einer bestimmten Konfession Leistungen aus der Stiftung erhalten oder dass eine Stiftung als einer Konfession zugehörig bezeichnet ist.

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2. Entscheidung des VG Trier a) Begründung Das VG Trier stellte fest, dass es sich bei den Vereinigten Hospitien weder um eine ortskirchliche Stiftung bzw. Pfründestiftung noch um eine sonstige von den Kirchen errichtete Stiftung i. S.v. § 41 Abs. 1 lit. a, b StiftG Rh-Pf a. F. handele und sie ihre heutige Form als einheitliches Rechtsgebilde erst während der napoleonischen Zeit ohne Mitwirkung der katholischen Amtskirche erhalten habe. Es fehle zudem an einer Eingliederung in die Kirchenverwaltung. Allerdings sei der Zweck der Stiftung so bestimmt, dass er sinnvoll nur in Verbindung mit der Kirche erfüllt werden könne (§ 41 Abs. 1 lit. c Nr. 2 StiftG Rh-Pf a. F.). 49 Dabei ging das Gericht vom allgemeinen Grundsatz des Stiftungsrechts aus, dass der historische Stifterwille für die Aufgaben, Zielsetzungen und auch die Zuordnung der Stiftung prägend bleibt. Soweit sich eine eindeutige Bestimmung des Stifterwillens als nicht möglich erweise, sei der Charakter der Einrichtung unter Zugrundelegung einer Gesamtbetrachtung zu treffen. 50 So fordere § 41 StiftG Rh-Pf a. F. in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung ein Mindestmaß an organisatorischer Anbindung bzw. tatsächlicher Verbundenheit mit der Amtskirche. 51 Vor dem Hintergrund des aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV abgeleiteten Selbstverwaltungs- und Organisationsrechts der Kirchen komme es vor allem auf ihr jeweiliges Selbstverständnis an, so dass auch eine lockere, wenn auch geordnete Anbindung genüge. Deshalb brauche das jeweilige Verwaltungsorgan der Stiftung weder ein Organ der Kirche zu sein, noch bedürfe es eines entscheidenden Einflusses der Kirche bei der Verwaltung der Stiftung. 52 Daraus schlussfolgerte das Gericht, dass wenn „selbst in der heutigen Zeit, in der Staat und Kirche voneinander getrennt sind und letztere im staatsfernen gesellschaftlichen Raum zu verorten sind, lediglich reduzierte Anforderungen an dieses organisatorische Merkmal zu stellen“ sind, „dies erst Recht im Rahmen der historischen Betrachtung für Zeiten zu gelten“ habe, „in denen der Einfluss der Kirche auf Staat und Gesellschaft prägend war“. 53 Das Gericht begründete im Anschluss seine Auffassung, dass die katholisch-kirchliche Prägung der Hospitäler und sonstigen karitativen Einrichtungen während der französischen Besatzungszeit nicht zerstört oder wesentlich verändert worden, der „jedenfalls latent ... beibehaltene Charakter einer kirchli49

S. 12 des Urteils. S. 14 f. des Urteils unter Bezugnahme auf OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (450). 51 S. 17 des Urteils mit Verweis u. a. auf BAG, NJW 1976, S. 1165 (1166), BAG, ZevKR 27 (1982), S. 313 (315); OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (452); Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 148 ff.; v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, § 23 RdNr. 18 – 20. 52 S. 18 des Urteils unter Bezugnahme auf BAG, NJW 1976, S. 1165 (1167). 53 Ebd. 50

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chen Einrichtung“ auch während der preußischen Zeit nicht verloren gegangen und im 20. Jahrhundert „reaktiviert“ und in der Stiftungssatzung von 1977 niedergelegt worden sei. In der Zusammenfassung der bestehenden Einrichtungen im Jahr 1805 sah das Gericht lediglich ein praktisches Bedürfnis der damaligen Zeit, um das zersplitterte und ineffektive Hospitals- und Armenpflegewesen zu reformieren. „Diese rein verwaltungspraktischen Motive“ dürften indes „nicht zu einem zweckgebenden Stiftungsakt überhöht werden“. Es habe weder eine Neugründung noch eine Säkularisierung stattgefunden. 54 Die organisatorische Anbindung an die Kirche sei durch das Erfordernis der katholischen Konfession der Mitglieder des Verwaltungsrates und des Sitzes des Bischofs in diesem gewährleistet. Dass der Bischofsstuhl nach der Flucht des von den Franzosen eingesetzten Bischofs zeitweise vakant blieb und der Bischof deshalb keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Vereinigten Hospitien nahm, ändere daran nichts. Vielmehr stellte das Gericht darauf ab, dass mit der Eingliederung Triers in das Land Preußen die Regelungen des westfälischen Friedens, der den Bestand katholischen Stiftungsvermögens garantierte, galten. Und als katholische Einrichtung sei der Einfluss des Staates im Gegensatz zur evangelischen Kirche als preußische Staatskirche deutlich geringer ausgefallen. Zudem sei mit Art. 15 der Verfassung Preußens vom 31. Januar 1850 55 den Kirchen verfassungsrechtlich ihre Selbstverwaltung und der Bestand ihrer Stiftungen garantiert worden. b) Kritik Die Auffassung des Gerichts überzeugt in mehrfacher Hinsicht nicht. Das Gericht belegt bereits nicht, worin der Zweck der Stiftung besteht, der „nur sinnvoll in Verbindung mit der Kirche“ erfüllt werden könne. Aus der Gegenüberstellung zu den anderen Arten der organisatorischen Zuordnung zu den Kirchen folgt, dass für dieses Merkmal eine besonders enge Zweckverbindung erforderlich ist. 56 Diese ist nur gegeben, wenn die kirchlichen Zwecke nicht ohne Mitwirkung der Kirche angemessen und sachgerecht durchgeführt werden können. 57 Dafür reichen jedoch reine Wohltätigkeitszwecke nicht aus. Es ist – auch aus den Urteilsgründen – nicht 54

S. 25 ff. des Urteils. „Art. 15. Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religionsgesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds.“ 56 Siegmund-Schultze, Kommentar zum Niedersächsischen Stiftungsgesetz, Erl. 2a zu § 20. 57 Gebel / Hinrichsen, Kommentar zum Schleswig-Holsteinischen Stiftungsgesetz, Wiesbaden 1994, Erl. 3.4 zu § 20. Siegmund-Schultze, ebd. nennt als Beispiel für die enge Zweckbindung die sonntägliche Ausschmückung eines Gottesdienstraumes (ebenso Stengel, Kommentar zum Hessischen Stiftungsgesetz, Wiesbaden 1994, Erl. 1.4 zu § 20) und als Gegenbeispiel die kirchlich geprägte Krankenpflege. 55

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erkennbar, weshalb die durch die Vereinigten Hospitien betriebene Armen- und Krankenpflege nur in Zusammenhang mit der Kirche ausgeübt werden könne. Außerdem verkennt das Verwaltungsgericht den Umfang der stiftungsrechtlich geforderten organisatorischen Zuordnung zu einer Kirche. Zwar muss, wie das Gericht zutreffend ausführt, das Verwaltungsorgan einer Stiftung nicht Organ der Kirche sein, allerdings muss die Kirche einen entscheidenden Einfluss auf die Verwaltung der Stiftung ausüben können. Das Gericht beruft sich hinsichtlich seiner entgegenstehenden Auffassung zu Unrecht auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die bereits in ihrem 3. Leitsatz verlangt, dass „die Religionsgemeinschaft einen entscheidenden Einfluß auf die Verwaltung der Stiftung hat“. 58 Abgesehen davon wurde dieser Beschluss durch die Goch-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 59 aufgehoben. Eine Möglichkeit der Einflussnahme der Kirche wäre die Beteiligung des Bischofs an der Stiftungsverwaltung gewesen, was auf Grund der Vakanz des Bischofsstuhles allerdings längere Zeit unterblieb. Der bischöfliche Stuhl machte vielmehr erst 1934 wieder von seinem Sitz in der Hospitienkommission Gebrauch. 60 Dass dies keinen Einfluss auf die Frage der organisatorischen Zuordnung haben soll, ist indes fraglich, da das Gericht eine andere Begründung nicht liefert. Außerdem ist es entgegen der Auffassung des VG nicht ausreichend, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates einer bestimmten Konfession angehören, da damit nicht zwangsläufig eine organisatorische Anbindung an eine Kirche sichergestellt ist. Vielmehr wäre es nur ein vermittelter Zusammenhang, der eine Einflussnahme durch die Kirche letztlich nicht sicherstellen kann, solange die Kirche auf die Auswahl der Verwaltungsratsmitglieder keinen entscheidenden Einfluss hat. 61 Letztlich verkennt das VG Trier im Gegensatz zum OVG Koblenz auch die Bedeutung der Ereignisse während der französischen Besatzungszeit. Es erkennt allerdings, dass sich die zusammengefassten Stiftungen von ihrem (zumindest zum Teil) ursprünglich kirchlichen Charakter entfernt hatten, indem es von einem „latent ... beibehaltenen Charakter einer kirchlichen Einrichtung“ spricht, der später „reaktiviert“ wurde. Es bleibt völlig im Dunkeln, was unter einem „latent kirchlichen Charakter“ zu verstehen ist. Es kann wohl am ehesten so interpretiert werden, dass die Zuordnung der Einrichtungen zu einer Kirche nur noch aus der Geschichte heraus hergeleitet werden könnte, tatsächlich aber nicht mehr bestand. Dann sind jedoch die Erfordernisse für eine kirchliche Stiftung auch nicht mehr erfüllt.

58 59 60 61

BAG, NJW 1976, S. 1165 (1166, 1167). BVerfGE 46, S. 73 ff. OVG Koblenz, 7 A 10146/03.OVG, 16. 11. 2004, S. 26. In diesem Sinne OVG Lüneburg, OVGE 44, S. 448 (454 f.).

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3. Entscheidung des OVG Koblenz Zu diesem Ergebnis gelangte letztlich auch das OVG Koblenz, obgleich seine Ausführungen in Zusammenhang mit dem von ihm angewendeten Rechtsgrundsatz der unvordenklichen Verjährung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sind. a) Begründung Zu Recht ist Ausgangspunkt seiner Überlegungen § 47 Abs. 1 StiftG Rh-Pf a. F., wonach zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. Januar 1967 alle bestehenden Stiftungen ihre damalige Rechtsstellung behalten (§ 54 StiftG RhPf a. F.). Bei der Auslegung der Merkmale des für kirchliche Stiftungen relevanten § 41 StiftG Rh-Pf a. F. beachtet das OVG zutreffend die verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Autonomie, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch rechtlich selbstständigen Einrichtungen der Kirche zusteht, soweit sie dazu berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche in der Welt wahrzunehmen. 62 Richtiger Weise misst es daher die Entwicklung der Stiftung an den für das staatliche Recht der kirchlichen Stiftungen grundlegenden Aussagen der GochEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist zur Abgrenzung von weltlichen und kirchlichen Stiftungen auf den Stifterwillen abzustellen, der insbesondere aus dem Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung erkennbar ist. Ist dies, wie bei alten Stiftungen nicht selten der Fall, nicht möglich, z. B. weil Urkunden hierüber fehlen, muss der Stifterwille aus anderen Umständen gefolgert werden können. Das Gericht wertet die Zusammenfassung der – zumindest zum Teil – kirchlichen Einrichtungen zur Stiftung „Vereinigte Hospitien“ als neues Stiftungsgeschäft mit einem neuen, veränderten Stifterwillen. Zwar steht weiterhin die Armen- und Krankenpflege im Vordergrund. Jedoch ist der kirchliche Zweck entfallen; die ursprünglich kirchlichen Stiftungen wurden mit der Zusammenlegung „irreparabel säkularisiert“ 63. Die Errichtung der Vereinigten Hospitien beruhte mit einem Dekret Napoleons auf einer Entscheidung eines säkularisierten Staates. Mit dem Gutachten des Landeshauptarchivs gelangt das Gericht „zu einer Existenzbeendigung der kirchlichen Einrichtungen durch den Vorgang der Säkularisation und die Einverleibung in die staatliche Verwaltung“. 64 Napoleon hat in den linksrheinischen Gebieten seine in Frankreich begonnene Säkularisation von Kirchenvermögen fortgesetzt. Im Konkordat von 1801 hatte der Heilige Stuhl die Nationalisierungen anerkannt, 62

S. 24 f. des Urteils. Als Schlussfolgerung aus der Goch-Entscheidung sieht Bär, ArchsozArb 1993, S. 93 (114) dieses Erfordernis für einen Verlust des kirchlichen Charakters. 64 S. 30 ff. des Urteils. 63

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woraufhin 1802 sämtliche Orden, geistliche Kongregationen, geistliche Titel und Anstalten aufgehoben wurden. Eine Ausnahmeregelung erfasste nicht die zu den Vereinigten Hospitien zusammengeschlossenen Einrichtungen. Da bei der Auslegung des Stifterwillens beachtet werden muss, dass „jede Stiftung in das historisch-gesellschaftliche Milieu eingebunden“ ist, „innerhalb dessen sie entstanden ist“, 65 kann nicht davon ausgegangen werden, dass die französische Besatzungsmacht – ausnahmsweise – eine kirchliche Einrichtung bestehen lassen oder errichten wollte. Vielmehr vollzog sie auch in den linksrheinischen Gebieten ihre in Frankreich begonnene Säkularisation. Damit ist auch der Argumentation des VG der Boden entzogen, die auf die Regelungen des westfälischen Friedens Bezug nahm. Der dort garantierte Bestand katholischen Stiftungsvermögens greift im Fall der Vereinigten Hospitien gerade nicht, weil mit ihrer Errichtung die kirchliche Natur der Vorgängereinrichtungen entfallen war. Der ursprünglich kirchliche Charakter dieser Einrichtungen lebte auch nicht wieder auf. Das Eigentümliche einer Stiftung ist, dass der Stifterwille für die Stiftung dauernd konstitutiv bleibt, weshalb „Charakter und Zweck der Stiftung ... mit diesem Anfang in die Zukunft hinein und für die Dauer der Existenz der Stiftung“ festliegen. Deshalb kann weder „eine neuere Satzung ... eine nach dem historischen Gründerwillen errichtete kirchliche Stiftung im nachhinein ‚säkularisieren‘, noch ... ohne entsprechende staatliche Anerkennung allein die milieubedingte Uminterpretation der ursprünglichen historischen Vorgänge und die Entwicklung eines entsprechenden Selbstverständnisses der Träger eine säkularisierte Stiftung gleichsam rechristianisieren“. 66 Diese Ausführungen werden durch das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Goch-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. 67 Die nachfolgende Prüfung durch das OVG hinsichtlich einer Änderung des Charakters während der preußischen Zeit kann vor dem Hintergrund der GochEntscheidung wiederum nur im Sinne einer staatlich anerkannten Änderung des Stifterwillens 68 verstanden werden. Zu einem Wandel der Rechtsnatur ist es jedoch nicht gekommen, zumal nach dem Preußischen Allgemeinen Landrecht die Armenversorgung den Gemeinden oblag. Dabei hat das Gericht zutreffend 65

BVerfGE 46, S. 73 (85). S. 27 des Urteils. 67 S. 6 f. des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. 08. 2005, Az. 7 B 12.05. 68 Etwas anderes kann auch der Entscheidung des OVG Lüneburg, 8 OVG A 36/79, 20. 06. 1983, OVGE 37, S. 412 ff. = StiftRspr III, S. 165 ff. nicht entnommen werden, obwohl das Gericht, ebd., S. 166 davon spricht, dass etwaige statusverändernde Maßnahmen staatlicherseits nicht untersucht werden müssten, was es dann jedoch zutreffenderweise getan hat und die endgültige Aufhebung der kirchlichen Aufgabenstellung durch die preußische Regierung und damit durch den Staat begründet (S. 168 f.). 66

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festgestellt, dass die verfassungsrechtliche Garantie der Kirchenautonomie nicht bedeutet, dass der Interpretation geschichtlicher Vorgänge durch Kirchen der Vorrang eingeräumt werden müsse. 69 Denn letztlich handelt es sich um eine Entscheidung nach staatlichem Recht, wofür allein die staatsrechtliche Behandlung in der Vergangenheit ausschlaggebend ist, die ebenso wenig vom Selbstverständnis der Kirchen abhängig sein kann, wie die Einordnung kirchlicher Stiftungen nach kirchlichem Recht von der Qualifizierung durch den Staat determiniert wird. b) Kritik In mehrfacher Hinsicht unzutreffend ist jedoch die Verwendung des Rechtsgrundsatzes der unvordenklichen Verjährung durch das OVG Koblenz. Danach wird ein bestehender Zustand infolge seiner Dauer widerlegbar als rechtswirksam begründet vermutet, wofür in der Regel eine widerspruchslose Rechtsausübung während 80 Jahren erforderlich ist. Das Recht muss dafür während der letzten 40 Jahre in dem Sinne ausgeübt worden sein und aufgrund glaubhafter Bezeugung muss sich ergeben, dass ein anderer Rechtszustand in den 40 Jahren zuvor nicht bekannt gewesen ist. 70 Ausgangspunkt für die Einordnung alter Stiftungen ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens des rheinland-pfälzischen Stiftungsgesetzes zum 1. Januar 1967 (§ 54 StiftG Rh-Pf a. F.), weshalb es nicht richtig ist, wenn das Gericht im Rahmen der unvordenklichen Verjährung stattdessen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abstellt. Aufgrund der Vorschrift des § 47 StiftG Rh-Pf a. F. hätte das Gericht die 80-jährige Zeitspanne ab dem 1. Januar 1967 berechnen und somit die Entwicklung der Vereinigten Hospitien bis ca. Mitte der achtziger Jahre des vorletzten Jahrhunderts begutachten müssen. 71 Demgegenüber blickte das OVG im Rahmen der unvordenklichen Verjährung nur auf den Zeitraum bis zu den Anfängen der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Abgesehen von der 69 Einer gegenteiligen Bewertung der Ereignisse in Anlehnung an die kirchliche Literatur des 19. Jahrhundert trat das OVG (S. 41 f. des Urteils) ausdrücklich auch vor dem Hintergrund der Anerkennung der Kirchenautonomie durch Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 140 GG entgegen. Dies könne kein Grund sein, „ab dieser Zeit einem kirchlichen Interpretationsverständnis von der geschichtlichen Entwicklung besonderen Raum zu geben, worauf es aber hinauslaufen würde, wenn man ab jenem Zeitpunkt der kirchlichen Interpretation der Rechtsverhältnisse zu der Zeit der französischen Revolution ... einen besonderen Vorzug einräumen wollte. Die staatsrechtliche Behandlung unter napoleonischer und preußischer Herrschaft kann damit nicht ungeschehen gemacht werden.“ 70 RGZ 111, S. 90 (95 ff.); BGHZ 16, S. 234 (238 f.). Grothe, in: Rebmann / Säcker / Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1. Allgemeiner Teil, 4. Auflage, München 2001, § 193 RdNr. 3. 71 So z. B. für die parallel liegende Problematik im Straßenrecht VGH Baden-Württemberg, VBlBW 1992, S. 144 (145) bzw. im Wasserrecht BayObLG, BayObLGZ 1994, S. 129 (134).

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Frage des zu untersuchenden Zeitraumes hätte das Gericht den Grundsatz der unvordenklichen Verjährung nicht anwenden dürfen. 72 Dieser Grundsatz steht nämlich im Gegensatz zu den vom Gericht zu Recht herangezogenen Kernaussagen des Goch-Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist der Stifterwille für die Stiftung dauernd konstitutiv. „Charakter und Zweck der Stiftung liegen mit diesem Anfang in die Zukunft hinein und für die Dauer der Existenz der Stiftung fest.“ 73 Völlig zutreffend schlussfolgert das OVG daraus, dass eine Stiftung allein durch Uminterpretation der historischen Vorgänge und Entwicklung nicht säkularisiert, aber auch nicht rechristianisiert werden könne. Gerade hierauf könnte es allerdings letztendlich hinauslaufen, wenn mit dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung allein ein 80-jähriger Zeitraum betrachtet wird. Es besteht die Gefahr, dass für den Charakter einer Stiftung u. U. auf einen Zeitraum abgestellt wird, in welchem ein anderes Verständnis des Stifterwillens bzw. dessen Missachtung besteht, ohne dass dieses Verhalten eine staatliche Anerkennung erfahren hätte, weshalb auch der entscheidende Stifterwille und damit Zweck und auch Charakter einer Stiftung nicht verändert worden wären. Es war dem Gericht daher nicht abgenommen, soweit wie möglich den historischen Stifterwillen in Bezug auf die Vereinigten Hospitien zu ergründen, was es dann auch getan hat. V. Fazit Der Fall der Vereinigten Hospitien zeigt, dass es für die Qualifizierung einer alten Stiftung als kirchliche Stiftung staatlichen Rechts einer eingehenden historischen Analyse bedarf, weil der Stifter „seiner“ Stiftung das Gepräge gibt und dies auch in der Zukunft ausschlaggebend ist. Eine schleichende Säkularisierung einer kirchlichen Stiftung kann nicht erfolgen. Hierzu ist eine staatliche Anerkennung der Änderung erforderlich. Gleiches gilt für den Versuch einer Rechristianisierung einer, weil z. B. zwischenzeitlich säkularisierten, nichtkonfessionellen Stiftung. Begrüßenswert sind diese deutlichen Aussagen des OVG Rheinland-Pfalz, die aber zugleich und zum wiederholten Male die Bedeutung der Goch-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterstreichen, an die sie anknüpfen.

72 Der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung wurde nicht zuletzt auch auf Grund der Ergebnisse des Sechzehnten deutschen Juristentages nicht in das BGB aufgenommen. Vgl. Verhandlungen des Sechszehnten deutschen Juristentages, Berlin 1882, S. 117 ff., 241 ff., 310 ff.; Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, I. Band. Einführungsgesetz und Allgemeiner Theil, Berlin 1899, S. 543. Er besitzt daher im Zivilrecht nur selten, v. a. im Immobiliarsachenrecht, noch Bedeutung. 73 BVerfGE 46, S. 73 (85).

II. Die kirchliche Stiftungslandschaft

Katholische Stiftungslandschaft in Deutschland Kristin Meyer

I. Einleitung „Kirchliche Stiftungen sind im Kommen“ – so der Tenor der meisten, die sich mit den kirchlichen Stiftungen praktisch und / oder wissenschaftlich befassen. 1 Die Stiftungen werden als Handlungs- und Gestaltungsoption in der Kirche wiederentdeckt 2, wobei die Betonung auf „wieder“ liegt. Denn das Stiftungswesen ist in Deutschland zum größten Teil kirchlich geprägt. In der Kirche fand die Entwicklung des kontinentalen Stiftungswesens ihren Ursprung. 3 Die ältesten Stiftungen Deutschlands entstanden im kirchlichen Umfeld, so beispielsweise die aus dem 1126 erstmals urkundlich erwähnten Domspital des ehemaligen Hochstifts Hildesheim hervorgegangene Johannishofstiftung Hildesheim. 4 Jedoch scheint der Stiftungsboom im allgemeinen, bürgergesellschaftlichen Kontext auch im kirchlichen Bereich Auswirkungen zu zeitigen. Viele katholische Stiftungen bemühen sich zunehmend um neue (Zu-)Stifter. Besonders gut lässt sich das anhand des Engagements der verschiedenen Caritasstiftungen der Diözesen zeigen. 5

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Vgl. dazu nur: Vögele / Tyra, Kirchliche Stiftungen sind im Kommen! Loccumer Protokolle 41/02, Evangelische Akademie Loccum, 1. Auflage Rehburg-Loccum 2002; Begrich / Koss, „Chance und Herausforderung“, StiftungsWelt 2/2007, S. 8 f. (8). 2 Zu den Vorteilen der Rechtsform Stiftung für die Förderung des kirchlichen Lebens in der Katholischen Kirche: Giebelmann, „Erbe und Kraftquell“, StiftungsWelt 2/2007, S. 10 f. 3 Dazu: Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (1 f.) mit weiteren Nachweisen; ders., „,Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (16). 4 Zur Johannishofstiftung siehe nur: von Campenhausen, „Die kirchlichen Stiftungen in Vergangenheit und Gegenwart“, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte, Band 82 (1984), Hannover 1984, S. 113 ff. (130 ff.) [Dieser Beitrag wurde nochmals – ohne Anmerkungen – veröffentlicht unter: „Die kirchlichen Stiftungen, ihre Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart“, in: Hauer / Rossberg / von Pölnitz-Egloffstein (Hrsg.), Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Tübingen 1986 (Lebensbilder deutscher Stiftungen, Band 5), S. 57 –83]; Pelchen, „Die Johannishofstiftung in Hildesheim und ihr Gründer – historische und rechtliche Aspekte“, in: Dietz / Pannier (Hrsg.), Festschrift für Hildebert Kirchner zum 65. Geburtstag, München 1985, S. 277 –287.

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Im kirchlichen Stiftungswesen lassen sich verschiedene Entwicklungslinien ausmachen: Eine bemerkenswerte ist die zunehmende Tendenz der in Deutschland so zahlreichen Frauenorden und geistlichen Genossenschaften, die überwiegend im sozial-karitativen Bereich tätig waren, ihre Einrichtungen an spezielle, neu gegründete Trägerstiftungen zu übergeben, die diese Einrichtungen im Sinne der geistlichen Genossenschaften oder der Orden weiterführen sollen. 6 Beispielsweise wurde die St. Franziskus-Stiftung Münster von der Ordensgenossenschaft der Franziskanerinnen Münster-St. Mauritz gegründet, die seit 1844 vor allem in der Krankenpflege tätig ist. Die Ordensgemeinschaft hat alle von ihr aufgebauten und betriebenen Krankenhäuser 2004 in diese Stiftung eingebracht. Die Stiftung ist durch ihre Satzung verpflichtet, die übernommenen Werke in der Intention der Ordensgemeinschaft mit ihren kirchlichen und franziskanischen Grundsätzen weiter zu führen. 7 II. Gegenwärtiger Bestand an Katholischen Stiftungen in Deutschland Die katholischen Stiftungen in Deutschland bieten ein außerordentliches differenziertes, vielgestaltiges Erscheinungsbild. Ihre Summe ist allerdings nicht genau zu beziffern. Schon eine genaue Angabe der Zahl der kirchlichen Stiftungen insgesamt ist kaum möglich. Laut einer Umfrage aus Anlass der Reform des Stiftungsteuerrechts bestanden im Jahr 2000 19.237 selbständige kirchliche Stiftungen 8, die aktualisierte Umfrage für das Jahr 2005 zählte 13.323 von ihnen 9. Da diese Angaben auf einer freiwilligen Mitwirkung beruhen, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass sie ein wahres Abbild des Bestandes an kirchlichen Stiftungen in Deutschland schaffen. Dieser Problemstellung wird aber im Bereich der Katholischen Kirche durch die diözesanen Stiftungsverzeichnisse, die sich mehr und mehr durchsetzen, aktuell entgegengewirkt. 10 Weit überwiegend sind die 5 Zum Beispiel hat die CaritasGemeinschaftsstiftung Stuttgart 2003 den Wegbegleiter „schenken-vererben-stiften“ herausgegeben, der in seinem Abschnitt K alle wichtigen Informationen für eine Zustiftung an die Caritas GemeinschaftsStiftung Stuttgart enthält. 6 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (4) mit weiteren Nachweisen. 7 Diese und weitere Informationen abrufbar unter: http://www.st-franziskus-stiftung.de /wir-ueber-uns.html (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 8 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (129). 9 Mecking, „Das aktuelle Erscheinungsbild der deutschen Stiftungen“, Stiftung&Sponsoring 2/2005, DIE ROTEN SEITEN, S. 14 f. 10 Siehe dazu das Verzeichnis über die rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart – Stiftungsverzeichnis –, KirchABl. 2007, Nr. 1, 15. 01. 2007,

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kirchlichen Stiftungen ihrer Rechtsform nach öffentlich-rechtlich. 11 Die Zahl der privatrechtlich organisierten kirchlichen Stiftungen ist bisher noch gering, nimmt aber stetig zu. 12 III. Bedeutung Die Bedeutung der kirchlichen Stiftung ist zunächst einmal eine historische. Die Idee des Stiftens ist geschichtlich eng mit der Kirche und insbesondere mit der christlichen Liebestätigkeit verbunden. 13 Stiftungen sind zwar universalhistorische Erscheinungen 14, doch das deutsche Stiftungswesen wurde besonders durch die Katholische Kirche und deren Stiftungswesen geprägt. 15 Die Kirche galt stets als Garant von Kontinuität, was sie seit jeher wesensmäßig mit der Rechtsform Stiftung verbindet. 16

S. 12 –17; abrufbar im Internet unter: https://www.map.drs.de/uploads/tx_drsPressespiegel /Amtsblatt2007-1.pdf (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 11 Mecking, „Das aktuelle Erscheinungsbild der deutschen Stiftungen“, Stiftung & Sponsoring 2/2005, DIE ROTEN SEITEN, S. 14 f.; Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (129); die Ursache dafür liegt in der historischen Entwicklung des kirchlichen Stiftungswesens. Nach der Säkularisation von großen Teilen kirchlichen Vermögens war meist nur noch das öffentlich-rechtlich strukturierte ortskirchliche Stiftungsvermögen erhalten geblieben. Doch die kirchliche Stiftungslandschaft der Gegenwart kennt nicht nur die ortskirchlichen Stiftungen, sondern ist mannigfaltig, wie der Beitrag im Folgenden zeigen wird. 12 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (29). 13 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (8); Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 9 f.; Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Weitz, Deutsche Stiftungsagentur GmbH, CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 1. 14 Borgolte, Stiftungen, Kirchliche I in: Theologische Realenzyklopädie Band XXXII, Berlin New York 2001, S. 167 ff. (167); ders., „Einleitung“ in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, Berlin 2005, S. 9 ff. (9); Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (15). 15 Vgl. Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“, in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (1). 16 Vgl. dazu nur: Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (9); Janowsky, „Wo Kirche drin ist, sollte auch Kirche ‚draufsehen‘“, StiftungsWelt 2/2007, S. 12 f. (13); Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, 2. Auflage Tübingen 2002, S. 122 mit weiteren Nachweisen; Seils, „5.5.1. Kirchliche Stiftungen: Die protestantische Seite“,

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Darüber hinaus spiegelt sich die Besonderheit kirchlicher Stiftungen auch in ihrer rechtlichen Verfassung beziehungsweise in dem für sie geltenden Reglement wider: Sie werden im Grundgesetz in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 Abs. 2 WRV ausdrücklich genannt. Sie sind Teil der Kirchengutsgarantie und können am Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV teilhaben. 17 Die kirchlichen Stiftungen werden anders als die staatlichen nicht von einem rein weltlichen Ordnungsrahmen determiniert, sondern erhalten ihre Gestalt durch sachspezifische Regelung der Kirche. Das hebt sie aus der Stiftungslandschaft heraus. 18 Für die Kirche selbst haben die Stiftungen ebenfalls große Bedeutung – auch deshalb, weil die Kirche wegen ihres Auftrags auf zeitliche Güter angewiesen ist. Sie erbringt ihre Heilssendung in dieser Welt und damit unter ihren Bedingungen. 19 Die kirchlichen Stiftungen sind mithin eine Möglichkeit, die kirchlichen Aufgaben in der Welt zu erfüllen. IV. Geschichte Historischen Betrachtungen kommt eine Schlüsselfunktion im Stiftungsrecht zu. 20 Sie ermöglichen ein Verständnis der Herkunft der Stiftungen, ihrer Entwicklungen und Wandlungen. Gerade im Rahmen von Abgrenzungsproblemen 21 zeigt sich die Bedeutung einer „geschichtlich belehrten“ Stiftungsrechtsdogmatik 22. Doch die Entwicklung der katholischen Stiftungen lässt sich wegen ihrer ausgesprochenen Mannigfaltigkeit nur skizzieren. in: Weitz /Deutsche Stiftungsagentur GmbH, CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5.5.1.1., S. 2. 17 Siehe dazu grundlegend die sog. „Goch-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 46, S. 73 ff., Beschluss vom 11. 10. 1977, Az. 2 BvR 209/76. 18 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (24). 19 Pree, „§ 99 Grundfragen kirchlichen Vermögensrechts“, in: Listl / Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 2. Auflage Regensburg 1999, S. 1041 ff. (1042). 20 Vgl. Bär, „Das Stiftungswesen als Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche“, ArchsozArb 1993, S. 93 ff. (93). 21 Siehe nur die aktuellen Rechtsstreitigkeiten um den Rechtsstatus der Vereinigten Hospitien Trier oder der Stiftung Liebenau. 22 Zur Bedeutung der Geschichte im Rahmen stiftungsrechtlicher Forschung siehe insbesondere: Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (6), der auf den bemerkenswerten Ansatz der „geschichtlich belehrten Gegenwartsdogmatik“ von Picker in seinem Festschriftbeitrag „Der vindikatorische Herausgabeanspruch“, in: Canaris / Heldrich (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof: Festgabe aus der Wissenschaft, Band I. Bürgerliches Recht, München 2000, S. 693 ff. (698) verweist.

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Den Anfang bildete das christliche Gebot der Nächstenliebe. Eine spezielle Form institutionalisierter Caritas bildete sich aber zunächst noch nicht aus; vielmehr hatte die Caritas ihren Platz unmittelbar in der Gemeinde. Erst später entstanden Einrichtungen wie Armen- und Waisenhäuser, die eigenständig betrieben wurden. Sie wurden deshalb auch abhängig von zusätzlichen Finanzmitteln in Form von Spenden der Gläubigen. Diese Zuwendungen erfolgten überwiegend durch Verfügungen von Todes wegen oder Spenden. Für die Gläubigen bot das Spenden den Vorteil, dass sie so die von den griechischen und lateinischen Kirchenvätern aufgestellte Verpflichtung des sog. Sohnesteil Christi (portio christi) erfüllen konnten: Danach hatte jeder Erblasser die Pflicht, Jesus Christus mit einem Kindesteil zu bedenken und damit auch für sein Seelenheil zu sorgen. 23 Obwohl eine Abgrenzung zwischen selbständigen und unselbständigen Stiftungen im heutigen Sinne für die damaligen Stiftungen nicht erfolgen kann, wird man davon ausgehen können, dass die Stiftungen eher unselbständig waren. Dennoch kann man von einer gewissen Institutionalität und Verselbständigung der Stiftungen sprechen. 24 Das Stiftungswesen war im Mittelalter bis zu Reformation noch ganz in den Rechtskreis der Kirche eingebettet. 25 Nur sie galt als dauerhafte Institution, welche die Stiftungen schützen und die Verwendung der Erträge im Sinne des Stiftungszweckes sicherstellen konnte. 26 Das Mittelalter war durch eine Vielzahl von Stiftungszwecken der kirchlichen Stiftungen gekennzeichnet, die sich durchaus verselbständigen und damit von dem restlichen kirchlichen Vermögen separieren konnten. Separation und Dezentralisation prägte den Geist des Mittelalters. Zuwendungsempfänger von Stiftungen im Mittelalter konnten Heilige, Altäre, Hospitäler aber auch Kruzifixe am Wegesrand sein. Der Zusammenhang von Klöstern und Stiftungen ist besonders bezeichnend 23 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (9 und Fn. 48) mit weiteren Nachweisen. 24 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (10). 25 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 104. 26 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (9); Pennitz, Kommentierung §§ 80 – 89, in: Schmoeckel / Rückert / Zimmermann (Hrsg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Band I Allgemeiner Teil §§ 1 –240, Tübingen 2003, §§ 80 –89 Rn. 9 f.; Scheller, „Stiftungen und Staatlichkeit im spätmittelalterlichen Okzident“, in: Borgolte (Hrsg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, Berlin 2005, S. 205 ff. (214 f.); ders., „Memoria, Caritas und das Problem der Dauer. Wahlverwandtschaften zwischen den Stiftungen und der Kirche im Mittelalter“, in diesem Band S. 19 ff.

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für die mittelalterliche Stiftungsgeschichte. Die Fürsorge für die Kranken und deren Pflege war in dieser Zeit vorrangig mit den Klöstern verbunden. Zwischen pia causa und Kloster bestand ein so enger Zusammenhang, dass nicht selten von der das Kloster tragenden Genossenschaft versucht wurde, das Stiftungsvermögen in das Klostervermögen zu integrieren. 27 Mit dem Spätmittelalter begannen Verweltlichungstendenzen. Zwecke der Wohlfahrt wurden nicht mehr ausschließlich als kirchlich angesehen. Die freien Reichsstädte übernahmen die Armenpflege selbst oder übergaben die Armenverwaltung in die Hand von Laien. 28 Die Verweltlichungs- und damit Trennungstendenzen verstärkten sich in der Reformation. Stiftungszwecke katholischer Stiftungen wurden, wenn es aus theologischen Gründen für notwendig erachtet wurde, dem reformatorischen Kirchenverständnis angepasst. Dies galt naturgemäß besonders innerhalb der nunmehr evangelischen Reichsstände. Es wurden beispielsweise Messstipendien als Schulstipendien oder zu Armenzwecken verwendet. Gerade die Vorstellung der Einrichtung eines Messstipendiums zur Rettung des Seelenheils und posthumen Läuterung war mit der reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung unvereinbar. Die Reformation betraf nicht unbedingt die Kirchlichkeit einer Stiftung, aber ihre Zuordnung zu einer Konfession. 29 Nachhaltige Veränderung erfuhr das kirchliche Stiftungswesen im Zeitalter der Aufklärung. Hans Liermann bezeichnete sie sogar als „die feindlichste Epoche für das Stiftungswesen in der Geschichte“ 30. Man konzentrierte sich in der Aufklärung auf den Staat. Privater, nichtstaatlicher Tätigkeit wurde misstraut. Staatliche Genehmigungen waren erforderlich, um sich im Wohlfahrtsektor zu engagieren. Fromme und milde Stiftungen unterlagen der landesherrlichen Aufsicht und Leitung nach § 65 RDHS 1803. Die staatliche Oberaufsicht schreckte auch nicht vor weitreichenden Eingriffen und Umverteilungen zurück. Es kam zu Säkularisierungsmaßnahmen in Form von Überführungen kirchlichen Vermögens in staatliches Vermögen. Bis heute reichen die Auswirkungen dieser Zeit, die für Stiftungen eine Beeinträchtigung ihres Selbstverständnisses, ja faktisch ihrer 27 von Campenhausen, „Geschichte des Stiftungswesens“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, Wiesbaden 1998, S. 23 ff. (29); Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (12). 28 Vgl. Siegmund-Schultze, „‚Fromm‘, ‚mild‘, ‚gemeinnützig‘ vom Mittelalter bis zur Gegenwart – Der rechtliche Status der Evangelischen Stiftungen Osnabrück –, Osnabrücker Mitteilungen Band 92 (1987), S. 105 ff. (148, 151 f.). 29 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (16 f.); Hesse, „Evangelische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“, in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 41 ff. (45). 30 Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, 2. Auflage Tübingen 2002, S. 168.

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dauerhaften Existenz bedeuten können. Exemplarisch sei hier auf den Rechtsstreit um den Status der Vereinigten Hospitien Trier 31 verwiesen. Im 19. Jahrhundert bildete sich die weltliche Stiftung als eigene Kategorie heraus und trat somit neben die kirchliche Stiftung. Das kirchliche Stiftungswesen dieser Zeit war besonders dadurch gekennzeichnet, dass kirchliche und weltliche Stiftungen weitgehend zentral verwaltet wurden und der Staat darüber hinaus auch entschied, was als „kirchlich“ qualifiziert werden sollte. Es gestaltete sich äußerst schwierig, wenn man katholische Stiftungen errichten wollte, die unter der Oberaufsicht kirchlicher Organe stehen sollten. 32 Erst Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts wurden im Landesrecht teilweise Regelungsfreiräume geschaffen, die es dem kirchlichen Gesetzgeber ermöglichten, im Rahmen des allgemeinen Kirchenvermögensrechts eigene Beaufsichtigungen vorzusehen. 33 Allmählich entstanden wieder vermehrt neue katholische Stiftungen. 34 V. Begriff 1. Katholizität Bei der Klärung des Begriffs der katholischen Stiftung stellt sich nicht nur die Frage, was eine Stiftung ist, oder was eine kirchliche Stiftung im Gegensatz zu einer weltlichen Stiftung ist – es besteht darüber hinaus das theologisch-ekklesiologische Problem der Katholizität einer Stiftung. Üblicher als die Bezeichnung „katholische Stiftungen“ sind im Stiftungswesen die Begriffe „fromme Stiftungen“ oder piae causae. Das CIC von 1983 spricht allerdings nicht mehr von der Stiftung als pia causa, sondern als fundatio. 35 Die Kirchlichkeit einer kirchlichen Stiftung resultiert aus der formellen Anerkennung der zuständigen kirchlichen Autorität. Die Genehmigung des Bischofs ist 31 VG Trier, Urteil vom 27. 6. 2002, Az. 1 K 183/01; OVG Rheinland Pfalz, Urteil vom 16. 11. 2004, Az. 7 A 10146/03; BVerwG, Beschluss vom 29. 8. 2005, Az. 7 B 12/05; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. 6. 2006, Az. 2 A 11376/05; BVerwG, Beschluss vom 2. 7. 2007, Az. 7 B 64/07; zum Ganzen auch: Fiedler, „Kirchliche Stiftungen zwischen Säkularisierung und Rekonfessionalisierung“, ZSt 2006, S. 111 ff. 32 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (20 f.). 33 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 111 ff. 34 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (129). 35 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (558).

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damit nicht nur ein Indiz, sondern das entscheidende Merkmal für die Einordnung einer Stiftung als kirchlich-katholisch. 36 2. Kirchlichkeit Beim Begriff der kirchlichen Stiftung im staatlichen Recht ist zuvörderst an die Abgrenzung der kirchlichen von der weltlichen Stiftung innerhalb des staatlichen Rechts zu denken. Sie wird vorwiegend über die beiden Merkmale „kirchliche Aufgabe“ und „organisatorische Verbindung mit einer Kirche“ vorgenommen. 37 Die Abgrenzung im Detail stellt sich aber gerade bei historischen Stiftungen bzw. Altstiftungen als äußerst problematisch dar. 38

36 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (24). 37 von Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage München 2006, S. 278; von Campenhausen, in: Seifart / von Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 10; Ebersbach, Handbuch des Deutschen Stiftungsrechts, Göttingen 1972, S. 35 f., 249; Hesse, „Evangelische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“, in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 41 ff. (42 f.); Otte, „Fromm, mild und gemeinnützig. Zum rechtlichen Status der Evangelischen Stiftungen Osnabrück“, Osnabrücker Mitteilungen Band 93 (1988), S. 115 ff. (116); Rawert, „Der Stiftungsbegriff und seine Merkmale – Stiftungszweck, Stiftungsvermögen, Stiftungsorganisation-“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 109 ff. (110); Siegmund-Schultze, „‚Fromm‘, ‚mild‘, ‚gemeinnützig‘ vom Mittelalter bis zur Gegenwart – Der rechtliche Status der Evangelischen Stiftungen Osnabrück –, Osnabrücker Mitteilungen Band 92 (1987), S. 105 ff. (110). Vgl. dazu auch das Diskussionsprotokoll I der Tagung „Religiöse Stiftungen in Deutschland“ am 9. 6. 2006 in Hamburg: Dort waren sich die Referenten darüber einig, dass es im Hinblick auf die zwei benannten Abgrenzungsmerkmale keine erheblichen strukturellen Abweichungen zwischen katholischer und evangelischer Seite gibt, Diskussionsprotokoll I in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 53 f. (53). 38 Eben weil kirchliche Stiftungen zu den älteren gehören, sind sie Einflüssen der Geschichte in besonderem Maße ausgesetzt. Insbesondere als im Spätmittelalter der Staat an Macht gewann, wurden zahlreiche Stiftungen in ihrem Charakter verändert. Deshalb ist gerade bei alten, bis heute bestehenden Stiftungen oft schwer feststellbar, ob sie kirchlich oder weltlich sind; vgl. Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (18): „Das Auseinandertreten von Staat und Religion, von Christengemeinde und Bürgergemeinde im evangelischen Sinn ist das Ergebnis eines historischen Säkularisationsprozesses, der hier nicht nachgezeichnet werden muss. Dieser historische Prozess gewärtigt aber auch stiftungsrechtliche Probleme, etwa wenn es um die Qualifizierung einer alten Stiftung als kirchlich oder nicht-kirchlich geht, einschließlich der Möglichkeit der Wandlung einer Stiftung von einer religiös-kirchlichen zu einer weltlichen. In nicht wenigen Fällen war und ist dies sehr streitig.“

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VI. Rechtsgrundlagen 1. Kirchlicher und weltlicher Rechtskreis Das Stiftungsrecht der kirchlichen Stiftungen wird durch eine Gemengelage von Vorschriften des kirchlichen und weltlichen Rechts geprägt. Zwar müssen der kirchliche und der weltliche Rechtskreis voneinander unterschieden werden, jedoch hat die kirchliche Stiftung in beiden ihre Bedeutung und wird deshalb von beiden behandelt. Es gibt deshalb zahlreiche Überschneidungen und Rückbezüge zwischen den beiden Rechtsgebieten. 39 Deutlich wird die Unterscheidung zwischen weltlicher und kirchlicher Rechtsordnung an einigen Stiftungssatzungen. So bestimmt die Satzung des Breisgauer Katholischen Religionsfonds in ihrem § 2 Rechtsform: „(1) Die Stiftung wird nach kirchlichem Recht gemäß cann. 116, 1303 § 1 Nr. 1 CIC als selbständige Stiftung mit öffentlicher Rechtspersönlichkeit errichtet. (2) Die Stiftung hat nach staatlichem Recht die Rechtsform einer Stiftung des öffentlichen Rechts im Sinne des § 22 Nr. 2 des Stiftungsgesetzes für Baden-Württemberg und dient im Sinne des § 25 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes den Zwecken des Gottesdienstes und der Verkündigung.“ 40 Die Satzung der Erzbischof Hermann Stiftung enthält einen gleichlautenden § 2. 41 Auch die Frage des Verhältnisses der Rechtsfähigkeit nach kanonischem Recht einerseits und nach weltlichem Recht andererseits demonstriert die Problematik des Nebeneinanders der Rechtsordnungen. Der Codex Iuris Canonici schließt es nicht aus, dass eine Stiftung nach kanonischem Recht entsteht, ohne dass sie auch Rechtsfähigkeit nach staatlichem Recht erlangt bzw. das anstrebt. 42 Jedoch geht die vorwiegende Ansicht für die Stiftungen im Bereich der Katholischen Kirche von einer Identität zwischen der kanonischen Stiftung und der katholischen Stiftung weltlichen Rechts, 43 quasi von einer „Doppelnatur“ 44 aus. Wegen des Interesses der 39 Vgl. zum Unterschied zwischen staatlichem und kirchlichem Rechtsbegriff: Ruppel, „Die Gemengelage von staatlichem und kirchlichem Recht und der kirchliche Rechtsbegriff“, in: Pawlowski / Wieacker (Hrsg.), Festschrift für Karl Michaelis zum 70. Geburtstag am 21. Dezember 1970, Göttingen 1972, S. 267 ff. 40 Veröffentlicht in Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg Nr. 37 vom 21. Dezember 2005, S. 255 ff. 41 Veröffentlicht in Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg Nr. 15 vom 11. Mai 2005, S. 69 ff. 42 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (565). 43 Zum ganzen ausführlich: Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995. 44 Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Weitz / Deutsche Stiftungsagentur GmbH / CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 12.

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kanonischen Stiftung an einer Rechtsfähigkeit in der staatlichen Rechtsordnung werde im kanonischen Recht das staatliche Recht respektiert oder rezipiert. 45 Ein Auseinanderklaffen der Rechtsstatus in weltlichen und kirchlichen Bereich sei zumeist nicht gewollt. 46 In der Praxis muss man sich bei den kirchlichen Stiftungen stets vor Augen führen, in welchem Rechtsgebiet man gerade operiert. 47 2. Rechtsgrundlagen im weltlichen Recht Im weltlichen Bereich sind für die kirchlichen Stiftungen zunächst die staatskirchenrechtlichen Normen des Grundgesetzes zu beachten. Im Grundgesetz wird die kirchliche Stiftung in Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV genannt. Dort ist sie als eine beispielhafte Rechtsform kirchlichen Vermögens aufgeführt. Die Verfassung gewährt den Kirchen mit Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV das Recht an ihren Stiftungen als Teil der Kirchengutsgarantie. Gemeinsam mit dem in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bildet die Kirchengutsgarantie die staatskirchenrechtliche Grundlage des Stiftungsrechts für die kirchlichen Stiftungen. Das Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland wird nicht nur von der Verfassung, sondern auch durch das Staatskirchenvertragsrecht geprägt. Die Staatskirchenverträge stellen eine besondere Form der Rechtsgestaltung dar. Sie sind keine überflüssige Rechtsquelle, sondern ein weiteres, hilfreiches Instrument zur Regelung der Bereiche, die Kirche und Staat gleichermaßen berühren. Gerade für die gerichtliche Durchsetzung von Rechtspositionen haben Staatskirchenverträge eine große Bedeutung. 48 Für katholische Stiftungen ist zum einen das Reichskonkordat vom 20. 7. 1933 von Bedeutung, das in seinem Art. 13 Satz 1 bestimmt, dass die katholischen Stiftungen die Rechtsfähigkeit für den staatlichen Bereich nach den allgemeinen Vorschriften des staatlichen Rechts erlangen. Art. 17 Abs. 1 des Reichskonkordates gewährleistet das Eigentum und andere Rechte der Stiftungen der katholischen 45 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (565, 569). 46 Vgl. Althaus, „Die Stiftung nach kanonischem Recht“, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Auf dem Weg zur Bürgergesellschaft – Die Rolle der Stiftungen, Berlin 2002, S. 219 ff. (223). 47 So Post, „Katholische Stiftungen: Aktuelle Probleme in der juristischen Praxis“, in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 131 ff. (134). 48 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 1 ff. (33) mit weiteren Nachweisen.

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Kirche an ihrem Vermögen nach Maßgabe der allgemeinen Staatsgesetze. 49 Damit sichert es neben der Verfassung die Vermögensgarantie. Das Reichskonkordat gilt nach Art. 123 Abs. 2 GG fort. Zum anderen beinhalten Länderkonkordate Bestimmungen zum katholischen Stiftungswesen. Beispielsweise enthält Art. 10 § 4 des Bayerischen Konkordats vom 24. März 1924 einen Bestandsschutz für die Güter der katholischen Kirchenstiftungen. 50 Der Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien und Hansestadt Hamburg vom 29. 11. 2005 51 setzt sich besonders stark mit der Rechtsform der kirchlichen Stiftung auseinander. In Art. 12 Absatz 3 werden die rechtsfähigen kirchlichen Stiftungen definiert und darüber hinaus Bestimmungen zur Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen und die Mitwirkung der Kirche bei Satzungsänderungen, Zusammenlegung und Auflösungen kirchlicher Stiftungen getroffen. Außerdem wird die kirchliche Stiftung im BGB genannt. Nach Art. 80 Abs. 3 Satz 1 BGB bleiben die Vorschriften der Landesgesetze über die kirchlichen Stiftungen unberührt. Die Landesstiftungsgesetze bilden die maßgebliche Rechtsgrundlage für die kirchlichen Stiftungen staatlichen Rechts. 52 Die Stiftungsgesetze definieren die kirchlichen Stiftungen nahezu einheitlich 53 als Stiftungen, deren Zweck es ist, ausschließlich oder überwiegend kirchlichen Aufgaben zu dienen, und die eine besondere organisatorische Verbindung zu einer Kirche haben.

49 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (23). 50 Art. 10 § 4 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Bayern [Bayerisches Konkordat] vom 29. März 1924 (GVBl. 1925, S. 53), zuletzt geändert durch Vertrag vom 26. Juli 1988 (GVBl. S. 241) lautet im genauen Wortlaut: „Die Güter der Seminarien, Pfarreien, Benefizien, Kirchenfabriken und aller übrigen Kirchenstiftungen werden innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes gewährleistet und können ohne Zustimmung der zuständigen kirchlichen Obrigkeit nicht veräußert werden. Die Kirche hat das Recht neues Besitztum zu erwerben und als Eigentum zu haben. Dieses so erworbene Eigentum soll in gleicher Weise unverletzlich sein.“. 51 Abrufbar über die Übersicht des Bundesministerium des Innern unter: http://www.bmi .bund.de/nn_121560/Internet/Content/Themen/Kirchen_und_Religionsgemeinschaften/Ei nzelseiten/Vertraege_mit_der_katholischen_Kirche.html (zuletzt abgerufen am 9.12.2008). 52 von Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage München 2006, § 32 II S. 276; einen Überblick über die Regelungen zu den kirchlichen Stiftungen in den Landesstiftungsgesetzen bietet: Nelles, „Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken“ in: Graf Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, Berlin 2005, S. 187 ff. (191 ff.). 53 Dieser Auffassung folgend: Burke, „Freiheit von staatlicher Aufsicht“, Deutsche Stiftungen 3/1999, S. 58 f. (58); von Campenhausen, in: Seifart / von Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 1.

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3. Rechtsgrundlagen im katholischen Kirchenrecht Die kirchenrechtlichen Grundlagen für katholische Stiftungen sind vor allem in den cann. 1299 ff. des CIC von 1983 zu finden. Sie bilden eine Rahmenrechtsordnung, die von den Diözesen auf verschiedenste Weise durch partikulare Rechtsnormen ausgefüllt wurde bzw. wird. Es gibt zahlreiche diözesane Stiftungsordnungen, zum Beispiel die Ordnung für kirchliche Stiftungen in den bayrischen Erzdiözesen in der Fassung vom 1. 7. 1997. Innerhalb des CIC gibt es keinen thematisch abgegrenzten Bereich für das Stiftungsrecht. Die maßgeblichen Regelungen finden sich im Abschnitt zum Recht der juristischen Personen und im kirchlichen Vermögensrecht. Die Wesensmerkmale der Stiftung im weltlichen Recht – Stiftungszweck, Stiftungsvermögen, Stiftungsorganisation – liegen auch dem grundsätzlichen Verständnis von der Stiftung im kanonischen Recht zugrunde. 54 VII. Zwecke Aus kirchenrechtlicher Sicht handelt es sich bei kanonischen Stiftungen um Vermögensübertragungen ad causas pias. Dazu gehört grundsätzlich jeder Zweck, der im Einklang mit der kirchlichen Sendung steht. Im CIC wird zumeist eine Zwecktrias genannt, die allerdings nicht abschließend sein soll: die würdige Feier des Gottesdienstes, der Unterhalt der Kleriker und anderer kirchlicher Bediensteter und die Werke des Apostolates und der Caritas, vgl. can. 114 § 2. 55 VIII. Erscheinungsformen 1. Die Erscheinungsformen im Hinblick auf die Stiftungszwecke Die Erscheinungsformen der katholischen Stiftungen sind außerordentlich vielfältig. Es gibt Stiftungen zur kirchlichen Vermögensverwaltung (ortskirchliche Stiftungen, Pfarrpfründestiftungen), Memorialstiftungen, Wohltätigkeitsstiftungen, Messstiftungen und Kultusstiftungen. Ziel dieses Beitrages ist es im Besonderen, diese Vielfältigkeit streiflichtartig aufzuzeigen. 56 54 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (561). 55 Althaus, „Die Stiftung nach kanonischem Recht“, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Auf dem Weg zur Bürgergesellschaft – Die Rolle der Stiftungen, Berlin 2002, S. 219 ff. (220); Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (563).

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a) Messstiftungen Die Messstiftungen sind typisch für das katholische Stiftungswesen. Sie haben vom CIC-Gesetzgeber besondere Aufmerksamkeit erhalten. Unabhängig von ihrer gegenwärtigen Bedeutung bieten sie Orientierung bei der Herausbildung allgemeiner stiftungsrechtlicher Normen im CIC. 57 b) Pfründestiftungen, Ortskirchenstiftungen Im Mittelalter trat an die Stelle des vom Bischof zu verwaltenden Quarts für den Kultus die (örtliche) Kirchenstiftung (fabrica ecclesiae), die als Kirchenfabrik / Fabrikvermögen u. a. für die Errichtung und den Unterhalt des Kirchengebäudes zu sorgen hatte; anstelle des Quarts für den Klerus wurden Pfründestiftungen errichtet, welche die Einkünfte des Pfarrstelleninhabers zu sichern hatten. 58 Heute gehört der Kirchenstiftung das kirchliche Verwaltungsvermögen, dabei insbesondere das Gotteshaus und das unmittelbar religiösen Zwecken dienende Grundvermögen. 59 Sie wird auch als Kirchenfonds oder Kirchenpflege bezeichnet. 60 Sie dient der Errichtung, Ausstattung und dem Unterhalt der Kirchengebäude und Wohngebäude der Geistlichen und kirchlichen Mitarbeiter, aber auch der würdigen Feier des Gottesdienstes und der Beschaffung von Sachbedarf für Gottesdienst und Seelsorge. Die Pfründestiftung besteht vornehmlich aus Grundvermögen. Die Erträge werden überwiegend für den Unterhalt des Geistlichen, teilweise auch für andere im kirchlichen Dienst stehende Personen verwendet. 61 Da es sich bei den Pfründestiftungen allerdings meist um landwirtschaftliche Vermögen handelte, lieferten sie kaum ausreichende Erträge für die Sicherung des Lebensunterhalts des Pfarrers. 62 56 Vgl. dazu auch die Übersicht von verschiedenen katholischen Stiftungen bei: Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 18 ff. 57 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (557, 569). 58 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin Bonn München 2006, S. 1 ff. (11 f.). 59 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (555). 60 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (133). 61 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (555); Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (133). 62 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (132).

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Früher wurde bei Errichtung einer Pfarrei stets eine Kirchenstiftung oder Pfründestiftung errichtet. Seit Inkrafttreten des CIC 1983 ist dies nicht mehr der Fall. Der CIC 1983 enthält anders als der CIC 1918 keine Regelungen für Pfründestiftungen mehr. Partikularrechtlich bleiben die bestehenden ortskirchlichen Stiftungen als eigenständige Rechtspersonen jedoch erhalten, neue werden aber nicht mehr geschaffen. 63 c) (Andere) Stiftungen im Bereich der Kirchengemeinden Im Bereich der Kirchengemeinden gibt es auch andere Stiftungen, die neben dem Erhalt des Kirchengebäudes die Arbeit der Kirchengemeinde insgesamt unterstützen sollen. Beispielhaft kann man hier die Stiftung Sankt Maria Regina anführen, die die Arbeit der Kirchengemeinde in Garbsen materiell und ideell fördern soll. 64 Auch die Antonius-Holling-Stiftung in Wolfsburg 65 und die Stiftung Zu den hl. Engeln in Hannover-Kirchrode 66 unterstützen die kirchlichen Aufgaben im Bereich ihrer katholischen Kirchgemeinde. d) Wohltätigkeitsstiftungen, Soziale Zwecke Eine große Zahl an katholischen Stiftungen widmet sich wohltätigen Zwecken, namentlich der Kranken-, Behinderten- oder Altenpflege, der Betreuung von Kindern, Jugendlichen, sozial Benachteiligten. Hier zeigt sich die besondere Verbindung zwischen der christlichen Liebestätigkeit und dem Stiftungswesen. Der Unterstützung von Kindern ist zum Beispiel die Kinder- und Jugendstiftung St. Marien in Quakenbrück gewidmet, die die kirchliche Jugendarbeit in den katholischen Kirchengemeinden Quakenbrücks fördert. 67 Der Stiftungszweck des Kinder- und Jugenddorfes Marienpflege Ellwangen ist die Erziehung, Bildung und Pflege junger Menschen, die in ihrer Entwicklung gefährdet, verzögert oder gestört sind, um eine Erziehung zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gewährleisten. 68 63 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (555 f.); Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (132 f.). 64 Errichtungsurkunde und Satzung in KirchAnz. Bistum Hildesheim Nr. 1, 2005, S. 7 ff. 65 Urkunde über die Errichtung und Satzung in KirchAnz. Bistum Hildesheim Nr. 10, 2004, S. 291 ff. 66 Urkunde des Stiftungsgeschäfts und Satzung in KirchAnz. Bistum Hildesheim Nr. 10, 2005, S. 216 ff. 67 Satzung abgedruckt in: KirchAbl. Nr. 11 vom 22. 12. 2006, S. 166 ff. 68 Siehe § 2 der Satzung, abgedruckt in KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart 2005, Nr. 14, vom 15. 3. 2005, S. 83 ff.

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Die bischöfliche Stiftung Hilfe für Mutter und Kind im Bistum Aachen wurde errichtet, um unter anderem die kirchlichen Beratungsstellen im Bistum zu unterstützen. 69 Zur Förderung der verbandlichen und pfarrgemeindlichen Arbeit der Caritas entstehen in vielen Diözesen Caritasstiftungen. 70 Doch nicht nur innerhalb Deutschlands fördern katholische Stiftungen soziale Zwecke. Vielmehr ist die Zahl derjenigen Stiftungen überraschend groß, die für die kirchliche Zweckerfüllung anderswo in der Welt errichtet werden. Sie verdeutlichen auf besondere Weise den Zusammenhalt der Katholischen Kirche in der Welt. Beispielhaft sei hier zunächst die vom Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer errichtete Stiftung Justitia et Participatio genannt, die sich der kirchlichen Entwicklungshilfe im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe in Bolivien widmet. 71 Die Stiftung Licht und Hoffnung verfolgt den Zweck, die von der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern in Tansania gegründete Gemeinschaft zu fördern. 72 Die ARCO-Iris Stiftung unterstützt Initiativen zur Förderung von hilfsbedürftigen Kindern und anderen hilfsbedürftigen Personen in La Paz, Bolivien. 73 Am 11. Juni 2007 konstituierte sich die Stiftung Weltkirche des Bistums Mainz, die ein Forum für die vom Bistum Mainz aus geleistete kirchliche Missions-, Entwicklungs- und Friedensarbeit ist. Schon der Name der Stiftung verdeutlicht, dass die Katholische Kirche eine Weltkirche ist, die auf der ganzen Welt lebendig ist. 74 Besonders hervorzuheben ist die am 19. November 2007 errichtete MaximilianKolbe-Stiftung. Sie knüpft an die Versöhnungsarbeit des Max-Kolbe-Werks an und fördert die kirchliche Friedens- und Versöhnungsarbeit. Aus der Kraft der Erinnerung an Unrecht und Gewalt sollen Weggemeinschaften christlicher Hoffnung und Versöhnung initiiert werden, die sich dem von Gewalt geprägten Erbe der Vergangenheit stellen, die sich helfend und solidarisch den Opfern von Gewalt

69 Satzung abgedruckt in: KirchAnz. für die Diözese Aachen, Nr. 5, 1. Mai 2005, S. 120 ff. 70 Vgl. die CaritasStiftung für das Erzbistum Paderborn; die Wilhelm Emmanuel von Ketteler-Stiftung (caritative Gemeinschaftsstiftung für das Bistum Mainz zur Förderung der caritativen sozialen Arbeit im Bistum Mainz); die CaritasStiftung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart; die Caritas GemeinschaftsStiftung für das Bistum Münster; die Caritas-Gemeinschaftsstiftung im Erzbistum Berlin; die Caritasstiftung im Erzbistum Köln; die Caritas-Stiftung in Braunschweig. 71 Errichtungsurkunde und Satzung abgedruckt in KirchlAnz. Bistum Hildesheim Nr. 10, 2004, S. 284 ff. 72 Satzung abgedruckt in: KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart 2005, Nr. 9, 15. 6. 2005, S. 155 ff. 73 Satzung abgedruckt in: KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart 2004, S. 234 ff. 74 Siehe dazu: http://bistummainz.de/stiftung/weltkirche/index.html (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008).

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und Unrecht gleich welcher Religion, Konfession oder Weltanschauung zuwenden und ihr Andenken in Ehren halten. 75 e) Schulstiftungen Schulstiftungen sind in Deutschland weit verbreitet. Sie fungieren als Rechtsträger für kirchliche Schulen. 76 Beispiele dafür sind: die Schulstiftung in der Diözese Osnabrück 77, die Schulstiftung Dr. Carl Sonnenschein im Erzbistum Berlin 78 und die Eugen-Bolz-Schulstiftung Bad Waldsee 79. f) Bürgerstiftungen Auch Bürgerstiftungen – gemeinhin lediglich für bürgerschaftliches Engagement in den Städten bekannt – werden als kirchliche Stiftungen bürgerlichen Rechts errichtet, überwiegend um die Arbeit der Pfarrgemeinden vor Ort zu unterstützen 80, so die Bürgerstiftung Rheinviertel in Bonn 81 oder die Gemeinschaftsstiftung Heilig Kreuz-Stiftung Gladbeck, die mit Hilfe von einmaligen oder wiederholten Beiträgen engagierter Bürger das Stiftungskapital weiter aufbauen will, um das Gotteshaus zu erhalten und den Gottesdienst zu fördern. 82 g) Stiftungen als Träger katholischer Hochschulen Es gibt auch Stiftungen, die als Träger von Katholischen Hochschulen fungieren, wie z. B. die Stiftung Katholische Fachhochschule Norddeutschland, die eine Fachhochschule für Sozialwesen trägt, 83 oder die Stiftung Katholische Universität

75 Vgl. § 2 Abs. 1 (Stiftungszweck) der Stiftungssatzung, abrufbar unter http://dbk.de /imperia/md/content/pressemitteilungen/2007-2/maximilian-kolbe-stiftung_satzung.pdf (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 76 Vgl. Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (136). 77 Informationen abrufbar unter: http://www.schulstiftung.org (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 78 Informationen abrufbar unter: http://www.erzbistumberlin.de/Schulstiftung.htm (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 79 Satzung abgedruckt in: KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart 2004, S. 268 ff. 80 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (30). 81 Informationen unter www.buergerstiftung-rheinviertel.de (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 82 Vgl. Brachthäuser, „Die Heilig Kreuz-Stiftung“, Stiftung&Sponsoring 3/2007, S. 10. 83 Satzung abgedruckt in: KirchAbl. Münster 2004 Nr. 14, S. 158 ff.

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Eichstätt, die als Trägerstiftung des öffentlichen Rechts für die kanonisch errichtete Katholische Universität errichtet wurde. 84 h) Förderstiftungen Förderstiftungen unterstützen die Tätigkeiten anderer Einrichtungen, die ihren Zwecksetzungen entsprechen. 85 Die Renovabis-Stiftung beispielsweise dient der Förderung von Tätigkeiten der Solidaritätsaktion Renovabis, deren Tätigkeitsfeld in Ost- und Mitteleuropa liegt. 86 Die Lumen Gentium – Stiftung Deutscher Katholiken unterstützt die Anliegen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, z. B. bei bestimmten Projekten oder bei den Katholikentagen. 87 Die Katholische Hospizstiftung Stuttgart widmet sich insbesondere der Mittelbeschaffung für die Arbeit des Katholischen Hospizes Stuttgart. Sie soll auf diese Weise zur dauerhaften finanziellen Absicherung der Hospizarbeit beitragen. 88 Die Stiftung Bibel heute verfolgt den Zweck, Mittel für das Katholische Bibelwerk e.V. zu beschaffen, dessen Zweck es ist, die Verbreitung der Heiligen Schrift entsprechend den Bestimmungen und Weisungen der Kirche zu fördern und den Gläubigen die Bibel auf jede mögliche Weise zu erschließen. 89 2. Erscheinungsformen im Hinblick auf die rechtliche Struktur a) Selbständige und unselbständige Stiftungen Das katholische Kirchenrecht unterscheidet wie das staatliche Recht zwischen selbständigen und unselbständigen Stiftungen, can. 1303 CIC. 90 Unselbständige, nichtrechtsfähige Stiftungen haben in der Katholischen Kirche eine lange Tradition, weshalb es sie in großer Zahl gibt. Eine der bekanntesten 84 Siehe dazu den Internetauftritt der KU Eichstätt-Ingolstadt unter www.ku-eichstätt .de (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 85 Hof / Hartmann / Richter, Stiftungen, 1. Auflage München 2004, S. 14. 86 Informationen zur Stiftung abrufbar unter: http://www.renovabis.de/spenden/Renov abis-Stiftung.shtml (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 87 Satzung abrufbar unter: http://www.stiftung-lumen-gentium.de/satzung/ (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 88 Satzung der Stiftung in: KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart 2005, Nr. 4, 15. 3. 2005, S. 80 ff. 89 Satzung der Stiftung „Bibel heute“ abgedruckt in KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart 2006, Nr. 1, 16. 1. 2006, S. 5 ff. 90 Vgl. Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (558); Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Weitz / Deutsche Stiftungsagentur GmbH / CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 2.

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Erscheinungsformen für die unselbständigen Stiftungen sind die Stiftungen, die dazu angelegt wurden, an Todestagen Verstorbener Jahresmessen zu finanzieren, die sog. Messstiftungen. 91 Unselbständige Stiftungen sind nach Kirchenrecht grundsätzlich befristet (vgl. can. 1303 § 1); satzungsgemäß kann allerdings auch etwas anderes festgelegt werden, der Stifterwille genießt insoweit Vorrang. 92 Die unselbständigen Stiftungen ist qua Definition an eine öffentliche juristische Person in der Kirche angelehnt, wie z. B. an die Diözese, das Benefizium, das Gotteshausvermögen oder an die selbständigen Stiftungen mit öffentlicher Rechtspersönlichkeit in der kirchlichen Rechtssphäre. An einer privaten Stiftung errichtete unselbständige Stiftungen sind keine Stiftung im Sinne des CIC, können aber solche nach weltlichem Recht sein. 93 Im Bereich der unselbständigen Stiftungen ist besonders das Engagement der zahlreichen Gemeinschaftsstiftungen der Caritas in den Diözesen bekannt. Sie dienen als Trägerstiftungen, unter deren Dach jedermann Stifter einer unselbständigen Stiftung werden kann. Die Gemeinschaftsstiftungen verwalten dann treuhänderisch das Vermögen und setzen es für die sozial-karitativen Aufgaben des Caritasverbandes ein. 94 Ein weiteres Beispiel für eine nichtrechtsfähige Stiftung ist die Stiftung im Miteinander für das Alter, die die Vinzenz von Paul gGmbH Soziale Dienste und Einrichtungen als nicht rechtsfähige Stiftung errichtet hat und treuhänderisch verwaltet. Sie soll Mittel beschaffen für die gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Aktivitäten der Vinzenz von Paul GmbH Soziale Dienste und Einrichtungen in der Region Sigmaringen. 95 91 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (557); Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (139); Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Weitz / Deutsche Stiftungsagentur GmbH / CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 3. 92 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (141); Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Barbara Weitz / Deutsche Stiftungsagentur GmbH / CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 3; a. A. wohl: Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (557), der bei seinen Ausführungen nur auf den Grundsatz der Befristung eingeht. 93 Althaus, „Die Stiftung nach kanonischem Recht“, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Auf dem Weg zur Bürgergesellschaft – Die Rolle der Stiftungen, Berlin 2002, S. 219 ff. (227). 94 Vgl. die Caritas-Stiftung in Braunschweig, § 4 III der Satzung, Kirchlicher Anzeiger Bistum Hildesheim, Nr. 9/2006, S. 255 ff. (256): „Die Stiftung kann im Rahmen ihres Zwecks rechtlich unselbständige Stiftungen als Treuhänderin verwalten oder die treuhänderische Verwaltung von Stiftungsfonds übernehmen.“

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b) Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Stiftungen Auch bei den katholischen Stiftungen kann man zwischen den privatrechtlichen und den öffentlich-rechtlichen Stiftungen unterscheiden. 96 Die bekannteste Gruppe der katholischen Stiftungen, die öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind, bilden die ortskirchlichen Stiftungen. 97 Daneben sind die von den kirchlichen Verfassungsorganen insbesondere von den Bischöfen errichteten Stiftungen öffentlichrechtliche Stiftungen. 98 Auch die bereits genannte Trägerstiftung der Katholischen Universität Eichstätt ist eine öffentlich-rechtliche Stiftung. Ihre Errichtung erfolgt durch oder aufgrund eines staatlichen Gesetzes. In der Regel sollen nur besonders wichtige Einrichtungen einer Kirche in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Stiftung errichtet werden. 99 Kirchliche Stiftungen, die keine kirchlich-öffentliche Funktion wahrnehmen oder organisatorisch nur locker an die Kirche angelehnt sind, sind zumeist kirchliche Stiftungen des privaten Rechts. Sie werden nicht durch einen öffentlich-rechtlichen Organisationsakt, sondern durch ein privates Stiftungsgeschäft errichtet. 100 Diese Stiftungen sind aber ebenso in den von der Kirche verfolgten Zweck mit einbezogen. 101 Die Stiftung Hoher Dom zu Mainz ist beispielsweise als kirchliche

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Satzung abgedruckt in: KirchAbl. Rottenburg-Stuttgart, 2007 Nr. 1, S. 18 ff. Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (21); Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (556). 97 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (556); Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Weitz / Deutsche Stiftungsagentur GmbH / CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 1. 98 Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln u. a. 2001, S. 555 ff. (556). 99 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (21 f.) mit weiteren Nachweisen; vgl. die Formulierungen in Staatskirchenverträgen: beispielsweise heißt es im Schlussprotokoll des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt vom 15. 1. 1998 (GVBl. LSA 1998, S. 161 ff.) in Abs. 1 zu Artikel 14 Absatz 2: „Es besteht Einvernehmen darüber, dass nur besonders wichtige kirchliche Einrichtungen als öffentlich-rechtliche Stiftungen oder Anstalten errichtet werden sollen.“; der Vertragstext ist abrufbar über die Internetseite des Bundesministeriums des Innern unter: http://www.bmi.bund.de/nn_121560/Internet /Content/Themen/Kirchen_und_Religionsgemeinschaften/Einzelseiten/Vertraege_mit_der _katholischen_Kirche.html (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 100 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 46 f.; von Campenhausen, in: Seifart / von Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 32. 96

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Stiftung des bürgerlichen Rechts ausgestaltet. Sie dient der Erhaltung, Ausstattung und wissenschaftlichen Erforschung des Mainzer Doms. 102 Welche Rechtsform am Ende für eine katholische Stiftung die geeignetste ist, kann nicht pauschal gesagt werden. Erforderlich ist eine Prüfung, wie sich der Zweck und die gewünschte Struktur am besten verwirklichen lassen. Wenn beispielsweise eine Schule ihre Lehrer verbeamten möchte, ist es zwingend, dass die Trägerstiftung öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. 103 Der CIC 1983 unterscheidet in seinem can. 116 zwischen öffentlichen und privaten juristischen Personen des kanonischen Rechts. Diese Einteilung ist nicht mit derjenigen in öffentlich-rechtliche und privatrechtliche juristischen Personen im staatlichen Recht gleichzusetzen. Die öffentliche juristische Person des CIC unterscheidet sich von der privaten juristischen Person des CIC unter anderem durch eine besondere Form der Beteiligung der zuständigen kirchlichen Autorität bei ihrer Errichtung (Errichtungsdekret). Die Differenzierung zwischen einem öffentlich-rechtlichen und einem bürgerlich-rechtlichen Teil der Rechtsordnung kennt die kirchliche Rechtsordnung nicht. 104

101 Vgl. dazu BVerfGE 46, 73 ff. (Leitsatz 1 und S. 85 ff.), Beschluss vom 11. 10. 1977: „Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und die rechtlich selbständigen Teile dieser Organisation, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend dazu berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen.“ 102 Vgl. dazu die Stiftungssatzung vom 21. 10. 2003, KirchAbl. Mainz 2004, S. 145 ff. und die Homepage unter: http://www.bistummainz.de/bm/dcms/sites/stiftung/domstiftmz /01_uber_die_stiftung/index.html (zuletzt abgerufen am 9. 12. 2008). 103 Soweit Kirchen und Religionsgemeinschaften die Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts genießen, können sie Dienstherren sein und damit ihre Dienstverhältnisse öffentlich-rechtlich ausgestalten. Dies gilt auch für die Tätigkeit bei ihnen in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen, wenn sie dazu berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen, also ebenso auch für kirchliche Stiftungen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die Einrichtung eine juristische Person des öffentlichen Rechts darstellt, da nur dann eine Anwendung des Begriffs „öffentlicher Dienst“ denkbar ist. Vgl. BVerfGE 55, S. 207 ff. (230) – Beschluss vom 25. 11. 1980. 104 Vgl. Wellenstein, „Kirchliche Stiftungen: Die katholische Seite“, in: Weitz / Deutsche Stiftungsagentur GmbH / CFL Pues GmbH (Hrsg.), Rechtshandbuch für Stiftungen, Hamburg 2006, 5/5.2, S. 2, 10. Zu den Unterschieden zwischen der öffentlichen juristischen Person des kanonischen Rechts und der privaten juristischen Person des kanonischen Rechts siehe insbesondere: Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (27).

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IX. Stifter Noch heute werden wohl die meisten katholischen Stiftungen von den Diözesen selbst errichtet und erhalten demnach in der Regel den Status einer Stiftung des öffentlichen Rechts. 105 Jedoch ermöglichen Zustiftungen oder die Errichtung von Treuhandstiftungen stets die Mitwirkung Privater an der Förderung des Stiftungszwecks. Weniger häufig errichten private Stifter selbständige kirchliche Stiftungen. Nach kanonischem Recht kann eine fromme Stiftung aber von jeder Person errichtet werden, die die freie Verfügung über ihr Vermögen besitzt (can. 1299 § 1) und damit nicht nur von Katholiken oder anderen Christen, sondern von jedem Menschen, der diese Voraussetzung erfüllt bzw. auch von juristischen Personen. 106 X. Aufsicht über katholische Stiftungen Auch bei der Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen ist die Gemengelage den Normen der staatlichen und der kirchlichen Rechtsordnung zu beachten. Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen ist eine äußerst komplizierte Materie. Insgesamt sind die Rechtsgrundlagen innerhalb des staatlichen Rechts und innerhalb der jeweiligen kirchlichen Rechtsbereiche vielfältig und teilweise unübersichtlich. Die Einrichtung einer gesonderten Institution der Stiftungsaufsicht ist im kanonischen Recht nicht traditionell verankert. Die Funktion der Aufsicht ist in der kirchlichen Ordnung aber ohnehin sichergestellt; sie ist Teil der umfassenden Leitungsbefugnis des Bischofs in allen kirchlichen Angelegenheiten (can. 381) und ist Bestandteil seiner generellen Aufsichtspflicht im Interesse der Einhaltung aller Rechtsvorschriften (can. 392 § 1). 107 In den Landesstiftungsgesetzen ist die Aufsicht über rechtsfähige kirchliche Stiftungen unterschiedlich geregelt worden. Die Mehrzahl der Landesstiftungsgesetze 108 sieht eine Befreiung von der staatlichen Stiftungsaufsicht für kirchliche Stiftungen vor. In diesen Fällen wird die Aufsicht sachnäher von kirchlichen 105 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (138). 106 Althaus, „Die Stiftung nach kanonischem Recht“, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Auf dem Weg zur Bürgergesellschaft – Die Rolle der Stiftungen, Berlin 2002, S. 219 ff. (220); Haering, „Die Stiftung nach katholischem Kirchenrecht“, in: Graf Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, Berlin 2005, S. 356 ff. (358); Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (22, Fn. 47). 107 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (28); Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (566).

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Stellen nach kirchlichem Recht wahrgenommen. Die nichtrechtsfähige Stiftung unterliegt als solche keiner Stiftungsaufsicht. Falls sie eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine rechtsfähige Stiftung des Privatrechts als Rechtsträger hat, unterliegt sie mittelbar einer staatlichen oder kirchlichen Aufsicht 109 bzw. einer Aufsicht durch die Finanzbehörden 110. Die kirchliche Stiftungsaufsicht ist in der Regel Rechtsaufsicht und kontrolliert die Einhaltung der staatlichen und kirchlichen Rechtsvorschriften. Jedoch ist zu beachten, dass als Folge des kirchlichen Selbstverständnisses ohnehin die Abgrenzung zwischen Rechts- und Fachaufsicht innerhalb der Kirche kaum möglich ist. Rechtsaufsicht ist im kirchlichen Bereich etwas anderes als im weltlichen Bereich. Sie greift weiter, da sie alle Rechtssphären einbezieht, die für die Verwirklichung des kirchlichen Auftrags von Belang sind. 111 Dies ist praktisch von großer Bedeutung, weil vermehrt kirchliche Stiftungen die Befreiung von der kirchlichen Aufsicht begehren. Einen problematischen Fall in diesem Zusammenhang könnte die Renovabis Stiftung darstellen. Sie untersteht nach § 16 ihrer Satzung nicht der kirchlichen, sondern der staatlichen Aufsicht. Unter Umständen ist das ein Hinweis darauf, dass die Stiftung nicht über eine ausreichende organisatorische Verbindung zur Katholischen Kirche verfügt und sie demnach auch nicht als kirchliche Stiftung im staatlichen Rechtskreis angesehen werden kann. 112 108 Stiftungsgesetz Baden-Württemberg § 25; BayStG Art. 23 I 1; BremStiftG § 16 II Nr. 5; Stiftungsgesetz Hessen § 20 IV; Stiftungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern § 26 II Nr. 1; NStiftG § 20 II 5; StiftG NRW § 17 II 1; Stiftungsgesetz Rheinland-Pfalz (LStiftG) § 12 III; Saarländisches Stiftungsgesetz § 19 IV, Sächsisches Stiftungsgesetz § 6 I 2. Halbsatz i. V. m. § 14 II und III 1. 109 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 60 ff., 207 f.; Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Listl / Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage Berlin 1994, Band 1, § 33 S. 907 ff. (945). 110 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 62. 111 Achilles, „Zur Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen“, ZevKR 33 (1988), S. 184 ff. (187, 209); ders., „Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Stiftungsaufsicht und Haftung der Aufsichtsführenden Rechtsträger“, in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln Berlin München 2006, S. 145 ff. (147); Bär, „Das Stiftungswesen als Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche“, ArchsozArb 1993, S. 93 ff. (110); Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Listl / Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage Berlin 1994, Band 1, § 33 S. 907 ff. (943) – mit Beispielen in Fußnote 122; Pirson, „Das Stiftungsrecht des Codex Iuris Canonici“, in: Hopt / Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, Köln Berlin Bonn München 2001, S. 555 ff. (566 f.). 112 Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (21).

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XI. Ausblick Die katholische Stiftungslandschaft ist bunt. Neben alte, geschichtsträchtige Stiftungen treten mit vielfältigen Zwecken versehene neue Stiftungen. Sie alle zeigen, auf welche unterschiedliche Art und Weise der Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrgenommen werden kann und natürlich, wie lebendig Kirche ist. Den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft (wie zum Beispiel den Folgen des demographischen Wandels) stellt sich die Kirche – auch mit Hilfe der Rechtsform Stiftung.

Die evangelische Stiftungslandschaft in Mecklenburg Rainer Rausch

I. Kirchliche Stiftungen als Beitrag eines christlich verstandenen Gemeinwohls 1. Kennzeichen kirchlicher Stiftungen Kirchliche Stiftungen – das ist etwas Besonderes. Sie sind – bildlich gesprochen – mit einem in der Vergangenheit gepflanzten Baum zu vergleichen, der – tief in der Erde verwurzelt – immer wieder neue Früchte trägt, die den Menschen zugute kommen. Dauerhaftigkeit bei gleichzeitiger Nachhaltigkeit und Wohltätigkeit, Vielfalt und Einfallsreichtum zeichnen die Stiftungen der EvangelischLutherischen Landeskirche Mecklenburgs aus. Dank der in der Vergangenheit gesammelten und mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten Finanzmittel lässt sich christlich verstandenes Gemeinwohl gegenwärtig und vor allem zukünftig sichern, z. B. für die Hilfe zu Gunsten unserer Mitmenschen, für die Erhaltung bewährter Kulturgüter und für viele weitere kirchliche Zwecke. Allen kirchlichen Stiftungen ist gemeinsam, dass sie einen im kirchlichen Aufgabenbereich liegenden Stiftungszweck realisieren und nach dem Willen des Stifters organisatorisch mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs verbunden oder ihrer Aufsicht unterstellt sind. 2. Varianten kirchlicher Stiftungen Kirchliche Stiftungen können privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein. Weiter wird unterschieden zwischen den nicht rechtsfähigen und den rechtsfähigen Stiftungen. Überwiegend werden die Letztgenannten im Folgenden näher betrachtet. Seit alters her bestehende, rechtsfähige kirchliche Stiftungen behalten ihre Rechtsstellung. Bei Neugründung einer Stiftung im Bereich unserer Landeskirche wird unterschieden: Bezieht sich der Willensakt des Stifters auf ein Stiftungsgeschäft, also ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen mit kirchlichem Bezug, wird eine kirchliche Stiftung des privaten Rechts gegründet, die nur mit Zustimmung unserer Kirche vom Innenministerium als zuständiger staatlicher Behörde anerkannt werden kann.

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Sofern ausschließlich oder überwiegend kirchliche öffentliche Zwecke verfolgt werden, die mit der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Landeskirche in einem organischen Zusammenhang stehen, kann die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs die Gründung einer kirchlichen Stiftung des öffentlichen Rechts beschließen, wenn die nachhaltige Verwirklichung des Stiftungszwecks aus den Erträgnissen des Stiftungsvermögens oder aus dem landeskirchlichen Haushalt gewährleistet ist. II. Historische kirchliche Stiftungen 1. Kirchenstiftung der örtlichen Kirche mit der Ärar- und Pfründefunktion Wurde im Mittelalter eine Kirche gegründet, um diese – im wahrsten Sinne des Wortes – im Dorf zu haben und bei Amtshandlungen (Kasualien) nicht auf eine Kirche in irgendeinem, manchmal weit entfernten Nachbarort angewiesen zu sein, bedurfte es zumindest der Stiftung zweier Vermögensmassen (meist Stiftung von Grund und Boden), aus deren Erträgnissen der Bau und der Unterhalt kirchlicher Gebäude (Kirchen und Pfarrhäuser) und der Unterhalt der Geistlichen finanziert wurden. Die inzwischen im Rechtsinstitut der örtlichen Kirche 1 zusammengefasste Ärar- und Pfründenstiftung hat die Aufgabe, mit den Erträgnissen ihres Vermögens, insbesondere durch Einnahmen aus Pacht oder Erbbaurechten, landwirtschaftlicher Flächen nach Maßgabe des von der Landessynode verabschiedeten Finanzierungsgesetzes einen finanziellen Beitrag zur baulichen Unterhaltung der Kirchen und Pfarrhäuser sowie zur Besoldung und Versorgung der Pastorinnen / Pastoren zu leisten. Im Sinn der Nachhaltigkeit gilt in der EvangelischLutherischen Landeskirche Mecklenburgs der Grundsatz der Unveräußerlichkeit eines solchen Vermögens, um die Erfüllung des Stiftungszwecks aus den Erträgen auch für künftige Generationen zu gewährleisten. Der Pastor und die in der Ortssatzung der Kirchgemeinde festgelegte Anzahl gewählter und berufener Kirchenältester gehören zum Kirchgemeinderat, der Organ und gesetzlicher Vertreter der örtlichen Kirche ist. Der Kirchgemeinderat entscheidet hinsichtlich des Ob und / oder Wie der Aufgabenerfüllung im Rahmen der kirchlichen und weltlichen Gesetze nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten in eigener Verantwortung sowie nach pflichtgemäßem Ermessen. Für einige Entscheidungen des Kirchgemeinderates ist die Genehmigung des Oberkirchenrates in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde nach den Vorschriften der Kirchgemeindeordnung erforderlich.

1 In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs haben neben den Kirchgemeinden die örtlichen Kirchen gemäß § 14 Kirchgemeindeordnung (KGO) den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

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2. Historische Stiftungen mit diakonischem Zweck Die Verbindung des Stiftungswesens mit dem diakonischen Gedanken ist seit Jahrhunderten auch in unserer Landeskirche evident, indem diakonische Aufgaben durch Stiftungen realisiert werden, z. B. durch die anno 1566 gegründete Hospitalstiftung zum Heiligen Geist in Bützow, die im Jahre 1576 gegründete Heilig Geist Stiftung Burg Stargard, die seit dem Jahre 1754 bestehende Alte Waisenhausstiftung Schwerin, die 1760 urkundlich erwähnte Rümkersche Legatenstiftung Stavenhagen oder das St. Georgstift Neubukow (seit1797). Diese und andere in den vorigen Jahrhunderten begründeten Stiftungen 2 bringen in unvergleichlicher Weise Kontinuität des Stiftungsgedankens zum Ausdruck, der stets aktuell bleibt und nichts von seiner Attraktivität eingebüßt hat. III. Stiftungsgründungen nach der Wende 1. Beratung des Oberkirchenrates bei Stiftungsneugründungen Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs erlebt derzeit eine Renaissance von Stiftungsgründungen. Wir freuen uns darüber, dass Menschen bereit sind, ihr Engagement und Vermögen für kirchliche Aufgaben einzusetzen. Wenn ein Stifter nicht bereits weiß, welchen Stiftungszweck er verwirklichen will, berät ihn der Oberkirchenrat und vermittelt das Know how zur Gründung einer kirchlichen Stiftung. Wird die Errichtung einer rechtsfähigen kirchlichen Stiftung des privaten Rechts gewünscht, setzen sich Oberkirchenrat und Stifter mit dem Finanzamt wegen der Anerkennung der Gemeinnützigkeit in Verbindung und besprechen vor der Gründung das Stiftungsvorhaben auch mit dem Innenministerium, das für die Anerkennung zuständig ist. Wir schätzen das Innenministerium als einen wohlwollenden Partner der Landeskirche. Einsatz zeigt Wirkung. Die in den letzten Jahren in unserer Kirche gegründeten Stiftungen sind ein gutes Beispiel dafür, wie Gemeinnutz und Eigennutz in Einklang gebracht und zugleich persönliche Verantwortung für die Zukunft der Kirche und für das Gemeinwohl übernommen werden kann. Stifter sind nicht eo ipso bessere Menschen als andere. Indem sie aber an die Jahrhunderte alte Tradition der Hilfsbereitschaft anknüpfen, denken sie über den eigenen Horizont hinaus, weil sie ihr Vermögen sinnvoll in einer kirchlichen Stiftung einsetzen. So gehen heute immer mehr Vermögende im wörtlichen Sinne stiften, nachdem sie sich und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs die nachfolgenden 7 W-Fragen beantwortet haben.

2

Die Stiftungen werden unter 4. näher vorgestellt.

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2. Die 7 W-Fragen bei einer Stiftungsgründung a) Warum eine Stiftung? Die Motivation ist der Motor einer Stiftung. Der Stifter beabsichtigt, einen guten Zweck möglichst auf Dauer zu erfüllen und in der Gegenwart Weichen zu stellen für die Zukunft. Der Anstoß für Überlegungen zu einer Stiftungsgründung kann völlig unterschiedlich sein. Einige Beispiele: Mancher hat zu danken für viel Gutes, das er in seinem Leben erfahren hat. Mancher erkennt ein Defizit in einem unterstützungswürdigen Bereich und will, dass einer bisher eher vernachlässigten Aufgabe künftig mehr Aufmerksamkeit zukommt. Mancher will dafür Sorge tragen, dass Fachwissen und Erfahrungen gesammelt und anderen zur Verfügung gestellt werden können. Mancher hat einen persönlichen Schicksalsschlag erlitten oder es ist die Dankbarkeit für den eigenen Erfolg nach einem erfüllten Berufsleben. Manchen motiviert der Gedanke, Spuren zu hinterlassen, etwas Bleibendes zu schaffen und dadurch über den Tod hinaus fortzuwirken. So umweht das Thema „ein Hauch von Ewigkeit“, weil das Kapital erhalten bleibt, indem nur die Zinsen, Erträgnisse und ggf. Zustiftungen verwendet werden. b) Welcher Stiftungszweck? Der Stiftungszweck ergibt sich aus der Motivation. Bei der Festlegung ist zu bedenken, dass eine zu starre Vorgabe im Laufe der Zeit bei sich ändernden Rahmenbedingungen zu Schwierigkeiten bei der Zweckerfüllung führen kann. Da spätere Änderungen des Stiftungszwecks – selbst durch den Stifter – nur in engen Grenzen zulässig sind, rät der Oberkirchenrat dazu, den Stiftungszweck nicht zu eng zu fassen und trotzdem (schon im Hinblick auf die Anforderungen an die Steuerbegünstigung) eine hinreichende Konkretisierung des Stiftungszwecks vorzunehmen. c) Welche Stiftungsform? Jeder, der sein Vermögen oder einen Teil davon für einen bestimmten Zweck zur Verfügung stellen will, hat sich zu überlegen, welche Rechtsform die geeignete für die Erfüllung des Stiftungszwecks ist. In Betracht kommt je nach Vermögenssituation die Gründung einer Stiftung, die Zustiftung zu einer bestehenden Stiftung oder die finanzielle Unterstützung einer kirchlichen Sammelstiftung, an der sich viele beteiligen können.

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d) Welcher Name? Bei einer Neustiftung sind der Name und der Sitz der Stiftung ebenfalls festzulegen. Entweder wird der eigene Name gewählt oder ein Name, der die Zielsetzung der Stiftung verdeutlicht, wie dies beispielsweise bei der Conrad-Gessner-Stiftung der Fall ist 3. e) Welche Vermögensausstattung? Nicht nur Vermögen in Geld, sondern auch Immobilien, Rechte, Lizenzen und Patente können gestiftet werden. Für jede Stiftung ist ein Kapitalstock erforderlich, aus dessen Erträgen diakonische, seelsorgerliche, kirchgemeindliche und kirchlich- kulturelle Projekte bezuschusst oder vollständig finanziert werden können. Bei der Vermögensausstattung ist zu beachten, dass das der Stiftung zu widmende Vermögen ertragsfähig sein muss. Das ist bei Geld, mündelsicheren Wertpapieren und auszuschüttenden Fonds kein Problem. Bei bebauten Grundstücken ist zu bedenken, dass ein Teil der Mieteinnahmen als Rücklagen für die Instandsetzung des Hauses zurückzulegen ist. Es ist sicher zu stellen, dass Stiftungen ihren Zweck aus den Erträgnissen des ihnen zur Verfügung gestellten Vermögens erfüllen können und weder von Spenden noch von öffentlichen Geldzuwendungen abhängig sein dürfen. f) Welche Stiftungsorgane? Die Mitglieder jedes gemäß der Satzung bestellten Organs (z. B. Vorstand oder Kuratorium genannt) dürfen im Rahmen der ihnen in der Satzung zugewiesenen Befugnisse handeln und rechtliche Verpflichtungen eingehen. Sie sind gehalten, das ihnen treuhänderisch anvertraute Stiftungsvermögen in Übereinstimmung mit dem kirchlichen und staatlichen Gesetz sowie der Stiftungssatzung ungeschmälert zu erhalten, ordnungsgemäß, gewissenhaft sowie sparsam zu verwalten und ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt und Umsicht wahrzunehmen. Die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Stiftungsorgans sollte je nach dem Betätigungsfeld der Stiftung geordnet sein. Wird sie operativ tätig, d. h. plant, steuert und realisiert sie selbst Objekte, ist die Vorschrift über die Zusammensetzung des Vorstands so zu gestalten, dass die fach- und sachgerechte Aufgabenerfüllung auch in wirtschaftlicher Hinsicht gewährleistet ist. Beschränkt sich die Stiftung als Förderstiftung darauf, bestehende Institutionen oder Organisationen im Rahmen des Stiftungszwecks finanziell zu unterstützen, ist die Verwaltung hierfür erheblich weniger aufwändig. 3

Die Stiftung wird unter 4.3 näher beschrieben.

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Bei rechtlich unselbständigen Stiftungen kann der Kirchgemeinderat als Treuhänder eingesetzt werden. g) Wann erfolgt die Stiftungserrichtung? Den Zeitpunkt der Stiftungserrichtung bestimmt der Stifter. In unserer Landeskirche überwiegt die Stiftungserrichtung unter Lebenden; eine mit dem Tod des Stifters hatten wir noch nicht. IV. Stiftungsverzeichnis unserer Landeskirche Nicht nur für historische Stiftungen „mögen zuverlässige Nachrichten über ihre Entstehung und Entwicklung, ihre Zweckbestimmung, innere Einrichtung und Verwaltung sowie über Vermögensverhältnisse erwünscht sein.“ 4 Daher hat der Oberkirchenraths-Registrator E. Millies im Jahr 1900 eine Zusammenstellung und Beschreibung der „kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin“ herausgegeben. Für Mecklenburg-Strelitz fehlt eine derartige Ausarbeitung. Die für die Stiftungsaufsicht der Kirchen mit der EKD und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen entwickelte kirchliche Stiftungsdatenbank wird von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs genutzt und enthält u. a. ein Register aller kirchlichen Stiftungen, welches als Verzeichnis über die kirchliche Stiftungslandschaft in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs im Internet unter der Adresse www.Kirche-mv.de/Stiftungen.stiftungen0.0.html für jedermann einsehbar ist und die derzeit praktizierten Möglichkeiten zur Förderung des Gemeinwesens und ihre besondere Bedeutung für die kirchliche Arbeit im Bereich unserer Landeskirche deutlich macht. Die nachfolgende Übersicht gliedert sich nach den sich aus der ideellen Zielsetzung ergebenden Tätigkeitsfeldern. 1. Anstaltsstiftungen mit diakonischem Zweck Die Anstaltsstiftungen nehmen die Tradition der Hospital- und Wohltätigkeitsstiftungen auf, die der ursprünglich rein kirchlichen Aufgabe der Versorgung der Armen und Kranken dienten. Die Stiftungssatzungen wurden in den letzten Jahren an die heutigen rechtlichen Gegebenheiten angepasst, damit die Stiftungen in die Lage versetzt werden konnten, ihre Aufgaben auch weiterhin angemessen im Sinne des Stiftungszweckes zu erfüllen. Die Anstaltsstiftungen verstehen sich 4

Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin, Schwerin 1900, Vorwort.

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als Wesensäußerung kirchlichen Lebens und fördern die diakonische Glaubens-, Lebens- und Dienstgemeinschaft unter ihren Mitarbeitenden und innerhalb der Landeskirche. Insofern steht das Wirken dieser Stiftungen in direktem Bezug zum Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und ihrer diakonischen Aufgaben. Jeweils beispielhaft für gelebte christliche Nächstenliebe sind die nachfolgenden in chronologischer Reihenfolge vorgestellten Anstaltsstiftungen: a) Hospital zum Heiligen Geist Bützow (1566) 5 Das Hospital zum Heiligen Geist in Bützow fußt auf ein von der Herzogin Elisabeth im Jahre 1566 gegründetes Hospital und auf die Schloßpräbenden in Bützow. Diese wurden durch Friedrich Franz als „selbständige und der evangelischlutherischen Kirche eigene Stiftungen“ durch das Regulativ am 24. Mai 1852 oberbischöflich bestätigt. Die Stiftung bietet selbständigen Senioren die Möglichkeit, im Hospitalgebäude den Lebensabend in christlicher Gemeinschaft zu verbringen 6. b) Michaelshof Rostock (10. 04. 1845) Vor mehr als 150 Jahren in Rostock Gehlsdorf gegründet, gehört der am 10. April 1845 als Rettungshaus im Sinne Wicherns eröffnete Michaelshof zu den ältesten Sozialeinrichtungen in der Hansestadt Rostock. Dem Michaelshof wurden unter dem 30. Juni 1851 durch landesherrlichen Erlass die Rechte einer juristischen „frommen Stiftung“ (pium corpus) verliehen. Waren es anfangs obdachlose Kinder und Jugendliche, denen ein Dach über dem Kopf, eine Suppe für den Magen und eine Ausbildung geboten wurden, so sind es seit 1950 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, die hier Pflege, Betreuung und Förderung erfahren 7. Für diese Aufgabe sind in der Gesamteinrichtung ca. 250 Mitarbeitende tätig, darunter Heilerzieher, Krankenschwestern, Sonderpädagogen und Altenpfleger. Darüber hinaus verfügt der Michaelshof über Plätze für den Zivildienst und das Freiwillige Soziale Jahr. Die Aufnahme in Einrichtungen des Michaelshofs erfolgt nach medizinischen und pflegerischen Gesichtspunkten ohne Unterschied der Person nach den Grundsätzen der Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit. Ob im Wohnoder im Pflegeheim, in der Schule oder in der Werkstatt – in allen Bereichen 5

Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 16. Die Satzung des Hospitals zum Heiligen Geist in Bützow vom 30. Januar 1996 ist veröffentlicht im KABl 1996 S. 68, geändert durch Satzungsänderung vom 6. Juli 2004 (KABl 2004 S. 101). 7 Die Stiftungssatzung der Evangelischen Pflege- und Fördereinrichtung Michaelshof datiert vom 18. Mai 1993 (KABl 1995 S. 118) und ist geändert worden durch Beschlüsse vom 16. September 1996 (KABl 1997 S. 13), vom 11. November 2002 (KABl 2003 S. 26) und vom 7. März 2005 (KABl 2005 S. 32). 6

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geht es darum, dass die der Hilfe bedürftigen Menschen durch professionelle Pflege, Betreuung und Förderung ein höchstmögliches Maß an Selbständigkeit und Selbstbestimmung erreichen. Mit beträchtlichen Fördermitteln konnte der Michaelshof nach der Wende zu einer der modernsten und leistungsfähigsten Einrichtungen seiner Art in Mecklenburg- Vorpommern ausgebaut werden. c) Augustenstift Schwerin (1852) Das Augustenstift zu Schwerin 8 ist seit seiner Gründung vor über 150 Jahren stets die führende Altenpflegeeinrichtung in Schwerin 9. Es betreibt heute nach den Maßstäben der Qualitätssicherung Einrichtungen der stationären, teilstationären und offenen Altenhilfe sowie der häuslichen Krankenpflege: − − − − − −

eine Sozialstation mit Essen auf Rädern, eine Tages- sowie eine Kurzzeitpflege, eine Altenbegegnungsstätte, 129 Plätze im Alten- und Pflegeheim in Ein- und Zweibettzimmern, 25 betreute Wohnungen (zu denen aktuell 10 weitere hinzukommen) sowie ein Demenzzentrum, das u. a. Raum für eine Wohngruppe bietet.

Trotz aller Wirren des 20. Jahrhunderts (Kaiserreich, Weimarer Republik, III. Reich, DDR-Zeit) hat die Stiftung kirchliches Profil bewahrt. Im Jahre 1855 wurde ein Armen- und Siechhaus zum Zweck der geistlichen und leiblichen Pflege bedürftiger Menschen evangelisch-lutherischen Bekenntnisses gestiftet zur – so die Schenkungsurkunde – „Abwehr und Milderung der geistigen und leiblichen Not solcher Armer, die sich im Stadtbild Schwerins finden.“ Die Einkünfte der Stiftung sollten neben der Pflege der Gebäude dazu dienen, dass „Alte, Alleinstehende und in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkte Arme je nach dem Stande der Mittel des Stiftes bis zu 24 Personen beiderlei Geschlechts aufgenommen und Wohnung, Kleidung, Unterhalt empfangen, damit sie ihren Lebensabend still erleben und sich im Gebet und fleißigem Gebrauch des Wortes Gottes auf ihre Heimfahrt rüsten mögen“. Ungewöhnlich für die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist, dass es Frauen sind, denen die Initiative für diese Einrichtung zu verdanken ist: nicht nur der Stifterin und Namensgeberin Großherzogin Auguste von Mecklenburg-Schwerin, sondern vor allem Ida Masius, einer bürgerlichen Frau, die über Jahrzehnte die Einrichtung geleitet hat. Das vom Vorstand, dem Ministerium und dem Oberkirchenrath entworfene und vom Großherzog am 13. November 1857 unterschriebene Regulativ für die Verwaltung des Augustenstiftes hat die Zielsetzung sowie die Leitung, Finanzierung und Verwaltung des Stiftes geregelt. Die Verbundenheit des Großherzogshauses mit dem Augustenstift blieb selbst nach 8

Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 89. Die Satzung des Augustenstiftes zu Schwerin in der ab 15. November 1999 geltenden Fassung ist veröffentlicht im KABl 2000 S. 15. 9

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der Abdankung. In den wirtschaftlich schlechten Zeiten der Weimarer Republik unterstützt das Herzogshaus die Stiftung weiterhin durch Geldspenden. Schwierig war die Zeit des 1. Weltkrieges. 1917 berichtete die Oberin, dass die Stiftsinsassen „den vollen Ernst der Kriegszeit erst sehr spät“ merkten und „den ihnen unbekannten neuen erschwerten Lebensverhältnissen verständnislos“ gegenüberstünden. Es gebe „ein Murren der Unzufriedenheit“. Viele hätten Beschwerdeschreiben verfasst. Ein Insasse habe sich sogar an die Polizei gewandt. Im Jahre 1939 kam es erneut zu einem Konflikt mit den NS-Machthabern. Das Augustenstift sollte „gleichgeschaltet“ werden. Dem schnellen, entschiedenen, couragierten, dabei aber umsichtigen Vorgehen eines damaligen Vorstandsmitglieds ist es zu verdanken, dass die Gleichschaltung verhindert werden konnte. Freiherr von Wincklage wandte sich mit einer ausführlichen Beschwerde an den Reichsminister des Inneren in Berlin. Schließlich gelang es, die polizeiliche Verfügung über die Beschlagnahme rückgängig zu machen. Am 7. April 1945 fielen mindestens 27 Bomben auf das Gelände des Augustenstifts. Die Kapelle des Stiftes und die Wirtschaftsgebäude wurden dabei total zerstört. Wie durch ein Wunder wurden bei diesem schweren Bombenangriff keine Menschen auf dem Stiftsgelände verletzt. d) Stift Bethlehem Ludwigslust (29. 06. 1860) 10 In Verantwortung vor Gott und dem Mitmenschen pflegt und betreut das Stift Bethlehem in seinen Einrichtungen seit über 150 Jahren bedürftige Menschen. Nach dem Willen der Stifterin, der ersten Oberin Fräulein Helene Elisabeth Friederike Henriette von Bülow aus Camin, sind am 9. 10. / 19. 10. 1851 der örtlichen Kirche zu Ludwigslust Grundstücke, Häuser und sonstiges Vermögen zum Zweck der Errichtung und Erhaltung einer Stiftung für die geistliche und leibliche Pflege Kranker, für die Ausbildung von Kinderkranken- und Krankenpflegerinnen und für die Erziehung von namentlich kränklichen Waisenkindern übereignet worden. Aus dem Vermögen entstanden ein Diakonissenmutterhaus und eine Krankenanstalt, zunächst als Kinderhospital, Frauenkrankenhaus und Waisenhaus. Bald folgten Erweiterungen im Bereich Innere Medizin und Chirurgie. Heute sichert das Stift Bethlehem gGmbH bei einer Bettenkapazität von 184 Betten die Grund- und Regelversorgung einschließlich der Notfallversorgung für etwa 60.000 Einwohner des Landkreises Ludwigslust im westlichen Mecklenburg. Im Jahr 2005 hat diese diakonische Einrichtung, die auch akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Rostock ist, 7.516 stationäre Patienten und 14.534 ambulante Patienten behandelt. Das Stift Bethlehem in Ludwigslust 11 ist zugleich ein Beispiel dafür, wie heutzutage in zeitgemäßer Form Krankenhäuser zum Wohl der Patienten in ökonomisch 10

Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 55.

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vertretbarer Weise betrieben werden können. Erstmalig ist in Mecklenburg eine Holdingstruktur zwischen einem diakonischen und einem kommunalen Krankenhaus gebildet worden. Landrat Rolf Christiansen und Stiftspropst Jürgen Stobbe unterzeichneten den Gesellschaftsvertrag, durch den die gemeinsame Krankenhausholding Westmecklenburg gGmbH entstanden ist. Sowohl das Kuratorium des Stifts als auch der Kreistag des Landkreises Ludwigslust haben der Neugründung der Gesellschaft zugestimmt, in die das Ludwigsluster ev. Krankenhaus Stift Bethlehem und das Kreiskrankenhaus Hagenow mehrheitlich eingebracht werden. Das für die Bildung einer Holdingstruktur für beide Krankenhäuser erforderliche Ziel, dass nahezu deckungsgleiche Gesellschaftsverträge für die Ev. Krankenhaus Stift Bethlehem gGmbH und die Krankenhaus Hagenow gGmbH akzeptiert werden, konnte realisiert werden. Die Holding ist für die strategische Ausrichtung und Verzahnung der beiden Krankenhäuser zuständig. Dies umfasst grundsätzlich die Erlös-, Leistungs-, Organisations- und Betriebsstrukturen beider Krankenhäuser. Zunächst ist keine über die Geschäftsführer (je einer vom Stift und einer vom Landkreis vorgeschlagener und von der Gesellschafterversammlung der Holding gewählter) hinausgehende direkte Personal- und Funktionsanbindung an die Holding geplant. Die Holding hat eine Doppelfunktion inne. Sie ist der Mehrheitsgesellschafter sowohl der Evangelischen Krankenhaus Stift Bethlehem gGmbH als auch der Krankenhaus Hagenow gGmbH. Die Aufgabenzuweisung auf die Gesellschafterversammlung der Krankenhaus gGmbH’s definiert die Kompetenzen der Geschäftsführung der Holding gGmbH gegenüber den Krankenhaus gGmbH’s. In ihrer Funktion als Kontrollorgan werden Entscheidungen von besonderer Bedeutung einer vorherigen Zustimmung eines Aufsichtsrats der Holding (der paritätisch zusammengesetzt ist und Profilentscheidungen nicht ohne Zustimmung des jeweils anderen Partners umsetzen kann) unterworfen. Die in den Gesellschaftsverträgen der Krankenhaus gGmbH’s genannten Genehmigungen von Dritten (für das Krankenhaus Stift Bethlehem der Oberkirchenrat als Stiftungsaufsichtsbehörde mit dem Diakonischen Werk) bleiben insoweit bestehen. Gleichzeitig nehmen die Geschäftsführer der Holding gGmbH auch eine Lenkungsfunktion gegenüber den Krankenhaus gGmbH’s ein. Die Kompetenzen des operativen Geschäftes sind auf den Geschäftsführer, die paritätisch zusammengesetzte Gesellschafterversammlung und den paritätisch zusammengesetzten Aufsichtsrat der Holding übertragen. Die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder und die weiteren Ämter mit Ausnahme der Geschäftsführer werden laut Gesellschaftervertrag ehrenamtlich wahrgenommen.

11 Die Satzung des Stiftes Bethlehem in Ludwigslust vom 20. Januar 1994 ist veröffentlicht im KABl 1995 S. 99. Sie wurde geändert durch Beschluss vom 23. März 2005 (KABl 2005 S. 36).

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Vorstehendes lässt sich in folgendem Schaubild darstellen: Stift Bethlehem

Landkreis Ludwigslust

jeweils 50 %

49 %

49 %

Krankenhaus Holding Westmecklenburg gGmbH

jeweils 51

Ev. Krankenhaus Stift Bethlehem gGmbH

Krankenhaus Hagenow gGmbH

Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der Holding sind jeweils paritätisch besetzt: Geschäftsführung: 2 Personen: 1 Geschäftsführer Stift, 1 Geschäftsführer Landkreis, Aufsichtsrat 6 Personen, Gesellschafterversammlung 10 Personen. Sollten in Zukunft weitere Veränderungen in der Struktur der Krankenhaus Holding Westmecklenburg gGmbH erforderlich werden (z. B. Beteiligungen, neue Gesellschafter, neue Betriebseinrichtungen etc.), hätte dies auch immer eine Änderung der fast gleich lautenden Gesellschaftsverträge für die Ev. Krankenhaus Stift Bethlehem gGmbH und die Krankenhaus Hagenow gGmbH zur Folge. Da Vertragsänderungen und wesentliche Änderungen des Gesellschaftszweckes und Änderungen der Rechtsform nach dem Gesellschaftsvertrag für die Ev. Krankenhaus Stift Bethlehem gGmbH der erneuten Genehmigung des Oberkirchenrates bedürfen, ist gewährleistet, dass auch bei Strukturveränderungen oder -erweiterungen der Bestand des evangelisch-diakonischen Profils des Krankenhauses Stift Bethlehem gewahrt werden kann. Zudem ist im Stiftungsgesetz der EvangelischLutherischen Landeskirche Mecklenburgs jede Änderung des Gesellschaftsvertrages, an denen eine kirchliche Stiftung beteiligt ist, der stiftungsaufsichtlichen Genehmigung vorbehalten. Die Verbindung der Häuser hat die Krankenhauslandschaft im Landkreis wesentlich verändert. Die gemeinsame Holding ermöglicht eine bessere Koordination

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medizinischer Leistungen, konkrete Schwerpunktbildungen und eine Verbesserung der Qualität durch Konzentration auf häuserspezifische Fähigkeiten. Ohne den Mut zur Veränderung unter Beibehaltung des Bewährten wäre das Stift wegen der veränderten Rahmendaten (z. B. kürzere Verweildauer, Patientenpauschale usw.) in Schwierigkeiten gekommen. Die Landeskirche ist dankbar, dass das am 29. Juni 1860 durch landesherrlichen Erlass mit den Rechten einer juristischen „frommen Stiftung“ (pium corpus) versehene Stift Bethlehem weiterhin den Auftrag christlicher Nächstenliebe in leiblicher, geistlicher, seelischer und sozialer Pflege an Kranken und Betreuungsbedürftigen ausführen kann. Die Stiftung unterhält eine Ausbildungsstätte im krankenpflegerischen Bereich, Altenund Pflegeheime, Sozialstationen, Kindertageseinrichtungen, Wohn- und Internatsbereiche für Auszubildende und Mitarbeiter. Die Stiftung ist gleichzeitig eine Anstaltskirchgemeinde nach der Kirchgemeindeordnung und gemäß Urkunde vom 28. April 1860. Rund um das Krankenhaus Stift Bethlehem gGmbH sind viele kirchliche und diakonische Einrichtungen, die in guter Nachbarschaft und ergänzend mit der Stiftung oder dem Krankenhaus kooperieren. Dazu gehören das Kirchliche Bildungshaus mit Predigerseminar, Theologisch – Pädagogischem Institut und dem Seminar für Aus-, Fort- und Weiterbildung. Auch die Vikarinnen und Vikare gestalten die regelmäßig in der Stiftskirche gefeierten Andachten und Gottesdienste. Weiter profitiert das Krankenhaus von den Seelsorgebesuchen, nicht nur der Krankenhausseelsorger, sondern auch der Vikarinnen und Vikare. In der Paramentenwerkstatt im Stift Bethlehem werden seit 1907 Paramente (Textilien zum Schmuck der liturgisch wichtigen Orte im Kirchenraum) in reiner Handarbeit gefertigt. Grundlage der Paramentenarbeit ist das Kirchenjahr mit den 4 liturgischen Farben (violett, weiß, rot und grün). Die Beratung der Kirchgemeinde vor Ort ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Paramente entstehen aus reinen Naturfasern, handverarbeitet, individuell abgestimmt auf den jeweiligen Raum und auf die Wünsche der Gemeinde. Entwürfe werden von Künstlern oder den Paramentikerinnen erstellt. Viele unserer Pastorinnen und Pastoren tragen die im Stift angefertigten Beffchen. Zahlreiche Kirchen schmücken die dort gefertigten Antependien für Altar, Kanzel und Lesepult in den liturgischen Farben und die Altartücher aus weißem Leinen mit Schmuckkanten. Zur Paramentenwerkstatt gehört die Oblatenbäckerei. e) Anna-Hospital-Stiftung Schwerin (1866) 12 Am 31. Dezember 1866 gründete Ida Masius ein Kinderhospital, um „armen kranken Kindern, welche heilende Pflege weder in ihren Familien, noch in com12

Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 86.

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munalen Krankenhäusern finden können, solche zu gewähren“. Die Pflege wurde durch Diakonissen aus dem Stift Bethlehem ausgeübt. Auf Wunsch der Stifterin erhielt das Kinderhospital als kirchliche Stiftung am 8. Oktober 1870 die Rechte einer juristischen Person. Zum Andenken an die verstorbene Herzogin Anna im Jahre 1882 schenkte Großherzog Friedrich Franz II. dem Kinderhospital die Summe von 60.000 Mark mit der Bedingung, dass das Kinderhospital künftig den Namen „Anna-Hospital“ führen solle. Der Krankenhausbetrieb des Anna-Hospitals wurde nach mehr als 110 Jahren am 30. Juni 1994 eingestellt. Inzwischen werden sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Kinder, Jugendliche und junge Volljährige unterstützt und gefördert 13. Auf dem Stiftungsgelände befindet sich eine Grundschule in diakonischer Trägerschaft. f) St. Georgstift Grevesmühlen (9. 6. 1869) 14 Durch Vereinigung zweier kirchlicher Armen- und Siechenstiftungen (pia corpora) ist die St. Georg-Stiftung in Grevesmühlen (am 9. Juni 1869 landesherrlich bestätigt) als „Kirchliches Institut“ mit den Rechten einer juristischen Person unter Aufsicht der kirchlichen Behörden des Landes entstanden. Heute pflegt und betreut die St. Georg-Stiftung in Grevesmühlen 15 nach wie vor Personen, die – um es mit der ursprünglichen Satzung zu sagen – „in ihrer Arbeitsfähigkeit beschränkt oder durch Gebrechen oder durch Alter erwerbsunfähig geworden sind.“ 2. Karitative Förderstiftungen für kirchgemeindliche Zwecke Diese Stiftungen „verdanken in der Mehrzahl ihre Entstehung der freien Liebe wohltätiger Christenherzen; sie dienen teils zur Unterstützung von Armen, Kranken und anderen hilfsbedürftigen Personen verschiedenen Standes und zur Versorgung von Predigerwitwen, teils zu Studien-, Schul- und Missionszwecken. Das menschenfreundliche Werk, welches sich in ihrer Errichtung bekundet, hat die evangelisch-lutherische Kirche in Mecklenburg allzeit durch das größte Entgegenkommen und durch die bereitwilligste Übernahme der vielfach unentgeltlichen Verwaltung gefördert.“ 16 Beispielhaft seien einige der sich inzwischen selbst verwaltenden 19 Förderstiftungen mit kirchgemeindlich diakonischem Zweck in chronologischer Reihenfolge vorgestellt:

13 Die Satzung der Anna-Hospital-Stiftung in Schwerin ist veröffentlicht im KABl 2004 S. 3, geändert durch Beschluss vom 18. Januar 2005 (KABl S. 4). 14 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 80. 15 Die Satzung der St. Georg-Stiftung in Grevesmühlen vom 1. August 1995 ist veröffentlicht im KABl 1996 S. 5. 16 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin, Vorwort.

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• Heilig Geist Stiftung Burg Stargard (1576) Das 1364 erstmals urkundlich erwähnte Heiligen-Geist-Hospital diente als Alters-, Kranken- und Armenhaus sowie als Herberge. Das Hospital war nach seiner Neugründung 1575/76 durch Herzog Ulrich und seiner Gemahlin Elisabeth in erster Linie Armen- und Altersheim für fürstliche Bedienstete und Untertanen des Amtes Stargard. Die Verwaltung erfolgte im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch Provisoren, die nicht Geistliche waren, ohne dass sich am kirchlichen Charakter der Stiftung dadurch etwas geändert hätte. Seit 1835 ist der Propst durchgehend als Provisor des Hospitals ausgewiesen. Nach Umzug der letzten Heimbewohnerin in das städtische Altersheim wurde das Hospitalgebäude 1973 unter Eigentumsverzicht an die Stadt Burg Stargard gegeben. Heute betreibt die Stiftung eine Kindertagesstätte und unterstützt hilfsbedürftige Personen, insbesondere im Bereich der Kirchgemeinde Burg Stargard 17. • Sophienstift Lübz (1633) 18 Nach dem Willen der Stifterin Herzogin Sophie ist das Sophienstift Lübz im Jahre 1633 zur Unterstützung bedürftiger Witwen gegründet worden und ist am 22. September 1634 landesherrlich bestätigt worden. Zu Zeiten Großherzogs Friedrich Franz II. im Jahre 1857 reorganisiert hat die Stiftung auf Grund des landesherrlich und oberbischöflich bestätigten Regulativs unter dem 3. November 1870 als „Kirchliches Institut“ die Rechte einer juristischen Person unter Aufsicht der kirchlichen Behörden des Landes erhalten. Die Stiftung hat heute die Aufgabe, mildtätige Zwecke zu üben, insbesondere diakonische Arbeit durch die Kirchgemeinde bzw. durch einen von ihr autorisierten Verein wahrnehmen zu lassen 19. Das Stiftungsvermögen dient heute überwiegend der Förderung, Betreuung und Pflege von älteren Menschen und von Jugendlichen. • Alte Waisenhausstiftung Schwerin (3. 11. 1754) 20 Die im Jahre 1754 errichtete Alte Waisenstiftung ist durch Schreiben des Großherzoglichen Ministeriums, Abteilung Geistliche Angelegenheiten, vom 10. Juni 1850 sowie durch Oberbischöfliche Verfügung vom 6. August 1852 als „Kirchliches Institut“ mit eigener Rechtsfähigkeit anerkannt worden. Die Stiftung hat die Aufgabe, in christlicher Verantwortung die Erziehung und Ausbildung von elternlosen und benachteiligten Kindern zu fördern 21. Diese Stiftung verfügt über etliche Grundstücke, aus deren Erträgen der Stiftungszweck finanziert wird. 17 Die Satzung für das Hospital zum Heiligen Geist in Burg Stargard vom 19. März 2003 ist veröffentlicht im KABl 2003 S. 70. 18 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 52. 19 Die Satzung des Sophienstifts Lübz vom 6. Dezember 1994 ist veröffentlicht im KABl 1996 S. 9. 20 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 110. 21 Die Satzung der Alten Waisenstiftung vom 10. 10. 1997 ist veröffentlicht im KABl 1998 S. 8.

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• St. Georgstift Neubukow (7. 09. 1797) 22 Auch über den Ursprung des bereits am Anfang des 15. Jahrhunderts erwähnten St. Georg-Hospitals fehlen Urkunden. Das Hospital diente – wie auch andere Hospitäler mit gleichem Namen – zur Aufnahme und Verpflegung Aussätziger und später als Versorgungsanstalt für Arme. Die Verwaltung des Hospitals erfolgte nach Maßgabe landesherrlich bestätigter Regulative. Am 4. Dezember 1850 wurde ein neues, bis heute gültiges Regulativ oberbischöflich bestätigt mit der Aufgabenstellung, hilfsbedürftige Personen, insbesondere im Bereich der Stadt Neubukow, zu unterstützen und die diakonischen Aufgaben der Kirchgemeinde Neubukow zu fördern 23. • Elisabethstiftung Stavenhagen (14. 05. 1836) 24 Die Elisabethstiftung in Stavenhagen ist hervorgegangen aus der alten kirchlichen Armenhausstiftung St. Jürgen zu Stavenhagen. Nach „eingetretener gänzlicher Verarmung“ der Gemahlin des Herzogs Ulrich von Mecklenburg, Elisabeth (geborene Prinzessin von Dänemark), war diese Stiftung dotiert worden, um armen und hilfsbedürftigen Personen Unterhalt und Pflege zu gewähren. Inzwischen werden sowohl hilfsbedürftige Personen im Bereich der Kirchgemeinde Stavenhagen als auch die evangelische Jugendarbeit unterstützt 25. • St. Georgstift Kröpelin (29. 03. 1847) 26 Über den Ursprung des bereits im 14. Jahrhundert nachgewiesenen St. GeorgHospitals sind keine Urkunden vorhanden. Bei der Verwaltung des Hospitals sind die landesherrlich bestätigten Regulative vom 29. März 1847 und vom 6. Dezember 1858 zu beachten, die – weiterhin gültig – der Stiftung karitativ kirchgemeindliche Aufgaben zuweisen 27. • St. Georgstift Sternberg (4. 03. 1848) 28 Das St. Georgstift für wohltätige Zwecke in Sternberg ist 1848 entstanden durch Vereinigung der ursprünglich vorhandenen Stifte St. Georgenhospital, Hospital zum Heiligen Geist und Hospital der Elenden zum St. Georgstift. Die Stiftungssatzung 29 nennt als Aufgabe, mildtätige Zwecke zu üben, insbesondere alten, jedoch 22

Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 7. Die Satzung für das St. Georgstift in Neubukow vom 15. Mai 1998 ist veröffentlicht im KABl 1999 S. 190. 24 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 7. 25 Die Satzung für die Elisabethstiftung in Stavenhagen ist veröffentlicht im KABl 2000 S. 108. 26 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 4. 27 Die Satzung für das St. Georgstift in Kröpelin vom 12. Oktober 1998 ist veröffentlicht im KABl 1999 S. 39. 28 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 31. 29 Die Satzung für das St. Georgstift in Sternberg vom 10. Mai 1999 ist veröffentlicht im KABl 2001 S. 96. 23

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selbständigen Menschen eine Heimstatt in christlicher Gemeinschaft zu gewähren. Das Stiftungsvermögen dient der Betreuung und Pflege alter und in ihrer Gesundheit gefährdeter Menschen und dem Erhalt des Hospitalgebäudes. • Heilig Geist Stiftung Wittenburg (15. 11. 1850) 30 Die seit 15. November 1850 bestehende Heilig-Geist-Stiftung in Wittenburg unterstützt hilfsbedürftige Personen im Bereich der Stadt Wittenburg 31. • St. Georgstift Neukalen (13. 07. 1853) 32 Ein Visitationsbericht aus dem Jahre 1647 erwähnt das St.-Georg-Hospital als Armenhaus, in das Personen aufgenommen wurden, die wegen des „Alters und anderer Unfälle halber sich nicht erhalten können“. Nachdem 1850 das Hospitalgebäude verkauft und die letzten Hospitalinsassen abgefunden waren, wurde die Stiftung mit dem Armenkasten verbunden; sie erhielt als „eine selbständige kirchliche Stiftung“ ein am 13. Juli 1853 oberbischöflich bestätigtes Regulativ, sorgte für die Armenpflege und den Schulbesuch armer Kinder in Neukalen. Die Stiftung hat inzwischen die Aufgabe, hilfsbedürftige Personen, insbesondere im Bereich der Kirchgemeinde Neukalen, finanziell zu unterstützen 33. • Stiftung zum Heiligen Geist Gadebusch (21. 07. 1879) 34 „Unterbringung von Siechen aus Jarmstorf im Augustenstift in Schwerin, die Beförderung der Unterbringung von Blinden, Taubstummen und Idioten aus Jarmstorf in Unterrichts- und Erziehungsanstalten“ – so war der Stiftungszweck im landesherrlich am 21. Juli 1879 genehmigten Statut formuliert. Heute dient die Stiftung zum Heiligen Geist karitativen Zwecken in der Kirchgemeinde 35. • Armenkasten zu Penzlin (1912) Der aus einem von der Familie von Walsleben-Lübkow gestifteten Grundstück und einem größeren von der Familie des Patrons der Penzliner und Lübkower Kirche, Freiherrn von Maltzahn-Penzlin, gegebenen Zuschusskapital im Jahre 1912 hervorgegangene Armenkasten zu Penzlin ist eine Förderstiftung zu Gunsten der Kirchgemeinde 36.

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Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 114. Die Satzung für die Heilig-Geist-Stiftung in Wittenburg vom 16. Mai 2000 ist veröffentlicht im KABl 2001 S. 13. 32 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 41. 33 Die Satzung für das St. Georg Stift in Neukalen vom 8. September 1999 ist veröffentlicht im KABl 2000 S. 6. 34 Millies, Die kirchlichen milden Stiftungen in Mecklenburg-Schwerin S. 78. 35 Die Satzung der Stiftung zum Heiligen Geist in Gadebusch vom 28. August 1996 ist veröffentlicht im KABl 1997 S. 35. 36 Die Satzung der Stiftung Armenkasten zu Penzlin vom 1. September 1996 ist veröffentlicht im KABl 1997 S. 37. 31

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• Haus Gottes Güte Neubrandenburg (22. 09. 1921) Die kirchliche Stiftung Haus Gottes Güte will in zeitgemäßer Form kirchlich-diakonische Arbeit im Bereich der Stadt Neubrandenburg unterstützen und fördern 37. Hierfür werden die Erträge des Stiftungsgrundstücks verwendet. • Herzog-Carl-Borwin-Gedächtnisstiftung Neustrelitz (24. 09. 1928) Die Herzog-Carl-Borwin-Gedächtnis-Stiftung steht mit ihrem Gebäude, dem Herzog-Carl-Borwin-Gedächtnis-Heim, den Kirchgemeinden von Neustrelitz, der Propstei Neustrelitz und dem Kirchenkreis Stargard für Gottesdienste, Gemeindeveranstaltungen, Christenlehre- und Konfirmandenunterricht sowie sonstigen Versammlungen zur Verfügung und dient darüber hinaus verschiedenen diakonischen Einrichtungen als Unterbringungsmöglichkeit für ihre Geschäfts- und Beratungsräume 38. • Weihnachtskrippen in Heilig-Geist – Mechthild und Dr. Rudolf Ringguth-Stiftung Die im Jahre 2005 genehmigte Stiftung Weihnachtskrippen in Heilig-GeistMechthild und Dr. Rudolf Ringguth-Stiftung in Güstrow 39 beabsichtigt, die Welt umspannende Friedensbotschaft des Christfestes durch die Ausstellung von Weihnachtskrippen aus verschiedenen Kulturkreisen in der Heilig-Geist-Kirche zu Güstrow gegenwärtig zu halten. Frau Mechthild Ringguth aus Hamburg hat hierfür in großzügiger Weise ihre ca. 400 Weihnachtskrippen aus über 60 Ländern in die Stiftung eingebracht, um sie einem möglichst breiten Besucherkreis zugänglich zu machen. Die baufällige, bis Anfang der 80er Jahre von der Pfarrgemeinde Güstrow als Winterkirche genutzte Kapelle ist nach der umfangreichen Sanierung auch ein Begegnungszentrum im Herzen Mecklenburgs, in dem weltweite kulturelle Erfahrungen des geistlichen und kulturellen Erbes vermittelt werden, die Begegnung mit Kunst, Handwerk und Tradition der Völker der Welt gefördert und das kulturelle Angebot in der Stadt Güstrow bereichert wird. Die örtliche Kirche Heilig-Geist steuert hierfür den aus dem 14. Jahrhundert stammenden Sakralbau und Finanzzuschüsse bei. Einen großen Teil der Renovierungskosten trägt dankenswerter Weise die Stadt Güstrow durch den Einsatz von Städtebaufördermitteln. Die Gesamtkosten beliefen sich nach Angaben des Schweriner Bauministeriums auf 945.000 Euro. Davon stellte das Ministerium 675.000 Euro Städtebauförderungsmittel bereit. 37

Die Satzung der Stiftung Haus Gottes Güte in Neubrandenburg vom 25. März 1996 ist veröffentlicht im KABl 1996 S. 70 und wurde geändert durch Beschluss vom 20. Juni 2006 (KABl 2006 S. 57). 38 Die Satzung der Herzog-Carl-Borwin-Gedächtnis-Stiftung in Neustrelitz vom 20. November 1995 ist veröffentlicht im KABl 1996 S. 7. 39 Das Stiftungsgeschäft vom 1. September 2005 über die Errichtung der rechtsfähigen kirchlichen Stiftung des privaten Rechts Weihnachtskrippen in Heilig-Geist-Mechthild und Dr. Rudolf Ringguth-Stiftung und die Stiftungssatzung vom 1. September 2005 sind veröffentlicht im KABl 2005 S. 100.

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Die Heilig-Geist-Kapelle ist die älteste lutherische Predigtstätte in Güstrow. 1527 wurde dort die erste lutherische Predigt gehalten. 3. Conrad-Gessner-Stiftung zu Gunsten einer evangelischen Schule Die Conrad-Gessner-Stiftung (30. 11. 2000) ist Ausdruck des Willens ihrer Gründerin, den Bildungsauftrag und das soziale Engagement der EvangelischLutherischen Landeskirche Mecklenburgs zu unterstützen 40. Der besonders durch seine ornithologischen Untersuchungen bekannt gewordene Schweizer Universalgelehrte Conrad Gessner 41 (1516 –1565) hatte Kontakte zur Rostocker Universität. Neben der auch theologischen Reflexion seiner Arbeit lag ihm besonders an einer pädagogisch fundierten Wissensvermittlung seiner Forschungsergebnisse. Hierauf Bezug nehmend ist deshalb Anliegen der Stiftung, eine Sicht der Natur zu vermitteln, die sich an christlichen Glaubensgrundsätzen und Werten orientiert. Diesem Ansatz folgend gilt das Engagement der Stiftung der Evangelischen Schule in Wismar. Darüber hinaus fördert die Stiftung Maßnahmen, die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern Zukunftsperspektiven eröffnen. Dazu gehören zum Beispiel die Förderung berufsbildender Maßnahmen in kirchlichen Einrichtungen, Projekte, die Jugendarbeitslosigkeit verhindern und Vorhaben, die Langzeitarbeitslose in Arbeitsverhältnisse integrieren helfen. 4. Kirchliche öffentlich-rechtliche Stiftungen a) Evangelische Schulstiftung in Mecklenburg-Vorpommern und Nordelbien (1996) Evangelische Schulen in den neuen Bundesländern bestehen in einer besonderen Situation: für viele Schülerinnen und Schüler und auch für deren Eltern und Familien sind der christliche Glaube und die Kirche (noch) fremd. Daher kommt jeder kirchlichen Stiftung im Bildungs-, Ausbildungs- und Erziehungsbereich mit ihrem Engagement um die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen eine besondere Bedeutung zu. Die in gemeinsamer Trägerschaft der Evangelisch40 Das Stiftungsgeschäft vom 30. November 2000 über die Errichtung der kirchlichen Stiftung des privaten Rechts mit dem Namen Conrad-Gessner-Stiftung und die Anerkennung als landeskirchliches Werk sowie die Satzung vom 30. 11. 2000 der Conrad-GessnerStiftung in Wismar sind veröffentlicht im KABl 2000 S. 105. 41 Conrad Gessner gilt als einer der Erfinder eines Schreibwerkzeugs, das heute noch gebaut wird. Eine kleine Abbildung in einem seiner Bücher zeigt erstmals eines der ersten nachweisbaren Bleistift- bzw. Minenhaltermodelle. Eine die Mine umfassende und schützendene Hülle wird gedrechselt. Ein Holzring von 3 cm Länge wird passgenau in die Minenhülle hinein geschoben, wobei er sich nach hinten ein wenig verengt, so dass die Mine fest und sicher gehalten wird. Mit diesem noch heute üblichen Schreibgerät hat Gessner Bücher zu den verschiedensten Fachgebieten geschrieben.

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Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, der Pommerschen Evangelischen und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche seit 5. Oktober 1996 existierende Schulstiftung 42 betreut 14 Evangelische staatlich anerkannte Ersatzschulen und angeschlossene Kindertageseinrichtungen sowie sonstige Bildungseinrichtungen. Im Schuljahr 2004/2005 wurden 1052 Schülerinnen und Schüler von 85 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Außerdem sind 33 Erzieherinnen und Erzieher entweder als Unterrichtsbegleiter oder in den zugeordneten Kindertageseinrichtungen tätig. Auf dem Hintergrund des biblisch christlichen Gottes- und Menschenbildes werden die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu eigenständigem Denken und Handeln gefördert und ein Verhalten des Miteinanders und des Gemeinsinns aus sozialer Verantwortung eingeübt, das ein am christlichen Glauben orientiertes verantwortliches Handeln in Kirche und Gesellschaft über die Schulzeit hinaus bewirken soll. Die Aufnahme in Einrichtungen der Schulstiftung erfolgt ohne Unterschied der Person und ihres Bekenntnisses. Alle in der Schulstiftung zusammengeschlossenen Schulen genießen eine große Akzeptanz; die meisten haben über mehrere Jahre reichende Anmeldungen, die die realen Aufnahmekapazitäten übersteigen. Zur Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer wird regelmäßig mit Beteiligung des Theologisch-Pädagogischen Instituts in Ludwigslust zu vier Studientagen eingeladen, um beispielsweise Anregungen zu geben zu am Kirchenjahr (Weihnachten, Passion und Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten, Erntedank) orientierten Projekten für die Schulen. Es gibt Konsultationen zu fächerübergreifenden Projekten, die Orientierungs- und Fachwissen aufeinander beziehen, miteinander verknüpfen und auswerten. Die Schulstiftung begleitet Lehrerinnen und Lehrer auch seelsorgerlich und spirituell im Sinne einer auf sie bezogenen als auch im Sinne einer Unterstützung ihrer seelsorgerlichen Beanspruchung im Schulalltag. Die Schulstiftung achtet darauf, dass alle Schulen in engem Kontakt zu einer Kirchgemeinde stehen. Andachten in der Kirche, Gottesdienste für die Schule, gemeinsam vorbereitete und durchgeführte Veranstaltungen unterstützen die Schulen insbesondere bei der Gestaltung des evangelischen Profils. Das ist für beide eine Bereicherung. Der Religionsunterricht ist ordentliches Unterrichtsfach für alle Schülerinnen und Schüler. Zusätzlich wird religiöses Schulleben mit Gottesdiensten und Andachten, diakonischen und festlichen Aktivitäten er- und gelebt.

42 Die Satzung der Evangelischen Schulstiftung in Mecklenburg-Vorpommern und Nordelbien in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung veröffentlicht im KABl 2002 S. 18 (Berichtigung KABl 2002 S. 42) und wurde geändert durch Beschluss vom 29. März 2005 (KABl 2005 S. 25).

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Bewundernswert sind das hohe Engagement von Eltern, von ehrenamtlich Mitarbeitenden, von Freunden und Förderern sowie die Motivation und die Einsatzbereitschaft der pädagogischen Fachkräfte. b) Kurt-Winkelmann-Stiftung (2002) Für den Fall, dass magere Jahre kommen, ist Vorsorge zu treffen. Dies hat zu erfolgen, solange man über Geld verfügt, das nicht unmittelbar für aktuelle Verpflichtungen benötigt wird. Wenn man nicht nur finanziell, sondern auch ideell wirksame Beiträge zur Bewahrung der Schöpfung leisten kann, wird Vorsorge in doppelter Hinsicht nachhaltig. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs ist die einzige Kirche, die dieses Anliegen im Bereich des Kirchenwaldes durch die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung aufgenommen hat. Mit einem Stiftungsvermögen in Höhe von anfangs ca. 500.000 € ausgestattet, setzt sich die nach dem verstorbenen Landessuperintendenten des Kirchenkreises Stargard Kurt Winkelmann (9. 6. 1932 –6. 6. 1996) benannte Stiftung insbesondere dafür ein, dass in den ca. 1.900 ha umfassenden kirchlichen Wäldern und Forsten in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs − Maßnahmen zur Bewahrung der Schöpfung innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt durchgeführt, − Waldpflegearbeiten, Arrondierungen und Projektförderungen für neue Methoden in der Hege und Pflege des Waldes vorgenommen und − Finanzmittel zur Besoldung des im Kirchenbeamtenverhältnis stehenden Revierförsters und zur Vergütung von Wald- und Forstmitarbeitern durch kirchliche Körperschaften zur Verfügung gestellt werden 43. 5. Kirchliche Sammelstiftung In den Fällen, in denen das Vermögen eines Einzelnen nicht ausreicht, um eine eigene Stiftung zu errichten, können sich Engagierte in einer Kirchlichen Sammelstiftung zusammenschließen. Die Zuordnung dieses Engagements mehrerer zu einer Stiftung ist unter dem Aspekt irritierend, dass Stiftungen – rechtsdogmatisch von der Begriffsbestimmung her betrachtet – keine Mitglieder haben. Das Vereinsrecht ist hierfür gleichfalls nicht unmittelbar anwendbar. Da aber das Interesse im Vordergrund steht, dass sich möglichst viele Menschen je nach ihren finanziellen Möglichkeiten für einen guten Zweck engagieren, hat sich die Zuordnung zu einer kirchlichen Sammelstiftung als praktikabel erwiesen. Bei einer kirchlichen Sammelstiftung kommt noch als Besonderheit hinzu, dass sich hier Kirchenmitglieder besonders engagieren. 43

Die Satzung der Kurt Winkelmann Stiftung in Neubrandenburg vom 15. Mai 2002 ist veröffentlicht im KABl 2002 S. 69.

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Als Beispiel für eine kirchliche Sammelstiftung mit Auslandsengagement ist die Nazarenus-Stiftung 44 zu nennen. Die ursprüngliche Kapitalsumme von 25.000 € ist inzwischen auf über 90.000 € dank des Engagements vieler Kirchenmitglieder angewachsen. Das ständig anwachsende Stammkapital zeigt, dass die seit dem 12. 12. 2003 bestehende Nazarenus-Stiftung Schwerin von dem Zusammenschluss vieler Kirchenmitglieder zu Gunsten des Stiftungszwecks profitiert. In den evangelisch-lutherischen Gemeinden in Kasachstan wird Hilfe dringend benötigt. Dank der Stiftungserträge können Personalkostenzuschüsse für die Ausbildung von Predigern und Mitarbeitern in der diakonischen Arbeit sowie Sachkostenzuschüsse für die Diakoniestationen gegeben werden. Zwischen den evangelisch-lutherischen Christen und Gemeinden in Kasachstan und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs bestehen seit 1972 partnerschaftliche Beziehungen. Zunächst gab es in Kasachstan nur nicht öffentliche Gemeinden, die weit über das Land zerstreut waren. Trotz Verfolgung war es möglich, auch karitative Arbeit durch Ehrenamtliche zu leisten. Inzwischen sind die Gemeinden zwar öffentlich registriert, verfügen jedoch nicht über die nötigen finanziellen Ressourcen. Daher sind die Erträgnisse der Stiftung eine unverzichtbare Hilfe. V. Stiftungsaufsicht des Oberkirchenrates Das dem Staat primär zustehende Aufsichtsrecht im Stiftungsbereich wird bei einer kirchlichen Stiftung eingeschränkt. Die Befugnisse des Staates gegenüber kirchlichen Stiftungen beschränken sich dann auf ihre Anerkennung, Umwandlung oder Aufhebung, welche jeweils nur im Einvernehmen mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs erfolgt. Ansonsten obliegt dem Oberkirchenrat der Evang.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs die Aufsicht über Recht- und Zweckmäßigkeit des Handelns der kirchlichen Stiftungen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern und die evangelischen Kirchen im Land stellen diese Rechtslage der Klarheit halber ausdrücklich in Art. 8 Abs. 3 Güstrower Vertrag (Staat-Kirchen-Vertrag) 45 fest. Diese Aufsicht hat ihren Grund vornehmlich darin, dass die Kirche die Gewähr für die Erfüllung des vom Stifter verfolgten Zwecks sowohl dem Stifter wie auch der Allgemeinheit gegenüber übernimmt. Aus der Einbindung in das Gesamtgefüge der Kirche bildet die Stiftungsaufsicht das notfalls eingreifende Korrektiv des den Stiftungen garantierten Selbstverwaltungsrechts. Kennzeichnend ist das kontinuierlich sich wandelnde Spannungsfeld, das einerseits durch die Selbstverantwortung der Stiftungsorgane sowie andererseits durch Kontrollrechte der Kirche beschrieben wird. 44 Das Stiftungsgeschäft vom 12. Dezember 2003 über die Errichtung der kirchlichen Stiftung des privaten Rechts Nazarenus-Stiftung und die Stiftungssatzung vom 18. November 2003 sind veröffentlicht KABl 2004 S. 47. 45 Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und den evangelischen Kirchen im Land vom 20. Januar 1994, GVOBl M-V 1994 S. 559 und KABl 1994 S. 26.

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Das bis zum 31. Dezember 2006 im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs geltende kirchliche Stiftungsgesetz 46 verweist bezüglich der Bestimmungen der Verwaltung und Aufsicht im Rahmen der rechtlich vorgegebenen Exemption auf das seit 24. 02. 1993 geltende Stiftungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern 47. Nachdem sich das Land seit der am 7. 06. 2006 in Kraft getretenen Neufassung des Stiftungsgesetzes 48 auf die reine Rechtsaufsicht gegenüber rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts beschränkt hat, ist eine umfassende Neuordnung der kirchlichen Stiftungsregelung erforderlich geworden. Das seit 1. Januar 2007 geltende von der Landessynode am 18. November 2006 verabschiedete kirchliche Stiftungsgesetz 49 weist dem Oberkirchenrat als Stiftungsaufsichtsbehörde die aufsichtsrechtlichen Befugnisse über kirchliche Stiftungen zu. Ursprünglich war ein gemeinsames kirchliches Stiftungsgesetz mit der Pommerschen Evangelischen Kirche vorgesehen, so dass im Land MecklenburgVorpommern nur jeweils ein Landes- und ein Kirchengesetz gültig sein sollten. Dieses Vorhaben eines paktierenden Kirchengesetzes ließ sich leider nicht realisieren 50. Geplant war, dass die Verwaltungskompetenz und die Aufsicht für beide Kirchen von einer Stelle, dem Oberkirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, wahrgenommen werden sollte 51. Die Stiftungsaufsicht kann sich über alle Angelegenheiten der Stiftung unterrichten. Sie kann insbesondere Einrichtungen der Stiftung besichtigen, die Vorlage von Berichten, Akten und sonstigen Unterlagen (insbesondere Haushalts-, Kassenund Rechnungsunterlagen) verlangen oder eine Prüfung veranlassen (§ 9). Weiter ist die vorherige Zustimmung der Stiftungsaufsicht erforderlich für bestimmte Rechtsgeschäfte. Die Genehmigung ist einzuholen für Erwerb, Veräußerung, oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie für Erwerb und Aufgabe von Rechten an fremden Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie für den Abschluss und die Änderung von Gesellschafts-, Betei46 Kirchengesetz vom 15. 11. 1992 (KABl S. 91) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 31. 10. 1993 (KABl 1994 S. 4). 47 Stiftungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 24. 02. 1993 (GVOBl M-V S. 104). 48 Stiftungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 7. 06. 2006 (GVOBl MV S. 366). 49 KABl 2006 S. 83 und GVOBl M-V 2006 S. 863. 50 Am Beispiel der Regelung der Stiftungsaufsicht wird der Aufbau dieses Kirchengesetzentwurfs deutlich. Obwohl beide Kirchen eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinn des Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV sind, wirkt der Vertragscharakter dieser Regelungen in der Weise, dass nur eine Verwaltungsstelle für beide Kirchen die Befugnisse aus diesem Kirchengesetz wahrnehmen soll. 51 Der Gesetzesentwurf sah vor, dass der Oberkirchenrat die aufsichtsrechtlichen Befugnisse über kirchliche Stiftungen mit Sitz auf dem Gebiet der Pommerschen Evangelischen Kirche nur im Benehmen mit dem Konsistorium der Pommerschen Evangelischen Kirche vornehmen darf (§ 24 Abs. 1 Satz 2).

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ligungs- und Betriebsführungsverträgen. Die dem Oberkirchenrat zustehenden Aufsichtsmaßnahmen sind in §§ 11 bis 14 des Gesetzes im Wesentlichen wortgleich mit den Vorschriften des neuen Landesstiftungsgesetzes gefasst. Die Stiftungsaufsicht kann ein Organmitglied auch wegen des Austritts aus der Kirche abberufen. VI. Landeskirche als Sachwalterin untergegangener Stiftungen 1. Ausgangssituation des Restitutionsverfahrens Haus Bethanien Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs hat in ihrer Funktion als Sachwalterin für eine im totalitären Naziregime untergegangene Stiftung, die im Gebiet der Landeskirche ihren Sitz hatte, mit Schreiben vom 28. 09. 1990 unter Verweis auf die Rechtsgrundlage des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz –VermG) 52 den Antrag auf die Rückübertragung derjenigen Grundstücke gestellt, die im Eigentum der 1851 gegründeten kirchlichen Stiftung Haus Bethanien standen. Unter dem nationalsozialistischen Regime wurden die Grundstücke auf eine NS-Einrichtung übertragen. Nach 1945 sind die Liegenschaften in Volkseigentum überführt worden. Die Stiftung Haus Bethanien hat erleben müssen, wie die nationalsozialistische Kirchenpolitik kirchliche Stiftungen mit diakonischen oder pädagogischen Stiftungszwecken unter formaler Wahrung des Anscheins der Legalität eliminiert hat. Die Methodik der Ausschaltung einer Stiftung „auf kaltem Wege“ funktionierte auch bei Haus Bethanien wie folgt 53: Nachdem zunächst die Stiftungsorgane durch linientreue Personen besetzt waren, änderten diese die Stiftungssatzung im nationalsozialistischen Sinne, lösten schließlich die Stiftung im Jahre 1942 mit der fadenscheinigen Begründung auf, die Stiftung erfülle angesichts ihrer nunmehr säkularen Zwecke nicht mehr kirchliche Aufgaben. Schließlich erfolgte die Übertragung des Stiftungsvermögens einschließlich der Grundstücke mit allen Aktiva und Passiva ohne besondere Gegenleistung auf die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt in Berlin. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Vermögenswerte der NSVolkswohlfahrt auf der Grundlage der SMAD-Befehle Nr. 124/126 als Eigentum einer nationalsozialistischen Organisation (NSV) enteignet und in Eigentum des Volkes, Rechtsträger Rat des Kreises Neubrandenburg, überführt. 52 Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) i. d. E d. Bkm. v. 21. 12. 1998 (BGBI. I S. 4026), geändert durch Vermögensrechtsergänzungsgesetz v. 15. 9. 2000 (BGBI. I S. 1382). 53 Kästner, Die Kirche als Rechtsnachfolgerin einer unter dem Nationalsozialismus verfolgungsbedingt aufgelösten kirchlichen Stiftung, ZevKR 47 (2002), 90 unter Hinweis auf Liermann, Handbuch des Stiftungsrechts (1963), 1. Band S. 285 ff.

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Den fristgerecht gestellten Restitutionsantrag der Landeskirche lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 15. 05. 1996 ab. Die daraufhin eingereichte Klage wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit Urteil vom 14. 09. 1999 mit der Begründung ab, dass die Evang.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs nicht Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Einrichtung Haus Bethanien sei. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen und auch zunächst das Verwaltungsgericht Greifswald in I. Instanz haben bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, dass bei im III. Reich aufgelösten kirchlichen Stiftungen nicht nur die Regelungen des Vermögensgesetzes anzuwenden, sondern auch die staatskirchenrechtlichen Zusammenhänge zu berücksichtigen sind 54. Auf Grund der Revision der Evang.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs hob das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. 08. 2001 das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Greifswald zurück. Mit rechtskräftigem Zwischenurteil vom 4. 12. 2003 – 6 A 2399/01 hat das Verwaltungsgericht Greifswald nunmehr festgestellt, dass die Evang.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs Berechtigte nach dem Vermögensgesetz in Bezug auf die Vermögenswerte der ehemaligen Anstalt Haus Bethanien bei Neubrandenburg ist. 2. Anspruchsberechtigung der Kirche als Nachfolgeorganisation für eine aufgelöste kirchliche Stiftung Das Bundesverwaltungsgericht 55 hatte zu klären, ob die Restitution des Vermögens früherer kirchlicher Stiftungen, die vor 1945 verfolgungsbedingt endgültig aufgelöst wurden, nach Maßgabe des VermG möglich ist. Es entschied, dass eine Landeskirche als Nachfolgeorganisation einer aufgelösten, ehemals rechtlich selbstständigen kirchlichen Einrichtung Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG sein kann 56. Da Haus Bethanien als die ursprüngliche Eigentümerin auf Grund politisch und religiös motivierter Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG nicht mehr besteht und diese Stiftung auch nicht restituiert werden kann, existiert kein(e) Rechtsnachfolger(in) im formellen Sinne. Der Begriff Nachfolgeorganisation im Sinne des § 1 Abs. 6 und des § 2 Abs. 1 S. 5 VermG ist nicht nach Maßgabe 54 Kästner, Die Kirche als Rechtsnachfolgerin einer unter dem Nationalsozialismus verfolgungsbedingt aufgelösten kirchlichen Stiftung, ZevKR 47 (2002), 90 –100. 55 Prof. Kästner hat die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs in diesem Verfahren vor dem BVerwG vertreten. 56 BVerwG, Urteil vom 2. 8. 2001 – 7 C 28/00, Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 60; NJ 2002, 49; VIZ 2002, 225; ZevKR 47 (2002), 101; ZOV 2001, 422.

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einer formalistischen Betrachtung dieser Rechtsterminologie, sondern weit auszulegen. Die Kirche bestand – zeitlich gesehen – nicht erst nach der Auflösung der Stiftung Haus Bethanien, sondern zur Zeit der Verfolgungsmaßnahmen neben ihr. Da der Kirche staatskirchenrechtlich nach Maßgabe des religiösen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) die Entscheidung darüber zusteht, ob sie kirchliche Aufgaben selbst oder durch selbständige kirchliche Einrichtungen – z. B. Stiftungen – wahrnimmt, ist zwischen der Kirche und der früher bestehenden kirchlichen Stiftung in sachlicher Hinsicht eine funktionelle Kontinuität gegeben 57. Sinn und Zweck des Vermögensgesetzes würden konterkariert, wenn die auf nationalsozialistischem Unrecht beruhende Vermögensverlagerung perpetuiert und das bereits früher kirchlichen Zwecken dienende, unrechtmäßig entzogene Vermögen nicht der Kirche zurück übertragen würde. Die Kirche erfüllt gegenwärtig neben anderen Aufgaben auch diejenigen, die von der damaligen kirchlichen Stiftung realisiert wurden. Der dauerhafte säkularisierende Verlust des kirchlichen Eigentums kann vermieden und die ursprüngliche kirchliche Zweckbestimmung durch die Vermögenszuordnung wieder herbeigeführt werden, indem die jeweils zuständige Kirche als Nachfolgeorganisation und damit als Berechtigte eines Rückerstattungsanspruchs durch das BVerwG anerkannt wird. Die auf nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen zurückzuführende Entziehung des Vermögens einer kirchlichen Stiftung ist zudem nach einer auf der Kirchengutsgarantie des Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV beruhenden verfassungskonformen Auslegung von § 2 Abs. 1 S. 5 VermG zu beurteilen. Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV schützt auch die Nutzung von Vermögenswerten, die formal nicht im Eigentum der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft stehen 58, wenn die betreffende Kirche über die in Frage stehenden Schutzgegenstände verfügen kann (bzw. bei Entziehung konnte) 59. Die Kirchengutsgarantie beinhaltet den Schutz der religiösen Funktion des Kirchengutes und setzt ihrem Zweck entsprechend ein Verständnis geltender Gesetze voraus, das die Zuordnung (bzw. im Falle unrechtmäßiger Entziehung die Wiederzuordnung) des Kirchenguts zu seinen bestimmungsgemäßen Funktionen ermöglicht 60. Die vom GG vorgegebene Schutzfunktion wird beachtet, wenn der in § 2 Abs. 1 S. 5 VermG enthaltene Begriff der Nachfolgeorganisationen teleologisch verfassungskonform so ausgelegt wird, dass die Kirche rückübertragungsberechtigt ist. 57 Kästner, Die Kirche als Rechtsnachfolgerin einer unter dem Nationalsozialismus verfolgungsbedingt aufgelösten kirchlichen Stiftung, ZevKR 47 (2002), 90 (92). 58 Thiele, Kirchliche Stiftungen und Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz, ZevKR 40 (1995), 227 ff. 59 Kästner, Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Vermögens, HdbStKirchR 1. Band, 2. Aufl. 1994, S. 891 (898). 60 Kästner, Die Kirche als Rechtsnachfolgerin einer unter dem Nationalsozialismus verfolgungsbedingt aufgelösten kirchlichen Stiftung, ZevKR 47 (2002), 90 (98).

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3. Verfolgungsbedingter Vermögensverlust für die Kirche Prinzipiell waren die Katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen in ihrer Gesamtheit keiner Verfolgung durch den Nationalsozialismus im Sinne des Rückerstattungsrechts ausgesetzt 61. Die generalisierende Beurteilung trifft nicht für einzelne kirchliche bzw. kirchennahe Einrichtungen zu. Das damalige Regime mit seinem Totalitätsanspruch hinsichtlich der Jugenderziehung wollte sämtliche Einrichtungen auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge und der Freizeitgestaltung den politischen Zielen der Partei unterzuordnen und dienstbar machen. Daher wurde keine Organisation geduldet, die die Erziehung der Jugend nicht im nationalsozialistischen Sinn gestaltete. Wegen ihres die Arbeit prägenden religiösen Charakters wurden viele diakonische bzw. karitative Organisationen oder Einrichtungen als Gegnerin der nationalsozialistischen Bestrebungen betrachtet und durch zielgerichtete, über allgemeine Gleichschaltungsmaßnahmen hinaus gehende Maßnahmen eliminiert 62. „Das Vorgehen der NS-Gewalthaber erfolgte auf den verschiedensten Wegen und mit den verschiedensten Mitteln, so im Wege der Gewalt, mit Hilfe von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen, oder auch unter Ausnutzung von irgendwelchen Strafverfahren“ 63, bisweilen jedoch auch durch Methoden, die äußerlich durchaus den Anschein der Legalität erweckten. 4. Berechtigung der Kirche dem Grunde nach gemäß § 1 Abs. 6 VermG i.V. m. § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG Das Verwaltungsgericht Greifswald hat durch rechtskräftiges Zwischenurteil vom 4. 12. 2003 – 6 A 2399/01 über die Berechtigung der Kirche nach § 1 Abs. 6 VermG i.V. m. § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG dem Grunde nach entschieden und festgestellt, dass die Antragstellerin Berechtigte nach dem Vermögenswert bezüglich der Vermögenswerte der ehemaligen Anstalt Haus Bethanien ist. Nach Maßgabe dieses Zwischenurteils sowie des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. 08. 2001 ist das gesamte Geschehen seit der Satzungsänderung im Jahre 1936 bis zur Auflösung der Anstalt im Jahre 1942 als ein einheitlicher auf den Entzug des Eigentums gerichteter Vorgang zu werten, dessen erster Akt die Änderung der Satzung und dessen Vollendung die Aufhebung der Anstalt und die damit einhergehende Übertragung des Vermögens auf die NS-Volkswohlfahrt war. Gemäß § 3 Abs. 1 VermG sind Vermögenswerte, die einer Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG unterlagen und in Eigentum des Volkes überführt oder 61 Kapischke, Fragen der Verfolgung der Evangelischen Kirche im Nationalsozialismus, ZOV 2001, 230 (231). 62 Kästner, Die Kirche als Rechtsnachfolgerin einer unter dem Nationalsozialismus verfolgungsbedingt aufgelösten kirchlichen Stiftung, ZevKR 47 (2002), 90 (97 f.). 63 OLG Düsseldorf, RzW 1953, 244 f. (245).

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an Dritte veräußert wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist. 5. Procedere der Vermögenszuordnung Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Neubrandenburg ist mit Wirkung vom 1. 01. 2006 dafür zuständig, Entscheidungen gemäß § 29 Abs. 3 VermG 64 zu treffen. Gemäß § 3 Abs. 1 VermG sind Vermögenswerte, die einer Maßnahme im Sinn des § 1 Abs. 6 VermG unterlagen und in Eigentum des Volkes überführt oder an Dritte veräußert wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurück zu übertragen, soweit dies nicht nach Gesetz ausgeschlossen ist. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen stellt zunächst fest, aus welchen Parzellen das beantragte Flurstück hervorgegangen ist und in welchen Grundbuchblättern es verzeichnet war. Vom Erwerb bis zur Auflösung der Stiftung 1942 wird die Entwicklung jedes Grundstückes nachvollzogen. Welche Grundstücke gehörten zur Stiftung Haus Bethanien? Welche grundbuch- und flurstücksrelevanten Veränderungen haben diese Grundstücke erfahren? Einsicht in die Grundbuchämter und Katasterbehörden ist zu nehmen. Grundbuchrückverfolgungen, Flurstücksteilungen und Verschmelzungen sind aufzuzeigen. Die heutigen und eventuell früheren Nutzungen sind ebenso festzustellen wie aufzuzeigen ist, wer derzeit noch Verfügungsberechtigter ist. a) Naturalrestitution Für die Flurstücke, die zur Stiftung gehörten, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Rückübertragung, soweit keine Restitutionsausschlussgründe vorliegen. Mit der Rückübertragung tritt die Kirche in alle in Bezug auf den Vermögenswert bestehende Rechtsverhältnisse ein. Rechte Dritter, insbesondere etwaig bestehende Miet-, Pacht- und Nutzungsverhältnisse sind nach § 7 Abs. 8 VermG zu beurteilen. Das Vermögensgesetz enthält in §§ 16 –21 Regelungen über Rechtsverhältnisse zwischen Berechtigten und Dritten. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs hat beispielsweise durch den 3. Teilbescheid vom 27. 01. 2006 – A 4 –3-3290/05 Wald (Schwarzerlenbestand) und durch den 2. Teilbescheid Grundstücke in der Gemarkung Neubrandenburg, Flur 7, Flurstücke 206/8 und 206/10 vollständig und Teilflächen aus Flur 7, Flurstücke 206/7 und 206/11 restituiert erhalten. Soweit nur Teilflächen betroffen sind, gehören die übrigen Flächen dieses

64 Zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 37 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22. 09. 2005, BGBl I 2005 S. 2809.

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Flurstücks nicht zu den Vermögenswerten der ehemaligen Stiftung Haus Bethanien und sind nicht verfahrensgegenständlich. b) Rückübertragungsausschluss kraft Gesetzes Nach der Feststellung, dass die Stiftung Haus Bethanien eine Liegenschaft verfolgungsbedingt verloren hat, ist festzustellen, ob ein gesetzlich festgelegter Restitutionsausschlussgrund gemäß §§ 4 und 5 VermG vorliegt. Ein solcher Ausschluss ist beispielsweise dann gegeben, wenn Grundstücke dem Gemeingebrauch 65 gewidmet 66 wurden. Dies ist bei der B 96 der Fall 67. Daher ist eine Rückübertragung dieser Flurstücke ausgeschlossen. Statt der Rückübertragung steht der Landeskirche eine Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz gegenüber dem Entschädigungsfonds zu 68. Obwohl es keine spezielle Stichtagsregelung gibt, aus der sich ergibt, wann die Widmung des Restitutionsobjekts zum Gemeingebrauch erfolgt sein muss, hält das BVerwG 69 den Stichtag 29. 09. 1990 auch für die Widmung zum Gemeingebrauch für maßgeblich. Die Errichtung eines Radwegs neben der B 96 sowie der Zufahrtsstraße zum Komplex des Betriebs für Bau und Liegenschaften (BBL) führte daher nicht zum Restitutionsausschluss 70. c) Verfahren bei einem Zwangsverkauf i. S. d. § 1 Abs. 6 VermG Ein Zwangsverkauf i. S. d. § 1 Abs. 6 Vermögensgesetz in Anknüpfung an das alliierte Rückerstattungsrecht liegt vor, wenn in der Zeit zwischen dem 30. 01. 1933 und dem 8. 05. 1945 ein individuell oder kollektiv Verfolgter durch ein entgeltliches Rechtsgeschäft einen unmittelbaren Vermögensverlust erlitten hat und dieser auf Verfolgung beruht. Bei Rechtsgeschäften Verfolgter wird kraft Gesetzes vermu65

Gemeingebrauch bedeutet, dass das betreffende Grundstück im Rahmen der durch die Widmung und ggf. durch ergänzende gesetzliche Vorschriften vorgegebenen Zweckbindung ohne besondere Erlaubnis oder Zulassung von jedermann bestimmungsgemäß genutzt werden darf. 66 Aus dem Teilbescheid vom 27. 01. 2006 – 4 –3-3290/05: „Unter Widmung versteht man die öffentliche Kundgabe des Willens des zuständigen Hoheitsträgers, das betreffende Grundstück der Öffentlichkeit zur Benutzung freizugeben. Die Widmung kann sich sowohl aus Rechtsvorschriften ergeben, auf Gewohnheitsrecht beruhen als auch durch Verwaltungsakt im Einzelfall erfolgen. Der Widmungsakt kann auch konkludent dadurch erfolgen, dass die Benutzung durch die Öffentlichkeit tatsächlich zugelassen ist. Vgl. Hellmann, in: Fieberg / Reichenbach / Messerschmidt / Neuhaus, VermG § 5 Rdnr. 33 ff.“ 67 4. Teilbescheid vom 27. 01. 2006 – 4 – 3-3290/05. 68 Die Art und Höhe der Entschädigung werden durch einen gesonderten Bescheid festgestellt. 69 BVerwG, Urteil vom 30. 10. 2002 – 8 C 24/01, ZOV 2003, 51, Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 37; VIZ 2003, 284; RÜ BARoV 2003, Nr. 4, 11; IFLA 2003, 127. 70 2. Teilbescheid vom 27. 01. 2006 – 4 – 3-3290/05.

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tet, dass der Vermögensverlust verfolgungsbedingt – also ein Zwangsverkauf – war. Der Erwerber, sein Rechtsnachfolger oder der jetzt Verfügungsberechtigte nach Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO können diese Vermutung widerlegen, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat, über den er frei verfügen konnte und wenn das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Bei dem Verkauf an den Reichsfiskus (Kriegsmarine) am 9. 10. 1941 war zwar der Kaufpreis angemessen. Da der Verkauf jedoch laut Kaufvertrag erfolgte, um eine Enteignung durch das Deutsche Reich zu vermeiden, fehlt der Nachweis, dass das Rechtsgeschäft auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre. Daher ist die gesetzliche Vermutung des verfolgungsbedingten Eigentumsverlustes nicht zweifelsfrei widerlegbar. d) Ersatzanspruch anstelle der Naturalrestitution Der Anspruch auf Naturalrestitution ist untergegangen, wenn über das Eigentum an dem zurück zu übertragenden Vermögenswert wirksam verfügt worden ist. Dafür besteht der Anspruch auf Auskehr der anteiligen Erlöse aus den jeweiligen Kaufverträgen (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VermG). Wenn also durch notariellen Kaufvertrag (mit Grundstücksverkehrsgenehmigung durch die Treuhand) wirksam veräußert worden und die Grundbucheintragung erfolgt ist, ist der Restitutionsanspruch auf die betroffene Fläche erloschen. Dies gilt trotz Anmeldung des Restitutionsgeschäftes, weil die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG aus Gründen der Investitionsförderung und der Sicherheit des Grundstücksverkehrs nicht als gesetzliches Verbot, sondern nur als schuldrechtliche Verpflichtung im Innenverhältnis zwischen dem Verfügungs- und dem Restitutionsberechtigten gestaltet ist 71. Das Surrogat für den nicht mehr restituierbaren Vermögenswert bildet der durch die Veräußerungen (aus den notariellen Verträgen ersichtliche) erzielte anteilige Erlös, der zivilrechtlich durchzusetzen ist 72. e) Herausgabe der aus Anlass des Vermögensverlustes erhaltenen Gegenleistung Gemäß § 7a Abs. 2 VermG hat der Berechtigte eine aus Anlass des Vermögensverlustes erhaltene Gegenleistung an die Verfügungsberechtigte herauszugeben. Falls die Verfügungsberechtigte eine Gesellschaft war, deren unmittelbarer oder mittelbarer Anteilseigner mehrheitlich eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft oder die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben war und 71

BVerwG, Urteil vom 27. 07. 2005 – 8 C 15/04, NVwZ 2005, 1334; ZOV 2005, 317; RÜ BARoV 2006, Nr. 3, 3; Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9. 72 BGH, Beschluss v. 8. 05. 2002 – V ZB 32.01, VIZ 2002, 517.

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hat diese den Vermögenswert unentgeltlich erlangt, steht die Gegenleistung dem Entschädigungsfonds zu, so dass die zugeflossene Gegenleistung in diesem Fall an den Entschädigungsfonds herauszugeben ist. Im Falle eines Zwangsverkaufes ist der Verkaufserlös in Reichsmark im Verhältnis von 20:1 auf Deutsche Mark umzustellen und dann auf Euro umzurechnen. Konkret hat die Landeskirche im Falle des o. g. Zwangsverkaufs der Stiftung an den Reichsfiskus als Berechtigte 41,35 € an den Entschädigungsfonds herauszugeben 73. Die im III. Reich erfolgte Säkularisierung kirchlicher Stiftungen kann dank der Entscheidung des BVerwG rückgängig gemacht werden, so dass die aus dem Restitutionsverfahren erzielten Erträgnisse wieder den Zwecken zugute kommen werden, die die untergegangene Stiftung Haus Bethanien erfüllt hat. Die Stiftung ist inzwischen wieder revitalisiert und erfüllt sozialdiakonische Aufgaben. VII. Fundraising als wichtige Form freiwilliger Geberkultur Eine besondere und der Stiftung verwandte Möglichkeit, Mittel und Ressourcen für einen guten Zweck zu erschließen, also to raise funds, ist das Fundraising. Beim Fundraising spielen neben den finanziellen Aspekten besonders Fragestellungen des gabenorientierten Gemeindeaufbaus und der Einbindung der sich einbringenden Menschen eine wesentliche Rolle. Fundraising bezeichnet ein ganzes Bündel möglicher Wege und Herangehensweisen zur Ressourcenerschließung. Wichtig ist, dass Fördernde nicht nur Geld, sondern auch andere Gaben zur Verfügung stellen können. Geben und Nehmen können sich auf Sachmittel, freiwillige kostenlose Arbeit, Dienstleistungen, Netzwerke sowie soziale Kontakte, Einfühlungsvermögen und emotionale Unterstützung beziehen. Fundraising findet in den Landeskirchen angesichts zurückgehender Finanzen zunehmende Beachtung. Allerdings lassen sich Finanzierungsprobleme nicht allein durch Spendenwerbung lösen. Vielmehr müssen Kommunikationsstrukturen und Beziehungen gepflegt oder gebildet werden, die die Freude am Geben wecken und erhalten. Dieser Arbeitszweig ist von erheblicher innerkirchlicher Dynamik geprägt, weil vor allem die Kirchgemeinden und die Kirchenkreise sowie andere kirchliche Arbeitsbereiche einbezogen sind. Die Kirchenleitung unserer Landeskirche sieht Fundraising als wirksame Methode an, durch das Einwerben finanzieller Mittel kirchliche Arbeit zu unterstützen und damit Gemeindeaufbau zu fördern.

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6. Teilentscheidung des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen B 8 – 3-9740/03 (neu) – A 4 –3-3290/05 (alt).

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VIII. Stiftungskultur und hierzu korrespondierende Dankeskultur Obwohl Stiftungen guten Grund hätten, nach dem Grundsatz zu verfahren: „Tue Gutes und rede darüber“, arbeiten Stiftungen meistens im Verborgenen. Daher versteht sich dieser Beitrag zugleich als Möglichkeit, das breite Spektrum der Stiftungen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs aufzuzeigen. Unsere Landeskirche freut sich darüber, dass die kirchlichen Stiftungen in der Regel ein erhebliches Maß an ehrenamtlichem Engagement und eine christliche Lebenseinstellung aktivieren und hierdurch dazu beitragen, die christliche Kultur des Gebens zu verwirklichen. Unsere Landeskirche ist dankbar für die seit Jahrhunderten bestehende Tradition, dass Menschen ihr Vermögen oder Teile davon in Form von Stiftungen sozialen, kulturellen, religiösen oder wissenschaftlichen Zwecken zuführen. Kirchliche Stiftungen wirken auf diese Weise bis heute zum Wohl der Begünstigten und im Allgemeinwohl. Das Lob und Plädoyer für Stiftungen entlässt die Kirche nicht aus ihrer Verantwortung, für die kirchlichen Aufgaben Finanzen zur Verfügung zu stellen. Stiftungen bilden aber eine unverzichtbare Ergänzung, indem sie die Entwicklung der Kirche in vielen Bereichen maßgeblich beeinflussen und mitgestalten. Stiftungen sind vergleichbar mit der Kür im Unterschied zum Pflichtprogramm. Von Arthur Schopenhauer stammt folgende Lebensweisheit: „Eine wichtige Regel, das Leben weise zu gestalten, besteht in dem richtigen Verhältnis, in welchem wir unsere Aufmerksamkeit teils der Vergangenheit, teils der Gegenwart, teils der Zukunft widmen.“ Bei einer Stiftung werden diese drei Aspekte in idealer Weise verwirklicht, beginnend bei der Motivation für die Stiftungsgründung bis hin zur nachhaltigen und dauerhaften Erfüllung des Stiftungszwecks. Damit die bisher verwalteten Stiftungen nicht die letzten bleiben, kann ich nur dazu ermuntern, weiterhin durch Stiftungsgründungen dazu beizutragen, dass Ideen und Wertvorstellungen durch Stiftungen finanziell realisiert werden können oder, um es kurz zusammengefasst im Schüttelreim zu sagen: „Tut Gutes, gut, tut es.“

Caritative Unternehmen katholischer Kirchengemeinden und der Stiftergedanke Wilhelm Mensing Stiftungen als Träger katholischer caritativer Einrichtungen haben spätestens seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine reiche Tradition entwickelt. Nur wenige Beispiele seien genannt: Die St. Marien Hospital Stiftung in (Gelsenkirchen-)Buer, gegründet als privatrechtliche Stiftung 1869; die Maria Anna Heese’sche Stiftung in Werl / Westfalen, gegründet 1870 (Krankenhaus, Waisenhaus); die St. Elisabeth Stiftung Essen, gegründet 1876 (Krankenhaus). Diese und viele weitere Stiftungen bestehen im Umfeld von Kirchengemeinden. Sie verdanken ihre Entstehung in der Regel Mitgliedern der Gemeinde, in der sie angesiedelt sind, und dienen Bedürfnissen, die sich in der Gemeinde gezeigt haben, von ihr aber nicht unmittelbar befriedigt werden konnten, sei es, weil sie ihre Möglichkeiten überstiegen, sei es, weil sie am Rande ihres Aufgabenspektrums lagen. Diese Stiftungen sind aber allesamt weder von einer Kirchengemeinde gegründet, noch stammt ihr Vermögen aus dem einer Kirchengemeinde. Auch in den letzten Jahren sind Stiftungen im kirchlichen Bereich gegründet worden. So hat die Evangelische Kirchengemeinde Hochdahl im Rheinland 2002 eine Förderstiftung gegründet, die Mittel für diese Gemeinde zur Verwirklichung der Gemeindezwecke beschaffen soll. 1 Die katholische Heilig-Kreuz-Gemeinde in Gladbeck-Butendorf im Ruhrgebiet präsentierte 2005 ihre jüngst gegründete Stiftung, die der Förderung des Gottesdienstes in der denkmalgeschützten Kirche dienen soll. 2 Diese von den Kirchengemeinden selbst durch ihre Vertretungsgremien gegründeten (Förder-)Stiftungen tragen ein Stiftungsvermögen zusammen, mit dessen Hilfe sie dann ihren Stiftungszweck zu erfüllen gedenken. Ihre Einrichtung ist eine Folge der Tatsache, dass die Gemeinden mit den ihnen von Bistümern oder Kirchenleitungen zugewiesenen Kirchensteuermitteln oder mit ihrem überkommenen Vermögen ihre Aufgaben – zwangsläufige, wie die Erhaltung ihrer Kirche, oder ihnen geboten erscheinende, wie die Gemeindecaritas oder Veranstaltungen der Gemeinde außerhalb der Gottesdienste – nicht mehr bewältigen können. Vereinzelt finden sich allerdings auch Stiftungen, deren Ansatz umgekehrt und in ähnlicher Form eher aus dem privatwirtschaftlichen Bereich bekannt ist: Ein 1 2

http://www.evangelischekirche hochdahl.de/ekh/user/index.php?page_id=98. http://www.heiligkreuz-butendorf.de/stiftung/stiftung.htm.

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Vermögen ist längst vorhanden, etwa in Form größerer caritativer Einrichtungen oder solchen der Versorgung oder Bildung: Krankenhäusern zum Beispiel, Altenoder Jugendheimen, Kindergärten, Pflegeschulen. Solches Vermögen ist manchen, vor allem großstädtischen Kirchengemeinden bisweilen im Laufe von Generationen zugewachsen, hat sich nach den sich wandelnden Bedürfnissen entwickelt, ist in aller Regel mit unendlich viel gutem Willen und Hingabe, aber nicht immer mit einem Höchstmaß an organisatorischem und wirtschaftlichem Sachverstand verwaltet worden. Solches Vermögen sucht – auch angesichts krisenhafter Entwicklungen in der Kirche, die die Frage aufwerfen, was Kirchengemeinden morgen und übermorgen noch leisten und sich leisten können – nach einer Gestalt, die seinen Bestand langfristig sichert. Wenn diese Frage nicht schon derzeit zwingend damit beantwortet werden muss, solche Einrichtungen an Dritte – und das können derzeit praktisch in erster Linie private, nicht-kirchliche Träger sein – abzugeben, weil die innere und äußere Kraft zu ihrer Fortführung in der Kirchengemeinde fehlt, dann müssen grundlegende Strukturfragen in einem nicht übermäßig langwierigen und zeitraubenden Prozess geklärt werden. Ein Beispiel ist vorzustellen, in dem das – stufenweise – gelungen ist. Diese Vorstellung muss mit der Entstehung und Struktur der Unternehmen beginnen, deren Träger sich schließlich mit dem „Stiftergedanken“ befasste. Dieser Träger ist eine auf das Mittelalter zurückgehende Kirchengemeinde in einer der vor reichlich 100 Jahren dank der Entwicklung von Bergbau und Stahlindustrie explosionsartig gewachsenen Ruhrgebietsgroßstädte. Die Gemeinde hatte bis zu 40.000 Seelen, bevor nach dem 1. Weltkrieg Filialgründungen einsetzten. Bei den Filialgründungen erhielten die Töchter, wie üblich, ein Grundstück für ihr Gemeindezentrum; das sonstige Immobilienvermögen blieb bei der Muttergemeinde. Da die Entwicklung kommunaler Infrastruktur beim Bevölkerungswachstum im Ruhrgebiet nicht mithielt, gründete auch diese Gemeinde, wie viele andere, ein Krankenhaus (später durch eine Krankenpflegeschule ergänzt), ein Kinderheim, Kindergärten, ein Altenpflegeheim, richtete einen Friedhof ein, baute nach dem 2. Weltkrieg etliche Altenwohnungen. Aus Schenkungen und testamentarischen Zuwendungen entwickelte sich ein bescheidener Immobilienbesitz, in dem Wohnungen und Ladenlokale vermietet wurden, auch Büros und Veranstaltungsräume an überpfarrliche kirchliche Einrichtungen. Mit Unterstützung durch Kirchensteuermittel wurde in den 80er Jahren ein geräumiges Gemeindezentrum errichtet. Bis nach 1990 wurden alle diese Einrichtungen, die damals bereits ca. 1.300 Mitarbeiter hatten, durch den Kirchenvorstand verwaltet. Einzig das Krankenhaus (mit damals ca. 600 Betten, akademisches Lehrkrankenhaus) hatte eine (allerdings rechtlich unselbstständige) professionelle Verwaltung. Der stand ein vom Kirchenvorstand berufenes Kuratorium zur Seite. Der damals amtierende Pfarrer hatte nicht nur seelsorgerliche, sondern auch unternehmerische Gaben, außerdem aus

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früherer Tätigkeit gute Verbindungen zur Bistumsspitze. Es gelang ihm schließlich, beim Bistum durchzusetzen, dass nicht nur das Krankenhaus als GmbH organisiert wurde (das war wegen der damit verbundenen Haftungsbeschränkung auch vom Bistum erwünscht; es hatte teure Erfahrungen mit der Inanspruchnahme seiner Patronatspflicht beim wirtschaftlichen Zusammenbruch des Krankenhauses einer Kirchengemeinde gemacht). Vielmehr wurden auch die anderen Einrichtungen einschließlich des vermieteten Immobilienbesitzes und schließlich auch die Kindergärten in jeweils eine weitere GmbH gebracht. Die drei Gesellschaften wurden in einer Dachgesellschaft zusammengefasst, die nicht nur Holding-Funktionen, sondern auch einige Querschnittaufgaben, vor allem in der Bildung und Weiterbildung – nicht nur für die Mitarbeiter des Unternehmens – übernahm. Die Kirchengemeinde übertrug in Betriebsüberlassungsverträgen den Gesellschaften die jeweiligen Einrichtungen zur unentgeltlichen Nutzung mit der Verpflichtung, alles für deren Fortbestand und Weiterentwicklung Erforderliche aus Gesellschaftsmitteln (oder aus etwa zu beantragenden öffentlichen Mitteln) zu bestreiten. Das galt auch für die früher mit Kirchensteuermitteln geförderten Grundstücke. Denn das Bistum hatte insoweit seine Zustimmung zur Gesellschaftsgründung vom künftigen Verzicht auf solche Mittel abhängig gemacht. Es hatte dafür allerdings auch weitgehend auf die Anrechnung etwaiger Einkünfte auf den an die Kirchengemeinde aus Kirchensteuermitteln zu zahlenden Zuschuss verzichtet. Um die Betriebsgrundstücke nicht in die haftende Masse der Gesellschaften zu bringen, wurden sie im Eigentum der Kirchengemeinde belassen. Nur ihr Besitz wurde mit der eben beschriebenen Verpflichtung den Betriebsgesellschaften überlassen. Damit die Gesellschaften bei Bedarf die nötige Kreditgrundlage hätten, versprach die Kirchengemeinde, etwa notwendigen dinglichen Sicherungen auf den Grundstücken zuzustimmen. Ausgenommen von der Verwaltung durch die Gesellschaften wurden die Kirche und das Pfarrhaus. Das erschien nicht nur kirchenrechtlich geboten, sondern entsprach auch den Vorstellungen aller Beteiligten. Die Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen stimmte dem Übergang der Trägerschaft für das Krankenhaus von der Kirchengemeinde auf die Krankenhausgesellschaft zu, nachdem die Kirchengemeinde im Hinblick auf das bei ihr verbliebene Grundeigentum eine Quasi-Patronatserklärung abgegeben hatte. Damit waren etwaige Rückforderungsansprüche des Landes an den Krankenhausträger wegen zweckentfremdeter Zuwendungen hinreichend gesichert, ohne dass die Eintragung dinglicher Sicherungen erforderlich gewesen wäre. 3 Für die Kirchengemeinde bedeutete die Erklärung keine neue Belastung. Als bisheriger Krankenhausträger trug sie diese Verpflichtung ohnehin bereits. 4 3 Die hätten doppelt gekostet: nämlich den Aufwand für ihre Bestellung und Eintragung im Grundbuch und durch die Einschränkung künftiger Kreditfähigkeit wegen der Vorbelastungen der Grundstücke.

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Ende 1995 wurden die allesamt gemeinnützigen Gesellschaften gegründet. Die Kirchengemeinde übernahm 97% der GmbH-Anteile. Die restlichen 3% übernahm das Caritasträgerwerk des Bistums, verbunden mit einigen Vorbehaltsrechten für den Fall bestimmter kritischer Entwicklungen in der Gesellschaft. Vertreter des Kirchenvorstandes halten die Mehrheit der Sitze im Verwaltungsrat der Gesellschaft. Die übrigen ordentlichen und beratenden Mitglieder, außer dem vom Minderheitsgesellschafter entsandten, sind vom Kirchenvorstand berufene Fachleute. Wenige Jahre später wurde dem Pfarrer der Mehrheitsgesellschafter-Gemeinde auch eine früher abgepfarrte Nachbarpfarrei übertragen. Der dortige Kirchenvorstand brachte die Verwaltung seines Grundbesitzes – Kirche und Pfarrhaus wiederum ausgenommen – einschließlich eines Friedhofs ebenfalls in die Gesellschaft ein; er übernahm dafür Anteile in der Heime- und Immobiliengesellschaft der Unternehmensgruppe. Das Bistum verweigerte die Übernahme des Kindergartens dieser Gemeinde in die Kindergärten Gesellschaft; es machte Bedenken geltend, ob die Verwaltung von Kindergärten durch eine GmbH der besonderen seelsorglichen Bedeutung gerecht werden könne, die man Kindergärten beimaß. Das von einem Alleingeschäftsführer geleitete Unternehmen ist erfolgreich. Es hat derzeit ein Umsatzvolumen von über 75 Mio. € und beschäftigt ca. 1.400 Mitarbeiter. Es investiert jährlich selbst erwirtschaftete Mittel in beträchtlicher Höhe in die Erhaltung, Erneuerung und Erweiterung seiner Einrichtungen. Die pflegesatzfinanzierten Einrichtungen sind gut bis sehr gut ausgelastet und erwirtschaften alle Überschüsse. Dazu tragen die Ausgliederung nicht zum Kerngeschäft gehörender Tätigkeiten bei gleichzeitigem Ausbau der Kernkompetenzen bei. Der zum Teil bei der Übernahme der Verwaltung abgewirtschaftete Immobilienbesitz konnte dank dem Wechsel zur kaufmännischen Buchführung überhaupt erstmals realistisch bewertet werden. Er ist nach wenigen Jahren saniert und bringt Erträge. Ein Heim zur Pflege schwerstbehinderter Kinder mit einem Kinderhospiz ist zu den bisherigen Einrichtungen hinzukommen. Darüber hinaus nimmt die Gesellschaft den beiden Kirchengemeinden die Lasten der Innenraumunterhaltung der Kirchen ab (für die Unterhaltung von Dach und Fach kommt noch das zuständige Bistum auf) und leistet ihnen weitere Hilfen. Das war zwar nicht eigentlich das Ziel der Neuorganisation, auch weil sich der Niedergang der Kirchensteuereinnahmen und das Ausmaß der personellen Auszehrung der Pfarrgemeinden während der Phase der Entwicklung der künftigen Organisationsstrukturen noch gar nicht hinreichend übersehen ließen. Aber es erwies sich, auch dank der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens unter hochqualifizierter professioneller Führung, bald als unschätzbarer Vorteil für die beteiligten Pfarreien, die anders ihre Präsenz in der ohnehin durch 4

Nach den krankenhausrechtlichen Regeln (Krankenhausbuchführungs-Verordnung) werden heute die Krankenhausgrundstücke dem Träger des Krankenhauses zugerechnet.

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hohe Dauerarbeitslosigkeit notleidenden Emscherzone im nördlichen Ruhrgebiet hätten spürbar zurückfahren müssen. Nun zur Situation, die den Wunsch auslöste, den Grundbesitz, der den Betrieben dient, in eine Stiftung einzubringen: Die scheinbar langfristig geordnete und gesicherte Situation von Unternehmen und Gesellschafterstruktur erwies sich in einer inzwischen veränderten Situation als bedenklich und gar nicht so stabil wie angenommen. Denn mit wachsender finanzieller Bedrängnis von Bistümern kommt es auch im Ruhrgebiet zu Veränderungen, die auf dem Weg über allgemeine Veränderungen von Pfarrgemeindestrukturen schließlich auch Einfluss auf die (juristische) Person und innere Struktur des Mehrheitsgesellschafters bekommen könnten. Da Bistümer sich anschicken, die Strukturen ihrer Kirchengemeinden der rapide gesunkenen Zahl der Gemeindeglieder, dem scheinbar unaufhaltsamen Aussterben ihrer Klerikerschaft und ihrem schwindenden Finanzaufkommen anzupassen, ist der weitere Bestand auch solcher Kirchengemeinden unsicher geworden, die bisher ihre Lebensdauer in Jahrhunderten maßen. Eine Pfarrei kann samt allem Zubehör, insbesondere ihrem Vermögen, in einer anderen Kirchengemeinde aufgehen. Das ist kirchenrechtlich nichts Neues, aber nun – nach vielen Jahrzehnten der Neugründung oder Aufteilung von Pfarrgemeinden jedenfalls im Gebiet der „alten“ Bundesrepublik – eine nicht nur extraordinäre Option. Die Einschätzung des Vermögens und der mit seiner Erhaltung verbundenen Verantwortung und Belastung können sich da schon erheblich verändern, wenn eine andere Kirchengemeinde, sei es eine schon bestehende Nachbarpfarrei, sei es eine durch Fusion von Pfarreien neu entstehende Pfarrei zum Träger dieses Vermögens wird. Andere Traditionen mit anderer Setzung von Gewichten, aber auch die veränderte Zusammensetzung von Vertretungsgremien können Neubewertungen bisher als selbstverständlich angesehener Wirkungskreise und Betätigungen auslösen. Finanzielle Notsituationen in Verbindung mit der Abwicklung nicht mehr benötigter oder als beschwerend empfundener Einrichtungen können dazu führen, dass an die Versilberung scheinbar entbehrlicher oder gerade am Markt gesuchter Immobilien und Einrichtungen gedacht wird. Aber auch, wenn – umgekehrt – die Gemeinde, die Träger der Gesellschaftsanteile ist, ihrerseits andere Gemeinden in sich aufnimmt, kann es zu ganz neuen Situationen kommen: Die Gemeinde bekommt eine andere Struktur, nicht nur durch neue Gemeindeglieder sondern auch durch Einrichtungen, Traditionen und Vorstellungen von Prioritäten in der Gemeindearbeit, die zuwachsen. Wie dann die Bedeutung und Notwendigkeit der Gesellschafterfunktion in den Entscheidungsgremien eingeschätzt werden, muss sich erst einmal erweisen. Und was ist mit den Prioritäten, die eine Bistumsverwaltung, die ein Bischof bei der Neustrukturierung seines Sprengels setzt? Durchaus vorstellbar ist, dass Auf-

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fassungen Raum gewinnen könnten, die Kirche tue gut daran, auch im caritativen Bereich auf unternehmerische Betätigung (mit dem damit verbundenen marktgerechten Verhalten und Gewinnstreben, das manchen in der Kirche verdächtig ist, und natürlich auch mit unvermeidlichen unternehmerischen Risiken) zu verzichten, um sich stärker dem unmittelbar seelsorgerischen Dienst unter Zurückstellung organisierter Caritas zu widmen. Solche Überlegungen sind ja nicht neu in der Katholischen Kirche in Deutschland und schon seit Jahren auch von hervorragenden Vertretern des deutschen Episkopats angeregt worden. Ihre Realisierung würde Folgen für den Umgang mit dem entsprechenden kirchlichen Vermögen haben. Auch denkbar, dass die mit den Umstrukturierungen von Bistümern verbundenen Verringerungen des kirchlichen Personals für die entsprechenden Sozialpläne nach Immobilienverkäufen zu ihrer Finanzierung verlangen. Diese gedanklichen und zum Teil bereits realisierten Veränderungen kirchlicher Binnenstrukturen finden überdies zu einer Zeit statt, in der sich kaum noch überschaubare Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen abspielen. Deren Auswirkungen auf die stationäre Gesundheitsversorgung und die stationäre Altenpflege sind schwerlich abzuschätzen. Erkennbar ist aber, dass – während die gesetzliche Krankenversicherung immer stärker reguliert wird und die Zwangssolidarisierung privat Krankenversicherter in einer jedermann heranziehenden gesetzlichen Krankenversicherung herbeigedacht wird – sich der private Anteil an stationären Krankenversorgern und Trägern von Pflegeeinrichtungen kontinuierlich erhöht. Unter diesen privaten Marktteilnehmern sind solche mit hoher Liquidität und Ertragskraft, die durch immer neue Zukäufe ihren Marktanteil zu erweitern suchen. Das bedeutet auch für Träger konfessioneller Einrichtungen, dass sie am Markt nur bestehen können, wenn – von anderen notwendigen Qualitäten abgesehen – ihre wirtschaftliche Grundlage so sicher wie möglich ist und sie sich nicht durch wirtschaftliche und strukturelle Schwächen als Ziele solcher Aufkäufe geradezu anbieten. Alle diese hier nur angedeuteten Entwicklungen und Überlegungen haben in dem beschriebenen Unternehmen und im Kirchenvorstand des Hauptgesellschafters (und beileibe nicht nur bei ihnen), intensives Nachdenken ausgelöst: Wie lässt sich das Eigentum an den Grundstücken der Kirchengemeinden, die von den Betriebsgesellschaften genutzt werden, möglichst dauerhaft so sichern, dass es den Gesellschaften ungeschmälert, ohne ein ständiges Risiko von Verkauf, Ausgliederung oder sonstiger Entziehung, zur Verfügung stehen wird? Dass es dazu beiträgt, die erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen zu sichern und dass es – jedenfalls mittelbar über die auf den Grundstücken betriebenen Unternehmungen – Erträge abwirft, die es erlauben, den Gesellschaftern / Kirchengemeinden anders nicht mehr finanzierbare Belastungen aus ihrer seelsorglichen Tätigkeit abzunehmen? Eine Übertragung des Eigentums auf die Gesellschaften kam nicht in Frage, wollte man sich nicht in Widerspruch setzen zu den weiterhin als richtig angesehenen eigenen früheren Entscheidungen (und zu der inzwischen erreichten

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Position der Kirchenaufsicht in dieser Frage). Es zeigte sich schnell, dass praktisch keine andere Lösung in Frage kam als die Gründung einer Stiftung, in die die Grundstücke einzubringen wären. Stiftung und Stiftungsvermögen wären – ihrem Charakter nach – auf Dauer angelegt. Auch dringender momentaner Finanzbedarf wäre im Zweifel kein ausreichender Anlass, das Stiftungsvermögen aus eigenem Antrieb des Stifters oder auf Veranlassung eines Dritten anzugreifen. Es wäre einfach, im Bereich der Gemeinnützigkeit zu bleiben, in dem sich derzeit die Pfarrei als Grundstückseigentümerin und die Gesellschaften als Unternehmer bewegen, da Zwecke und Tätigkeiten der Stiftung allein auf Gemeinnütziges, Mildtätiges und Kirchliches gerichtet wären. Die Grundstücksübertragung wäre steuerfrei, nur mit den Kosten für Tätigkeiten des Notars und des Grundbuchgerichts belastet, zu bewerkstelligen. Der Kirchenvorstand als Stifter würde sich zwar seines Eigentums begeben. Aber er könnte als Stiftungsvorstand jedenfalls dem einen Stifter verbleibenden Einfluss auf die Stiftung und damit auf das ihm ehemals unmittelbar anvertraute Immobilienvermögen nehmen. Man bliebe auf einem rechtlichen Terrain, das im kirchlichen Bereich seit langer Zeit vertraut ist. Das zwar im seelsorglichen Bereich (mit den zahllosen alten bis uralten Stiftungen von Messen und Altären, die irgendwann mit einiger Mühe zusammengelegt und bereinigt werden mussten) auch seine Probleme gezeigt hat. Das aber gerade im caritativen Bereich sich vielfach und über Generationen bewährt hat, wie eingangs dargestellt, wenn auch in der Regel in etwas anderen Konstellationen. Das gerade bei Vermögensgegenständen, die keinem inflationsbedingten und – bei gehöriger Unterhaltung – kaum einem altersbedingten Wertschwund unterliegen, wie das bei Immobilien der Fall ist, eine hohe, wenn nicht sehr hohe Lebenserwartung hat. Der zuständige Kirchenvorstand beschloss also, die Gründung einer Stiftung in Angriff zu nehmen, in das er sein Immobilienvermögen einbringen wollte. Der Kirchenvorstand der beteiligten weiteren Kirchengemeinde entschied gleichzeitig, wenn die Stiftung der „Mutterpfarrei“ zustande kam, sein Immobilienvermögen zuzustiften. Mit Unterstützung einer erfahrenen Anwaltskanzlei wurden Entwürfe eines Stiftungsgeschäfts und einer Stiftungssatzung mit folgenden Grundzügen ausgearbeitet: Es sollte eine Förderstiftung eingerichtet werden, der das Eigentum an allen betrieblich genutzten Grundstücken der Kirchengemeinde übertragen werden sollte (das wurde später leicht korrigiert: die Friedhöfe wurden ausgenommen, weil sich zeigte, dass es Schwierigkeiten mit der Trägerschaft von Friedhöfen durch eine andere Rechtsperson als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts geben

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könnte; zugleich wurde klar, dass die Motivation für das Stiftungsgeschäft die Friedhöfe wegen ihrer Unverwertbarkeit nicht unbedingt ergriff). Die Stiftung sollte in die unveränderten Betriebsüberlassungsverträge mit den Unternehmen eintreten. Das bedeutete allerdings auch die Fortsetzung der unentgeltlichen Überlassung der Betriebe und Grundstücke. Damit kamen „Einnahmen“ für die Stiftung nur aus einem etwaigen Wertzuwachs der Grundstücke durch die Marktsituation oder durch Qualitätssteigerungen ihrer Bebauung in Frage, also als Vermögenszuwachs, aber nicht als Zufluss von Liquidität. Es gäbe keine liquiden Mittel als Erträge des Stiftungsvermögens. Nicht einmal ihre Verwaltung, geschweige denn irgendeine Zweckausschüttung könnte so finanziert werden. Deshalb wurde vorgesehen, der Stiftung zusätzlich einen Kapitalbetrag mitzugeben. Den konnte allerdings die Pfarrgemeinde, von der das übrige Stiftungsvermögen kam, nicht aufbringen. Kirchenvorstand und die Führung des Unternehmens verständigten sich deshalb darauf, diesen Kapitalbetrag aus Rücklagen der Gesellschaft zu entnehmen. Sie verfügt einerseits über die erforderliche Substanz. Andererseits bliebe das Kapital im gemeinnützigen Bereich; steuerliche Probleme würden also nicht auftreten. Der Kapitalbetrag sollte so bemessen werden, dass über die Bestreitung der Verwaltung hinaus Mittel für die Förderung bestimmter Aufgaben der Gesellschaften zur Verfügung stehen werden. Die Grundstücke müssen so in die Stiftung gehen, wie sie – rechtlich gesehen – „stehen und liegen“. Das heißt, „belastet“ mit der Patronatsverpflichtung der Kirchengemeinde und mit der Verpflichtung der Kirchengemeinde gegenüber den Gesellschaften, betriebsnotwendigen Eintragungen dinglicher Sicherungsrechte zuzustimmen. Auf die eine Verpflichtung verzichtet das Land nicht; auf die andere sind die Gesellschaften angewiesen. Hier liegt, das sollte nicht verschwiegen werden, auch eine (wohl die einzige) kritische Schwachstelle der gewählten Struktur: auf die Verfügbarkeit der Immobilien für eine Besicherung betriebsnotwendiger Kredite der Gesellschaften mochte man bei deren Gründung nicht verzichten. Ihre gute wirtschaftliche Entwicklung erschien damals nicht so gewiss, dass man diese Sicherungsmöglichkeiten für etwaigen Kreditbedarf hätte für überflüssig ansehen dürfen. Sie nun bei Einbringung der Immobiliengrundlage in die Stiftung wegfallen zu lassen, hätte trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaften eine Minderung ihrer Bonität bedeutet. Die Beteiligten sahen hier nur die Möglichkeit, in die wirtschaftliche Vernunft und Besonnenheit von Geschäftsführung und Verwaltungsrat der Gesellschaften einerseits und Stiftungsvorstand (Kirchenvorstand) andererseits (auch künftig) zu vertrauen. Nicht in die Stiftung sollen die Gesellschaftsanteile der Kirchengemeinde an den Unternehmen gehen. Das ist das Ergebnis einer längeren Abwägung von Pround contra-Argumenten. Es wäre von einer gewissen Folgerichtigkeit, Grundeigentum und Eigentum an den Gesellschaftsanteilen zusammen zu lassen. Allerdings würde das dem Kirchenvorstand jeden unmittelbaren rechtlich begründeten Bezug zu den Gesellschaften nehmen. Er könnte nicht mehr unmittelbar die

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satzungsgemäßen Gesellschafterentscheidungen treffen. Außerdem führte es zu einer strukturellen Ungleichheit der Gesellschafter: wo jetzt eine Körperschaft und eine Personenvereinigung (Caritasträgerwerk) zusammenkommen, träfe künftig ein Zweckvermögen (durch seine Vertreter) und eine Personenvereinigung aufeinander. Und: die Sorge, dass ein künftig ganz neu besetzter Kirchenvorstand die Gesellschafteranteile zu Geld machen könnte, erschien eher unbegründet. Angesichts der Vergatterung der Betriebsgrundstücke und der Prärogativen des Minderheitsgesellschafters dürften die Anteile des Mehrheitsgesellschafters nur auf sehr begrenztes Interesse am Markt stoßen. 5 Als einziges Organ soll die Stiftung einen Vorstand erhalten. Auch dessen Zusammensetzung war Gegenstand einiger Diskussion. Dabei wurde einerseits erwogen, einen kleinen Stiftungsvorstand vom Kirchenvorstand aus dessen Mitte, wählen zu lassen, um ein gut handlungsfähiges Gremium besonders kundiger Personen bilden zu können. Andererseits gab es die Erwägung, den bisher in seiner Gesamtheit für das Immobilienvermögen der Pfarrgemeinde verantwortlichen Kirchenvorstand nun nicht auf noch größere Distanz zu seiner früheren Zuständigkeit zu bringen. Das führte schließlich zu der Entscheidung, den gesamten Kirchenvorstand zum Stiftungsvorstand zu bestellen. Darin wurde auch der Vorteil gesehen, nach der Gemeindestrukturreform jedenfalls die Vertretung der gesamten neuen Gemeinde, nicht etwa nur Vertreter der stiftenden Pfarrei in die Verantwortung für die Stiftung zu nehmen. Dies schien umso wichtiger, als die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte durch Entsendung in den Verwaltungsrat (Aufsichtsrat) der Gesellschaften satzungsgemäß und notwendigerweise auf wenige Kirchenvorstandsmitglieder beschränkt ist. Andere Personen zu bestellen als Mitglieder des Kirchenvorstandes, wurde von vornherein ausgeschlossen, da die Zuständigkeit des Kirchenvorstandes für das bisherige Gemeindevermögen auf keinen Fall völlig abgeschnitten werden sollte. Ohne ernsthafte Beanstandungen gingen die Entwürfe für Stiftungsgeschäft und Satzung bei den staatlichen Stellen durch. Die Bezirksregierung und auch die Finanzbehörden genehmigten vorbehaltlos. Die Gemeinnützigkeit der so konzipierten Stiftung ist anerkannt. Die nach informellen Vorerkundungen erwarteten Probleme mit der kirchenaufsichtlichen Genehmigung kamen noch früher, als die Beteiligten sich das vorgestellt hatten. Schon die aus Gründen der Höflichkeit mitgeteilte Absicht, nach Einholung der staatlichen Genehmigungen demnächst die kirchenaufsichtliche Genehmigung für eine Stiftungsgründung beantragen zu wollen, führte nach kurzer Zeit zur Ablehnung dieser (aus der Sicht der Pfarrgemeinde noch gar nicht beantragten) Genehmigung durch den Verwaltungsrat der zuständigen Diözese. 5 Diese Situation hat natürlich auch ihre Kehrseite: sollte wirklich einmal die Veräußerung der Gesellschafteranteile unausweichlich werden, bedürfte es einiger Umstrukturierungen, um sie marktgängig zu machen.

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Die vorgesehene Änderung der Gemeindestruktur dürfe nicht durch vorherige Vermögenstransaktionen beeinträchtigt werden. Mit Kirchensteuermitteln (mit-)finanziertes Immobilieneigentum dürfe nicht dem Einfluss des Kirchenvorstandes und damit der Aufsicht des Bistums entzogen werden. Weitere Einwendungen, die auf Missverständnissen über die beabsichtigte Gestaltung des Projekts beruhten, erwiesen sich als Randfragen. Das erste Bedenken der Kirchenaufsicht erschien einigermaßen nachvollziehbar, zumal es begleitet war von informellen Anmerkungen, dass das gleiche Projekt vor der Inangriffnahme der Umstrukturierungen der Pfarreien des Bistums wohl umstandslos genehmigt worden wäre. In der Tat gab es für die Kirchenaufsicht das Problem eines – jedenfalls scheinbaren – Präzedenzfalles, als sehr rasch nach dem hier vorgestellten Projekt auch andere Kirchengemeinden des Bistums Anträge einbrachten, ihr Pfarrvermögen oder Teile davon in Stiftungen einzubringen. Es lässt sich nicht bestreiten, dass solche Wünsche auch eigensüchtig und kurzsichtig sein können. In aller Regel verfolgten sie deutlich das Ziel, Pfarrvermögen „in Sicherheit zu bringen“, auf dass es bei Umpfarrungen im Zuge der bevorstehenden Strukturreform nicht „in fremde Hände fiele“. Dieser Motivation durfte in der Tat die Bistumsverwaltung nicht entgegenkommen, wenn ihr Umstrukturierungskonzept glaubwürdig bleiben sollte. Denn es war absehbar, dass die notwendigen Einschränkungen von Angeboten der Kirchengemeinden zum Verzicht auf manche Einrichtungen zwingen würden. Wo das im Einzelfall geboten war, würde nicht jede Gemeinde allein entscheiden können. Wenn aber einzelne Vermögensteile durch Einbringung in Stiftungen praktisch der Disposition entzogen werden, könnte den Gemeinden in der Verhandlung miteinander und der bischöflichen Behörde in ihren Planungen der notwendige Spielraum für gemeinverträgliche Lösungen genommen werden. Die Möglichkeit, solche Entscheidungen nach Kriterien zu treffen, die für das gesamte Bistum galten, durfte sich die bischöfliche Behörde nicht aus der Hand nehmen lassen. Es gab auch – zunächst – erkennbare Vorbehalte in weniger reichlich ausgestatteten Nachbargemeinden, die bei der Perspektive ihrer „Eingemeindung“ in die stiftende Pfarrei an die Gefahr dachten, von möglichen „Segnungen“ aus deren Vermögen ausgeschlossen zu werden. Solche Vorbehalte konnten durch Aufklärung über die Motivation des stiftenden Kirchenvorstandes und die beabsichtigte Struktur – vor allem die Einsetzung des gesamten (künftigen) Kirchenvorstandes als Stiftungsvorstand und die Offenheit der Stiftung für Zustiftungen weiterer Vermögensgegenstände auch der hinzukommenden Kirchengemeinden bei entsprechender Ausschöpfung des Spektrums der Stiftungszwecke – rasch ausgeräumt werden.

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Der zweite Einwand verwies auf eine Sorge der Kirchenaufsicht, die sich schon bei der Gründung der Betriebsgesellschaften und dem späteren Umgang mit ihnen gezeigt hatte: die rechtliche Verselbstständigung von Gemeindevermögen und die daraus folgende Unterwerfung der mit diesem Vermögen in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten unter Rechtsregeln, die der jeweils eigenen Rechtsform folgten, stellte sich ihr nicht zuletzt als Erschwerung oder gar Ausschließung ihrer gewohnten Eingriffsmöglichkeiten im Wege der Fach- und Rechtsaufsicht dar. Der Vorteil der Haftungsbeschränkung durch Errichtung einer GmbH ließ sich nur um den Preis des Sich-Einlassens auf eine Rechtsordnung außerhalb des Bereichs des Kirchen- und des Staatskirchenrechts erreichen. Selbst die Einräumung von Prärogativen für die (in der Regel vom diözesanen Caritas-Trägerwerk wahrgenommene) Minderheitsbeteiligung verpflichtete diesen Gesellschafter nach dem GmbH-Gesetz darauf, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, die nicht mit denen der Kirchenaufsicht identisch sein mussten. Zwar stellte sich diese Problematik bei Gründung einer Stiftung angesichts deren weit geringerer Aktionsmöglichkeiten nicht in gleichem Maße. Aber das konkrete Stiftungsprojekt würde doch ein – nicht ganz kleines – kirchliches Immobilienvermögen dem unmittelbaren Zugriff der Kirchenaufsicht entziehen und das Unternehmen nun auch für mittelbare Zugriffe auf dem Wege der von ihm genutzten kirchlichen Grundstücke fast unerreichbar machen. Angesichts der starken Hierarchisierung auch der kirchlichen Verwaltung war dies eine schwer erträgliche Perspektive für die Kirchenaufsicht. Das an sich begrüßenswerte Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der Verwendung von Kirchensteuern setzt sich häufig fort als Bedürfnis, für alle Zeit den Umgang mit kirchensteuergefördertem Vermögen unter unmittelbarer Kontrolle zu halten. Befristete Zweckbindungs- und damit verbundene (Eventual-)Rückzahlungsverpflichtungen nach staatlichem Vorbild sind ungebräuchlich. Das wurde auch hier spürbar. Bei solchen Verfahren und Vorstellungen werden dann sogar vermögenssichernde Selbstbindungen von Kirchengemeinden skeptisch gesehen, wenn sie mittelbar auch die Aufsicht binden. So wurde die kirchenaufsichtliche Genehmigung der Stiftung für längere Zeit zur Hängepartie. Zwar entwickelte sich eine gewisse Bereitschaft zur Genehmigung hinsichtlich der „arbeitsplatzintensiven“ Grundstücke: Krankenhaus samt Nebeneinrichtungen, Altenpflegeheim, Kinderheim. Insoweit hatte das auch öffentlich diskutierte Argument der langfristigen Unternehmens- und damit Arbeitsplatzsicherung durch die Einbringung der dienenden Grundstücke in die Stiftung einen gewissen Eindruck nicht verfehlt. Dagegen beharrte die Kirchenaufsicht darauf, vor allem das Gemeindezentrum und andere, überpfarrlichen kirchlichen Zwecken dienende Grundstücke, die mit Kirchensteuermitteln errichtet oder in die mehr als nur unerhebliche solche Mittel

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geflossen waren, im Eigentum der Kirchengemeinde zu belassen. Die stiftende Kirchengemeinde hatte sich selbstverständlich diesem Willen ihrer Aufsichtsbehörde zu fügen. Ob diese die Zweischneidigkeit ihrer Entscheidung nicht erkannte oder sie bewusst in Kauf nahm, muss dahinstehen. Die unausweichliche Konsequenz wird sein, dass die Gesellschaften in ihrem pflichtgemäßen Interesse ihre finanziellen Möglichkeiten bei der nachhaltigen Bewirtschaftung des von ihr verwalteten Immobilienvermögens zunächst einmal auf die Grundstücke im Eigentum der Stiftung konzentrieren müssen. Denn das (allein) stärkt Ertragskraft des Immobilienvermögens und damit die Basis der Unternehmen. Nur im Umfang ihrer vertraglichen Verpflichtung aus den Betriebsüberlassungsverträgen (die auch die Verwaltung der vom Stiftungsvermögen ausgeschlossenen, durchweg ertragsschwachen oder dauernd zuschussbedürftigen Grundstücke einschließt) werden die Gesellschaften Aufwendungen zur Unterhaltung der übrigen Grundstücke übernehmen können. Ein grundsätzliches Nein der Kirchenaufsichtsbehörden gab es auch zur Aufnahme der Kindergarten-Grundstücke in die Stiftung. Das entsprach der entschiedenen Zurückhaltung schon gegenüber der Errichtung einer Betriebsgesellschaft für Kindergärten, die nur einmal gegen eine widerstrebende Verwaltung von einem früheren Bischof des Bistums durchbrochen worden war. Inzwischen muss das zuständige Bistum seine Mittel für den Betrieb von Kindergärten kürzen und arbeitet in dem Zusammenhang an einer eigenen Organisation für die Verwaltung der katholischen Kindergärten in seinem Bereich. Wie rational und rationell auch immer solche Zentralisierungsvorstellungen sein mögen, sie dulden aus der Sicht des Bistums keine lokalen oder regionalen Organisationen für ähnliche Zwecke. Deshalb war dessen Nein zur Hereinnahme von Kindergartengrundstücken in die Stiftung kategorisch. Etwa eineinhalb Jahre nach der Antragstellung rang sich die kirchliche Aufsichtsbehörde schließlich zur – hinsichtlich des Umfangs des Stiftungsvermögens eingeschränkten – Genehmigung der Stiftung durch. Man wird kaum fehlgehen in der Annahme, dass – wie bewusst auch immer – in den Vorüberlegungen auch Machtfragen eine Rolle gespielt haben. Schon die massive Reduzierung selbstständiger Pfarreien in einem nicht sehr großen Bistum wird – neben allen sonstigen strukturellen Folgen – auch dazu führen, dass diese wenigen Pfarreien, wenn sie erst ihre binnenstrukturellen Anlaufprobleme in den Griff bekommen haben, relativ mächtiger im Verhältnis zur kirchlichen Aufsichtsbehörde sein werden, als es die vielen kleinen Pfarreien waren.

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Der Verbund einer „Großpfarrei“ 1. mit einem gemeinnützigen Unternehmen, • das nicht etwa auf Zuschüsse angewiesen ist, sondern Erträge erwirtschaftet, die für andere gemeinnützige Zwecke des (Mehrheits-)Gesellschafters eingesetzt werden können, und • das zugleich durch die Übernahme vieler sonst in der Gemeinde wahrzunehmender Verwaltungsaufgaben den Seelsorgern Freiräume für ihre pastorale Arbeit schafft, und 2. darüber hinaus einer Stiftung, die eine gewisse Ausstrahlung entwickeln könnte, mag ein Eigengewicht bekommen, das durch seine bloße Schwerkraft auch ohne falschen Ehrgeiz oder besondere Eigenwilligkeit das gewohnte Übergewicht einer kirchlichen Aufsichtsbehörde etwas austariert. Loyalität aller Beteiligten wird da notwendig sein. Die wie die Stiftergemeinde unter dem Patronat eines großen Kirchenlehrers stehende Stiftung wird in der Zukunft zu beweisen haben, dass sie die in ihre Errichtung gesteckten Mühen und Erwartungen rechtfertigt. Immerhin ist die Leuchtkraft der auf den Stiftungsgrundstücken betriebenen Unternehmen und auch die Idee der Stiftung in der Region derart, dass immer wieder – schon bevor die Stiftung rechtswirksam errichtet ist – von benachbarten Kirchengemeinden erwogen wird, ihre Einrichtungen, vom Kindergarten über Wohnungsbesitz bis zum Friedhof, in die Verwaltung der Unternehmen zu übergeben und Vermögensteile der Stiftung zuzustiften. Das gibt Hoffnung auf eine gute Entwicklung.

III. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des kirchlichen Stiftungswesens

Ökonomische Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen 1 Christian Opelt

I. Hinführung zum Thema Seit Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelte sich die Stiftung in Deutschland zu einer immer beliebter werdenden Rechtsform. Neben Aspekten der privaten und unternehmerischen Nachfolgeplanung spielen bei einer Stiftungsgründung heute auch Spendensammel- und Marketingaspekte eine Rolle. Verglichen mit den rund 450.000 eingetragenen Vereinen stellen Stiftungen dabei aber nur wenige Prozent der deutschen gemeinnützigen Organisationen. Dennoch haben Stiftungen eine wirtschaftliche Bedeutung, die vorrangig im Bereich der sozialen Tätigkeiten zu finden ist. Daher ist auch für sie eine ökonomisch orientierte Bewirtschaftung der Ressourcen unumgänglich, z. B. bezogen auf: • Effizienz und Effektivität der Einnahmenerwirtschaftung • Verwaltung und Kontrolle der eingesetzten Mittel • Ermittlung des Nutzens der Mittel und Steigerung des Erfolgs. Stiftungen, in ihrer überragenden Mehrzahl Non-Profit-Organisationen, müssen sich daher insgesamt den herrschenden Kriterien der Ökonomie verpflichtet fühlen, um den langfristigen Erfolg der Stiftungsarbeit und damit auch ihre volkswirtschaftliche Rolle erfüllen zu können. Bisher ist die Stiftungsforschung jedoch stark rechtstheoretisch geprägt. Stiftungsbezogene betriebswirtschaftliche Themen hatten im deutschen Stiftungswesen nur einen untergeordneten Stellenwert,

1

Zum ganzen siehe auch: Bundesverband Deutscher Banken, Hedge-Fonds – Eine Branche entwächst den Kinderschuhen, Berlin 2005; Hattenberger, Rainer / Opelt, Christian (2004): Bedürfnisse und Probleme von Stiftungen, in: Vermögen & Steuern, o. Jg. (2004), Nr. 8, S. 13 –17; Koschmieder, Kurt-Dieter (2004): Plädoyer für eine ökonomische Analyse der Stiftung, in: Zeitschrift für das Stiftungswesen, 2. Jg. (2004), Nr. 7 –8, S. 179 –182; Lindhoff, Christian / Opelt, Christian (2005): Risikooptimierung in fünf Vermögensklassen – Optimale Stiftungsbetreuung ist mehr als Vermögensmanagement, in: Vermögen & Steuern, o. Jg. (2005), Nr. 6, S. 26 –28; Timmer, Karsten (2005): Stiften in Deutschland. Die Ergebnisse der StifterStudie, Gütersloh 2005.

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ökonomisch orientierte theoriebasierte Untersuchungen liegen im Grunde nicht vor. Vor dem Hintergrund der Vielzahl an relevanten Stakeholdern von Stiftungen (potentielle Stifter, Destinatäre, Berater, Gesetzgebung etc.) verwundert der Mangel an wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema der Stiftung im betriebswirtschaftlichen Rahmen. Die Vielzahl der individuellen ökonomischen Herausforderungen an Stiftungen lassen sich dabei in die drei Hauptbereiche „Grundproblem und Kernelement jeder Stiftung“, „Gründungsmotive und Folgen“ sowie in „Operative Herausforderungen und Bedürfnisse“ bündeln. Zudem stehen in diesem Zusammenhang Anmerkungen zur Rolle von Beratern im Stiftungsbereich in sachlogischem Zusammenhang. Die Bedeutung von Beratern und ihre Rollen sind – wie in der klassischen Unternehmensberatung – durchaus kritisch zu betrachten. Grundsätzlich betreffen die Aspekte dieses Beitrags gleichermaßen alle Stiftungsarten und sind nicht primär auf kirchliche Stiftungen gemünzt. II. Grundproblem und Kernelement jeder Stiftung 1. Fehlende Eigentümerbindung Kernelemente jeder Stiftung sind fehlende Eigentümerbindung und die grundsätzlich fehlende „kapitalistische“ Zielsetzung. Die fehlende Eigentümerbindung – und die damit zusammenhängende Idee einer selbständigen Vermögensmasse – macht den Erhalt des Stiftungsvermögens zur zentralen Bedingung einer ordnungsgemäßen Stiftungsverwaltung. Nach welchen Prämissen handeln nun die Verantwortlichen? Die wissenschaftstheoretische Basis für diese Frage stellen die Ansätze der Neuen Institutionenökonomie dar. Eines ihrer Elemente ist die Ökonomische Vertragstheorie mit ihrem Zweig Principal-Agent-Theorie. Diese Theorie kann als eine umfassende Theorie zur optimalen Steuerung dezentraler Aktivitäten begriffen werden. Im Hinblick auf die Wirtschaftswelt thematisiert sie schwerpunktmäßig die Innenbeziehungen von Unternehmen. Die Principal-Agent-Theorie beschäftigt sich mit den Auftragsbeziehungen zwischen einem Prinzipal (Auftraggeber) und einem Agenten (Auftragnehmer). Im Mittelpunkt steht die Analyse möglicher Zielkonflikte beider Vertragsparteien sowie Gestaltungen zur Reduzierung der Verhaltensspielräume. Es werden Beauftragtenverhältnisse untersucht, wie z. B. beim Auseinanderfallen von Kapitaleigentum und Leitung. Letztlich können alle Formen kooperativer Handlungen als Agenturverhältnisse interpretiert werden. Ein solches Agenturverhältnis besteht immer dann, wenn Personen andere Personen beauftragen, Dienste im Interesse

Ökonomische Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen

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der erstgenannten Partei zu leisten. Hierbei erfolgt eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf den Agenten, das Risiko von Fehlentscheidungen verbleibt aber beim Auftraggeber. Die Principal-Agent-Theorie geht davon aus, • dass der Agent Handlungen vornehmen kann, die nicht nur sein Wohlergehen, sondern auch dasjenige des Prinzipals betreffen, • dass die Ziele des Prinzipals und diejenigen des Agenten voneinander abweichen (hidden characteristics). Der Agent weist Eigenschaften auf, die der Prinzipal zumindest beim Abschluss des Beauftragungsvertrages nicht kennt. • dass Informationsasymmetrien zwischen diesen Personen bestehen (hidden information). Der Agent hat Informationen, die der Prinzipal nicht besitzt. Insbesondere weiß der Prinzipal nicht, ob ein Misserfolg seiner Institution auf ein mangelhaftes Verhalten des Agenten oder auf eine ungünstige Umweltkonstellation zurückzuführen ist, • dass der Agent Handlungen vornehmen kann, die der Prinzipal nicht vollständig überwachen kann (hidden action), • dass die Rationalität der Prinzipale und Agenten unbeschränkt ist • dass beide Akteure zeitstabile und für sich jeweils konsistente Präferenzen aufweisen. So ist der Agent Nutzenmaximierer und Opportunist. Bei Zieldivergenzen zwischen Prinzipal und Agent wird der Agent versuchen, seinen Informationsvorsprung zu Lasten des Prinzipals auszunutzen. Gerade bei Stiftungen, wo qua Definition („selbständige Vermögensmasse“) nicht der Vermögensinhaber selber handeln kann, sind also Transparenz und Fragen nach einer „Corporate Governance“ entscheidende Faktoren zur Vermeidung von Interessenkollisionen für die Organmitglieder. Mögliche Aspekte und Adressaten sind: • Wird nach außen erkennbar, wie und auf welcher festgelegten Grundlage eine Stiftung handelt? • Ist das Handeln der verantwortlichen Stiftungsgremien auch für Dritte nachvollziehbar, insb. in Hinblick auf die Organisationsstruktur, die Entscheidungsfindung bei der Mittelverwendung und sowie der Strategie der Vermögensanlage und der Auswahl des -verwalters bzw. -beraters? • Unmittelbar oder mittelbar für Stiftungen Tätige (Gremien, Projektmitarbeiter, externe Verwaltungen, Vermögensverwaltungen etc.), von Stiftungshandeln unmittelbar oder potentiell Betroffene (Destinatäre bzw. solche, die es sein könnten), staatliche Verwaltung und (politische) Öffentlichkeit. 2. Fehlende kapitalistische Zielsetzung Besteht in Unternehmen die Notwendigkeit zur Gewinnmaximierung, wird diese Zielsetzung bei Stiftungen durch einen abstrakten – meist philanthropi-

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schen – Stiftungszweck ersetzt. Hierin zeigt sich das Grundproblem aller Stiftungen: • Trotz fehlender Gewinnmaximierung als Zielsetzung des Stiftungshandelns, ist grundsätzlich sehr wohl die Verfolgung ökonomischer Ziele und Prinzipien zur optimalen Erfüllung des Stiftungszwecks notwendig. • Denn schließlich würde eine Ertragsmaximierung auch die quantitativ bestmögliche Erfüllung des Stiftungszwecks zulassen. • Der jeweilige Zweck der Stiftung muss mit dem Stiftungsvermögen und dessen Erträgen korrespondieren. • Und dies bedingt Art, Aufbau und Umfang von Organisations-, Entscheidungsund Kontrollstrukturen in Stiftungen III. Gründungsmotive und Folgen 1. Gründungsmotive In der öffentlichen Diskussion wird als Gründungsmotiv häufig nur der philanthropische Ansatz in den Vordergrund gestellt. Tatsächlich dürfte die Stiftungsidee oft das Ergebnis von Nachfolgeüberlegungen sein. Diese These bestätigen die Erfahrungen der ersten empirisch angelegten Untersuchung zum Stiftungsverhalten der Menschen in Deutschland, der StifterStudie der Bertelsmann Stiftung (veröffentlicht 2005). Folgend ausgewählte Ergebnisse: • Warum stiften? Nachfolge regeln!

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• Wann stiften? Heutzutage errichten Stifter ihre Stiftung zu Lebzeiten.

• Wer stiftet? Viele Vermögende stiften – aber nicht alle Stifter sind vermögend

Eine Stiftung kann bei Schwierigkeiten und Widerständen gegen die Regelung der Nachfolge in Familienunternehmen eine konstruktive Rolle einnehmen. Eine Vielzahl der Probleme liegt in der sich gegenseitig beeinflussenden Kombination von Eigentümern, Familie und Unternehmen begründet. Für die scheidende Generation steht zumeist die Frage der unternehmerischen Kontinuität im Vordergrund. Häufig steht das Dilemma zwischen Familienharmonie (der Gleichbehandlung der nachfolgenden Kinder) und dem Wohl des Unternehmens (geeignete Führungspersönlichkeit) einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge im Wege. Schließlich gibt es psychologische Widerstände gegen eine Nachfolgeregelung seitens der weichenden Generation, getreu dem Motto „Die Jungen können das noch gar nicht!“. Die Stiftung kann zur Lösung dieser Probleme beitragen. Das Hauptanliegen bei der Gründung einer Stiftung ist zumeist die Sicherung der Kontinuität. Wenn diese gewahrt bleibt, ist die Wahrscheinlichkeit eines konfliktminimierten Rückzugs der älteren Generation größer. Die Stiftung kann dabei als verewigter „unternehmeri-

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scher Traum“ verstanden werden. Die Familienharmonie kann im Rahmen einer Stiftungslösung mit dem Unternehmenswohl in Einklang gebracht werden. 2. Folgen Bedeutsam ist die Frage, in welchem Maß der Stifter sich selbst durch satzungsrechtliche Regelungen Rechte bei der Willensbildung innerhalb der Stiftung einräumen und wie er diese Rechte nutzen will. Der Stifter muss verdeutlichen, dass die von ihm ins Leben gerufene Stiftung selbständig ist. Das heißt, dass sie grundsätzlich von ihm unabhängig ist und nur durch ihre Organe handelt und bestimmt wird. Dies beugt der Gefahr vor, dass Stiftungen zu sehr in den „Privatbereich“ des Stifters eingebunden und wie Eigentum behandelt werden. Hierzu wieder die Bertelsmann-Studie, in der zur Aussage kommt, dass Stifter v. a. die Kontrolle schätzen, die eine eigene Stiftung bietet. Denn Stifter stiften mehr als „nur“ Geld – sie nutzen ihre Stiftung auch als Plattform für ein Engagement mit Zeit, Ideen und Kontakten.

Die konsequente Förderung und Verfolgung des vom Stifter in der Satzung festgelegten Stiftungszwecks erleichtert in Zweifelsfragen den Stiftungsorganen die Feststellung des (mutmaßlichen) Stifterwillens. Mutige Vorstände sind gefragt, denn dies trägt zur Emanzipation der Stiftung vom Stifter bei. Und damit sinkt auch die Gefahr, dass Stiftungsorgane ihren eigenen Gestaltungswillen an die Stelle des Stifterwillens setzen. IV. Operative Herausforderungen und Bedürfnisse 1. Organisationsstruktur Die vornehmlich einfachste Organstruktur ist die Ein-Organschaft, in der Leitung und Kontrolle der Stiftung in gemeinsamen Händen liegen. Doch stellt sich hier die Frage nach Transparenz und Kontrolle am vordergründigsten.

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In einer Zwei-Organschaft, die mit dem Anspruch einer Trennung in operativ tätigen Vorstand und einem – mindestens beratenden, besser noch kontrollierenden – zweiten Gremium (als Kuratorium oder Beirat, evtl. nach Art eines „Aufsichtsrats“) aufwartet, wird Transparenz durch die Trennung der Funktionen grundsätzlich gelebt. Und doch bestehen auch hier mögliche Konfliktpotentiale derart: Wie ist das Beziehungsgeflecht zwischen den Organen und dessen Mitgliedern? Wie stark ist der eigene Gestaltungswille der jeweiligen Organe? Insgesamt scheint sich die Zwei-Organschaft als die sinnvollere Form durchzusetzen, dies zeigt auch die Empirie (vorhandene Stiftungsgremien):

Hinter der Besetzung von Organen können auch bestimmte Ideen stehen. Eine eher personenorientierte Besetzung (Besetzung der Organe mit prominenten Personen) bietet sich für Fundraising und zur Imageförderung an. Hier besteht allerdings am ehesten die bereits oben angedeutete Gefahr „fremden Gestaltungswillens“. Für eine optimale Organisation des Mittelentstehungs- und Mittelverwendungsbereichs bietet sich dagegen eine eher funktionsorientierte Besetzung der Organe an. Insoweit bietet sich eine personenbezogen Besetzung des für die Mittelvergabe zuständigen Stiftungskuratoriums bzw. Aufsichtsrates und eine funktionsbezogene Besetzung des geschäftsführenden Stiftungsvorstandes an. 2. Mittelentstehung Bei einer Vielzahl von Stiftungen entsteht der weitaus größte Teil der Mittel durch die Verwaltung des Vermögens. Viele jüngere und nicht so bekannte Stiftungen sind in der Öffentlichkeit noch wenig präsent, so dass Spenden oder andere Zuwendungen ausbleiben. Sie sind daher auf eine optimale Vermögensverwaltung angewiesen. Die Schritte zu einer erfolgreichen Vermögensanlage für Stiftungen lassen sich in die drei Phasen, Planung, Realisierung und Kontrolle unterteilen. In der weiteren Betrachtung wird der Schwerpunkt auf die beiden Schritte „Planung“ (Was müssen Stiftungsvorstände bei ihren Überlegungen zur Vermögensanlage beachten? Wie gehen Sie optimal vor?) und „Realisierung“ (Aufbau des Portfolios und Bedeutung der Korrelationen) gelegt.

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 a) Fehlende Handlungsanweisungen Vorstände von Stiftungen sind bei der Anlage des Stiftungsvermögens grundsätzlich frei. Die in den letzten Jahren novellierten Stiftungsgesetze der Bundesländer sehen dabei grundsätzlich keine Mündelsicherheit in der Anlage mehr vor, Stiftungsvermögen sind nunmehr „sicher und wirtschaftlich zu verwalten“ (so z. B. Art. 11, Abs. 2 BayStG). Der Wegfall des Gebots der Mündelsicherheit mit seinen gesetzlich vorgegebenen Einschränkungen (Anlage nur in Hypothekenpfandbriefen, Bundespapieren etc.) bedeutet nicht, dass sichere Anlagen ungeplant durch spekulative Papiere ersetzt werden sollten. Die Änderungen bedeuten aber im Gegenzug, dass mangelnde Rentabilität nicht mehr mit der erforderlichen Mündelsicherheit oder hieraus abgeleiteten eingeschränkten Anlagemöglichkeiten begründet werden kann. Die stiftungsrechtlichen Kriterien zur Vermögensanlage sind jedoch eher unpräzise. In keinem Landesgesetz wird ausdrücklich die Devise der Erzielung möglichst hoher Erträge genannt. Zudem gibt der gesetzlich fixierte Erhalt des Stiftungsvermögens der Sicherheit der Anlage den Vorrang vor ihrer Rendite. Hierbei darf aber nicht vergessen werden, dass nur über eine ausreichende Rendite der Stiftungszweck optimal und dauerhaft erfüllt werden kann. Stiftungsvorstände müssen also bei der Vermögensanlage verschiedene Vorgaben beachten: • Erzielung einer ausreichenden Rendite ... zur nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks • Begrenzung des Risikos ... zur Erhaltung des Stiftungsvermögens • Vermeidung von Haftungstatbeständen ... zur Absicherung des Vorstands Diese grundsätzlichen, übergeordneten Vorgaben müssen weiter präzisiert werden:

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• Anforderung an die Ausschüttung ... Welche Mittel brauche ich für die Erfüllung des Stiftungszwecks? • Liquiditätsbedürfnisse ... Wann benötige ich wie viel Geld? • Vermögensstruktur ... Welche Vermögensklassen (Anleihen, Aktien, Immobilien etc.) bestehen in welcher Gewichtung? • Risikotragfähigkeit ... Welche Risiken kann das Vermögen aushalten? • Vermögenserhalt ... Soll eine nominale oder eine reale Erhaltung des Stiftungsvermögens angestrebt werden? • Stiftungsgesetz ... Welche landesgesetzliche Maßgaben zur Vermögensanlage bestehen? • Stiftungsaufsicht ... Wie sind die örtlichen Vorgaben und Erfahrungen? • Satzungsvorgaben ... Werden ggf. Anlageklassen ausgeschlossen? Bestehen qualitative Vorgaben des Stifters (z. B. Ausrichtung auf nachhaltige Investments)? b) „Dilemma“ für Stiftungsvorstände Für wirtschaftlich orientierte Stiftungsvorstände ergibt sich das Dilemma, dass sie einerseits für Vermögensverluste im Grundstockvermögen verantwortlich gemacht werden können – sie versuchen ja, Mehrerträge durch die Nutzung chancenorientierter Anlagen zu generieren und damit die Verwirklichung des Stiftungszwecks voranzutreiben. Andererseits aber sind entgangene Erträge durch risikoscheue Anlagen irrelevant, obwohl sie gegen die Idee der optimalen Erfüllung des Stiftungszwecks verstoßen. Und genau diesen wollen Sie ja mit Ihrer Arbeit und ihrem (oftmals ehrenamtlichen) Einsatz fördern – ein klassisches Dilemma entsteht! Für Stiftungsvorstände, die nicht risikominimierende, sondern ertragsoptimierende Ziele verfolgen, stellen sich daher diese Fragen: • Steigt mit der Verfolgung des Renditeziels nicht nur das wirtschaftliche Risiko, sondern auch das persönliche Haftungsrisiko? • Gibt es anerkannte Risikomaße, bei deren Einhaltung ein steigendes, aber kontrollierbares Risiko nicht mit einem höheren Haftungsrisiko verbunden ist? c) Risikoscheue Anlagen reichen nicht aus Aktuelle Angaben (Monatswerte, Stand März 2006) Umlaufrendite Bundesanleihen

Inflationsrate

Thesaurierung gemäß AO

März 2006

3,8

1,8

1,3

1992 – 2006

5,1

2,0

1,7

2000 – 2006

4,2

1,6

1,4

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Christian Opelt

Die Inflationsrate liegt in allen Zeiträumen über der steuerlich zulässigen Thesaurierungsquote, so dass die ausschließliche Anlage des Stiftungsvermögens in Rentenpapieren zur realen Vermögenserhaltung daher nicht ausreicht. Zudem kann eine ggf. durch die Ausrichtung der Stiftung oder durch ihr vorrangiges Tätigkeitsgebiet bedingte weit höhere Inflationsrate als die aufgeführte zum Tragen kommen. Andere Anlagen mit einer höheren Ertragschance und einem damit einhergehenden höheren Risiko sind notwendig. d) „Dilemma“ zwischen Markt und Investor An den Kapitalmärkten wird zusätzliches Risiko vom Anleger (hier: der Stiftungsvorstand) mit überproportionalen Ertragserwartungen belegt. Jedoch geltet der Markt zusätzlichen Ertrag nur mit einem überproportionalen Risikoanstieg ab – auch hier ein Dilemma!

 e) Rendite und Risiko Die moderne Kapitalmarkt- und Portfoliotheorie hat wichtige Kriterien für die optimale Zusammensetzung eines Portfolios bei definiertem Risiko geliefert. Ein wesentliches Kriterium ist, dass mit steigender Rendite auch das Risiko der Anlage steigt („Ohne Risiko kein Ertrag“). Das zweite wesentliche Kriterium lautet, dass die Streuung der Vermögensanlagen – bei gleichbleibender Renditechance – das Risiko des Gesamtportfolios senkt („Lege nicht alle Eier in einen Korb“). Bei konsequenter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse unterliegt die Vermögensanlage nur mehr dem sog. Marktrisiko, wofür der Stiftungsvorstand auch im Falle von Vermögensverlusten nicht haftet. Der Begriff „Marktrisiko“ umschreibt dabei ein Bündel von Risiken, die für alle Titel eines Börsensegments (beispielsweise Aktien) gleich sind, also z. B. Steuerrechtsänderungen oder Inflationsrisiken. Das Anlagerisiko als Risiko des einzelnen Titels dagegen ist eliminiert oder „wegdiversifiziert“. Für Vermögensverluste aus diesem Bereich haftet der Vorstand hingegen sehr wohl, wenn er sein Portfolio nicht ausreichend streut

Ökonomische Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen

141

(„diversifiziert“). Dies würde z. B. durch eine dominierende Aktie im Portfolio oder durch den vermehrten Kauf von ausfallgefährdeten Anleihen erzeugt werden. Ein so aufgebautes und optimiertes „Stiftungsdepot“ wird eine festgelegte Zielrendite immer mit dem geringsten hierfür notwendigen Risiko erreichen. Maßstab für realistische Renditen unter dem Gesichtspunkt des Vermögenserhalts bieten entsprechend „geratete“ (also einer unabhängigen Prüfung und Bewertung unterzogenen) Investments. Die Wahl des „richtigen“ Risikomaßes ist dabei abhängig von der Zielsetzung des Anlegers. Gilt es einen Vergleich von Anlagealternativen zu ziehen, so ist die Volatilität das sinnvolle Risikomaß. Die Volatilität misst positive und negative Abweichungen (z. B. Renditeschwankungen) von geplanten Größen (z. B. dem langfristigen Durchschnitt). Sie drückt die Abweichung von der erwarteten Rendite des Investments aus – und beschreibt damit das Risiko einer Anlage. f) Die Gewichtung ist entscheidend Langfristig bestimmt die richtige Gewichtung der verschiedenen Anlageklassen (wie Renten, Aktien etc.) zu über 90% den Erfolg und die Risiken einer Anlagestrategie. Die strategische Vermögensanlage ist dabei von den langfristigen Zielen und Rahmenbedingungen des Investors sowie den Korrelationen zwischen den einzelnen Vermögensklassen abhängig – und nicht von günstigen Gelegenheiten auf dem Kapitalmarkt.

Das „glückliche Händchen“ bei der Auswahl von Einzeltiteln spielt also im Gegensatz zur landläufigen Meinung kaum eine Rolle. Es ist eine stetige Rendite für das Vermögen den hochvolatilen Gewinnmöglichkeiten einzelner Anlagen vorzuziehen. Die gemeinsame Aufgabe von Stiftungsvorstand und Vermögensverwalter ist es, mit Instrumenten aus unterschiedlichen Vermögensklassen („Asset-

142

Christian Opelt

Klassen“) unter Berücksichtigung der Diversifikationseffekte ein gleichmäßig wachsendes Portfolio zu generieren. g) Bedeutung der Korrelation Nun stellt eine bloße Aggregierung der risiko-renditestärksten Anlageklassen nicht die optimale Lösung dar, zu beachten ist zudem die sog. Korrelation. Die Korrelation misst die gleich- oder gegenläufige Entwicklung von Anlagealternativen und ist von entscheidender Bedeutung. Schließlich reagieren nicht alle Anlageklassen gleich, wenn sich Veränderungen in der Wirtschaft oder an den Märkten (z. B. Zinserhöhung) ergeben. Die Korrelation wird gemessen von +1,0 (absoluter Gleichlauf) bis -1,0 (absolute Gegenläufigkeit). Langfristig wird eine Korrelation zu den Kapitalmärkten von -0,3 bis +0,3 angestrebt, um eine optimierte Portfoliostruktur zu erzeugen.

 Durch Kombination verschiedener Vermögensklassen mit entsprechenden Korrelationen lässt sich deshalb das Risiko einer Vermögensanlage deutlich verringern. Gerade die sog. Alternativen Investments (wie Hedge Funds) zeigen zu den anderen Vermögensklassen nur eine geringe Korrelation und eignen sich daher auch für das Vermögensmanagement von Stiftungen in Deutschland. Von allen möglichen Kapitalanlagen besitzen vermutlich Hedge-Fonds in der Öffentlichkeit derzeit den schlechtesten Ruf. Sie werden als Auslöser für Turbulenzen an den Finanzmärkten betrachtet und mit undurchsichtigen Geschäftsgebaren in Verbindung gebracht. Zum negativen Bild hat sicherlich beigetragen, dass die von ihnen angewandten Strategien meist sehr komplex und damit nur schwer verständlich sind. Denn Hedge-Fonds können grundsätzlich alle Investitionsstrategien verfolgen, die ihnen profitabel erscheinen. Daher gibt es auch nicht „den“ Hedge-Fonds oder „die“ Hedge-Fonds-Strategie.

Ökonomische Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen

143

Da diese Strategien jedoch Gewinnchancen ausnutzen, die durch Marktunvollkommenheiten und Marktversagen entstanden sind, tragen die Hedge-Fonds in Wahrheit zur Stabilität des Finanzsystems bei. Gleichwohl können sie – gründend auf den unterschiedlichen Risiken der einzelnen Hedge-Fonds-Strategien – sowohl für die Geldgeber als auch für die Finanzmärkte erhebliche Gefahren bergen. Vor allem in den USA ist die Investition in Hedge-Fonds bei institutionellen Anlegern weit verbreitet. So haben etwa 60 % der US-Stiftungen in Hedge-Fonds investiert, bei vielen belaufen sich diese Engagements auf mehr als 30% ihres Anlagevermögens. Stiftungen wie Harvard oder Yale halten im Durchschnitt rund ein Fünftel ihres Vermögens in Hegde-Fonds. Im Fokus der (deutschen) Stiftungen stehen vor allem Dachfonds, die Anteile an mehreren Hedge-Fonds halten. Auf diesem Weg können Anleger das Risiko noch breiter streuen. So ist zu erwarten, dass Hedge-Fonds bald zur üblichen Geldanlage vieler Stiftungen zählen. Deutsche Stiftungen und ihre Vorstände haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie neuen Anlageformen offen gegenüberstehen. h) Investments mit dem Etikett der Nachhaltigkeit Nicht wenige Anbieter von Finanzprodukten werben – gerade bei Stiftungen und anderen gemeinnützigen Institutionen – mit Slogans wie „nachhaltig“, „ethisch“ oder „umweltgerecht“. Hierbei wird durchaus suggeriert, dass bereits mit der Anlage des Stiftungsvermögens der Stiftungszweck erfüllt wird – und damit quasi eine doppelte Stiftungszweckerfüllung entsteht. Sind alle „normalen“ Anlagen daher nicht mehr für Stiftungen geeignet? Muss sich ein Stiftungsvorstand rechtfertigen, wenn er eine „ethisch-korrekte“ Vermögensanlage nicht wählt? Dies ist sicher zu verneinen. Es zeigt sich, dass ein nachhaltig ausgerichtetes Investment möglich ist, ohne explizit so bezeichnete Produkte zu erwerben (zudem ist nicht nur der Begriff „nachhaltig“ mehr als diffus). Der Standard (bezogen auf soziale oder nachhaltige Aspekte) fast aller namhaften Firmen ist bereits seit mehreren Jahren recht hoch (u. a. durch Druck der Verbraucher, neuerdings auch durch den Gesetzgeber). So integriert die Mehrheit der deutschen DAX-30-Unternehmen Umwelt- und Sozialaspekte in ihre aktuellen Geschäftsberichte. i) Anlagevehikel Steht die Strategie der Vermögensanlage, so ist in einem letzten Schritt durch den Stiftungsvorstand das „Wie“ der Anlage zu entscheiden. Zwei Parameter sind hier zu beachten: Vermögenshöhe und gewünschte Individualität. Hieraus abgeleitet ergibt sich auch der Preis einer Vermögensbetreuung.

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Christian Opelt

Bei Stiftungsvermögen ab ca. 150.000 Euro hat sich in den vergangenen Jahren die Vermögensverwaltung mit Investmentfonds und Zertifikaten zur vorherrschenden Form der Vermögensbetreuung entwickelt. Für geringere Vermögen bieten sich spezielle Stiftungsfonds oder auch Dachfonds an. Die Auswahlkriterien für die geeignete Strategie und das genutzte „Anlagevehikel“ gelten jedoch für alle Vermögenshöhen.

In der Vermögensverwaltung kann auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Vermögensinhabers eingegangen werden, alle relevanten Aspekte werden in einem Vermögensverwaltungsvertrag niedergelegt. Wichtig ist ein neutraler Auswahlprozess des Beraters (Best-in-Class-Ansatz). Es darf kein Eigeninteresse bestehen, welches sich z. B. durch die übermäßige Nutzung hauseigener Investmentfonds oder Anleihen zeigt. Mittels der Investmentfonds wird durch die hohe Diversifikation das Portfoliorisiko weiter reduziert (ca. 100 Einzelwerte je Fonds). Die sog. externen Manager (d. h. die Manager der Investmentfonds) bringen ihre jeweilige Expertise ein, so dass alle Marktformen (Aktien, Renten etc.) und alle Regionen der Welt abgedeckt werden können. Zertifikate ergänzen die Anlagestrategie durch neuartige Finanzkonstruktionen mit z. B. fest definierten Verhaltensparametern. Diese können daher auch ein positives Ergebnis erzielen, obwohl die Finanzmärkte rückläufig sind. Die regelmäßige Information für den Vermögensinhaber muss sichergestellt sein. Dies kann durch regelmäßige Treffen mit dem Vermögensverwalter (Ort und Häufigkeit liegt im Ermessen des Vermögensinhabers) und durch eine zeitnahe schriftliche Information (Art und Häufigkeit liegt auch hier im Ermessen des Vermögensinhabers) passieren.

Ökonomische Herausforderungen und Bedürfnisse von Stiftungen

145

3. Mittelverwendung a) Stifter möchten wissen, wofür ihr Geld verwendet wird In Fragen der Mittelverwendung ist der beherrschende Aspekt die Verwirklichung des Stiftungszwecks. Doch ist die originäre Zweckverwirklichung nur eine Verwirklichung der Sache nach, quasi den Buchstaben der Satzung folgend. Die Stiftungskultur hingegen fragt nach der Verwirklichung dem Inhalt nach, also dem „Geist“ der Stiftungssatzung folgend. Sie ist eine Art qualitative Zweckverwirklichung.

Letztlich ist die Evaluation anzusprechen. Noch immer wird in gemeinnützigen Einrichtungen das eigene Handeln nicht ausreichend und professionell genug überprüft. Welche Vorgaben kann eine Stiftung entwickeln und sollte sie schriftlich festhalten? • • • • • • •

Vision und Mission der Stiftung Entwicklung und Festigung der Stiftungskultur Qualitätsdialog mit Partnern und Destinatären Transparenz, Publizität und Rechnungslegung des Handelns Eigene Anreiz-, Lenkungs- und Kontrollverfahren Corporate Governance der Stiftung Qualitatives Zielsystem (die Stiftung als Marke im Wettbewerb)

V. Die Rolle von Beratern Bei Stiftungen treten Berater in den Feldern Recht, Steuern / Prüfung, Vermögensanlage und inhaltliche Strategie auf. Das Ziel einer jeden Beratung ist, die Stiftung in jedem Beratungsfeld bei der optimalen Umsetzung ihres Anliegens zu unterstützen. Berater sind „Berater“, nicht Entscheider. Aus Sicht der Stiftungsvorstände (als die „Entscheider“) können diese Verhaltensregeln für Berater von Interesse sein:

146

Christian Opelt

• Der Berater nimmt nicht in eigenem Interesse oder im Interesse Dritter Einfluss auf die Entscheidung der Stiftungsverantwortlichen. • Der Berater eignet sich die für sein Arbeitsfeld erforderlichen spezifischen Kenntnisse der Besonderheiten von Stiftungen an. • Die Beratung erfolgt unabhängig von Interessen Dritter. Der Berater prüft mögliche Interessenkollisionen und legt sie gegenüber der Stiftung offen. • Der Berater erbringt weitere Dienstleistungen (Verwaltung, Durchführung von Projekten) unabhängig von der Beratung und rechnet sie getrennt ab. Berater als Partner sind aber auch sehr hilfreich. Gerade ein mit bundesweiten Partnern aufgestelltes Netzwerk macht es möglich, eine Vielzahl von Leistungen anzubieten. Hierbei sind neben Stiftungen selbstverständlich auch verschiedene Dienstleister mit „an Bord“. Für Stiftungen hat ein funktionierendes Netzwerk eine Reihe von Vorteilen. So bieten sich vielfältige Möglichkeiten, die beraterseits bestehenden Kontakte, insbesondere zu möglichen Begünstigten, zu Spendern und Zustiftern sowie zu öffentlichkeitswirksamen „Multiplikatoren“ im Sinne der Stiftungen zu nutzen. Nicht zuletzt ist der Austausch zwischen verschiedenen Stiftungen und deren Organen wichtig. Denn so bleiben alle „am Puls der Zeit“ und tragen den Gedanken des Stiftens erfolgreich weiter.

Innovative Investmentansätze für Stiftungen Jörg Liesner

I. Einleitung Um Ihren Stiftungszweck erfüllen zu können, muss Ihr Stiftungsvermögen einerseits erhalten bleiben und andererseits Renditen erwirtschaften. Vor dem Hintergrund eines historisch niedrigen Zinsniveaus und einer sich abzeichnenden steigenden Inflationsentwicklung wird das Anlagemanagement Ihres Stiftungsvermögens zu einer echten Herausforderung. Eine zunehmende Zahl von Stiftungsexperten und auch wir vertreten die Auffassung, dass vor diesem Hintergrund die Stiftungen gezwungen sind, neben den klassischen Anlageklassen auch Alternativen zu prüfen. Von daher werde ich nicht auf die Anlageklasse Aktien und – von größter Bedeutung für Stiftungen – Renten eingehen, obwohl dies eine der Kernkompetenzen unseres Hauses ist. Sie können sich diesbezüglich an meine für diesen Bereich verantwortliche Kollegin Beate Gerdes wenden, die hier heute auch anwesend ist. Ihre Aufmerksamkeit möchte ich auf die Anlageklasse der sogenannten „Alternative Investments“ lenken, die neben Aktien und Renten zunehmend an Bedeutung gewinnt. Mittlerweile sind „Alternative Investments“ auch in Deutschland ein fester Bestandteil der strategischen Allokation der Anlageklassen institutioneller wie privater Anleger. Als Hauptargument gilt die geringe Korrelation der Anlageklasse „Alternative Investments“ zu Aktien und Renten. Dies bedeutet, dass sich die Wertentwicklung weitgehend unabhängig von der Wertentwicklung bei Renten und Aktien vollziehen soll. Damit sind sie ein wesentlicher Bestandteil der Diversifikation eines professionell gemanagten Depots. Durch ihre Beimischung kann das Chancen-Risiko-Profil des Gesamtportfolios signifikant verbessert werden. Nach angelsächsischer Definition gehören zu den „Alternative Investments“ 1. Immobilien, 2. Private Equity / Venture Capital, das ist die Beteiligung an nicht börsennotierten Unternehmen, aktuell als „Heuschrecken“ tituliert, und 3. Hedge Funds – weitgehend unregulierte Fonds, die Investitionsstrategien in unterschiedlichsten Märkten verfolgen und alle bekannten Anlageinstrumente einsetzen. Typisch ist die Nutzung von Kredithebeln und sogenannten Leerver-

148

Jörg Liesner

käufen um Renditen sowohl in steigenden als auch fallenden Märkten erzielen zu können. Ich sehe wie sie zurückschrecken, keine Angst, ich werde erläutern, wie Stiftungen sinnvoll in diese Anlageklassen investieren könnten. Sie werden mir zustimmen, dass all Ihre Investitionen die folgenden Prämissen erfüllen sollten bzw. erfüllen müssen: A.Kapitalerhalt, B.regelmäßige planbare Ausschüttungen und C.das Potential, nennenswerte Renditen zu erzielen. II. Immobilien Für Investitionen in Immobilien sind diese Voraussetzungen im Gegensatz zu Anlagen in nicht börsennotierte Unternehmen und Hedgefunds offensichtlich gegeben. Sofern die Immobilie in einer guten Lage angesiedelt ist und langfristige Mieter guter Bonität haben, kann meist von Kapitalerhalt und stabilen Cashflows aus den Mieten ausgegangen werden. Und sofern sich die Immobilienbewertungen auf einem niedrigen oder angemessenen Niveau – wie aktuell in Deutschland – bewegen, besteht auch ein hohes Entwicklungspotential – wie dies in den vergangenen Jahren z. B. in Dänemark und England zu beobachten war. Um den Bedürfnissen der Stiftungen gerecht zu werden, haben verschiedene Banken spezielle Immobilienfonds emittiert, die – wenn sie gut konzipiert sind – verlässliche und planbare hohe Ausschüttungen gewähren. Inwieweit die Emissionshäuser auch in der Lage sind, die dem Fonds zugrundeliegenden Immobilien gewinnbringend zu veräußern muss bei der Fondsauswahl und -prüfung beachtet werden. III. Private Equity / Venture Capital Die Beteiligung an nicht börsennotierten Unternehmen durch Private Equity Fonds – bei Unternehmen in sehr frühen Stadien spricht man auch von Venture Capital – gilt gemeinhin als renditestark und risikoreich, man spricht deshalb auch von Risikokapital. 1. Portfoliooptimierung Durch die Beimischung von Private Equity in das Portfolio kann das ChancenRisiko-Profil des Gesamtportfolios deutlich verbessert werden, da sich die An-

Innovative Investmentansätze für Stiftungen

149

lage in nicht börsennotierte Unternehmen zum Teil weitgehend unabhängig von anderen Anlageklassen entwickeln konnte. Nach unseren Studien ergeben sich im Schnitt der vergangenen 20 Jahre die folgenden Korrelationskoeffizienten. Cash

Renten

Aktien

Wohn immobilien

Gewerbeimmobilien

Schiffe

Hedge Fonds

Rohstoffe

Versicherungen

-0,07

-0,09

0,36

-0,07

-0,17

0,07

0,46

0,06

0,06

Dabei bedeutet der Wert von +1 eine absolut parallele Entwicklung und –1 eine absolut gegenläufige Wertentwicklung zu anderen Anlagen. Konkret bedeutet dies während Krisensituationen an Aktienmärkten einen stabilisierenden Effekt für das Portfolio, wie der Tabelle für drei Krisenmonate am deutschen Aktienmarkt zu entnehmen ist. Zeitraum

Entwicklung DAX

Entwicklung PE

Oktober 1987

-24,23%

-0,43%

September 1990

-19,94%

1,08%

September 2002

-27,51%

-2,06%

Die Möglichkeiten der Portfoliooptimierung durch Beimischung von Private Equity in ein klassisches Portfolio haben wir anhand der Positionierung eines Portfolios auf der Effizienzkurve untersucht. Im Beispiel führte eine Beimischung von 13% zu einer Reduzierung des Risikos um 2% bei einer Erhöhung der Nachsteuerrendite um ca. 1%. Optimierung der Vermögensstruktur

Aktuelles Portfolio 6%

Rendite nach Steuern p.a.

Optimiertes Portfolio

4%

Versicherungen 5%

Effizienzlinie Aktuelles Portfolio Immobilien 33%

0% 0%

Wertpapiere & Liquidität 62%

Höhere Rendite bei gesenktem Verlustrisiko

2%

2%

4%

6%

8%

Optimiertes Portfolio

10 %

Verlustwahrscheinlichkeit p.a. (Rendite < 0% p.a.) Versicherungen 5%

Die Effizienzlinie Auf der Effizienzlinie befinden sich sämtliche Möglichkeiten zur Gestaltung eines Portfolios, die unter Beachtung der gegebenen Anlagerestriktionen als effizient bezeichnet werden. Ein Portfolio ist dann effizient, wenn bei gegebenem Risiko kein Portfolio mit einer höheren Rendite existiert. Und wenn bei gleicher Rendite kein Portfolio mit einem niedrigeren Risiko existiert.

Private Equity 13 % Wertpapiere & Liquidität 49 %

Immobilien 33 %

150

Jörg Liesner

2. Risikobegrenzung Um das angesprochene hohe Risiko von Private Equity Investitionen zu reduzieren, ist ein hoher Diversifizierungsgrad erforderlich. Das Risiko, Geld zu verlieren ist bei einem Einzelinvestment äußerst hoch. Wir haben umfangreiche Untersuchungen zu dem Thema angestellt und sind nach der Auswertung von 1.178 Private Equity Fonds, die zwischen 1978 und 2000 aufgelegt wurden zu folgenden Ergebnissen gekommen. Bis zum Juni 2004 hatten 38% der Fonds das eingesetzte Kapital nicht voll zurückgezahlt.

400

40,00

300

30,00

200

20,00

100

10,00

0

Wahrscheinlichkeit

Häufigkeit

Wahrscheinlichkeit der Multiplikatoren von 1178 Private Equity Fonds

0,00 >3

2,5–3

2– 2,5

1,5 – 2

1–1,5

0,5–1

0–0,5

Multiplikatoren

Dieses Risiko konnte auf 8% vermindert werden, indem wir per Zufallsgenerator 1000 Portfolios mit jeweils 7 Fonds zusammenstellten. Nach unseren Berechnungen hätten ca. 920 dieser Portfolios neben dem eingesetzten Kapital Renditen an die Anleger ausgeschüttet. Wahrscheinlichkeit der Multiplikatoren von „zufälligen“ Dachfonds 50

Häufigkeit

500

40

400 30 300 20 200 10

100 0

0 >3

2,5 –3

2–2,5

1,5–2

1– 1,5

0,5 –1

Multiplikatoren

Wahrscheinlichkeit

600

Innovative Investmentansätze für Stiftungen

151

Sofern es einem Dachfonds Manager gelingt, ein Portfolio zusammenzustellen, bei dem 1 Fonds aus dem besten Viertel aller Fonds stammt, 5 Fonds aus der mittleren Hälfte aller Fonds kommen und 1 Fonds Totalverlust erleidet, kann das Risiko Geld zu verlieren weitgehend ausgeschlossen werden. Jedes der 1.000 nach diesen Kriterien zusammengestellt Portfolios konnte neben dem eingesetzten Kapital auch Renditen an die Anleger auszahlen. In deutlich über 800 Szenarien konnten zwischen 150% und 200% der Anlage zurückgezahlt werden.

500

50

400

40

300

30

200

20

100

10

0

Wahrscheinlichkeit

Häufigkeit

Wahrscheinlichkeit der Multiplikatoren von „professionell“ gemanagten Dachfonds

0 >3

2,75–3

2,5–2,75

2,25–2,5

2–2,25

1,75–2

1,5–1,75

1,25–1,5

Multiplikatoren

Somit wären die Kriterien Kapitalerhalt und das Potential nennenswerte Renditen zu erzielen erfüllt. Doch sind die Kapitalrückzahlungen nach dem Verkauf einzelner Unternehmen unregelmäßig und nicht planbar. Aus diesem Grunde kommen für Stiftungen strukturierte Produkte mit Kapitalgarantie und garantiertem jährlich auszahlbarem Mindestcoupon in Betracht. Auch mit diesen Anlagen in der Rechtsform von täglich handelbaren Garantieanleihen konnten in der Vergangenheit neben der Mindestverzinsung signifikante Kursgewinne erzielt werden.

IV. Hedgefunds Wie bereits erwähnt handelt es sich bei Hedgefunds um weitgehend unregulierte Fonds, die Investitionsstrategien in unterschiedlichsten Märkten verfolgen und alle bekannten Anlageinstrumente einsetzen. Typisch ist die Nutzung von Kredithebeln und sogenannten Leerverkäufen, um Renditen sowohl in steigenden als auch fallenden Märkten erzielen zu können.

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1. Absolute Return Funds Für Stiftungen von besonderem Interesse und für die Optimierung des Portfolios besonders interessant sind die sogenannten Absolute Return Funds aus der Familie der Hedgefunds. Absolute Return Funds verfolgen solche Investmentstrategien, die sich weitgehend unabhängig von den klassischen Kapitalmärkten entwickeln sollen. Hierdurch soll für den Anleger gewährleistet werden, dass sich eine Beimischung von Absolute Return Investments in sein bestehendes Portfolio z. B. aus Aktien, Renten und Immobilien positiv auf das Chancen-Risiko-Profil des Gesamtportfolios auswirkt. Belegt wurde dies in zahlreichen Untersuchungen, die, je nach Beimischungsgrad, eine deutliche Verbesserung der Effizienzlinie nachwiesen. Institutionelle Anleger haben dies bereits seit Jahren erkannt und entsprechende Produkte fest in ihr Portfolio implementiert. Absolute Return Funds verfolgen bestimmte Anlagestrategien, die sie durch Einsatz verschiedenster Finanzinstrumente wie z. B. Aktien, Optionen, Bonds, Aktienleihe oder Wandelschuldverschreibungen umsetzen. Damit geht es bei Hedgefunds nicht um die Fruchtziehung aus dem Investment wie z. B. bei Immobilienfonds; auch nicht um die Erwartung einer mittelfristigen Kurssteigerung wie z. B. bei Aktienfonds und ebenfalls nicht um die Generierung regelmäßiger Zinserträge wie z. B. bei Rentenpapieren. Ziel ist die strategische Aufdeckung und Ausnutzung von Fehlbewertungen oder Marktineffizienzen, die über die Nutzung unterschiedlicher Instrumente zu Erträgen für den Hedgefund führen. Die verfolgten Strategien sind sehr heterogen, lassen sich aber in bestimmte Gruppen mit gemeinsamen Charakteristiken zusammenfassen. 2. Nutzung von Marktineffizienzen durch Arbitragegeschäfte An den Kapitalmärkten finden sich manchmal bei vergleichbaren Anlagen oder vergleichbaren Risiken unterschiedliche Preise für die Anlage (Asset) oder unterschiedliche Vergütungen (Zinsen, Dividenden etc.) für das Eingehen eines vergleichbaren Risikos. Bei Identifikation einer solchen Ineffizienz oder Fehlpreisung wird der Manager im unterbewerteten Anlagesegment investieren und bei der überbewerteten Anlagemöglichkeit „short“ gehen, bzw. ein Instrument einsetzen, welches von dem erwarteten Werteverfall profitiert. Der Manager spekuliert damit nicht auf die Anlage selbst, sondern auf den Spread bzw. die Fehlpreisung zwischen den Anlagemöglichkeiten. Analog gilt dies bei Risiken. Stehen zwei vergleichbaren Risiken, z. B. die Bonität vergleichbarer Unternehmen oder Staaten unterschiedlichen Renditemöglichkeiten, z. B. Zinsen einer Anleihe gegenüber wird der Manager diese Fehlbewertung nutzen. Diese Strategien haben ein sehr konservatives Chancen – Risiko – Verhältnis und verfügen über relativ stabile aber geringe Erträge bei einer geringen Volatilität und starker Unabhängigkeit von den Kapitalmärkten.

Innovative Investmentansätze für Stiftungen

153

3. Aktienbasierte Long-Short-Strategien Grundsätzlich geht es bei dieser Strategiegruppe um die Umsetzung solcher Kapitalmarkterwartungen, die sich aus über- oder unterbewerteten Aktienanlagen ergeben. Typischerweise werden hier unterbewertete Anlagen gekauft und bei überbewerteten Anlagen „short“ gegangen. In Betracht kommt auch die Hebelung der Geschäfte durch den Einsatz von Fremdkapital. Der Ansatz kann sich mit Arbitragestrategien decken, wenn beispielsweise auf den Spread oder Unterschiedsbetrag zweier Wertpapiere eines Unternehmens (Stamm- und Vorzugsaktien) oder vergleichbarer Unternehmen spekuliert wird. Diese Strategien verfügen über ein ausgewogenes Chancen – Risiko – Verhältnis und haben ein höheres Renditepotential bei moderater Volatilität und nur schwacher Korrelation zu den Kapitalmärkten. 4. Global-Macro-Strategien Ausgangspunkt dieser Strategien sind gesamtwirtschaftliche Analysen über die Entwicklung von Wirtschaft und Politik von Volkswirtschaften. Die Manager versuchen, wirtschaftlich, politisch oder gesellschaftlich bedingte Veränderungen zu erkennen. Die Identifikation von neuen Trends oder Trendbrüchen bei Aktienmarkt-, Zins- oder Währungsentwicklungen führen zu Kapitalmarkterwartungen, die durch die Nutzung verschiedener Instrumente des Kapitalmarktes in Investments umgesetzt werden. In diesen Strategien werden zum Teil starke Fremdkapitalquoten eingesetzt. Werden beispielsweise Überbewertungen in einer Währung entdeckt, die künstlich gestützt wird, bedarf es hoher Summen, um einen Marktdruck zu erzeugen, der zu einer angemessenen Bewertung führt. Beim Ausscheiden des britischen Pfundes 1992 aus dem Europäischen Währungssystem wurden Leerverkäufe in Höhe von 10 Mrd. Pfund getätigt. Der Gewinn für George Soros soll dabei 1 Mrd. Pfund betragen haben. 5. Managed Futures – Commodity Trading Advisers (CTA) Unter Managed Futures versteht man die professionelle, vielfach globale und aktive Vermögensverwaltung durch CTAs. Diese investieren in Futures bzw. Waren- oder Finanzterminkontrakte. Die Manager verfolgen meist systematische Handelsstrategien auf Basis rein quantitativer Marktanalysen oder Trendfolgesystemen und können je nach Positionierung von fallenden und steigenden Kursen profitieren. Durch die Kombination von Long- und Short-Engagements einerseits und von Finanz und warenterminkontrakten andererseits kann eine vom Finanzmarkt unabhängige Wertentwicklung erzielt werden. Da Terminprodukte im Vergleich zu Wertpapieranlagen nur geringe Geldbeträge binden, kann ein großer Teil des Fundvermögens am Geldmarkt angelegt sein.

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Beide Strategiegruppen sind sehr risikoorientiert. Sie verfügen über ein sehr hohes Renditepotential bei sehr hohen Volatilitäten. Von Vorteil ist aber die geringe Korrelation zu anderen Kapitalmärkten. 6. Portfoliooptimierung Auch die Beimischung von Hedgefunds in ein klassisches Anlegerportfolio führt zu einer deutlichen Verbesserung des Chancen-Risiko-Profils, wie die Korrelationskoeffizienten zu anderen Anlagen verdeutlichen. Cash

Renten

Aktien

Wohn immobilien

Gewerbeimmobilien

Schiffe

Private Equity

Rohstoffe

Versicherungen

0,13

0,14

0,51

0,09

-0,04

0,00

0,46

0,11

0,03

170 160 150 140 130 120 110 100 90 Apr. 04

Okt. 04

Apr. 03

Okt. 03

Okt. 02

Apr. 02

Apr. 01

Okt. 01

Apr. 00

Okt. 00

Okt. 99

Apr. 99

Okt. 98

80

Hedge Fonds (HFRI FoF) Aktien (MSCI World) Renten (Citi WGBI)

In der 3-jährigen Schwächephase an den internationalen Aktienmärkten von April 2000 bis April 2003 konnten Dach-Hedgefonds fast durchgehend positive Ergebnisse erzielen und so das Gesamtportfolio stabilisieren. Auch hier haben wir die drei besonders schwachen deutschen Aktienmonate mit den Ergebnissen eines breit gestreuten Hedgefund-Index verglichen. Leider lagen für Oktober 1987 noch keine aussagekräftigen Daten vor, da die Anlageklasse erst seit etwa 15 Jahren in das Blickfeld einer breiteren Investorenschaft gerückt ist. Zeitraum

Entwicklung DAX

Entwicklung HFRI

Oktober 1987

-24,23%

k.A.

September 1990

-19,94%

-1,96%

September 2002

-27,51%

-1,54%

Innovative Investmentansätze für Stiftungen

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Die Möglichkeiten der Portfoliooptimierung durch Beimischung von Hedgefunds in ein klassisches Portfolio haben wir auch hier anhand der Positionierung eines Portfolios auf der Effizienzkurve untersucht. Im Beispiel führte eine Beimischung von 13% zu einer Reduzierung des Risikos um 3% bei einer Erhöhung der Nachsteuerrendite um ca. 1%. Aktuelles Portfolio 6% Versicherungen 5%

Rend ite nach Steuern p.a.

Optimiertes Portfolio

4%

2%

0% 0%

Aktuelles Portfolio

Effizienzlinie

Immobilien 33 %

Höhere Rendite bei gesenktem Verlustrisiko

5%

10 %

W ertpapiere & Liquidität 62 %

15 %

Optimiertes Portfolio

Verlustwahrscheinlichkeit p.a. (Rendite < 0% p.a.) Versicherungen 5%

Die Effizienzlinie Auf der Effizienzlinie befinden sich sämtliche Möglichkeiten zur Gestaltung eines Portfolios, die unter Beachtung der gegebenen Anlagerestriktionen als effizient bezeichnet werden. Ein Portfolio ist dann effizient, wenn bei gegebenem Risiko kein Portfolio mit einer höheren Rendite existiert. Und wenn bei gleicher Rendite kein Portfolio mit einem niedrigeren Risiko existiert.

Hedge Fonds 13 %

W ertpapiere & Liquidität 49 % Immobilien 33 %

7. Risikobegrenzung Da einzelne Hedgefonds je nach Strategie hohe Volatilitäten aufweisen ist auch in dieser Anlageklasse das Dachfondskonzept zu bevorzugen. Wie bereits erwähnt, haben die Investmentstile der Hedgefunds unterschiedliche Chancen-Risiko-Gewichtungen. Diesem Umstand wird bei der Allokation eines geeigneten Portfolios Rechnung getragen. Weiterer wichtiger Aspekt sind die unterschiedlichen Korrelationen der Hedgefund-Stile untereinander. In umfangreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass unter bestimmten Kapitalmarktbedingungen einige Stile positiv, andere negativ performen. Während des Bärenmarktes in 2001 und 2002 konnten Shortseller große Gewinne erzielen, während bei Long-Short-Equity die Verluste überwogen. Dies war im Bullenmarkt 1999 umgekehrt. Durch die professionelle Zusammensetzung ist es einem Fund-of-funds möglich, im Portfolio insgesamt eine geringere Volatilität, kontinuierliche Performance und hohe Unabhängigkeit von den Kapitalmärkten zu erzielen. Es ist immer die Rede davon, dass Korrelationen dynamisch sind und in fallenden Märkten steigen. Dies ist auch für einzelne Hedgefundstrategien wie „Long-Short-Equity“ nachgewiesen worden. Für ein gut strukturiertes Portfolio muss dies insgesamt

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nicht gelten. Ein von uns genutztes Portfolio ist noch interessanter. In fallenden Aktienmärkten nahm die Korrelation nicht zu sondern sogar ab. Es konnten gegenläufige Wertenwicklungen nachgewiesen werden. In steigenden Märkten hingegen nahm die Korrelation wieder zu. Das Hedgefund Portfolio konnte so von den Bullenmärkten profitieren, war in Bärenmärkten abgesichert und konnte so in jedem Marktumfeld Gewinne erwirtschaften. Um den Bedürfnissen nach Ausschüttung und Sicherheit gerecht zu werden kommen auch in dieser Anlageklasse strukturierte Produkte mit Kapitalgarantie und fixem oder variablem jährlich auszahlbarem Zinskupon in Betracht. Wir haben in diesem Bereich umfangreiche Erfahrungen gesammelt und vielen Stiftungen den Einstieg in diese Anlageklassen eröffnet. Vergleichbare Ansätze verfolgen wir auch bei anderen, vergleichbaren „Alternative Investments“ wie z. B. Rohstoffen. Leider fehlt es mir an Zeit, um auf dieses überaus interessante Thema einzugehen. Bitte sprechen Sie mich darauf an, wenn wir Sie näher darüber informieren dürfen.

V. Nachhaltigkeit Für Stiftungen ein wichtiges Thema ist auch die Investition in sozial und ethisch orientierte Anlagestrategien, den sogenannten Nachhaltigkeitsfonds oder Indizes, von denen sich in der Vergangenheit einige gut entwickeln konnten. Zu nennen sind hier zunächst vier Indizes. a) Sustainable Asset Management (SAM) Der SAM investiert in Unternehmen, die in ihrer Industrie führend in der Ergreifung von Chancen und der Bewältigung von Risiken sind, die aus den globalen Veränderungen und Herausforderungen entstehen. SAM ist überzeugt, dass diese Unternehmen mehr nachhaltigen Shareholder Value generieren als ihre Wettbewerber. SAM schafft einen Mehrwert für seine Kunden durch die Identifizierung von nachhaltigen Unternehmen, d. h. von Unternehmen, die mehr nachhaltigen Shareholder Value für ihre Investoren generieren. b) Natur-Aktien-Index (NAI) Der Natur-Aktien-Index (NAI) umfasst 25 internationale Unternehmen, die nach besonders konsequenten Maßstäben als erfolgreiche Öko-Vorreiter ausgewählt werden. Der seit 1997 bestehende Index gilt als Orientierung für „grüne Geldanlagen“. Der unabhängige NAI-Ausschuss entscheidet auf der Grundlage der verbindlichen NAI-Kriterien, welche Unternehmen im NAI vertreten sind. Die Unternehmen sind nach Ländern und Branchen gestreut und werden als langfristige ertragreich eingeschätzt.

Innovative Investmentansätze für Stiftungen

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c) FTSE 4 Good Index Der Index wurde entwickelt, um sozial verantwortlichen Anlegern eine Investmentmöglichkeit in die Wertentwicklung von Unternehmen zu ermöglichen, die nach international anerkannten Standards nachhaltig verantwortungsvolle Ziele verfolgen. Diese beziehen sich nicht nur auf Umweltschutz, sondern auch auf transparente Unternehmensführung, sozial verantwortliche Branchen und den sozial verantwortlichen Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten. d) VÖNIX – Nachhaltigkeitsindex Der VÖNIX – VBV-Österreichischer Nachhaltigkeitsindex – ist ein neuer Aktienindex, bestehend aus jenen börsenotierten österreichischen Unternehmen, die hinsichtlich sozialer und ökologischer Leistung führend sind. Träger des VÖNIX ist die VBV-Pensionskasse AG, verantwortlich für die Nachhaltigkeitsanalyse ist die Mag. Friesenbichler Unternehmensberatung. Die Indexzusammensetzung wird grundsätzlich einmal jährlich – Ende Juni – aktualisiert. Wir finden letztlich alle vier Indizes zumindest nicht uninteressant. Auch Aktien gegenüber sind wir mehr als aufgeschlossen. Letztlich bieten sie aber Risiken, die durch einen breiten Index durch Diversifikation gemindert werden, dennoch besteht für Stiftungen hier ein beachtliches Risikopotential. Um dieses weiter zu reduzieren und gleichzeitig an der Wertentwicklung nachhaltig verantwortungsvoll agierender Unternehmen zu partizipieren, haben wir strukturierungsseitig umfangreiche Untersuchungen vorgenommen. Im Ergebnis kamen wir zur Entwicklung sogenannter „Rainbow-Strukturen“ für mittel- bis langfristig orientierte Anleger. Produkte zur Armutsbekämpfung

Sozial-ökologisch orientierte Forschung

SAM

Umwelt Unternehmen

Regenerative Energieerzeugung

FTSE 4Good

NAI

VÖNIX

Basket

Wertentwicklung am Laufzeitende: vom besten Index 100% vom zweitbesten Index

0%

vom drittbesten Index

0%

vom schlechtesten Index

Garantie

+

0%

Partizipation an der Perfomance des besten Indizes

Biologische Landwirtschaft

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Jörg Liesner

Stark vereinfacht stellen Sie sich bitte vor, Sie investieren vollständig kapitalgarantiert gleichzeitig in vier verschiedene Anlagen, z. B. vier verschiedene Nachhaltigkeitsaktienindizes. Zum Ende der Laufzeit erhalten Sie die Wertentwicklung nur desjenigen Indizes, der sich am besten entwickelt hat, die drei schwächeren – oder negativen – fallen unter den Tisch. Sie erhalten ausschließlich die Wertentwicklung der besten Anlage, allerdings immer nur die quartals- oder monatliche Durchschnittsentwicklung. Es wäre sogar möglich, eine solche strukturierte Finanzanlage neben der Kapitalerhaltgarantie mit einem garantierten Zinskupon zu versehen. Letztlich werden wir mit Ihnen eine solche Anlage gemeinsam entwickeln. Dabei würden wir uns zunächst für geeignete Märkte oder Indizes entscheiden. Idealerweise für solche, die sich zum Teil gegenläufig entwickeln, um einen besonders guten zu „erwischen“, da die negativen „unter den Tisch fallen“. Für die konkrete Umsetzung sprechen Sie mich gerne an. VI. Schluss Wie bereits mehrfach betont, sollten sich Stiftungen erstens nicht den Möglichkeiten der „Alternativen Investments“ verschließen und, wie das letzte Beispiel zeigt, zweitens die stetig weiterentwickelten Möglichkeiten der strukturierten Finanzanlage nutzen, um die individuellen Anforderungen und Wünsche optimal umzusetzen. Wie ebenfalls betont, steht Ihnen die Berenberg Bank bei der Beratung und individuellen Umsetzung auch von komplexen Anforderungsprofilen jederzeit gerne zur Verfügung. Unsere Kompetenz, die wir in den vergangenen vierhundert Jahren bereits vielen Stiftungen zur Verfügung stellten, können wir Ihnen nicht in einem kurzen Vortrag oder einer bunten Broschüre beweisen, sondern nur im persönlichen Gespräch. Hierbei werden wir mit Ihnen in einem auf Sie zugeschnittenen Projekt Ihre individuelle Anlagestrategie verwirklichen.

Nachhaltige Vermögensverwaltung im Bereich der kirchlichen Stiftungen * Anlage von Stiftungsvermögen im Einklang mit dem kirchlichen Auftrag Franziska Grüner und Sonja Gebhard Die Anlage von Stiftungsvermögen kommt vielfach einem Kreislauf gleich: Stiftungen fördern durch Ihre Investitionen in Aktien und Renten indirekt Unternehmen oder Organisationen, die durch Produktionsmethoden bzw. Produkte Umwelt- oder Gesellschaftsschädigungen in Kauf nehmen. In der Folge werden diese Schädigungen in Verwirklichung des Stiftungszwecks wieder repariert. Nachhaltige Kapitalanlagen stellen einen Weg dar, diesen Kreislauf zu durchbrechen. So kann dem Stiftungszweck und dem kirchlichen Auftrag bereits bei der Kapitalanlage Rechnung getragen werden. I. Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit? Verwaltern von Stiftungsvermögen werden, wenn der Begriff Nachhaltigkeit fällt, zuerst die Stiftungsgesetze der Länder oder die Stiftungsordnungen der Bistümer einfallen. Fast alle Stiftungsgesetze schreiben mehr oder weniger explizit vor, das Vermögen der Stiftung ungeschmälert zu erhalten. Der Vermögensverwalter steht in der Verantwortung, das Stiftungsvermögen so anzulegen, dass nicht nur der Stiftungszweck daraus erfüllt werden kann, sondern dass darüber hinaus auch die Verwaltungskosten gedeckt sind. Zudem sollten tunlichst Rücklagen gebildet werden können. Somit bedeutet Nachhaltigkeit für eine Stiftung primär die Erhaltung des Kapitalvermögens im Bestand sowie in seiner Kauf- und Ertragskraft. Die Sicherstellung, dass eine Stiftung am Jahresende eine mindestens identische, wenn nicht höhere Stiftungsleistung erbringen kann als am Jahresanfang, steht im Vordergrund. Um dieses Ziel zu erreichen, wird nahezu jede Stiftung ihr Vermögen teilweise in Aktien oder Renten anlegen bzw. entsprechende Fonds erwerben. *

Ein Beitrag der Bank Sarasin & Cie AG.

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Franziska Grüner und Sonja Gebhard

Mit dem Erwerb solcher Positionen erfolgt zwangsläufig die Unterstützung des emittierenden Unternehmens, und so kommt es häufig vor, dass in Unternehmen investiert wird, die in ihrer Unternehmenstätigkeit faktisch dem Stiftungszweck zuwiderlaufen. So sind Umweltstiftungen, die in Chemieunternehmen mit hohem Schadstoffausstoß investieren, Stiftungen in der Friedensforschung oder -förderung, die Aktien aus der Rüstungsindustrie in ihrem Depot halten, genauso denkbar wie kirchliche Stiftungen, die Aktien von Unternehmen halten, die Kinderarbeit oder Pornographie unterstützen. Widersprüche dieser Art müssen nicht aktiv gesteuert sein: Welcher Vermögensverwalter macht sich schon Gedanken oder hat das umfassende Wissen, welche Titel in einem Fonds enthalten sind – zumal diese ständig wechseln – oder welche Aktien im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandates von einer beauftragten Bank gekauft werden? Solche Formen des Outsourcing sollen ja gerade zu einer Entlastung führen. Einen Ausweg aus diesem Spannungsfeld bieten nachhaltige Kapitalanlagen. Außerhalb des Stiftungssektors wird der Terminus „Nachhaltigkeit“ nämlich nicht nur für die Realwerterhaltung, sondern auch dafür verwendet, die Bedürfnisse heutiger Generationen befriedigen zu können, ohne zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen, ihrerseits ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Im Allgemeinen wird der Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem als „Königsweg“ angesehen, dieses zu gewährleisten. Ein solcher, weitergehender Nachhaltigkeitsbegriff stellt bei der Anlage von Stiftungsvermögen also die Frage, womit die nachhaltige, reale Werterhaltung / Wertsteigerung erzielt – oder aber erkauft wird. II. Unüberschaubarer Markt Diese Überlegungen haben den Markt für nachhaltige Kapitalanlagen geöffnet. Infolge der zunehmenden Sensibilisierung gerade institutioneller Anleger besteht inzwischen kaum noch Mangel an solchen Anlagemöglichkeiten. Stiftungen stehen aufgrund ihrer Konstruktion und ihres Auftrages in der Verantwortung, hier hinsichtlich Nachhaltigkeitsresearch und Rendite die Spreu vom Weizen zu trennen. Die ethischen, ökologischen und sozialen Eigenschaften müssen zwangsläufig mit einer guten Wertentwicklung einhergehen. Insofern kommt z. B. für die wenigsten Stiftungen ein Spendenfonds oder eine Anlage, bei der bewusst eine unterdurchschnittliche Rendite zugunsten der Förderung ethischökologischer Projekte in Kauf genommen wird, in Betracht. Nachfolgend wird erläutert, worauf es bei einem auch finanziell nachhaltigen Konzept zur Anlage von Stiftungsvermögen ankommt.

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III. Analyse- und Anlagekonzepte der Anbieter Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitskonzept ist zunächst ein professioneller Analyseprozess. Anbieter nachhaltiger Kapitalanlagen sollten darüber Auskunft erteilen können, auf welche Basis diese ihre Informationsbeschaffung stützen. Bei der Nachhaltigkeitsanalyse von Aktien (und auch Renten, dazu später mehr) können Analysten auf eine Vielzahl von Informationslieferanten zurückgreifen. Umweltorganisationen, Menschenrechtsgruppierungen, Branchenverbände, Wettbewerber, einzelne Kunden, Lieferanten, Verbände und Gewerkschaften liefern wertvolle Informationen. Die wertvollsten Informationen erhält man durch Unternehmensbesuche und Management-Kontakte. IV. Nachhaltigkeitsratings von Aktien und Renten Kernstück eines jeden Nachhaltigkeitskonzeptes sollte das Nachhaltigkeitsrating sein. Hinter dem Rating steht die Idee, eine objektive Vergleichbarkeit von Unternehmen mit gleicher Branchenzugehörigkeit und von Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu ermöglichen. Eine transparente Möglichkeit bietet hier die zweidimensionale Darstellung (vgl. auch das Beispiel der Sustainability-Matrix der Schweizer Bank Sarasin & Cie AG in der Grafik). Das Branchenrating erteilt auf der X-Achse Auskunft über die Nachhaltigkeit einer Branche. Links (=niedrig) werden z. B. Branchen mit hohem Schadstoffausstoß oder Energieverbrauch (Chemieunternehmen, Erdölindustrie) eingeordnet; Rechts (=hoch) befinden sich z. B. Wasser- oder Windkraftunternehmen, Softwarehersteller oder Hersteller aus dem HealthCare-Bereich. Kriterien für die Einordnung sind z. B. soziale Konfliktträchtigkeit und das Risiko für die Umwelt. Das Unternehmensrating auf der y-Achse dagegen informiert im Rahmen der Auswahl für das Anlageuniversum darüber, welches Unternehmen innerhalb seiner Branche besonders nachhaltig wirtschaftet (der sogenannte „Best in Class“ – Ansatz). Das Anlageuniversum einer Stiftung könnte sich z. B. im grau unterlegten Feld der Grafik wiederfinden:

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Unter Berücksichtigung der Finanzanalyse und der stiftungsspezifischen Branchenausschlusskriterien lässt sich auf diese Weise jedes Aktienportfolio einer Stiftung nachhaltig verwalten. V. Nachhaltige Renten Stiftungen werden ihr Kapital aufgrund von Diversifikationsüberlegungen nicht vollständig in Aktien anlegen. So stellt sich die Frage, inwieweit auch festverzinsliche Wertpapiere unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten betrachtet werden können. Untersucht werden muss auch hier, inwieweit diese Wertpapiere (bzw. deren Emittenten wie z. B. Staaten und supranationale Organisationen) einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Dabei sind diverse Kriterien denkbar. Neben dem absoluten Verbrauch an Umweltressourcen und der „Sozialkompetenzen“ ist die Effizienz eines Landes im Umgang mit den Ressourcen zu bewerten. Effizientere Länder leisten höhere Beiträge zur Nachhaltigkeit. Anhand eines hohen oder geringen Pro-Kopf-Energieverbrauchs alleine kann noch keine Bewertung getroffen werden – wichtig ist vielmehr, die verbrauchte Energie auch effizient zu nutzen. Zur Beurteilung können ferner Faktoren wie die Höhe des Energieverbrauchs pro Einheit Bruttoinlandsprodukt, Einkommenshöhe und -verteilung, Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Gleichmäßigkeit der Einkommensverteilung, Arbeitslosenrate oder Ausbildungsstand herangezogen werden.

Nachhaltige Vermögensverwaltung im Bereich der kirchlichen Stiftungen

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VI. Nachhaltige Kapitalanlagen rentieren sich tendenziell besser „Nichts im Leben ist umsonst“. Dieses führt sprichwörtlich dazu, dass nachhaltige Kapitalanlagen früher mit dem Vorurteil behaftet waren, schlechter zu rentieren als herkömmliche. Immerhin würden auch die Berücksichtigungen ethischer, sozialer und ökologischer Belange etwas kosten, also gehen diese Investments zu Lasten der Performance – so die Kritiker. Vor 1994 war das sogar in der Tat berechtigt. Die „Ökofonds“ der ersten Generation verfolgten anstatt einer Diversifikation einen reinen Branchenansatz – verbunden mit den entsprechenden Risiken: Konnte sich eine umweltfreundliche Branche nicht durchsetzen, hatte dieses unmittelbaren, zuweilen kapitalvernichtenden Einfluss auf das Fondsvermögen. Heute, nach einem grundlegenden Wandel der Konzepte, kann, auch durch diverse Studien belegt, bewiesen werden, dass nachhaltige Anlagen nicht schlechter rentieren als herkömmliche – tendenziell wurde sogar eine bessere Rendite ermittelt. Unter der Voraussetzung, dass seitens des Produktanbieters eine kompetente und umfangreiche finanzielle Analyse betrieben wird, kann die Aussage getroffen werden, dass nachhaltiges Management immer auch gutes Management ist. Der Grund liegt auf der Hand: Analysten sehen ökologische Nachzügler wegen der noch zu tätigenden Umweltinvestitionen in der Finanzbewertung äußerst kritisch. Das ist verständlich: Wer durch ein professionelles Umweltmanagementsystem dafür sorgt, dass Schadstoffe in der Produktion gar nicht erst entstehen, muss diese im Anschluss nicht kostenintensiv entsorgen. Das Ölunternehmen, welches beim Neukauf eines Tankers die aufwendigere, doppelwandige Version wählt, hat zwar vordergründig höhere Kosten, senkt jedoch die Risiken einer Umweltkatastrophe erheblich, was wiederum durch Finanzanalysten und Markt honoriert wird. Eindrucksvolle Indizien für diese These werden ständig erbracht. Betrachtet man z. B. die Performance des Domini 400 Social Index (dieser enthält 400 nach sozialen Kriterien überprüfte US-Unternehmen), so liegt dieser in den letzten zehn Jahren deutlich über der Performance des vergleichbaren Standard & Poors 500. Wertentwicklungen dieser Art sind keineswegs zufällig, sondern das Ergebnis eines abgerundeten und durchdachten Rating- und Finanzkonzeptes.

VII. Fazit Entscheidet sich eine kirchliche Stiftung für eine breit diversifizierte, nachhaltige Anlage in Aktien und Renten, kann sie dadurch nicht nur positiv im Sinne des

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Stiftungszwecks wirken, indem sie einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit und zu einer nachhaltigen Entwicklung leistet, sondern zusätzlich Überrenditen erwirtschaften. Gerade die bekanntermaßen auf die Ewigkeit ausgerichteten Stiftungen sollten durch die Anlage des Stiftungsvermögens im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung Einfluss ausüben. ***

Was sind nachhaltige Kapitalanlagen? Nachhaltige Kapitalanlagen in Aktien oder Renten sind prinzipiengeleitete Investments, bei denen neben der Höhe des Gewinns zusätzlich ermittelt wird, wie dieser erwirtschaftet wird. Analysiert werden dabei Umwelt- und Sozialeinflüsse von Produkten und Produktionsmethoden. Die Gründe für auszuschliessende Unternehmenstätigkeiten oder Prozesse sind so individuell und differenziert wie die Investmentansätze. Nachhaltige Investments sind nicht ausschliesslich ethisch oder ökologisch fundiert. Der sichere Fortbestand menschlichen Lebens auf der Erde hat oberste Priorität; dieses wiederum ist nur durch ein Zusammenspiel der Faktoren Ökologie, Soziales, aber auch durch Ökonomie zu erreichen. Unterschiede zu reinen Ethik- oder Ökoanlagen: Ausschliesslich ethisch orientierte Anlagen schliessen letztlich aus Glaubens- oder Gewissensgründen gewisse Produkte oder Prozesse restriktiv aus (z. B. genereller Ausschluss von Tierversuchen). Ausschliesslich ökologisch orientierte Anlagen haben den Schutz der Umwelt als oberste Priorität. Ansatz: Integrierter und vorsorgender Umweltschutz und ÖkoEffizienz.

IV. Die rechtlichen Grundlagen des kirchlichen Stiftungswesens

Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der kirchlichen Stiftung Heinrich de Wall I. Einleitung Das Stiftungsrecht, und zwar sowohl die steuerrechtliche Behandlung der Stiftung als auch das Stiftungsprivatrecht, ist in den vergangenen Jahren grundlegend geändert worden. Schließlich wurden und werden auch die verwaltungsrechtlichen Aspekte, namentlich die Genehmigung und Aufsicht der Stiftungen, im Rahmen der Stiftungsgesetze der Länder reformiert 1. Die dabei verfolgte Tendenz ist eindeutig. Es ging um die Erleichterung des Stiftens und die Liberalisierung seiner rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie bereits lange gefordert worden waren. Solche Forderungen wurden nicht nur auf politische, sondern auch auf verfassungsrechtliche Erwägungen gestützt. Mit ihrer Umsetzung hat auch die verfassungsrechtliche Diskussion an Schubkraft verloren. Ob tatsächlich etwa der Übergang zum Normativsystem mit der ausdrücklichen Einführung eines Rechts auf Stiftungsanerkennung statt einer auf Ermessen beruhenden Genehmigung verfassungsrechtlich gefordert ist 2, braucht an sich nicht mehr diskutiert zu werden. Wenn im Folgenden die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Stiftungswesens im Allgemeinen und des kirchlichen Stiftungswesens im Besonderen skizziert werden, so handelt es sich um einen weitgehend geklärten und unumstrittenen Bereich. Dabei sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Garantien und Grundsätze dargestellt werden, die für alle Stiftungen ungeachtet der Frage ihrer Kirchlichkeit gelten. Allerdings werden dabei die Vorschriften und Tatbestandsmerkmale, die für kirchliche Stiftungen von vornherein anders zu beurteilen sind als für andere Stiftungen, nicht vertiefend behandelt. Sodann sollen die Besonderheiten des kirchlichen Stiftungswesens erläutert werden, wobei die Vorschriften 1 Einen Überblick bieten Schulte / Risch, Die Reform der Landesstiftungsgesetze, DVBl. 2005, S. 9 – 17. 2 So etwa Hof, in: Seifart / v. Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts (HdbStiftR), 1999, § 4 Rn. 9; Schulte, Staat und Stiftung, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Stiftungsrechts und der Stiftungsaufsicht, 1989, S. 42 ff.; anders z. B. Andrick, Stiftungsrecht und Staatsaufsicht, 1988, S. 98 f.

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des Grundgesetzes im Vordergrund stehen. Das Landesverfassungsrecht hat hier nur wenig über das Bundesverfassungsrecht hinausgehende Bedeutung. II. Der verfassungsrechtliche Schutz der Stiftungen allgemein 1. Kompetenzrechtliche Fragen Die in den früheren Jahren der Bundesrepublik diskutierte Frage nach den Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Stiftungswesens ist schon seit langem geklärt. Dass der Bundesgesetzgeber seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht aus Art. 74 I Nr. 1 GG auch für den Bereich des Stiftungsprivatrechts geltend machen kann und dies ja auch getan hat, bedarf ebenso wenig der Diskussion wie die Verortung des Verfahrens der Stiftungsgenehmigung bzw. -anerkennung, der Stiftungsaufsicht und des Rechts der öffentlichrechtlichen Stiftungen im Bereich der Landesgesetzgebung. Allerdings hat die kompetenzrechtliche Seite durch die Neuregelung des Stiftungsprivatrechts neue praktische Bedeutung erhalten. Durch die abschließende normative Aufzählung der Voraussetzungen für eine Stiftungsanerkennung hat der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz soweit Gebrauch gemacht, dass weitere Anforderungen formulierende Regelungen der Landesstiftungsgesetze für die Genehmigung rechtsfähiger privatrechtlicher Stiftungen nunmehr verfassungsrechtlich keinen Bestand mehr haben können. Entsprechende Vorschriften sind als nichtig zu behandeln 3. Soweit landesrechtliche Regelungen überhaupt noch die „Genehmigung“ einer rechtsfähigen privatrechtlichen Stiftung kennen 4, ist dieser Begriff als „Anerkennung“ i. S. d. § 80 I BGB zu lesen. Schließlich besteht kein Ermessen mehr bei der Anerkennung einer rechtsfähigen Stiftung des privaten Rechts. 2. Der Schutz des Stifters – Stiftungsfreiheit Im Vordergrund der folgenden Erörterungen sollen aber nicht die kompetenzrechtlichen, sondern die grundrechtlichen und die staatskirchenrechtlichen Dimensionen des Stiftungsrechts stehen. Bei der Frage nach der grundrechtlichen Verankerung und nach dem grundrechtlichen Schutz des Stiftungswesens ist nach den in Betracht stehenden Beteiligten stiftungsrechtlicher Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. Insofern ist zuerst auf den Schutz des Stifters, sodann auf den Schutz der Stiftung selbst und schließlich 3

Schulte / Risch, DVBl. 2005, S. 10; vgl. a. Voll / Störle, Bayerisches Stiftungsgesetz, 4. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 1. 4 Vgl. nur Art. 3, 4 BayStiftG, § 4 BremStiftG.

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auf die Stellung des Begünstigten einer Stiftung einzugehen. Dabei sind natürlich die unterschiedlichen Rechtsformen der Stiftung, rechtsfähig und unselbständig sowie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich, in Rechnung zu stellen. Im Hinblick auf den Stifter selbst ist von einer äußerst stiftungsfreundlichen Richtung in der Literatur ein umfassendes Grundrecht der Stifterfreiheit auf der Grundlage von Art. 2 I GG entwickelt worden 5. Die Stifterfreiheit soll nicht nur die Befugnis umfassen, eine Stiftung zu errichten, sondern wird darüber hinaus weiter ausdifferenziert. Sie umfasst nach diesem Konzept eine Regelungsfreiheit, also das Recht der freien Ausgestaltung von Stiftungsgeschäft und Satzung, das Recht den Stiftungszweck zu bestimmen und das Recht der Wahl zwischen den verfügbaren Rechtsformen. Dazu tritt die Freiheit der Bestimmung des Destinatärs, die Freiheit der Namensgebung, die Wahl des Sitzes, die Regelung der internen Organisation, der Dauer und des Vermögensanfalls. Auch die Zulassung von Satzungsänderungen fällt danach unter die Stifterfreiheit 6. Dieses Konzept ist nicht zu Unrecht auf erhebliche Kritik gestoßen 7. Allerdings zielt die Kritik nicht auf die Anerkennung einer weitgehenden Stifterfreiheit selbst. Das dahinter stehende Anliegen, das Stiftungsrecht von älteren, etatistischen Vorstellungen zu befreien, ist gar nicht zu rügen. So sind frühere Vorstellungen, es gebe ein freies Genehmigungsermessen der Behörden, mit dem erreichten Stand rechtsstaatlicher und grundrechtlicher Dogmatik nicht in Einklang zu bringen. Die grundsätzliche Akzeptanz und Freistellung rein privatnütziger Stiftungen ist ebenfalls zu begrüßen, auch wenn sie für den Bereich der kirchlichen Stiftungen keine Bedeutung hat. Schließlich ist natürlich völlig richtig, dass Genehmigungsvorbehalte oder staatliche Aufsicht nicht einfach als historische Gegebenheiten zu rechtfertigen sind, die vermeintlich im „Wesen“ der Stiftung liegen. Sie können auch nicht einfach als Korrelat der rechtlichen Verselbständigung der Stiftung ohne weitere Begründung für verfassungsrechtlich zulässig erklärt werden. Dass dem die Begründungsbedürftigkeit staatlicher Eingriffe im Rahmen der Rechtfertigungsvorbehalte der Grundrechte entgegengehalten wird, ist nicht zu beanstanden. Freilich berücksichtigt das Konzept einer auf Art. 2 I GG gestützten Stifterfreiheit zweierlei nicht hinreichend: Zum einen wird dem Vorrang der speziellen Freiheitsrechte mit ihren ebenso speziellen Schrankenregelungen nicht hinreichend Rechnung getragen. Stifterfreiheit besteht zu wesentlichen Teilen in der Freiheit der Verfügung über vermögenswerte Rechte. Diese Freiheit ist aber nach dem grundgesetzlichen Konzept nicht im allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 I GG, sondern in der Eigentumsfreiheit des Art. 14 I GG verankert. Die Sozialbindung 5 Siehe namentlich Hof, in: HdbStiftR, § 4 Rn. 10 ff., in Anlehnung an Strickrodt, Stiftungsrecht, 1977, S. 70 ff. und Reuter, in: MünchKomm BGB, 5. Aufl. 2006, vor § 80 Rn. 26 ff.; begriffsprägend Frowein, Grundrecht auf Stiftung, 1976. 6 Zur Stifterfreiheit und Umfang derselben Hof, in: HdbStiftR, § 4 Rn. 28 ff. 7 Schulte, Staat und Stiftung (Anm. 2), S. 36 f., 40.

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des Eigentums kann dabei als eine Lockerung der allgemeinen Anforderungen an Grundrechtseingriffe gedeutet werden, so dass die Zuweisung der Stifterfreiheit an Art. 14 I GG statt Art. 2 I GG sozialstaatliche Bindungen der Stifterfreiheit durch Gesetz erleichtert. Im Übrigen ist für alle Elemente der vermeintlich einheitlichen Stifterfreiheit je im Einzelnen zu untersuchen, welcher Freiheitsbereich im Einzelfall betroffen ist. Auch wenn grundsätzlich das Recht, sein Vermögen für einen bestimmten Zweck auf Dauer zur Verfügung zu stellen, von Art. 14 I GG umfasst ist, schließt das nicht aus, dass Einzelaspekte des Stiftungswesens anderen Garantien unterfallen. So scheint es mir etwa zutreffend, die Freiheit zur Gestaltung der internen Organisation einer Stiftung Art. 2 I GG zuzuordnen. Entsprechendes gilt, was allerdings auch vom Konzept der Stifterfreiheit aus Art. 2 I GG nicht in Abrede gestellt wird, für spezielle Zweckbestimmungen bei einer Stiftung: Diese können auch anderen Freiheitsrechten, wie etwa der Religionsfreiheit, unterfallen. Nicht nur der subsidiäre Charakter des allgemeinen Freiheitsrechts wird vom Konzept der auf Art. 2 I GG gestützten Stifterfreiheit verkannt. Daneben wird auch der Charakter dieser Vorschrift und der anderen Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte nicht hinreichend berücksichtigt. Diese Bedenken sind nicht neu, gleichwohl aber nach wie vor aktuell und zutreffend 8: Wie die anderen Grundrechte schützt auch Art. 2 I im Grundsatz das Recht des Einzelnen, von staatlicher Intervention in Form eines freiheitsbeschränkenden Eingriffs verschont zu werden. Die Gründung einer Stiftung ist aber nicht die Inanspruchnahme einer Freiheit, die auch ohne den Staat existieren könnte. Vielmehr ist die Gründung einer Stiftung die Inanspruchnahme einer vom Staat zur Verfügung gestellten Rechtsform. Ein Anspruch auf bestimmte Rechtsformen lässt sich aber aus den Grundrechten nur sehr beschränkt herleiten – nämlich nur sofern die Grundrechte Einrichtungsgarantien enthalten, wie wir sie in Form der Eigentumsgarantie, des Erbrechts oder für den besonderen Schutz der Ehe kennen 9. Aus dem Grundgesetz ableiten zu wollen, dass die Stiftung als rechtlich verselbständigte Vermögensgesamtheit mit eigener Rechtspersönlichkeit verfassungsrechtlich gefordert ist, was ja Voraussetzung einer vermeintlichen Stifterfreiheit in dem geschilderten Umfang ist, überdehnt Text und Sinn der Grundrechte. Zwar lässt sich aus dem Eigentumsgrundrecht das Recht herleiten, dass der Staat für die dauerhafte Widmung eines Vermögens bzw. einzelner Bestandteile davon zu einem bestimmten Zweck überhaupt Rechtsformen zur Verfügung stellen muss. Das muss aber nicht in Form von Stiftungen geschehen. Denkbar sind vielmehr auch andere rechtliche Konstruktionen wie Treuhandverhältnisse, Kapitalgesellschaften mit gesonderter Zwecksetzung oder dergleichen. Eine Einrichtungsgarantie der Stiftung ist Art. 14 GG oder Art. 2 I GG daher nicht zu entnehmen. 8

Schulte, Staat und Stiftung (Anm. 2), S. 37. Siehe zu den Einrichtungsgarantien umfassend Mager, Einrichtungsgarantien. Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und grundgesetzgemäße Neubestimmungen einer dogmatischen Figur des Verfassungsrechts, 2003. 9

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Es geht bei der Kritik des Konzepts der umfassenden, aus Art. 2 I GG hergeleiteten Stifterfreiheit nicht darum, eine grundrechtliche Fundierung der Stifterfreiheit in Abrede zu stellen. Ihre Grundlage findet sie aber in Art. 14 I GG. Sofern mit der Errichtung einer Stiftung bestimmte Zwecke verfolgt werden, die von speziellen Freiheitsrechten umfasst sind, vermittelt überdies das jeweils einschlägige Freiheitsrecht Schutz 10. Die Verfügung ad pias causas ist daher grundsätzlich durch Art. 4 I und II GG, die Religionsfreiheit, geschützt. Auch Einzelaspekte – wie etwa die Regelung der internen Organisation – können anderen Grundrechten unterfallen als Art. 14 I GG. Eine grundrechtliche Garantie der Stiftung als Rechtsform lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. 3. Juristische Personen als Stifter Der umfassende Schutz des Stifters, der durch die Grundrechte gewährleistet ist, gilt im Rahmen von Art. 19 III GG auch dann, wenn der Stifter eine juristische Person im weiteren Sinne ist. Voraussetzung ist, dass das jeweils einschlägige Grundrecht dem Wesen nach auf die juristische Person anzuwenden ist. Für die allgemeine Handlungsfreiheit und das Eigentumsrecht als die thematisch wichtigsten Grundrechte ist der Schutz umfassend auch für juristische Personen des Privatrechts gewährleistet. Für den hier besonders interessierenden Bereich des kirchlichen Stiftungswesens ist eine vieldiskutierte Frage von minderer Brisanz als sonst. Bekanntlich ist es zweifelhaft und umstritten, inwieweit juristischen Personen des Öffentlichen Rechts der Schutz der Grundrechte zugute kommt 11. Auch sofern die Kirchen Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind, kommt freilich ihnen der Grundrechtsschutz umfassend zu. Dies ist indes nicht, wie bei den Universitäten und Rundfunkanstalten damit zu begründen, dass die Kirchen für die Verwirklichung gerade eines bestimmten Freiheitsbereichs – Rundfunkfreiheit oder Wissenschaftsfreiheit – durch den Staat geschaffene Einrichtungen sind. Die Kirchen stehen, auch wenn sie die besonderen Rechte einer Körperschaft des Öffentlichen Rechtes genießen, dem Staat im Grundsatz wie jedes andere Individuum oder jede andere Personengemeinschaft gegenüber. Sie sind daher grundrechtlich ebenso geschützt wie juristische Personen des Privatrechts. Dies hat deshalb Bedeutung, weil ihnen nicht etwa nur – wie bei den Universitäten und Rundfunkanstalten – der Schutz des thematisch einschlägigen Grundrechts zukommt, sondern der Schutz grundsätzlich aller Grundrechte, soweit sie nach Art. 19 III GG juristischen Per10 Dagegen aber Rawert, Die Genehmigungsfähigkeit der unternehmensverbundenen Stiftung, 1990, S. 64. 11 Siehe etwa Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Rn. 251 ff.; Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts (HdbStR), Band V 2, 2000, § 116 Rn. 72ff.

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sonen zukommen 12. Auch die Kirchen können sich auf die Meinungsfreiheit und natürlich erst recht auf die Eigentumsfreiheit des Art. 14 I GG berufen, ganz ungeachtet der besonderen Garantie des kirchlichen Vermögens in Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 WRV. Eine Rolle spielt die allgemeine Diskussion um den Grundrechtsschutz juristischer Personen des Öffentlichen Rechts in unserem Bereich daher allenfalls dann, wenn der Bund, ein Land oder eine Gemeinde eine Stiftung zugunsten der Kirche errichten möchte und dadurch von einem anderen Träger von Hoheitsgewalt, etwa der Stiftungsaufsicht, abgehalten werden soll. Ungeachtet der Probleme, die sich hier ohnehin im Blick auf Neutralität und Gleichheitssatz ergeben können, wäre ein Grundrechtsschutz der „Stifterfreiheit“ in einem solchen Fall zu verneinen. III. Die Stiftung als Grundrechtsträger Unbestritten ist, dass rechtsfähige Stiftungen des privaten Rechts grundsätzlich Träger von Grundrechten sein können. Als eine der Grundformen der juristischen Person werden sie ohne weiteres durch Art. 19 III GG erfasst. Die Stiftungen sind insofern eine Herausforderung an die Verfassungsrechtsdogmatik, als eine gängige Begründung für die Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen hier nicht ohne weiteres greift. Wenn dafür darauf abgestellt wird, ob der Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen sinnvoll ist, so versagt diese Konstruktion bei der Stiftung – mangels natürlicher Personen als ihr Substrat. Dies ist allerdings nicht Anlass, an der Grundrechtsfähigkeit von Stiftungen zu zweifeln, sondern an der Überzeugungskraft des Durchgriffsarguments. Entscheidend ist, dass die Stiftung als Ausdruck und Verlängerung von Eigentum und Privatautonomie gegenüber staatlichen Eingriffen ebenso schutzbedürftig ist wie andere Sach- oder Personengesamtheiten. Unselbständige Stiftungen können dagegen nicht selbst Träger von Grundrechten sein. Ihr Schutz wird durch die Grundrechte des Trägers vermittelt. Wichtig ist die Grundrechtsträgerschaft der Stiftung vor allem gegenüber der staatlichen Aufsicht. Die Einsicht in die grundrechtliche Dimension hat hier dazu geführt, dass die Stiftungsaufsicht schon seit längerem, unter maßgeblicher Anleitung des Bundesverwaltungsgerichts 13, als reine Rechtsaufsicht aufgefasst wird, bei der die Zweckmäßigkeit der Handlungen der Stiftungsorgane, eben weil sie Ausdruck gesellschaftlicher Freiheit sind, grundsätzlich nicht überprüft werden darf. Dabei sind freilich Abgrenzungsprobleme nicht zu vermeiden. Die staatliche Aufsicht kann mit dem Bundesverwaltungsgericht damit begründet werden, dass 12

Zum Problem Hollerbach, in: HdbStR VI, 1989, § 138 Rn. 124 ff.; siehe auch v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 2006, § 12, S. 52 f. 13 BVerwGE Urt. v. 22. 9. 1972 VII C 27.71 – BVerwGE 40, 347.

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die Stiftung „die einzige juristische Person (ist), die nicht durch an ihr korporationsoder vermögensrechtlich beteiligte natürliche Personen kontrolliert wird. Es besteht daher ein überwiegendes öffentliches, von der Stiftungsaufsicht zu wahrendes Interesse daran, dass die Stiftungsorgane ihre Handlungsfreiheit nicht entgegen dem in der Stiftungssatzung niedergelegten Willen des Stifters ausnützen“ 14. Das gilt jedenfalls für die Stiftungen, deren Zweck nicht rein privatnützig ist, also die in der Diktion des Bayerischen und anderer neurer Stiftungsgesetzes „öffentlichen“ Stiftungen. Allein um solche Stiftungen geht es aber auch im kirchlichen Bereich. Dass auch im Rahmen der Rechtsaufsicht im Gesetz enthaltene Rechtsbegriffe wie die „gewissenhafte und sparsame Verwaltung der Stiftung“ Raum für Wertungen lassen, ist im juristischen Bereich nichts Ungewöhnliches. Es relativiert den Unterschied zwischen Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitsaufsicht. Der Grundrechtsschutz gebietet hier im Zweifel eine freiheits- bzw. stiftungsfreundliche Auslegung 15. Dass der Gesetzgeber des Bayerischen Stiftungsgesetzes bei rein privatnützigen Stiftungen auf die Aufsicht verzichtet, bestätigt und festigt die grundrechtliche Stellung der Stiftung. Soweit die kirchlichen Stiftungen durch die Landesstiftungsgesetze von der staatlichen Aufsicht freigestellt sind, ist dies Ausdruck sowohl des staatlichen Vertrauens in die kirchliche Aufsicht wie des grundsätzlich gebotenen, freiheitsfreundlichen und dem Staat nur subsidiäre Bedeutung zumessenden Regelungskonzepts des Gesetzgebers. Dies ist auch Konsequenz der Erkenntnis, dass Stiftung Freiheitsbetätigung ist, die von staatlichem Eingriff möglichst freigestellt sein soll. Im Einzelnen besteht über die anwendbaren Grundrechte Diskussionsbedarf. Dass allerdings Stiftungen mit religiöser Zwecksetzung auch den Schutz der Religionsfreiheit für sich in Anspruch nehmen können, ist unbestritten. Auf die Besonderheiten der kirchlichen Stiftungen wird noch zurückzukommen sein. Deutliche Zweifel sind anzumelden an Vorbehalten über die Anwendbarkeit der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG auf gemeinnützige Stiftungen 16. Für die juristischen Personen wird das bei natürlichen Personen für den Begriff des Berufs i. S.v. Art. 12 I GG grundlegende Merkmal der „Schaffung einer materiellen Lebensgrundlage“ durch den „Erwerbszweck“ ersetzt 17. Daraus, dass eine gemeinnützige Stiftung keine Gewinne erzielen darf, wird geschlossen, dass ihre Tätigkeit keinesfalls „Beruf“ sei. Die daraus resultierende ungleiche Behandlung der gemeinnützigen Stiftungen und anderer juristischer Personen bei identischer Tätigkeit erscheint wenig überzeugend. Man kann ohne weiteres die legitime Erzielung von Überschüssen aus einzelnen Tätigkeiten von der die Gemeinnützigkeit begründenden Verwendung solcher Überschüsse trennen und auch den 14 15 16 17

BVerwGE 40, 350. Schulte, Staat und Stiftung (Anm. 2), 1989, S. 81 f. Vgl. auch H. Hof, in: HdbStiftR, § 4 Rn. 190. BVerfGE 30, 292 (312).

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gemeinnützigen Stiftungen für ersteres den Schutz des Art. 12 I GG angedeihen lassen 18. Auch im Hinblick auf den Grundrechtsschutz der Stiftungen selbst gelten – wie schon beim Grundrechtsschutz des Stifters – für den Bereich der kirchlichen Stiftungen die Bedenken, die gegen die Grundrechtsträgerschaft öffentlich-rechtlicher Stiftungen im allgemeinen vorzubringen sind, nicht in gleicher Weise. Für die kirchlichen öffentlich-rechtlichen Stiftungen, d. h. solche Stiftungen, die nicht nur einem kirchlichen Zweck dienen und mit der Kirche organisatorisch verbunden sind, sondern die auch öffentlich-rechtlich organisiert sind, können die Argumente, die gegen eine Grundrechtsträgerschaft öffentlich-rechtlicher Organisationen im übrigen vorgebracht werden, nicht ins Feld geführt werden. Weder das Argument, dass öffentlich-rechtliche Organisationen nicht Berechtigte, sondern Verpflichtete der Grundrechte sind, noch die Begründung, dass sie dem Staat nicht gegenüberstünden wie der Bürger, sondern auf Seite des Staates stünden und daher eine grundrechtstypische Gefährdungslage nicht existiere, ist auf die kirchlichen öffentlich-rechtlichen Stiftungen übertragbar. Vielmehr stehen diese dem Staat gerade wie jede andere Stiftung auch gegenüber – ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Rechtskonstruktion. Ihre Besonderheit ist die Verbindung mit der öffentlich-rechtlich organisierten Kirche und die dabei durch Art. 137 V WRV i.V. m. Art. 140 GG eröffnete Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Rechtsformen. Dies verändert aber die Rechtsstellung der Stiftung gegenüber dem Staat nicht grundlegend. Auch die öffentlich-rechtlichen kirchlichen Stiftungen können daher gem. Art. 19 III GG Grundrechtsträger sein. IV. Grundrechtlicher Schutz des Begünstigten? Dass die Grundrechte der Destinatäre einer Stiftung keine große Rolle spielen 19, liegt nicht daran, dass diese gegenüber dem Staat nicht grundrechtsgeschützt wären. Vielmehr ist es damit zu begründen, dass der durch den hier einschlägigen Art. 14 I GG vermittelte Schutz eines vermögenswerten Rechts auf Zuwendungen aus der Stiftung nicht weitergeht als die Rechtsstellung, die der Destinatär gegenüber der Stiftung hat. Durch Art. 14 I GG werden ja lediglich bestehende vermögenswerte Rechtsgüter vor dem Zugriff des Staates geschützt, nicht aber darüber hinausgehende Rechte begründet. Da aber ein subjektives Recht des Destinatärs auf Leistungen aus der Stiftung meist nicht eingeräumt wird, vermag auch Art. 14 I GG einen solchen Anspruch nicht zu vermitteln. Das ändert freilich nichts daran, dass Art. 14 I GG einen Schutz vor dem Zugriff des Staates auf 18

So im Ergebnis auch Hof, in: HdbStiftR, § 4 Rn. 190, unter Hinweis auf Isensee, in: HdbStR V, § 118 Rn. 245. 19 Vgl. auch Hof, in: HdbStiftR, § 4 Rn. 215.

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Zuwendungen aus der Stiftung vermittelt. Wenn die Stiftungsorgane über die Verwendung von Stiftungsmitteln entschieden haben, kann etwa der Staat die vorgesehenen Mittel nicht auf sich überleiten, sondern ist an die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Enteignung i. S.v. Art. 14 III GG gebunden. Insofern ist freilich zunächst die Stiftung selbst geschützt und damit nur mittelbar der Destinatär. Sobald diesem aber eine gefestigte Rechtsstellung zukommt, genießt er dafür auch den grundrechtlichen Schutz der Eigentumsgarantie. V. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz der kirchlichen Stiftungen Stiftungen zugunsten kirchlicher Zwecke sind eine historische Wurzel des Stiftungswesens. Damit allein lässt sich freilich die Sonderstellung der kirchlichen Stiftungen nicht erklären. Sie ist vielmehr Ergebnis des Ablösungsprozesses der Kirche vom Staat in Deutschland, der Grundlage zahlreicher gesonderter Bestimmungen zur Rechtsstellung der Kirchen ist, die wir als Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht bezeichnen. Zu diesen Bestimmungen zählen die für das Stiftungswesen besonders wichtigen Art. 138 II und Art. 137 III WRV, die über Art. 140 GG geltendes Verfassungsrecht sind. Dabei ist in Literatur und Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten immer mehr hervorgehoben worden, dass das Staatskirchenrecht nicht so sehr der Konservierung einer institutionellen Stellung der Kirchen dient, die zwar nicht dem Staat inkorporiert, die aber auch nicht dem Bereich gesellschaftlicher Freiheit zuzuordnen seien. Vielmehr deuten viele das Staatskirchenrecht, wenn auch nicht unbestritten, als besondere Ausgestaltung des Grundrechts der Religionsfreiheit, für die die gemeinschaftliche Wahrnehmung in und durch Organisationen eine besondere Bedeutung besitzt. Die Kirchen werden danach im Grundsatz als gesellschaftliche Vereinigungen wie andere auch gesehen, für die freilich wegen ihrer religionsspezifischen Besonderheiten auch besondere Regelungen sinnvoll sind. Diese Deutung ist namentlich vom Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahrzehnten entfaltet und unter anderem in der Entscheidung zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas nachdrücklich bestätigt worden 20. Auch für die kirchlichen Stiftungen hat diese Deutung des Staatskirchenrechts Bedeutung. Das Verständnis der staatskirchenrechtlichen Artikel des Grundgesetzes als besondere Bekräftigung der schon im Grundrecht des Artikel 4 GG angelegten gesellschaftlichen Freiheit legt es nahe, dass der Begriff der „eigenen Angelegenheiten“, die dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften 20 BVerfGE 102, 370; zur Kontroverse zwischen „grundrechtlicher“ und „institutioneller“ Interpretation des Staatskirchenrechts siehe auch v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 12, S. 76 ff. m. Nachw.; Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche, EssG 25 (1991), S. 104 ff.; Kirchhof, in: Listl / Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts (HdbStKirchR), Band I, 1994, § 22, S. 667.

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aus Art. 137 III WRV unterliegen, im Wesentlichen nach dem Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgesellschaft zu bestimmen ist. Dementsprechend unterliegt die Definition dessen, was Angelegenheiten und Zwecke der Religionsgemeinschaft sind, zwar – wie jeder Rechtsbegriff – letztlich den staatlichen Gerichten. Diese haben aber dabei das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften als Ausdruck ihrer Religionsfreiheit maßgebend zu berücksichtigen und dürfen diese nicht durch einengende Definition kirchlicher Angelegenheiten unterlaufen. Dies ist für die Definition der kirchlichen Stiftung von erheblicher Bedeutung. 1. Der Begriff der kirchlichen Stiftung Nach neuerem Verständnis, das durch die novellierten Stiftungsgesetze, sofern sie besondere Vorschriften für die kirchlichen Stiftungen statuieren, bestätigt wird, ist der Begriff der kirchlichen Stiftung durch drei Elemente gekennzeichnet. Zum ersten muss die Stiftung ausschließlich oder überwiegend kirchlichen Zwecken gewidmet sein, zum zweiten muss sie mit der Kirche in einer besonderen organisatorischen Verbindung stehen und schließlich bedarf die Genehmigung bzw. Anerkennung der Stiftung als kirchliche der Zustimmung der betreffenden Kirche 21. Durch diese letztere Voraussetzung wird eine aufgedrängte, dem Selbstbestimmungsrecht zuwiderlaufende kirchliche Stiftung unmöglich gemacht. Die begriffsprägenden Merkmale für die kirchliche Stiftung sind aber die Bestimmung für kirchliche Aufgaben bzw. Zwecke und die organisatorische Nähe zur Kirche. Die Zweckbestimmung für kirchliche Aufgaben umfasst über den engeren Bereich von Verkündigung, Gottesdienst und Kultus hinaus auch Erziehung, Unterricht und Wohlfahrtspflege, die Unterhaltung von kirchlichen Gebäuden, die Verwaltung von Kirchenvermögen, die Besoldung und Versorgung von Geistlichen, Beamten, Kirchendienern und deren Hinterbliebenen 22. Nach neuerem Verständnis hängt aber der Begriff der kirchlichen Zwecke nicht davon ab, ob er unter eine solche abschließende Definition zu subsumieren ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass die jeweilige Religionsgemeinschaft einen bestimmten Betätigungsbereich nach ihrem Selbstverständnis zu ihren Angelegenheiten zählt 23. Die Grenze ist hier freilich bei der Plausibilität einer solchen Beziehung zum Religiösen zu ziehen. Es muss auch Außenstehenden vermittelbar sein, dass eine bestimmte Zweckrichtung sich aus dem religiösen Bekenntnis der jeweiligen Gemeinschaft ergibt. Der Betrieb einer Brauerei oder der Anbau von Hanf ist 21 Vgl. u. a. § 14 II StiftG NRW; i.ü. Meyer, in: HdbStKirchR I, § 33, S. 939; v. Campenhausen, Kirchliche Stiftungen. Abgrenzungen, in: HdbStiftR, § 23 Rn. 14. 22 Vgl. v. Campenhausen, in: HdbStiftR, § 23 Rn. 10. 23 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band III, 2005, Art. 137 WRV, Rn. 30 f. und Art. 138 WRV, Rn. 45; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 14, S. 103 und § 32, S. 279.

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demgemäß kein kirchlicher Zweck. Von Verfassungs wegen ist aber der Begriff der kirchlichen Zwecke in den Stiftungsgesetzen weit und großzügig auszulegen. Etwaige einschränkende Formulierungen haben dagegen keine Bedeutung und sind verfassungskonform zu bestimmen. Zweites Merkmal der kirchlichen Stiftung ist die organisatorische Nähe zu einer Kirche. Die bloße Widmung zu einem kirchlichen Zweck reicht nicht aus, um die Sonderregelungen für kirchliche Stiftungen zu rechtfertigen. Vielmehr kommt es auf die organisatorische Einbindung in den kirchlichen Bereich an, um etwa Lockerungen bzw. das Entfallen der staatlichen Stiftungsaufsicht rechtfertigen zu können. Im Übrigen aber gilt, dass die Kirche selbst die Organisationsformen bestimmen kann, in welchen ihre Aufgaben erfüllt werden. Daher sind hinsichtlich der Eingliederung wiederum die kirchlich bestimmten Maßgaben und Formen zugrunde zu legen. Allerdings ist es natürlich völlig zutreffend, wenn etwa das bayerische Stiftungsgesetz es nicht ausreichen lässt, dass ein kirchlicher Amtsträger als Stiftungsorgan bestellt ist 24. Die Organstellung eines Pfarrers begründet allein noch keine organisatorische Verbindung zur Kirche, kann der Pfarrer doch auch als besonders vertrauenswürdiger Bürger berufen sein. 2. Die Bedeutung der Kirchengutsgarantie (Art. 140 GG i.V. m. 138 II WRV) Bevor die Bedeutung und Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts für den Bereich der kirchlichen Stiftungen näher beleuchtet wird, soll auf die Bedeutung des Art. 140 GG i.V. m. 138 II WRV hingewiesen werden, wonach das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen gewährleistet werden 25. Hier wird die kirchliche Stiftung selbst ausdrücklich benannt. Art. 138 II WRV geht über die Garantie der Staatsleistungen in Art. 138 I WRV insofern hinaus, als die Garantie der Staatsleistungen sich auf die bei Inkrafttreten der Verfassung bestehenden Leistungen beschränkt. Eine solche Beschränkung kennt Art. 138 II WRV dagegen nicht. Vielmehr werden die Rechte der Religionsgesellschaften an ihren Stiftungen ohne „Stichdatum“ gewährleistet. Art. 138 II WRV wirkt sich daher nicht nur als Bestandsgarantie der mit dem Inkrafttreten von WRV bestehenden Rechte an Stiftungen aus. Ob man daraus freilich „eine Garantie der sachbezogenen Organisations- und Verwaltungsformen des Kirchenguts (z. B. der kirchlichen Stiftungen)“ 26 herleiten 24

Art. 30 II BayStiftungsG. Zu Art. 138 siehe Kästner, in: HdbStKirchR I, § 32; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band III, 2005, Art. 138 WRV; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 32. 26 So Kästner, in: HdbStKirchR I, § 32, S. 895. 25

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kann, scheint mir jedenfalls dann fraglich, wenn man damit eine auch für die Zukunft geltende Garantie des Rechtsinstituts der kirchlichen Stiftung mit Rechtsfähigkeit im staatlichen Bereich meint. Das schiene mir über die in Art. 138 II WRV garantierte Sicherung des zweckgebundenen Genusses des vorhandenen kirchlichen Vermögens hinauszugehen – das kann aber mangels Aktualität der zugrundeliegenden Frage dahingestellt bleiben. Für den Begriff der kirchlichen Stiftung kann auf das bereits Gesagte verwiesen werden. Im Übrigen sind auch im Rahmen des Art. 138 II WRV die Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke im Grundsatz weit und unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft auszulegen. Freilich ist bei der selbstverständlich auch ältere Rechtseinrichtungen umfassenden Garantie des Art. 138 II WRV zu berücksichtigen, dass bei der Bestimmung der Kirchlichkeit älterer Stiftungen andere Maßstäbe anzulegen sind als heute. Wenn etwa im 18. Jh. städtische Organe als Organe einer Stiftung eingesetzt wurden, spricht das nicht unbedingt gegen die Kirchlichkeit einer Stiftung. Das gilt insbesondere dort, wo die Stadt Trägerin des Kirchenregiments war, wie in den evangelischen Reichsstädten. Hier ist es verfehlt, den heute existierenden Gegensatz von Staat und Kirche mit der strengen Trennung der jeweiligen Organe auf vergangene Rechtszustände zu transponieren 27. Der Sinn von Art. 138 II WRV besteht darin, das genannte kirchliche Vermögen, zu dem auch die Rechte an kirchlichen Stiftungen gehören, gerade in seiner Zweckbestimmung für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke zu sichern. Deshalb geht Art. 138 II WRV über die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, die beim entsprechenden kirchlichen Vermögen natürlich ebenfalls greift, hinaus. Art. 138 II WRV schützt dieses Vermögen vor jeglicher Säkularisation. Aus dieser Zweckgebundenheit der Kirchenvermögensgarantie wird ein gestufter Schutz kirchlichen Vermögens abgeleitet 28. Während bei den so genannten res sacrae, d. h. insbesondere dem zum Gottesdienstgebrauch gewidmeten Vermögen, absoluter Schutz gegen jeden Enteignungszugriff besteht, ist das kirchliche Verwaltungsvermögen in geringerer Weise geschützt. Zum Teil wird dann das Finanzvermögen je nach seinem Bezug zu dem übrigen Vermögen aus dem Schutz von Art. 138 II WRV heraus genommen. Richtigerweise ist dieser abgestufte Schutz nicht aus Art. 138 II WRV zu entnehmen, der unterschiedslos jedes Vermögen, das für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmt ist, schützt, anderes Vermögen aber eben nicht. Freilich wird im Bereich des Art. 14 27 v. Campenhausen, in: HdbStiftR, § 23 Rn. 22 f.; instruktiv Fiedler, Schleichende Säkularisierung kirchlicher Stiftungen, Zeitschrift zum Stiftungswesen 2006, S. 111 ff. Freilich sind an der Zustimmung Fiedlers zur historischen Argumentation des OVG Koblenz in dessen die Kirchlichkeit der Vereinigten Hospitien Trier verneinenden Urteil vom 16. 11. 2004 (7 A 10146/03.OVG) deutliche Zweifel anzumelden. 28 Kästner, in: HdbStKirchR I, § 32, S. 899 ff.

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GG für solches kirchliches Verwaltungsvermögen, das zwar nicht unmittelbar Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecken dient, aber sonst von besonderer Bedeutung für kirchliche Zwecke ist, einen Eingriff rechtfertigender öffentlicher Belang schwieriger zu begründen sein als bei bloßem Finanzvermögen, das durch Entschädigungsleistungen ohne weiteres substituierbar ist. Der abgestufte Schutz gilt also nicht innerhalb von Art. 138 II WRV, sondern ist Ergebnis des Schutzes, den Art. 14 GG für das nicht unter Art. 138 II WRV fallende Vermögen vermittelt. 3. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die kirchlichen Stiftungen Zentrale Vorschrift für das Recht der kirchlichen Stiftungen ist neben der Garantie des kirchlichen Vermögens das kirchliche Selbstbestimmungsrecht des Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 III WRV 29. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass dieses Selbstbestimmungsrecht nicht nur die Religionsgesellschaften selbst umfasst, sondern auch „alle ihnen in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen oder zu erfüllen.“ 30 Dies umfasst auch Stiftungen, ja es ist in einem Fall entschieden worden, in dem es um eine Stiftung ging. Grundsätzlich kann daher die Kirche ihre Stiftungen als eigene Angelegenheiten betrachten und Regeln für sie setzen. Allerdings umfasst diese Regelungskompetenz nicht alle Aspekte des Stiftungswesens. Überdies gilt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 137 III WRV innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Diese für alle geltenden Gesetze können daher auch dem kirchlichen Stiftungswesen Grenzen setzen. Aus dieser komplizierten Verschränkung kirchlicher und staatlicher Aspekte und Regelungsgewalten erklärt sich auch die Gemengelage anwendbarer kirchlicher und staatlicher Vorschriften im Bereich des kirchlichen Stiftungswesens. So ist selbstverständlich die Einräumung der Rechtsfähigkeit im staatlichen Bereich keine Angelegenheit der Kirche und kann daher durch den Staat geregelt werden, freilich unter Berücksichtigung von korporativer Religionsfreiheit und Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Dass eine kirchliche Stiftung die weltliche Rechtsfähigkeit daher nur durch staatliche Anerkennung oder Genehmigung erhalten kann, ist verfassungsrechtlich unbedenklich 31. Die kirchliche Selbstbestimmung ist natürlich besonders gut verwirklicht, wenn der Staat auf seine Aufsicht über kirchliche Stiftungen zugunsten kirchlicher Auf29 Vgl. auch Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen, 1986, S. 140 ff.; Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 78 ff. 30 BVerfGE 46,73 – „Goch“. 31 v. Campenhausen, Kirchliche Stiftungen. Entstehung, Umwandlung, Aufhebung, in: HdbStiftR, § 25 Rn. 2.

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sicht verzichtet. Allerdings wird man nicht sagen können, dass diese Lösung von der Verfassung gefordert ist. Soweit die staatliche Stiftungsaufsicht öffentlichen Interessen dient, vermag dieser Aspekt auch im Rahmen eines für alle geltenden Gesetzes kirchlicher Selbstbestimmung Grenzen zu setzen 32. Die allgemein geltenden Grenzen der staatlichen Stiftungsaufsicht als bloßer Rechtsaufsicht sind natürlich auch hier zu berücksichtigen. Dagegen, dass das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Stiftungsmittel im Wege von Auskunftsverpflichtungen oder dergleichen geltend gemacht wird, ist in Anbetracht der Geringfügigkeit von solchen Eingriffen nicht zu zweifeln, wenn außer rein innerkirchlichen Interessen solche öffentlichen Belange mit betroffen sind. Ebensowenig spricht etwas dagegen, Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Geschäfte bei Veräußerung oder Veränderung wissenschaftlich, geschichtlich oder künstlerisch wertvoller Gegenstände aufrechtzuerhalten, wie sie in früheren Stiftungsgesetzen enthalten waren 33. Dies sind Vorschriften, die die Kirchen nicht anders treffen als andere und die im Übrigen einer Abwägung zwischen Schrankenzweck und Selbstbestimmung standhalten. Sie vermögen deshalb auch kirchlicher Selbstbestimmung Grenzen zu setzen. Im Übrigen verbieten sich in diesem Bereich pauschale Wertungen und kommt es jeweils für die einzelne Rechtsvorschrift auf die genaue Analyse des staatlicherseits verfolgten Zweckes und der betroffenen kirchlichen Interessen an. Es kann die kirchliche Position in diesem Bereich nur stärken, wenn die Kirchen ihr Interesse an ihrem Stiftungswesen durch den Erlass entsprechender Rechtsvorschriften und durch eine allen professionellen Standards genügende Aufsicht nach außen deutlich werden lassen, wie dies ja auch geschehen ist. VI. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der kirchlichen Stiftungen in ihren Grundlagen derzeit weitgehend gefestigt sind. Sie bieten einen stabilen Schutz. Auf der Ebene der Verfassung mit ihren recht abstrakten Vorgaben besteht wenig Anlass zu größeren Meinungsverschiedenheiten. Freilich führt die Gemengelage allgemeiner und spezifisch staatskirchenrechtlicher Vorschriften, die Überlagerung ersterer durch letztere, das dadurch hervorgerufene Zusammenspiel von staatlichem und kirchlichem Recht sowie die Vielfalt des Stiftungswesens mit seinen verschiedenen Rechtsformen im einzelnen zu einer Rechtslage, die alles andere als übersichtlich ist. Hier steckt buchstäblich der Teufel im Detail. Das Verfassungsrecht muss je nach 32 Zur Stiftungsaufsicht Achilles, Aufsicht (Anm. 29), insbes. S. 103 ff.; v. Campenhausen, Stiftungsaufsicht, in: HdbStiftR, § 28; Meyer, in: HdbStKirchR I, § 33, S. 942 ff.; Busch, in: HdbStKirchR I, § 34, S. 957 f. 33 Vgl. den früheren Art. 27 I Nr. 4 BayStiftungsG.

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Sach- und Rechtslage auf die Ebene des einzelnen Sachverhalts heruntergebrochen werden: Hier verbietet sich jede schematische Lösung 34.

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Diese Formulierung ist für komplexe Rechtslagen in Rechtsprechung und Literatur geradezu klassisch geworden, vgl. etwa BGHZ 105, 365.

Kirchliche Stiftungen im Spannungsfeld von Staat und Kirche Martin Schulte und Kristin Meyer I. Einleitung Es dürfte eigentlich außer Zweifel stehen, dass die Rechtsform Stiftung in jüngster Zeit verstärkt in die Strukturüberlegungen der Kirchen einbezogen und als Gestaltungsoption zur Erfüllung ihres Auftrages angesehen wird. 1 Bedürfte es dafür aber noch eines weiteren Beleges, so wäre hier bspw. das 10. Leuchtfeuer des EKD-Zukunftspapiers „Kirche der Freiheit“ zu nennen. Darin heißt es u. a.: „Im Jahre 2030 hat die evangelische Kirche neben der Kirchensteuer als ihre Finanzbasis und der projektbezogenen Finanzierung durch Fördervereine, Kirchbauvereine, Stiftungen und Fundraising eine weitere Säule der Finanzierung ihrer Aufgaben etabliert...“ Ausdrücklich seien Stiftungen und mäzenatische Initiativen für Pfarrstellen positiv zu würdigen. Zu prüfen sei sogar, ob nicht eine „Dachstiftung deutscher Protestantismus“ eingerichtet werden sollte, die Fundraisingprojekte für die Gemeinschaft der Gliedkirchen organisiert und strukturiert. Von diesen Zukunftsvisionen zur harten empirischen Realität: Derzeit gibt es einer aktualisierten Umfrage im Bereich der katholischen Kirche zufolge 13.323 selbständige kirchliche Stiftungen, wobei die Zahl der privatrechtlichen kirchlichen Stiftungen im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist, die Zahl der öffentlich-rechtlichen kirchlichen Stiftungen hingegen aufgrund von Zusammenlegungen abgenommen hat. In der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen sind die kirchlichen Stiftungen leider nur zu einem geringen Teil erfasst. Man geht für die beiden christlichen Kirchen von einer Gesamtzahl von ca. 28.500 kirchlichen Stiftungen aus. 2 Trotz der im Stiftungswesen üblichen und auch berechtigten Betonung des „bürgerschaftlichen Engagements“ und der Beobachtung eines Stiftungsbooms 1 Vgl. Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln u. a. 2006, S. 1 ff. (2); Vögele / Tyra, Kirchliche Stiftungen sind im Kommen!, Loccumer Protokolle 41/02, Evangelische Akademie Loccum, 1. Auflage Rehburg-Loccum 2002. 2 Mecking, „Das aktuelle Erscheinungsbild der deutschen Stiftungen“, Stiftung&Sponsoring 2/2005, DIE ROTEN SEITEN, S. 14 f.

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vor allem in den größeren Städten darf nicht verkannt werden, dass die Kirche der Ursprung des deutschen Stiftungswesens ist, wie wir es heute kennen. 3 Die Idee des Stiftens ist mit dem Wesen der christlichen Liebestätigkeit historisch verbunden. 4 In der Antike hatten die christlichen Kirchenväter gelehrt, dass der Christ, wenn er über seine Güter von Todes wegen verfüge, einen Teil für kirchlich-soziale Zwecke hinterlassen solle (sog. „Sohnesteil Christi“). Dies könne für sein Seelenheil sorgen (pro salute animae). Deshalb bildeten sich schon zu dieser Zeit stiftungsähnliche Rechtsgeschäfte heraus. Im Codex Justinians (530 n. Chr.) finden sich dann Bestimmungen, die derartige Rechtsgeschäfte erleichtern sollten, nämlich die Regelungen über die sog. „piae causae“, die kirchlich-religiösen sozialen Angelegenheiten. Den Bischöfen wurde dabei das Recht übertragen, die Ausführung dieser letztwilligen Verfügungen zu überwachen. 5 Auch im Mittelalter hielt die römisch-katholische Kirche an dem Erfordernis der Verfügung „pro salute animae“ fest. Darüber hinaus gelang es ihr, dass die Zuständigkeit für die Durchführung der Verfügungen mehr oder weniger auf sie überging. Testamentsangelegenheiten gehörten grundsätzlich zur kirchlichen Gerichtsbarkeit. 6 Damit war das Stiftungswesen im Mittelalter ganz in den Rechtskreis der Kirche eingebettet. 7 Auch im 16. und 17. Jahrhundert führte die katholische Kirche diese Bestrebungen weiter. Die „piae causae“ wurden zum Sonderrecht und erschienen im Codex Justinians im Abschnitt zum Kirchenrecht. 8 Bis zum Hochmittelalter entwickelte sich das Stiftungsrecht maßgeblich im Rahmen des kirchlichen und römischen Rechts. Doch nicht allein im historischen Ursprung des Stiftungswesens liegt die Bedeutung der kirchlichen Stiftungen begründet. Vielmehr zeigt sich diese auch ganz aktuell, nehmen die kirchlichen Stiftungen doch ob der möglichen Teilnahme am verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eine Sonderstellung im Stiftungsrecht ein. Bei ihrem Auftreten im Rechtsverkehr werden sie häufig in Problemkonstellationen einbezogen, die durch das Spannungsfeld 3 Vgl. Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft: religionsverfassungs- und stiftungsrechtliche Problemübersicht“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (16). 4 Röder, „Katholische Stiftungen in Deutschland“, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 127 ff. (129). 5 v. Campenhausen, „Geschichte des Stiftungswesens“ in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Auflage Wiesbaden 2003, S. 23 ff. (27 f.); Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, 2. Auflage Tübingen 2002, S. 40; Schulte, Staat und Stiftung, Heidelberg 1989, S. 23. 6 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 5 Rn. 10. 7 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 104. 8 So noch Coing, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage München 1999, § 5 Rn. 13 ff.

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von Staat und Kirche geprägt sind. Ganz praktisch lässt sich dies u. a. anhand von Rechtsstreitigkeiten um die Anwendung dienstrechtlicher oder arbeitsrechtlicher Vorschriften auf die kirchlichen Stiftungen zeigen. Darauf wird nachfolgend noch genauer eingegangen. II. Begriff und Rechtsgrundlagen 1. Begriff der kirchlichen Stiftung Die kirchliche Stiftung weltlichen Rechts wird in den Landesstiftungsgesetzen im Wesentlichen einheitlich definiert. Maßgeblich für die Einordnung als kirchliche Stiftung ist danach, dass es der Zweck der Stiftung ist, ausschließlich oder überwiegend kirchlichen Aufgaben zu dienen und die Stiftung in organisatorischer Verbindung zur jeweiligen Kirche steht. 9 Der Begriff des „kirchlichen Zwecks“ bzw. der „kirchlichen Aufgabe“ geht im Stiftungsrecht weiter als derjenige in § 54 AO. Der abgabenrechtliche Begriff umfasst nur Zwecke, die in einer speziellen Beziehung zur Verkündigung, zu Kultus und Gottesdienst sowie diesbezüglichen Hilfsfunktionen stehen. 10 Kirchliche Aufgaben im Stiftungsrecht sind dagegen auch die Erziehung, der Unterricht und die Wohlfahrtspflege. Zwar können der Staat und die Kommunen die vorgenannten Zwecke ebenso verfolgen, jedoch schließt dies die Charakterisierung einer Stiftung als kirchliche Stiftung nicht von vornherein aus. Die Kirchen haben sich in ihrem Selbstverständnis solche Aufgaben gesetzt und dem Staat steht es nicht zu, der Kirche bestimmte von ihr wahrgenommene Aufgaben als „nicht kirchliche“ abzusprechen. Der Staat verfügt insoweit eben nicht über ein Monopol sozialer Betätigung. Damit bestehen in diesem Bereich Überschneidungen von kirchlichem Wirken und staatlicher Hilfeleistung. In einem solchen Fall ist zur Charakterisierung der Stiftung auf das Merkmal der organisatorischen Verknüpfung mit einer Kirche zurückzugreifen. 11 9 StiftG B-W § 22 Nr. 1 1. HS; StiftG Bay Art. 21 I 1; StiftG Brem § 16 I Nr. 2; StiftG Hess § 20 I 2. Alt.; StiftG M-V § 26 I Nr. 2; StiftG Nds § 20 I 1 Nr. 2; StiftG R-P § 3 IV 1 1. HS; StiftG Saar § 19 I Nr. 2 1. HS; StiftG S-A § 26 I 1. Satzteil, 2. Satzteil 2. Alt.; StiftG Sa § 14 I Nr. 1 und Nr. 2; StiftG S-H § 18 I 1 Nr. 1; StiftG Thü § 3 VI. 10 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 13 f. 11 Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (940); Nelles, „Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken“, in: Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, Berlin 2005, S. 187 ff. (188); Schiffer, „Die kirchlichen Stiftungen des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW“, ZSt 2005, S. 199 ff. (201); v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage München 1999, § 23

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Damit eine Stiftung als kirchlich anerkannt werden kann, muss die Erfüllung der kirchlichen Aufgaben den ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der Stiftung darstellen. 12 „Überwiegend“ in diesem Sinne bedeutet nach einer Ansicht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum eine Überschreitung der Grenze von 50 %. 13 Eine andere Auffassung hält diese „mathematische Gewichtung“ für problematisch, da nicht bei jeder Stiftung der Stiftungszweck aufspaltbar sei. 14 Wenn eine Stiftung ein Wirtschaftsunternehmen betreibt, wird es maßgeblich darauf ankommen, welcher der Zwecke – Betrieb des Wirtschaftsunternehmens oder kirchliche Zweckerfüllung – im Vordergrund steht. 15 Das zweite Charakteristikum einer kirchlichen Stiftung ist ihre organisatorische Nähe zu einer Kirche. 16 Die organisatorische Zuordnung zur Kirche beschreibt das Bundesverfassungsgericht als eine Zuordnung, die eine Teilhabe an der Verwirklichung des Auftrages der Kirche in der Welt vermittelt. 17 Sie soll immer dann vorliegen, wenn die Verbindung geeignet ist, die Verantwortlichkeit der betreffenden Kirche für die Stiftung und die Verfolgung der Stiftungszwecke im kirchlichen Sinne zu dokumentieren. Dies sei nicht nur der Fall, wenn die Stiftung unmittelbar von der Kirche durch deren Organe oder kirchliche Einrichtungen verwaltet werde, sondern auch, wenn die Verwaltung der Stiftung zwar eigenen Rn. 9 ff.; BayVerfGH, KirchE 22, 293 ff. (301 ff.) – Entscheidung vom 28. 12. 1984; OVG Niedersachsen, DÖV 1994, 1053 (1054) – Urteil vom 16. 2. 1994; VG Dessau, Kirch E 34, 159 (165) – Urteil vom 18. 4. 1996; VG Münster, KirchE 23, 183 (186 f.) – Urteil vom 20. 9. 1985. 12 Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (930); v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 20 f. 13 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage München 1999, § 23 Rn. 16 f. Dieser Ansicht folgend: Nelles, „Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken“, in: Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, Berlin 2005, S. 187 ff. (189). 14 Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 268. 15 Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 268; v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage München 1999, § 23 Rn. 16 f. 16 Vgl. BVerfGE 46, 73 (86 f.) – Beschluss vom 11. 10. 1977. Damit sind auch solche Stiftungen keine kirchlichen, die zwar religiöse Zwecke verfolgen, aber satzungsgemäß staatlich oder kommunal verwaltet werden. (Dazu: Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (940); v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 22; kritisch: Renck, „Zur Problematik der Verwaltung kirchlicher Stiftungen durch die öffentliche Hand“, DÖV 1990, S. 1047 ff.). 17 BVerfGE 46, 73 (87, 92 f.) – Beschluss vom 11. 10. 1977; BVerfGE 53, 366 (392) – Beschluss vom 25. 3. 1980.

Kirchliche Stiftungen im Spannungsfeld von Staat und Kirche

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Organen vorbehalten sei, deren personelle Besetzung aber maßgeblich durch die Organe der Kirche bestimmt werde. 18 Dass der Ortspfarrer Mitglied eines Stiftungsorgans ist, reicht in diesem Zusammenhang allerdings nicht aus. 19 Damit der Kirche keine von ihr nicht gewollte Stiftung aufgedrängt wird, ist außerdem die Anerkennung durch eine kirchliche Behörde weitere Voraussetzung. 20 2. Rechtsgrundlagen a) Allgemeines Im Recht der kirchlichen Stiftungen greifen staatliche und kirchliche Vorschriften ineinander. Schwierigkeiten bestehen insbesondere, wenn in staatlichen Stiftungsgesetzen Regelungen über die kirchlichen Stiftungen fehlen. 21 Darüber hinaus entstehen Probleme, da vorhandene kirchliche Stiftungsgesetze nicht immer für alle Stiftungen gelten, so sind z. T. die nichtrechtsfähigen Stiftungen und die kirchlichen Stiftungen öffentlichen Rechts nicht erfasst 22 Außerdem sind die Staatsund Kirchengrenzen vielfach nicht deckungsgleich. Kirchliche Behörden müssen dann Rechtsvorschriften verschiedener Länder anwenden. 23

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Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, München 2001, § 3 Rn. 48; Schiffer, „Die kirchlichen Stiftungen des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW“, ZSt 2005, S. 199 ff. (201); v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 23; Siegmund-Schultze, „‚Fromm‘, ‚mild‘, ‚gemeinnützig‘ vom Mittelalter bis zur Gegenwart“, OM 1987, S. 105 ff. (111); Rawert, in: v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, 13. Bearbeitung Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 138; OVG Niedersachsen – Urteil vom 16. 2. 1994, Az.: 13 L 8142/91. 19 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage München 1999, § 23 Rn. 19; vgl. auch StiftG Bay Art. 29 II 1. Alt. 20 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 42; Koss / Koß, „Stiftung kirchlichen Rechts“, in: Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, Berlin 2005, S. 351 ff. (352); v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 2 Rn. 8, § 23 Rn. 25; Rawert, in: v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 138. 21 So im StiftG Berlin. 22 Entsprechend dem Anwendungsbereich der jeweiligen Landesstiftungsgesetze, so: Kirchliches Stiftungsgesetz über rechtsfähige Evangelische Stiftungen des privaten Rechts der Evangelischen Kirche von Westfalen / § 1 StiftG NRW und Kirchengesetz über die kirchlichen Stiftungen der Bremischen Evangelischen Kirche / § 1 BremStiftG. 23 Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (937 f.); v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 24 Rn. 1.

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b) Staatskirchenrechtliche Grundlagen Art. 140 GG i.V. m. Art 138 Abs. 2 WRV gewährleistet die Rechte der Religionsgemeinschaften ausdrücklich auch im Hinblick auf ihre Stiftungen. Zahlreiche Länderverfassungen sowie Verträge zwischen den Ländern und den Landeskirchen enthalten ähnliche Bestimmungen. 24 Zusammen mit der Verbürgung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV bildet diese Kirchengutsgarantie die staatskirchenrechtliche Grundlage der kirchlichen Stiftungen. Am Selbstbestimmungsrecht der Kirchen können die kirchlichen Stiftungen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in seiner sog. Goch-Entscheidung teilhaben, „wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrages der Kirche in der Welt wahrzunehmen und zu erfüllen.“ 25 c) Bundesrecht, Landesrecht, Kirchenrecht Für die Rechtverhältnisse der kirchlichen Stiftungen ist in erster Linie das autonome Kirchenrecht maßgeblich. 26 Den Kirchen kommt das Recht zur eigenverantwortlichen Regelung des Stiftungsrechts zu, da dieses eigene Angelegenheit nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV ist. Sie können demnach Vorschriften zu den Satzungserfordernissen, zur Verwaltung und Aufsicht über kirchliche Stiftungen eigenständig erlassen. 27 Daneben sind für die kirchlichen Stiftungen Kirchenverträge und ältere staatskirchenrechtliche Vorschriften zu beachten, die in manchen Bundesländern fortgelten. 28 Kirchen bedienen sich im Stiftungsrecht staatlicher Rechtsformen und nehmen am weltlichen Rechtsverkehr teil. 29 Sie unterliegen bei der Teilnahme am Rechts24 Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (914 ff.); v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 24 Rn. 2. 25 BVerfGE 46, 73 ff. – Beschluss vom 11. 10. 1977. 26 Rawert in: J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, 13. Bearbeitung Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 140. 27 v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 2 Rn. 8; Rawert in: J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, 13. Bearbeitung Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 140; vgl. auch: Achilles, „Zur Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen“, ZevKR 33 (1988), S. 184 ff. (191 f.). 28 v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage München 2006, § 32 II S. 276; Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (933 ff.).

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verkehr insoweit dem allgemeinen Stiftungsrecht, wie es in den §§ 80 ff. BGB und in den Landesstiftungsgesetzen geregelt ist. 30 Dabei bestimmt § 80 Abs. 3 Satz 1 BGB, dass die jeweiligen Vorschriften der Landesstiftungsgesetze unberührt bleiben. Die Landesstiftungsgesetze bilden deshalb auch die maßgebliche staatlich-normative Grundlage für die kirchlichen Stiftungen. 31 In den Landesstiftungsgesetzen findet sich bis auf wenige Ausnahmen die oben erwähnte Definition der kirchlichen Stiftungen: eine kirchliche Stiftung ist eine Stiftung, die einen kirchlichen Zweck verfolgt und mit der Kirche organisatorisch verbunden ist, wobei die organisatorische Zuordnung verschiedenartig in Erscheinung treten kann, so z. B. durch die Unterstellung unter die kirchliche Aufsicht qua Satzung oder in der Errichtung durch eine Kirche. Eine bemerkenswerte Regelung für die kirchlichen Stiftungen enthält das neue Hamburgische Stiftungsgesetz vom 14. 12. 2005. Es definiert die kirchliche Stiftung in seinem § 2 Absatz 3 Satz 1 ohne Festlegung besonderer Merkmale dahingehend, dass eine kirchliche Stiftung eine öffentliche Stiftung sei, die als kirchliche Stiftung von der zuständigen Kirchenbehörde anerkannt worden ist. In der Entwurfsbegründung heißt es dazu, dass es allein Sache der Kirchen sei, zu bestimmen, wann eine Stiftung – auch in der weltlichen Rechtsordnung – kirchlichen Charakter habe. Sobald die Kirche die Stiftung als kirchlich anerkenne, sei sie kirchlich. Weitere Voraussetzungen gebe es nicht. 32 Das einzige Landesstiftungsgesetz, das keinerlei Regelungen zu den kirchlichen Stiftungen enthält, ist das Stiftungsgesetz Berlin. Dies ist insbesondere deshalb bedenklich, weil eine Begriffsbestimmung die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Teilnahme am Selbstbestimmungsrecht des Muttergemeinwesens Kirche für die Stiftungen realisieren kann. 33

29 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 130, 162 f.; Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (931, 941); v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 22 Rn. 1. 30 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 42; v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 2 Rn. 8; Rawert in: J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, 13. Bearbeitung Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 140. 31 v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage München 2006, § 32 II S. 276. Einen Überblick über die Regelungen zu kirchlichen Stiftungen in den Landesstiftungsgesetzen bietet: Nelles, „Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken“, in: Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, Berlin 2005, S. 187 ff. (191 ff.). 32 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Entwurf eines Hamburgischen Stiftungsgesetzes, Drucksache 18/1513 vom 21. 12. 2004, Begründung, S. 6.

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d) Das Stiftungsrecht der katholischen und evangelischen Kirche Das katholische Stiftungsrecht ist weitgehend einheitlich geregelt. Für die katholischen Stiftungen sind neben den Länderkonkordaten vor allem die Bestimmungen des Reichskonkordats zu beachten, die unter anderem die staatliche Rechtsfähigkeit der katholischen Stiftungen anerkennen. Zentrale Rechtsgrundlage der katholischen Stiftungen ist der universalkirchlich geltende CIC von 1983 (insbesondere die can. 1299 ff.), dessen Rahmenregelungen durch Partikularrecht der Diözesen aufgefüllt werden. Seit 1970 haben die Diözesen Deutschlands kirchliche Stiftungsordnungen geschaffen und bis heute teilweise schon novelliert, wobei die Regelungsdichte sehr unterschiedlich ausfällt. 34 Demgegenüber muss das Stiftungsrecht der evangelischen Kirche angesichts einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtgrundlagen als kompliziert beschrieben werden. 35 Das autonome Stiftungsrecht der evangelischen Kirche ist durch besondere Kirchenstiftungsgesetze und auch in bestimmten Kirchenverfassungen geregelt. Einige evangelische Landeskirchen haben eigene kirchliche Stiftungsgesetze geschaffen, die zum Teil bei der Umschreibung ihres Anwendungsbereiches und teilweise auch für bestimmte Einzelregelungen auf das jeweilige staatliche Stiftungsgesetz Bezug nehmen. Diese Gesetze regeln hauptsächlich die Ausübung der Befugnisse, die der Staat den Kirchen bei der Stiftungsaufsicht und Stiftungsverwaltung überlassen hat. Sie gelten nicht für nichtrechtsfähige Stiftungen im Bereich der evangelischen Kirche und zum Teil auch nicht für Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ergänzend gilt das allgemeine Kirchenvermögensrecht. 36 Andere evangelische Landeskirchen haben Rechtsverordnungen oder Kirchengesetze 33

Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln u. a. 2006, S. 29 f. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Berliner Stiftungsgesetz siehe auch: Achilles, „Die Novellierung des Stiftungsprivatrechts“, ZevKR 47 (2002), S. 682 ff. (688 ff.). 34 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland“, Köln u. a. 2006, S. 33 f. m.w. N. 35 Vgl. Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 115. 36 Als Beispiele für die Schaffung eigener kirchlicher Stiftungsgesetze durch die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland seien genannt: Evangelische Landeskirche in Baden, Kirchliches Gesetz über die kirchlichen Stiftungen im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 24. 10. 2002; Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Kirchengesetz über die kirchlichen Stiftungen vom 9. 12. 2002; Evangelische Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz, Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 5. 11. 2005; Bremische Evangelische Kirche, Kirchengesetz über die kirchlichen Stiftungen vom 13. 3. 1991 (Gilt nur für rechtsfähige Stiftungen des privaten Rechts.); Evangelische Kirche Hessen-Nassau, Kirchengesetz über die kirchlichen Stiftungen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 23. 4. 2005; Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kirchenge-

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erlassen, die nur die Stiftungsaufsicht über die kirchlichen Stiftungen regeln. Im Übrigen gelten die Landesstiftungsgesetze. 37 Die Evangelische Kirche der Pfalz wendet für die Stiftungsaufsicht die Regelungen ihrer Ordnung über das Haushalts- und Vermögensrecht der Evangelischen Kirche in der Pfalz entsprechend an (Ordnung über das Haushalts- und Vermögensrecht in der Evangelischen Kirche der Pfalz § 22 II). Schließlich verzichten einige evangelische Landeskirchen ganz auf eigene Regelungen und wenden lediglich (analog) staatliches Stiftungsrecht an. 38 setz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 28. 4. 2007; Lippische Landeskirche, Kirchengesetz über rechtsfähige evangelische Stiftungen des privaten Rechts in der Lippischen Landeskirche vom 22. 11. 1977, zuletzt geändert am 25. 11. 1997 (Das Stiftungsgesetz der Lippischen Landeskirche übernimmt das Stiftungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen und erklärt dieses in der jeweils geltenden Fassung für die Lippische Landeskirche für verbindlich. In seiner aktuellen Fassung wird nur ein Absatz des StiftG EkvW – § 8 Absatz 5 StiftG EKvW – für den Bereich der Lippischen Landeskirche geändert.); Evangelische Kirche von Westfalen, Kirchengesetz über rechtsfähige Evangelische Stiftungen des bürgerlichen Rechts vom 15. 11. 2007; Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 18. 11. 1994, zuletzt geändert am 18. 11. 2000 (Das Stiftungsgesetz der Kirchenprovinz Sachsen gilt auch für nichtrechtsfähige Stiftungen, vgl. Teil II §§ 13 –17); Evangelische Landeskirche Anhalts, Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 9. 5. 1995; Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs, Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen vom 18. 11. 2006. Dazu auch: v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage München 2006, § 32 II S. 276 f.; Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“ in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (936 f.); Reuter in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, 4. Auflage München 2001, Vor § 80 Rn. 27; v. Campenhausen in: Seifert / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 24 Rn. 6; Rawert, in: J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, 13. Bearbeitung Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 142. 37 Zu diesen Landeskirchen gehören: Evangelische Kirche im Rheinland, Kirchengesetz über die kirchliche Aufsicht für rechtsfähige kirchliche Stiftungen vom 18. 1. 1979, zuletzt geändert am 15. 1. 1998; Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen, Kirchengesetz über die kirchliche Stiftungsaufsicht vom 5. 4. 1990, zuletzt geändert am 17. 4. 1998; Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen, Rechtsverordnung über die kirchliche Stiftungsaufsicht vom 13. 8. 2002; Evangelische Landeskirche in Württemberg, Verordnung des Oberkirchenrats über die Stiftungsaufsicht vom 18. 7. 1979 in der Fassung vom 22. 11. 1990; Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers, Kirchengesetz über die kirchliche Stiftungsaufsicht vom 18. 12. 1973, zuletzt geändert am 18. 12. 2002; Pommersche Evangelische Kirche, Kirchengesetz über die kirchliche Stiftungsaufsicht vom 14. 11. 1993, zuletzt geändert am 10. 10. 2004. 38 Das trifft für die Nordelbische Evangelische Kirche, die Evangelisch-reformierte Kirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Braunschweig und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe zu.

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III. Aktuelle Probleme 1. Die Abgrenzungsfrage: kirchliche oder weltliche Stiftung? Im Stiftungszweck konkretisiert sich der Wille des Stifters. 39 Für die Einstufung als kirchliche Stiftung muss es der Wille des Stifters gewesen sein, die Stiftung dem kirchlichen Tätigkeits- und Ordnungsbereich anzugliedern. 40 Dieser Stifterwille kann aber bei Stiftungsgeschäften, die Jahrhunderte zurückliegen, schwer zu bestimmen sein. 41 In diesem Fall ist die Satzung der Stiftung auszulegen 42 bzw. zu ermitteln, ob eine kirchliche Stiftung im heutigen stiftungsrechtlichen Sinn intendiert war 43. Dies führt zu einer ganz aktuellen Frage im Bereich des kirchlichen Stiftungsrechtes: Welche Auswirkung hat die geschichtliche Entwicklung auf die Einordnung einer Stiftung als „kirchlich“ oder „weltlich“? Die Aktualität dieser Frage lässt sich an zwei Fallbeispielen, die die Rechtsprechung nachhaltig beschäftigen, besonders anschaulich verdeutlichen: den Vereinigten Hospitien Trier und der Stiftung Liebenau. Zunächst zu den Vereinigten Hospitien, deren rechtliches Schicksal sich zu einem „Dauerbrenner“ der verwaltungsgerichtlichen Praxis zu entwickeln scheint. Die Vereinigten Hospitien Trier sind eine Stiftung öffentlichen Rechts. Sie betreiben ein Krankenhaus und weitere soziale Einrichtungen. Der Ursprung der Vereinigten Hospitien liegt in 8 einzelnen Stiftungen, deren Entstehungszeiten zum Teil im Mittelalter liegen. 1794 besetzten französische Besatzungsheere die Stadt Trier. Auf der Grundlage eines Revolutionsgesetzes von 1796 ordnete die französische Besatzungsmacht das Hospitienwesen neu. Die Hospitäler einer Stadt oder eines Bezirks wurden zusammengefasst und an ihre Spitze die sog. Hospitienkommission gestellt. Die eigentliche Vereinigung der Vorgängereinrichtungen der Vereinigten Hospitien wurde durch ein Dekret Napoléons vom Mai 1805 verfügt und durch ein Reskript des Innenministers 1806 abgeschlossen. Fast 200 Jahre später kam es zum Ausbruch des Konflikts um den Rechtscharakter der Stiftung. Zwischen ihr und dem neu konstituierten Personalrat entstand Streit um die Verpflichtung zur Freistellung des Personalratsvorsitzenden nach 39

v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 1 Rn. 9. 40 Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, München 2001, § 3 Rn. 48; Schiffer,„Die kirchlichen Stiftungen des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW“, ZSt 2005, S. 199 ff. (201 f.). 41 Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 302; vgl. auch OVG Niedersachsen, DÖV 1994, 1053 (1054) – Urteil vom 16. 2. 1994. 42 Vgl. OVG Niedersachsen, DÖV 1994, S. 1053 ff. (1054) – Urteil vom 16. 2. 1994. 43 Bär, „Das Stiftungswesen als Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche“, ArchsozArb 1993, S. 93 ff. (101); Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 302.

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dem staatlichen Landespersonalvertretungsgesetz. In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, ob das Gesetz überhaupt Anwendung finden könne, da § 126 Personalvertretungsgesetz Rheinland-Pfalz die Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform ausschließe. Das Land Rheinland-Pfalz wurde daraufhin um Stellungnahme gebeten. Dieses war – wie der Personalrat – der Ansicht, die Vereinigten Hospitien seien keine kirchliche Stiftung. Im Jahre 2000 stellten die Vereinigten Hospitien beim Land den Antrag, es möge im Rahmen seiner Stiftungsaufsicht entscheiden, dass sie eine kirchliche Stiftung i. S. d. Stiftungsgesetzes Rheinland-Pfalz seien. Dies lehnte das Land ab. Dagegen wandten sich die Vereinigten Hospitien mit Widersprüchen, die ebenfalls abgelehnt wurden. Am 8. 1. 2001 erhob die Stiftung Klage beim Verwaltungsgericht Trier. Dieses gab ihrer Klage vollumfänglich statt. Nach Auffassung des Gerichts sind die Vereinigten Hospitien eine kirchliche Stiftung. Die ursprünglichen Einrichtungen seien sowohl im Hinblick auf das Merkmal der kirchlichen Aufgabenerfüllung als auch auf das Merkmal der organisatorischen Anbindung katholische Stiftungen gewesen. Dieser Charakter sei während der französischen Besatzung nicht verändert worden. Die in dieser Zeit erfolgten Maßnahmen seien bloß verwaltungsorganisatorischer Natur gewesen. 44 Gegen die Entscheidung des VG Trier legten das Land und der Personalrat Berufung ein. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gab der Berufung des Landes statt. Die Vereinigten Hospitien seien eine weltliche Stiftung. Mit der Besetzung Triers seien die ursprünglichen Einzelstiftungen ihrer Existenz verlustig gegangen. Napoléon habe diese mit seinem Dekret zu einer neuen weltlichen Stiftung zusammengefasst. 45 Das OVG hatte die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen wandten sich nun die Vereinigten Hospitien mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Dieser Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom August 2005 stattgegeben 46. Jedoch erfolgte dies allein deshalb, weil nach Auffassung des Gerichts das Urteil des OVG an einem Verfahrensfehler litt. Das OVG entschied nach der Zurückverweisung am 12. 6. 2006 wie im Vorgängerurteil und ordnete die Vereinigten Hospitien als weltliche Stiftung ein. 47 Gegen die Nichtzulassung der Revision wandten sich diese erneut mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 2. 7. 2007 abgewie44 45 46 47

VG Trier – Urteil vom 27. 6. 2002, Az.: 1 K 183/01.TR. OVG Rheinland-Pfalz – Urteil vom 16. 11. 2004, Az.: 7 A 10146/03.OVG. BVerwG – Beschluss vom 29. 8. 2005, Az.: BVerwG 7 B 12.05. OVG Rheinland-Pfalz – Urteil vom 12. 6. 2006, Az.: 11376/05.OVG.

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sen. Dagegen erhoben die Vereinigten Hospitien am 10. 8. 2007 Verfassungsbeschwerde, die nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Das zweite – gleichsam umgekehrte – Fallbeispiel ist die Stiftung Liebenau. Innerhalb der Stiftung herrschen schon lange Unsicherheiten über ihren Rechtsstatus. Heute begehrt sie die Einordnung als weltliche Stiftung, weil sie sich davon mehr Flexibilität in ihrem Wirken erhofft. Die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im caritativen Bereich der Diözese Rottenburg-Stuttgart sieht darin hingegen den Versuch, den Geltungsbereich der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse und die damit als einschränkend empfundenen geltenden Regelungen vollständig zu verlassen. Die Stiftung Liebenau geht zurück auf den vom Tettnanger Kaplan Adolf Aich 1866 gegründeten St. Johann-Verein, einer privaten Stiftung, die das Ziel hatte, ein Krankenhaus für Unheilbare zu bauen. 1868 wurde die Stiftung vom Bischöflichen Ordinariat genehmigt. Nach § 3 der Statuten von 1868 ist die Institution eine „Privatanstalt der freithätigen christlichen Liebe, die stets auf katholischer, kirchlicher Grundlage ruhen soll.“ 1873 verlieh ihr der König von Württemberg die juristische Rechtspersönlichkeit. Zunächst kaufte Adolf Aich das Schloss Liebenau, in dem er eine Klinik für behinderte und benachteiligte Kinder errichtete. In den Folgejahren kamen mehrere Häuser hinzu. Heute gehören zur Stiftung zahlreiche soziale Einrichtungen der Behinderten- und Altenhilfe sowie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Bulgarien. Die Stiftung Liebenau fungiert als Trägerstiftung und Holding für 5 gemeinnützige Tochtergesellschaften. Sie gehört zu den größten Trägerstiftungen Deutschlands. 48 Lange wurde die Stiftung wie eine weltliche Stiftung behandelt. 1978 erfolgte dann allerdings auf Anraten kirchlicher Behörden eine dahingehende Änderung, dass die Stiftung nunmehr deutlich eine kirchliche wurde. In der Folgezeit mehrten sich die Zweifel. 2005 stellte die Stiftung Antrag beim Kultusministerium auf Feststellung ihres Rechtsstatus’. Dieses entschied, dass die Stiftung Liebenau eine weltliche Stiftung sei. Anderer Auffassung ist die Diözese Rottenburg-Stuttgart. 49 Sie erhob am 18. 11. 2005 Klage gegen den Statusfeststellungsbescheid. Mit Urteil vom 26. 9. 2006 50 hob das VG Sigmaringen den Bescheid auf. Es entschied mit Grund, dass die Stiftung Liebenau eine kirchliche Stiftung i. S.v. § 22 StiftG Baden-Württemberg ist. Allerdings droht auch hier ein langwieriger Rechtsstreit, 48 In dem Artikel „Milliardensegen“ von Hamann / Heuser in: Die Zeit Nr. 29 vom 13. 6. 2006, S. 17 f. (18), wird sie als 4. größte Trägerstiftung ausgewiesen, in Mecking, „Stiftungslandschaft in Deutschland“, Stiftung&Sponsoring, Die ROTEN SEITEN, 2/ 2005, S. 14 wird sie als 11. größte aufgeführt. 49 Zu allem: Schnieber, In unserer Mitte – Der Mensch, herausgegeben von der Stiftung Liebenau, Tettnang 1995. 50 Az.: 9 K 2042/05.

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nachdem das Land Baden-Württemberg und die Stiftung Liebenau den Weg in die Berufung beschritten haben. Beide Fallbeispiele zeigen, dass die Abgrenzung der kirchlichen von der weltlichen Stiftung viele Fragen aufwirft, vor allem aber mit Blick auf die Ausgestaltung der Aufsicht und des Dienstrechts von großer praktischer Bedeutung ist. 2. Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen Die staatskirchenrechtlichen Vorgaben für das kirchliche Stiftungsrecht sind auch bei der Ausgestaltung der staatlichen Aufsicht über kirchliche Stiftungen zu beachten. Hier wird im besonderen Maße ein Ausgleich zwischen der Verantwortung des Staates für Rechtssicherheit und den staatskirchenrechtlichen Verfassungsprinzipien erforderlich. 51 Einerseits dürfen die Kirchen aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechtes ihre eigenen Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten. Was sie zu ihren Angelegenheiten zählen, obliegt ihrer Beurteilung im Sinne ihres Selbstverständnisses. 52 Diesen Grundsätzen wird dadurch Rechnung getragen, dass gegenüber kirchlichen Stiftungen die Stiftungsaufsicht nach staatlichem Recht weitgehend zurückgedrängt ist, die Kirchen ihre Stiftungen nach eigenen Vorschriften beaufsichtigen und dabei der kirchlichen Eigengesetzlichkeit Raum geben. Anderseits ist es aber auch Aufgabe der kirchlichen Aufsicht, dass die Stiftungen nach Maßgabe des staatlichen Rechts verwaltet werden und sichergestellt ist, dass von ihnen keine Störungen für den weltlichen Rechtsverkehr zu besorgen sind. 53 Die Aufsicht über rechtsfähige kirchliche Stiftungen ist in den Landesstiftungsgesetzen unterschiedlich geregelt. Teilweise obliegt sie staatlichen Behörden, die diese im Einvernehmen mit den zuständigen kirchlichen Stellen ausüben. 54 Die Mehrzahl der Landesstiftungsgesetze 55 sieht eine Befreiung von der staatlichen Stiftungsaufsicht für kirchliche Stiftungen vor. 56 In diesen Fällen wird die Aufsicht 51 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 141, 160 ff.; v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 28 Rn. 1. 52 Bär, „Das Stiftungswesen als Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche“, ArchsozArb 1993, S. 93 ff. (104 f.); Schäfers, „Der Irrtum über die kirchliche Stiftung“, ZSt 2003, S. 221 ff. (222). 53 Achilles, „Zur Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen“, ZevKR 33 (1988), S. 184 ff. (184, 209 f.); vgl. dazu auch: Kirchliches Stiftungsgesetz Evangelische Landeskirche Baden § 9 III. 54 StiftG S-H § 18 II 1. Das Stiftungsgesetz für Hamburg vom 14. 12. 2005 sieht grundsätzlich eine staatliche Stiftungsaufsicht vor, vgl. § 5 I 1 StiftG Hmbg, weist aber in Satz 3 darauf hin, dass Staatsverträge zwischen Staat und Kirche, welche die Übertragung der Rechtsaufsicht auf kirchliche Behörden regeln, unberührt bleiben.

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sachnäher von kirchlichen Stellen nach kirchlichem Recht wahrgenommen. Einige Bundesländer unterstellen die kirchlichen Stiftungen dann der staatlichen Aufsicht, wenn keine kirchliche Aufsicht stattfindet. 57 Die nichtrechtsfähige Stiftung unterliegt als solche keiner Stiftungsaufsicht. Falls sie eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine rechtsfähige Stiftung des Privatrechts als Rechtsträger hat, unterliegt sie aber mittelbar einer staatlichen oder kirchlichen Aufsicht 58 bzw. einer Aufsicht durch die Finanzbehörden. 59 Die Folge der Unterstellung unter kirchliche Aufsicht ist, dass nun die Kirche und nicht mehr der Staat allgemeine Vorschriften über die kirchliche Aufsicht erlässt. 60 Für die katholische Kirche ist die kirchliche Stiftungsaufsicht Ausfluss des umfassenden Leitungs- und Aufsichtsrechts der hierarchischen kirchlichen Autorität (cc. 381, 392 § 1 CIC). 61 Die kirchliche Stiftungsaufsicht der evangelischen Kirche ist in kirchlichen Stiftungsgesetzen, Stiftungsverordnungen, Stiftungsaufsichtsgesetzen 62 sowie in kirchlichen Verfassungsordnungen 63 und Haushaltsbestimmungen 64 geregelt. 55 StiftG B-W § 25; StiftG Bay Art. 23 I 1; StiftG Brem § 16 II Nr. 5; StiftG Hess § 20 IV; StiftG M-V § 26 II Nr. 1; StiftG Nds § 20 II 5; StiftG NRW § 17 II 1; StiftG R-P § 12 III; StiftG Saar § 19 IV. 56 Achilles weist in ZevKR 33 (1988), S. 184 ff. (194), Fußnote 61 darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine Beleihung der Kirche mit staatlichen Aufgaben, sondern um einen Aufgabenverzicht des Staates handelt. So auch: Meyer, Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (945). 57 StiftG S-A § 27 III 1; StiftG Thü § 16 II 1. 58 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 60 ff., 207 f.; Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (945). 59 Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1986, S. 62. 60 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Auflage München 1999, § 28 Rn. 6. 61 Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“ in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln u. a. 2006, S. 38 f. 62 Siehe dazu auch die Auflistung der evangelischen Kirchenstiftungs(aufsichts)gesetze unter Punkt II. 2. d). 63 Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig vom 6. 2. 1970, zuletzt geändert am 20. 11. 2004 Artt. 24 f.; Kirchengesetz über die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs vom 3. 3. 1972, zuletzt geändert am 17. 11. 1991, § 18 VI; Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 10. 1. 2003, zuletzt geändert am 14. 1. 2005, Artt. 148 IV, 169; Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche vom 9. 6. 1988, zuletzt geändert am 1. 2. 2003, § 81 I Nr. 2; Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 13. 12. 1950, zuletzt geändert am 3. 4. 2001, § 32 III. Nr. 4.

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Die kirchliche Stiftungsaufsicht ist in der Regel Rechtsaufsicht und kontrolliert die Einhaltung der staatlichen und kirchlichen Rechtsvorschriften. Sie kann aber auch zur Beförderung und Erfüllung des kirchlichen Auftrags Fachaufsicht sein. Jedoch ist zu beachten, dass als Folge des kirchlichen Selbstverständnisses ohnehin die Abgrenzung zwischen Rechts- und Fachaufsicht innerhalb der Kirche kaum möglich ist. Rechtsaufsicht ist im kirchlichen Bereich etwas anderes als im weltlichen Bereich. Sie greift weiter, da sie alle Rechtssphären einbezieht, die für die Verwirklichung des kirchlichen Auftrags von Belang sind. Rechtsaufsicht kann daher im kirchlichen Bereich auch Mitgestalten oder Einbringen eigener Gesichtpunkte der Aufsichtsbehörde bedeuten. 65 Dies führt nicht selten zu Rechtstreitigkeiten wie bei der eben genannten Stiftung Liebenau, die auch deshalb die Unterstellung unter staatliche Aufsicht begehrte 66. 3. Kirchliches Arbeits- und Dienstrecht Die Sonderstellung, die die kirchlichen Stiftungen gegenüber weltlichen Stiftungen einnehmen, wird auch bei arbeits- und dienstrechtlichen Sachverhalten offenbar. Das Selbstbestimmungsrecht gilt nämlich auch für die Ausgestaltung des Dienst- bzw. Arbeitsrechtes. 67 Deshalb können die Dienst- und Arbeitsverhältnisse bei kirchlichen Stiftungen gegenüber denjenigen bei staatlichen Stiftungen besonders ausgestaltet sein. Sie vermögen zum Beispiel dem Arbeiter bzw. Angestellten die besondere persönliche Obliegenheit einer den kirchlichen Grundsätzen entsprechenden Lebensführung aufzuerlegen. 68 64 Ordnung über das Haushalts- und Vermögensrecht in der Evangelischen Kirche der Pfalz § 22 II. 65 Achilles, „Zur Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen“, ZevKR 33 (1988), S. 184 ff. (187, 209); Bär, „Das Stiftungswesen als Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche“, ArchsozArb 1993, S. 93 ff. (110); Meyer, „Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche“ in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage Berlin 1994, § 33 S. 907 ff. (943) – mit Beispielen in Fußnote 122; Siehe auch die Auflistung der Stiftungsaufsichtsgesetze einiger Landeskirchen unter Punkt C IV; Vgl. zum Unterschied zwischen staatlichem und kirchlichem Rechtsbegriff: Ruppel, „Die Gemengelage von staatlichem und kirchlichem Recht und der kirchliche Rechtsbegriff“, in: Festschrift Michaelis, Göttingen 1972, S. 267 ff. 66 Menges, Die kirchliche Stiftung in der Bundesrepublik Deutschland, St. Ottilien 1995, S. 3 weist darauf hin, dass es in der Praxis immer wieder vorkomme, dass Stiftungsorgane bei den zuständigen staatlichen Behörden die Feststellung beantragen, es handele sich bei der betreffenden Stiftung um keine kirchliche Stiftung staatlichen Rechts, um damit die Entlassung aus der kirchlichen Stiftungsaufsicht und die Unterstellung unter die staatliche Aufsicht zu erreichen. 67 v. Campenhausen, Kommentierung Art. 140 GG in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3: Art. 83 bis 146, München 2005, Art. 137 WRV Rn. 72. 68 So der BayVGH, [KirchE 38, 10 (17)]; BVerfGE 70, 138 (165 f.) – Beschluss vom 4. 6. 1985. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zum einen der Unterschied zwischen

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Inhalt eines Rechtsstreits vor dem Bayrischen Verwaltungsgerichtshof war die Frage, ob die Tätigkeit bei einer kirchlichen Stiftung des öffentlichen Rechtes „öffentlicher Dienst“ im Sinne der Bundeslaufbahnverordnung und der Verordnung über die Gewährung von Jubiläumszuwendungen sein kann. 69 Soweit Kirchen und Religionsgemeinschaften die Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts genießen, können sie Dienstherren sein und damit ihre Dienstverhältnisse öffentlich-rechtlich ausgestalten. 70 Damit könnte man eine Tätigkeit für Kirchen und Religionsgemeinschaften als „öffentlichen Dienst“ verstehen, sofern diese Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. 71 Dies gilt auch für die Tätigkeit bei ihnen zugeordneten Einrichtungen, wenn sie dazu berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen, also auch für kirchliche Stiftungen. Der Begriff des „öffentlichen Dienstes“ wird im geltenden Recht aber nicht gleichmäßig gebraucht. 72 Aus diesem Grund muss stets für jedes Rechtsgebiet einzeln ermittelt werden, ob ein „öffentlicher Dienst“ vorliegt. 73 Die Rechtsprechung im Hinblick auf kirchliche Einrichtungen ist hier uneinheitlich. Für das Nebentätigkeitsrecht der Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen hatte das Bundesverfassungsgericht seinerzeit festgestellt, gerade die Sonderstellung aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 WRV führe dazu, dass der Dienst innerhalb der Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sowie der ihnen in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen nicht dem Begriff des öffentlichen Dienstes im Sinne des Nebentätigkeitsrechtes zugeordnet werden könne. Diese dem Dienst- und dem Arbeitsrecht der Kirchen. Wie die entsprechenden staatlichen Dienstverhältnisse entstehen kirchliche öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse auch nicht durch Vertrag, sondern durch Hoheitsakt. Die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Arbeitnehmer sind dagegen einzel- und kollektivvertraglich ausgestaltet. Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass die Kirchen trotz Autonomie in der Gestaltung beim Dienstrecht die tragenden Grundsätze des Berufsbeamtentums (wie z. B. Lebenszeitprinzip, Laufbahnprinzip) beachten müssen – dazu: Battis, in: Achterberg / Püttner / Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2. Auflage Heidelberg 2000, Kapitel 10, § 31, Rn. 192 ff.; v. Campenhausen, Kommentierung Art. 140 GG in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3: Art. 83 bis 146, München 2005, Art. 137 WRV, Rn. 241. 69 BayVGH – Urteil vom 25. 1. 2000, Az.: 3 B 96.3061, KirchE 38 (2000), S. 10 –21. 70 v. Campenhausen, Kommentierung Art. 140 GG in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3: Art. 83 bis 146, München 2005, Art. 137 WRV Rn. 73; 236. Zur Herleitung dieses Rechts und den Problemen bei der Kreation: Hense, „Katholische Stiftungen: Überblick, Grundlegung, Geschichte“, in: Walz (Hrsg.), Religiöse Stiftungen in Deutschland, Köln u. a., S. 31. 71 BVerfGE 55, 207 (230) – Beschluss vom 25. 11. 1980. 72 BVerfGE 55, 207 (227) – Beschluss vom 25. 11. 1980. 73 v. Campenhausen, Kommentierung Art. 140 GG in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3: Art. 83 bis 146, München 2005, Art 137 Rn. 238: „Wiederum ist also für jede Norm oder Normengruppe gesondert zu prüfen, ob der kirchliche Dienst mitgemeint ist, wenn vom öffentlichen Dienst die Rede ist.“

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seien eben nicht Teil der (mittelbaren) Staatsverwaltung, sondern ungeachtet ihrer Sonderstellung nicht dem Staat inkorporiert. Eine Anwendung des Begriffs „öffentlicher Dienst“ scheide deshalb aus 74. Das VG Berlin hatte dagegen für den Bereich des Besoldungsrechts ganz anders argumentiert: Das Unterscheidungsmerkmal der organischen Eingliederung in den Staat werde der Problematik nicht gerecht. Zutreffend sei es, die Kirchen als nahezu souveräne Partner des Staates anzusehen, die gegenüber den sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts eher ein Mehr als ein Weniger an Rechten besäßen. Damit sei es zu rechtfertigen, dass der Dienst in einer solchen Religionsgemeinschaft mindestens öffentlicher Dienst sei. Aus diesem Grund stufte das VG Berlin die Tätigkeit bei einer evangelischen Kirchengemeinde als öffentlichen Dienst im Sinne des Reichsbesoldungsgesetzes ein. 75 Ebenso hatte auch der Bayrische Verwaltungsgerichtshof in einem besoldungsrechtlichen Streitfall entschieden. Er bejahte die Anrechnung der kirchlichen Dienstzeit auf das staatliche Besoldungsdienstalter eines Studienrates. 76 Im oben erwähnten Urteil hat der Bayrische Verwaltungsgerichtshof nunmehr hinsichtlich des Laufbahnrechts und der Jubiläumszeiten aufgrund der Sonderstellung aus Art. 140 GG i.V. m. Art 137 WRV ausgeschlossen, dass die Tätigkeit bei einer kirchlichen Einrichtung des öffentlichen Rechts, wie z. B. einer kirchlichen Stiftung öffentlichen Rechts, „öffentlicher Dienst“ i. S. d. Bundeslaufbahnverordnung und der Verordnung über die Gewährung von Jubiläumszuwendungen sein könne. Das Gericht hat damit die Besonderheit der kirchlichen Stiftungen gegenüber den staatlichen Stiftungen gewürdigt und die Folgen dieser Sonderstellung in Bezug auf die ratio legis der Vorschriften der Bundeslaufbahnverordnung und der Jubiläumsverordnung geprüft. Eine solche Verfahrensweise entspricht dem geltenden Recht. Es ist nicht in jedem Fall ein kirchlicher Dienst vom Begriff des öffentlichen Dienstes auszuschließen, sondern es muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob in der Regelungsmaterie bei der Verwendung des Begriffs des öffentlichen Dienstes der kirchliche Dienst mitgemeint ist. 77 Das ist gerade wegen der praktischen Auswirkungen der Einordnung von großer Bedeutung. So kann die Nichtanerkennung des kirchlichen Dienstes als „öffentlicher Dienst“ für Nachwuchskräfte ein Hinderungsgrund sein, in den kirchlichen Dienst, z. B. in einer kirchlichen Schulstiftung, einzutreten. Dies kommt insbesondere bei Verwaltungsbeamten oder Studienräten in Betracht, die sich die Möglichkeit der Rückkehr in den staatlichen Dienst nicht verbauen wollen. 78

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BVerfGE 55, 207 (230 f.) – Beschluss vom 25. 11. 1980. VG Berlin – Urteil vom 13. 9. 1957 – VG V A 29/57, ZevKR 7 (1959/60), S. 80 –83. 76 BayVGH, Urteil vom 7. 7. 1958 – Nr. 308 III 56, ZevKR 9 (1962/63), S. 308 –311. 77 Der Begriff „öffentlicher Dienst“ ist normbezogen auszulegen. Vgl. BVerfGE 55, 207 (227) – Beschluss vom 25. 11. 1980; BVerwGE, 314 (316) – Urteil vom 11. 11. 1959; Kunig in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Auflage Berlin (u. a.) 2005, 6. Abschnitt Rn. 7. 75

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4. Kirchliche Stiftungen als „öffentliche Auftraggeber“? Kirchliche Stiftungen, insbesondere Anstaltsstiftungen, stehen in vielfältigen wirtschaftlichen Kontakten mit der Außenwelt. In diesem Zusammenhang wird es praktisch bedeutsam, ob eine kirchliche Stiftung öffentliche Auftraggeberin nach § 98 Nr. 2 GWB ist. Öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB sind die sog. „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“. Darunter fallen juristische Personen des öffentlichen Rechts und des privaten Rechts, wenn sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen und wenn sie von der öffentlichen Hand abhängig sind (sog. besondere Staatsgebundenheit). Eine solche Abhängigkeit ist gegeben, wenn die juristische Person von der öffentlichen Hand überwiegend finanziert wird, diese über die Leitung der juristischen Person die Aufsicht ausübt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder der Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane der juristischen Person bestimmt. 79 Die Anwendung des § 98 Nr. 2 GWB auf kirchliche Einrichtungen und damit auch auf kirchliche Stiftungen ist noch nicht abschließend geklärt. Eine Ansicht lässt es bereits an dem besonderen Zweck scheitern, da dieser nur ein weltlich rationaler Zweck und kein karitativer sein könne. Eine andere Meinung sieht in der Erfüllung von mildtätigen, gemeinnützigen, kirchlichen Zwecken durch die Kirche gerade eine Erfüllung von Aufgaben, die im Allgemeininteresse liegen; eine Differenzierung nach ‚weltlich-rational‘ und ‚kirchlich-karitativ‘ sei nicht erforderlich. 80 Jedoch scheitert es dann am dritten Merkmal, nämlich der besonderen Staatsgebundenheit. Gegen diese spricht einerseits, dass die Kirchensteuer nicht als Finanzierung im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB angesehen werden kann 81 und andererseits, dass kirchliche Stiftungen fast durchweg nicht der laufenden staatlichen Aufsicht, sondern der kirchlichen Aufsicht unterstehen. 82 Darüber hinaus belegt die aktuelle Rechtsprechung, dass eine Gleichstellung mit einem staatlichen Auftrageber nur dann erfolgen kann, wenn zwischen der kirchlichen Einrichtung und der staatlichen Stelle praktisch kein Unterschied mehr besteht. 83 78 v. Campenhausen, Kommentierung Art. 140 GG in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3: Art. 83 bis 146, München 2005, Art. 137 WRV, Rn. 240, Fn. 88. 79 Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 4. Auflage München 2007, § 98 Rn. 20. 80 Vgl. die Nachweise bei: Wirner, „Stiftungen als öffentliche Auftraggeber gemäß § 98 GWB“; ZSt 2003, S. 147 ff. (153 f.; Fn. 68, 69, 75). 81 Wirner, „Stiftungen als öffentliche Auftraggeber gemäß § 98 GWB“; ZSt 2003, S. 147 ff. (154). 82 Zumeist ist diese Ausnahme von der staatlichen Rechtsaufsicht über die Stiftungen in den Landesstiftungsgesetzen ausdrücklich geregelt; a. A. oder zumindest undifferenziert: Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Auflage München 2001, § 98 Rn. 65. 83 Zitiert bei: Wirner, „Anmerkung zum Beschluss des OLG München vom 7. 6. 2005“, ZSt 2005, S. 253 ff. (258 und FN 34).

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Bei kirchlichen Einrichtungen wird man das wohl schon wegen der prinzipiellen Trennung von Staat und Kirche 84 in den seltensten Fällen bejahen können. Kirchliche Stiftungen sind daher regelmäßig keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. IV. Ausblick Wie im Hinblick auf die Eigenschaft einer kirchlichen Stiftung als öffentliche Auftraggeberin oder als Dienstherrin bereits angesprochen, bildet die Stellung von kirchlichen Einrichtungen zur öffentlichen Hand bis heute ein praxisrelevantes Problemfeld. In dieses sind übrigens ferner die aktuellen Fragen der Grundrechtsberechtigung von öffentlich-rechtlichen kirchlichen Stiftungen einzuordnen. 85 Auch innerhalb der Kirchen befinden sich spannende Rechtsfragen in lebhafter Diskussion: So wird in jüngster Zeit z. B. der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die Liberalisierungstendenzen in den Landesstiftungsgesetzen im Hinblick auf die staatliche Stiftungsaufsicht für die kirchliche Aufsicht haben können. 86 Es bestünde diesbezüglich etwa die Möglichkeit einer entsprechenden Reduzierung der kirchlichen Aufsicht, z. B. durch die Festschreibung von Anzeigepflichten anstelle von Genehmigungsvorbehalten. Des Weiteren könnte sich für die evangelische Kirche die Möglichkeit eröffnen, Vorschriften zur kirchlichen Rechtsfähigkeit in den Grundordnungen der evangelischen Gliedkirchen zu verankern. Den Kirchen steht es aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechtes frei, den kirchlichen Rechtsstatus der ihnen zugeordneten Stiftungen selbst zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass nur die Kirchenverfassungen von vier (von insgesamt 23) Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland Regelungen zur Rechtsfähigkeit kirchlicher Stiftungen getroffen haben. 87 Alle anderen Kirchenverfassungen gehen nicht aus84 Dazu nur: v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage München 2006, § 13, S. 90 ff. 85 Vgl. Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft: religionsverfassungs- und stiftungsrechtliche Problemübersicht“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (40, FN. 180). 86 Vgl. Hense, „‚Religiöse Stiftungen‘ in multireligiöser Gesellschaft: religionsverfassungs- und stiftungsrechtliche Problemübersicht“, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 15 ff. (23). 87 Art. 116 der Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers vom 11. 2. 1965, zuletzt geändert am 18. 12. 2002: „Rechtsfähige Vereine und Stiftungen des Privatrechts, die Aufgaben im Sinne des Artikels 1 wahrnehmen, kann auf ihren Antrag die Rechtsstellung einer Körperschaft oder Stiftung des Kirchenrechts verliehen werden. Das Nähere wird durch Kirchengesetz geregelt.“; Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 6. 12. 1999, zuletzt geändert am 10. 12. 2001, Art. 8 Abs. 1:

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drücklich auf die kirchliche Stiftung ein oder enthalten keine Regelungen zu ihrer Rechtsfähigkeit nach kirchlichem Recht. Die Rechtsfähigkeit der Stiftungen nach kirchlichem Recht ermöglicht es aber, den Rechtsträger der Stiftung kirchlich zu erfassen und Rechtsbeziehungen zu den Institutionen des Kirchenverfassungsrechts herzustellen. Zudem kann mittels der kirchlichen Rechtsfähigkeit die Verwirklichung des kirchlichen Auftrags durch das kirchliche Recht geordnet geschehen. Außerdem sind die Regelungsmaterien des kirchlichen und staatlichen Stiftungsrechts nicht vollständig identisch. Deshalb wird die Ansicht vertreten, dass nicht jeder rechtsfähigen Stiftung weltlichen Rechts auch nach kirchlichem Recht Rechtsfähigkeit zukommt und nicht jede rechtsfähige Stiftung nach kirchlichem Recht auch eine rechtsfähige Stiftung im Sinne der weltlichen Stiftungsrechtsordnung ist. 88 Hier wird die bereits erwähnte Goch-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts relevant, wonach die Frage, ob die Stiftung auch eine kirchliche Stiftung nach staatlichem Recht ist, auch nach staatlichem Recht entschieden werden muss. Dabei kann allerdings der Umstand, dass die Stiftung auch eine Stiftung nach kirchlichem Recht ist, nicht unberücksichtigt bleiben, weil im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Staat mit seiner stiftungsrechtlichen Regelung, nach der sich bestimmt, was eine kirchliche Stiftung nach staatlichem Recht sein soll, stillschweigend auf die kirchliche Rechtsordnung Bezug nimmt („verweist“), also als kirchliche Stiftung nach staatlichem Recht diejenigen Stiftungen qualifizieren will, die diesen Status auch nach der kirchlichen Rechtsordnung besitzen. 89 Mithin soll eine nach kirchlichem Recht rechtsfähige Stiftung auch nach staatlichem Recht Rechtsfähigkeit beanspruchen können. Für den Bereich der kanonischen Stiftungen wird von einer Identität zwischen kanonischer Stiftung, d. h. katholischer Stiftung kanonischen Rechts, und katholischer Stiftung weltlich-staatlichen Rechts ausgegangen. Für den Bereich der „Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem Recht besitzen: (Nr. 1), Nr. 2 rechtliche selbständige kirchliche Anstalten und kirchliche Stiftungen“; Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 22. 5. 1967, zuletzt geändert am 24. 11. 2004, Art. 4 Abs. 3: „Die nach kirchlichem Recht errichteten Anstalten und Stiftungen erhalten ihre Rechtsfähigkeit in der staatlichen Rechtsordnung nach Maßgabe der staatlichen Gesetze.“; Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Braunschweig vom 6. 2. 1979, zuletzt geändert am 20. 11. 2004, IV. Teil „Kirchliche Rechtsträger“, Art. 20: Kirchliche Rechtsträger sind: (...) b) die kirchlichen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts c) die rechtsfähigen Vereinigungen und Stiftungen des privaten Rechts, die kirchliche Aufgaben wahrnehmen, wenn ihnen auf ihren Antrag die Rechtsstellung einer Körperschaft oder Stiftung des Kirchenrechts verliehen wird.“, Art. 22 Abs. 4 „Die Verleihung oder Entziehung der Rechtsstellung eines kirchlichen Rechtsträgers nach Art. 20 Buchst. c geschieht durch die Kirchenregierung.“) 88 Rawert in: J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Buch 1. Allgemeiner Teil, 13. Bearbeitung Berlin 1995, Vorbem. zu §§ 80 ff., Rn. 146. 89 BVerfGE 46, 73 (84) – Beschluss vom 11. 10. 1977.

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evangelischen Kirche ist aber die Frage, inwieweit für kirchliche Stiftungen, die nach staatlichem Recht nicht rechtsfähig sind, eine Rechtsfähigkeit nach kirchlichem Recht in Betracht kommt, noch nicht abschließend geklärt. 90 Wünschenswert wäre deshalb, dass alle Gliedkirchen der Evangelischen Kirche Deutschlands in ihren Verfassungen die Rechtsfähigkeit einer Stiftung nach kirchlichem Recht regeln. 91 All dies zeigt: Das kirchliche Stiftungsrecht bewegt sich im stets ausgleichsbedürftigen, aber auch ausgleichsfähigen Spannungsverhältnis von Staat und Kirche. Wissenschaft und Praxis haben dieses als Herausforderung zu begreifen und in konstruktiver Zusammenarbeit zukunftsfähige Problemlösungsvorschläge zu erarbeiten.

90 v. Campenhausen in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Auflage München 2009, § 23 Rn. 35. 91 Vgl. dazu auch: Grundmann, „Die Kirchengemeinde und das kirchliche Vermögensrecht“ in: Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 309 ff. (322 ff.).

Kirchliche Stiftungen in den (novellierten) Landesstiftungsgesetzen Ben Michael Risch * Die Kirche geht stiften. Dies ist nicht allein das Motto dieser Veranstaltung, sondern Ausdruck einer allgemein zu beobachtenden Renaissance des kirchlichen Stiftungswesens. 1 Bedauerlicherweise kann die Kirche nicht vollständig allein „stiften gehen“. Zumindest was die Stiftungen des bürgerlichen Rechts angeht, sind auch die Kirchen auf die Mitwirkung des Staates angewiesen. Die kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts befindet sich im Schnittpunkt des staatlichen und des kirchlichen Rechts. 2 Der Staat stellt mit der Stiftung des bürgerlichen Rechts eine Rechtsform zur Verfügung, derer sich die Kirchen bedienen können. Das somit bestehende Spannungsverhältnis zwischen der Kompetenz des Staates zur grundlegenden Ausgestaltung der Stiftung bürgerlichen Rechts und der kirchlicher Freiheit, die eingeräumten Möglichkeiten autonom zu nutzen, 3 lässt diesen Bereich des Stiftungsrechts so vielgestaltig sein. Ihre Ursache findet diese Vielgestaltigkeit in der Kompetenz der Länder, das Recht der kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts auszugestalten. Diese Gesetzgebungsbefugnis folgt aus der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung im Staatskirchenrecht und aus § 80 Abs. 3 BGB. Als Resultat gibt es in Deutschland keine einheitliche kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts, sondern es existieren so viele Erscheinungsformen wie es Landesstiftungsgesetze gibt. Die föderale Zersplitterung – die nur historisch verstanden werden kann 4 – ist Belastung und Chance zugleich. Eine Belastung ist sie, da sie die Komplexität des Rechts erhöht und auch Kenner des Stiftungsrechts gelegentlich verwirrt. 5 Der Mannigfaltigkeit wohnen aber auch Chancen inne. Zum einen eröffnen sich * Der Beitrag schließt die in der Diskussion angesprochenen Themen mit ein und berücksichtigt Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich November 2006. Änderungen der Landesstiftungsgesetze bis zum November 2006 sind vollständig berücksichtigt. Auf Änderungen bis zum Dezember 2008 wird in den Fußnoten verwiesen. 1 So auch: Koss / Koß, Stiftungen kirchlichen Rechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 353. 2 Koss / Koß, Stiftungen kirchlichen Rechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 351. 3 BayVerfGH, Urteil vom 28. 12. 1984, Vf. 10-VII-81, V 2 a). 4 Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in, Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 199.

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Gestaltungschancen, die dazu genutzt werden können, einen optimalen Standort für eine jede Stiftung zu ermitteln. Zum zweiten entsteht ein fruchtbarer föderaler Wettbewerb, der es ermöglicht, dass sich geglückte Regelungen bundesweit durchsetzen 6 und fehlgeschlagene Versuche der Gesetzgebung nicht weiter verfolgt werden. 7 Dieser Beitrag analysiert die Landesstiftungsgesetze, macht Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede deutlich und formuliert erste Vorschläge, wie die landesrechtlichen Möglichkeiten von den Kirchen und anderen interessierten Stiftern genutzt werden könnten. Die Darlegung gliedert sich dabei in insgesamt 6 Abschnitte. Nach einem einleitenden Abschnitt über die Eingrenzung und Bedeutung des Themas (I.) werden unter (II.) die unterschiedlichen Begriffe und Definitionsmerkmale der einzelnen Landesstiftungsgesetze dargestellt. Daran anschließend behandelt der Abschnitt (III.) die Voraussetzungen und Modalitäten der Entstehung. Weitere Abschnitte widmen sich der staatlichen und kirchlichen Aufsicht über kirchliche Stiftungen des bürgerlichen Rechts (IV.), den für diese geltenden Publizitätsvorschriften und Veröffentlichungspflichten (V.) sowie den Fragen der Satzungsund Zweckänderung (VI.). Der Beitrag schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse (VII.). I. Eingrenzung und Bedeutung des Themas Dieser Beitrag konzentriert sich auf die kirchlichen Stiftungen bürgerlichen Rechts. Die kirchlichen Stiftungen des öffentlichen Rechts werden nicht thematisiert. Diese Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes hat zwei Gründe. Zum einen findet sich allein die kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts in nahezu allen Landesstiftungsgesetzen. Im Gegensatz dazu ist die kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts in einigen Fällen nicht 8 oder nur durch Verweisung auf die dazu jeweils einschlägigen Staatskirchenverträge 9 erfasst. Hier fehlt mithin bereits die 5 Exemplarisch ist hier auf das mitunter anzutreffende Phänomen der einheitlichen Definition der kirchlichen Stiftung zu verweisen. Beispiele hierfür finden sich u. a. in: Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, in: ZSt 2005, S. 199 (200 ff.); Schiffer, Die Entwicklung des Stiftungszivilrechts in den Jahren 2004 bis 2006, in: NJW 2006, S. 2528 (2530). Eine einheitliche Definition kann es aber in Anbetracht der noch darzulegenden Unterschiede in den Stiftungsgesetzen der Länder nicht geben. Denkbar ist allenfalls ein gemeinsamer Kernbestand an Definitionselementen. 6 Ein Beispiel bietet die den Stiftungen eingeräumte Möglichkeit, einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen und durch dessen Testat die behördliche Prüfung überflüssig werden zu lassen. Dazu: Schulte / Risch, Die Reform der Landesstiftungsgesetze, in: DVBl 2005, S. 13. 7 Dies zeichnet sich bezüglich des § 5 StiftG NRW ab. Zur Kritik: Richter / Sturm, Stiftungsrechtsreform und Novellierung der Landestiftungsgesetze, in: NZG 2005, S. 659; Risch, Deregulierung im Stiftungsrecht, in: ZSt 2006, S. 162 ff.

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Grundlage einer alle Bundesländer erfassenden, rechtsvergleichenden Betrachtungsweise. Zum zweiten befindet sich allein die bürgerlich-rechtliche kirchliche Stiftung in dem dargestellten Spannungsfeld zwischen staatlicher Gestaltungsbefugnis und kirchlicher Autonomie. Die öffentlich-rechtliche kirchliche Stiftung ist demgegenüber allein dem kirchlichen Rechtskreis zuzuordnen. 10 Fragt man nun, aus welchen Gründen die Stellung der kirchlichen Stiftung in den novellierten Landesstiftungsgesetzen untersucht werden soll, so ist hierauf eine doppelte Antwort zu geben. Die Relevanz des Themas ergibt sich aus praktischen und aus wissenschaftlichen Gründen. In praktischer Hinsicht ist festzustellen, dass der allgemeine Aufschwung des Stiftungswesens nicht ohne Auswirkung auf die kirchliche Stiftungslandschaft geblieben ist. Zu denken ist hier an die großen Neugründungen der Schulstiftungen in den einzelnen Bistümern, 11 aber auch an eine Vielzahl von kleinen Stiftungen der einzelnen Kirchgemeinden. 12 Die kirchliche Stiftung erlebt zurzeit eine Renaissance. 13 Mit jeder dieser Neugründungen stellt sich die Frage nach dem Standort, dem Gründungsbundesland und dem jeweiligen rechtlichen Umfeld. In diesem Zusammenhang können die Unterschiede zwischen den Stiftungsgesetzen für die Wahl des Sitzes einer Stiftung von entscheidender Bedeutung sein. Natürlich ist zuzugeben, dass die bestehenden Differenzen nicht für jede Stiftungsgründung von Bedeutung sind. Die Stiftung einer Kirchgemeinde oder eine Stiftung zum Erhalt einer bestimmten Kirche kann zumeist nur am Ort ihres Tätigwerdens nutzbringend gegründet werden. Zu bedenken ist jedoch, dass die Grenzen der deutschen Bistümer, Erzbistümer und Landeskirchen in der Regel mit den Grenzen der Bundesländer nicht deckungsgleich sind und daher für relativ viele kirchliche Institutionen, aber auch für Privatpersonen, die Möglichkeit besteht, das normative Umfeld der Stiftungsgründung zu beeinflussen. 8

§ 2 Abs. 1 i.V. m. § 1 StiftG Bbg; § 16 Abs. 1 i.V. m. § 1 StiftG Brem; § 2 Abs. 1 i.V. m. § 1 Abs. 1 StiftG HH; § 11 Abs. 1 i.V. m. § 1 StiftG MV; § 20 Abs. 1 i.V. m. § 1 StiftG Nds; § 13 Abs. 1 StiftG NRW; § 19 Abs. 1 i.V. m. § 1 StiftG Saar; § 18 Abs. 1 i.V. m. § 1 StiftG SH. 9 § 20 Abs. 5 StiftG HE; § 14 Abs. 4 StiftG SN. 10 Siehe § 14 Abs. 4 StiftG SN. 11 Siehe exemplarisch: Gründung der katholischen Hospizstiftung Stuttgart, in: Kirchl. ABl. Rottenburg-Stuttgart 2005, Nr. 4 S. 79; Bischöfliche Stiftung Hilfe für Mutter und Kind, in: Kirchl. Anz. für die Diözese Aachen, 2005 Nr. 5 S. 120; Stiftung zur Förderung des Kirchen- und Staatskirchenrechts, in: ABl. der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2004, S. 477; Stiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, in: ABl. der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2004, S. 168. 12 Siehe hierzu exemplarisch die in den Beiträgen von Kammerbauer und Gerke genannten Stiftungen. Kammerbauer, Das Modell „Evangelische Bürgerstiftungen“, in: Vögele / Tyra (Hrsg.), Kirchliche Stiftungen sind im Kommen!, 2002, S. 47 ff; Gerke, Mit Weitblick sinnvolle Schritte gehen, in: Vögele / Tyra (Hrsg.), Kirchliche Stiftungen sind im Kommen!, 2002, S. 51 ff. 13 Koss / Koß, Stiftungen kirchlichen Rechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 353.

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Insofern entpuppt sich die bei v. Campenhausen als problematisch beschriebene Deckungsungleichheit der Rechtsgebiete der weltlichen und der geistigen Territorien 14 hier als Chance. Allerdings muss in diesem Zusammenhang auf eine Grenze der Darstellung aufmerksam gemacht werden. Diese Untersuchung konzentriert sich auf die normativ bestehenden Unterschiede. Differenzen die sich aus der Handhabung in der Praxis, der Sichtweise der einzelnen Stiftungsbehörden oder aus der unterschiedlichen Herangehensweise der Finanzbehörden ergeben, müssen hier außer Betracht bleiben. Eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung der Stiftungsrechtswirklichkeit wäre äußerst verdienstvoll, würde aber den Rahmen dieser Darlegung bei weitem sprengen. 15 In wissenschaftlicher Hinsicht handelt es sich hier um Rechtsvergleichung im Bundesstaat. Diese ermöglicht es, die Vorteile eines föderalen Systems anschaulich darzustellen und zu belegen. Insofern leistet der Aufsatz einen Beitrag zu Föderalismusdiskussion. Am Beispiel des Stiftungsrechts kann die „Evolution im Recht“ beobachtet werden, die sich darin bemerkbar macht, dass sich einzelne Regelungsmodelle bundesweit durchsetzen und andere fallen gelassen werden. 16 Diese Rechtsvergleichung soll hier im Hinblick auf die kirchlichen Stiftungen bürgerlichen Rechts erfolgen. II. Begriff und Definitionsmerkmale An erster Stelle ist festzustellen, dass es keinen einheitlichen Begriff der kirchlichen Stiftung gibt. Jedes Landesstiftungsgesetz versteht unter dem Begriff der kirchlichen Stiftung etwas anderes und nur in wenigen Stiftungsgesetzen stimmt deren Definition exakt überein. Im Folgenden sollen daher die Definitionen zunächst im Überblick dargestellt werden. Daran anschließend gilt es, die Elemente der Definitionen näher zu beleuchten. Schließlich stehen die Entwicklungstendenzen und die möglicherweise bestehenden verfassungsrechtlichen Komplikationen im Mittelpunkt. Im Rahmen der einzelnen Punkte wird jeweils vertieft auf die unterdessen auch reformierten Landesstiftungsgesetze Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens eingegangen.

14 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 24 Rn. 1. 15 Bemerkenswert ist diesbezüglich das von Schulte und Hof betriebene und von der Thyssen-Stiftung geförderte Forschungsvorhaben „Stiftungen in der Rechtsprechung“, das auch Aspekte der Wirkungsforschung mit einschließt. 16 Siehe dazu: Schulte / Risch, Die Reform der Landesstiftungsgesetze, in: DVBl. 2005, S. 9 ff.

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1. Der Begriff der kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts in den Landesstiftungsgesetzen Unter den vielfältigen Begriffen der kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts lassen sich drei Hauptströmungen ausmachen. In einer ersten, mit weitem Abstand größten Gruppe von Definitionen, kommt dem Kriterium des kirchlichen Zwecks die zentrale Bedeutung zu. 17 Dieser Gruppe gehören auch die jüngst reformierten Stiftungsgesetze Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens an. 18 Dieses Kriterium muss in jedem Fall erfüllt sein, hinzukommen müssen jedoch noch ein oder mehrere sekundäre Merkmale. Zwischen diesen Kriterien – der Errichtung durch die Kirche, der organisatorischen Verbundenheit, der Aufsichtsführung durch die Kirche, dem sinnvollen Zweckbezug oder der Anerkennung als kirchliche Stiftung – besteht üblicherweise jeweils ein Alternativitätsverhältnis. Eine Ausnahme hierzu bildet die Regelung im Saarland, die als sekundäres Kriterium entweder die Errichtung durch eine Kirche oder die organisatorische Verbundenheit und den sinnvollen Zweckbezug verlangt. Zu bedenken ist allerdings, dass sich der Katalog der sekundären Kriterien in keinem Bundesland im vollen Umfang wieder findet, sondern immer nur eine beschränkte Auswahl relevant ist. 19 Am weitesten geht diese Beschränkung in Brandenburg, das nur die Verwaltung durch die Kirche – die als Untergruppe der organisatorischen Verbundenheit zu betrachten ist – als sekundäres Kriterium zulässt. 20 Ein zweites Regelungsmodell findet sich im Stiftungsgesetz für Baden-Württemberg. Dieses verzichtet auf den durchgehenden Bezug zum kirchlichen Zweck. Dessen Definition ist erfüllt, wenn entweder ein kirchlicher Zweck verfolgt wird und die Stiftung unter kirchlicher Aufsicht steht (§ 22 Nr. 1 StiftG BW), oder wenn eine organisatorische Verbundenheit und ein sinnvoller Zweckbezug gegeben sind (§ 22 Nr. 2 StiftG BW). Jedoch dürfte im zweitgenannten Fall regelmäßig auch ein kirchlicher Zweck vorliegen. An dritter Stelle ist schließlich ein Regelungsmodell zu nennen, das der Anerkennung einer Stiftung als kirchliche Stiftung die zentrale Bedeutung einräumt. Diesem Modell folgt Hamburg, das allein die Anerkennung genügen lässt. 21 17 Art. 29 StiftG Bay; § 2 Abs. 1 StiftG Bbg; § 16 Abs. 1 StiftG Brem; § 20 Abs. 1 StiftG HE; § 20 Abs. 1 StiftG Nds; § 13 Abs. 1 StiftG NRW; § 3 Abs. 6 S. 1 StiftG RP; § 19 Abs. 1 StiftG Saar; § 18 Abs. 1 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. 18 § 11 Abs. 1 StiftG MV; § 14 Abs. 1 Nr. 1 StiftG SN. 19 Von der Kirche errichtet, organisatorisch verbunden, sinnvoller Zweckbezug oder unter kirchlicher Aufsicht: Bremen, Niedersachsen, DDR; von der Kirche errichtet, organisatorisch verbunden oder unter kirchlicher Aufsicht: Sachsen; organisatorisch verbunden, sinnvoller Zweckbezug oder kirchliche Aufsicht: Mecklenburg-Vorpommern, SchleswigHolstein; Anerkennung: Rheinland-Pfalz; organisatorisch verbunden oder sinnvoller Zweckbezug: Hessen, Saarland; kirchliche Aufsicht: Nordrhein-Westfalen, Bayern; organisatorisch verbunden: Brandenburg (durch die Kirche verwaltet). 20 § 2 Abs. 1 S. 1 StiftG Bbg.

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2. Die Elemente der Definitionen a) Der kirchliche Zweck Wie bereits deutlich wurde, ist das Kriterium des kirchlichen Zwecks das wichtigste der Definitionsmerkmale. Es ist in nahezu allen Landesstiftungsgesetzen aufgenommen. 22 Der Status einer kirchlichen Stiftung bleibt demnach den Stiftungen vorbehalten, die nach dem Willen des Stifters kirchliche Zwecke verfolgen. 23 Dieses Kriterium stellt somit die innere Verbindung der Stiftung zu ihrer jeweiligen Kirche sicher. 24 Der Begriff der kirchlichen Zwecke ist dabei in Anlehnung an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts weit auszulegen. 25 Er lässt sich nicht auf die im engen Sinne kirchlichen Zwecke des Gottesdienstes und der Verkündigung beschränken, sondern umfasst alle Zwecke, die ein Stück Auftrag der Kirchen in dieser Welt wahrnehmen. 26 Insbesondere ist der Terminus der kirchlichen Zwecke nicht auf die eng verstandenen kirchlichen Zwecke im Sinne des § 54 AO begrenzt. Er beinhaltet auch gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne der §§ 52, 53 AO. 27 Diese weite Auslegung des Begriffes der kirchlichen Zwecke findet sich auch in den Texten einiger Landesstiftungsgesetze wieder. Beispielsweise benennt das baden-württembergische Stiftungsgesetz in nicht abschließender Weise Gottesdienst, Verkündigung, Wohlfahrtspflege, Erziehung und Bildung als mögliche Stiftungszwecke (§ 22 Nr. 1 StiftG BW). Das nordrhein-westfälische Stiftungsgesetz schließt diakonische und karitative Zwecke explizit ein (§ 13 Abs. 1 StiftG NRW). Somit kann festgestellt werden, dass das Kriterium des kirchlichen Zweckes der Betätigung der Kirchen als Stifter nur wenige Grenzen setzt. Hinzu kommt, dass der Status einer kirchlichen Stiftung 21

§ 2 Abs. 3 S. 1 StiftG HH. § 22 StiftG BW; Art. 29 StiftG Bay; § 2 Abs. 1 StiftG Bbg; § 16 Abs. 1 StiftG Brem; § 20 Abs. 1 StiftG HE; § 11 Abs. 1 StiftG MV; § 20 Abs. 1 StiftG Nds; § 13 Abs. 1 StiftG NRW; § 3 Abs. 3 StiftG RP; § 19 Abs. 1 StiftG Saar; § 14 Abs. 1 Nr. 1 StiftG SN; § 18 Abs. 1 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. 23 Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, in: ZSt 2005, 199 (199 ff.); VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 92 ff. 24 Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 2. 25 BVerfGE 19, S. 129; 46, S. 73. 26 BVerfGE 24, S. 236 (245 f.); 46, S. 73 (85); BayVerfGH, Urteil vom 28. 12. 1984, Vf. 10-VII-81, V 2 a).; OVG Nds., Urteil vom 16. 2. 1994, 13 L 8142/91, II 2. a); hierzu: Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 3 Rn. 47 f.; Siegmund-Schultze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 2. a); v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Bonner Grundgesetz, Band 3, 2001, Art. 138 WRV Rn. 43 ff.; Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mecker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 188 f. 27 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 9 ff.; Koss / Koß, Stiftungen kirchlichen Rechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 353 f. 22

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an diesem Aspekt nicht unbedingt scheitern muss, da die Stiftungsgesetze der meisten Länder es ausreichen lassen, dass überwiegend kirchliche Zwecke verfolgt werden. 28 Eine ausschließliche Erfüllung kirchlicher Zwecke ist allein in Rheinland-Pfalz erforderlich (§ 3 Abs. 6 StiftG RP). Daher kann eine kirchliche Stiftung in den meisten Ländern nahezu jeden beliebigen Zweck zumindest als Nebenzweck erfüllen. b) Die organisatorische Verbundenheit mit der Kirche Das der Bedeutung nach zweitwichtigste Definitionsmerkmal ist das der organisatorischen Verbundenheit mit der Kirche. Dieses wird ebenfalls in der Mehrzahl aller Bundesländer als Kriterium für das Vorliegen einer kirchlichen Stiftung herangezogen. 29 Darunter ist zu verstehen, dass die Stiftung Aufgaben der Kirche erfüllt und in deren Strukturen eingebunden ist. 30 Indizien hierfür sind beispielsweise die Verwaltung durch die Kirche oder ein bestimmender Einfluss der Kirche auf die Besetzung der Stiftungsorgane. 31 Wobei die bloße durch die Satzung vorgeschriebene Religionszugehörigkeit der Stiftungsorgane oder die satzungsgemäße Mitgliedschaft eines kirchlichen Amtsträgers in einem Stiftungsorgan nicht ausreichen. 32 Das Bundesverfassungsgericht griff in der Entscheidung über den Status der Stiftung Wilhelm-Anton-Hospital in Goch unter anderem auf die Notwendigkeit, jede Änderung der Satzung durch den Bischof genehmigen zu lassen, auf die Besetzung des Kuratoriums mit Klerikern bzw. deren beherrschenden Einfluss, 33 sowie auf die unwidersprochene und unangefochtene Ausübung des bischöflichen Visitationsrechts zurück. 34 Eine im Vergleich zur Rechtslage in den übrigen Bundesländern wesentlich verengte Spielart der organisatorischen 28

Anzulegen ist hier eine 50% Grenze. Hierzu: v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 16 f.; Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 2. a); Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mecker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 189. 29 § 22 Nr. 1 StiftG BW; § 16 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Brem; § 20 Abs. 1 StiftG HE; § 11 Abs. 1 Nr. 2 StiftG MV; § 20 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Nds; § 19 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Saar; § 14 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt StiftG SN; § 18 Abs. 1 Nr. 1 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. 30 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 18 ff.; Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, in: ZSt 2005, 199 (201). 31 BVerfGE 46, S. 73 (91 f.); OVG Nds., Urteil vom 16. 2. 1994, 13 L 8142/91, II 2. a); VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 94 f. 32 Art. 29 Abs. 2 StifG Bay. 33 Weitergehend: VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 94 (nicht unerhebliche Mit- und Einwirkungsmöglichkeiten). 34 BVerfGE 46, S. 73 (87 ff.); VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 159.

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Anbindung ist das im brandenburgischen Stiftungsgesetz verwandte Kriterium der Verwaltung durch die Kirche. 35 In ganz besonderem Maße ist streitig, ob die Mitgliedschaft in einem kirchlichen Spitzenverband wie dem Diakonischen Werk oder dem Caritasverband ein Indiz für die organisatorische Verbundenheit mit der Kirche sein kann. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Goch-Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. 36 Wenn eine Stiftung Mitglied im diakonischen Werk oder im Caritasverband ist, so muss differenziert werden. Geht diese Mitgliedschaft auf eine Entscheidung des Stifters zurück, der die Mitgliedschaft in der Satzung angeordnet oder vorausgesetzt hat, so ist zumeist davon auszugehen, dass die Anbindung an den Verband Ausdruck einer besonderen Kirchlichkeit der Stiftung ist. Dies gilt ebenso für eine Mitgliedschaft in einer unmittelbaren Vorläuferorganisation des diakonischen Werkes bzw. des Caritasverbandes. Nicht ausreichend ist es hingegen, dass eine Stiftungsgründung vom Geist einer kirchlichen Bewegung inspiriert war. 37 Beispielsweise reicht die bloße Nähe des Stifters zur Kirche oder zur Diakonissenbewegung nicht aus. In diesen Fällen erscheint es ohne weiteres möglich, dass eine Stiftung zu gänzlich anderen Zwecken, z. B. als karitativ tätige Familienstiftung gegründet wurde. Im Gegensatz dazu ist eine Mitgliedschaft, die nicht vom Stifter selbst vorgesehen war, sondern erst nachträglich zustande gekommen ist, unbeachtlich. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Zuordnung einer Stiftung zum kirchlichen oder zum weltlichen Bereich nur vom Stifter selbst getroffen werden kann. 38 Eine nachträgliche „Umwidmung“ einer Stiftung ist nicht denkbar. 39 Ebenso wenig wie eine kirchliche Stiftung säkularisiert werden kann, 40 ist es möglich, dass eine weltliche Stiftung nachträglich zu einer kirchlichen wird. 41 Dies ergibt sich bereits aus dem Primat des Stifterwillens. 42 Auch soweit sich die Rechtsprechung zu Zuordnungsfragen geäußert hat, ist immer auf die Intention des ursprünglichen 35

§ 2 Abs. 1 StiftG Bbg. BVerfGE 46, S. 73 (94); das VG Sigmaringen spricht von einem Indiz [VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 160]. 37 Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mecker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 187, 199; Koss / Koß, Stiftungen kirchlichen Rechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 351. 38 Koss / Koß, Stiftungen kirchlichen Rechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 352. Siehe dazu vertiefend: B 2. VII. 39 Vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 97. 40 BVerfGE 43, S. 73 (85). 41 BayVerfGH, Urteil vom 28. 12. 1984, Vf. 10-VII-81, V 2 e) bb). 42 Z. B. § 3 StiftG Brem; § 4 Abs. 1 S. 3 StiftG MV; § 2 StiftG Nds; § 1 Abs. 1 StiftG RP; § 8 Abs. 1 StiftG SH; § 2 StiftG DDR. 36

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Stifters abgestellt worden. 43 Zum anderen würden die Organe der Stiftung ihre Kompetenzen überschreiten, wenn sie durch eine einfache Beantragung einer Mitgliedschaft den rechtlichen Status einer Stiftung verändern könnten. Dies kann bereits aufgrund des von einer „Freiheit im vorgegebenen Rahmen“ geprägten Verhältnisses zwischen Stifter und Stiftungsorganen nicht der Fall sein. Des Weiteren ist zu bedenken, dass nachträglich eingetretene Faktoren für den rechtlichen Status einer Stiftung grundsätzlich unbeachtlich sind. Würde man dies anders sehen, so müssten auch z. B. die Unterstellung von Stiftungen unter die Staatsaufsicht in der NS-Zeit eine statusverändernde Kraft zugewiesen werden. Auch stellt sich die Frage, wie mit einem eventuellen Austritt der Stiftung aus dem diakonischen Werk bzw. dem Caritasverband umzugehen wäre: verliert die Stiftung dann ihren Status als kirchliche Stiftung? Eine derartige Flexibilität der rechtlichen Form kann kaum gewollt sein. Schließlich kann es für die Mitgliedschaft im diakonischen Werk oder dem Caritasverband eine Vielzahl von profanen Gründen geben, die von der daran anknüpfenden Geltung von Tarifverträgen bis zur allgemeinen Interessenvertretung reichen. Im Ergebnis ist eine Mitgliedschaft im diakonischen Werk bzw. im Caritasverband damit nur für die Stiftungen von entscheidender Bedeutung, bei denen der Stifter die Mitgliedschaft direkt oder indirekt vorgesehen hat. In diesen Fällen dürfte sie jedoch von nachrangigem Wert sein, da sich die organisatorische Anbindung dann zumeist auch aus anderen Faktoren ergibt. Demgegenüber ist die nachträgliche Mitgliedschaft als Kriterium bedeutungslos. c) Die kirchliche Aufsicht In mehreren Bundesländern wird auch das Vorliegen einer kirchlichen Aufsicht als Bestandteil der Definition herangezogen. 44 Sprachlich wird dies zumeist in der Wendung „in der Stiftungssatzung der kirchlichen Aufsicht unterstellt“ ausgedrückt (Art. 29 Abs. 1 StiftG Bay; § 16 Abs. 1 Nr. 3 StiftG Brem; § 11 Abs. 1 Nr. 1 StiftG MV; § 14 Abs. 1 Nr. 3 StiftG SN). Dieses Kriterium erscheint zunächst etwas befremdlich, wird doch die kirchliche Aufsicht, die Rechtsfolge der Qualifikation als kirchliche Stiftung ist, hier zu einem Definitionsmerkmal. Jedoch offenbart dieses Kriterium seinen Sinngehalt unter zwei Blickrichtungen. Zum einen ist die Aufsichtsführung durch eine Kirche ein starkes, wenn nicht sogar entscheidendes Indiz für die organisatorische Verbundenheit der Stiftung mit der Kirche. Insofern 43 Siehe dazu den Artikel von Fiedler in diesem Band. Im Falle der Entscheidung des VG Sigmaringen kann davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedschaft dem Willen der ursprünglichen Stifter entsprach. Vgl. [VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 160]. 44 § 22 Abs. 1 Nr. 1 StiftG BW; Art. 29 Abs. 1 StiftG Bay; § 16 Abs. 1 Nr. 3 StiftG Brem; § 11 Abs. 1 Nr. 1 StiftG MV; § 20 Abs. 1 Nr. 3 StiftG Nds; § 13 Abs. 1 StiftG NRW; § 14 Abs. 1 Nr. 3 StiftG SN; § 18 Abs. 1 Nr. 2 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR.

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überzeugt es, dass die meisten Bundesländer diese beiden, in gewisser Weise aufeinander bezogenen Kriterien als alternative Merkmale in die Definition aufgenommen haben. 45 Zum zweiten erfüllt das Kriterium der kirchlichen Aufsicht eine wichtige Begrenzungsfunktion. Eine kirchliche Aufsicht liegt nur dann vor, wenn die entsprechende Kirche, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft auch zu einer hinreichenden Aufsicht in der Lage ist. 46 Daher kommt diesem Kriterium für kleinere Kirchen, Religions- und Weltanschauungs-gemeinschaften eine, den Zugang zum Instrument der kirchlichen Stiftung einschränkende Wirkung zu. 47 Nur am Rande sei bemerkt, dass dieses eigentlich eindeutige Kriterium in der historischen Betrachtung an Trennschärfe einbüßt, da in den Ländern, in denen eine Staatskirche bestand, aus einer damaligen staatlichen Aufsicht keine Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Stiftung gezogen werden können. 48 In Bezug auf neu gegründete Stiftungen erlaubt das Merkmal der kirchlichen Aufsichtsführung jedoch eine exakte Abgrenzung. d) Der sinnvolle Zweckbezug An vierter Stelle ist das ebenfalls in vielen Stiftungsgesetzen in Bezug genommene Kriterium des sinnvollen Zweckbezuges zu nennen. 49 Um eine kirchliche Stiftung handelt es sich demnach auch bei Stiftungen, die ihre Zwecke nur sinnvoll in Verbindung mit einer Kirche erfüllen können. 50 Bei diesem Merkmal handelt es sich wiederum um ein Definitionselement, das einen engen Bezug zum Kriterium der organisatorischen Verbundenheit mit einer Kirche aufweist. 51 Wenn der Erfolg der Stiftung nur durch eine enge Zusammenarbeit mit der Kirche sichergestellt wer45

Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Bay; § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StiftG Brem; § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StiftG MV; § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StiftG Nds; § 14 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt und 3 StiftG SN; § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. Siehe auch: Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes, LT-DRS 15 / 10528, S. 14. 46 Menges, Die kirchlichen Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 84 ff. v. a. S. 90; Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 140 ff.; vgl. zur insofern gleich gelagerten Problematik in der Vereinsaufsicht: Künzel, Die kirchliche Vereinsaufsicht, 1999, S. 136 ff.; grundlegend zum Verhältnis von Staat und Kirche: Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002, S. 125 ff. 47 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 28 Rn. 3. 48 Vgl. diesbezüglich: v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 23. 49 § 16 Abs. 1 Nr. 4 StiftG Brem; § 20 Abs. 1 StiftG HE; § 11 Abs. 1 Nr. 3 StiftG MV; § 20 Abs. 1 Nr. 4 StiftG Nds; § 19 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Saar; § 18 Abs. 1 Nr. 3 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. 50 So explizit: § 20 Abs. 1 StiftG HE. 51 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 7 f.; Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 2. b).

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den kann, dann liegt im Regelfall auch eine enge organisatorische Anbindung vor. Insofern erscheint die Rechtslage im Saarland, das in § 19 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Saar kumulativ die organisatorische Verbundenheit und den sinnvollen Zweckbezug verlangt, der Sachlage angemessen. e) Die Errichtung bzw. Gründung durch die Kirche Ein weiteres Kriterium das zur Qualifikation einer Stiftung als kirchliche in einigen Bundesländern herangezogen wird, ist die Errichtung bzw. Gründung durch eine Kirche. 52 Dieses Merkmal ist in Bezug auf die hier in erster Linie interessierenden Neugründungen eindeutig, juristisch streitig kann es aber bei bestehenden Stiftungen sein. 53 f) Die Anerkennung als kirchliche Stiftung Des Weiteren ist ein fünftes Element der Definition der kirchlichen Stiftung zu erwähnen, die Anerkennung als kirchliche Stiftung. 54 Darunter ist zu verstehen, dass der Status als kirchliche Stiftung davon abhängig ist, dass die Stiftung von der zuständigen Kirchenbehörde als eine solche anerkannt wurde. g) Der Wille des Stifters als weiteres Kriterium? Schließlich fragt sich, ob der auf die Errichtung als kirchliche Stiftung gerichtete Wille des Stifters ein weiteres Element der Definition ist. Dies ist nach richtiger Ansicht anzunehmen. 55 Zur Begründung ist darauf zu verweisen, dass sich derartiges eindeutig aus allen geltenden Landesstiftungsgesetzen ergibt. Diese setzen immer eine bewusste Entscheidung des Stifters für eine bestimmte Organisationsform, d. h. für die Eigenschaft als kirchliche oder als weltliche Stiftung, voraus. Dies kommt in den Landesstiftungsgesetzen teilweise direkt, 56 zum Teil auch nur indirekt zum Ausdruck. Wendungen, die einen entsprechenden Willen des Stifters 52 § 16 Abs. 1 Nr. 1 StiftG Brem; § 20 Abs. 1 Nr. 1 StiftG Nds; § 19 Abs. 1 Nr. 1 StiftG Saar; § 14 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt StiftG SN; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. 53 Vgl.; OVG Nds., Urteil vom 16. 2. 1994, 13 L 8142/91; Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 8. Aufl., § 20 S. 79; Rausch, Geistliche Hebungen Wismar Anmerkungen aus rechtlicher Sicht, in: Brunners / Piersig (Hrsg.), Mecklenburgia Sacra, 2005, S. 106 (109 ff., 119); siehe auch den Artikel von Fiedler in diesem Band. 54 § 2 Abs. 3 S. 1 StiftG HH; § 3 Abs. 6 S. 1 StiftG RP. 55 So auch Schiffer zum StiftG NRW [Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, in: ZSt 2005, S. 199 ff.]; VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 104 ff. 56 Art. 29 Abs. 1 StiftG Bay; § 2 Abs. 1 S. 1 2. HS StiftG Bbg; § 13 Abs. 1 b) StiftG NRW; § 19 Abs. 1 Nr. 2 StiftG Saar; § 18 Abs. 1 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR.

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voraussetzen, sind beispielsweise solche wie: kirchlichen Aufgaben zu dienen bestimmt bzw. gewidmet 57 oder als kirchliche Stiftung errichtet bzw. anerkannt 58. Aus diesen Formulierungen ergibt sich zumindest indirekt, dass der Stifter zuvor eine entsprechende Zwecksetzung vorgesehen oder einen Antrag gestellt haben muss. Darüber hinaus ergibt sich der Vorbehalt des Stifterwillens aus dessen uneingeschränkten Primat im Stiftungsrecht. 59 Das Bundesverfassungsgericht stellte diesbezüglich fest, dass es gerade das Eigentümliche an einer Stiftung ist, dass der Stifterwille für die Stiftung dauerhaft konstitutiv bleibt. 60 Insofern handelt es sich bei der grundlegenden Entscheidung, ob eine Stiftung kirchliche oder weltliche ist, um eine Frage, die allein der Stifter beantworten darf. 61 Aus diesem Grund ist es auch ausgeschlossen, dass eine Stiftung entgegen des damaligen Willens des Stifters nachträglich „umdefiniert“ wird. 62 Ein nicht vom Stifterwillen gedeckter Wechsel des organisatorischen Rahmens scheidet aus. Dies gilt auch in den Bundesländern, in denen etwas missverständlich davon die Rede ist, dass die Stiftung „in der Stiftungssatzung der kirchlichen Aufsicht unterstellt [ist]“. 63 Durch diese Formulierung wird der Eindruck erweckt, die Unterstellung unter die kirchliche Aufsicht könnte sich auch aus einer einfachen Satzungsänderung ergeben. Allerdings würde diese Lesart gegen das in den Landesstiftungsgesetzen verankerte Primat des Stifterwillens 64 verstoßen. Zu beachten ist allerdings, dass es natürlich möglich ist, eine Stiftung, bei der der Wille des Stifters bislang verkannt worden ist und die daher unzutreffend eingeordnet wurde, in die eigentlich historisch gewollte Rechtsform zu fassen. So kann es beispielsweise notwendig werden, die Stiftung nachträglich unter die kirchliche Aufsicht zu stellen, wenn andere Kriterien der Definition entfallen sind. Die Notwendigkeit dazu kann insbesondere in Nordrhein-Westfalen entstehen. 65 Voraussetzung ist jedoch, dass der Status als kirchliche Stiftung nach alter Rechtslage eindeutig 57 § 22 Nr. 1 StiftG BW; § 16 Abs. 1 StiftG Brem; § 20 Abs. 1 StiftG HE; § 11 Abs. 1 S. 1 StiftG MV; § 20 Abs. 1 S. 1 1. HS StiftG Nds; § 13 Abs. 1 a) StiftG NRW (dazu: Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, in: ZSt 2005, S. 203); § 19 Abs. 1 Nr. 1 StiftG Saar; § 14 Abs. 1 Nr. 1 StiftG SN. 58 Vgl. § 2 Abs. 3 S. 1 StiftG HH; § 3 Abs. 6 S. 1 StiftG RP. 59 BayVerfGH, Urteil vom 28. 12. 1984, Vf. 10-VII-81, V 2 e) bb); Schiffer, Die Entwicklung des Stiftungszivilrechts in den Jahren 2004 bis 2006, in: NJW 2006, S. 2528 (2530). 60 BVerfGE 46, S. 73 (S. 85). 61 Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, in: ZSt 2005, S. 199 (201 f.) m.w. N. 62 Siehe dazu auch II 2. b). 63 § 16 Abs. 1 Nr. 3 StiftG Brem; § 11 Abs. 1 Nr. 1 StiftG MV; § 20 Abs. 1 Nr. 3 StiftG Nds; §14 Abs. 1 Nr. 3 StiftG SN; § 18 Abs. 1 Nr. 2 StiftG SH; § 26 Abs. 1 StiftG DDR. 64 § 3 StiftG Brem; § 4 Abs. 1 S. 3 StiftG MV; § 2 StiftG Nds; § 2 StiftG SN; § 8 Abs. 1 StiftG SH; § 2 StiftG DDR. 65 Siehe § 13 StiftG NRW im Vergleich zu § 2 Abs. 4 StiftG NRW a.F. Dazu unten II 3.

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feststand. Das entscheidende Problem besteht daher in der Ermittlung dessen, was der historische Stifter gewollt hat. 66 3. Jüngste Veränderungen und verfassungsrechtliche Bewertungen In mehreren Bundesländern ist es im Zuge der Reform der Landesstiftungsgesetze zu mehr oder weniger schwerwiegenden Veränderungen in der Definition der kirchlichen Stiftung gekommen. Im Detail haben Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ihre jeweiligen Definitionen enger gefasst. In den alten Fassungen der beiden Stiftungsgesetze lag eine kirchliche Stiftung dann vor, wenn diese überwiegend einen kirchlichen Zweck verfolgte und entweder von der Kirche verwaltet oder beaufsichtigt wurde. In der geltenden Fassung des brandenburgischen Stiftungsgesetzes wird dem gegenüber allein die Verwaltung durch die Kirche als Kriterium herangezogen, in Nordrhein-Westfalen begründet nunmehr allein die kirchliche Aufsicht den Status einer kirchlichen Stiftung. 67 Welche Gedanken zu dieser Verengung der Definition geführt haben, ist aus den Materialen des Gesetzgebungsverfahrens bedauerlicherweise nicht vollumfänglich ersichtlich. In Nordrhein-Westfalen hat sich der Gesetzgeber in der Begründung des Regierungsentwurfes dahingehend festgelegt, dass mit der neuen Begriffsbestimmung im Wesentlichen das Ziel einer Klarstellung verfolgt wurde. 68 Darüber hinaus soll die neue Begriffsbestimmung verstärkt auf die Zuordnung zur Kirche abzielen. 69 In Brandenburg ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung 70 kein Hinweis auf die Motive des Gesetzgebers. Ebenfalls enger gefasst wurde die saarländische Definition der kirchlichen Stiftung. Die alte Fassung des saarländischen Stiftungsgesetzes ließ die überwiegende Verfolgung kirchlicher Zwecke, verbunden mit dem Vorliegen eines der vier alternativen Kriterien der Errichtung durch die Kirche, der organisatorischen 66 BayVerfGH, Urteil vom 28. 12. 1984, Vf. 10-VII-81, V 2 f); Rausch, Geistliche Hebungen Wismar Anmerkungen aus rechtlicher Sicht, in: Brunners / Piersig (Hrsg.), Mecklenburgia Sacra, 2005, S. 106 (109 ff.); VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/ 05 (zitiert nach Juris), Rn. 104 ff.; Siehe dazu auch den Artikel von Fiedler in diesem Band. 67 Ebenso jetzt in Bayern. Allerdings hat der Landesgesetzgeber dort detailliert begründet, warum die Veränderung der Definition nicht zu einer Beschränkung der Möglichkeiten führt (Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes, LT-Drs. 15/10528 S. 14). 68 Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, in: LT-Drs. NRW 13/5987 S. 18 zu §§ 13, 14.. 69 Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, in: LT-Drs. NRW 13/5987 S. 18 zu § 13. 70 Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Brandenburg, in: LTDrs. Bbg 3/7024.

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Verbundenheit, der kirchlichen Aufsicht oder dem sinnvollen Zweckbezug genügen (§ 19 Abs. 1 StiftG Saar a. F.). Demgegenüber ist die vorliegende Fassung des saarländischen Stiftungsgesetzes wesentlich verengt. Wie bereits erwähnt, verzichtet das saarländische Stiftungsgesetz nunmehr auf das Kriterium der kirchlichen Aufsicht und hat die Alternativität von organisatorischer Verbundenheit und sinnvollem Zweckbezug zu Gunsten der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens beider Kriterien aufgehoben. Gesetzgeberisches Ziel war die Präzisierung des Begriffes und die stärkere Anbindung an die Verwaltungsorganisation der Kirchen. 71 Schließlich hat auch der Freistaat Sachsen seine Definition der kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts enger gefasst. Diese verzichtet im neuen sächsischen Stiftungsgesetz auf den sinnvollen Zweckbezug, der im bislang geltenden Stiftungsgesetz der DDR noch von Relevanz war (§ 26 Abs. 1 StiftG DDR). Diese Veränderung in der Definition wurde im Gesetzgebungsverfahren bedauerlicherweise nicht näher begründet. 72 Dies ist umso bemerkenswerter, als von Seiten der angehörten Kirchen bereits im ministeriellen Anhörungsverfahren durchgehend Bedenken gegenüber der Veränderung angemeldet wurden. 73 Diese inhaltlich verengten Definitionen sind unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Auch in den neuen Definitionen findet das aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV fließende Recht der Kirchen zur eigenverantwortlichen Ordnung ihrer Angelegenheiten 74 ausreichend Widerhall. 75 Den Kirchen verbleibt zum einen ein hinreichender Spielraum für die Errichtung kirchliche Stiftung. Dies gilt auch für den Freistaat Sachsen. Das Hinweggehen des Landtages über die Wünsche der Kirchen mag politisch ungeschickt sein und nicht der allgemeinen Tendenz zur Ausweitung der Freiräume des Stifters entsprechen, verfassungsrechtlich bedenklich ist es nicht. Zum anderen ändert sich an der rechtlichen Einordnung vorhandener kirchlicher Stiftungen nichts, sodass es nicht zu einem Eingriff in bestehende Strukturen kommt. Im Gegensatz zu den vorangehend genannten Bundesländern hat die Definition der kirchlichen Stiftung in Hamburg und Rheinland-Pfalz jeweils eine Ausweitung erfahren. In Hamburg in der Gestalt, dass erstmalig die Definition der kirchlichen Stiftung Eingang in das hamburgische Stiftungsrecht gefunden 71

Regierung des Saarlandes, Gesetzentwurf Gesetz zur Änderung des Saarländischen Stiftungsgesetzes, in: LT-Drs. Saar 12/1086 S. 10. 72 Vgl. Staatsregierung, Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen, in: LT-Drs. 4/5508, S. 11 der Begründung. 73 Vgl. die Stellungnahmen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, der Föderation evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland und der Evangelischen Kirche Berlin – Brandenburg – schlesische Oberlausitz, als Anhang zur LT-Drs 4/5508 veröffentlicht. 74 Vgl. Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 3 Rn. 46 ff. 75 Vgl. BayVerfGH, Urteil vom 28. 12. 1984, Vf. 10-VII-81, V 2 c).

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hat. 76 Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass hier Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 WRV Rechnung zu tragen sei. 77 In Rheinland-Pfalz wurde die Definition der kirchlichen Stiftung dahingehend umgestaltet, dass die in der alten Fassung explizit benannten ortskirchlichen Stiftungen und Pfründestiftungen nicht mehr erwähnt werden (§ 41 Abs. 1a StiftG RP a. F.) und auf die Kriterien der Errichtung durch die Kirche, der organisatorischen Eingliederung und der sinnvollen Zweckverbindung verzichtet wurde (§ 41 Abs. 1 b, c StiftG RP a. F.). Das Ziel des Gesetzgebers bestand hier zum einen in einer Klarstellung, da ortskirchliche Stiftungen und Pfründestiftungen – so es sich überhaupt um rechtsfähige Stiftungen handelt – unzweifelhaft kirchliche Stiftungen sind. 78 Zum anderen soll die Ersetzung der genannten Kriterien durch das eine Kriterium der Anerkennung als kirchliche Stiftung der Vielgestaltigkeit dieser Stiftungsform Rechnung tragen und zugleich eine trennscharfe Abgrenzung ermöglichen. 79 Durch diese Änderung ist es in Rheinland-Pfalz zu einer wesentlichen Ausweitung der landesgesetzlichen Legaldefinition gekommen. Derartige Reformen sehen sich natürlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Des Weiteren erfolgten im baden-württembergischen und im mecklenburgvorpommerischen Stiftungsgesetz Klarstellungen des Textes, die nicht mit inhaltlichen Änderungen verbunden waren. In Hessen wurde die Definition geringfügig ausgeweitet; statt „in die Verwaltung eingegliedert“ heißt es nun „organisatorisch mit der Kirche verbunden“. Schließlich ist die rechtliche Situation in Berlin problematisch, da die Definition dort nicht verändert wurde. Die Tatsache, dass das Berliner Stiftungsgesetz eine kirchliche Stiftung nicht kennt, ist auch weiterhin als dem Grundgesetz nicht entsprechend anzusehen. 80 Hier besteht nach wie vor dringender Anpassungsbedarf. 4. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die landesgesetzlichen Definitionen der kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts in Inhalt und Entstehungsgeschichte verschiedenartig sind. Die inhaltlichen Divergenzen sollten jedoch nicht allein als Bedrohung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung wahrgenommen wer76 77

§ 3 Abs. 3 StiftG HH. Senat, Entwurf eines Hamburgischen Stiftungsgesetzes, in: LT-Drs. HH 18/1513,

S. 6. 78 Landesregierung Rheinland-Pfalz, Gesetzentwurf Landesstiftungsgesetz, in: LT-Drs. RP 14/3129, S. 17. 79 Landesregierung Rheinland-Pfalz, Gesetzentwurf Landesstiftungsgesetz, in: LT-Drs. RP 14/3129, S. 17. 80 Achilles, Die Novellierung des Stiftungsprivatrechts, in: ZevKR 2002, S. 682 (688); Schulte, Das Stiftungsrecht der neuen Länder, in: ZSt 2006, S. 154 (155).

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den. Sie bieten vielmehr auch Chancen. Diese Unterschiede können insbesondere in dem Fall wichtig werden, in dem die Anerkennungsfähigkeit einer Stiftung als kirchliche Stiftung nicht sicher ist. Eventuell ist dann ein Ausweichen in ein anderes Bundesland ein gangbarer Lösungsweg. III. Voraussetzungen und Modalitäten der Entstehung Die Tatsache, dass die jeweilige landesrechtliche Definition erfüllt ist, reicht nicht aus, um eine bürgerlich-rechtliche kirchliche Stiftung rechtlich existent werden zu lassen. Notwendig ist vielmehr, dass die Stiftung anerkannt wird. Aus diesem Grunde stehen im nachfolgenden Abschnitt die Voraussetzungen und Modalitäten der Entstehung einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts im Mittelpunkt. 1. Entstehungsvoraussetzungen a) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen als Hintergrund der Entstehungsvoraussetzungen Eine kirchliche Stiftung kann nicht so einfach entstehen wie eine sonstige Stiftung bürgerlichen Rechts. Diese – nachfolgend noch zu untermauernde – Feststellung findet ihre Grundlage in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Während mit einer sonstigen Stiftungsgründung nur zwei Seiten befasst sind – der Stifter und die staatliche Aufsicht – sind bei der Entstehung einer kirchlichen Stiftung drei Parteien involviert. Zu Stifter und staatlicher Aufsicht tritt noch die Kirche hinzu. Die Kirche hat in diesem Zusammenhang eigene Interessen, die sich unter zwei Gesichtspunkten bemerkbar machen. Zum einen muss sichergestellt sein, dass die jeweilige Kirche Stiftungen nach ihren Wünschen errichten kann. 81 Zum anderen darf der Kirche keine Stiftung gegen ihren Willen aufgedrängt werden. 82 Beide Zielrichtungen finden ihr Fundament in Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Regelungstechnisch werden diese Vorgaben dadurch umgesetzt, dass ein Anspruch auf Anerkennung einer kirchlichen Stiftung besteht. Dieser Anspruch ist jedoch – ganz im Sinne des Normativsystems – nur dann gegeben, 81 Mainusch, Staatskirchenrechtliche Überlegungen zur kirchlichen Organisationsgewalt, in: ZevKR 2004, 285 (296 ff.). 82 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 21, § 25 Rn. 1 ff.; Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 2. c); Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mecker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 199.; Dies ergibt sich für die katholische Kirche auch aus dem CIC [dazu: Haering, Die Stiftung nach katholischem Kirchenrecht, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 358].

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wenn auch das Normativkriterium der Zustimmung der jeweiligen Kirche vorliegt. Dieser „Schutz“ der Kirchen gegenüber ihnen aufgedrängten Stiftungen wird dadurch noch verstärkt, dass der kirchliche Mitwirkungsakt nicht dem gesetzlichen Anspruch auf Anerkennung nach § 80 Abs. 2 BGB unterliegt. Zur Begründung ist darauf zu verweisen, dass die Kirche nicht grundrechtsverpflichtet ist und sich ein grundrechtlich fundierter Anspruch auf Anerkennung einer Stiftung daher argumentativ nicht rechtfertigen lässt. Ein einfachrechtlicher Anspruch auf Anerkennung findet in den Landesstiftungsgesetzen keine Grundlage und könnte diese auch aus kompetenziellen Gründen nicht finden, sodass sich ein Anspruch auf Anerkennung nur aus dem Kirchenrecht ergeben kann. Logische Konsequenz des fehlenden gesetzlichen Anspruchs auf den jeweiligen kirchlichen Mitwirkungsakt ist die Tatsache, dass dieser auch nicht vor den im Übrigen zuständigen Verwaltungsgerichten eingeklagt werden kann. Die Rechtmäßigkeit der Versagung des kirchlichen Mitwirkungsaktes kann nur vor den kirchlichen Gerichten am Maßstab des Kirchenrechts überprüft werden. 83 Ein vor einem Verwaltungsgericht gegen die Stiftungsbehörde betriebenes Verfahren auf Anerkennung einer kirchlichen Stiftung müsste demnach bis zur Entscheidung des Kirchengerichts ausgesetzt werden bzw. wäre wegen der nach § 40 Abs. 1 VwGO fehlenden Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichtes als zumindest teilweise unzulässig zurückzuweisen. 84 Auf die Ausgestaltung dieses Zustimmungsvorbehaltes in den einzelnen Bundesländern wird noch zurückzukommen sein. b) Die bundesrechtlichen Voraussetzungen Entstehungsvoraussetzung kirchlicher Stiftungen ist zunächst, dass die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Von der Abweichungsbefugnis des § 80 Abs. 3 BGB haben die Landesgesetzgeber diesbezüglich keinen bzw. nur verbal 85 Gebrauch gemacht. c) Die landesrechtlichen Kriterien Zu den bürgerlich-rechtlichen Kriterien treten in den einzelnen Bundesländern noch weitere landesrechtliche Erfordernisse hinzu. Diese nehmen die aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendige Zustimmung der Kirche zur Stiftungsentstehung in drei Regelungsvarianten auf. Ein Teil der Stiftungsgesetze verlangt die 83 Mainusch, Staatskirchenrechtliche Überlegungen zur kirchlichen Organisationsgewalt, in: ZevKR 2004, 285 (287); VG Sigmaringen, Urteil vom 26. 9. 2006, AZ 9 K 2042/05 (zitiert nach Juris), Rn. 145. 84 Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 3. d) m.w. N. 85 Staatsregierung, Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen, in: LT-Drs. 4/5508, S. 10 der Begründung. Diese Begründung ist jedoch unnötig, da sie keine inhaltlichen Abweichungen gegenüber dem Bundesrecht beinhaltet.

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der Anerkennung im Sinne des § 80 Abs. 1 BGB vorausgehende Anerkennung der Stiftung als kirchliche Stiftung durch die zuständigen Kirchenbehörden. 86 Eine weitere Gruppe von Stiftungsgesetzen verlangt die Zustimmung der zuständigen Kirchenbehörde zur Anerkennung im Sinne des § 80 Abs. 1 BGB bzw. das Einvernehmen der Kirche. 87 In Berlin, dessen Stiftungsgesetz kirchliche Stiftungen nicht kennt, folgt der Beteiligungsanspruch der Kirchen unmittelbar aus Art. 140 GG i. V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. 88 Schließlich setzen die Stiftungsgesetze der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und das Stiftungsgesetz der DDR die Antragstellung durch die Kirche voraus, 89 wobei nur Baden-Württemberg ausschließlich die Antragstellung durch die Kirche als weiteres Kriterium verlangt, die anderen genannten Bundesländer jedoch andere Formen der Zustimmung hinzufügen. 90 An letzter Stelle ist darauf hinzuweisen, dass in Hessen eine Sonderregelung für ortskirchliche Stiftungen und Pfründestiftungen besteht, die ihre Rechtsfähigkeit allein durch Bekanntmachung im Staatsanzeiger erlangen. 91 d) Prüfungsumfang der staatlichen Stiftungsaufsicht und sonstige Privilegierungen Im Grundsatz obliegt die Prüfung, ob die bundes- und landesrechtlichen Voraussetzungen der Entstehung erfüllt sind, der staatlichen Stiftungsaufsicht. Von diesem Grundsatz wird im neuen rheinland-pfälzischen Stiftungsgesetz jedoch eine bedeutsame Ausnahme gemacht. Dieses überträgt die Einschätzung, ob die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gewährleistet ist, den 86 § 5 Abs. 2 S. 1 StiftG Bbg (das Stiftungsgesetz Brandenburg spricht zwar von der Zustimmung, meint ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch eine vorausgehenden Zustimmung, LT-Drs. Bbg 3/7024, S. 3 der Begründung); § 16 Abs. 2 Nr. 1 StiftG Brem; § 2 Abs. 3 S. 1 StiftG HH; § 11 Abs. 1 S. 2 StiftG MV (sprachlich als Einwilligung gefasst); § 20 Abs. 1 S. 2 StiftG Nds; § 12 Abs. 1 S. 2 StiftG RP (sprachlich als Zustimmung gefasst, betrifft nur nicht von der Kirche errichtete Stiftungen); § 18 Abs. 1 S. 2 StiftG SH; § 14 Abs. 2 StiftG SN. 87 Art. 30 Abs. 2 StiftG Bay; § 20 Abs. 2 S. 2 StiftG HE; § 14 Abs. 2 StiftG NRW; § 19 Abs. 3 StiftG Saar; § 27 Abs. 2 S. 1 StiftG DDR. 88 Schulte, Das Stiftungsrecht der neuen Länder, in. ZSt 2006, S. 154 (155); Nissel, Das neue Stiftungsrecht, 2002, Rn. 157; Menges, Die kirchlichen Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 56 ff.; v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 23 Rn. 4, § 24 Rn. 2, § 28 Rn. 1 ff.; Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 199. 89 § 24 StiftG BW; Art. 30 Abs. 1 StiftG Bay; § 12 Abs. 1 StiftG RP (betrifft von der Kirche errichtete Stiftungen); § 27 Abs. 1 StiftG DDR. 90 Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Zustimmung, Rheinland-Pfalz: vorherige Zustimmung. 91 § 20 Abs. 3 StiftG HE, weiterführend hierzu: Peiker, Hessisches Stiftungsgesetz, 2005, § 20 3.1.

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jeweils zuständigen Kirchenbehörden (§ 12 Abs. 1 S. 1 1. HS 1 1. Kriterium StiftG RP). Das heißt, diesbezüglich ist die Stiftungsbehörde an die Entscheidung der Kirchenbehörde gebunden, sie hat eigenständig nur noch zu entscheiden, ob das Gemeinwohl nicht gefährdet wird und das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 BGB genügt (§ 12 Abs. 1 S. 1 HS 1 Kriterien 2 und 3 StiftG RP). Dass die Beurteilungskompetenz der Kirchenbehörde nicht auch auf diese Kriterien erstreckt wurde, ergibt sich daraus, dass in der Begründung des Regierungsentwurfes von der Fortführung der bisherigen Rechtslage ausgegangen wird, die in § 42 Abs. 1 HS 2 StiftG RP a. F. etwas eindeutiger ausgedrückt war. 92 Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nennenswerte Differenzen hier nur selten bestehen werden, da sich kirchliche und staatliche Anforderungen im Wesentlichen entsprechen. 93 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine Privilegierung, die kirchlichen Stiftungen bei der Entstehung zukommt. In Bayern, Sachsen-Anhalt und Thüringen besteht bereits kraft Gesetzes die Möglichkeit, eine Stiftung trotz eines an sich nicht hinreichenden Vermögens anzuerkennen, wenn die Erreichung des Stiftungszwecks von der jeweiligen Kirche gewährleistet wird. 94 Diese Möglichkeit, die fehlende Größe des Stiftungsvermögens durch eine Patronatserklärung zu substituieren, besteht dem geschriebenen Recht nach nur in den genannten Bundesländern. In den übrigen Bundesländern wird eine vorhandene Patronatserklärung jedoch im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Vermögensausstattung berücksichtigt, so dass praktisch kein Unterschied besteht. 95 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im strengen Sinne nicht einmal von einer Privilegierung der kirchlichen Stiftungen gesprochen werden kann, da eine Patronatserklärung bei Körperschaften des öffentlichen Rechts ein übliches Mittel zur Gründung von Stiftungen trotz eines an sich nicht hinreichenden Vermögens darstellt. 96 Auch bei einer Vielzahl von in der letzten Zeit staatlicherseits gegründeten Stiftungen lässt sich dies beobachten. 97

92 Landesregierung Rheinland-Pfalz, Gesetzentwurf Landesstiftungsgesetz, in: LT-Drs. RP 14/3129, S. 31. 93 Haering, Die Stiftung nach katholischem Kirchenrecht, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 364. 94 Art. 30 Abs. 1 S. 1 StiftG Bay; § 27 Abs. 1 StiftG DDR. 95 Vgl. dazu: Schiffer, Die Entwicklung des Stiftungszivilrechts in den Jahren 2004 bis 2006, in: NJW 2006, S. 2528 (2530). 96 Klappstein, Anmerkungen zur Stiftung des öffentlichen Rechts, in: Jickeli / Kreutz / Reuter (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, 2003, S. 824; zur notwendigen Vermögensausstattung: Nissel, Das neue Stiftungsrecht, 2002, Rn. 100 ff. v. a. Rn. 102. 97 Vgl. Vogel, Stiftung Deutsches-Hygiene-Museum, in: Mecking / Schulte (Hrsg.), Grenzen der Instrumentalisierung von Stiftungen, 2003, S. 13 f.; Fiedler, Verfassungsrechtliche Probleme staatlicher Kulturförderung durch Stiftungen, in: Mecking / Schulte (Hrsg.), Grenzen der Instrumentalisierung von Stiftungen, 2003, S. 71 (72, 82).

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2. Jüngste Entwicklung und verfassungsrechtliche Bewertung Die Entstehungsvoraussetzungen kirchlicher Stiftungen bürgerlichen Rechts haben sich im Zuge der Reform der Landesstiftungsgesetze nur wenig verändert. In den meisten Bundesländern beschränkte sich die Tätigkeit des Gesetzgebers auf eine Anpassung der Terminologie an die neue bundesrechtliche Lage. Bedeutsamere Änderungen waren allein in Hamburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu verzeichnen. Hamburg war mit der Aufnahme der kirchlichen Stiftung in das Stiftungsgesetz gezwungen, erstmals eine Regelung der Entstehung dieser im Gesetz zu verankern. In Rheinland-Pfalz wurde das Kriterium der Zustimmung (§ 42 Abs. 2 StiftG RP a. F.) dahingehend präzisiert, dass nunmehr die vorherige Zustimmung notwendig ist. Darüber hinaus verzichtete der Gesetzgeber auf die zuvor in § 42 Abs. 4 StiftG RP a. F. enthaltene Verpflichtung zur Vereinbarung von Richtlinien für das Genehmigungsverfahren kirchlicher Stiftungen. Dieser Verzicht steht in Zusammenhang mit der Konzentration der Stiftungsaufsicht bei der Aufsichtsund Dienstleistungsdirektion, 98 die eine Abstimmung der Genehmigungspraxis durch Richtlinien entbehrlich werden ließ. 99 Schließlich ging das saarländische Stiftungsgesetz von dem Erfordernis der vorherigen Anerkennung als kirchliche Stiftung nach § 19 Abs. 2 StiftG Saar a. F. zu einer Einvernehmensregelung über. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der Gesetzeswortlaut präzisiert. § 11 Abs. 1 S. 2 StiftG MV spricht nun klarstellend von einer Einwilligung. Der in § 26 Abs. 1 S. 2 StiftG MV a. F. verwandte Begriff der Anerkennung war infolge der Verwendung des Begriffes in § 80 Abs. 1 BGB uneindeutig geworden. 100 Das Stiftungsgesetz des Freistaates Sachsen ging von einem Zustimmungserfordernis nach § 27 Abs. 2 StiftG DDR zu der Notwendigkeit einer vorherigen Zustimmung über (§ 14 Abs. 2 E StiftG SN). Dies erfolgte ausweislich der Gesetzesbegründung mit dem ausdrücklichen Ziel, die Mitwirkungsrechte der Kirchen zu stärken. 101 Verzichtet hat Sachsen demgegenüber auf die in § 27 Abs. 1 StiftG DDR verankerte Notwendigkeit der Antragstellung durch die zuständige Kirchebehörde. Auch wenn die Gesetzesbegründung diesbezüglich keine Aussage trifft, so ist doch zu vermuten, dass angesichts des neu gefassten Erfordernisses der vorherigen Zustimmung der Kirchenbehörde keine Notwendigkeit mehr dafür gesehen wurde, auch die Antragstellung durch diese zu verlangen. Festzustellen ist daher, dass es auch in diesen beiden Bundesländern zu keiner Reduzierung des kirchlichen Einflusses auf die Entstehung kirchlicher Stiftungen gekommen ist. 98

§ 4 Abs. 1 StiftG RP. Zur fehlenden Notwendigkeit dieser Richtlinien: v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 25 Rn. 7. 100 Landesregierung, Entwurf eines Stiftungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: LT-Drs. MV 4/2047, S. 16. 101 Staatsregierung, Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen, in: LT-Drs. 4/5508, S. 11 der Begründung. 99

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3. Zwischenergebnis Verglichen mit den Definitionsmerkmalen gestaltet sich die landesrechtliche Ausformung der Entstehungsvoraussetzungen relativ homogen. Wirklich bedeutende Divergenzen bestehen zwischen den Landesstiftungsgesetzen nicht. Dies ist unter anderem darin begründet, dass die verfassungsrechtlichen Grenzen hier wesentlich enger sind als bezüglich der Definitionsmerkmale. Hinzu kommt, dass die Verwendung des Begriffes der Anerkennung in § 80 Abs. 1 BGB und die daraus fließende Notwendigkeit einer sprachlichen Anpassung den Trend zur Vereinheitlichung etwas verstärkt hat. Durch den Fokus des Verfassungsrechtes betrachtet fällt auf, dass nahezu alle Landesstiftungsgesetze den grundgesetzlichen Rahmenbedingungen gerecht werden. 102 Den Kirchen ist es sowohl möglich, eigene Stiftungen zu errichten, als auch einen hinreichenden Einfluss auf die Gründung kirchlicher Stiftungen durch Dritte zu nehmen. IV. Die staatliche und kirchliche Aufsichtsführung Für die praktische Tätigkeit kirchlicher Stiftungen des bürgerlichen Rechts ist die Frage, wer die Aufsicht über sie führt, von zentraler Bedeutung. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob sie den Anforderungen der Landesstiftungsgesetze oder den gegebenenfalls weitergehenden oder auch weniger umfangreichen kirchenrechtlichen Regularien unterliegen. Aus diesem Grunde soll im nachfolgenden Abschnitt zunächst überprüft werden, wie die Aufsichtsführung über die kirchlichen Stiftungen bürgerlichen Rechts geregelt ist. Daran anschließend wird kurz darauf eingegangen, ob in einzelnen Stiftungsgesetzen neben einer eventuell bestehenden kirchlichen Aufsicht auch staatliche Anforderungen an die Verwaltung von Stiftungen bestehen. 1. Die Führung der Aufsicht Bei der Ausgestaltung der Aufsicht 103 über kirchliche Stiftungen folgen die Länder drei Organisationsmodellen. Der weitaus größte Teil aller Länder überlässt die Aufsicht allein den jeweiligen Kirchen und schließt jede Form einer staatlichen 102 Die Ausnahme bildet hier Berlin, wo das Fehlen einer expliziten Regelung ein Berufen auf Art 140 GG i.V. m. Art 137 Abs. 3 WRV notwendig macht. 103 Weiterführend zur Aufsicht über evangelische kirchliche Stiftungen: Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, passim; zu den katholischen Stiftungen: Menges, Die kirchlichen Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland, 1995, passim; Haering, Die Stiftung nach katholischem Kirchenrecht, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 360; zur Stiftungsaufsicht allgemein: Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 4 Rn. 3 ff, § 7.

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Aufsichtsführung aus 104 bzw. ermöglicht die ausschließliche kirchliche Aufsichtsführung durch Staatsvertrag. 105 Demgegenüber geht das Stiftungsgesetz Berlins mangels einschlägiger Sonderregelungen von einer reinen Staatsaufsicht aus. 106 Schließlich folgt eine dritte Gruppe von Ländern einer Reihe von Mischmodellen. So findet in Baden-Württemberg eine Aufsicht über die Aufsicht statt (§ 25 Abs. 3 StiftG BW), in Bremen besteht das Recht der Stiftungsbehörde auf Unterrichtung und Veranlassung einer Prüfung fort (§ 12 Abs. 1 StiftG Brem), in SchleswigHolstein erfolgen schließlich alle Maßnahmen, d. h. auch die Aufsichtsführung, im Einvernehmen mit den jeweiligen Kirchenbehörden (§ 18 Abs. 2 S. 1 StiftG SH). Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entspricht die Rechtslage in nahezu allen Bundesländern den Anforderungen des Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. 107 In Baden-Württemberg, Bremen und Schleswig-Holstein ist die Rechtslage, eine zurückhaltende Auslegung der jeweiligen Normen vorausgesetzt, ohne weiteres mit dem Grundgesetz vereinbar. Die genannten Normen lassen sich dahingehend interpretieren, dass von der in § 25 Abs. 3 StiftG BW bzw. § 12 Abs. 1 StiftG Brem vorgesehenen Möglichkeit der Informationseinholung aus wichtigem Grund nur dann Gebrauch gemacht werden darf, wenn ein außerordentliches, die Sphäre des innerkirchlichen verlassendes Ereignis eingetreten ist. 108 Ebenso ist die Einvernehmensregel des § 18 Abs. 2 S. 1 StiftG SH so zu handhaben, dass den Aufsichtswünschen der Kirchen entsprochen werden muss. Schließlich ist die Rechtslage in Hamburg auch dann nicht kritikwürdig, wenn kein den § 5 Abs. 1 S. 3 StiftG HH ausfüllender Staatsvertrag besteht, da dort zwar kein unmittelbares kirchliches Aufsichtsrecht besteht, aber das weitreichende Stifterprivileg des § 5 Abs. 3 S. 2 StiftG HH einen Verzicht auf die den Kern der staatlichen Aufsicht bildende Pflicht zur Vorlage der Jahresrechnung ermöglicht. 109 In Hamburg kann demnach auch jenseits eines Staatsvertrages durch eine entsprechende Satzungsregelung sichergestellt werden, dass die Jahresrechnung 104 Art. 31 Abs. 1 S. 1 StiftG Bay; § 4 Abs. 3 S. 1 StiftG Bbg; § 20 Abs. 4 StiftG HE; § 11 Abs. 3 StiftG MV; § 20 Abs. 2 S. 5 StiftG Nds; § 14 Abs. 5 StiftG NRW; § 12 Abs. 3 StiftG RP; § 19 Abs. 4 StiftG Saar; § 14 Abs. 3 S. 2 StiftG SN; § 27 Abs. 3 StiftG DDR. 105 § 5 Abs. 1 S. 3 StiftG HH. 106 Anzumerken ist, dass eine kirchliche Aufsicht natürlich möglich bleibt, sich aber nach der Intention des Gesetzgebers auf die Beachtung des Kirchenrechts zu beschränken hat und die staatliche Aufsicht in keiner Weise ersetzt. 107 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 28 Rn. 1. 108 Ein Argument für diese Ansicht folgt auch aus § 16 Abs. 2 Nr. 3 StiftG Brem, da bei einem regen Gebrauch von dem Unterrichtungs- und Prüfungsrecht des § 12 Abs. 1 StiftG Brem die Stiftungsaufsicht ggf. die Einhaltung kirchlicher Normen prüfen müsste, dies kann so nicht beabsichtigt sein. 109 Diese Vorschrift ist jedoch aus anderen Gründen bedenklich. Siehe dazu: Risch, Deregulierung im Stiftungsrecht, in: ZSt 2006 S. 162 ff.

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der Kirche vorzulegen ist und diese somit die Aufsicht führt. 110 Dem gegenüber ist die Rechtslage in Berlin defizitär, da die dortige Staatsaufsicht über kirchliche Stiftungen im Verhältnis zu Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV bedenklich ist. Schließlich bestehen bezüglich der Bundesländer, die die Aufsicht allein der Kirche überlassen, keine Bedenken. Weitreichende Veränderungen waren diesbezüglich im Zuge der Reform der Landesstiftungsgesetze nicht zu beobachten. In den meisten Bundesländern blieben die gesetzlichen Regelungen unverändert. Bemerkenswert ist allein das hamburgische Stiftungsgesetz, dass aufgrund der erstmaligen Erfassung der kirchlichen Stiftung auch Regeln zur Aufsicht enthalten musste. Im Übrigen kam es nur in Rheinland-Pfalz und in Sachsen zu Änderungen. In diesen Bundesländern wurde jeweils auf den einschränkenden Vorbehalt verzichtet, dass die zuständigen Kirchenbehörden eine entsprechende Aufsicht führen müssen (§ 45 Abs. 1 StiftG RP a. F; § 27 Abs. 1 S. 1 2. HS StiftG DDR). Diese Änderung wird jedoch ohne weitere praktische Folgen bleiben, da nach hier vertretener Auffassung eine gewisse Mindestpflicht zur Aufsichtsführung bereits aus den einschlägigen Definitionen der kirchlichen Stiftung fließt. 111 2. Die Verwaltung kirchlicher Stiftungen Angesichts der weitgehenden Zurücknahme der staatlichen Aufsicht über kirchliche Stiftungen des bürgerlichen Rechts fragt sich, ob die Kompetenz der Kirchenbehörden zur Aufsichtsführung auch Regelungen zu den Einzelheiten der Verwaltung solcher Stiftungen einschließt. Für eine derartige Betrachtungsweise spricht zunächst, dass solche Verwaltungsregelungen – sollten sie für kirchliche Stiftungen gelten, was nachfolgend zu prüfen ist – nur in geringem Umfang von praktischer Relevanz seien dürften, da ihre Einhaltung zumeist nicht von der staatlichen Stiftungsaufsicht geprüft werden kann. Auf den ersten Blick besteht daher die Vermutung, dass die Landesgesetzgeber derartige, auf ein programmiertes Vollzugsdefizit hinauslaufende Normen nicht in ihre Landesstiftungsgesetze aufgenommen haben. Dem ist allerdings nicht so. Normen, die Einzelheiten der Verwaltung von Stiftungen, beispielsweise die Entlohnung der Organangehörigen oder die Anlage des Stiftungsvermögens betreffen, finden sich auch nach den jüngsten Reformen in vielen Stiftungsgesetzen. 112 Diese betreffen in der Mehrzahl aller Fälle jedoch 110 Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Satzung dann sehr umfangreich sein muss, denn Rechtsgrundlage des Handelns der durch Satzung eingesetzten Aufsicht kann nur die Satzung selbst sein. 111 Siehe hierzu oben: II 2. c). 112 Beispielsweise: § 6 Abs. 4 StiftG Nds. Umfassend zu den Vermögensverwaltungsvorschriften: Reuter, in: NZG 2005 S. 649 ff.

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nicht kirchliche Stiftungen, da die Stiftungsgesetze den Kirchen das Recht einräumen, eigene Vorschriften für die Verwaltung zu erlassen. 113 Dieses Vorgehen ist angesichts des beschriebenen potentiellen Vollzugsdefizits konsequent. Ähnlich geradlinig ist das Vorgehen in Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein, deren Stiftungsgesetze in logischer Folge der fehlenden bzw. eingeschränkten kirchlichen Aufsicht auch keine kirchlichen Verwaltungsregeln zulassen. Weniger folgerichtig ist dem gegenüber die Lage in Hessen, Nordhein-Westfalen, dem Saarland und Sachsen, die nominal an ihren jeweiligen Verwaltungsvorgaben festhalten bzw. sogar neu eingeführt haben, 114 diese aber mangels staatlicher Aufsichtführung nicht überprüfen können. Unübersichtlich ist die Rechtslage auch in Rheinland-Pfalz, wo zwar § 44 StiftG RP a. F. ersatzlos gestrichen wurde und das Gesetz somit keine Ausnahmevorschrift zu den Verwaltungsregeln mehr enthält, gleichzeitig in der Gesetzesbegründung jedoch explizit betont wurde, dass an den bisherigen Sonderregeln für die Verwaltung kirchlicher Stiftungen festgehalten werden soll. 115 Fraglich ist daher, ob es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten angemessen ist, dass die Landesstiftungsgesetze den kirchlichen Stiftungen Einzelheiten der Verwaltung vorschreiben. Dies ist prinzipiell nicht anzunehmen. Die Landesstiftungsgesetze können den kirchlichen Stiftungen bürgerlichen Rechts keine Vorgaben für die Verwaltung der Stiftung machen. 116 Allerdings entsteht aus diesem Auseinanderfallen von verfassungsrechtlicher Lage und dem Text der Landesstiftungsgesetze nicht unbedingt ein Konflikt. In Hamburg ist die Rechtslage beispielsweise nicht problematisch, da das weit reichende Stifterprivileg entsprechende Satzungsregeln, d. h. Abweichungen, ohne weiteres zulässt. 117 In Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland kann – gestützt auf die Tatsache, dass diese Länder die Genehmigung des Verbrauchs des Stiftungsvermögens jeweils den Kirchen übertragen haben 118 – davon ausgegangen werden, dass die Verwaltungsregelungen auf kirchliche Stiftungen als nicht anwendbar betrachtet werden. Nur folgerichtig ist es daher, dass in dem bereits an die neue 113 § 25 Abs. 1 StiftG BW; Art. 31 Abs. 1 S. 2 Bay StiftG; § 16 Abs. 2 Nr. 3 StiftG Brem; § 20 Abs. 2 S. 2 StiftG Nds; § 27 Abs. 3 S. 2 StiftG DDR; Zu den daraufhin erlassenen kirchlichen Regelungen: v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 24 Rn. 6 ff. 114 In Sachsen ist der Erlass von Regeln für die Verwaltung kirchlicher Stiftungen den Kirchen nicht mehr zugewiesen. § 27 Abs. 3 S. 2 StiftG DDR wurde ersatzlos gestrichen. 115 Landesregierung Rheinland-Pfalz, Entwurf Landesstiftungsgesetz, LT-Drs. RP. 14/ 3129, S. 31. 116 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Bonner Grundgesetz, Band 3, 2001, Art. 138 WRV Rn. 36, 39; Ehlers, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 2003, Art. 140/ Art.137 WRV Rn. 8; Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mecker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 196. 117 § 4 StiftG HH. 118 § 6 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 20 Abs. 4 StiftG HE; § 19 Abs. 4 S. 2 StiftG Saar.

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Rechtslage angepassten Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau umfassende Regelungen zur Verwaltung der Stiftung enthalten sind. 119 Eine derartige Betrachtung ist in Sachsen jedoch nicht möglich, da die systematische Stellung der Verwaltungsregeln im ersten Abschnitt, die Nichtweitergeltung des § 27 Abs. 3 S. 2 StiftG DDR und der explizite Willen des Gesetzgebers, der den 1. Absatz des sächsischen Stiftungsgesetzes ausdrücklich auch auf kirchliche Stiftungen beziehen wollte 120 entgegenstehen. Im Ergebnis bestehen lediglich in Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein für kirchliche Stiftungen relevante Vorschriften zur Stiftungsverwaltung. Zu beachten ist allerdings, dass in dem Fall, dass das Kirchenrecht unergiebig ist, wieder staatliches Recht anzuwenden sein kann. 121 Abgesehen von den bereits erwähnten Veränderungen traten reformbedingte Änderungen allein in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auf. Beide Bundesländer verzichteten, dem allgemeinen Trend der Liberalisierung folgend, auf jegliche Verwaltungsvorschriften und konnten daher auch auf entsprechende Sonderregelungen für kirchliche Stiftungen, wie § 26 Abs. 2 S. 1 StiftG MV a. F., verzichten. 3. Zwischenergebnis Die Führung der Stiftungsaufsicht und die Regelung der Verwaltung einer Stiftung sind Rechtsgebiete in denen beachtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern festzustellen sind. Auch wenn der relativ enge verfassungsrechtliche Rahmen vermuten ließ, dass die Stiftungsgesetze vergleichsweise homogen sind, so ist doch festzustellen, dass die Landesgesetze dem nicht unbedingt entsprechen. Daher muss sich ein Stifter bei einem Gang in ein Bundesland, dessen Rechtslage mit dem Verfassungsrecht nicht vollständig übereinstimmt, darauf einrichten, dass es zu Meinungsverschiedenheiten kommt, wenn er auf die kirchliche Aufsichtsführung oder auf die alleinige Geltung kirchlicher Verwaltungsvorschriften besteht.

119 §§ 5 f. des Kirchengesetzes über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, ABl. der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Nr. 6 2005 S. 162. 120 Staatsregierung, Gesetz zur Neuregelung des Stiftungsrechts im Freistaat Sachsen, in: LT-Drs. 4/5508, S. 1 der Begründung. 121 § 25 Abs. 1 S. 1 StiftG BW; § 16 Abs. 2 Nr. 3 StiftG Brem; § 20 Abs. 2 S. 2 StiftG Nds.

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V. Publizitätsvorschriften und Veröffentlichungspflichten Für die Öffentlichkeit ist die Publizität von Stiftungen ein wichtiges Anliegen. Auch kirchlichen Stiftungen gegenüber besteht ein gewisses Informationsinteresse. Dieses ist unter anderem darin begründet, dass gemeinnützige kirchliche Stiftungen steuerlich bevorzugt werden und somit ein legitimes Interesse an Informationen über diese vorhanden ist. 122 Es fragt sich daher, ob die Landesgesetzgeber dieses Informationsbedürfnis auch bei kirchlichen Stiftungen annehmen. Dabei ist zwischen der durch das Stiftungsverzeichnis und der durch andere Veröffentlichungspflichten hergestellten Publizität zu unterscheiden. 1. Die Aufnahme kirchlicher Stiftungen in das Stiftungsverzeichnis Ein Informationsinteresse, das die Aufnahme aller kirchlichen Stiftungen in das Stiftungsverzeichnis notwendig macht, wird in den Ländern Bayern, Bremen und Baden-Württemberg nicht angenommen. Diese Länder nehmen kirchliche Stiftungen explizit nicht in ihre Stiftungsverzeichnisse auf 123 bzw. haben die Führung von Verzeichnissen über kirchliche Stiftungen den Kirchen übertragen 124. Zur Begründung dieses Vorgehens wurde sowohl auf verfassungsrechtliche Argumente – weder Kirchen, noch kirchliche Stiftungen könne zur Übermittlung der notwendigen Daten verpflichtet werden – als auch auf praktische Gründe – an der großen Zahl von Pfründestiftungen bestünde kein öffentliches Interesse – verwiesen. 125 Eine zweite Gruppe von Ländern sieht die fakultative Aufnahme kirchlicher Stiftungen in das Stiftungsverzeichnis vor. Wenn die Kirchenbehörde einen entsprechenden Antrag stellt 126 bzw. die Stiftung ihr Einvernehmen erklärt, 127 dann wird sie in das Verzeichnis aufgenommen. Rechtsfolge ist allerdings auch, dass sie dann den entsprechenden Mitteilungspflichten, welche die Führung eines Stiftungsverzeichnisses erst möglich machen, unterliegt. Dies ist verfassungsrechtlich auch unbedenklich, da sich die Kirchenbehörde bzw. die Stiftung freiwillig zur Informationsweitergabe verpflichtet haben. Der weitaus größte Teil der Bundes122 Zu den anderen für die Errichtung eines Stiftungsverzeichnisses sprechenden Gründen: Risch, Die Zukunft der Landesstiftungsgesetze, in: Mecking / Schulte (Hrsg.), Grenzen der Instrumentalisierung von Stiftungen, 2001, S. 185 (203 ff.); vgl. auch: Nissel, Das neue Stiftungsrecht, 2002, Rn. 209 ff. Lucks, Stiftungsgesetze der Bundesländer nach der Reform des Stiftungszivilrechts, in: Strachwitz / Mercker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 273. 123 Art. 8 Abs. 1 StiftG Bay. 124 § 27 S. 1 StiftG BW, § 16 Abs. 2 Nr. 5 StiftG Brem. 125 Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes, LT-Drs. Bay 14/5498, S. 10. 126 § 3 S. 4 StiftG MV; § 17a Abs. 1 S. 2 StiftG Nds; § 5 Abs. 1 S. 2 StiftG RP. 127 § 14 Abs. 4 StiftG NRW.

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länder geht jedoch – zumindest dem Wortlaut der Stiftungsgesetze nach – vom Leitbild des vollständigen Stiftungsverzeichnisses aus 128 und schließt somit auch kirchliche Stiftungen mit ein. Da allerdings in diesen Ländern die Aufsichtsführung zumeist der Kirche übertragen ist 129 und auch die Änderung der Satzung des Zwecks oder die Aufhebung oder Zusammenlegung nicht unbedingt der Mitwirkung der Stiftungsaufsicht bedürfen, 130 ist es für diese praktisch unmöglich, den Überblick über die kirchlichen Stiftungen zu bewahren. Hinzu kommt, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen weder Kirchenbehörden noch Stiftungen zur Mitteilung der notwendigen Daten verpflichtet werden können. 131 Auf diese Stiftungen sind daher die Mitteilungspflichten nach den Stiftungsgesetzen nicht anwendbar. 132 Aufgrund dessen verwundert es nicht, dass kirchliche Stiftungen in den Stiftungsverzeichnissen dieser Gruppe von Ländern faktisch keine bzw. nur freiwillige Aufnahme finden. 133 Eine Ausnahme bilden hier allein Berlin, Hamburg, das Saarland und Sachsen-Anhalt, die kirchliche Stiftungen entweder nicht kennen oder diese mit aufnehmen. 134 In diesen Bundesländern ist die Rechtslage verfassungsrechtlich problematisch. Die dort praktizierte Aufnahme kirchlicher Stiftungen in das allgemeine Stiftungsverzeichnis legt den kirchlichen Stiftungen bedenkliche Mitteilungspflichten auf und nimmt den Kirchen ihr von Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV mit umfasstes Recht auf Informationshoheit. 135 Auch das eingangs erwähnte legitime 128 § 11 Abs. 1 StiftG Berl; § 14 StiftG Bbg; § 3Abs. 2 Nr 5 StiftG HH; § 17a Abs. 1 StiftG HE; § 18 StiftG Saar; § 8 Abs. 1 S. 1 StiftG SN; § 15 Abs. 2 StiftG SH; § 20 StiftG DDR. 129 Siehe oben IV 1. 130 Siehe unten VI 2. 131 Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes, LT-Drs. Bay 14/5498, S. 10; Backert, Maßvolle Neuerungen im bayerischen Stiftungsrecht, in: BayVBl 2002, S. 684. 132 Beispielsweise: § 17a Abs. 2 S. 2 StiftG HE; § 17a Abs. 2 S. 2 StiftG Nds. 133 Nicht in das Stiftungsverzeichnis aufgenommen werden kirchliche Stiftungen in Hessen (vgl. Stiftungsverzeichnis für das Regierungspräsidium Darmstadt, http://www .rpda.de/dezernate/hoheitsverwaltung/stiftungswesen/index.htm). Uneindeutig ist die Situation in Brandenburg (http://www.mi.brandenburg.de/sixcms/list.php/mi_stiftungen), Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Sachsen (http://www.sachsen.de/de/bf /staatsregierung/ministerien/smi/smi/666.htm) und Thüringen, die in ihren Stiftungsverzeichnissen zwar kirchliche Stiftungen aufführen, diese aber nur in sehr geringer Zahl erfassen und daher wohl diesbezüglich nicht vollständig sind. 134 Siehe hierzu das Berliner Stiftungsverzeichnis, das religiöse Zwecke in Abschnitt VII explizit ausweist (http://www.berlin.de/senjust/kontakt/abt_ii/stiftung/index.html), sowie das Stiftungsverzeichnis Hamburgs (http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden /justizbehoerde/justizverwaltungsamt/stiftungswesen/stiftungsdatenbank/start.html); für das Saarland und Sachsen-Anhalt wurden vom Landesverwaltungsamt bzw. vom Innenministerium jeweils eine persönliche Auskunft erteilt. 135 Vgl. Peiker, Modellentwurf für ein Landesstiftungsgesetz, in: ZSt 2003, S. 47 (51).

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Informationsinteresse der Öffentlichkeit geht nicht so weit, dass es ein staatliches Eindringen in die Sphäre kirchlicher Eigenverantwortung rechtfertigen würde. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Regelung findet sich auch in dem sonst einer Beschneidung kirchlicher Rechte unverdächtigen Baden-Württemberg. Dort räumt § 27 S. 3 StiftG BW jedem, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, ein Einsichtsrecht in das bei der Kirchenbehörde geführte Stiftungsverzeichnis kirchlicher Stiftungen ein. Diese Norm erweist sich verfassungsrechtlich als nicht haltbar, da es nicht Sache des Staates sein kann, festzulegen, unter welchen Bedingungen Kirchen Zugang zu ihren Verzeichnissen gewähren müssen. 136 Hier handelt es sich bei dieser Norm um ein Beispiel für eine weniger geglückte reformierte Regelung. Positiv ist hingegen zu bemerken, dass sich MecklenburgVorpommern unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechte der Kirchen aus Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV 137 dazu entschlossen hat, die Eintragung kirchlicher Stiftungen in das Stiftungsverzeichnis von einem Antrag der entsprechenden Kirchebehörden abhängig zu machen (§ 3 S. 4 StiftG MV n. F.). Bezüglich der Mitteilungspflicht der für das Stiftungsverzeichnis notwendigen Angaben, geht das Stiftungsgesetz Mecklenburg-Vorpommerns den bemerkenswerten Weg, dass auf die Normierung einer entsprechenden Pflicht der betroffenen Kirchenbehörden ausdrücklich verzichtet, zugleich aber der Hoffnung Ausdruck verliehen wird, dass diese auch ohne gesetzliche Grundlage an der Erstellung und Pflege des Stiftungsverzeichnisses mitwirken. 138 Dieser Lösungsweg behält offensichtlich das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Auge, ist dabei aber unnötig kompliziert. Wenn die Kirchenbehörde einen Antrag auf Aufnahme einer Stiftung in das Stiftungsverzeichnis stellt, hat sie sich ihres Selbstbestimmungsrechtes in diesem Punkt freiwillig entäußert und ist ohne weiteres zur Mitwirkung am Stiftungsverzeichnis verpflichtet bzw. kann durch Gesetz dazu verpflichtet werden. 2. Weitere Veröffentlichungspflichten Zu der durch das Stiftungsverzeichnis hergestellten Publizität tritt in einigen Bundesländern die Information der Öffentlichkeit durch die Pflicht zur Bekanntgabe der Anerkennung einer Stiftung und ggf. von deren Satzung im Staatsanzeiger oder Amtsblatt hinzu. Eine derartige Pflicht besteht in den Bundesländern BadenWürttemberg, Berlin, Hessen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein. 139 Sie 136 Vgl. insofern die parallel gelagerte Diskussion um die Geltung des Datenschutzrechts in den Kirchen. Dazu: v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Bonner Grundgesetz, Band 3, 2001, Art. 137 WRV Rn. 177 ff. 137 Landesregierung, Entwurf eines Stiftungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: LT-Drs. MV 4/2047 S. 12. 138 Landesregierung, Entwurf eines Stiftungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: LT-Drs. 4/2047 S. 11. 139 § 16 StiftG BW; § 2 Abs. 2 StiftG Bln; § 17 StiftG HE; § 17 StiftG Saar; § 5 Abs. 2 StiftG SN; § 15 Abs. 1 StiftG SH.

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setzt an der Errichtung der Stiftung an, gilt für alle Stiftungen und ist daher auch von kirchlichen Stiftungen zu beachten. Allerdings bestehen Zweifel an der Notwendigkeit derartiger Veröffentlichungspflichten, da die im Staatsanzeiger oder im Amtsblatt bekannt gemachten Angaben auch aus dem Stiftungsverzeichnis ersichtlich sind und somit bereits durch dieses eine ausreichende Transparenz gewahrt ist. 140 Insofern ist es zu begrüßen, dass Bayern, Brandenburg und RheinlandPfalz derartige Pflichten aus ihren Stiftungsgesetzen gestrichen haben. 141 Sachsen ist den umgekehrten Weg gegangen und hat in Erweiterung des § 17 Abs. 1 StiftG DDR mit § 5 Abs. 2 E StiftG SN erstmals eine Pflicht zur Bekanntmachung in das Stiftungsgesetz aufgenommen. 3. Zwischenergebnis Die zwischen den Landesstiftungsgesetzen bestehenden Unterschiede machen es für den Stifter notwendig, in Abhängigkeit von seinen Zielen zu differenzieren. Legt der Stifter wenig Wert auf Publizität, so ist ihm der Gang nach Bayern oder Nordrhein-Westfalen zu empfehlen. Ist ihm dagegen die Präsenz in der Öffentlichkeit wichtig, so steht auch der Wahl des Sitzes in einem Bundesland, das kirchliche Stiftungen in das Stiftungsverzeichnis einbezieht oder die Daten im Staatsanzeiger veröffentlicht, nichts im Wege. VI. Satzung- und Zweckänderungen Schließlich soll in diesem Zusammenhang zuletzt das Thema der Änderung der Satzung einer kirchlichen Stiftung thematisiert werden. Dabei ist zwischen der normalen Satzungsänderung und der Änderung des Stiftungszwecks zu unterscheiden. 1. Die Änderung der Satzung einer kirchlichen Stiftung Satzungsänderungen gehören gewissermaßen zum normalen Werdegang einer Stiftung in einem sich wandelnden Umfeld. Sie können beispielsweise notwendig werden, um eine Anpassung an eine veränderte Rechtslage des Landesstiftungsgesetzes herbeizuführen. 142 In Bezug auf die einfache Satzungsänderung – die im 140 Landesregierung Rheinland-Pfalz, Gesetzentwurf Landesstiftungsgesetz, Drs. LT RP 14/3129, S. 21. 141 Art. 7 StiftG Bay a.F.; § 6 Abs. 5 StiftGBbg a.F. und § 8 Abs. 2 StiftG RP a.F. sind ersatzlos entfallen. 142 Dies kann in den Bundesländern notwendig werden, die ihre Definition verengt haben. Dies sind Brandenburg, Nordrhein-Westfahlen, das Saarland und Sachsen. Siehe dazu: II 3.

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Gegensatz zur Zweckänderung zu sehen ist – lassen die Stiftungsgesetze der Länder wiederum eine Dreiteilung der Regelungsmodelle erkennen. Diese machen die Satzungsänderung entweder allein von einer kirchlichen Genehmigung, allein von der staatlichen Genehmigung oder von der Genehmigung durch beide Seiten abhängig. Die Entscheidung über die Änderung der Satzung ist in den meisten Ländern der Mitwirkung der staatlichen Stiftungsaufsicht entzogen. 143 In diesen Ländern ist die Materie den Kirchen zur eigenverantwortlichen Regelung übertragen bzw. ergibt sich bereits aus den Stiftungsgesetzen die Befugnis der Kirchen zur Genehmigung von Satzungsänderungen. 144 In Rheinland-Pfalz besteht zwar die Pflicht, Satzungsänderungen durch die Stiftungsaufsicht anerkennen zu lassen (§ 12 Abs. 2 StiftG RP), jedoch besteht hier aufgrund der Eigenverantwortung der Kirchen regelmäßig kein Spielraum, die Anerkennung zu versagen. 145 Daher kommt es in Rheinland-Pfalz entscheidend auf die Zustimmung der Kirche an. Im Detail ist zu bedenken, dass ggf. eine Mitteilung an die Stiftungsbehörde notwendig sein kann. 146 Demgegenüber bedarf die Änderung der Satzung einer kirchlichen Stiftung in Berlin (§ 5 Abs. 1 StiftG Bln) allein der staatlichen Genehmigung. Natürlich bleibt es den Kirchen vorbehalten, kirchenrechtliche Vorbehalte zu statuieren, diese ändern jedoch nichts an der alleinigen Rechtsverbindlichkeit der Entscheidung der Stiftungsaufsicht im Außenverhältnis. Schließlich besteht ein drittes Regelungsmodell, das Satzungsänderungen nur im Einvernehmen bzw. mit Zustimmung der Kirche zulässt. 147 Aus dem verfassungsrechtlichen Blickwinkel heraus erweisen sich die Vorgaben der Landesstiftungsgesetze zur Satzungsänderung als weitgehend unproblematisch. Insbesondere die in Hamburg, dem Saarland und Schleswig-Holstein geltenden Einvernehmens- bzw. Zustimmungsregeln sind mit Art. 140 GG i.V. m. Art.137 WRV vereinbar. In den genannten Ländern besteht die Möglichkeit der Kirchen, unerwünschte Satzungsänderungen kirchlicher Stiftungen zu verhindern. Demgegenüber erscheint die dort fehlende Alleinzuständigkeit der Kirchen 143 § 25 Abs. 1 StiftG BW; Art. 30 Abs. 3 S. 1 i.V. m. Art. 9 Abs. 4 StiftG Bay; § 4 Abs. 3 S. 1 StiftG Bbg (vgl. hierzu: Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Brandenburg, in: LT-Drs. Bbg 3/7024, S. 6 der Begründung); § 16 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 8 Abs. 1 S. 2 StiftG Brem; § 20 Abs. 4 StiftG HE; § 11 Abs. 3 StiftG MV; § 20 Abs. 2 S. 4 StiftG Nds; § 14 Abs. 6 i.V. m. § 5 Abs. 1 StiftG NRW; § 12 Abs. 2 StiftG RP; § 27 Abs. 3 S. 2 StiftG DDR. 144 Hier wird davon ausgegangen, dass die Genehmigungsbedürftigkeit der bloßen Satzungsänderung als Teil der präventiven Stiftungsaufsicht in Baden-Württemberg unter das Selbstorganisationsrecht des § 25 Abs. 1 StiftG BW fällt und nicht dem Vorbehalt des § 23 StiftG BW unterliegt. 145 Landesregierung Rheinland-Pfalz, Gesetzentwurf Landesstiftungsgesetz, in: LTDrs. RP, 14/3129, S. 31. 146 § 16 Abs. 2 Nr. 4 S. 1 2. HS StiftG Brem. 147 § 7 Abs. 1 i.V. m. Abs. 3 S. 1 2. HS StiftG HH; § 19 Abs. 3 StiftG Saar; § 18 Abs. 2 S. 1 StiftG SH.

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verfassungsrechtlich nicht bedenklich, da eine verfassungswidrige Mitwirkung des Staates an der Regelung kircheninterner Angelegenheiten durch eine zurückhaltende Auslegung der Normen verhindert werden kann. Verfassungsrechtlich problematisch ist daher – von der auch in dieser Hinsicht misslichen Situation in Berlin einmal abgesehen – allein die Regelung des § 14 Abs. 6 S. 1 StiftG NRW. Demnach kann eine unwesentliche Änderung der Satzung kirchlicher Stiftungen ohne die Mitwirkung der entsprechenden Kirchenbehörden von den Stiftungsorganen entschieden werden und ist den kirchlichen Behörden nur mitzuteilen. Hier stellt sich die Frage, ob es möglich ist, ein neues Instrument des staatlichen Stiftungsrechts, dass im wesentlichen aus haushaltsökonomischen Gründen eingeführt worden ist 148 und zu einer ganz wesentlichen Reduktion des Umfanges der staatlichen Aufsicht führt, 149 auf die kirchlichen Stiftungen zu übertragen. Diese Übertragbarkeit ist nach hier vertretener Ansicht nicht gegeben. Zum einen ist es für die selbständige Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten elementar, dass die Kirche das Ausmaß an Kontrolle, dass sie gegenüber den ihrer Aufsicht unterworfenen Stiftungen in Anspruch nimmt, selbst bestimmen kann. Insofern stellt es eine bedenkliche Verkürzung kirchlicher Aufsichtsrechte dar, unerhebliche Satzungsänderung von der kirchlichen Genehmigung freizustellen. Zum anderen mag es unter Umständen legitim sein, dass der Staat den von ihm angelegten Kontrollmaßstab zurücknimmt; nicht legitim ist es jedoch, diese Reduktion auf andere Hoheitsträger auszuweiten. So vertretbar die Förderung bürgerschaftlichen Engagements durch den Abbau von Zustimmungsvorbehalten auch ist, 150 dies kann nicht vom Staat für die Kirchen entschieden werden. 151 Somit ist im Ergebnis festzustellen, dass § 14 Abs. 6 S. 1 StiftG NRW den Vorgaben des Grundgesetzes nicht entspricht und daher nichtig ist. In praktischer Hinsicht sollte jedoch die Verständigung mit den betroffenen kirchlichen Stiftungen gesucht werden, um zu verhindern, dass sich deren Organe auf ihr vermeintliches gesetzliches Recht aus § 14 Abs. 6 S. 1 StiftG NRW berufen. Änderungen gegenüber der alten Rechtslage waren allein in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen zu beobachten. In Hamburg wurde bei der Neueinführung der Rechtsfigur der kirchlichen Stiftung in das Stiftungsgesetz zugleich eine taugliche 148 Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, in: LT-Drs. NRW 13/5987, S. 2. 149 Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, in: LT-Drs. NRW 13/5987, S. 12. 150 Landesregierung, Gesetzentwurf Stiftungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, in: LT-Drs. NRW 13/5987, S. 10. Höchst Zweifelhaft ist jedoch, ob dieser Ansatz dem Stiftungswesen und den betroffenen Stiftungen tatsächlich dienlich ist. Zur Kritik: Risch, Deregulierung im Stiftungsrecht, in ZSt 2006, S. 162 ff. 151 Hier drängen sich Parallelen zu der Situation zwischen Bund und Ländern geradezu auf. Es mag ebenfalls politisch wünschenswert sein, die Erhebung von Gebühren für das Erststudium zu untersagen oder die Juniorprofessur vorzuschreiben, es handelt sich jedoch auch in diesen Fällen um Kompetenzübergriffe.

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Regelung zur Satzungsänderung erlassen. In Nordrhein-Westfalen wurde § 12 Abs. 1 StiftG NRW a.F., der die Genehmigung jeder Satzungsänderung durch den Innenminister oder den Regierungspräsidenten (§ 16 StiftG NRW a.F.) vorsah, durch ein Genehmigungsrecht der Kirchen ersetzt, dass allerdings – wie schon gezeigt wurde – den kirchlichen Stiftungen zu viel Freiraum einräumt. 2. Die Änderung des Zwecks einer kirchlichen Stiftung Wesentlich schwerwiegender als die normale Satzungsänderung ist die Änderung des Stiftungszwecks. Wo die Erstgenannte auch Bagatelländerungen umfasst, stellt die Zweitgenannte einen direkten Zugriff auf den Zweck als eines der konstituierenden Merkmale einer Stiftung 152 dar. Angesichts dieser fundamentalen Bedeutung der Zweckänderung, die auch als „kleine Neugründung“ betrachtet werden kann, verwundert es nicht, dass sich der staatliche Einfluss in diesem Punkt viel stärker bemerkbar macht, als bei den bereits oben behandelten sonstigen Satzungsänderungen. 153 Gilt es doch hier, die Balance zwischen der Verantwortung des Staates für den weltlichen Rechtsverkehr und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht herzustellen. 154 Folge dieses stärkeren staatlichen Einflusses ist es, dass die Genehmigung einer Zweckänderung durch die Organe bzw. die behördliche Zweckänderung nur in einem Bundesland allein im Ermessen der Kirchenbehörden liegt. In Baden-Württemberg besteht eine derartige Alleinverantwortung der Kirchen für Zweckänderungen (§ 26 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 14 Abs. 1 und 2 StiftG BW). Sie ist jedoch auf solche Stiftungen begrenzt, die sich ausschließlich den Zwecken des Gottesdienstes und der Verkündigung widmen. Hier ist es angesichts der Tatsache, dass diese Stiftungen allein den kirchlichen Innenbereich betreffen, angemessen, auf eine staatliche Mitwirkung zu verzichten und es bei einer Mitteilungspflicht bewenden zu lassen (§ 26 Abs. 1 S. 1 StiftG BW). Der weitaus größte Teil der Landesstiftungsgesetze geht demgegenüber von dem Modell einer einvernehmlichen bzw. mit Zustimmung der Kirche erfolgenden Genehmigung der Zweckänderung oder behördlichen Zweckänderung aus. 155 In 152 Zu den konstituierenden Merkmalen des Stiftungsbegriffs: Andrick / Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001,§ 2 Rn. 1 ff.; Nissel, Das neue Stiftungsrecht, 2002, Rn. 72 ff. 153 Siehe hierzu auch Siegmund-Schulze der auf die für das staatliche Rechtsleben bedeutsame Existenz der Stiftung abstellt. Siegmund-Schulze, Niedersächsisches Stiftungsgesetz, 2002, § 20 3 b). 154 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Bonner Grundgesetz, Band 3, 2001, Art. 138 WRV Rn. 47; vgl. Mainusch, Staatskirchenrechtliche Überlegungen zur kirchlichen Organisationsgewalt, in: ZevKR 2004, 285 (298 ff.); Bielitz, Privatrechtliche Organisationsformen in der evangelischen Kirche, in: ZevKR 2002, S. 56 (70 f.); Nelles, Die Förderung von kirchlichen oder religiösen Zwecken, in: Strachwitz / Mecker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis, 2005, S. 201. 155 § 26 Abs. 1 S. 2 StiftG BW; Art. 30 Abs. 2 StiftG Bay; § 16 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 i.V. m. § 8 StiftG Brem; § 7 Abs. 1 i.V. m. Abs. 3 S. 1 2. HS StiftG HH; § 20 Abs. 2 StiftG HE; § 11

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diesen Ländern wird somit sowohl dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht als auch dem staatlichen Kontrollinteresse Rechnung getragen. 156 Schließlich lassen die Stiftungsgesetze Berlins und Brandenburgs eine Zweckänderung allein aufgrund der staatlichen Genehmigung bzw. Entscheidung und ohne Beteiligung der Kirchen zu. 157 Diese Regelungen erscheinen aufgrund der starken Beschneidung kirchlicher Mitwirkungsrechte als verfassungsrechtlich bedenklich. Jedoch lässt sich die Problemkonstellation durch eine entsprechende Ausgestaltung der Satzung, in der den Kirchenbehörden entsprechende Mitwirkungsrechte vorbehalten werden, vermeiden. Die sich bei der Reform der Landesstiftungsgesetze bietende Gelegenheit, auch die gesetzliche Regelung der Satzungsänderung zu verändern, wurde von einer Reihe von Bundesländern wahrgenommen. Dabei kann zwischen Ländern, die den Kirchen weitergehende Rechte einräumen, denen welche die staatliche Mitwirkung intensiviert haben und solchen, die lediglich sprachliche Änderungen vorgenommen haben, differenziert werden. In Hamburg bestehen infolge der erstmaligen Aufnahme der Kategorie der kirchlichen Stiftung jetzt überhaupt Mitwirkungsrechte. Die jetzige Situation stellt damit eine wesentliche Verbesserung gegenüber der alten Lage dar. Eine ähnlich weit reichende Erweiterung des kirchlichen Entscheidungsspielraums ist in Nordrhein-Westfalen zu beobachten, wo die Änderung des Stiftungszwecks nach § 12 Abs. 1 StiftG NRW a.F. allein von der Genehmigung durch den Innenminister abhängig war und nun allein den Kirchen zur Genehmigung übertragen ist (§ 14 Abs. 6 S. 2 StiftG NRW). Demgegenüber wurde die Rechtslage in Brandenburg erheblich verschärft. Dort wurde die bisher einvernehmlich zu entscheidende Zweckänderung durch Behörde und Kirche 158 in die alleinige Entscheidungskompetenz des Innenministeriums übertragen (§ 4 Abs. 1 S. 2 StiftG Bbg). In Mecklenburg-Vorpommern wurde auf ein sehr weitreichendes Element der Privilegierung kirchlicher Stiftungen verzichtet. Der § 26 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 des StiftG MV a.F., der die Organe der Stiftung zur Änderung des Stiftungszwecks allein mit kirchlicher Genehmigung befugte, wenn der Aufgabenbereich einer kirchlichen Stiftung dadurch nicht verlassen wurde, ist weggefallen. Schließlich wurden in einigen Bundesländern sprachliche Änderungen vorgenommen, die aber für die Kirchen zu keiner inhaltlichen Abweichung führen. 159

Abs. 2 StiftG MV; § 20 Abs. 2 S. 1 StiftG Nds; § 14 Abs. 5 S. 4, Abs. 6 S. 2 StiftG NRW; § 12 Abs. 2 StiftG RP; § 19 Abs. 3 StiftG Saar; § 18 Abs. 2 S. 1 StiftG SH; § 27 Abs. 2 S. 2 StiftG DDR. 156 v. Campenhausen, in: Seifart / v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 1999, § 25 Rn. 12. 157 § 5 Abs. 1 StiftG Bln; §§ 4 Abs. 1 S. 2, 10 Abs. 1 S. 4 StiftG Bbg. 158 § 15 Abs. 1 i.V. m. Abs. 3 S. 1 StiftG Bbg a.F. 159 Vgl. z. B. § 19 Abs. 3 StiftG Saar, § 18 Abs. 2 S. 2 StiftG SH.

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3. Zwischenergebnis Im Ergebnis sind die Regelungen der Satzungs- und Zweckänderung nicht von überaus großen Unterschieden geprägt. Im Detail bestehen natürlich Differenzen, die jedoch durch eine den Rahmenbedingungen der einzelnen Stiftung angepasste Satzungsgestaltung ausgeglichen werden können. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass Satzungsänderungen weitaus häufiger notwendig werden, als die meisten Stifter dies vermuten. Daher muss diesbezüglich zu besonderer Sorgfalt und – soweit dies notwendig ist – zu einer dem Einzelfall angepassten Satzungsgestaltung geraten werden. VII. Ergebnis und abschließende Handlungsempfehlungen Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Stiftungsgesetze der Länder trotz weit reichender Vergleichbarkeit doch eine Reihe von wesentlichen Differenzen aufweisen. Unterschiede bestehen in allen für kirchliche Stiftungen bürgerlichen Rechts relevanten Teilaspekten, von der Definition über die Entstehungsvoraussetzungen, die Aufsichtsführung, die Publizitätsvorschriften bis hin zur Satzungsund Zweckänderung. Fasst man nun die Vergleiche der Einzelaspekte zu einem Gesamtvergleich zusammen, so lässt sich feststellen, dass die südlichen Bundesländer tendenziell den Kirchen weiter reichende Kompetenzen einräumen, die nördlichen Bundesländer dagegen zumeist Wert auf einen umfassenden Einfluss des Staates legen. Diese Unterteilung kann jedoch nur eine grobe Orientierung sein, da beispielsweise das hamburgische Stiftungsrecht sehr liberal ist, demgegenüber das Stiftungsgesetz Baden-Württembergs in den §§ 25 Abs. 3, 27 S. 2 StiftG BW recht weitgehende Regelungen der staatlichen Einflussnahme enthält. Die Erteilung von abschließenden Handlungsempfehlungen gestaltet sich daher in doppelter Hinsicht anspruchsvoll. Zum einen setzt eine Handlungsempfehlung voraus, dass es einen Adressat dieser gibt. Die Kirchen können nur in wenigen Fällen Adressat dieser Handlungsempfehlung sein. Sie können auf die Gestaltung oder Umgestaltung der Landesstiftungsgesetze nur begrenzten Einfluss nehmen. Eine derartige Möglichkeit besteht nur soweit, als die entsprechenden Landesstiftungsgesetze noch nicht reformiert sind oder eine Anpassung durch die zeitliche Befristung der Gültigkeit des Gesetzes zu erwarten ist. 160 Demgegenüber ist eine Änderung bestehender Gesetze unwahrscheinlich. Adressat der Handlungsempfehlung kann daher allein der potentielle Stifter sein. Empfehlungen an diesen können – darin liegt die zweite Schwierigkeit – in abstrakter Weise nicht nutzbringend gegeben werden. Zuviel hängt von den Um160

Dies betrifft aufgrund der § 30 StiftG HE bzw. § 17 Abs. 1 StiftG NRW Hessen und Nordrhein Westfalen.

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ständen des Einzelfalles ab. So ist zum Beispiel darauf zu verweisen, dass das im vorangegangenen Text vielfach kritisierte Berliner Stiftungsgesetz eine ideale Rechtsgrundlage bildet, wenn es darum geht, eine Stiftung zu gründen, die sich als kirchliche versteht, jedoch nicht dem Einfluss der Amtskirche unterliegen soll. Auch ist es denkbar, dass die bemängelten Publizitätsvorschriften für eine Stiftung kein Hindernis darstellen, die ohnehin in der Öffentlichkeit präsent sein will. Im Ergebnis bleibt das Recht der kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts auch nach der Novellierung der Landesstiftungsgesetze Praxis- und Einzelfallrecht. Insofern war keine Änderung zu verzeichnen. Dies heißt allerdings auch, dass auch die Möglichkeit, die Vielgestaltigkeit des Landesrechts auszunutzen, weiter besteht.

Kirchliche Stiftungen und kirchliches Arbeitsrecht Richard Giesen Bei der Schaffung kirchlicher Stiftungen stellen sich aus arbeitsrechtlicher Sicht zwei Fragen. Erstens muss untersucht werden, welche Arbeitsrechtsordnung für die Arbeitsverhältnisse der Stiftung gilt. Zweitens sind die arbeitsrechtlichen Besonderheiten ins Auge zu fassen, die sich aus der Überführung einer kirchlichen Einrichtung in eine Stiftung ergeben. Hier geht es um die Beteiligungsrechte kirchlicher Mitarbeitervertretungen sowie um einen möglichen Wechsel bei den einzelnen Arbeitsbedingungen, vor allem beim Arbeitsentgelt. I. Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts für die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Stiftungen 1. Rahmenbedingungen kirchlichen Arbeitsrechts Auf der Grundlage der staatskirchenrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes und der Weimarer Reichsverfassung hat sich in Deutschland ein eigenes Arbeitsrecht für die kirchlichen Institutionen entwickelt, welches die Aufgabe hat, den besonderen Status der Kirchen und die in ihnen geübte Glaubensfreiheit auch im Arbeitsrecht zu berücksichtigen. Die hier gültigen Regeln sind nicht zuletzt vom Bundesverfassungsgericht und auch vom BAG im Einzelnen herausgebildet und verfestigt worden. Unter dem Regime des Grundgesetzes gilt nicht nur die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 Abs. 1 GG). Zusätzlich gewährleistet Art. 137 Weimarer Reichsverfassung i.V. m. Art. 140 GG jeder Religionsgesellschaft das Recht, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten, allerdings innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Hierbei behalten die Religionsgesellschaften nach Art. 137 Abs. 5 Weimarer Reichsverfassung i.V. m. Art. 140 GG den Status als „Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher waren“. Nach ständiger Rechtsprechung und nach allgemeiner Rechtsauffassung folgt daraus für die kirchlichen Einrichtungen eine besondere Situation im Hinblick auf das Individualarbeitsrecht und auch im Hinblick auf das Kollektivarbeitsrecht. Für das Individualarbeitsrecht ergibt sich aus der Glaubensfreiheit und aus dem institutionellen Schutz der kirchlichen Einrichtungen, dass bei der Anwendung der allgemeinen Arbeitsrechtsregeln die jeweilige religiöse Ausrichtung der arbeits-

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vertraglichen Aufgaben zu beachten ist. Daraus folgen die besonderen rechtlich geschützten Erfordernisse für das einzelne Arbeitsverhältnis, welche zum Ausdruck kommen können bei Fragen der Personalauswahl (insbesondere bei der Einstellung), bei der Bestimmung von Leistungs- und Verhaltenspflichten sowie von Loyalitätsobliegenheiten der Arbeitnehmer. 1 Auf die hier entstehenden Auseinandersetzungen und Regelungsschwierigkeiten möchte ich an dieser Stelle nur hinweisen; besonders konfliktgeladen sind beispielsweise die Abmahn- oder Kündigungsgründe Kirchenaustritt, Ehescheidung, anschließende Wiederverheiratung oder „eingetragene Lebenspartnerschaft“. Die entsprechenden von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die (gestuften) religiösen Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber werden in der kirchlichen Stiftung prinzipiell in der selben Weise zum Tragen kommen wie in sonstigen kirchlichen Einrichtungen. 2 Etwas komplexer sind die Fragestellungen des Kollektivarbeitsrechts. Die „klassischen“ Mittel kollektivarbeitsrechtlicher Einflussnahme auf das Arbeitsverhältnis sind das Tarifvertragsrecht (in Verbindung mit dem Arbeitskampfrecht) und die Betriebsverfassung. Die Gewerkschaft als Tarifvertragspartner und der Betriebsrat sind prägende Einflussfaktoren für die Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in deutschen Unternehmen. Der Kirche wird aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen erlaubt, diesen Einflussfaktoren aus dem Weg zu gehen. Bei der Gestaltung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse ergeben sich herkömmlicherweise folgende Gestaltungsmöglichkeiten: − Aus der Historie bekannt ist der so genannte „erste Weg“. Hierunter versteht man die vorwiegend arbeitgeberseitige Festlegung von Arbeitsbedingungen 1

Siehe BAG 26. 10. 2006, E 120, 55 ff.; BAG AP Nr. 44 zu § 611 BGB Kirchendienst; näher Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 63 ff.; Rüfner in: Listl / Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, S. 901 ff.; Arntzen, Loyalität und Loyalitätsprobleme in kirchlichen Arbeitsverhältnissen, Diss. Bochum 2003, S. 107 ff.; Fey AuR 2005, 349 ff. Vgl. zur Vereinbarkeit von kirchlichen Loyalitätserfordernissen mit dem europäischen Antidiskriminierungsrecht Budde AuR 2005, 353 ff.; Triebel, Das europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen AntiDiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, Diss. Erlangen 2004, S. 182 ff.; Kehlen, Europäische Antidiskriminierung und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, Diss. Halle-Wittenberg 2003, S. 141 ff. 2 Siehe dazu im Einzelnen Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 78 ff.; Dieterich in: Erfurter Kommentar, Art. 4 GG, Rz. 44 ff.; aus der Rechtsprechung etwa BAG AP Nr. 44 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG AP Nr. 4 zu Art. 140 GG; BAG AP Nr. 27 zu § 611 BGB Kirchendienst m. Anm. Thüsing; BAG AP Nr. 1 zu Art. 4 GrO kath. Kirche m. Anm. Thüsing; siehe insbesondere BVerfGE 70, 138 (168), wo das BVerfG in Korrektur der bis dahin geltenden arbeitsrechtlichen Rechtsprechung klargestellt hat, dass die Entscheidung über den Gegenstand und die Abstufung kirchenbezogener Loyalität von Arbeitnehmern eine grundsätzlich dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit ist; abweichend hiervon äußert sich wohl Dieterich a.a. O.

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durch die Kirchen ohne kollektive Beteiligung der Arbeitnehmer. Dem „ersten Weg“ entsprach die Praxis der landesherrlichen Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts in der evangelischen Kirche, wie sie bis ins 20. Jahrhundert hinein üblich war. Auch die in der katholischen Kirche seinerzeit praktizierte einseitige Festlegung von Arbeitsbedingungen (ohne beamten- oder sonstigen staatsrechtlichen Einschlag) zählt man zum „ersten Weg“. 3 Prinzipiell entspricht dies der rein kirchenseitigen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse von Priester und Ordensleuten, die allerdings keine Arbeitsverhältnisse sind. 4 − Aber auch der so genannte „zweite Weg“, welcher die Möglichkeit des normalen Tarifvertragsschlusses gemäß Tarifvertragsgesetz (TVG) vorsieht, wird nur von der Nordelbischen Landeskirche gegangen; diese hat sich zudem einige Sonderregelungen gegenüber dem allgemeinen Tarifvertragsrecht vorbehalten. 5 − In der Regel wird der so genannte „dritte Weg“ beschritten, nach welchem sich die Kirche außerhalb des Tarifvertragsrechts bewegt, aber die Arbeitsverhältnisse durch arbeitsrechtliche Kommissionen, die paritätisch besetzt sind, regelt. 6 Hiermit verbunden ist ein staatliches Arbeitskampfverbot. Es ist heute überwiegend anerkannt 7 und wird nur noch teilweise bestritten, 8 dass für die Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen der Arbeitskampf nicht zugelassen ist. Kirchliche Einrichtungen können nicht aussperren und auch nicht bestreikt werden. Noch deutlicher, weil einfach-rechtlich geregelt, ist die Situation im Betriebsverfassungsrecht, im Personalvertretungsrecht und im Mitbestimmungsrecht. § 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG, § 1 Abs. 4 MitbestG, § 1 Abs. 3 SprAuG erklären die Regelungen des Betriebsverfassungsrechts, des Personalvertretungsrechts und des Mitbestimmungsrechts für unanwendbar bei „Religionsgemeinschaften und ihren karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform“. Diese Ausnahmen gelten unbedingt, insbesondere unabhängig davon, ob tatsächlich Mitarbei3 Briza, „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“, Diss. Regensburg 1987, S. 146 ff.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 198 ff.; Richardi in: Listl / Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, S. 936. 4 Siehe näher Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 65 ff.; Pirson in: Listl / Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, S. 857 ff. 5 Vgl. dazu Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 200 ff.; Kissel, Arbeitskampfrecht, S. 314; Briza, „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“, Diss. Regensburg 1987, S. 146 ff. S. dort S. 155 auch die Definition eines „vierten Weges“, unter welchem man den Abschluss von Tarifverträgen versteht, welche ihrerseits wiederum den „dritten Weg“ anordnen. 6 Dazu im Einzelnen Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 205 ff., 208 ff. 7 von Campenhausen in: Bonner Kommentar, Art. 140 GG, Rz. 87; Kissel, Arbeitskampfrecht, S. 315 ff.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 150 ff.; Richardi / Thüsing, AuR 2002, 94 ff. 8 Däubler, Arbeitskampfrecht, Rz. 505 ff.; Kühling, AuR 2001, 241 (250).

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tervertretungen nach kirchlichem Recht in den jeweiligen Einrichtungen existieren oder nicht. Bei alledem ist zu ergänzen, dass die betreffenden Vorschriften nicht nur den Gestaltungswillen des einfachen Gesetzgebers widerspiegeln, sondern nach ausdrücklicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zwingende verfassungsrechtliche Erfordernisse erfüllen. 9 2. Geltung der Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts für kirchliche Stiftungen Für die kirchlichen Stiftungen stellt sich die Frage, ob diese Besonderheiten auch für sie gelten. Hier kann nahtlos an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeknüpft werden. Nach seinen Worten greifen die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die kollektivarbeitsrechtliche Sonderstellung gerade nicht nur für „die organisierte Kirche und die rechtlich selbständigen Teile dieser Organisation“, sondern auch für „alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform“. Das Bundesverfassungsgericht hat dies eingehend hergeleitet und begründet in der so genannten „Goch“-Entscheidung vom 11. 10. 1977. 10 In dieser Entscheidung ging es um eine rechtsfähige Stiftung privaten Rechts, die 1843 von einem Privatmann gegründet worden war. Die Stiftung unterhielt ein Krankenhaus, und ihre Satzungsbestimmungen sahen vor, dass Kranke ohne Rücksicht auf Stand, Rasse und religiöses Bekenntnis aufzunehmen, dass ausschließlich mildtätige und gemeinnützige Zwecke zu verfolgen und dass Pflege sowie Behandlung der Kranken soweit möglich von katholischen Ordensleuten bzw. Pflegern durchzuführen seien. Die Regelungen über das Kuratorium sahen die Aufnahme der Ortspfarrer sowie katholischer Gemeindemitglieder vor. Damit war in der betreffenden Stiftung eine eigene juristische Person geschaffen worden, welche zwar einen personellen, aber keinen institutionellen oder korporativen Verbund mit der Kirche aufwies. Auch nach Maßstäben des modernen Gesellschaftsrechts reichte die personelle Verknüpfung von Kuratorium und Kirche nicht aus, um eine konzernrechtliche Einheit annehmen zu können. Das Bundesverfassungsgericht ließ dies aber gerade nicht Voraussetzung sein für die Annahme einer zwingenden staatskirchenrechtlichen Privilegierung. Es genügte, dass das Hospital der Kirche so zugeordnet ist, dass es „teilhat an der Verwirklichung eines Stückes Auftrag der Kirche im Geist katholischer Religiosität, in Einklang mit dem Bekenntnis der katholischen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der katholischen Kirche“. Damit war gleichzeitig zwingend 9

BVerfGE 46, 73; BVerfGE 53, 366 (391 f.); BVerfG 57, 220. BVerfGE 46, 73; bestätigt in BVerfGE 53, 366 (391 f.). Siehe auch die Ablehnung eines gewerkschaftlichen Zutrittsrechts in kirchlichen Betrieben durch BVerfG 57, 220 = AP Nr. 9 zu Art. 140 GG. 10

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jegliche Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes im betreffenden Hospital für verfassungswidrig erklärt, und die anders lautenden Beschlüsse des LAG Düsseldorf und des BAG wurden vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Entsprechende Entscheidungen sind später in gleicher Weise gefällt worden durch die Arbeitsgerichte und das Bundesverfassungsgericht in Fällen von Kindergärten, Schulen und Jugendheimen. 11 Hervorzuheben ist der 1991 vom BAG entschiedene Fall des „Evangelischen Presseverbands Nord e.V.“, der nach seiner Satzung den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche durch publizistische Mittel aller Art zu erfüllen hatte. Das BAG erklärte auch hier das BetrVG gemäß § 118 Abs. 2 für unanwendbar; es kamen also insbesondere nicht die Regeln über die abgeschwächte Geltung des Betriebsverfassungsrechts in „Tendenzbetrieben“ zur Anwendung (§ 118 Abs. 1 BetrVG). 12 Ebenso ist beispielsweise im Jahr 2002 das BetrVG für ein als gGmbH betriebenes Klinikum für unanwendbar erklärt worden. 13 Im selben Sinn sind die betreffenden Kriterien für die Trierer Vereinigten Hospitien vom OVG Rheinland-Pfalz bejaht worden; das BVerwG hat die OVG-Entscheidung jedenfalls in diesem Punkt aufrechterhalten. 14 Aus diesen Ausführungen ergibt sich bereits relativ deutlich, welche Rahmenbedingungen gelten müssen, damit die Regeln des Betriebsverfassungs-, des Personalvertretungsrechts sowie des Mitbestimmungsrechts für kirchliche Einrichtungen, und damit auch für Stiftungen, unanwendbar sind. Es bedarf der Sache nach einer kirchlichen Aufgabe, wobei hierfür auch eine karitative Aufgabe in Betracht kommt. Zudem muss die Einrichtung „der Kirche in bestimmter Weise zugeordnet“ sein, aus der sich ergibt, dass sie „nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen (ist), ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen“. 15 Auf Grund dieses Zuordnungserfordernisses sind zuletzt Zweifel geäußert worden, ob die katholische Laienorganisation „Donum Vitae“ die betreffenden Voraussetzungen erfüllt. 16 Für die kirchliche Stiftung mag sich somit auf den ersten Blick eine relativ „günstige“ Situation ergeben. Auf Grund der zitierten Regelungen und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesarbeitsgerichts ist es karitativen kirchlichen Einrichtungen möglich, auch in der Rechtsform der Stiftung tätig zu werden, ohne dass das staatliche Betriebsverfassungsrecht, Personalvertretungsrecht, Mitbestimmungsrecht und Arbeits11

BAG AP Nr. 36 zu § 118 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 60 zu § 118 BetrVG 1972. BAG AP Nr. 48 zu § 118 BetrVG 1972. 13 BAG AP Nr. 70 zu § 118 BetrVG 1972. 14 OVG Rheinland-Pfalz 16. 11. 2004 – 7 A 10146/03, BeckRS 2004, 25989; das BVerwG hat diese Entscheidung insofern bestätigt, aus anderen Gründen aber zurückverwiesen, BVerwG 29. 8. 2005 – 7 B 12/05, BeckRS 2005, 29697. 15 BVerfGE 46, 73 f. 16 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 41; Eder, ZMV 2000, 159 (161). 12

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kampfrecht zur Anwendung kommen. Dennoch sind den betreffenden Stiftungen damit keineswegs Freibriefe ausgestellt. Es bleibt auch und gerade die Bindung ans Kirchenrecht, welche sich eben nicht nur in der Beachtung von MAVO sowie MVG-EKD erschöpft, sondern auch in der „Fremdbestimmung“ (man müsste besser sagen: Selbstbestimmung), welche durch die Kirche in der Stiftung zum Tragen kommt. Im Übrigen sollte man nicht übersehen, dass kirchliche Stiftungen wie auch sonstige kirchliche Einrichtungen genügend weiteren faktischen Zwängen ausgesetzt sind, die bei anderen Rechtsträgern weniger existieren. Diese sind der besonderen Aufmerksamkeit geschuldet, welche kirchlichen Einrichtungen in der Öffentlichkeit zuteil wird. II. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Überführung einer kirchlichen Einrichtung in eine Stiftung 1. Beteiligungsrechte der nach kirchlichem Arbeitsrecht errichteten Mitarbeitervertretungen Bei der Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen von kirchlichen Einrichtungen auf neu gegründete Stiftungen sind zunächst die betreffenden Beteiligungsrechte der kirchlichen Mitarbeitervertretungen zu achten. Einzuhalten sind laut MAVO insbesondere die Verpflichtungen zur Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, wie sie – entsprechend EU-rechtlichen Regelungen 17 – für Einrichtungen mit in der Regel mehr als 50 Mitarbeitern gelten. Die Informations- und Anhörungsrechte greifen bei der Überführung in eine Stiftung jedenfalls deshalb ein, weil es sich um ein Vorhaben handelt, welches „die Interessen der Mitarbeiter wesentlich berühren kann“ (s. § 27a Abs. 2 Nr. 4 MAVO; die Nrn. 1, 2 und 3 dürften häufig ebenfalls einschlägig sein). 18 Sollten mit der 17 Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 3. 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 80/29 vom 23. 3. 2002. Allerdings ist zweifelhaft, ob die betreffenden EU-Regelungen auch für die kirchlichen Einrichtungen gelten, da Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie konfessionellen Einrichtungen Ausnahmen zugesteht und gemäß der 11. Erklärung der Schlussakte von Amsterdam der Status der Kirchen nach den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften unangetastet bleibt. S. zur Richtlinie im einzelnen Deinert, NZA 1999, 800; Düwell, FA 2002, 172 ff.; Giesen, RdA 2000, 298; zum Status der Kirchen dort S. 304. 18 Wie hier Thiel in: Bleistein / Thiel, MAVO, § 27a, Rz. 30. Teilwiese abweichend Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 69. Richardi stützt das entsprechende Anhörungs- und Mitbestimmungsrecht auf § 29 Abs. 1 Nr. 17 MAVO. Dieses dürfte häufig einschlägig sein, aber nicht immer. Soweit sich außer der reinen Übertragung von einem Rechtsträger auf den anderen innerhalb der Organisation der Dienststelle nichts ändert, liegt keine „Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung“ vor. Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 17 MAVO ist insofern dem Mitbestimmungsrecht des § 111 S. 3 Nrn. 1 –3 BetrVG nach-

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Einbringung in eine Stiftung auch Betriebsabläufe und sonstige soziale oder individualarbeitsrechtliche Umstellungen verbunden sein – was keineswegs zwingend ist –, ergeben sich ggf. weitere Anhörungs-, Mitberatungs- oder Vorschlagsrechte (§§ 29, 32, 35 ff. MAVO; vgl. auch zu Kündigungen und Massenentlassungen §§ 30 ff. MAVO). 19 Hinzu kommen dann mögliche Schlichtungsverfahren nach §§ 41 ff. MAVO. Das MVG-EKD sieht ebenfalls entsprechende Rechte der Mitarbeitervertretung vor. Dies sind zunächst die Informationsrechte nach § 34 Abs. 2 MVG-EKD, welche sich u. a. auf die wirtschaftliche Lage sowie wesentliche Änderungen der Organisation der Dienststelle beziehen. Sie sind deshalb selbst dann einschlägig, wenn sich nur die rechtliche Struktur der Dienststelle ändert, ohne dass sonstige organisatorische Fragen betroffen sind. 20 Auch hier können sich weitere Rechte aus der Umstellung von Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen und ähnlichem ergeben (§§ 35, 42 ff. MVG-EKD; § 40c MVG-EKD dürfte bei einem reinen Betriebsübergang ohne Änderung der organisatorischen Struktur der Einrichtung nicht einschlägig sein). 21 Auch hier kann es dann zum kirchengerichtlichen Rechtsschutz kommen (§§ 56 ff. MVG-EKD). Zudem wird die teilweise oder die vollständige Zusammenführung unterschiedlicher Dienststellen oder Dienststellenteile regelmäßig dazu führen, dass das Mandat oder die Zuständigkeit einer bestehenden Mitarbeitervertretung endet und eine neue Mitarbeitervertretung bei der Stiftung geschaffen werden muss. Nach MAVO und MVG-EKD greift die Verpflichtung zur Schaffung einer Mitarbeitervertretung, wenn durch Neugründung eines Rechtsträgers ein neuer Dienstgeber bzw. eine neue Dienststelle errichtet wird. 22 Das ist bei der Neugründung einer gezeichnet. Für dieses hat das BAG anerkannt, dass es bei reinen Betriebsübergängen – ohne organisatorische Änderungen – nicht eingreift, BAG AP Nr. 6 zu § 111 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 137 zu § 112 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 111 BetrVG, Rz. 124 ff.; Fitting / Kaiser / Hether / Engels / Schmidt, § 111 BetrVG, Rz. 47 ff.; s. zum Gleichklang von § 29 Abs. 1 Nr. 17 MAVO und § 111 BetrVG Thiel a.a. O., § 29, Rz. 69 ff. 19 Siehe dazu insbesondere die Kommentierung von Thiel in: Bleistein / Thiel, MAVO. 20 Bei der Auslegung von § 46 lit. a MVG.EKD ergibt sich dieselbe Schwierigkeit wie oben in Fn. 18 dargelegt bei der Auslegung § 29 Abs. 1 Nr. 17 MAVO. Auch § 46 lit. a MVG.EKD ist dem § 111 BetrVG nachgezeichnet, der bei reinen Betriebsübergängen ohne Organisationsänderungen nicht einschlägig ist. Aufgrund der Neufassung von § 34 Abs. 2 MVG-EKD ist ein Beteiligungsrecht aber jedenfalls nach dieser Vorschrift gegeben. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 69, vertritt auch für § 46 lit. a MVG.EKD ein Mitbestimmungsrecht bei Betriebübergängen; ähnlich wohl Fey / Rehren, MVG.EKD, § 46, Rz. 6 (siehe dort aber Rz. 3). 21 Siehe dazu insbesondere die Kommentierung von Fey / Rehren, MVG.EKD. 22 Gemäß ihrem § 1 gilt die MAVO bei allen kirchlichen Rechtsträgern und sonstigen Einrichtungen „unbeschadet ihrer Rechtsform“ (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MAVO). All diese Einheiten sind „gehalten, die Mitarbeitervertretungsordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen“. Demnach ist die jeweilige Stiftung als Dienstgeber (§ 2 MAVO)

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Stiftung immer der Fall. Bis die neue Mitarbeitervertretung konstituiert ist, ist ggf. das Übergangs- oder das Restmandat der bisherigen Mitarbeitervertretung zu beachten (§§ 13d, 13e MAVO). 2. Die Überführung einer kirchlichen Einrichtung in eine Stiftung als Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB a) Zum Tatbestand des Betriebsübergangs nach § 613a BGB Soweit die Überführung einer kirchlichen Einrichtung in eine Stiftung erfolgt, stellt sich immer die Frage, ob mit ihr auch ein Übergang von Arbeitsverhältnissen verbunden ist. Zusätzlich ergibt sich die Frage nach einer eventuellen Änderung der Arbeitsbedingungen bei der Stiftung. Die Überführung einer bestehenden kirchlichen Einrichtung oder von Teilen der Einrichtung in eine Stiftung wird regelmäßig als so genannter „asset-deal“ durchgeführt. Das heißt, dass eine Stiftung gegründet wird und das Sachvermögen sowie gegebenenfalls vertragliche Bindungen und immaterielle Rechte wie Namen etc. auf die Stiftung übertragen werden. 23 Das Schicksal der bei der kirchlichen Einrichtung bestehenden Arbeitsverhältnisse richtet sich in diesem Fall nach § 613a BGB, der Vorschrift über den Betriebsübergang. Diese Regelung sieht vor, dass im Fall des rechtsgeschäftlichen Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber dieser „in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen“ eintritt (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB). Das bedeutet, dass der Betriebserwerber die arbeitsrechtlichen Bindungen des Betriebsveräußerers zwingend übernimmt, und zwar unabhängig davon, ob er überhaupt von den Arbeitsverhältnissen und den für sie gültigen Bedingungen weiß. Der Einzige, der diese Rechtsfolge verhindern kann, ist der betroffene Arbeitnehmer selbst. Er muss nach § 613a Abs. 5 BGB vom Betriebsveräußerer oder vom Betriebserwerber über die Einzelheiten des Betriebsübergangs unterrichtet werden. Dann kann er innerhalb eines Monats zur Errichtung der Mitarbeitervertretung verpflichtet. Nach § 3 Abs. 1 MVG-EKD sind Dienststellen im Sinne des Kirchengesetzes „die rechtlich selbständigen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen und Werke sowie die rechtlich selbständigen Einrichtungen der Diakonie innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland.“ Die Verpflichtung zur Bildung von Mitarbeitervertretungen folgt hier aus §§ 5, 7 MVG-EKD; vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 301 f.; Thiel in: Bleistein / Thiel, MAVO, § 1, Rz. 29 ff.; Fey / Rehren, MVG.EKD, Kommentierung zu §§ 5, 7. 23 Der Gegensatz zum „asset-deal“ ist der so genannte „share-deal“, bei dem Unternehmensanteile übertragen werden. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die kirchliche Einrichtung selber Anteile etwa an einer gGmbH hält, welche sie auf die Stiftung überträgt. Sollte eine solche gGmbH Arbeitsverhältnisse haben, ergibt sich hier keine besondere arbeitsrechtliche Fragestellung, da die Rollen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unverändert bleiben und sich lediglich die Gesellschafterstruktur ändert.

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nach Betriebsübergang bzw. nach Zugang der Unterrichtung dem Übergang des Arbeitsverhältnisses schriftlich widersprechen. Wenn er dies tut, bleibt es beim Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer. 24 Soweit der Betriebsveräußerer aber keine ausreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten mehr für den widersprechenden Arbeitnehmer hat, riskiert dieser die betriebsbedingte Kündigung. 25 In aller Regel wird deshalb der Widerspruch unterbleiben, um die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, so dass dann die Vorschriften über den Betriebsübergang zur Anwendung kommen. Nun stellt sich zunächst die Frage, wann überhaupt der Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB zwingend angeordnet ist. Das Gesetz spricht von dem rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils. Der Begriff „rechtsgeschäftlich“ wird weit verstanden; in der Regel handelt es sich um private Verträge, die unmittelbar oder auch mittelbar (z. B. als „Dreiecksgeschäfte“) den Betriebsübergang bewirken. 26 Allerdings gehört die öffentlichrechtlich angeordnete Rechtsnachfolge nicht hierzu. 27 Da die Regelung zum Teil auf einer EU-Richtlinie beruht, bedarf es hier der richtlinienkonformen Auslegung. Betrieb oder Betriebsteil ist nach europäischem Recht eine „ihre Identität wahrende wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“. 28 Bei Produktionsbetrieben ist der Übergang daher anzunehmen, wenn z. B. Maschinen und Know-how, Patente sowie die Maschinenhalle übernommen werden. Aber auch wenn nicht alle Mittel betroffen sind, können so viele von ihnen in einer Weise übernommen worden sein, dass weiterhin eine wirtschaftliche Einheit anzunehmen ist. Bei Dienstleistungsbetrieben kommt 24 Siehe im Einzelnen Willemsen in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 613a BGB, Rz. 315 ff., 345 ff.; Preis in: Erfurter Kommentar, § 613a BGB, Rz. 91 ff. S. zur Anwendung von § 613a BGB auch im kirchlichen Arbeitsrecht Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland 25. 2. 2008 – II-0124 / N32-07, zit. nach juris. 25 Siehe zu der Frage, ob im Falle der dann notwendigen Sozialauswahl beim Betriebsveräußerer die Tatsache eine Rolle spielt, dass der Arbeitnehmer dem Übergang widersprochen hat, BAG 18. 3. 1999 – 8 AZR 190/98, NZA 1999, 870; BAG 15. 8. 2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430; Willemsen in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 613a BGB, Rz. 359 ff.; Preis in: Erfurter Kommentar, § 613a BGB, Rz. 102 ff.; vgl. Fey / Rehren, MVG.EKD, § 21, Rz. 19 f. 26 Willemsen in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 613a BGB, Rz. 183 ff. 27 Deshalb hat das BAG im Jahr 2002 bei der Beurteilung der Rechtsnachfolge nach dem Staatsvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und den Ländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein die Vorschrift des § 613a BGB nicht angewandt, sondern unmittelbar auf die Rechtsnachfolgeregelungen des Staatsvertrags abgestellt, BAG AP Nr. 2 zu § 1 AVR Caritasverband. 28 Richtlinie 77/187/EWG zum Betriebsübergang in der Fassung der Änderungsrichtlinie vom 17. 7. 1998, ABl.EG L 201.

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es weniger auf die Sachmittel an, sondern auf immaterielle Güter wie z. B. den Kundenstamm, das Sortiment oder den Unternehmensnamen; auch hier sind aber beispielsweise der Betriebsstandort und die verwendeten Sachmittel von Bedeutung. Bei alledem dient auch die – freiwillige – Übernahme von Personal als Indiz für einen Betriebsübergang. 29 Für den besonderen Fall der karitativen Tätigkeit werden der Standort, die bestehenden vertraglichen Bindungen, die Mittel für die Erbringung der Dienstleistung und auch der Name von Bedeutung sein. b) Individualarbeitsrechtliche Rechtsfolge des Betriebsübergangs Individualarbeitsrechtliche Rechtsfolge des Betriebsübergangs ist nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, wie gesagt, der Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers als Arbeitgeber. Soweit der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht schriftlich widerspricht, kommt es also zu einem Übergang der Arbeitgeberrolle im Arbeitsverhältnis. Der Betriebsveräußerer bleibt lediglich nach Maßgabe des § 613a Abs. 2 BGB in der Haftung. Für das kirchliche Arbeitsrecht stellt sich im Fall des Betriebsübergangs bei Überführung einer kirchlichen Einrichtung in eine Stiftung zusätzlich das Problem der näheren kirchenbezogenen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere der konfessionsspezifischen Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers. Soweit Betriebsveräußerer und die Stiftung als Betriebserwerberin gleichermaßen konfessionsgebunden sind, bleibt es bei den entsprechenden Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers 30. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn die erwerbende Stiftung nicht mehr oder nur in geringem Maße konfessionsgebunden ist. In diesem Fall besteht für sie kein Anlass mehr, entsprechend verschärfte Loyalitätsverpflichtungen einzufordern. Im Übrigen wird sich der Arbeitgeber im Fall eines Betriebsübergangs von einer weltlichen auf eine kirchliche Einrichtung nicht auf die besonderen Loyalitätspflichten des kirchlichen Arbeitsrechts bei den übernommenen Arbeitnehmern berufen können. Entsprechende Loyalitätspflichten entstehen erst dann, wenn sie durch Änderungsvereinbarungen oder bei neu eingestellten Arbeitnehmern begründet wurden 31.

29 Vgl. z. B. BAG 13. 11. 1997 – 8 AZR 295/95, AP Nr. 169 zu § 613a BGB (Reinigung); BAG 11. 12. 1997 – 8 AZR 426/94, AP Nr. 171 zu § 613a BGB (Catering); BAG 10. 12. 1998 – 8 AZR 676/97, AP Nr. 187 zu § 613a BGB (Hol- und Bringdienst zu einer Klinik); BAG 18. 2. 1999 – 8 AZR 485/97, AP Nr. 5 zu § 325 ZPO (Privatschule); 430; Willemsen in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 613a BGB, Rz. 93 ff.; Preis in: Erfurter Kommentar, § 613a BGB, Rz. 12 ff. S. insbesondere zur Berücksichtigung des Übergangs von Personal („human ressources“) Preis a.a. O., Rz. 24 ff.; Willemsen a.a. O., Rz. 137 ff. 30 Siehe oben bei Fußnote 1, 2. 31 Siehe im Einzelnen Reichold, Festschrift Richardi (2008), S. 943 (955 ff.) mwN.

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Die Rechtsfolge ist dann neben dem genannten Übergang aller Arbeitsverhältnisse auch das Verbot einer Kündigung wegen des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 4 BGB). Dieses Verbot besagt, dass der Betriebsübergang als solcher nicht Kündigungsgrund sein darf. Es ist aber anerkannt, dass sowohl der Betriebsveräußerer als auch der Betriebserwerber wegen des Abbaus von Arbeitsplätzen auch während des Betriebsübergangs (bzw. davor und danach) Kündigungen aussprechen dürfen. Hierbei sind sie natürlich wie sonst auch, soweit einschlägig, an die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes sowie sonstiger Arbeitnehmerschutzvorschriften gebunden, so dass insbesondere die Regeln über die Sozialauswahl beachtet werden müssen. 32 3. Keine Ablösung oder Änderung kirchenarbeitsrechtlicher Arbeitsbedingungen nach § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB a) Zur möglichen Änderung kollektivarbeitsrechtlicher Regelungen beim Betriebsübergang § 613a BGB enthält in seinem Abs. 1 S. 2 –4 Sonderregeln zur Geltung kollektivarbeitsrechtlicher Regelungen nach einem Betriebsübergang, insbesondere von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Die betreffenden Vorschriften haben den Sinn, zwar einerseits die bisherigen Arbeitsvertragsinhalte aufrecht zu erhalten. Andererseits sollen sie aber auch sicherstellen, dass der beim Betriebserwerber bestehende Normenbestand möglichst weitgehend zur Geltung kommt und dort nicht allzu viele unterschiedliche kollektivarbeitsrechtliche Regelungen miteinander konkurrieren. Deshalb können beim Betriebsübergang unter besonderen Umständen Arbeitsbedingungen, wenn sie durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt sind, nach Ablauf einer Sperrzeit von einem Jahr auch zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsprechend tarifgebunden sind, wird diese Frist sogar unterschritten und es gelten unmittelbar und sofort die „neuen“ Tarifvertragsbedingungen des Betriebserwerbers, die für den Arbeitnehmer sogar ungünstiger sein dürfen als vorher. 33 32 Preis in: Erfurter Kommentar, § 613a BGB, Rz. 150 ff.; Willemsen in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 613a BGB, Rz. 304 ff., 313 ff. Vgl. zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes in Gemeinschaftsbetrieben mehrerer kirchlicher Einrichtungen BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb. 33 s. im Einzelnen Willemsen in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 613a BGB, Rz. 249 ff.; Preis in: Erfurter Kommentar, § 613a BGB, Rz. 107 ff. Die Anwendung von Tarifvertragsvorschriften greift nach einem Betriebsübergang allerdings unabhängig davon, ob im übernehmenden Betrieb bereits andere Tarifvertragsnormen anzuwenden sind. Insofern können hier innerhalb des Betriebs in den verschiedenen Arbeitsverhältnissen unterschiedliche Tarifnormen nebeneinander bestehen, BAG AP Nr. 12 zu § 1 TVG Bezugnahme auf den Tarifvertrag; BAG AP Nr. 20 zu § 4 TVG. Der betreffen-

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Diese Rechtslage ist durch das BAG früher zum Teil auch auf Arbeitsverhältnisse ausgedehnt worden, die nicht kraft gesetzlich geregelter Tarifbindung einer Tarifvertragsregelung unterliegen, sondern lediglich auf Grund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme. Soweit also der Arbeitnehmer – mangels Gewerkschaftsmitgliedschaft – nicht die Voraussetzungen der Tarifbindung erfüllt (§ 3 TVG), aber im Arbeitsvertrag die Geltung „des jeweils einschlägigen“ Tarifvertrags vorgesehen ist, sah das BAG darin eine „dynamische Verweisungsregelung“, die bei einem Wechsel des Tarifvertragsrechts anlässlich des Betriebsübergangs statt auf den alten nunmehr auf den neuen Tarifvertrag verweist, welcher beim Betriebserwerber gilt. Der Grund hierfür lag in einer Auslegungsweise durch das BAG, welche darauf zielte, den mangels Gewerkschaftsmitgliedschaft nichttarifgebundenen Arbeitnehmer möglichst gleichzustellen mit den Gewerkschaftsmitgliedern, für welche kraft beiderseitiger Tarifbindung die normative Geltung des Tarifvertrags eingreift. 34 Unter besonderen Umständen hat das Gericht selbst bei ausdrücklicher Nennung des einschlägigen Tarifvertrags dennoch – kraft korrigierender Auslegung des Arbeitsvertrags – den für den Betriebserwerber gültigen neuen Tarifvertrag angewandt. Voraussetzung war, dass der neue Tarifvertrag mit derselben Gewerkschaft vereinbart worden war wie der Tarifvertrag, auf den im Arbeitsvertrag Bezug genommen worden war. 35 Diese Möglichkeit der Verschlechterung kollektivarbeitsrechtlich vereinbarter Arbeitsbedingungen führte dazu, dass es Betriebserwerbern manchmal gelang, tatsächlich zu einem geänderten Tarifvertragsregime zu kommen. Auf diese Weise ließ sich auch bei Bezugnahmeregelungen die Lohnstruktur beim Betriebserwerber durchaus zu Lasten der Arbeitnehmer ändern. Voraussetzung war entweder eine große dynamische Verweisungsklausel, die auf den jeweils für den Betrieb einschlägigen Tarifvertrag verwies, oder eine engere Verweisungsklausel unter namentlicher Nennung eines Tarifvertrags, die aber wegen Vereinbarung eines neuen Tarifwerks mit derselben Gewerkschaft ebenfalls verdrängt werden konnte. de Arbeitnehmer wird abweichend davon nur dann gemäß § 613a Abs. 1 S. 3 BGB dem beim Betriebserwerber gültigen Tarifvertrag unterworfen, wenn er Mitglied derjenigen Gewerkschaft ist, die diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat, BAG 11. 5. 2005 – 4 AZR 315/04, DB 2005, 2141 ff. 34 BAG 4. 9. 1996 – 4 AZR 135/95, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 1997, 271; Lorenz in: Däubler, Kommentar zum TVG, § 3 TVG, Rz. 232. 35 BAG 4. 9. 1996 – 4 AZR 135/95, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 1997, 271; Lorenz in: Däubler, Kommentar zum TVG, § 3 TVG, Rz. 232; insofern zustimmend Hromadka / Maschmann / Wallner, Der Tarifwechsel, Rz. 385. Wenn wegen Ausgliederung eines Unternehmensteils die Tarifzuständigkeit wechselt und deshalb ein von einer anderen Gewerkschaft geschlossener Tarifvertrag für den Betrieb gilt, belässt es das BAG beim Verweis auf den bisherigen Tarifvertrag, BAG 30. 8. 2001 – 4 AZR 581/99, NZA 2001, 510 = AP Nr. 12 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag (Waas); BAG 25. 10. 2000 – 4 AZR 506/99, AP Nr. 13 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag (Waas); BAG 21. 2. 2001 – 4 AZR 18/00, NZA 2001, 1318 (1324); Lorenz a.a. O.; Henssler, in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 3 TVG, Rz. 25.

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Laut neuerer BAG-Rechtsprechung gelten für Bezugnahmeklauseln, die seit dem 1. 1. 2002 vereinbart wurden, andere Grundsätze. Demnach sind diese dahingehend auszulegen, dass sie im Zweifel stets dynamisch gelten, also künftige Änderungen des Tarifvertrages immer mit einbeziehen. 36 Die neue Rechtsprechung hat zur Konsequenz, dass Verweisungsregelungen, die nicht ausdrücklich zeitlich bestimmte Fassungen in Bezug nehmen und nicht ausdrücklich z. B. an das Ende der arbeitgeberseitigen Tarifbindung anknüpfen, im Zweifel dynamisch wirken. Soweit die Bezugnahme primär die möglichst einheitliche Gestaltung der tarifunterworfenen und nicht tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse im Betrieb bezwecken soll, muss dies also ausdrücklich entsprechend vereinbart werden. Hier können dann auch eventuelle künftige Verbandsaustritte, Verbandswechsel oder Zuständigkeitsänderungen, berücksichtigt werden, die sich aus Betriebs- und Betriebsteilübergängen nach § 613a BGB ergeben (sog. große dynamische Verweisung, z. B.: „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den im Betrieb oder Betriebsteil geltenden Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung“). Dabei empfehlen sich in einer Verweisungsklausel auch ausdrückliche Hinweise („Im Fall der Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers sind für ihn nicht gültige Tarifvertragsänderungen oder Ablösungen von Tarifverträgen nicht zu berücksichtigen“). Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer wiederum können sich vor einer unbegrenzten dynamischen Bindung durch Ausstiegsklauseln sichern, in denen sie sich die Option für eine statische Verweisung vorbehalten (z. B.: „Auf das Arbeitsverhältnis sind die jeweils fachlich und betrieblich geltenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden. Änderungen und Ablösungen dieser Tarifverträge sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber ihnen nicht innerhalb von vier Wochen nach ihrem Inkrafttreten widerspricht; der Widerspruch bewirkt die weitere Anwendung der bis dahin gültigen Regelungen.“ 37 Die Regeln über den arbeitsvertraglichen Verweis gelten bei alledem auch dann, wenn dieser Verweis in arbeitsvertraglichen Regelungen kirchlicher Einrichtungen vorgenommen wird. 38

36 BAG 14. 12. 2005 – 4 AZR 536 / 04, NJW 2006, 2571. Dies gilt für sämtliche Arbeitsvertragsklauseln, die eine Bezugnahme vorsehen, also nicht nur für AGB. Die Rechtsprechung entspricht damit vielfältiger Kritik an ihren früheren Auslegungsregeln, s. Hanau NZA 2005, 489; Thüsing / Lambrich RdA 2002, 193. Freilich hatte die alte Rechtsprechung die besseren Argumente auf ihrer Seite, da der Gedanke der Gleichstellung in der Praxis tatsächlich für beide Vertragsparteien das Hauptanliegen der Bezugnahme ist, Henssler FS Wißmann, S. 133, 137; Löwisch / Rieble § 3 TVG, Rn. 232 ff.; Giesen, NZA 2006, 625. 37 Vgl. entsprechende Klauseln bei Hanau / Kania FS Schaub, S. 239 (262); Henssler FS Wiedemann, S. 133 (156); Löwisch / Rieble § 3 TVG Rn. 232 ff., 317; BAG 14. 12. 2005 – 4 AZR 536 / 04, NJW 2006, 2571; Giesen, NZA 2006, 625. 38 BAG 5. 4. 2006, ZTR 2007, 153 ff. = NZA-RR 2007, 329 ff.

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b) Keine Anwendung von § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB auf kirchenarbeitsrechtliche Arbeitsbedingungen Es stellt sich weiter die Frage, ob auch für das kirchliche Arbeitsrecht die § 613a Abs. 1 S. 2 –4 BGB auf kirchenarbeitsrechtliche Arbeitsbedingungen anwendbar sind. Einige kirchliche Träger könnten sich hiervon versprechen, aus dem Geltungsbereich von aus Arbeitgebersicht „ungünstigen“ Entgeltregelungen zu entweichen. Freilich hat die – gegebenenfalls analoge 39 – Anwendung der kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen von § 613a Abs. 1 S. 2 –4 BGB mindestens zur Voraussetzung, dass die Festlegung von Arbeitsbedingungen im kirchlichen Arbeitsrecht für das einzelne Arbeitsverhältnis normativer Natur ist. 40 Nur bei gesetzlich-einheitlicher Geltung der betreffenden Regeln kann es gerechtfertigt sein, mit dem Betriebsübergang entsprechende Vereinheitlichungszwänge durchzusetzen. Eine solche normative Geltung der Arbeitsvertragsordnungen und Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen sowie ihrer diakonischen und karitativen Verbände ist aber von der Rechtsprechung des BAG abgelehnt worden. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei den betreffenden Regelungen nicht um Tarifverträge handelt. Zudem erklärt es, dass es ihnen auch aus kirchlicher Sicht für das Arbeitsverhältnis an normativer, d. h. gesetzesgleicher, Wirkung fehlt. Nach seiner Ansicht beruht die Geltung kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen nur auf einer diesbezüglichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Diese erfolgt in der Regel durch entsprechende Bezugnahmeklauseln. 41 Die Festlegung und Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirchen sieht das BAG als Leistungsbestimmung durch Dritte i. S. d. §§ 317 f. BGB an, die nach billigem Ermessen zu erfolgen hat und als solche einer gerichtlichen Überprüfung nach § 319 BGB unterliegt; 42 zum Teil will das BAG aber auch den

39 Für die analoge Anwendung von § 613a Abs. 1 S. 2 –4 BGB im kirchlichen Arbeitsrecht des „Dritten Weges“ plädiert von Tiling, NZA 2007, 78 ff. 40 Über diese Grundvoraussetzung für die entsprechende oder unmittelbare Anwendung von § 613a BGB Abs. 1 S. 2 –4 BGB für das kirchliche Arbeitsrecht besteht Konsens, siehe von Tiling, NZA 2007, 78 ff.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 72; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 430, 433; Hanau / Thüsing KuR 1999, 143 (147 ff.); ebenso BAG 20. 3. 2002, NZA 2002, 1402. 41 BAG AP Nr. 9 zu § 72a ArbGG 1979; BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG AP Nr. 1 zu § 10a AVR Caritasverband; BAG AP Nr. 11 zu § 12 AVR Caritasverband; BAG AP Nr. 2 zu § 1 AVR Caritasverband; BAG 20. 3. 2002, NZA 2002, 1402 = AP Nr. 53 zu Art. 140 GG; BAG AP Nr. 36 zu § 611 BGB Kirchendienst. 42 BAG AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG 26. 1. 2005 – 4 AZR 171/03, DB 2005, 2301 (2303); ebenso Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 399 ff.; unklar BAG AP Nr. 1 zu § 10a AVR Caritasverband; gegen die vom BAG vertretene Einordnung nach §§ 317 ff. BGB wegen überhöhter Kontrolldichte Thüsing, in einer Anm. in: AP

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Kontrollmaßstab für Tarifverträge zugrunde legen. 43 Zum Teil lässt das BAG diese Frage ausdrücklich offen. 44 An dieser rein individualarbeitsrechtlichen Deutung ist seitens der Literatur Kritik geübt worden, wobei man eine generelle Normativwirkung der Arbeitsvertragsregelungen vertritt. 45 Dabei geht die Kritik in zwei Richtungen. Zum einen gibt es gesetzliche Schutzregelungen im Arbeitsrecht, von denen – auch zu Lasten des Arbeitnehmers – durch Tarifvertrag abgewichen werden kann. Hier wünscht man sich, da das kirchliche Arbeitsrecht ähnliche Schutzmöglichkeiten bereithält wie der Tarifvertrag, eine entsprechende Anwendung der betreffenden Vorschriften auch im kirchlichen Arbeitsrecht. 46 Freilich wird diese Problematik bereits vom Gesetzgeber selbst entschärft, wenn dieser den Religionsgesellschaften ausdrücklich erlaubt, ähnlich den Tarifvertragsparteien vom Gesetz abzuweichen. Das ist in § 7 Abs. 4 ArbZG, § 21a Abs. 3 JArbSchG geschehen. 47 Zum zweiten wird aber auch prinzipiell eine normative Regelung deshalb vertreten, weil sowohl aus der Sicht der Kirchen als auch aus der Sicht der betreffenden Arbeitnehmer Gesetze anzunehmen seien. Insbesondere hinsichtlich der Arbeitnehmer gelte, dass sich diese kraft arbeitsvertraglicher Bindung der normativen Geltung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen unterwerfen würden. 48 Mittlerweile hat sich dieser Konflikt noch verschärft, weil durch die 2002 eingeführte Anwendbarkeit der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht die Vereinbarung von Bezugnahmeklauseln noch erschwert worden ist. Hier vertritt das BAG die Ansicht, dass das AGB-Recht der §§ 305 ff. BGB auf die kirchlichen Arbeitsbedingungen anzuwenden sei, da diese keine normaa.a. O.; Hanau / Thüsing KuR 1999, 143 (150 ff.); Hanau / Thüsing KuR 2000, 165 (172 ff.); Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 239. 43 BAG AP Nr. 11 zu § 12 AVR Caritasverband; ebenso Hanau, Thüsing und Richardi a.a. O. Die Frage ist offen gelassen worden von BAG AP Nr. 1 zu § 1a AVR Diakonisches Werk. 44 BAG 8. 6. 2005 – 4 AZR 412 / 04, NZA 2006, 611 ff. 45 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl., S. 222 ff., 242 ff.; Briza, „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“, Diss. Regensburg 1987, S. 260 ff.; Hanau / Thüsing KuR 1999, 143 (147 ff.); Hanau / Thüsing KuR 2000, 165 (172 ff.). 46 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 122 ff.; Dütz, GS Ferdinand Kopp, 2007, S. 334 ff. 47 s. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl., S. 125 ff.; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 429 ff.; Hanau / Thüsing KuR 2000, 165 (172 ff.). Vgl. zu den Anforderungen an eine kirchliche Regelung nach § 7 Abs. 4 ArbZG BAG AP Nr. 2 zu § 2 ArbZG. 48 Briza, „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“, Diss. Regensburg 1987, S. 265 ff.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 248 f. Briza und Richardi berufen sich dabei auf die ihres Erachtens gegebene Möglichkeit, sich durch rein privatrechtlichen Unterwerfungsakt (also ohne kirchen- oder staatsrechtlichen Einschlag) einer fremden Norm unterzuordnen und sie so verbindlich zu machen. Hierfür beziehen sie sich auf die entsprechende These von Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, 1964, S. 18 ff.

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tive Geltung hätten. Jedoch wendet das Gericht die Regelung des § 310 Abs. 4 BGB zu den „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ zugunsten auch der kirchlichen Vorschriften an. 49 Das BAG hat die Frage, ob kirchliche Arbeitsrechtsbedingungen normativ wirken, im Einzelnen geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits die betreffenden kirchengesetzlichen Regelungen keinen normativen Geltungsbefehl für den Arbeitnehmer enthalten, sondern lediglich kraft arbeitsvertraglicher Bindung zur Anwendung kommen. Das BAG argumentiert hier recht elegant. Ob das kirchliche Recht eine normative Geltung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen anordnen darf, lässt es offen. Es beschränkt sich auf die Feststellung, dass die geltenden Vorschriften selbst bereits keine normative Wirkung beanspruchen. Die Begründung ist dabei unterschiedlich; teilweise wird darauf verwiesen, dass eine normative Geltung nicht ausdrücklich angeordnet sei, teilweise heißt es, ergebe sich bereits aus den betreffenden Regelungen, dass die einzelnen Arbeitsvertragsparteien nicht dazu gezwungen würden, sie anzuwenden. 50 Diese Rechtsprechung dürfte insgesamt überzeugen, da die jeweiligen Arbeitsrechtsregelungen jedenfalls insofern keine normative Geltung beanspruchen, als beide am Arbeitsverhältnis Beteiligte betroffen sind, also der jeweilige kirchliche Arbeitgeber und der einzelne Arbeitnehmer. Zwar mag den kirchlichen Arbeitgeber tatsächlich eine Verpflichtung treffen, die betreffenden Arbeitsrechtsregelungen in seinem Zuständigkeitsbereich anzuwenden und durchzusetzen. Diese Verpflichtung kann sogar normativer Natur sein. Jedoch werden die Arbeitnehmer von einem solchen Anwendungsbefehl nicht erfasst; für sie gelten die betreffenden Regelungen nur aufgrund der mit ihnen abgeschlossenen vertraglichen Bezugnahmeklauseln. Mithin ist weiter ungeklärt, ob bzw. inwieweit die normative Geltung von Arbeitsbedingungen durch kirchliche Regelungen angeordnet werden kann. Hierbei sind unterschiedliche Vorgehensweisen vorstellbar, die von einer einseitig-kirchlichen 51 bis zu einer paritätischen Festlegung reichen, an welcher Kirchenleitung und Arbeitnehmer beteiligt sind. Die normative Geltung von Arbeitsvertragsbedingungen erfordert meines Erachtens eine Integration des Arbeitnehmers in das jeweilige Normengefüge, die weiter geht als ein „normales“ Arbeitsverhältnis (auch wenn es sich um ein loyalitätsgeprägtes Arbeitsverhältnis handelt). Es bedarf einer zusätzlichen Rechtfertigung der normativen Geltung, und zwar entweder auf Grund einer verbandsrechtlichen Mitgliedschaft oder auf Grund einer beson49 BAG 17. 11. 2005, NZA 2006, 872 ff.; wie das BAG bereits Deinert, ZTR 2005, 461 (474 ff.); dagegen Thüsing, ZTR 2005, 507 ff.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 237 ff.; offen vorher noch BAG 26. 1. 2005 – 4 AZR 171/03, DB 2005, 2301 (2303). 50 Siehe im Einzelnen BAG NZA 2002, 1402 (1405). 51 Mit einer rein kirchlichen Festlegung von Arbeitsbedingungen würde man sich wieder dem System des „ersten Weges“ annähern, s. dazu oben bei Fn. 3.

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deren kirchenrechtlichen Einbeziehung. Beiden Varianten sind Grenzen gesetzt mit Blick auf die Glaubensfreiheit, die Vereins-, die Koalitionsfreiheit und die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Abs. 3, Art. 12 GG). Sie lassen sich wohl nur durchführen, wenn der Arbeitnehmer der Beschäftigung gerade in seiner Eigenschaft als Mitglied der Religionsgemeinschaft nachgeht, bei ihm also die Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 GG Vorrang vor der Ausübung des Grundrechts aus Art. 12 GG hat. 52 All diese Fragen können aber so lange offen bleiben, wie die Kirche die normativ-einheitliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse selbst nicht regelt. c) Konsequenzen der fehlenden Anwendbarkeit von § 613a Abs. 1 S. 2 –4 BGB auf kirchliche Stiftungen Aus der genannten BAG-Rechtsprechung folgt, dass sich beim Betriebsübergang an den jeweils einzeln vereinbarten Arbeitsvertragsregelungen mangels normativer Geltung nichts ändert. 53 Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf ein Tarifsystem, auf Arbeitsvertragsordnungen oder Arbeitsvertragsrichtlinien bleibt bei Veräußerung des Betriebs auch dann uneingeschränkt erhalten, wenn der Betriebserwerber, in unserem Fall also die Stiftung, abweichenden Regeln unterworfen ist. Welche Konsequenzen das konkret hat, zeigt eine Entscheidung des BAG vom 20. 3. 2002. 54 Der Fall betraf eine Krankenschwester, die in der ambulanten häuslichen Krankenpflege tätig war, und zwar zunächst in einem Kirchenkreis der Evangelischen Kirche in Westfalen. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine der üblichen Bezugnahmeklauseln auf das kirchliche Arbeitsrecht: „Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT / KF) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung sowie den jeweils gültigen Dienstvereinbarungen“. 1998 gliederte der Kirchenkreis die ambulanten diakonischen Dienste in eine eigenständige gemeinnützige GmbH aus. Diese gGmbH war Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen – Landesverband der inneren Mission e.V. (Diakonisches Werk Westfalen). Dementsprechend hatte 52 Vgl. zu den Vorschlägen und Möglichkeiten arbeitsrechtlicher Gestaltung innerhalb der Religionsgemeinschaften nach dem „ersten Weg“ Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 198 ff. m.w. N.; deutlich ist die Absage an den „ersten Weg“ bei Richardi in: Listl / Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, S. 936. Vgl. zur verbandsrechtlichen Rechtfertigung der Tarifnormgeltung im allgemeinen Tarifvertragsrecht Dieterich in: Erfurter Kommentar, GG Einl., Rz. 47 f.; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb, S. 143 ff. 53 BAG NZA 2002, 1402; Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 433; anderer Ansicht Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 69; Hanau / Thüsing KuR 2000, 165 (172 ff.). 54 BAG NZA 2002, 1402.

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die gGmbH den Zuständigkeitsbereich der Evangelischen Kirche von Westfalen verlassen und war der Ansicht, dass nunmehr die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen anzuwenden seien, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, einschließlich der Vergütungsordnung. Der Unterschied machte zulasten der Krankenschwester 302,48 DM monatlich aus. Diese Differenz wurde zwar zunächst weiter gezahlt, die gGmbH behielt sich aber vor, künftig die Vergütung „sozialverträglich und Arbeitsplatz sichernd“ zu reduzieren. Nach den vorangegangenen Ausführungen ist klar, dass der Prozess zugunsten der Krankenschwester entschieden wurde. Das BAG erklärte folgendes: Das Arbeitsverhältnis war zu den bisherigen Arbeitsbedingungen vom Kirchenkreis auf die gGmbH gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergegangen. Dementsprechend galt unverändert die Verweisungsklausel des Arbeitsvertrages, welche den BAT / KF in Bezug genommen hatte. Diese Bezugnahme wirkte auch weiterhin dynamisch, d. h., dass auch gegebenenfalls eintretende Tariferhöhungen in der Zukunft mit umzusetzen waren. Die Tatsache, dass die gGmbH nunmehr dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörte, änderte daran nichts. Die betreffenden Arbeitsvertragsregelungen galten nicht normativ, da sie bereits selbst keine normative Geltung im Arbeitsverhältnis beanspruchten. Deshalb bestand auch keine Veranlassung, die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel im Sinne eines Gleichstellungszwecks etwa dergestalt auszulegen, dass die bisherige Verweisung auf den BAT / KF nunmehr etwa das Recht der Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen des Diakonischen Werkes der EKD (AVR-EKD) erfasste. Demnach ergibt sich bei einer Übertragung kirchlicher Einrichtungen auf eigenständige juristische Personen, dass für die bestehenden Arbeitsverhältnisse keine Änderungen eintreten. Das gilt unabhängig davon, ob es sich beim Betriebserwerber beispielsweise um eine GmbH oder eine Stiftung handelt. Für die bestehenden Arbeitsverhältnisse bleibt daher nur der „normale“ individualarbeitsrechtliche Weg, Arbeitsvertragsbedingungen anzupassen, nämlich die freiwillige Änderung der Arbeitsbedingungen – d. h. Änderung der Bezugnahmeklausel – oder die Änderungskündigung. Für die Änderungskündigung ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern (bzw. fünf Arbeitnehmern nach Maßgabe der Besitzstandsklausel des § 23 KSchG) Kündigungsschutz besteht. Änderungskündigungen mit dem Ziel der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen werden – dies sei hier verkürzt zusammengefasst – von der Rechtsprechung regelmäßig abgelehnt. 55 55 Siehe näher BAG NZA 2002, 750; Molkenbur, in: Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 2 KSchG, Rz. 57; Ascheid in: Erfurter Kommentar, § 2 KSchG, Rz. 64 ff. Vgl. zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes in Gemeinschaftsbetrieben mehrerer kirchlicher Einrichtungen BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb.

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Eine Ausnahme kann nur dann in Betracht kommen, wenn im Arbeitsvertrag lediglich die „beim Arbeitgeber jeweils anzuwendenden Regeln“ ohne weitere Spezifizierung in Bezug genommen werden. In der Regel werden solche Klauseln aber nicht vereinbart, sondern es wird auf die kollektiven kirchenarbeitsrechtlichen Regelungssysteme spezieller Bezirke oder Diözesen abgestellt. 56 Wenn dennoch eine solche „große“ dynamische Verweisungsklausel vereinbart ist, die das jeweils einschlägige kirchenrechtliche System von Arbeitsbedingungen in Bezug nimmt, stellt sich bei einer übergangsbedingten Änderung der in Bezug genommenen Arbeitsbedingungen die Frage, ob und inwieweit sie zulässig sein kann. Da die Entscheidung über den Betriebsübergang in den Händen des Arbeitgebers liegt, wird man dies wohl nur unter Geltung der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zulassen können. 57 Aus alledem folgt, dass die rechtliche Verselbständigung von kirchlichen Einrichtungen oder Teilen kirchlicher Einrichtungen in Stiftungen keine arbeitgeberseitigen „Vorteile“ bringt, insbesondere nicht nach § 613a BGB. Allerdings ist für den Abschluss neuer Arbeitsverträge zu beachten, dass hier selbstverständlich der allgemeine Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt. Die betreffende Stiftung ist also frei (prinzipiell ebenso frei wie es die kirchliche Einrichtung vorher auch schon gewesen ist), bestimmte aus Arbeitgebersicht „günstige“ Entgeltregeln in Bezug zu nehmen. d) Annex: Betriebsübergänge mit Wechsel vom kirchlichen ins rein staatliche Arbeitsrecht und umgekehrt Bisher ist nur die Situation diskutiert worden, in welcher eine dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfene Einrichtung in eine ebenfalls dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfene Stiftung überführt wird. Damit wurden diejenigen Probleme unberücksichtigt gelassen, welche sich ergeben, wenn eine dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfene Einheit zu einer nur dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfenen Einheit übergeht und umgekehrt. Die betreffenden Fragen sollen im Folgenden kurz angesprochen werden. Beim Wechsel von einer dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfenen Einheit zu einer nur dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfenen Einheit bleibt es für den einzelnen Arbeitsvertrag bei der Bezugnahme auf das kirchliche Arbeitsrecht. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine „große“ dynamische Verweisungsregelung verein56 Diese dürfen aber für unterschiedliche Betriebe auch unterschiedliche Regelungen vorsehen, BAG AP Nr. 36 zu § 611 BGB Kirchendienst. 57 Diese Frage ist in der Literatur bisher wohl noch nicht diskutiert worden, s. zu ähnlichen Problemstellungen Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 392 f.; Hanau / Thüsing KuR 1999, 143 (155 f., 162 f.); vgl. generell zur gerichtlichen Kontrolldichte bei der Überprüfung kirchlicher Arbeitsbedingungen oben bei Fn. 36, 37.

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bart wurde, die die „jeweils im Betrieb gültigen Tarifvorschriften“ oder ähnliches für anwendbar erklärt. Soweit das nicht der Fall ist, bleibt es bei dem dynamischen Verweis auf das kirchliche Arbeitsrecht. 58 Jedoch kann auf freiwilliger Basis jederzeit der Wechsel zum staatlichen Tarifvertragsrecht vereinbart werden, und zwar durch entsprechende Bezugnahmeklauseln wie auch durch entsprechende Beitritte in Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Ebenso können Tarifverträge auch erkämpft werden, nachdem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs auch der Arbeitskampf zulässig geworden ist. Dementsprechend fällt mit dem Übergang das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht weg, so dass – je nach dem, welche Gesetzesregelungen einschlägig sind – nunmehr ein Betriebs- oder Personalrat gebildet werden kann. Beim Wechsel von einer nur dem staatlichen Arbeitsrecht unterworfenen Einheit zu einer dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfenen Einheit bleibt es für die bisher Tarifgebundenen (§ 3 TVG) nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB bei der Geltung des ursprünglich gültigen Tarifvertragsrechts, welches nun aber als rein individualarbeitsrechtliche Regelung ohne Einbeziehung späterer Änderungen (also „eingefroren“) weiter gilt. 59 Der kirchliche Betriebserwerber kann mit den Arbeitnehmern gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB nach Ablauf eines Jahres die Geltung des kirchlichen Arbeitsrechts vereinbaren. Soweit der bisherige Tarifvertrag nicht kraft Tarifbindung, sondern nur wegen einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf den Tarifvertrag gilt, ist diese Bezugnahmeklausel nicht als Verweis auf das kirchliche Arbeitsrecht zu deuten. Die Bezugnahmeklausel ist nach neuerer BAG-Rechtsprechung im Zweifel als dynamische Klausel aufzufassen. Soweit die Klausel aus der Zeit vor dem 1. 1. 2002 stammt, ergibt sich aber wegen ihres Gleichstellungszwecks, dass sie nur die „eingefrorene“ Geltung des Tarifvertrags anordnet. 60 Die Bezugnahmeklausel kann jederzeit, also auch schon vor Ablauf der Jahresfrist, einverständlich geändert werden. Bezüglich neu eingestellter Arbeitnehmer steht es dem kirchlichen Betriebserwerber frei, im Arbeitsvertrag das kirchliche Arbeitsrecht in Bezug zu nehmen. 61 Im Übrigen fällt beim Wechsel in die kirchliche Trägerschaft die Anwendung des Personalvertretungs- oder Betriebsverfassungsrechts weg (§ 118 Abs. 2 BetrVG). 62

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Vgl. BAG 14. 12. 2005 – 4 AZR 536 / 04, NJW 2006, 2571; Giesen, NZA 2006, 625. Anderer Ansicht Hanau / Thüsing KuR 2000, 165, 175 f., deren Auffassung aber auf der Annahme beruht, dass die Regelungen des Dritten Weges im Arbeitsverhältnis normativ wirken, was vom BAG mittlerweile anders entschieden worden ist, s. oben Fn. 45. 60 BAG 14. 12. 2005 – 4 AZR 536 / 04, NJW 2006, 2571; Giesen, NZA 2006, 625. 61 Siehe auch Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 72 f. 62 BAG AP Nr. 24 zu § 118 BetrVG 1972; Hanau / Thüsing KuR 2000, 165 (170 f.); Richardi a.a. O., S. 281; Fey / Rehren, MVG.EKD, § 7, Rz. 3, § 46, Rz. 3. Siehe zur Frage, ob hier beim Betriebsübergang kirchenspezifische Loyalitätspflichten entstehen, Hanau / Thüsing a.a. O. S. 167 ff., 175 f. 59

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III. Zusammenfassung (1) Die Überführung kirchlicher Einrichtungen in Stiftungen ändert nichts an der Anwendbarkeit kirchlichen Arbeitsrechts, wenn die jeweilige Stiftung ausreichend der kirchlichen Zwecksetzung und ihrer Organisation zugeordnet ist. (2) Bei der Überführung kirchlicher Einrichtungen in Stiftungen sind die Informations- und Anhörungsrechte der Mitarbeitervertretungen nach kirchlichem Arbeitsrecht zu beachten. (3) Die Überführung kirchlicher Einrichtungen in Stiftungen stellt in der Regel einen Betriebsübergang nach § 613a BGB dar. Das hat zur Konsequenz, dass die bei der kirchlichen Einrichtung beschäftigen Arbeitnehmer zu Arbeitnehmern der Stiftung werden, wenn sie dem Betriebsübergang nicht widersprechen. Kraft Betriebsübergangs bleiben die Arbeitsbedingungen im Einzelnen dieselben wie beim Betriebsveräußerer. Ein Wechsel in der Anwendbarkeit kirchlicher Entgeltvorschriften sowie weiterer Arbeitsbedingungen kommt nur bei entsprechender freiwilliger Änderungsvereinbarung oder für neu abgeschlossene Arbeitsverträge in Betracht.

Autorenverzeichnis de Wall, Heinrich

Fiedler, Albrecht Giesen, Richard

Grüner, Franziska Gebhard, Sonja Hense, Ansgar Liesner, Jörg Mensing, Wilhelm Meyer, Kristin

Opelt, Christian Rausch, Rainer Risch, Ben Michael Scheller, Benjamin

Schulte, Martin

Prof. Dr., Ordentlicher Professor für Kirchenrecht, Staatsund Verwaltungsrecht, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht, Universität Erlangen-Nürnberg Dr., Sächsisches Staatsministerium der Justiz, Dresden Prof. Dr., Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht, Fachbereich Rechtswissenschaften, Justus-Liebig-Universität Gießen Vizedirektorin, Leiterin Stiftungsbetreuung, Bank Sarasin AG, Frankfurt Vizedirektorin, Leiterin Kirchliche Institutionen, Bank Sarasin & Cie AG, Basel Prof. Dr., Juristischer Referent am Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands Dr., Berenberg-Bank, Hamburg Dr., Bonn Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Juristische Fakultät, Forschungsstelle zum Stiftungswesen und Stiftungsrecht, Technische Universität Dresden Leiter der Kirchen- und Stiftungsbetreuung, Reuschel & Co. Privatbankiers, München Oberkirchenrat, Evangelisch-lutherische Landeskirche Mecklenburg Dr., Referent beim Hessischen Städtetag Dr., Wissenschaftlicher Assistent, Philosophische Fakultät I, Institut für Geschichtswissenschaften, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte I, Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr., Ordentlicher Professor für Öffentliches Recht, Juristische Fakultät, Leiter der Forschungsstelle zum Stiftungswesen und Stiftungsrecht, Technische Universität Dresden