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German Pages [367] Year 1987
Claus Ritter
Kampf um Utopolis oder Die Mobilmachung der Zukunft
Verlag der Nation Berlin
ISBN 3-373 00083-1
© Verlag der Nation Berlin 1987
Claps Shrum in Utopia!............................ 7 Sieg siebzig einundsiebzig!...................... 19 Entrückt in die Zukunft............................ 45 Deutsche Träume....................................... 91 Revolution von ganz oben?........................ 165 Weltbrandstiftung! .................................... 289 Literaturnachweis....................................... 3^3
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Claps-Shrum in Utopia
chwarzes Pferd Eins Null, schwarzes gen Oberbefehlshabers der britischen Rhein Pferd Eins Null, hier Schaufel Sechs. armee, Sir John Hackett, in tod ernste uto Bestätigen Beobachtung von Charlie pische Gefilde. Eins: Großer Panzerverband hat inner Wie es zum Dritten Weltkrieg kommt, deutsche Grenze Null Drei Null Fünf konnte der einstige Oberbefehlshaber der Zulu in etwa Brigadestärke überschritten.Nato-Heeresgruppe Be Nord natürlich auch sei steht aus Papa Tango (PT) 76, Bravo Tangonen Roverschreckten Lesern vorschreiben: «Am meo (BTR) 62 und Tango (T) 72. Informieren 27. Juli 1985 landete eine sowjetische Luft Sie Schwarzes Pferd Sechs, daß Schaufel den landedivision in Jugoslawien», und auch zu Kampf aufnimmt. Ende.> Lande, von Ungarn aus, dringen die Sowjets Hauptmann Jack Langtry, Chef der Pan in die instabil gewordene Volksrepublik ein. zerabwehr-Kompanie im 3. Bataillon des Das ruft freilich sofort die Hüter aller Freihei 11. Panzer-Kavallerie Regiments der US Ar ten, die Amis, auf den Plan. Die sind dann mee, schaltete das Mikrophon aus und blickte 24 Stunden später mit ihren schnellen Ein von Höhe 402 bei Wildech über das Grenzge greiftruppen «im Kampf gegen sowjetische biet und die Berge, die sich in Richtung Eisen Einheiten». Aus einem solchen nicht zu be ach erstreckten. Es war am 4. August 1985. grenzenden lokalen Konflikt zwischen der Im Licht der Morgendämmerung sah Lang UdSSR und den USA käme es dann - laut try eine große Zahl Panzerfahrzeuge, die zu Hackett - zur «Großoffensive des War beiden Seiten der Autobahn mit hoher Ge schauer Paktes gegen den Mittelabschnitt der schwindigkeit heranrollten. Er wußte, was das Nato» (sprich BRD). bedeutete: Es war die Vorhut eines angreifen Unterstützt von «300 bis 400 subversiven den sowjetischen Verbandes.» (Nr. 44, S. 166) Einsatzgruppen» (also westdeutsche «Linke»), Mit diesem schockierenden Sachverhalt überrollt die kommunistische Kriegswalze von und weiteren gepanzerten Schlägen der roten der Deutschen Demokratischen Republik aus Armeen des Warschauer Paktes begann 1978 die Bundesrepublik. Daß die Sowjets und ihre eine Science-fiction-Story den Dritten Welt Bundesgenossen dabei «Chemische Kampf krieg. Der verwandelte im August 1985 so stoffe» (auf deutsch Giftgas) einsetzen, ver gleich die Bundesrepublik Deutschland in ein steht sich bei diesem Nato-Utopisten von Schlacht- und Trümmerfeld. selbst. Solches Zukunftsbild unter dem Titel «Der Nach zwei Wochen Dritten Weltkrieges Dritte Weltkrieg» entstammte allerdings nicht gelingt es der Nato, dank ihrer Super-Strate der tendenziösen Phantasie eines bourgeoi gen und einer perfekten «elektronischen sen Belletristen, sondern plakatiert den Ein Technologie», den östlichen Aggressor sogar marsch des Nato ex-Generals und ehemali mit konventionellen Waffen zu stoppen.
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Bei der dann einsetzenden Gegenoffensive der Verteidiger des Abendlandes wird den Bundes-Deutschen natürlich zuerst «der Teu toburger Wald zurückgewonnen». Immerhin sind (Gott mit uns) «auch die Türme des Köl ner Doms erstaunlicherweise wieder stehen geblieben». «Der Einfall des Warschauer Pak tes in die Bundesrepublik Deutschland war fehlgeschlagen, und die Atlantische Allianz hatte überlebt.» (Nr. 45, S. 193) Im «Ostblock» kommt es nun aus dem «Untergrund» zu «Par tisanentätigkeit» und «Sabotageakten», die die bösen Sowjets fürchten lassen, daß ihre «Satellitenstaaten» aus dem martialischen kommunistischen Macht-Block herausbrökkeln. «Wie so oft bereiteten die Polen den Weg. In dem Hexenkessel der Entscheidungs schlacht in Deutschland ließ sich eine polni sche Panzereinheit im Norden freiwillig von den heranrückenden Amerikanern überren nen und ermöglichte einen Durchbruch für den westlichen Nachrichtendienst, der bereits Verbindungen zu Widerstandsgruppen unter hielt.» (Nr. 46, S. 210) Solche Niederlagen stärken natürlich die Moskowiter-Falken. «Die Partei der Kremlhierarchie» fordert den sofortigen «Atomschlag», um «die Entschlossenheit der Sowjet-Union zu demonstrieren». «Plötzlich war es da: Das nächste Abtasten des Radars bestätigte es, und auch der Com puter zeigte ganz deutlich die Bedrohung durch einen Flugkörper auf Anflugbahn. So fort blinkte das Alarmlicht auf.» (Nr. 46,
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S. 206) Am 20. August 1985, vormittags halb elf Uhr «explodierte der Atomsprengkopf einer sowjetischen SS-17-Rakete in 3500 Me ter Höhe» über der englischen Industrie-Me tropole Birmingham. 300000 zivile Engländer sterben «innerhalb weniger Minuten». 250000 sind schwer verletzt. «Sie hatten es also tatsächlich riskiert: Nachdem ihr Überfall auf die Nato an der mit teleuropäischen Front gescheitert war, hatten sich die Sowjets für den Atomkrieg entschie den.» (Nr. 46, S. 209) Der «Vergeltungsschlag» jedoch folgt so gleich. «Von einem amerikanischen und einem britischen U-Boot» werden «je zwei nu kleare Flugkörper auf Minsk abgefeuert»: «Die Mehrfachsprengköpfe der vier Flugkör per, die für diesen Einsatz genau vorprogram miert waren, detonierten kurz hintereinander im Ziel.» (Nr. 46, S. 218) Diesem atomaren «Schlagabtausch» hält der «Ostblock» ideologisch allerdings nicht stand. Der «örtliche Oberste Sowjet» der So wjetrepublik Kasachstan «proklamierte die Trennung von der Sowjet-Union» als erster. «Gleichzeitig nahm die polnische Führung Kontakt zum Untergrund auf und ließ über einen Geheimsender der Untergrundorgani sation Botschaften nach London übermitteln. Die Polen berichteten, daß sie sich von Mos kau lossagen wollten, und baten die Alliierten, keine polnischen Stellungen anzugreifen, son dern vielmehr die Untergrundorganisation durch den Abwurf von Grundnahrungsmitteln und Fernmeldegerät zu unterstützen. Die pol-
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haben mir schriftlich ihre warme Zustimmung übermittelt.» (Nr. 44, S. 162) Wobei ihm kühle Ablehner seines beschränkten Atomkrieges allerdings hätten sagen können, daß niemand nach einem solchen Overkill mehr in Europa noch sonstwo Frieden machen könnte. (Merke: «Wir stehen heute nicht mehr vor der Wahl zwischen Frieden und Krieg, sondern vor der Wahl zwischen Frieden und Unter gang.» Bert Brecht) Für die Kriegs-Utopie des britischen Adli gen, zu der ihn 1976 ein Londoner Verlag (Sidgwick & Jackson) angestiftet haben soll, wurde in der westlichen Welt die Reklame trommel mächtig gerührt. Sie erhielt ihre glo bale Breitenwirkung durch sofortige Überset nische Regierung erhielt ermutigende Ant zung in andere Sprachen und Vorabdruck in Zeitungen. So in der BRD im auflagestarken wort.» (Nr. 46, S. 218) In Moskau übernimmt schließlich ein ukrai Hamburger Nachrichtenmagazin «Der Spie nischer «Freiheitskämpfer», der sich vor Jah gel» (Oktober, November 1978). Damit war ren «in die Zentrale des KGB» eingeschlichen die Brisanz des Buches zur «Nato Hochrü hatte, die Macht im Politbüro, indem er den stungsdiskussion» bis hin zum USA-«Sternenamtierenden Generalsekretär der KPdSU mit kriegsprojekt» garantiert ... der Pistole «niederschießt»: «Der Zusammen bruch der UdSSR in den letzten Tagen des Au gust 1985 brachte keineswegs den endgülti gen Frieden in die Welt, doch er beendete Für alle Science-fiction-Fans und Freunde uto pischer Erzählung soll aber hier der Frage den Krieg in Europa.» (Nr. 46, S. 220) Mit diesem irrwitzigen Happy-End be nachgegangen werden, warum und wann es schloß der Nato-General a. D. sein Science eigentlich zu solchen Auswüchsen am blühen fiction-Szenario des Dritten Weltkrieges. Sir den Baum einer beliebten Belletristik kommt? John Hackett betonte vor der Presse: «Alles, Ob solche einseitig kriegerische Vorausschau was ich schrieb, wurde von den verschieden samt dazugehörigem ideologischem Überbau sten Offizieren unterschiedlicher Verantwor in diesem literarischen Genre selbstverständ tungsstufen gelesen. Hohe Militärs der Nato lich ist? Denn immerhin sollte (bei aller Einfalt) 13
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1848
die Wirkung eines Schrifttums wie das von Sir Krieg, für den Wohlstand seiner Untertanen John nicht unterschätzt werden. Unter Miß zu sorgen», schrieb der deutsche Sozialdemo brauch des utopischen Mottos: So könnte es krat Karl Kautsky 1887, «sprach offen und einmal sein, manipuliert es Gefühlswelten und kühn aus, was das aufstrebende Bürgertum Denkweisen in eine genau kalkulierte Rich und der Humanismus ersehnte». («Thomas tung, aus der dann spontan die Aversionen, More und seine Utopie», S. 190) Obzwar in jener historischen Zeit der Krieg Aggressionen und Feindbilder kommen sol len! Geht man zurück in die Geschichte der ständig auf der Tagesordnung stand, steht er Zukunftserzählung, so sind vom Urvater die doch nicht zentral in der Erzählung des genia ser Literatur allerdings ganz andere Töne als len Engländers und utopischen Sozialisten. die von Sir John Hackett zu hören: «Den Krieg Einen untergeordneten Stellenwert hat alles verabscheuen die Utopier als etwas ganz Be Militante auch bei den vielen französischen, stialisches mehr als alles andere, und doch italienischen und anderssprachigen Nachfol gibt sich mit ihm keine Art von Bestien so dau gern des Morus im Metier des «Staatsro ernd ab wie der Mensch.» (S. 110) Jene lo mans». Der sollte nämlich möglichst viele mit benswerte utopische Grundhaltung wie diese besseren als ihren damaligen Feudalverhält unmenschliche Tatsache konstatierte anno nissen vertraut machen, in der Hoffnung, 1516 der gelehrte englische Staatsbeamte Tho durch Appell an Vernunft und Einsicht zum mas Morus (1478-1535) in seinem «Büchlein Ideal einer Wohlstandsordnung nicht erst im über den besten Staatszustand und über die Himmel zu kommen. Auf der deutschsprachigen Literaturszene neue Insel Utopia» (kurz «Utopia» genannt). Das gab viel später einer, zur «wissenschaftli erschien 1810 in Preußens Hauptstadt Berlin chen Phantastik», zum «Zukunftsroman» und der erste «Zukunftsroman». Julius von Voß brandenburgischer Offizier zur «Science fiction» mutierten, weltweit be (1768-1832), geistert gelesenen Literaturgattung ihren außer Dienst, schrieb «Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert» und Oberbegriff («Utopie»). Der zwei Jahre nach seiner Utopie zum schilderte mit der Bildungsreise eines zum Lord Chancellor von König Heinrich VIII. künftigen Kaiser der Republik Europa be avancierte, dann allerdings wegen «Hochver stimmten Jünglings, wie er sich andere, glück rat» enthauptete Thomas Morus hatte in sei lichere Verhältnisse in kommenden Zeiten nem Buch von einem bestaunenswerten vorstellt. (S. a. Claus Ritter, «Anno Utopia») Als gewesener preußischer Offizier hätte Eiland erzählt, auf dem die Bürger glücklich leben, weil ihr Staat von oben her vernünftig es Julius von Voß nahegelegen, in seiner Uto regiert und organisiert sei. Und «seine Forde pie voll die Kriegstrompete zu blasen. Immer rung, der König habe viel mehr als für den hin waren damals die Preußen von Napoleon
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hohenzollernsche Familienbande einen künfti gen Einfluß Preußens auf Frankreichs südli chen Nachbarn Spanien. Preußens Kanzler Bismarck war solchen sich bietenden Möglichkeiten im geheimen durchaus geneigt und förderte sie. Als aber die Thronkandidatur Leopolds, nicht zuletzt durch interfamiliäre Uneinigkeit der Hohen zollern und auch durch Indiskretion der Spa nier, aufflog, wäre für alle Friedliebenden der Operettenkonflikt erledigt gewesen.
Sieg siebzig einundsiebzig!
Aber beide Staaten, das Königreich Preu ßen wie das französische Kaiserreich, brauch ten einen Krieg. Preußen brauchte ihn zur Verwirklichung seiner imperialen Macht über das nach Ein heit drängende Deutschland, wartete auf den Anlaß für Blut und Eisen, welches der Reichs schmied Bismarck als das Mittel sah, alle deut schen Fürstentümer endlich unter den preußi schen Hut zu bringen. In Frankreich dagegen wackelte der Thron des Napoleoniden bedenklich. Das Volk, durch wirtschaftliche Krisen gebeutelt, zwei felte mittlerweile ernsthaft an Nutzen und Er folg einer kostspieligen monarchischen Re präsentation. «Eine große Unzufriedenheit kochte und gärte unter der Bevölkerung», so Bertha von Suttner, «und in der nächsten Nähe des Thro nes gab es eine Partei, welche darzustellen bemüht war, daß dieser Thron nicht anders zu festigen wäre, als durch einen auswärtigen glücklichen Krieg: so eine kleine Triumph promenade am Rhein, und der Glanz und Be stand der napoleonischen Dynastie wäre gesi chert » («Die Waffen nieder!», S. 255) Die französische Kriegspartei verlangte deshalb provokativ die Verzichtserklärung der Hohenzollern für alle Zeiten auf Spaniens Thron. Und die forderte Frankreichs Berliner Botschafter Benedette dann in Bad Ems von dem dort zur Kur weilenden Preußenkönig: Bismarck, schlau die gallische Kriegshyste rie für sein preußisches All-Deutschland-Ziel nutzend, befragte Kriegsminister Roon und
den Chef des Generalstabes Moltke, ob das Heer schlachtbereit sei. Als die ihm das bestä tigten, frisierte er jene berühmte «Emser De pesche», die ihm den Vorfall im Kurort schil derte, für die Presse so um, daß es den Franzosen an die Ehre ging und sie endlich den Preußen am 1g. 7. 1870 den Krieg erklä ren konnten. Wieder sitzt ein Bonaparte Ränkevoll auf Frankreichs Thron, Und zum Kampfe zwingt uns heute Wieder ein Napoleon!
warnte sofort der Reimschmied Georg Ludwig Hesekiel das Vaterland. Denn mit diesem Reizwort «Napoleon» als Namen an der Spitze der «Franken» («Der wie ein Brandmal lebt in Deutschlands Herzen» - Ernst von Wilden bruch) war es nun leicht, breiteste Massen in den deutschen Gauen zu alarmieren und Poe ten zur Produktion zu stimulieren. War doch der Name noch vom Anfang des Jahrhunderts her im Gedächtnis der Deutschen übel beleu mundet. Einfältige Leute im Lande glaubten 1870 sowieso, es handele sich immer noch um denselben «korsischen Teufel» von anno da zumal: Da erbleicht, da erzittert die Jungfrau der Pfalz; Am Busen der Mutter verbirgt sein Gesicht Der Säugling - ihr Lieben, 0 fürchtet euch nicht! Euch zu schützen rückt Deutschland, das ganze heran;
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Sieg siebzig einundsiebzig!
Seine tausendmal Tausend stehn da wie ein Mann; Stürmen an, drängen vorwärts, ein wuchtiger Keil, Zum Verderben dem Zwingherrn, den Völ kern zum Heil! versicherte der 1848 so progressive Dichter Ferdinand Freiligrath nun prophetisch den verschreckten Gemütern in seinem Poem «So wird es geschehen!». Unter allen diesen Aspekten wurde die Kriegsbegeisterung der deutschen Stämme hochgejubelt: «Es braust ein Ruf wie Donner hall, wie Schwertgeklirr und Wogenprall», sang es allerorts «und schwört mit stolzer Kampfeslust: — «Napoliumh reimte ich.» Und so ent braunschwarze Wüstensöhne aus ihren Ko lonien einsetzten, «garstige, schwärzliche stand: 27
Sieg siebzig einundsiebzig!
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Tabu!» unb Eigenen ¡fahrt! be« gtaate mit firoiten forrdtbai, meid * aud) foflia$ unter bic Truppen oertlKtlt mürben. 3r»t arbeitet bie ¡fabri! auf Haften ber 2tabt, unb ba« ¡fabrifat tommt unferen I nippen p C *nte.
Schlingel» im «Kampf von Mann gegen Mann, welchen der Araber mit all der angebo renen Schlauheit und Wildheit seiner Rasse, der Germane mit seiner unbesiegbaren Tap ferkeit durchfocht». («Berliner Volks-Zei tung», 5. 8.1870) Auf der Gegenseite publizierte man das Kriegsgeschehen und die deutschen Helden allerdings ganz anders und versuchte, mit schön gefärbten Frontberichten die Franzosen weiter vom versprochenen Sieg zu überzeu gen. Schrieb die Zeitung «Le Volontair» noch im späten August: «Bis zum 16. August haben die Deutschen schon 144000 Mann verloren, der Rest ist dem Verhungern nahe. Aus Deutschland ziehen die letzten Reserven her bei. ■>
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1870 29
Sieg siebzig einundsiebzig!
Und vom blutigen Felde es widerhallt, Und sie richten sich auf mit Riesengewalt, Die da sterbend am Boden rangen; Nach den Brüdern blickt das verklärte Gesicht, Und sie jubeln laut bis das Auge bricht: Der Kaiser, der Kaiser gefangen! So das Echo eines gewissen Brentano in der Lesebuchlyrik des Jahres 1879. Eigentlich hätte nun der zerstörerische Zwist zwischen Frankreich und den Deut schen ein Ende haben müssen, und dement sprechend wurde bei der Truppe gefeiert: «Die Söhne all der verschiedenen deutschen Stämme, welche sich auf dem Schlachtfeld zur Bekämpfung der eroberungssüchtigen Franken eingefunden hatten, wußten im er sten Moment in ihrer Freude kein Maß und Ziel; sie warfen die Pickelhauben, Helme oder Feldmützen hoch in die Luft, jauchzten und sangen», berichtete die «lllustrirte KriegsChronik» von diesem 2. 9. 1870. Diese Friedensfreude war unangebracht, Kriegsherr König Wilhelm «beritt» lediglich «die Armee um Sedan» und rief ihr in lakoni scher Preußensprache zu: «Merkwürdiges Er eignis! Noch nicht dagewesen! Die Gnade Gottes und der Segen des Himmels waren mit uns und haben uns beschützt. Guten Abend Kinder!» (Notiert vom Musikdirektor J. G. Goldschmidt) Dem geschlagenen Napoleon tat er als «Ew. Majestät guter Bruder» alle feudale Ehre an und traf sich auf Schloß Bellevue mit ihm
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zur Klärung der weiteren Modalitäten des Kai sers der Franzosen in Preußens huldvoller Haft. Und «als das Gespräch beendet war, drückte Napoleon dem Kronprinz», der im Vorzimmer gewartet hatte, «seine Freude über die Güte des Königs aus». Was sonst noch der Geschlagene gemurmelt hatte, hörte nur Ernst von Wildenbruch: «Er murmelte: 2
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tionaler Beziehung auf universellster und durabelster Basis in vollkommenstem Ideal und in angemessenster Realitabilität entspre chen.» (S. i) Von der ersten Grundschulklasse bis hin zur Universität könne in ganz Deutsch land die projektierte Einheits-Schule den Her anwachsenden bilden und für die Zukunft rü sten, denn «wo der Kampf in der Vergangen heit unausweichlich schien, siegte meist die höhere Intelligenz über die gröbere Masse».
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In sehr ferne ökumenische Zukunft war Zettel entrückt, als er sich im Rahmen seiner Einigungs-Utopistik kritisch an die Religion wagte und eine «einheitliche Allanschauung», «Religion als natürliche Gotteskunde» und das Reich Gottes endlich auf nationaler Basis for derte: «Die Commune hat im Kleinen die Auf gabe, die die Nation im Großen hat; alle ihre Individuen haben gegen sie die entsprechen den Augenblicks- und Zukunfts-Pflichten; (...) 47
Entrückt in die Zukunft
Wenn Gott in einer Commune von tausend Persönlichkeiten (von 30-60 Jahren) wirklich geworden ist, ist es möglich zu denken, daß Jemand in derselben unter normalen Verhält nissen durch Elend zu Grunde gehe, oder ein Kind in derselben verkümmere, daß Bettler in ihr existieren und Krüppel, Invaliden und Gei stesschwache auf ihren Straßen herumlau fen?» (S. 31) Um solche sozialen Mißstände zu behe ben, kam er zu einer verblüffend billigen Lö sung: «Ein Pfennig löst die Frage.» Ein söge nannter «Gottespfennig» müsse nur pro Tag von jedem für jeden angelegt werden. Auch der Lohn eines «Reichs-Gottes-Arbeits-Bußta ges» oder die Einnahmen «von Kunstfesten an Reichs-Gottes-Jubel Tagen» sollen solchem Sozialkapital zugeschlagen werden: «Wenn Alle in einer Nation in besagter Weise zusam mensteuern, so müssen die Gottespfennige in nicht allzulanger Zeit notwendig zu einem Ka pitale anwachsen, dessen Zinsen zum golde nen Regen für die silbernen Häupter der Ge sellschaft werden, Erziehung und Unterricht aller Kinder erträglich und ausreichend ma chen, den Elenden und Unfähigen eine si chere menschliche Stätte bieten und eine Un glückskasse für die unvorhergesehenen Fälle der Nationen, der Gemeinden, einzelner Fa milien und Individuen schaffen können.» (S. 33) In die ökologischen grünen Gefilde der Zu kunft drang Zettel mit seiner bereits damals aktuellen Forderung «Reine Luft fuer Alle», die er belletristisch über ein «Cultur-Maehr48
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xum Ersten Male roll und ganz mit Leichtigkeit ddrehfuehren Einige staerkerc iatroldgiscbe Ausdruecke lèse man nur mit der
Auffassung nicht dea Poeten, sóndern des Arztes. Das Schriftchen soll seinem eigentlichen Humór-Énter Gninde naeb nur erfreuen und nüetzen!
Nie traegt irgend éine méiner Schriften éinen ron
mir beabsichtigten Beléidigungs Cbaricter gegen irgend éine ¿inzel-Persón der ginzen Erde. Álie Áutor Réchte behielt sieh
der Verfasser ror.
chen» (aber durch «Welt-Orthographie» et was schwer lesbar) und vom Mond her postu lieren läßt. «Fuenf Minuten lang, jeden Tag, auch wohl öefter und läenger, zur fixirten Zeit, gut lüeften!» (S. 7) ist die löbliche Quint essenz. Im Laufe seines Weltverbesserungsdenkens muß der gute Gymnasiallehrer sich doch et was zu weit von seiner Gegenwart verrückt und dementsprechend sein Ansehen verlo ren haben, so daß er nur im Selbstverlag die «Welt-Cultur-Schriften», wie er seine 25 Schriften dann nannte, unter die Mensch heit bringen konnte. So beispielsweise sein «Universal-Culturismus. Natuerliche Menschheit-Foerderung's-Kunde in Gross-Grund Be
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W9 griffen fuer einheitlichwissenschaftliche AllAnschauung» («Preis 1 Mark»), Zudem führte er in seinen Schriften eine neue Zeitrechnung ein, «wonach Tag und Jahr der Absonderung der Erde von den übrigen Weltkörpern das Jahr 1» ist, also die Entdeckung Amerikas nach Zettel am «12. X. 15:492» stattfand. Im übrigen muß sich der Autor bei der Herausgabe seiner (in manchen Gedanken doch durchaus ernst zd nehmenden) Werke schon etwas verfolgt
gefühlt haben. Sie tragen nämlich alle im Vor wort den psychiatrisch aufschlußreichen (aber grundlosen) Vermerk: «Nie trägt irgend eine meiner Schriften einen von mir beabsich tigten Beleidigungs-Charakter gegen irgend eine Einzel Person, oder Personen-Categorie der ganzen Erde.»
Solche Gründer des geistigen Reiches deut scher Nation schossen nach 1871 wie Pilze aus dem Bildungshumus. Sie alle versuchten, dem neuen Deutschland den ideologischen Über bau auszubauen. Sie versuchten dem herr schenden Deutschtum zu schaffen, was Bis marck mit seiner Reichsgründung nicht gegeben hatte: die Einheit im Denken und Fühlen. «Ein Reich, ein Kaiser - das haben wir nun... Ein Volk - das laßt uns werden...», so spiegelte Bloem in seinem Roman «Die Schmiede der Zukunft» die offizielle Forde rung wider. Preußens Anziehungs-Gewalt versagte nämlich im Geistigen. Und schon kurz nach dem Kraftakt des Krieges zeigte sich Separa tismus. So beispielsweise in Bayern. Dort ver bot sogar Ludwig II., wie sein Kabinettschef Friedrich von Ziegler berichtete, «daß an ge wissen Festen des Reiches die Staats- und kö niglichen Gebäude beflaggt würden». Er ent fernte alle preußischen Unteroffiziere aus seiner Truppe: «Selbst in der Musik dürfe kein mehr sein.»
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Um solche Abweichungen, die «auf dem lauten Jubel der Kaiserkrönung und all den an deren Freudentaumel folgte», einzudämmen, galt es, wieder Feinde zu schaffen, gegen die sich die Reichsbürger in Permanenz zornig einen konnten. 50
Dazu boten sich im Inland alle internatio nal Orientierten an. Und so war es logisch, daß zuerst im sogenannten Kulturkampf die «Schwarzen» auf Roms unfehlbaren Papst fi xierten Katholiken und ihre Jesuiten von Bis marck aufs Korn genommen wurden
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1889
Dann kamen die «Roten» an die Reihe, denn die waren nicht geneigt, das Vaterland der Reichen als ihr Reich anzusehen. Als «va terlandslose Gesellen» gebrandmarkt, wurden sie erst einmal mittels des berüchtigten «So zialistengesetzes» verboten und verfolgt. Schließlich fand sich auch noch der Jude als Buhmann der Nation. Zum ausländischen Feind dagegen bot sich weiterhin Frankreich als der traditionelle Erb feind an. Er erholte sich erstaunlich schnell vom verlorenen Krieg. 1873 mußten die letz ten deutschen Besatzer aus Welschland abzie hen, da die Kriegskontribution restlos bezahlt und das französische Gold im Spandauer Turm für kommende Kriege eingelagert war. (Moltke hatte übrigens 700000 Thaler «als Nationalbelohnung für seine vaterländischen Verdienste» abgezweigt bekommen.) Ein anderer naheliegender künftiger Geg
ner für das Deutschtum war das unter der za ristischen Knute stöhnende weite Russen reich. Dorthin die deutschen Interessen zu lenken, schien vielen Machthabern (allerdings nicht Bismarck) besonders lohnend. Das rück ständige Rußland bot nicht nur lukrative Ab satzmärkte, sondern auch zu eroberndes wei tes Land. Über die Engländer war die herrschende Meinung geteilt. Das preußische Königshaus war durch zu viele familiäre Bande an die briti sche Krone gebunden, andererseits war Eng land dem kapitalen Weltmachtwachstum des Deutschen Reiches überall im Wege. Denn was das geeinte Deutschland im ideellen Bereich nicht auszeichnete, das ge lang an der ökonomischen Basis. Allerdings nicht sofort. Eine äußerst peinliche Erschei nung bot sich nach der Heimkehr der siegrei chen Truppe aus Frankreich. Für die war nicht
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gesorgt, und viele verdiente und blessierte Kämpfer sahen sich plötzlich arbeits- und wohnungslos. Es kam in Berlin beispielsweise zu skandalösen Mißständen, als entlassene Soldaten samt Familien sich in «Barakia» und unter Eisenbahnbrückenbögen Notunter künfte bauten oder nur auf Spreezillen ihr Nachtlager fanden. Gleichzeitig kam es zur bösen Kinderkrankheit des deutschen Kapita lismus, der «Gründerzeit», als viele Geschäf tige im Soge der Kriegsgewinne das große Geld nun auch machen wollten. Es kam sehr schnell zu dem verheerenden Gründerkrach, der 1873/74 viele Existenzen ruinierte. Die Schuldigen fand 1880 der kaiser liehe Hofprediger Stoecker, nämlich in den Juden. Er behauptete damals im preußischen Abgeordnetenhaus, sie seien «an jenem He xentanz um das goldene Kalb» schuld. Aufge fordert, den Beweis für seine Behauptung an zutreten, gelang das dem glühenden Antise miten nicht. Bei weiteren Nachforschungen stellte sich heraus (so Baumanns «Staatslexi kon»), daß «hochkonservative Männer, z. B. der Fürst von Putbus, der Geheimrat Wage ner, der Herzog von Ujest u.a., sich an den selben beteiligt» hatten. (S. 238) Obzwar man noch 1876 auf der Weltausstel lung in Philadelphia zu deutschen Industrie produkten das geflügelte Wort «billig und schlecht» prägte, kam es nun nach dem Grün derkrach zu einem grandiosen industriellen Aufschwung. «So jämmerlich indes unsere Bourgeoisie auch auf politischem Gebiet auf tritt, so ist nicht zu leugnen, daß sie in indu 52
strieller und kommerzieller Beziehung endlich einmal ihre Schuldigkeit tut», lobte 1874 Fried rich Engels in der Vorrede seiner Schrift «Der deutsche Bauernkrieg».
Gar mancher liberale bürgerliche Denker be geisterte sich von nun an am industriellen Fortschritt der neuen Reichsherrlichkeit. «Was in alten Zeiten Simson und Herkules waren», verkündete der Pastor und Parteifüh rer der Nationalsozialen Friedrich Naumann 1896, «sind heute Borsig, Flohr und ihre Ge nossen. Sie sind die Kraftmenschen des neuen Zeitalters.» Und wegen der «eisernen Engel», die nun auf Erden ihren Siegeszug an getreten hatten, sah Naumann 1900 eine himmlische Perspektive der Menschheit. «Was für ein freies Herrenvolk könnten wir alle mit diesen Sklaven sein, wenn die Tech nik allein den Gang der Menschheitsentwick lung bestimmte! Fern in der Zukunft leuchtet eine Zeit, wo die Maschine alle Arbeitsgebiete ergriffen hat und wo sie allen dient.» Das war sozusagen die eine, die positive Seite der Reichsmedaille. Auf der anderen Seite standen aber unversöhnliche Wider sprüche. Da im «tollen Jahr» 1848 das deut sche Bürgertum nicht das Feudalsystem revo lutionär stürzen konnte, hing dieser uralte aristokratische Zopf in ganzer Pracht dem neuen Reich weiter an. So kam es, daß die Herrschaft im Kaiser reich geteilt war. Die Macht beanspruchten
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Marl von Semih blidte auf : „Unangenehme Sach richten? 3a, giebt’S benn überhaupt noch angenehme für unä? Da" — er h'flt ihr hie 3eitung h»n — „ber Soggen in ^Berlin miebcr um eine Start gefallen. Schliehlid) verlangen bie Seute noch ma8 baju, meint mir ihnen Morn verlaufen. Oute Grnte, ftet)t in ber Leitung, — ja, gut mär’ fte, tvenn mir anbre greife hätten. So uüitcit 11118 alle guten Grnten nichts, meuigftcns nidjt viel. Der Motnpreiö finit rapib, ber arme Slann bemtjlt fein ¡Brot ebenfo teuer mie fonft, — mer ftectt alfo ben Profit ein? Der $?änbler, ber unfre ©üter tauft, menn mir banterott ftnb." „Schtedlidj!" marf ¿Härchen ein, unb um ihre Shinbmintel rudte e8 roieber. „3a, banterott ober ’ne flugel vor ben ßopf, ba8 ift unfer 808." ¿Härchen fd)lug bie §änbe jufammen. „Marl, mie tannft bu fo etroaS fagen!" „Sur bie Söahrheit. Sieh bid) um in ber Sachbarfdjaft. Süchom ift verlauft an einen ^änbler — Cefonom, mie er fid) nennt —; ®roh«®riV, feit ein paar hunbert 3ahren in ber Sebelfchen fjamilie, Ijat jetjt ein Sähmafchinenfabritant au8 ^rantfurt; ¿Kein« törifo fteht auf ber flippe; mie ich höre, maren fd)on einige Herren au8 ¿Berlin ba, um ju fetjen, mie roeit fie ihn hrrunterbrücfen tonnen; Sammelsborf hat ein ipamburger getauft, unb fo meiter. Sa, unb Siitfdjer in ftröpelin! 2Ba8 mar benn beffen 2Jater? 3n* fpeftor beim alten Söultom in (joljhagen! 3“. wo finb bie Söultoms hcutc? — fjutfd) — in her 93erfentung!" „Sein, ba8 ift aber mirflid) furchtbar!" fagte nun Mlärcfjen mit allen Reichen ber Gntrüftung. „Daburch, bah bu bie Samen fo jufammenfteUft, fieht man erft, mie e8 fteht. Da 8 bürfte ber flaifer gar nicht ju« geben!" Sittmeifter von Semih lachte furj auf, unb feine tJrau meinte: „Da hat felbft ber Äaifer feine Sladjt mehr, fllärdjen. ©egen bie S3erhältniffe fommt nie« manb an." Mlärdjen geriet ganj in Gifer. „Gs müßten ©efetie gemacht merben, bah folche Seute feine abeligen ©iitcr taufen bürften. Ober eö mühten JonbS aufgebradjt merben, um ben alten Familien in ben fchledjteu 3fiten burchguhelfcn. Denn biefe 3uftänbe finb bod) gerabeju empörenb!"
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Entrückt in die Zukunft
einerseits die konservativen Krautjunker, die auf ihren gutsherrlichen Klitschen die Indu strialisierung hochnäsig mißachteten. Ande rerseits hatten dank ihrer ökonomischen Kraft die Schlotbarone von Rhein und Ruhr (und an derswo) Macht schon in ihren Händen. In einem Punkt allerdings trafen sich die In teressen beider Machthaber, und zwar beim preußischen Militarismus. Dem erzogen die alten Machthaber die Führungskader, und die bürgerlichen Emporkömmlinge schmiedeten ihm die Waffen. Den brauchten sie beide zum Schutz und Trutz und für ihren Weltmachtan spruch. Dem Militarismus wurde dann auch kräftig die ideologische Trommel gerührt. Vom deut sehen Parnaß herab sangen die Kriegslyriker ihre Heldengesänge für den Schulgebrauch. Von diesen stimuliert, trat dann der Herange wachsene unter Preußens Fahne und erfuhr dort die Allmacht des Unteroffiziers und Feld webels und den beneideten Status des famo sen, tadellosen, kolossalen Leutnants, dessen Schneid und näselnde Sprache jedes Mädel herz höher schlagen ließ. Jenen allen, die konsequent auf ein neues «Feld der Ehre» zumarschierten, hielten außer den aktiven «Roten» nur wenige humane schreibende Bürger die schwache Kraft ihrer Feder entgegen. Das waren nicht selten sol che, die nach vorn in die Zukunft blickten. Dazu gehörte der Zukunftsträumer Kurd Laßwitz ebenso wie die verzweifelt um den Welt frieden kämpfende Bertha von Suttner. «Wie müßte die Welt erst aufatmen -
dachte ich damals zum erstenmal - wenn es allenthalben hieße: die Waffen nieder - auf immer nieder! Ich trug das Wort in die roten Hefte ein. Daneben aber schrieb ich verzagt, zwischen Klammern: » («Die Waffen nieder!», S. 99) Die «vaterlandslosen Gesellen» dagegen waren keinesfalls «verzagt». Die Industrialisie rung hatte das Proletariat geboren und mit dem Wachstum und Fortschritt der ökonomi schen Kraft des Kapitalismus wuchs auch ge setzmäßig diejenige Kraft, die sich weder als Ausbeutungsobjekt noch als Schlachtvieh für des Reiches und der Reichen Herrlichkeit mißbrauchen lassen wollte. August Bebel und Wilhelm Liebknecht tru gen nun die Forderungen der «Sozis» in den neuen Reichstag hinein. Wo sie dann die Wo gen hochgehen ließen, selbst zu einer Zeit, als durch die Gesetzgebung Bismarcks «die Sozialisten für die Polizei Edelwild» waren (Be bel). Aber auch nach der erzwungenen Aufhe bung der «Sozialistengesetze» (so verkündete es Reichskanzler Caprivi im Februar 1891 im Reichstag) «seien sich die verbündeten Regie rungen darüber klar gewesen, daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie die wichtigste Frage der Zeit sei». Kriegsminister Bronsart von Schellendorf konstatierte am 14. 12. 1895 vor dem Reichstag «gegen unbotmäßige Pö belhaufen», also «im Ernstfall werde die Ar mee am Platze sein»: «Denn die Sozialdemokratie schielt nicht nur nach den Fleischtellern der Bessergestell-
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Entrückt in die Zukunft
ten, ihr ist auch die reine Serviette ein Greuel. Sie will am letzten Ende die Vernichtung aller ethischen und ästhetischen Kultur, weil sie in ihrer Niedrigkeit alles Hohe und Edle haßt, hassen muß und in ihrem nivellierten Zu kunftsstaat keine Größe dulden kann. Wenn das Militär nichts weiter wäre als ein Zaun ge gen die Gleich und Niedrigmacher, so wäre mir das schon Leistung genug für die Kultur der Nation», rekapitulierte Hans Ulrich Beer in seinem Roman «Wir Kinder der Not» An sichten, die sich breit machten. («Wester manns Monatshefte», 92. Bd., 1902, S. 486) Rudolf Stratz, jener massenwirksame hoch aufgelegte Romanschreiber der Kaiserzeit, schilderte anschaulich in seinem Roman «Stark wie die Mark», mit welchen schweren Geschützen beispielsweise die konservativen Krautjunker im Reichstag Front gegen die «Linke» machten: « mübfam auf ben Bieg nad) ber Iribüne. Md)im (ab ihm nad). „(Es ift ja eigentlich ein tolles 'Uietier. bas mir trei ben.
Sinben Sie nicht, Durd)(aud)t?"
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Entrückt in die Zukunft
tackierte, scharte sich um diese Vaterfigur des Reiches das Bürgertum, welches sich von einem großen Mann und nicht von einem großsprecherischen Souverän «herrliche Zei ten» erhoffte. Deshalb kam es auch zu einem ungewöhnlichen Tumult auf den Tribünen des Reichstags, als dieser (Bismarck noch zu ge nau kennend) mit Mehrheit ablehnte, ihm zum 80. Geburtstag Glückwünsche zu schicken. Stratz («Stark wie die Mark»): «Niemand hörte mehr ein Wort in dem allgemeinen Lärm. Die Studenten tumultuierten. Die anderen Herren schrieen. Damen beugten sich vor und spuck-
näus»), wußte zu berichten, daß Bismarck den gewählten Volksvertretern «ein höllisch feiner und boshafter Gegner» gewesen sei, «ein gra ziöser Fechter mit allerdings sehr spitzem und manchmal vergiftetem Degen». Erst als der vom neuen Kaiser so schmäh lich Mißachtete auf seinem Herrensitz im Sachsenwald voll Zorn den gefährlichen Kurs seines ehemaligen «allergnädigen Herren» at
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Uie (oll fie urrcilüijn Auf bem 'jfjrrbr brr Deutfdjen, Dir ijriliiu /-lamme! Dir fei et gelobt. Du Qrinfatn-tfieroalflger, Weltentrüditer, Del)’ ftilles C-ilanb •Meute jMiltionen (Tiriiiie umbranben! Dir fei es gelobt! ülit bem eigenen fjerjblut Wrrbrn mir fdjüljen Die Wunberblmne qrrmnnirdjer üraft, Dal) maljnenb tljr Öilb itotlj in Wettern ber Bnliunft /ernften Ojerdjlerijteru /■lammenb erfdjeine fieint ehernen ßlange Des {tarnens ■ß i s in a r dt!
(Ernft ödirrenbcrq.
ten in den Sitzungssaal (...) Die junge Offi ziersfrau, die gleich anfangs in den Saal hinuntergespieen hatte, drehte sich ganz er schöpft zu ihrer Begleiterin: |m “I»! win «• pun uupjo * wpjuqnz izqnns a»qi izszip 1«»P ■UU)«|U| * |)UIZ>D »U|U M|puip U|»q uuuq o« >1 ipieipiiuounuesnz uzziiitj uzuizh ui uzzifij uzqoi|3piu uz||t jne ipnz pun |Xutp3 ujz|pu;p| uzqzsudomz uzp nz a zqz 'iqz3 zpujy z|zu ipjnp zzqi «qsspauiqz up ta uzqzsi|3uz izp uoa izp >ne( uuzp luodizi zu«3 zinzq zzqi »qzs|«au|qi izp isi 'iz-fuui-zzqj izp zpur] uizp 'put|3uq u| * uzpiz pipqitzq uzszuiqj uziizp uzp uoa izpv|qz.>q i zip zsiz^fj izizqnrsun ,qz|z * ui uz)|çq stujuuzx ij * * uuz ‘uzpzqiszj os uzq|zsuup ut iqziu 11 * * uzpin qzop pun uzqzntiqiiA pz'quqo *ZQ izpt snt ii * uzp 'zzqi izq>S|SUU|qz qzquqQ *z3 sz )SI OS 'uz^uui zzqi put|qzs)nz(] UI 11 * uuzft |S| uzpio *z3 >|UsnzQ-|tuoi)ifq uinz ¡sqizstp pun ipiziz qznuqiz,\ uz|tss|oq os uzuiz zzqj. izp uziiruipusqs pun put|ssny put|3ug g z uizpur] uiipuc ui uinit * pumo *P n> 1$! nP ~ wn >uiuioqizqo uz3tqzq|q*rM in ¿Malawi «rt>ttM*tefr Or
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nese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen. Wahrt Manneszucht, der Segen Gottes sei mit euch, die Gebete eines ganzen Volkes. Meine Wünsche begleiten euch, jeden einzelnen. Öffnet der Kultur den Weg ein für allemal! Nun könnt ihr reisen! Adieu Kameraden!» Das war natürlich stark. Von einer Kulturna tion pauschal zu verlangen, daß sie bei ihrer kriegerischen Aktion selbst den sich gefan gengebenden oder verwundeten Gegner hin metzeln soll, das erregte nicht nur im Ausland Protest. Der Bodenreformer Adolf Damaschke auf dem nationalsozialen Parteitag am 30. 9. 1900 in Leipzig: «Auch die deutsche Volkszukunft steht in Gefahr, wenn eine solche Richt schnur für Deutsche maßgebend würde. Die 20000 Deutschen, die in China kämpfen, kommen aus solchem Kampfe nicht zurück, ohne an ihrer sittlichen Persönlichkeit Scha 118
den qelitten zu haben.» («Zeitenwende», s. 396) In China selbst kam es durch die internatio nale Truppe zum «Niederbrennen zahlloser Dörfer», zur «Niedermachung Wehrloser», zur «Schändung chinesischer Frauen», zur «Ausraubung der Tempel und Paläste» und zu anderen «zahllosen .Greueltaten», wie die Zeitschrift «Das Neue Jahrhundert» empört schrieb: «Es gehört wahrlich nicht allzuviel dazu, mit den modernsten Schußwaffen einen Feind niederzumachen, der töricht genug ist, nur mit Schwertern und Speeren bewaffnet, dem in aller Ruhe im Anschlag liegenden Gegner vor die Mündung zu laufen.» (Aure lian von Schmidt, 13. 10. 1900) Als der Boxeraufstand 1901 «blutig erstickt» war und die Industrienationen ihren neuen Handelsplatz fest in der Hand hatten, machte Kaiser Wilhelm der «Chinasache» noch ein komödiantisches Ende. Neben Kriegsentschä-
Deutsche Träume
digung, Konzessionen etc. verlangte er, daß ein Mitglied der chinesischen Kaiserfamilie in Berlin Abbitte vor ihm leiste. Der «Sühne prinz» traf am 3. September in Berlin ein: «Andern Tages 12 Uhr empfing Kaiser Wil heim im Neuen Palais in Potsdam, in Gegen wart der Prinzen, des Staatssekretärs des Aus wärtigen, der Minister, der Generalität und der Hofchargen den Prinzen Tschun Tsaifong. Der Empfang desselben geschah ohne Bezei gung irgendwelcher militärischer Ehren. Der Kaiser saß im weißen Koller der Gardes du Corps mit dem Stahlhelm auf dem Haupte auf dem Throne.» Der Prinz mußte nach «tiefen Verbeugungen» dem Bedauern über die Er mordung des deutschen Gesandten «demüti gen Ausdruck» geben: «Sitzend nahm der Kai ser die Rede entgegen, und sitzend antwor tete er darauf in energisch erhobenen Worten.» («Die Gartenlaube», 1901, Nr. 38)
Die realen Vorgänge in der Weltgeschichte, ihr Eindringen in das alldeutsche Bewußtsein des Reichsbürgers wilhelminischer Prägung, der südafrikanische Burenkrieg also, der Bo xeraufstand in China, die kaiserliche Flotten politik förderten deutsche Träume, deren Ver wirklichung vorerst auf dem Papier stattfand. Die strategische und ideologische Vorberei tung des Zukunftskrieges zeigte nach der Jahrhundertwende erste Erfolge. Wer vater ländisch fühlte, wußte, daß für den Bestand der Einheit des Deutschen Reiches ebenso
wie für seine ihm seit 70/71 zustehende «Welt geltung» ein großer Krieg in naher Zukunft vonnöten sei. Außerdem forderte die Lösung der «sozialen Frage» (da, wie man behaup tete, sonst die «Roten» einen blutigen Bürger krieg gegen jeden Besitzhabenden entfachen würden) schnellstens die Stärkung der einhei mischen Industrie und einen deutschen Welt markt. Der brächte Arbeit und Brot, Wohl stand und herrliche Zeiten für alle. Das war dem kreuzbraven Bürger aus seinen TagesZeitungen und Familienblättern bekannt. Zu dem gab es als weiteres Massenmedium mitt lerweile die Edisonsche Tonwalze und die Schallplatte. Aus darauf inszenierten «Hörbil dern» konnte er den nachgeahmten Original ton der Siege von 70/71 ebenso abhören wie das Kriegsgeschrei in Afrika und in China. Da mit war ihm nicht nur in der Belletristik, son dern auch mittels moderner Technik die Mög lichkeit gegeben, die herrlichen Zeiten der Kriege nachzuerleben. Lediglich die anschauliche Vor-Stellung des nahenden Zukunftskrieges fehlte ihm noch aus vaterländischer Feder. Vorbilder dazu wa ren von englischer Seite auf dem Buchmarkt, und deren utopische Methode ahmten nun flotte Schreiber des Kaiserreiches nach. Sie stießen ebenso wie die Utopisten anderer Richtung in eine weit offene Marktlücke. Sie hatten eine erstaunliche Resonanz. Utopien von den Weltmachtkämpfen germanischen Heldentums fanden nachweislich Allerhöch stes Interesse. Sie galten als gediegene Litera tur besonderer Art. Ihre Konsumtion war ein
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Deutsche Träume
seriöser, ernsthafter Beitrag zur Allgemeinbil dung und zur vaterländischen Erziehung. Der erste, der «deutsche Träume» bildhaft und wirksam in der Nationalliteratur aufbereitete, war bezeichnenderweise ein Hauptmann a.D. August Niemann (1839-1919), der durch die Schilderung des «Französischen Feldzuges 70/71» ebenso wie mit seinem «Militärischen Handlexikon» (2. Aufl. 1882) als Fachmann ausgewiesen war, veröffentlichte im Jahre 1904 das «sensationelle» und «das gelesenste Buch der Gegenwart» (so die Verlagswer bung). Titel «Der Weltkrieg». Untertitel «Deutsche Träume». Welchen starken Eindruck diese erste natio nale Kriegsutopie hervorrief, läßt sich aus der Reklame und den Pressestimmen anläßlich des Erscheinens ablesen. Schrieb die «Deut sehe Kolonialzeitung» (Berlin): «Solche Zu kunftsbilder, Niemann nennt das seine «Deut schen Träume>, haben sich andere Völker schon öfters geleistet. Da wurde in der Over land Monthly einmal geschildert, wie die gelbe und die schwarze Rasse im Verein über die verhaßte weiße herfallen und sie zu Boden treten. In Deutschland hat das Buch Vorgän ger wohl kaum gehabt und dürfte deshalb um so mehr Freunde finden.» Dr. Karl Peters, der seinerzeit wegen Privatjustiz an Negern un rühmlich gewordene, aber nach 1933 zum Helden neuen Typs hochgejubelte und 1941 verfilmte Afrika-Kolonisator, kommentierte Hauptmann Niemanns Prognose in der Londo ner «Finanz-Chronik» so: «Das Buch ist die deutsche Antwort auf Stacy's: «Final War>.
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Aber der deutsche Verfasser zeigt sich besser unterrichtet über die geographischen und mi litärischen Voraussetzungen des Weltkrieges, und deshalb ist sein Buch auch lehrreicher und weniger phantastisch.» Aus welchem Geist heraus der Zukunftsro man Niemanns entstand, wußte in ihrer Buch besprechung die «Leipziger Zeitung»: «Die so begreifliche und durch ganz Europa gehende Erbitterung über das Verfahren der Engländer gegen die Buren hat dem Herrn Verfasser eine Art patriotischer Phantasie vor die Seele gezaubert.» Und «Die Hilfe» forderte: «Der Inhalt dieses Romans verdient es, scharf und deutlich gese hen zu werden, denn fester als irgend wo an ders [II! - C. R.] ist hier das Hauptproblem der gegenwärtigen Weltgeschichte dem Leser aufgezwungen. Es scheint, daß dieses Buch ebenso vom Kaiser [II! - C. R.J gelesen wer den soll, wie vom Volke. Es will ein nationales Programm sein, das Programm des «größeren Deutschlands).» Diplomatische und andere Reaktionen des Auslandes blieben daher nicht aus, witterte doch jeder Staat mit Recht hinter solchen Utopien die literarischen Sandkasten spiele einflußreicher deutscher Machtgrup pierungen. ««Der Weltkrieg) erregte Aufse hen in der ganzen zivilisierten Welt! Das englische Unterhaus beantragte infolge Er scheinens dieses Werkes eine Vorlage zur Er höhung des Landheeres!» meldete der Verlag W. Vobach & Co und forderte: «Jeder Gebil dete muß dies Buch gelesen haben!» Die «Nordhäuser Zeitung» berichtete:
Deutsche Kolonialzeitung, Berlin. Diese Schale umhüllt einen ernsten Kern, und, um auf das Aeussere zu sprechen zu kommen, das Buch ist in sehr gewandter, Eefälliger Sprache geschrieben. Solche Zuunftsnilder, Niemann nennt das seine „Deutsche Träume“, haben sich andere Völker schon öfter geleistet. Da wurde in der Overland Monthly einn al geschildert, wie die gelbe und die schwarze Rasse im Verein üoer die verhasste weisse hcrfallen und sie zu Boden treten. In Deutschland hat das Buch Vorgänger wohl kaum gehabt und dürfte deshalb um so mehr Freunde nnden.
Münchener Neueste Nachrichten. .... Am besten geschrieben sind die Kapitel militärischen Inhalts. Die Niederlage der Engländer bei Lahore ist ein Stück meister hafter Darstellung, das zeigt, wie sehr der Autor auf diesem Felde zu Hause ist. Minder gelungen, wenngleich immer noch auf dem Niveau höchst achtbarer Gestaltungskraft stehend, ist die Schilderung der Seeschlacht bei Vlissingen, in der die deutsche Flotte in schwerem Ringen schliesslich durch das rechtzeitige Eintreffen des französischen Geschwaders den Sieg über die englische Flotte davonträgt. Spannend und die Be fähigung des Verfassers für solche Themen bekundend, ist die wechselvollc Fahrt des englischen Postdampfers im Mittelmeer, die Gelegenheit gibt, hübsche Bilder aus dem Kleinkrieg zur See auizurollen.
Pfälzische Presse, Kaiserslautern. Den Weltkrieg, den alle Welt fürchtet, sehnt der Verfasser herbei; er hofft von ihm eine Klärung der jetzigen politischen Ver wicklungen, insbesondere die Demütigung des stolz auf seine Uebermacht pochenden Grossbritannien, das durch seine gewaltige F'lotte in den Stand gesetzt ist. die tatsäch liche Herrschaft Uber den ganzen Erdkreis auszuüben, das die Übrigen Mächte klug hintereinanderzuhetzen weiss, um dann selbst den Siegeslohn einzuheimsen. Der stilistisch hervorragende und spannende Roman wird das grösste Aufsehen erregen, wenn auch die Träume des Autors vorläufig noch wenig Aus sicht auf Verwirklichung haben.
Nordhüuser Zeitung. Preis e'eSan* geheftet ♦ 5 Mark --------------- elegant gebunden 6 Mark „Der Weltkrieg“ erregte Aufsehen in der ganzen zivilisierten TFeit! Das englische Unterhaus beantragte infolge Erscheinens
dieses Werkes eine Vorlage zur Erhöhung des Landheeres!
„Der Weltkrieg44, ein Roman von dem bekannten Hauptmann a. D. und Schrift steller August Niemann, früherem Redakteur des Gothaer Hofkalenders, hat in der eng lischen Presse eine Erregung hervorgerufen. Die englische Presse weisst voll Entrüstung auf diesen deutschen Roman hin, aus dem ganz klar hervorginge, zu welchem Zwecke Deutschland eine Flotte baue: man wolle England vernichten.
Die russische Zensur verbot den Verkauf dieses Buches,
hob das Verbot jedoch nach einem Monat wieder auf!
Jeder Gebildete muss dies • • Buch gelesen haben! y
C
icht in phantastischer Willkür, «ondem ohne den Boden der Wirklichkeit zu verlassen, entrollt der Verfasser vor'den Augen des Lesers ein farbenreiches, packendes Bild ienes ungeheuren Welt brandes, den der unausbleibliche Kampf der europäischen Gross mächte um die Herrschaft der Welt entzünden muss. Mit dem Helden, einem deutschen Generalstabsoftiziei, durchleben wir die grossen Ereignisse und die entscheidenden Schlachten dieses Krieges zu Lande wie zur See und ein prophetischer Ausblick auf die neue Verteilung der Erde beschliesst das in der zeitgenössischen Literatur ------------------------------------- einzig dastehende Werk.-----------------------------------------
N
Jugend, München. Aus
dem lyrischen Tagebuch Leutnants v. Versewitz:
des
„Weltkrieg“. ..Weltkrieg“ jelesen, von Niemann, he? Mir doch nicht Übel jefallen ... Autor soll Kamrad sein a. D. Jlaubhaft! Bewandert in Allen I Zukunft iezeichnet mit sichern Stift, Möglichkeit nich zu bestreiten. Einzig was Ford’rung für Deutschland betrifft, Kamrad viel zu bescheiden!
Jiebt sich mit Sansibar, Walfischbai. Antwerp’ner Hafen zufrieden. Lächerlich! Jradezu Lumperei! Weltkrieg dann besser vermieden . . .
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München
Deutsche Träume
«re
tyinbuvtf) krieg
führte,
gelang e« ber weitauöfchauenben englifdjen ißolitit, fich mit geringen Opfern in ben Sefip von unermeßlichen ßänbergebieten ju bringen,
bie in ihrer ©efamtheit ben ganzen europäifdjen Kontinent weit
übertrafen." „(Englanb war eben feit ^atjrfjunberten eine Seemacht, bie it)r
Beftreben auf ben (Erwerb überfeeifdjer ffolonieen richten mußte." „Unb waö hätte Preußen gehinbert,
fcfjon vor 3a^chu"btrten
eine achtunggebietenbe Seemacht ju werben? Unfer Unglücf war ti,
baß bie gewaltigen §been unb weitblicfenben %bfid)ten beS (großen Äurfürften an ber Unjulünglichfeit feiner Wittel f^eitern mußten, gälten feine Wachfolger fortgefeßt, Waä er begonnen, fo hätte ®roß«
britannieni Wacht fich niemals ju folger $ölje emporheben fönnen. Denn auch
würben unö bann f$on in ben früheren 3ahr*
hunberten ben uni gebfiprenben Anteil in ben außereuropäifdjen
(Erbteilen rechtzeitig gefiebert haben." Der ißrinj bliefte finnenb vor fich b’n-
9tach einem turjen
Schweigen fuhr ber Steichtfaitjler fort:
„königliche Roheit werben barüber unterrichtet fein, bafj in beit Wieberlanben bie fefte Hbfictjt befteljt, fich »m 3ntereffe ber Selbft« erhaltung bem Deutfchen Weiche alä ein Bunbeiftaat anjugliebem,
wie ti nach bem beutfeh * franjöftfehen kriege Bapern, Sachfen, Württemberg, Baben unb bie übrigen beutfepen
Staaten getan
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— 382 — ßaben.
Damit würben bann aucß bie refäen unb audgebeßnten
nieberlänbifäen ffoionieen gu beutfäen ffolonieen werben, b. ß. fie mürben unter f^ortbeftanb ber ßoUänbifäen Serwaltung in ben poli
efte ber von 'JÜlaximilian färben herausgegebenen „£>ie 3utunft“ jur Kenntnis bes Kaifers gelangt, bie biefen veranlagt haben, ben Bertchr mit Sieben berg fofort abjubredjen unb mehrere SJiänner, bie fid) in hohen (Stellungen befanben, aus ihren Wintern 311 entlaffen. Graf v. 'JÜloltte war nidjt ber einige unb aud) nidjt ber erfte; fd)on am 3. 'Blai traf bas gleiche ol)enau, ben pcrfönlidjen. Wbjutanten bes Kaifers unb Stiefbruber bes verftorbenen 'Brinjen Qllbred)t von 'Breufjen. Die ganje peinliche Angelegenheit ift infofern von hohem politifd)en 3ntcreffe, als ber Jiaifer ben Siebenberger 'Beeinfluffungen nid)t unjugänglid) war; es fei nur an bie Gntlaffung Caprivis im 'Jlovcinber 1894 erinnert. Bon berfelben Gelte würbe aud) im vorigen SBinter auf ben Gtur3 bes jetjigen SReidjstanjlers dürften v. Bülow Ijingcarbeitet.
’907
schließlich selbst an die Zeppelinbegeiste rung anhängen mußte. 1907 hatte die «Eulenburg-Affäre» charakte ristische Lichter auf die Berliner Hofkamarilla geworfen. Der engste Freund und Liederma cher des Kaisers, Fürst Philipp zu Eulenburg, wurde homosexueller Aktivitäten verdächtigt. Es kam zu aufsehenerregenden gerichtlichen Untersuchungen. Der Kaiser verschwand zur Erholung nach England und plauderte dort zu Gast auf dem Schlosse eines Obersten über Gott und die Welt, so wie er sie einschätzte. Der Engländer zeichnete die hochpolitischen Monologe auf und schickte sie 1908 Wil helm II. mit der Bitte, sie veröffentlichen zu dürfen. Der Souverän war sich in seiner selbstgefälligen Art nicht bewußt, was er aus geplaudert hatte, und gab den Artikel an sei
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nen Kanzler Bülow zur Begutachtung. Der drückte sich und ließ einen subalternen Beam ten die Aufzeichnungen abzeichnen. Am 28. 10. 1908 erschien der Artikel in der englischen Tageszeitung «Daily Telegraph» und löste im deutschen Kaiserreich einen Sturm der Entrüstung aus. Man erfuhr bei spielsweise jetzt, Wilhelm II. habe seinerzeit von seinen Generalstäblern eine Studie zur Bekämpfung der Buren ausarbeiten und sei ner Großmutter, der Queen, zukommen las sen. Selbst kaisertreue Monarchisten fühlten sich düpiert. Für den 9. und 10. November wurde deshalb eine Parlaments-Interpellation angesetzt, die dann in bis dato einmaliger Form das «persönliche Regime» des deut schen Kaisers öffentlich anprangerte. Sozialdemokrat Singer am 10. November im
Baronin Gisela Hess-Diller, geb Gräfin Gallenberg in Freundschaft zugeeignet
ÜLIPPzu [Ulenburg > Englische Übersetzung von ELISABETH M.LOCKWOOD\ i Monatsrose Atu oes Nachten teue trat mein Lteb tnnauMonthly Rose ,wthe viteqt otrttt trips my LOdy Swett
Re hem WaloetMum 'm Wiesenteng ßnar Rost We/r the forest dne the mtMo» meet
2 Wilde Rose 3
Rankende Rose
ihr weilten Rankroselein
Climbing Rose 'CriBSOit Rambler1 ÄMesuirtie/t/yAy/taMe 4
See rose Der Abend ist¿till und dunkel der tee Nymphea Ineute lies m darkness, st/lu the vjht
We i Ise u nd rothe Hose Red and white Roses
Mein ¿cten der liegtdufOer lodtenMr IM'.ng lies mtus cothn. aead^ *
Für eine Singstimme und Klavier Für emeSngstimme und laute Für M>»nn«rchor(N *1.2.4) Partitur und Stimmen Für Klavier mit beigefügtem Text (N?1-5) . Für Zither mit beigefugtemText (N *1,2) Für Salpn-Orchester(N?1 5) Für Orchester (NF1-5) Für Jnfanterie-Kuaik (Ml b) Für Blech-Muaik (N«1-5) Fynitn •rWrxgtt'ur MtlftMtr
Ed Bote & G.Bock,Berlin W 8. König I-ehe Hofmusikahenhandler
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Revolution von ganz oben?
Reichstag: «Meine Herren, es ist die aller höchste Zeit - vielleicht ist es die zwölfte Stunde daß der Reichstag Wandel schafft in dieser Politik, Wandel gegen den Kanzler, Wandel gegen den Kaiser.» Solche voraussehbaren Angriffe auf seine geheiligte Person wollte der Kaiser und seine Berater mit einem schlauen Plan kontern: De monstrativ die Reichstagsdebatte mißachtend, zog der Herrscher sich für jene kritischen Tage zur Jagd zum preußischen Oberstmar schall, dem Fürsten von Fürstenberg, nach Donaueschingen zurück. Dort begrüßte den Hofzug schon der Kronprinz von hoch oben, aus dem Zeppelinluftschiff. Und am 10. 11. 1908 - als in Berlin die Wo gen gegen Majestät hochgingen - erschien der Angegriffene am Bodensee. Über den Luftschiffpionier, dem er bisher nur «die kalte Schulter gezeigt» hatte, hoffte der Kaiser, die Presse sowie alle Zeppelinbegeisterte auf seine Seite zu bringen. Er mochte kalkulieren, daß man ihn nun als den weitsichtigen Herr scher preisen würde, der sich nicht um das Gerede in der Berliner «Schwatzbude» küm mere, sondern an vorderster Front den natio nalen Fortschritt und seine Repräsentanten fördere. Wilhelm II. ließ sich also den noch vorhan denen «Zeppelin» Nr. 3 vorführen, demütigte sogar seinen bisher bevorzugten Major Groß: «Sie sehen, daß das Luftschiff ganz tauglich ist, und jetzt wird es übernommen.» Dann trat er vor den Grafen Zeppelin und sprach: «Es dürfte wohl nicht zu viel gesagt sein, daß wir
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heute einen der größten Momente in der Ent wicklung der menschlichen Kultur erlebt ha ben. Ich danke Gott mit allen Deutschen, daß er unser Volk für würdig erachtete, Sie den unseren zu nennen.» Es folgte die Ehrung mit «Meinem hohen Orden vom Schwarzen Adler», und der Luft schiffer mußte sich vom obersten Ordens herrn dreimal umarmen lassen. Mit dem Ruf: «Seine Excellenz Graf Zeppelin, der Bezwin ger der Lüfte, hurra!» beendete Wilhelm II. seine wohlberechnete Schau. Und die Deut sehen hatten ihr erstes «Reichsluftschiff», denn es war selbstverständlich, daß der so gnädig gewürdigte Motorballon sofort gekauft war. Der Kaiser allerdings erreichte nicht die ge wünschte Ablenkung von seiner englischen Zeitungsaffäre. Ein Popularitätszuwachs wäre ihm durch sein Zeppelin-Unternehmen be stimmt sicher gewesen. Aber am 14 Novem ber, als er schon mit seinen Getreuen beim Fürsten von Fürstenberg feierte, kam es zu einem überaus peinlichen Zwischenfall Als die hohe Gesellschaft sich auf ihre einfältige Casino Art amüsierte, erschien der sechsund fünfzig Jahre alte Chef des preußischen Mili tärkabinetts, der Graf Hülsen-Haeseler, transvestitisch als Balletteuse verkleidet, «und begann nach den Weisen der Musik» vor dem Kaiser ein Solo zu tanzen: «Alles war aufs höchste amüsiert, denn der Graf tanzte groß artig, und es war ja auch etwas Eigenartiges, den Chef des Militärkabinettes als Dame ko stümiert, einen Ballettanz aufführen zu se
Das Zeppelin’sche Luftschiff übor Berlin
hen.» (Zedlitz-Trützschler, «Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof») Plötzlich machte die Tänzerin eine Pause, der echauffierte Militär trat ab und fiel tot in Frauenkleidern um: Die neuste Affäre des deutschen Kaisers war ge boren. Wilhelm II. fuhr entnervt nach Hause und legte sich für 14 Tage in Potsdam krank zu Bett. Nutznießer des allerhöchsten Ablenkungs manövers war schließlich nur Zeppelin. Der preußische Bann um den Luftschiffer war nun offiziell gebrochen. Denn, so belehrte byzanti nisch Hauptmann a. D. Hildebrand 1913 in der «Woche»: «Der Bau von Lenkballons ist in Deutschland der ureigensten Initiative des Kaisers zu danken.» Zeppelin, dem «das Volk zujubelte wie kei nem seit Bismarck» (so Freiherr von Rummel 1913 in: «Velhagen & Klasings Monatshef ten»), wurde nun geraume Zeit «der populär ste Mann Deutschlands». Für Rummel war er sogar «ein zweiter Doktor Faust»: Zeppelins Name sei «wie der eines großen, mittelalterli chen Alchimisten und Zauberers mit gewalti
gem Flügelschlag über sein Volk dahinge rauscht». «Die Kinder tanzten nach Reimen auf Zep pelin. Bilder von ihm zierten jede Bauern stube», beobachtete der Schriftsteller Sandt und prophezeite, eine Zeit würde kommen, «wo man nicht mehr glaubt, daß ein Zeppelin wirklich existiert hat; wo dieser Name ins Reich der klingenden Märchen hinaufsteigt.»
Nun muß man wissen, daß Emil Sandt (1864-nach 1938) ein kaisertreuer Utopist war, der 1907 mit seinem Romandebüt dem kom menden Reichsluftschiff die imperatorische Fluglinie vorschrieb. Bis dahin hatten zwar die meisten deutschen Zukunftsbeschreiber auch den Traum vom Fliegen geträumt. Ihr erster, Julius von Voß (1768-1832), ließ in seinem Zu kunftsroman «Ini» (1810) die Lenkballons aller dings noch von gezähmten Adlern ziehen. An dere, wie Theodor Hertzka (1845-1924) in «Entrückt in die Zukunft» (1895), setzten den ■>77
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Erdmagnetismus als Triebkraft für Luftfahr zeuge ein. Der deutsche Klassiker der utopi schen Belletristik, Kurd Laßwitz (1848-1910), vollzog in seinen «Bildern aus der Zukunft» (1878) schon den Qualitätssprung zur Luft schraube als Auftriebsmittel. Das hinderte aber den Gothaer Professor nicht, den «Zep pelin» 1909 als «Wunder» zu bestaunen: «Der ersehnte Fortschritt technischer Beherr schung der Natur wird mit Andacht erlebt im Gefühl der deutschen Nation.» Emil Sandt dagegen witterte die Bedrohung des Reiches von ganz oben und forderte des halb die Luftherrschaft als Privileg des deut schen Kaisers. 1906 schrieb er seinen Roman «Cavete!» (Untertitel: «Eine Geschichte, über deren Bizarrerien man nicht ihre Drohungen vergessen soll.»). Quintessenz des Buches ist: «Hütet Euch! und bereitet Euch vor. - Das lenkbare Luftschiff kann die Evolution in die Kultur bringen; seht zu, daß es nicht die Revo lution bringt.» Im damaligen Stile «gesunder Unterhal tungsliteratur» (Adolf Bartels) flott geschrie ben, vermochte das Erstlingswerk des Autors die Leser sofort zu packen. Weniger in techni scher Utopie schwelgend, transportierte es of fen deutsch völkische monarchistische «Ten denz» zum Bewußtsein des biederen Bürgers. Und der Roman wurde zum ideologischen Flaggschiff einer nationalistischen Zeppelin begeisterung: Ein deutscher Ingenieur hat das perfekt lenkbare (und auch durch Spiegel unsichtbar zu machende) Luftschiff erfunden. Idealge
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sinnt demonstriert der geniale Konstrukteur nun mit seiner «Pax» («Frieden») der aufge schreckten zivilisierten Welt die Möglichkei ten einer Beherrschung des Luftmeeres. Da er aber «kosmopolitischen» Anschauungen hul digt, tut er kund, seine Erfindung solle der ganzen Menschheit zugute kommen: ihr Frie den wie Fortschritt und die Verbrüderung bringen. Eine internationale Konferenz aller egoistisch zerstrittenen Nationen müsse dem zustimmen. Dann wolle er jedem Lande seine Erfindung zur edlen Nutzung übergeben. Aber die Großen jener Welt sind anders, als sie sich der Träumer in seinem grandiosen Flugschiff gedacht hat. jede Staatsgewalt, jede Interessengruppe versucht unter Einsatz aller legitimen und illegitimen Mittel, in den
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ÜIus bet Bifion ins ßeben. 53on (Emil Sanbt. 3d) ijabe „Cavete!“ im 3at)re 1906 gefdjrieben. (Es war ein Hatjr, in bem ein aufmerkfames Ofyr oon überall fyer ein feines Äniftern oerneljmen konnte, wie wenn un« fidjtbare Äräfte am 2Berke finb, oon unten eine fjinbernbe Decke 3U burd)bred)en. ®ie bie (Erkenntnis oon ber 2Bid)= tigkeit ber Joerrfdjaft über bas fluftmeer fid) 3U oerbidjten fdjien, fo fdjienen fid) aud) bie Kräfte, biefes 3iel 3U er« reidjen, 3U oeroielfad)en. (Es war eigentlich keine Äultur« nation ausgenommen. Bur arbeitete bie eine fjeimlidjer als bie anbere. 3d) faf) bie (Betjirne rechnen unb bie Jinger taften. Unb Dor mir entwickelte fid) ein ÜBirrnis, beren Bieberfd)lag mein Boman „Cavete!“ würbe. 3d) t)abe itjm ab(id)tlid) keine Iiterarifdje ®attungsbc3eid)nung ge« geben. ®eil er in keinen ber fdjablonierten Begriffe l)inein= pafft; aber fdjon fyeute bekennt alles, was etjdidje unb oerftänbnisoolle Kritik ljat unb übt: „Cavete!“ ift geworben, W03U id) es beftimmt hatte: ein kulturt)iftorifd)er Boman. „Cavete!“ wirb bis in bie fernften 3e*^ en Bergleidjsmög« lidjkeiten unb ein 3relb für Stubien abgeben. 3d) t)abe nirgenb unter bem Drucke müffiger ober erljitjter «phan« tafien gejagt: „So wirb es kommen" ober gar nach ^rt fenfationeHer (Effektfyafdjerei ein genaues Bilb ber nod) Rebern oerfd)(offenen ßuhunft entworfen, — id) ljabe nur an nationalen unb internationalen, an fo3ialen unb öko» nomifd)cn fragen ben Status abgemeffen unb gerufen: „§ütet (Eud)! unb bereitet (Eud) cor. — Das lenkbare ßuftfd)iff kann bie (Eoolution in ber Äultur bringen; fetjt 3U, baff es nid)t bie Beoolution bringt." 2Benn man bas Hafjr 1906 mit bem Hatjr 1908 oer« gleidjt, — welcher Unterfd)ieb! — 3n jenem bie ©etjirne nod) faft taub; in biefem fiebert alles. — Die Nationen wetteifern gegeneinanber. Unb wenn nod) 3U Anfang bes Haares 1907 bie ofe (jing bie „Sßai“- Sie §atte §rife Slufart oor her (Sdjlofe * macfee abgefefct und war bann wieber bis jur §öi)e be§ ißrinj * ©einrid) » ^lurg geftiegen. Sie Serliner fjattcn fie heranfdjwimmen fefjcn, waren ihrem Saufe mit ben Süden gefolgt unb wollten nun ihren Slugen nidjt trauen, als fie fie t)od) über bcm (Sdjloffe ftiUljalten unb bann finfen fafjen. Tiefer unb immer tiefer. ßangfam unb lautlos. Son ben Sinben unb ber Scfjlofjbrürfe fjer, burd) bie ÄönigSs ftrafee, bte Sreite« unb Srüberftrafee ftrömten fie in biefeten Sdjaren heran. Ser Scfjlofeplah, bie Scfelofes frei^eit mit bem Slationalbcufmal, ber ßuftgarten, brüben ber ftupfergraben, fie waren in furjer ^eit big in bie ©den oon einer fidj aufgeregt brängenben SJlenge befefct. Unb bie am nädjften am (Sdjloffe waren, ftürmten gegen bie gefd)loffcnen burdjfidjttgcn Sortale. (Ss war ein wütenbeS, wüftcv £>in» unb Qerbrängen. Unb trofcbem niemanb oon ben braufeen Stehen * ben mehr etwa» oon ber ergattern tonnte, widj unb wanfte bie SJlaffe nie nad) bem 9Jiarg. 9lad) breimonatlidjcr mübfcliger ftahrt, bie fehr anfehaulid) gefdjitbert wirb, lanben fie enb lief) auf bent 9Jlarg. £>icr finben fie einen ibeaien OTenfd)enfd)lag: wal)rc Wötterge ftalten mit bodjcntwicfelter Stultur unb groft artig angelegtem Staatöwcfen, bie unter ben ibealften fojialen Bebingungcn leben. Unfere Söeltenfegler bringen nun bort jwei Qahre ju unb ftubieren fianb unb fieutc. Tann lehren fedjg mit bem Suftfcfjiff wieber in ihr Saterlanb jurüct, wäljrenb ber fiebente oben jurüdblcibt. Tieg aUcg ift in anfd>aulid)fter SBeife gefdjilbert unb wirb von ber Qugenb gewifj mit großem Qntereffe gelefen werben. * (Gaffelcr eiligem. $eitung.) „. . . Unter gefd)irfter ^ugrunbelegung aller von ber (Selehrtcnwelt bigfjer gewonnenen Grforfdjung über bie töefcfjaffenljeit beg 9Jlarg wirb ein anfd)aulid)cg 33i(b von bem Planeten entworfen, Sieben unb Treiben feiner 'Bewohner gefdjilbert unb fjier unb ba fatirifdje Söergleidje mit ben 311 ftänben auf unferer SJlutter Grbe gezogen." (9leueg Tagblatt in Stuttgart.)
„... Tag Bud) wirb lebtjafteg Qntereffe für bie 9latur= unb £immelg= tunbe erwecten." (Sdjulmufeum.) ........Tic SSefdjreibung beg Planeten grünbet fiefj auf bie Grgebniffc bcr 9lftronomie. Tic Srfjilberungen beg Tung unb Trcibeng ber 9J!arg bewohner finb voll (Seift unb $umor unb nidjt oljnc einige Heine Sog beiten, bic aud) unfere jungen fdjon genieften tönnen." (9Jlünd)ener 9leueftc 9ladjridjten.) ........ Tic Tarftellung ift amüfant unb leljrreidj jugleid), weil Sftro itoinic, T’hüfit unb fojiale Serljältniffe, mit ¿utunftgträumen vermifd)!, vernünftige Bcrüctfidjtigung finben. JRedjt lefengwert!" (fiitcr. 3a(jrcgberid)t für gebilbete fatlj. Streife.) ....... fiebfjafteg ^ntereffc muft bag ungemein feffelnbc Sud), bag natürlidj alle bcfteljenbcn fRcfultatc über bie ptjofitalifdjc Sefdjaffenf)eit beg 'Uiarg jugrunbe legt, erwecten, aud) fpcjicll für 9!atur unb $immelg tunbe Ter ftlug bcr ^btutfafic ijat freie, weite Baljn unb ein greifbareg 3icl.".......................................................................... (Sdjwäbifdjcr 9Jlcrtur.)
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und bei ausgedehnten Spaziergängen das Le ben der Planetenbrüder erkundet hat, macht nun polemisch der Autor Dr. Daiber im Zu kunftsroman die reifere Jugend mit seinem Kontrastprogramm zu den irdischen Zustän den bekannt. Es sticht «wohltuend» gegen über dem «lärmenden Treiben der Menschen auf der Erde» ab: «Überall, wohin auch die Gelehrten ihre Blicke richteten, erschien ein gleichmäßig verteilter Wohlstand; selbst die relative Armut mußte hier unbekannt sein. Nicht nur in den Häusern, deren offene Hallen dem neugieri gen Auge ungehinderten Einblick gestatteten, nein, auch um die Wohnungen herum, auf al len Wegen und Stegen herrschte eine ge radezu peinliche Sauberkeit.» (S. 69f.) Trotz der Mühen mit den Marskanälen, wel che die Eingeborenen haben, um von den Po len und Bergen das auf ihrem Planeten so rare Wasser heranzuführen, ist für die irdischen Augen der Mars das Paradies, ein Garten Eden. Neben dieser gepflegten Natur sind die schönen, kräftig-gesunden «Zeus- und Junogestalten» der Einheimischen bestaunens wert. Die geringere Schwere und der im Ver gleich zur Erde leichtere Luftdruck haben zwar ihren Anteil daran. Aber diese «körper lich wie geistig gleich hochstehenden Men schen» auf dem Mars sind vor allem das Pro dukt einer phantastischen Staatsordnung, die die weitgereisten gelehrten Erdenbürger nun zum erstenmal in praxi erleben: «Was sie selbst vom Schönen, Wahren und Guten unten auf der Erde geträumt hatten,
hier oben fanden sie alles in die Wirklichkeit umgesetzt; denn überall und in allem offen barte sich ihnen die wunderbarste Harmonie, alles atmete Schönheit, Güte und Wahrhaftig keit, und das Leben trug den Stempel vorneh mer, ruhiger Tätigkeit. Zweifellos mußte eine weise Regierung dieses große Staatswesen leiten, obwohl die Herren von Behörden, wie sie sich unten in der Heimat breit machten, hier oben nicht das geringste wahrnahmen.» (S. 79) Und als die Irdischen endlich die Sprache der Marsiten verstehen, wird ihnen auch die gesellschaftliche Struktur dieses ideal-schö nen Lebens verständlich. «Vor ihren Augen enthüllte sich immer mehr ein großangelegtes riesiges demokrati sches Gemeinwesen, das nicht auf die Gewalt gestützt war, sondern ausschließlich durch den freien Willen des Volkes und durch das Band gemeinschaftlicher Interessen zusam mengehalten wurde. Jedes einzelne Indivi duum ordnete sich hier dem Gemeinwohl un ter und leistete ihm nach seinen Fähigkeiten Dienste.» (S. 86) Die Marsgesellschaft baut sich aus sieben «Stämmen» auf: An der Spitze der «Stamm der Weisen», die Hüter des Gesetzes. Im «Stamm der Heitern» haben sich die Künstler vereint; der «Stamm der Ernsten» rekrutiert sich aus den Wissenschaftlern; der «Stamm der Frohmütigen» sammelt alle Unterhal tungskünstler; im «Stamm der Sorgenden» haben sich die Bauern, Gärtner und sonstige Handarbeiter zusammengefunden; Handel 193
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und Verkehr besorgt der «Stamm der Flin ken»; und die hochtechnifizierte Industrie wird vom «Stamm der Findigen» produktiv gemacht. Im Ansehen und im sozialen Status sind sich alle Stämme - außer dem Stamm der Weisen - «völlig gleich». «Der erste Stamm rekrutierte sich aus den erfahrensten, ältesten, vor allem aber den ge achtetsten und durch ihre Lebensführung her vorragenden Individuen männlichen wie weiblichen Geschlechts der übrigen sechs Stämme. (...) Die Zulassung zu den einzelnen Stämmen, den der Weisen allein ausgenom men, wurde lediglich durch die Neigung und den Nachweis der Fähigkeit entschieden. Ein Übertritt von dem einen Stamm in den andern konnte auf Grund einer Prüfung jederzeit an einem bestimmten Termin stattfinden. Fest gebunden war niemand, und gerade dieser völlige Mangel an Zwang schien hier oben eine der Hauptursachen für die Entwicklung der verschiedenen Berufsarten zu sein.» (S. 87) Nachnutzend die klassischen Staatsutopien, die Autor Daiber nun in seinem Marsroman für die doch stramm monarchistisch erzogene deutsche Jugend umsetzt, gibt es auf dem ro ten Planeten weder Geld noch Kapital. «Da auf dem Mars kein Geld zirkulierte, so gab es auch nicht das widerliche, Geist wie Körper gleichmäßig aufreibende Hasten und Jagen nach dessen Besitz wie unten auf der Erde.» (S. 88) Ein wohldurchdachtes gerechtes Vertei
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lungssystem garantiert jedem Marsiten die Dinge des täglichen Bedarfs. Der materielle Besitz zählt dortzulande sowieso weniger als die allgemeine Wertschätzung. Angestrebtes Lebens-Ziel ist die Aufnahme in den Stamm der Weisen. «Das gesamte Leben auf dem Mars war in seiner so eigenartigen Form nur dadurch möglich, daß es unter dem ausschließlichen Zeichen der Solidarität stand. Der allgemeine Grundsatz, daß das einzelne Individuum alles tun muß, was das Gesamtwohl fördert, alles zu unterlassen hat, was dem Nebenmenschen Schaden und Schmerzen bereitet, war hier oben schon seit undenklicher Zeit in die Pra xis umgesetzt.» (S. 88) Für Autor Daiber und seine gelehrten Schwaben haben jedenfalls die «Brüder und Schwestern» vom roten Planeten «das Ideal reinen Menschentums verwirklicht». Einer der Grundpfeiler ihres vorbildlichen Daseins ist die «großartig organisierte, allge meine und freie» Erziehung der Jugend: «Die ideale Schule der Zukunft, von der Professor Hämmerle in Tübingen so viel schon ge träumt, - hier auf dem Mars begegnete er ihr als einer alten, bewährten Einrichtung.» (S. 89) Neben «Kenntnis der Einrichtung des Staatswesens» und «Bekanntschaft mit den poetischen und prosaischen Meisterwerken der Marsliteratur» vermittelt die Schule auch «Körperpflege und Gesundheitslehre». «Die höhere Bildung war Gemeingut des ganzen Volkes und keine anmaßende Mittelmäßigkeit konnte sich auf dem Mars breitmachen.»
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«Reiner Stümper» sei man gegen solche «Prachtkerle», deren Lebensstil könne man in kein «Verhältnis zu dem da unten auf der Erde» setzen, resümieren die Professoren und kommen schnell zur Erkenntnis, daß ihre Tü binger Hochgelehrtheit den Marsiten «nichts, aber auch gar nichts» zu bieten hat. Deshalb kann jeder der Herren zwar bei der offiziellen Berichterstattung vor den Wei sen über sein Fachgebiet referieren und «ein genaues Bild von dem Leben und Treiben» auf der Erde entwerfen. Ihre offene und ehrli che Grundhaltung verschweigt jedoch nicht «die politischen und sozialen Gegensätze» der um die «führende Rolle» gegeneinander «kämpfenden Nationen»: «Sie schilderten all die Mittel der List, der Gewalt und Verschla genheit, die dabei angewendet würden (...)» (S. 95) Die Vortraghaltenden informieren die Mar siten sogar über die ihrer Meinung nach «schwerste und schlimmste Krankheit der Zeit», nämlich «die Feigheit»: «Man wage un ten auf der Erde bei den Kulturnationen - von den weniger zivilisierten Völkern ganz zu schweigen - nicht, offen und klar das zu sa gen, was man denke, aus Furcht bei mächtige ren Personen anzustoßen und dadurch seine Existenz zu gefährden.» (S. 95f ) Deshalb gäbe es auch (so veröffentlicht es wenigstens mutig der Utopieautor) den Widerspruch von «Empfinden und Handeln». «Infolgedessen herrsche überall ein mehr oder weniger gro ßer Mangel an Mut und Ehrlichkeit der Über zeugung, und die aus der Heuchelei gebo
rene Lüge hindere den Sieg der Wahrheit und lasse immer noch sehr viele auf die Dauer doch als völlig unhaltbar erkannte Einrichtun gen, ungesunde, unvernünftige, der reinen Weltanschauung und dem Volkswohl direkt feindlich gegenüberstehende Zustände weiter bestehen.» (S. 96) Für solche krasse Kritik und ihre Weiter gabe an Minderjährige dürfte Daiber kaum (wie «Seestern ») die majestätische An erkennung für sein Marsunternehmen per Luftschiff gefunden haben, rückte er doch mit seinen Erd-Ansichten vom roten Planeten in sehr bedenkliche Nähe zu den «Roten»... Jedenfalls kommen die sehr erstaunten Marsweisen zu dem Schluß, daß nur das Ver trauen in die Seriosität der Professoren sie am Glauben hindere, ein böses Märchen über die Erde vernommen zu haben: «solch barbari sche, von der Unwahrheit beherrschte Zu stände» seien unbegreiflich Der glückliche Umstand bei ihnen wäre allerdings gewesen, daß durch «vernünftige, naturgemäße Aufklärung» die Marsiten sich «ohne den von euch geschilderten furchtba ren Massenmord, Krieg genannt, zu der Höhe unserer Kultur erheben» konnten: «Wir hatten also diese entsetzlichen Verwirrungen nicht zu überwinden, die eurem Glücke und Fort schritte so fürchterlich hemmend entgegen traten und noch drohend entgegenstehen. (...) Für uns war es schmerzlich zu hören, wie bei euch jeder Fortschritt, auch der kleinste, durch ein Meer von Tränen, von Blut und zer trümmerten Existenzen führt.» (S. 99) 195
Cumata unb Qlngota.
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ju leiften, befcerrfdjte bie ?P?aribemohner unb Vielt nicfjt nur
bai Streben bei (Einzelnen mach, fonbem regulierte ei auch in gefunber 'JÖeife. ®a auf bem ‘EDiari fein Selb jirtulierte, fo gab ei auch
nicht bai miberliche, Seift n>ie Äörper gleichmäßig aufreibenbe Saften unb Sagen nach beffen 'Beflh mie unten auf ber (Erbe. Selbforgen waren auf bem Sftari unbetannt.
©ie verfchieben-
artigften Ceiftungen bei (finjelnen mürben burch Qlnmeifungen
auf feine fämtlidjen Vebenibebürfniffe aufgemogen. -3u biefen
'Bebürfniffen mürbe aber auch eine gemiffe Summe von Cebenifrtube gerechnet, mie fie bie bilbenben unb barftellenben fünfte unb bergl. ju bieten vermögen.
©er höthfte 9?ußm unb bie größte (Eh« beftanb in ber allgemeinen ilnertennung unb QDertfchät)ung.
©iefe tonnte ftch
aber jeber burch treue (Erfüllung feiner 'Pflichten unb Obliegen
heiten erringen.
'Jür bie Ceiftungen, bie über bie allgemeine
“pflichtarbeit hinauigingen, alfo ba, mo bai mirfliche ‘Berbienft um bai große ®anje beginnt, erhielten bie SDiarflten burch ben Stamm ber TBeifen Qluijeichnungen in 'Jorm öffentlicher Q3elobungen, bie ben Snhaber in vorgefchrittenerem Cebenialter jum
(Eintritt in biefen allgemein hoch verehrten Stamm berechtigten.
©ai gefamte £eben auf bem iCQari mar in feiner fo eigen
artigen ftorm nur baburch mögHch, baß ei unter bem auiföließliehen 3eichen ber Solibarität ftanb.
©er allgemeine Srunbfah,
baß bai einzelne Snbivibuum allei tun muß, mai bai ®efamt-
rooßl förbert, allei ju unterlaßen hat mai bem Slebenmenfchen
Schaben unb Schmerjen bereitet, mar hier oben fchon feit unbenflicher 3eit in bie Prafii umgefet)t. ©abei mürbe bie (Eigen
liebe, ein gefunber, berechtigter (Egoiimui, nicht vernichtet,
©er
natürliche Selbfterhaltungitrieb bei (Einzelnen mürbe burch bie
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Vumata unb Angola.
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einfache (Erlenntnit machtvoll geförbert, bafj vom QDohl unb Tüehe bei 9Wchften auch bat eigene QDohl unb cöl?e ljaben ober es müßten uns Konbenfatoren von einer Kraftentwicflung jur Verfügung ftefyen, bie wir bisljer no.fr ni.frt (jerjuftellen vermögen. Do.fr könnten wir uns aud? mit Kabia« tionen von geringerer fange begnügen, bann wäre aber bie Entfernung, auf bie wir fte mit Si.frerbeit werfen tonnten, eine ganj wefeiitli.fr bef.frränftere. 3” jebem ^alle aber w i r b es gelingen, bie nötigen Sepa rate berjuftellen. Der pfrvftker ober 2He.franiker aber, bem bics gelingen wirb, bem wirb es eine Kleinigkeit fein, feine Energie mefbobif.fr auf bie einzelnen Kricgsbäfcn ju ri.frten. in benen ftefs bie JHebrjabl ber ju einer flotte gebörenben Schiffe beifammen ift, j. 23. erft auf ben baten von San ,Francisco, in wel.frem ber größte teil ber amerikanifdvn, bann auf ben baten von Spifbeab, wo ber größte Eeil ber englifdxn, unb
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rerischem Kurs, als sein Friedensvorschlag che siegreiche Schlachten gegen den verein abgelehnt wird. Er fliegt in die USA, bombar ten Feind schlagen muß und der Welt ein Bei diert die «Wallstreet und die angrenzenden spiel gekonnter Luftkriegführung gibt, gilt Straßen, die jetzt den Zwecken des Börsen sein Hauptkampf fortan den Elementen und spiels dienen». Anschließend greift er noch der Natur. Chicago an. Schließlich waren «die meistge «Beim Studium der Karte war ihm die unge haßten Personen in den Vereinigten Staaten» heure Höhe des Mount Everest, des höchsten alle «beseitigt». Berges der Welt, aufgefallen, und da noch Der «Zar der Luft», wie er jetzt vielerorts kein Mensch den Gipfel erreicht hatte, kam genannt wird, hat damit seiner Rache Genüge ihm der Gedanke, einen neuen Rekord aufzu getan und wendet sich der Wissenschaft zu. stellen und nach der Spitze dieses Berges hin Er will den Nordpol entdecken, wozu als Fach aufzufliegen, um dort die blaue Standarte des mann der englische Professor j. A. Hadger, Luftreiches aufzupflanzen. Hier würde er je «Mitglied der königlichen Geographischen der menschlichen Gewalt unzugänglich sein Gesellschaft», gekidnappt wird, dem er unter und der ganzen Welt seine Macht in dramati wegs einen Vortrag über den Nutzen der Luft scher Weise dartun.» (S. 302) Bei immer dünner werdender Luft gelingt schiffahrt hält: «Ich glaube, ich habe Ihrem Lande einen guten Dienst erwiesen, weil ich es nicht, das Luftschiff auf die Gipfelhöhe zu ihm die Augen bezüglich der Macht der Luft bringen. In der «V-förmigen Ausbuchtung» schiffe geöffnet habe. Wenn Ihre maßgeben des höchsten Berges fährt es sich fest, reißt den Persönlichkeiten vor fünf Jahren damit auf Die Maschinen werden zertrümmert. Der begonnen hätten, gute Luftschiffe zu bauen Sauerstoff geht zu Ende, «und dann legte sich und ebenso viel Geld und Geisteskraft darauf die Ruhe des Todes auf das Schiff» ... (Was verwandt hätten wie ich, würden sie heute die freilich die ängstlicheren Leser solches Zu kunftsromans wenig tröstet, denn ihre real Luft beherrschen.» (S. 188) Am Nordpol wird «ein großer Radiumsee» existierenden Machtbesessenen würden sich gefunden: «öl)c ftanb, bort oben gefenft unb fdjräg fteil cingeftellt. S3ie ein fepwerer Stein ftürzte er jefet auö feiner -Sjöijc herunter. Pfeifenb ful;r er an ber taufenb 'Dieter tiefer fcbwebcnbcii Pfafdjiiic fcortonö vorüber, gcrabc auf bas fylaggfripff „Tfdpmg puitg" zu. 3nftinttiv begriffen bie chincfifd)cn Torpebroplanc bie ©cfapr, bie ihrem 2(bmiralfd)iff brobte. Gineu vcrbccrcnbcn .'öagcl von ©efdwffcn fanbten fie ber ftürjeuben Jlugtnafcpiuc entgegen, bafe bereu gepanzerte Schwingen nad) allen Seiten in taufenb Trümmer gingen. Pber innerhalb ber wenigen Scfunbcu, bie biefer Sturz in rei> feenber Sdjnelligfeit nur nod) bauerte, vermochten bie Wcfdjoffe bie Jallbapn beö PanzerfaprzeugS aud) nicht mepr zu änbern. Gine Sefunbe nod), unb in bonnernbem 'Jlnprall fcplug Plorpppö 9lerop!an auf baö fdjwcre Panzerbcd bei „Tfdjung pung". Ten Pruch« teil einer Sefunbe fdjien eö bort ftillzulicgen. Tarnt zudte ber harte, furz tracpcHbe Tonner ber Tpnamitcjplofion burd) bie Suft. Tas Panzerbcd brad) ein, wie bie bünnc Giöfcpidjt auf einem Tcidjc, bie Steffel barften unb eine einzige waberube Sopc fdjofe zum ¡pimntcl. Tie Wunitionöfammer bcö afiatifepen Slbmiralfdjiffed toar betoniert. 3” brei Stüde brach ber riefenhafte, fiebzigtaufenb Tonnen fdjwcre Störper beö glaggfcpiffeö auöeinanbcr ...! Tann wogte wieber bie grüne See, als ob cö eine englifefje fflug« mafd)inc unb ein feinblicpeS fflaggfdjiff niemals gegeben ijabc. — Taö Sdjidfal beö TagcS hotte fid) gewenbet. 9llS ber borgen fam, als bie Sonne ben öftlicpcn Panb beS unenblidjeu ScefpiegelS füfete, ba lag bie afiatifepe ftlottc zu gtvei Tritteln auf bem Plecreö» grunbe, wäprenb baS lefete Tritte! fdpvcr befdjäbigt nad) Sübweften entfloh. Tie cnglifdje Jlotte aber, fiegreid), bod) gleidjfaliS arg mitgenommen, febrte auf bie SKecbe von (Malle zurücf. Sängft war $ortonö SPalfüre wieber auf ein Plutterfdjiff nieber« gegangen, unb Stapitän PierrilecS fafe in ber Kabine beS SdjiffeS unb vervollftänbigte mit zitternben Ipänben feine Pufzcicpnungcn. 9lber eS waren nidpt frohe ©ebanten, niept bie ©ebanten eines glüdlidjen Siegers, bie iljn babei begleiteten. 3ene fürchterliche Scefcpiadjt hatte verpeerenb auf bie Pervcii aller
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sorge, verehrter Leser, verehrte Leserin, schnell, daß auch du Luftschiffer wirst!» (S. 23) Solche Propaganda für die Eroberung der dritten Dimension machte 190g der Ober lehrer und Fahrtenwart des niederrheinischen Vereins für Luftschiffahrt in der Anthologie «Wir Luftschiffer» (Hrsg. Dr. Bröckelmann). Damit erhielt die deutsche Vereinsmeierei starken Auftrieb. «Luftschiffahrtvereine schie ßen heut zu Tage wie Pilze aus der Erde, und Ballons fliegen an jedem schönen Sonntag zu Dutzenden in der Luft umher», ist im Ballon roman «Die Wunderblume» der Autorin C von Dornau 1911 nachzulesen. Und so mancher aufstrebende, nicht dem feudalen Stande zugehörige Vater mag im Sog der allgemeinen Hochstimmung seinem Sohn für die Soldatenzeit den gleichen Rat ge geben haben, wie ein Held in Paul Oskar Hök kers Roman «Der ungekrönte König» (1912): «Für den Ehrgeiz und für die Nerven gäb's doch auch ohne Gardekavalleristenzuschuß ein gutes Feld. - (Werde Flieger, mein Junge.) (Flieger? Wie kommst du gerade dar auf?) (Ich denke mir, es ist befriedigender und ehrenvoller, in dem Luftmeer da oben als Mann den Erfolg zu zwingen - als hier unten Unten auf der Erde und in der Wirklichkeit je als Männchen nach einem Goldfisch [gemeint ner Vorkriegszeit des deutschen Kaiserrei ist eine reiche Gattin - C. R.] zu angeln.)» Den Vaterländischen und Alldeutschen, die ches, als Utopisten, Militaristen und Imperiali sten in ihren Luftschlössern die Welt neu mit Groll sahen, daß sich des neuen Reiches verteilen, wird erst einmal das Fliegen als der offizieller Glanz nicht in allen Gesichtern des ideale Sport gepriesen: «Es gibt keinen Sport, Volkes widerspiegelte, kam die Flugbegeiste der gesünder, herzerquickender, anregender, rung gerade recht: «Wahrlich, es war an sich bildender ist, wie die Luftschiffahrt, drum schon eine große Tat, daß Graf Zeppelin in
stand, dort oben gesenkt und schräg steil ein gestellt. Wie ein schwerer Stein stürzte er jetzt aus seiner Höhe herunter. Pfeifend fuhr er an der tausend Meter tiefer schwebenden Maschine Hortons vorüber, gerade auf das Flaggschiff zu.» Der Todes flieger explodiert auf dem Panzerdeck des «asiatischen Admiralsschiffes». Das zerreißt «wie die dünne Eisschicht auf einem Teich». Die Munitionskammern detonieren. Das stra tegische Gehirn der asiatischen Flotte bricht auseinander und versinkt. «Das Schicksal des Tages hatte sieh gewen det. Als der Morgen kam, als die Sonne den östlichen Rand des unendlichen Seespiegels küßte, da lag die asiatische Flotte zu zwei Drit teln auf dem Meeresgründe, während das letzte Drittel schwer beschädigt nach Südwe sten entfloh. Die englische Flotte aber, sieg reich, doch gleichfalls arg mitgenommen, kehrte auf die Reede von Galle zurück.» (S. 283) Damit ist die «letzte Seeschlacht der Erde» erfolgreich aus der Luft für die Euro päer beendet.
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einer Zeit, die mißmutig, gedrückt und zerris sen am Boden dahinkroch, Brand und Feuer hellster Begeisterung mächtig auflodern ließ, soweit deutsche Scholle sich dehnt und deut sche Zunge klingt! Denn damals erfuhren wir erst wieder und wurden dessen wieder froh, daß Alldeutschland kein ausgebrannter, toter und zermürbter Krater ist.» Frohlockte Walter Freiherr von Rummel 1913 in «Velhagen & Kia sings Monatsheften». (S. 570) Daß die deutsche Zunge fortan nicht weiter den damals üblichen welschen Wortschatz der Luftfahrt erklingen ließ, dafür wurde amtli cherseits recht bald gesorgt. Es ging einfach nicht mehr an, daß die Eroberer des Himmels bei ihrem Tun «Undeutsches» redeten. Darum wurde 1910 unter Leitung des Rektors der Fürstenschule zu Meißen, Professor Dr. Poeschel, ein Ausschuß zur Eindeut schung des Aviatikerjargons gebildet: «Der Ausschuß befolgte den Grundsatz, daß die zu wählenden Fachausdrücke möglichst deutsch und folgerichtig sein sollen und sich an die Bezeichnungen verwandter Gebiete, beson ders der Seefahrt anzulehnen haben.» («Das Neue Universum», 32. Jg., S. 242f.) Aus dem «Aerodrom» wurde der Flugplatz; der «Aeronaut» hieß jetzt Luftfahrer, die «Aeronautik» war Luftfahrt. Eingedeutscht wurden Worte wie «Aviatik» (Flugwesen), «Dirigeable» (Kraftballon), «Hangar» (Flughalle), «Pilot» (Führer), «Propeller» (Treiber) und so weiter. Entsprechend dem Marinedeutsch hie ßen von nun an beispielsweise Drehungen des Flugzeuges um seinen Schwerpunkt:
«Rollen: Seitenneigung um die Längsachse. Stampfen: Längsneigung um die waagerechte Querachse. Schlingern: gleichzeitiges Rollen und Stampfen. Gieren: Kreisänderung um die senkrechte Achse (...)». (Victor von Franken berg, «Luftschiffahrt und Flugtechnik», 1913, S. i43ff.)
Da aber «das große Sehnen der Menschheit» die Fachleute immer wieder danach drängte, doch nach bestem Wissen und Gewissen «von der Zukunft den Schleier zu heben und einen Blick in die Zeiten zu tun, die kommen werden», unternahm ein Berliner Verlag das an sich lobenswerte Experiment, «seriöse» Ex perten zur Prognose auf ihrem Fachgebiet zu bewegen. So erschien 1909 das in der Kaiser zeit einmalige Sammelwerk: «Die Welt in hundert Jahren» (Hrsg. Arthur Brehmer) «Männer, die selbst den Keim mit gelegt ha ben zu dem, was werden wird», versuchten, wie es im Verlagsvorwort hieß, «in klarer, lo gischer, wissenschaftlich unanfechtbarer Fol gerung, das Bild zu entwerfen», wie sich im Jahre 2009 die Weltgeschichte darstelle. Un ter den internationalen Autoren waren Profes sor Cesare Lombroso, Bertha von Suttner, Eduard Bernstein, Hermann Bahr, Alexander von Gleichen-Rußwurm, aber auch der Kolo nialstratege Karl Peters («Hängepeters») und der preußische Regierungsrat Rudolf Martin mit seinem populärwissenschaftlichen Beitrag «Der Krieg in 100 Jahren». 257
¿»blieb cntberften bie Schiffe bod? über ihnen bcn tobbringenben Ileroftaten.
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Revolution von ganz oben?
Für diesen einschlägig bekannten belletristi schen Zukunftskrieger der Lüfte ist es selbst verständlich, daß auch noch im Jahre 2009 der Krieg, wenn auch in neuer Qualität, das Weltgeschehen bestimmt. Martin: «Die Krieg führung in hundert Jahren wird sich von der Kriegführung der Gegenwart weit mehr unter scheiden, als diese von der Kriegführung vor der Erfindung des Schießpulvers.» (S. 63) Neben der «Telephonie», der «Telegra phie» und «wahrscheinlich auch der drahtlo sen Übertragung von Starkstrom» sieht er als wesentlichen Umgestalter der Zukunftskrieg führung «die Motorluftschiffahrt». Diese würde «die Macht der industriellen, kapital reichen Großmächte» verstärken gegenüber armen, agrarischen Mächten. Wobei noch begünstigend die geographische Lage des jeweiligen Staatsgebildes hinzukäme: «Deutschland, welches im Zentrum des Konti nents von Europa gelegen ist, kann vermittels seiner Motorluftschiffahrt Einfluß nach allen Seiten und auf alle anderen europäischen Großmächte ausüben.» (S. 64) Damit und dank seiner größeren Bevölke rung würde dann Deutschland die britische Weltmacht überflügelt haben. «Da Rußland an Industrie, Kapital und geistiger Bildung Deutschland in hundert Jahren noch längst nicht erreicht haben wird, so wird auch Ruß land auf dem Gebiete der Motorluftschiffahrt weit hinter Deutschland zurückstehen.» (S 65) Je mehr Luftschiffe aber eine Groß macht hätte, um so stärker sei sie in Zukunft. Allerdings wäre in hundert Jahren kein Krieg
mehr «zwischen Deutschland und Frankreich oder Deutschland und England oder Deutsch land und Österreich-Ungarn» möglich, denn es gäbe eine europäische Staatengemein schaft. Kritischer läge der Fall bei Afrika: «Nur durch die massenhafte Anwendung der Mo torluftfahrzeuge kann Afrika, welches unter die verschiedenen europäischen Großmächte aufgeteilt ist, niedergehalten werden.» (S. 68) Ähnliches gelte in hundert Jahren für Indien. Die europäische Staatengemeinschaft hat sich aber verpflichtet, «bei jeder indischen Revolu tion den Engländern» mit der gesamten Luft macht zur Unterdrückung solcher Rebellion beizustehen. Zwischen den USA und Europa «bestehen die denkbar besten politischen Beziehungen» im Jahre 2009. «Der einzige wirklich bedeutende Welt krieg», so Martin, «der in hundert Jahren statt findet, ist ein Krieg der Vereinigten Staaten Europas gegen das verbündete China und Ja pan.» (S. 6g) Ursache des Krieges könne die Verstaatlichung der Luftschiffahrt in diesen Ländern und die Ausweisung der dort eigene Luftschiffhäfen und Fluglinien betreibenden Europäer sein. Eine solche Geschäftsschädi gung ist selbstverständlich für Martin der Ca sus belli. Also wird von der Staatengemein schaft auch sofort der Krieg erklärt. Als Luftschiffe gibt es in hundert Jahren riesige Vakuumluftschiffe. Davon haben die Europäer 10000 zivile und 5000 militärische, die nun alle gegen die asiatischen Profitminderer ein gesetzt werden können. 259
fchreitungen des Pöbels gegen die «Europäer vorfamen, an denen auch nachweisbar chinefifche Beamte und Soldaten nicht unbeteiligt waren,
befehle^ die tßefamtpertretung der europäifchen Regierungen die fofortige Mriegserflärung.
Durch brahtlofe Zelegrapbie wurden alle Mlotorluftfabrjeuge eurepäifcher (ßefellfchaften aus «China und Japan jurüefberufen und ihnen
der Auftrag gegeben, nach Miöglichfeit die europdifche Bevölferung nach «Europa ober Jnbien ober Sibirien jurücf jufübren.
Sofort begann die MIobiliftcrung der europäifchen Luftflotte.
Siam
bat die europäifchen Regierungen neutral bleiben ju dürfen, verfpracb aber
der Rflftung europäifdvr Mlotorluftflotten in Siam nicht entgegentreten ju wollen. Jnnerbalb von wenig Stunden wurden alle Luftfchiffhäfen rings um das chinefifche Reich von IDIadiwoftocf bis Samarfand in JSentral-
afieu und weiter bis nach Lee 3434 Mieter hoch in den Bergen des l)imalaya-ßebirge», in Kalfutta, Siam und ¡Tonfing in Hriegsjuftand gefefct Mlebr als taufend Mlotorballons waren von Sibirien, Jnbien und (Eon-
fing fchon in den erften drei Stunden nach der Mriegserflärung in das Jnnere von «China unterwegs, um den «Europäern behilflich ju fein, auf
den Mlotorluftfafyrjeugen ju entfommen und um an Benjin ober «Bas notleidende europäifebe MIotorluftfabrjeuge auf ihrer ijeimreife ju unter-
ftü^en. Don jablreicben Luftfchiffhäfen und in der Luft fahrenden Mlotorluftfahrjeugen treffen in Sibirien, in Mnam, Jnbien und ruffifcb (Eurfeftan drahtlofe Depefchen mit Nachrichten über den Startd der Dinge
ein.
Da eine Reihe non Luftfchiffhäfen in «China ftch gegen die ebineftfehen
Behörden und den Pöbel verteidigen, fo mufj ihnen von den erften ver fügbaren Streitfräften der Luftflotten junächft tylfe gebracht werben. Die
erften großen Luftgefchwaber, welche UMabiwoftof, banoi in Mnam, Malhitta verlaffen, bringen gleich tief in bas Jnnere von «China ein.
Jn «Er
wartung ber fommenben «Ereigniffe batte bic englifche Regierung ebenfo
wie bie internationalen Luftlinien Dorforge getroffen, bat? eine unge wöhnlich ftarfe iuftmacht in Lafar, ber fyruptftabt ¡Tibets, fonjentriert war.
Jnfonberbeit waren auch bie Luftfchiffhäfen an ber Norbgrenjc
(Tibets mit gut ausgerüfteten Riefenluftfchiffen verfeben.
- .
260
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Tlnmarfcb bet inftfTctte im 3-ibre 2010.
Die fntfcheibuitg in einem fold'en Kriege liegt nid’t bet ben 2llu miniumluftfcbiffen ober yallonetluftfd’iffen. rie liegt and’ nid’t bei ben Drachenfliegern. Pie Sd’lad’tluftflotte ber eifjt jerronnen; Denn ÄaiferwiKe bleibt furje Straft,
Unb QJölter ftnfen wie Gönnen. Gin Sau«, ein QBeib von treuem Ginn —
Silf Serr, bafj icb’« erringe. Dann bätt’ icb 9^eicb unb bie Bonne Die niemal« unterginge.
[barin
Gmil Gcboenaicb-Garolatb-
319
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man behauptet, daß in jener Zeitepoche keine Schlacht zwischen christlichen Völkern ge schlagen worden ist, an der nicht auch deut sehe Landsknechte beteiligt gewesen sind.» (S. ?f.) Das Schlimme der Geschichte sei nur, daß solches Deutschtum immer den anderen die Kartoffeln aus dem Feuer geholt und mit sei nem Blut den Boden fremder Nationen ge düngt habe. Die Voraussetzung zum Anders werden hätte aber endlich ein Preuße ge schaffen. «Wie hat sich das in Theorien aufgehende Geschlecht der Mitte des 19 Jahr hunderts gegen die Eisenfaust Bismarcks ge sträubt (...) und immer hat der Gewaltige mit einem spöttischen Achselzucken den ganzen Phrasenwust abgeschüttelt, hat ingrimmig ge lacht über dieses kleinliche Volk der Besser wisser und mit unerschütterlicher Ruhe das Volk seinem Willen gebeugt.» (S. 11) Dieser Mann hätte doch noch zuschlagen und «Europa vor die vollendete Tatsache» stellen können. Schon heute wäre auszurechnen, was pas siere, wenn das Reich «die günstige Stunde der notwendigen Auseinandersetzung ver säumt»: «Dann werden wir heulend auf unsern Schätzen verhungern können, dann wird uns der britische Oberadmiral seinen Willen diktieren können, dann wird die schim mernde Rüstung uns nicht vor dem Todesstoß zu retten vermögen, dann wehe uns Deut schen » (S. 32) Es gälte jetzt mit aller Härte das «größere Deutschland» zu schaffen. Dem stehe nur 320
eins im Wege: «Unsere sozialistisch geführte Arbeiterschaft hat auch nicht das geringste Verständnis für nationale Notwendigkeit » (S 41) Aber die «Auseinandersetzung mit Eng land wird kommen»: «Der Weltkrieg muß kommen, weichen wir ihm aus, so begehen wir Selbstmord.» (S. 52) Natürlich würde die kommende Kriegszeit ihren Tribut vom Deutschtum fordern: «Die Erde wird erzittern unter dem Donner der Ge schütze, die Fluren werden zertreten werden von den Hufen unzähliger Rosse, in den Lüf ten werden wir kämpfen müssen und die Wo gen des Meeres werden sich färben vom Blute der Menschen. Es wird ein Ringen sein, fürchterlicher als einst auf den katalaunischen Gefilden, wo die Hunnenwut zerbrach am deutschen Schwerte. Seien wir keine Mem men, seien wir Söhne der alten Helden » (S. 52) Dann erst - verspricht der Weltbrandstif ter - gibt es die große Belohnung. Denn «wie der Phönix aus der Asche» werde «das neue große Deutsche Reich» erstehen, «dem große, gewaltige Kolonialreiche gehören wer den». «Weg mit dem Friedensgefasel, weg mit Verbrüderungsfesten, es ist keine Zeit mehr, Feste zu feiern. Gürte das Schwert, rü ste zum Krieg, und dann: Frisch auf in Gottes Namen, du weite, deutsche Nation.» (S. 53) Als Kriegsbrandstifter in Permanenz betä tigte sich ebenfalls der 1891 gegründete «All deutsche Verband». Für diese größenwahn sinnige völkische Vereinigung war, spätestens nach dem «Verlust» im «Marokkosommer»
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1911, Kaiser Wilhelm II. nicht mehr der «Füh rer» zur großdeutschen Macht und Herrlich keit. Deshalb setzte sie alle Hoffnung auf den Kronprinzen als den «Kaiser der Zukunft». Dr. Paul Liman schrieb diesem auf 300 Seiten unter dem Titel «Der Kronprinz, Gedanken über Deutschlands Zukunft» seine künftigen imperialen Pflichten vor und forderte den tat kräftigen Herrscher als Nachkomme eines mehr wortgewaltigen Vaters. Wie der Oberste der Alldeutschen aller dings handeln würde, wäre er selber der Machthaber, das verkündete Heinrich Claß unter dem Decknamen D. Frymann 1912 in sei nem Buch «Wenn ich der Kaiser wär'». Denn, so Claß, es sei «ein starker Führer nötig»: «Zudem, ihr Zaghaften, spielt nicht die jü disch-sozialistische Propaganda jahraus jahr ein mit dem Gedanken der Revolution, die für alle Zeit das deutsche Volk vernichten müßte, wenn sie gelänge.» (S. 55) Daher weg mit der «widerlichen Verhimmlung des Frie dens»: «Wer nun sein Volk liebt und die Krisis der jetzigen Krankheit beschleunigen möchte, wird den Krieg herbeisehnen als den Erwekker aller guten, gesunden, starken Kräfte im Volke.» (S. 53) Selbst eine mögliche Nieder lage schreckt Claß nicht, denn «ein Volk von über 65 Millionen» könne «nicht niederge kämpft werden». Logische Schlußfolgerung, «es würde sich also nur um ein vorüberge hendes Unglück handeln». Das entstandene «Chaos» bei den Besiegten könne dann aller dings «nur durch den machtvollen Willen
321
52 SB i r
roiffen
heute,
bie SluSeinanbcrfcgung
mit
(E n g I a n b roirb f omnun.
Da« Deutfchtum (lebt vor feinem Srifienjfampf. finnt auf unfer ©erberben.
Der ®rite
3m Dften unb Süboften markiert
ba« Slawentum, im ÜBeften fammeln bie SRomanen ihre Streits
fräfte, auf unfern SReeren liegt ßnglanb« Sfrmaba. S« roirb ein .Krieg fommen, roie it>n bie (Erbe noch nicht
gcfeben fjat.
Sluch ber legte beutfefu üRann roirb ju ben Üßaffen
greifen müffen, roir roerben alle« opfern müffen, @ut unb 93lut,
beim alle« (lebt auf bem Spiele.
Der ffleltfrieg muß fommen
weichen roir ihm au«, fo begeben roir Selbflmorb. SBir haben ben Krieg nicht gefugt, roir finb ihm au« bem SBege gegangen, roir haben Demütigung auf Demütigung erfahren,
Jjeute aber
roir haben mehr gelitten, al« je ein ®olf ber (Erbe.
roiffen roir, baß man un« ben £eben«atem nicht gönnt, baß man un«
roie
einft in ben Xagen griet>rici>« be« ©roßen jerftücfeln
möchte.
Die (Erbe roirb erbittern unter bem Donner ber ©efebüge, bie
Jliiren roerben jertreten roerben von ben Jjufen unjähliger Stoffe,
in ben Säften roerben roir fämpfen müffen unb bie SBogen be« SReere« roerben fieg färben vom 23lute ber SDienfchen. (E« roirb ein Bringen fein, fürchterlicher al« einft auf ben fatalaunifcben ©efilben, roo bie $unnenrout jerbrach am beutfegen
Schwerte.
Seien roir feine SWemmen, feien roir Söhne ber alten gelben.
Unverroüfilich ift unfer ißolf, e« bat bie Scbrecfen be« 30jährigen Kriege« überfianben unb furj barauf bie preußifche ©roßmacht entfleben taffen, e« ift trog be« unaufhörlichen Slberlaffe« geroachfen jur heutigen ©röße.
©tauben roir an unfer ®olf!
Sin ba« löolf Suther«, ©oetge«,
Körner« unb ®i«marcf«, ba« ber SBelt bie 3«’b« *
bat, bie Freiheit bei ©tauben« unb be« SBiffen«.
roiebergegeben
Blebmt ber ffielt
ben beutfehen 3beali«mu«, unb bie Unfultur feiert Iriumphe!
322
— 53 — S« ift unfer ?o«, büß wir bluten müffen, tt>t wir unfere
Jiele erreicht haben.
Aber trog allebem ftnb wir vorwärt«
fommen, wir werben auch bie legte große ’Probe befielen.
Darren wir emften ÜRute« ber großen Stunbe, baß fie ein
großem ©efcbledjt vorfinbe. Der SBeltenbranb
wirb
fommen, fo
SRorgen auf ben finfenben Xag.
ficher wie ber junge
Allüberall werben bie glommen
emporfchlagen, werben jerftören, wa« tnorfch ift unb unnatürlich, werben uni viel Slut, viel Xränen Poften, aber auf ben Zrümmern
biefe« 2Be!tenbranbe« wirb erftehen, wie ber 'Phönix au« ber Afcfie, ba« neue große Deutfch« SReich, ba« in feinen Sann jwingen wirb, wa« beutfeh ift, bem große, gewaltige Äolonialreich« gehören werben, ^Reiche mit jungen beutfehen Söffern.
Dann erft wirb ber grieben gefiebert fein, bann erft werben bie Angelfachfen aufhören, unfere lobfeinbe ju fein.
Die weiße
SRaffe hat noch große Aufgaben ju erfüllen, vergeffen wir ba« nicht.
Seien wir aufrichtig, fehbg iPcmblkr groUrtuJ eub Hiwunmen Bibmankntrbtfiri' aUffumniririinmitni' Riduin' Dd'aukal
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tungsnummer, daß er der türkischen Herr schaft in seinem Lande den Untergang pro phezeite: «Ein atheistischer Wesir, nach den Grundsätzen der Ungläubigen lebend, ein von Gott verfluchter, wird das Vaterland verder ben und das Ende des Osmanischen Reiches herbeiführen. Die ganze islamische Welt wird sich erheben, um diesem Manne zu fluchen, den Allah gesendet hat, um die Gläubigen zu strafen für ihre Toleranz gegen jene Renega ten [gemeint sind die Jungtürken - C. R.J, die sich gegen den Islam verschworen haben und schlimmer hausen als die Ungläubigen.» (S. 239) Im Oktober 1912 druckte das Organ einen Artikel aus dem «Bochumer Anzeiger» nach, die Prognose eines japanischen Majors. Die ses Mitglied seines Generalstabes habe für 1913 den großen Krieg angekündigt. Sieger seien die Deutschen, Italien allerdings würde seine Dreibundverpflichtung nicht erfüllen. «England, Dänemark und Belgien werden Frankreich mit allen Kräften beistehen, und Rußland wird eine Haltung einnehmen, durch die ein großer Teil der deutschen Truppen an der Ostgrenze solange festgehalten wird, bis entscheidende deutsche Erfolge die Russen zur gänzlichen Neutralität veranlassen. Die kühl berechnenden Holländer dürften sich wahrscheinlich an Deutschland anschließen, um ihre Existenz zu wahren.» (S. 334) Als treuer Bundesgenosse werde sich Österreich bewähren, die italienische Flotte versenken und zu Lande die Italiener «in den Sümpfen der Poniederung» besiegen.
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«Graf Zeppelin aber, der den Japanern ge waltig imponiert, wird mit seinem Geschwa der von sechs Luftkreuzern nicht nur die englischen Dreadnoughts [Schlachtschiffe C. R.] mit feurigen Bomben überschütten, sondern auch die britischen Häfen und Mari neanlagen in Verwirrung halten » (S. 334) Lediglich zur Weihnachtszeit 1912 schlugen die Geister aus dem Jenseits friedlichere Töne an und ließen die Deutschen hoffen. Das «be liebte» Medium, «die Gräfin Adelma von Vay», übermittelte die frohe Botschaft: «Deutschland steht unter Gottes Schutz. Es ist das Land des Evangeliums, der reinen Christuskirche. Es hat viel geistige Kraft. Kaiser Wilhelm, der treue Evangelische, steht unter Christi Schutz; er wird in keinen Krieg verwikkelt, er bleibt gesund und soll ein hohes Alter erreichen (...) Das evangelische große Deut sehe Reich unter seinem treuen, weisen Kai ser Wilhelm II. wird gedeihen und wach sen. - Amen.» (S. 414)
Was keiner der Seher zu prophezeien ver mochte, das wußte ein Sehender. «Das Men schenschlachthaus» mit dem Untertitel «Bil der vom kommenden Krieg» ist die erste deutsche Antikriegsutopie. Ihr Verfasser war kein eingeschriebener Schöngeist der Nation, kein aufgeschreckter Bewohner ihrer elfen beinernen Türme, sondern der einunddreißig jährige Hamburger Volksschullehrer und So zialdemokrat Wilhelm Lamszus (1881-1965)
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Willi Bredel erinnerte 1955: «Es gehörte Mut dazu, als junger Volksschullehrer im Kai serreich sich gegen den Ungeist des Militaris mus und das Verbrechen des drohenden Krie ges aufzulehnen: von einem Lehrer wurde verlangt, daß er die Jugend in soldatischem Geist und zur Untertanentreue gegenüber Kai ser und Vaterland erzöge.» («Neue Deutsche Literatur», H. 9, S. 150) Lamszus' Buch aber ist das pure Entsetzen über die militanten Verheißungen. Es war das gequälte Aufstöhnen vor dem Völkermorden. Es wurde zum Alptraum der noch lebenden Toten des kommenden Krieges. Keiner der Berichte aus dem ersten Weltkrieg kann an brutaler Realität diese vorweggenommene Wirklichkeit übertreffen. Ein solcher letzter Appell an den Selbsterhaltungstrieb hat keine Zeit mehr für Analyse, für Hintergründe und Ursachen der Menschheitstragödie Dieser
Alarmschrei ist auch keine tragische «Weise von Liebe und Tod» eines Rilkeschen Cornets. Lamszus meldet an das Inferno der Ma terialschlacht, die Metzelei der Mordmaschi nen und jenes Stahlgewitter, welches das Himmelblau für immer verdunkelt. In zehn Impressionen steigert Lamszus den kommenden Krieg zur Expression des Wahn sinns. Überschrieben ist die erste mit «Mobil machung»: «Der Krieg ist da! so läuft es eilend mit verstörten Augen durch die Stra ßen. Wir haben Krieg! Es geht nun los!» (S. 7) In Ich Form erzählt der Autor aus der Sicht eines kleinen Hamburger Kontoristen mit Frau und zwei Kindern. Durch dessen verstörte Augen läßt er den Leser in die Schwertzeit blicken: «anblung einet beutffen 3rürftin: 9lus bem Rörper oon in Rarlsruijer fiajaretten untergebraften beutffen ^errounbeten entfernte Seffoffe unb Sranatfplitter, bie bie (Srofferjogin oon ®aben tjat in Solb faffen unb ben Solboten 3um itnbenfen Überreifen laffen. 3ufünftt0 Jollen aud) all * anberen Berrounbeten, bie fid) in AarUrutyer üajaretten befinben, in flfeicfjer SOeifc non bet (Srohtjenoflin bcbatbt werben.
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JTlax Meinridiha
strierte Kurt Aram im Januar 1913 in der «Wo che» (Nr. 2): «Wer viel herumkommt im Lande und zu den verschiedensten Kreisen Beziehungen unterhält, der weiß von der auf fälligen Tatsache zu erzählen, wie die Über zeugung immer mehr um sich greift, daß Deutschland einer Entscheidungsstunde wie der einmal nicht allzu fern sei.» (S. 45) Daß in solcher Stunde eine neue völkische Moral zum Einsatz kommt, darüber belehrte Professor Dr. W. Rein die Leser der «Woche» in Nr. 6: «Als Glied der Familie, als Bürger, als Beamter, als Freund unterwirft der einzelne Gesinnung und Tun moralischen Grundsät zen. Aber wenn seine Gedanken, seine Hoff nungen, seine Wünsche dem größeren Deutschland sich zuwenden, dann verschwin den die sittlichen Mächte im Hintergrund des Bewußtseins, und andere Gesichtspunkte neh men den Vordergrund ein: Forderungen des Machtzuwachses der Rücksichtslosigkeit, der Durchsetzung nationalen Machtbereichs.» (S. 214) Den Nutzen solcher doppelten Moral für die Volksbildung ließ der «Oberlausitzer Hei matkalender auf das Jahr des Herrn 1913» von einem «alten Kriegsveteran» begründen: «Der Krieg lehrt nicht nur beten, er begeistert uns für Ideale und läßt uns ein fremdes Land mit seinen anderen Sitten und Kulturfolgen ken nen lernen. Kein Volk zieht soviel Vorteil und Gewinn aus einem Kriege als das Deutsche, das den Gelehrten- wie den Arbeiterstand gleichmäßig unter die Waffen ruft und da durch befähigt ist, Beobachtungen im Fein-
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WO Jahre deutfthe Zuhunft Preis J mh.
Dprlaa oon Dogel K. Dogel,. _ , » Leißilfl
desland zu machen, die wir in der Heimat ver werten können.»
Einer jener kaisertreuen schreibenden Utopi sten begnügte sich anno 1913 nicht damit, die gerade anstehenden Gedenktage in der Zu kunft zu feiern. Er versetzte sich und seine Le ser in das Jahr 2021 Max Heinrichka progno stizierte «100 Jahre deutsche Zukunft». Unter titel «Ein kurzer phantastisch-historischer Rückblick aus dem Jahre 2021, dem Jahr der 150. Wiederkehr der Gründung des Deut schen Reiches.» Die utopische Jubiläumsrech nerei des Autors ist etwas kompliziert. Um jede unmittelbare Kritik an der deutschen Ge genwart des Jahres 1913 zu umgehen, läßt er seinen fiktiven Erzähler aus dem 3. Jahrtau send die Reichsgeschichte von 1921 an (50. Ju-
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biläum des Kaiserreiches) unter dem Blickwin kel einer hundertjährigen Vergangenheit be trachten. Als Motto stellt der Autor den gereimten Satz über sein weitreichendes Phantasiepro dukt: «Hundert Jahr' auf Adlerschwingen sol len Deutschland vorwärts bringen!» Rückblikkend auf das Jahr 1921 (das der Leser des Jahres 1913 natürlich auch nicht kennen konnte), konstatiert der zukünftige Erzähler, daß zwar damals «eine technische Umwäl zung nach der andern vor sich ging, eine her vorragende Erfindung oder Entdeckung die andere ablöste». Solcher Fortschritt hätte aber nicht «von den Zeitgenossen innerlich so ver arbeitet werden» können, «um auf Gemüt und Verstand tief einzuwirken»: «Es war im allge meinen eine materialistisch gesinnte Zeit, eine Zeit voll Heuchelei und Selbstüberhe bung, voll Not und Elend, aber auch voll Protzenhaftigkeit.» (S. 11) Innenpolitisch mußte selbstverständlich zur Überwindung solcher «Selbstüberhebung» erst einmal die Ideologie der deutschen Arbei terbewegung revidiert werden. Das tat dann ein gewisser «Volking», der (von der SPD ab gefallen) eine neue Partei gründete. Deren Parteigenossen «hatten eine neue Lehre auf gestellt, die, an bestehende soziale Einrichtun gen im Deutschen Reich anknüpfend, diese nur vereinfachen, verbessern und erweitern wollte». (S. 20) Jener einst von den «Sozis» angepriesene «Zukunftsstaat» wäre nämlich nur ein Phantom gewesen: «Die unnötige Kompliziertheit sei in
Deutschland in so vielen Einrichtungen zu Hause, vom Schulwesen angefangen und beim Justizapparat aufhörend! Diese Kompli ziertheit werde aber im sozialdemokratischen Zukunftsstaat noch viel größer sein, da alles, Essen, Trinken, Schlafen, Arbeiten, Müßigge hen, dort von oben herab geregelt und kon trolliert werden müsse, wenn, wie beabsich tigt, auch nur ein Phantom von Gleichheit herrschen sollte. Schon deshalb sei der sozial demokratische Zukunftsstaat ein totgeborenes Kind, eine Mißgestalt von einem Staate, denn ein solch weitgehender Zwang sei widernatür lich.» (S. 20f.) Nachdem solches «widernatürliche» Zu kunftsdenken liquidiert ward, konnte die Neu ordnung des Reiches im europäischen Maß stab in Angriff genommen werden. Dazu schließen Deutschland und Holland ein «Schutz- und Trutzbündnis». England sieht das nicht gerne und fordert die Niederlande auf, vom Bündnis zurückzutreten. Solche drei ste Einmischung in seine Weltmachtpolitik konnte nun wiederum das Reich nicht hinneh men: «Das Prestige Deutschlands in der gan zen Welt gebot den folgenschweren Schritt der Kriegserklärung.» (S. 28) Das ist die Stunde der endlich hochgerüste ten kaiserlichen Flotte. Geführt «durch Luft schiffe und Luftpiloten», kann sie an der engli schen Küste ein grandioses Landungsunter nehmen durchführen: «So wurde durch das Verdienst der deutschen Marine und deut scher Landtruppen ein Sieg über England errungen, der die Bahn für deutsche Welt-
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X.
Deutschland im Jahre 2021 Das Deutschland im Jahre 2021 ist grundverschie den von dem Deutschland, wie es im Jahre 1921 und vorher bestand. Zunächst in seiner Verfassung, wie sie in den Grundzügen im vorigen Abschnitt geschildert ist und wie sie noch jetzt besteht. Deutschland ist Ein heitsstaat, mit einem Monarchen, dem deutschen Kai ser, an der Spitze, während es im Jahre 1921 ein aus 26 Bundesstaaten bestehendes Staatengebilde war und 22 Monarchen hatte. Deutschland hat sich territo rial, zu einem Groß-Deutschland umgestaltet; es reicht jetzt von der Nordsee bis zur Adria; im Westen hat es Holland hinzugewonnen. Es hat blühende Ko lonien, die in Afrika, Ostindien und Amerika liegen. Deutschland hat jetzt schon lange das parlamentari sche Regierungssystem, von dem im Jahre 1921 noch nicht einmal ein Ansatz vorhanden war. Dieses hat bewirkt, daß die tüchtigsten Männer aus der Verbor genheit an das Tageslicht kamen, so daß man auf sie aufmerksam wurde und ihnen hervorragende Ämter zum Vorteil und Segen des Reiches anvertrauen konnte. Diese Männer ließen sich unter dem parlamentari schen Regierungssystem einfach in den Reichstag wäh len, weil nunmehr die parlamentarische Laufbahn Aus sichten auf gutes Fortkommen bot. Im Jahre 1921 und lange noch danach, als in Deutschland nur Männer mit einem Examen-Patent, vielleicht auch noch mit einem Renommier-Schmiß oder mit dem Doktor-Titel, Aus sicht hatten, als höherer Beamter angestellt zu wer den und mehr oder weniger langsam die bureaukratischen Stufenleiter durch Beförderung emporsteigen, waren es gerade sehr oft die mittelmäßigsten Köpfe, die emporstiegen und die schließlich in ihren prak5
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herrschaft freimachte. (...) England wurden schwere Friedensbedingungen auferlegt. Es mußte an Deutschland, Österreich und Hol land 12 Milliarden Mark als Kriegsentschädi gung zahlen, seine nordamerikanische Kolo nie Kanada an Deutschland abtreten und außerdem darein willigen, daß 10 Jahre lang zwei deutsche Armeekorps auf seine Kosten in England ständig verbleiben.» (S. 32t) Mit dieser Niederlage der Briten war das Reich zwar Weltmacht, aber noch nicht «Groß-Deutschland». Dazu brauchte es (wie Preußen 1866 zur Erlangung seiner Oberherr schaft) den Krieg gegen Österreich. Anlaß bot dortzulande ein Thronfolgestreit sowie der wachsende Panslawismus im Habsburger Vielvölkerstaat: «Die Kriegsoperationen dau erten für Deutschland nur wenige Wochen und die Friedensverhandlungen begannen.» (S. 55) Jetzt erst sei das ersehnte Glück des Reichs bürgers zuverlässig gesichert gewesen: «Deutschland hat sich territorial zu einem Groß-Deutschland umgestaltet; es hat blü hende Kolonien, die in Afrika, Ostindien und Amerika liegen.» (S. 65) An der Spitze des «Einheitsstaates» steht der deutsche Kaiser: «Es gibt nur noch die konservative und die li berale Partei, sowie zwei kleinere Parteien als politische Parteien in Deutschland; alle politi schen Entschließungen sind deshalb in ihrer Behandlung einfacher geworden, was nicht zuletzt der Sachlichkeit zugute gekommen ist » (S 67) Damit gibt es für die «200 Millionen» Groß
deutscher keinen Anlaß mehr, unzufrieden zu sein: «Auch der Wohlhabendste widmet sich jetzt wenigstens einer Tätigkeit im Dienste des Gemeinwohls.» (S. 67) Jeder Deutsche kann nun auch durch verbesserte Bildungs möglichkeiten «wahre Kunst von falscher Kunst und wahres innerliches Vergnügen von äußerlichem Jux» unterscheiden. «Alles in al lem: im 21. Jahrhundert sind wir an innerem Behagen, an innerem Genießen reicher ge worden, als es die Kinder der Zeit von 1921 waren, die nur ein Leben voll Hast und voll äußerem Genuß führten.» (S. 68) Mit dieser wohltuenden Verheißung endete die für eine Mark käufliche Utopie, welche 1913 dem Leser besagte, daß nur der Krieg der Vater des deutschen Wohlbehagens sein könne.
Im Laufe der ideologischen Kriegsvorberei tung wurde es etlichen reichstreuen Utopisten zur Gewißheit, daß die ersehnte Neuvertei lung der Erde im kommenden Weltkrieg vor erst nicht gegen das britische Weltreich sieg reich zu erkämpfen war. Deshalb spielte im Jubiläums- und letzten Friedensjahr des deut schen Kaiserreiches ein (sich auch wieder hin ter drei Sternen tarnender) anonymer Autor die Variante durch, die ein Bündnis mit Eng land den Deutschen bringen könne. «Krieg-mobil! 19..» ist der knappe Titel eines 1913 veröffentlichten Zukunftskriegsro mans. In allerletzter Stunde vor dem anste henden Weltbrand versuchte der Autor, Aus345
68 Die großartigen Entdeckungen und Erfindungen haben zwar in unserer Zeit etwas abgenommen; darin war die Zeit um 1921 größer und reicher. Dafür hat aber das Kulturleben an Innerlichkeit gewonnen, weil wir im 21. Jahrhundert an die technischen Fortschritte des 19. und 20. Jahrhunderts uns schon längst gewöhnt haben, das innere Wesen aller technischen Vorgänge dafür aber weit besser ergründen und den inneren wert aller Dinge weit mehr schätzen, als die Menschen in der Zeit von 1921, da alles noch zu neu war und die rasche Entwickelung auf allen Kulturgebieten auch zu raschem Genießen und hastigem Leben führte. Alles in allem: im 21. Jahrhundert sind wir an innerem Behagen, an innerem Genießen reicher geworden, als es die Kinder der Zeit von 1921 waren, die nur ein Leben voll Hast und voll äußerem Genuß führten.
Inhaltsverzeichnis ------------
Vorwort .................................................................................... I Die Zeit vor 100 Jahren (1912 und vorhergehende Jahre) II. Die europäische Lage vor 100 Jahren und die Stellung Deutschlands; die Überwindung der Sozialdemokratie in Deutschland.................................................................... III. Der AnlaD eines bevorstehenden Deutsch - Englischen Krieges............................................................................... IV. Der Deutsch-Englische Krieg und die Friedensbeding ungen; die Ergebnisse des Krieges .......................... V. Die dem Deutsch-Englischen Kriege folgenden Jahre für Deutschland; Zusammenbruch der Zentrumspartei . VI. Eine innere Krisis in Deutschland; Verfassungsänderung VII. Zuspitzung der inneren und auswärtigen Lage Deutsch lands; Konflikt mit Oesterreich............................... VIII. Der Krieg Deutschlands mit Oesterreich, die Friedens verhandlungen und Gründung Groß-Deutschlands IX. Nach dem Deutsch-Oesterreichischen Kriege; eine neue deutsche Verfassung.................................................... X. Deutschland im Jahre 2021 ..............................
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Weltbrandstiftung!
gangspositionen des nahen Schlachtfeldes strategisch den realen europäischen Macht verhältnissen anzupassen. Ebenso wie das monopol kapitalistische Wirtschaftsgefüge zu konzertierten Aktionen zwang, so sollten sich auch die europäischen Staaten zusammenrau fen, um dann als monolither Machtblock den Rest der Welt ausbeuten zu können. Unter solchem Aspekt erschien es schlauen Utopisten sinnvoll, nicht mehr weiter den Haß der Deutschen gegen germanische Engländer zu schüren, sondern die patriotische Verbitte rung gegen die Slawen im Osten auszurich ten. Deshalb beginnt der Zukunftsroman auch ganz harmlos auf einem ostpreußischen Rit tergut. Da ist der Majoratsherr Hans von Kar dorff und Rittmeister außer Dienst («blond, groß und breit, ein Hüne, echt ostpreußischer Schlag») gerade bei der Pferdebesichtigung und erfährt zu seiner Bestürzung, daß sein zwölf Jahre jüngerer Bruder Egon und aktiver Oberleutnant sich mit Komtesse Arnswald, der Tochter des Gutsherrn auf der Nachbar klitsche, verlobt hat. Der Majoratsherr war nämlich selbst in die hübsche Komtesse verliebt, hatte sich aber nicht getraut, wenn «sie abends zusammen auf den Bock gelauert» hatten, «das glühende Leben» einfach an sich zu reißen. «Nun kam der Ulanenleutnant, schlank, ohne Skrupel, la chend und nahm sie ihm weg.» (S. 7) Enttäuscht vom leben, setzt der ältere Bru der sich in die Eisenbahn, um in Berlin Ab stand von seiner großen Liebe zu gewinnen.
Im Zug erfährt er aus Extrablättern die sensa tionelle Neuigkeit: «Bündnis zwischen Eng land und Deutschland.» Die «Vernunft» hatte also gesiegt, und aus der Pressemeldung geht hervor, daß die Engländer nichts mehr gegen die deutsche Flottennachrüstung haben. Der Staatssekretär des Äußeren habe in London erklärt: «Je mehr Schiffe Deutschland baut, je besser für uns; denn sollten unsere ruhmbe deckte Flotte und die Schiffe Seiner Majestät des Kaisers die Kriegswimpel hissen, dann fahren sie zusammen.» (S. 10) Die Briten seien realistische «Handelsleute»: «Deutschland ist unser bester Kunde. Darum sind wir an seiner Größe interessiert.» (S. 11) In Berlin angekommen, melden neue Ex trablätter, daß ein Sonderkurier des Zaren zum Kaiser unterwegs sei. Der Krautjunker aus Ostpreußen wird am nächsten Tag von einem Bekannten in die Reichstagssitzung mit genommen. Dort agitiert (als unabdingbarer Bestandteil jeder Kriegsutopie) «einer der ra dikalen, unentwegten sozialdemokratischen Abgeordneten». Der begrüßt zwar das Bünd nis mit England, hofft aber, daß nun endlich «mit der Abrüstung der Anfang gemacht wird». «Was braucht Deutschland jetzt noch kostspielige Schiffe? Aber gewiß, die Panzerund Kohlenbarone müssen Aufträge bekom men.» (S. 14) Deshalb feiere man wohl 1813. Damals hätte das Volk auch sein Gold für Eisen, für «eiserne Ketten» letztlich gegeben. Pfuirufe ertönen Und als der Reichskanzler die Rede für eine wichtige Mitteilung unter brechen will, kann der «Radikale» nur «unter
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