Kaiserin Maria Theresias politisches Testament
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KAISERIN MARIA THERESIAS POLITISCHES TESTAMENT

KAISERIN

MARIA THERESIAS POLITISCHES TESTAMENT

Herausgegeben und eingeleitet von

JOSEF

KALLBRUNNER

Mit einem spraehkundlichen Nachwort von

CLEMENS

V E R L A G V O N R.

BIENER

OLDENBOURG

M Ü N C H E N 1952

Copyright by Verlag für Geschichte und Politik Wien 1952

Einhandentwurt von Lotte Reichert-Nigrin Druck R. Spies & Co., Wien

EINLEITUNG Die zwei Denkschriften, deren Ausgabe hier vorgelegt wird, wurden vom berühmten Biographen Maria Theresias, Alfred v. A r n e t h, Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs und Präsident der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, in dem von ihm geleiteten Archiv gefunden und 1871 im 47. Band des Archivs für österreichische Geschichte abgedruckt. Angesichts dieser Tatsache ist es wohl geboten, die vorliegende Neuausgabe desselben Textes zu begründen. Abgesehen davon, daß diese menschlich so ergreifenden und geschichtlich so erhebenden Dokumente eine Sonderausgabe verdienen, die vielleicht doch eine stärkere und breitere Wirkung hat als der Abdruck in einer nur der gelehrten Forschung geläufigen Fachzeitschrift, war in der Zeit Arneths die Genesis und die kaum zu überschätzende Bedeutung der großen Staatsreform von 1749 noch längst nicht in dem Grade erforscht wie heute. Hier hat erst die neuere Forschung das Entscheidende geleistet. Ohne eine darüber orientierende Einleitung sind große Teile der Denkschriften kaum verständlich. Die Bezeichnung dieser Denkschriften als „Politisches Testament" läßt sich leicht begründen. Nennt doch die Kaiserin selbst die erste der beiden „Aus mütterlicher Wohlmeinung zu besonderm Nutzen meiner Posterität verfasste Instructionspuncta". In der zweiten aber, die sie nach ihren Worten in der gleichen Absicht aufzeichnen ließ, befiehlt sie ausdrücklich die Eröffnung erst nach ihrem Tode. Der moderne mitteleuropäische Mensch ist als Bürger des neuzeitlichen Staates durchaus gewohnt und gewillt, dessen Hoheit in der Verwaltung und Rechtssprechung in ihrer ihm organisch erwachsen scheinenden, durchgängigen Gliederung 5

als etwas Selbstverständliches anzusehen. Die Organisation der Finanzverwaltung etwa in ihrer aufsteigenden Einteilung vom kleinsten Zoll- oder Steueramt über die Bezirks- und Landesfinanzämter bis hinauf zur zentralen Instanz des Finanzministeriums oder der Rechtssprechung vom Bezirksüber das Kreisgericht bis zum Obersten Gerichtshof und den ihm gleichgegliederten Spezialgerichten ist unserem Denken eine durchaus geläufige Sache. Das gleiche gilt auch von der politischen Verwaltung. Gliedert sich in diesen fein durchgebildeten Apparat noch der Wirkungskreis eines autonomen Gebildes, etwa einer Gemeinde und ihres Magistrates ein, so sprechen wir von einer Funktion im übertragenen, das will sagen, von einem von der staatlichen Gewalt im engeren Sinne an sie abgegebenen Wirkungskreis. Das alles erscheint uns so klar, so logisch eingängig und organisch erwachsen, daß wir schier vergessen haben, daß es bis zu einer verhältnismäßig nicht weit zurückliegenden Zeit — wir in Österreich können sagen bis 1749 und mehr noch bis 1848 — ganz anders war. Denn bis dahin erhielt sich die aus dem Mittelalter überkommene Struktur des Staates, dessen breiter Unterbau aus einer großen Zahl von Selbstverwaltungskörpern — man denke an die patrimonialen Grundherrschaften mit den von ihnen beherrschten bäuerlichen Untertansverbänden, an die Magistrate in den Städten, an die Zünfte — bestand. Diese waren in ihrem Rahmen mit dem größten Teil der heute dem Staat vorbehaltenen Hoheitsrechte richterlicher, polizeilicher, finanzieller und administrativer Art ausgestattet. Neben und über diesen autonomen Trägern öffentlich-rechtlicher Gewalt stand eine zentrale Staatsgewalt, die im Landesfürsten und seinen an den Hof gebundenen Kanzleien verkörpert wurde. Der Landesfürst und sein Hof repräsentierten den Staat nach außen, sie sorgten für die Sicherheit der Grenzen des Staates mit militärischen Mitteln und hatten die Aufrechterhaltung von Recht und Frieden im Innern durch Ausübung oberster richterlicher Gewalt zu gewährleisten. Die materiellen Mittel zur Ausübung dieser Funktion flössen dem Fürsten aus den ihm vorbehaltenen Eingängen aus Steuern, Zöllen und anderen Gefällen zu. Seine militäri(3

sehen Aufgaben vermochte er durch die Kriegsdienstleistung besonders des im Lehensbande gebundenen ritterlichen Adels des Landes zu erfüllen. Als dann am Ausgang des Mittelalters die Technik der Feuerwaffen die militärischen Kräfte der Ritteraufgebote hinfällig machte, traten an deren Stelle die geworbenen Söldnerheere der Landsknechte. Das gewaltig ansteigende Bedürfnis an baren Mitteln für die Ausrüstung, Erhaltung und Bekleidung dieser sich immer mehr entfaltenden Truppenkörper, die mit der Entwicklung der Machtstaatsidee wachsenden Ausgaben für repräsentative Zwecke und den nun notwendig werdenden diplomatischen Außendienst führten naturgemäß mit einer stärkeren Inanspruchnahme der Kräfte des Staates zu einem Ausbau vor allem der zentralen Verwaltung. Diese hatte einmal der Behauptung und Mehrung der landesfürstlichen Hoheitsrechte zu dienen. Ebenso war die Erfassung der in der aufkommenden Geldwirtschaft wachsenden Bargeldeingänge, die Umstellung des staatlichen Wirtschaftsapparats auf die Methoden dieser Geldwirtschaft, ihre Sache. Gerade dieses Geldbedürfnis aber, das in Kriegszeiten in sich drängenden Stößen auftrat, war es, das den Landesfürsten von den Steuerbewilligungen und der Gewährung von Krediten der in den Landtagen in Erscheinung tretenden Stände, den Repräsentanten des geistlichen und adeligen Großgrundbesitzes und der hier spärlicher vorkommenden Städte, abhängig zu machen drohte. Ja es zwang ihn zeitweise, dem gerade hier in Österreich stärker zutage tretenden Streben dieser Stände nach einer umfassenden Einflußnahme auf die Verwaltung in den einzelnen Ländern, die Gesetzgebung und die Staatsführung Raum zu geben. Auch der konfessionelle Gegensatz zwischen dem streng katholischen Landesfürstentum und dem überwiegend lutherischen Adel hat im Zeitalter der Reformation zum politischen Machtkampf geführt. Das Ringen dieser beiden Faktoren um die Macht im Staate fand in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag (1620), die mit einem entscheidenden Sieg des Landesfürstentums endete, seinen Höhepunkt. Dieser Sieg erzwang zwar die konfessionelle Einheit im Lande zugunsten der alten Kirche. Er gab auch dem Landesfürsten die Ge7

legenheit, die Stände von der Mitwirkung an der Gesetzgebung und an der Staatsführung zurückzudrängen. Doch vermochte er nicht, ihr Recht auf die Bewilligung und Einhebung der auf Grund und Boden veranlagten Wehrsteuer, das Kontributionale, einzuschränken. Dies gelang in der Folgezeit um so weniger, als die großen Kriege, welche die Habsburger in der zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts in dichter Folge gegen die Türken und Franzosen zu führen hatten, sie immer wieder zwangen, sich die nötigen Steuergelder von den Ständen in schwierigen und langwierigen Auseinandersetzungen sicherzustellen. Dabei war die tatsächliche Position dieses landständischen Adels, der einen guten Teil der von ihm bewilligten Steuer in einer kostspieligen, aber sterilen Verwaltung verzehrte, um so stärker, als auch die beherrschenden Posten in den landesfürstlichen Zentralstellen, der österreichischen und böhmischen Hofkanzlei zumal, von Männern aus seiner Mitte besetzt waren. Diese trugen in den Verhandlungen mit den Vertretern der Stände der einzelnen Länder um das Ausmaß der zu bewilligenden Wehrsteuer, da sie selbst große Grundbesitzer waren und den Standpunkt ihrer adeligen Standesgenossen nur zu gut verstanden, den Interessen des von ihnen ex offo vertretenen Staates vielfach nicht ausreichend und nicht mit voller Kraft Rechnung. Auch die Grundherrschaften auf dem Lande besaß und nutzte dieser selbe Adel. Er wahrt allen Versuchen der zentralen Staatsgewalt gegenüber, hier in der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse Geltung zu gewinnen, eifersüchtig die Ansprüche seiner Klasse in diesen nach wie vor ihm unterworfenen Selbstverwaltungskörpern. Das geschah auch noch in einer Zeit, in der sich die zentrale Verwaltung, zumal die Hofkammer, immer mehr und immer stärker mit den Plänen zur äußersten Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte des Staates zugunsten der Macht des absoluten Herrschers und zur Förderung der Produktion im Sinne des Merkantilismus zu erfüllen begann. Mit einer wahren Flut von Verordnungen suchte sie Zellen, aus denen dieser Staat sich aufbaute, in denen er lebte und webte, zu durchdringen, den ganzen Staatskörper mit einem einheit8

liehen Wirtschaftswillen zu durchbluten. Doch ließ sie besonders der Mangel an tragfähigen Organen ihres Willens nicht zu ihren Zielen, vor allem zu einem ausgeglichenen Budget und einer einheitlichen für den Staat fruchtbaren Volkswirtschaft kommen. Dieses Ringen um ein ausgeglichenes Budget, einen gesunden Staatshaushalt, hörte im Reich der Habsburger auch in seinem heroischen Zeitalter, als ein Prinz Eugen in den Jahrzehnten um 1700 durch sein Feldherrngenie und seine staatsmännische Kunst es auf eine steile Höhe staatspolitischer Größe führte, nie auf. Das würgende Finanzelend mit all seinen Nöten, seiner nie enden wollenden Abhängigkeit von den teuren Krediten eines profitgierigen Geldgebertums, von einem Adel, der sich seine zögernden Steuerbewilligungen nur schwer abdrängen ließ, seinen oft recht bedenklichen fiskalischen Künsten, die den Staat nur gerade noch am Abgrund eines totalen finanziellen Niederbruches vorbeibrachten, blieb der ständige Begleiter dieser, an ihrem äußeren Glanz gemessen, großartigen Monarchie. Die Habsburgermonarchie war somit in der Fähigkeit, von der Zentralregierung aus die in ihr vorhandenen großen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu nützen und über sie auch wirklich zu verfügen, bei weitem nicht in der günstigen Lage wie das straff zentralisierte Frankreich oder auch nur wie das kleine aber schlagfertige Preußen. Dazu kam noch ein anderes. Kaiser Karl VI. (1710—1740), der letzte männliche Sprosse des Hauses Habsburg hatte sich ein Leben lang um die Sicherung der Erbfolge seiner ältesten Tochter, Maria Theresia, bemüht. Er hatte im Inland mit den Ständen seiner österreichischen Länder und denen von Ungarn, aber auch mit den andern europäischen Staaten um die Anerkennung des Erbgesetzes der Pragmatischen Sanktion verhandelt und sich dieses Ziel viele Opfer und die Hingabe mancher wertvoller Errungenschaften kosten lassen. So hatte er etwa eine Handelskompagnie zur Betreibung eines aussichtsreichen Warenaustausches aus dem damals Habsburgischen Belgien nach Ostindien um Englands Zustimmung zur Pragmatischen Sanktion aufgegeben und sich auch zum 9

Teil im Zusammenhang damit in erfolglose Kriege verwickeln lassen, so daß die finanzielle und militärische Lage seines Reiches, als er 1740 unerwartet starb, eine recht ungünstige war. Daher war Maria Theresia, als sie gegen Ende des Jahres 1740 zur Regierung kam, wirklich, wie sie es in der ersten Denkschrift sagt, ohne Geld, ohne Kredit und ohne eine vollgültige Armee. Und in dieser schwierigen Lage mußte sie den Kampf um das Erbe ihrer Väter antreten. Der erste, der den Kampf gegen sie begann, dessen erster Erfolg auch das Zeichen zum Angriff für ihre anderen Gegner gab, war der große Feind ihres Lebens, König Friedrich von Preußen. Die Gegnerschaft gegen den Preußenkönig, der ihr kühlen Herzens, ihre schlechte politische Lage bei ihres Vaters Tod nützend, das schöne und reiche Schlesien abnahm, wurde für die junge Herrscherin eine weithin bestimmende Richtschnur für ihr künftiges Handeln. Grundlegend ändert sie unter diesem starken Eindruck das System ihrer Außenpolitik. Sie schwenkte, beraten von ihrem Staatskanzler Kaunitz, von dem traditionellen Bündnis der Habsburgermonarchie mit den Seemächten ab und schloß eine Koalition mit Frankreich, der größten Landmacht des Kontinents. Auch der gewiß nicht leichte Entschluß zum Umbau des Staates im Innern durch die Reform von 1749 stand unter jenem Eindruck. Das traurige Erlebnis ihrer militärischen und finanziellen Ohnmacht beim ersten Uberfall des Preußenkönigs auf Schlesien ist für alles, was folgte, bestimmend gewesen. Es ist nicht die Aufgabe dieser Zeilen, zu schildern, wie sie den Kampf um ihr Erbe geführt hat. Er brachte außer dem Verlust von Schlesien keine allzu harten Opfer für sie und auch manchen Erfolg, man denke an den Gewinn der Krone des römisch-deutschen Reiches für ihren Gemahl, Kaiser Franz I. Dieses Ergebnis hatte sie vor anderem ihrem unerschütterlichen Wagemut, dem Vertrauen auf ihre von Gott gewollte Berufung, aber auch der Kraft ihrer gewinnenden Persönlichkeit zu danken. Den Ablauf dieser Begebenheiten mag man in den Denkschriften selbst oder in einer der Darstellungen, wie etwa der ebenso durch die souveräne 10

Beherrschung des Stoffes als durch künstlerische Darstellungskraft ausgezeichneten Lebensbeschreibung der Kaiserin von Heinrich K r e t s c h m a y r nachlesen. Was uns hier vor allem interessiert, ist die Tatsache, daß es Maria Theresia in den acht harten Jahren, in denen sie die Monarchie gegen Preußen, Bayern, Frankreich und Spanien verteidigen mußte, wobei sie auf all den Schlachtfeldern des Nordens, Westens und Südens von den Seemächten nur zeitweise unterstützt wurde, immer deutlicher zur Erkenntnis gekommen ist, daß der staatliche Verwaltungsapparat, den sie von ihren Ahnen überkommen hatte, durchaus nicht hinreichte, die materiellen Möglichkeiten ihres Landes auszuschöpfen. Es war mit den bisherigen Einrichtungen einfach unmöglich, die Mittel zu gewinnen, die nötig gewesen wären, um für die militärische Sicherheit der Reichsgrenzen, die Bestreitung der erforderlichen Verwaltungs- und Repräsentationskosten und einen klaglosen Schuldendienst aufzukommen. Sie war der ewigen Kämpfe mit den Ständen um jeden Kredit, des mühsamen Fortfrettens von einer Notlage zur andern, der kleinen Aushilfsmittel und Praktiken, um eben noch am Staatsbankerott vorbeizukommen, müde geworden. Sie, die große „Reichshausfrau", wie sie Heinrich Kretschmayr treffend genannt hat, wollte endlich Ordnung auch in ihrem Reichshaushalt schaffen. Sie wollte nicht mehr in der beengenden Abhängigkeit von den kurzfristigen Bewilligungen ihrer Landstände sein, wollte endlich einen Ausweg aus den immer wiederkehrenden Verpfändungen ihrer besten Einkünfte an die Geldmächte des In- und Auslandes finden. Bitter mußte sie, die eine echte und rechte Soldatenkaiserin gewesen ist, auch den Umstand empfinden, daß die Aufbringung, Ernährung, Bekleidung und Equipierung ihrer Truppen Sache der Länder und Stände war, die dabei viel mehr ihr eigenes Interesse als das des Staates bedachten. Wie konnte eine Militärmacht, deren einzelne Truppenkörper nicht nach dem Gesichtspunkt der Sicherung der gefährdeten Grenzen verteilt, sondern in die entlegensten Landstriche, wo man sie eben am leichtesten und billigsten ernähren konnte, verstreut waren, schlagfertig sein ? Über die mangel11

hafte Bekleidung und Unterbringung ihrer Truppen durch die Stände hatte sie sich in diesen Jahren wiederholt zu beklagen. Und mußte nicht die unzureichende Ernährung und Bequartierung ihrer Regimenter immer wieder zu den ihr so verhaßten und von ihr so bekämpften „Militärexzessen", zu jenen Reibereien zwischen Zivil und Militär führen, die so viel böses Blut gemacht haben? Acht Jahre lang hat sie, oft unter den mißlichsten militärischen und finanziellen Bedrängnissen, gegen all diese Übelstände angekämpft und die Eigensucht ihres ständischen Adels, der in Oberösterreich oder Böhmen dem eindringenden Feind nur allzu schnell zu huldigen sich bereit fand, bitter genug empfunden. Sie hat ihre Monarchie nur mühsam, ohne vor den stärksten persönlichen Anstrengungen zurückzuscheuen, wie durch ein Wunder — sie sagt es selbst in den Denkschriften — vor dem drohenden Untergang gerettet. Auf eine zweite Probe wollte und konnte sie es unter diesen Umständen wahrlich nicht ankommen lassen. So hat sie denn in den letzten Jahren, bevor sie den Erbfolgekrieg 1748 durch den Frieden von Aachen zu Ende zu bringen vermochte, die Vorbereitungen zur großen Reform getroffen, dann aber sich mit voller K r a f t dieser Aufgabe zugewandt. Ihr finanzbegabter Gemahl Kaiser Franz I. war es, der ihre Aufmerksamkeit auf den Mann lenkte, der sie mit Energie und Einsicht die Bahnen zu dieser tiefgreifenden Änderung der Verwaltung des Staates wies, die zugleich zur entscheidenden Etappe auf dem Wege zur Umgestaltung des Staates selbst geworden ist. Daß sie ihm, nachdem sie einmal von der Richtigkeit seiner Thesen überzeugt worden war, die Treue hielt, mit ihm gegen die Front der bis dahin herrschenden Feudalaristokratie ging und die schwerwiegende Verantwortung für seine Ziele übernahm, ist ihr bleibendes Verdienst. Friedrich Wilhelm Graf H a u g w i t z , geboren um 1700 als Sohn eines sächsischen Generals und Konvertit, galt in der Welt der großenteils feudalaristokratischen österreichischen Hofbürokratie als ein Außenseiter. Er war in der Verwaltung von Schlesien in eifriger Arbeit hochgekommen. Nach dem Verlust des Großteiles dieser Provinz an Preußen 12

blieb er in Treue an das Haus Habsburg bei der Kaiserin und wurde von ihr zum Präsidenten des königlichen Amtes in Troppau, der Hauptstadt des österreichisch gebliebenen Restschlesien bestellt. Die Tendenz, die Haugwitz von Anfang an bei der Handhabung seines Amtes leitete, war eindeutig und klar auf die immer stärkere Zurückdrängung des ständischen Einflusses, besonders jenes auf die Bewilligung, Aufteilung und Einhebung der ständischen Wehrsteuer, des sogenannten Kontributionales, gerichtet. In einer scharfen und wohlunterbauten Beweisführung, die er der Kaiserin in mehreren Denkschriften unterbreitete, vermochte er diese zu bewegen, dem ständischen Behördenapparat die Steuerwirtschaft im Lande zugunsten der staatlichen Stelle, des königlichen Amtes, aus der Hand zu nehmen. Dies gelang ihm besonders mit dem Hinweis darauf, daß der König von Preußen in dem nun seiner Herrschaft unterstehendem Großteil von Schlesien unter Zurückdrängung des ständischen Einflusses ein Vielfaches des ehemals an die österreichische Regierung abgeführten Kontributionales dort herauszuwirtschaften verstehe. Dabei legte Haugwitz hier wie in seinen späteren Darlegungen das Hauptgewicht seiner sorgfältigen Argumentation immer auf den Umstand, daß der Erfolg des preußischen Königs viel weniger durch eine stärkere Belastung des bäuerlichen Untertanen als durch die Ausschaltung der kostspieligverschwenderischen Wirtschaft der Stände erzielt wurde. Um den Ständen noch irgend ein Betätigungsfeld zu lassen — denn auch die Sorge für die Ausrüstung, Unterbringung und Verpflegung der Truppen ging jetzt mit der Verfügung über die Wehrsteuer an die Staatsstellen über — beließ er ihnen einstweilen noch das Judiziale, die Rechtssprechung. Diese wurde damals erstmalig in Österreich von der Verwaltung getrennt, eine Trennung, die freilich weniger aus grundsätzlichen Erwägungen der Justiz zuliebe geschah, als zur Stärkung der staatlichen Gewalt im Finanzressort. Offenbar muß die Herrscherin mit den Erfolgen von Haugwitz in Schlesien recht zufrieden gewesen sein und sich der Ansicht desselben angeschlossen haben, daß „das kleine 13

Landel Schlesien zu einem sicheren und guten Model"1) für die Neuorganisation der anderen altösterreichischen Länder, im Sinne der Zurückdrängung der ständischen zugunsten der staatlichen Gewalt, werden könne. Denn nun schickt sie den erfolgreichen schlesischen Präsidenten zu Anfang des Jahres 1747 als landesfürstlichen Kommissär nach Krain und Kärnten. Dort wo die ständische Mißwirtschaft ganz besonders ins Kraut geschossen war, sollte er die Landesfinanzen einer gründlichen Untersuchung unterziehen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung, die Haugwitz mit aller Strenge durchführte, waren allerdings geradezu niederschmetternd. Krain hatte bei einer Kontributionsleistung von nur 100.000 Gulden im Jahre einen Schuldenstand von mehr als 2,800.000 Gulden. Auf das Zustandekommen dieser verhältnismäßig sehr hohen Summe wirft die Tatsache ein grelles Licht, daß die „unerlaubte largitiones und donationes" der letzten anderthalb Jahrhunderte fast eineinhalb Millionen Gulden ausmachten. Noch schlimmer aber lagen die Dinge in Kärnten. Bei einer jährlichen Kontributionsleistung von 200.000 Gulden betrug der Stand der landständischen Schulden rund vier Millionen Gulden. Von 1645 bis 1745 waren auf Schenkungen von den Landständen mehr als 1,400.000 Gulden verbraucht worden. Unter den Empfängern dieser Geschenke standen die Wiener Hofstellen mit mehr als 70.000 Gulden zu Buche. Gerade von Kärnten erzählt Haugwitz in den Akten eine besonders bezeichnende Begebenheit. Als sich einmal unter Kaiser Karl VI. die Verhandlungen in der Steuerfrage wegen des großen Unterschiedes zwischen dem, was die Wiener Stellen verlangten, und dem, was die Kärntner Stellen zu geben gewillt waren, besonders schwierig gestalteten, schafften die Stände diese Unstimmigkeiten dadurch aus der Welt, daß sie einen immerhin ansehnlichen Teil dessen, was die Kammer verlangte, in die „Schatulle", d. h. den dem Kaiser allein zur Verfügung stehenden Fonds, spendeten, also mit anderen Worten den Kaiser, der gewiß den wahren Sachverhalt nicht Nach dem Muster der Verwaltungsformen in Schlesien, die sich dort glänzend bewährt hatten, schuf Haugwitz die große österreichische Verwaltungsreform. 14

durchschaute, zum Schaden des Staates bestachen und dabei noch ein recht gutes Geschäft machten. Angesichts der schonungslosen Aufdeckung dieser Zustände gelang es dem mit aller Härte und Folgerichtigkeit auftretenden Haugwitz, die Kaiserin für die Aufrichtung einer rein staatlichen ,, Cameral-Commercial- und politischen Repraesentation" für jede der beiden Provinzen zu gewinnen. Diese nahm den Ständen die Verfügung über die Auferlegung, Aufbringung und Verwaltung aller Steuern und Gefälle und ließ ihnen nur einen bescheidenen Fonds, die Kosten ihrer auf wenige formale Funktionen geschrumpften Selbstverwaltung zu decken. Aus den ihr nun zur Verfügung stehenden Eingängen bestritt die neu aufgerichtete staatliche Mittelstelle die Kosten, die der Aufbringung, Ausrüstung und Erhaltung der Truppen in nun staatlichen Kasernen dienten. Sie machte sich aber auch im Sinne der nun viel erfolgreicher zur Auswirkung kommenden merkantilistischen Ideen die Pflege und Förderung der Wirtschaft durch den Staat zu ihrer Aufgabe, wie dies schon der Titel der neuen Behörde durch die Erwähnung der von ihr zu pflegenden Commercialia hervorhebt. Ein Zeichen übrigens dafür, daß Haugwitz von der Wirksamkeit der Beziehung zwischen der staatlichen Wirtschaftsförderung und der Erstarkung der Steuerkraft im Sinne der Lehren der großen Merkantilisten überzeugt war. In Kärnten hat sich die Entmachtung der Stände und die Aufstellung der neuen staatlichen Behörden übrigens nicht so reibungslos vollzogen wie in den übrigen Ländern. Denn während sonst die Stände sowohl der Behördenreform als auch den Dezennalrezessen, die auf zehn Jahre einen Verzicht, die Wehrsteuerquote in den jährlich wiederkehrenden Landtagen zu bewilligen, forderten, ohne erheblichen Widerstand ihre Zustimmung gaben — es fiel eben, was zu fallen reif war—, fand sich im Kärntner Landtag eine Mehrheit, die gegen die Neuerungen votierte. Das hat dann dazu geführt, daß gerade hier die Reform jure regio, wenn man es so nennen will, mit einem kleinen Staatsstreich zur Durchführung gelangte. Recht bezeichnend dafür, wie die Fäden ständisch-adeliger Beziehungen von den Ländern auch zu den Wiener Hofstellen 15

reichten, ist die Tatsache, daß sich in der österreichischen Hofkanzlei, ja sogar in der zentralen Finanzstelle, in der Hofkammer, die doch an der Anbahnung der Gesundung der Finanzen am meisten hätte interessiert sein sollen, eine ziemlich starke Opposition gegen die Neueinrichtung staatlicher Länderstellen erhob. Haugwitz aber rief, da er sich einer loyalen Mitarbeit der alten Zentralstellen nicht mehr sicher fühlte, als zentrales Korrelat für die beiden neuen staatlichen Mittelstellen in Kärnten und Krain eine Hofkommission in Wien ins Leben und schaltete so die alten Hofstellen für diese Gebiete aus. Schon für Schlesien hatte er ähnliches angestrebt, aber nicht erreicht. Die nächsten zwei Jahre vergingen mit den Arbeiten, die für Errichtung neuer Mittelstellen nun auch in den übrigen deutschen und böhmischen Provinzen nötig waren. Aber inzwischen hatte Haugwitz im Juni 1747 auch den Auftrag erhalten, an die Erstellung eines Finanzplanes zu schreiten, der in seiner Durchführung die Mittel für die Schaffung und klaglose Erhaltung eines stehenden Heeres in der mit dem Hofkriegsrat vereinbarten Stärke von 108.000 Mann aus den Fonds der von den Ländern bewilligten Wehrsteuer bereitzustellen hatte. Es war Haugwitz von Anfang an klar gewesen, daß die Erfüllung eines solchen Planes die Verwaltungsreform in den Ländern und die durch die Dezennalrezesse gewonnene Verfügungsfreiheit über die Steuerkraft der Länder zur Voraussetzung hatte. An die Stelle der alten ständischen Bildungen hatte ein neuer staatlicher Behördenapparat, der in allen Provinzen gleich zu sein hatte und die straffe Ausrichtung nach einer Zentralstelle gewährleistete, zu treten. Nur ein solcher staatlicher Apparat war befähigt, als tragfähiges Organ für die Unzahl der Betreffe, die der merkantilistische Polizeistaat des 18. Jahrhunderts in den Bereich seines Gebietens und Verbietens aufzunehmen gewillt war, zu dienen. Das Triebrad dieser Staatsmaschine freilich waren noch immer die Finanzen. So wurde denn in den Jahren 1747 bis 1749 die Errichtung von staatlichen Mittelstellen in allen Ländern, außer in Ungarn, Italien und Belgien, auf die Maria Theresia die Reform in weiser Beschränkung nicht ausgedehnt hat, vollzogen. Diese „Depu16

tationen" genannten Länderstellen wurden von einer Hauptdeputation in Wien, einer zentralen Zwischenschöpfung bis zur Vollendung der Reform, überbaut. Viel wichtiger aber und wesentlicher für die ganze Reform war es, daß Haugwitz die Länder in Kreise teilte und diesen als unterste Instanz der staatlichen Gewalt nach der Zentral- und Mittelstelle Kreisämter mit Kreisamtshauptleuten an der Spitze vorsetzte. In straffer Abhängigkeit von den Mittelstellen sollten sie nach dem Plane ihres Schöpfers imstande sein, die untersten lokalen, autonomen, praktisch von den Ständen beherrschten Körperschaften — die Herrschaften und Magistrate vor allem — zu kontrollieren und über der genauen Einhaltung der von der Zentrale gesetzten Normen, in erster Linie bei der gerechten Verteilung der steuerlichen Lasten auf die Untertanen, wachen. Nur so konnte jene in die Tiefe greifende Wirkung erzielt werden, ohne die die bestgemeinten und rationellsten Planungen der Staatsleitung zum Nutzen der Volkswirtschaft und zum Heile der Untertanen doch immer wieder zum Leerlauf verurteilt waren. In der Zentrale selbst, wo sich die alten Hofkanzleien zur Seite geschoben und mit Recht von der Hauptdeputation förmlich ausgehöhlt fühlten, hatte Haugwitz noch harte Kämpfe mit den feudal-aristokratischen Häuptern dieser Stellen zu bestehen. Unter seinen Gegnern traten besonders der Chef der böhmischen Hofkanzlei, Graf Harrach, und der Präsident der Ministerialbankodeputation, Graf Kinsky, hervor. Der erstere hat noch einmal den Versuch gemacht, die Sache der Stände zu retten und einem großen, ständischen, modernisierten Behördenapparat, der den Forderungen der Volkswirtschaft besonders durch die Aufhebung der Zollschranken zwischen den Ländern Rechnung hätte tragen sollen, das Wort zu reden. Beide scheiterten ebenso wie die Stände in den Ländern an dem Widerstand der Kaiserin, die den Haugwitzischen Vorschlägen treu blieb und von dem einmal beschrittenen Wege nicht mehr abzubringen war. Es lag in der folgerichtigen Entwicklung der Dinge, daß sie Haugwitz nach der Aufstellung des Ileeresfinanzplanes beauftragte, auch einen solchen Plan für die Erhaltung des Hofstaates und der immer mehr anwachsenden zivilen Ver2

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waltungsstellen, die beide aus cameralen Quellen gespeist wurden, und endlich einen dritten Plan zur Tilgung der Schulden des Staates zu vollenden. Es war dann nur ein letzter Schritt, daß im Mai 1749 den Hofkanzleien, die ihre politischen und finanziellen Befugnisse an die Haugwitzische Hauptdeputation abgegeben hatten, mit den Justizsenaten durch die Aufstellung einer Obersten Justizstelle als oberstes Organ der Justizverwaltung und höchste Instanz der Rechtssprechung auch ihre letzte Domäne entzogen wurde. Sie wurden als überflüssig aufgehoben. Aus der Hauptdeputation entstand unter dem Präsidium von Haugwitz das Directorium in Publicis et Cameralibus — schon der Titel läßt das preußischeGeneralfinanzendirektorium als eine Art Vorbild erkennen — eine Stelle, die dann in den fünfziger Jahren auch die Hofkammer, soweit sie die Finanzen der österreichischen Länder zentral betreute, aufgesogen hat. Daß dann der Hofkammer auf diesem Wege noch eine Reihe von Fachressorts, wie die Hofstelle für Münz- und Bergwesen, die Kommerzhofstelle, die Hofkommission in Banaticis et Ulyricis u. a. folgten, war gewiß eine Überspannung der Zentralisierung, die zu einer unheilvollen Überladung des Direktoriums mit Agenden führte. Als dann das Direktorium, das wie sein Präsident der alten Hofbürokratie immer ein Dorn im Auge geblieben ist, in den Finanznöten des Siebenjährigen Krieges begreiflicherweise nicht das zu leisten vermochte, was man von ihm verlangen zu können glaubte, ist es 1761 mit seinem Präsidenten Haugwitz gestürzt, der aber bis zu seinem Tode im Jahre 1765 einer der einflußreichsten Ratgeber der Kaiserin auch im neugeschaffenen Staatsrat blieb. Der neue Mann des kaiserlichen Vertrauens, nun auch in der Innenpolitik, K a u n i t z , hat die Hofkammer wieder mit ihren alten Kompetenzen versehen, für die politischen Geschäfte wieder eine „Vereinigte Böhmisch-österreichische Hofkanzlei" hergestellt, und so die alte Ordnung annähernd — allerdings nur in der zentralen Verwaltung — erneut zur Geltung gebracht. Daß neben die anderen Hofstellen noch die Hofrechenkammer zur Überprüfung der Etatsmäßigkeit der Gebarung aller Hofstellen trat, war so recht im Sinne von Haugwitz, der immer schwer 18

um die Einhaltung seiner Voranschläge, seines MilitärCameral- und Schuldensystems, gerungen hatte. Was aber Kaunitz trotz der Angriffe seiner adeligen Standesgenossen durchaus beibehielt, das waren die nun einmal uniformen Mittelstellen in den Ländern, Repräsentationen und Kammern oder Gubernien genannt, und das waren die staatlichen Kreisämter, womit der einschneidendste Teil der Haugwitzischen Reform im Umbau des Staates erhalten geblieben ist. Diese Gubernien und Kreisämter aber wurden immer mehr das Feld der Tätigkeit einer in der neugeschaffenen Bildungsstätte, dem Theresianum, herangezogenen einheitlichen österreichischen Beamtenschaft. Gerade diese in ein straffes staatliches Behördensystem eingegliederte einheitliche Beamtenschaft aber war es, die dem Staat die Mittel und Wege eröffnete, die Formung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Sinne der Ideen des merkantilistischen Macht- und Wohlfahrtsstaates in die Wege zu leiten. An Ideen zur Förderung der Produktion auf allen Gebieten der Wirtschaft, zur gerechteren und ökonomischeren Verteilung der Lasten, hatte es auch dem vortheresianischen Staate, wie eine Flut von Verordnungen zeigt, nicht gefehlt. Wohl aber ist ein Großteil dieser Verordnungen nicht in die Tiefe gedrungen und wirklich wirksam geworden, weil er an der Gleichgültigkeit oder dem Widerstand der autonomen Körperschaften — der Herrschaften, Magistrate und Zünfte — versagte. Sahen sich doch gerade diese autonomen Bildungen in ihrer eifrig gewahrten Zuständigkeit, in ihrem alteingelebten Herkommen und auch in ihrem materiellen Vorteil durch viele dieser Normen bedroht. Hier zugunsten dieser Normen kontrollierend, korrigierend und wenn nötig auch sanktionierend einzugreifen, das war nach dem Willen der Machthaber in diesem Staate Sinn und Aufgabe der neugeschaffenen Stellen. Jetzt war das Instrument, die Wände der Zellen, aus denen sich der mittelalterliche Staat aufgebaut hatte, zu durchbrechen, gegeben, nun mochte das Ideengut des neuen Staates erst wirklich den ganzen Staatskörper durchbluten. Die Frage, die sich nach dieser kurzen Skizze über die Entstehung und das Wesen der Reform von 1749 ergibt, ist die nach ihrer Auswirkung. Man wird sie im allgemeinen als 2*

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durchaus positiv und segensreich ansprechen. Schon auf dem Gebiet der Finanzen, deren Sanierung der fundamentale und primäre Zweck des großen Beginnens war, wurde bereits in den Jahren bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756) durch die Einhaltung der von Haugwitz aufgestellten Finanzpläne eine Ordnung im Staatshaushalt angebahnt. Nach den starken und begreiflichen Rückschlägen, die das große Ringen der sieben Jahre mit sich brachte, trat dann im letzten Jahrzehnt der Theresianischen Regierung ein nie gekannter Zustand der Konsolidierung im Budget ein, für den doch wieder die Haugwitzische Reform Grundlage und Voraussetzung war. Daß sich durch die mit einer staatlichen Steuerregulierung festgesetzte ökonomischere und gerechtere Verteilung der Lasten, über deren bleibende Einhaltung zu wachen Pflicht der neuen Behörden war, für die große Masse der bäuerlichen Untertanen bedeutsame materielle und soziale, später noch vertiefte Vorteile ergaben, war eine dem landesmütterlichen Geiste der großen Kaiserin so recht entsprechende Nebenfrucht des Neubaus der Finanzverwaltung. Und hat nicht die Kraft einer stetig wirksamen Förderung der Wirtschaft von Staats wegen jenes Aufblühen des Gewerbes, der Industrie und des Handels ermöglicht, das zu den anerkannten Ruhmestiteln der Theresianischen Epoche gehört? Auch der systematische Neubau des Schulwesens, der Aufrichtung der Pflichtschultypen im ganzen weiten Reichsgebiet ist ohne den Behördenapparat von 1749 einfach undenkbar. Das gleiche gilt von den vielen anderen Gebieten — man denke an das Stiftungswesen, die Sanität, die staatskirchliche Gesetzgebung —, auf denen nun der Staat die Initiative, die Leitung und Beaufsichtigung der autonomen Gewalten an sich zog, ein Zustand, der sich in späteren Jahrzehnten der Theresianischen und der Josefinischen Epoche noch verstärkt hat. So wurde die Staatsreform von 1749 zur wichtigsten Etappe auf dem Wege zur Überwindung des mittelalterlichen Staates, der ein Jahrhundert später mit der Aufhebung der patrimonialen Gewalt und des bäuerlich-herrschaftlichen Untertanenverbandes sein Ende fand. Und nun noch ein Wort über den Quellenwert unserer Denkschriften. Wir wissen nicht genau, aus welcher Feder 20

ihr Text geflossen ist. Sicher ist, daß sie 1750 und 1755/56, nicht lange vor der Erneuerung der Dezennalrezesse, entstanden sind. Sie sind nicht ganz von der Kaiserin selbst, aber in ihrem Auftrag und unter ihrer unmittelbarsten Einwirkung und Mitredaktion von einer Person ihres intimsten Vertrauens konzipiert worden. So ist ihr hoher Quellenwert für die Vorgänge des Kampfes um ihr Erbe und das Werden der Reform, auch in ihrer apologetischen Zuspitzung, unbestreitbar. Es wäre ohne das Licht, das die Denkschriften gerade auf das Werden der Reform, den Aufbau der neuen Stellen, überhaupt auf den ganzen nicht sehr geradelinigen Verlauf dieser Vorgänge werfen, sehr schwer, die Einzelheiten dieser geschichtlich so wichtigen und lehrreichen Vorgänge nachzuzeichnen. Denn vieles von den Akten, die den Niederschlag dieses Geschehens bildeten, ist längst vernichtet. Manches wieder hat nicht den Weg in die Akten gefunden, da der Kreis, in dem sich diese Dinge begreiflicherweise vielfach abspielten, eng gezogen war. Das Schönste und wohl auch das Bleibendste, menschlich Ergreifendste, das diese Schriften bieten, ist der Eindruck, den sie uns von dem Wesen, der Art und dem Temperament der jungen Herrscherin, dieser prachtvollen, urösterreichischen Frau und Landesmutter geben. Ohne Vorbereitung, ohne Unterrichtung ist sie nach dem unerwarteten Tode ihres Vaters, eine lebenslustige, schöne, in glücklichster Ehe lebende Frau, im Alter von 22 Jahren vor die Aufgabe gestellt worden, ein großes Reich, das sich in einem üblen finanziellen und militärischen Zustand befand, zu regieren. Ihre Ratgeber waren, als sie die Regierung übernahm, Männer wohl nicht ohne Verdienst und Erfahrung, aber alte, tatenscheue, zur Nachgiebigkeit bereite, dabei oft recht dünkelhafte Herren, die der Lage durchaus nicht gewachsen waren. Ihr, die eine fromme und kirchengläubige Katholikin war, wurde ihr Glaube nicht zum Nährboden zu einem blinden, fatalistischen Hinnehmen, sondern zu einer sprühenden Aktivität. Sie hat wahrlich mit den reichen Pfunden, die ihr ihr Schöpfer gegeben hatte, gewuchert und sie genützt. Ihrem katholischen Konfessionalismus, dem die Züge der Intoleranz gegen Andersgläubige nicht fehlten, 21

paarte sich eine fanatische Hingabe an ihre Pflicht als Herrscherin dem Staate gegenüber. In diesem Staate aber war die katholische Kirche durch die fromme Freigebigkeit ihrer Vorfahren in einem „florissanten" Stande. Haben diese in einem reichen, wie sie es meinte und sagte, oft in allzu reichem Maße der Kirche gegeben, so wollte sie jetzt vorerst den Staat bedenken. Als die Zentralstellen 1745 im Budget der steirischen Stände für Andachten der Bettelmönche und andere Gottesdienste „umb göttlichen Segen zu erbitten" einen ansehnlichen Kredit beantragten, da schreibt sie mit ihrer kyklopischen Handschrift an den Rand des Vertrages: „Völlig aufzuheben, wan gutte Werke will thun, werde es schonn vor mich thun. Gott wird mir nicht sein Segen entzihen, wan alles in Ordnung gehet, au contraire, ich praetendire durch solches selben mir zuzuzihen." Man weiß, wie sie, als 1741 ein großer Teil ihres Reiches sich in Feindeshand befand, Böhmen, Mähren, Schlesien und Oberösterreich von Bayern, Preußen und Franzosen besetzt waren, die Regimenter des bayrischen Kurfürsten im Räume von St. Pölten standen und Friedrichs Husaren bis an die Donau herandrängten, ihre Räte auf Nachgiebigkeit drangen, Böhmens und Oberösterreichs Adel dem Feinde huldigte, ja die Hauptstadt Wien selbst unruhig wurde, die Ruhe und den Mut fand, nicht nachzugeben und sich zum ungarischen Reichstag nach Preßburg zu begeben. Wie sie nach durchaus nicht leichten Verhandlungen mit Ungarns ungebärdigem Kleinadel unter stärkstem Einsatz ihrer hoheitsvollen und doch so einnehmenden Persönlichkeit dort und in den andern Ländern die Kräfte zu gewinnen vermochte, mit denen dann ihr Marschall Khevenhüller die Bayern aus ihren Landen fegte und Preußen und Franzosen aus Böhmen hinausmanövriert wurden. Wieviel Mut, wieviel diplomatisches Feingefühl, aber auch wieviel Kraft und, wenn es denn schon sein mußte, wieviel Strenge hat sie aufgebracht, um in den schweren Jahren des Erbfolgekrieges gegen all die Feinde, die gegen sie aufgestanden waren, durchzukommen! Und das waren die Jahre, in denen sie sich mit einem wahrhaft eisernen Fleiß, freilich auch mit einem wunderbar scharfen Verstand in den ungeheuren Kreis der Agenden, 22

den die Regierung eines großen Reiches an sie herantrug, eingearbeitet hat. Wenn sie auch zur Herrschaft ungeschult, eher das war, was ein hochnäsiger Intellektualismus primitiv nennt, so besaß sie doch die große Gabe der Herrscher, im Wüste der Geschäfte immer das Wesentliche zu erkennen. Daß sie dabei noch die Zeit fand, ihre Pflichten als Frau und Mutter — sie gebar in den 19 Jahren von 1737 bis 1756 ihrem Gemahl 16 Kinder — zu erfüllen und die Feste des Hofes und der Kirche zu feiern, wie sie in dichter Folge fielen, das grenzt schon an das schier Unbegreifliche. Als dann in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre die Wogen der Gefahr, die den Bestand ihres Reiches bedrohten, abzuebben begannen, erkannte sie mit voller Klarheit, daß sie ihr Reich für neue kommende Gefahren und für die Möglichkeit, das Verlorene zurückzugewinnen, wappnen und ausrüsten müsse. Sie sann den Ursachen der Schwäche dieses Reiches, wie sie es von ihren Vorfahren übernommen hatte, nach, zog Vergleiche mit anderen Ländern und Reichen, immer gewillt auch vom Feinde zu lernen. Sie suchte und fand Ratgeber, deren Auswahl sie ja überhaupt als die wichtigste Obsorge der Regenten bezeichnete. Wie menschlich schön und groß war doch das Verhältnis dieser Herrscherin zu ihren Ratgebern. Wie hat sie ihren Kindern die Verpflichtung zur Dankbarkeit gegenüber diesen, ihren verdienten Helfern auch für deren Nachkommen ans Herz gelegt. Wie hat sie den alten treuen Starhemberg, der „ein grosser Mann und gerader Teutscher war" geschätzt, ohne doch die Grenzen seiner Fähigkeit zu überschätzen. Wie gern hat sie vom Grafen Sylva Taroucca, der ihr menschlich so viel gegeben, ihr „zu ihrer Correction und Erkanntnüss" gedient hat, Rat angenommen. Wie hat sie des getreuen Bartenstein Eigenheiten nachsichtig getragen und seine Treue wahrhaft fürstlich belohnt. Mit dem untrüglichen Blicke der genialen Herrscherin erkannte sie in Haugwitz, dem Mann, dem die Natur durchaus kein gewinnendes Äußeres geschenkt hatte, den Ilelfer, den sie brauchte, um „durchbrechen" zu können. Mit ihm schritt sie zur großen Reform. Daß sie ihm im Kampfe gegen die Welt des herrschenden Feudalismus und ständischen Wesens die Treue 23

hielt, daß sie den Mut und die Verantwortungsfreudigkeit fand, ihn zu decken und den schweren Kampf bis zum Ende durchzukämpfen, das beweist nicht zuletzt ihre Größe, die die Denkschriften in voller Deutlichkeit zeigen. So sind denn diese Denkschriften eine selten unmittelbare und kostbare Quelle für die Erkenntnis einer entscheidenden Epoche in der Geschichte Österreichs und gleichzeitig ein Charakterspiegel der großen Namensträgerin dieses Zeitabschnittes. Literatur Alfred v. Arneth: Maria Theresia, 10 Bände, Wien 1863—79. Heinrich Kretschmayr: Maria Theresia, Gotha 1925. Heinrich Kretschmayr: Die österreichische Zentralverwaltung. Friedrich Walter: Die Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung unter Maria Theresia, II. Abt., Bd. 1/1, Wien 1938. C. Hinrichs: Friedrich der Große und Maria Theresia. Diplomatischer Bericht von Otto Christof Graf v. Podewils, königlich-preußischer Gesandter am österreichischen Hof zu Wien. Berlin 1937. Allgemeine Deutsche Biographie. Artikel Haugwitz von A. v. Flegel.

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ERSTE

DENKSCHRIFT1)

Aus mütterlicher Wohlmeinung zu besonderen Nutzen meiner Posterität verfaßte INSTRUCTIONS-PUNCTA, welche nach ihrer Wichtigkeit in verschiedene Abhandlungen abzusondern erachtet. Die e r s t e r e solle enthalten den Zustand der Monarchie, wie solche bei Antritt meiner Regierung so in denen innerlichen als äußerlichen Verfassungen befunden. Die a n d e r e die Mißbräuche, so bei dieser österreichischen Monarchie unter meinen Vorfahren nach und nach eingeschlichen. Die d r i t t e die Maßreguln, welche in dem neun Jahr gedauerten, so beschwerlichen letzten Krieg beobachtet und durch welcherlei Ursachen bewogen worden, demjenigen, so da geschehen, die Hand zu bieten. Die v i e r t e jene nach erfolgtem Generalfrieden veranlaßte Veränderung in der inneren Verfassung bei denen Hofstellen und in denen Ländern, welche mit dem zur Erhaltung der Monarchie festgestellten Systemate vereinbaret worden. Die f ü n f t e der aus diesfälliger neuen Einrichtung der Posterität zufließende Nutzen, da solches das einzige Mittel, l ) Der Text dieser Ausgabe schließt sich an den Abdruck von Alfred v. Arneth im Archiv für österreichische Geschichte 47, 284 ff. an; über die Grundsätze der Textbehandlung gibt § 5 des sprachkundlichen Nachworts Auskunft. Einzelne Stellen werden mit den Seitenzahlen beider Ausgaben zitiert. Erst mit der dieses Buches, dann (in Klammern) nach A. ö. G. 47.

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die Monarchie zu befestigen und bei meiner Nachkommenschaft zu erhalten. Die s e c h s t e die Notwendigkeit, solche festgestellte Einrichtungen zu Abwendung des eigenen Untergangs beizubehalten, und welcherlei Maximen sich meine Nachfolger zu dessen Erreichung zu gebrauchen haben. Da sich der unvermutete betrübliche Todesfall meines Herrn Vatters höchstseligster Gedächtnüs ereignet und vor mich umb so viel mehr schmerzlich wäre, weilen nicht allein selben verehret und geliebet als einen Vattern, sondern als wie die mindeste Vasallin als meinen Herrn angesehen und also doppelten Verlust und Schmerzen empfunden und damahlen die zu Beherrschung so weitschichtiger und verteilter Länder erforderliche Erfahr- und Kenntnüs umb so weniger besitzen können, als meinem Herrn Vattern niemals gefällig wäre, mich zur Erledigung weder der auswärtigen noch inneren Geschäften beizuziehen noch zu informieren : so sähe mich auf einmal zusammen von Geld, Truppen und Rat entblößet. Keine Erfahrenheit in Aussuchung derer Räten wohnete mir bei, und eben darumben die natürlicher Weise damals gehabte große Timidität und Diffidenz, welche gedachte Unerfahrenheit zur Ursach hatte, die Auswahl deren so sehr benötigten Ratschlägen und Information sehr erschwerete; wie dann in denen letzteren zehen unglücklichen Jahren Ihro Majestät meines Herrn Vatters Regierung nur als ein anderer Particulair die üblen Folgen und Lamenti, die in das Publicum kommen, gehört, ohne zu wissen, warumb und aus was Grund sie kommeten, welches zu selben Zeiten nicht wie jetzund alles auf die Ministri geschoben worden. Mithin nähme die Resolution, meine Unwissenheit nicht zu verstecken, ein jeden in sein Departement anzuhören und mich also recht zu informieren. Graf Sinzendorff2), der Hofkanzler wäre ein 2 ) Sinzendorf Ludwig Philipp, Graf. Geboren 26. Dezember 1671 als Sohn des Hofkammerpräsidenten Georg Ludwig S., ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt, 1695 Mitglied des Reichshofrats, 1699 Gesandter in Versailles, 1706 Hofkanzler und Leiter der auswärtigen Politik, gestorben am 8. Februar 1742.

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großer Ministre und habe noch mehrer seinen Verlust erst nachgehends empfunden, allein dieser hatte mein Vertrauen nicht. Graf Starhemberg3) besäße es völlig und venerierte ich ihme recht, obwohlen er nicht so große politische Einsicht als ersterer hatte. Der erste disponierte4) und informierte mich anfangs von allen, letzterer aber hatte mein völliges Vertrauen. Dieses ginge ganz ruhig und gut, bis Kinsky5) gekommen, der mich selbsten mit bester Meinung so ir und in solche Unruhen und Konfusionen geworfen, daß aus dieser Tranquillität völlig gekommen und viel chagrín mir zugezogen. Bei welcher Gelegenheit Bartenstein 6 ), gegen deme anfänglich recht übel prävenieret wäre, kennen lernen, und zwar auf Graf Starhemberg und Herberstein 7 ) Vorschlag, deme auch also gefunden, wie ihme die ganze Welt, die ihn recht kennet, das Zeugnüs leisten muß, daß er ein großer Staatsmann. Diesen habe nachgehends viel gebraucht, umb meine Brouillerien in Ministerio wieder beizulegen und ein — oder andern zuzureden, welches mich jedoch allezeit in mehreres Labrynth und Finsternüs gezogen, daß nachgehends oft indecis und mefiant wider meinen Charakter worden, daß wann Gott nicht selbst einen Strich gemacht hätte mit 3 ) Starhemberg Gundacker Thomas, Graf. Geboren am 14. Dezember 1663, seit 1703 Hofkammerpräsident, begründet 1705 die Wiener Stadtbank, die die erste tragfähige Staatsbank war, seit 1700 Mitglied der Geheimen Konferenz, gestorben am 8. Juli 1745. 4 ) leitete, bereitete vor. 5 ) Kinsky Philipp Josef, Graf. Geboren 1700, 1721 Appellationsrat in Prag, 1727 Statthalter, 1728—35 Gesandter in England, 1738—45 böhmischer Hofkanzler, 1744 Präsident der Ministerialbankodeputation, gestorben 1749. •) Bartenstein Johann Christoph. Geboren 1689 in Strasburg als Sohn eines Universitätsprofessors, 1715 zum Katholizismus übergetreten, zuerst niederösterreichischer Regimentsrat, 1726 Hofrat der Hofkanzlei, geheimer Staatssekretär und als solcher vertrauter Ratgeber K. Karl VI., unbeugsamer Gegner Preußens, 1752 Vizepräsident des Directoriums in publicis et cameralibus, Lehrer Josef II., gestorben 1767. ') Herberstein Ferdinand Leopold, Graf. Geboren 1695, niederösterreichischer Regimentsrat, 1734 Gesandter in Schweden, 1737 Obersthofmeister Maria Theresias, gestorben 1744.

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Absterbung aller, so wäre niemals in Stand gewesen zu remedieren, weilen lieber selbsten gelitten als violente Resolutiones zu nehmen, die der Ehre und Reputation eines anderen nachteilig waren, wohl zu verstehen, weilen dieses pure Particularungemächlichkeiten vor mich waren und selbige alle ehrlich dencketen; nur wollten sie sich zusammen nicht verstehen, meistens aus Ambition und, umb mehreres zu sagen und zu schaffen zu haben. Diese deren Gedenkensart hat zwar wohl in das Publicum eingeschlagen, jedoch in Hauptsachen niemals in etwas Wichtiges mich abgehalten, wider selbe zu resolvieren, worinnen mich Bartenstein unvergleichlich soutenieret und die Gemüter gewußt zu praeparieren, darumben mich auch völlig seines Rats und Angehens bedienet, dahero er so viel Credit bei mir bekommen, von deme er niemals abusieret, mithin er so viel wie mein Rat bestellet wäre, als zur Regierung käme. Gleich anfangs 8 ) setzte mir vor diese principia zu meiner eigenen innerlichen Direction und zwar mittelst einer aufrechten Meinung und inständigen Gebet zu Gott mich dahin zu befleißen, von allen Nebenabsichten, oder Hoheiten 9 ) oder Ambitionen oder andern Affecten, nachdeme mich darüber selbsten öfters in Occasionen geprüfet, mich gänzlich zu entfernen, folglich die mir obliegende Regierungsgeschäfte ruhig und standhaft zu unternehmen; wie dann dieses Principium 8

) Die Schwierigkeiten dieser Periode haben ihre besonderen Ursachen. Sie sieht äußerlich den umfangreichen Perioden der Sprechsyntax ganz ähnlich, ist aber davon grundverschieden. Anfangs ist überhaupt von Satzabhängigkeiten im grammatischen Sinne keine Rede: Hinter setzte ich mir vor gehört kein Beistrich, sondern diese Principia schließt einfach als Akkusativobjekt an (lateinisch: haec Principia, folgende Grundsätze). Dann folgt die Aufzählung dieser Principia, die durch reichlichen Gebrauch des Infinitivs mit zu in mehrfacher Unterordnung beschwert ist. Die weiteren Nebensätze mit: Wie dann, Allermaßen und der unechte Relativsatz: welche Wahrheit. . . fügen sich nur ganz äußerlich in das Schema der Unterordnung, ohne dieses Verhältnis durch ihren Inhalt zu rechtfertigen. Der Gedankengang würde einfacher und klarer, wenn sie als Hauptsätze konstruiert wären. •) Hoheitsdünkel, Hochmut.

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das einzige gewesen, was in denen großen Nöten mich mit dem Beistand Gottes erhalten und die gefaßten Resolutiones befolgen machen, allermaßen in allen meinen Tun und Lassen zur Hauptmaxime erwählet, allein auf Gott zu trauen, dessen Allmacht ohne mein Zutun noch Verlangen mich zu diesem Stande auserwählet, welcher also auch mich würdig zu machen hätte durch meine Aufführung, Principia und Intentiones diesem mir aufgetragenen Beruf nach Erfordernüs vorzustehen und solcher Gestalten seine allerhöchste Protektion vor mich und, die er mir untergeben, beizuziehen und zu erhalten; welche Wahrheit mir täglich vor Augen geleget und reiflich erwogen, daß nicht mir selbst, sondern dem Publico allein zugehörig sei. Da nun nach diesem Grundsatz meine Intentiones jeder Zeit wohl geprüfet, so habe nachgehends alles mit großer Standhaftigkeit unternommen und kräftig soutenieret, wobei so ruhig in meinem Gemüt in denen größten Nöten gewesen, als wann mich die Sachen selbsten gar nichts angiengen; dann mit der eigenen Tranquillität und Vergnügen, wann es die göttliche Providenz dergestalten disponieret hätte, die ganze Regierung alsogleich abgeleget und meinen solchen in Anspruch genommenen10) Feinden selbsten überlassen hätte, wann dardurch geglaubt, meiner Schuldigkeit nachzukommen, oder der Länder Bestes zu befördern, welche zwei Puncta allezeit meine Hauptmaximen waren. Und so lieb ich auch meine Familie und Kinder habe, dergestalten daß keinen Fleiß, Kummer, Sorgen noch Arbeit vor selbe spare, so hätte jedoch derer Länder allgemeines Beste denen allezeit vorgezogen, wann in meinem Gewissen überzeuget gewesen wäre, daß solches tun könne oder daß dererselben Wohlstand dieses erheischete, indeme sothaner Länder allgemeine und erste Mutter bin. In diesen Umständen fände ich mich ohne Geld, ohne Credit, ohne Armee, ohne eigene Experienz und Wissenschaft und endlich auch ohne allen Rat, weilen ein jeder aus ihnen anvorderist sehen und abnehmen wollte, wohin die Sachen sich wenden würden. In dieser Situation befände ich mich, 10 ) in Anspruch nehmenden (s. sprachkundliches Nachwort § 14).

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da von dem König von Preußen feindlich angegriffen wurde. Dieses Königs süße Worte und kräftigste Versprechungen machten sogar meine Ministres irre, maßen man nicht glauben konnte noch wollte, daß der König in Preußen feindlich agieren würde. Dieses von denen Ministris, besonders Sintzendorf hegende Vertrauen, dann meine Unerfahrenheit und guter Glauben waren Ursach, daß die Defensionsveranstaltungen in Schlesien nicht minder die Nachruckung derer nächstgelegenen Regimentern größten Teils negligieret, andurch aber den König in Preußen freie Hand gelassen wurde, das Herzogtum Schlesien sich binnen sechs Wochen zu bemächtigen. Gotter11) wurde von dem König in Preußen anhero gesendet, als selbter bei Glogau stunde, und bald darauf wirklich schon Herr von Breslau war, welcher proponierete, seinem Herrn ganz Schlesien abzutreten und sofort sich seiner Assistenz gegen alle übrige Successionsansprüche, nicht minder der Beihülfe zu der Kaiserkron vor meines Gemahls Liebden zu versichern. Einige meiner Ministren hielten ratsam, sich mit dem König in Tractaten einzulassen, und zwar Sintzendorff, Harrach12) und Kinsky, der andere Teil des Ministerii, Starhemberg und Bartenstein, deme ich beigefallen, behauptete, samb die Abtretung eines Stuck Landes, wann solches auch nur aus einigen Fürstentümern bestünde, der Pragmatischen Successionsordnung umb so praejudicierlicher wäre, als hierdurch alle Puissancen als deren Garanteur sich zu einer ferneren Garantie umb so weniger verbunden achten würden, weilen man hiesigen Ortes sothane unzertrennliche Erbfolgen durch den angestoßenen13) Tractat mit Preußen selbst unterbrochen hätte, der König auch sobald er einen Teil Schlesiens durch eine Konvention erhielte, das übrige oder doch wenigstens dessen größten Teil pro indemnisatione seiner nach deren Maß zu ") Gotter Gustav Adolf. Geboren 1692 aus bürgerlicher Gothaer Familie, 1732 preußischer Gesandter in Wien, preußischer Staats- und Kriegsrat, gestorben 1762. 12 ) Harrach Friedrich August, Graf. Geboren 1696, 1732 Obersthofmeister, Statthalter in den Niederlanden, seit 1745 oberster böhmischer Kanzler, gestorben 1749. 13 ) abgeschlossenen. 30

leistenden Hilfe an sich ziehen dürfte. Die Werke haben es auch gezeiget, daß wir recht hatten und dem König es um ganz Schlesien zu tun wäre. Das Unglück wäre, daß nach Fassung meiner Resolution, die preußische andringende ungerechte Gewalt mit gerechter Gegengewalt abzutreiben, sofort die Entzweiung und Gesinnung meines Ministerii eine stärkere Wurzel fassete, welches allein von meinem gar zu guten Gemüt, allen alles Gute zu tun und zu glauben, den Anfang genommen. Und wollte Gott, ich wäre allein mit denen beeden Ministren Sintzendorf und Starhemberg geblieben, sambt Bartenstein, so wären viele Sachen nicht geschehen und unterblieben, Muß mich in diesem Punkt etwas mehrers aufhalten: Sintzendorf wäre ein großer Staatsmann und wäre ihme Starhemberg nicht gleich, allein wäre er nicht allezeit ohne Nebenabsichten, Praeventiones und Passiones; obwohlen ihme, so lang er mir gedienet, niemals etwas überweisen können, so wäre doch seine Conduite nicht gar regulier mit Preußen und die Praeventiones, die man mir gegen selben gegeben, waren die Ursach, warumen mein ganzes Vertrauen auf Starhemberg gesetzt, der ein großer Mann war und gerader Teutscher. Doch hat er nicht vergessen können, daß letzterer ihme bei meinem Herrn Vattern auf die Seite gebracht und und suchte sich an dessen Platz bei mir wieder zu setzen, obwohlen doch niemals auf eine Art, die nicht gerad oder einer Intrigue gleichete. Dieser samt dem Herberstein, damaligen obristen Hofmaister bei mir, der ein Grundehrenund capabler Mann wäre, haben mir Bartenstein kennen machen, vor deme sehr übel praevenirter zur Regierung gekommen, muß ihme aber die Justiz leisten, daß ihme allein schuldig die Erhaltung dieser Monarchie. Ohne seiner wäre Alles zu Grund gegangen, dann Starhemberg allein nicht mehr so aktiv wäre, und habe erst lang danach erfahren, daß er14) Bartenstein der einzige wäre, der meine Heirat mit Spanien 15 ) hintertrieben, die Sintzendorf wollte, der16) allein die Corregentschaft ausgearbeitet und soutenieret hat, die ) III. Artikel s. sprachkundliches Nachwort § 15. ) Zu denken ist hier an das Projekt einer Vermählung Maria Theresias mit dem spanischen Prinzen Don Carlos, der 14

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Heirat meiner Frau Schwester geraten und Alles was die Einigkeit und Befestigung dieses Hauses angehete, gesucht zu procurieren, welches doch der Grund und Stein dieses Hauses zu allen übrigen war. Ich sage nicht, daß er ohne Fehler gewesen, welche allein von seinem Temperament hergeflossen und gewiß nicht aus Mangel der Treue und Eifer, auch nicht Ambition, vor das ich stehen kann und schuldig bin, an ihme und denen seinigen alle Zeit zu erkennen recht als ein Schuldigkeit und nicht als ein Gnad. Dies habe müssen zu meiner Satisfaktion setzen, umb denen drei Ministren die Justiz zu leisten, anerwogen alles Übel alleine aus denen Zerspaltungen erwachsen. In der erst angetretenen so beschwerlichen Regierung vermochte unmöglich selbst, die Beschaffenheit und die Kräfte derer Länder zu erforschen, folglich mußte mich dem Einraten meines Ministerii unterziehen, keine mehrere Aushülfe weder in Geld noch an Recrouten von denen Ländern anzuverlangen, zumalen an Seiten des Ministerii beständig vorgeschützet wurde, samb derlei notdürftiges mehre Ansinnen meine antretende Regierung gleich anfänglich auf das äußerste verhasset machen möchte. Solchergestalten wäre kein Geld vorhanden, die gegen Preußen destinierte wenige Regimenter mobil zu machen. Und da mich bemüssiget gesehen, zu dessen Vollziehung einige hunderttausend als Darlehne oder subsidia praesentanea von denen particularibus anzuverlangen, so mußte gewahr werden, daß die potentiores ja gar die Ministri selbst sich hierbei merklich zu verschonen trachteten. Überhaupt war an denen fürgekehrten kaltsinnigen und lauen Defensionsveranstaltungen unschuldiger Weise der der Ehe des bourbonischen Königs Philipp V. mit der ehrgeizigen Elisabeth Farnese entstammte. Dieser Plan spielte in der Epoche von 1725 bis 1729, in der eine Annäherung zwischen Österreich und Spanien stattfand, eine gewisse Rolle, wurde aber bald aufgegeben. Seit 1722 bereitete sich die Vermählung Maria Theresias mit Franz Stephan von Lothringen vor, dem im Wiener Frieden von 1735, nach seinem Verzicht auf Lothringen, die Erbfolge im Großherzogtum Toskana zugesichert wurde. (Vgl. A. 38.) ") Der nämlich Bartenstein. 32

damalen von mir schon gefundene böhmische Obristcanzler Kinsky schuldig, welcher sich besonders zu Gemüt gezogen und bei mir geltend gemacht, weil solches nicht in Abrede zu stellen war, daß die Böhmen von denen Österreichern allezeit auf die Seiten gehalten worden; wie er dann auch mit Vernunft und Producierung vieler alten Schriften und Deductionen so viel mich eingenommen, daß ihn in das Ministerium wider aller und jeder Einraten gezogen, in der guten Intention, mich als eine wahre Mutter aller mir untergebenen Nationen zu zeigen. Kaum war solches erfolget, so wollte die Vehemenz des Kinskyschen Temperaments sich in keinen Schranken mehr halten. Und obzwar anfangs diesfalls noch zu reüssieren mir schmeichlete, so äußerte sich doch nachgehends, daß hierwegen alle meine Hoffnung umbsonst war, gestalten er öffentlich aus Praevention für seine Nation, der er nur allein zu favorisieren sich bemühete, folglich lediglich denen ihme anvertrauten Ländern das Wort redete, sich gegen alle übrige Erblande declarieret, eine ideale Proportion zwischen denen böhmisch und österreichischen Ländern vorschützend, um letztere mehr und erstere weniger zahlen zu machen. Hierdurch entstünde zwischen Ministren, Hofleuten und Nationen eine ziemliche Spaltung, welche eben so bald nicht vermerkete und wie sie nachgehends schon so weit gekommen, weilen zu gut war, auch die damalige Umstände sehr hacklich17), nicht standhaft genung unterbrochen, sondern nur Palliativa angewendet, so die Sachen noch mehrers verdorben haben. Dieses ist in der T a t der Anfang des Übels gewesen, dann, obzwar von der Ehrlichkeit und Treue des Kinsky Alles Gutes sagen muß, so ist jedoch auch gewiß, daß dessen Temperament, Vehemenz, Passiones und Patriotismus die wahren Quellen und Ursachen gewesen, die Alles verdorben und ihn Kinsky wider seinen Willen selbst verführet haben; anerwogen, da der Krieg in denen böhmischen Ländern eingefallen, er nicht zugeben wollte, daß allzu viele Truppen selbe überschwemmeten, allezeit in der Idee, daß man von Preußen noch wohl Meister werden könnte; zumalen der Marsch 17 ) haklich als österreichisches Dialektwort geläufig: = heiklich; volksethymologisch an Hacke, hacken angelehnt.

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deren schwachen Regimentern, die an der türkisch- und siebenbürgischen Granitz gelegen, sehr langsam vor sich gienge, wie in gleichen die Vorsehungen in denen Ländern sehr kaltsinnig waren. Die Umstände wurden immer betrüblicher und niemand aus dem Ministerio wäre bedacht, mich und den Staat auch wegen der Entzweiung derer Länder aus diesen entsetzlichen Ambarras zu ziehen. Demnächst wurden alle Vorschläge, sobald sie denen Ländern nur zu einer wenigen Beschwernüs hätten gereichen können, von denenjenigen, so die Provincialaffären in Händen hatten, sogleich verworfen und ein jeder wollte vor das Seinige sorgen, worgegen mich damalen aus der mir annoch gebrochenen Kenntnüs zu opponieren nicht vermochte. Khevenhüller18) und Neipperg19) wurden zu kommandierenden Generalen gegen die Preußen in Vorschlag gebracht, alleine ersterer begehrte viel Regimenter und gesicherte Gelder zu deren richtigen Bezahlung. Neipperg wurde von dem böhmischen obristen Kanzler, mithin von demjenigen portieret, so die Armee zu versorgen übernommen hatte, welcher mit Khevenhüllern gar nichts zu tun haben wollte. Ich resolvierte mich dahero zu letzterem umb so mehr als niemand seiner Kriegserfahrnüs was auszustellen wußte. Dieser begnügte sich mit wenigen und sehr schwachen Regimentern, welche er nebst denen Generalen sich selbst aussuchete, und eben dahero erfolgete, daß teils sehr entfernete Regimenter kommandieret, weit nähere aber zurückgelassen worden. Ich schmeichlete mir, mittels der guten Harmonie der kommandierenden Generalen und des die Armee zu versorgenden Obristcanzlers viel Nützliches zu bewirken, alleine diese gute Einverständnüs wurde gar bald unterbrochen. 18

) Khevenhüller Ludwig Andreas, Graf. Geboren 1683, Soldat, 1716 Oberst eines Dragonerregimentes, 1733 Feldmarschalleutnant, 1737 Feldmarsehall, 1744 gestorben. 19 ) Neipperg Wilhelm Reinhard, Graf. Geboren 1684, Soldat seit 1702, 1717 Oberst, 1723 Generalmajor und Erzieher Franz Stephans, 1735 Feldzeugmeister, wegen unglücklicher Führung des Türkenkrieges 1738/39 in Haft, 1742 abberufen, gestorben 1774. 34

Wahr ist es, daß Neipperg über 14.000 Combattans nicht bei sich hatte, jedoch glaubete hiemit auszulangen, und einerseits wäre zu Mobilmachung mehrerer Regimenter, da die Länder mit Anlagen20) gänzlich verschonet bleiben sollten, kein Geld vorhanden und der obriste Kanzler vermeinete durch einen unglaublichen Irrtumb, samb die Länder ohne solche zu ruinieren, nicht vermögend wären, die erforderliche Notdurft für eine mehrer Anzahl Truppen herbeizuschaffen. Andererseits aber, obschon Graf Uhlfeld21) aus Türkei versicherte, wie von dort aus nichts zu besorgen seie, so wollte jedoch das Ministerium auf den ganz neuerlich daselbst stabilierten Frieden nicht gänzlich vertrauen und funde sowohl diesfalls, als auch wegen dem Mißtrauen die Hungarn selbsten22) vor bedenklich allzu viele Truppen von der türkischen Granitz wegzuziehen. Überhaupt wurde vermeinet, denen im Streit noch unerfahrnen Preußen mit diesen wenigen Truppen genungsam gewachsen zu sein. Einige Ministri ließen auch ihre Hauptabsicht niemals fahren, die Umstände Schlageten in Schlesien glücklich oder unglücklich aus, sich jederzeit und bei erster bester Gelegenheit mit Preußen zu setzen und zu vergleichen. Die Hoffnung, Preußen zu bezwingen, wäre dahero umb so reeller, als man gegründete Hoffnung hatte, hierinen die Assistenz von Sachsen und Hannover zu erlangen, hiernächst23) jene von Rußland noch nicht gänzlich verschwunden wäre. Vermutlich dürfte auch erste erfolget sein, wann gleich anfänglich der Krieg in Schlesien mit mehrerer Macht und Vorsichtigkeit wäre unternommen worden. Alleine die ob20

) Geldforderungen, Steuern. ) Uhlfeld Corfiz Anton, Graf. Geboren 1699, zuerst Soldat, seit 1724 Reichshofrat, 1728 Gesandter in Savoyen, 1733 auf dem Reichstag in Regensburg, 1739 bei der Pforte, 1742 Minister der auswärtigen Angelegenheiten als Nachfolger Sinzendorfs bis 1753, 1760 gestorben. 22 ) Kühner Subjektswechsel: Sowohl das Ministerium als auch die Ungarn selbst fanden es wegen des Mißtrauens gegen die Türken bedenklich, die Südgrenze von Truppen zu entblößen. M ) während. S1

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angezeigte Umstände haben diesfällige Lauigkeit an Seiten des Ministerii veranlasset. Wegen weiteren Kriegs mit Bayern wird unten Alles in der Beilage gefunden werden24). Die Fehler, so das Ministerium zu Lebzeiten meines Herrn Vatters begangen, fangeten mir zwar an, nicht unbekannt zu werden, allein, ohnerachtet mir alle Mühe gegeben, die Gedenkensart eines jeden in particulari zu ergründen, so habe mir jedoch nicht getrauet, in derlei wichtigen Geschäften besonders bei der anfänglich mir gebrechenden Experienz derselben Meinungen unmittelbar entgegenzuhandlen, vielmehr habe mich bemühet, die factiones zu unterbrechen und die Meinungen möglichster Maßen zu combinieren. Wiewohlen es mir nicht alle Zeit damit gelungen und ehender selbe vermehret, so habe jedoch in denen wichtigsten Beratschlagungen solches zu erreichen gesuchet. Alleine die sich geäußerte Inconvenienzien waren dahero unvermeidentlich, weilen nach der vorgefundenen Verfassung jeder Minister gleichsam den Herrn und Meister in dem ihme übergebenen Departement abgabe, folglich darinnen allein denjenigen, so ihme nicht anständig wäre, mit der in Händen gehabten Gewalt contracarieret und nur jenes befolget, so ihme anständig zu sein geschienen oder mit seiner vorgefaßten Meinung zu vereinbaren gewesen. Dieser von so geraumen Zeiten her so fest Wurzel gefaßte Mißbrauch, so bei allen Departements fast gleich zu betreffen wäre, wurde von mir zwar gleich anfänglich eingesehen, und wie stark mich auch deme entgegenstellete, so wäre doch alles vergeblich und die damalige Zeiten gestatteten mir nicht solches sogleich mit Gewalt abzustellen. Sothane Ministri waren schon meistenteils zu meines Herrn Vatters Zeiten in- und auswärts in großen Ansehen und durch ihre langwierige Dienste, andurch aber sich erworbene Verdienste hatten sich selbte eine große Experienz, dann des Publici Aufmerksamkeit und Vertrauen zugezogen; dahero umb solche Experienz mir zu Nutzen zu machen und 24

) Von den von Arneth in seiner Ausgabe als fehlend bezeichneten Beilagen sind seither zwei aufgefunden worden. Zu S. 69 (322) s. H. Kretschmayr, Österreichische Zentralverwaltung II/2, S. 277; zu S. 99 (347) ebenda S. 291.

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sie meistens alte erlebte Ministres und doch Meriten hatten und ehrliche Männer waren, besonders bei damaligen Zeitläuften nicht ihrer entbehren können, andurch aber noch üblere Folgen zu veranlassen, so vermochte deren angewohnte Praepotenz26) nicht sogleich abzuändern, einfolglich die Sachen noch damalen, so wie sie gefunden, notwendig bis zu einer bequemlicheren Zeit beruhen lassen müssen. Diese angezeigte Umstände führen mich zu der ANDERN ABTEILUNG, nämlich auf die Mißbräuche, welche bei der österreichischen Regierung unter meinen Vorfahren nach und nach eingeschlichen. Gleichwie26) die Pietät jene Grundsäulen ist, wodurch ein Regent den göttlichen Segen anhoffen kann, meine Vorfahren auch zu ihren bei der Nachwelt erworbenen unsterblichen Ruhm sich deren besonders befliessen, solcher Gestalten aber die göttliche Gnad und deren kräftigsten Beistand bei denen äußersten Gefahren, so den Umsturz der Monarchie angedrohet, dergestalten sichtbarlich sich zugezogen, daß je größer die Gefahr so wundernswürdiger der angediehene göttliche Beistand gewesen, auch ich selbsten meine gänzliche Erhaltung selben augenscheinlich zu danken habe, hiernächst bei so vieler mir zugedrungenen ganz außerordentlichen Beschwernüssen wahrgenommen, welchergestalten in meinem aufrichtigsten Vertrauen in die göttliche Vorsichtigkeit in keinerlei Wege hilflos gelassen worden: also kann nicht umhin, meine Nachfolger wohlmeinend zu erinnern, diesem Beispiel ihrer Vorfahrer auf das sorgfältigste nachzugehen, folglichen in allen Begebenheiten ihr wahres Vertrauen und gänzliche Zuversicht auf Gott und die von ihm anzuhoffende kräftigste Unterstützung vor allen Dingen jeder Zeit zu 25

) Übergewicht. ) Diese Periode repräsentiert mit ihrem breit ausgestalteten Vordersatz, dem ein kürzerer Nachsatz folgt, eine in der Kanzleisprache aller Zeiten sehr häufige Type, welche dann auch in die schöne Literatur eingedrungen ist. Besonders kunstvoll ausgeführte umfangreiche Beispiele dafür finden sich in Goethes Werther. 26

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setzen und in allen eine reine Meinung ohne Nebenabsichten zu hegen. Dieses aber verstehet sich nicht auf eine Scheinheiligkeit, Gleisnerei oder nicht kräftig mitwirkenden Fleiß, Arbeit und Sorgfalt zu des Staats und gemeinen Besten. Hierbei werde was weniges von meinen Vorfahren melden. Diese haben aus großer Pietät viel und zwar die meisten Cameralgüter und Einkommen verschenket, welches zu selber Zeit zu Unterstützung der Religion und zu Aufnehmung27) der Geistlichkeit wohl hat geschehen können. Da aber Gott uns jetzund in denen teutschen Erblanden so gesegnet, daß sowohl die katholische Religion die florissanteste, als die Geistlichkeit genugsam und wohl fundieret ist, so fallet dieses Principium hinweg. Und wäre nicht allein nicht löblich, sondern hielte es viel mehr für sträflich, wann an die Geistlichkeit mehrers gegeben und abgetreten würde, weilen einerseits sie solches nicht bedürfen, andererseits aber jene so selbte besitzen, leider! nicht so anwenden, wie sie sollten, und anbei das Publicum sehr bedrucken. Dann kein Kloster in den Schranken der Stiftung verbleibet und viele Müßiggänger angenommen werden, welches alles eine große Remedur noch erfordern wird, wo mit der Zeit und nach guter Überlegung die Sachen weiters auszuführen gedenke. Jedoch nehme28) von diesfälligen Maßreguln das Königreich Hungarn aus, allwo wegen der Religion noch viel Gutes zu bewirken wäre, worzu der daselbstige Clerus wohl beizuziehen, keinesweges aber allein mit ihnen, sondern hauptsächlich mit Weltlichen, die diesfälligen Grundsätze zu concertieren sein, welche fürnehmlich dahin abzielen müssen, wie die Seminaria, Collegia, Akademien, Spitäler vor die Kranke und Blessierte, Conservatoria vor die ledige Frauen wie in Italien zu besseren Erziehung der Jugend einzuführen: solchem nach sorgfältig dahin den Bedacht zu nehmen, jenes zu unterstützen und zu erweitern, was dem Publico, nicht aber in particulari denen Geistlichen, Mönichen oder Klöstern in allen Ländern zum Nutzen gereichet; wohl verstanden, daß auch diese heilsame Absicht nicht ehender ") Förderung, Besserstellung. 28 ) S. sprachkundliches Nachwort S. 122. 38

gänzlich zu Stand gebracht werden könne, bis nicht der Militarstand der Notwendigkeit gemäß zu Erhaltung der Monarchie und zum Besten derer Länder und Unterthaner vollständig eingerichtet worden. Welches auch von dem Camerali, wodurch die Hof- und Gesandtschafts-Erfordernüssen der Ordnung und Notwendigkeit nach zu bestreiten seie, nicht minder von dem Schuldenwesen, als woran gleichfalls die Conservation der Monarchie hanget und ohne welche kein Staat bestehen kann, zu verstehen ist. Wann einmal sothane Staatserfordernüsse in Richtigkeit gestellet, so ist ein Landesfürst schuldig zu Aufnahm oder Erleichterung seiner Länder und Untertanen, wie auch derer Armen alles anzuwenden, keineswegs aber mit Lustbarkeiten, Hoheiten und Magnifizenz die einhebende Gelder zu verschwenden. Und obwohlen29) diese glückselige Zeit nicht erleben dürfte, so hoffe jedoch durch meine so beständige mühesame Bemühung, Sorg und Kummer die Sachen in einen solchen Stand zu setzen, daß, wann Gott seinen Segen darzu gibt, in fünfzig Jahren, auch vielleicht noch eher, man verspüren wird, wie gedacht habe; mithin mich zuversichtlich auf meine Nachfolger verlasse, daß selbe continuieren werden, in denen principiis der Tugend, Gottesforcht, Gerechtigkeit und väterlicher Liebe, Milde und Sorgfalt zu ihren Ländern und Untertanen zu beharren, so man ihnen in ihrer Jugend einzuprägen gesucht. Sollte solches, wo Gott davor behüte, nicht geschehen, so würde wünschen und von Gott inständig bitten, daß, wann frembde und die Feinde selbsten mehrere Verdienste hätten, und für ihre Länder besser sorgeten, daß solche denenselben tausendmal lieber zu Teil werden möchten. Um aber wieder auf meine Vorfahren zurückzukommen, so haben selbige nicht allein die meiste Cameralgüter verschenket, sondern noch darzu von denen in Rebellionszeiten konfiszierten Gütern die Schulden auf sich genommen, die noch wirklich zum Last des Aerarii gereichen. Kaiser Leo29 ) Diese Periode ist eine große Treppe, in der wohl sicher ein Übergang in den Hauptsatz anzunehmen ist. Sehr auffällig und für unser Sprachgefühl anstößig ist die Verdopplung der Konjunktion Daß im zweiten Teile.

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poldus fände nicht mehr so viel zu verschenken, alleine die von ihme geführte schwere Kriege haben vermutlich verursachet, daß die noch übrigen Cameralgüter versetzt und verpfändet, auch solches durch die Nachfolger nicht erleichtert worden, dergestalten, daß die vorgefundene Cameralerträgnüsse kaum 80.000 Gulden erreichen, wie dann auch bei meinen Vorfahren die Ministri große Regalien vom Herrn selbst und denen Ländern erhalten, weilen selbte nicht allein der Milde, Gnad und österreichischen Munifizenz gar schmeichelhaft sich gewußt zu gebrauchen und solche hervorzustreichen, auch der Vorfahren hierdurch erworbenen Ruhm denen gegenwärtigen vorzustellen, sondern auch, indem selbige gemeiniglich das Ohr des Landesfürsten sambt der Geistlichkeit besessen, alles erhalten, was sie nur gewollt. Auch hat sich deren Kredit soweit erstrecket, daß sie in denen Ländern mehr geforchten und verehret worden als der Landesfürst selbsten. Und da endlich die landesfürstliche Mittel abgenommen, so haben sich derlei Ministri, umb sich remunerieren zu lassen zu denen Ländern gewendet, woraus sodann deren große Praepotenz erwachsen. Und da endlich die Klagen bis zu dem Landesfürsten gekommen, so ist jedoch ein solcher aus Gnad und Langmut noch einige Zeit zugelassen worden. Und obwohlen die Gelegenheit zu verschenken größten Teils durch vorangezeigten Fürgang hinweggefallen, so wußten jedoch unter Josepho und Carolo sich die Ministri alle Gelegenheiten zu Nutz zu machen, um tunlichermaßen mittelst erhaltener Verschenk- und Versetzungen sich oder die Ihrige begnädigen. Bei allen diesen Kaisern kunte es ohnmöglich sotanen Ministris an Ansehen und Credit gebrechen, weilen jeder Minister in dem ihme zugeteilten Departement werktätig 30 ) den Souverain abgegeben. Derlei Ministri hatten fast durchgehends in allen Ländern die Stände zu ihrer freien Disposition, allermaßen jeder Ministre, so einem Lande vorstunde, gemeiniglich daselbst am stärkesten begütert, mithin im ständischen Gremio das 30

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) Tatsächlich.

stärkeste Ansehen und Credit hatte, eben darumben viele aus ihnen alljährlich von denen Ständen reichlich remunerieret wurden. Wollte nun der Landesfürst zur Unterhaltung seiner Armeen und zur Rettung des gemeinen Wesens die erforderliche Subsidia von denen Ländern erhalten, so mußte er notgedrungener denenjenigen Ministris, die allein vermögend waren, ihm solche beizuschaffen das anverlangte Gnädige und Gefällige erweisen. Dieser Zufall nun erteilte denen Ministris einen solchen Credit, daß selbst der Landesfürst solchen zu unterstützen zu Behuf seines eigenen Interesse für nützlich erachtete, anerwogen ihnen Landesfürsten die Erfahrnüss lehrete, daß, wie stärker der bei selbigen erworbene Credit deren Landesvorsteher wäre, je mehrer vermochten dieselbe mit denen ansinnenden Postulatis bei denen Ländern durchzudringen31). Die dem österreichischen Haus angeborene Milde und Gnad, welche nicht leichtlich gestattet, jemanden seines Dienstes zu entsetzen, wann er sich dessen nicht gänzlich unwürdig gemacht, stellete viel aus ihnen sicher, dem Landesfürsten und dessen Interesse selbst öfters in denen Ländern zu contracarieren, und eben darumen sie Ministri nach der angewohnten Autorität sich schmeichleten, als wann selbte nicht als bloße Ministri wie bei andern Höfen, sondern als Corregenten oder wenigstens als pares curiae anzusehen wären. Kaiser Leopoldus war unter meinen Vorfahrern derjenige, so über seine landesfürstliche Autorität feste Hand hielte und solche contra quoscunque32) zu maintenieren gedachte, gestalten selbter aus sothaner Bewegnüs mehrmalen die Ministres veränderte, auch wohl gar bewandten Umständen nach mit Ungnaden ansahe. Allein andurcli machte selbter die Ministres nur wachtsamer und vermochte nicht in Betracht der beibehaltenen alten Verfassung, die eigene Autorität 31

) Daß weist hier auf den folgenden, in einem Satz mit Hauptsatzstellung des Zeitwortes ausgedrückten Gedanken hin. Ein solches das erscheint häufig im Reim bei Hans Sachs und seinen Zeitgenossen. Aus einer solchen Fügung sind in der Urzeit unsere Daß- Sätze entstanden. 32 ) Gegen jedermann aufrechtzuhalten. 41

nebst Abstellung derer selbst eingesehenen Mißbräuchen sicher zu stellen. Der dem abgeänderten succedierende Minister wäre, obschon nicht mit denen nämlichen Vorurteilen, jedoch mit des alten Hauptprincipiis sowohl in Verteidigung seiner Autorität als deren seinem Land zuwendenden Vorteilen allerdinges verstanden, daß also mehrmalen mit sotaner Abwechslung nur das Übel ärger gemacht wurde. Ich selbst habe es erfahren, indeme durch sotane Abwechslung weder meine Autorität vermehret noch die vorgefundene Mißbräuche vermindert gesehen. Zwei Ursachen sind, woraus sotane Abusus ihren wahren Ursprung leiten: Die erste bestehet aus dem denen mehresten Menschen angeborenen Eigennutz und Dominierungsbegierde, maßen die Ministri in denen Ländern selbst stark begütert gewesen und eben darumen auch jene, so verändert worden, mit denen vorigen in der ansuchenden Verschonung gleiche Principia geführet, folglich vorzüglich mehrers auf sich und die Ihrige als auf das gemeine Wesen reflectieret. Die andere Ursache bestehet darinnen, daß eben diese Ministri und Vorsteher der Länder dieser letzteren erworbene Privilegia und Freiheiten denen Landesfürsten so schreckhaft vorgebildet, daß dadurch die Rettung des gemeinen Wesens zum öftern hilflos gelassen worden. Um nun jenes von denen Ständen precario zu erlangen, was die höchste Not erforderet, so wurde der Landesfürst gezwungen, sich des Ansehens und Credits seines Ministri zu bedienen, auch selbten die anverlangten Vorzüge gutwillig einzugestehen, um nur sich und den Staat vor dem androhenden Untergang zu retten. Die so hoch angerühmte Privilegia fundieren sich bei der Sachen genauer Einsicht meistens nur auf denenselben werktätig nur connivendo eingestandene und von denen Antecessoribus confirmierte Gewohnheiten, welche Gewohnheiten in Ansehung ihrer von Zeit zu Zeit erfolgten Confirmation lediglich dem Ansehen, Credit und Präpotenz der Ministerii, so gemeiniglich aus lauter Ständen bestanden, beizumessen sind. Und da in denen Confirmationen die Wörter: w o h l h e r g e b r a c h t e Gewohnheiten 42

sich ausgedruckter befinden, so kann derenselben Beibehaltung mit guten Recht nur auf die gute, nicht aber die übel hergebrachte Gewohnheiten verstanden werden. Gewiß ist33), daß in keinem Lande die Stände ihre Freiheiten jemals so hoch angezogen haben würden, wann nicht selbige von denen Ministris da deren Autorität und Ansehen lediglich davon abgehangen, kräftigst wären unterstützet worden, daran aber hauptsächlich der Hof schuld gewesen, weilen niemals keine Einrichtung in nichts und, umb Geld gleich zu haben, man alles weggeben und getan hätte; allermaßen, sobald der Landesfürst der willkürlichen Gewähroder Abschlagung deren Ständen in seinen Ansinnungen nicht unterworfen gewesen wäre, selbter nicht nötig gehabt hätte, deren Ministrorum Credit und Ansehen zu Erfüllung seiner Intention anzuwenden. Dieses ist die wahre Quelle, warum unter meinen Vorfahren zu Schwächung der landesfürstlichen Autorität der Ministren Ansehen und Credit so hoch und über alle billigen Grenzen gestiegen und warumen, in so lange sotane Hauptverfassung fürgedauret, solche zu beeinträchtigen oder zu schmälern nicht für ratsam erachtet worden. Diese Ministri haben den bei dem Landesfürsten praeferenter vor andern erworbenen Credit ferners dahin auch angewendet, umb jenes Land, deme sie vorgesetzet und darinnen begütert waren, dermaßen zu begünstigen, daß die andere Erblande andurch gedrucket und gleichsam angesehen worden, als wann selbige frembde Länder wären, und nicht einem Herren gehöreten. Dieses wäre die einzige Ursach, wodurch ehender in das Klare gekommen und nach und nach meine messures genommen, die völlige Abänderung in der Regierungsform vorzunehmen. 33

) Die bedeutenden Schwierigkeiten dieses Satzes haben ihren Grund hauptsächlich in den weitgehenden Auslassungen. Die Stellen: Keine Einrichtung in nichts halte ich für eine bei Hofe geläufige Phrase, die also dort verständlich war. Nicht ganz deutlich ist mir auch das Wort aller Maßen. Bedeutet es: da ja, quoniam, wie ja oder während? 43

Der unter ihnen Ministris allstets fürgedauerte Neid, Mißgunst und Verläumbdungen haben zu denen dienstschädlichsten Animositäten, einfolglich zu unheilbaren Präjudiciis Anlaß gegeben, als wordurch die heilsamsten Maßreguln unterbrochen oder zu erteilende consilia mit unzähligen eigensinnigen Vorurteilen meistenteils begleitet und solcher Gestalt der Landesfürst in die äußerste Verlegenheit mehrmalen gesetzet worden. Und gleichwie man viele meiner Vorfahren eines allzu langsamen Fürgang oder Unentschlüßung in denen Landesund Staatsgeschäften beschuldiget, also ist hieran lediglich die unter denen Ministris stets fürgefallne Disharmonie und die eigensinnige Verfechtung eines jeglichen eigener Meinung die wahre Ursach gewesen, wordurch natürlicher Dinges ein Landesfürst umb so unentschlüssiger werden muß, als er in seiner Meinung zu irren vermuten kann. Diesfällige unter allen Kaisern immerzu fortgedauerte Uneinigkeit des Ministerii hat öfters Land und Leute in äußerste Gefahr des Umsturzes gestellet, aus welchen die göttliche Vorsichtigkeit alleine dieses Haus gezogen und gerettet hat. Nachdeme Ferdinandus die böhmische Rebellion gedämpfet und jene ihme treu gebliebene Ministres und andere mit Geschenken und Wohltaten überhäufet, so haben diese den erworbenen Credit bei denen in Böhmen neu errichtenden Landesordnungen mehr auf die Vorzüge des Landes als das Interesse des Landesfürsten das Absehen gerichtet, wo doch das Land durch die Waffen erworben worden. Die Charge eines oberisten Kanzlers hat respectu deren böhmischen Länder vor den landesfürstlichen Dienst die stärkeste Inconvenienzien und schädlichste Wirkungen nach sich gezogen, maßen der Souverän vor sich selbst oder auf Einraten seiner übrigen Ministres in dortigen Ländern schwerlich was auszuwirken oder geltend zu machen vermochte. Es wäre dann, daß der obriste Kanzler mit ihme verstanden wäre. Aus diesem nämlichen abusu hat sich natürlicher Dinges ergeben, daß die ganze Kanzlei in Befolgung der Maßreguln eines zeitlichen obristen Kanzlers weit bereitwilliger als jener, so der Landesfürst angeordnet, 44

sich stets geäußert, daraus das nach und nach erschlichene ganz unermeßliche Pouvoir eines ehemaligen böhmischen obristen Kanzlers und, wie nach solches mit der königlichen Autorität und dem Dienst keines Weges compatible seie, genugsam erhellet. Dieses hat jene von meinen Vorfahren vor die große und mächtige in denen Ländern gezeigte Indulgenz und Gnade, obschon diese durch dererselben Milde und Wohltaten zu denen großen Mitteln gelanget, lediglich verursachet, zumalen gewisse Familien durch ihren erworbenen Credit es so weit gebracht, daß diese ansehnliche Chargen, sobald nur aus selbigen einer vorhanden wäre, auf solche immer zuruckgediehen, mithin diese präpotente Principia de patre in filium fortgepflanzet worden, einfolglich die gänzliche Supprimierung dieser Obrist-Kanzler-Stelle eine zu Beförderung des Dienstes sehr nützliche Sache ist. Ohne ist es nicht, welcher Gestalt die böhmische Kanzlei weit mehrere Ordnung als die österreichische beobachtet und nicht leichtlich gestattet, daß ihrer Autorität ständischerseits allzu nahe getreten würde, alleine selbe trüge kein Bedenken, von denen inneren Landesverfassungen dem Souverain meistens ein Geheimnüss zu machen, mithin zu invigilieren, damit selbter davon nicht allzu genau informieret werde. Dessen Beschönigung mußte sein, hierdurch zu verhindern, damit die Hofkammer sich in die Provincialia nicht einmischen möchte. Und solcher Gestalten wäre untunlich, das landesfürstliche Ansehen und Befehle ohne der Kanzlei Einstimmung respektieren und gelten zu machen, mithin die obriste Kanzler Gelegenheit hatten, ihren Credit und gefällige Disposition immer mehrers und mehrers zu befestigen, auch zum öftern solche zum Nachteil derer übrigen Länder zu gebrauchen, welches vice versa auch von denen österreichischen Ländern zu verstehen, wann deren capi an Credit jenen, so die böhmisch zu verstehen, wann deren capi an Credit jenen, so die böhmische gouverniereten, überlegen waren. Und nachdeme das Ministerium meistenteils mehr aus österreichischen als aus böhmischen Ministris bestanden, so haben auch größten Teils die erstere über letztere prädominieret. 45

Diese wahrhafte Umstände haben zu einem eingewurzelten beständigen Haß unter beiden Nationen Gelegenheit gegeben dergestalten, daß von denen Nationalministris bis auf die mindeste Membra oder Kanzleiräte alle sorgfältige Conatus stets angewendet worden, wie eine die andere rechtschaffen unterdrücken möchte. Jedoch hat die österreichische Landsmannschaft es allen übrigen abgewonnen und an Präpotenz alle andere überwogen. Besonders haben die Hungarn solches empfunden, die man in einer allständigen Unterdrückung zu halten gesuchet auch sothane Nation von allen Diensten ausgeschlossen. Der scheinbare Vorwand wäre darzu die daselbst fürgewaltete Unruhe und Rebellion usque ad tempus Caroli VI. Alleine die Billigkeit und reine Politique erheischet, die räudige Schafe von der Herde abzusondern, mithin jene, so eine Belohnung verdienen, nicht mit denen unwürdigen in gleicher Verdammnüss zu halten, wodurch notwendig diese in eine Kleinmütigkeit und Desparation versetzet werden müssen. Solchemnach beweise, wienach die Ministri meiner Vorfahren sich keineswegs einer weislichen zu Beförderung des Dienstes gereichenden Politique, sondern nur des erworbenen starken Credits darzu bedienet, um das eigene Convenienz zu befördern und die Ministerialchargen auf ihre Familie und Befreundte fortzupflanzen und dem alten eingewurzelten Gebrauch ihres Vorfahrers zu folgen. Es wäre ferners ein großer dienstschädlicher Mißbrauch, daß die Capi und Vorsteher von denen Ständen bezahlet und beliebig remunieret wurden. Andurch verblieben dieselbte von denen Ständen in einer beständigen Dependenz umb so viel mehrer, weilen sie in diesen falschen Principiis alle Zeit erzogen worden. Zu verwundern ist, daß meine Antecessores bei dessen Gestattung die Erhaltung der Monarchie denenselben anvertrauen können. Umb alles dessen überzeuget zu werden, so darf nur die Beschaffenheit derer österreichischen Länder, wie solche bei dem Antritt meiner Regierung befunden, wohl erwogen werden. Diese haben stets nach Wohlgefallen sich selbst gouvernieret, indeme die Kanzlei umb deren Interessen sich 46

wenig oder gar nicht bekümmert und die Annectoten und Landesrechnungen beweisen, daß mehrmalen die mindeste diesfalls angedrohete Einsicht mittels reichlich erteilter Remunerationen und Geschänknüssen, davon man dem Landesfürsten auch öfters seinen guten Anteil gelassen, künstlich abgewendet worden. Das Hauptübel 34 ) war, daß schon zu selbigen Zeiten mehrere Ministri nur auf ihr eigenes Land gesehen, mithin keiner aus ihnen sich getrauet noch gewollt, das odium an sich zu ziehen, so die Calamitäten, da in dem italiänischund hungarischen Krieg alles verfallen war, umb so mehrers vergrößerte, als jeder Minister von dem ihm anvertrauten Land ein mehreres zu begehren sich nicht getrauet; und andurch nahmen die andern Gelegenheit, demselben auf den Leib zu fallen und öffentlich zu verschmähen. Und solcher Gestalten wurde der Credit in allen Ländern gehemmet, jedoch mußten die notwendige Erfordernüssen mit Credit bestritten werden: Keine fundi noch Cameralgefälle waren mehr vorhanden, umb verpfänden zu können, folglich Alles auf Credit des Contributionalis derer Länder aufgenommen werden mußte, wobei der Landesfürst und der Untertan wenig oder nichts, einige particulares aber gar viel profitieret haben. Der lang gedaurete Friede ist allein angewendet worden, umb den Herrn irre zu machen, die factiones zu vermehren und Gelegenheit zu suchen, die leidige spanische Ideen35), mit denen man alle Zeit hervorgekommen, nur ausführen zu können, denen sehr viele Ministri angehangen, auch denen generösen Sentiments des Monarchen nicht unangenehm sein konnten. Dahero wäre bei hervorbrechenden Krieg ohne innerlichen noch äußerlichem Systema oder Idee alles in der größten Verwirrung und wurde hierdurch diese Monarchie der äußersten Gefahr bloßgestellet, zumalen die dermalige eigene Domesticalschuldenlast deren österreichischen Provinzien 24 Millionen übersteiget, deren Verinteressierung allein 34 ) Das UnterOrdnungsgefüge dieses umfangreichen Satzes ist immer wieder durch freie Beziehungen oder durch unvermittelten Übergang in die Hauptsatzform durchbrochen. 36 ) Vgl. A n n . 15.

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1,200.000 erheischen, welche von dem Militarcontributionsstatu notwendigerweise entfallen müssen; dieser Fürgang auch umb so unverantwortlicher, als die vormalige landesfürstliche Postulata zu Verschonung deren Dominiorum, so größten Teils gar nichts contribuieret, mit aufgenommenen Kapitalien bestritten worden. Diese betrübliche Umstände haben mir billig zu einer Richtschnur gedienet, behutsamer in dem Vertrauen in meine Ministres und Räte fürzugehen. Jedoch wäre meine Sorgfalt insolange umbsonst, bis mich nicht gezwungen gesehen, die innerliche Hauptverfassung abzuändern. Die Disharmonie zum Schaden meines Dienstes wäre so groß zwischen denen sämtlichen Stellen, daß ich wie meine Vorfahren bemüssiget wäre, meine mehreste Zeit zur Schlichtung dieser dienstschädlichen Disputen anzuwenden. Die größte Erbitterung wurde von Seiten des Ministerii alle Zeit gegen die Hofkammer gerichtet und fast alle in größter Uneinigkeit stehende Ministri kamen darinnen überein, solche zu unterdrucken. Solche Stelle wäre an sich selbst ein lebloser Körper, so von allen Seiten verlassen wäre. Diese sollte immer Geld verschaffen, wo doch die Kanzleien alle Gelegenheiten, solches zu erlangen, öfters aus dem Wege raumeten. Die über Kräften schreitende Verschuldung des Aerarii und die außerordentliche Konfusion, so bei der Hofkammer fürgewaltet, welche aus Nebenabsichten mehrmalen mit Fleiß unterhalten wurde, haben zu verschiedenen von der Hofkammer verübeten Fehltritten, dargegen alle Ministri und Publicum reclamieret, Anlaß gegeben. Jedoch hat fast niemalen das Ministerium •die media, die Bedürfnisse sicher zu stellen, suppeditieren wollen, wodurch leichtlich ermeßlich der alle Zeit fürgedauerte Krieg zwischen denen Stellen zum Umsturz der Monarchie sich verewiget hätte, wann nicht dieses Unwesen aus der Wurzel zu beheben gesuchet 36 ). Davon fernerhin das mehrere anzeige und weiters zu der M

) Wenn (ich) nicht dieses Unwesen aus der Wurzel zu beheben gesucht (hätte). 48

DRITTEN ABTEILUNG schreite, nämlich zu denen Maßreguln, welche in dem neun Jahr angedauerten so beschwerlichen letzteren Krieg beobachtet und durch welcherlei Ursachen bewogen worden, demjenigen, so da geschehen, die Hand zu bieten37). Ich habe in dem ersten Teil die höchst betrübten Zufälle bei Antretung meiner Regierung, meine Inexperienz und die unterschiedliche Factines angezeiget, in dem anderen aber, wie die von älteren Zeiten her eingeschlichene große Staatsfehler anfänglich zu erkennen, noch weniger vollkommen abzustellen mir ohnmöglich wäre, welches verursachet, daß die Sachen in die unglückliche Situation gebracht und verfallen seien, woraus ohne augenscheinlichen Mirakul und besondere Hilf Gottes man niemalen eluctieren können. Ich habe schon gemeldet, daß mit Freuden zu nichts und zu einer Großherzogin von Toskana38) worden wäre, wann geglaubet hätte, daß es Gott also wollte. Weilen aber er mich zu dieser großen Last der Regierung auserwählet, so habe zum Principio gehabt, daß so lang als noch was finden werde zu helfen oder einige Resourcen vorhanden sein würden, ich solche anwenden wolle, und daß ich dieses zu tun schuldig seie. Solches hat mich in eine solche Gelassenheit des Geistes gesetzet, daß meine eigene Begabnüssen39) wie eines frembden seine angesehen, auch so wenig Haß vor meine Feind empfunden, daß ein Anteil an dem unglücklichen Begeben und Tod des bayrischen Kaisers40) genommen, dann vor die Franzosen in der Belagerung vor Prag nicht minder vor die 37

) entgegenzutreten. ) S. Anm. 15. 39 ) Schicksale, Erlebnisse. 40 ) Karl Albert von Bayern erhob als Gatte einer Schwester K. Karl VI. nach dessen Tod Ansprüche auf das österreichische Erbe und auf die römisch-deutsche Kaiserkrone. Er wurde auch 1741 zum Kaiser gewählt und als Karl VII. gekrönt. Aber gerade während des Aufenthaltes in Frankfurt im Februar 1741 besetzten die Österreicher Bayern. Karl starb im Jänner 1745 fern von seinem Lande. Sein Sohn Max Joseph verzichtete 1745 gegen Rückgabe Bayerns auf alle seine Ansprüche und sicherte Franz Stephan von Lothringen dem Gemahl Maria Theresias, seine Stimme beider Kaiserwahl zu. 38

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Preußen wegen der erlittenen grausamen Kält und Ungemach, keineswegs aber vor des Königs Person, den zwar nicht gehasset, jedoch wegen seiner auch kein Mitleiden empfunden, weilen er solches niemalen gebrauchet, seinen falschen Charakter aber alle Zeit abhorrieret. Dieses war41) die Situation meines Gemütes in denen Kriegstroublen bis zum Dresdner Frieden. Die Beilag, so den ganzen Hergang der Sach sowohl in politischen als innerlichen Begebenheiten anzeiget, so in dieser Zeit sich zugetragen, habe wohlbedacht durch Bartenstein verfassen lassen auch mit großer Attention solche durchgegangen, sowohl zu künftiger meiner Rechtfertigung als noch mehreren Instruction meines Nachfolgers, damit er weiß, wie die Sachen in der Welt gegangen, wo viele davon raisonieret und noch raisonieren und aus denen Anteactis und Operationen kann nachgesuchet und dargetan werden, warumen ein und anderes geschehen und öfters geschehen müssen. Dann eine jede Regierung wird kritisieret, wann ein anderer Nachfolger ist. Bis zu dem Dresdner Frieden habe herzhaft agieret, alles hazardieret und alle Kräften angespannet, weilen neben meinen vorhin ausgesetzten42) Principio noch ein besonderes gehabt, daß nämlich meinen armen Erblanden nicht Unglückseligeres geschehen könnte, als in preußische Hände zu verfallen; wie dann, soferne nicht alle Zeit gesegneten Leibes gewesen, mich gewiß niemand aufgehalten hätte. selbsten43) diesem so meineidigen Feinde entgegenzusetzen, Gott aber hat es anders verhänget; man kann sich einbilden, mit dieser Liebe und Tendresse, als vor die Länder gedacht, daß sie alle Zeit mir und meinen Kindern sogar vorgezogen, wie unerträglich und trostlos mir fallen muß deren will nicht sagen Haß aber Unerkenntlichkeit zu ertragen. Und wie gesehen, daß die Hände zu dem Dresdner Frieden reichen mußte, so habe auch auf einmal meine Gedenkensart geändert und solche allein auf das Innerliche deren Länder gewendet, umb die erforderliche Maßreguln zu ergreifen, 4 1 ) Die Schwierigkeit dieser verhältnismäßig Periode liegt in mannigfachen Einzelheiten. " ) angeführten, ausgesprochenen. " ) mich selbst.

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einfachen

wie die teutschen Erblande von denen so mächtigen beeden Feinden, Preußen und Türken, bei ermanglenden Festungen und baaren Geldes, auch geschwächten Armeen noch erhalten und zu beschützen wären. Das Systema dieses Hauses ändert sich völlig, indem selbiges vormals die Bilanz gegen Frankreich gehalten, nunmehr aber hierauf nicht mehr zu gedenken, sondern alleine auf seine innerliche Konservation, einfolglich die Niederlande und Italien keine Objecta mehr waren, den Krieg zu verlängern; und also mußte man sehen, mit guter Art, es koste was es wolle, herauszukommen. Dieses wäre die Ursach, warumben man den Aachener Frieden so geschwind hat schließen machen. Und seit dem Dresdner Frieden wäre mein einziges Trachten, mich von der Länder Situation und Force zu unterrichten, hiernächst die bei denenselben und in denen Dicasteriis eingeschlichene Abusus, in deren Ansehen alles in dem verwirrtesten, üblesten Stande und Konfusion befunden, rechtschaffen zu ergründen und zu erkennen. Diejenigen, die mir hievon Connoissance geben sollten, waren dessen nicht capable oder wollten es nicht tun. Auch in diesen bin Bartenstein alles schuldig, welcher mir vieles an die Hand gegeben und das wahre Licht angezündet, wo nachgehends etwelche Particulares gefunden, die mir durch den Canal des Cabinettssecretarii Koch44), den zu selbiger Zeit aufgenommen, vieles beibringen lassen, wie auch unter der Hand geheime Informationes hier und in denen Ländern mir zu procurieren alle Mühe angewendet. Dessen Verschwiegenheit hat wenig ihres gleichen, dabei er ungemein ehrlich, christlich und ohne Intriquen ist. Er war schier mit mir auf den Fuß wie Tarrucca45), dem Herber44 ) Koch Ignaz. Geboren 1707 als Sohn des Legationssekretärs Gottfried Koch, Jurist, Sekretär des Prinzen Eugen in den Niederlanden, Hofkriegsrat unter Karl VI., Kabinettssekretär Maria Theresias und Hofrat, 1748 in den Freiherrnstand erhoben, 1763 gestorben. 45 ) Sylva Taroucca Emanuel Tellez, Graf. Geboren 1696 in Lissabon, 1715 als Freiwilliger im kaiserlichen Heer, Vertrauter des Prinzen Eugen, von Kaiser Karl VI. in niederländischen Geschäften verwendet, 1740 Geheimer Rat und Präsident des Niederländischen Rates, 1771 gestorben.

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stein nach seinem Tod substituieret, zu meinem Particularconfidenten und Rat, außer daß selben als der teutschen Sprach kundigen die Militaría und Kanzleiagenda auch Ländersachen von ihme extrahieren und mir referieren, nicht minder darauf die Resolutiones zu meiner Einsicht und Approbation entwerfen lassen. In Staatssachen habe selbten niemalen gebrauchet, dann hierinnen allein Bartenstein gefolget, aber in allen andern besonders in meinen eigenen Particularanliegenheite n Verdruß und Sorgen mich seines Rates bedienet und dabei mich alle Zeit wohl befunden. Meine Hauptmaxime war: Gott nicht getreu46), was kann der Mensch von ihm erwarten? bleibt auch der Segen aus. Bartenstein und Haugwitz47) gaben mir vor den Staat und Erhaltung der Monarchie das Benötigte in die Hand, Tarrucca und Koch dieneten mir zu meinem Trost, Rat und Pa rticularauskundschaften, zu meiner eigen Erkanntnüss und Correction; und werde, so lange ich lebe, an dieser ihren Personen, Kindern und Kindeskindern erkennen, was sie mir und dem Staat vor Dienste geleistet. Auch verobligiere meine Nachkömmlinge, solches an denen ihrigen alle Zeit zu erkennen, so lange sie selbigen finden und sein, allermaßen nebst der Information vor meine Nachfolger die vier Personen die Hauptursache sind, warumen diese Schrift verfasset, damit bei der Nachwe lt ihre Namen verewiget und denenselben an denen ihrigen er setzet werden, was ich nicht genugsam erkennen48) können. Damit aber wiederumb auf der Sachen wahren Verlauf zurückkomme, so wende mich zu der ") Verkürzter Bedingungssatz: Wenn der Mensch Gott nicht getreu ist, was kann er von ihm erwarten ? 47 ) Haugwitz Friedrich Wilhelm, Graf. Geboren um 17 00 als Sohn des sächsischen Generals Georg Karl Freiherrn seit 1733 Graf von Haugwitz, trat in jungen Jahren z u m Katholizismus über, seit 1725 österreichischer Beamter, Beisitzer und Oberamtsrat in Breslau, bleibt bei Besetz ung von Schlesien durch die Preußen in österreichischen Diensten, 1742 Präsident in Troppau, 1749 Präsident des Directoriums und oberster Kanzler, 1760 enthoben und Mitglied des Staatsrats, gestorben im September 17 65 . 48) danken, vergelten.

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VIERTEN ABTEILUNG, welche jene nach erfolgtem Generalfrieden veranlaßte Veränderung in sich enthaltet, in der inneren Verfassung bei denen Hofstellen, und in denen Ländern, welche mit dem zur Erhaltung der Monarchie festgestellten Systema vereinbaret worden. Die Defectus und Mißbräuche diesartiger inneren Verfassung habe bereits in der anderen Abteilung dargetan, mithin auf deren Abstellung fürzudenken mich umb so mehreres bemüßiget gesehen, als die göttliche Providenz mir klar vor Augen geleget, wienach die zu Erhaltung der Monarchie unumbgänglich zu ergreifenden Maßreguln mit diesfälliger alten Einrichtung weder zu combinieren und am allerwenigsten zu Stand zu bringen wären. Jeder aus meinen Ministris hat zwar von selbsten anerkannt, daß zu Erhaltung Cron und Scepters höchst nötig seie, über 100.000 Mann auszuhalten, hiernächst das in die äußerste Zerüttung verfallene Finanzwesen der Notdurft gemäß in ein ordentlich-richtiges Systema zu bringen. Ich habe zu diesem Ende ihnen Ministris committieret, ihre Gedanken hierüber mir schriftlich zu eröffnen und ein derlei Systema bald möglichst auszuarbeiten. Da aber meines diesfälligen öfteren Erinnerns ohnerachtet keine Idee hiervon in Vorschein gekommen, auch beobachtet, daß man mehr Contradictionen und Raisonnements als mit wirklicher Handanlegung in einer so wichtigen keinen Zeitverlust gestattenden Sache sich aufzuhalten gemeinet sei, allermaßen man das Werk immer trainieret und niemand mit Ernst hierzu schreiten wollen oder können: so ist jedoch durch besondere Verhängnüß und Providenz Gottes und zum Heil dieser Länder Graf Haugwitz mir bekannt worden, welcher aus Treu und Eifer alles in Schlesien verlassen und dahier üble Zeiten mit mir ausgestanden. Ihro Majestät der Kaiser haben denselben zum ersten mir bekannt gemacht und nach seiner Graf Tarrucca, welcher letzterer alle Zeit in meinem Particulari nebst denen italienisch- und niederländischen Affairen mein Consulent war, und von deme vielen guten Rat und Ermahnungen in meiner Unerfahrenheit bekommen; auch 53

hat mir selbiger die Sachen und Leute recht kennen lernen, wobei er sich jedoch in die Länder- und Staatsangelegenheiten niemalen gemischet, indeme er mir alleine zu meiner Direction gedienet, umb meine Fehler mir erkennen zu geben und vorzuhalten; welches höchst nötig für einen Regenten, dann sich wenig oder keine finden, die es tun und solches gemeiniglich aus Respect oder Interesse unterlassen. Wünschte dahero allen meinen Kindern, daß sie dergleichen finden möchten, die ihnen solchergestalten an die Hand giengen, maßen ihme Tarrucca hierinfalls vieles schuldig bin, welches an seinen Kindern zu erkennen alle Zeit befließen sein werde, auch meine Nachfolger hierumen ersuche. Damit aber49) wiederumb auf den Haugwitz komme, so ist mir selber wahrhaft durch die Providenz zugeschicket worden, dann just umb durchbrechen zu können, einen solchen Mann haben mußte, der ehrlich, ohne Absicht, ohne Praedilection und ohne Ambition noch Anhang, der das Gute, weil es gut erkennet wird, soutenieret, nebst einem großmütigen Desinteressement und Attachement vor seinen Landesfürsten, ohne Praevention, mit großer Capacität und Freud zur Arbeit auch beständigen Application, das Licht nicht scheuend, noch den unbilligen Haß deren Interessierten sich zuzuziehen; also zwar, daß Graf Harrach, der doch sein größter Widersprecher war, wie nachgehends anzeigen werde, selbsten vielmal mir gemeldet, daß ohne ihme Haugwitz die Sachen niemals in den Stand hätten kommen können und daß hierzu ein solcher Mann hätten sein müssen, noch daß jemand als er allein diese Sachen zu entreprenieren sich getrauet hätte, wie dann der besondere Segen Gottes in allen und jeden die mächtige Hand über ihn gezeiget. In dieser bereits zu erkennen gegebenen sehr üblen Situation waren die Sachen, als durch den Cabinettssecretarium Koch den Grafen von Haugwitz dahin veranleiten lassen, den Plan zu Unterhaltung von 108.000 Mann, nachdem mit ihrer Majestät dem Kaiser d'accord war, zu verfassen und 49 ) In dieser Periode stört namentlich die Koordination verschiedener normaler Glieder den Satzbau.

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zwar mit möglichster Wirtschaft 80 ), Abstellung aller Militarexcessen und denen Länder angönnenden tunlichsten Erleichterungen, welches auch von ihme Haugwitz solchergestalten befolget worden, wie dann sotane Ausarbeitung bei mir und Ihro Majestät dem Kaiser eine umb so mehrere Approbation erreichet, als darinnen einerseits die Ruhe derer Länder und deren Sicherstellung von aller Militarbedruckung, anderseits aber die möglichste Militarwirtschaft, jedoch mit Beilassung eines jeglichen notdürftigen und hinlänglichen Auskommens, zum Grunde geleget worden. Ich ließe hiervon durch den Grafen von Haugwitz dem obristen Kanzler Grafen von Harrach vertrauliche Communication tun. Dieser äußerte sich sogar gegen mich, in denen Hauptprincipiis gänzlich hiermit verstanden zu sein, und alle Ministri gaben demselben fast einen allgemeinen Beifall, außer daß einige anvorderist die Kräften der Länder zu Erschwingung derer hierzu erforderlichen Summen genauer zu examinieren vermeinten, welcher billiger Gegenstand51) dardurch größten Teils gehoben wurde, daß mittels einer gefertigten Bilanz zu Tage geleget worden, weichergestalten, wann alle Exactiones, Landespraestanda und übrige Auslagen, so das corpus statum und übrige Private erduldet, zusammengeschlagen werden wollten, die hieraus zu eruierende Hauptsumma jene Erfordernüsse, so zu Conservierung dieses Systematis bedürftig, ohnfehlbar überschreiten dürften, welches die Beilag des mehreren bestärket. Die erste Hauptdifficultät, so man diesem Systemati entgegengesetzet, wäre die unter denen sämmentlichen Erblanden vorzunehmende Repartition, maßen man sich auf einen vermeintlich hergebrachten Dividenten bezogen, vermög welchem die ärmsten und am mehresten praegravierte innerösterreichischen Länder in einer unerschwinglichen Proportion beigezogen werden sollten. Der Obristcanzler Graf von Harrach, der hierauf am mehresten insistierete, fiele auf die Gedanken, samt52) alle Cameral- und Consumtionsaufschläge in denen Ländern, so verschiedene Millionen 50

) Sparsamkeit. ) Widerstand, Widerspruch, Einwand. ) Samt (Samb?) wie wenn, daß.

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importieren, aufzuheben, dahingegen denen Ständen anzumuten sei, alles das, was das noch wenig übrig verbleibende Camerale nicht zu erschwingen vermöchte, sowohl zu der systematischen Unterhaltung derer 108.000 Mann als auch zu genugsamber Bedeckung des ganzen Schuldenwesens und des status cameralis zu verwilligen. Hierinfalls53) fände selbter von niemanden einen Beifall, indeme eines Teils durchgehends vor eine Unmöglichkeit angesehen und der Umsturz des Banco festgesetzet wurde (deme alle Zeit, so viel möglich, ausweichen wollen), obschon gegen Zugestehung obangezeigter Benficiorum denen Ländern die bis gegen 27 Millionen hinaufsteigende Bedürfnisse zuzumuten, zumalen ohne Beiziehung derer Consumenten in denen Aufschlägen 5S ) Der große Absatz 56 (310) bis 57 (311) kann nur in Teilen erklärt werden. Den Anfang bilden zwei Satzgebilde bescheidenen Umfangs, deren Verständnis sich sofort erschließt, wenn man an der ungewohnten Konjunktion samt (s. Anm. 52) keinen Anstoß nimmt. Den Mittelteil aber bildet eine Periode, die durch einen nachträglich eingefügten Zusatz in Unordnung geraten ist. Ich gebe zunächst diesen Anfang in der Form, wie er wohl ursprünglich gedacht war. Hierinfalls fände selbter von niemanden einen Beifall indeme eines Teils durchgehends vor eine Unmöglichkeit angesehen wurde obschon gegen Zugestehung obangezeigter Beneficiorum (Steuernachlässe) denen Ländern die bis gegen 27 Millionen hinaufsteigende Bedürfnisse zuzumuten, zumalen ohne Beiziehung deren Konsumenten (Verbraucher) in denen Aufschlägen (Preiserhöhungen) die Ertragung sothaner Last denen Kontribuenten (Steuerzahler) so unerträglich als unmöglich sein mußte, andern Teils aber weder ich noch meine übrige Ministri. . . In diese ordentlich gebaute Periode drängte sich nach dem Worte angesehen der stark gefühlsbetonte Zusatz: Und der Umsturz des Banco (der Staatsbank) festgesetzet wurde deme (ich) alle Zeit, so viel möglich (habe) ausweichen wollen. Dadurch wurde der Satzzusammenhang rettungslos zerstört. Ähnliche gefühlsmäßige Einschübe erschweren auch das Verständnis des Folgenden.

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die Ertragung sotaner Last denen Contribuenten so unerträglich als möglich sein müßte; andernteils aber weder ich noch meine übrige Ministri bei der Posterität vor verantwortlich ansehen kunte, die zeit meiner Vorfahrer allschon festgestellte und wirklich incamerierte Aufschläge wiederumb gänzlich aus Händen zu lassen, mithin die an deren Stellen zu constituirende Länderpostulata die ganze landesfürstliche Wesenheit, dessen Wohl und Wehe und völlige Unterhaltung dem ständischen geneigten Willen und willkürlichen Disposition zu unterziehen, dergestalten daß hierdurch die landesfürstliche Macht sehr eingeschränkt würde, andurch die Stände oder einige Particulares davon profitieren könnten, in das Künftige aber das allgemeine Beste gleichwohlen nicht promovieret wurde; dann so viel meine Autorität gebraucht, weilen geglaubt, es wäre nötig und heilsam, so gerne und gleich hätte selbe eingeschränkt, ja wohl gar vergeben vor mich und meine Nachkömmling, wann durch deren Ständen Administration die Gerecht- und Billigkeit und dem gemeinen Besten wäre besser prospicieret worden. Weilen aber des contrarii nur gar überzeuget wäre, und selbe Höhere oder Potentiores nur ihren Vorteil und Ansehen gesucht auf beeden Teilen zu vermehren, mit dem den arbitrum zwischen dem Landesfürsten und Ständen nach eigenem Belieben und Wohlgefallen allstets gemacht hätten, so habe in derlei Ideen unmöglich eingehen können. Es sollte zwar des Grafen von Harrach Projekt, umb die Contribuenten die unerschwingliche Summen zu praestieren in Stand zu setzen, mit weitaussehenden Commerzialprincipiis unterstützet werden, allein da zu deren Ausführung mehr als zehen Jahr erforderlich, so hätte der angehoffte Erfolg von keiner baldigen Wirkung, damit den Contribuenten sattsam zu unterstützen, sein können. Solchemnach wurde des Grafen von Harrach Meinung per unanimia vota, welche in ein volumen aparte zusammentragen lassen, in einer Conferenz verworfen, und, da niemand bei selber was anderes oder besseres als in dem Haugwitzischen systematischen Entwurf, welchen schon ehender mit dem einzigen Bartenstein resolvierter gehalten habe, befindlich mir einzuraten wußte, so faßte den Entschluß, ihne Grafen 57

von Haugwitz nacher Mähren und Böhmen abzusenden, um alldortige Stände sondieren zu lassen, inwieweit selbige in diesfällige systematische Ideen zu ihrem eigenen Besten einzugehen geneigt sein dörften. Die Ministri, besonders der Obristkanzler Graf von Harrach, waren des Vermutens und bildeten sich festiglich ein, es würden die Stände in derlei Ansinnen einzugehen nimmermehr zu bewegen sein; es manglete auch diesfalls nicht an verschiedenen Einstreuungen, maßen man sich von hier aus äußerst bemühete, die Stände in sotaner guter Gesinnung irre zu machen, so aller Dinges umb so leichter zu befahren54) wäre als, diesorts sehr widrige Ausdeutungen in besagte Länder geschrieben worden. Gleichwie aber der göttlichen Providenz die Ausführung meiner zu Aufrechthaltung der Monarchie abzielenden Idee mit aufrichtigsten Vertrauen übergeben, also verspürete auch augenscheinlich den erwarteten göttlichen Beistand, indeme Graf von Haugwitz der von hier aus ihme in den Weg gelegeten Schwierigkeiten ohnerachtet den Beitritt zu dem festgestellten Militarsystemati nebst all demjenigen, was hierzu zu praestieren, von denen mährischen Ständen glücklich erlangete. Ich erteilte demselben hierauf den Befehl, auch in Böhmen die nämlichen Propositiones zu tun. Daselbst schiene die Sache einigen mehreren Difficultäten unterworfen zu sein, anerwogen die von hieraus dargegen gemachte Schwätzereien und Schwachheiten selbe irre gemacht haben. Dem allen ohnerachtet wurde auch in Böhmen das Werk ganz glücklich ausgeführet und die ständischen Deputierten zu Schlüssung des Recess langeten aus Böhmen und Mähren dahier an. Graf von Harrach nebst einigen anderen Ministris behaupteten, samt die Stände in diesen zwei Ländern mit ihren Verwilligungen sich übereilet oder auch gar corrumpieret worden wären (wo doch in keinem Land zu derselben Ehre nicht das mindeste gegeben noch verheißen habe, noch jemand was begehret) oder doch wenigstens hierbei andere Conditiones, so mit der Harrachischen Meinung einstimmen möchten, hätte vorbedingen sollen. M

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) befürchte.

Ich habe hierauf selbst die angekommene ständische Deputierte von beiden Ländern auf ihr Gewissen befraget, ob selbte die Harrachische Idee denen Ländern vor vorträglicher erachteten; welche mir dann einstimmig beteuret, samt solche ganz untunlich mithin lediglich als eine Chimäre anzusehen seie, welche weder bestehen noch ad executionem gebracht werden könne, zumalen die Harrachischerseits denen Ländern angönnen wollende Vorteile meisten Teils nur speculativisch, mithin in keiner Realität gegründet wären. Darinnen aber stimmete Graf Haugwitz mit dem obristen Canzler Übereins und wurde auch solches von allen Ministris approbieret, daß dem Heil der Monarchie durch dieses Militarsystema kein Vorschub gegeben werde, wann nicht auch zugleich das Schuldenwesen und Camerale in eine gleichmäßige Ordnung gesetzet worden. Zu beiden Objectis 55 ) waren die Cameralfundi unerklecklich und Graf Harrach mußte dessen umb so ehender convenieren, als selbtem committieret hatte, die Cameral- und Schuldenerfordernüß selbst auszuarbeiten. Allein auch darinnen kunte mit ihme umb so weniger übereinkommen, als dessen Ideen von neuen dahin gerichtet waren, den Stadtbanco von dem größten Teil seiner fundorum zu entsetzen, wodurch selbter völlig wäre über den Haufen geworfen worden, maßen dessen Supposita, worauf er seine Speculationes fundieret, nach allseitiger Meinung und überzeugenden Beweis weder existieret, weder zur Existenz gebracht werden mochten. Solchergestalten wäre abermals bemüssiget, von dem Grafen von Haugwitz sowohl das Schulden- als das Cameralsystema ausarbeiten zu lassen, welches der unermeßlichen in beiden vorgewalteten Confusionen ohnerachtet, doch endlich glücklich zustandgebracht worden, dergestalten jedoch, daß nach Exszindierung derer Cameralfundorum zu denen unumgänglich erforderlichen Cameralausgaben zu Dotierung derer vorfindenden Schulden ä 6 % , und zwar 5 zu denen Interessen und ein Prozent zu dem Capital, wie5 6 ) Zu beiden ausreichend.

Zwecken

waren

die

Cameralfonds

nicht

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-wohlen mit Ausschlüssung jener, so bei dem Banco haften, sich ein Abgang an fundis von ungefähr zweieinhalb Millionen wirklich geäußert. Diese notdürftige Summa zu Befestigung des Hauptsystematis mußte von denen Ländern verlanget werden, mithin die böhmisch- und mährische Deputierten, so eben zugegen waren, hierzu selbst praeparierte und denenselben der Sachen Bedürfnüs gründlich vor Augen legete. Sie wurden dahero auf meine Veranlassung bewogen, meine Propositiones bei ihren Mitständen selbst geltend zu machen und richteten durch ihre Gegenwart bei denen diesfalls gehaltenen Landtagen so viel aus, daß in Böhmen, Mähren und Schlesien die Cameralrata zum Behuf der Schuldencasse bewilliget wurde. In Niederösterreich wäre Graf von Harrach angesetzter Landmarschall. Dieser wollte sich nicht dahin resolvieren, denen hiesigen Ständen die Proposition auf die ihnen anzusinnende zwei Millionen zu machen, folglich genötiget wäre, den Grafen von Haugwitz zum Commissario zu ernennen und zum Landmarschall den Grafen von Bräuner 56 ) zu substituieren. Auch darinnen wurde glücklich reüssieret, dergestalten, daß die niederösterreichische Stände diese zwei Millionen willigst auf sich nahmen und mit ihnen der Receß wie mit denen böhmischen Ländern auf zehn Jahr geschlossen worden. Mit dem Lande ob der Enns, wohin den Grafen von Haugwitz nicht schicken konnte, gienge es etwas beschwerlicher her, umb die angetragene eine Million zu erhalten. Da aber die Deputierten zu Schlüssung des Recesses dahier anlangeten, so wurde endlichen solcher vollends zu Stande gebracht. Die größte Beschwerde57) äußerte sich bei denen drei innerösterreichischen Ländern. In sämmentlichen österreichischen, 6

«) Bräuner Karl Adam, Graf. Geboren 1689; 1732 innerösterreichischer Hofkammervizepräsident, 1735 Landeshauptmann in Steiermark, 1750 Vizepräsident, 1761 Präsident der Obersten Justizstelle, 1777 gestorben. 57 ) Die Hauptschwierigkeit dieser Sätze liegt in dem Ausdruck für den Zusammenhang, für den wir heute das Pronomen was einsetzen würden. Einmal ist der Relativsatz mit einem

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besonders aber denen innerösterreichischen Ländern ist dermaßen unverantwortlich und unwirtschaftlich fürgegangen worden, daß man an Seiten des Hofes, das ist deren ehemaligen Kanzleien gestatte, womit diese Länder in eigene sogenannte Domesicalschuldenlast von 24 Millionen versunken, so an Interessen eine Million 200.000 fl. erfordern. Die Entkräftung dieser Länder machte diese Cameralausschreibung so hoch ausfallen, auch die wahre Ursach ist, warumb die denenselben zugeteilte Praestanda bevoraus in denen innerösterreichischen Ländern vor unerschwinglich angesehen und in teils Orten auch wirklich solchergestalten gar leicht befunden werden dürften. Diese innerösterreichischen Länder haben vor meiner Regierung dahier ganz besondere Protection gefunden, mithin dieselben durch Anticipationes zum öfteren von demjenigen, was ordnungsmäßig auf sie ausgefallen, sich entlediget haben; einfolglich selbten weit beschwerlicher als allen übrigen gefallen, sich der angesonnen systematischen Ordnung zu unterziehen. Und eben darum wäre von Steiermark mit äußerster Bemühung nur ein Receß auf drei Jahr zu erhalten. In Crayn hat man ein ganzes Jahr Geduld haben müssen, bis alldorten, jedoch mit Nachlaß des zur Schuldencassa gehörigen Quanti, man einen Receß auf drei Jahr zustandbringen mögen. In Cärnthen wäre nichts zu tun und ich sähe mich bemüßiget, weilen die Stände in keine raisonable Ideen einzuleiten waren, jure regio die Praestanda zu collectieren, nachdeme selbe vor einem Jahr vorhero, um ihnen zu helfen, durch Grafen von Haugwitz in etwas eingerichtet, ihnen zweierlei Commissarien geschickt, wovon letzterer Rudolph Graf Chotek58), deme sie unterschriebener den Receß mitgegeben, drei Wochen darauf aber wieder demselben widersprochen; Konsekutivsatz verschmolzen, an der zweiten Stelle: (was) auch die wahre Ursache ist, warum... liegt eine kühne Auslassung vor, die vielleicht als Fehler aufzufassen ist. 5S ) Chotek Rudolf, Graf. Geboren 1707, in der Jugend Kämmerer Franz Stephans, 1741 Appellationsrat der böhmischen Statthalterei, 1749 Präsident der Ministerialbancodeputation, 1759 Hofkamnierpräsident, 1761 oberster Kanzler, gestorben 1771. 61

und ihr beständiges Lamenti zwar alle Zeit gewesen, daß sie die Gaben nicht bestreiten können, allein wollten sie in ihrem Domesticale oder anderen Adminicular-Fundis nichts ersparen und Schlageten vor, aus Ignoranz oder Bosheit, mehrers auf den Untertan noch zu legen. Dieses ist die Ursache, warumben selbe jure regio collectieren lasse. Die ständischerseits daselbst beständig vorschützende Unvermögenheit, die durch eigene Schuld und geführte üble Wirtschaft nicht eben so unbegründet sein mag, hat mir den natürlichen Anlaß gegeben, auf bessere und justizmäßigere Bewirtschaftung des dortigen Domesticalia fürzudenken. Und ist überhaupt anzumerken, daß die ständische per abusum eingeschlichene allzu große Freiheit an dem Verfall meiner Erblande hauptsächlich die Schuld trage; in Erwägung, daß selbten ständischerseits justizmäßig fürgegangen werde, indeme meistens die ständische Vorsteher lediglich jenem, was ihre Vorfahrer getan, gefolgt und ihre Particularanliegenheiten befördert, dem armen Bedruckten aber alle billig anzuverlangende Aushilfe versagen oder vernachlässigen, mithin gemeiniglich Stände durch Stände unterdrucken lassen. Die sogenannte ständische Praerogativen haben größten Teils zu ihrem Hauptendzweck einen arbitrarischen Umbgang59) einiger Mitstände, so sich einer unermeßlichen Praepotenz über andere anmaßen. Alles dieses hat vormals umb so leichter geschehen können, als gedachte praepotente ständische Subjecta, welche mit dahiesigen Ministris, so denen Ländern vorgesetzet gewesen, causam communem gemachet, gemeinschaftlich sowohl das landesfürstliche als das ständische eigene Wohl und Wehe in ihren Händen gehabt, mithin damit nach eigenem Wohlgefallen disponieret, eben darumen hiesige Ministri derlei ihnen so nützlich geweste Praerogativen kräftigst unterstützet. Und obzwar sich hieraus ergibet, daß solche selbst dem corpori statuum zum Schaden gereichet, so sind doch die Stände überhaupt hierauf umb so mehrers versessen, als die 69

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) Willkürliche Handlungsweise.

mehreste aus ihnen von schlechtem Begriff und sich leicht ein Blendwerk durch derlei Accredidierte aus ihrem Gremium vor Augen legen lassen. Ich verlange weder selbsten noch meinen Nachfolgern einzuraten, die Stände in nützlichen und wohlerworbenen Privilegiis zu kränken, anerwogen das Aufnehmen meiner Länder mir über die Maßen am Herzen liegt und also zwar, daß nicht oft genung repetieren kann, daß, wann ihre Privilegien so klar gefunden hätte oder sie die Administration justizmäßiger als ich oder der Landesfürst geführet hätten, ich nicht allein keinen Anstand genommen hätte, meine Autorität völlig selben zu unterwerfen und zu überlassen, sondern ehender meinen Nachkömmlingen selbe diminuieret und benommen oder eingeschränket hätte, weilen der Länder Wohl und Gutes allzeit meinem Particulari, Famigle und Kindern vorgezogen haben würde. Allein übel hergebrachte und durch Connivenz des Ministerii eingewurzelte Mißbräuche können weder mir noch meinen Nachfolgern am allerwenigsten aber dem gemeinen Wesen zu einem unverwündlichen Nachteil gereichen, folgbar die Bestätigung solcher vermeinten Privilegien, die sich auf einen Mißbrauch und ein übles Herkommen gründen, die äußerste Behutsamkeit und eine reifliche Überlegung erheischet, allermaßen sich zum öftern äußert, daß landesfürstliche aus Connivenz neglegierte jura aus einem alten Herkommen wohl gar in Zweifel gezogen, mithin auch darinnen dem Landesfürsten die Hände gebunden werden wollen; unter welchen fürnehmlich die Obereinsicht in das ständische Domesticale und in dessen wirtschaftliche Gebahrung, dann die in denen Ländern zu gottgefälliger Gleichheit aus Gewissenstrieb und zu Sicherstellung des gemeinen Wesens vorzunehmende Peraequation und Rectifikation 60 ) zu zählen sind. Fürnehmlich haben die österreichische Länder alle conatus angewendet, umb meine Einsicht und Disposition in diesen Hauptobjectis auszuschlüssen. Zu dem Ende machete den Anfang mit den innerösterreichischen Ländern und ließe mich umb so weniger irre Härteausgleich im Steuerkataster. 63

machen, in Betracht der von ihnen geführten so üblen Wirtschaft sowohl denenselben das nötige Domesticale vorzuschreiben, als aus landesfürstlicher Macht und Gewalt zu meiner und der Länder eigenen Beruhigung die Rectification nach denen anderwärts schon beobachteten Grundsätzen und Principiis zu veranlassen, auch deren weitere Betreibund Zustandbringung allerdinges auf das eifrigste besorge. In dem Land ob der Enns wurde mir die Gelegenheit selbst suppedidieret, in die innere Verfassung tiefer einzugehen und auch alldorten die Rectificationsprincipia festzustellen, anerwogen dieses Land zu Bedeckung seines eigenen Credits umb einen Nachlaß in dem Recessualquanto mich öfters angegangen. Nach und nach bin auch daselbst gemeinet, in eine noch bessere Ordnung das Werk einzuleiten und alldortiges Domesticale umb eine Merkliches einzuschränken. Bei denen hiesigen niederösterreichischen Ständen finde die mehreste Beschwernüsse61) vor, gestalten selbige von denen Ministris, so ihnen besonders zugetan waren, am stärkesten verwöhnet werden, weilen auch durch ihren Credit vieles Geld dem Hof vorgestreckt, und zu vorigen Zeiten, wo man notwendig gehabt, alles verschrieben und hergegeben hätte, wann solches bekommen, welches die österreichischen Länder trefflich gewußt haben, sich zu Nutzen zu machen. Nichts destoweniger lasse mich nichts abhalten, auch darinnen meinen Zweck zu erreichen, folgbar denenselben in Domesticali zum Nutzen des armen Contribuenten engere Schranken zu setzen, beinebenst auch die noch mehr als anderwärts dahier erforderliche Rectification und Beiziehung derer seithero freigebliebenen Gründen zu betreiben und in billigmäßige Maßreguln einzuleiten, wordurch nicht allein, da solches in allen Ländern gleich beobachtet wissen will, das geschlossene Hauptsystema zu consolidieren, sondern auch den göttlichen Segen in dieser heilsamen Absicht zuzuziehen verhoffe. Die tyrolische und vorderösterreichische Lande habe zwar durch den Grafen von Chotek untersuchen lassen, jedoch mußten selbige nach Anleitung des neuen Systematis in 61

) Die größten Schwierigkeiten.

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eine ganz andere Form gegossen werden; doch habe auch daselbst jenes Quantum erreichet, was in dem Systemati denenselben zugeteilet war, welches gleichmäßig in Siebenbürgen und dem Temesvarischen Banat zu Stand gebracht. Mit dem Königreich Hungarn allein habe keine Änderung vorzunehmen für dienlich erachtet, weilen außer einem Landtag nach denen Gesetzen des Landes etwas solches zu tentieren nicht ratsam wäre, nicht minder bei Hungarn besondere Umstände, so in Ansehung derer Folgen sehr häcklich sind, in Consideration fallen. Das vor meine teutsche Erblande festgesetzte Systema in Militari, Camerali und Schuldenwesen begreifet in sich sowohl die hungarische als auch die böhmisch- und österreichische Erblande und setzet mich in Stand, nach Bestreitung der verfallenden Cameralausgaben und notdürftigster Bedeckung des Schuldenstatus in denenselben 110.000 Mann auszuhalten, auch nach und nach möglichsterdingen alljährlich eine Cassaeersparnüs zu machen, umb hiermit bei einem feindlichen Einfall meine Armee sogleich in marschfertigen Zustand zu setzen, mithin andurch jene schädliche Situation zu vermeiden, welche mich leider! bei dem Antritt meiner Regierung betroffen und welche der eigentliche Ursprung alles nachhero erfolgten Unheils ist. In denen Niederlanden sollen 24.000 Mann, in Italien hergegen wenigstens 26.000 Mann ausgehalten werden, so in allen mit denen hiesigen eine Summa von 150.000 Mann ausmachet. In Welschland gehet es diesfalls am beschwerlichsten zu, jedoch hoffet noch immer Graf Pallavicini62) mit dem darüber gefertigten Plan, so hierbei folget, zu meiner Zufriedenheit auszulangen. Ferners habe meine Bemühung auch dahin gewendet, die Warasdiner, Carlstädter und Croaten in Regimenter abzuteilen und regulieren zu lassen. Und gleichwie diese in vorigem Krieg sehr gute Dienste geleistet, so kann mir solche 6Z

) Pallavicini Johann Lucas, Graf. Geboren 1697 in Genua, seit 1731 Gesandter der Republik Genua und Übertritt in kaiserliche Dienste, Marineur und Militär, 1744 Statthalter und kommandierender General in der Lombardei, 1765 Präsident des Rates in Mailand, 1773 gestorben. 5

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nunmero, da sie besser regulieret, und durch den Banum in Croatien neue Regimenter errichtet worden, von ihnen hinfüro weit mehrers und mit größerem Vorteil versprechen. Davon folgen die Tabellen und Einrichtungen beiliegend. Solchergestalten finden sich 24.000 Mann von derlei Völkern in steter Bereitschaft, dahin wo sie beordert werden möchten, abzugehen, ohne daß solche zu Friedenszeiten, wann sie zu Hause sind, nicht viel über 400.000 meinem Aerario jährlich zur Last gereichen. Dieser Fürgang63) zeiget, wie äußerst mir angelegen sein lassen, die zur Beschützung meiner Monarchie so sehr benötigte Kriegsmacht mit systematischer Ordnung auf einen guten Fuß zu setzen, hiernächst die Artillerie durch die mühsame Einrichtung des Fürsten von Liechtenstein64) in einen vollkommenen Stand zu bringen, dergestalten, daß der Grund dieses Militärsystematis dahin zielet, womit durch accurate monatliche Einhaltung derer Landespraestationen das Militare auf die Stunde bezahlet, andurch aber mit äußerster Schärfe abgehalten werden könnte, in keinerlei Wege bei denen Contribuenten einige Exactiones oder Excessen zu verüben, nicht einmal die mindeste Douceurs oder Beitrag zu erlauben, so gern das Land es auch täte und das Militare es verlangete, wofern nicht alles über den Haufen geworfen und Tür und Tor zu denen vorigen Exactionen eröffnet werden solle, welches generaliter der Land- oder Bauersmann bei denen jetzigen hohen Gaben nicht erschwingen kann, kein Herr aber gewiß aus seinem Beutel niemals was geben wurde. So gut und leicht auch dieses scheinte, und wie scharf dem Militare dieses nicht zuzulassen eingebunden, so ist es doch ein Hauptpunkt, daß nicht alle Sachen, die auch gut scheinen, ohne nicht wohler Überlegung zu Werk gesetzet werden sollen, allermaßen dann die Militarzucht, Exercitien und Reglement auch durch die weisliche, mühsame Bemühung 8S ) S. sprachkundliches Nachwort § 11 und S. 121. •4) Liechtenstein Joseph Wenzel, Fürst. Geboren 1696, Militär seit 1713, 1733 Generalmajor, diplomatische Tätigkeit in Preußen und Frankreich, 1739 General der Kavallerie, 1744 Feldzeugmeister, Reformator der österreichischen Artillerei, gestorben 1772.

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des Feldzeugmeisters Daun65) in zweien aparten voluminibus beiliegend perfectionieret worden. Um alles dieses in eine beständige und dauerhafte Wesenheit einzuleiten, sähe mich bemüßiget, von der alten hergebrachten in vorigen Zeiten jene bereits angezeigte üble Folgen nach sich gezogenen Verfassung abzuweichen und solcherlei neue Maßreguln zu stabilieren, welche mit dem festgesetzten Systemate zu combinieren. Umb nun solches desto mehr zu befestigen, so entschlösse mich wöchentlich selbst, nebst Ihro Majestät dem Kaiser, denen sessionibus, so die systematische Einrichtung betreffen, beizuwohnen, mithin jene in die Länder zu erlassende Resolutiones selbst zu dirigieren und anzuordnen. Die Materie hierzu ließe bei einer unter dem Praesidio des Grafen von Haugwitz angeordneten Commission anförderist praeparieren, als zu welcher Commission ein Rat aus der böhmischen, dann ein anderer aus der österreichischen Kanzlei, dann ein Hofkammerrat und jemand aus dem Generalkriegscommissariat beigezogen wurde. In denen Ländern bestellte jeglichen Orts eine Deputation, deren Besorgnis lediglich sein sollte, alle und jede in das Systema einschlagende Materien, sie möchten Cameralia oder Militaria mixta sein, zu besorgen und darüber anhero zu referieren. Allein ich begriffe gar bald, daß hierdurch mein Hauptintentum noch nicht erreichen würde, zumalen beide Kanzleien nebst der Hofkammer, nicht minder fast alle Ministri dieser betreffenden Einrichtung, wordurch denenselben an ihrer Autorität und Ansehen sehr vieles derogieret wurde, sehr abgeneigt waren und Gelegenheit zu finden hoffeten, über lang oder kurz durch die von ihnen ersinnende Einstreuungen und Difficultäten die Sachen wiederumben auf den alten verderblichen Fuß zu setzen; zumalen jene Ministri nebst ihren untergebenen Räten, welche vermög ihrer Charge hauptsächlich des Werks sich annehmen sollten, am stärksten dagegen waren, folgsam solches zu zernichten sich öffentlich *5) Daun Leopold Joseph Maria, Graf. Geboren 1705, Militär, 1734 Oberst, 1737 Generalmajor, nach 1748 als Feldzeugmeister Reformator der Armee, Sieger von Kolin 1757, erster Träger des Maria-Theresien-Ordens, gestorben 1766. 5*

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und heimlich verlauten ließen, durch solche Impressiones das Publicum darinnen irre gemacht worden. Und wäre mein Augenmerk alle Zeit, nicht vor gegenwärtig, sondern vor das Künftige und Solide alles zu statuieren, damit meine Kinder nicht in das eigene Labyrint wie ich verfallen, auch darumen einige Sachen zu geschwind und zu viel auf einmal vorgenommen, dadurch aber alles disgoustiret, besonders die am Brett Sitzende66). Da aber denen Armen und Bedruckten, weilen der Bogen so hoch müssen gespannet werden, keine Abhilfe oder Erleichterung geschehen können, so ist das Generalriclamo67) ergangen, so mir so große Gehässigkeit zugezogen. Solchem nach68) wurde bewogen in reifer Überlegung, welchergestalten das vormalige Übel, so meiner Monarchie zugezogen worden, hauptsächlich darinnen beruhet, daß jeder Minister und Hofstelle sich jederzeit begnüget, den advocatum und protectorem des ihm anvertrauten Landes abzugeben, hierbei aber sowohl das allgemeine Beste und landesfürstliche Interesse öfters lau tractieret worden, als auch die Last wider Billigkeit auf andere Länder zu wälzen, hiernächst aber das Camerale dermaßen zu discreditieren, daß solches zum Nutzen des Dienstes und des gemeinen Wesens gar nichts mehr wirken können, maßen sotanes Camerale nach und nach dergestalten eingeschränket worden, daß selbtes dessen Activität in buchhalterische Ausstellungen und daraus erwachsene Chikanen einschränken müssen; dem unerachtet aber ihre Kammer von denen Ministris angemutet worden, in jeden Bedürfnisfall, zu allen Vorfallenheiten die Gelder herbeizuschaffen, obschon derenselben bekleidende leere Hände und gänzlich eingeschränkte Gewalt nicht unbekannt war; beinebenst auch anstatt mittelst einer guten Einverständnüß unter denen Stellen den Dienst zu befördern, die Zeit ohnnötiger auf die schädlichste Weise mit Contradictionen und Disputationen in Beiseitsetzung des dienstee ) die, welche etwas zu entscheiden haben, vgl. wienerisch, die an der Suppenschüssel sitzen. 67 ) allgemeine Unzufriedenheit, Schlagwort der damaligen Zeit. 68 ) S. sprachkundliches Nachwort S. 123.

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ersprießlichen Hauptobjecti, als wordurch man fast jeder Zeit das rechte Tempo versäumete, unter ihnen Stellen zugebracht worden: sotane verderbliche Verfassung sowohl hier als in denen Ländern gänzlichen abzuändern, mithin eine neue Einrichtung, welche die Stabilierung der systematischen Ordnung zum Grunde hat, festzustellen. Zu diesem Ende habe alle Cameralia der ehemaligen Hofkammer in denen österreichisch- und böhmischen Ländern völlig abgenommen und deren Activität nur auf die Hungarica und Aulicum, jedoch nur letzteres in so lang als dermaliger Kammerpraesident 69 ) lebet, eingeschränket, die beiden Kanzleien aber gar aufgehoben, mithin alle Publica und Cameralia, nebst denen militaribus mixtis, dem neu bestellten Directorio übergeben. Demnächst 70 ) zur Besorgung der heilsamen Justiz vor sämmentliche böhmisch- und österreichische Erblande eine Obristjustizstelle bestellet (als von welchen diesen beiden Stellen die Listen, elaborata und Abteilungen hierbei liegen), folglich mit dieser meiner Absicht sorgfältig vermieden, damit die intendierende Uniformität nicht unterbrochen, noch einige Gelegenheit auf die vormalige so praejudicierliche Verfassung zurückzuschauen, gelassen werden möge. Zu dem Ende die Capi und Vicecapi bei dem Directorio und obristen Justizstelle mit Abrogierung des Kanzlertituls Praesidenten benennet. In denen Ländern habe aller Orten Repraesentationes angesetzet und denenselben die Besorgung derer Publicorum und Cameraiis nebst dem militari mixto anvertrauet. Diesen Repraesentationen sind die in denen Ländern angestellte Kriegscommissarii beigegeben worden, umb andurch ihre Operationes desto mehrers zu erleichtern und uniformer zu machen. Und gleichwie die Agenda dieser Landesrepraesentationen lediglich in die Activität des dahier bestellten Directorii einschlagen, also haben die in denen Ländern befindliche Justizinstantien ihre Berichte an die obriste Justizstelle zu dirigieren, welche letztere bevoll•9) Dietrichstein Johann Franz Gottfried, Graf. Geboren 1671, 1696 innerösterreichischer Hofkammerrat, 1719 bis zu seinem Tode 1755 Hofkammerpräsident. 70 ) zunächst habe i c h . . . , zunächst wurde bestellet. 69

mächtigt ist, in Prozeßsachen nach Pflicht und Gewissen ohne abzustattendes Referat fürzugehen. Wohingegen alle Resolutiva in Publicis von dem Directorio in Publicis und Cameralibus mittels der wöchentlich abzugebenden Protokollen mir vorgetragen werden müssen, wo dann die Sach von mehrerer Wichtigkeit Freitags in meinund Ihro Majestät des Kaisers Gegenwart haltenden Conferenz vornehmen lasse. Überhaupt aber es dahin eingeleitet worden, daß von Woch zu Woch alle einkommende Sachen erlediget und nichts zurückbehalten werden därfe, was nicht stets vor Augen liege und eine stärkere Ausarbeitung erheische. Pro Commerciali habe zwar ein eigenes Directorium, dependent vom Directorio in Publicis et Cameralibus bestellet, allein dieses bestehet meistens aus Räten, so aus dem Directorio in Publicis et Cameralibus gezogen worden, und ist auch solches dahin angewiesen, jene Materien, so in das Publicum einschlagen, mit dem Directorio in Publicis et Cameralibus auf das genaueste zu concertieren, zu dem Ende auch der Praeses gedachten Commerciendirectorii einer wöchentlichen Session des Directorii in Publicis et Cameralibus beiwohnet, nicht minder von mir zu der Conferenz in Internis zugezogen wird. Diesfällige fest stabilierte Einrichtung sehe überzeugend vor den wahren Grundstein an, wodurch die von Gott mir anvertraute Monarchie mit dessen anhoffenden kräftigsten ferneren Beistand soutenieren und zum Besten und Nutzen meiner Nachkommen conservieren möge; anerwogen solche dem Landesfürsten die Gelegenheit verschaffet, die wahre Kenntnüß von der Beschaffenheit seiner Länder sich selbsten beizulegen, deren Gravamina zu erörtern und zu examinieren, mithin einen justizmäßigen, gottgefälligen Fürgang zwischen Obrigkeiten und Untertanen zu befördern, fürnehmlich aber ein wachtsames Auge zu führen, damit die Armen und besonders die Untertanen von denen Reichen und Obrigkeiten nicht unterdruckt werden. Und gleichwie das Systema der vormaligen allzugroßen Autorität derer Ministern und Hofstellen weit engere Schranken setzet, also ist leicht zu erachten, daß deren größter 70

Teil nebst denen Großen des Landes solche Maßreguln vor unerträglich ansehen und sich hierinnen nicht ehender als durch die Länge der Zeit und Erkenntnüß der Wahrheit gelassen bezeigen werden, dessentwegen selbe dieses Systema bei dem Publico nur verhaßt zu machen suchen und dargegen unverständige und ärgerliche Reden, welche allerdings einer schärferen Anthung71) würden. Jedoch in Meinung, es dörften solche nach und nach von selbsten cessieren und die Leute durch Überzeugung ihres hieraus resultierenden Besten auf bessere Gedanken geleitet werden, habe sotane anstößige Reden noch dermalen größten Teils dissimulieret und verachtet, doch därfte nötig sein, auch diesen fernershin bedürfenden Falls Einhalt zu tun, weilen nur allzu stark wahrgenommen, daß selbige eine sehr schädliche Influenz in das Publicum haben, so nach und nach die schädlichsten Folgen verursachen. Das Militare, welches vermittels dieses neuen Systematis in eine Ordnung- und billigmäßige Schranken gesetzet worden, klagete anfänglich umb so mehrers dargegen, als denen Officiers damit alle Gelegenheit verschränket ist, sich in denen Länder einige Douceurs beizulegen, jedoch müssen alle raisonable Officier selbst eingestehen, daß durch die erfolgende richtige monatliche Bezahlung zu klagen sie keine Gelegenheit haben. Meine Hauptobsorge war, daß die bei meinen Trouppen eingewurzelte Excessen sehr schwer abzustellen sein würden und eben darumen mir vorgesetzet, hierinfalls mit der äußersten Schärfe fürzugehen. Allein zu meiner ausnehmenden Consolation habe es dahin gebracht, daß die Länder über einige verübende Excessen von denen Trouppen gar keine Klage führen, sondern vielmehr bitten, mit mehreren Regimentern zu Anbringung ihrer Feilschaften72) sie Länder zu belegen. Meine Sorgfalt ist allerdings auch dahin gerichtet, damit ein gleichförmiges Exercitium und eine wohlanständige Militardisciplin durchgehends bei meinen Trouppen introducieret werde. Zu dem Ende sollen dieselben alljährlich 71 ) w e l c h e . . . einer schärferen A h n d u n g bedürfen würden. D a s schwer lesbare Wort in der Handschrift ausgelassen. 72 ) verkäufliche Waren.

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durch zwei Monat in Campements zusammengezogen werden. Wer wurde glauben, daß nicht das Mindeste eingeführet wäre in Regul bei meinen Trouppen? Ein jeder machte ein anderes Manöver in Marche, in exercitio und in allem; einer schüssete geschwind, der andere langsam; die nämliche Wort und Befehle wurden bei einem also, bei dem andern wiederum anders ausgedeutet und ist wahrhaftig kein Wunder, wann zehn Jahr vor meiner Regierung der Kaiser alle Zeit geschlagen worden und, wie nachgehends das Militare gefunden, nicht zu beschreiben ist. Damit auch hierinnen meinen Nachfolgern dartun möge, wie eifrig und sorgfältig aus mütterlicher Liebe mir den Wohlstand und die Befestigung zu Herzen gezogen, hiernächst von keinen Schwierigkeiten mich abhalten lassen, sondern alle diese Beschwernüssen mit Geduld und Standhaftigkeit überwunden 73 ). Hieraus ergibt sich in der F Ü N F T E N ABTEILUNG der aus diesfälliger neuer Einrichtung der Posterität zufließende Nutzen, da solches das einzige Mittel, die Monarchie zu befestigen und bei meiner Nachkommenschaft zu erhalten. Wovon ein vieles zu melden umb so weniger nötig, als das vergangene Übel so umständlich vor Augen geleget, die Ersprießlichkeit der gegenwärtigen Verfassung sonnenklar bestärket. Dann gleichwie ohne Miracul nach jedermanns Erkanntnüß diese Monarchie bei vormaliger Zerrüttung, Confusion und Mißbräuchen sich nicht conservieret hätte, folglich selbte ihren Untergang stets vor Augen gesehen, also werden meine Nachfolger auch von selbsten begreifen, welchergestalten die von mir dermalen festgestellte Maßreguln und getroffene Einrichtung der einzige Mittelweg seie, sotane Monarchie in aufrechten Stande zu erhalten und auf meine Nachkommenschaft fortzupflanzen. Und hieraus ergibet sich in der ra

) Der Nachsatz fehlt.

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SECHSTEN ABTEILUNG die Notwendigkeit, solche festgestellte Einrichtungen zu Abwendung des eigenen Untergangs beizubehalten; betreffende aber die Maxime, deren sich meine Nachfolger zu dessen Erreichung zu gebrauchen haben, so vermag denenselben hierinfalls keinen andern Rat zu erteilen, als damit sie sich nicht leicht von jemand irremachen lassen mögen, weilen bei denen mehresten die Privatabsichten und das eigene Interesse die Ratschläge dirigieren. Ich selbsten würde bei der schon getroffenen und sehr nützlich befindenden Einrichtung durch so vielerlei mir beigebrachte Einstreuungen und Nachrichten irre gemacht worden sein, wann nicht alle äußerste Mühe angewendet, die Sachen in ihrer wahren Beschaffenheit durch mir beigelegte eigene Connaissance vollkommen zu penetrieren; eben darumen mich verbunden erachte, meine Nachfolger zu ersuchen, zu ihrem eigenen Besten und der Erhaltung der Monarchie und Länder in dieser meiner getroffenen Einricht- und Verfassung nichts abzuändern und solche viel mehr als ein Augapfel zu Abwendung ferneren besorglichen Übels zu conservieren. Zu diesem Ende aber sich dahin besonders zu bestreben, ehrlichund taugliche Leute hierzu selbst auszusuchen, nicht minder junge Leute mit Fleiß nachzuziegeln74), damit sich selbste von Jugend auf eine rechtschaffene Idee von dem Werk machen und durch ihren Eifer und Application sich in den Stand setzen, in der vorgeschriebenen systematischen Ordnung dem Landesfürsten und dem Publico treue, ersprießliche und ausgiebige Dienste werktätig zu leisten. 74

) auszubilden; dazu diente das Theresianum.

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ZWEITE

DENKSCHRIFT

Wie nach meinem in Gottes Händen stehenden Hintritt an Leuten vermutlich es nicht manglen wird, die oder aus Unerfahrenheit, aus Vorurteil oder aus anderen Nebenabsichten das nach reifen Vorbedacht in Internis von mir eingeführte Systema als schädlich und unbillig meinen Nachfolgern vorzustellen sich anmaßen dürften, um selbe davon nach und nach abzubringen, so erachte mich schuldig, nicht zu meiner Rechtfertigung, als dessen nicht nötig ich habe, nachdeme der Allmächtige mein Zeuge ist, daß Alles durch seinen Beistand und der reinesten Intention zur Aufrechthaltung der Monarchie unternommen habe, sondern zu ihrem meiner Nachkömmlingen Unterricht und Besten die darzu mich bewogen habende Ursachen durch gegenwärtige nach meinem Hintritt zu öffnende, in beständiger Verwahrung zu haltende Schrift vor Augen denenselben zu legen. Nicht füglicher glaube solches bewürken zu können, als wann den Stand der Monarchie, in welchem vor meinen Zeiten selber wäre, und jenen, in welchen durch die Gnad Gottes anjezo sie ist, kürzlich anführe, um durch dessen Gegeneinanderhaltung so gründlicher dieselben urteilen zu machen, ob die dermalige Verfassung gerecht oder nicht gerecht, nutzlich oder nicht nutzlich, nötig oder nicht nötig seie. Niemand glaube werde widersprechen, daß nicht leichtlich ein Beispiel in denen Geschichten zu finden, daß ein gekröntes Haupt in schwerer- und mißlicheren Umständen seine Regierung als ich angetreten habe. Gegen Ende des 1740. Jahrs rufte der Allmächtige zu meiner innersten Betrübnus meines Herrn Vatters kaiserliche Majestät zu sich, dessen Gedächtnus in getreuester Verehrung (wie schuldig) bei mir immerdar seien wird. 75

Bekannt ist, wie viele Unglücksfälle diesen so tugendsamen als großen Regenten die letztere Jahr hindurch zugestoßen und mit was christlicher Resignation und Großmut er solche übertragen habe. Dem zu Ausgang des 1733. Jahrs aus Anlaß der polnischen Königswahl ausgebrochenen, bis Ende 1735 fürgedauerten unglücklichen Krieg folgte sogleich darauf ein noch unglücklicherer mit der Porten. Der erstere brachte die Monarchie um Neaple und Sizilien und der zweite um die Walachei, einen Teil des Temesvarer Banat, um Servien und vornehmlich um die zwei Gränizfestungen Orsova und Belgrad. Die ihren Feinden so förchterlich ehedessen geweste kaiserliche Truppen, die für die erste in Europa gehalten wurden, verloren bei Freund- und Feinden den größten Teil ihres Ansehen, so mit dem Grafen Guido von Starhemberg und sonderlich mit dem Prinzen Eugenio abgestorben zu seien schienen. Complet waren sie nicht einmal zur Hälfte; niedergeschlagen waren selbe und vornehmlich die Infanterie und mangleten durchaus von allen. Ein großer Teil von Hungarn nebst dem Banat, Siebenbürgen und Sclavonien wäre von der leidigen Pest infizieret und die Gränzen von allen Seiten offen. Nicht mehr als etliche tausend Gulden waren allhier in denen Cassen, der in- und ausländische Credit fast völlig zu Boden, wenige Einigkeit unter denen Stellen sowohl als Ministern, das Volk in der Hauptstadt selbsten so zaumlos als schwürig und auf die nämliche Art fast in denen Ländern. Mit einem Wort: Alles sache1) einem allgemeinenem baldigen Zerfall und Zerrüttung gleich. Und in dieser so betrübt- als verwirrten Situation befanden sich die Sachen beim Anbeginn meiner Regierung, die in dem 22. Jahr meines Alters ohne mindester oder doch mit sehr geringer Kantnus meiner Länder, meiner Armee, ja sogar meines Ministerii antrate, nachdeme aus einer so schuldig- als angewohnten Ehrfurcht gegen meines Herrn Vatters Majestät alldeme sorgfältigst immerdar auszuweichen gesucht habe, so einer auch mindesten Regiersucht hätte gleichsehen können. sah. 76

Kaum wäre ich auf dem Thron, so erfuhr ich nur allzubald, daß meine Sachen nicht viel besser auch von außen stunden, zumalen außer bloßen Worten auf keinen Hof in der Tat mich verlassen kunte. In einer Zeit von weniger als zweien Monaten hatte ich die erstere Folgen einer so traurigen Situation zu empfinden Der König von Preußen ruckte mit einer zahlreichen Armee in Schlesien ein, bemeisterte sich des ganzen Lands ohne Widerstand, nachdeme die wenige darinnen befindlich geweste Truppen notwendigerweis sich zurückziehen mußten, und anstatt daß kurz zuvor, als um die Einquartierung in denen teutschen Erblanden die Frage wäre, die aus Schlesien anhero eingeloffene und durch die böhmische Kanzlei unterstützet wordene Bericht die Unmöglichkeit vorstelleten, das Naturale für bloße zwei Cavallerieregimenter im Land zu finden, fände der König Mittel, seine ganze Armee reichlich und bequem das ganze Jahr hindurch allda subsistieren zu machen. Eine üble hierunter fürgewaltete Absicht kann unmöglich von Seiten derenjenigen mir vorstellen, die solche Meinung allhier unterstützten, und bloß der selbst nicht genug gehabten genügsamen Kantnus des dasigen Landes, teils und vornehmlich der bei vielen allzu tief eingewurzleten Gewohnheit, die ihrer Obsicht anvertrauete Länder auf das möglichste zu schonen, es zuschreibe. Weit unbegreiflicher ist jedoch, daß nach ausgebrochenen Krieg dem Ministerio nicht beigefallen, eine größere Macht dem König von Preußen gleich anfangs entgegenzustellen; dann hätte Graf Neipperg anstatt 15.000 Mann 30.000 Mann anfangs gehabt, so wurde vermutlich der Krieg mit Preußen bald zu Ende gewesen und all weiteren Unheil andurch etwa vorgebogen worden sein. Und dieses aus einer bloßen dem Ministerio beigewohnten Abneigung oder Mißtrauen gegen die Hungarn, als ob auf ihre Treue zu verlassen mich nicht hätte. Zu widersprechen ist enzwischen auch nicht, daß zu Mallowitz2) oder zu keiner Affaire es gekommen oder nicht so '') Mollwitz (Regierungsbezirk Breslau), 10. April 1741, Sieg Friedrichs II. über Neipperg. 77

unglücklich selbe abgeloffen wäre, wann von Seiten meiner Armee die nötigen Vorsichtigkeiten nicht unterlassen worden wären, um nicht überfallen zu werden. All dieses glaube festiglich habe der Allmächtige zugelassen, um jedermann besonders aber mir zu weisen, daß ihme allein meine Rettung zu danken habe; gleich auch dessen vollkommen in meinem Herzen überzeuget bin und solche meine Rettung als ein augenscheinliches auf meinen Nachfolger sich erstreckendes Miracle ansehe, sie also inständig ermahne, ewiglich auch dafür ihme dankbar zu seien. Keine mehrers überzeugende Probe könnte hievon nicht haben als durch jenes, so mit meinen Augen währenden 741jährigen Landtag3) zu Preßburg und nach meiner Zuruckkunft täglich in Wien gesehen, bis die Sachen ein etwas besseres Aussehen durch deren Franzosen Flucht in Böheim zu überkommen anfiengen. Eine üble Zeitung folgte nach der andern, auf der einen Seiten überschwemmeten die Franzosen, Bayern und Sachsen ganz Böheim und bemeisterten sich der Hauptstadt Prag selbsten4) zur Zeit, als Preußen ganz Schlesien fast innehatte, auf der anderen occupierten dieselben auch Oberösterreich und rucketen fast bis Wien. Keiner meiner Alliierten getrauete sich bei solcher Beschaffenheit oder hatte Lust mir zu helfen. Die Kaiserswahl schlüge für Churbayern5) meinen declarierten Feind aus. Endlich ruckte auch Preußen unter dem Anschein eines sich angebenden 6 ) Freundes gegen Ende des 741. Jahrs in Mähren wieder ein, nachdeme kurz zuvor er die Schnellendorfer Convention7) mündlich geschlossen hatte, extendierte sich sogar in das Viertel unterm Manhartsberg, und wurde а ) während des Landtags zu Preßburg, 18. Mai bis 29. Oktober 1741. 4 ) Eroberung von Prag, 25. November 1741. б ) S. Anm. 40 zur ersten Denkschrift. •) eines seine Freundschaft vorschützenden Helfers. ') Geheimvertrag von Klein-Schnellendorf zwischen Österreich und Preußen am 9. Oktober 1741. Österreich verspricht die Abtretung Niederschlesiens und gibt die Festung Neiße preis. Die österreichische Armee unter Neipperg kann frei abziehen.

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solcher gestalten meine unter des Prinzen Carls8) Commando gestandene Armee in einem kleinen Bezirk des Bechiner Kreises von der einen Seite durch die Franzosen und Bayern und von der anderen durch die Preußen und Sachsen umringet. Gesamte meine Ministri, anstatt Mut mir zuzusprechen, ließen solchen gänzlich sinken und ließen nicht undeutlich sich verlauten, als ob sie Alles für nicht viel weniger als für desparat anseheten, ja es sucheten sogar einige sich zu retirieren und verloren sich letzlich so weit, daß einige davon (meiner damaligen Unerfahrenheit mißbrauchend) sich nicht gescheuet, die Erlaubnus von mir anzusuchen, dem Churfürsten nach seiner zu Prag vor sich gegangenen Krönung wegen ihrer in Böheim liegenden Gütern schriftlich zu huldigen. Ich allein, ohne eitlen Ruhm zu melden, war etwa diejenige (so jedoch keineswegs meiner Tugend sondern lediglich der Gnad Gottes zuschreibe), die unter allen diesen Drangsalen den meisten Mut annoch beibehielte und seinen Beistand mit kindlichen Vertrauen, zugleich aber auch mit oftmaliger Bitte anrufend, mir solchen nicht angedeihen zu lassen, wofern in seinen Augen die Gerechtigkeit mehrers für meine Feinde als für mich wäre, operierte mit aufgemuntert- und heiteren Gemüt. In diesem mehr als violenten und menschlicher Weis ohne Remedur fast anscheinenden Stand waren die Sachen zu Anfang des 1742. Jahrs, als der starke Armb Gottes augenscheinlich für mich sich spüren zu lassen anfienge. Graf Khevenhüller passierte in der ersten Nacht des Jahrs die Enns, bemeisterte sich in weniger als acht Tagen von ganz Oberösterreich und in weniger als drei Wochen von ganz 8

) Karl Herzog von Lothringen. Geboren am 12. Dezember 1712, als Sohn Herzog Leopolds von Lothringen, zum Soldaten bestimmt, seit dem Verzicht auf Lothringen am Kaiserhof, Schwager Maria Theresias, 1741 Feldmarschall, kämpft im Erbfolgekrieg 1741—42 glücklich gegen die Franzosen und drängt sie aus Böhmen hinaus. 1744 mit der Schwester der Kaiserin, Erzherzogin Marianne vermählt, Generalstatthalter in den Niederlanden bis zu seinem Tode im Jahre 1780. Als kaiserlicher Feldherr im Siebenjährigen Krieg bei Leuthen von Friedrich II. geschlagen. 79

Bayern, öffnete also einigermaßen die Communication mit der um Budweis eingespört9) gewesten Armee. Wie enzwischen unmöglich wäre, ohngeachtet deren bei dieser Gelegenheit wie bei all-übrigen von dem Freiherrn von Netolitzky10) vorgekehrten vortrefflichen Naturalanstalten in einem so engen Bezirk in die Länge dieselben leben zu machen, und ebenso unmöglich gewesen wäre, durch den beschwerlich- und weiten Umweg über Linz von hier aus die Erfordernus derselben zuschicken zu können, so faßte man notgezwungenerweis die Resolution, auf was Weis es immer seie, Luft sich zu machen, faßte sie aber auf eine Art, die menschlicherweis das Übel nicht viel weniger als incurable hätte machen sollen; dann anstatt mit der ganzen Macht auf einen deren rings herum sich befundenen Feinden zu fallen, teilte man sich: Der größere Haufen wendete sich gegen die Preußen und der kleinere bliebe gegen die Franzosen stehen; setzte also beider der augenscheinlichen Gefahr aus, über den Haufen geworfen zu werden, nachdeme beide um vieles schwächer als die gegen ihnen gestandene Feinde waren. Die Preußen wußten uns auch so geschickt zu führen, daß, da wir ihnen von Znaim bis Olmütz und von dannen bis Czaslau11) mithin bei drei Wochen fast gefolget, diese ganze Zeit hindurch unsere zwei Haufen separieret von einander waren. Allda wiese sich aber das zweitemal annoch viel deutlichund wundersamer Gottes außerordentlicher Beistand. Dann bei Czaslau käme es zu einem sehr blutigen Treffen, allwo die meinige in der Tat zwar das Kürzere gezogen und die Walstatt denen Preußen überlassen müssen; diese dargegen verloren darbei so viele Mannschaft, daß aus Beisorg, die Franzosen durften die Oberhand über beede gewinnen, wofern zu einer andern Affaire es kommete, mithin den Frieden nach ihrem und nicht nach seinem, des Königs, Wohlgefallen 9

) Österreichische Dialektform für eingesperrt. ) Nettolitzky Wenzel Kasimir, Ritter. Seit 1741 Freiherr, seit 1759 Graf v. Eisenberg, böhmischer Landesunterkämmerer, später böhmischer Obersthofmeister und Präsident des Guberniums, gestorben 1790. n ) Czaslau gewöhnlich als Schlacht von Chotusitz zitiert, 17. Mai 1742. 10

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denen allseitigen kriegenden Teilen vorzuschreiben im Stand seien, derselbe sich entschlösse das Praevenire zu spielen und den seinigen in voraus mit mir zu machen12). Ware also13) diese nämliche verlorene Bataille durch Gottes besondere Schickung mein Glück, weilen meine geteilt geweste Armee Luft anmit bekommen, sich zu vereinigen und die dessen sich nicht versehende bei Tein 14 ) gestandene französische Brigade zu überfallen, die nebst all übrigen die Contenance verlöre und in größter Unordnung bis Prag floche, allwo selbe und ebenso auch die in Bayern durch Hunger, Elend und Krankheiten dermaßen geschmolzen, daß von 80.000 Mann und darüber, die anno 1741 und 1742 den Bhein passieret, in Jahr 1743 nicht 15.000 denselben wiederum repassieret sein, ungeachtet nicht 10.000 durch das Feuer, die übrige aber insgesamt auf obige Weis um ihr Leben gekommen. Auf eine nicht minder augenscheinliche Art rettete mich endlich auch das drittemal die Hand Gottes, als der König von Preußen meineidiger Weis im Jahr 1744 mehrmals in Böheim einfiele zur Zeit, als der größte Teil meiner Armee im Elsaß sich befände. Nichts stunde ihme damals im Wege, durch Besetzung des Böhmerwalds und durch Extendierung bis an die Donau die Wiedereinruckung denen Meinigen dahin zu verhinderen; oder sich gar nacher Wien zu wenden, dessen er sich damals aus Abgang genügsamer Mannschaft und anderer Verfassung gar bald unzweifentlich bemeisteret und andurch der Monarchie den letzten Herzenstoß gegeben hätte. Gott verblendete ihn aber, daß keines von beeden er täte, ungeachtet zu beeden an genügsamer Zeit noch an Kräften es ihme nicht manglete. Die Armee repassierte den Rhein in Angesicht deren Franzosen ohne mindesten Verlust und diese an Platz15) der mit Preußen 12

) Friede von Dresden am '25. Dezember 1745.

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) Es war

also.

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) Tein. Ende Mai 1742 überschritt Karl von Lothringen die Moldau bei Moldauthein und schlug die Brigade des General Aubigne, deren Reste unter Zurücldassung der Geschütze nach Prag flohen. 15 ) anstatt gemäß der Abmachung mit Preußen. 6

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genommenen Abrede auf dem Fuß derselben zu folgen, um zwischen zwei Feuer sie zu bringen, wendeten sich nacher Freiburg, ruckte also durch beeder Vernachlässigung oder besser zu sagen durch Gottes augenscheinlichen Segen dieselben in Böheim glücklich wieder ein, so zu verhinderen nichts weniger schwer gewesen sein wurde16). Von dem weiteren Verlauf des Kriegs und dessen zerschiedenen bald glücklichen bald unglücklichen Abänderungen erachte ohnnötig was mehrers zu melden, nachdeme in eines jeden Angedenken solches ist und dessen weitschichtige Anführung von meinem vorgesetzten Endzweck allzu sehr mich entfernete, das Obangemerkte auch mehr als zulänglich zur Überzeugung meiner Nachfolger zu seien ermesse, daß meine mithin auch ihre Rettung nicht dem Glück oder Kunst deren Waffen, sondern Gottes Milde und Beistand allein beizumessen seie. Nach solchem bewiesenen Hauptendzweck wende mich nunmehro zu dem zweiten. Nach einem so blutig- als hartnäckigen Krieg erfolgte endlich in Jahr 1748 der Frieden, den seit langer Zeit schon und sonderlich seit des unglücklichen, zu Ende 1745 mit dem König von Preußen zu schließen bemüßiget gewesten Tractats gewunschen, nachdeme nur gar zu wohl erkennet, daß des Kriegs weitere Fortsetzung durch die zur Unterhaltung meiner Armeen nacher Niederland und Italien jährlich zu schicken gehabte übergroße Geldsummen meine hiesige Erbländer vollkommen entkräften müßte, ohne einige auch nur weit entfernete Hoffnung zur Wiedereroberung von Schlesien bei damaligen Umständen mir vorstellen zu können. Nichts als die Unterwürfigkeit in den göttlichen Willen machet mir auch diesen von Tag zu Tag mehrers empfindenden schweren Verlust einigermaßen noch erträglich, in der Hoffnung, daß wo nicht zu meinen doch zu meiner Nachfolger Zeiten der Allmächtige meines Hauses sich erbarmen und zu Ausbreitung seiner Glorie zur Wiedereroberung dessen demselben gnädiglich verhelfen wird, so wider alle Billigkeit von Preußen ihme entrissen worden. ") Was nicht schwer zu verhindern gewesen wäre (Fehler ?). 82

Nach Maß als enzwischen in Jahren ich zunähme, wäre forthin auch währenden Krieg noch meine Obsorge, die Schwäche und Stärke meine? Länder recht zu begreifen, in dem Vorsatz, eine standhaft- und billige Einrichtung, sobald immer die Umstände es zuließen, in selben vorzunehmen; flechete auch täglich Gottes Beistand um das nötige Licht an, damit in einer so häcklich- als wichtigen Sache nicht irre gehe. Gar leicht erkannte ich durch eigene Erfahrenheit, daß ohne augenscheinlichen Wunderwerk die Monarchie auf den Fuß, wie die Sachen bishero gestanden, so lange sich nicht soutenieret hätte, viel weniger aber hinfüro sich soutenieren könne, wo ein so ansehnlicher Anteil davon einem so gefährlichen Nachbarn zu Teil worden, deme an Kräften so wenig als an Willen es fehlet, immer mehrer sich auszubreiten, der seiner Lage nach weit wenigeren Risiko als ich eines anderwärts gegen ihn ausbrechenden Kriegs ausgesetzt ist, nachdeme er mit weit wenigeren Nachbarn als ich umgeben; der in forthiniger Bereitschaft und vornehmlich in einer so beschaffenen Verfassung bei sich alles hat, daß alles, so er will, nicht nur befolget, sondern auf das schleunigste befolget wird, anstatt daß nach der bisherigen Regierungsart ungemein viel Zeit es erforderte, bevor das Anbefohlene zu Standen allhier gebracht werden können, und daß diesem ersteren Gebrechen der hiesigen Verfassung unmöglich abzuhelfen seie, insolange nicht die Sachen mehrers conzentrieret und durch wenigere Hände und Stellen hinfüro laufen wurden. Aus dieser allzu weitschichtigen Manipulation erkannte ich ein zweites annoch weit größeres in deme bestehendes Gebrechen, daß jede Stelle als ein separiertes Corpus sich ansache, jede auf die Ausbreitung ihres Gewalts und Ansehen mehr als auf meinen Dienst öfters versessen wäre, jede anderer Facta zu kritisieren suchte und ihre eigene nebst denen von ihren Untergebenen mehr als die Sachen selbst zu Gemüt nähme, mithin durch unnötige Zank- und Schreibereien die Zeit nur allzu oft vergebens verlor und, anstatt die Resolution zu erleichtern, dieselbe mir eher beschwerlich andurch gemacht haben. 6*

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Das größte Gebrechen17) jedoch aus allen fände in deme, daß durch eine seit langen Jahren eingeführte Gewohnheit durch separierte Kanzleien die österreichisch- und böhmische Länder besorget, denen Kanzleien Capi von denen nämlichen Ländern, Böhmen denen böhmischen und Österreich denen österreichischen immerdar vorgesetzet, so viel Gewalt ihnen annebst eingeraumet worden, daß selben, weilen sie der allgemeine Canal deren Gnad- und Verordnungen waren, fast mehrers als der Landesfürst selbsten in denen Ländern respectieret und geforchten worden, alles mithin hauptsächlich an ihnen hienge, sie dargegen, teils um ihr Ansehen und Anhang zu vermehren, teils weilen sie selbsten Mitstände und gemeiniglich in denen nemlichen Landen begütert waren, die jura statuum zum Nachteil des landesfürstlichen Interesse über die Gebühr öfters verfochten, mithin in der Tat weniger deren Landesfürsten als deren Länder Kanzler waren. Aus dieser Hauptquelle des Übels folgte von selbsten die wenige unter denen Stellen fürgewaltete Einigkeit, nachdeme der österreichische Kanzler sein Hauptaugenmerk auf das Wohlsein und Erleichterung deren österreichischen und der böhmische auf das deren böhmischen setzte, ohne auf das Universum öfters zu sehen. An beeden pflegte die Cammer, sobald deren Ländern Convenienz den Cameralansinnen zuwider wäre, einen Advocaten nicht für, sondern wider sich zu haben, mithin anstatt eines zu Beförderung meines Dienstes anzuhoffenden Beistands vielfältige Hindernus und B eschwerlichkeiten zu gewarten hatte, nicht anders als ob es um die Gefälle eines frembden Souverain und nicht des eigenen zu tun wäre; auf welche nämliche Art es auch öfters dem Kriegsrat und Commissariat, jedoch viel übler noch der das Aerarium vertretenden Cammer gienge, wider welche alles in voraus praevenieret wäre, ungeachtet auch sie an ihren Gebrechen nicht manglete. Aus dieser nämlichen zwischen den Kanzleien fürgewalteten wenigen Einigkeit folgte, wie natürlich, die Uneinigkeit unter denen Ländern selbsten, weilen jede Kanzlei den auf das 17 ) Eine verhältnismäßig einfache Treppe; die Erkläru ng hat nur festzustellen, wohin die einzelnen Teilsätze gehören.

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Universum fallenden Last denen ihr anvertrauten Ländern zu erleichteren und selben auf die andere zu schieben suchte. Vor allen18) aber folgte daraus, daß vor den Hof selbsten deren Ländern innerlicher Zustand, teils um bei demselben sich so nötiger teils um bei denen Ständen sich so angenehmer zu machen, geheim gehalten, denen Ständen viel zu große Freiheit in dem Domesticali und denen Contributionsausschreibungen sonderlich in denen österreichischen Landen gelassen, zur Übertragung deren Grundherrn auch öfters zur Bestreitung sehr namhafter, teils unter denen Ständen selbsten geteilten, teils anderer Orten gemachten Geschänknussen Schulden über Schulden ohne des Hofs Einsicht auf den ständischen Credit zu machen eingestanden und dieses Unwesen auf eine fast unglaubliche Art so weit getrieben worden, daß Kärnten und Krain allein, die doch keinem feindlichen Einfall nie unterworfen waren, und außer Friaul die zwei kleineste aus gesamten teutschen Erblanden seind, einen Schuldenlast von mehr als sieben Millionen bei Zustandenkommung des neuen Systematis auf sich gehabt, zu deren bloßen Verzinsung bei 350.000 Gulden des Jahrs sie brauchen, um die also oder19) sie Länder oder der Hof um so viel ärmer des Jahrs worden, nachdeme in dessen Entstehung selbe oder ein mehreres contribuieren, oder um so minder a Proportione beleget werden kunten. Durch Nachforschung des Vergangenen wäre enzwischen meine Intention niemals wegen jenem, so vor meinen Zeiten geschehen, die mindeste Verdrüßlichkeit jemanden zu ziechen, viel weniger in die Facta meiner Vorfahrer einzugehen, als die insgesamt an Tugenden und Einsicht weit mich übertroffen zu haben erkenne. Rate dahero das Nämliche auch meinen Nachkömmlingen, als denen genug seien muß, die vorgeweste Gebrechen überhaupt zu wissen, um sich von derlei der landesfürstlichen Autorität sowohl als dem Besten 18 ) Die Schwierigkeit dieser Periode liegt nicht in den Nebensätzen, sondern in den ohne Verbum ausgedrückten Satzgliedern. Die vier Partizipien: gehalten, gelassen, eingestanden, getrieben gehören alle zu dem gegen Ende nachhinkenden worden (ist). 19 ) für: entweder — oder.

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der Monarchie nachteiligen Fallstricken zu hüten, gleich auch mir genug wäre, nach genauer Nachforschung selbe zu ergründen, um die unentbehrliche Notwendigkeit zu erkennen, auf deren Abstellung mit Ernst zu gedenken, wann anders dem gänzlichen Verfall der Monarchie in Zeiten noch vorgebogen werden wolle. Die tägliche Erfahrenheit überzeugte mich immer mehrers, dieser Wahrheit und mein Gewissen stellete mir stets vor, daß da dem Allerhöchsten es gefallen, dieselbe mir anzuvertrauen, er die Schuldigkeit zugleich mir auferleget habe, das Äußerste meinerseits anzuwenden, um selbe zu seinem Dienst und der Religion Besten aufrechtzuerhalten. A l l e in Weg mir stehen wurdende Hindernussen habe in voraus vorgesehen, auch selbe in der T a t erfahren. Eines Teils stellete mir vor, wie gehässig überhaupt alle Neuigkeiten dem Publico wären, wie weit gehässiger aber noch diese seien wurde, die zum Gegenstand eine allgemeine höhere Belegung 20 ) und zugleich die Einschränk- und Abstellung deren bisherigen, häufigen Excessen, Eigenmächtigkeit- und Ungleichheiten zum Grunde hätte, die durch eine ohnunterbrochene Übung von so vielen Jahren zur allgemeinen Gewohnheit an dem Hof wie in denen Ländern wurden und woran so viele und viele von allerhand Sort- und Gattungen Große, Mittere und Kleine Anteil hatten, daß von so vielen in der Regierung mir vorgegangenen klugen Regenten keiner oder gedacht, oder keiner viel mehr sich getrauet habe, ein so tief eingewurzletes Übel anzugreifen; weit gefährlicher dahero meinen Jahren und Geschlechte seie, solches zu unternehmen. Wie wenigen Beistand zu dessen Beförderung von den meisten meiner eigenen Ministres und Stellen, so devot und ehrlich sie auch sonsten wären, in einer Sache mir versprechen kunte, die ihrer von Jugend auf angewöhnten durch die bisherige Verfassung gestärkten Gedenkensart, ihrem eigenen oder ihrer Anverwandten Ansehen und denen ständischen allzu weit und widerrechtlich getriebenen Befügnusund Freiheiten unmittelbar entgegen wäre. 20)

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Besteuerung.

Wie gering endlich die Anzahl derenjenigen seie, auf deren hierunter nicht habende Vorurteil mich verlassen21) und zugleich derenselben wegen deren von denen Ländern habenden Käntnussen in einer so häcklichen Angelegenheit nutzlich mich bedienen könnte. Weit mehrers Nachdenken jedoch verursachte mir anderen Teils die Ungewißheit, ob möglich in der Tat auch seie, den Fuß von 110.000 Mann aus denen hiesigen Erblanden zu unterhalten, deren Anzahl das Mindeste für ihre Sicherheit zu seien ermessen wurde, seitdeme durch den Verlust von Schlesien einen höchst gefährlichen, um ein Merkliches noch stärker bewaffneten Nachbar an Preußen dieselbe überkommen haben, mithin nichts als eine gewachsene Armee den Ruhestand von selber Seiten sowohl als von der türkischen (deren anderen abgeneigten Mächten zu geschweigen) erhalten kann. Mein größter Kummer 22 ) bestünde auch in dieser Ungewißheit: Dann so unentbehrlich auch mir dunkete, so stark als möglich hinfüro stets armieret zu seien, und ich solches als das einzige Mittel ansehe, die Monarchie von ihrem Umsturz zu bewahren, nachdeme die leidige Erfahrenheit mehr als einmal sonderlich zu meiner Zeit gewiesen, wie und z w a r s c h i e r das g a n z e S a e c u l u m her, weniger Staat auf deren Seemächten gegen Frankreich und gegen Preußen u n d T ü r k e n g a r k e i n e n zu machen, mithin ohne zureichender eigener Macht in immerwährender 2 1 ) Auf deren Vorurteilslosigkeit ich mich verlassen . . . könnte. 2 2 ) Die bedeutenden Schwierigkeiten dieser Stelle liegen nicht im B a u der Periode, sondern 1. in dem eigentümlichen für uns schwer verständlichen Wortgebrauch, 2. in den Besonderheiten der Wortstellung und sind 3. besonders durch die nachträglichen Einschübe hervorgerufen worden, die von der eigenen Hand der Kaiserin stammen. E s sind folgende Worte, die schon Arneth in seiner Ausgabe 87 (337) durch Sperrdruck hervorgehoben h a t : und zwar schier das ganze Saeculum her, und Tyrcken gar keine und wäre ich mehrers bekümmert und agitiert in dieser als allen gefährlichen Gelegenheiten.

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Gefahr dieselbe seie, über den Haufen geworfen zu werden: so wenig hätte dannoch entschließen mich können, einen schwereren Last meinen Ländern jemals aufzubürden, als selbe zu tragen in Stand wären. Nie hatte Gottes Beistand nötiger als bei dieser Gelegenheit, um in so häcklichen Umständen mich zu leiten, u n d w ä r e i c h m e h r e r s b e k ü m m e r t u n d a g i t i e r t in d i e s e r als a l l e n g e f ä h r l i c h e n G e l e g e n h e i t e n . Nur allzu oft machte mir selbsten den Zweifel, ob mit Fug wohl auch anzuhoffen seie, daß die durch den Abfall von Schlesien um ein so Ergiebiges abgenommene Länder ohne der äußersten Entkräftung vermögend sein sollten, einen fast nochmals so starken Kriegsfuß in Friedenszeiten zu erhalten, als des hochseeligen Kaisers Majestät nach geendigten ersten türkischen Krieg aus selben verpflegen zu können erachtet. Erwägete dargegen auch, daß eben so unverantwortlich von mir es auch wäre, die so viele Drangsalen von Freund und Feind wegen meiner ausgestanden habende Länder über ihre Kräften zu beladen, eben so unverantwortlich es auch seien wurde, dasjenige außer Acht zu lassen, so ihre eigene und meines Erzhauses Sicherheit unumgänglich erfordere; die Schuldigkeit dahero als Mutter sowohl als Regentin mir obliege, der Sache auf den Grund zu kommen, um zu sehen, ob nicht möglich etwa seie, durch Abstellung der bisherigen Unordnung auf Eigenmächtigkeit dasjenige dannoch tunlich zu machen, so des ersten Anblicks untunlich schiene. Wie enzwischen alle Anzeichen eines baldigen Friedens sich äußerten, nachdeme die in Krieg verflochtene Mächte desselben teils müd teils unkräftig waren, die von mir angetragene neue Einrichtung aber vor dessen Endigung auf ein oder andere Art zu standen seien müsse, wann anders in die sonsten unfehlbare Notwendigkeit mich nicht setzen wollte, aus Abgang deren Mittlen eine allzu starke Reforme sogleich vornehmen zu müssen, wo alsdann die Idee eines auf denen Beinen zu haltenden stärkeren Kriegsfuß von selbsten zerfallen wäre, so fienge in Jahr 1746 bereits an, das Werk in Bewegung zu bringen, um in einer so wichtigen die Wohlfahrt der Monarchie betreffenden Angelegenheit nicht zu über88

eilen, vielmehr alles in seiner behörigen Maß und Ordnung zu traktieren. So diensteifrig auch sonst alle meine Conferenzministri waren, die damals aus denen Grafen Uhlfeld, Colloredo23), Friedrich Harrach, Kinsky und Khevenhüller24) bestanden, so hatten doch einige wenige Kantnus von dem Interno und die andere waren von denen die obangeführte Gebrechen zum Grund habenden Principiis von Jugend an dermaßen eingenommen, daß ihrer allein hierunter mich zu gebrauchen billig anstünde; ja gar keiner darvon wollte, ohngeachtet meiner wiederholten Anmahn- und Verordnungen oder wußte eine Idee des künftigen Friedenssystematis auszuarbeiten, obgleich alle zu erkennen einstimmig erkläreten, 100.000 Mann zur allgemeinen Sicherheit das wenigste zu seien, wann anders die Möglichkeit zulasse, dieselbe zu unterhalten. Bediente mich dahero des Grafen von Haugwitz, den von derlei Principiis weit entfernet wußte, und von seinem unermüdeten Eifer und Ehrlichkeit vollkommen überzeuget zu seien Ursach hatte, zur Entwerfung des beiliegenden auf 108.000 Mann gerichteten Plans, der auf gesamte teutsche und hungarische Erblande mit 14 Millionen angetragen wurde, unter welcher Summa alle Militarrubriken ohne Ausnahm, als Beitrag, Service, Recrout- und Rimontierung, Ettappen und Vorspannsreluition begriffen, als die hinfüro insgesamt (ohne weiterer deren Länder Zubuß) ab aerario teils in baaren denen zu vergüten, teils in Natura anzuschaffen seien werden; zu dessen Ende eine kurze Ausweisung sich befindet zu klarer Beweisung, daß über drei Millionen 400.000 Gulden denen teutschen Erblanden ein 23 ) Colloredo Rudolf Joseph, Graf. Geboren 1706, 172» Hofrat bei der böhmischen Hofkanzlei, 1731 Gesandter beim Regensburger Reichstag, 1737 Reichsvizekanzler, gestorben 1788. 24 ) Khevenhüller-Metsch Johann Joseph, Graf, seit 1763 Fürst. Geboren 1706,1725 niederösterreichischer Regierungsrat 1728 Reichshofrat, Gesandter in Regensburg, München und Dresden, 1736 Obersthofmeister und Obersthofmarschall, auch Staats- und Konferenzminister. Memoiren ed. Johann Schiitter: Aus der Zeit Maria Theresias, Tagebuch des Fürsten Johann Joseph KhevenhüllerMetsch 1742—76.

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mehreres es kostete, wofern mit denen in selbe zu verlegen antragenden 25 ) Trouppen auf den vorhinigen Fuß es gehalten wurde. Um ein Ganzes zu machen, wäre ebenso unentbehrlich, die allseitige Erfordernussen des Hof- und Civilstaats26) nebst dem Schuldenwesen unter einstens27) auch richtig zu stellen, nachdeme das Systema keinen Bestand hätte haben können, wann nicht zugleich auch diese wie das Militare besorget gewesen wären. Zu beeden ersteren28) widmete Graf Haugwitz gesamte Cameralgefälle und in Ansehen des dritten trüge er an, dem Stadtbanco, dem Bergwesen und der hungarischen Hofcammer die Ihrige beizulassen, weilen dieselbe zulängliche fundos zu deren Bedeckung in Händen haben; das nämliche auch in Ansehung jener zu tun, die auf dem Contributionali deren teutschen Erblanden hafteten, alle übrige aber in eine eigene Schuldencassam zu übertragen und dieser sowohl als denen Ländern zu deren Dotierung 6% als 5 für die Interessen und das sechste zur successiver Verminderung deren Capitalien anzuweisen, zu dessen allseitiger Bestreitung über die für den Kriegsstaat ausgemessene 14 Millionen (exclusive deren zur Hoferfordernus gewidmeten Cameralgefällen) beiläufig annoch erforderlich zu seien von ihme anerkannt, mithin laut des zweiten Plan das Totale auf angetragen, von denen letzteren jedoch nichts auf Hungarn, sondern auf die teutsche Erbland und den Banat allein repartieret worden, weilen der Antrag schon damals wäre, bei dem ersten hungarischen Landtag sich zu bearbeiten, auch allda ein höcheres Contributionale zu überkommen. So sehr dieser des Grafen von Haugwitz Plan mir auch eingienge, so wollte doch keine Entschlüssung in Sachen 25 ) Mit den Truppen, die in die Länder verlegt werden •sollten. 2 ") Kosten des Hofstaates und der zivilen Verwaltung. 27 ) gleichzeitig, bei derselben Gelegenheit, s. Anm. 37. 28 ) Die Eigentümlichkeit dieses Satzes kaufmännischen Inhalts besteht in der Anreihung der einzelnen Posten in paralleler Sprachform, wie sie der Kaufmann beim Rechnen gebraucht. Dadurch erklären sich die Abweichungen vom gewöhnlichem Sprachgebrauch unserer und der damaligen Zeit.

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noch fassen, ohne zuvor die Ministros und sonderlich die Grafen von Harrach und Kinsky darüber zu vernehmen, als in deren Departements vermöge ihrer obhabenden Chargen, des ersteren als böhmischen Obristcanzlers und des zweiten als Stadtbancopraesidenten hauptsächlich es einschlüge; welchen beeden vornehmlich dem ersteren durch Grafen von Haugwitz alles mitteilen ließe. Beede erkannten, wie obgemeldt, nebst denen übrigen Ministris, die antragende Milizanzahl in Betracht der Monarchie dermaligen Umständen eher zu gering als zu groß zu seien; bloß in deme stunden sie an29), ob zu deren Unterhalt die Kräften deren Länder zulangen wurden. Waren also in all übrigen besonders Graf von Kinsky (in dem obigen Verstand) mit dem Plan einverstanden. Graf von Harrach dargegen, der wider die allseitige Erfordernus nichts einzuwenden hatte, vielmehr am meisten dafür portieret sich zeigte, und überhaupt mit Grafen von Haugwitz d'accord zu seien mir selbsten sagte, sattlete zu meiner nicht wenigen Verwunderung auf gewisse Weis um, als die Sache in Ihro Majestät des Kaisers und meiner Gegenwart in der Conferenz vorgenommen wurde. Und seit deme, gestehe ich, hat mein Vertrauen um ein Merkliches gegen ihn sich geminderet. Er soutenierte nämlich: Alles so anverlanget wurde, seie nötig; das Werk könnte aber auf die antragende Art keine Dauere haben und wurde in kurzen zerfallen. Alles so erforderlich wäre für das Militare, für den Hof- und Civilstaat, für geheime Ausgaben, für Pensionen, für das Schuldenwesen und überhaupt was immer es seie, sollte ich (nach vorläufiger Überlegung, was in ein- so anderen sich etwa ersparen ließe) von denen Ländern anbegehren, falls auch auf 5 oder 27.000 Millionen es sich belaufete, dargegen alle Consumptionsund andere Aufschläge aufheben, damit ohne einiger Zoll- und Mautabgab so freier unter sich sie handien, mithin auch so besser die innerliche Industrie nebst dem auswärtigen Commerzio emporbringen kunten. Eine so scheinbar- und schmeichelhafte Proposition von Seiten eines Mannes, der 29

) zweifelten sie, hatten sie Bedenken. 91

so viele Vernunft und Wohlredenheit wie Graf von Harrach hatte, kunte wohl andere wankend machen, nicht aber mich, nachdeme selbe gleich anfangs für eben so schädlich für die Länder als für gefährlich für meinen Dienst ansahe; und zwar schädlich für die Länder, als die einen Last von so vielen Millionen mehrers von nun an zu tragen gehabt hätten, ohne den darvon anzuhoffenden Nutzen vor mehreren Jahren, deren es zu dessen allseitiger Einleitung nötig gehabt hätte, in der Tat spüren zu können. Vor meinen Dienst aber, weilen das erstere Jahr gleich mit einer so namhaft erhöchten Abgab die Länder nicht hätten zuhalten können, anmit auch das neue, die richtige Bezahlung zum Grund habende Systema zu dessen Anfang gleich zerfallen wäre. Nebst deme keinerdings anzuraten gewesen wäre, aus dem Besitz deren aus landesfürstlicher Macht seit so vielen Jahren eingeführten Aufschlägen den Hof zu setzen, als welches der gerade Weg seien wurde, von deren Ständen Willkür annoch mehreres denselben abhangen zu machen; dem Banco aber an dessen Aufrechterhaltung meinem Haus sowohl als dem gemeinem Wesen so vieles gelegen ist, durch die Abnehmung deren großen Teils pro fundo ihme übertragen wordenen Aufschlagsgefällen ein nicht mehr zu ersetzender Schaden auf ewig zugefüget wurde, so auch Graf Kinsky gar wohl begriffen hat. Da solcher Gestalten den Obristcanzler in irrigen und in ganz andern Principiis mit Grafen von Haugwitz in der Hauptsach wußte, und von einem in seiner Meinung so sehr versessenen Ministre, wie Graf von Harrach zu seien pflegte, unschwer mir vorstellen kunte, daß anstatt eines anzuhoffenden Vorschubs Graf von Haugwitz durch des Obristcanzlers Canal zerschiedene Hindernussen zu besorgen haben dörfte, so erachtete das Beste zu seien, ohne der Kanzlei Vorwissen unmittelbar die Länder anzugehen, und selben als Commissarium nacher Böheim und Mähren abzuschicken, um denen Ständen in meinen Namen die Sache vorzutragen. In Mähren, wo er anfienge, wurde in wenigen Tagen es richtig und bequemeten die Stände ganz willig sich darzu. Eben so glücklich war er auch in Böheim, obgleich mit etwas mehrerer Beschwerde, worzu die von hier aus in geheim ab92

gelassene Anhandgebungen30) ein nicht Geringes mit beigetragen haben dürften. Die nämliche, die das Werk zu unterbauen suchten, sagten anfangs: In Mähren hätte Graf Haugwitz die Stände übervorteilet, in Böhmen wurde es aber nicht so gehen, wo mit ferme- und gescheiteren Köpfen er zu tun haben wurde. Als nach der Hand auch allda er reüssierte, so wurde vorgewendet, durch Versprechen oder andere Gnaden müßte deren accreditierten Ständen einige ich gewonnen haben, so jedoch von meiner Gedenkensart so weit entfernet wäre, daß vielmehr ausdrücklich dem Grafen von Haugwitz anbefohlen habe, ohne Ausnahm niemanden weder zu drohen noch was zu versprechen; gleich auch dem Nettolitzky eben so wenig als dem Blümegen31), die das Meiste durch ihre Einsicht und Ansehen in den Ländern darzu beigetragen, zu der nach der Hand zu Teil ihnen wordenen Praesidentenstelle die mindeste Hoffnung in voraus gegeben worden. Sobald in beeden Ländern wegen des Hauptquanti mit denen Ständen seine Richtigkeit es hatte, ließe ich zu Schlüssung des Receß die Deputierte aus beeden anhero kommen, wo die ständische Postulata vorgenommen und sofort der Receß selbst nach einigen mit selben gehaltenen Zusammentretungen, worzu beede Grafen Harrach32), und Kinsky geflissentlich mit beiziehen ließe, auf zehen Jahre geschlossen worden. In der denen nämlichen Deputierten erteilten Audienz fragte dieselbe, sie sollten auf ihre Pflicht offenherzig mir sagen, welchen von beeden den Harrach- oder Haugwitzi30

) Warnungen, Hetzereien. ) Blümegen Heinrich Cajetan, Freiherr, 1761 Graf. Geboren 1715, 1753 mährischer Landeshauptmann, 1760 Staatsminister, 1771 oberster Kanzler, gestorben 1788. 32 ) Harrach Ferdinand Bonaventura, Graf. Geboren 1708, 1738 Rat der österreichischen Hofkanzlei, 1744 Landmarschall in Niederösterreich, 1746 Generalstatthalter der Niederlande, 1747 Statthalter in Mailand, 1750 Präsident der obersten Justizstelle, 1751 Reichhofratspräsident, gestorben 1778. Über Graf Friedrich Harrach s. Anm. 12 zur ersten Denkschrift. 31

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sehen Plan den anständigst- und nutzlichsten für die Länder sie glaubten. Die allseitige Antwort wäre: „Unwidersprechlich der letztere. Bei dem ersteren müßten die Länder zu Grund gehen", äußerten sich auf die nämliche Art ohne Scheue in obgedachter Zusammentretung33). Auch in denen österreichischen Landen kamen successive die Receß zu Standen, obgleich langsamer als in denen böhmischen, teils weilen durch die üble Gebahrung der dasigen Ständen und zugleich durch die unerlaubte Connivenz oder Unwissenheit der österreichischen Kanzlei die Mißbräuche, Ungleichheit- und Unordnungen um ein merkliches noch größer in selben als in denen böhmischen waren, teils weilen aus diesen nämlichen Ursachen in einen weit tieferen Schuldenlast sie sich befanden, mithin in der Tat viel schwerer auch wäre, allerseits Rat hierunter zu schaffen. Das erste, so zu dem Receß sich bequemete, wäre Niederösterreich, wo des Grafen von Haugwitz als meines Commissarii gleichfalls mich bediente, den Grafen von Breuner aber als Landmarschalien ad hunc actum anstellete, nachdeme der rechte Landmarschall Graf Ferdinand Harrach als Gubernator zu Mailand abwesend wäre, sein Bruder der böhmische Obristcanzler aber, der in des andern Abwesenheit substituierter Landmarschall in der Tat wäre, aus Eigensinn oder Abneigung zu einem nach seiner Idee nicht ausgefallenen Werk denen Ständen bei solcher Gelegenheit nicht beisitzen wollte. Oberösterreich folgte darauf. Nach Oberösterreich, Steiermark nach Steiermark Krain und nach Krain Tirol. Kärnten allein wollte darzu sich nicht fügen, wodurch dann bemüssiget zuletzt mich sache, jure regio die Contribution allda auszuschreiben. 33

) Auch die scharfe Unterscheidung der direkten und indirekten Rede gehört zu jenen grammatischen Genauigkeiten, die die deutsche Sprache erst im Laufe der Jahrhunderte erworben hat und die Kaiserin Maria Theresia, wie alle andern Vertreter der Sprechsyntax, noch nicht streng durchführt. So erklärt sich der hier auffallende doppelte Ankündigungssatz der direkten Rede.

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Vermöge deren hungarischen Verfassung mußte in Ansehen des dasigen Contributionalquanti bis zu dem im Jahre 1751 fürgewesten Landtag es lassen. Die bei dem nämlichen Landtag eingestanden wordene Vermehrung scheinet zwar des ersteren Anblicks 700.000 Gulden auszumachen; in der Tat belauft sie sich aber auf ohngefähr 500.000 Gulden, wann jenes darvon abgerechnet wird, so eines Teils durch den Nachlaß deren so genannten laborum gratuitorum 34 )und des in denen Sommermonaten unentgeltlich zu liefern gewesten Heu dem Land zu guten kommet, und was anderen Teils die Vorspannsvergütung ein Jahr in das andere gerechnet ertragen dürfte. Zur Aufrechterhaltung 35 ) des Militarplan wäre dieser Zuwachs sehr nötig, nachdeme wegen befundener Notwendigund Billigkeit dem Land Steyer 100.000 Gulden eines Teils nachgelassen und die Hälfte des denen hierländigen mitleidenden Städten 36 ) angeschriebenen Quanti mit ebenmäßigen 100.000 Gulden übernommen habe und anderseits zerschiedene — bei des Plans Entwerfung nicht vorzusehen geweste — um vieles die 500.000 Gulden übersteigende Ausgabsrubriquen der Militärcassae nach und nach, obgleich zum allseitigen Besten meines Dienstes zugewachsen sein, auf eine Art, daß die in dem Plan angetragene jährliche Ersparung dermaßen abgenommen, daß solche fast zu gar nichts auf die letzte worden; und wann jemals durch Gottes Segen oder die Berg- oder andere Cameralgefäll um ein merkliches steigen sollten, sehr heilsam sein wurde, eine halbe Million, wo nicht eine ganze, dem Militarfundo davon beizugeben, damit die der ersteren Idee nach angetragene Ersparung in der Tat gemachet werden kunte, um solche auf allen Notfall bei einem irgends ausbrechenden Krieg zu so geschwinderer Bestreitung deren ersteren Erfordernussen 34

) Staatsroboten. ) Daß der Nachsatz, der mit sehr heilsam beginnt, dem ersten mit nachdeme eingeleiteten Nebensatze gleichgestellt werden muß, wird durch die vielen Zwischensätze und den deutlich neuen Anfang: und wann jemals . .. verschleiert. 38 ) Städte, die keiner privaten Grundherrschaft unterstehen (landesfürstliche Städte), ihre Vertreter auf den Landtag senden und an der ständischen Wehrsteuer mitzutragen haben. 35

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in der Kriegscassa in Bereitschaft immerdar zu haben, und solche von Jahr zu Jahr anwachsen zu machen. Receß mit denen Ländern zu schließen oder nicht zu schließen, wäre in der Tat auf eines hinausgekommen, wann nicht unter einstens37) gedacht worden wäre, diejenigen Hindernussen mit Ernst aus dem Weg zu räumen, die die richtige Abfuhr des allseitigen Quanti, ohne welchem das Systeme von selbsten zerfallen mußte, wo nicht-unmöglich, doch allzu beschwerlich gemacht hätten. Nötig wäre zu dem Ende erstens eine vollkommene Absonderung zwischen der Miliz und denen Ländern zu machen auf eine Art, daß zu keiner Zeit in denen Standquartieren noch auf denen Märchen von dem Landmann der Soldat etwas zu forderen, noch der Landmann dem Soldaten zu geben habe, aus welcher Ursach auch der über die ordonanzmäßige Gebühr in denen Teutschen Erblanden der Miliz ausgeworfene Beitrag von dem aerario übernommen worden. Unmöglicher Dingen hätte ohne dieser Abänderung ein Systema bestanden haben können, dessen vornehmster Grund auf einer richtigen monatlichen Abfuhr beruhet. Dann ohne solcher wäre die Kriegscassa außer Stand, die monatlichen Gebühr richtig denen Regimentern zu verabfolgen, und überkommeten dieselbe ihr Geld nicht richtig, so wären die Excessen unvermeidlich; unvermeidlich also auch die Folge, daß der damit hergenommen werdende Bauer das ihme zugeteilte Contributionsquantum nicht abführen könnte. Nötig wäre zweitens einen Contributionsmodum festzusetzen, wodurch der Landmann sowohl als Grundherr von allen ferneren Abgab- und Erpressungen gesicheret wurde, so mit deme erreichet worden, daß seit deren geschlossenen Recessen beede wissen, wie vieles ein jedes überhaupt das ganze Jahr hindurch Monat für Monat und über solches unter keinem Vorwand ein mehreres zu bezahlen habe; mithin zu Anfang des Jahr seinen Plan ein jeder gleich machen kann, auf was Weis sein Quantum von Monat zu Monat er bezahlen werde, anstatt daß ehedessen einen dergleichen Plan niemand sich machen kunte, weilen unter zerschiedenen 37

) Unter einem, zugleich Anm. 27.

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Rubriken bald zu Anfang bald in Mitte des Jahrs ausgeschrieben, bald eine Natural-, Recrouten- und Rimontastellung, bald deren Reluierung in Geld verlanget wurde, bald der Quartiersstand und mit selbem der der Miliz zu gebende Beitrag größer oder kleiner, bald die Durchmarches, mithin der Etappen- und Vorspannlast häufig oder weniger häufig wäre. Wo hiernächst unter differenten Rubriken und zu zerschiedenen Zeiten des Jahrs hindurch beschehene Ausschreibungen eine erwünschte Gelegenheit denenjenigen landsfürstlichen, ständischen und Particularbeamten waren, dieselbe zu Nutzen zu machen sich suchten, um ihre Particularabsicht und Eigennützigkeiten darbei auszuüben, denen Ständen aber die Ausschreibungen nach ihrer Willkur einzurichten, deme allen und mehr anderen daraus entstandenen Unordnungen durch die dermalige Verfassung abgeholfen ist. Nötig wäre drittens die auf ein sehr Großes in mehreren Ländern, sonderlich in denen österreichischen sich beioffene Domesticalausgaben auf ein Billiges herabzusetzen, weilen auch dieses zum Besten des Bauermanns gereichet und in Stand ihn setzet, das Contributionale so leichter abzuführen. In allen Ländern ist man damit fertig bis auf Niederösterreich, so aus mehreren Ursachen bishero nicht beschehen können; ich aber mit Nachdruck darob zu halten entschlossen bin, um auch denen hierländigen Untertanen die andurch ihnen zuzukommen habende Erleichterungen zu verschaffen, denen andern Ständen aber zu keiner billigen Beschwerde den Anlaß zu geben, als ob mehrere Rücksicht auf die hiesige als auf die von meinen andern Ländern hätte, mithin auch jenen ein mehreres als ihnen nachsehete. Nötig wäre viertens, die Schulden eines jeden Lands, deren Verzinsung denen Contribuenten zu Last fallet, ins Klare zu setzen, vornehmlich aber zu verhinderen, daß ohne des Hofs Vorwissen keine neue von denen Ständen für das künftige gemacht noch die jährlichen Ausschreibungen von denenselben hinausgefertiget werden, bevor nicht selbe durch den Hof eingesehen und approbieret worden, all welchem auch wirklich vorgesehen ist. Nötig wäre fünftens, die Rectification in jedem Lande zu Standen zu bringen, damit denen allzu häufigen vor7

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hinigen Ungleichheiten abgeholfen und der Contributionslast mit gleichen Schultern von allen getragen werde. In denen meisten ist dieselbe mit der Hilf Gottes nunmehro richtig, in so weit ein derlei so vielen täglichen Zufäll- und Abänderungen unterworfenes Werk es seien kann. Wie im übrigen also auch in diesen gehet mit dem hiesigen Land um vieles es schwerer als mit denen anderen; doch werde auch hierunter Rat zu schaffen wissen. Am nötigsten wäre endlich sechstens eine so beschaffene Verfassung in denen Ländern und vornehmlich allhier vorzukehren, wodurch ich der allseitigen genauen Befolgung des neuen Systematis gesicheret seien könnte. Die durch beeder Kanzleien und sonderlich der österreichischen Unobachtsamkeit überhäuft eingeschlichene Mißbrauche und Unordnungen habe bereits oben berühret. Meine eigene Erfahrenheit überzeugte mich enzwischen von Tag zu Tag immer mehrers, daß auf solchen Fuß unmöglich es bestehen könne, daß mehrere Zeit und Nachdenken ich fast brauchte, zu Auseinandersetz- und Beilegung deren zwischen den Stellen forthin sich geäußerten differenten Meinungen als zu denen Sachen selbsten; daß die nämliche Stellen und Ministri, denen vermöge ihrer Amtspflicht obliegete, in Ausführung des neuen Systematis am meisten mir an Hand zu gehen, um vieles gehässiger als die Länder selbsten dem Werk waren, folgender eher Difficultäten denenselben beizubringen als solche zu beheben suchen wurden. Resolvierte mich solchemnach zu gänzlicher Aufhebung beeder Kanzleien, stellete dargegen zwei neue Hofstellen, das Directorium nämlich und die Obriste Justizstelle an und benannte zu der ersteren Capo den Grafen von Haugwitz und zu der zweiten den Grafen von Seiler38), vorhinigen österreichischen Hofkanzlern, die darzu gehörige Hofräte aber größten Teils aus beeden Kanzleien. 3S ) Seilern Johann Friedrich, Graf. Geboren 1675, Diplomat, 1697 Vertreter am Ryswiker Kongreß, 1714 Gesandter beim Badner Friedensschlui3, 1733 Landeshauptmann in Krain, 1735 zweiter, 1739 oberster Kanzler der österreichischen Hofkanzlei, 1750 Präsident der Obersten Justizstelle, 1751 gestorben.

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Gesamte denen Kanzleien anvertraut geweste Agenda teilte unter beede jetzt gemeldte Stellen ein, und zwar der Obristen Justizstelle die ad Revisorium kommende Strittsachen nebst all deme, so immer in das Justicíale einschlaget, mit bloßer Ausnahm deren den Fiscum betreffenden, zu deren Ausarbeitung einer wöchentlich zwischen ihr (der Obristen Justizstelle) und dem Directorio zu haltende Zusammentretung angeordnet habe; dem Directorio dargegen alle Publica, Provincialia und Cameralia mit bloßer Ausnahm der hungarisch-Banatisch- und Siebenbürgischen Angelegenheiten. Und damit alles so geschwind- und einmütiger gehe, so resolvierte zugleich, daß dem nämlichen Directorio einmal in der Wochen Graf Chotek als Banco- und Commerzienpraeses, Graf Wilzek39) als Obrist-Kriegscommissarius nebst einem Rat von Seiten des Commissariats und ein Referendarius von Seiten des Hofkriegsrats beiwohne, damit die dem Banco und das Commerciale betreffende Sachen, in so weit selbe des Directorii Beihilf quoad executionem nötig haben, nebst denen mixtis militaribus und commissariaticis gemeinschaftlich allda vorgenommen und nach erfolgter Resolution über die darüber mir abstattende Protokoll die allseitige Verordnungen zur nämlichen Zeit und gleichförmig expedieret werden. Auf solche Art machete eine gänzliche Absonderung deren Justiz- und Landsangelegenheiten und besetzte beede Stellen mit denen besten Subjectis, nach Maß selbe vermöge ihrer Stärke und Erfahrenheit am tauglichsten zu einer oder der anderen erkennet worden. Die nämliche Absonderung machte unter einstens auch in denen Ländern und stellete eine eigene Justizstelle und unter dem Namen Repraesentation und Kammer ein eigenes Landguberno in jedem auf, die ihre Bericht zu Händen des Directorii und die Justizstellen zu jenen der Obristen Justizstelle anhero abzustatten haben. Beede beiliegende Schemata weisen, aus was vor einem Personali beede neue Hofstellen besetzet worden. Zu einer 39

) Wilczek Joseph, Graf. Geboren 1710, Militär, 1752 Feldmarschalleutenant, 1753 Feldzeugmeister und Oberster Kriegskommissar, 1787 gestorben.

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jeden von Beeden habe nach der Hand auch das dritte Capo als den Grafen von Breuner zur Obristen Justizstelle und den Freiherrn von Bartenstein zum Directorio angestellet aus billiger Erkantnus seiner durch so viele Jahr des Kaisers meines Herrn Vatters Majestät und mir in denen schweristen Umständen geleisteten vielfältigen Diensten, und daß er derjenige wäre, der das meiste Licht in Internis durch seine diensteifrige Ratschläge und die davon habende viele Kantnus mir angezündet; deme also auch das meiste bei dem eingeführeten neuen Systemata nach dem Grafen von Haugwitz schuldig bin, als der mit unermüdeten Mut und Ehrlichkeit das Werk angegriffen und mit eben dem Mut und Unerschrockenheit bis an das Ende dasselbe ausgeführet hat, ohne an dem andurch sich zugezogenen allgemeinen Haß sich zu stoßen. Rate dahero auch und ersuche meine Nachfolger den der Monarchie und ihnen von beeden andurch geleisteten so nützlich als wichtigen Dienst zu keiner Zeit in Vergessenheit zu setzen und solchen nach beeder Tod auch in ihren Kindern zu erkennen. Um endlich in ihren rechten Gang und Ordnung allhier sowohl als in denen Ländern die Sachen zu bringen, ließe ich anfangs die von größerer Erheblichkeit geweste Deliberanda in meiner Gegenwart wöchentlich vornehmen, allwo auch des Kaisers Majestät und Liebden, mit dessen Einverständnus alles angefangen und ausgeführet habe, zu erscheinen die Mühe sich genommen, und zöge ich geflissentlich den wenige Monate darauf mit Tod abgegangenen Grafen von Harrach immerdar mit bei, damit er sähe, mit was Aufmerksam- und Billigkeit alles tractieret wurde. Nach der Hand aber, wie alles in seiner vollkommenen Ordnung schon wäre, fände solches so ohnnötiger, als ohne deme gesamte bei dem Directorio vorkommende Angelegenheiten in denen wöchentlichen Protokollen mir vorgetragen und die Acta selbsten, wo dessen es nötig hat, beigeleget werden. Ein so großes, die Abänderung der bisherigen Verfassung nebst der Ausrottung so vieler seit undenklichen Jahren an dem Hof wie in denen Ländern in Übung gewesten Mißbräuchund Unordnungen zum Endzweck habendes Werk kunte, wie leicht vorzusehen wäre, bei dem im voraus darwider 100

praevenierten Publico nichts anderes als Unlust und Widerwillen anfangs verursachen. In der Tat schrie auch alles darüber sonderlich die Miliz, die Stände, der Adel und die herrschaftliche Beamte. Das größte Geschrei40) wäre jedoch an dem Hof selbsten und von Seiten jener, die teils aus meinen Gnaden leben, teils durch meiner Vorfahren Milde und Großmut sie und ihre Voreltern zu demjenigen Reichtum und Ansehen gekommen, in welchem sie und die Ihrige sich befinden, aus der nämlich Ursach aber durch Abstellung deren unerlaubten Mißbräuchen und die einzuführen gesuchte Gleichheit und bessere Ordnung mehr als andere öfters betroffen worden. Wer das aus des Allmächtigen Gnad zu Teil mir wordene nicht üble Gemüt kennet, der wird unschwer sich vorstellen, wie sehr zu Herzen mir gegangen sein müsse, die Neigung meiner Untertanen, die als eine wahre Mutter immerdar geliebet, zur Belohnung der zu ihrer allgemeinen Wohlfahrt Tag und Nacht mir gegebenen Bemühung so merklichen gegen mich vermindert und mit so vielen Undank von teils denenjenigen mir begegnet zu sehen, die mehr Ursach als andere hatten, ihre Devotion und Erkenntlichkeit mir zu bezeugen. Alles dissimulierte jedoch in der Hoffnung, die Vernünftigere wurden nach und nach von selbsten erkennen, daß alles zu des Vaterlands mithin auch zu ihren eigenen Besten geschehen. Ließe mich auch durch das nur allzu wohl mir bekannt geweste Geschrei nicht irre noch abwendig machen, dasjenige auszuführen, so mit Gottes Beistand unternommen hatte, nachdem durch die obangemerkte Bewegursachen von dessen Billig- und Unentbehrlichkeit überzeuget in mir wäre. Der Allmächtige, der die mit reiner Absicht ihn Anrufende nie verlasset, hat auch mein Unternehmen dermaßen gnädiglich gesegnet, daß obgleich es anfangs geheißen, das neue Systema kunte und wurde über kein Jahr nicht bestehen, es dannoch in das achte Jahr nunmehr fürdaueret und das Hauptquantum forthin richtig noch eingegangen ist, ungeachtet die zwei letztere nichts weniger als besonders fruchtbar 4 0 ) Die Schwierigkeiten dieser Stelle beruhen nur auf dem freien koordinierten Anschluß der Relativsätze, der freilich hier einen ungewöhnlichen U m f a n g angenommen hat.

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waren, und wegen der zu Ende aller Orten noch nicht gebrachten Rectification die Zahlung um vieles schwerer in der Tat einigen ankommet, als wann dermalen einst alles in seiner Gleichheit seien wird. Durch nichts dunket mir lasse sich klärer entscheiden, welches von beeden das alte oder neue Systema besser seie, als durch eine kurze Kombinierung deren vorig- und jetzigen Zeiten. Niemals wäre die Monarchie stärker als von anno 1720 bis 1734 und niemand glaube werde zu widersprechen sich anmaßen, daß nicht meines Herrn Yatters Majestät ein so erleucht- als kluger Regent gewesen seie. Ohne von denen auswärtigen unter seiner Botmäßigkeit gestandenen Ländern als Neaple und Sizilien zu reden, die doch einige Millions an Baarschaften zu Bereicherung des Publici jährlich anherö gebracht, bestunden die hiesige Erblanden aus all deme, so anjezo selbe ausmachen und über dieses noch aus ganz Schlesien, aus dem Glatzischen, aus der diesseitigen Wallachei, aus Servien und aus dem diesseits gelegenem Anteil des Temesvarer Banat und dannoch hatte der Hof zu Friedenszeiten nicht mehr als 60.000 Köpf regulierter Mannschaft allhier auf denen Beinen nebst einer viel ringeren Anzahl Irregulierten in beeden Generalaten in Servien und an der Sau, dann an der Theiß und Marosch, deren nach der damaligen Verfassung außer Land sich zu gebrauchen wenigsten größten Teils nicht möglich wäre, dargegen auch um vieles weniger als dermalen kosteten. Die Regulierten lebten zwar reichlich wegen deren in Hungarn sowohl als in denen teutschen Erblanden gehabten fetten Quartieren und ebenso auch die in denen Festungen angestellte Stabsparteien41), wegen deren in andere Weg in Geld oder Naturalien allda genossenen Zugang oder Emolumenten; bekümmerten sich also wenig wann auch einige Monatgelder ihres Gehalts den Sommer hindurch jährlich unbezahlt ihnen blieben. Die, Schulden blieben in dem nämlichen Stand, weilen an Kapitalien nichts abgestoßen wurde, sogar die Hofs-Gesandtschaftsund Dicasterialbesoldungen blieben zum Teil unbezahlt. 41 ) Gruppe der subalternen Unteroffiziere, die in Festung dauernde Posten versehen.

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einer

Anjezo dargegen, wo doch eines Teils durch Verlust von Schlesien und dem Glatzischen, dann deren durch den Belgrader Frieden der Porten abgetretenen Provinzien an jährlichen Einkünften respectu der damaligen Ertragnus zwischen vier und fünf Millionen dem Aerario entgangen, und wohin wieder anderen Teils währenden fürgewesten so langjährigals kostbar- und unglücklichen Kriegen um wenigstens zwanzig Millions die Schulden vermehret worden, mithin an Interessen allein ein Million mehrers der jährlichen Ausgab zugewachsen, seind seit des neuen Systematis die allseitige Interessen vollkommen bedecket und wird an denen Kapitalien selbsten jährlich was abgeführet. Gesandtschaften, Besoldungen, Pensionen und Hofserfordernusse werden teils monatlich teils quartaliter richtig bezahlet, ungeachtet die letztere wegen der aus Gottes Gnad mir erteilten zahlreichen Succession um ein Merkliches angewachsen. Gesamte Civilruckstände seind getilget, desgleichen der größere Teil deren Militaren und der Überrest wird vermöge deren der Militarschuldenkommission zugeteilten Fundorum, bevor wenige Jahre zu Ende, ebenfalls es seien. 110.000 Mann Regulierte, die anstatt deren vorhinigen 60.000 in denen hiesigen Erblanden auf denen Beinen ich halte, überkommen die ordonanzmäßige Gebühr von Monat zu Monat, und über solche die in denen teutschen Landen Liegende einen monatlichen Beitrag noch in Geld auf eine Art, daß in keinem Dienst selbe besser als in dem hiesigen stehen. Die in Hungarn liegende Cavallerie stehet zwar seit des letzteren Reglement etwas schlecht, sonderlich der Offizier, überkommet jedoch auch ihre Gebühr richtig und bin ich eben daran, aus Anlaß der unter Händen seienden Contraction auf ein- oder andere Art denenselben, wo nicht allen doch denen Leutenanten und Corneten einen etwelchen Beitrag in Geld haben zu machen. Von drei zu drei Monaten werden gesamte Stabsparteien bezahlet. Die Feldartillerie ist um einen Bataillon vermehret und überhaupt durch des Fürsten Liechtenstein unermüdete Sorgfalt auf einem ohne Vergleich besseren Fuß als zuvor, kostet dargegen wie natürlich auch ein mehreres. 103

Die nämliche Bewandtnus hat es auch mit dem Ingenieurskorps, so ebenfalls in der Anzahl sowohl als in der Ertragnus 42 ) vermehret und viel besser als zuvor eingerichtet ist. Ein namhaft stärkeres Quantum wird jährlich zu dem Festungsbau verwendet, sonderlich nacher Peterwardein, Temesvar, Olmütz und nach dem Spielberg; desgleichen zur Beischaffung neues der ganzen Armee successive ausgeteilt werdenden Feuergewehr43) und anderer Artillerieerfordernussen. Anstatt deren vorhin zu keinem Felddienst außer gegen die Türken größten Teils zu gebrauchen gewesten viel wenigeren Gränizern habe deren 47.000 in ordentliche Regimenter gleich denen Regulierten eingeteilet an der Anzahl, wovon jährlich den dritten Teil mithin über 15.000 Köpf aller Orten zur Armee ziehen kann, die jedoch eine Vermehrung von mehr als 400.000 Gulden des Jahrs dem Aerario kosten. An Invaliden verpflegte ehedessen das Aerarium ohngefähr 3000 Mann, die in dem sogenannten Invalidenhaus zu Pest sich befanden, alle übrige waren den Gemeinden ihrer Geburtsorten zur Last. Seit des neuen Systematis bezahle ich selbe alle und belaufet sich deren Anzahl gegen 17.000 Köpf, dargegen den Vorteil darvon habe, daß auf allmaligen Notfall 7000 und mehrers zur Ersparung" so vieler Regulierter in Besatzung darvon legen kann. All übriger auf ein nicht geringes sich belaufende Erfordernusse zu geschweigen, die teils zur Auferziehung der adelichund unadelichen Jugend durch die von mir gemachte Stiftund Anordnungen als in dem Collegio Theresiano und in der hiesigen Militärakademie, in der Neustädter Cadetten- und hiesigen Pflanzschul, in denen Militarwaisen zu Pettau etc. teils zur Emporbringung und Cultivierung deren Wissenschaften und Studien, mithin insgesamt zu des Hofs Ehre und Ansehen, gleich zu des Publici Aufnahm und Besten gereichen. Wer nun ohne Vorurteil dasjenige erwäget, was in vorigen und zwar in viel besseren Zeiten geschehen, wo die Monarchie ") Leistung.

43

) Neues Feuergewehr.

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viel größer und die Schulden viel kleiner waren, und solches gegen deme haltet, so anjezo geschihet, der sollte die Allmacht Gottes, so wie ich es tue, augenscheinlich darob erkennen, dessen Milde allein ich auch zuschreibe, daß er die Kräften mir verliehen, ein so großes als beschwerliches Werk zu unternehmen, so keiner meiner Vorfahrer anzugreifen sich getrauet hatte, und so den Grundstein zu der Monarchie künftiger Sicherheit und zu Wiederemporbringung der landesfürstlichen Hoheit und Ansehen geleget hat. Als diesen Grundstein glaube ich werden meine Nachfolger forthin es auch ansehen und durch scheinbare Vorstellungen sich nicht verleiten lassen, ohne höchst wichtigen Ursachen darinnen vieles abzuänderen, um nicht nach und nach in die vorhinige Zerrütt- und Unordnungen, wo nicht in größere zu verfallen, deren Abstellung so viele Zeit, Verdruß und Bemühung mich gekostete hat. Gestehen muß hiernächst ich selbst, in seiner gänzlichen Vollkommenheit alles noch nicht zu seien, dessen sich aber ganz nicht zu wunderen, nachdeme ein so weitschichtiges Werk wegen deren häufig vorgefundenen so heimlich- als öffentlichen Unterbauungen 44 ) in vielen übereilet hat werden müssen; in vielen Stücken ist jedoch schon abgeholfen und nach Maß der erkennenden Notwendig- und Billigkeit werde nach und nach denen übrigen auch abzuhelfen suchen. In weniger als drei Jahren gehen die mit denen Ländern geschlossene Receß zu Ende, wo alsdann auf deren Erneuerung es ankommen wird. Um was Vollständig- und Dauerhaftes sodann zu machen, gedenke mit solcher gar nicht zu eilen, wohl aber alle Mühe mir zu geben, eine genaue Kanntnus deren in denen Ländern fürwaltenden Beschwerden in der Absicht enzwischen einzuziechen, um denen, die gegründet, zu steueren. Resolvieret bin auch von nun an, zu all deme so bereit als willig mich finden zu lassen, so nur immer die allseitige Abgab denen Ländern erleichteren, einen mehreren Goldzufluß denenselben zu Wege bringen und überhaupt das Systema selbst angenehm und bequemer ihnen machen kann, ohne jedoch denen die Sublevierung des armen Contribuenten, 44

) Intrigen, Sabotageakte. 105

die Gleichheit und die Abstellung deren allseitigen Excessen und Eigenmächtigkeiten zum Grund habenden Principiis abzuweichen. Keine größere Freude wüßte auf dieser Welt mir nicht, als wann das Vergnügen hätte, durch einen mehreren Geldzufluß und andere ohne Abbruch des Systematis denen Ländern angedeihen lassen könnende Vorteil dieselbe nach und nach in Stand zu sehen, den ihnen aufliegenden Last, ohne sich wehe zu tuen, zu tragen; ließe mich aber der Allmächtige diese Freude nicht erleben, so wünsche solche meinen Nachfolgern, denen stets vor Augen zu haben einbinde, daß das Beste deren Untertanen, das Beste des Landesfürsten und eines von dem anderen unzertrennlich seie. Zu ihrer meiner Nachfolgern Unterricht habe gegenwärtige Schrift entwerfen lassen, damit sie den behörigen Begriff von der eigentlichen Wesenheit des neu eingeführten Systematis, von dessen Hergang und von denen zu dessen Einführung mich bewogen habenden Ursachen aus dessen Durchgehung überkommen. Gedenke auch, sobald die dermalige sehr verwirrt aussehende Weltläufte etwas klärer sich ausheiteren, eine gleichmäßige Schrift über die äußerliche Verfassung durch Grafen von Kaunitz zu Papier bringen zu lassen. Beede hoffe werden zum Beweis ihnen dienen, daß ungeachtet deren mich betreffenden schweren Umständen an meiner Mühe nichts erwinden45) habe lassen, als eine getreue Mutter für ihres und der Monarchie Beste, so viel immer an mir wäre, zu sorgen. Auch in der anderen Welt werde den Allmächtigen, gleich täglich allhier ich tue, inständigst bitten, daß selber seinen Segen von unserm Haus und Ländern nie entziechen, in seiner beständigen Forcht und Liebe sie, meine liebe Nachfolger, erhalten, in allen ihren Tun und Lassen sie leiten, vor allen aber die Gnad ihnen verleichen wolle, ihr Vertrauen nie in keine Heuchler, weniger in Leute zu setzen, die von einer frech- und üblen Aufführung, die von ihren Nächsten eher Übles als Gutes zu reden gewohnet und die von gar keiner oder weniger Forcht Gottes sein; wohl aber in solche, 45

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) fehlen, ermangeln.

die als wahre katholische Christen Gott, seinen heiligen Glauben und die Gerechtigkeit lieben, mithin auch unfähig sein, andere Ratschläge ihren Landesfürsten zu geben als die zu seinem und deren Ländern Besten zu seien in Gewissen sie erkennen werden. Die wichtigste Obsorg eines Regenten ist die Auswahl seiner Ratgeber. Alles Gute kommt unwidersprechlich von Gott als dem Ursprung aller Gnaden und segnet selber sehr selten oder doch in die Länge nicht die Ratschläge dererjenigen, die weniger Religion und Gottesforcht haben.

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VERZEICHNIS UNGEBRÄUCHLICHER WÖRTER

FREMD-

abusiren von etwas: etwas mißbrauchen accredldirt: gut angeschrieben Adminicularfundi: Hilfs- oder Ergänzungsfonds Annectoten: Anlagen, Geheimakten Anteacta: Vorgeschichte Application: Einsatzfreudigkeit den arbitrum machcn: den Schiedsrichter spielen Aulicum: Hofhaltungswesen, Hofhaltskosten Banco: die zur Verzinsung und Tilgung der Staatsschulden gegen Verpfändung von Staatsfonds geschaffene Wiener Stadtbank Beitrag: Kostenbeitrag der Länder zur Verpflegung Bergwesen: Einkünfte aus dem Münz- und Bergwesen, die von der Hofstelle für dieses Ressort verwaltet wurden Camerale: Einkünfte des Staates aus Gefällen, Zöllen, Mauten, Aufschlägen, Monopolen, Taxen, die nicht wie die Steuern von der Bewilligung der Stände abhingen Campement: Lager Capi: Häupter, Spitzen Canal: Weg über causam communcm machcn: gemeinsam vorgehen cessiren: aufhören chagrin: Ärger, Kummer Combattans: kampffähige Soldaten Commercialia: die den Handel, das Gewerbe und die Industrie betreffenden Gegenstände Commcrcialprincipia: grundsätzliche Maßnahmen zur Förderung des Handels und Gewerbes Commissariat: Generalkriegskommissariat, militärische Zentralverwaltungsstelle Commissariatica: Agenden des Generalkriegskommissariats commitircn: anvertrauen, beauftragen Communication thun: verständigen compatible: in Einklang zu bringen, vereinbar 108

eonatus: Versuche concertiren: ausmachen, zur Übereinstimmung bringen connivendo: im Wege von Verhandlungen Connivenz: Entgegenkommen Consumptionsauf schlage: Verbrauchsgüteraufschläge contracariren: entgegenwirken Contradictionen und Disputationen: Widersprüche und fruchtlose Erörterungen Contribuent: Steuerzahler Contributionalc: die von den Ständen auf den Landtagen zu bewilligende auf Grund und Boden gelegte Wehrsteuer Convenicnz: Vorteil, Nutzen conveniren, sich einer Sache: etwas zugeben Corpus statuum: Körperschaft der Stände Deductionen: ableitende Beweisführungen deliberanda: Gegenstände der Beratung derogiren: abschaffen, vermindern desinteresscmcnt: Uneigennützigkeit Dicasteria: staatliche Stellen IMcasterialbcsoldungen: Gehalte der Beamten der Zentralu n d Mittelstellen Diffidcnz: Mißtrauen, Mangel an Selbstvertrauen dissimuliren: überhören, so t u n , als ob man es nicht merkte Domesticale: die Steuerquote, die die Stände aus der auf den Landtagen bewilligten Wehrsteuer zu autonomen Verwaltungszwecken einbehielten dominia: Herrschaften, Güter Etappen: Etappendienst, Nachschub cluctiren: sich herausarbeiten exactiones: Leistungen unter Zwang ad executionem bringen: ausführen quoad exceutioncm: soweit es sich um die Durchführung handelt Exercitien: militärische Übungen, Schulung Exscindirung: Ausschaltung extentiren: ausbreiten factiones: Parteilichkeiten, Unstimmigkeiten ferm (französisch): geschickt, gewandt fundi und Cameralgefälle: freie Fonds und Cameralgefälle

unverpfändete

generalriclamo: allgemeine Mißstimmung generöse sentiments: Freigebigkeit, hier Eitelkeit gravamina: Beschwerden das ständische Gremium: Versammlung der Stände 109

Hof stellen: die an den H o f des Monarchen gebundenen Zentralstellen (Ministerien), die ihre V o r t r ä g e an die K r o n e richten, während die „ M i t t e l s t e l l e n " nur durch diese an die K r o n e berichten Hoheiten: H o c h m u t ideale Proportion: das wirklich richtige Verhältnis importiren: betragen, ausmachen incamerirt: f ü r die K a m m e r , d. h. den Staatsschatz in A n spruch genommen indécis: unentschlossen pro indemnisatione: als Entschädigung Interesse: Eigennutz invigiliren: darüber wachen Irregulirte in beeden Generalaten: das nicht in R e g i m e n t e r eingeteilte A u f g e b o t des Warasdiner und K a r l s t ä d t e r Generalats der Militärgrenze Kriegsrath: H o f k r i e g s r a t , militärische

Zentralstelle

in mehrers Labrynth (gewöhnlich Labyrinth = Irrgang) und Finsternus ziehen: noch unsicherer machen Landespraestationen : Landesleistungen contra quoscunque mainteniren: gegen wen i m m e r aufrechterhalten (s. A n m . I, 32) méfiant: mißtrauisch messures: Maßnahmen Militarc mixtum: das gesamte Grenzgebiet zwischen der politischen und militärischen V e r w a l t u n g bei A u f b r i n g u n g , V e r p f l e g u n g , Bekleidung und Bequartierung der T r u p p e n Militärexzesse: Gewalttätigkeiten des Militärs \aturalanstalten : Verpflegungsvorkehrungen Naturale: N a t u r a l v e r p f l e g u n g Natural r- Reerouten und Rimontenstellung : tatsächliche Beistellung v o n R e k r u t e n und Militärpferden operiren: vorgehen, arbeiten paliativa: vorbeugende Vorsichtsmaßnahmen pares euriae: es ist hier an die paires der französischen K r o n e , Beisitzer eines obersten Gerichtshofes zu denken partieulair: Privatmensch Particularbeamtc: B e a m t e der einzelnen Grundherrschaften und Städte particular Confident: persönlicher Vertrauter

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pure particular Ungemächlichkeiten: rein persönliche Unannehmlichkeiten, penetrircn: durchdringen, völlig erfassen Peraequation: Ausgleich, (s. Anm. I, 60) Porte: Pforte, türkisches Reich jemanden portiren: jemanden unterstützen, protegieren f ü r etwas portiret sein: f ü r etwas eingenommen sein Postulata: die vom Herrscher auf dem L a n d t a g an die Stände gestellten Forderungen praedilection: Voreingenommenheit, Vorliebe praedominiren: einen überwiegenden Einfluß haben pracfercntcr: vorzüglich, in erster Linie praegravirt: besonders belastet pracjudieirlich: vorgreiflich, eine vollendete Tatsache schaffend Praestanda: Leistungen das praevenire spilen: zuvorkommen praeveniret: voreingenommen praeventiones und passiones: Voreingenommenheiten und Passionen Pragmatische Sanction: Erbfolgeordnung Kaiser Karls VI., des letzten männlichen Habsburgers, zur Sicherung der Nachfolge seiner ältesten Tochter Maria Theresia precario: bittlich procurircn: besorgen Producirung: Vorlegung a proportionc: verhältnismäßig' prospicieren: Vorsorgen Provincialaffairen: Länderangelegenheiten Provincialia: Landesangelegenheiten Publicum: Gesamtheit der am staatlichen Geschehen interessierten Bewohnerschaft oder gesamte politische Verwaltung, Polizei im weitesten Sinne in das Publicum einschlagen: die politische Verwaltung betreffen Puissancen: Großmächte Rcecss: Schluß vertrag, Reccss anf 10 Jahre: sogenannter Dezennalrezeß, mit dem die Stände das Wehrsteuerquantum auf 10 J a h r e bewilligten Regalien: die dem Herrscher zustehenden rechtmäßigen staatlichen E i n k ü n f t e regulier: ordentlich, sauber rcgulirtc Mannschaft: die in reguläre Regimenter eingeteilten Truppen remediren: abhelfen remuncriren: beschenken 111

Repartition: Aufteilung Resolution: Entschließung, auch terminus technicus, f ü r die zustimmenden oder ablehnenden Randbemerkungen des Herrschers zu den Vorträgen der Zentralstellen Resolutiva: zur Entscheidung durch den Herrscher bestimmte Angelegenheiten Service: Auslagen f ü r Beheizung, Beleuchtung und Liegestätten des Militärs speculativisch: theoretisch stabiliren: festsetzen stabilirter Friede: geschlossener Friede Sublevirung: Überhebung, E n t l a s t u n g subsidea praesentanea: augenblickliche Aushilfen der dem abgeänderten sueccdirende Minister: der dem entlassenen nachfolgende Minister suppeditiren: beschaffen, verschaffen supposita: Unterlagen, Voraussetzungen trainiren: auf die lange Bank schieben, verzögern per unanima v o t a : einstimmig intendirende Uniformität: anzustrebende Einheitlichkeit veneriren: Achtung, Verehrung entgegenbringen violent: heftig, ungestüm violente resolutiones: verletzende Entschließungen Vorspannsreluition: Vorspannsablösung

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SPRACHKUNDLICHES NACHWORT Von Clemens Biener 1. Die Sprache, in der die Kaiserin Maria Theresia ihre beiden Denkschriften abgefaßt hat, weicht von unserer Schriftsprache und auch von der Ausdrucksweise Gellerts und Klopstocks, die wir ja als das eigentliche Deutsch jener Zeit betrachten, merklich ab. Sie ist auch kein richtiges Wienerisch, sondern ein Kanzleideutsch, nämlich die Sprache, deren sich die Kaiserin im dienstlichen Verkehre mit ihren Ministern bediente. Diese Sprache hat als solche eine jahrhundertelange Entwicklung und Tradition hinter sich. 2. Wir können an der deutschen Sprache im Laufe der Zeit, die wir überblicken, zwei einander widersprechende Entwicklungen feststellen. Die eine führt die deutschen Dialekte auseinander zu immer größerer Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit, die andere wirkt im Sinne der Vereinheitlichung der Redeweise auf dem gesamten deutschen Sprachgebiete. 3. Diese letztere Entwicklung hat sich, abgesehen von geringen Anfängen zur Zeit der mittelhochdeutschen Blüteperiode ritterlicher Poesie, hauptsächlich in den Schreibstuben der deutschen Kanzlisten und Notare abgespielt, die im XIV. und XV. Jahrhundert als der gebildetste und fortschrittlichste Stand das Geistesleben entscheidend beeinflußt haben. Sie beginnt im XIII. Jahrhundert, als man anfing, die Urkunden und Verträge nicht mehr lateinisch, sondern deutsch abzufassen, und kommt im XIV. Jahrhundert recht in Fluß. Das damalige Kaisergeschlecht der Luxemburger beherrschte weite Landstriche im östlichen Deutschland mit dem Mittelpunkt in Böhmen (Prag). Daher trägt diese Sprachtype ostmitteldeutschen Charakter und dieser ist ihr auch in ihrer weiteren Entwicklung zur deutschen 8

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Schriftsprache geblieben, die über Martin Luther, die sogenannte schlesische Dichtersprache und das Meißner Deutsch Gottscheds und seiner Schüler zu dem Sprachgebrauch unserer Klassiker hinaufführt. Diese Entwicklung kommt erst in den Gesamtausgaben der Werke Goethes und Schillers um 1800 zum Abschluß und umfaßt auch damals nicht das gesamte deutsche Sprachgebiet. In Österreich ist sie erst durch Franz Grillparzer durchgesetzt worden. 4. Aber diese Entwicklung mit dem Ausgangspunkte in der kaiserlichen Kanzlei ist nicht die einzige geblieben, wenn sie auch die am weitesten verbreitete und einflußreichste war. Es gibt auch andere lokale Formen der Kanzleisprache, von denen die habsburgische, in Österreich beheimatete, wohl die bedeutendste ist. Sie ist von der zuerst erwähnten großen Entwicklung nicht unabhängig, geht aber doch in manchen Beziehungen ihre eigenen Wege und hat so den eingangs erwähnten Gegensatz hervorgerufen. 5. Solche Abweichungen erstrecken sich auf alle Gebiete der Grammatik, werden aber in dieser Ausgabe der Denkschriften der Kaiserin Maria Theresia nicht alle in gleichem Grade sichtbar werden. Die Unregelmäßigkeiten der Rechtschreibung sind beseitigt, um den modernen Leser nicht durch solche Schrullen und Nachlässigkeiten zu stören. Dagegen sind die besonderen Wortformen beibehalten, damit der eigentümliche Charakter der Ausdrucksweise erhalten bleibe. Der eigenwillige Satzbau endlich ist in dieser Ausgabe unverändert geblieben. 6. Solche eigenartige Wortformen, die dem Leser auf den ersten Blick auffallen, sind zunächst gewisse Nebensilben, die, von der neuhochdeutschen Schriftsprache abweichend, dem Kundigen als charakteristisch für das Deutsch des Donautales im X V I I I . Jahrhundert gelten. Die Endsilbe -nis erscheint in der Form -nus. So schreibt sie die zweite Denkschrift: z. B. 100 (347) Kantnus. Die erste Denkschrift hat- nüss 26 (285) Känntnüss, 59 (313) Erfordernüss. Das ist doch wohl eine Kompromißform zwischen den beiden sonst üblichen Formen der Nebensilbe. Die negierende 114

Vorsilbe un- hat oft die Gestalt: ohn 53 (308) ohnerachtet, 49 (304) ohnmöglich. 7. Die 1. und 3. Person sg. des Indikativs präteriti weist sehr oft die auch sonst nicht seltenen verlängerten Formen auf: 26 (285) ich nähme, 93 (342) liesse ich, 27 (285) er besasse, 31 (288) es wäre. 8. Ziemlich häufig wird von Zeitwörtern, die sonst stark gebogen werden, eine schwache Präteritalform gebildet: 28 (286) weilen ... selbige alle ehrlich dencketen, 62 (315) die Kärnthner Stände ... Schlageten vor ... mehrers auf den Unterthan noch zu legen. Die Entstehung dieser Verbalformen hängt mit dem Verschwinden derselben aus der österreichischen Mundart und Umgangssprache zusammen. Von den vier Konjugationsreihen : Ich Du Er Wir Ihr Sie

Indikativ praesentis

Konjunktiv praesentis

Indikativ praeteriti

trage trägst trägt tragen tragt tragen

trage tragest trage tragen traget tragen

trug trugst trug trugen trugt trugen

Konjunktiv praeteriti

trüge trügst trüge trügen trügt trügen

haben sich hier nur die erste und vierte im lebendigen Gebrauch erhalten, während der Konjunktiv praesentis und der Indikativ praeteriti den österreichischen Mundarten abhanden gekommen sind. Der Konjunktiv praeteriti aber, der im irrealen Bedingssatze und im unerfüllbaren Wunsche häufig angewendet wird, hat eben den Übergang in die schwache Biegung vollzogen. Zum Beispiel: i tragat den Sack scho selber, wann er net so schwär war. Die dieser Verbalform von altersher gebührende Gestalt ist aus dem Sprachgebrauch verschwunden und dafür wird, nach Analogie der viel zahlreicheren schwachen Verba, eine Form auf -at gebildet. Diese ist die neuzeitliche Fortsetzung der in der Denkschrift belegten Formen. Beachtenswert erscheint es, daß von sieben Beispielen in der ersten Denkschrift fünf Indikative sind: 28 (286) (s. o.), 32 (289) was die Einigkeit angehete, 36 (293) ¡angeten mir zwar an nicht unbekannt zu werden, 62 (315) (s. o.), 8*

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72 (324) einer schüssete (schoß) geschwind, der andere langsam; nur zwei sind Konjunktive: 26 (285): ohne zu wissen, warumb und aus was Grund sie kommeten, 35 (292) die Umstände Schlageten in Schlesien glücklich oder unglücklich aus. Dagegen kennt die zweite Denkschrift solche Formen nur als Konjunktive 79 (330) alss ob sie Alles für nicht viel weniger als für desparat anseheten. Ferner: 80 (331), 96 (344), 97 (345). Sie scheint also innerhalb der angedeuteten Entwicklung auf einem weiter fortgeschrittenen Standpunkte zu stehen. 9. Eine ähnliche Bevorzugung der sg. schwachen Biegung zeigt sich auch in der Deklination, auch hier in Übereinstimmung mit der lebenden Mundart unserer Heimat. Zum Beispiel: 37 (294) Gleichwie die Pietät jene Grundsäulen ist (nom. sg.), 36 (293) zu Lebzeiten meines Herrn Vattern (gen. sg.), 91 (340) ob zu deren Unterhalt die Kräfften deren ländern zulangen wurden (nom. und gen. pl.). Namentlich der Genetiv pl. zeigt Neigung, die Endung -en anzunehmen. Diese Erscheinung ist in allen Fällen in zahlreichen Beispielen zu belegen, aber durchaus nicht durchgeführt. Die gewöhnlichen Formen erscheinen daneben. Die beiden Denkschriften sind daran in gleichem Maße beteiligt. 10. Ganz eigentümliche Verhältnisse zeigen sich auf Schritt und Tritt bezüglich der Biegung der Eigenschaftswörter. Doch glaube ich nicht, daß hier der Ort ist, dieses weitverzweigte und schwierige Problem zu erörtern. Das Material aus den beiden Denkschriften reicht dazu nicht aus. In diesem Abdruck bleibt der Vorlage gegenüber alles unverändert. Eine ernstliche Bedrohung des Verständnisses ist dadurch nicht zu befürchten. 11. Von solchen uns ungewohnten Wortformen abgesehen sind für die Ausdrucksweise der Kaiserin gewisse sehr häufige Auslassungen charakteristisch. Sie betreffen zunächst das Pronomen: ICH. Beispiele dafür finden sich überall. Um die Gefahren, die daraus für das Verständnis erwachsen, aufzuzeigen, setze ich eine kürzere Stelle hierher: 43 (299) Dieses wäre die eintzige Ursach, wodurch (ich) ehender in das klare gekommen (bin) und nach und nach meine messures genomen (habe). 116

12. Die Stelle ist zugleich ein Beispiel für die Auslassung der Kopula in den eingeleiteten Nebensätzen. Ich habe über diese merkwürdige sprachliche Erscheinung in den „Neueren Sprachen 33, 391" gehandelt und ihr Werden und Vergehen dargestellt. Zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia befand sich dieser Brauch auf dem Höhepunkte seiner Geltung und Verbreitung. Weitere Beispiele für diese häufige Erscheinung erübrigen sich. 13. Womöglich noch ungewohnter und auffälliger für unser Sprachgefühl ist die Ersparung der Ableitungs- und Flexionssilben im ersten Gliede koordinierter Verbindungen: 40 (297) mittelst erhaltener Verschenck- oder Versetzungen, 101 (349) von dessen Billig- und Unentbehrlichkeit überzeuget, 73 (326) ehrlich- und taugliche Leüte, 79 (330) mit aufgemuntert- und heitteren gemüth, 80 (331) annoch viel deutlich- und wundersamer (Komparativ). Besonders auffällig sind Stellen, wo Substantiva und Adjektiva so verbunden werden. 31 (289) ein grund-ehren und capabler Mann. Diese Erscheinung ist in der zweiten Denkschrift bedeutend häufiger als in der ersten. Die zweite bietet auf ihren 23 Druckseiten (im AöG.) 16 Belege bei Substantiven und 16 bei Adjektiven, die erste aber (41 Seiten umfassend) nur je 4 und das eben angeführte Beispiel für Mischung der Wortarten. 14. Eigentümlich und charakteristisch für die Ausdrucksweise der Kaiserin erscheint dem durch moderne Schulen gegangenen Leser auch die freilich weit verbreitete Tatsache, daß die Participia des Zeitwortes nicht so auf die tätige und leidende Form verteilt erscheinen, wie wir es gewohnt sind. So weist das Partizip präsentis ziemlich häufig (12mal in der ersten und 16mal in der zweiten Denkschrift) passiven Sinn auf: 100 (347) durch seine Dienst-Eiffrige Rathschläge und die davon habende viele Kantnus. Manche Stellen legen den Gedanken nahe, den Text durch Umgestaltung in eine gerundivähnliche Fügung unserem Sprachgefühl näher zu bringen: 42 (298) deren seinem Land zuwendenden Vortheilen. Durch Änderung in zuzuwendenden erschiene uns heute die Stelle verständlich. Demgegenüber muß man gelegentlich (an 6 Stellen der ersten und 17 Stellen 117

der zweiten Denkschrift) einem Part, perfecti aktiven Sinn zusprechen, auch einem solchen von einem transitiven Verbum 29 (287) die gantze Regierung gern alsogleich abgelegel und meinen solche in Anspruch genommenen Feinden selbsten überlassen hätte (s. Anm. I, 10). 15. Die beiden Denkschriften, die in diesem Büchlein vereinigt sind, stimmen, wie man bisher sehen konnte, bezüglich ihrer grammatischen Besonderheiten in ziemlich weitgehendem Maße überein. Doch finden sich auch Punkte, in denen jede ihre eigenen Wege geht. Das deutet auf die Verschiedenheit der Verfasser hin. Für die erste Denkschrift, auf die die Kaiserin Maria Theresia selbst wohl einen größeren Einfluß geübt hat, ist vor allem der dritte Artikel charakteristisch. Neben dem aus dem Demonstrativpronomen hervorgegangenen bestimmten und dem aus einem Zahlwort gebildeten unbestimmten Artikel wird hier auch das Pronomen E R , SIE, E S tonlos wie ein Artikel gebraucht. 31 (289) daß Er Bartenstein der Eintzige wäre, der 54 (309) maßen Ihme Tarucca hierinnfalls vieles schuldig bin, 85 (335) bey 350.000 fl. des Jahrs Sie brauchen, um die also oder Sie länder, oder der Hof um so viel ärmer des Jahrs worden. Dies ist der einzige Beleg in der zweiten Denkschrift, während die erste 12 Beispiele für diese auffällige Erscheinung bietet. Sie hängt sicherlich mit der eben um jene Zeit aufblühenden Anrede mit E R zusammen und hat sich in der Umgangssprache gewisser Kreise bis in unsere Tage erhalten. Der Herausgeber dieses Buches erinnert sich, als Gymnasiast in Krems von seinem Direktor mit folgender Formel angeredet worden zu sein: Er, Kallbrunner! komm Er her! 16. Häufig findet sich in der zweiten Denkschrift der Dativ, wo wir den Akkusativ erwarten: 27 (286) gegen deme (ich) anfänglich recht übel präveniret wäre, 54 (309) ohne Ihme Ilaugwitz. 17. Fremdartig (als Latinismus) erscheinen uns heute prädikativ verwendete Substantiva und Adjektiva, wie sie folgende Beispiele zeigen: 28 (286) mithin Er so viel wie mein Rath bestellet wäre, 61 (315) Graff Chotek, deme sie unterschriebener den Recess mit gegeben. 118

18. Andere Eigentümlichkeiten weist die zweite Denkschrift auf. Am auffälligsten ist hier der häufige Gebrauch der Partizipien von Hilfszeitwörtern. E r findet sich in allen möglichen Formen sowohl innerhalb der Tempusumschreibung als auch in anderer Verwendung. 80 (330) öffnete also einiger Massen die Communication mit der um Budweis eingespört gewesten Armée. 106 (353) durch ... andere ... denen ländern angedeihen lassen könnende Vortheil, 92 (341) durch die abnehmung deren grossen theils pro fundo ihme übertragen wordenen aufschlägs — geföhlen. Neben diese Beispiele für umschriebene Verbalformen treten andere: 76 (327) die ihren Feinden so förchterlich ehedessen geweste kayserl. Trouppen, 89 (338) von denen die obangeführte Gebrechen zum grund habenden principiis... eingenohmen. 19. Häufig fehlt in der zweiten Denkschrift die Endung des Genetivs sg., 105 (352) zu Wider Emporbringung der landesfürstlichen Hocheit und ansehen. 20. Die zweite Denkschrift gebraucht noch manchmal die aus dem Mittelhochdeutschen bekannte Doppelnegation. 85 (335) Cärnthen und Crayn allein, die doch keinem feindlichen Einfall nie unterworfen waren. 21. Eine Art von Accusativus cum Infinitivo mit ZU macht zwar den Eindruck des Latinismus, ist aber auf deutschem Sprachgebiet entwickelt und zu jener Zeit auch sonst nicht selten. 89 (338) obgleich alle zu erkennen einstimmig erklähreten, 100.000 Mann zur allgemeinen Sicherheit das Wenigste zu seyen. 22. Sehr häufig und aufdringlich ist schließlich eine eigentümliche Erscheinung auf dem Gebiete der Wortstellung: Unbetonte pronominale Satzglieder, die für gewöhnlich ihren Platz nahe am Satzanfang nach dem ersten hochbetonten Worte im Satze haben, erscheinen hier (hauptsächlich im eingeleiteten Nebensatze) erst gegen Ende des Satzes. 75 (326) nicht zu Meiner Rechtfertigung, als dessen nicht nöthig Ich habe, 83 (333) daß jede Stelle als ein separirtes Corpus sich ansuche. Ich zweifle daran, ob auch hier wie sonst Betonungsverhältnisse für die Wortstellung entscheidend waren. Denn 119

es tauchen in dieser Stellung auch schwerere Wörter auf, so daß eher an Einflüsse von der sachlichen Seite her zu denken wäre. 82 (332) nachdeme in eines jeden angedencken solches ist. 23. Die Schwierigkeiten auf dem Gebiete des eigentlichen Satzbaues, die unser Text bietet, erklären sich aus einer jahrhunderte dauernden Entwicklung. Auch die Gestaltung umfangreicher sprachlicher Gebilde, der Periodenbau und das Verhältnis von Haupt- und Nebensatz sind sich nicht immer gleich geblieben. Sie verändern sich im Laufe der Zeiten im Sinne einer Umgestaltung von der Sprechsyntax zur Schreibesyntax. 24. Im Mittelalter ganz allgemein und in gewissen sehr zahlreichen Kreisen der Bevölkerung bis zum heutigen Tage ist die mündlich vorgebrachte Rede, bei der an nachträgliche Korrektur nicht zu denken ist, für die Gestaltung der Sätze entscheidend. Sie berücksichtigt fast ausschließlich das Verhältnis eines Satzes zu dem was vorausgeht. — Abhängigkeit von einem nachfolgenden Satze wird nur selten in Betracht gezogen — und kümmert sich um den großen Zusammenhang der Periode wenig. Otto Behaghel .nennt solche Gebilde in den einschlägigen Teilen seiner deutschen Syntax (Bd. IV, S. 279, § 1636—42) Treppen. Die Art der Beziehungen zwischen den Teilen kann dabei sehr mannigfaltig sein. Hier liegt die Hauptquelle der Schwierigkeiten im Verständnis solcher Texte. 25. Seit den Tagen des Humanismus ist dann in den deutschen Satzbau ein neuer Geist eingezogen, der unter dem Einflüsse der lateinischen Hochsprache ciceronianischer Prägung steht. Für diese umfangreichen sprachlichen Gebilde ist Satzeinschachtelung charakteristisch. Der große Zusammenhang wird im höchsten Maße gepflegt. Zur Förderung der Übersichtlichkeit verzichtet man dabei auf Satzabhängigkeiten höherer Grade und beschränkt sich auf die ersten 3 bis 4 Grade. Alles Weitergehende gilt als stilistischer Fehler. Die treppenförmigen Perioden älterer Bauart sind nach dem Auftreten der Schachtelsätze nicht verschwunden, sondern bestehen neben ihnen fort und sind zu allen Zeiten nachzuweisen bis in die Werke unserer Klassiker und in die Hefte unserer Schüler hinein. 120

Auch die Kaiserin Maria Theresia wandelt in diesen Denkschriften ganz den alten mittelalterlichen Weg. Sie war sicher nicht einer scharfen logischen Schulung in dieser Richtung unterzogen worden. Diese Züge fallen gerade dem an grammatische Genauigkeit gewöhnten Leser auf. Umfangreiche sprachliche Gebilde, Perioden mit vielen Nebensätzen sind sehr häufig. Satzeinschachtelung kommt nur in ganz geringem Maße vor. Dagegen gibt es öfter sehr weit ausgedehnte Treppen. Zum Beispiel 66 (319): Dieser Fürgang zeiget, wie äußerst (ich) mir (habe) angelegen sein lassen, die zu Beschützung meiner Monarchie so sehr benötigte Kriegesmacht mittelst systematischer Ordnung auf einen guten Fuß zu setzen, hiernächst die Artillerie durch die mühsame Einrichtung des Fürsten von Liechtenstein in einen vollkommenen Stand zu bringen dergestalten, daß der Grund dieses Militar-Systematis dahin zielet, womit durch accurate (genaue) monatliche Einhaltung derer Landesprästationen (Zahlungen von seiten der Länder) das Militare auf die Stunde bezahlet andurch aber mit äußerster Schärfe abgehalten werden könnte, in keinerlei Wege bei denen Contribuenten einige Exactiones (Erpressungen) oder Excessen zu verüben, nicht einmal die mindeste Douceurs (Bestechung) oder Beitrag zu erlauben, so gern das Land es auch täte und das Militare es verlangete, wofern nicht alles über den Haufen geworfen und Tür und Tor zu denen vorigen Exactionen eröffnet werden soll, welches generaliter (im allgemeinen) der Land- und Bauersmann bei den jetzigen hohen Gaben nicht erschwingen kann, 121

kein Herr aber gewiß aus seinem Beutel niemals was geben wurde. Eine gewaltige Treppe, noch kompliziert durch die frei koordinierte Fortsetzung des letzten Relativsatzes. Mitunter gewinnt einer dieser von ihrem Vorgänger abhängigen Nebensätze so viel Übergewicht, daß seine Abhängigkeit aus dem Bewußtsein schwindet. Man könnte von Übergang in den Hauptsatz reden. Dabei spielen die altmodischen von der gleichzeitigen Schriftsprache in Norddeutschland aufgegebenen Konjunktionen, wie: allermaßen, dergestalten, einfolglich ihre Rolle. Auch dafür ein Beispiel: 38 ( (295).. Jedoch nehme (ich) von diesfälligen Maßregeln das Königreich Ungarn aus, allwo wegen der Religion noch vieles zu bewirken wäre, wozu der daselbstige Clerus wohl beizuziehen, keineswegs aber allein mit ihnen, sondern hauptsächlich mit Weltlichen die diesfälligen Grundsätze zu concedieren (auszumachen sind) sein welche fürnehmlich dahin abzielen müssen, wie die Seminaria, Collegia, Akademien, Spitäler für Kranke und Blessierte (Verwundete) Conservatoria vor die ledige Frauen (Mädchenheime) wie in Italien zu besserer Erziehung der Jugend einzuführen (sind), Solchemnach (ist?) sorgfältig dahin der Bedacht zu nehmen, jenes zu unterstützen und zu erweitern, was dem Publico (dem allgemeinen Wohle), nicht aber in particulari (insbesondere) den Geistlichen, Mönchen und Klöstern in allen Ländern zum Nutzen gereichet, Wohlverstanden, daß auch diese heilsame Absicht nicht ehender gänzlich zustand gebracht werden könne, bis nicht der Militarstand der Notwendigkeit gemäß zu Erhaltung der Monarchie und zum Besten der Länder und Untertanen (Substantiv oder Adjektiv?) vollständig eingerichtet worden (ist). 122

Demgegenüber nehmen die seltenen Satzeinschachtelungen mitunter ungeheuerliche Formen an. Zum Beispiel: 68 (321 ff.). Die bedeutende Schwierigkeit dieser Periode beruht auf ihrer ungewöhnlichen Ausdehnung. Der Hauptsatz beginnt mit den ersten Worten und findet erst nach 22 Druckzeilen (in AöG.) seine Fortsetzung. Auch in tieferen Abhängigkeitsgraden sind die einzelnen Teile so umfangreich, daß die Übersicht kaum zu erreichen ist. Die Erklärung wird also hier in Teilen gegeben. Zunächst die höchstgeordneten Teilsätze: Solchemnach wurde (ich) bewogen, in reifer Überlegung, weichergestalten das vormalige Übel, so meiner Monarchie zugezogen worden (ist), hauptsächlich darinnen beruhet, daß jeder Minister dem unerachtet aber ihr Kammer beinebenst auch anstatt sotane verderbliche Verfassung sowohl hier als in denen Ländern gänzlich abzuändern, mithin eine neue Einrichtung, welche die Stabilierung (dauernde Festsetzung) der systematischen Ordnung zum Grunde hat, festzustellen. Nun folgen die in syntaktischer Unterordnung ausgedrückten Erwägungen: Zeile 11: hauptsächlich darinnen beruhet, daß, jeder Minister und Hofstelle sich jederzeit begnüget den advocatum (Verteidiger) und protectorem (Schützer) des ihm anvertrauten Landes abzugeben, hierbei aber (wobei) sowohl das allgemeine Beste und landesfürstliche Interesse öfters lau traktieret (behandelt) worden (ist) als auch die Last wider Billigkeit auf andere Länder zu wälzen, hiernächst das Camerale dermaßen zu discreditieren (in Verruf zu bringen) daß solches zum Nutzen des Dienstes und des gemeinen Wesens gar nichts mehr (hat) wirken können, 123

maßen sotanes Camerale nach und nach dermaßen eingeschränket worden (ist) daß selbtes dessen Aktivität in buchhalterisch. Ausstellungen und daraus erwachsene Chikanen (hat) einschränken müssen. In diesem ersten untergeordneten Periodenteile fällt dem aufmerksamen Leser auf: 1. die Anwendung von hierbei als unterordnende Konjunktion mit Nebensatzstellung des Verbums; 2. die ungewöhnliche Verwendung der Konjunktionen sowol — als auch, insoferne als als auch in einem Nebensatze höherer Ordnung steht als sowohl. Zeile 22: demunerachtet aber ihr Cammer (III. Artikel, vgl. sprachkundl. Nachwort § 15) von denen Ministris angemutet worden (ist) zu allen Vorfallenheiten (in jedem Bedarfsfalle) die Gelder herbeizuschaffen, obschon derenselben bekleidende leere Hände (die Mittellosigkeit der Kammer und der die Kammer verwaltenden Beamten) und gänzlich eingeschränkte Gewalt nicht unbekannt war. Zeile 26: beinebenst auch, anstatt mittelst einer guten Einverständnis unter den Stellen den Dienst zu befördern, die Zeit ohnnötiger, auf die schädlichste Weise mit Contradiktionen (Widerspruch) und Disputationen in Beiseitsetzung des dienstersprieslichen Hauptobjecti, als wordurch man fast jederzeit das rechte tempo versäumete, unter ihnen Stellen (III. Artikel!) zugebracht worden (ist).

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Fritz

Valjavec

DER JOSEPHINISMUS Zur geistigen Entwicklung Österreichs im 18. und 19. Jahrhundert Zweite, wesentlich erweiterte Auflage, L und 168 Seiten

Das 1944 in erster Auflage erschienene Werk liegt nunmehr in einer in Text und Anmerkungsapparat wesentlich erweiterten zweiten Auflage vor. I n diesem für die österreichische Geistesgeschichte bedeutsamen Buch wird vor allem die staats- und nationalpolitische Bedeutung des Josephinismus eindrucksvoll herausgearbeitet, der als Ausgleich zwischen den Anschauungen der vorangehenden Zeit auf politisch-kirchlich-kulturellem Gebiet auf der einen und zwischen dem Geist der Aufklärung, den Tendenzen der Säkularisierung und Laisierung auf der anderen Seite definiert wird. Die öffentliche Meinung, der publizistische Kampf der Josephiner und ihrer konservativen Gegenspieler kommen gut zur Geltung, und es ergibt sich ein deutliches Bild der Breitenwirkung der ideologischen Auseinandersetzungen.

VERLAG VON R. OLDENBOURG, MÜNCHEN

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Fritz

Valjavec

DIE ENTSTEHUNG DER POLITISCHEN STRÖMUNGEN IN DEUTSCHLAND 1770—1815 I X und 542 Seiten Das Buch behandelt die Entstehung der geistigen und sozialen Strömungen in Deutschland zwischen 1770 und 1815, aus denen dann in der Folgezeit die organisierten politischen Parteien hervorgegangen sind. Geschildert wird die Entstehung der liberalen und demokratischen Bewegung, das Auftauchen früher sozialistischer Regungen in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts, das Aufkommen nationaler Stimmungen im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons sowie die Entstehung des deutschen Konservativismus und der Reaktion. Durch die Heranziehung bisher vernachlässigter Quellen ist es dem Verfasser gelungen, den Ursprung der neuen politischen Strömungen in die vorrevolutionäre Zeit zurückzuverfolgen, wo sie durch das Übergreifen der Aufklärung auf das politische und soziale Gebiet entstanden sind. Als Gesamtergebnis des Buches zeigt sich, daß die bestimmenden politischen Vorstellungen der Moderne zu entscheidenden Teilen aus der einheimischen Überlieferung, aus den deutschen Geistkämpfen und sozialen Konflikten des „philosophischen Jahrhunderts" entsprungen sind.

VERLAG VON R. OLDENBOURG, MÜNCHEN

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Georg Stadtmüller

GESCHICHTE SÜDOSTEUROPAS 528 Seiten, mit 23 Karten

Zum ersten Male wird hier die mannigfaltige Geschichte des gesamten riesigen Vielvölkerraumes Südosteuropas als eines

Schnittpunktes

der

verschiedensten

Kulturen,

Bruchstelle zwischen Ost und West wiedergegeben.

als Der

Rahmen ist so weit gesteckt, daß selbst die deutsche Südostkolonisation im böhmischen und ungarischen Raum, die Gegenreformation in der habsburgischen Monarchie sowie deren neuere innere Geschichte in die Darstellung einbezogen werden. Diese ruht auf zwei massiven Pfeilern, Byzanz, als dem Erben der antik-mediterranen Imperiumstradition, und dem Ungarnreich, als der vitalen Neuschöpfung einer jungen, dem

abendländischen

Nation.

Kulturkreis

ursprünglich

fremden

Um diese Ordnungskerne wird die unübersehbar

vielgestaltige Fülle der historischen Erscheinungen gegliedert, von dem bulgarischen Reich bis zur Republik Venedig, von dem Türkenreich bis zu den modernen Staaten des Balkan.

VERLAG VON R. OLDENBOURG, MÜNCHEN

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Ernst von Lasaulx

Neuer Versuch einer alten, auf die Wahrheit der Tatsachen gegründeten

PHILOSOPHIE DER GESCHICHTE 180 Seiten Herausgegeben und eingeleitet von Eugen Thurnher

Bei der Neuausgabe der seit langem vergriffenen, ja sogar verschollenen „Philosophie der Geschichte" von Ernst von Lasaulx handelt es sich nicht nur darum, eine große Gestalt der deutschen Geistesgeschichte aus dem Dunkel des Vergessens wieder in die Helle des historischen Bewußtseins zu stellen. In einer Zeit, da die Auseinandersetzung mit Jakob Burokhardt, Oswald Spengler und Arnold Toynbee das historische Denken beherrscht, ist das Hauptwerk ihres genialen Vorläufers und Anregers von aktuellem Interesse. Lasaulx, der Burckhardt zu seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen" anregte, der lange vor Spengler den Versuch gewagt hat, „Geschichte vorauszubestimmen", und der mit Toynbee in der Historie das Ineinander zeitlicher und überzeitlicher Mächte aufzuspüren verstand, steht uns heute auch als Vertreter jener Generation großer Persönlichkeiten, die Deutschland 1848 eine neue Form geben wollten, nahe. Mit diesem Buch wird der Öffentlichkeit wieder ein Werk zugänglich gemacht, das an sprachlicher Schönheit und Tiefe der Gedanken sich mit der meisterhaften Prosa eines Görres, Fallmerayer oder Ranke messen kann.

VERLAG VON R. OLDENBOURG, MÜNCHEN

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