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German Pages 392 Year 1885
Juristische
Encyclopädie. Von
Dr. X Merkel, ord. Professor der Rechte-in Straßburg i. E.
Berlin und Leipzig. Verlag von Z. Gnttentag. (v. Collin.) 1885.
Meinem Kehrer und Freunde
Dr. Rudolph von Jhering Professor in Göttingen, Geheimem Justizrath re.
in
herzlicher tzerehrnng zugeeignet.
Inhalt. Seite
Einleitung..................................................................................... 1 Allgemeiner Theil.
Die allgemeine Uecht»tetzee. §§1-20 .
Ausgangspunkte. ..................................................................................... 5
Erstes Kapitel. Sas Nrcht. §8 21-144. Programm. § 21......................................................
.11
Erster Abschnitt. Seine Merkmale.
§§ 22—80.
I. Das Recht als Lehre und Macht. §§ 22 — 59. Einleitung. §§ 22 — 23 ........................................................... 12 1. Das Recht als Lehre. §§ 24—41...................................... 13 2. Das Recht als Macht. §§42—59 .................................. 24 II. Sein Verhältniß zum Staate. §§60—67 . 39 III. Sein Verhältniß zu Moral, Religion und Sitte. §8 68-80 ................................................. 41
Inhalt.
VI
Zweiter Abschnitt. Seine Eintheilungen. §§81—101.
SetU
Uebersicht. §81.......................................................................... 50
I. Eintheilungen mit Rücksicht auf die Sub jekte des Rechts. §§82—83 ........................... .50
II. Eintheilungen mit Rücksicht auf den In halt des Rechts. §§ 84-100 ............................ 51 1. Oeffentliches und Privatrecht. §§ 84—98 ....................... 51 2. Ergänzendes und zwingendes Recht. § 99........................... 58 3. Gebietendes und erlaubendes Recht. § 100.......................59 III. Eintheilungen mit Rücksicht auf die Ent stehungsformen des Rechts. 8 101 ... . 60 Dritter Abschnitt. Seine Entstehung.
§§ 102—144.
I. Entstehungsformen (Lehre von den Rechts quellen). §§ 102-121............................................61 II. Betheiligte Faktoren. §§ 122—133 ... 71 III. Allgemeingeschichte des Rechts. §§134—144 76
Zweites Kapitel. Die Nechtsverhältnissr.
Programm.
§§ 145 - 310.
§ 145...................................................................83 Erster Abschnitt. Ihre Merkmale.
I. Im Allgemeinen.
§§ 146-190.
§§ 146—158
...................
83
II. Das subjektive Recht insbesondere. §§ 159-170 . . r................................................ 88 III. Die Ausübung des subjektiven Rechts insbesondere. §§ 171-182.................................. 92
IV. Die Rechtssubjekte insbesondere. §§ 183 —190........................................................................96
Inhalt.
VII
Zweiter A bschnitt.
Ihre Eintheilungen. 88 191—205.
Seite
I. Privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Verhältnisse und Rechte. §§ 191-199 . .
II. Absolute und relative Rechte.
99
88 200—202
103
III. Uebertragbare und nicht übertragbare Rechte. §§ 203-205 .........................................
104
Dritter Abschnitt.
Ihre Entstehung. 88 206-310.
.....
105
II. Rechtsgeschäfte und Rechts Verletzungen. Was ihnen gemeinsam ist. §§ 229—243 . .
112
.... ....
112 116
I. Im Allgemeinen.
1. 2.
1. 2.
§§ 206—228
In Betreff des Thatbestandes. In Betreff ihrer Rechtsfolgen.
§§ 230—238 §§ 239-243
III. Speziellere Betrachtung der Rechtsge schäfte. 88 244-259 .........................................
120
Merkmale und Arten. 8§ 244-249 ............................... Rechtsfolgen. §8 250-259 ..............................................
120 122
IV. Speziellere Betrachtnng der Rechtsver letzungen. 88 260—310.
1.. Merkmale und Arten. 88 260—273 ............................... 2. Rechtsfolgen. 88 274-310 ............................................... a) Ueberhaupt. 274 - 282 b) Arten. 88 283-310.
125 131
...............................................
131
a) Rechtsfolgen privatrechtlicher im Gegensatz zu Rechtsfolgen öffentlich-rechtlicher Natur. 88 284 —290 ....................................................................
136
ß) Strafrechtliche im Gegensatz zu anderen Rechts folgen. 88 291—310 ......................................... 139
VIII
Inhalt.
Drittes Kapitel.
Seite
Sir Anwendung de§> Rechts und dir NrchtKwiffenschast. §§ 311-363.
Erster Abschnitt. Die Anwendung des Rechts.
Programm.
88 311—357.
§ 311...................................................................... 152
I. Das Anwendungsgebiet der Rechtssätze (Kollision der Gesetze). §§ 312—341.
1. Im Allgemeinen. §§ 312—314............................................. 152 2. Zeitliche Kollision. 315-324 ......................................... 153 3. Kollision zwischen koexistirenden Rechtssätzen. §§ 325—341 159 II. Die Anwendung des Rechts durch die Ge richte. §§-342-356.
1. Das richterliche Urtheil. §§ 342-347............................... 2. Die Interpretation. §§ 348—356 ....................................
165 167
Zweiter Abschnitt. Die Rechtswissenschaft.
§§ 357-363 .................................................................................
171
Besonderer Theil.
Die juristischen Spexiaiwissenschaften. Vorbemerkung.
§ 364
.............................................................
17$>
A. Das Recht der staatlichen Gemeinschaft. Einleitung.
Der Staat selbst. §§ 365—384 .................................................................................
17»
Inhalt.
IX Seite
Das Staatsrecht.
§§ 385—530.
Erster Abschnitt.
I« Allgemeinen.
88 3S5—441.
I. Die Organisation der Staaten. §§ 385 -413............................................. II. Formen und Richtungen der Staatsthätig keit. 88 414—425 . /.....................................
187 199
III. Das staatliche Herrschaftsbereich. 88 426 -432 ................................................................ 204 IV. Die Rechtsstellung der Einzelnen. 88 433 -441 ................................................................ 206 Zweiter Abschnitt. Das deutsche Staatsrecht. 88 442-590.
I. Zur Vorgeschichte desselben. 8§ 442-458 . II. Das Reich in seinem Verhältniß zu den Bundesstaaten. 88 459-471 ........................ III. Das Reich in seinem Verhältniß zu den Einzelnen. 88 472—475 ................................ IV. Die Organe des Reichs. §§ 476-507 . . V. Die Organisation der Bundesstaaten. 88 508-530 .......................................................
210
215 219 221 230
Zweites Kapitel. Das privatrecht.
88 531—716.
Erster Abschnitt. Im Allgemeinen.
88 531- 553.
I. Die Theile des Privatrechts. 88 531-542 237 II. Die Vermögensrechte und ihre Objekte. 88 543-553 ....................................................... 241
Inhalt.
X
Zweiter Abschnitt.
Seite
Das deutsche Privatrecht hinsichtlich seiner Quellen. 88 554-576.
I. Uebersicht.
§§ 554-569 ....................................
245
II. Die Reeeption des römischen Rechts ins besondere. §§ 570—576 .........................................
252
Dritter Abschnitt.
Das Sachenrecht. 88 577—623.
I. Das Eigenthum.
§§ 577-597 ......
255
...
261
III. Die Nutzungsrechte an fremden Sachen. §§ 608—622 .............................................................
265
IV. Das Pfandrecht.
269
II. Der (Sachen-) Besitz.
§§ 598-607
§§ 623-630
.....................
Vierter Abschnitt.
Das Forderungs- oder Obligationenrecht. 88 631—683.
I. Im Allgemeinen.
§§ 631—647 .....................
271
II. Das Kaufgeschäft (als Beispiel eines obligato rischen Geschäfts). 88 648-663.
III.
Die Verpflichtung 88 664-683.
zum
Schadensersatz.
Fünfter Abschnitt.
Das Familienrecht.
88 684 -703
.
.
.
.............................................................
297
Sechster Abschnitt.
Das Erbrecht.
88 704-716
............................................................................
303
Anhalt.
XI
Drittes Kapitel.
Sas Strafrecht.
§§ 717- 760.
Erster Abschnitt.
Am Allgemeinen.
88 717-724
.
308
.
311
Zweiter Abschnitt. Die strafbaren Handlungen.
88 725-748 Dritter Abschnitt.
Die Bestrafung.
88 749-760
Viertes Kapitel. Bus Prozeßrecht.
§§ 761—806.
Erster A bschnit t. Im Allgemeinen.
88 761-784 Zweiter A bschnit t. Civilprozetz und Strafprozess im Verlmltnitz zu einander.
88 785—806
B.
Das Kircheurecht. §§ 807-826.
Erstes Kapitel. 3m Allgemeinen. 88 M7-8(K
351
XH
Inhalt. Zweites Kapitel.
Weite
Inneres Hirchenrecht.
§§ 809-820
......................................................................
353
Drittes Kapitel. Aeußeres Kirchenrecht.
8§ 821-826
356
C. Das Völkerrecht. 88 827-844.................................................................................... 361
Alphabetisches Sachregister.......................................................... 372
Einleitung. 1. Diese Schrift bietet einen Auszug aus den Haupt theilen der Rechtswissenschaft unter Hervorhebung der durch das Ganze des Rechts hindurchgehenden und dessen geistige Einheit begründenden Gedanken. Sie will es dem Anfänger erleichtern, sich mit dem Rechte vertraut zu machen, dem schon Kundigen in der
'Richtung
einer
Rechte und
Vereinheitlichung
einer
Vereinfachung
unseres seines
Wissens
vom
Ausdrucks
An
regungen geben.
2. Die Gliederung ihres Inhalts entspricht der Gliede rung der Rechtswissenschaft.
Diese aber scheidet sich in die „Allgemeine Rechtslehre" und die juristischen Spezialwisscnschaften: Staatsrechts-, Privatrechts -, Strafrechts -, Prozeßrechts -, Kirchenrechts-, Völkerrechtswissenschaft.
Die letzteren haben die bezeichneten Theile des Rechts
in ihrer Besonderheit, die meinsame zum Gegenstand.
erstere das den Theilen Ge
Demgemäß zerfällt diese Encyclopädie
in
einen All
gemeinen Theil, der einen Auszug aus der Allgemeinen Merkel, Encyclopädie.
1
2
Einleitung.
Rechtslehre, und einen besonderen Theil, der einen Auszug aus den juristischen Spezialwifsenschaften enthält. Von anderen juristischen Encyclopädien seien hervorgehoben: L. Arndts, j. Enc. und Methodologie, München 1843, 7. Auflage 1880. F. Bluhme, Enc. des in Deutschland geltenden Rechts, Bonn 1847, 3. Aufl. 1863—68. F. Walter, j. Enc., Bonn 1856. Enc. der Rechtswissenschaft in systematischer und alphabetischer Bearbeitung. Herausgegeben unter Mitwirkung vieler Rechts gelehrter von F. von Holtzendorff, Leipzig. Erster systema tischer Theil, 4. Aufl. 1882. Zweiter Theil. Rechtslexikon, 3. Aufl. 1880—81. 3 Bände. Das Gesammtwerk will eine Berichterstattung über das Ganze der Rechtswissenschaft geben. — Nam.ur, cours d’encyclopödie d. droit. Brüssel 1875. Rou ssel. encyclop. d. d. Brüssel. 2. Ausg. 1872.
Allgemeiner Theil.
Die allgemeine Rechtslehre.
Airsgangsprrnkte. § 1. Was ist das Recht? Ein Fall mag es lehren. Nachbarn gerathen in Streit über die Grenzen ihres
Gebietes.
Ein Richter,
streitigen Grenzen
von ihnen angerufen, stellt die
fest und läßt sie durch Marksteine er
kennbar machen. Geben wir uns Rechenschaft über die Bedeutung dieses
Vorgangs.
Die Elemente, aus welchen sich das Recht zu
sammenfügt, werden dabei in ihrer einfachsten Gestalt zum
Vorschein kommen.
§ 2.
richterliche
Die
Entscheidung
gibt
den
streitenden
Nachbarn 1.
Auskunft
über die von ihnen zu respektirenden
Grenzen ihrer Machtgebiete. 2.
Beweggründe
für ein entsprechendes praktisches
Verhalten.
§ 3. Diese Entscheidung enthält:
1. den Ausspruch: Ihr sollet (und bzw. müsset) die von mir festgestellten Grenzen achten; Ihr seid hiezu ver
pflichtet.
6
Allgemeiner Theil.
2.
Den Ausspruch:
Ihr
dürfet (und bzw. könnet)
innerhalb dieser Grenzen Euren Willen und Eure Inter essen zur Geltung bringen; Ihr seid dazu befugt. Sie stellt sich in der ersten Richtung als ein Befehl, in der zweiten als eine Gewährleistung dar.
8 4.
Den bezeichneten Elementen entsprechend ist die Wir kung, welche von der richterlichen Grenzbestimmung aus
geht,
zwiefacher Art:
beschränkend und hemmend in der
Richtung des Befehls, befreiend und schützend in der Rich
tung der Gewährleistung. Die
gesicherte Grenze
für denjenigen,
nämlich bildet eine Schranke
der geneigt sein könnte,
das ihm zukom
mende Machtgebiet zu überschreiten, eine Schutzwehr für
denjenigen,
der sich
innerhalb
dieses Gebietes
frei
be
wegen will. 8 5. Das unter einer solchen Einwirkung sich ordnende nach barliche
Verhältniß
heißt
mit
Rücksicht
auf
diese
Ein
wirkung ein
Rechtsverhältnis in welchem wir,
dem Gesagten zufolge,
eine Seite der
Gebundenheit oder der Pflicht und eine korrespondirende
Seite der Macht oder der Befugniß unterscheiden können. Die Macht, von welcher hier die Rede ist, heißt unter be stimmten Voraussetzungen, welche in der Folge zu bestimmen sein werden, ein „Recht", „Recht im subjektiven Sinne" (§ 153 flg.).
8 6. Der Zweck,
der vom Standpunkt des Richters aus
durch eine solche Wirksamkeit erreicht werden will, ist dieser:
Ausgangspunkte.
7
eine Voraussetzung friedlichen und geordneten^ Nebenein ander- und Miteinanderlebens der Betheiligten zu verwirk lichen und dem Willen und den Interessen derselben ein Gebiet freier Bethätigung zu sichern.
§ 7. Der Richter erscheint einheitlichen Interesses der Denn beide sind dabei Grenzen ihren Willen und thätigen zu können.
hiebei als der Vertreter eines Parteien. interessirt, innerhalb gesicherter ihre Jntereffen ungehemmt be
8 8. Von dem Geiste aber, in welchem diese richterliche Grenzregulirung erfolgt, hängt es ab, ob sie allseitig und dauernd zu befriedigen vermöge. Dieses kann sie nur, wenn sie in unparteilicher Weise und nach einem Maßstabe ausgeführt wird, der nicht will kürlich an die Sache herangebracht, sondern ihr gemäß ist, und zu dem die Parteien sich gleichmäßig bekennen können. Mit anderen Worten, sofern sie sich als eine gerechte darsttzllt.
8 9. Diese richterliche Wirksamkeit fällt hiernach einerseits unter den Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit (§ 6), andrer seits unter den der Gerechtigkeit (§ 8). Sie erfolgt um des Zweckes willen, dem der Richter dient, aber sie erfüllt diesen Zweck nur als eine gerechte. § 10.
Betrachten wir jenen Vorgang nun im Zusammenhang eines entwickelten Rechtslebens, wie es innerhalb der
8
Allgemeiner Theil.
modernen Staaten uns vor Augen steht, und von welchem bisher absichtlich abstrahirt worden ist. Hier gewinnt derselbe eine Bedeutung über den Kreis der Nächstbetheiligten hinaus, ohne daß im Uebrigen diese Bedeutung sich änderte. 811-
Der Richter erscheint hier nicht eines einheitlichen Interesses der Falls, sondern Aller, welche in oder in Mitleidenschaft bei solchen
bloß als der Vertreter Parteien des einzelnen Konflikte ähnlicher Art gerathen können.
§ 12. Der Richter hat hier ferner den Maßstab für seine Wirksamkeit sich nicht erst zu bilden. Derselbe ist ihm vielmehr in einem Systeme von Bestimmungen und Regeln,
„Rechtssätzen", „Rechtsnormen", an welche er gebunden ist, gegeben. 8 13.
Diese Bestimmungen werden nicht lediglich durch die Vermittlung richterlicher Entscheidungen wirksam, vielmehr zugleich auf direktere Weise, indem sie unmittelbar das Verhalten derjenigen bestimmen, deren Machtgebiete sie be
grenzen. §14. Die geistige Macht, welche sich in dieser Wirksamkeit äußert, heißt das Recht,
Recht im objektiven Sinn. Ihr eigenthümliches Wesen ist in jener richterlichen Grenzregulirung allseitig zum Ausdruck gelangt. Was von dieser
Ausgangspunkte.
9
gesagt worden ist, läßt sich daher in allgemeinerer Fassung *