Journal für Hirnforschung: Band 3, Heft 4/6 1957 [Reprint 2021 ed.]
 9783112522400, 9783112522394

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JOURNAL FÜR HIRNFORSCHUNG Organ des Instituts für Hirnforschung und Allgemeine Biologie in Neustadt (Schwarzwald)

Herausgegeben von

Cécile und Oskar Vogt

BAND 3 • HEFT 4 - 6 • 1957

AKADEMIE-VERLAG

• B E R L I N

W8

Das Journal erscheint in zwangloser Folge in Heften von verschiedenem Umfang. 6 Hefte bilden einen Band. Ein Doppelheft kostet 24,— DM, ein Band 72,— DM.

Inhalt des Heftes 4—6 Seite

HOPF, A., Architektonische Untersuchungen an sensorischen Aphasien

275

D as „Journal für Hirnforschung" wird — wie bis 1942 das „Journal für Psychologie und Neurologie" —• die Forschungsergebnisse des Institutes für Hirnforschung und allgemeine Biologie in Neustadt/Schwarzwald veröffentlichen. Im Mittelpunkt der Forschungen dieses Institutes steht die Hirnanatomie, und zwar jene Teile derselben, die die wichtigsten Erkenntnisquellen für die räumlichen Beziehungen zwischen materiellem Hirngeschehen und Bewußtseinserscheinungen darstellen. Vertiefung der architektonischen Gliederung des Gehirns, Aufdeckung des anatomischen Ausdrucks individueller Besonderheiten Gesunder, Kranker und „zurechnungsfähiger" Asozialer, Ausnutzung der pathologischen Anatomie für die Schaffung einer ätiologischen Klassifikation der sogenannten funktionellen Neurosen und Psychosen, Klärung der aufbauenden und reparatorischen Funktionen des metamitotischen Arbeitskernes der Nervenzellen: das sind gegenwärtig die Hauptforschungsgebiete des Institutes. Bestellungen an eine Buchhandlung erbeten Wenn Sie unsere Literatur nicht in ihrer Buchhandlung erhalten können oder Schwierigkeiten bei der Beschaffung haben, dann wenden Sie sich bitte an eine der nachstehenden Auslieferungsstellen oder direkt an den Verlag. Auslieferung für die Deutsche Demokratische Republik : LKG Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel Leipzig Cl,. Leninstraße 16 Auslieferung für die Bundesrepublik : Kunst und Wissen, E r i c h Bieber, Stuttgarts, Wilhelms tr. 4—6 Auslieferung für das gesamte Ausland: Deutscher Buch-Export und -Import, GmbH, Leipzig C 1, Postschließfach 276 * Akademie-Verlag, Berlin W 8, Mohrenstraße 39, Ruf 200386 Sammelnummer . Telegramm-Adresse : Akademieverlag Berlin Herausgeber und verantwortlich für den I n h a l t : Dr. Cécile und Proi. Oskar Vogt, Institut für Hirniorschung und allgemeine Biologie, Neustadt/Schwarzwald. Verlag: Akademie-Verlag GmbH., Berlin W 8 , Mohrenstraße 39 (Fernruf: 2003 86); Postscheckkonto: Berlin 350 21. Bestell-und Verlagsnummer dieses Heftes: 1018/3/4 — 6. Das „Journal für Hirnforschung" erscheint in zwanglosen Heften von verschiedenem Umfang. 6 Hefte bilden einen Band. Preis j e Einzelheft 12,— DM. Ein Band 72,— DM. Satz und Druck: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", Altenburg. Veröffentlicht unter der Lizenznummer ZLN 5029 des Ministeriums für Kultur, Hauptverwaltung Verlagswesen. Printed in Germany.

JOURNAL

F Ü R HI R N F Ö R S C H U N G

BAND 3 • H E F T 4—6

1957

Aus der Frankfurter Forschungsstelle für Gehirnpathologie und Psychopathologie (Leiter: Prof. Dr. K. Kleist), der Psychiatrischen und Nervenklinik der Justus LiebigUniversität Gießen (Direktor: Prof. Dr. H. Boening) und dem Institut für Hirnforschung und allgemeine Biologie, Neustadt/Schwarzwald (Direktor : Prof. Dr. O. Vogt)

Architektonische Untersuchungen an sensorischen Aphasien Von

Adolf Hopf

Mit 134 Abbildungen1)

Inhaltsverzeichnis Seite

Geleitwort

276

Vorwort

277

Einleitung

278

Zur Einführung Ziele der Veröffentlichung, Methodik Architektonik Vergleichende Anatomie Physiologie V o l l s t ä n d i g e und f a s t v o l l s t ä n d i g e S p r a c h t a u b h e i t e n Fall 1: Berger Fall 2: Deubler Fall 3: Dölger Fall 4: Ritter Pathoanatomie und Pathophysiologic

278 281 284 292 295 300 300 311 327 338 348

L a u t t a u b h e i t (reine S p r a c h t a u b h e i t ) Fall 5: Wand Pathoanatomie und Pathophysiologic

349 349 . 364

) Mit Unterstützung der deutschen Forschungsgemeinschaft. Der Medizinischen Fakultät der Justus Liebig-Universität als Habilitationsschrift vorgelegt. x

V o g t , H i r n f o r s c h u n g , B d . 3, H e f t 4 - 6

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ADOLF HOPF

Journal für Hirnforschung Seite

Nachsprech-(Leitungs-) Aphasien Fall 6: Sprattler Fall 7: P i t t Fall 8: Bönicke Fall 9: Treusch Frühere anatomische Befunde Pathoanatomie und Pathophysiologic

365 365 376 382 390 397 404

Worttaubh jiten Fall 10: Pc ppert F a l l i i : bchmidt Fall 12: Buschhorn Fall 13: Seuffert Pathoanatomie und Pathophysiologic

414 414 429 438 450 462

Wortsinn(Namen-)taubheiten Fall 14: Klingelhöf er Fall 15: Hintermayer Fall 16: Bayrhoffer

466 466 476 485

Amnestische Aphasie Fall 17: Boening Pathoanatomie und Pathophysiologic

493 493 505

P a t h o a n a t o m i e und P a t h o p h y s i o l o g i c der t e m p o r a l e n g r a m m a t i s c h e n Störungen 510 Zusammenfassung

518

Literatur

523

Zum Geleit Die vorliegenden „ A r c h i t e k t o n i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n a n s e n s o r i s c h e n A p h a s i e n " von Dr. Adolf H o p f stehen in einem größeren Zusammenhang, den ich mit wenigen Worten aufzeigen möchte. Schon in meiner 1933 abgeschlossenen G e h i r n p a t h o l o g i e , deren Stoff meine Erfahrungen an Hirnverletzten des ersten Weltkrieges und an zahlreichen Hirnkranken im Verein mit allen anderen damals bekannten hirnpathologischen Beobachtungen waren, beabsichtigte ich, die Architektonik der Großhirnrinde, wo sie in Betracht kam, den Hirnbefunden und Erklärungen zugrunde zu legen, doch waren diesem Streben Grenzen gezogen; denn nur die Cytoarchitektonik der Hirnrinde war durch die Arbeiten B r o d m a n n s , R o s e s und v. E c o n o m o K o s k i n a s ' schon einigermaßen abgeschlossen, die von C. und O. V o g t bearbeitete Myeloarchitektonik wies dagegen noch beträchtliche Lücken auf. Ohne die Kenntnis des Faseraufbaus der Hirnrinde aber konnten die örtlichen Rindenveränderungen nicht mit den im Großhirnmark und im Hirnstamm an fasergefärbten Schnitten festzustellenden Krankheitsherden verbunden und der Deutung neuro- und psychopathologischer Störungen dienstbar gemacht werden. Der Ausbau der myeloarchitektonischen Forschung war daher dringend, zunächst am Schläfelappen, an dessen Dorsalseite O. V o g t und E. B e c k schon begonnen hatten. Dank der verständnisvollen und großzügigen Unterstützung

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durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und ihren Gründer Staatsminister Dr. S c h m i d t - O t t — Ehre seinem Andenken! — konnte ich an meiner Klinik eine hirnpathologisch-architektonische Abteilung einrichten und Eduard Beck zu deren Leiter berufen. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit waren Becks eingehende Darstellung der Myeloarchitektonik der dorsalen Schläfelappenrinde (1930) und seine darauf fußende Beschreibung von 7 Fällen mit sensorischer Aphasie (1936), deren klinische Erscheinungen und makroskopische Hirnbefunde ich schon in meiner Gehirnpathologie mitgeteilt hatte. Die psychopathologischen Erklärungen blieben aber unvollständig, da sie sich nur auf einen, wenn auch sehr wichtigen Teil, eben die Dorsalseite des Schläfelappens mit den Querwindungen und die dort befindlichen krankhaften Veränderungen stützen konnten. Erst nach Jahren (1942) fand ich in Eduard S t r a s b u r g e r , der ebenfalls am Vogt sehen Institut ausgebildet war, einen Mitarbeiter, der Becks 1937 abgebrochene Untersuchungen fortführte, bis er zum Wehrdienst eingezogen dem zweiten Weltkrieg kurz vor dessen Ende zum Opfer fiel. Auch seiner gedenke ich ehrend und dankend. Wieder vergingen Jahre, bis Adolf H o p f , klinisch bei mir, hirnanatomisch bei Prof. Vogt vorbereitet, die Myeloarchitektonik der gesamten isokortikalen Schläfelappenrinde zu Ende führte (1949—1951). Ihm war es dann auch vorbehalten, unsere inzwischen beträchtlich vermehrten klinisch-anatomischen Beobachtungen von sensorischen Aphasien, die zuletzt noch dank der Güte von Prof. Vogt um zwei Fälle aus dessen Sammlung bereichert wurden, an Hand von Serienschnitten myeolarchitektonisch abschließend zu bearbeiten. Auch an der darauf beruhenden Erklärung der aphasischen Störungen hat Hopf einen wesentlichen Anteil. Aufs Ganze gesehen bilden diese Untersuchungen einen Teil der an meiner Forschungsstelle mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft betriebenen Arbeiten zur hirnanatomischen Begründung umschriebener seelischer und nervöser Ausfallerscheinungen. Die Myeloarchitektonik des Scheitellappens ist von E. G. B a t s c h 1955 neu bearbeitet worden, die Pathologie dieses Hirnteils, deren Mittelpunkt die apraktischen Störungen bilden, steht vor dem Abschluß. Das Stirn- und Orbitalhirn, denen A. Hopf (1955) und V. v. B r a i t e n b e r g (1956) neue myeloarchitektonische Studien gewidmet haben, und deren Störungen, besonders motorische Aphasien, Antriebs- und Charakterstörungen, rücken nach. Die Vorarbeiten auf anderen Gebieten sind im Gange. So hoffen wir, Schritt um Schritt zu einer neuen Darstellung der Gehirnpathologie zu gelangen. K. K l e i s t Vorwort Während die ersten, die Großhirnrinde betreffenden architektonischen Arbeiten um die Jahrhundertwende nur das Interesse einzelner fanden, ist die Architektonik seit dem Erscheinen von B r o d m a n n s V e r g l e i c h e n d e r L o k a l i s a t i o n s l e h r e der G r o ß h i r n r i n d e (1909) in weiten Kreisen, auch 20*

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außerhalb der Medizin bekannt geworden. Die Karten von B r o d m a n n und später von v. E c o n o m o und K o s k i n a s (1925) wurden in vielen Arbeiten, Lehr- und Handbüchern abgebildet. Verwertet zur Deutung klinischer Befunde wurden sie im wesentlichen nur, dafür aber in größtem Maßstabe, von K l e i s t und F o e r s t e r . C. und 0 . V o g t waren die ersten, die tierexperiir.entelle und architektonische Ergebnisse (1919) zueinander in Beziehung setzten. In der Folgezeit wurde die Architektonik von physiologischer Seite nur wenig beachtet. Erst die moderne Neurophysiologie, die dank der Verfeinerung ihrer Technik in den beiden letzten Jahrzehnten einen gewaltigen Aufschwung genommen hat, bediente sich wieder der architektonischen Ergebnisse, die sich als tragfähige Grundlage für die Deutung experimenteller Ergebnisse erwiesen. Die Notwendigkeit einer architektonischen Untersuchung hirnpathologischer Herdfälle wurde von K l e i s t und V o g t schon lange betont. Der Verwirklichung dieser Idee standen aber große Schwierigkeiten entgegen. Über den weiten Weg bis zum Erscheinen der vorliegenden ersten systematischen architektonischen Studie an Herdfällen mit sensorischer Aphasie wird im folgenden noch berichtet werden. Dem nunmehr ein halbes Jahrhundert währenden unermüdlichen Sammeleifer meiner Lehrer K l e i s t und V o g t verdanke ich es, daß in dieser Arbeit das bisher größte Schnittserienmaterial an sensorischen Aphasien vorgelegt werden kann. 15 der Fälle entstammen der Kleistschen und 2 der Vogtschen Sammlung. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor K l e i s t , ohne dessen ständige Förderung und Beratung auf dem vielseitigen Gebiete der Hirnpathologie mir diese Studie nicht möglich gewesen wäre. Die Arbeit entsprang aus gemeinsamen Studien an hirnpathologischen Herdfällen und wurde von mir in engem Gedankenaustausch mit Herrn Prof. K l e i s t weitergeführt. Auch Herrn und Frau Professor Vogt, die mir in großzügiger Weise Arbeitsgelegenheit an ihrem Institut gegeben, sowie ihr Material und ihre technischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt haben, gebührt mein Dank. Durch den Ausbau eines anatomischen Laboratoriums und die Gewährung von Arbeitsurlaub hat Herr Professor B o e n i n g meine Arbeit gefördert. Fräulein E. K l e i s t verdanke ich die reichliche photographische Ausstattung dieser Arbeit. Die Photos der beiden Vogtschen Fälle wurden von Fräulein M. Grosse angefertigt. Geschrieben wurde die Arbeit von Fräulein D. Hupf er, die sich mit Verständnis in die schwierige architektonische Nomenklatur und deren Symbole eingearbeitet hat. Einleitung Zur Einführung Das von W e r n i c k e im Jahre 1874 erstmals eingehend beschriebene und genauer definierte Syndrom der sensorischen Aphasie stellt eines der schwierigsten Probleme der Neurologie dar.

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W e i s e n b u r g und M c B r i d e (1935) leiten ihre große Monographie mit den Worten ein: "There ist no more difficult subject in the realm of neurology than aphasia." Sie fahren fort mit den Worten: "Few of the problems it involves have reached a satisfactory Solution." Diese auf einer umfassenden Literaturkenntnis und eigenen Erfahrungen der genannten Autoren an einem großen Krankengut beruhende Feststellung mag zunächst erstaunlich klingen, wenn man bedenkt, daß die Aphasieliteratur einen Umfang erreicht hat, der sie für den Einzelnen fast unüberschaubar macht. D a ähnliche resignierende Feststellungen von verschiedenen Autoren getroffen wurden, muß eine kritische Besinnung jeder Arbeit über diesen Gegenstand vorausgehen. D i e s e n s o r i s c h e A p h a s i e ist ein h i r n p a t h o l o g i s c h e s S y n d r o m und d a m i t ein G e g e n s t a n d der h i r n p a t h o l o g i s c h e n F o r s c h u n g . U n t e r Hirnpathologie versteht man die Lehre von der Entstehung klinischer Symptome durch pathologische Prozesse im Gehirn. Die Beziehung zwischen pathologisch-anatomischen Veränderungen und klinischen Erscheinungen bildet das Kernproblem der Hirnpathologie. Die meisten Arbeiten über die Aphasie und andere hirnpathologische Syndrome beschäftigen sich indessen erstaunlicherweise nicht mit dieser Kernfrage. Dies mag aus den fast unüberwindlichen Schwierigkeiten verständlich sein, die sich einer Lösung dieser Frage entgegenstellen. Wirft man einen Blick auf die Literatur der letzten beiden Jahrzehnte seit Erscheinen der K l e i s t s c h e n Gehirnpathologie (1934), so muß man feststellen, daß sich die überwiegende Mehrzahl der Arbeiten ausschließlich mit der klinischen Seite des Problems befaßt. Pathologisch-anatomische Arbeiten findet man sehr wenig und die meisten von ihnen sind schon hinsichtlich der Untersuchungstechnik unzulänglich. Noch schlechter ist es bestellt mit Arbeiten, die die Beziehung von verifizierter anatomischer Läsion und klinischem Syndrom einer eingehenden Überlegung unterziehen. Kritische Feststellungen einzelner Autoren und objektive Befunde gehen unter in einem Meer von klinisch oder psychologisch ausgerichteten Arbeiten, bei denen lokalisatorische Fragen nicht oder nur in spekulativer Weise abgehandelt werden. Der M a n g e l an a n a t o m i s c h e n A r b e i t e n in den b e i d e n l e t z t e n J a h r z e h n t e n mag im wesentlichen darauf zurückzuführen sein, daß der Optimismus der streng lokalisatorisch eingestellten Forscher einer überschießenden Resignation weiter Kreise Platz machte. Die ersten Erfolge der L o k a l i s a t o r e n berechtigten anscheinend zu so großen Hoffnungen, daß mahnenden Worten zunächst nur wenig Gehör geschenkt wurde. Ein übertriebener Schematismus — H e a d sprach in abfälliger Weise von "diagram makers" — war dem Ansehen der Lokalisationsforschung abträglich. Hinzu kam, daß klinisch und anatomisch oft ganz unzureichend untersuchten Einzelbeobachtungen eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen wurde. So konnten Rückschläge nicht ausbleiben. Die Kritiker hatten es nicht allzu schwer und es gelang ihnen schließlich, neben dem unnötigen Ballast und den falschen Ergebnissen auch die wertvollen Erkenntnisse der Lokalisationsforschung weitgehend in Mißkredit zu bringen, so daß ein bedauerlicher Stillstand eintrat. Das Kernproblem der Hirnpathologie wurde von den neuen Arbeiten nicht berührt, es sei denn in einer Weise, die der Betrachtung zu Zeiten F l o u r e n s ähnlich war. Viele Diskussionen bewegten sich in meist recht unfruchtbarer Weise um die Begriffe des Z e n t r u m s und der L o k a l i s a t i o n . Dabei wurde den Verfechtern der sogenannten klassischen Hirnpathologie eine Meinung über das Zentrum unterschoben, die von ihnen nie vertreten worden war. Niemand hat etwa die Behauptung aufgestellt, ein S p r e c h z e n t r u m „spreche" und ein A r m z e n t r u m ,,bewege den

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Arm". Die Bedeutung der Peripherie wurde wohl nie geleugnet. Auch dürften selbst die strengsten Lokalisatoren nicht angenommen haben, daß ein von dem übrigen Gehirn und Körper isoliertes Sprachzentrum seine Funktion noch erfüllen könne. Bei den großen Fortschritten und den in hirnpathologischen Arbeiten oft nicht gebührend berücksichtigten Erkenntnissen, die die Neurophysiologie in den letzten Jahrzehnten erzielt hat, erscheint es lohnend, sich über die A n s i c h t k r i t i s c h e r N e u r o p h y s i o l o g e n zu orientieren. W i n t e r s t e i n (1936) sagt: „Wenn wir also das Z e n t r u m definieren als den T e i l des Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s , d e r f ü r d a s Z u s t a n d e k o m m e n e i n e s z e n t r a l n e r v ö s e n Vorgangs eine a u s s c h l a g g e b e n d e B e d e u t u n g b e s i t z t , so müßte eine derartige Definition eigentlich allgemeine Zustimmung finden können." Dieser Meinung wird man sich ohne Bedenken anschließen können. W i n t e r s t e i n weist auch gegenüber den Einwänden, die aus den von B e t h e unter der Bezeichnung „Plastizität" zusammengefaßten und von V. v. W e i z ä c k e r ,.Funktionswandel'' genannten Erscheinungen hergeleitet werden, darauf hin, daß die Möglichkeit anderer Innervationsmöglichkeiten in p a t h o l o g i s c h e n Fällen nicht die gesetzmäßige Zuordnung bestimmter Teile des Zentralnervensystems zu bestimmten Funktionen unter p h y s i o l o g i s c h e n Bedingungen widerlegen kann. Nach einem kritischen Überblick über die Faktoren, die zu einer Rückbildung anfänglicher Ausfallserscheinungen führen können und dem Hinweis auf die Tatsache, daß seit 1870 jedenfalls für die einfachen sensiblen und motorischen Funktionen kein wirklich beweiskräftiges Material für eine vikariierende Funktionsübernahme nach Rindenläsionen beigebracht worden sei, sagt D u s s e r de B a r e n n e (1936) zur Ablehnung einer funktionellen Lokalisation: „Eine solche nihilistische Ansicht kann nur bei ungenügender Schulung in Anatomie und Physiologie des Nervensystems aufkommen." J u n g (1953) akzeptiert die Definition des Zentrums von Winterstein und fährt fort: „Ohne diese Zentren sind bestimmte Leistungen des Organismus nicht möglich. Ohne Hirn können wir uns nicht geordnet verhalten und nicht denken, ohne die optische Hirnrinde nicht sehen, ohne das medulläre Atemzentrum nicht atmen. Es ist ganz falsch, zu behaupten, daß solche Vorgänge nur durch die Läsion dieser Regionen gestört, aber nicht von diesen Zentren her gesteuert würden." An anderer Stelle heißt es: „Die Notwendigkeit der Erregungsbegrenzung ist auch die physiologische Grundlage des Lokalisationsprinzips." Ohne Berücksichtigung dieser von erfahrenen Physiologen erarbeiteten Erkenntnisse wird man schwerlich Gehirnpathologie erfolgreich betreiben können. Auch die Kenntnis der Entwicklungsgeschichte, Anatomie und Pathologie muß vorausgesetzt werden. Rein klinische Betrachtungen, die mit philosophischen Spekulationen untermischt sind und ängstlich jede Bezugnahme auf das Gehirn vermeiden oder diese ebenfalls in rein spekulativer Weise unternehmen, dürften wenig zur Lösung des Problems beitragen. Einigt m a n sich auf die von W i n t e r s t e i n gegebene Definition des Begriffes des Zentrums und spricht m a n mit K l e i s t von E n t s p r e c h u n g , oder einem Vorschlag von J a s p e r s u n d S p a t z folgend, von Z u o r d n u n g s t a t t von Lokalisation, so dürften wesentliche Streitpunkte beseitigt und eine Verständigung der verschiedenen Lager wieder möglich sein. Es ist sicher unzulässig, von der örtlichen Störbarkeit einer Funktion ohne weiteres darauf zu schließen, daß die normale Funktion hier ihren „ S i t z " hat, hier lokalisiert ist. Dieser verführerische Schluß liegt aber immer nahe, wenn m a n von Lokalisation spricht, so daß der Vorschlag von J a s p e r s u n d S p a t z , das Wort Zuordnung zu verwenden, sehr zweckmäßig erscheint, da jeder hier zunächst

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an die Zuordnung von klinischem Symptom und anatomischer Läsion denkt. Das gleiche gilt für den Gebrauch des Terminus „Entsprechung" von K l e i s t . Auf der anderen Seite ist es aber falsch zu glauben, der Ort der Störbarkeit brauche nichts mit dem funktionellen Zentrum unter physiologischen Bedingungen zu tun haben. Es könne sich etwa nur um einen Ort handeln, an dem verschiedene Bahnen zusammentreffen. Gerade diese Verknüpfungen von Erregungen (aus verschiedenen Sinnesgebieten zum Beispiel) finden j a nicht rein mechanisch durch ein Zusammenlaufen von Bahnen statt, sondern erfordern eine aktive Leistung, die nur in Zellverbänden der Rinde oder der subcorticalen Kerne geschehen kann. Ziele der Veröffentlichung. Methodik Die beiden letzten Jahrzehnte sind, wie eingangs erwähnt wurde, arm an hirnpathologischen Veröffentlichungen, die sich auf pathologisch-anatomische Befunde stützen können. Die meisten anatomischen Beschreibungen beruhen in den genannten wie auch in den vorangegangenen Jahrzehnten auf makroskopischen Befunden und sind somit unzureichend. Die hirnpathologische Literatur setzt sich zusammen aus Einzelarbeiten, in denen ein oder sehr wenige Fälle eingehend dargestellt sind und aus großen Werken, in denen zahlreiche Fälle, dafür aber oft recht summarisch erwähnt sind, so daß ihnen von Kritikern eine Beweiskraft abgesprochen wurde. In die bestehende Lücke soll vorliegende Arbeit einspringen. Sie bringt eingehende klinische und anatomische Beschreibungen einer größeren Zahl von sensorischen Aphasien. Die Arbeit stützt sich auf das größte Schnittserienmaterial, das bisher auf diesem Gebiete veröffentlicht wurde. Die Möglichkeit hierzu verdanke ich Herrn Professor K l e i s t und Herrn Professor V o g t , die mir in großzügiger Weise ihr umfangreiches Material zur Verfügung gestellt haben. 15 der Fälle entstammen der K l ei st sehen und 2 der V o g t sehen Sammlung. 14 Fälle wurden von K l e i s t klinisch beobachtet. Von diesen hat K l e i s t auf Grund ihrer makroskopischen Befunde und, wenn besonders vermerkt, an Hand von Schnittserien, in seiner Gehirnpathologie schon in dem Kapitel über sensorische Aphasien besprochen die Fälle: Bayrhoffer S. 775. Boening S. 774, 866,1036. Deubler (Serie) S. 717, 867,1039,1111,1118. Dölger S. 716. Klingelhöfer S. 746, 1111. Pappert S. 717, 1111. Ritter S. 718, 1111. Schmidt S. 718, 612, Sprattler S. 731. Treusch S. 733. Die kursiv gedruckten Seitenzahlen geben die Stellen an, die sich auf die sensorisch-aphasischen Störungen beziehen. An anderen Stellen der Gehirnpathologie wurden erörtert: Berger S. 1239. Buschhorn (Serie) S. 918, 1079 1-100, 1239, 1346. Hintermayer S. 481, 491, 878, 1079, 1239. 1 Fall wurde klinisch von F ü n f g e l d und Coenen, 1 Fall von J o l l y und H e n n e b e r g , 1 Fall von G e e l v i n k beobachtet. In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich die folgende Darstellung von allen bisherigen der Literatur. Es wurde nämlich erstmals ein größeres Schnittserienmaterial a r c h i t e k t o n i s c h untersucht. Vorläufer der Arbeit sind in einem 1937 veröffentlichten Vortrag von B e c k zu sehen, in dem 6 der Fälle (Berger, Deubler, Buschhorn, Hintermayer, Pappert u. Schmidt) 1 ) hin1 ) Ein weiterer von B e c k dort mitgeteilter Fall (Kreutzer) wurde in vorliegender Darstellung nicht bearbeitet, da er wegen zu zahlreicher Herde als nicht ausreichend beweiskräftig erschien.

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sichtlich ihres Befundes am Schläfenlappen schon erwähnt wurden. 8 der Fälle wurden nach ihrer architektonischen Untersuchung durch den Verfasser 1953 von K l e i s t in Bad Homburg vorgetragen und später (1956) veröffentlicht (Rehwald: Das Hirntrauma. S. 165—183). 1 Fall dieser Reihe wurde schon nach der gleichen Methodik von H o e f t (1956) untersucht und veröffentlicht. Eine Beschreibung von Herden nach ihrer Lage auf oder unter bestimmten Windungen muß als unzulänglich angesehen werden. Entscheidend für die Funktion ist die spezifische Struktur der Rinde, wie sie in ihrer Architektur zum Ausdruck kommt. Da die Lage der einzelnen Rindenfelder in tezug zu den Windungen und Furchen interindividuelle Verschiedenheiten aufweist, ist eine architektonische Untersuchung unerläßlich. Nur durch eine solche kann festgestellt werden, welche Rindenfelder betroffen und in welchem Ausmaß sie geschädigt sind. Die Notwendigkeit einer architektonischen Untersuchung von hirnpathologischen Herdfällen wurde von K l e i s t und V o g t schon lange erkannt. Sie haben dieser Forderung mehrfach Ausdruck verliehen. Der Verwirklichung dieser Idee standen aber eine Reihe technischer Schwierigkeiten entgegen. Zunächst mußte die normale Architektonik der Rinde erforscht und eine genügende Anzahl von Schnittserien angefertigt werden. Beides nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Da die meisten älteren Fälle in Markscheidenserien verarbeitet waren, bildete für die in Aussicht genommenen Studien an sensorischen Aphasien die Kenntnis der Myeloarchitektonik des Schläfenlappens die unabdingbare Voraussetzung. Nach ersten kurzen Überblicken v o n V o g t . B e c k u n d K r a h m e r gab B e c k im Jahre :l. 9 3 0 schließlich eine eingehende B e s c h r e i b u n g der M y e l o a r c h i t e k t o n i k der D o r s a l f l ä c h e des S c h l ä f e n l a p p e n s . 1942 begann S t r a s b u r g e r mit Studien am übrigen Schläfenlappen. S t r a s b u r g e r s Einberufung zur Wehrmacht und sein vorzeitiger Tod vereitelten die Vollendung der Arbeit. 1949 nahm Verfasser die Darstellung der Myeloarchitektonik der g e s a m t e n i s o c o r t i c a l e n S c h l ä f e n l a p p e n r i n d e in Angriff und konnte sie bis Ende 1951 zum Abschluß bringen. Jetzt erst war eine architektonische Bearbeitung der sensorischen Aphasien möglich. Parallel damit gingen Untersuchungen über die Brauchbarkeit der Methode, über die Konstanz der Rindenfelder und über die Bedeutung der myeloarchitektonischen Merkmale auch an den übrigen Abschnitten der Großhirnrinde. Eine verwertbare und jederzeit nachprüfbare architektonische Beschreibung lückenloser Schnittserien vom Stirnpol bis zum Occipitalpol konnte nun gewagt werden. Von 3 der 17 Fälle sind die Schnittserien allerdings unvollständig. Stellte die architektonische Untersuchung allein auch einen wesentlichen Fortschritt dar, so waren noch weitere anatomische Gesichtspunkte zu beachten. Die Schnittserie bot die Gewähr, daß kein — auch nicht der kleinste — Herd übersehen wurde. Sie gab die Möglichkeit, sich ein einigermaßen zutreffendes Bild über das gesamte Gehirn zu verschaffen. Man konnte auch etwas über die morphologischen Voraussetzungen von Funktionen des „Restgehirns" aussagen. Der Versuch einer Erklärung beispielsweise der Stabilität hirnpathologischer Ausfallserscheinungen war weniger spekulativ und durfte sich auf objektive Befunde stützen, etwa auf die schwere Schädigung auch des übrigen Gehirns durch zahlreiche kleine vollständige und unvollständige Er-

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weichungen bei über den Hauptherd hinausgehender Mangeldurchblutung des Gehirns. Im entgegengesetzten Fall konnte die Ansicht über die gute Kompensationsfähigkeit des „Restgehirns" wenigstens durch dessen morphologische Intaktheit belegt werden. Auch h i s t o p a t h o l o g i s c h e S t u d i e n wurden in allen Fällen durchgeführt, wenn deren Ergebnisse auch infolge ausschließlichen Vorhandenseins von Markscheidenpräparaten bei einigen Serien nicht sehr ergiebig waren. Wertvolle Aufschlüsse konnten jedoch vielfach erzielt werden. Zumindest ließ sich das Alter der Herde grob bestimmen. Ihre Zuordnung zu den verschiedenen, nicht immer gleichzeitig aufgetretenen klinischen Symptomen gewann einen festeren Boden. Auf diese Weise war zu hoffen, einige der auf dem anatomischen Sektor liegenden Fehlerquellen zu vermeiden. Eine Hauptfragestellung der Arbeit war, ob sich bestimmte klinische Symptome den Schädigungen spezifisch differenzierter Rindenfelder zuordnen lassen. Diese Frage kann nach Ansicht des Verfassers durch keine noch so scharfsinnige Überlegung, sondern nur durch eingehende Würdigung objektiver Befunde entschieden werden. Aus dem Tierversuch wissen wir, daß im Bereich der primären sensorischen Rindenendstätten und der Ursprungsstätte der Pyramidenbahn solche Zuordnungen möglich sind. Das Bestehen arealspezifischer Ausfallserscheinungen außerhalb der primären Projektionsgebiete ist zunächst eine Arbeitshypothese, die weder bewiesen noch widerlegt ist, einfach deshalb, weil weder ausreichende architektonische Untersuchungen vorliegen noch unsere heutigen Untersuchungsmethoden schon fein genug sind, um solche Ausfallserscheinungen in allen Fällen exakt zu bestimmen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß zunächst nur eine empirische Zuordnung klinischer Syndrome und architektonisch definierter Läsionen ange strebt werden soll. Rückschlüsse auf die normale Funktion können aus solchen Befunden nur mit größter Vorsicht und nur unter Heranziehung physiologischer, entwicklungsgeschichtlicher und anderer Daten unternommen werden. Eine solche empirische Zuordnung kann auch dann furchtbar sein, wenn wir über die genauere Deutung und die Pathophysiologie der klinischen Symptome noch ungenügend Bescheid wissen, wie dies ja vielfach der Fall ist. Manche der „klassischen" hirnpathologischen Symptome und Syndrome haben ihren Wert im klinischen Alltag erwiesen und werden auch von Klinikern, die deren falsche theoretische Voraussetzungen erkannt haben, dann gebraucht, wenn sie in der Praxis den Sitz von Läsionen zu bestimmen haben. Solange aber neue, theoretisch besser fundierte und gleichzeitig praktisch brauchbare hirnpathologische Begriffe fehlen, bleibt bei anatomisch ausgerichteten Untersuchungen keine andere Wahl, als mit den bis zu einem gewissen Grade als brauchbar erwiesenen Syndromen zu arbeiten. Das Bewußtsein der Unzulänglichkeit der Begriffe mag vor voreiligen Schlußfolgerungen bewahren.

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des menschlichen

Journal für Hirnforschung

Schläfenlappens

1. C y t o a r c h i t e k t o n i k 1905 veröffentlichte Campbell die erste brauchbare architektonische Karte des menschlichen Gehirns, der sowohl cyto- wie myeloarchitektonische Untersuchungen zugrunde lagen. Am Schläfenlappen unterschied er 3 Areae: eine kleine „audito-sensory-area" auf der Dorsalfläche, eine ,,audito-psychic-area" auf der T1 und eine ,,temporal-area", die den ganzen übrigen Schläfenlappen zusammen mit dem unteren Parietalläppchen einnimmt. 1907 konnte Brodmann bereits 9 Areae im Bereich des Schläfenlappens unterscheiden. 1. Feld.52, Area parainsularis. 2. Feld 41, Area temp, transversa int. oder ant., dem größeren Teil der Ttrl entsprechend. 3. Feld 42, Area temp, trans, ext. oder post., vor allem die Ttr2 einnehmend. 4. Feld 22, Area temp. sup. auf den hinteren 2/3 der Tl. 5. Feld 21, Area temp. med. auf der T2. 6. Feld 20, Area temp. inf. auf der T3. 7. Feld 38, Area temp, polaris, auf dem Schläfenlappenpol. 8. Feld 37, Area occipito-temp. auf dem caudalen Ende der T2 und T3. 9. Feld 36, Area ectorhinalis auf der T4. auf.

1925 teilten v. Economo und Koskinas den Schläfenlappen in 4 Regionen 1. Regio supratemp. mit den Area supratemp. intercalata (TD) auf der Dorsalfläche ganz medial gelegen, supratemp. granulosa (TC) „fleckförmig" auf dem medialen Abhang der Ttrl liegend und etwas auf Ttr2 übergreifend. supratemp. magnocellularis (TB) auf der orolateralen Ttrl, dem größten Teil der Ttr2 und vorderen Anteilen des Planum temp. bzw. der Ttr3. temp. sup. (TA) auf dem 2. und 3. Viertel der Längsausdehnung der T1 mit leichtem Übergreifen auf das Planum temp. Ein oraler Anteil TA 2 wird von einem kaudalen TAI unterschieden. 2. Regio temp, propria mit den Areae temp. med. (TE1) auf der T2 mit Ausnahme des Polgebietes und des kaudalen Endes der Windungen. temp. inf. TE2) in entsprechender Ausdehnung auf der T3. 3. Regio fusiformis mit den Areae fusiformis (TF) auf der T 4 hippocampotemp. (TH) längs des Sulcus occ. temp. 4. Regio polaris mit der Areae temp, polaris (TG) auf dem Temporalpol und zwei weiteren nicht zum Isocortex zählenden Areae.

1930 führten Horn und v. Economo eine weitere Aufteilung der auf der Dorsalfläche gelegenen Areae TD, TC und TB durch. 1925 unterschied K a k e s h i t a auf der Dorsalfläche 7 Areae. 1. A. polaris ant. . 2. A. polaris post. 3. A. parinsularis. 4. A. paracustica ant. 5. A. paracustica post. 6. A. acustica. 7. A. granulans. Er bildete Karten von 5 Gehirnen ab und wies auf die individuellen Variationen hin.

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ARCHITEKTONISCHE UNTERSUCHUNGEN

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Bailey und v. Bonin haben die Ansicht vertreten, daß man cytoarchitektonisch nur wenige architektonisch differente Abschnitte am Schläfenlappen unterscheiden könne. Sie erkennen nur an einen Isocortex koniosus supratemporalis, Isocortex paraconiocorticalis temporalis, Isocortex eulaminatus temporalis inferior und einen Isocortex juxtaallocorticalis temporalis. Die T l weise dieselbe Struktur auf wie das untere Parietalläppchen und Teile des Stirnhirns. Die Ansicht von Bailey und v. v. Bonin ist bereits in einer früheren Arbeit einer eingehenden Kritik unterzogen worden. Blinkow hat die Brodmannsche Gliederung im wesentlichen übernommen, dessen Felder aber noch weiter unterteilt. Er unterscheidet am Temporallappen zwei Hauptabschnitte. Der vordere stellt die eigentliche Temporalregion dar, der hintere eine temporo-parieto-occipitale Übergangsregion. Die Grenze zwischen beiden liegt auf einer Linie, die vom hinteren Ende der Fossa Sylvii zum vorderen Ende des Stammes der Fissura calcarina verläuft. Der vordere Teil wird in drei Subregionen aufgegliedert: eine obere, die Tl und deren Dorsalfläche umfassend, eine mittlere auf der T2 mit leichtem Übergreifen auf dorsale Teile der T3 sowie eine untere auf der T3 und T4. Auf der Dorsalfläche liegen die Felder und Unterfelder 52, 52a, 52b, 41, 41/42, 42, 22/38, 2.1/38 und 20/38. Die laterale Tl wird von 22 eingenommen, die T2 von 21, die T3 von 20 b, die T4 von 20 tc. 20 1 setzt sich vom Pol in die Fissura rhinalis fort. B r o d m a n n s 37 auf caudalen Abschnitten der Tl—T4 wird unterteilt in 37 a, b, c und d. Der Pol setzt sich zusammen aus 22/38, 21/38, 20/38 und vorderen Teilen von 20 1. 2. M y e l o a r c h i t e k t o n i k Der 1905 veröffentlichten Hirnkarte Campbeils lagen, wie bereits erwähnt, außer cyto- auch myeloarchitektonische Untersuchungen zugrunde, die zu einer Einteilung des Schläfenlappens in 3 Areae führten. 1907 konnte Elliot Smith auf Grund der makroskopischen Betrachtung von frischen Rindenquerschnitten 7 Areae im Bereich der isocorticalen Schläfenlappenrinde unterscheiden: 1. 2. 3. 4. 5.

im Bereich der HeschIschen Windungen, auf der T l ausschl. des Polgebietes — A. temp. sup., auf der T2 A. temp. med., auf der T3 A. temp. inf., eine den Schläfenlappenpol und die T4 gemeinsam einnehmende A. temp. polaris, 6. auf dem caudalen Anteil der T4 die A. paradentata., 7. auf dem caudalen Anteil der T2 und T3 die A. paratemp.

Die Ergebnisse von Elliot Smith können der Myeloarchitektonik zugerechnet werden, da sie auf dem Verhalten der Horizontalstreifen in der Rinde, besonders der Baillargerschen Streifen aufgebaut sind. Auf die D o r s a l f l ä c h e beschränken sich die Arbeiten von Vogt, Beck und K r a h m e r . O. Vogt unterschied 1910 bereits eine größere Anzahl von Feldern auf der Dorsalfläche, im Bereich der Querwindungen allein 4. Eine nähere Beschreibung der Felder wurde damals noch nicht gegeben. Später erhöhte sich die Zahl der Felder auf 20. Im wesentlichen stimmte damit die vorläufige Gliederung von Beck (1925) überein, der 28 Felder abgrenzte, ebenso wie die Studie von K r a h m e r (1926). Die erste detaillierte myeloarchitektonische Gliederung der Dorsalfläche, verbunden mit einer eingehenden Beschreibung der einzelnen Areae und ihrer Belegung durch zahlreiche Mikrophotos geschaffen zu haben, ist das Verdienst Eduard Becks (1930). Er unterschied 7 Subregionen: temporalis supratemp., parainsulans, temp. transv. prima, temp. transv. sec., temp. transv. tertia und temporoparietalis. Diese Subregionen wurden weiter aufgeteilt in 79 Felder und Unterfelder.

ADOLF HOPF

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Journal für Hirnforschung

Verf. gab 1954 eine myelaorchitektonische Gliederung des g e s a m t e n Isocortex temporalis. Es wurden 7 Regionen unterschieden, die sich in 20 Subregionen mit 60 Areae aufgliedern lassen. 1. Die Regio temporopolaris (tp) bedeckt den ganzen isocorticalen Schläfenlappenpol. Sie besitzt eine breite Rinde, die nur einen äußeren B a i l l a r g e r sehen Streifen aufweist und daher als singulostriär bezeichnet wird.

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A b b . 1 —3. Myeloarchitektonische Gliederung des Isocortex temporalis. 1. Dorsalfläche.

2. Lateralfläche.

3. Basalfläche.

B d . 3, H e f t 4 - 6 1957

ARCHITEKTONISCHE

UNTERSUCHUNGEN

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2. Die Regio temporalis separans (tsep) trennt die Polregion von der eigentlichen Querwindungsregion, die sie annähernd in Form eines Halbkreises umgibt. Sie weist zwei Baillargersche Streifen auf und als Charakteristikum noch einen dritten Horizontalstreifen in der Schicht i 1 , einen sogen. K a e s - B e c h t e r e w s c h e n Streifen. 3. Die Regio temporalis parainsularis (tpari) nimmt einen kleinen Streifen ganz medial auf der Dorsalfläche ein. Sie besitzt eine schmale faserarme Rinde mit 2 B a i l 1 a r g e r sehen Streifen und wird daher bistriär genannt. 4. Die Regio temporalis transversa (ttr) bedeckt die beiden Heschischen Querwindungen, die die corticale Hörsphäre darstellen. Sie ist sehr faserreich und weist als besonderes Merkmal einen internodensioren Charakter auf, d. h. der innere B a i l l a r g e r s c h e Streifen ist dichter als der äußere. 5. Lateral an die Querwindungsregion schließt sich die Regio temporalis paratransversa (tpartr) an, die die caudale Hälfte der lateralen T1 und das Planum temp. bzw. falls vorhanden, die 3. Querwindung umschließt. Sie ist unistriär, d. h. der innere B a i l l a r g e r s c h e Streifen hebt sich kaum ab, da die nach der Tiefe folgenden Schichten etwa ebenso dunkel sind wie dieser Streifen. 6. Die Regio temporalis magna (tmag) nimmt die gesamte T2 und TS ein. Sie zeichnet sich durch ihre Easerarmut aus, ist im übrigen unistriär wie die Regio paratransversa. 7. Die Grenze zur Entorhinalis bildet die Regio temporalis limitans (tlim), die auf der T4 (Gyrus fusiformis) liegt. Sie ist faserreicher als die Regio magna, der äußere B a i l l a r g e r s c h e Streifen tritt besonders deutlich hervor. Die weitere Untergliederung der Regionen in Subregionen geht aus den Abb. 1—3 hervor. Zur Eintragung der Herde bei den sensorischen Aphasien wurde dieses Schema verwendet. Die feinere areale Gliederung, auf die manchmal im Text Bezug genommen ist, ist auf den Abb. 4—6 wiedergegeben. Das areale Schema hat sich jedoch für die Eintragung der Herde als weniger günstig erwiesen, da es für pathologische Fälle zu fein und zu wenig übersichtlich ist. Die herdförmigen Zerstörungen sind im allgemeinen für die Feinheit dieses Schemas zu grob. Für den Ungeübten erscheinen die verwendeten Symbole für die architektonischen Einheiten zunächst oft etwas verwirrend. Wenn man sich mit ihnen einmal vertraut gemacht hat, läßt sich damit aber sehr gut arbeiten, da sie den Überblick ungemein erleichtern. Die Verwendung von Zahlen hat sich als unzweckmäßig erwiesen, da verschiedene Autoren für die gleichen Felder ganz verschiedene Ziffern verwendet haben und die Nummern ja nichts aussagen. Die hier verwendeten Symbole weisen dagegen auf die Topographie hin. Das kleine t besagt, daß die architektonische Einheit dem Temporallappen zuzurechnen ist. tp = temporopolaris braucht nicht erklärt zu werden, tsep = temp. separans trennt Pol von Querwindungsregion. tpari = temp. parainsularis liegt neben der Insel, tpartr = temp. paratransversa neben der Querwindungsregion. tlim = temp. limitans bildet auf der T i liegend das isocorticale Grenzfeld gegenüber der allocorticalen Entorhinalis. tmag = temp. magna ist die größte der Temporalregionen auf der T2 und T3. Für die Unterteilung in Subregionen werden die Bezeichnungen d = dorsalis, v = ventralis, 1 = lateralis, m = medialis, o = oralis und c = caudalis gewählt. Daraus läßt sich sofort entnehmen, wo innerhalb der Region die so bezeichnete Subregion liegt. Für die weitere Aufteilung werden dann die Ausdrücke a = anterior, p = posterior, e = externus, i = internus, s = superior und if = inferior verwendet. Zur genaueren Lagebezeichnung, etwa innerhalb der schräg verlaufenden Querwindungen müssen u. U. zwei Bezeichnungen verbunden werden, wie ol = orolateralis. Um den Lesern, die mit den Karten von B r o d m a n n oder von v. E c o n o m o und K o s k i n a s zu arbeiten gewohnt sind, den Uberblick zu erleichtern, seien im

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Abb, 4. Areale Karte der Dorsalfläche des Schläfenlappens.

Abb. 5. Areale Karte der Lateralfläche des Schläfenlappens.

ARCHITEKTONISCHE UNTERSUCHUNGEN

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folgenden die ungefähren 1 ) Entsprechungen mit der verwendeten myeloarchitektonischen Gliederung des Schläfenlappens angegeben. Hopf

Brodmann

tp tsep tpari ttri ttr2 tpartr tmag. tmag. tmag. tmag. tlim

38 vorderes 22 52 etwa 41 etwa 42 hinteres 22 2.1. 20 oberes 37 unteres 37 36

d v cd cv

v. E c o n o m o u. K o s k i n a s ;

TG TA 2 p vorwiegend TC -j- TD vorwiegend T B T A I + Teil von T B TE1 TE2 oberes PH mittleres PH TF + T H

M y e l o a r c h i t e k t o n i k des S t i r n - , S c h e i t e l - u n d H i n t e r h a u p t s l a p p e n s Die Myeloarchitektonik des Stirnhirns wurde erstmals von 0 . V o g t 1910 eingehend beschrieben. S t r a s b u r g e r kam 1937 zu einer Gliederung, die von der V o g t s nur in einigen Punkten abwich. E r gab genauere Beschreibungen und Abbildungen der einzelnen Felder. Eigene Studien des Verf. bestätigten weitgehend die Gliederung von S t r a s b u r g e r . Einzelne von S t r a s b u r g e r s weiteren Unterteilungen Ein genauer Vergleich mit Angabe aller Unstimmigkeiten wurde in einer früheren Arbeit bereits gegeben.

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der V o g t s c h e n Felder erwiesen sich als nicht konstant. Es ergab sich daher die Notwendigkeit einer leichten Modifizierung der S t r a s b u r g e r s c h e n Karte, wie sie auf A b b . 7 wiedergegeben ist und den Studien an den Herdfällen zugrunde gelegt wurde. Eine myeloarchitektonische Gliederung des Scheitellappens schuf 0 . V o g t 1912. In Anlehnung an cytoarchitektonische Untersuchungen von G e r h a r d (1940), die zu einer weiteren Aufgliederung der Vogtschen Felder gelangte, gab B a t s c h 1956 eine entsprechend feinere myeloarchitektonische Gliederung, indem er die V o g t s c h e n Felder ebenfalls weiter aufteilte. Die Karte von B a t s c h ist auf A b b . 8 in einer leicht modifizierten Form wiedergegeben, wie sie sich aus Studien über die Verteilung myeloarchitektonischer Merkmale im Scheit'ellappen durch H o p f und Gräfin V i t z t h u m ergab.

Abb. 7. Myeloarchitektonische Gliederung des. Stirnhirns nach leicht modifiziert.

Abb. 8.

Myeloarchitektonische

Strasburger,

Gliederung der Scheitellappenrinde nach leicht modifiziert.

Batsch.

Bd.

3,

Heft 1957

4 —6

ARCHITEKTONISCHE

UNTERSUCHUNGEN

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Die Myeloarchitektonik des gesamten Hinterhauptslappens ist noch nicht eingehender dargestellt worden. Bei unseren Herdfällen von sensorischer Aphasie haben wir uns meist mit einer Unterteilung in die Brodmannschen Felder 17, 18 und 19 begnügt, von denen Vogt myeloarchitektonische Bilder gegeben hat. Gelegentlich wurde auf die feinere Unterteilung der Area 19 von Lungwitz (1937) Bezug genommen. Die im Text verwendeten Abkürzungen sind nachfolgend alphabetisch zusammengestellt. a, ant. A. Ang Art. asc. bas. Br c Ca ce cer. Cgi Cgm Ci, Caps. int. Cp d F 1 /2 Fase. arc. Fase. long. inf. Fase. unc. Fiss. calc. i if im ip 1 m, med md mti mtl mtm N. Nc o 0 1 occ.

anterior Area Gyrus angularis Arteria ascendens basilaris Area von Brodmann caudalis, e Gyrus centralis anterior Sulcus centralis cerebri Corpus geniculatum laterale Corpus geniculatum mediale Capsula interna Gyrus centralis posterior dorsalis, e Gyrus frontalis primus Sulcus frontalis secundus Fasciculus arcuatus Fasciculus longitudinalis inferior Fasciculus uncinatus Fissura calcarina internus, a inferior intermedius, a interparietalis lateralis, e medialis, e medius, a Area mesocorticalis temporalis interna Area mesocorticalis temporalis lateralis Area mesocorticalis temporalis medialis Nucleus Nucleus caudatus oralis Gyrus occipitalis primus occipitalis

V o g t , H i r n f o r s c h u n g , B d . 3, H e f t 4 - 6

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ADOLF HOPF

292 Opere. P Pal fc Pf Pt Put s, sup. Sm T 1 tl Ttrl ttr 2 v, ventr.

Journal für Hirnforschung

Operculum posterior Pallidum Sulcus psotcentralis profundus posticus . Putamen superior Gyrus supramarginalis Gyrus temporalis primus Sulcus temporalis primus Gyrus temporalis transversus primus Subregio temporalis transversa secunda ventralis, e.

V ergleichende

Anatomie

Physiologische Daten über den menschlichen Schläfenlappen konnten bisher nur sehr spärlich gewonnen werden. Man ist daher genötigt, Hinweise auf dessen Physiologie weitgehend den Tierexperimenten zu entnehmen. Die Grundlage für die Möglichkeit des Übertragens tierexperimenteller Ergebnisse auf den Menschen bildet die genaue Kenntnis der vergleichenden Anatomie, die deshalb in ihren wesentlichen Zügen kurz gestreift sei. Bei der Katze (Abb. 9) 1 ) legen sich um die Fissura Sylvii (79 b), neuerdings und besser Fissura pseudosylvia genannt, 3 Windungsbogen Abb. 9. Gehirn der Katze nach Papez (1929). herum. 1. der Gyrussylv. (78), an dem man einen vorderen (ant., 78b), mittleren (med.) und hinteren (post.) Anteil unterscheiden kann. Begrenzt wird dieser Gyrus vorn vom Sulcus ectosylv. ant. (75b) und hinten vom Sulc. ectosylv. post. (79). Nach oben fehlt eine Grenzfurche. 2. Außen an den Gyrus sylv. schließt sich der Gyrus ectosylv. an, an dem man wiederum 3 Abschnitte, und zwar ant. (38b), med. (68b).und post. (68) unterscheiden kann. Er wird begrenzt vom Sulcus suprasylv. ant. (37), med. (75) und postsylvicus (69). 3. Es folgt dann nach außen der Gyrus suprasylv. (70, 50, 48), der oral mit dem Gyrus coronalis (38) in Verbindung steht. Er wird außen vom Sulcus lateralis (42, 51) begrenzt. ) Sehr instruktive, wenn auch nicht ganz so plastische Abbildungen der vergleichenden Anatomie finden sich bei K a p p e r s (1921; wiedergegeben auch in K l e i s t s Gehirnpathologie) sowie bei K a p p e r s , H u b e r und C r o s b y (1936). 1

Ud-3, Heft 4 - 6

ARCHITEKTONISCHE UNTERSUCHUNGEN

293

Bei den Abbildungen 9—:I 2 bezeichnen die gleichen Zahlen immer homologe Windungen und Furchen. Eine entscheidende Umgestaltung des Windungsreliefs ist beim Bären zu beobachten (Abb. 10). Die erste Bogenwindung (Gyrus sylv.) ist an der Oberfläche nicht mehr zu erkennen, sie ist opercularisiert. Die Fissura Sylvii hat sich verlängert. Der vordere Teil der 2. Bogenwindung (Gyrus ectosylv. ant., 38b) ist im Begriff, sich zum Dach (späteres Operc. front., centr. und pariet.) der Fossa Sylvii umzubilden. Der Gyrus ectosylv. post. (68) bleibt an der Oberfläche. Er verläuft nicht mehr senkrecht, sondern schräg nach vorn abfallend. Man ahnt schon die künftige Konfiguration des Temporallappens.

A b b . 10. Gehirn des Bären nach Papez.

A b b . 11. Gehirn des Lagotrix nach Papez.

Bei den niederen Affen (Abb. 11) zeigt der Schläfenlappen ein enormes Wachstum oralwärts. Der Gyrus ectosylv. post. (68) ist zur T1 geworden, der Sulcus postsylv. zur ¿2-Furche (69). Aus dem Gyrus suprasylv. post, haben sich die T2 (70) und dei Gyrus augularis (50) entwickelt. 74 bezeichnet wie bei den anderen Gehirnen den Temporalpol. Der Gyrus coron., der sich oral an den Gyrus suprasylv. ant. anschloß, bildet jetzt die hintere Zentralwindung (38). Die Gyri sylv. post. (78) und ectosylv. med. (68b) haben sich, verborgen in der Fossa Sylvii zur Dorsalfläche des Schläfenlappens mit den H e s c h i s c h e n Querwindungen umgewandelt. 21 *

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Journal für Hirnforschung

Eine sehr ähnliche Furchenbildung weist das Gehirn eines 7 Monate alten menschlichen Foeten auf (Abb. 12). 64 bezeichnet die noch nicht opercularisierte Insel. Diese vergleichend anatomischen Erkenntnisse, die zunächst nur auf makroskopischen Untersuchungen beruhten, wurden später teilweise durch architektonische Untersuchungen ergänzt. Erst dadurch konnte eine Sicherheit über die einander homologen Areae gewonnen werden. Weitere Forschungen auf dem vergleichend architektonischen Gebiet erscheinen jedoch noch erforderlich. Eine für klinische Bedürfnisse gut brauchbare Übersicht geben die auf den Abbildungen 13 a und b wiedergegebenen Schemata von G a s t a u t . Ergänzend ist noch zu bemerken, daß Teile des Sulcus suprasylv. zur oberen Grenzfurche der Insel (Sulcus circularis Reil) werden.

Abb. 12. Gehirn eines 7 Monate alten menschlichen Foeten nach Papez.

Abb. 13. a) und b) Schemata der Hemisphärenoberflächen eines menschlichen Gehirns und eines Katzengehirns nach Gastant. Zeichenerklärung : Frontalregion Zentralregion Parietalregion Temporalregion

weiß Wellenlinien horizontale Striche vertikale Striche

Occipitalregion Inselregion Sylvische Region

= Kreise = punktiert = radiäre Striche

Die Pfeile bezeichnen : 1. Operculum orbitale 2. „ centrale 3. ,, parietale

4. Operculum temporale (Heschlsche Querwindungen) 5. ,, temporale .

'

Bd 3,

"t?4"6

ARCHITEKTONISCHE UNTERSUCHUNGEN Physiologie

des

295

Schläfenlappens

Schon bevor und nachdem F l e c h s i g auf myelogenetischem Wege den Nachweis der Einmündung der Hörstrahlung in die temporale Querwindung erbracht hatte, galt das Hauptinteresse dem Nachweis eines corticalen „Hörzentrums". Es wurden zahlreiche A b t r a g u n g s v e r s u c h e vorgenommen, zunächst von F e r r i e r (1875), Münk (1881), B e c h t e r e w (1883), S a n g e r B r o w n und S c h ä f e r (1888), L a r i o n o v (1899), K a l i s c h e r (1907—11), R o t h m a n n (1908). Die heftigste Kritik an den ersten Arbeiten wurde von Goltz geübt. Die recht widerspruchsvollen Ergebnisse der einzelnen Autoren sind darauf zurückzuführen, daß der Schläfenlappen oft nur unvollständig entfernt bzw. der anatomische Nachweis seiner vollständigen Ausschaltung versäumt wurde. Eine weitere Fehlerquelle bot die Nichtbeachtung der Tatsache, daß Schallreize auch bei völliger Taubheit nicht selten durch die Vibration wahrgenommen wurden. Auch wurde zwischen der Wahrnehmung von Schallreizen und subcorticalen Reflexen wie etwa dem Aufwachen des Goltzschen Versuchstieres aus dem Schlaf nicht genügend scharf unterschieden. Auch die späteren Abtragungsversuche von W i l e y (1932), W e n d t (1934), P e n n i n g t o n (1935), J a c o b s e n und E i d e r (1936), Lewy und K o b r a k (1936), Ades, M e t t l e r und Culler (1939), L i p m a n n (1941), Girden (1943) u. a. haben unsere Kenntnisse nur in beschränktem Maße bereichert. Die älteren R e i z v e r s u c h e brachten ebenfalls keine wesentlichen Ergebnisse. B e r g e r (1929) hat dann als erster die Wirkung von Schallreizen auf die Hirnstromkurven beobachtet. Entscheidende Aufschlüsse wurden erst durch die Ableitung von A k t i o n s p o t e n t i a l e n erzielt. Davis (1934) konnte eine Verstärkung der Aktionsströme der Area 22 (Gyrus ectosylv. post. = Tl) bei Katzen auf Schallreize feststellen. B r e m e r und Dow (1939) haben durch Aufzeichnung der Aktionspotentiale auf kurze Schallreize die Hörrinde der Katze genauer umgrenzt und auf deren weitgehende Übereinstimmung mit dem Coniocortex hingewiesen. Mit einer ähnlichen Technik grenzten Ades und F e l d e r (1942) die corticale Hörsphäre bei niederen Affen ab. Neben einer primären Hörsphäre gelang W o o l s e y und W a l z l (1942) auch der Nachweis einer sekundären H ö r s p h ä r e , die erst auf stärkere akustische Reize anspricht A b b . 14. Schema der linken Hemiund sich auch in der Cytoarchitektur von der sphäre einer Katze mit Einzeichnung ersteren unterscheidet. Die Anordnung der der primären (AI), sekundären (A2) hohen und tiefen Töne soll in der sekundären und tertiären (A3) Hörsphäre (nach Hörsphäre umgekehrt sein wie in der primären, Bremer, Revue neurol. 87). wie dies übrigens auch von der sekundären sensiblen Rinde bekannt ist (Adrian, Woolsey u.a.). Mit der sekundären akustischen Rinde beschäftigen sich u. a. die Arbeiten von Ades, Adesund B r o o k h a r d t , A r t e t a , B o n n e t und B r e m e r . Schließlich wurde noch eine t e r t i ä r e a k u s t i s c h e Area aufgedeckt, die man mit Mickle und Ades am besten der p o l y s e n s o r i e l l e n Area zuordnet. Studiert wurde diese Area in den Arbeiten von T u n t u r i , B r e m e r , B o n n e t und T e r z u o l o , Mickle und Ades. Abb. 14 gibt Auskunft über die Lage der akustischen Rinde bei der Katze. Die primäre akustische Rinde erstreckt sich über obere Anteile des Gyrus sylv. ant., hinterste Anteile des Gyrus ectosylv. ant. und vor allem über den Gyrus ectosylv. med. Die sekundäre akustische Rinde liegt ventral und caudal der primären. Sie nimmt ein ventrale Teile des Gyrus ectosylv. med. und Teile des Gyrus ectosylv. post. Die

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ADOLF

HOPF

Journal f ü r Hirnforschunfí

tertiäre akustische Rinde liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der sekundären sensiblen Rinde ganz oral auf dem Gyrus ectosylv. ant. an seiner Verbindungsstelle mit dem Gyrus coron. Über die Ausdehnung der corticalen Hörsphäre beim M e n s c h e n sind wir weniger genau orientiert. Unter Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie und der Architektonik dürfte es sich im wesentlichen um die myeloarchitektonische Regio temporalis transversa auf den beiden Querwindungen handeln. Ob beide H e s c h i schen Windungen ganz der primären Hörsphäre zuzurechnen sind oder Teile von ihnen zur sekundären Hörsphäre zählen, ist nicht sicher bekannt. Letzteres ist aber wahrscheinlicher. Auch Teile der Regio temporalis paratransversa gehören vielleicht zur sekundären Hörsphäre. Wir werden darauf später noch einmal zu sprechen kommen. Die Ergebnisse anderer Autoren am menschlichen Gehirn sind besonders deshalb schwer zu verwerten, weil meist nur von d e r H e s e hl sehen Windung die Rede ist und nicht berücksichtigt wird, daß es makroskopisch meist und architektonisch immer zwei Querwindungsformationen gibt. Physiologische Untersuchungen der letzten 15 Jahre haben das lang umstrittene Problem geklärt, wie ein reiner Ton, dessen Hauptcharakteristica seine Höhe und seine Intensität darstellen, und der kein räum6000 liches Element in sich birgt, im Zentralnervensystem analysiert wird. W o o l s e y und W a l z l wiesen 1942 bei der Katze eine Punkt-für-Punkt Lokalisation von der Cochlea zur Rinde nach. Nach den Autoren projiziert die Basis der Cochlea (hohe Töne) zur oralen und die Spitze (tiefe Töne) zur caudalen Hörsphäre. Eine tonotopische Lokalisation beim Äffen ebenso wie bei der Katze fanden L i c k l i d e r und K r y t e r (1942). Tiefe Töne führten zu Aktionsströmen vor allem A b b . 15. Isotonale B ä n d e r in der in anterolateralen und hohe Töne in posterop r i m ä r e n H ö r s p h ä r e nach T u n t u r i . medialen Abschnitten der Area 22. Die Überschneidung der Frequenzen war bei den Affen nicht so ausgedehnt wie bei den Katzen. Über eine tonotopische Lokalisation in der primären Hörrinde beim Schimpansen berichten M c C u l l o c h u . a . (1942), B a i l e y u. a. (.1934), A d e s und F e l d e r (1945). Tiefe Töne waren auch hier oral und hohe Töne caudal lokalisiert. Die genauesten und feinsten Aufschlüsse brachten jedoch die Experimente von T u n t u r i . Um diese verstehen zu können, müssen wir mit der Peripherie beginnen. Im Cortischen Organ erregt ein reiner Ton geringer Intensität einen bestimmten begrenzten Abschnitt der Basilarmembran, und zwar ein hoher Ton an der Basis der Cochlea und ein tiefer Ton an der Spitze. Bei Ansteigen der Intensität des Tones wird ein größerer Abschnitt der Membran erregt, dieser vergrößert sich aber bei jeder gegebenen Frequenz nicht über ein bestimmtes Maß hinaus. Diese tonotopische Organisation bleibt von der Peripherie bis zur primären Hörsphäre bewahrt. Beim H u n d konnte T u n t u r i exakt isotonale Bänder in der primären Hörsphäre nachweisen, von denen Aktionspotentiale bei schwachen Tönen der gegebenen Frequenzen abgeleitet werden konnten ( A b b . 15). Interessant ist, daß in dem Frequenzbereich von 250 bis 8000 Schwingungen pro Sekunde jeder Oktave ein Rindenabschnitt von 2 m m entspricht. Außer dieser räumlichen Repräsentation der Frequenz ergab sich aus den neuesten Untersuchungen von T u n t u r i auch eine solche der Intensität. Mit der Zunahme der Intensität eines reinen Tones vergrößert sich auch der Abschnitt des isotonalen Bandes, von dem sich Aktionspotentiale ableiten lassen. Dies ist aber nur homolateral der Fall, während contralateral schon von einem Schwellenreiz das gesamte isofrequentielle Band iiktiviert wird. Die Bedeutung dieser Ergebnisse, die zeigen, wie die beiden Haupt-

B d . 3, Heft 4 - 6

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eigenschaften reiner Töne, nämlich ihre Höhe und ihre Intensität in räumliche Elemente übertragen werden, kann kaum überschätzt werden. Entsprechend feine Untersuchungen über die tonotopische Organisation beim Menschen sind naturgemäß nicht möglich. Wir haben aber keinen Grund zu der Annahme, daß die Dinge hier anders liegen könnten. Auf Grund einer kritischen Durchsicht der gesamten bis dahin vorliegenden Literatur kam P f e i f e r bereits 1936 in seinem Handbuchartikel zu dem Ergebnis, „daß, wenn eine Lokalisation der Tonskala in der corticalen Hörsphäre des Menschen überhaupt statt hat, diese dann so sein müßte, daß die hohen Töne in medialen und die tiefen Töne in lateralen Abschnitten der corticalen Hörsphäre lokalisiert sind, und sich in der Literatur bis zum heutigen Tage keine Anhaltspunkte dafür finden, daß sich die Sache etwa umgekehrt verhalten könnte". Diese Ansicht hat sich bestätigt. Die zurückhaltende Formulierung P f e i f e r s ist aber heute dahingehend zu ergänzen, daß eine Lokalisation der Tonskala bei allen daraufhin untersuchten Tieren gefunden wurde und nichts dafür spricht, daß es beim Menschen anders ist. Unsere Kenntnisse von dem übrigen Temporallappen sind sehr viel spärlicher als die über die corticale Hörsphäre. Zunächst wäre hier zu erwähnen, daß S p i e g e l 1934 geglaubt hat, eine c o r t i c a l e S p h ä r e des N. v e s t i b u l a r i s im Schläfenlappen nachweisen zu können. Die Versuchsergebnisse sind indessen nicht unwidersprochen geblieben. Untersuchungen von G e r e b t z o f f , der im Tierversuch bei rotatorischen Reizen Änderungen der elektrischen Potentiale im Gyrus suprasylv. post. feststellen konnte, also in einem Gebiet, das beim Menschen der T2 (Area 21 von B r o d m a n n , myeloarchitektonisch Subregio temp. magna dors.) entspricht, wurden als Bestätigung der Ergebnisse von S p i e g e l angesehen. Es steht der Beweis aber noch aus, daß es sich dabei um eine p r i m ä r e Rindenendstätte des N. vestibularis handelt. Verschiedene Gründe, die hier nicht im einzelnen erwähnt werden sollen, sprechen gegen eine solche Deutung. Beim Menschen wurden von P e n f i e l d und R a s m u s s e n subjektive Erscheinungen, die auf den Vestibularis hinweisen sollen, von der Tl, je einmal von der Basis des Temporallappens und vom Parietallappen ausgelöst. Über präzise Projektionen der „Vestibulär areas" des Kleinhirns auf die Großhirnrinde der Katze berichten R u w a l d t und S n i d er. Bei elektrischer Reizung des Flocculus und Nodulus sowie der Uvula und des caudalen Folium der Pyramide erhielten sie Potentiale im Gyr. ectosylv. ant. und med. sowie im Gyr. suprasylv. ant., bei Reizung der Lingula im Gyr. ectosylv. med. und post. Von den A b t r a g u n g s v e r s u c h e n des Temporallappens sind besonders diejenigen von K l ü v e r und B u c y (1938) bekannt geworden, die beim Affen ein Syndrom von psychischer Blindheit und Unbekümmertheit hervorrufen konnten, wobei allerdings zu vermerken ist, daß möglicherweise die occipitale Area 19 mit abgetragen wurde. Störungen v i s u e l l e r Unterscheidungsgewohnheiten wurden dann auch von A d e s und R a a b (1949) sowie von B l u m , Chow und P r i b a m (1949) beschrieben. Beziehungen des Temporalpols zu a u t o n o m e n Funktionen wurden auf Grund von Versuchen von B a i l e y (1943), K a a d a , P r i b a m und E p s t e i n (1949) angenommen. Weitere Befunde haben ergeben, daß der Temporalpol mit der orbitalen Rinde sowie dem Gyr. cinguli in engem Zusammenhang steht und mit diesen ein übergeordnetes Steuerungssystem für autonome Funktionen bildet. Wichtiger als die Ergebnisse einer großen Zahl von Tierversuchen, die für die zur Diskussion stehenden Beziehungen des Schläfenlappens zur Sprache von untergeordneter Bedeutung sind, sind Befunde, die am menschlichen Gehirn erhoben wurden. Wertvolle Aufschlüsse haben die während hirnchirurgischer Eingriffe vor allem bei Epileptikern durchgeführten R e i z v e r s u c h e von P e n f i e l d und seinen Mitarbeitern, besonders R a s m u s s e n ergeben. Die Autoren unterscheiden 2 Gruppen von Reizerfolgen auf den Ablauf der Sprache. 1. VokaliNation. 2. Speech arrest und aphasia.

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:l. Eine V o k a l i z a t i o n , d.h. eine Ausstoßung von Lauten ähnlich einem Schrei eines Säuglings oder dem Initialschrei mancher Epileptiker, jedoch keine Worte, konnten bei Reizung des Fußes der Zentralwindungen (% von Ca, % von Cp) sowie des Fußes der F 7 an der Medialseite b e i d e r Hemisphären erzielt werden. 2. Von den gleichen Stellen in b e i d e n Hemisphären konnte eine Unterbrechung des Sprechens bewirkt werden, die als r o l a n d i c bzw. s u p e r i o r f r o n t a l w o r d a r r e s t bezeichnet werden. Dagegen rief eine Reizung des F^-Fußes (wahrscheinlich Brodmanns Feld 44) der d o m i n a n t e n Hemisphäre einen i n f e r i o r f r o n t a l a p h a s i c a r r e s t hervor. Das Sprechen wurde entweder unterbrochen oder verzögert, mitunter war auch nur das Benennen verzögert oder aufgehoben. Die Patienten sagten nachher „ich konnte nicht d e n k e n " , „ich wußte nicht, was ich erzählt habe" u. ä., während nach der Reizung der w o r d arrest-Zonen berichtet wurde, sie wollten, aber könnten nicht s p r e c h e n . Dieser Unterschied ist sehr wichtig, ebenso die Tatsache, daß ein „aphasic arrest" nur von der dominanten Hemisphäre erzielt , .ulMtON iMESI

Abb. 16. Areas of vocalization and of aphasic interference with speech (nach Penfield und Rasmussen 1952). wurde. Besonders bedeutsam sind diese Ergebnisse im Hinblick auf die Leugnung eines B r o c a s c h e n Zentrums durch moderne Anhänger P i e r r e M a r i e s . Vom unteren Parietalläppchen der dominanten Hemisphäre konnte nur selten und bei hoher Reizschwelle ein p a r i e t a l a p h a s i c a r r e s t in Form eines Verlustes des Benennens erzielt werden, so daß die Vermutung nahe liegt, die Reize könnten sich bei den erfolgreichen Reizungen auf den Temporallappen ausgedehnt haben. Eine weitere Zone wurde im Temporallappen der dominanten Hemisphäre aufgefunden. Die Zone des t e m p o r a l a p h a s i c a r r e s t dehnte sich oral bis 7 cm hinter den Temporalpol aus, ihre übrigen Grenzen waren ziemlich unbestimmt. Die Patienten wurden bei der Reizung „aphasisch", aber nicht wortlos. Sie konnten nicht mehr benennen (Namenamnesien), benutzten auch verkehrte Worte (verbale Paraphasien). Noch eine weitere wichtige Feststellung über den Temporallappen verdanken wir P e n f i e l d und R a s m u s s e n . Sie berichten, daß im Gegensatz zu anderen Rindengebieten, deren Reizung nur angeborene Mechanismen oder Hemmungen zutage fördert, vom Temporallappen aus erworbene neuronale Muster aktiviert werden können. Die Schläfenlappenrinde wird schlechthin als die Gedächtnisrinde, als der Sitz der „memory patterns" angesehen. Es gelang nicht nur akustische Halluzinationen wie Töne, bekannte Musik, bestimmte Geräusche, Stimmen von Angehörigen durch Reizung des Temporallappens zu erzielen, sondern auch ganze Szenen, die

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früher erlebt worden waren, konnten geweckt werden. Optische Halluzinationen waren daran teilweise beteiligt. Es geht allerdings aus den Schilderungen nicht hervor, ob diese komplexen Erinnerungsbilder zunächst auf akustischem Wege geweckt wurden. Bei optischen Halluzinationen mag, auch wenn dies nicht besonders vermerkt ist, der Reizpunkt außerhalb der eigentlichen Temporalregion in dem occipitalen Feld 19 von Brodmann gelegen haben. In einem Fall bewirkte die Reizung des Feldes 19 Sternensehen, dann s a h Patientin etwas auf sich zukommen. Bei Reizung eines weiter oral auf der T 1 gelegenen Punktes h ö r t e sie eine Menge Leute schreien u. ä., dann tauchte ein Schreckerlebnis aus der Kindheit auf. Diese Reizeffekte konnten jedoch nur bei einigen Patienten erzielt werden, die an cerebralen Anfällen litten und bei denen solche Erlebnisse als Aura oder während Dämmerattacken auftraten. Allgemeingültige Schlußfolgerungen wird man daher kaum oder nur mit großer Vorsicht ziehen dürfen.

A b b . 17. Schema der cortico-corticalen Verbindungen, des Schläfenlappens auf Grund der Strychnin-Neuronographie. Nach McCulloch, entnommen aus Dell (1952).

Bei operativer E n t f e r n u n g des frontalen und temporalen Sprachfeldes der dominanten Hemisphäre trat eine Aphasie auf. Eine Excision vor, hinter und über der Brocaschen Region war für die Sprache bedeutungslos. Insbesondere rief auch die Entfernung der unteren Ca der dominanten Hemisphäre keine Sprachstörungen hervor. Diese Befunde mit den Lehren P i e r r e M a r i e s in Einklang zu bringen, dürfte den wenigen, die dieser Lehre noch huldigen, schwer fallen. Die T e m p o r a l l a p p e n e p i l e p s i e , deren Studium zunächst reichliche Aufschlüsse über die Funktion des Schläfenlappens versprach, hat diese Erwartung nicht ganz erfüllt. Es zeigte sich nämlich, daß die von den Temporalpunkten abgeleiteten Entladungen zum großen Teil nicht primär von der Temporalrinde ausgingen, sondern von subcorticalen Herden provoziert wurden. Man denke etwa an die Untersuchungen von Gas t a u t und seinen Mitarbeitern, die nach histologisch verifizierten Läsionen (Injektionen von Aluminiumhydroxyd) des N. amygdalae, Subthalamus, Thalamus (Substantia reticularis), Septum und auch des Hippocampus temporale Entladungen registrieren konnten. Auf diese Weise wurden durch die Studien der

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Temporallappenepilepsie wenigstens eine Reihe bis dahin unbekannter Verbindungen des Schläfenlappens mit subcorticalen Strukturen aufgedeckt. Auch viele Ausschaltungsexperimente wurden in diesem Zusammenhang vorgenommen. Die zahlreichen, dadurch nachgewiesenen Faserverbindungen können hier nicht referiert werden. Wichtig ist, daß das „temporale Assoziationsgebiet" — im Gegensatz zu der Annahme F l e c h s i g s — über, wenn auch nicht sehr reichliche Verbindungen zum Thalamus sowie anderen Strukturen des Zwischen- und Mittelhirns verfügt. Besonders bemerkenswert sind Faserverbindungen zur Gitterschicht des Pulvinar. Der genaue Ursprung des Türckschen Bündels ist immer noch strittig. Über den Verlauf der Hörstrahlung sind wir durch die myelogenetischen Untersuchungen von F l e c h s i g und P f e i f e r gut orientiert. Spätere Untersuchungen haben gezeigt, daß mediale Anteile des Corp. genic. med. sich auf innere (hintere) und laterale Anteile auf äußere (vordere) Abschnitte der Heschischen Windungen projizieren. Über die cortico-corticalen Verbindungen haben die Untersuchungen des Arbeitskreises von B a i l e y , v. B o n i n und McCu 11 och mittels der Strychnin-Neuronographie unsere Kenntnisse erheblich erweitert. Ein Schema von McCulloch (Abb. 17) gibt Auskunft über die dabei aufgedeckten Verbindungen des Schläfenlappens, die an dieser Stelle nicht einzeln erörtert werden sollen.

Vollständige und fast vollständige Sprachtaubheiten Fall 1; B e r g e r , geb. 1867. Nervenklinik Frankfurt 29. 6. 27 bis 8. 3. 30. V o r g e s c h i c h t e (nach Angaben der Angehörigen) : Früher angeblich ohrleidend, sonst gesund. Vor 20 Jahren Schlaganfall, rechte Seite sei gelähmt gewesen, die Lähmung habe sich aber etwas zurückgebildet. Vor 9 Jahren Arthritis des re. Kniegelenkes. Am 10. 2. 27 bewußtlos auf der Toilette aufgefunden worden, habe die Sprache völlig verloren gehabt. Am selben Tage erfolgte Aufnahme in die Med. Klinik. Dort wurde folgender Befund erhoben : Herz etwas nach links dilatiert, Töne leise und rein, 2. AT. lauter als 2. PT., Aktion regelmäßig, R R 120/65, Puls weich. Faßförmiger Thorax, Lungen: untere Grenze in Höhe des i l . BWD. hypersonorer Klopfschall. Leib o. B. Neurologisch: Pupillen rund und gleichweit, reagieren auf Licht, Déviation conjuguée nach links, schlaffe Lähmung des re. Armes und Beines, Eigenreflexe ohne Seitendifferenz, Babinski re. positiv, sensorische und motorische Aphasie. Liquor o. B. WaR in Blut und Liquor negativ. Ohrenärztlicher Befund : doppelseitige Otitis media. Wegen einer vorwiegend nächtlichen Unruhe wurde die Pat. am 29. 6. 27 in die Nervenklinik verlegt. N e u r o l o g i s c h e r B e f u n d bei der Aufnahme: Augen frei beweglich, Pupillen o. B., deutliche Parese des re. Mundfacialis, Zunge weicht nach rechts ab, komplette spastische Hemiplegie re. mit Beugekontraktur des Armes und Streckkontraktur des Beines. Atrophie derre. Oberschenkelbeugemuskulatur, B D R r e . = 0, Babinski re. = + . H i r n p a t h o l o g i s c h e r B e f u n d : Außer Zunge zeigen werden keine Aufforderungen befolgt, es werden nur amorphe Laute produziert. Beim Vorsprechen von Vokalen versucht Pat. (anscheinend ohne Erfolg) nachzusprechen, dabei erfaßt sie offenbar optisch, was von ihr verlangt wird. Armheben links wird nach Vormachen ausgeführt und dann perseveriert. Winken, Drohen und andere Bewegungen werden nicht nachgemacht, Pat. greift dabei an die Hand des Untersuchers. Gesichtsbewegungen werden ausgeführt. Vorgehaltene Gegenstände faßt die Pat. an, spielt daran herum, verwendet sie nicht sinnvoll. Uhr und Schlüssel scheint sie jedoch erkannt zu haben. Der linke Arm zeigt eine Pseudokatalepsie. Während der Untersuchung ist ab und zu Zwangsweinen zu beobachten.

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V e r l a u f : 30. 6. 27. Hirnpathologische Untersuchung durch Prof. Kleist. Pat. ist weinerlich und zeigt bei passiven Bewegungen eine starke Abwehr, hat anscheinend Schmerzen. Die Mimik ist sehr ausdrucksvoll, fast übertrieben. Pat. ist sehr unaufmerksam. Sprachliche Aufforderungen werden nicht befolgt. Beim Vorhalten von Gegenständen kann sie diese nicht benennen, sie stößt nur einen langgezogenen „i"Laut aus. Pat. spricht auch nicht nach, nachdem ihr die Namen der Gegenstände vorgesprochen werden. Nachsprechen: a = ,,ie", e = „e" aber etwas verwaschen, i = „i", o = ,,oe", noch einmal o = ,,o . . . de . . . de . . . di", m = ,,m" + einige Grunzlaute, sch = vergebliche Bemühungen „dodidi", f = ,,oi", r = ,,i—i—i". Das Verständnis für die Aufgabe scheint gut zu sein. Zum Zeigen von Körperteilen ist sie trotz Einübung nicht zu bringen. Beim Vorlegen der verschiedenen Gegenstände auf den Tisch verfällt Pat. in anscheinend wahllose iterative Zeigebewegungen. Auch sonst zeigt die linke Hand eine starke Unruhe, jedoch nichts choreiformes oder parakinetisches. Schreiben: Pat. produziert nur Gekritzel, das keine Buchstabenform erkennen läßt. 28. 7. 27. Sprachverständnis aufgehoben, es werden nur dysarthrische Laute produziert, Verständnis für Gesten sehr gut,-ausgesprochenes Zwangsweinen. 25. 11. 27. Pat. ist immer ruhig. Lächelt, wenn sie angesprochen wird. Kann außer „ja" nichts artikulatorisch richtiges oder verständliches äußern. Stammelt leise vor sich hin, iteriert, macht dazu einförmige Bewegungen mit der linken Hand und eine bedauernde Geste. Sobald die rechte Hand, die sie immer unter der Bettdecke verborgen hält, berührt wird, wehrt sie ab, gestikuliert dabei mit der linken Hand. Mit einem Schlüssel wird ihr die Bewegung des Schließens vorgemacht, Pat. hält anschließend den Schlüsselbund hilflos in der Hand und gibt ihn wieder zurück. Sprachlichen Aufforderungen bringt sie nicht das geringste Verständnis entgegen. In einem Bilderbuch deutet sie wahllos herum. Wenn ihr dieses verkehrt in die Hand gegeben wird, dreht sie es nicht herum. Eine ihr verkehrt gegebene Blume wird aber prompt herumgedreht, ihre Miene ist dabei belebt. Sie weiß, auch nach Vormachen, mit einem Kamm nichts anzufangen. Eine beschriftete Tafel, die ihr verkehrt in die Hand gegeben wird, schaut sie verständnislos an. Als die Tafel dann gedreht wird, hellt sich ihre Miene auf, bei Wiederholung des Versuches dreht sie die Tafel sofort um. 23. :l. 28. Es wird der Pat. das Lied „Fuchs du hast die Gans gestohlen" vorgesungen. Sie singt nicht mit. Ihrer Miene war anscheinend aber zu entnehmen, daß sie verstanden hat, daß es sich um ein Lied handelt. Nachsprechen in jeder Form ist aufgehoben. Pat. läßt sich nicht anregen, eine Zahlenreihe zu sprechen oder stumm an ihren Fingern zu zählen. Erst nachdem ihr die Finger der vorher passiv geschlossenen Hand der Reihe nach gestreckt werden, macht sie diese Bewegung an den Fingern :l—4 nach, dann nicht mehr. Der rechte Arm ist offenbar sehr schmerzempfindlich. Schon bei dem Versuch einer Annäherung an diesen, wehrt die Pat. ab (Thalamus?). Bei der Praxieprüfung wird lediglich das Ausblasen eines Streichholzes richtig ausgeführt. Zahlreiche Perseverationen und Iterationen. 20. 7. 28. Bringt nur einen langgezogenen „i"-Laut heraus, wenn man sie zum Sprechen auffordert. Als sich der Arzt mit einer Spritze nähert, wehrt sie ängstlich ab und sagt „oh". Sie hat anscheinend Verständnis für die Vorgänge in der Umgebung, begrüßt den Arzt, lacht bei passender Gelegenheit. 21. 7. 28. Äußert mehrmals spontan „Ach Gott ne", kommt keiner sprachlichen Aufforderung nach, optisches Erkennen ungestört. Als der Arzt, der auf dem Bettrand saß, aufstand, ordnet sie sofort wieder ihr Bett. Der Arzt bringt es daraufhin wieder in Unordnung. Pat. ordnet das Bett anschließend wieder und droht dem Arzt durchaus eupraktisch, lacht dazu. 31. 5. 29. Vorstellung der Pat. in der Vorlesung durch Prof. Kleist. Begrüßt Prof. K. mit sehr freundlicher Miene. Bringt nur undeutliche gequetschte Laute heraus, die sie mimisch unterstreicht. Mit einem lebhaften Mienenspiel versucht sie

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auszudrücken, daß sie sich sprachlich nicht äußern kann. (Wie heißen Sie?) „i—i—h—h", (Margarete?) „i—i—i", neigt bejahend den Kopf. (Sagen Sie a) „ah", etwas rauh, (Anna) ,,ah . . . m—m—m", (a) ,,ä—ä—h—h" mit großer Anstrengung, (o) + langgezogen. Nachdem ihr die Mundstellung gezeigt wird, spricht sie ein o als „u" nach, dann ein u als ,,o", schließlich das u richtig, bei m macht sie die Lippenstellung richtig nach, bringt aber den Laut nicht heraus. Beim Vorsprechen von lalalala macht sie lediglich die Bewegungen der Lippen des Untersuchers nach. Infolge einer Gesichtsapraxie gelingt es ihr nicht, ein Streichholz auszublasen. In der Folgezeit keine Änderung des Verhaltens. Aus den Pflegeberichten ist zu entnehmen, daß die Pat. sich meist ruhig und zufrieden verhält. Nur nachts wühlt sie gelegentlich in ihrem Bett herum. Im Dezember 1929 läßt Pat. dann oft unter sich, nimmt an Gewicht ab. Es wird die Diagnose eines Rectumcarcinoms gestellt. 8. 3. 30. Exitus.

Z u s a m m e n f a s s u n g u n d B e u r t e i l u n g der k l i n i s c h e n B e f u n d e Eine Patientin, die außer einer Mittelohrentzündung und einer Erkrankung des rechten Kniegelenkes eine unauffällige Vorgeschichte hat, erleidet im Alter von 40 Jahren einen Schlaganfall mit einer Halbseitenlähmung rechts, die sich wieder etwas zurückbildet. Mit 60 Jahren tritt ein zweiter apoplektischer Insult mit Bewußtlosigkeit auf, der zu einer kompletten rechtsseitigen Hemiplegie führt, die über drei Jahre hin bis zum Tode im Alter von 63 Jahren stationär bleibt. Das Auftreten des ersten Schlaganfalles mit einer Halbseitenlähmung ohne Neigung zu wesentlicher Rückbildung bereits im 40. Lebensjahr läßt in Verbindung mit der klinisch festgestellten Linksverbreiterung des Herzens bei fehlendem Bluthochdruck und negativer W a R schon mit Wahrscheinlichkeit die Diagnose einer Gehirnembolie auf dem Boden einer Endocarditis stellen. Bei dem zweiten Insult kam es zu einer Reihe hirnpathologischer Störungen. Das S p r a c h v e r s t ä n d n i s war völlig aufgehoben. Weder Laute noch Worte oder Sätze wurden aufgefaßt. Es lag somit eine Laut-, Wort- und Satz-Taubheit vor. Ob die vereinzelt nachgesprochenen Laute und das einmalig beobachtete bejahende Nicken mit dem Kopf bei Nennung ihres Vornamens als Laut- oder Wortverständnis aufgefaßt werden kann, erscheint zweifelhaft. Pat. könnte dabei auch die Mundbewegung des Untersuchers beobachtet und neben vielen Fehlleistungen manchmal richtig nachgeahmt haben. Es bestand eine fast völlige S t u m m h e i t . Lediglich im Affekt konnte die Pat. „Ach Gott ne" und „oh" äußern. Einzelne Vokale und einmal auch ein Konsonant wurden nachgesprochen, eine Dysarthrie war dabei deutlich. Zum Reihensprechen ließ sich die Pat. nicht anregen. Auf sprachlichem Gebiet bestand somit eine sogenannte T o t a l a p h a s i e , d. h. eine kombinierte motorische und sensorische Aphasie. Die im Affekt vorgebrachten stereotypen Laute und Wortreste sind mit dem klinischen Begriff der Totalaphasie vereinbar, da sie fast in allen solchen Fällen vorhanden sind. Wesentlich ist der völlige Verlust des willkürlichen Verfügens über die Sprache als Werkzeug der Mitteilung (Verlust von „propositional speech" im Gegensatz zu „emotional speech", J a c k s o n ) .

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Die bei der P a t . vorliegende A g r a p h i e zeigte deutliche ideokinetische Züge (Apraxie im F ü h r e n des Schreibwerkzeuges), P a t . hielt den Bleistift schon ungeschickt in der H a n d und brachte nicht einen Buchstaben zustande. Bei den auch sonst nachweisbaren Erscheinungen einer ideokinetischen Apraxie ist schwer zu entscheiden, wieweit die Aphasie an der Schreibstörung noch mitbeteiligt ist. Zweifellos wäre das Schreiben auch bei Fehlen einer Apraxie nicht i n t a k t gewesen. Auf dem Gebiete des Sprechens und Handelns wurden I t e r a t i o n e n und P e r s e v e r a t i o n e n beobachtet. An weiteren hirnpathologischen Erscheinungen sind vor allem erwähnenswert eine sensible Überempfmd-

A b b . 18. Fall Berger. Lateralansicht der linken Hemisphäre.

lichkeit im rechten Arm, die schon klinisch an eine Thalamusbeteiligung denken ließ, allgemein gesteigerte affektive Ausdrucksbewegungen u n d ein Zwangsweinen. Diese Symptome sollen aber, ebenso wie die apraktischen Erscheinungen im R a h m e n dieser Arbeit nicht weiter analysiert werden. B e f u n d d e r K ö r p e r s e k t i o n : Kruppöse Pneumonie im rechten Unterlappen, alte endocarditische Veränderungen an der Aortenklappe (Endocarditis verrucosa), Dilatation und Hypertrophie des linken Vorhofs und Ventrikels, Stauung und zentrale fettige Degeneration der Leber, Stauungsmilz, Pyonephrose rechts, Thrombophlebitis der re. Vena renalis, Thrombose der Vena cava inf., der re. Vena hypogastrica, femoralis und saphena, Rectumcarcinom, Blasencarcinom, jauchig eitrige Cystitis. G e h i r n s e k t i o n : Rechte Hemisphäre mäßig atrophisch, äußerlich sonst intakt. Linke Hemisphäre zeigt einen großen Defekt, der aus Abb. 18 gut zu ersehen ist. Der Herd betrifft die pars basilaris und asc. der opercularen F-3 sowie die untersten Partien der vorderen Zentralwindung. Es ist durch die Zerstörung eine Höhle entstanden. Von der vorderen Zentralwindung sowie von der opercularen F3 sind noch kleine Reste zu erkennen. Der Herd geht dann in die Tiefe der Sylvischen Furche, erstreckt sich hier nach hinten bis zum Beginn des Occipitallappens, greift an zwei

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Stellen auf das untere Parietalläppchen, allerdings nur wenig, über. Im Schläfenlappen ist die T1 völlig zerstört, nur vom Pol steht etwa noch I cm. Auch die T2 scheint völlig erweicht zu sein. Die Rinde der T3 ist, soweit zu beurteilen, nicht wesentlich betroffen. Von der vorderen Zentralwindung greift der Herd noch etwas auf die F2 über. Im Gyr. supramarg. findet sich an der Basis und an dem kaudalen Ende ein kleinerer Defekt. Einen ebensolchen kleinen Defekt sieht man im oberen Parietalläppchen. Schließlich ist ein kleiner Defekt noch in 02 zu erkennen. Um ein anschauliches Bild von der Ausdehnung der Herde zu vermitteln, seien von der untersuchten kompletten Markscheidenserie einige ausgesuchte Frontalschnitte beschrieben, wobei bereits auf die Beziehung der Herde zu architektonischen Felder hingewiesen wird. Anschließend folgt dann eine Darstellung der Herde nach topographischen Gesichtspunkten und ihre Wiedergabe auf einem architektonischen Abb. 19. (II, 629 Ii.). Hirnschema. Abb. 19. Der Schnitt liegt in Höhe der pars asc. ( E b e r s t a l l e r ) der opercularen F3 und der Spitze des Temporalpols. Die Hemisphäre ist hochgradig atrophisch, der Seitenventrikel zeigt eine leichte Erweiterung. Ein großer cystischer Erweichungsherd, der in der Tiefe bis an das Putamen heranreicht, unterminiert die orbitale und operculare F3 sowie den ventralen Windungszug der F2. Außer dem tiefen gemeinsamen Mark ist aber auch das Eigenmark der F 3 bis auf einige U-Fasern am dorsalen Windungsabhang zerstört. Die Rinde der F-3 (Areae 57 u. 58) zeigt eine kleine Erweichung auf der dorsalen Windungskuppe (zusätzlich noch eine artitnielle Beschädigung der Hirnrinde). Der ventrale Abhang der Windungen ist völlig zerstört. Die noch erhaltenen Rindenreste der F 3 (Brocasche Region) sind stark aufgehellt und funktionell sicher ohne Bedeutung, zumal auch ihre Projektions- und BalkenA b b . 20. (III, 210 Ii.). fasern unterbrochen sind. Von der Orbitalrinde sind nur mediale Anteile mit ihrem Eigenmark unbeschädigt. N. caudatus (Nc), Putamen [Put) und vorderer Schenkel der Caps, interna (Ci) sind verkleinert und stark aufgehellt. Abb. 20. Der Schnitt verläuft durch das obere Drittel der vorderen Zentralwindung (Ca), das mittlere Drittel der hinteren Zentralwindung (Cp) und das eben beginnende untere Scheitelläppchen. In dem Feld 42 1 ), das durch seine breite, faserArea 4 von Brodmann, F A y von Economo u. Koskinas.

305 reiche und astriäre 1 ) Rinde gekennzeichnet ist, sieht man kleine unvollständige Rindenerweichungen. Die Rinde und das Eigenmark der Cp sind weitgehend intakt. Vom unteren Parietalläppchen ist nur ein kleiner, der Cp benachbarter Rest von Rinde und Eigenmark des Feldes 88 erkennbar. Die Erweichungscyste reicht dorsal bis zur Höhe der Zentralfurche, das benachbarte Eigenmark der Ca ist aber noch etwas aufgehellt. Medial ist die Cyste nur durch eine 2 mm breite Gewebsbrücke von dem deutlich erweiterten Ventrikel getrennt. Sie reicht bis an das stark atrophische Put heran. Ca, Cp und Par inj. sind ihrer Projektionsfasern beraubt, die Ci ist völlig degeneriert. Die Balkenfasern der Cp und des Par. inj. sind unterbrochen. Vom Schläfenlappen sind die T 1 mit ihren auf der Dorsalfläche liegenden Heschlschen Querwindungen (corticale Hörsphäre), die T2 und der dorsale Abhang der T-i in Rinde, Eigenmark und tiefem Mark zerstört. Betroffen sind die architektonischen Formationen t t r l , t t r 2 , t p a r t r und t m a g . d. Das Eigenmark der T3 ist etwas aufgehellt. In der Tiefe ist der Isthmus temporalis völlig in der Erweichung aufgegangen, so da(3 der Temporallappen hier aller seiner Verbindungen beraubt ist. Der Thalamus ist hochgradig degeneriert. Das eben beginnende Corp. genic. med. ist völlig atropisch. Die von dort ausgehende degenerierte Hörstrahlung in Richtung Schläfenlappen ist gut erkennbar. Das Corp. gen. lat. ist etwas besser erhalten, wenn auch deutlich verkleinert und faserarm. In der Brücke sind die Pyramidenfasern degeneriert. Abb. 21. Der Schnitt liegt unmittelbar hinter dem Splenium corp. call. Die Erweichungscyste ist etwas kleiner. Auf der Windungskuppe des Gyr. supramarg. (Area 89 p) findet sich ein kleiner Rindenherd, der durch einen erweichten Degenerationsstreifen mit dem Markherd in Verbindung steht. Teile A b b . 2 1 . (VI, 100 Ii.). des Eigenmarkes des Gyr. supramarg. und das tiefe Mark sind bis an das Hinterhorn des Seitenventrikels heran zerstört. Damit sind auch die Strata sagittalia unterbrochen. Die T 1 dürfte hier bereits zu Ende sein. Die oberste Windung des Schläfenlappens, die völlig zerstört ist, dürfte ursprünglich die T 2 mit der Subregio t m a g . cd gebildet haben. Nachdem durch die Beschreibung einiger ausgewählter Schnitte ein grober Überblick über die Ausdehnung des Hauptherdes gegeben ist, sei eine Darstellung aller Herdveränderungen nach topographischen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der Rindenarchitektonik angeschlossen. Die für die Sprachstörungen nicht bedeutsamen Veränderungen der Stammganglien werden nur in Kurzform wiedergegeben, da ihre eingehende Beschreibung an anderer Stelle geplant ist. Die Herde sind auf einem architektonischen Schema der Hirnrinde eingetragen. ( A b b . 2 2 ) . Das Schema bietet ein wesentlich anderes Bild als das Originalphoto des Gehirns. Bei Betrachtung der Gehirnaufnahme ist zu berücksichtigen, daß die linke Hemisphäre infolge der ausgedehnten cystischen Erweichung des Operculum frontale, centrale und parietale sowie der beiden ersten Schläfenwindungen stark zusammengesunken ist. Die oberste der erkennbaren Schläfen Windungen ist die dritte. Das Schema gibt dagegen das Ausmaß der tatsächlich zerstörten Rindenfelder wieder. ') B a i l l a r g e r s c h e Streifen treten nicht deutlich hervor.

a) Dorsalfläche des linken Schläfenlappens.

A b b . 22. a) und b) Fall Berger. Architektonisches Herdschema. Zeichenerklärung: |

= Rindenherd

: = Herd im Eigenmark

111 = Herd im tiefen Mark

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Stirnhirn L i n k s : Der Hauptherd beginnt bereits in der Mitte des ersten Blockes (Schnitt 1/300). Er ist zunächst klein, liegt im tiefen Mark, dehnt sich aber bald erheblich aus und zerstört dann auch das Eigenmark der F 3 . Der Herdbeginn betrifft das Mark unterhalb des Feldes 53 und liegt somit oral von der pars triangularis der F 3. Caudalwärts sind das Eigenmark und das tiefe Mark der F 3 völlig zerstört (vgl. Abb. 19). Die Brocasche Region ist ihrer sämtlichen Verbindungen beraubt. Das Eigenmark der lateralen Orbitalwindungen ist ebenfalls in der cystischen Erweichung aufgegangen. Der untere Windungszug der hinteren F2 (55 b) ist streckenweise im tiefen Mark unterminiert. In mittlerer Höhe der pars asc. der opercularen F3 greift der Herd auf die Rinde über (Abb. :I9), caudalwärts dehnt sich der Herd in der Rinde weiter aus, er zerstört die caudale Hälfte der pars basilaris der opercularen F3 und einen kleinen Teil des F'2-Fußes. Die Rindenfelder sind wie folgt beteiligt: 55b in caudaler Hälfte zerstört, 56 zum größten Teil vernichtet, 57 und 59 zeigen nur kleine Rindenherde. Die Felder 53, 55, 56, 57, 58 und 59 sowie die Felder des lateralen Orbitalhirns 60—66 weisen aber teilweise sogar erhebliche Aufhellungen ihrer Rinde infolge von Faserausfällen auf. Funktionell können alle aufgehellten Rindenfelder der caudalen Hälfte der F3, also eines über die Brocasche Region noch hinausgehenden Gebietes als ausgeschaltet betrachtet werden, da sie ihrer Balken-, Projektions- und Assoziationsfasern mit Ausnahme einiger intracorticaler und U-Fasern zur F'2 verlustig gegangen sind. Einige winzige vollständige und unvollständige Erweichungen sieht man noch an anderen Rindenstellen, und zwar ganz vorzugsweise in der unteren F l und oberen F2, also der Grenze der Versorgungsgebiete der Art. cer. med. und Art. cer. ant. R e c h t s : Kleine vollständige und unvollständige Rindenerweichungen bis zu einer maximalen Ausdehnung von 5 mm finden sich besonders auf der Kuppe von F 2 . Meist sind die Herde nur stecknadelkopfgroß. Auf Block II, der die hintere Hälfte des Stirnhirns umfaßt, sieht man ganz vorzugsweise in den Furchen f3 und f'2 kleinfleckige Hyper- und Demyelinisierungen mit stellenweise geringer Einziehung (beginnende granuläre Atrophie). Zentralwindungen und innere Kapsel L i n k s : Der Hauptherd setzt sich vom Fuß der F 3 auf die Zentral Windungen fort. Das Operculum der vorderen und hinteren Zentralwindung ist in Rinde und Eigenmark völlig zerstört. Es handelt sich um die Felder 41, 68, 73 und 74. An der Lateralfläche ist das untere Drittel der Ca (Feld 38) mit Ausnahme des Abhanges nach der Cp zu in Rinde und Eigenmark erweicht. Daneben finden sich noch kleine Rindenherdchen in den oberen zwei Dritteln der Ca, im unteren Anteil der Cp und an ihrem hinteren Abhang. Im übrigen bestehen verschieden starke Faserausfälle der Rinde in Umgebung des cystischen Herdes im tiefen Mark, der das untere Drittel, stellenweise sogar die untere Hälfte der Zentralwindungen unterminiert. Die Balkenfasern der unteren Hälfte beider Zentralwindungen sind unterbrochen. Der Balken selbst zeigt beiderseits eine Verschmächtigung. Links ist diese zwar etwas deutlicher, aber im Verhältnis zur Größe des Herdes doch wenig ausgeprägt. Die Fasern der Zentralwindungen zur inneren Kapsel sind durch den Herd im Mark völlig unterbrochen. Die Ci ist nahezu völlig degeneriert. R e c h t s : Einzelne Rindenherdchen, meist nur von Stecknadelkopfgröße, finden sich an verschiedenen Stellen. In der Mitte der Zentralfurche und am inneren Rand des Operc. postcentrale (68) sieht man ganz feinfleckige De- und Hypermyelinisierungen. Schläfenlappen L i n k s : Der Haupterweichungsherd greift wenige Millimeter hinter der Spitze des Temporalpoles auf diesen über, zerstört dessen Lateralfläche und die äußeren Teile der Dorsalfläche in Rinde und Mark. Caudalwärts ist dann von der ersten V o g t , Hirnforschung, Bd. 3, H e f t 4 - 6

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Schläfenwindung mit den Querwindungen auf der Dorsalfläche und von der T 2 überhaupt nichts zu sehen. Infolge dieser ausgedehnten Erweichungen um die Fossa Sylvii herum liegt das untere Parietalläppchen der T 3 unmittelbar auf (vgl. Abb. 18 mit 22b). Die T'özeigt nur in vorderen Anteilen eine Erweichung in Rinde und Mark. Caudalwärts verschmälert sich der Herd und setzt sich noch etwas in den Occipitallappen fort. Vernichtet sind in Rinde, Eigenmark und tiefen Mark die Regiones ttr (beide HeschIschen Windungen umfassend), tsep, tpartr, tpari, die Subregiones tmag. d mit Ausnahme ihrer posterioren Area, tmag. cd auf der T2, große Anteile der Subregio tp. 1, kleine Anteile von tp. v und tmag. v. as. Eine kleine keilförmige Rindenerweichung liegt auf der 7'^-Kuppe in tmag. cv. Erhalten sind von der isocorticalen Schläfenlappenrinde also nur ventrale und dorsomediale Anteile des Poles, ein großer Anteil der T3 mit tmag. v., tmag. d. p und tmag. cv sowie die T4 mit der Regio tlim. Außerdem sind die allocorticalen Anteile im Bereich des Uncus und der T5 verschont. Der Schläfenlappen ist aber weitgehend isoliert, da der Isthmus temporalis durch die Erweichung zerstört ist. Die Hörstrahlung ist unterbrochen. Die Strata sag. sind fast völlig zerstört. R e c h t s : Man sieht nur vereinzelte, häufig unvollständige Rindenerweichungen von durchschnittlich etwa 1 mm Größe. Insel Links: Völlige Vernichtung der gesamten Inselrinde, der Caps, extr., ext. und des Claustrum. R e c h t s : Ein 1 cm langes Rindenband der dorsalen Insula anterior in unmittelbarer Nachbarschaft des Sulc. circularis ist erweicht. Scheitellappen. Links: Der Hauptherd setzt sich von den Zentralwindungen auf die Rinde des Operc. par. und das Mark des unteren Scheitelläppchens fort. Am ausgedehntesten zerstört ist das tiefe Mark, etwas geringer das Eigenmark und die Rinde nur im Opercularbereich. Feld 88 zeigt in seiner ventralen Hälfte eine Zerstörung der Rinde. Aber auch sein dorsaler Anteil ist funktionell ohne Bedeutung, da tiefes und Eigenmark bis auf einige U-Fasern zur Cp erweicht sind. Feld 89 ist nur teilweise im Eigen- und tiefen Mark zerstört. Die Rinde weist außer der völligen Erweichung im Operculum auch zwei kleinere Herde in Nachbarschaft der Interparietalfurche auf. Feld 90 ist in der Rinde nur in seinem dem Temporallappen benachbarten Anteil erweicht. In demselben Bereich und im vorderen Anteil des Feldes sind Eigen- und tiefes Mark weitgehend zerstört. Im ganzen ist Feld 90 weniger betroffen als 89. Das mittlere Scheitelläppchen (Subregio parietalis intermedia B a t s c h , Felder 86 u. 87) ist teilweise in Rinde und Eigenmark zerstört. Im oberen Parietalläppchen (85) sieht man nur kleine unbedeutende Rindenherde. R e c h t s : Es sind nur wenige sehr kleine und meist unvollständige Rindenerweichungen auffindbar. Hinterhauptslappen Links: Der Hauptherd setzt sich nur ein kleines Stück in Rinde, Eigen- und tiefem Mark des lateralen Feldes 19 von Brodmann fort. Er verschmälert sich dabei erheblich und findet bald ein Ende. R e c h t s : Vereinzelt stecknadelkopfgroße Rindenherdchen. Lange Assoziationssysteme Links: Fase, uncinatus, arcuatus, occipito-frontalis und longitudinalis nahezu vollständig zerstört. R e c h t s : o. B.

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Striatum. L i n k s : Nc besonders im Kopfteil abgeflacht, zeigt dort Faserausfälle, während weiter caudal ein Status fibrosus ( V o g t ) vorliegt. An der Umschlagstelle im Bereich des Trigonum des Seitenventrikels ist der Nc erweicht. Das Put ist erheblich verkleinert, weist im oralen Anteil Faserausfälle, im mittleren Anteil einen Status fibrosus auf, caudal liegt eine unvollständige Erweichung vor. R e c h t s : Im TVc-Kopf sieht man mehrere meist unvollständige Erweichungen von maximal 3 mm Durchmesser. Im Put sind nur wenige winzige unvollständige Erweichungen zu erkennen. Pallidum L i n k s : Abschnittsweise dunkel infolge Schrumpfungen, stellenweise aber auch aufgehellt. R e c h t s : kein wesentlicher pathologischer Befund. Thalamus und hypothalamische Gebiete L i n k s : N. ant. erheblich verkleinert und aufgehellt. N. dorsolat. stark geschrumpft und besonders in seinem oberen äußeren Anteil aufgehellt. N. ventr. ebenfalls verkleinert und hell infolge von Faserausfällen. Der N. med. ist von einer unvollständigen Erweichung betroffen. Das Pulvinar ist teilweise in eine unvollständige Erweichung mit einbezogen, der Rest ist degeneriert. Corp. genic. med. hochgradig atrophisch, degenerierte Hörstrahlung in Richtung Schläfenlappen gut erkennbar. Corp. genic. lat. ist deutlich verkleinert, zeigt aber weniger starke Faserausfälle. R e c h t s : Unvollständige Erweichung von 3 mm Durchmesser im N. dorsolat., sonst kein wesentlicher Befund. Mittelhirn, Brücke und Medulla oblongata L i n k s : Aufhellung und Verkleinerung der Vierhügel, hochgradige Degeneration des Hirnschenkelfußes, absteigende Degeneration der Pyramidenbahn in der Brücke und Medulla obl. R e c h t s : o. B. Ventrikel: mäßige Erweiterung der Seiten Ventrikel links mehr als rechts und des III. Ventrikels. Kleinhirn: frei von Herden. H i s t o l o g i s c h : Für die Untersuchung standen außer den Markscheiden- auch van Gieson-Präparate zur Verfügung. Die mit den Meningen nicht entfernten extracerebralen Arterienäste lassen keinerlei arteriosklerotische Veränderungen erkennen. Die intracerebralen Gefäßzweige zeigen in der Umgebung des Erweichungsherdes eine leichte Hyalinose. Veränderungen, die auf eine Arteriosklerose oder eine Thrombangitis hinweisen können, fehlen. Gefäßverschlüsse sind nicht zu erkennen. Der Haupterweichungsherd befindet sich im 3. Stadium (nach S p a t z ) . An einer Stelle in unmittelbarer Nachbarschaft der Cyste ist eine kleine hämorrhagische Erweichung zu erkennen. Die zahlreichen kleinen und kleinsten vollständigen und unvollständigen Rindenerweichungen lassen auf den Präparaten keine Beziehungen zu Gefäßen erkennen. Sie finden sich bevorzugt an der Grenze der Versorgungsgebiete der Art. cer. ant. und med. An einigen Stellen sieht man Plaques fibromyeliniques. Es handelt sich um hypoxämische Herde in der Peripherie der arteriellen Versorgungsgebiete, die wahrscheinlicher Folge einer allgemeinen Mangeldurchblutung des Gehirns als Folgen von Mikroembolien sind. Für diese Annahme spricht auch die allgemeine leichte Atrophie der von gröberen Herden freien rechten Hemisphäre. Der Hauptherd ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine von Auflagerungen der Aortenklappe ausgehende Thromboembolie der Art. cer. med. zurückzuführen. Die Erweichung nimmt nahezu das gesamte Versorgungsgebiet der genannten Arterie ein. 22*

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Z u o r d n u n g der klinischen und a n a t o m i s c h e n B e f u n d e Versucht man, die klinischen und patho-anatomischen Befunde zueinander in Beziehung zu setzen, so ist dies in vorliegendem Falle recht einfach. Die völlige S p r a c h t a u b h e i t erklärt sich aus der Zerstörung der beiden Querwindungen (Regio ttr), des Planum temp. und der caudalen Hälfte der T 1 mit der W e r nickeschen Stelle (Regio tpartr) in Rinde, Eigenmark und tiefem Mark. Der Isthmus temporalis mit der Hörstrahlung ist unterbrochen, das Corp. gen. med. degeneriert. Die komplette motorische Aphasie ist durch die vorwiegend subcorticale Zerstörung des Fußes der F 3 genügend erklärt. Es sind nicht nur die Projektionsfasern, sondern auch die Balkenfasern dieses Rindengebietes vernichtet. Hinzu kommt noch die Einbeziehung der Rinde der pars basilaris der F 3 (Feld 56) und des unteren Anteiles der Ca. Hierdurch ist auch die motorische Amusie zu erklären. Die gleichzeitig bestehende Zerstörung der T2, der Insel und von Teilen des unteren Scheitelläppchens ist für das Auftreten einer Totalaphasie nicht notwendig, wie sich an weiteren Fällen zeigen wird. Natur und Ausdehnung des Herdes haben eine Rückbildung der klinischen Erscheinungen vereitelt. Eine Funktionsübernahme durch die rechte Hemisphäre war bei dem Alter der Pat. (60 Jahre beim zweiten Insult) nicht mehr möglich. Abgesehen von der altersbedingten Unfähigkeit des Gehirns zu einer größeren Kompensationsleistung wäre die rechte Hemisphäre auch auf Grund ihrer Läsion durch Kreislaufstörungen, die sich in mehreren kleinen vollständigen und unvollständigen Rindenerweichungen sowie in einer allgemeinen Atrophie kundgeben, kaum zu einer solchen Leistung fähig gewesen. Das Syndrom blieb daher über 3 Jahre stationär. Für die im Affekt vorgebrachten, meist dysarthrischen Laute und die einzige noch erhaltene stereotype Redewendung (recurring utterances von J a c k s o n ) „Ach Gott ne" wird man hier nur die rechte Hemisphäre verantwortlich machen können. Im ganzen kann diese Leistung nicht als hoch angesehen werden. Fälle, wie der hier beschriebene, können leicht Veranlassung geben zu der irrtümlichen Annahme, das gesamte ausgefallene Gebiet sei für die Sprache wichtig. Die Herdausbreitung ist aber von der Gefäßversorgung abhängig. Es ist nur in Ausnahmefällen zu erwarten, daß sich Störungen der Blutzufuhr ausschließlich in den Gefäßen abspielen, die Rindengebiete versorgen, welche für die Sprache wichtig sind. In den meisten Fällen wird man damit zu rechnen haben, daß auch Rindengebiete in den Herd mit einbezogen werden, die für das Auftreten aphasischer Erscheinungen ohne Bedeutung sind. Die Art. cer. med. ist die Arterie der Aphasie, wie man schon lange weiß. Aber niemand wird deshalb behaupten können, der gesamte von dieser Arterie versorgte Teil des Hirnmantels sei für die Aphasie wichtig. Nur die Untersuchung zahlreicher Schnittserien und die Verwertung der ausreichend untersuchten Fälle der Literatur kann zu einer Eingrenzung des Gebietes führen, dessen anatomische Schädigung Sprachstörungen obligatorisch nach sich zieht. Strittig sind vor allem die Bedeutung der Insel und des Parietallappens. Man wird also bei der

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Betrachtung der weiteren Fälle dieser Gegend ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken haben. Ungeklärt ist auch noch, ob etwa nur das hintere Drittel, die Hälfte oder die caudalen zwei Drittel der T 1 wichtig sind, und wieweit die T2 und T3 beteiligt sind. Es sei auf diese Frage, die erst bei der Diskussion der eigenen Untersuchungsergebnisse zu besprechen wäre, schon jetzt hingewiesen, damit der Leser diesen Punkten genügend Aufmerksamkeit widmen kann, da sie für die Lokalisationslehre von entscheidender Bedeutung sind. Die übrigen klinischen und anatomischen Herderscheinungen seien nur ganz kurz gegenübergestellt, da ihre eingehende Schilderung an anderer Stelle erfolgen wird. 1. Spastische Hemiplegie re. mit Beteiligung von Facialis und Hypoglossus.

Zerstörung der Rinde des unteren Drittels der Ca sowie ihrer sämtlichen Projektionsfasern im Mark mit totaler Degeneration der Ci und weiter verfolgbarer absteigender Degeneration der Pyramidenfasern in Hirnschenkel, Brücke und Med. obl. (Rückenmark nicht untersucht).

2. Uberempfindlichkeit gegen sensible Reize, besonders am rechten Arm.

Herde im Thalamus.

3. Ideokinetische Apraxie.

Vorwiegend subcorticale Erweichungen im unteren Scheitelläppchen und Unterbrechung eines Teiles seiner Balkenfasern.

4. Agraphie.

Wie 3., da im wesentlichen durch die ideokinetische Apraxie in der Führung des Schreibwerkzeuges erklärbar. Allerdings hätte die Totalaphasie allein auch zu agraphischen Störungen geführt.

5. Allgemein gesteigerte affektive Ausdrucksbewegungen und Zwangsweinen.

Herde im Thalamus (und lateralem Orbitalhirn, Area 60—66?)

6. Iterationen, Perseverationen und Stereotypien.

Faserausfälle, Erweichungen und Schrumpfungen mit Status fibrosus im Bereich des Striatum und Thalamus.

Fall 2; D e u b l e r , geb. 1850, Nervenklinik Frankfurt 4. 5. 22 bis 31. 7. 25. Vorgeschichte: Nicht bekannt, da Pat. ohne Begleitung in die Klinik kommt and infolge einer Aphasie noch nicht einmal seinen Namen nennen kann. Später wird sein Name von einem anderen Pat., der ihn kennt, angegeben. Pat. hat offenbar eine Apoplexie erlitten und wird von der Nervenabteilung im Sandhof verlegt. Neurologischer B e f u n d : Bei Aufnahme mittlerer Ernährungszustand, Pupillen o. B. Augen frei beweglich, Hemianopsie nach rechts, Schwäche des Ii. Mundfacialis. Pat. streckt die Zunge auf Aufforderung nicht heraus, hantiert mit der re. Hand weniger und ungeschickter. Keine Reflexdifferenzen, keine Pyramidenbahn-

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zeichen. Steifigkeit in allen Gliedmaßen, allgemeine Bewegungsarmut. Gang langsam und kleinschrittig. Auf Nadelstiche reagiert Pat. beiderseits in gleicher Weise. W a R im Blut positiv, Liquor in jeder Hinsicht unauffällig. H i r n p a t h o l o g i s c h e r B e f u n d : S p o n t a n s p r a c h e und A n t w o r t e n : (Wie heißen Sie?) „wie j a becker alter zum aus". (Wie alt?) „wie waren arg matak". (Sind Sie krank?) „mittag da ich weiß, daß es . . . weil sie da mit Wasser". Aufforderungen werden nicht befolgt. N a m e n f i n d u n g : Gegenstände können nicht benannt werden, teils bringt er literale Paraphasien vor, die keinerlei Ähnlichkeit mit der richtigen Bezeichnung aufweisen, teils sagt er „ja weiß nicht". S c h r i f t s p r a c h e : schriftliche Aufforderungen werden nicht verstanden. D. gibt sich aber große Mühe, diese zu entziffern. Einen Federhalter nimmt er verkehrt in die Hand. Einen ihm in die Hand gegebenen Bleistift hält er ungeschickt fest. Auch bei Führung der Hand produziert er nur amorphes Gekritzel. P r a x i e : Ein Glas Wasser faßt er mit der linken Hand an und trinkt es schluckweise aus. Eine Zigarette steckt er richtig in den Mund, faßt Streichholzschachtel ungeschickt mit beiden Händen an, führt dann ein Streichholz zum Munde. Verlauf: 6. 5. 22. D. ist zeitweise unruhig, nachts schlaflos, drängt aus dem Bett. Sagt bei der Visite mehrmals hintereinander „Guten Morgen", perseveriert dies auch bei der Frage nach seinem Namen, zwischendurch reichlich vorwiegend literale Paraphasien. Sprach Verständnis und Benennung aufgehoben. Gerät in einen Rededrang, wenn er angesprochen wird. i L 5. 22. Pat. hat gut geschlafen, verhält sich ruhig. A p h a s i e u n t e r s u c h u n g (Prof. K l e i s t ) : (Wie heißen Sie?) „Sie war richtig." (Was ist passiert?) „ E s hat ein bißchen roch." (Haben Sie Kopfweh?) „ j a " . (Sind sie verheiratet?) „ j a " . (Wo ist Ihre Frau?) „muß ihr Frau also mein Sohn in der Rinspahn . . . ich habe keine Spaß mehr dran." (Augenzu!) keine Reaktion, (Handgeben!) rührt sich nicht. Das Sprachverständnis ist anscheinend noch völlig aufgehoben. Gegenstände werden nicht benannt. Nachsprechen: (a) „ j a " , (Schlüssel) spricht nicht nach. (Nagel) versucht vergeblich nachzusprechen, sagt dann „das ist ein don an krotzen, das hat sich als gefähr gewechsel." L e s e n : Weder einzelne Buchstaben, noch Worte werden richtig gelesen. Z a h l e n w e r d e n anscheinend als solche erkannt, einmal auch in einer Einzelbedeutung. Erneute hirnpathologische Untersuchung am selben Tage: Begrüßt den Arzt spontan mit „Guten Morgen." S p o n t a n a n s p r a c h e und A n t w o r t e n : (Wie geht es Ihnen?) „ja besser vom Grund, jetzt es ist nimmer so schlimm j e t z t . " (Haben Sie Schmerzen?) „Schnechten das ist doch nich Wort wo da wegsoll ei ei." Das Suchen nach Worten kommt in seiner Mimik und Gestik zum Ausdruck. Beim Sprechen unabhängig von der Untersuchung werden gelegentlich mehrere Worte und Satzbruchstücke richtig gebildet. N a c h s p r e c h e n nicht zu erzielen. A b s c h r e i b e n : (Otto) schaut das Wort genau an und sagt „fünfmal", läßt Bleistift aus der Hand fallen. L a u t l e s e n : sowohl bei Buchstaben wie Worten lediglich literale Paraphasien ohne Ähnlichkeit mit der Vorlage. Von Zahlen wird lediglich eine I richtig gelesen, sonst liest er immer verkehrte Zahlen, erkennt also offenbar, daß es sich um Zahlen handelt. 16. 5. 22: Liegt ruhig im Bett, spricht heute weniger, außer „Guten Morgen" nur wenige stark paraphasische Äußerungen. Sprachverständnis und Benennen aufgehoben. E r sucht nach Worten und ist ungehalten über sein Versagen. Beim Schreiben hält er den Bleistift krampfhaft zwischen 3. und Finger fest, in dem Gekritzel kehrt deutlich die Form eines V wieder. Zum Abschreiben ist D. nicht zu bewegen. H ö r e n : Bei Annäherung einer Uhr wendet sich Pat. jeweils nach der richtigen Seite. 17. 5. 22. (Haben Sie Kinder?) „ J a , aber ich hab nie gemacht, so wie du geh, bei Nacht mehr, haben sie denn erst mäh, kapp, Jesses, Jesses." (Wo wohnen Sie?)

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„wo wo ist der Waggon. Der weiß aber nichts, der Sax, der weiß eben nichts. Von der Bornheim oben aus. Wo ich sehr genier der Bott. Zwanzigmal gehe ich der der Theater je je jesses." (Wo wohnen Sie?) „Sie mich fragen, sagen Sie es doch." Anscheinend keine völlige Sprachtaubheit mehr, zumindest hat er den Laut wo aufgefaßt und nachgesprochen. Außerdem A- und Paragrammatismen. Weitere Fragen werden anscheinend nicht verstanden und mit paraphasischem Gerede beantwortet. Bei Praxieprüfung deutliche Parapraxien. Pat. wirft Streichholzschachtel auf den Tisch, weint etwas, weil ihm die Lösung der Aufgabe nicht gelingt. 27. 5. 22. Wesentlich ruhiger, ißt allein. Sprachverständnis, Nachsprechen und Lesen aufgehoben. 14. 6. 22. Störung der Handlungsfolge beim Anziehen, zieht zuerst Rock und dann Weste an. In der letzten Zeit nie mehr unrein. Sprachsinnverständnis weiterhin aufgehoben. Auf die Frage nach seinem Namen erfolgt ein Nachsprechen anscheinend ohne Sinn Verständnis: „Was ich Namen an sagen." Auch Laute (a und b) werden richtig nachgesprochen, dann perseveriert er bei den folgenden Prüfungen immer b. Bei Prüfung des Benennens von Gegenständen auf Bildern nur einmal richtiger Ansatz, (Kinderwagen) „Kinder . . . Gatter . . . das heißt, heißt Kinder Kinder Kinderbad". Spricht das Wort auf Vorsprechen nicht nach. Auf den Kopf gestellte Bilder werden umgedreht. Das optische Erkennen von Bildern ist anscheinend ungestört. Lesen läßt sich nicht erzielen, er schaut Geschriebenes zwar interessiert an, redet dann aber völlig paraphasisch. 1. 7. 22. Nennt heute erstmals seinen Vornamen richtig und seinen Familiennamen mit nur geringer literaler Paraphasie „Leopold Dreibier". 16. 7. 22. Verhält sich ruhig und geordnet. Benimmt sich beim Essen und Anziehen unauffällig. Hilft einem blinden Mitpatienten, findet sich auf der Abteilung zurecht. S p r a c h v e r s t ä n d n i s : aufgehoben. N a c h s p r e c h e n : a = o = a, u = + , e = i, i = u, Anna = ia, Anna = a. Bei gleichzeitigem Vorzeigen: Bleistift = „ww", Zigarre = „wikige". N a m e n f i n d u n g : Bleistift = „Gas ge", Geld = „gut gut se". Postkarte = „schuß so ban". 31. 7. 22. Bei der Prüfung des Sprachverständnisses ist nur einmal ein positives Ergebnis zu verzeichnen, und zwar schließt er nach mehrfacher Wiederholung der Aufforderung die Augen. N a m e n f i n d u n g : Hammer: „Maleganter schlap." Nach Vorsprechen 0 . Schere: „rir eine andre." Nach Vorsprechen „hiere" Streichholz: ,,Jumbischatte." Kerze: „ J u m b i . " . Im August/September wird eine Salvarsankur durchgeführt. 7. 10. 22. Nach Angaben des Pflegepersonals arbeitet D. fleißig auf der Station mit. Essen, Ankleiden, Waschen und Kämmen werden ohne besondere Aufforderung geordnet ausgeführt. B e n e n n e n v o n G e g e n s t ä n d e n im Bilderbuch: Gurke: „ja j a die zeh die . . . e . . . Schnee." (Gurke?) „Borte Brot Boot Mord je des is ich." Birne: „Berg Brenne Bener." S p r a c h v e r s t ä n d n i s : Aufstehen und Setzen Handgeben: steht wieder auf (Perseveration). Nach erneuter Aufforderung hält er die Hand offen hin. Mundöffnen und Augenschließen + . Zunge zeigen: öffnet Mund und sagt „ah". Auch nach Vormachen öffnet er wieder den Mund und sagt „kann ich nicht so erwiddern". Bilderbuch schließen: befolgt Aufforderung nicht, sagt „wo kann ich das nicht agen". Es werden ihm Bleistift, Uhr und Streichholzschachtel vorgelegt. Die Aufforderung, die Uhr zu geben, wird befolgt, D. sagt dazu „die Uhr". E r soll den Bleistift geben, sieht diesen gar nicht an und bringt nur Paraphasien vor. Die Aufforderung, aufzustehen und sich zu setzen, wird wieder befolgt, bei der Aufforderung, jetzt fortzugehen, steht er nur auf. Mit einem Kamm weiß er zunächst nichts anzufangen, nach Vormachen äußert er „ja is j a ein . . .", er sucht sichtlich nach dem Namen. Faßt dann mit der linken Hand an seine Haare, hält den Kamm eine Zeitlang in der rechten Hand, fängt dann plötzlich an, sich richtig zu kämmen (amnestische Apraxie). S c h r e i b e n : Einige Buchstaben werden spontan richtig geschrieben, er kopiert jedoch Vorgeschriebenes nicht. E r ist ärgerlich, daß es ihm nicht gelingt,

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stampft mit Fuß auf, schüttelt den Kopf. Bei weiterer Praxieprüfung deutliche ideatorische Fehler. 9. :li. 22. Weitere leichte Besserung des Sprachverständnisses, aber noch Aufhebung der Namenfindung beim Benennen. Spontansprache zeitweise besser, dabei A- und Paragrammatismen, z. B. „was soll denn hier machen". Als ihm das Nachzeichnen eines Hauses nicht so recht gelingt, sagt er: „das ischt nix". :I6. 2. 23. S p r a c h v e r s t ä n d n i s : Die mehrfachen Aufforderungen, die Zunge zu zeigen und die Augen zuzumachen, werden nur mit Paraphasien beantwortet. Er soll dann aus einer Anzahl vorgelegter Gegenstände den bezeichneten in die Hand nehmen. Schlüssel: Nachdem er erst die Streichholzschachtel ergriffen und sie ratlos in der Hand hin und her bewegt hat, faßt er schließlich nach mehrfacher Aufforderung nach dem Schlüssel. Uhr + , Kette: ergreift zunächst die Uhr, dann nach mehrmaliger Aufforderung schließlich die Kette. Messer + . Federhalter: nach langem ratlosem Suchen schließlich richtig. N a m e n f i n d u n g für vorgehaltene Gegenstände: völlig aufgehoben, reichliche Paraphasien, die keine Ähnlichkeit mit dem zu suchenden Wort aufweisen. Das N a c h s p r e c h e n erfolgt anscheinend ohne Verständnis und ist meist erheblich literal paraphasisch entstellt. 4. 4. 23. Konstruktive Apraxie beim Figuren nachlegen. Ist ärgerlich, daß er ein Haus nur ungeschickt nachzeichnen kann. Einige Buchstaben richtig, wenn auch ungeschickt kopiert, Worte kommen nicht zustande. Neigung zur Perseveration. 9. 6. 23. S p r a c h v e r s t ä n d n i s : I. Ausführung von kleinen Aufträgen: Augen zu!, Zunge zeigen!, Stirn hochziehen und Handgeben werden nicht befolgt, spricht nur Paraphasisches. 2. Reaktion auf absurde Sätze: (Sind Sie tot?) „mir ist alles abgenagt". (Ist der Schnee grün?) spricht paraphasisch, dann „wie heißt das?" (Fliegt der Elefant?) Paraphasien. 3. Aussuchen vorgelegter Gegenstände: (Schlüssel) zeigt auf die Uhr, (Bleistift) zeigt auf die Uhrkette. Uhr: + , Pfeife + , Knopf + , Schlüssel 0, Uhrkette + , Kork 0, Bleistift + . 4. Zeigen von Bildern im Bilderbuch: (Fisch) zeigt Hund, (Katze) + , sagt dazu „der Kragen von der Mäuskatz". (Vogel) zeigt Muschel, (Birne) O, (Kirsche) + , (Katze) zeigt Heuschrecke. (Kuchen) zeigt Truthahn, (Bauer) zeigt Malkasten. Namen von Gegenständen des täglichen Gebrauches verhältnismäßig gut verstanden, sonst schlechtes Sprachverständnis. N a m e n f i n d u n g : :l. für Gegenstände: aufgehoben, nur paraphasische Lautfolgen, die in Wortklang und Silbenzahl nicht an das richtige Wort erinnern. 2. für Körperteile: (Nase), „Nabasch", (Ohr) „Nach . . . Mehrbach", (Zunge) „Neger" und andere Paraphasien. Die Namenfindung ist also praktisch aufgehoben. N a c h s p r e c h e n : ebenfalls aufgehoben, lediglich Paraphasien. Beim F a r b e n s o r t i e r e n versteht Pat. offenbar die Aufgabe nicht, legt die Farben einfach ordentlich nebeneinander. Dagegen setzt er ohne Anweisung ein zerlegtes Bild (Mäusebussard) sofort richtig zusammen. 23. 2. 24. Kopiert eine Zahl und ein Pluszeichen nicht, dagegen Haus und Gesicht ungeschickt. Das Ergebnis der zahlreichen zu dieser Zeit durchgeführten Apraxieprüfungen sei übergangen, da es in diesem Zusammenhange weniger interessiert. 18. 1:1. 24. Auch einfachste Fragen werden nicht verstanden, Aufforderungen nicht befolgt. Bei der Prüfung der Namenfindung werden nur Paraphasien vorgebracht. Gegenüber den Befunden im Jahre 1923 ist eine leichte Verschlechterung festzustellen. In der Nacht vom 20. zum 21. 2. 25 erleidet Pat. anscheinend einen e r n e u t e n I n s u l t . Er ist nachts unruhig, unrein mit Urin, am folgenden Tag verwirrt, drängt aus dem Bett, hat Schwindel, sieht fahl aus. 23. 2. 25. Äußert spontan keinen Laut, versucht auch nicht, sich durch Gestik verständlich zu machen. Sitzt oft lange Zeit reglos an einem Fleck. N e u r o l o g i s c h e r B e f u n d : Augen frei beweglich, kein Nystagmus. Pupillen o. B. Leichte Parese des Ii. Mundfacialis. Zunge auf Aufforderung nicht, später aber gerade vorgestreckt. Kraft der Arme nicht sicher zu beurteilen, benutzt vorzugsweise

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den Ii. Arm, re. Rigor und Spasmus, Eigenreflexe re. gesteigert, Haltungsverharren beiderseits. Bauchdeckenrefl. re. abgeschwächt, Beine: Tonuserhöhung re. mehr als Ii., keine sicheren Reflexdifferenzen, keine Pyramidenbahnzeichen. Gang kleinschrittig, nicht spastisch. S p r a c h v e r s t ä n d n i s : in keiner Weise nachweisbar. Aufforderungen werden nicht ausgeführt, bei affektiv betonten Zurufen keinerlei Reaktionen. Mitunter antwortet er auf eine sprachliche Anregung mit „ja" ohne Dysarthrie. Schriftliche Aufforderungen werden nicht befolgt. Bewegungen nicht nachgemacht. 9. 3. 25. Keinerlei sprachliche Äußerung mehr zu erhalten. Zeigt geringe spontane Regsamkeit, beinahe stuporöser Zustand. 26. 7. 25. Starker Husten, läßt Urin unter sich. 30. 7. 25. Nachts sehr unruhig. Cyanose, röchelnde Atmung. 31. 7. 25. Exitus.

Z u s a m m e n f a s s u n g u n d B e u r t e i l u n g der k l i n i s c h e n B e f u n d e Ein 71j ähriger Mann erleidet einen cerebralen Insult, über dessen nähere Begleitumstände nichts bekannt ist, da bei der Aufnahme am 4. 5. 22 eine komplette sensorische Aphasie bestand und Angehörige nicht erreichbar waren. Neurologisch fanden sich eine Schwäche des linken Mundfacialis und eine Hemianopsie nach rechts. Pupillenstörungen bestanden nicht. Für eine Hörstörung ergab sich kein Anhalt, das Ticken einer Uhr wurde von dem Pat. auf beiden Ohren wahrgenommen. Auch Zeichen einer akustischen Unaufmerksamkeit lagen nicht vor. Die W a R im Blut war positiv, der Liquor aber völlig unauffällig. Das S p r a c h v e r s t ä n d n i s war zunächst völlig aufgehoben. Nach einem Vierteljahr wurde die Aufforderung „Augen zu" nach mehrmaliger Wiederholung befolgt. Nach einem weiteren Vierteljahr wurden einige einfache Aufforderungen verstanden. Aus einer Reihe vorgelegter Gegenstände wurden einige richtig ausgesucht. Namen von Körperteilen wurden zu dieser Zeit noch nicht verstanden. Nach dreiviertel Jahren und nach einem Jahr war das Verständnis für Namen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs noch etwas besser, von vorgelegten Gegenständen konnten einige, wenn auch erst nach langem Suchen und mit einigen Verwechslungen richtig ausgewählt werden. Aufforderungen zu einfachen Handlungen waren aber kaum je zu erzielen. Nach 1% Jahren wurden zwar einige Körperteilnamen verstanden, eine Besserung des Sprach Verständnisses war sonst aber nicht zu verzeichnen. Ende 1924 verschlechterte sich das Verständnis wieder etwas und im Februar 1925, offenbar im Anschluß an einen erneuten Insult, war ein Sprach Verständnis nicht mehr zu erzielen. Das N a c h s p r e c h e n war zunächst für Laute, Worte und Sätze aufgehoben. Später wurden zwar einzelne Laute richtig, andere aber verkehrt oder überhaupt nicht nachgesprochen. Bei der Prüfung des Nachsprechens von Worten war nie ein Erfolg zu verzeichnen. Wurde aber bei der Prüfung der

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Journal für Hirnforschung

Namenfindung ein Wort bei gleichzeitigem Vorhalten des Gegenstandes vorgesprochen, so kam es vereinzelt zu einem richtigen Nachsprechen, meist war dieses aber auch stark literal paraphasisch. Es kam auch zu literal-paraphasischen Wortneubildungen. Fragen wurden gelegentlich z.T. nachgesprochen statt beantwortet. Bei der Prüfung der N a m e n f i n d u n g versagte der Pat. völlig. Es wurden Namenamnesien und literale Paraphasien beobachtet, dagegen keine verbalen Paraphasien. Die S p o n t a n s p r a c h e war etwas besser, aber auch hier fiel ein hochgradiger Mangel an Bezeichnungen auf, so daß seine Reden selbst dann, wenn sie in einigen Äußerungen literale Paraphasien vermissen ließen, nur selten einen verständlichen Sinn beinhalteten. Das Suchen nach Worten war in der Spontansprache deutlich zu bemerken. Pat. gab sich dabei ganz offensichtlich Mühe und war mitunter ungehalten, wenn er die richtigen Worte nicht fand. E r entwickelte zeitweise, besonders in den ersten Monaten, einen Rededrang, wenn er angeredet wurde. Auch später waren seine Antworten meist noch recht lang. Die g r a m m a t i s c h e n L e i s t u n g e n wechselten selbst im Laufe einer Untersuchung oft. Häufig wurden kurze Sätze richtig gebildet. E r verfügte auch über eine Reihe von für die Satzbildung wichtigen spezifisch grammatischen Worten (Artikel, Partikel, Pronomina usw.). Dann traten wieder A- und Paragrammatismen auf, z. B. „was soll denn hier machen". Hier handelt es sich einfach um die Auslassung des Subjekts. Auf die Frage, ob er Kinder habe, antwortete er; „ja, aber ich hab nix gemacht, so wie du geh, bei nacht mehr". Der letzte Satz ist unvollständig. Man wird hier in erster Linie an wortamnestische Störungen zu denken haben. Die fehlenden Worte sind dem Pat. nicht eingefallen. „Wie du geh" ist als Paragrammatismus anzusehen. Die Bedeutung der mnestischen Komponente bei der Entstehung agrammatischer Störungen wurde jüngst eindrucksvoll von P a n s e , K a n d i e r und L e i s c h n e r dargestellt. Am 17. 5. 22 antwortete Pat. auf die Frage, wo er wohne „Sie mich fragen, sagen Sie es doch." Es handelt sich hier um eine verkehrte Wortstellung, wie sie vom Paragrammatismus bekannt ist. Paragrammatismen finden sich auch in den Äußerungen „muß i h r F r a u " , „ich hab k e i n e Spaß mehr dran", „gehe ich d e r Theater". Hinsichtlich der e x p r e s s i v e n S p r a c h l e i s t u n g ist wichtig, daß eine Dysarthrie nicht bestand. Die S c h r i f t s p r a c h e war praktisch aufgehoben. Es lag eine totale Alexie vor. Kein Buchstabe und kein Wort wurden richtig gelesen. Auf den Kopf gestellte Buchstaben drehte er aber um. Einmal wurde eine Zahl richtig gelesen. Im übrigen wurden die Zahlen zwar verkehrt, aber immer als Zahlen gelesen. Zahlen- und Buchstabenbegriffe waren anscheinend vorhanden, es kam jedenfalls zu keiner Entgleisung in einen anderen Begriff. Pat. konnte später einige Buchstaben spontan schreiben, nie jedoch ein Wort und auffallenderweise auch keine Buchstaben kopieren. Diese Störung ist durch die Aphasie nicht erklärbar, sie weist auf das Mitwirken apraktischer Erscheinungen hin.

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ARCHITEKTONISCHE

UNTERSUCHUNGEN

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Faßt man die Störungen der Laut- und Schriftsprache zusammen, so handelt es sich um eine zunächst fast vollständige sensorische Aphasie, die nur eine sehr geringe Rückbildungstendenz zeigte. Die Sprachtaubheit war so gut wie vollständig, betraf aber Laute weniger als Worte und Sätze. Nachsprechen und Namenfindung blieben in der Prüfungssituation immer aufgehoben. Die Spontansprache war ein wenig besser, aber sehr arm an Bezeichnungen, dagegen reich an literalen Paraphasien. Es bestanden A- und Paragrammatismen neben zeitweise formal recht guten Satzbildungen, so daß man keine völlige Zerstörung der Satzformeln annehmen kann. Außerdem fanden sich eine Alexie und eine Agraphie. Weiterhin lagen Erscheinungen einer ideatorischen und in geringerem Grade einer ideokinetischen und konstruktiven Apraxie vor, die an dieser Stelle nicht näher besprochen werden sollen. Die Agraphie war vorwiegend durch diese apraktischen Störungen bestimmt. Optisch gnostische Störungen wurden nicht nachgewiesen. D. war sogar in der Lage, auseinandergeschnittene Bilder zusammenzusetzen. Im hohen Maße bemerkenswert ist, daß sich D. trotz praktisch völliger Aufhebung einer sprachlichen Verständigung auf der Station geordnet verhielt. Er fiel dadurch auf, daß er einem blinden Mitpatienten half. Anders war dies natürlich in der ersten Zeit nach den beiden Insulten. Ein Punkt bedarf noch einer besonderen Erwähnung, nachdem neuerdings B a y die Ansicht geäußert hat, die Verbindung einer eigentlichen Aphasie — als welche er die amnestische Aphasie ansieht — mit einer Euphorie erkläre bei der Wernickeschen Aphasie das kritiklose Hinnehmen der von dem Kranken produzierten Paraphasien. Es fehle nicht nur die Einsicht in die sprachlichen Fehlleistungen, sondern das gleiche lasse sich auch im Bereich der nichtsprachlichen Denkleistungen nachweisen. Vorliegender Fall zeigte, wie beschrieben, das ausgesprochene Bild einer sensorischen Aphasie mit zeitweiligem Rededrang und massenhaften literalen Paraphasien. Eine kritiklose Euphorie, die selbstverständlich auch bei sensorisch Aphasischen beobachtet werden kann, lag bei ihm aber nicht vor. Die Erklärung von B a y dürfte daher kaum den Kern dieser Störung treffen. Am 11. 5. 22 ist vermerkt, daß sich das angestrengte Suchen nach Worten bei dem Pat. in seiner Miene ausdrückte. Am 16. 5. 22 war er ungehalten, weil er die Worte nicht fand. Am 17. 5. 22 weinte er wegen Nichtgelingens einer Praxieaufgabe. Am 7. 10. 22 war er ärgerlich, stampfte auf und schüttelte den Kopf, weil er beim Schreiben versagte. Beim Nachzeichnen eines Hauses, das schlecht gelang, äußerte er ungeduldig „das ischt nix". Am 4. 4. 23 war er ärgerlich, weil er ungeschickt nachzeichnete. Von einer kritiklosen Euphorie wird man daher bei ihm kaum sprechen können. ImFebruar 1925 trat offenbar ein erneuter Insult auf, der zu einem hochgradigen allgemeinen Antriebsmangel und zu einer zunehmenden Sprachverarmung führte. D. starb am 31. Juli 1925, 3 Jahre und 3 Monatenach der Aufnahme in die Klinik. Befund und Verlauf ließen klinisch schon die Diagnose einer Cerebralsklerose stellen. Eine Neurolues war bei den fehlenden Pupillenstörungen und dem in jeder Hinsicht unauffälligen Liquor nicht wahrscheinlich.

318 B e f u n d d e r K ö r p e r s e k t i o n : Arteriosclerosis cerebri, arteriosklerotisches Aneurysma an der Aorta, arteriosklerotische Schrumpfnieren, serofibrinöse Pleuritis u n d Pleuraschwarten rechts, Lungentuberkulose. G e h i r n s e k t i o n (vgl. Abb. 2,'i): Geringe Verdickung der Pia über dem oberen Teil der Konvexität. N u r einzelne Einlagerungen in den basalen Gefäßen. Linke Hemisphäre erscheint kleiner als die rechte. Der gesamte linke untere Scheitellappen

A b b . 23. Fall Deubler. Lateralansicht der linken Hemisphäre. ist eingesunken, der Gyr. angul. mehr als der Gyr. supramarg. Der Gyr. angul. ist verschmälert u n d sieht gelblich aus. Die Fortsetzung eines Astes der zweiten Schläfenw i n d u n g in den Gyr. angul. ist d ü n n u n d gelblich-braun. Auch der Übergang der Tl in den Sm ist verschmälert. Beim Aufklappen der Sylvischen Furche findet sich eine k a m m a r t i g e Verschmälerung u n d b r a u n e Verfärbung der vorderen Querwindung vor ihrem Austritt an die Konvexität. Es handelt sich u m eine steilverlaufende Querwindung. Der vordere Teil der linken Sylvischen Furche klafft etwas weiter als normal. Die vorderen % der F l u n d geringer auch der F 2 zeigen links mehr als rechts eine Atrophie. Beschreibung der

ausgewählter

Frontalschnitte

Markscheidenserie

A b b . 24 ist einer der letzten vollständigen Schnitte des I. Blockes. E r verläuft durch das hintere Drittel des Stirnhirns u n d liegt unmittelbar frontal der Vereinigung der H e r d e in der F2 (s. Abb. ,'50b). In der oberen F2 (Areae 44/45) sieht m a n kleine Rindenerweichungen. Ventral folgt eine cystische Erweichung an der Grenze von Eigen- u n d tiefem Mark. Der untere Abhang der F 2 (Area 55), die hier die dritte Stirnwindung wie ein Operculum überragt, ist in Rinde und oberflächlichem Eigenm a r k erweicht. I m benachbarten Eigenmark der Pars asc. der opercularen F3 (57) findet sich ein spaltförmiger Herd. I m übrigen sind die F3 u n d die ventral anschließende Insel i n t a k t . Die Aufhellung im Nc stellt einen A r t e f a k t dar. A b b . 25 zeigt ein kleines Rindenherdchen in der lateralen Ttrl, dort wo sie in die T 1 einmündet (Area t t r . l . ol.e). Eine weitere kleine Rindenerweichung sieht m a n am oberen Abhang der T2 ( t m a g . d . m d ) . An den unteren Abhängen der 1. u n d 2. Schläfenwindung erkennt m a n noch winzige unvollständige Rindenerweichungen.

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£

Abb. 24. (I, 60 Ii.).

Abb. 25. (III, 490 Ii.).

,

h (tpartr)

T2 'tmagdl

Abb. 26. (IV, 29 Ii.).

Abb. 27. (IV, 190 Ii.).

Abb. 26. Der Schnitt verläuft durch die Mitte der Längsausdehnung der Ttrl und die beginnende Ttr2. Das gemeinsame Mark unterhalb der Ttrl ist aufgehellt. In der eben beginnenden Ttr2 findet sich ein kleiner Erweichungsherd im Eigenmark. Ein größerer cystischer Herd zerstört ein kleines Rindenstück der T2 ( t m a g . d . md), den größten Teil ihres Eigenmarkes und das benachbarte tiefe Mark. Ein schmaler Aufhellungsstreifen zieht zu dem Herd in der Ttr2 und ein weiterer medialwärts.

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Journal für Hirnforsrhunfi

Das Mark des unteren Scheitelläppchens ist aufgehellt. In der Rinde der Cp (oberer Bildrand) sieht man kleine Erweichungen. Zwischen dem am rechten Bildrand liegenden Pulvinar und den letzten inselförmigen Ausläufern des Put. findet sich eine unvollständige Erweichung. Abb. 27. Die Erweichungen im Mark der Ttr2 und T2 sind j etzt zu einem größeren cystischen Herd vereinigt, der ihr Eigenmark weitgehend zerstört. Auch das gemeinsame Mark der T1 ist betroffen. Die Rinde im Furchengrund der tl (tpartr. pf und t m a g . d. s) ist erweicht, ebenso der Furchengrund von t2 in geringem Ausmaß. Ein degenerierter Faserzug verläuft von dem Herd medialwärts unter der Ttrl hinweg. Die Ttrl ist hier an ihrer Wurzel sehr breit und zeigt winzige Rindenherdchen. Eine Unterbrechung der Faserverbindung zur lateralen Tl (tpartr)

h ftmaff.ee/)

Abb. 28. (V, U0 Ii.).

Abb. 29. (III, 650).

liegt sicher vor. In der Tiefe durchbricht der Herd die Strata sag. am unteren Ventrikelwinkel. Das untere Parietalläppchen (88) ist abgesehen von seinem opercularen Anteil zerstört. Auch der untere (hintere) Abhang der Cp (71) ist in der Rinde erweicht. Das Trigonum des Seiten Ventrikels ist stark erweitert. Abb. 28. DieFossa Sylviihat sich bereits geschlossen, die T1 ist zu Ende. Unteres Scheitelläppchen (89) und T2 (tmag. cd) sind nahezu vernichtet. Die noch vorhandenen Rindenteile sind stark aufgehellt und infolge Unterbrechung aller ihrer Verbindungen funktionell ausgeschaltet. In der Tiefe sind die Strata sag. völlig erweicht. Auf weiter caudal gelegenen Schnitten ergeben sich keine für die aphasischen Störungen wichtigen Gesichtspunkte. Der Herd reicht noch ein Stück weit in den Occipitallappen, wie sich aus dem architektonischen Herdschema ergibt. Interessant ist noch ein Frontalschnitt durch hintere Anteile des Zwischen- und Mittelhirns sowie der Brücke. Auf Abb. 29 sieht man eine Degeneration des äußeren Viertels des Hirnschenkelfußes, das vom Türcksehen Bündel gebildet wird. Dieses ist infolge des Schläfenlappenherdes degeneriert. Außerdem ist noch die Aufhellung des Corp. gen. lat. und ein degeneriertes Faserbündel zu erkennen, das in einem Bogen zu dessen Spitze zieht. Das Pulvinar zeigt eine deutliche Aufhellung. Medial davon sind die Habenulae getroffen.

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UNTERSUCHUNGEN

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T o p o g r a p h i e der H e r d e Stirnhirn L i n k s : Mehrere kleine bis mittelgroße Herde finden sich vor allem in der hinteren Hälfte der F 2 . Die F 3 ist nur in ihrem dorsalen, der F 2 benachbarten Anteil mitbetroffen. Eine geringe Beteiligung zeigt auch die F J . Im einzelnen verteilen sich die Herde wie folgt: Von oral her kommend sieht man zunächst einen kleinen Rindenherd etwa in der Mitte der Längsausdehnung der F S in Feld 53. Danach tritt ein kleiner Herd von 3 mm Durchmesser an der Grenze von Eigenmark und tiefem Mark der F2 nahe an der /2-Furche auf. Es folgen einige winzige Rindenherdchen in der unteren F2 (54). Ein weiteres winziges Herdchen liegt im Eigenmark der oberen F 3 (58). In Fortsetzung der winzigen Rindenherdchen in 54 entwickelt sich ein größerer Rindenherd in der unteren F 2 in Feld 55. Caudal greift er ausgedehnt auf das Eigenmark über (Abb. 2-Furche (Area 89 ip) ? 6. re. weitgehende Zerstörung der Caps. int. und ihres Stabkranzes. 7. Ii. Abflachung des Caud.-Kopfes mit feinen Einziehungen seiner ventrikulären Oberfläche. re. Zerstörung der dorsalen Hälfte bis zwei Drittel des Caud.-Kopfes, völlige Erweichung des Caud.-Körpers.

Fall 11; S c h m i d t , Hausfrau, geb. 1863. Nervenklinik Frankfurt 13.— 24. 12. 1925. Vorgeschichte (nach Angaben einer Nachbarin): Pat. sei immer ganz rüstig gewesen, habe ihre Wohnung gut versorgt, genäht und ihre große Wäsche allein gewaschen. Sie sei immer sehr ängstlich gewesen, habe befürchtet, man würde ihr alles wegnehmen, wenn sie krank sei. Von ihren Angehörigen wolle sie nichts wissen. Von früheren Krankheiten der Pat. sei der Ref. nichts bekannt. Vor 14 Tagen sei die Pat. wegen ihrer Fettleibigkeit und Atemnot beim Arzt gewesen. Der Arzt habe eine Zuckerausscheidung im Urin festgestellt. Durch eine Entfettungskur habe sie in 8 Tagen 9 Pfund an Gewicht abgenommen. Dann habe sie wieder mehr gegessen, auch Wein getrunken. Am Tag vor der Aufnahme seien plötzlich Sprachstörungen aufgetreten. Sie habe gesagt, sie sähe nichts mehr. Auch habe sie über Kopfschmerzen und Müdigkeit geklagt, sei dabei aber noch herumgelaufen.

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V e r h a l t e n b e i der A u f n a h m e . Pat. ist dyspnoisch, jammert, wendet sich unruhig hin und her. Sie äußert, sie sei ganz wirr und durcheinander. Sie ist desorientiert, weiß auch ihr Alter nicht anzugeben. Erkennt offenbar Gegenstände, denn sie benutzt diese richtig. Vermag die Gegenstände aber weder zu benennen, noch aus angebotenen Bezeichnungen die richtigen herauszufinden. K ö r p e r l i c h e r B e f u n d : Äußerst starke Adipositas, Ödeme an beiden Beinen. Herz: stark nach links verbreitert, Töne sehr leise, erster Ton über der Spitze unrein. 2. AT. lauter als 2. PT. Puls unregelmäßig und gespannt. R R 200/160. N e u r o l o g i s c h e r B e f u n d : Li. Pupille etwas weiter als re., Pupillenreaktion + . Li. Auge bleibt beim Blick nach Ii. zurück. Kein Nystagmus, Facialis- und Hypoglossusparese re. Re. Gaumenbogen weniger gewölbt als Ii. Kraft, Tonus und Reflexverhalten an den Extremitäten regelrecht. Keine Pyramidenzeichen. H i r n p a t h o l o g i s c h e r B e f u n d am 14. 12. 25. Sitzt mit ängstlichem Gesichtsausdruck da, begrüßt den Arzt mit „Ach Herr Doktor". S p r a c h v e r s t ä n d n i s in d e r U n t e r h a l t u n g u n d A n t w o r t e n , zugleich S a t z s p r e c h e n : ,,Es war alles so durcheinander, es ist mir noch nicht richtig, es war mir alles irr." (Beschwerden?) „Ich hab' keine Rus gehabt, ich hab kein . . . na, wie soll ich denn sagen?" (Seit wann krank?) „Das ist ein paar Wochen gehabt . . . so ungefähr zwei, so ungefähr 14 . . . so ungefähr zwei Wochen". (Womit angefangen?) „Ich habe nichts vorgebracht, keine Luft und habe dann auch zum Schleimen, zuviel Schleimung . . . das habe ich eben auch noch so schleimig". Erzählt dann, es sei ihr alles so irr gewesen, sie habe nicht mehr richtig sehen können, vor allem nicht mehr in die Ferne. (Wie alt?) „Ich bin jetzt ungefähr . . . das ist mir jetzt schon wieder ein bißchen schwer." (Wann geboren?) „Wie . . . wo, ich kann mich eben nicht ausdrücken." (Verheiratet?) ,,. . . ich habe niemand gehabt . . . ich bin allein". (Wovon gelebt?) „Ich war Pension . . . ich war Ponin". (Wo hier?) „Ich habe keine Ahnung". (Jahr?) „19 . . . 19 . . . 19 . . . ich kann es Ihnen nicht sagen." (Monat?) „Ich kann es nicht sagen." (Wieviel Uhr?) „Ich weiß es nicht" (nach Zeigen der Uhr) „Das kann ich nicht verstehen. Wie komme ich nur hierher". S p r a c h v e r s t ä n d n i s f ü r B e z e i c h n u n g e n v o n K ö r p e r t e i l e n und darauf bezügliche Aufforderungen: (Mund auf!) . . . + , fragt bei der Ausführung „ S o ? " (Zunge zeigen!) . . . -f. (Augen zu!) sieht den Arzt ratlos an, sagt, sie verstehe es nicht. (Nase zeigen!) „Das kann ich nicht verstehen." (Stirn zeigen!) „Ihre Stirn", schüttelt ratlos den Kopf. (Rechten Arm heben!) „Ich kann es nicht sagen". (Hände ausstrecken!) manipuliert ratlos in der Luft herum. Die Sprache ist a r t i k u l a t o r i s c h r e i n . N a c h s p r e c h e n : a, o, i, r, k -f. Tisch = „Wischt", Wand = „Wah", Bein = „Wan", Fenster = „Fensist, Fensert". Schublade = „ S p o l t a t . . . Pudia". Fingernagel = „Fineriad". Kopfschmerzen = , , . . . Fort", bei Wiederholung + . (Pat. hatte das Wort zuvor spontan ausgesprochen). Marie Schmidt = +• (Wer ist denn das?) wiederholt es mehrmals ratlos. Herr Doktor = „Herr don" (hat das Wort aber spontan richtig gesprochen). (Wer bin ich?) „Herr Doktor". R e i h e n s p r e c h e n : Wochentage: „Montakt . . . Dieskat . . . wie es will . . . verstehe ich nicht." Monate: (Januar!) greift ratlos an den Kopf „ich weiß es schon, ich kann es nur nicht." B e n e n n e n v o n G e g e n s t ä n d e n . Schere = „Das ist . . . na . . . auch Gott, ja ich weiß es schon . . . ich kann schneiden" (macht richtige Bewegung damit) „Ich kann es nicht sagen", (Ein Messer?) „Ich kann es nicht sagen." (Eine Schere?) Pat. spricht das Wort mehrfach und zunächst anscheinend ohne Verständnis nach, dann sagt sie plötzlich „ja, das ist eine Schere". Federhalter = „Da will ich schreiben" macht Schreibbewegungen, (Bleistift? Gummi? Federhalter?) schüttelt ratlos den Kopf, sagt dann „eine Tinte". Tintenfaß = , , . . . das ist für ein . . . Tinter . . . oder

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ARCHITEKTONISCHE UNTERSUCHUNGEN

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bin ich es nicht? . . . ist es richtig?" Uhr = „Das kommt mir wieder nicht . . . es ist 11 Uhr . . . ich kenne nur wieviel es ist, aber ich kann jetzt nicht", (Uhr?) spricht nach „Uer, ja das ist es", liest noch einmal richtig „11 Uhr" ab. Bettrand = , , . . . Treppe". B e n e n n e n v o n B i l d e r n : Schirm = „. . . ich kann das jetzt wieder nicht, ich kann es aufspernen . . . für den Schirm . . . das ist ein Schirm." Tasse = „Das ist ein Kaffee", Bügeleisen = „Das ist ein Bügeln", macht richtige Bewegungen. Trommel = richtige Bewegungen, keine Antwort, spricht nach „eine Tromme". Schwein= „Das ist ein S c h w . . . ein Schwein". Eimer = „Das ist ein Ermer". Kanone = „Das ist so wenn . . . ich kann es nicht sagen, wenn man also daran", macht richtig die Abfeuerbewegung, „Wo das Militär dran geht", (Kanone?) „ja sowas". M u s i s c h e L e i s t u n g e n : Töne werden richtig nachgesungen. Melodien erkennen, nach- und weitersingen: „Ich hatt einen Kameraden": Sie singt ohne Worte richtig nach und weiter. Weigert sich zunächst, mit Worten zu singen, schließlich auf Drängen „Ich hatt einen Mantmampen". „Deutschland, Deutschland über alles". Singt einige Worte nach, fragt dann, wie es anfange, und erklärt, sie könne nicht weiter. „O Tannenbaum" und „Hänschen klein" werden richtig nachgebrummt. P r a x i e : Ideokinetisch: Faust und lange Nase machen, Kaffeemühledrehen, Drohen werden nach Vormachen beiderseits richtig ausgeführt. Hantieren mit Gegenständen ungestört. S c h r e i b e n : Diktat: Marie + , Deutschland = deutsch. Zahlenreihe: w ei eins 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, (verschieden große Abstände zwischen den Zahlen, Reihe steigt leicht nach rechts hoch). Nachschreiben: Tisch = disch, liest zuvor auch „disch". Fenster: liest „fenst . . . fest . . ." und schreibt dann Fenster (etwas ungelenk). 697 = 69 J (Pat. liest die Zahlen nicht erst laut, sondern malt sie einfach ab.) 354 + . 7 = zeichnet es ab, so daß es mehr einem großen J gleichsieht. L e s e n : a + , r + , b = d . . . p, k + , d + , Kamel = Tarn, Strumpf = tren. O p t i s c h : Halbierungsfehler nach links. V e r l a u f : 17. 12. Zucker im Urin + , starker Husten mit serös-schaumigem Auswurf (Lungenödem). Ängstliche Stimmung mit schwerem Krankheitsgefühl, j a m mert, äußert, wenn sie doch nur tot wäre. In der Unterhaltung zeigen sich mehrfach verbale Paraphasien. 22. 12. Ödeme an den Beinen, Temperatur 38°. Pat. ist völlig orientiert. B e n e n n e n (Bilderbuch) Schirm + , Krone + , Bügeleisen + , Kiste = „So ein Würfel". Esel + , Brot + > Haus + , Apfel = „Attel", Kanone = „So zum fiesen . . . so ein Gewehr", (nicht eine Kanone?) „nein, ein Gewehr". Trommel + , Windmühle = ,,. . . s o für die Frucht . . . zum Mahlen" (macht auf dem Bild Kreise, um das Drehen der Flügel anzudeuten), (Windmühle?) „ j a " . Ihren Arm bezeichnet sie ständig als Bein, hält auch daran fest. Das Sprachverständnis beim Zeigen der vom Untersucher benannten Gegenstände ist ungestört. Auch hantiert sie mit Gegenständen ohne Schwierigkeiten. 24. 12. Kollaps, Cyanose, Erbrechen. Zunehmende Insuffizienzerscheinungen. Abends Exitus. Z u s a m m e n f a s s u n g und B e u r t e i l u n g der k l i n i s c h e n

Befunde

E i n e 62jährige P a t . mit einer Adipositas, einer Hypertonie von 2 0 0 / 1 6 0 und einem Diabetes erleidet eine Woche nach einer Entfettungskur einen Insult. Neurologisch findet sich eine Parese des rechten Facialis, Hypoglossus und Gaumensegels. Außerdem entsteht bei dem Insult eine sensorische Aphasie, die in kurzer Zeit eine verhältnismäßig gute Rückbildung zeigt. Lungenödem, Ödeme der Beine und ein unregelmäßiger Puls lassen eine Herzinsuffizienz erkennen, die ständig zunimmt. Die P a t . stirbt bereits 11 Tage

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nach der Aufnahme. Die klinischen Daten sprechen am ehesten für einen Erweichungsherd bei einer cerebralen Mangeldurchblutung auf dem Boden einer dekompensierten Hypertonie und möglicherweise einer Arteriosklerose. Die S p r a c h e war a r t i k u l a t o r i s c h ungestört. Die S p o n t a n s p r a c h e und die Antworten waren durch Namenfindungsstörungen sowie durch literale und verbale Paraphasien beeinträchtigt. Am Tage nach der Aufnahme war das S p r a c h v e r s t ä n d n i s in der Unterhaltung nur wenig eingeschränkt. (10 + , 2 —). Die Verständnisstörungen waren dagegen schwerer bei Aufforderungen, Körperteile zu zeigen. Hierbei kam es nur zu 2 richtigen Reaktionen, 5mal blieb ein Verständnis aus. Das Verständnis für Namen von Gegenständen war 8 Tage nach der Aufnahme ungestört. Das N a c h s p r e c h e n der wenigen geprüften Laute erwies sich als intakt. Dagegen wurden schon einsilbige Worte mit einer einzigen Ausnahme unvollständig bzw. literal paraphasisch nachgesprochen. Noch stärker war dies bei mehrsilbigen Worten. Auch richtiges Nachsprechen erfolgte z. T. ohne Verständnis. Bei einzelnen Worten war das Nachsprechen schlechter als das Spontansprechen, bei anderen verhielt es sich umgekehrt. Das R e i h e n s p r e c h e n war infolge verbaler Amnesie und literaler Paraphasie aufgehoben. Das B e n e n n e n war erheblich gestört. Von 23 Gegenständen und Bildern wurden nur 9 richtig und diese teilweise noch verzögert benannt. Bei den anderen bestanden Amnesien, literale und verbale Paraphasien. Das Suchen nach den Bezeichnungen geschah in der Weise, wie man es bei amnestischen Aphasien zu beobachten pflegt. Es kam zu unvollständigen Sätzen, in denen die eigentliche Bezeichnung fehlte, und zu Tätigkeitsantworten, Vormachen der Bewegungen und Äußerungen, daß Pat. den Gegenstand kenne, es aber nicht sagen könne und ähnlichem, z. B. bei Schere; „Das ist . . . na . . . ach Gott . . . da, ich weiß es schon . . . ich kann schneiden . . . ich kann es nicht sagen." Dabei nahm sie die Schere in die Hand und machte richtige Bewegungen damit. Sie hatte den Gegenstand also erkannt. Auch verbale Paraphasien waren zu verzeichnen. Pat. sagte zu Federhalter „Da will ich schreiben, ich kann es nicht sagen . . . eine T i n t e " . Auch literale Paraphasien wurden beobachtet, z. B. E r m e r statt Eimer, A t t e l statt Apfel. Von einem eindeutigen Überwiegen der literalen gegenüber den verbalen Paraphasien oder umgekehrt kann man nicht sprechen. Die g r a m m a t i s c h e n L e i s t u n g e n wiesen ebenfalls Störungen auf. Teilweise wurden kurze geläufige Sätze richtig gesprochen. Manche Sätze blieben aber unvollständig, und zwar wohl im wesentlichen infolge wortamnestischer Störungen. Spezifisch grammatische Worte waren von der Amnesie nicht bevorzugt betroffen. Von einem Agrammatismus kann man daher nicht sprechen, zumal die Störung auch keineswegs hervorstechend war. Dagegen fielen Paragrammatismen in etwas größerer Zahl auf, z. B. „Es war mir alles irr", „Das ist ein paar Wochen g e h a b t " . Die m u s i s c h e n L e i s t u n g e n ließen keine Störungen erkennen.

B d

-3.

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ARCHITEKTONISCHE

UNTERSUCHUNGEN

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Das L e s e n von Buchstaben war nur wenig beeinträchtigt. Worte wurden dagegen meist literal-paraphasisch gelesen. Daß besonders die rechte Hälfte der Worte nicht gelesen wurde (Kamel = tarn, Strumpf = tren) könnte im Zusammenhang mit dem einmal beobachteten Vorbeihalbieren nach links als Hinweis auf eine Hemianopsie nach rechts betrachtet werden. Sicher beweisen läßt sich dies aus den vorliegenden Befunden jedoch nicht. Auch das S c h r e i b e n wies literale Paraphasien auf. Die Zahlenreihe konnte mit Verzögerung richtig geschrieben werden. Das Wort Fenster .wurde richtig nachgeschrieben, das Wort Tisch als „disch", so wie sie es auch las. Zahlen wurden einfach kopiert, ohne daß sie mit Verständnis gelesen wurden. Apraktische Störungen lagen nicht vor.

Ti tsep.l

Tz

Abb. 88. (111,138).

Abb. 89. (111,171).

K ö r p e r s e k t i o n : Starke Stauung aller Organe. Sehr fettreiches Herz, starke Dilatation der Ventrikel, zahlreiche gelbe Intimaflecken in den Coronararterien, Mitralklappen erheblich geschrumpft mit verdickten Rändern. Ektatische Aorta. Beginnende Arteriosklerose der Nieren. Lungenemphysem. G e h i r n s e k t i o n : Mäßige Sklerose der basalen Gefäße. Äußerlich kein Herd erkennbar. Oberes Ende der rechten Fissura parieto-occipitalis klafft, sonst keine Atrophien sichtbar. B e s c h r e i b u n g von S c h n i t t e n der M a r k s c h e i d e n s e r i e Linke Hemisphäre: Abb. 88. Der Schnitt liegt kurz hinter dem oralen Beginn des Schläfenlappenherdes, noch unmittelbar vor dem Beginn der Ttr 1. Erweicht ist die Rinde der Subregio separans lat. auf der Dorsalfläche. Der Herd geht noch nicht auf die Laterälfläche der T l über. Die Rinde ist nicht eingesunken. Ein nennenswertes Übergreifen auf das Eigenmark besteht nicht. Abb. 89. Der Schnitt verläuft durch die orale Ttr 1, deren Rinde und Eigenmark eine frische Erweichung aufweisen, die medialwärts ein wenig auf die Rinde des äußeren Feldes der Separans medialis übergreift. Lateral ist das Feld tsep. 1. p. in Rinde und Eigenmark betroffen, und zwar jetzt nicht nur auf der Dorsal-, sondern auch auf der Lateralfläche.

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Journal für H i r n f o r s c h u n g

Abb. 90. Die Tirl ist nur noch an ihrem lateralem Abhang erweicht. Die Ttr2 ist dagegen in ihrer Rinde vollständig und in ihrem Eigenmark teilweise von dem Herd ergriffen. Der Herd geht auf die Lateralfläche der T1 (tpartr) über. Abb. 91. Man sieht auf der Dorsalfläche anstelle des üblichen Planum temfi. hier eine dritte Querwindung, die von dem Feld tpartr. s gebildet wird. Dieses ist herdfrei. Lateral davon sind das Feld t p a r t r . p und am unteren Abhang das Feld tpartr. pf völlig erweicht. Der Herd greift etwas über die ¡¡i-Furche ventral hinaus und zerstört Teile des Feldes tmag. d. s. Medial der ¿/-Furche reicht ^^L . -.j^felf d e r Herd ins tiefe Mark und erreicht eben den

Abb. 90. (III, 280).

Abb. 92. Die Fiss. Sylvii hat bereits geendet. Der Rest der T 1 mit dem Feld tpartr. p ist in Rinde, Eigen- und tiefem Mark zerstört. Dorsalwärts geht der Herd ein wenig auf 89 t über. Ventral ist das obere Feld der Subregio magna caudodorsalis betroffen. Medialwärts sind die Strata sag. ext. und int. unterbrochen, während das Strat. sag. med. (Tapetum) noch erhalten ist. Das tiefe Mark ist in sehr viel stärkerem Maße in Mitleidenschaft gezogen als auf den zuvor beschriebenen, weiter oral gelegenen Schnitten. T o p o g r a p h i e der Herde Stirnhirn

tmag.ds

A b b . 91. (IV, 139).

L i n k s : Ein stecknadelkopfgroßes Rindenherdchen in der orbitalen F 3. 2 winzige Herdchen in der F2. R e c h t s : Linsengroßer Cysticercus in der Rinde der F 2 . 2 kleine Rindenherdchen von je 2 mm Durchmesser in F 2 . Z e n t r a l w i n d u n g e n und innere K a p s e l L i n k s : An der Grenze von mittlerem und oberem Drittel der Cp finden sich 2 stecknadelkopfgroße Rindenherdchen, die zu einer narbigen Einziehung der Rinde geführt haben. Die beiden Herdchen liegen einander in den Lippen einer Furche direkt gegenüber. Auf gleicher Schnitthöhe findet sich in der C/»-Rinde weiter oben ein fleckförmiger Faserausfall von 3 mm Ausdehnung. Die 3 genannten Herde betreffen die Felder 69 und 67. R e c h t s : o. B. Schläfenlappen

Abb. 9 2 . (IV, 231).

L i n k s : Kurz vor der Mitte der Längsausdehnung der Regio separans beginnt ein Rindenherd auf der Dorsalfläche (Abb. 88), der hier gelegene Anteile der tsep. 1 und bald auch

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ARCHITEKTONISCHE

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UNTERSUCHUNGEN

das äußere Feld der tsep. m betrifft. Wenig weiter caudal greift der Herd auch auf die Lateralfläche der T l über. Dagegen bleibt der untere Abhang der T l mit dem Felde tsep. 1. pf verschont. Auch das Eigenmark wird jetzt etwas von der Erweichung ergriffen. Sobald Ttr 1 erscheint, wird diese in Rinde und Eigenmark in den Herd einbezogen (Abb. 89). Das gleiche gilt für die Ttr 2 und die tpartr. Etwa in der Mitte des Verlaufes der Ttr 1 läßt der Herd die Kuppe der Ttr 1 wieder frei und beschränkt sich auf die beiden Abhänge der Windung. Schließlich sind nur noch die unteren Teile des lateralen Abhanges betroffen (Abb. 90). Das letzte Drittel der Ttrl ist / \ j m j \ herdfrei. Von der Ttr2 sind die oralen zwei Drittel der Rinde L—'1—J \ ganz und das Eigenmark zum l —n Teil von der Erweichung betroffen. Das caudale Drittel ist

Von der Regio paratransversa sind nur die in der tlFurche gelegene Area profunda und caudale Anteile der Area superior auf der Dorsalfläche erhalten (Abb. 91). Es hebt sich hier eine deutliche 3. Querwindung ab. Das Eigenmark der tpartr zeigt zwischen fleckigen Erweichungsbezirken auch mehr oder weniger erhaltene Markinseln. Kurz vor dem Ende der

^Hu'*«Jr**^^HB,'! sieht man einen kleinen Rindenherd in der laterobasalen Rinde des Stirnpoles in Feld 51. Ab Schnitt 10.'? zerstört ein Kontusionsherd die laterale Hälfte der Orbitalrinde (Feld 51) und ihres Eigenmarkes. An der Lateralfläche der Stirnhirnkonvexität sind leichte Aufhellungen in der Rinde von Feld 51 zu erkennen. Der Herd an der Basis dehnt sich bald weiter medialwärts aus und läßt nur eine schmale Windung unversehrt. Wenige Millimeter caudal ist aber bereits eine Verkleinerung des Herdes festzustellen. Der Gyr. rectus mit seinen Feldern 1 und 51 ist erhalten, während Feld 52 teilweise zerstört ist (Abb. 107). Im ganzen ist also die Schädigung der Orbitalrinde nicht sehr erheblich. An der Lateralfläche findet sich ein winziger Herd an der Kuppe der oberen vorderen pars triangularis der F3 (Feld 58) und ventral davon in einer Furche der pars triangularis ein weiterer Herd, dessen größte Ausdehnung I cm beträgt. Die pars operc. basilar. und asc. sind herdfrei. Zentral Windungen und innere Kapsel Beiderseits herdfrei. Schläfenlappen L i n k s : Kurz vor der Anheftungsstelle tritt ein Herd an der Lateralfläche auf, der die beginnende T2 in Rinde und Eigenmark zerstört. Es finden sich in dieser Höhe die Felder t m a g . d . a s und t m a g . d . aif. Der Herd greift etwas auf das tiefe Mark über und reicht auch in das Eigenmark der J. Schläfenwindung hinein, die hier von der Regio temp. separans gebildet wird, deren Rinde leicht aufgehellt ist. Auch die in der Furche verborgenen Felder t p . l und t p . v . if des ventralen Abhanges der beginnenden T 1 sind lädiert. Wesentliche Veränderungen in der Ausdehnung des Herdes treten in der vorderen Schläfenlappenhälfte nicht auf. Von der T 2 sind lediglich mehr oder weniger große Rindenanteile des ventralen Abhanges ( t m a g . d . a i f ) zusammen mit U-Fasern erhalten. Durch das Übergreifen auf das Mark der auf der Dorsalfläche liegenden Felder sind diese weitgehend von ihren Verbindungen mit anderen Hirnteilen abgeschnitten. Faserverbindungen bestehen im wesentlichen noch innerhalb der Rinde selbst und mittels U-Fasern. Dies gilt auch für den vordersten Teil der 1. Querwindung. Die zu dieser ziehenden Fasern der Hörstrahlung • sind zum größten Teil unterbrochen. An der Grenze der lateralen Regio separans zur Regio paratransversa geht der Herd von ventral her auf die laterale T1 über. Während

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von der Regio separans nur kleine caudoventrale Anteile betroffen sind, zeigt die Regio paratransversa schwere Zerstörungen. Ihre vordere Hälfte ist in Rinde und Eigenmark vernichtet (Abb. 105). Medial daran anschließend sind vordere Anteile der 2. Querwindung in Rinde und Eigenmark erweicht, während die I. Querwindung, deren Rinde und Eigenmark intakt sind, durch den Herdausläufer im tiefen Mark unterminiert ist, vor allem in ihrem lateralen Anteil. Die besonders an ihrem oromedialen Abhang aufsteigenden Fasern der Hörstrahlung (vgl. die myelogenetischen Untersuchungen von F l e c h s i g und P f e i f e r ) sind daher unversehrt (mit Ausnahme des zuvor beschriebenen vordersten Abschnittes der Ttrl). Die caudale Hälfte der Ttrl ist herdfrei. Dagegen tritt in der caudalen Hälfte der Ttr2 noch einmal eine schmale Rindenerweichung auf, die sich spaltförmig ins Eigenmark fortsetzt und dann medialwärts bis an den R a n d der Strata sag. zieht. In ihrem mittleren Drittel zeigt die tpartr eine Aufhellung von Rinde und Eigenmark. Caudal tritt dann noch einmal ein Herd im Bereich des Planum temporale bzw. am oberen Angulus der T 1 in Erscheinung. Betroffen ist hier das Feld tpartr. p. Medialwärts zieht ein Degenerationsstreifen bis an den R a n d der Strata sag. Auf caudalen Schnitten reicht er nicht mehr so tief. Das letzte Viertel der tpartr ist nicht lädiert. Völlig frei ist auch die t m a g . c d .

A b b . 109. a ) - c ) Fall Seuffert (Hen2). Architektonisches Herdschema. a) Dorsalfläche des linken Schläfenlappens. b ) Lateralfläche des linken Schläfenlappens und der unteren Zcntroparietalregion. c ) Lateralfläche des rechten Schläfenlappens und der unteren Zcntroparietalregion.

/¡5!)

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R e c h t s : An der Laterobasalfläche, und zwar am Übergang des Poles zur T2 liegt ein Herd, dessen größter Durchmesser gut 1 cm beträgt. Er zerstört Teile der Rinde und des Eigenmarkes von tp. v, tmag. d. as und tmag. d. aif. Kurz nach der Anheftungsstelle des Schläfenlappens in einer Höhe, auf der noch keine Querwindungsstruktur erkennbar ist, beginnt ein Herd auf der Kuppe der T2. Die Rindenoberfläche ist dort nur in 4 mm Ausdehnung beschädigt, während in den tiefen Schichten 5—7 der Herd sich auf eine Strecke von 15 mm ausdehnt. Betroffen sind die Felder tmag. d. aif, tmag. d. as und der Beginn von tmag. d. md. Der Herd bleibt weiter auf die Kuppe der T2 beschränkt (Abb. 108). In der Schläfenlappenmitte besteht nur noch eine leichte Rindenaufhellung, dann verschwindet der Herd. Im oralen Bereich des mittleren Drittels des Schläfenlappens sieht man zwei kleine Rindenherdchen in der T3, in Feld tmag. v. as. Ein Kontusionsherd typischer Gestalt mit keilförmigem Übergreifen auf das Eigenmark liegt auf der r«3-Kuppe im Bereich des mittleren Drittels ihrer Längsausdehnung in dem Feld tmag. v. pif. Die T 1 ist nur sehr wenig betroffen. Ein winziges Rindenherdchen findet sich an der Lateralfläche der mittleren T 1 in dem Feld tsep, l.p (Abb. 108). Auf der Kuppe des caudalen Tl-Drittels in tpartr. p sieht man einen keilförmigen Kontusionsherd, dessen größter Durchmesser auf dem Frontalschnitt 6 mm beträgt. In der Sagittalachse besitzt er eine Ausdehnung von gut 1 cm. Insel Bds. frei von Herden. Scheitellappen L i n k s : Im Bereich des vorderen unteren Scheitelläppchens in einer Höhe, in der sich der Herd in der T 1 schon weitgehend verkleinert hat, sieht man auf der untersten Windung von Feld 88 einen kleinen Herd in der Rinde, der nur minimal auf das Eigenmark übergreift (Abb. 106). Ein sehr schmaler Degenerationsstreifen ist 1 cm medialwärts zu verfolgen. Der Herd zeigt in der sagittalen Achse eine Ausdehnung von gut 1 cm und reicht etwas in das Unterfeld 891 hinein, das auch weiter caudal noch leichte Aufhellungen im Eigenmark erkennen läßt. Ein kleines Herdchen von wenigen Millimeter Durchmesser findet sich auf einer dorsalen Windung des unteren Scheitelläppchens in dem Unterfeld 89ip. R e c h t s : Im untersten Parietalläppchen und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schläfenlappen findet sich ein winziges Rindenherdchen in dem Unterfeld 89 t an der Grenze zu 88 p. Einen weiteren kleinen und keilförmigen Rindenprellungsherd sieht man auf einer Windungskuppe unterhalb der Interparietalfurche im caudalen Anteil des Unterfeldes 89 ip. Occipitallappen Bds. herdfrei. Lange Assoziationssysteme Bds. o. B. Striatum und Pallidum Bds. o. B. Thalamus und h y p o t h a l a m i s c h e G e b i e t e Das Corpus genic. med. ist links auf mehreren Schnitten stets etwas kleiner als das rechte. Seine Faserstruktur ist aber unauffällig.

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Mittelhirn und Brücke, Kleinhirn und Ventrikelsystem Frei von krankhaften Befunden. Histologisch Es handelt sich um typische meist keilförmige Kontusionsherde auf den Windungskuppen mit Umwandlung in Cysten.

Z u o r d n u n g der k l i n i s c h e n u n d a n a t o m i s c h e n B e f u n d e Die anfangs vollständige und später unvollständige S p r a c h t a u b h e i t mit literalen und verbalen Paraphasien sowie Amnesien ist zurückzuführen auf eine schwere Schädigung der l i n k e n ttr2 und tpartr bei wesentlich geringerer Läsion der t t r l . Von der ttr2 ist etwa die Hälfte in Rinde, Eigen- und tiefem Mark zerstört. Betroffen sind im wesentlichen die Felder ttr2. ae und pe. Die tpartr ist in ihrer vorderen Hälfte (vor allem Area tpartr. a) in Rinde und Eigenmark vernichtet. Ein weiterer kleiner Herd befindet sich am Ende des Planum temp. in der Area tpartr. s. Das noch erhaltene Mark der tpartr ist teilweise aufgehellt. R e c h t s liegt ebenfalls ein kleiner Herd in Rinde und Eigenmark der lateralen T1 (tpartr. p.) Ein Ausläufer des Kontusionsherdes unterminiert vordere Anteile der l i n k e n ttrl, die aber in ihrer Rinde intakt ist. Die hintere Hälfte der T2 ist beiderseits unversehrt. Die Zerstörung der vorderen Hälfte der linken T2 dürfte für die Aphasie ohne Bedeutung sein. Die schweren grammatischen Störungen (A- und Paragrammatismen) wird man mit der Zerstörung der vorderen Hälfte der linken tpartr in Verbindung bringen dürfen. Das erhaltene T o n v e r s t ä n d n i s hängt mit der in der Rinde unversehrten Ttrl und der zum größten Teil unbeschädigten Hörstrahlung zusammen. Fasern der Hörstrahlung sind nur im vordersten Anteil der Ttrl in Mitleidenschaft gezogen. Weiter caudal betrifft die Unterminierung nur laterale Anteile der Ttrl und läßt die am oromedialen Abhang aufsteigende Hörstrahlung unversehrt. Die s e n s o r i s c h e A m u s i e mit Störung der Melodienfindung und vielleicht auch des Melodienverständnisses könnte auf die Mitschädigung der Regio separans sowie mittlerer und vorderer Anteile der T2 zurückzuführen sein. Die Rindenschädigung der linken Regio separans ist nur gering, betroffen sind kleine Anteile der Areae tsepl. p und pf. Dagegen ist das Eigenmark in etwas stärkerem Maße lädiert. Im Bereich der Subregio separans medialis ist das Eigenmark zum größten Teil zerstört. R e c h t s findet sich ebenfalls ein kleiner Rindenherd in tsep. 1. Von der T2 ist l i n k s die vordere Hälfte in Rinde und Eigenmark zerstört. Es handelt sich um die Areae tmag. d. as, aif und md. Auch r e c h t s liegt ein Rindenherd in der vorderen T2, der etwas auf das Eigenmark übergreift. Die in der Regel bei sensorischer Amusie gegenüber der sensorischen Aphasie weiter vorn im Schläfenlappen gelegenen Herde haben H e n s c h e n z u

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der Auffassung geführt, der Schläfenlappenpol1) sei der Ort der sensorischen Amusie. Dies ist sicher nicht richtig. K l e i s t hat die HenschenscheLehre einer eingehenden Kritik unterzogen. Er unterscheidet eine Tontaubheit, eine Melodientaubheit und eine Musiksinntaubheit. Eine zentrale Tontaubheit wurde meist bei doppelseitigen Herden in den Querwindungen beobachtet. Die Melodientaubheit bringt K l e i s t mit Herden im mittleren Drittel der T 1 an der Einmündungsstelle der Querwindungen in Verbindung. Der Sitz von Herden bei der Musiksinntaubheit wird in der T 3 vermutet. Die nunmehr geklärte Faserarchitektur der Schläfenlappenrinde gestattet vielleicht einen weiteren Einblick. Die Nachbarschaftsbeziehungen von t t r l , tsep und vorderer T2 (tmag. d. as, aif und md) ähneln nämlich denen von ttr2, tpartr und hinterer T2 (vor allem tmag. cd und d. s), so daß die Vermutung nicht fern liegt, die erste Gruppe könne ähnliche Beziehungen zur Welt der Töne wie die letztere zur Welt der Sprachlaute haben. Die sensorische Amelodie könnte man dann mit der Schädigung der tsep und vorderen tmag. d in Beziehung bringen, während man Störungen der elementaren Tonauffassung bei Schädigung der ttrl erwarten müßte. In der Literatur findet man Angaben, daß die musikalischen Leistungen gegenüber den sprachlichen in stärkerem Maße rechts- bzw. beidhirnig angelegt seien. In unserem Falle finden sich Schädigungen in dem für die sensorische Amelodie als maßgeblich vermuteten Gebiet links sehr ausgeprägt und rechts nur in geringem Maße. Die Störung des Lesens und Schreibens ist lediglich sekundär durch die Störung der Lautsprache bedingt. Dem Fehlen eigentlicher alektischer und agraphischer Erscheinungen entsprechen die weitgehende Unversehrtheit beider Parietallappen in Rinde und Mark, die intakten Strata sag. sowie die völlig herdfreien Occipitallappen. Es liegen auch keine apraktischen und optisch agnostischen Erscheinungen vor. Die zeitweiligen affektiven Erregungen und vielleicht auch der Sprechdrang dürften durch einen etwas größeren Herd in Rinde und Eigenmark des rechten lateralen Orbitalhirns (Areae 51 und 52) sowie durch ein kleines Herdchen im linken lateralen Orbitalhirn (ebenfalls Area 51) mit bedingt gewesen sein. Das Zwischenhirn, insbesondere auch der Thalamus und die Endhirnganglien waren frei von Herden. Pathoanatomie und Pathophysiologie der Worttaubheit Die hier angeführten vier Fälle zeigen keineswegs eine einheitliche Symptomatologie. Sie entsprechen in groben Zügen dem Bild, das W e r n i c k e für eine corticale sensorische Aphasie für typisch hielt. Die Störung des Sprachverständnisses ist geringer als bei der zuerst geschilderten Gruppe der totalen 1

) P r o b s t (1899) äußerte sich noch etwas vorsichtiger: „ I n allen diesen Fällen, die bisher.beobachtet wurden, kann mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Lokalisation des Musikverständnisses in den vorderen Teilen der linken Temporalwindungen geschlossen werden."

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Sprachtaubheiten und auch als bei der reinen Sprach- (Laut-) Taubheit. Die elementare Lautauffassung erweist sich als nur gering beeinträchtigt, manchmal sogar als unversehrt. Im Mittelpunkt der Symptomatologie steht die Störung der Wortauffassung, die — wie schon W e r n i c k e erkannte — gesetzmäßig verbunden ist mit Paraphasien beim Sprechen. Im Gegensatz zu der Wortsinn- oder Namentaubheit werden die Worte nicht nur in ihrem Sinn nicht verstanden, sondern es ist schon die Auffassung der Lautfolge des Wortes erschwert. Während bei der Namentaubheit oder transcorticalen Aphasie die Worte wenigstens ohne Verständnis nachgesprochen werden können, ist diese Leistung bei den Worttaubheiten erschwert. Störungen auf grammatischen Gebiet sind weder gesetzmäßig mit der Worttaubheit verbunden noch gehen sie mit der Schwere dieses Syndroms parallel. Alle unsere Fälle von Worttaubheit waren mit Störungen des Lesens und Schreibens verknüpft, wenn auch im wechselndem Ausmaß. Bei dem uneinheitlichen klinischen Bild der Worttaubheit kann man nur eine grobe Übereinstimmung der Herdausbreitung erwarten. Erst der genaue Vergleich der bei den einzelnen Fällen vorliegenden Symptome wird weitere lokalisatorische Aufschlüsse geben können. Zunächst gilt es, ganz grob festzustellen, welche Regionen überhaupt bei der Worttaubheit geschädigt sind. Wenn man Herde mit einem Durchmesser unter 2 mm außer Betracht läßt, so war bei unseren Fällen in der dominanten Hemisphäre konstant nur die Regio temporalis paratransversa betroffen, während die Querwindungsregion lediglich bei 3 Fällen nennenswerte Läsionen aufwies. Die Subregio temp. magna caudodorsalis war nur in 2 Fällen in Mitleidenschaft gezogen, die Subregio magna dorsalis in 3 Fällen, die Regio temp. separans ebenfalls in 3 Fällen. Bedeutend war die Läsion der Regio temp. separans in keinem der Fälle. Der Scheitellappen war nie völlig herdfrei. In 2 Fällen war seine Beteiligung aber sehr gering. In den beiden anderen Fällen bestanden Teilzerstörungen der ventralen Unterfelder 89 t und 90 t, während andere Abschnitte nur unbedeutende Läsionen aufwiesen. Die beiden Fälle mit sehr geringer Schädigung des Parietallappens sprachen nicht besser nach als die anderen. Es dominiert somit bei der Worttaubheit, wie übrigens auch die Durchsicht der Fälle der Literatur erkennen läßt, ganz eindeutig die Schädigung der Regio temp. paratransversa auf den hinteren zwei Dritteln der e i g e n t l i c h e n lateralen T1 und dem Planum temp. — Den vordersten Abschnitt, oral der Regio separans rechnen wir nicht zur „eigentlichen T1", sondern zum Schläfenlappenpol, da er die für diesen typische Architektur aufweist. — Danach folgen die Querwindungen und die der T 1 benachbarten Abschnitte der T 2 (tmag. d und cd). Fraglich bleibt wie bei den Nachsprechaphasien die Bedeutung einer Beteiligung des unteren Parietalläppchens. Pappert kann als besonders typischer Fall einer Worttaubheit angesehen werden. Er weist in der dominanten Hemisphäre keine nennenswerte Läsion der Querwindungen auf. Dem entspricht klinisch das Fehlen einer Auffassungsstörung für Einzellaute, wie aus dem unversehrten Nachsprechen derselben hervorgeht. Der Fall unterscheidet sich klinisch und anatomisch damit deutlich

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von den zuvor besprochenen Fällen von Nachsprech- (Leitungs-) Aphasie. E r läßt, wie bei einer späteren Besprechung der Bedeutung der einzelnen Regionen noch gezeigt wird, gut erkennen, welches Gebiet der T 1 für das Syndrom der Worttaubheit entscheidend ist. Man hat sich lange gestritten, ob dies die hintere Hälfte, das 2. oder 3. Drittel sei, hat schließlich versucht, dieser Frage durch eine Viertelung und Fünftelung der T 1 näherzukommen, alles ohne ausreichenden Erfolg. Entscheidend ist, wie die architektonische Untersuchung der Schnittserien ergibt, die Regio temp. par (¡transversa, die sich durch ihre Architektur deutlich von der Regio temp. separans auf der vorderen T1 unterscheidet. Fall Buschhorn weist doppelseitige Läsionen in der Regio t p a r t r und linksseitige Herde in der Regio t t r auf. Bei ihm liegen im Gegensatz zu Pappert auch schon Störungen der Lautstufe vor. Entsprechend der geringen Größe der Herde in den genannten Regionen und der nur unbedeutenden Schädigung der T2 ( t m a g ) war das Sprachverständnis wenig beeinträchtigt. Schwer geschädigt waren dagegen die expressiven Leistungen. Die Erklärung für dieses Erscheinungsbild entspricht der bei der Nachsprechaphasie gegebenen. Fall Schmidt, bei dem alle sprachlichen Leistungen beeinträchtigt waren, zeigt in besonders eindrucksvoller Weise, daß selbst bei einer frischen größeren Läsion des linken Schläfenlappens das Sprachverständnis noch leidlich erhalten sein kann, während die expressiven Leistungen schwerere Störungen aufweisen. Über die Händigkeit der Patientin ist zwar nichts bekannt, man kann aber mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Latéralisation der der Sprache dienenden Hirnfunktionen nicht sehr ausgeprägt war. Aber auch diese Annahme erklärt nicht das Mißverhältnis zwischen der schwereren expressiven und der geringen rezeptiven Störung. Man muß mit L i e p m a n n und P a p p e n h e i m den Begriff des Sensorischen erweitern und auch auf die „Vorbereitung" des Sprechens ausdehnen. So allgemein und unbestimmt dieser Begriff sein mag, er stellt doch eine brauchbare Arbeitshypothese dar. Es zeigt sich, wie eng hier Sensorisches und Motorisches miteinander verknüpft sind. Eine so strenge Trennung zwischen beiden, wie sie früher durchgeführt wurde, ist sicher nicht möglich. Die für die „Vorbereitung" des Sprechens erforderlichen Funktionen der „sensorischen" Hirnregionen bedürfen noch einer sehr genauen klinisch-psychologischen Analyse, ohne die ein wesentlicher Fortschritt kaum zu erzielen sein wird. Bestrebungen in dieser Richtung sind aber über Ansätze noch nicht hinausgekommen und bieten für die pathologischanatomisch ausgerichtete Forschung in der Hirnpathologie zum jetzigen Zeitpunkt noch keine genügend tragfähige Grundlage. Alle sprachlichen Leistungen waren auch beim Falle Seuffert (Hen 2) geschädigt. Das Sprachverständnis war hier mehr betroffen als im Falle Schmidt. Da der Herd aber in dem entscheidenden Gebiet keinesfalls größer war als bei Schmidt, muß man eine stärkere Latéralisation der der Sprache dienenden Funktionen bei Seuffert annehmen. Das „Resthirn" bei Seuffert war nämlich gut erhalten und hätte sonst die notwendigen Funktionen besser übernehmen können.

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Die grammatischen Störungen, die in 3 unserer Fälle von Worttaubheit bestanden, seien später im Zusammenhang besprochen. Die Betrachtung der Worttaubheiten zeigt unverkennbar, daß die in diesem Kapitel beschriebenen Fälle nur eine sehr lockere Gruppierung darstellen. Als gemeinsames Merkmal weisen sie eine besondere Störung der Wortstufe auf. Betroffen sind aber meist fast alle sprachlichen Leistungen. Man kann die Worttaubheit von den anderen Formen mehr negativ als positiv abgrenzen. Die sog. Worttaubheiten sind nicht mit einer mehr oder weniger vollständigen Aufhebung aller sprachlichen Leistungen verbunden wie die totalen Sprachtaubheiten; sie zeigen keine so schwere elementare Störung wie die Lauttaubheiten und sie sind nicht so fein und umschrieben wie die Namentaubheiten und amnestischen Aphasien. Geschichtlich gesehen war es so, daß zuerst die Worttaubheit beschrieben und später die Sonderformen ihr an die Seite gestellt wurden. Der Ausdruck Worttaubheit stammt von K u ß m a u l (1879), der auch den Terminus Wortblindheit prägte. Die von K l e i s t für die Worttaubheit aufgestellte Symptomentrias: Lautfolgetaubheit, Lautfolgeparaphasie und Lautfolgeamnesie kann man bei allen unseren Fällen finden. Man hätte nur hinzuzufügen, daß auch die Worte als Ganzheiten und nicht nur als Lautfolgen in dieser dreifachen Weise betroffen sind. Literale Paraphasien überwogen gegenüber verbalen bei den Fällen Pappert und Buschhorn ganz erheblich, bei Schmidt angedeutet, während bei Seuffert infolge unzureichender Untersuchungsprotokolle eine sichere Differenz zwischen diesen beiden Arten von Fehlleistungen nicht behauptet werden kann. Es ist gut verständlich, daß der Schwerpunkt der Läsion bei den Worttaubheiten nicht in der Regio ttr, der Stätte der elementaren Ton-, Geräuschund Lautempfindung, sondern in deren unmittelbarer Nachbarschaft, in der Regio tpartr liegt. Auch Gegner einer Lokalisationslehre werden wohl schwer der Ansicht widersprechen können, daß die mit der Hörstrahlung in die corticale Hörsphäre im Bereich der Querwindungen einstrahlenden Reize zunächst in der Nachbarschaft, und das ist architektonisch gesehen die Regio tpartr, weiter verarbeitet werden. Daß von dieser Stelle aus das Bild der Worttaubheit oder sog. corticalen sensorischen Aphasie entsteht, entspricht der Erwartung und kann durch die Befunde als belegt gelten. Je weiter die Läsion von der primären Rindenendstätte der Hörstrahlung entfernt liegt, um so leichter, feiner und differenzierter werden die sprachlichen Störungen. Man denke etwa an die amnestische Aphasie und an die sog. semantische Aphasie. H e n s c h e n hat bereits auf Grund eines großen Literaturmaterials überzeugend nachgewiesen, daß eine Worttaubheit bei Läsion des mittleren und hinteren Drittels der T 1 auftritt. Er fand einen einzigen Fall (404, Grasset et Rimbaud), bei dem eine auf das hintere Drittel der T 1 begrenzte Läsion keine „Sprachtaubheit" hervorrief. Allerdings lagen Paraphasien und eine amnestische Aphasie vor. Auch war die Rindenläsion in diesem Falle nicht sehr groß, sie betrug 2 cm im Durchmesser (1 Franc). In der Tiefe reichte der Herd bis an das Hinterhorn. Bei dem Alter von 42 Jahren erscheint es nicht verwunder-

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lieh, daß die erhaltenen Teile des linken zusammen mit dem rechten Schläfenlappen ein Sprach Verständnis ermöglichten. K l e i s t wies darauf hin, daß es bedeutsamer sei, festzustellen, an welcher Stelle der T1 im Bezug zur Einmündung der Ttrl sich ein Herd finde, als anzugeben, ob es sich um dieses oder jenes Drittel, Viertel und Fünftel handele. E r unterschied im Hinblick auf die Einmündung der Ttr einen praetransversalen, transversalen und posttransversalen Abschnitt der T l . Noch wichtiger erschien es K l e i s t , das betroffene architektonische Feld anzugeben., Architektonisch untersuchte Fälle lagen damals aber noch nicht vor. Es ist schon lange bekannt, daß zu der Region, deren Schädigung eine Worttaubheit hervorruft, auch das Planum temporale gehört. Das ist jetzt besser verständlich, nachdem myeloarchitektonisch geklärt wurde, daß dieses Gebiet zusammen mit den beiden caudalen zwei Dritteln der lateralen T 1 eine gemeinsame Region, nämlich die Regio temp. paratransversa bildet. Dies stimmt auch mit den cytoarchitektonischen Ergebnissen überein. Auch B r o d m a n n läßt sein die laterale T1 bedeckendes Feld 22 auf das Planum temp. übergehen, das gleiche gilt für das Feld T A von v. E c o n o m o und Koskinas.

Wortsinn — (Namen-) Taubheiten Fall 14: 24. 7. 1923.

K l i n g e l h ö f e r , geb. 1857. Nervenklinik Frankfurt 2 6 . 6 . bis

V o r g e s c h i c h t e , (nach Angaben des Schwiegersohnes): Sei früher gesund gewesen, vor dem Kriege Althändler, später Hausierer. Im Februar 1923 sei er auf Glatteis gefallen, danach habe sich sein Zustand verschlechtert. Bis vor 8 Wochen sei er noch tätig gewesen, habe sich dann aber mit dem Geld nicht mehr ausgekannt, sei übervorteilt worden. Seit derselben Zeit bestünden nächtliche „Anfälle". Er habe dabei Schaum vor dem Mund, schlage um sich, spreche laut vor sich hin, sei verwirrt, aber nicht bewußtlos. Auch sonst rede er viel und wiederhole sich oft. V e r h a l t e n bei der A u f n a h m e : Pat. zeigt eine delirante Unruhe mit einem lebhaften einförmigen Rededrang. „Wir sind Gott sei Dank gesund. Mein Name ist Klingelhöfer. Ich bin ein strammer Mann. Mein Vater war ein tüchtiger Soldat". Die Sprache ist etwas undeutlich. Pat. führt pathetische Bewegungen mit den Händen aus. „Ich wohne Herderstraße 6 . . . kommandomäßig . . . ich war Soldat, mein Vater war ein kräftiger Soldat . . . die sind auch gut bezahlt worden. Blattwitz, wir wollen die Soldaten sprechen. Du sprichst mit mir per Sie. Da ist der Name Gold wert". Auf die Frage nach seinem Alter: „Sie sind gewiß Patient, ich darf doch um Ihren Namen bitten. Wir können heute Abend ein Schüppchen trinken." „Betrachten Sie mich, daß ich ein strammer Mann bin, Gott sei Dank, das hat Geld gekostet, als Wilhelm I. den Napoleon durchgemacht hat". Orientierung: (Wo hier?) „Nun, mein Fräulein". (Sehen Sie mich doch an!): „Na, dann sind Sie ein Herr . . . da ist doch Frl. W.". Pat. läßt sich auf Fragen nicht fixieren, fährt in seinem einförmigen Rededrang fort. Er zeigt eine iterative Bewegungsunruhe, reibt die Hände oft und lange aneinander.

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Neurologischer Befund Pupillen mittelweit, reagieren nicht sehr ausgiebig auf Licht und Convergenz, schaut immer geradeaus. (Blicklähmung?), fragliche Hemianopsie nach rechts, Facialis o. B . Zunge weicht etwas nach links ab. Keine Lähmung der Extremitäten, aber allgemeine Steifigkeit in den Gliedmaßen. P S R und A S R bds. lebhaft, keine pathologischen Reflexe. B D R fehlen. Der h i r n p a t h o l o g i s c h e B e f u n d sei im folgenden systematisch dargestellt, da während des ^wöchigen Klinikaufenthaltes keine wesentliche Änderung zu verzeichnen war. Sprach Verständnis 1. für Aufforderungen: (Geben Sie mir die linke Hand) Befolgt die Aufforderung nicht, sagt „ 0 , Gott sei Dank die linke, so Gott will". (Rechte Hand ans linke Ohr) Keine Reaktion, nach Wiederholung der Aufforderung: , , 0 bitte sehr, rechte Hand ans linke Ohr", hat die Aufforderung anscheinend ohne Verständnis nachgesprochen, reibt die Hände einförmig aneinander. (Zunge zeigen) „Das ist nicht galant." (Augen schließen) Befolgt die Aufforderung nicht. Redet etwas ganz anderes vor sich hin. 2. für Fragen: (27. 6.) (Wie geht es?) „O, der Name." (Sind Sie krank?) „ 0 , ich bin krank, aber daß ich gesund bin, ich kann nimmer noch mit allem sterben." (Warum liegen Sie im Bad?) „Ist hier ein Bad? Ich bitte sehr." 10. 7. (Sind Sie Schuhmacher?) Bejaht dies lebhaft. (Sind Sie schon über 20 Jahre?) „Das glaube ich. Sie, Herr Sanitätsrat, sind auch ein alter Herr." Orientierungsfragen: (Wo hier?) „Momentan, meine Wenigkeit, bei meiner Tochter, ich wohne Herderstraße 6. Mein Name ist Klingelhöfer." (Im Krankenhaus?) „Es scheint so etwas zu sein." (Krank?) „ J a , ich brauche Hilfe. Ich habe eine gute Haut." (Wie lange hier?) „ J a , das sind schon ein paar Jahre." 13. 7. (Wo hier?) „ J a , ich bin hier . . . ordnungsmäßig. Klingelhöfer ist mein Name . . . die ganze Gasse . . . das sind sämtliche Damen und Herren . . . o bitte." (Was für Herren sind hier?) „Lauter Geschwister . . . entschuldigen Sie, Klingelhöfer ist mein Name . . . 2 Schwestern sind von meiner Persönlichkeit . . . ich schlafe schon, ich will Ihnen gern erstatten . . . komplett machen." 3. Für Namen von Gegenständen (Zeigen im Bilderbuch): Besen: Zeigt auf Baum, sagt: „Ist es das?" Handbesen: „Ich habe es gehabt. Es sind manchmal Worte, die man nicht h a t " , zeigt richtig. Trommel: Sagt Schulhaus und zeigt dies auch. Leuchter: „Den werden wir finden, ich faß' das gleich, der Leuchterhalter. Ich fasse manchmal etwas nicht. Wir werden es schon kriegen." Findet ihn aber nicht. Kerze: „Ich verstehe", zeigt sie nicht. Richtig gezeigt werden Schulhaus, Baum, Stahlfeder, Löffel, Messer, nicht dagegen Handschelle, Kanone, Geige, Segelboot, Windmühle, Fahne, Küchenmesser. Mitunter spricht er die Aufforderung verbal-paraphasisch nach, sagt z. B. statt Kanone Gewehr und statt Geige Spielvergnügen. 10. 8. Trommel: „Das ist etwas für den Kaiser." Helm: „Das ist etwas für den Kaiser." Stahlfeder: + . Geige: Zunächst ratlos, sagt aber schließlich: „Das ist etwas zum Spielen." Offenbar sind außer der Beeinträchtigung des Sprachverständnisses auch optische Störungen bei den Fehlleistungen im Spiele, wenn er z. B. statt auf den Schiffsanker auf die Stahlfeder zeigt, diese richtig bezeichnet und nach nochmaliger Aufforderung, den Schiffsanker zu zeigen, sagt: „Ich sehe keinen." Spontanspräche Meist recht einförmig, zahlreiche Höflichkeitsfloskeln enthaltend, zeitweiliger Rededrang. „Wie geht es Ihnen, bitte sehr, danke schön . . . der Name ist da . . . Klingelhöfer, Gott sei Dank, bitte sehr . . . der geht mir verloren. Mein SchwiegerV o g t , Hirnforschung, Bd. 3, Heft 4 - 6

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söhn, bitte sehr, aber anständig . . . ordnungsmäßig . . . strammer Soldat." „Ich danke Ihnen meine Herren für Ihr Entgegenkommen, daß ich als alter Kerl manche Stunde erlebt habe." „Meine Frau heißt Klingelhöfer. Meine Tochter ist eine saubere Person. Danke bestens für die Zukunft. Die Frau Klingelhöfer war nur eine stolze Siegerin . . . wenn es heißt Ordnung, muß man eine stolze Religion zeigen. Auch, da sagt sie, der Vater war auch ein sauberer Mensch. Du hast eine saubere Mutter." „Herr Doktor, ich bin doch hier bekannt." Mitunter gerät er ins Konfabulieren, so erzählt er auf die Frage, was er am Sonntag gemacht habe, er sei mit seinem Freund beim Apfelwein gewesen usw. Ein andermal sagt er, er sei gestern mit seiner Tochter in Bockenheim spazieren gegangen. Literale Paraphasien treten in der Spontansprache nur einmal auf (Blattwitz statt Potzblitz), gelegentlich fallen ihm Namen nicht ein und werden dann manchmal durch verbale Paraphasien ersetzt. Dies ist aber nicht häufig. Öfters werden dagegen falsche Wortzusammensetzungen beobachtet wie „Kommandomäßig, ich war Soldat ordnungsmäßig", oder Geige = „Spielvergnügen". Das S p r e c h e n wird einmal in der Krankengeschichte als verwaschen bezeichnet. N a c h s p r e c h e n : Kaffeetasse = „Haben Sie mir etwas gesagt? Ich bin gleich da." Kaffeetassee + . Schnupftabakdose +• Selterswasserflaschenverschluß +• Schnapsflasche + . Lila Lampenschirm + . Zwetschgenschnaps + . Dampfschiffschleppschiffahrt = „Zwetschgenfahrt". Benennen, zugleich optisches E r k e n n e n : 27. 6. (Stiefel): „Augenblick". (Kann das ein Stiefel sein?): „Gewiß, o bitte sehr, das kann ein Stiefel sein, ich bin gelernter Schuhmacher." (Kann es auch eine Kaffeekanne sein?): „Gewiß, o bitte sehr, das kann eine Kaffeekanne von meiner Tochter sein." Tausendmarkschein: O.Schlüsselbund: „Ichspreche viele Sprachen." (Sind das Schlüssel?) „ E i sicher." (Kann es auch ein Taschentuch sein?): „Aber sicher." 6. 7. Bleistift: „Das werde ich gleich haben", erzählt dann etwas von seiner Tochter. Auf erneutes Fragen: „Das ist eine Uhr." (Wie spät?): „Vier Uhr." (Nein später!) Zählt bis 9. (Noch mehr!). „ E i der Teufel, schon 10 Uhr." (Wieviel Stunden gibt es?): „12". Taschentuch = + . Schlüssel = + . Sicherheitsnadel = 0 . (Knopf?): „ J a " . (Sicherheitsnadel?): „ J a , die ist es." Gewehr: „Ein Unrecht." Baum = + . Segelboot: „Werden wir bald haben, ob wir es noch bekommen können?" 13. 7. Schlüssel: Macht die Bewegung des Schließens, sagt dann „Schlüssel". Uhr: + . Kerze . . . „Gas". Hammer: „Ein Leuchter . . . Hammer". Streichhölzer: „Das ist . . . wenn man ansteckt". S a t z s p r e c h e n : siehe Spontansprache, Sprachverständnis und Benennen. F a r b e n e r k e n n e n und B e n e n n e n : 27. 6. Gelb: „O bitte sehr, einen Augenblick . . . das ist Religionsfarbe . . . Schwester, ich danke ihr bestens für Ihr Entgegenkommen." R o t : „Religionsfarbe (Perseveration), Augenblick entschuldigen." 6. 7. R o t : 0 , blau + . Braun: „Dunkel". Grün: „Auchso". Gelb: „Eine helle Farbe". R o t : „Scheint so". Lesen: 6. 7. Fisch: Liest das danebenstehende Wort „frisch". Fluß + , Jakob + , Kaufen: „Jakob . . . kaufen". Pauke + . Hund „Kirsche" (steht daneben) . . . „Nein Hund". Hirsch: „Frisch, Kirsch . . . Hirsch, so kann es höchstens heißen". Einen zusammenhängenden Text vermag er nicht zu lesen. Klingelhöfer +• Deutschland + . Schwätzer: „Das heißt wieder Deutschland". Sommer: Wird literal-paraphasisch gelesen etwa „Siadering . . . Teufel, ich muß den Namen herauskriegen".

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Schreiben: Von seinem Namen schreibt er auf Diktat die ersten Buchstaben „Klinge" immer richtig, dann sind meist nur einzelne Buchstaben noch lesbar, z. B. zwei ,,f". Andere Worte werden nicht geschrieben. Er perseveriert immer wieder den Anfang seines Namens. Praxie: 10. 7. I d e o k i n e t i s c h . Zunge zeigen: Streckt die Zunge heraus lind hält sie mit der linken Hand fest. Augenschließen: Richtet den Oberkörper halb auf, macht dann mit den Armen schlagende Bewegungen, schließt die Augen und legt sich wieder hin. Taktschlagen: Knipst erst mit den Fingern, führt dann einförmige Schleuderbewegungen mit den Unterarmen aus, die er in iterierender Weise eine ganze Weile fortsetzt, Kaffeemühledrehen Drehorgel: Wiederholt Bewegung des Kaffeemühlendrehens. Zigarre rauchen: Legt den Daumen auf den Zeigefinger, macht ausfahrende Bewegungen. 13. 7. Händeklatschen: Spreizt die Finger, spuckt hinein, auch nach Vormachen nur Reiben und Spreizen der Finger. Winken: Steckt den re. Zeigefinger in den Mund und macht mit der Ii. Hand eine Wurfbewegung. Kußhand: Steckt Zeigefinger und Daumen in den Mund, führt wieder eine Wurfbewegung aus. Eine Schere wird zwar „Messer" genannt, aber richtig gebraucht. I d e a t o r i s c h . Kerze anzünden: Nimmt ein Streichholz, steckt es an und läßt es abbrennen. Auch bei erneuter Aufforderung kommt er über die erste Teilhandlung nicht hinaus. Patient zeigt sehr lebhafte Ausdrucksbewegungen. Sein Reden begleitet er oft mit einförmigen iterativen Bewegungen wie Händereiben. Mitunter liegt er mit abgehobenem Kopf und steif seitwärts ausgestreckten Armen im Bett. Verlauf: Die anfänglich starke Unruhe läßt allmählich etwas nach. Am 19. 7. treten fieberhafte Durchfälle auf. Am 24. 7. verstirbt der Patient. Z u s a m m e n f a s s u n g und Beurteilung der klinischen Befunde Ein 66jähriger Mann, der früher angeblich immer gesund war, wird mit einer deliranten Unruhe u n d einem einförmigen Rededrang, die sich wenige Wochen zuvor eingestellt und allmählich gesteigert hatten, in die Klinik eingeliefert. Neurologisch finden sich lediglich eine fragliche Blicklähmung, eine zweifelhafte Hemianopsie nach rechts, ein Abweichen der Zunge nach links, fehlende B D R und eine allgemeine Steifigkeit der Gliedmaßen. Es wird eine Cerebralsklerose diagnostiziert. Der Patient war desorientiert. Die hirnpathologischen Untersuchungen wurden durch seine Unaufmerksamkeit, seinen einförmigen Rededrang und seine iterative Bewegungsunruhe erschwert. Seine Sprache war leicht verwaschen, aber immer verständlich. Die W o r t k l a n g a u f f a s s u n g war nicht sicher gestört, wie aus dem praktisch unversehrten N a c h s p r e c h e n geschlossen werden kann. Das W o r t s i n n v e r s t ä n d n i s war dagegen beeinträchtigt. Immerhin wurden die Mehrzahl der an ihn gerichteten Fragen ebenso wie die N a m e n von Gegenständen verstanden. Bei ausbleibendem Verständnis spielte manchmal seine Unaufmerksamkeit mit. Sicher war aber das Sprachsinnverständnis selbst auch gestört, wie aus Antworten wie „ich fasse manchmal 32*

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etwas nicht" oder „es sind manchmal Worte, die m a n nicht h a t " sehr schön hervorgeht. Das B e n e n n e n war infolge von Namenamnesien schwer gestört, verbale Paraphasien t r a t e n nur wenig auf und literale ganz ausnahmsweise. Die S p o n t a n s p r a c h e war sehr einförmig. Meist sprach er in wohlgebildeten Sätzen. Daneben wurden aber auch grammatische Störungen beobachtet. Diese bestanden in erster Linie in falschen Wortzusammensetzungen, d a n n folgten fehlerhafte Wortableitungen, A- und Paragrammatismen. Richtig gebildete Sätze überwogen aber gegenüber fehlgebildeten. Vielfach handelte es sich u m ein nichtssagendes Gerede und um erstarrte, der Situation nicht gemäße Höflichkeitsfloskeln. Auf sprachlichem Gebiet lag somit eine unvollständige W o r t s i n n t a u b h e i t (sog. transcorticale sensorische Aphasie der alten Nomenklatur) mit Namenamnesie, Namenverwechslungen und grammatischen Störungen vor. Worte wurden zum größeren Teil richtig g e l e s e n . Mitunter las er ein danebenstehendes Wort, was auf optischen Störungen hinweist. Ein Wort wurde literal-paraphasisch gelesen. Andere Male machten sich Perseverationen störend bemerkbar. Einen zusammenhängenden Text vermochte er nicht zu lesen. S c h r e i b e n konnte er nur die ersten fünf Buchstaben seines Namens, die er dann auch beim Diktat anderer Worte perseverierte. Auf o p t i s c h e m G e b i e t lagen eine partielle Farbenagnosie u n d Dingblindheit vor. Helligkeiten wurden richtig wahrgenommen. Des weiteren sind eine leichte ideokinetische und ideatorische A p r a x i e zu erwähnen. Einzelne Bewegungen wurden in stereotyp-iterativer Weise immer wiederholt. Die affektiven Ausdrucksbewegungen waren gesteigert. G e h i r n s e k t i o n : Basale Arterien geschlängelt und mit zahlreichen Einlagerungen versehen. Gehirn äußerlich gut erhalten, keine Erweichungen erkennbar. B e s c h r e i b u n g von S c h n i t t e n d e r S e r i e L i n k e H e m i s p h ä r e : Abb. 110. Der Schnitt verläuft kurz hinter dem oralen Beginn der Ttr 1 und gleichzeitig durch den Beginn der Schläfenlappenherde. Im

A b b . 110. (III, 66).

A b b . 111. (IV, 96).

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gemeinsamen Mark der T 1 unterhalb tpari liegt eine Erweichung von 2 x 1 mm Durchmesser. Feinestreifige Aufhellungen sieh t man im Eigenmark der 2" 2 ( t m a g . d). Die Rinde ist herdfrei. Zwei stecknadelkopfgroße Erweichungen liegen im Putamen. A b b . 111. Der Schnitt verläuft ein kleines Stück vor dem Ende der Fossa Sylvii. Die Ttr 1 ist an ihrer Wurzel getroffen. Die Ttr2 wölbt sich deutlich vor. Unterhalb der Ttr 1 liegt im tiefen Mark eine feine Aufhellung. Medial der t l Furche findet sich eine große Aufhellungszone im tiefen Mark, in deren Zentrum drei cystische Erweichungen erkennbar sind. Feine spaltförmige Erweichungen ziehen sich im Bogen vom Eigenmark der T3 in v den Fase. long. inf. hinein. In der Rinde der T4 (tlim) ist eine perivasculäre Erweichung von :L mm Durchmesser zu sehen. Abb. 112. Der Schnitt liegt hinter dem Ende der Fossa Sylvii. Es ist noch ein Rest der T 1 mit der typischen Struktur von t p a r t r . p zu sehen. Im Eigen- und tiefem Mark von T2 ( t m a g . cd) finden sich einige kleine Erweichungen. Eine größere Erweichung liegt im tiefen Mark in Höhe der T1 (tpartr). Sie durchbricht die Strata sag., die auch sonst fleckige Aufhellungen zeigen. Eine cystische Erweichung ist in den dorsalen Strata sag. zu erkennen, darüber noch eine kleine spaltförmige Aufhellung. Das gesamte tiefe Mark des unteren Parietalläppchens ist etwas aufgehellt. Rindenherde sind nirgends zu erkennen.

Abb. 113. (III, 69).

Rechte Hemisphäre: A b b . 113. Der Schnitt verläuft durch den oralen Beginn der Ttr 1 und gleichzeitig durch den oralen Herdbeginn im Schläfenlappen. Im gemeinsamen Mark der T 1 sieht man unter dem Grenzgebiet von tsep. m und tpari eine stecknadelkopfgroße Erweichung. Winzige Herde finden sich im gemeinsamen Mark medial des Furchengrundes der 11. Die Rinde ist herdfrei. Ein bandförmiger lateraler Bezirk des Putamen ist erweicht. A b b . 114. Die T1 geht in den Gyr. supramarg. über. Die Ttr 1 ist an ihrer

Abb. 114. (IV, 96).

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Wurzel getroffen. Die Ttr2 hebt sich als schmale Windung deutlich ab. Medial der UFasern des Furchengrundes von t l erkennt man eine leichte Aufhellung des tiefen Markes, von der ein schmaler spaltförmiger Herd in den Isthmus temp. zieht. Das tiefe Mark unter der T2 ( t m a g . d. s und p) und benachbarte Teile ihres Eigenmarkes sind ebenfalls aufgehellt und weisen eine streifige Erweichung auf. Im Zentrum des Pulvinar sieht man eine weitere kleinere Aufhellung. T o p o g r a p h i e der H e r d e Stirnhirn L i n k s und r e c h t s nur vereinzelte stecknadelkopfgroße Rindenherdchen. Das tiefe Mark ist teilweise ganz geringfügig aufgehellt.

Abb. 115. Fall Klingelhöfer. Architektonisches Herdschema.

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Zentralwindungen und innere Kapsel L i n k s : In mittlerer Höhe der Ca und Cp liegt im tiefen Mark an der Grenze zum Eigenmark eine spaltförmige horizontal verlaufende Erweichung, deren größter Durchmesser knapp 1 cm beträgt. Stellenweise sind das tiefe und das Eigenmark der oberen Ca- und C/»-Hälfte aufgehellt. Die Rinde der Zentralwindungen und die Caps. int. weisen keine Herde auf. R e c h t s : Vollständige Erweichungen sind nicht erkennbar. Es finden sich nur leichte Aufhellungen im Eigen- und im tiefen Mark. Rinde und Caps. int. sind herdfrei. I n s e l : Beiderseits herdfrei. S c h l ä f e n l a p p e n . L i n k s : Die Rinde weist keine Herde auf. Kurz vor der Mitte der Längsausdehnung des Schläfenlappens sieht man feine Aufhellungen im Eigen- und tiefen Mark der T2 (tmag. d.) (Abb. 110), die caudalwärts etwas gröber werden und sich auch ein wenig auf die T3 (tmag. v.) ausdehnen. Ein cystischer Herd, dessen größter Durchmesser auf dem Frontalschnitt 1 cm nicht ganz erreicht, liegt im gemeinsamen Mark unterhalb der ¿./-Furche (Abb. III). Er gewinnt seine größte Ausdehnung in einer Schnitthöhe, in der die Tl in den Gyr. supramarg. übergeht. Eine Fortsetzung des Herdes zieht ins Eigenmark der T2 knapp unterhalb von deren dorsalen Abhang (tmag. cd. s). Von dem Herd läßt sich ein medialwärts verlaufender Aufhellungsstreifen bis zur Gitterschicht des Thalamus verfolgen. Weiter caudal sieht man noch eine cystische Erweichung mit einem maximalen Durchmesser von 1 cm an der Grenze von tpartr. p und 89 t. Auch an der Grenze von t m a g . cd und 90 finden sich kleine cystische Herde im tiefen Mark. Des weiteren erkennt man im Eigen- und tiefen Mark inmitten der tmag. cd kleine Herde. Vom tiefen Mark der caudalen tlim und der tmag. cv zieht eine kleine spaltförmige Erweichung in die Strata sag. hinein. Die Dorsalfläche ist weitgehend von Herden verschont. Im gemeinsamen Mark der T l unterhalb der lateralen tpari findet sich ein kleines Herdchen. Weitere kleine Erweichungen sind an der Grenze von Eigenund tiefem Mark der t t r l . cl zu erkennen. Der früher beschriebene cystische Herd medial des Furchengrundes der tl reicht dorsalwärts auch in das tiefe Mark im Grenzgebiet zwischen t t r l und t t r 2 hinein (Abb. :I:L1). Leichte Aufhellungen und ein winziges Eigenmarkherdchen sieht man an der ttrl-Wurzel. Die Hörstrahlung wird durch die Herde nicht in Mitleidenschaft gezogen. Am meisten betroffen sind die Verbindungen zwischen T1 und T2 sowie die Verbindungen der T2 mit anderen Hirnteilen, soweit diese über den Isthmus temp. verlaufen (vgl. Abb. 1:11). R e c h t s : Die Herdbildungen sind denen der linken Hemisphäre nicht unähnlich. Die Rinde ist wiederum frei In der Nachbarschaft der t /-Furche beginnt ein Herd im tiefen Mark der Tl und T2 schon etwas weiter oral als links (Abb. 113). Der Schwerpunkt bleibt auch caudal immer im tiefen Mark medial der ¿J-Furche. Der Herd reicht dann etwas weiter ventral ins Eigen- und tiefe Mark der T2 (tmag. d) hinein. In der Tiefe gehen die Herde stellenweise auf die Strata sag. über. Kleine Herde finden sich im gemeinsamen Mark der T l . Nachdem die T l mit der tpartr geendet hat, liegen kleine Herde im tiefen Mark an der Grenze von t m a g . cd und 90t. Weitere kleine Herde finden sich inmitten von tmag. cd und in tmag. d. p. Die Dorsalfläche ist weitgehend herdfrei. Lediglich im gemeinsamen Mark unterhalb der tpari und tsep. m ist ein Herd zu erkennen, der in den Isthmus temp. hineinragt. Die Querwindungen und die Hörstrahlung sind völlig herdfrei. Scheitellappen L i n k s : Das tiefe Mark des unteren Scheitelläppchens (89 und 90) ist zu einem nicht unerheblichen Teil aufgehellt. Neben dieser Aufhellung finden sich einige vollständige Erweichungen, die häufig spaltförmig sind und deren größter Durch-

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messer 1 cm beträgt. Verschiedentlich sind auch kleine Herde im Eigenmark zu erkennen. Das obere Parietelläppchen ist nur wenig durch Markherde betroffen. Stellenweise reichen die Erweichungen in die Strata sag. hinein. R e c h t s : Ebenso wie links sind Teile des tiefen Markes aufgehellt. Es finden sich aber in reichlicherem Maße vollständige Erweichungen. Diese liegen vor allem im Eigen- und tiefen Mark zu beiden Seiten der ¿^-Furche im Bereich der Felder 86/87 sowie von 89 ip und 90 ip, außerdem im hinteren unteren Parietalläppchen (90). In der Tiefe sind die Strata sag. an mehreren Stellen von schmalen Aufhellungen durchbrochen.

a) Dorsalfläche des rechten Schläfenlappens

Abb. 116. Fall Klingelhöfer. Architektonisches Herdschema.

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Hinterhauptslappen L i n k s : Leichte Aufhellungen und vereinzelte kleine spaltförmige Erweichungen finden sich in Fortsetzung der Veränderungen des Scheitellappens auch im tiefen Mark des Hinterhauptslappens. Die Strata sag. sind weitgehend degeneriert. An der Basis liegen in Area 19 drei stecknadelkopfgroße Rindenherdchen. R e c h t s : Die Strata sag. sind nicht nur aufgehellt, sondern verschiedentlich von spaltförmigen Erweichungen durchbrochen. An einer Stelle liegt in ihnen eine cystische Erweichung von 6 mm Durchmesser. Das tiefe Mark außerhalb der Strata sag. zeigt nur unbedeutende Veränderungen. Lange Assoziationssysteme Bds. ist der Fase. long. inj. in seinen caudalen Abschnitten durch spaltförmiges Hineinreichen der tiefen Markherde stellenweise in Mitleidenschaft gezogen. Der Fase. arc. ist beiderseits weitgehend unversehrt. Er wird durch die Aufhellungen im tiefen Mark des unteren Parietalläppchens, die nur wenig auf das Eigenmark übergehen, kaum beeinträchtigt. Der Fase, uncin. ist bds. von den Herden und Markaufhellungen nicht betroffen. Striatum L i n k s : Vereinzelte bis zu 2 mm große Herdchen und winzige Criblüren im Put. Der N. caudatus ist besonders in seinem Kopfteil abgeflacht und enthält einzelne kleine Criblüren. R e c h t s : Kleine, meist stecknadelkopfgroße Herdchen und Criblüren im Put. In mittleren /^¿abschnitten ist ein 2 mm breites Band am ganzen lateralen Rand erweicht (Abb. 113). Einzelne kleine Criblüren findet man auch im N. caudatus. Pallidum bds. frei von Herden. Thalamus und h y p o t h a l a m i s c h e G e b i e t e . B d s . lediglich kleine Criblüren, deren Durchmesser nur selten 1 mm erreicht. Fleckförmige Faserausfälle bis 3 mm Durchmesser und kleine vollständige Erweichungen finden sich ebenfalls in verschiedenen Kernen, besonders im Pulvinar und in der Gitterschicht. Corp. genic. lat. und med. o. B. L i n k s spaltförmige Erweichung von 5 mm Länge im Corpus Luysi. M i t t e l h i r n u n d B r ü c k e . B d s . frei von Erweichungsherden. Lediglich einzelne starre Gefäße und geringfügig erweiterte perivasculäre Räume. Einzelne, nicht ins Gewicht fallende Faserausfälle. K l e i n h i r n frei von Herden. H i s t o l o g i s c h : Die wenigen mit den Meningen nicht entfernten Arterien zeigen verhältnismäßig leichte arteriosklerotische Veränderungen, teilweise aber eine deutliche Hypertrophie der Media. Letztere ist auch bei der Mehrzahl der intracerebralen Gefäßzweige zu beobachten. Die Erweichungsherde befinden sich teilweise im zweiten Stadium, teilweise im Übergang vom II. zum I I I . Stadium. Nur einzelne kleinere Herde haben das reine Cystenstadium schon erreicht. Z u o r d n u n g der k l i n i s c h e n und a n a t o m i s c h e n

Befunde

Die unvollständige Wortsinn- (Namen-) Taubheit mit Namenamnesien und Namenverwechslungen läßt sich ohne Zwang der beiderseitigen und ziemlich symmetrischen, rein subcorticalen Schädigung im Bereich der 11-Furche und der T 2 zuordnen. Die Hörstrahlung und ihre Rindenendstätte in der Regio t t r

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sind unversehrt, auch die Weiterleitung von den Querwindungen zur lateralen T l (tpartr) ist durch keinen Herd unterbrochen. Dem entspricht die ungestörte Laut- und Wortklangauffassung, wie sie sich in dem praktisch unversehrten Nachsprechen selbst schwieriger Worte kundgibt. Die für das Verständnis notwendige weitere Verarbeitung der Wortklänge in der T 2 und die für die expressive Leistung der Namenfindung erforderlichen ungestörten Verbindungen der T 2 mit anderen Hirnteilen sind jedoch durch Herdbildungen beeinträchtigt. Durch den Herd im tiefen Mark medial der ¿i-Furche sowie im Eigen- und tiefen Mark der hinteren T 2 werden die Verbindungen der Subregio t m a g . cd sowie der Felder t m a g . d. s und p mit der Tl (tpartr) und zu anderen Hirnteilen, soweit sie durch den Isthmus temporalis verlaufen, beeinträchtigt. Durch keine Herde gestört sind daher nur die Verbindungen der hinteren T2 mit dem Occipitallappen und teilweise mit der T3 und T4. Da sich der Herd im Mark des Furchengrundes der tl caudalwärts nach dem Ende der Tl auf das tiefe Mark medial der Furche zwischen T2 ( t m a g . cd) und unterem Parietalläppchen (90) fortsetzt, sind nämlich auch die Verbindungen zum unteren Parietalläppchen nicht unversehrt. Der anatomischen Teilschädigung entspricht die nur unvollständige Störung des Namenverständnisses und der Namenfindung. Die Beeinträchtigung der Verbindungen zwischen tpartr und t m a g . d sowie cd dürfte auch für die leichten grammatischen Störungen verantwortlich sein, wie sie bei K l i n g e l h ö f e r in Form von falschen Wortzusammensetzungen und -ableitungen, A- und Paragrammatismen vorliegen. Die optischen Störungen wie partielle Farbenagnosie und Dingblindheit sind den Markherden in beiden Occipitallappen und der weitgehenden Degeneration der Strata sag. zuzuordnen. Die leichte ideokinetische und ideatorische Apraxie wird durch die Aufhellungen und verhältnismäßig kleinen Markherde in beiden unteren Scheitelläppchen erklärt. Die Perseverationstendenz, die stereotyp-iterativen Wiederholungen beim Sprechen und Handeln wird man den Durchblutungsstörungen der Stammganglien, die sich in mehreren kleinen Herden sowie einer Reihe von Criblüren kundgeben, zuordnen dürfen. Die gesteigerten affektiven Ausdrucksbewegungen wird man mit diffusen Schädigungen des Gehirns, insbesondere des Thalamus zusammenbringen können.

Fall 15: H i n t e r m a y e r , geb. 1850, Nervenklinik Frankfurt 30.6. bis 27. 10. 21. Der Fall wird hier nur stark gekürzt wiedergegeben, da er bereits von Kleist 1 ) mehrfach verwertet worden ist. Auf die sensorisch aphasischen Erscheinungen wurde damals von Kleist nicht näher eingegangen. Auch Beck hat den Fall nur in wenigen Zeilen abgehandelt. Eine architektonische Bearbeitung des Falles stand noch aus. Pat. wurde erstmals am 26. 11. 17 in die Med. Univ.- Klinik Frankfurt aufgenommen, nachdem er 5 Tage zuvor „die Sprache verloren hatte". Das Sprachver!) Mschr. Psychiatr. 52, 253-302 (1922). Gehirnpathologie S. 481, 591, 878ff, 1070ff., 1939.

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ständnis war erhalten. Es wurde eine motorische Aphasie diagnostiziert. Neurologisch fand sich eine zentrale Parese des rechten Facialis und Hypoglossus. Der Blutdruck betrug 165/100. Nach wenigen Tagen wurde der Pat. in das Siechenhaus verlegt. Aufzeichnungen über den dortigen Aufenthalt waren nicht auffindbar. Am 10. 12. 17 wurde er wieder nach Hause entlassen. Nach erneuten Schlaganfällen befand er sich zum zweiten Male dort vom 10. 9. bis 22. :L1. 18. Im Dezember 1919 trat ein neuer Schlaganfall auf. Am 4. 2. 20 wurde er mit einem fieberhaften Infekt zum dritten Male in das Siechenhaus eingeliefert. Der Blutdruck betrug 192/112. Neurologisch wurde eine rechtsseitige Reflexsteigerung mit positivem Babinski festgestellt. Auf sprachlichem Gebiet fiel der Pat. vor allem durch seine stereotyp-iterative Redeweise auf. „ J a " und „Nein" wurden sinngemäß verwendet und meist mehrmals wiederholt. Oft verfiel er in die Aufzählung der von ihm 1870/71 mitgemachten Schlachten. Er fluchte öfter „Himmel Herrgott Sakrament". Die Zahlenreihe wurde bis 10 auf deutsch und französisch richtig aufgesagt. Das Sprachverständnis erwies sich als nur sehr wenig beeinträchtigt. In der Krankengeschichte sind ferner Zwangslachen und Zwangweinen, übertriebene affektive Äußerungen und sehr lebhafte Gebärden vermerkt. Am 30. 6. 21 wurde der Pat. in die Nervenklinik verlegt. N e u r o l o g i s c h fand sich eine spastische Hemiplegie rechts mit Kontrakturen, Reflexsteigerungen, Kloni und Pyramidenbahnzeichen, links eine Steifigkeit. Seine S p o n t a n s p r a c h e war sehr einförmig und bestand nur aus wenigen Worten. Diese waren „ J a , ja, ja", „Nein, nein, nein", „gut", „Herrgott Sakrament", „Guten Morgen". Sehr oft verfiel er in die französische Zahlreneihe, häufig auch in „Orléans, Paris, Franzos". Bei längerem Reden wurden seine Äußerungen infolge einer zunehmenden Dysarthrie immer schwerer verständlich. Ein S a t z s p r e c h e n kam nie zustande. Das N a c h s p r e c h e n war nur sehr wenig gestört. Die Buchstabenlaute wurden bis auf i und k nachgesprochen, auch das Nachsprechen mehrsilbiger Worte war ziemlich richtig, z. B. Tintenfaß und Wasserglas. Gelegentlich kam es aber auch zu literal-paraphasischen Entgleisungen, wie „Stuppen" statt Suppenteller, „Hans" statt Hals, teilweise mit Iterationen wie „Weswes kaskas" für Werkzeugkasten. Das B e n e n n e n war so gut wie aufgehoben. Ihm vorgesagte falsche Bezeichnungen lehnt er fast immer ab, die richtigen akzeptierte er. Das R e i h e n s p r e c h e n war zum großen Teil erhalten. Die deutsche und französische Zahlenreihe sagte er bis 10 auf, die Wochentage und Monate nur zur Hälfte, dann kam es teils zu literalen Paraphasien, teils zu einer Entgleisung in die von ihm immer wieder bevorzugte französische Zahlenreihe. Zum Hersagen des Alphabetes ließ er sich nicht anregen. Das S p r a c h v e r s t ä n d n i s war für Fragen nach seinem Namen und Beruf erhalten, ebenso für die Mehrzahl der Namen von Gegenständen. Bei der Prüfung durch Zeigen von Gegenständen im Bilderbuch war das Verständnis verzögert, gelegentlich blieb es ganz aus, mitunter kam es zu einem Zeigen falscher Bilder trotz richtigen Nachsprechens, z. B. bei Truthahn und Kirche. Bei Heuschrecke sprach er zuerst nach und zeigte dann erst. Bei Namen von Körperteilen war ebenfalls eine geringe Störung vorhanden. Manchmal fuhr er sich stereotyp mit der Hand über den Kopf, statt den betreffenden Körperteil zu zeigen. Es bestand eine völlige A l e x i e für Buchstaben und Worte, dagegen wurden bis zu dreistellige Zahlen, die auf einem Blatt vorgeschrieben waren, richtig gezeigt. Auf optischem Gebiet lag noch eine partielle F a r b e n b l i n d h e i t vor. An weiteren Störungen sind zu erwähnen eine linksseitige i d e o k i n e t i s c h e A p r a x i e (bei rechtsseitiger Hemiparese) und eine konstruktive Apraxie. Infolge der rechtsseitigen Lähmung war nur ein S c h r e i b e n mit der linken Hand möglich. Pat. schrieb eine Spiegelschrift, deren Buchstaben aber stark entstellt und nur ganz vereinzelt zu entziffern waren. Im Gegensatz zu der Buchstabenschrift war das Schreiben einiger Zahlen erhalten, wenn diese auch z. T. spiegelbildlich wiedergegeben wurden.

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Der linke Arm zeigte reaktiv eine expressive und zugleich iterativ-stereotype Bewegungsunruhe. Wenn man den Pat. ansprach, so verfiel er häufig in Bajonettierbewegungen, nicht viel seltener grüßte er zahllose Male militärisch, auch schlagende Bewegungen und Peitschenknallen wurden oft ausgeführt. Alle Ausdrucksbewegungen waren erheblich gesteigert. Auch Zwangslachen und Zwangsweinen wurden beobachtet. Eine wesentliche Änderung des Zustandes trat während des Klinikaufenthaltes nicht ein. Seine Äußerungen wurden wohl etwas einförmiger und sein körperlicher Zustand verschlechterte sich etwas. Am 27. 10. 21 verstarb der Pat. ganz plötzlich. K l i n i s c h e B e u r t e i l u n g . Es soll hier im wesentlichen die Störung auf sprachlichem Gebiet interessieren, da die anderen hirnpathologischen Erscheinungen schon anderweitig durch K l e i s t ausführlich beschrieben wurden. Im Vordergrund stand eine m o t o r i s c h e A p h a s i e . Der Wortschatz des an einer schweren Arteriosklerose mit einer rechtsseitigen Hemiparese leidenden Patienten war auf wenige Worte beschränkt, die in stereotyp-iterativer Weise vorgebracht wurden. Dabei verfiel er oft in ein Reihensprechen, besonders in das Aufzählen der französischen Zahlenreihe, die er bis ,,dix" noch beherrschte. Das Benennen war aufgehoben. Es bestand eine mäßige Dysarthrie. Neben diesen sprachmotorischen Störungen lag aber noch eine geringe Störung des Sprachverständnisses vor, sowohl für Namen von Gegenständen wie für solche von Körperteilen. Beeinträchtigt war im wesentlichen das Wortsinnverständnis, während die Wortklangauffassung nur wenig geschädigt war, denn Laute und Worte wurden zum größten Teil richtig nachgesprochen. Eine architektonische Untersuchung des Falles schien besonders deshalb lohnend, weil man nicht selten in der Literatur Hinweise findet, daß auch motorisch Aphasische eine leichte Störung des Sprachverständnisses aufwiesen. Es erhob sich die Frage, ob bei ausreichender Untersuchung solcher Fälle anatomisch wirklich nur die „motorische Sprachzone" oder auch die „sensorische Sprachzone" betroffen ist. G e h i r n s e k t i o n : Die Windungen der linken Hemisphäre sind mehr verschmälert als die der rechten. Links: besonders atrophisch sind der Fuß der Ca und der F3. Der untere Windungszug der F 2 und in geringerem Grade die obere F 2 sowie die ventrale Hälfte der Ca weisen eine granuläre Atrophie auf. Eine stärkere Atrophie zeigt die Cfi, besonders in ihren dorsalen Anteilen. Auch im Bereich der Cfi und der ¿^-Furche finden sich feine Herdchen und eine höckerige Oberfläche. Die ¿/»-Furche klafft stark. Eine etwa erbsengroße alte Erweichung liegt in ihrer oberen Lippe, eine etwas größere Erweichung sieht man im Gyrus supramarg. Die T 1 und die H e s c h l schen Querwindungen sind verschmälert. Das Übergangsstück der T3 in die 0 3 ist eingezogen, die Furchen klaffen hier. R e c h t s : Hemisphäre besser erhalten. Im oberen Parietalläppchen ist eine granuläre Atrophie zu erkennen. Die fic- und die ¿/»-Furche sind erheblich verbreitert. B e s c h r e i b u n g von S c h n i t t e n der Serie Linke H e m i s p h ä r e : Abb. 117. Der Schnitt verläuft durch den oralen Beginn der Ttr 1 (ttrl. ol), die ebenso wie die laterale T1 (tsep. 1. p) in ihrem Eigenmark von kleinen Erweichungen durchsetzt ist. Medialwärts zieht ein degenerierter Faserzug durch das Mark. Er unterminiert die tsep. m und tpari. Im Furchengrund von tl ist das gemeinsame Mark bis an das Stratum sag. ext. heran erweicht. Ein kleiner Herdausläufer

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zieht ein wenig in das Eigenmark der oberen T2 (tmag. d. as) hinein. Das übrige Eigenmark der T2 ist aufgehellt. Kleine Rindenherdchen finden sich in den Areae tmag. d. as und aif der T2. Der degenerierte Faserzug der T 1 setzt sich medialwärts, indem er sich verbreitert, in das untere Inselmark und das Claustrum hinein fort. Eine große cystische Erweichung zerstört den größten Teil des Eigenmarkes und des tiefen Markes der unteren Cp. Der Körper des Nc ist in einer Cyste aufgegangen, die etwas auf das dorsale Putamen übergreift. Eine kleine Cyste sieht man im Pall. lat. Die Caps. int. ist bis auf kleine ventrale Anteile völlig degeneriert. Der gesamte Thalamus ist hochgradig verkleinert und weist neben kleinen Erweichungen einen diffusen Faserausfall auf. Seitenventrikel und dritter Ventrikel sind erweitert. Abb. 118. Der Schnitt verläuft durch das Corp. gen. med. und das caudale Ende des Corp. gen. lat. Das Corp. gen. med. ist hier wie auf anderen Schnitten kleiner als auf der rechten Seite. Eine Ttr2 wölbt sich nicht vor. Ihre Entwicklung war anscheinend durch die starke Ausbuchtung des Operc. parietale behindert. Architektonisch ist die ttr2Struktur aber erkennbar. Die Ttrl ist kurz vor ihrer Wurzel getroffen und weist keinen Herd auf. In der Rinde der lateralen T1 (tpartr. a) liegt ein winziges Herdchen. Im rindennahen Mark der T 1 verläuft unten (tpartr. pf) ein schmaler Aufhellungsstreifen, der sich im Furchengrund zu einer cystischen Erweichung erweitert. Ein Teil desselben verläuft dann ventralwärts ins Eigenmark der oberen T2 (tmag.d.s.) Das umgebende Eigenmark ist aufgehellt. Die Strata sag. sind verschont. Ein weiterer Zug degenerierter Fasern läßt sich medialwärts bis in die Gegend des Corpus genic. med. verfolgen. Das Pulvinar ist verkleinert und faserarm. Es zeigt eine kleine spaltförmige Erweichung. Am besten erhalten ist die Gitterschicht. Der Hirnschenkelfuß und die Brücke sind links zum größten Teil degeneriert. Im tiefen Mark des unteren Parietalläppchens liegt eine cystische Erweichung, deren größter Durchmesser 15 mm beträgt. In der

Abb. 117. (IV, 67).

Abb. 119. (V, 85a).

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Rinde von Feld 88 sieht man mehrere kleine Herdchen. Der Seitenventrikel ist erweitert, der Balken verschmälert. A b b . 119. Die Fossa Sylvii ist kurz vor ihrem Ende getroffen, die Ttr 1 an ihrer Wurzel. Sie ist herdfrei. Die Ttr 2 wölbt sich ein wenig vor und ist ebenfalls unbeschädigt. Auch die R i n d e des übrigen Schläfenlappens weist keine Herde auf. Im Bereich der t p a r t r . pf am unteren Abhang der T 1 zieht rindennah ein feiner Aufhellungsstreifen durchs Eigenmark. Er geht wie auf dem vorangegangenen Schnitt (Abb. 1:1.8) in einen cystischen Herd im Furchengrund von t l über, zieht dann lateralwärts in das Eigenmark der oberen T2 ( t m a g . cd. s) hinein und medialwärts über den Schwanz des Nc hinweg. Im Eigenmark der T2 sieht man noch eine Gefäßlücke. Die cystische Erweichung im tiefen Mark des unteren Parietalläppchens ist ein wenig kleiner geworden. Das Pulvinar ist eben noch angeschnitten und zeigt keinen Herd. Die linke Balkenhälfte ist verschmälert und teilweise etwas aufgehellt. Die Präparate, die den folgenden Abbildungen zugrunde liegen, sind leider nur sehr schwach gefärbt. A b b . 120. Der Schnitt liegt unmittelbar Abb. 120. (V, 03 a). v o r dem Ende der Fossa Sylvii. Von der Ttr 2Wurzel ist noch ein kleiner Rest zu erkennen. / ' ^ r U n < ^ e C j 6 r F o s s a Sylvii findet sich eine

Hfip *

, Abb. 121. (VI, 100).

schichten über. In gleicher Höhe sieht man eine Aufhellung in den Strato, sag. Die Hauptmarkes der ventralen Tl ( t p a r t r . p und pf), geht dann auf Rinde ( t m a g . cd. s), weniger auf Eigenmark und tiefes Mark im dorsalen Bereich der T 2 über. Während die Rinde hier in einem i cm langen Band in Nachbarschaft des Furchengrundes erweicht ist, zeigen Eigenund tiefes Mark vorwiegend nur eine Aufhellung. In der Tiefe ist das Stratum sag. ext. durchbrochen. Das untere Parietalläppchen (Sm) ist in seinem Eigen- und tiefen Mark zum größten Teil aufgehellt bzw. erweicht. D i e R i n d e i s t n u r i n geringem Grade in Mit-

leidenschaft gezogen. A b b . 121. Das Präparat liegt hinter dem Ende der Fiss. Sylvii. Ein schmaler Rest der T 1 mit der t p a r t r . p ist noch zu erkennen. Im gemeinsamen Mark unter dem Furchengrund von tl liegt eine cystische Erweichung, die auch das Strat. sag. ext. und int. unterbricht, während das Tapetum nur eine Degeneration aufweist. Das Eigenmark der T1 ( t p a r t r . p) ist gering, das der T2 ( t m a g . cd) deutlicher aufgehellt. Im tiefen Mark des unteren Parietalläppchens (Sm) liegt eine größere cystische Erweichung, die medial ebenfalls die Strata sag. unterbricht und lateral bis in die Rinde des Furchengrundes der ip hineinreicht. Das benachbarte Eigen- und tiefe Mark ist aufgehellt.

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Abb. 122. Die T 1 mit der tpartr hat bereits geendet. Zwischen Gyr. ang. (90) und T2 (tmag. cd) findet man eine feine streifenförmige Rindenerweichung, die vom Furchengrund auf die ventrale Lippe (tmag. cd. p) übergeht. Eigen- und tiefes Mark der T2 und des unteren Parietalläppchens sind aufgehellt, die Strata sag. stellenweise in allen Lagen degeneriert. Eine große cystische Erweichung reicht vom Grund der ^-Furche bis an den Ventrikel heran. Sie zerstört Teile der Rinde, des Eigen- und tiefen Markes von90ip und 85. T o p o g r a p h i e der H e r d e S t i r n h i r n . L i n k s : In Höhe der vorderen pars triang. der F3 beginnt im Bem reich derselben und der pars orbitalis der\F3 ein großer Erweichungsherd im tiefen Mark, \ Medialwärts erreicht er die Wand des Vorderhorns. Der Herd unterminiert caudalwärts Abb. 122. (VI, 106). im tiefen Mark den gesamten Fuß der F 3 (pars operc. asc. und bas.) und greift etwas auf das Eigenmark über. Auch die orbitale F 3 bleibt im tiefen Mark von der Cyste unterhöhlt. Dorsal reicht die Erweichung bis unter den ventralen Windungszug der F2. Das gesamte tiefe Mark der caudalen Stirnhirnhälfte ist aufgehellt, ebenso der größte Teil des Eigenmarkes des i\3-Fußes und der unteren F2. Außer diesem großen Herd finden sich noch eine Reihe kleinerer Herde, meist von einem Durchmesser von 1 bis 2 mm, an verschiedenen Stellen in Rinde, Eigen- und tiefem Mark. R e c h t s : Nur ganz vereinzelt sind etwa stecknadelkopfgroße Herde zu sehen. Zentralwindungen und innere Kapsel L i n k s : In Fortsetzung des Stirnhirnherdes ist das tiefe Mark der unteren zwei Drittel der Zentralwindungen völlig in einer großen Erweichung aufgegangen, während von dem Eigenmark noch Teile erhalten sind1). Die Rinde zeigt einige kleinere Herdchen, besonders am hinteren Abhang der Cp. Dorsale Anteile des vorderen Schenkels der Caps. int. sind in der großen Erweichung mit aufgegangen, kleine ventrale Anteile erhalten. Hinter dem Knie ist die Caps. int. teilweise erweicht, der Rest völlig degeneriert. Caudal sind einzelne Fasern unbeschädigt. R e c h t s : Nur ganz vereinzelt Aufhellungen und Herdchen von i bis 2 mm Durchmesser. Insel L i n k s : Im Bereich des F3- und Ca-Fußes reicht die große Erweichung auch in das Mark der Insel hinein. Weiter caudal finden sich in der Caps. extr. und ext. sowie im Claustrum nur kleinere Erweichungen. Im übrigen sind diese Gebilde aber infolge von Faserausfällen stark aufgehellt. Der Aufhellungsstreifen im Schläfenlappen zieht etwas in den unteren Pol des Claustrum hinein. Die Inselrinde weist erhebliche Faserausfälle auf und ist besonders caudal verschmälert. R e c h t s : Es finden sich lediglich winzige Herdchen im Mark. 1

) Abb. 311 u. 312 in Kleist's Gehirnpathologie zeigen den Herd im F u ß der F3 und Ca sowie in der Insel.

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Schläfenlappen L i n k s : Die R i n d e weist nur wenige sehr kleine Herde auf, wie ein Blick auf das architektonische Herdschema erkennen läßt. Im Bereich der Querwindungen findet sich nur ein einziges stecknadelkopfgroßes Rindenherdchen in der Ttr /-Wurzel ( t t r l . c m . ep). Ein weiteres Rindenherdchen weist die laterale 11 ( t p a r t r . a) auf. Mehrere kleine Rindenerweichungen liegen in dorsalen Anteilen der T2 ( t m a g . d. as, aif, m d , s sowie t m a g . cd. s und if). Das Eigenmark der Querwindungen zeigt nur in vorderen Abschnitten kleine Erweichungen. Dagegen beginnt schon in Polbereich ein nahezu horizontal verlaufender Aufhellungsstreifen im Mark der T l . Dieser unterminiert die Querwindungen. Das rindennahe Mark der Dorsalfläche bleibt aber verschont. Auf mehr caudal gelegenen Schnitten verlagert sich der Aufhellungsstreifen immer weiter ventralwärts und reicht bis an die U-Fasern des unteren Abhanges der T 1 ( t p a r t r . pf) heran. Die Fasern der Hörstrahlung sind vor allem im Bereich der oralen Hälfte der Ttrl und des oralen Drittels der Ttr2 durch die Erweichung in Mitleidenschaft gezogen. Aber auch caudal müssen Fasern der Hörstrahlung unterbrochen sein. Zwar sind dort das Eigenmark der Querwindungen und dorsale Anteile des gemeinsamen Marks der T 1 erhalten; der weiter ventral liegende Aufhellungsstreifen zieht sich aber medialwärts bis zum Thalamus und Corp. genic. med. hin. Im Bereich dieses Streifens sind sicherlich Fasern der Hörstrahlung lädiert. Das Corpus gen. med. ist Abb. 123. Fall Hintermayer. Architektonisches etwas verkleinert und aufgehellt. Herdschema. Durch einen Herd im tiefen Mark medial des Grundes der t /-Furche sind weniger die Fasern der Hörstrahlung als die Verbindungen der lateralen T1 (tpartr) und der oberen T2 ( t m a g . d und cd) unterbrochen, vor allem auch Verbindungen dieser beiden Gebiete untereinander. In der Tiefe reicht die Erweichung bis an die Strata sag. heran, caudal sind diese sogar unterbrochen, das Tapetum ist dort degeneriert. R e c h t s : Keine Erweichungsherde. Ttrl deutlich atrophisch. b) Lateralfläche des linken Schläfenlappens.

Scheitellappen L i n k s : Von der hinteren Zentralwindung setzt sich die cystische Erweichung im tiefen Mark durch das ganze untere Scheitelläppchen hindurch fort und reicht bis in den Occipitallappen hinein. Im Bereich des Gyr. ang. werden von der Cyste in der Tiefe die Strata sag. durchbrochen. Auf das Eigenmark greift die Cyste nur wenig über. Das Eigenmark ist aber zum größten Teil erheblich aufgehellt. Nur im

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Bereich der ip, die von der Cyste auch dorsalwärts überschritten wird, greift die Erweichung auf die Rinde des Furchengrundes über. Getrennt von der Cyste finden sich noch mehrere Erweichungen in beiden Lippen der ¿/»-Furche. Im übrigen Parietallappen sind nur kleine unbedeutende Erweichungen vorhanden. R e c h t s : Nur ganz vereinzelte feinste Herdchen in Rinde und Mark, besonders des oberen Scheitelläppchens. Hinterhauptslappen L i n k s : Vom Gyr. angul. (90) geht die Erweichung ein Stück auf die 02 (19) über und zerstört Teile von Rinde, Eigen- und tiefem Mark. Die Strato, sag. sind stellenweise unterbrochen, der Rest ist aufgehellt. R e c h t s : herdfrei. Lange Assoziationssysteme L i n k s : Der Fase. arc. ist durch die große Erweichung, die sich von der Stirnhirnmitte durch den Fuß der Zentralwindungen und das untere Scheitelläppchen hinzieht, völlig zerstört. Infolge des Übergreifens des Herdes vom Fuß der F 3 und der Zentralwindungen auf die Insel sowie wegen des Hineinreichens des Aufhellungsbandes von der T1 in den Isthmus temporalis ist auch der Fase, unein. unterbrochen. Durch das Übergreifen des Herdes vom tiefen Mark in Höhe der ¿./-Furche auf die Strata sag. wird der Fase. long. inj. in Mitleidenschaft gezogen, allerdings nicht in sehr erheblichem Grade, da er vor allem in dem laterobasalen Winkel der Strata verläuft, während der Herd zum großen Teil höher liegt und nur caudal sich basalwärts verschiebt. R e c h t s : Keine Unterbrechung. Striatum L i n k s : Vom Kopf des N. caudatus ist nur die ventrale Hälfte erhalten, während die dorsale Hälfte in einer Cyste aufgegangen ist. Der Körper des N. caudatus ist völlig zerstört, der Schwanzteil dagegen unversehrt. Vom Put sind orale und dorsale Anteile cystisch verändert. In den nicht oder nicht völlig erweichten ventralen und caudalen Anteilen findet sich aber ein hochgradiger Faserausfall. R e c h t s : Der Kopf des N. caudatus ist etwas abgeflacht. Im übrigen finden sich im Striatum vereinzelt winzige Aufhellungen und eine Reihe von kleinen Criblüren. Pallidum L i n k s : Das Poll. lat. ist teilweise cystisch verändert. Das Fall. med. weist einen erheblichen Faserausfall auf. R e c h t s : Lediglich kleine Criblüren. Thalamus L i n k s : Der gesamte Thalamus ist hochgradig verkleinert und im Faserbild diffus gelichtet. Verhältnismäßig am besten erhalten sind die caudalen Ventralkerne. Eine Erweichung findet sich im N. dorsolat. an der Grenze zum N. med. Das Corp. genic. med. ist etwas verkleinert. Abschnittsweise zeigt es eine geringe Verminderung der Faserdichte. Das Corp. genic. lat. ist etwas kleiner als auf der rechten Seite. R e c h t s : Starre Gefäße, Praecriblüren, selten Criblüren und Aufhellungsherde von durchschnittlich 1 mm Durchmesser finden sich an verschiedenen Stellen. Größere Herde fehlen. Corp. gen. med. und lat. sind unversehrt. V o g t , H i r n f o r s c h u n g , B d . 3, H e f t 4 - 6

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M i t t e l h i r n und B r ü c k e Links: Der Hirnschenkelfuß ist zum größten Teil degeneriert, ebenso die Pyramidenbahn in ihrem weiteren Verlauf durch die Brücke. Auch die Substantia nigra weist einen verminderten Fasergehalt auf. Der N. ruber ist auf allen Schnitten kleiner als auf der Gegenseite. R e c h t s : Im Brückenfuß finden sich kleine Erweichungen und fleckförmige Faser ausfälle. Kleinhirn Nur eine stecknadelkopfgroße Rindenerweichung. Histologisch Die basalen Gefäße zeigen eine schwere Arteriosklerose. Ein völliger thrombotischer Verschluß ist nirgends zu erkennen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß ein nicht unerheblicher Teil der großen Gefäßäste mit den Meningen vor Einbettung des Gehirns entfernt worden ist. An den intracerebralen Zweigen sind Wandverdickungen zu erkennen, die, soweit das Markscheidenpräparat einen Schluß zuläßt, durch eine Hyalinose bedingt sind. Der große ischämische Erweichungsherd in der linken Hemisphäre befindet sich im III. Stadium. Das Aufhellungsband, das von der T 1 medialwärts zieht, besteht in seinen lateralen Abschnitten aus einer völligen Gewebsnekrose, während medial im wesentlichen die Markscheiden ausgefallen sind, ohne daß das Gewebe völlig erweicht ist.

Z u o r d n u n g der klinischen und a n a t o m i s c h e n B e f u n d e Auf die m o t o r i s c h - a p h a s i s c h e n Erscheinungen (Dysarthrie, Spontanstummheit) sei hier nicht näher eingegangen, da diese bereits von K l e i s t in seiner Gehirnpathologie besprochen worden sind. Sie sind durch die ausgedehnte Zerstörung des Eigenmarkes und des tiefen Markes im Bereich des Fußes der F3 und der Ca genügend erklärt. Die s e n s o r i s c h - a p h a s i s c h e n Störungen bestanden in einer Beeinträchtigung des Wortsinnverständnisses, während die Wortklangauffassung nur wenig gestört war, wie das weitgehend erhaltene Nachsprechen mit nur vereinzelten literalen Paraphasien beweist. An der Aufhebung des Benennens war wahrscheinlich auch eine sensorische Störung der Namenfindung beteiligt. Die Rinde der Regio ttr und tpartr im Bereich der Querwindungen und der lateralen T 1 wies nur 2 winzige Herdchen auf. Dies mag die geringe Störung der Laut- und Wortauffassung und die ganz geringen literalen Paraphasien erklären. Die leichte Beeinträchtigung der Wortklangauffassung ist auch weniger der umschriebenen Läsion des Eigenmarkes vorderer Teile der Regio ttr zuzuordnen als vielmehr der Unterbrechung eines Teiles der Hörstrahlung im Bereich eines von der T1 bis in die Gegend des Corp. genic. med. verlaufenden horizontalen Aufhellungsstreifens. Das Corp. genic. med. war etwas atrophisch. Während die Hörstrahlung auf ihrem Weg zu den Querwindungen nur teilweise geschädigt war, wurde die Weiterleitung und die weitere Verarbeitung der Laute und Wortklänge (Lautfolgen) durch den Herd medial des Furchengrundes

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der tl behindert. Hier war das tiefe Mark bis an die Strata sag. heran völlig zerstört. Die T2 (tmag. d und cd) war somit weitgehend von der Tl (tpartr.) abgesperrt. Hinzu kommt noch eine Schädigung der Subregiones t m a g . d und cd im Eigenmark, das zum kleineren Teil in den Herd mit einbezogen und im übrigen stark aufgehellt war. In der Rinde fanden sich nur kleine Herdchen. Die Teilschädigung und die Absperrung des letztgenannten Gebietes von der primären Rindenendstätte der Hörstrahlung wird man der unvollständigen Wortsinn- oder Namentaubheit und zum Teil auch der Aufhebung der Namenfindung zuordnen können. Die anatomische Besonderheit des Falles liegt in einer fast rein subcorticalen Schädigung. Das klinische Bild entspricht dem gegenüber keineswegs dem, was man früher als subcorticale sensorische Aphasie bezeichnet hat. Interessant ist ferner, daß bei dem zunächst und ganz vorwiegend als motorischaphasisch wirkenden Patienten sich für die gleichzeitig bestehende Störung des Sprachverständnisses ein anatomisches Substrat im Schläfenlappen auffinden ließ. Die übrigen hirnpathologischen Erscheinungen seien in diesem Zusammenhang nicht besprochen. Ihre Gegenüberstellung mit den anatomischen Befunden ist in der K l e i s t s c h e n Gehirnpathologie auf Seite 882/883 zu finden.

Fall 16: B a y r h o f f e r , früher Musiklehrerin, geb. 1849. Nervenklinik Frankfurt 12. bis 18. 7. 23. V o r g e s c h i c h t e : Vater mit 65 Jahren an Schlaganfall gestorben, eine Schwester mit über 50 Jahren an Gehirnkrankheit. Pat. selbst sei immer sehr nervös, redselig und hypochondrisch gewesen. Seit :l 9:13 sei sie herzleidend. 1921 Rippenfellentzündung, die wieder ausgeheilt sei. In letzter Zeit habe sie gelegentlich Schwindelgefühl gehabt. Seit 6 Wochen bestünden Suicidideen. Vor 3 Wochen sei eine Sprachstörung in Erscheinung getreten. Pat. habe dauernd halb unverständlich vor sich hingesprochen und keine sinngemäßen Antworten mehr gegeben. Sie habe einzelne Worte bis zu 300mal wiederholt, dabei Vornamen von Personen genannt, die in ihrer Umgebung gar nicht existieren. 8 Tage vor der Aufnahme habe sich eine starke Erregung eingestellt. Pat. habe Verfolgungsideen geäußert, befürchtet, umgebracht zu werden, habe um Hilfe geschrien. Sie sei verwirrt und desorientiert gewesen. Pat. habe immer alle Verrichtungen mit der rechten Hand ausgeführt, eine besondere Geschicklichkeit der linken Hand sei nicht aufgefallen. B e f u n d am 12. 7. 23 bei konsiliarischer Untersuchung der Pat. in ihrer Woh^ nung durch Prof. K l e i s t : Pat. erkennt Prof. K. erst zum Schluß als Arzt, bezeichnet den Hausarzt aber richtig. Die Situation versteht sie offensichtlich nicht. Sie spricht fast dauernd stark paraphasisch, zuweilen Echolalieren. Sprachverständnis demgegenüberweniger gestört. Erschwerung nur bei „Kinn, Knie, Stirn, Hüfte". Starke Namenamnesie mit typischen Umschreibungen. Die vorgezeigten Gegenstände werden bei der Untersuchung erkannt. Nach Bericht der Pflegerin verkennt sie aber zuweilen Gegenstände z. B. Suppenteller und Spucknapf. Pat. verharrt oft in erteilten, auch in zufälligen Haltungen. Allgemeine Steifigkeit, an den Beinen wohl auch geringe Spasmen. Babinski und Oppenheim bds. positiv. Keine deutliche Lähmung. Ideokinetische Apraxie vielleicht vorhanden, aber wegen Perseveration und Iteration schwer nachweisbar. Starke Neigung zu Iteration, z. B. beim Händeklatschen. Merkfähigkeit sehr schlecht. 33*

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Journal für Hirnforschung

V e r h a l t e n b e i der A u f n a h m e in die K l i n i k am 12. 7. 23: Pat. ist sehr unruhig, bleibt nicht im Bett liegen, setzt sich dauernd auf und will ihr Bett verlassen. Widerstrebt sehr, muß festgehalten und durch Hyoscin ruhig gestellt werden. Sie spricht viel, ihre sprachlichen Äußerungen sind jedoch infolge von Paraphasien weitgehend unverständlich. Aufforderungen befolgt sie nicht. Eine genaue neurologische Untersuchung ist infolge Widerstrebens der Pat. nicht möglich. Eine Lähmung liegt anscheinend nicht vor. V e r l a u f : 13. 7. Pat. ist etwas ruhiger, aber immer noch sehr widerstrebend, läßt Stuhl und Urin unter sich. 14. 7. Pat. wühlt und kriecht unruhig im Bett umher, spricht dabei ständig halb unverständlich vor sich hin. Sie begrüßt den Arzt „Ach Herr Doktor, helfen Sie mir". Dann spricht sie wieder unverständlich weiter. Auf Fragen gibt sie unverständliche, wahrscheinlich nicht sinngemäße Antworten. Dann bemüht Sie sich aber auch wieder mit Erfolg, sich verständlich auszudrücken. Sie sagt unvermittelt „Herr Doktor, ich kenne Sie, ich habe Sie schon oft in Konzerten gesehen" (nach Vorgeschichte möglich). Auf Fragen „Ich kann es Ihnen nicht sagen, ich habe Vertrauen zu Ihnen". Dann spricht sie zahllose Male vor sich hin „Emma, Emma, Emmi, Effi, Emmi . . . " 16. 7. Auffallend ist ein Wechsel zwischen einzelnen richtig gebildeten Sätzen und völlig paraphasischen unverständlichen Äußerungen. Pat. spricht ständig vor sich hin, ein Zusammenhang ihrer Äußerungen ist nicht erkennbar. Bei Fragen schweift die Pat. gleich wieder ab. Auch müssen die Fragen eindringlich mehrmals wiederholt werden, da Pat. sie bei ihrem Redeflusse oft nicht beachtet. Laut gestellte Fragen werden zum Teil von ihr wiederholt, einige werden sinngemäß beantwortet, z. B . (Verstehen Sie mich?) „Jawohl, ich verstehe Sie sehr gut Herr Doktor, ich habe das jetzt nur so in meinem Alter." Auf die Frage nach dem Jahr sagt sie „9723". Wochentag und Monat kann sie nicht angeben, wiederholt die Frage „Welcher Monat?" und fährt fort „Monat, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, das ist der siebte". Sie weiß, daß sie in Frankfurt und in einem „Sanatorium" ist. Die Frage nach ihrem Alter beantwortet sie mit :l011/2, später mit lül 1 ^ Jahre, die Dauer ihrer Ehe mit 1%, sodann mit 50 Jahren. Sie gibt an, ihr Vater sei Jahre vor ihr gestorben, dann, er lebe noch, sei 130 Jahre alt. Als früheren Beruf (Klavierlehrerin) gibt sie an „Klavussenir". Die Frage, wann der Krieg zu Ende gewesen sei, beantwortet sie mit „Ich kann es Ihnen zu Hause nachschlagen, ich glaube, der Krieg war an einem Sonntag aus". Auf die Anrede „Frau Bayrhoffer" erwidert sie zweimal echoartig „ J a , Herr Bayrhoffer, nein, wie sagt man? Herr Doktor". Spricht dann zahllose Male vor sich hin, „Gute Nacht, gute Nacht", dann ruft sie „Papa, Papa", danach „Emma, E m m a " usw. B e n e n n e n : Schlüssel = „Das kann ich Ihnen nicht sagen, (Schlüssel?) „ J a , ein Schlüssel zu einem Gewölbe". Bleistift = „Das weiß ich nicht", (Messer?) „nein", (Gabel?) „nein, ein Schlüssel, Schlüssel", iteriert das Wort mehrmals. Buch = „Das ist ist ein Messer,' nein eine Gabel,' nein, ' halb • ein Haas". Perkussionshammer = „Das " ein Messer, halb eine Gabel". N a c h s p r e c h e n : Schwierige Worte wie zuschlagpflichtiger Schnellzug und schleimige Schellfischflosse werden z. T. zuerst richtig nachgesprochen, bei Wiederholung aber völlig paraphasisch. N e u r o l o g i s c h e r B e f u n d : Pupillen leicht entrundet, gleich weit, Lichtreaktion fehlt (Medikamentenwirkung). Augen frei beweglich, kein Nystagmus, anscheinend keine Hemianopsie, Cornealreflexe beiderseits nicht sicher auslösbar, hörte Uhrticken beiderseits und versteht Flüstersprache. Facialis und Hypoglossus o. B. Arme: Keine sicheren Paresen, schmächtige Muskulatur, allgemeine Steifigkeit, Eigenreflexe seitengleich positiv. B D R fehlen. Beine: Kraft beiderseits gering. P S R rechts lebhafter als links. A S R seitengleich + . Babinski und Oppenheim beiderseits + , Rossolimo links + . Zahlreiche Mitbewegungen. Sensibilität nicht sicher gestört.

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Praxie: Winken, Kußhand, Lange Nase, Bleistift aus Hülse ziehen, werden etwas unbehilflich, aber richtig ausgeführt. 18. 7. Temperaturanstieg auf 38,6, cyanotische Verfärbung des Gesichtes, beschleunigte Atmung, abgeschwächtes Atemgeräusch über dem Ii. Unterlappen. Puls unregelmäßig. Abends Exitus.

Z u s a m m e n f a s s u n g u n d B e u r t e i l u n g der k l i n i s c h e n B e f u n d e Bei einer 74jährigen Pat., die seit etwa 10 Jahren herzleidend gewesen sein soll, treten 6 Wochen vor der Klinikaufnahme Suicidideen auf, später äußert sie Verfolgungsideen. Nach weiteren 3 Wochen macht sich eine sensorische Aphasie bemerkbar. Pat. ist verwirrt und ängstlich erregt. Neurologisch finden sich keine Paresen, jedoch beiderseitige Pyramidenzeichen. Es wird die Diagnose einer Arteriosclerosis cerebri gestellt. Nach 6tägigem Klinikaufenthalt stirbt die Pat. unter den Zeichen eines Kreislaufversagens bei Pneumonie. Die kurze Dauer des Klinikaufenthaltes, die Erregung der Pat. und die Schwere des Krankheitsbildes haben hirnpathologische Untersuchungen nur in beschränktem Maße durchführen lassen. Im Vordergrund des hirnpathologischen Bildes stand ein e i n f ö r m i g e r R e d e d r a n g mit zahlreichen Iterationen. Die Spontansprache war gekennzeichnet durch einen infolge von zahlreichen, vorwiegend literalen Paraphasien unverständlichen Redefluß, der öfter mit richtig gebildeten verständlichen Äußerungen wechselte, die in tadelloser Satzform vorgebracht wurden. Das S p r a c h v e r s t ä n d n i s war beeinträchtigt. Neben einer echten, nicht sehr ausgeprägten Störung des Sprachverständnisses im Rahmen der sensorischen Aphasie, wurde eine schwerere Störung dadurch vorgetäuscht, daß die Pat. infolge ihrer starken Erregung mit einem inkohärenten Rededrang den Fragen des Untersuchers keine genügende Aufmerksamkeit schenkte. Die Tatsache, daß die gestellten Fragen oft, wenn auch meist in abgewandelter Form wiederholt wurden, läßt darauf schließen, daß die Auffassung der Wortklänge nicht erheblich beeinträchtigt war. Auch schwierige Worte wurden bei der Prüfung teilweise zuerst richtig n a c h g e s p r o c h e n , bei Wiederholung aber literal paraphasisch entstellt wiedergegeben. Das Nachsprechen war besser als das Sprachverständnis, also war das Wortklangverständnis besser als das Wortsinnverständnis. Es handelte sich überwiegend um eine Wortsinntaubheit. Das B e n e n n e n war durch Namenamnesien stark gestört. Literale Paraphasien traten gegenüber den Amnesien zurück. Infolge von Perseverationen kam es zu Antworten, die als verbale Paraphasien imponierten. Nachdem der Pat. kurz zuvor die Frage gestellt worden war, ob es sich bei dem zu benennenden Gegenstand um ein Messer oder um eine Gabel handele, bezeichnete sie einen Perkussionshammer als Messer und dann als Gabel. Auch dies weist darauf hin, daß die Wortklänge ziemlich gut aufgefaßt, aber als Bezeichnungen für diese Gegenstände nicht verstanden wurden. Das R e i h e n s p r e c h e n war offenbar weniger beeinträchtigt. Bei der Frage nach dem Monat, antwortete sie „Monat"

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u n d verfiel d a n n in die Reihe der Wochentage, die sie richtig aufzählte. G r a m m a t i s c h e S t ö r u n g e n w u r d e n nicht beobachtet. Der U m g a n g m i t Z a h l e n , der nicht n ä h e r g e p r ü f t wurde, wies sicher eine S t ö r u n g auf, d e n n bei den F r a g e n nach dem Alter u n d der Dauer ihrer E h e t r a t e n grobe Fehlleistungen auf, die k a u m auf mnestische Störungen zurückz u f ü h r e n sind. A n t w o r t e n wie, sie könne es nicht sagen oder ähnliches, w u r d e n hierbei nicht beobachtet. A p r a k t i s c h e u n d o p t i s c h - a g n o s t i s c h e Stör u n g e n wurden nicht nachgewiesen. N a c h der Einteilung von K l e i s t handelt es sich u m eine unvollständige W o r t s i n n - oder N a m e n t a u b h e i t , die hier wie in allen übrigen Fällen gesetzmäßig m i t einer N a m e n a m n e s i e v e r k n ü p f t ist. Die V e r b i n d u n g m i t einer Namenverwechslung ist infolge der wenig ausführlichen U n t e r s u c h u n g e n i m

A b b . 124. Fall Bayrhoffcr. Lateralfläche der rechten Hemisphäre.

Falle Bayrhoffer nicht so deutlich. Die N a m e n t a u b h e i t war nicht ganz rein, denn es lag noch eine leichte W o r t t a u b h e i t m i t literalen P a r a p h a s i e n vor. Bei längerer K r a n k h e i t s d a u e r wäre m i t einiger Wahrscheinlichkeit eine R ü c k bildung vor allem der impressiven Störungen zu e r w a r t e n gewesen. D a s Bild h ä t t e sich d a n n in eine amnestische Aphasie umgewandelt. G e h i r n s e k t i o n : Ziemlich kleines Gehirn, zahlreiche Einlagerungen in den basalen Gefäßen, nur geringe Trübung der Pia im Bereich der Mantelkante. Deutliche Atrophien finden sich vor allem im Bereich des .Fl-Fußes bds., der benachbarten Ca, an der Einmündung der Parieto-occ.-Furche an der Mantelkante und im linken Schläfenlappen. Rechts erkennt man eine fingerkuppengroße Erweichung am hinteren Ende der T2. An der Unterfläche der linken Kleinhirnhemisphäre sind eine umfangreiche gelbliche Verfärbung und ein Rindendefekt zu sehen. Auf dem Schnitt reicht die Erweichung nur wenig über die Windungen ins gemeinsame Mark hinein. Die Kleinhirnkerne und der Wurm sind frei von Herden. B e s c h r e i b u n g von M a r k s c h e i d e n s c h n i t t e n der Serie R e c h t e H e m i s p h ä r e : Abb. 125. Der Schnitt liegt wenige Millimeter hinter dem oralen Herdbeginn im Schläfenlappen. Die Erweichung erstreckt sich vom Grund

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der 17-Furchc 6 mm weit auf die Rinde ihrer oberen Lippe (tpartr. pf) und L3 mm weit auf die Rinde der unteren Lippe ( t m a g . d. s). Das Eigenmark der T2 ist aufgehellt. Die übrigen Defekte sind artefiziell. Medial sind das Corp. gen. lat. und med. angeschnitten, die keine Veränderungen aufweisen. Abb. 126. Die Fossa Sylvii hat Ti sich bereits geschlossen. Im Bereich (tpartr} der T 2 findet sich ein keilförmiger Herd, der die Rinde von großen Teilen der Areae t m a g . cd. if und Tz ( tmagd) t m a g . d. p sowie deren Eigenmark zerstört. In der Tiefe reicht ein Ausläufer des Herdes in die Strata sag. hinein. Dorsal bleibt ein kleines Stück Rinde mit U-Fasern erhalten. Dann Abb. 125. (IV, 225). folgt eine weitere Erweichung von Rinde, Eigen- und tiefem Mark mit Aufhellung der Nachbarschaft im oberen Feld der Subregio magna caudodorsalis ( t m a g . cd. s). Die Rinde des benachbarten Parietallappens ist nur an einer sehr kleinen umschriebenen S Stelle von dem Herd in Mitleidentmag. cd. if schaft gezogen. Abb. 127. Der keilförmige Schläfenlappenherd zerstört vorwiegend die Rinde benachbarter Anteile der t m a g . cd. p und t m a g . d. p, das Eigenmark ist viel weniger betroffen. Die Spitze des Herdes reicht nicht mehr soweit in das gemeinsame Mark hinein, die Strata sag. sind daher verschont. Im Bereich des unteren Parietalläppchens (90 o) ist nur noch eine kleine umschriebene Aufhellung von Rinde, Eigen- und gemeinsamen Mark zu sehen.

tmagd.p

Abb. 126. (Y,

280).

T o p o g r a p h i e der H e r d e

tmag. cd.p

Stirnhirn L i n k s : o. B. R e c h t s : Im Eigenmark der F 2 sieht man einen fleckförmigen Faserausfall von 3 mm Durchmesser. Schläfenlappen

tmag.d.p Abb. 127. (VI, 580).

L i n k s : o. B. R e c h t s : Auf einem Frontalschnitt in Höhe des Corp. genic. lat. und der Mitte der Ttr 1 beginnt ein Herd im Furchengrund der 11. Er nimmt zunächst ein 3 mm langes Rindenband der dorsalen Lippe der tl (tpartr. pf) und ein 8 mm langes Rindenband der ventralen Lippe der tl ( t m a g . d. s) ein. Die 1. Rindenschicht ist einigermaßen erhalten. Die übrigen Rindenschichten sind völlig zerstört und von

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