Jean Pauls Briefwechsel mit seinem Freunde Christian Otto: Band 2 (Von 1797–1798) [Photomechan. Nachdr. d. 1829. Reprint 2020 ed.] 9783112329481, 9783112329474


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German Pages 389 [392] Year 1978

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Jean Pauls Briefwechsel mit seinem Freunde Christian Otto: Band 2 (Von 1797–1798) [Photomechan. Nachdr. d. 1829. Reprint 2020 ed.]
 9783112329481, 9783112329474

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Jean Pauls Briefwechsel mit seinem Freunde

Christian Otto.

Zweiter Band. (Don

1797 — 1798.)

Berlin, b e i

G.

Reimer.

1829. PHOTOMECHANISCHER NACHDRUCK

WALTER DE GRUYTER - BERLIN - NEW YORK

1978

ISBN 3110076624 Printcd in the Netherlands

Alle Rechte der photomcchanischcn Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und Photokopien, auch auszugsweise, Vorbehalten.

Jean Pauls

BriefweHs mit

Christian Otto.

Zweiter Theil.

Jean Paul an Otto. Den 12. Januar 1797.

Äöir bekommen wahrlich von der Meß - Ernte kanm die siebenzigsie Garbe: Als rückständigen Zehnte« haben wir noch: von Lafontaine, Klara Du PlessiS — Lichtenberg über die Physionomie, Göttinger Taschenkalender 97. — Falk- satyrischen Almanach 2t. 2t. Solche wie die DolkSjeitung — GötzenS TodeSbetrach« tungen — sind Dir ohne mich bekannt. — Ich für meine Person wünsche kein anderes Buch ju sehen — und Du thätest mir einen rechten Gefallen damit, als — den Jubelsenior. R.

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Otto an Jean Paul. • • • den 18. Januar 1797.

Mein geliebter Richter! .Zweimal schon habe ich Deinen Jubelsenior ge­ lesen, und folgende Urtheile, die Du dringend verlangst, daraus gezogen; am Schluß meiner Rede werde ich erst sagen, wie ich diese für unnütz und unwichtig erkläre, und wie Du sie änzuwenden hast. So sehr ich immer oder mei­ stens mit der Darstellung Deiner Charaktere zu, frieden war, so habe ich doch gegen einige in Deinem Jubelsenior etwas einzuwenden, und sage, daß die Bekanntschaft mit ihnen mehr gesucht «erden muß, als daß sie angeboten wird, und daß mehre Personen darinnen wie Meteore zurück, zuweichen scheinen, wenn man auf sie zugeht. Diese- strenge Urtheil hast Du blos einer Ver, gleichung mit Dir selbst zuzuschreiben. Sqnst führtest Du jede Person beim ersten Erscheinen mit einem so entscheidenden Zuge ein, daß sich der Charakter mit einer wundersamen

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Gewalt heraus arbeitet und in der Phantasie Deine- LeserS hcrvortritt. Deine Personen, wenn sie da- erste Mal auf den Schauplatz kommen, — und wenn sie still stünden, wenn sie da- Licht putzten, wenn sie da- Hemde anzögen; so ge­ schiehet eS doch mit einer so charakteristischen Aus, Zeichnung, daß sie gleich darauf in der wichtig­ sten Rolle sich zeigen dürfen und uns nicht erst durch diese bekannt werden- sondern daß wir sie, wie alte Bekannte, ansehen und uns schon herausnehmen, zu sagen, ob sie in dieser wich, tigen Rolle ihrem Charakter gemäß handeln, den wir aus der bedeutenden Manier abgenommen, womit sie die unbedeutendste Sache gethan haben. Du verrichtest sonst ein wahres Wunderwerk, indem Du auf eine unbegreifliche Art den ganzen Charakter hinstellest. Die drei Hauptpersonen im Jubelsenior kommen mir vor wie Säulen, bei denen da- Laubwerk und die Verzierungen zuerst gemacht sind, anstatt Du sonst den Schaft und das Postament zuerst hinstellest, und jene Ver­ zierungen bleiben zu sehr vorstechend und zu lange sichtbar, nachdem auch der Schaft der Säule selbst zwischen ihnen emporgewachscn ist. Diese

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Muttermäler — (man könnte sie aber Vater/ mälcr nennen und zugleich als einen Beweis, daß sie (die Mäler überhaupt) der Phantasie zu/ zuschreiben sind, anführen) — diese Muttermäler sind am größten an dem guten, alten Senior, klei/ ner an In genuin und am kleinsten an Ali, th een. Des Alten Charakter ist weniger gezeigt, als gesagt (möchte ich sagen) und er und Ali, the a haben nicht sowohl ein Muttermal, als ein Geburtmal mit einander gemein, sie sind mit der Zange geholt und dadurch ein wenig verletzt wor, den, und die Schrammen, wenn sie auch klein sind, sind ihnen zeitlebens geblieben, und die der armen Alithea ist, ohngeachtet sie ein Frauen, zimmer ist und auf ihr AeußereS sehr zu sehe« hat, und deswegen ihre schwarze Stirnbinde sehr herein rücken muß, wenigstens in ihren junge« Jahren größer; in ihrem Alter kann und wird sie sie verwachsen, wenn es ihr In gen« in ent, weder nicht mehr sieht, ober, waS noch schlim­ mer ist, eS nicht einmal bemerkt, daß eS weg ist. Der Alte und Alithea sind mitunbestimm, ten Zügen aufgeführt, eS sind die ersten Kinder, die Du so stiefväterlich und stiefmütterlich auSge,

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stattet hast. Aber so geht's: die ersten und die letzten Söhne sind die liebsten und die siebenten, die Weisheitsöhne und die mittlern sind ex, officio, Kinder. Seite 3 steht von Aljtheen: „sie wollte den Boden abbeeren und auSkernen, nämlich aus, holend Gegen die zwe» ersten Ausdrücke habe ich Alles, weil das Preiffelbeer-Abkämmen ent­ weder ihrer wegen da oder sie von diesem Kam, men veranlasset sind. ES mag sein, welches von beiden es will oder sogar keins: so will ich doch bei meinem Glaubensbekenntniß bleiben, daS einen leisen Widerwillen dagegen ju laut werden läßt und zn stark ausdrückt, da Worte oft wie harte Hände sind und jene ein verschwiegenes Gefühl zur herrschenden und stechenden Empfindung machen, und diese einen zarten Gegenstand zerdrücken. Das dritte, nämlich daS Ausholen, ist aber noch schlim­ mer. AlS ich bis zu dieser Stelle gekommen war, schrieb ich mir auf mein Papier: Sie muß nur, nämlich die Stelle, durch den Charakter entschuldiget werden, den Alith ea in der Folge zeigt. Ist er gut: (Du siehst daraus, wie utu entschieden diese erste charakteristische Handlung — dieser Irrgang der Laune — läßt) so passet es

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nicht, denn es thut ihm Schaden; denn wo dieser Zug vorkommt, ist noch nicht die leiseste Anzeige ihres Charakters gegeben, welche- überhauptspäter geschiehet, als sonst. Da- hatte ich mit meinem Dleireiß auf den Zettel geschrieben, den ich neben mir liegen habe, wenn ich mit der größten De, Zierde, da- Schlimme zu sehen und mich nicht von dem Vortrefflichen verblenden zu lassen, und wenn ich mit wahrer Visite« -Derläumdungsucht mir da- erste Lesen Deiner Bücher störe und ver, bittere. Jetzt setze ich aber mit einigem Muthe dazu, daß ich diesen Zug ganz vertilget wünsche; daß ich glaube, er paffe gar nicht zu ihrem Cha, ratter, und wenn er auch in demselben lag »der sein konnte, daß er bei und neben dem, wavon ihm gezeigt wurde oder gezeigt werden sollte, nicht vorgewiefen werden dürfe und zumal gleich anfangs. Diesen Wunsch habe ich nicht bei dem Folgenden. S. 5 wird der alte Schwer- blodadurch eingeführt: „daß er die Beihülfe seines Sohn- de- Buchdrucker- für gottlos hielt." Dieser Zug kann Moralität und Religiosität andeuten, und ist also nicht au-zeichnend charakteristisch, giebt keinen Charakter an, sondern etwa- Unbe,

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stimmte-, denn S. 8 heißt es erst: die freie starke Seele de- Seniors, die aber mehr gesagt (laß den Ausdruck!), als gezeigt wird; und nun kommt erst der Zug, „daß er in der Theologie Fesseln, in der Philosophie Flügel hätte." Diezeigt, daß daS, was S. 5 vorkömmt, auf Re, ligiosität hindeutet; daß dieser Zug einer von denen ist, die ihm den Schein der Heuchelei zuweilen geben können und daß eben deswegen, well dieser Schein trügend, der Zug unbestimmt ist. DaS, waS p. 9 von Zngenuin vorkommt, „daß er nicht zur Gesellschaft der Genie'S gehöre, die jede Staatsbedienung ausschlagen, ist zwar weniger unbestimmt, aber dennoch nicht so scharf, so spitzig, so treffend, als eS von Dir gefordert werden muß. Die Anrede deS Alten p. 9 u. 10 ist erst recht charakteristisch und p. 12 tritt er gleichsam aus sich selbst heraus. Obgleich das von Ingen»in p. 9 wahrer und treuer ist, als p. 3 das AuSbeeren bei Alithcen; so ist eS doch nicht bezeichnend genug und p. 13 kommt erst ihre eigentliche Schilderung vor, aber auch eine wörtliche und keine thätige oder thuende.

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daß Alithea schlau aber sanft und Ingenuin offen und weich war. Zur Schlauheit passet zwar, wie Du sagen kannst, das verdammte Athem» holen; aber in der Idylle ist die Schlauheit nicht gezeigt, außer in der Küche beim Riogver, tust, e« ist unnöthig, sie zu zeigen, und es ist nicht zu rechtfertigen, (ein verfluchte- juristisches Wort, daS mir jeden Augenblick in den Weg kommt) daß sie von dieser theil- schwankenden, theils schwarzen Seite eingeführt ist, die nur leise und überleise berührt werden darf, weil sie in der ganzen Geschichte kein forttreibende- Trieb, werk abgiebt. P. 27 zeigt sich erst der Charakter AlitheenS und Ingenuin» bei dem Spazier, gang auf den Berg, aber so, daß der Zug der über, mäßigen Neugierde (die ohnedem durch die der Schlauheit zugegebene Sanftmoth gemildert und geschwächt werden muß) nicht vorangestellt werden sollte. In Rücksicht Zngenuins war p. 17 eine Säulenverzierung angebracht in der Bemer, kung, „daß sein Herz ein Weiberlehen sei," weil die- kein Hauptzug, der die Grundlage eines Cha, raktcrs, sondern ein solcher ist, der an diese an, geheftet werden muß. —

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Es ist sonderbar, mitten im Tadel heben sich die drei Gestalten immer klarer «nd klarer heraus, — (AlitheenS verworfenes Ausholen bleibt ver, worfen) und in mir selbst tritt gegen mich ein immer mächtigerer Beistand für Dich auf. Dem, nach wirst und mußt Du sagen: der ist kühn. Setze hinzu, mein guter, guter Richter, er ist zu kühn. Ich entgehe doch Deinem Vorwurf; denn siehe, ich berufe mich auf Dein erstes Muster des zweiten Musters und Vorwürfen entgeht man ant leichtesten durch Vorwürfe. Ich helfe mir (und entgehe Dir) also, indem ich mich auf die in Deinem ersten Appendix enthaltenen Gesetze bei rufe. Dieser war nicht mit dem Namen eines Menschen getauft, sondern eines Festes: eS ist die Sallatkirchweih zu OberseeS. Es ist den Appendixen wesentlich und zweckmäßiger, als deS zweckmäßigen Doktors Arzneien, daß sie den Namen keiner Person tragen und eben deswegen in das Kirchenbuch der Romane nicht, aber wohl in das der Idyllen eingezeichnet werden können. Allen meinen Vorwürfen entgehest Du also, (bi» auf den von AlitheenS Ausbeeren, — bei dem bleibe ich) wenn Du den Titel: Jubelsenior weg»

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thust, und dafür Jubelfeier, Jubelhochzeit, oder waS Du willst, setzest. Dann steht nichts im Hintergrund, und nichts — anders, als es stehen muß, und wir betrachten Alles gern und freudig auS dem Standort des hochwohlgebornen Herrn Pseudo / Esenbeck, und wo eS sich gehört, tritt die Jubelfeier in den Vorgrund. Nun will ich loben, nämlich den Plan und die wundersame Hülfe, die ihm die Ueberschriften der ofsieiellen Berichte gewähren. Die- alles deu, tet auf den Dens ex macbina hin. Man ist ge, neigt, ihn zu tadeln; man wird zu einer übereil, ten Voraussicht verleitet; man wird beschämt, wenn man sich freudig getäuscht sieht. Schön ist die Ankunft Pseudo,EsenbeckS, um der Se, niorS, Familie Hoffnung zu machen; aber herrlich ist und prächtig (um mit Emanuel zu reden) die Zurücknahme dieses Vorsatzes, und daß Pseudo, Esenbeck seine Freude aufopfert und zwar auS einem feinen, feinen moralischen Grund, auS einer zärtlichen Theilnahme an der Seniors, Fa, mitie, auS der Furcht, ihr eine vergebliche Hoff­ nung zu machen. Das Andenken an die Vergeß, lichkeit dcS FürstencharaktcrS tritt meisterhaft in

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dem glücklichsten Zeitpunkt ein und macht das wieder ungewiß, was als eine ausgemachte Sache, als ein unveränderliche- Schicksal vor, ausgesetzt war. Die Ungewißheit und die Furcht steigt durch da- Dorbeifahren des Fürsten nach der Insel. Endlich kommt, nicht der Fürst, sott, der» Esenbeck, und mitten in die gewünschte, aber unerwartete Auflösung schlingt sich eine viel, fettige Verlegenheit ein, die den Hosmann in eine peinliche Unbehaglichkeit setzt, welche aus seinem Hofmanns, Charakter entspringt, und diesen Cha, rakter zugleich in- Hellere hinzeichnet und den Kammerherrn zur Sühnung de- schönen Festeund de- vertraulichen Einklang- der übrigen Ge, sellschaft forttreibt. Durch eine solche meisterhafte Wendung solltest Du alle Deine kunstunverständigen Rezensenten belehren und bekehren. Del einer so ganz simpel» Geschichte eine solche unverhoffte Entwickelung, ohne Aufwand, ohne Anwendung großer Maschinen, mit einer weise» Sparsamkeit (die nicht vom Kapitel zehrt) bei einem sogar be, fürchteten Deus ex machina eine solche unsicht­ bare Verwickelung und eine so täuschende Ent, Wickelung.

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Das Jubelfest, der Traum in dem Appendix des App. und der Spaziergang Ingenu'inS und Alitheens nach Ankunft der falschen Dokazion ge­ fielen mir ausnehmend, und die Zirkelbriefe dazu mit der unbemerkbaren Briefeinkleidung; von al­ lem Andern gelten die ersten Worte dieser Zettel. P. 58. Kantor O. «eerpfeif. In jedem Dorf sollte man nach dem Namen de- Schulmei­ sters fragen und sollte sich halb zu Tode lachen, wenn der Zufall einen recht närrischen und be­ deutenden gemacht hätte. Wenn aber ein solcher erdichtet wird, so sollte man sich zu Tode ärgern, daß die Laune fe armselig ist, die ihn erfindet, und weil jeder Name bedeutend und komisch wird, wenn nur der Mann selbst recht dargestellt ist. Ich hatte wider den Namen Leibgeber sehr viel und hätte eS gesagt, wenn er nicht zu unauflöslich in Deinen SiebenkäS verwebt gewesen wäre. ES ärgert mich, daß er im Titan vorkammt, aber ich tröste mich, weil er in der Welt unter so ver­ schiedenen Namen herumflattert. Wider Haar­ haar habe ich' noch mehr als die Ostheim. O-ueerpfeif ist mir sehr zuwider. Hier ist ausschließlich die Nutzanwendung. Ich

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muß mich protestirend verwahren gegen Folgen­ des. Was ich Dir über Deine Bücher sagen kann, ist nicht-, als meine Meinung, ob ich fle wohl manchmal, wie ich jetzt erst daran denke, zu anmaßend ausgedrückt habe, und sogar in einen revoluzionärcn Terrorismus, der wegzuräumen an­ statt zu erhalten sucht, verfallen bin. Di^s soll künftig nicht geschehen. Mit dieser Meinung se­ ist lächerlich, daß ich eS sage; aber es ist doch nöthig, weil ich eS so meine) kannst du schalten und walten wie Du willst. Wo sie nicht Deine eigene Meinung ist, da muß sie schon nm des­ willen verworfen werden, weil ihr Urheber keine Zeile der Bücher, die sie betrifft, geschweige denn diese selbst machen kann. Ich komme mir jetzt als eia Advokat vor und al- ob Schrän *) in mich gefahren wäre und ich kann eS doch nicht ändern. Ziehst Du den Titel Jubelsenior vor.: so ist er der richtige und deswegen ist die Supplementseitd überflüssig. Sie-ist es aber noch mehr um meiner willen. Mit meinem Willen, mid ich ) Ein Höfer Advokat damaliger Zeit,

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weiß, den wirst D» hier achten, sollst Du meiner nie mehr in Deinen Büchern erwähnen. Ich bin so fest entschlossen, mich nie mehr einer unter# dienten, und eben deswegen drückenden Publizität Preis zu geben, und nie mehr aus meiner De, schränktheit weder selbst herauSzutreten, noch mich herauSziehen oder treiben zu lassen, daß ich wider den Druck der Supplementseite, in so fern mei# ner nur mit der leisesten Berührung darin gedacht wird, protestire, und daß, wenn rS nöthig ist, ich es am 20sten Jänner wiederholen will. Da es in Einem hingehet; so bitte ich, daß Du bei Deiner neuen Ausgabe des Hesperns, die ohne# dem die alten Druckfehler nicht beibehalten wird, daerratum, das meinen Namen enthält, zugleich mit Allem, waS denselben im 47sten Posttag (ich glaube, er ist eS) nut im Geringsten angehet, auslöschest. Das Schweigen ist oft ein größereund lautere- Zeichen der Liebe, als das Reden, und ich wenigsten- will jenes so aufnehmen. Aber ich schweige doch nicht und sage ewig, ewig bin ich Dein Dich liebender Otto.

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Jean Panl an Otto. Den 20. 3'inU‘U 1797*

Supplement/eite zum prodromus galea tus.

Eben da ich da- Werklein vom Antezessor meiner Leser und Skabinen von meinem lieben Otto zurückbekomme, um e-nach der Reinigung vom letzten Feilstaub gleiffend nach Lybczk — Lipezk — Lypezyke — Lipz (denn so wurde Leipzig sonst ge­ schrieben ) abzusenden, so schlägt er mir in dem Litteraturbrief, den er mir vorher über jede- mei­ ner Werke schreiben muß, unter den Veränderun­ gen, die ich mir gern gefalle» ließ, eine vor, an die nicht zu denken ist. C- soll nehmlich daTitelblatt umgeschrieben und statt Inbelsenior I u< bileum oder Jubelfest rc. gesetzet werden, «eil der Senior überall im Appendix nur selber ein Appendix und eine Figur de- Hintergründeist, und weil noch ändre Gründe c- wollen, hin­ ter die gute Skabinen schon kommen werden. o II.

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Aber Jubelseni or giebt einen individuellem, stärker gezeichneten Titel; — wenn ich nun in der Supplementseite mich prvtestirend verwahre und e- eingestehe, daß e- Jubelfeier heißen muß, und wenn ich Dir noch dazu die Supplementseite, vorher zuschicke, was willst Du mehr, Christian, zumal heute am 2vsten Januar 1797? —

Jean Paul an Otto. Den 11. Februar 1797.

Diese Abhandlung über dir Unsterblichkeit, sammt der künftigen über die Holzschnitte der zehn Gebot«, machen daS zu Ostern kommende Buch für den Geraer aus. Die erste Hälfte, die ernsthafte, über unsre Jmmortalität, ist mir, obwohl in einem Monat geboren, lieber als der Jubelsenior (die Satyre über die tragischen Todt, schläger abgerechnet). Ich schicke fle Dir heute wegen Morgen, deS Sonntag-, denn ich habe noch einige Blätter nachzubringen, die Du am Montag Nachmittag haben wirst. Gott gebe

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daß diese Abhandlung Andere so befestigt, wie ih, ren Verfasser. Beiliegende Briefschaften legitim«, ren meine Eile und Bitte, daß ich nicht nur Al, leS am Mittwoch zum Versenden zurückbekomme, sondern auch einzelne durchgelesene Kapitel frü, her, zum Verbessern. Da darin die Demonstra, zion die Pille, und da- Künstlerwerk nur daSilber ist: so kann es weniger Verbesserung an, nehmen und federn, als andere Opera. Ich bitte Dich sehr um Eile und einmaliges Lesen. Tadle mich am Ende auS Mangel an Terminen lieber ftüh mündlich, als spat schriftlich. R.

Otto an Jean Paul. Dlenstag,

den 14. Februar 1797.

Ach habe eigentlich gar nicht- zu sagen über Dein Kampaner Thal und doch den Wünsch, recht weitläufig zu sein. Da- Nicht- bezieht sich auf den Tadel, der Wunsch auf da- Lob.

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Bei diesem, wenn ich ihn auch befriedigen wollte und könnte, würde ich mir immer zu kurz Vorkommen. Das Ganze ist die herrlichste Gabe, in der Du die besten überirdischen Hoffnungen des Men, sehen in der schönsten irdischen Umhüllung dar, reichst. WaS dieses Leben Reizendes was die Erde Angenehmes, was die Geselligkeit Erfreu, sicher hat, daS ist mit einer seltenen Harmonie vereiniget, und mit ihm paaret sich der bewun­ dernswürdige Einklang einer Zahl geliebter und liebender, gebildeter und erhabener Personen (um geschildert, aber ausgezeichnet, klar und charakte, risch jede), vereinigt durch ein himmlisches Erden, fest, zusammengeführt in dem reizendsten Erden, winkel, den man überall erblickt (man sicht und fühlt überall, daß man in dem Kampaner Thal ist), unter dessen hereinhängenden Felsen, in des, sen milderer Luft man sich gesichert, vertraulich, gestärkt, von einem mildern Klima umflossen und von einer aufwärts hebenden Macht, das Erden­ fest des Augenblicks und des Tages vergessend und genießend, immerwährend emporgetragcn fühlt. Die- ist der Kelch des füßschmeckendcn Weins,

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bet stärkend und reizend hinunterschleicht, indem fein Geist unbemerkt emporsteigt und (vergieb den Ausdruck) dir Trunkenheit der Unsterblichkeit giebt. Wer, wie ich, der Sterblichkeit und der Unsterb llchkeit näher ist,, der fühlt sich wunderbar erquickt und gestärkt durch den Genuß dieses Abendmahls, da- auch sonst den Sterblichen vor dem Tode ge­ reicht und in ihm die Versicherung des ewigen Lebens gegeben wird. Ich will gar nichts Einzelnes loben; es ist gar nirgends ein Wechsel; eS schreitet alles in gleicher Vollkommenheit fort und über die kunst­ volle Einkleidung waltet ein Zusammenklang, ein regierendes, bewältigendes Schicksal, das mit einem verborgenen, versteckten und überall sich offenba­ renden Schöpfungsplan in die irdische Hülle, in die schönsten Früchte deS Erdenlebens, in den lieblichsten, freiesten, ungezwungensten und beson­ nensten Dialog — Jakobi'S Einkleidung ist nichts dagegen — den Kern (der Kern geht auf die Früchte und der Dialog soll weiter hinauf) deS Ueberirdischen und Himmlischen legt, und die Sterblichkeit unbegreiflich und faßbar mit der llnsterblichkeid ausstartet.

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Das, was Du p. 119 und 20 sagst, daß der in ein Universum aus successirenden Ephemeren in eine unsterbliche Legion auS Sterbenden zerx theilte und zertragene Zweck der Entwicklung feix ner für die verschwundenen und verschwindenden Ephemeren sei, erinnerte mich an die ntmlichen Gedanken, — (ich sage, die nämlichen, ob ich sie wohl nie mit der nämlichen Klarheit haben kann, und Dein umfassendes Znfammendrängen den Sinn meiner zertragenen Vereinzelungen, aus dex nen mir die Wahrheit zudämmert, erst recht deutx lich macht) — welche ich neulich beim Lesen der Todesfeier im Meister hatte, und wo mich die Trostlosigkeit seiner Kunst $ Unsterblichkeit darauf brachte und ein seltener Zufall dieser Trostlosigx keil eine größere Beklemmung, mir mehr erhebende Besonnenheit und der aufquellenden Hoffnung eine größere Stärke gab, indem gerade als ich im Lesen der Todesfeier mich unterbrach und ein Paar Zettel voll schrieb, in meiner Uhr die Kette zersprang und die Stille des Abend- da- kleine Geräusch lauter und stärker und die Nähe des Todes in mir und außer mir alles schauerlicher, feierlicher und zugleich tröstender machte.

23 Ich möchte gern noch mehr toben und prei­

sen; aber ich muß abbrechen, da sich meine Eil­

fertigkeit mit dem letztem besser verträgt, al- mit dem ersten. P. 50 und 51 könnte ich bemerken, daß viel­ leicht in der angenommenen Approximation (um

ihr mehr Sinn zu geben) sogar durch eine Täu­

schung eine Erreichung angenommen wird, von

der man da- Einschließen einer Endlichkeit 6ex Häupten und aus der man sogar eine kürjere und längere Unsterblichkeit könnte.

nnd

Ewigkeit

herleiten

Wenigsten- könnte die Frage wieder,

kommen: find die Menschen »ach der Erreichung

ihrer moralischen Bestimmung unsterblich? Mir ist'- immer,

als ob wir keinen Be­

griff vom Tod und Aufhören haben, sondern nur

«inen vom Leben und von der Fortdauer. Der Morgen, p. 25 rc. re.; die Klage; der Abend; die Wanderung; die Himmelfahrt in der

Mongolfiere; Alles, Alle- ist herrlich!

Wenn ich bei längerer Zeit noch über die Sache selbst mehr sagen wollte, oder etwas:

so

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wäre es zu nichts, alS daß ich hinterher sehen könnte, daß es schon in Deinem Aufsatz stünde. Dem O. Jean Paul an Otto. Den 14. Februar. 1797.

Ach bedaure blos Deinen Stunden-Luxus, de« Dir die Bettelei gemacht hat. Ich rechte nicht mit dem Zitfall. Und noch herzlicher dank' ich Dir für Deinen blühenden Kranz, den D« auf meinen Torso gelegt. Das sechste Gebot in dem zweiten Theile des Kampaner Thals ist meine Zäsur, da zumal in dieser Woche die peremtorische Frist der Presse abläuft. Ich bin begierig, was Du sagst. Ich habe, was ich konnte, ge­ than, um in die 12 Holzschnitte eine fortge, hende Geschichte einzuimpfen, aber die Behand­ lung deS Gegenstandes kann deswegen noch nicht die Wahl desselben rechtfertigen. Dorn halte ich die fünf nöthigen Kunstwerke heigelegt und aus dem Katechismus geschnitten.

25 Am 8. März.

j£)ier hast Du das sechste Gebot, in einer glück­ lichen Anstrengung von gestern bis heute gefer­ tigt. Das ganze exetische Werklein soll Nicht­ sein, als ein edlerer — Schwank, «nd bedarf Karnevals - Privilegium, R.

Mittwoch den 8. März 1797.

Mein Richter! Eine Gemäldeerklärung, die zur Travestirung «nd Parodie wird, indem sie den bekannten Sinn der Bilder wegschiebt «nd künstlich einen neuen hervortreten läßt, scheint mir sehr schwierig zn sein, weil des Erklärer- eigener Genuß zu groß ist nnd er leicht bei diesem seinen, obwohl rechtmäßigen Gewinn, die Darstellung in eine unverschuldete Gefahr bringt, wo er den Betrach­ ter mehr alS den darstellenden Schöpfer sehen läßt. Wenn er nun dieser Gefahr ein wenig unterliegt und man dann biblisch von ihn» reden

26 wollte, so könnte man ans der Schipfnngge,

schichte nur die Worte auf ihn anwenden: er sah an Alle-, was er gemacht hatte und siehe! es war sehr gut; aber nicht die: und er sprach: eS werde Licht! und e- ward Licht.

Diese Gefahr wachset, je bekannter die Bil, der sind, die der Erklärer vor sich hinstellt und je mehr er während dem Anschauen auS der Rolle des untergeordneten Erklärer- in die Rolle des

selbstherrschenden Dichters übertritt.

Den« schon

der erste Einfall einer Erklärung dieser Bilder,

die jeder wohl so vergessen hat, daß er erst bei der neuen Erklärung sich verwundernd wieder an

ihr Dasein erinnert; dieser Einfall und vielleicht der Gedanke, die Aufmerksamkeit der halben Welt

auf sie von neuem hinzurichten, hat etwas zu

Reizendes und zieht auf einmal ein Getümmel mib ein Gewühl neuer Ansichten herein, die sich frei machen und wild loSreißen wollen und den,

doch wieder durch den gegebenen fremden Stoff, durch die alte vorgefundene Bronzeform, in die

Aste- einzupassen ist, gefesselt werden, und wie und wenn sie dann Heller werden und nach und

nach näher heran kommen, sich mehr in die in,

nere Beschauung des Dichters, bei dem wieder

die Rolle des Betrachters «nd Erklärer- (nämlich seiner eignen neuen Dichtung) übermächtig wird,

hineinziehen, als daß sie heraus in den äußer» Gesichtskreis und in die sichtbare Welt der Dich«

tungen treten.

Je mehr Prophetenkraft nöthig

ist, wenn der neue Elias — er kann eS so gut als Etisa — sich auf den erblichenen Leichnam hinlegt und in das erblaßte Gebilde Lebens, wärme und Nöthe zurückruft, desto größer ist daWunder; aber desto näher ist das Prophetenkind

der Entrückung und seiner eigenen Himmelfahrt; oder je weiter der alte vergessene, von dem neuge, schaffenen und gegebenen Sinn abliegt, desto sinn,

reicher ist die Erfindung: aber desto größer, rci,

zender und überwältigender ist der in Ich zurück, gehende und in sich gekehrte Selbstgenuß de- erklä, renden Dichters und des dichtenden Erklärer-, und

desto größer

stellung.

die Gefahr für die äußere Dar,

Diese Gefahr nimmt noch mehr zu,

wenn- wie bei den Katcchismusholzschnktten, die

erklärten Bilder keinen andern, als höchstens einen

zufälligen Zusammenhang haben, und doch bin, dend und fesselnd zum Leitfaden einer fortschreü

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«enden Geschichte gemacht werden. Ich will bei den Katechismusmarionetten stehen bleiben, weil diese einander nur dadurch angehiren, daß sie Sitten-Gebote oder Verbote vorstellen, daß diese zustmmengezählt sind, ob sie gleich im menschli­ chen Leben selten zufammennumerirt werden und in der Praxis in die Bruchrechnungen und nicht in die ersten Species gehören und so selten einen Numerus ausmachen, als sie Numeri machen dürfen. Der Katechismus setzt ferner alle zehn Akte künstlich und zufällig in Ein Schauspiel da­ durch zusammen, daß er durch sie nicht zur Hal­ tung, sondern zum Bruch der sämmtlichen Gebote anmahnet, weil er voraussetzt, daß nichts allem Guten nachtheiliger ist, als die Vorstellung des Dösen und well manche verwerfliche Gedanken, selbst wenn sie unterdrückt und weggeworfen wer, den, doch beim Kämpfen dagegen gedacht werden müssen, und schon durch ihre Vorstellung beflecken und die Gefahr wie die Möglichkeit in sich tra, gen, sie öfter und vertraulicher zu denken. Denn manche Tugenden scheinen nur dann ganz rein, wenn sie werthloser erscheinen, wenn sie zur Lust und ohne Ueberwindung geübt, wenn nämlich

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der verunreinigende Gedanke des Gegentheils nie in die Seele gekommen ist. Dies ist aller vermittelnde, aber äußerstzufäl­ lige Zusammenhang, den Deine Katechismusbilder haben und jedes Gebot bleibt abgesondert und höchstens ein Stück von der zerbrochenen Gesetz­ tafel des feuereiftigen und zornigen MoseS. Die Fragmente dieser Tafel so zusammenzufügen, daß die Sprünge unsichtbar, die einzelnen lapidarischen Buchstaben zu- einer neuen Inschrift gebraucht werden, hat so waS Reizendes für den Erfinder, daß daS Wohlgefallen an dem ersten Gedanken die Schwierigkeit der Ausführung ein wenig ver­ deckt, und daß hinter dieser Hülle daS Wohlbe­ hagen zu eingreifend wird, daS auS der Vorem­ pfindung der Freude kommt, die man hat, wen» man sich im Voraus meerumflostene, isolirte In­ seln als wesentliche Theile einer zusammenhängen­ den, absichtlich und zweckmäßig regierten Welt und alS konstituirende Jntegraltheile einer ver­ steckten Theodicee denkt und daS Zusammenführen der Erden in ein Sonnensystem sich vorstellt. Dieses Vergnügen über die Erfindung und über ihren innern Anblick macht gegen den

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Schmerz der einschneidenden Deinschellett und die daran hängenden schweren Ketten fühlloS. Dieser äußere Zwang, der an einander geheftete Holzschnitte hingiebt, und an einander hängende, aus einander fließende Scenen dafür verlangt, drückt die selbstständige Darstellung-kraft nieder und macht sie abhängig. Sie erschöpft sich dann mehr in und durch den Genuß, al- in und durch die Schöpfung. Zuletzt wird matt gewahr, daß statt der staunen-würdigem Welterschaffung aus Nicht-, eine bloße Schöpfung aus Etwa-, eine bloße Bemächtigung de- Chaos da ist und daß diese — und über den Selbstgenuß die selbst, herrschende, schöpferische, darstellende Besonnen, heit — verloren gegangen ist. Da- höchste Dergnü, gen de- Betrachters eine- solchen Kunstwerk- trifft dann nicht dieses, sondern den Künstler, geht nicht auf da-, was er mit minderer Freigebigkeit gegeben, sondern auf da-, was er dabei schwelge, risch empfunden, aber zum Theil in sich zurück­ behalten hat. Diese- Vernehmen seine- Vergnü­ gen- wird zum Fremden und nur au- der Ahn, düng de- Reizenden der Erfindung, au- dem Er­ quickenden de- gefühlten fremden Scharfsinn- geht

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etwa- umschkiert, ermattet und verblichen der ganz- mehr von fern und mehr und mehr aus dem heitern Gesicht des Dichters gesehene, al» der unmittelbaren Anschaung hingegebene Anblick der neugeschaffenen Scenen hervor. Es sind Ge, schichten, die auf dem verblichenen Tapetengemälde im weißen Kreise der Laterna magika schwankend und schnell vorübergleiten, aber weniger gesehen, als aus dem Gesang oder aus den Mienen de» jovialifchen Lombarden vernommen werden. Wenn aber zwischen die vormals isolierten Bilder, bis. von dem neuen Erklärer in eine fortgehende Ge, schichte zusammengebunden werden, »«gemahlte Scenen eingeschoben, weiße Blätter eingeheftet Und Mit dem sacmm encaustmn vom Unabhängir gen Dichtergeniu- beschrieben, di« erklärten al» zwischen durchlaufende Chodowieckische Kupfer an, gesehen würden, so würden diese Zwischenakte der freien Lebensbewegung des Genius und der eigenen Schöpfungskraft des Tilular, Komment«, torS zu Hülfe kommen, diese über die fesselnde Abhängigkeit siegen lassen und die darstellende Besonnenheit, die mehr giebt genießt, würde klarer und vernehinlicher heraustreten.

32

DäS Ich des Schriftsteller- ist der unsicht­ bare, aber überall geahndete und sich überall offenbarende Gott. Mir ist die atheistische Nüch­ ternheit in den Tod zuwider, die im Meister und in den Franzosen anzutreffen ist und die dieses Ich verschwinden läßt. Aber es muß auch Hof?' erscheinen und nichts sein, als das Ideal und darum hatte der Rezensent in der Lit. Zeit, so sehr Recht, als er Bürgern nicht genug Bil­ dung zutraute, und eine größere von und an ihm verlangte. Wenn aber statt des idealischen Ichs, statt dieses umfassenden Ideals, die freudige Gemüths, stimmung, das Reizende und Wohlbehagende und Erfreuliche einer gelungenen Erfindung des Autark sichtbar wird, so empfangen wir nur einen Theil seines Ichs und nur etwas vom ganzen Ideal. Anstatt wir dieses sonst nur als eine höhere, mit ihm gemeinschaftliche oder uns von ihm verlie­ hene Tendenz fühlen und mit diesem, gleichsam bewußlosen Gefühl — das ich die Empfindung der artistischen Gesundheit nennen möchte, weil cS der körperlic- ähnlich ist — unmittelbar und von Angesicht zu Angesicht seine Schöpfung

33

ansehen, so gehen wir, wenn er uns nur einen Theil von sich und vom/ ganzen Ideal giebt, durch daS, beinahe bewußte, Gefühl desselben erst in seine Darstellung ein, die nun für uns aber nur dadurch sichtbar wird, daß wir seinen Zu­ stand als Mittel und nicht als Zweck empfinden, und nicht als eine gemeinschaftliche Tendenz, son, dern als eine verliehene und übertragene, einsei­ tige und augenblickliche Gemüthsstimmung» Da­ durch verliert die Darstellung des Dichters uqd die Betrachtung de- Lesers etwas von ihrer Doll, heit, und an die Stelle eines ganz reinen, ruhi, geiz, ideal ischmcnschlichen Genusses, tritt ein un­ ruhiges, kitzelndes (nimm dem Ausdruck alles Un­ edle und verleihe ihm bloß den Sinn eine- unste, tea, abwechselnd erneuerten lieblichen Reizes) Be­ hagen, kein rein menschlicher, sondern beinahe ein überwiegend sinnlicher Genuß. Alles, was ich (ich hoffe, dunkel genug) gesagt habe, trifft nicht Dich; sondern den Gegen­ stand, und Du hast beinahe alle Schwierigkeiten überwunden. Ich glaube, daß man nur ganz über sie Herr werden könnte, wenn der Kom­ mentar der Holzschnitte nicht unmittelbar an ein# IT.

3

34

ander gereihet, sondern zwischen die Erklärung jede- Blatts andre vermittelnde (und nur 6ex fchriebene) Scenen eingeschoben und so der ganzen Geschichte mehr Einheit, Bestimmtheit und eigene Kraft verliehen würde. Ueber Deinem ganzen Kommentar liegt eia eigener erfreuender Reiz. ES ist zwar Nicht der, welcher alle Fäden der menschlichen edlen Neigun, gen in einem Dustschleier über da- Kampanische Frühling-thal zieht, sondern es ist die stärkende und erhebende Lust an einer gelungenen Erfin, düng; eS ist das Erquickende des unerwarteten und überraschenden Scharfsinn-, des Sinnreichen und der mächtigen Gewandheit, die in da- Gesicht de- SalzrevisorS auf dem dritten Holzschnitt wahrlich! den Charakter hinein bringt, den ihm der Kommentar giebt. Je öfter ich (und ich habe eS oft gethan) den Krön lein ansah, desto öfter mußte ich da- „wahrlich" wiederholen. Der Einfall, die Holzschnitte der zehn Gebote zu kommentiren, verdient schon Bewunderung und erweckt ein freudiges Verlangen in dem Leser und ein Nachgrübeln über die Frage: wie wird

35 e- geschehen? Der Gedanke den Geboten eine fortgehende Geschichte unterzulege«, ist äußerst

sinnreich und überraschend.

Die Einleitung stei,

gert diese Ueberraschung immer mehr und mehr, und mitten drinnen erhalten sie aufrecht und" wecke«

sie immer wieder die einjelnen sinnreichen und launigen Deutungen, die überall anzutreffen sind, z. B. daß der geschwungen« Lautenkasten Kains

das eine Wachfeuer umwehet, und daß das letzte mir nichts dir nichts und blos willkührlich da

ist und weiter kein Wort darüber verloren wird;

die Hinreichung der Holzschnitte auf dem Berg

Sinai, der Holzhacker als Zeichen des Früh, lings re.

Die Charaktere sind äußerst bestimmt,

und ihre Zeichnung liegt oft beinahe in etwas Namenlosen, wie beim Bischof in pattibus im

Namen: Landstand.

Sie Mache«, daß man sich

in einer eigenen neuen Geschichtswelt verliert.

Die-

Alles, verbunden mit der komischen und launigen Hinweisung auf die alte biblische, nach und nach entfremdete Erklärung, erhebt den Kommentar zu

einem neuen, unerwarteten, überraschenden und

erfreuenden Genuß.,

Ich sage Dir im Voraus,

er wird außerordentlichen Beifall finden und das

3*

36

Kampaner Thal wohl mit verkaufen helfen; aber ich sage Dir eS auch hinter drein, daß es mir um jeden Leser leid ist, der, weil der Kommentar nach dem Kampaner Thal gedruckt wird, ihn un­ mittelbar nach diesem Feenzauber zu lesen verleitet wird. Umgekehrt, der Kommentar zuerst, wäre mir cs recht und so wollte ich auch, daß beide Aufsätze zusammen gedruckt wären.

UebrigenS ist das sechste Gebot das Vortreff­ lichste unter allen; dann kommt die Einleitung und hernach da- Uebrige. Die Ausschweifungen liegen den übrigen Geboten nicht so nahe alS dem sechsten, da- merkt man gleich; denn die bei den übrigen sind ein wenig entfernter und gesuchter.

Ich wollte morgen nach Münchberg gehen, aber es ist nicht- wegen des Sturmwinds und des Wetterglases.

Rechne diesen Nachmittag für den Dormlt, tag: sö habe ich meine Frist ohne Fristgesuch — ti wäre auch nur eins zum Mundiren — präch­ tig cingehalten.

37

Als ich am Mittwoch Nachmittag den 8. März von Leimiz zurückkam, schrieb ich diese Blätter auf und am loten schicke ich sie Dir, mein Richter. Ewig Dein H.

Otto an Jean Paul.

Ilm 21. März *) 1787.

^)'ch will Dir heute, da ich nichts anders habe und weiß, aus dem »origen Jahr einige ver­ blichene Tage, die vor mir emporsteigen und mir »vieder erscheinen, als rührende Gestalten des ganz zen WeltlaufS und des Menschenlebens zeigen. ES ist der Abend des 20. Juli'S, den wir in Hofeck unter Musik zubrachtcn und der zweite darauf folgende Tag, der heilige Abend vor dem Tove Bergamo'-,**) sein stiller Freitag. Ich will Dir hieher schreiben, was ich mir am letzten Tag, am Freitag den 22. Juli, zum Andenken aufschrieb. *) Geburtrag Jean Paul's. ♦*) Eines Italiener-, der in Otto's Hause wohnte.

38

Am Mittwoch (den 2lsten Abend-) als ich, ungeachtet aller Bitten, in Hofeck fortgehen wollte, kam ein Zug Menschen den Berg herunter und e» waren Musikanten. Der Vorsatz zu gehen verschwand, wie sie sich näherten und an die Stelle deS vorigen festen Entschlusses trat die Wehmuth, eine Freude, die aus einem Plan für Anderer, und für mein eigenes Vergnügen gebildet war, obwohl unbewußt, erschwert und getrübt zu haben. Indem ich dieses schreibe, liegt unter mir ein kranker Mann, ein guter Mensch in der Erwartung des Tode-, den er auf sich zukommen und zu sich herannahen sieht. Im Gefühl seiner nahen Gegenwart macht er sein Testament. Soll ich in dieser Nähe des Todes fortfahren und mir selbst da- genossene selige Vergnügen zurückrufen und verewigen? Ach! der Tod und da- Leben, die Freude und die Traurigkeit heben ihre Arme auf, breiten sie von sich weit und gehoben hin, Und ein- ergreift fest und drückend die Hande de- andern und mit, ten in diesem Kreis stehen wir Menschen. Sie gehen nicht, sondern sie schweben um uns her.

39

und wir, wir stehen, und unser Blick, der auf einen Punkt gerichtet ist, und der die Freude fassen will, verliert sie aus den Augen und er, blickt die Traurigkeit, ehe er jene gesehen hat, und ihm erscheint der Tod, ehe er da- Leben erfassen und festhalten konnte. In dieser taumelnden Umgebung darf er vom Schmerz zur Freude übergehen, und ich darf und kann, indem mir meine Füße, die über dem Haupt deS guten kranken Mannes ruhen, zittern, meine Hand die wehmüthige und rührende Freude verkünden lassen, die ein seltner Abend gab. Ich darf's und ich kann'S; und dennoch trieb'S mich von meinem Sitz auf und ans Fenster hin. Ich sah hinunter. Das Testament ist jetzt fertig. Mein Bruder liefet eS unter mir vor. Ich gehe wieder an mein Pult und in der Beklemmung, in der ich bin, stürzt mir golden geröthet neben dem Hofecker Schloß der Mond empor, wie er am Mittwoch Abend unter der Musik erschien. Mir ist, als ob ein Tod seine Strahlen abge, brochen, als ob er ihm die blitzenden Stacheln genommen und ihn mehr gekündet hätte. In

40 die Nacht

und

in

seine Umschleierung hinein

stemmt sich ras Schloß und netzen ihm steht de»

einsame große Baum. Ich war wieder am Fenster.

Jetzt hat der kranke Mann unterschrieben im Andenken

an seine geliebte Frau,

Testament ist.

Krankheit und waren doch Drunten stehen

für die das

Seine Hände zitterten von der fest von der Liebe.

sie an dem Tisch und um ihn,

stumm und schweigend und liebend und warten, bis seine Unterschrift trocknet. —>

schreiben die Zeugen.

Nun unter,

DaS Licht brennt.

DaS

rothe Siegellack liegt auf dem Tisch. —

Das

Testament wird nun zusammen gebrochen, und Menn es geöffnet wird,

sehen seine Kinder und

seine Frau die Zeichen der väterlichen Zärtlichkeit,

und

die Luft abwehrenden

Verbände lösen

sich

ab und die Wunden fangen von neuem an zu bluten.

Darf ich wieder Hinblicken auf unsern frcudi,

gen Mittwoch-Abend? Ich sehe den Mond vor mir,

wie er sich in

die Höhe hebt und herabschanet durch die gcgitter, ten Bäume auf die Szene unserer Lust.

41 Ich möchte weiter schreiben,

und bleibe mit

meinem Blick an dem Mond hangen,

und er

richtet sich noch immer vor mir auf neben dem

verfinsterten Baum und neben dem weißgrauen

trüben Schloß,

das die Vergangenheit halb zer,

naget hat; er schwebt in den schwarzblauen Him,

in die feste unvergängliche Stille hinein.

mel,

Die Musik tönt dieser entgegen,

und wenn sie

schweigt, schallt nichts als die Stille,

zuweilen sucht sich ein einzelner,

und nur

sich wiederhol

lender, langsam wiedcrkommender Ton mit ihr zu

einigen:

aber immer gleiten

auf ihrer glatten,

glänzenden und starrenden Fläche die Töne her, unter,

indeß sie in ihnen fest dasteht und uner,

schüttert stehen bleibt.

Sie ist eine Aeolsharfo,

an und au- der nur das Stimmlose erklingt, an der nut das Stumme einen Ton bekommt und

«ns bleich und behend anfaßt mit der Nacht, die uns

anstarret

vom Mond

beleuchtet,

wie die

Stille uns hinnimmt von der Musik umflossen,

die an sie anspielt und von ihr wieder abfließet.

Ach! es ist Tod und Leben, Tod!

und Leben und

Ich ging den Berg hinunter ins Thal.

Das Haus, der Garten, daS Lnstgegitter über der

42

Musik schimmerte erleuchtet über die verstummten, verfinsterten und vom Mond beschimmerten Hüt, ten herunter. Die Instrumente schwiegen. Jetzt erwachte über der allgemeinen Ruhe die Musik und zog sich zu mir herunter, verlor sich am schroffen Hügel hin, von dem sie zu mir zurück, kam und erst in meinen Ohren das Vernehmen des plätschernden Baches weckte, den ich lange ver, gebens gehört hatte, bis er jetzt in die herüberge, hende Musik tönend und mit melodischem Takt einfiel. Ich ging wieder hinauf, stund und wan, bette und irrte unter den Bäumen, und über ih, nett drüben stand der Mond, in dessen Schimmer die Bäume hinauf und hinein schwebten, indem unten um mich herum die Musik lief und hin, auf sich zog und sich mischte mit dem Schweben der in den goldenen Grund sich niedersenkenden Daumschatten. Die Lust und der Mond stieg und schwebte über dem Thal, schob die Schatten der Bäume, die am Rand desselben stunden, immer mehr in sich und in die Bäume hinein, ruhte über dem blauen dämmernden Nebel wie über einem Spie, gel, zog immer näher zu uns heran, schloß die

43

Herzen immer enger zusammen, stand über dem mit Däumen umhüllten Teich und seine Strahlen spran­ gen aufwärts aus dem glänzenden Wasser in gol, denen Tropfen zu ihm in die Höhe, und sanken und hoben sich wechselnd an der bewegten Fläche. Aber die Musik verstummte endlich; ihre nach, tönende Stimme hielt noch unsere Herzen, aber e- war nichts zum Bleiben, sondern alles zum Scheiden. Die Trennung endigte Alles und ließ nur der Zukunft den vorüberwallenden Nach, klang und das wiederkommende Getöae des »er, gangenen Lebens. Ach! indem ich dieses schrieb, ist alles von dem stillen Tod überschrieen, alles ist still gemacht worden. Der Tod, nicht der Schmer, zenlösende, sondern der Schmerzenbringende, trat immer näher an mich heran, und indem ich über dem guten sterbenden Mann saß, war eS mir, als zitterten feine ächzenden Todtentöne durch meine Füße in mir herauf. Sie tönten in mir fort, wenn ich aufstund, und im Freien strömte« sie von allen Seiten auf mich ein. Sie verstummen. Sie verstummten. Er ist nicht mehr!

44

Die Olivenbaume wehen nicht mehr über ihm unb er beweint nicht mehr den großen altväterli­ chen Maulbeerbaum, der in seinem Hofe stand, unter dem er aufwuchs und den er abhauen mußte, weil er dem Nachbar Schaden that. DieSeinigen sind ruhig in B e l l a n o und vergnü­ gen sich an seiner Freude über einen Brief von ihnen, den sie jetzt in seinen Händen wissen und der ihm sagt, daß seine geliebte Frau von einer sechSwöchentlichen Krankheit genesen sei. Er ist auch genesen. Aber der Mailändische Boden, in dem er ge­ boren wurde, sieht ihn nicht mehr. Er wird nun ganj einheimisch auf und in unserer voigtländi, schen Erde. Er reiset nicht mehr alle zwei Jahre inS angebohrene Vaterland, sondern ruhet auf ewig in dem angestorbenen. Die Wellen deS Komer See'S können nicht mehr an sein Grab spülen. Wo ist die Hofecker Lust deS 20sten Juli?

WaS soll ich Dir sagen, lieber Richter? waS soll ich Dir wünschen am heutigen Tag? Etwas

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anders, als was Die dieser Weltlauf zeigt? — Nichts anders, als diesen. Nim ihn hin; aber nim ihn, wie Du ihn verdienst; nim ihn, wie ihn Dir daS vorige Jahr gab. Dein Leben wie, verhole dieses und eS habe keine andern Unterbre­ chungen, als die dem Wehen der frischen und stärkenden FrühlingSluft gleich sind. Jedes kommende Jahr Deines Lebens schenke Dir die Freude, daß Du Deiner guten alten Mutter Deinen eigenen Werth durch das Glück eines ihrer Söhne, eines Deiner Brüder zeigen könnest. Ich hörte ein/Kal in Erlang ein Lied eines alten Meistersängers, und es bestand beinahe auS nichts, als aus dem Einen, unzählige Male wie­ derholten Wort: Liebe. ES klingt noch immer lieblich in meinen Ohren. Ich will eS auf mich anwenden: Liebe Alles! und unter Allem auch mich.

Ich wollte Dir etwas schicken, aber ich hatte nichts und wußte nichts, als KlingerS neue Bücher, und diese hatte Grau nicht.

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Was daS Wetter heut verhindert hat, das wollen wir nachholen; daS Uebrige wollen wir Abends genießen. Dein 0.

Jean Paul an Otto. Am 21. März 1797.

Aadem ich nur anfange zu lesen, seh ich, daß eS Entheiligung wäre, fortzufahren, da ein geldwechselnder Jude aufzählt. Ich danke Dir im Vorau- für den Inhalt.

Jean Paul an Otto. D«I> 21. März 1797.

Lieber Ewiger!

Ach lege hier nicht, wie sonst. Deine Blättchen vor mich zur Antwort, blos weil sie in meine heute zu oft durchdrungene Seele zu tief dringen. Ich

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habe vor einigen Stunden dem mit Schnee ver­ hüllten Staub, den Du durch schöpferischen Athem wieder zu einem schwebenden Gebilde er, wärmtest und erhobest, zu viel gegeben. Ich habe Dir dreierlei zu sagen:

1) Diese Nummer am wenigsten, nämlich meine ästhetische Achtung für Dein Blätter, Kleeblatt. Es ist gewiß nicht die bloße Neu, heit, sondern der dauernde Fortgang, der Grqnd, daß mir unter allen Deinen Sachen keine mehr gefällt, alt die allerletzte. Ach du hast beson, der- vom guten Bergamo noch einmal daS Leichentuch weggezogen, und auf seine verfallene Gestalt die Thräne eines ganz Fremden zu fallen, gezwungen. ES ist außerordentlich schön.

2) Aber ich muß jetzt schreiben, als schrieb ich auS Weimar. — Zch kann (oder konnte) von jeher Vieles wagen; über mich fliegen (flogen) Wunden und Freuden leichter weg. Aber Du bist zu diesem Leicht, und Flugsinn nicht organi, fiert. Und darum wird daS in Dir, was ich so verehre, am Ende ein Schmerz in mir, daß Du auS dem Grabe eine Alpe machst, die ihren

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Schatten zu weit wirft. Sobald man da- er« laubt — und sei man Noch so gleichgültig — so erstarret man im giftigen Nachtschatten. Ich mein' es psychologisch. Zch seh' es an der Liebe der Mädchen und an dem Heimweh der Schwei« zer, daß gewisse auflösende süße sehnsüchtige Gefühle am Ende eine verkleidete Aqua tofläna für die Nerven sind. 0 mein Guter! schone Dich ander« und mehr. Schon darum sollte man sich nicht bi- auf« Innerste abschälen, weil über jeden von un- der vielschneidige Hammer des Schicksals aufgehoben schwebt, der am Ende doch auf die Brust nieder­ fällt. 3) Und weiter habe ich Dir nichts zu sagen, als meinen herzlichsten Dank für Deine unersetz­ liche Gabe und meine heutige Freude, die bei­ nahe lauter Unterbrechungen — kolorirten — und meine letzte, die nichts unterbricht, daß ich bald nach diesem Blättchen zu meinem guten Christian komme. Richter.

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Jean Paul an Otto. Den 31. Marz 1797.

Anlangend Deine vorigen Blätter, *) so hab' ich Dir, außer dem Danke und der Erin, nerung an ihre Zurückkehr, blos das zu sagen: daß sie Recht haben. Ich meine in der Denier, kung der Wirkung, nicht deS Grundes. Ich habe Dir schon einmal geschrieben, daß ich mehr die Wahl, als die Behandlung deS Gegenstandes zu vertheidigen hätte. Dein Urtheil überzeugt mich. DaS Ganze ist ein flüchtiger Spas, ein Vehikel von Einfällen, keine Biographie. In daS öde katechetische Dilderkabinet ist keine bio, graphische Succession zu bringen, außer wenn man, wie Du räthst, die zehn Bilder blos so unzusammenhängend gebraucht, wie die romanciers die Chodowieckischen. Aber der Mensch verabscheuet sogar in Kleinigkeiten Willkühr, und hält auf den Satz deS zureichenden Grundes: er erträgt keine Geschichte, die die zehn DekaloguS, *) Ueber die Holzschnitte.

50

Bilder nur nach Belieben nach größeren oder kleineren Zwischenräumen aufstellt und braucht. Ich hätte eine längere und leichtere beschichte er­ finden können, worin die Holjschnitte nur nach meinem Belieben aufgetreten wären: aber das leidet der Mensch nicht, er will Nothwendige Folge. Daher durfte in dieser Dettelhistorie keine Szene liegen die nicht von den Holzschnitten angefaa, gen, vorbereitet oder vollendet wurde. Auch hät, ten mir im andern Falle die größten Kritiker Deutschland- die Frage vorgelegt: woher ich die Sache hätte? Denn nach H — 's Grund­ sätzen der Kritik darf auf dem Weimarschen Blatte nicht- gelehrt werden, was nicht auf den Katechismus, Blättern zu errathen ist. Der Re­ visor konnte keine confessions in Holz schnitzen, die nicht im Nothfall eine schriftliche entbehren konnten. Da- ist also der Grund zu Deiner wahren Bemerkung, nicht aber Deine Vermuthung degenießenden Gefallen- an der Arbeit. Ich mache alle- schlechter oder schlecht, waS ich nicht mit Liebe oder vielmehr Hoffnung mache. Meine per­ sönliche Stimmung hat längst ihren Einfluß auf

51 mein Schreiben verloren. — Du sagtest, es sei nicht Licht in diesem italienischen Theater:

wäre ein fataler Fehler,

da­

den ein Autor selten

erräth. Gegenwärtige Lieferung hättest Du gleich mit

der vorigen lesen sollen, weil man sonst die Foderung, statt an da- Ganze,

an die Glieder

macht. Das letzte Kapitel mag noch hingehen.— Die Dorrede bekommst Du

morgen. —

Ich

sehne mich nach Arbeiten, worin mir meine bis­

herigen Erfahrungen seit einem Zähre helfen kön, nen. — Ich werd' e- dem Buchhändler unge­

mein schnell übermachen» —

Gieb Dir nicht

viele Mühe mit diesem Mockierspiele.

Ich hätte

auch Deine bisherige gar nicht gelitten,

wenn

meine Sachen nicht bpt Anlaß (nicht blos der Gegenstand) zu Deinen Gedanken gewesen wären, die Du immer reklamiren kannst, und die der

Mensch leichter bei einer Gelegenheit als ohne eine entwickelt.

Daher bat ich immer W., doch

etwa- zu behaupten, was ich läugnete.

9t.

52

Jean Paul an Otto. Den 23. April 1797.

Morgen geh' ich Nachmittag- nach Bayreuth,

d. h. nach der ersten Stazion; sei doch so gut und leihe mir für Bayreuth die drei Real, Wörterbücher zum Arbeiten, die ich Dir erst neu, lich gegeben. Hast Du kein Buch in meinen Koffer zu stecken? Leb' wohl! Da- Gewitter geht vorüber. Unter den Büchern meint' ich solche, die Du etwa nach Bayreuth zu schik, ken hättest-.

R.

Jean Paul an Otto. Bayreuth,

den 29. April 1797.

Mein guter Otto! Ach wollte. Du säßest auf meinem Armstuhl in

diesem blauen Stübchen —■ ich ziele nicht auf da- blaue Kabinct der Hcrrenhuter — und hin.

53

ter einem langen Kanapee, das dem H. Hanse zu wünschen wäre, damit man sich in geraden Zahlen setzen könnte. Ich kann Dir nicht be­ schreiben, sondern künftig erzählen, wie mich E. mit einem ins Kleinste und Größte gehenden Ammeublement überraschte, sogar von Büchern und von einem Reiseklavier. Das ist das erste Mal, daß ich lieber bei einem Freunde hause, als in einem Gasthofe. Was mir hier am meisten gefällt und mich einnimmt, das bin — ich selber, weil ich mich in einen der besten und geschmackvollsten Som­ merröcke (halbseiden ist er) begeben habe; auch die Hosen sind nicht zu verachten. Ich sorge, der alte Mann kopirt mich, wenn er mich er­ blickt. —. Da- Ausziehen in * * * nöthigt mit zum Glücke da- Ausziehen au- dieser Stube ab: sonst blieb' ich sicher zu lauge. Aus der Spigel« scheu Bibliothek ließ mir die Inhaberin gleichgül­ tige Werke zukommen, die um mich stehen und liegen: z. B. Lavaters, vier physionomische Quartbände, eine Gallerie vom deutschen Museum, deutschem Merkur rc. re. Daher mag ich au-

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der Sennen « und Thabors-Hütte meines hohen Stübchens nicht hinaus. Für Dich, lieber Otto, wäre es ein Karlsbad — der Himmel gebe, daß Du sie brauchst — einmal in der fruchtbarste« Jahrszeit herauszureisen und hier in dieser nied« lichen Einfassung einen schönen Wechsel zwischen Büchern und Menschen zu verleben. Meine eiex len neuen Bekanntschaften und Visiten schreib' ich Dir nicht, da E. das Protokoll darüber an Renata übermacht. Ich will ein Moser sei« und historische Aphorismen versenden.

Montag-,

den 2. Mat,

93« erzählte mir, daß man die Staatsdiener für die organisirten Stellen nicht nach Willkühr aus« gewürfelt habe, sondern blo- nach dem Adreßka­ lender; daraus erklärt sich's auch, warum man gut« Stellen oft mit den verdienstvollsten Personen be­ setzte, welche vor der Bokazion — gestorben wa­ ren. Diese Versetzung von eingesargten, schon versetzten Staatsdienern ist kein Scherz von mir, sondern ein Ernst von andern.

55

Girtanner, A. waren w mir fort. &in tanner ist ein sanfter, offner und gerade so in die Menschheit verliebter Schweizer, als A...n in den A...N.

Dienstags.

Diente soll der Brief einmal fort, gesetzt auch, ich bekäme heute einen von Dir. Ich fahre wie ein Magister legens im folgen­ den Paragraphen fort:

Gleim schrieb dringend an Lübeck um die zwei Theile des — Titans, bestimmte den Ort des Gelderheben- u. s. w. Hat Lübeck noch ein Exemplar übrig, so bitt' ich mir es au-, um das Manuskript darnach zu machen. Ich habe noch an keine meiner vier Evange, listinnen geschrieben: bekömmt aber ihr Meister heute ein Scriptum von Einer von ihnen, so soll es an guten Antworten nicht fehlen. — Einen recht freundlichen Gruß an Deine gute Friede­ rike und an Albrecht. Schicke das meiner Mutter. — Ich bin dasmal hier unerwartet fro-

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her als je. Gott gebe, daß Du einmal Dir und E. die Freude machst, in diese schöne kleine blau­ gemalte Sakristei am großen Tempel der Bayreu, ther Natur einjutreten. — So oft ich ein frisches Hemd aus dem Koffer hebe, fühl' ich, daß ich ein Heimweh nach meiner Mutter habe, als wäre ich niemals rasirt und niemals gereifet. Lebe wohl, lebe wohl, mein Geliebtester! Ich möchte Dich herjlich gern sehen. Richter.

Otto an Jean Paul. Freitag,

den 5. Mai 1797.

Lieber R.l ^ch sah lange und, wie Du weißt, vergeblich auf einen Brief von Dir auf; nicht, als wenn ich Dir nicht eher einen schicken wollte, als bis ich Deinen erhalten hätte, sondern weil ich aus einigen Tagzetteln, die ich gesehen hatte, gewiß wußte, daß Du mir etwas Angenehmere- ja«

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gen könntest, als ich Dir. Ich hatte mir, sogar schon auf dem Rückweg von Münchberg, sorgt# nommen, Dir zu schreiben, «nd ich würde genug zu schreiben gehabt haben, wenn ich Dir nur einiges von diesem seligen Morgen meiner Street# kung geschrieben und Dich zum Zeugen meines Selbstgerichts, wie ich e- unter WegS wirklich that, «nd zum Oberrichter meiner eigenen Rich# terspräche gesetzt hätte. Du würdest dann meine Vorsätze, die neue Klarheit über mich selbst, die Bestärkung in der Unabhängigkeit von jedem fremden Urtheile und die Ueberzeugung an mir gesehen haben, daß jede, verdiente oder unver# diente, Lage nicht blos da ist zum Wunsch einer bessern, sondern zur Ertragung und Ueberwindung. So kam ich, nicht wie sonst mit Furcht, nach HauS und in mein ewiges Noviziat zurück, und die fteudi# ge Ruhe und eia gestärkter klarer Gleichmuth dauerte fort, obwohl der Dorsatz verging, Dir davon z« schreiben und ihn noch mehr zu befestigen, weil ich kränker als krank wurde, wenn Du nämlich dieses als daS Gewöhnlichere und jenes als daS Ungewöhnliche anführest. Es griff meine Brust sehr an; ich hatte ein kleines Fieber; mein Kopf

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war ohne Schmerzen, aber nicht heiter, sondern wie in zwei Stücke über den Augen getheilt, «nd der obere war der schwere und bebende. Ich konnte aber doch Arbeiten machen, die mehr von der Hand al- vom Kopf gehen, und sie gingen auch von der Hand. Ich nahm zu meinen ge, wöhnliche« Mitteln meine Zuflucht, und es bes­ serte sich sogleich wieder; meine Brust wurde wie, der ganz frei; mein Kopf ist wieder heiter und ganz, «nd besteht auS einem Stück. Schreib ben mochte ich Dir also nicht-, als die Nachricht der Besserung, die ich Dir jetzt gegeben habe. Die Nachrichten von Dir, Dein Brief, daß Du so vergnügt bist, that mir ungemein wohl, und waren für mich, wie der bestätigte Friede, wahre Arznei. Ich glaube, bi- Du zurückkommst, wie, der gesund zu sein. Was ich Dir wegen N. sagen soll, und wafür ein Laboratorium Du meinst, weiß ich nicht. Wenn eS das juristische ist, so darfst Du ihm nicht- davon sagen. E- steht Alle- jetzt so, daß ich von $. nie etwas (außer einige Achtung) ver, langen oder annehmen und daß er mir nie etwa­ geben kann und soll.

59

Hier ist das Gerücht allgemein, daß Albr. als Kriminalrath nach Bayreuth kommen soll, und die Nachricht kommt von Bayreuth. Da Du aber nichts davon geschrieben und also auch nichts gehört hast, so ist es wahrscheinlich nicht-. Ich wünsche Dir und mir ein Paar schöne Tage, und es wäre zu arg, wenn Du diese nicht noch in Bayreuth erleben solltest. Warte sie also immer ab.

Du stehst, daß ich auch Dein Format nehr men und kleine Briefe schreiben kann; die lan, gen Antworten »erspare ich bis zu Deiner näch, sten Reise. Grüße mir unsern E. recht herzlich und brü, derlich, wie Dich mein Albrecht und meine Friederike, und sei noch recht vergnügt in Deinem kleinen und großen Himmel. Dein Christian.

60

Jean Paul an Otto. De» 30» Mal 1797.

Schon hundertmal wollte ich mich hersetzen, lieber Ott», weil ich immer vergeblich darauf passe und Dich daran erinnere, daß Du einmal gesagt, daß Du Dein künftige- Honorarium zu einem Vergnügen, d. h. zu einer kurzen poeti­ schen Einsamkeit verwenden wolltest. Da Du am Sontag noch dazu von dieser Einsamkeit Dein« Literar-Arbeit abhängig machtest, so bitt' ich Dich herzlich, nimm, wie es einem Freunde geziemt, mein Anerbieten dazu an, 50, ioo Thlr. — Alles, was Du willst — stehen Dir zu Ge­ bot. Ich errithe oft, wenn ich an die vorige Zeit denke und an meinen Mangel an Gelegen­ heit, Dich nur zur Hälfte nachzuahmen. Da ich so viel und eS ganz unnütz liegen habe, so be­ steht meine Gefälligkeit in weiter nicht-, als daß ich's zufammenzähle. Denke nach und gönne mir die Freude, daß ich Dir auf vier, sechs Wochen die Wolken an Deinem Himmel habe auseinander-

61

rücken helfen, und borge mir so viel, als Du mir — geschenkt hast. An die tausend Thaler mag ich ungefähr haben. R.

Jean Paul an Otto. Donnerstag,

den 8. Junl 1797.

Endlich ist der Abendstern ausgekehrt. — Zum vierten Heft habe ich eine neue Vorrede und überall neue Szenen gemacht und weggestrichen wenig. Tandem felix hatte der große Tessin auf seinem Grab — ich allemal auf dem Schreib» tisch, wenn ich mit etwas fertig bin. R. Jean Paul an Otto. Donnerstag,

den 22. Junl 1797.

Sei doch so gut und schicke mir die zwei Briefe, weil ich sie Oerteln schicke, dem ich sogleich zu antworten habe. Den von Kosegarten kannst Du so wieder haben.

62

Eiligst SMtabends»

Jean Paul an Otto» Erhalten am Sonntag, als ich von Hirsch­ berg zur Lick kam, -en 26. Juni 1797. A, v, jo,

Dein Billet hat meiner Seele wohlgethan: es kam mit der mir von Kose garten geschenkten trefflichen Eusebia zurück, die ich Dir nach Hirsch, derg (da die andern Bücher nicht dazu taugen) Mitgeben wollte. Ich bereue nicht-, am wenig, sten den Sonntag. Zur Menschenliebe nicht, aver jur Freundschaft gehört fremde Liebe und fremder Werth. Unsere Associes„ zumal A., beleidigen mich zu oft; ich mag diesen Kontrast mit meinem außer ***ischea Verhältniß und mit meiner Liebe nicht mehr ertragen. In Hofeck war Deine Anmerkung über mich und G. schädlich, aufreizend und auch für mich zu stark. A. hatte mich vorher mit mehren Nadeln gestochen und mein Innere- war also voll Wundenblut. Leider ziehen allemal meine nothwendigen Kreuzzüge ge, gen A. Verkennungen zwischen un- beiden nach sich. Meine Liebe zu Dir ist nicht einmal irgend

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einer von zweien Aenderungen fähig; aber Deine kann ich nie gewiß genug haben, und ich bin so eifersüchtig, als Einer in der andern Liebe. Uebri, gen- hast Du öfter (moralisch) Recht und ich mehr Liebe, oft leider auf Kosten des Recht-. Sonderbar schonest Du oft Alle, mich nicht. Da ich noch keine» Mensche« in der Welt so ge, liebt und so liebe, wie Dich, sd mußt Du mir, zu, mal meiner, mit lauter aufbrausenden Welten an, gefüllten Seele, woh» „mnches nachsehen. — Ich komme vielleicht Montag- zu Dir, vielleicht nicht. E- ist vorbei, und alle- Gute und Liebe bleibt. Aber thue nicht- mehr! Ach, e- wird Such allen zu leicht, mich nicht zu haben! N.S. An A. hab' ich geschrieben, nicht mit der Bitterkeit des Herzen-, sondern der Wahrheit. Jean Paul an Dtto. Montag, den 26. Juni 1797.

Guter Otto! Ich habe nie eine Minute Dich so herunter —• zählen können. Ich habe nicht- dabei gemeint. Wenn ich'- einmal thun könnte oder würde: so

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will ich's gleich heute zurückgenommen haben. Meine Mutter ist seit acht Tagen unheilbar schlimm geworden.

Jean Paul an Otto. Freitag,

den 30. Juni 1797.

^Zch danke Dir sehr dafür. Was ich von Dir brauchte, würd' ich Dich auch bitten. Jetzt geb' ich ihr mit Wissen deS Doktors Rheinwein. Meine Sache ist jetzt, mehr für ihren Gaumen, als Magen zu sorgen; denn ich errathe daS Schicksal. — Kommst Du Abends mit Schiller zu H. zum Essen, wie ich? Jean Paul an Otto. Dcn L. Juli 1797.

bch bitte Dich, es nicht Übel zu nehmen, daß ich darum nicht zum Essen komme, weil ich zu meinem Doktor aus Jena, der mich gestern um

65 neun Uhr barfuß und in nichts alS im Hemd

und Ueberrock antraf, bei Puphka zum Essen kommen soll. Ich lernt' ihn in Jena am schön, (len Tage kennen, und «erstritt einen Abend mit ihm, weiß aber nicht mehr, wie er sich schreibt.

Jean Paul an Otto. Montag, den 3. Juli. 1797.

Die theuern Herders haben mir geschrieben

und geschickt: lies Dir au-,

lasse mir aber die

Die B

ch bleibt auch

zerstreuten Blätter.

heute hier.

Jean Paul an Otto. Montag,

den 16. Juli 1797.

Lies die zwei Briefe nach der Ordnung ihrer Lage. — Ein gewisser Caspar Horner au-

Zürich hat mir einen sehr launigen geschrieben, ir. 5

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den ich noch noch nicht durchhabe. — Einen von Oertel darfst nur Du (und das Feuer) bekam, men» Eben kam ich an.

Jean Paul an Otto. Mittwoch, den 19. Juli 1797.

Morgen früh komm' ich Dir in der Kühle und im schönem Wetter nach und gehe mit Dir zu, rück, wenn Du eS thust. Aber ich glaube nicht, daß Du heute in diesem schwülen Fegefeuer, da­ nach dazu zu einer Gewitter, Hölle zu werde« droht, gehen wirst. — Ach, Eger und alle Oerter helfen mir nicht-, da mich meine traurige Nach, barschaft *) mit lauter Besorgnissen festbindet.

Mittwoch, Lm IS. Juli 1797.

^Zch denke, je früher, je besser, um 6f Uhr will ich halb fertig sein und die andere Hälfte dazu thun, wenn Du kommst. Kommst Du eher oder

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später, ist'S mir recht. Freilich müssen wir wie, der an einem Morgen fort.

Jean Paul an Otto. Montag,

den 24. Juli 1797.

Mit fünfzehn Thalern und mit Hülfe andern — Geldes gedenk' ich drüben viel zu thun. Der Teufel ist wieder in meine Dinte gefahren und macht fle zum weiß scheinenden Heuchler.

Jean Paul an Otto. Montag,

den 24. Juli 1797.

Du wirst bei der Wiederkunft ein großes Pa, quet Briefe durchzuwaten haben. Den Johan, nes möcht' ich wohl in acht Tagen wieder ha, ben, um Herdern zu antworten. — Morgen geh' ich: kannst Du mir nicht die L. Zeitung geben? Und kannst Du mir nicht praeter propter Deine Visite ankündigen? Der, giß daS Boheimer Geld nicht. — Außer den Horen hab' ich nichts nach Bayreuth. 5*

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Otto an Jean Paul. Bayreuth, den 28. Juli 1797. *)

Mein Rich ter! Die Frommen sterben nicht durch das Schwerdt de- Todes, sondern unter dem Kuß Gottes. Zudem ich Dich froh und Deiner Beküm­ merniß vergessend im Bade glaubte, mußt Du zu Hause sein; aber Du siehst das selige Ange­ sicht, dem der Kuß Gottes die letzte Wonne ge­ geben hat. Gute Mutter meines Einzigen! Du hast vollendet und bist selig. Deine Seligkeit ging hier schon an, und was andern Menschen hülfreich und liebend die un­ sichtbare Hand von oben jenseits reichet, daS gab sie dir schon hier durch die Hand deines Erstge­ bornen. Du warst glücklich, weil du zuvor unglücklich, einsam, verlassen warst. Dein Friedrich war *) Als Jean Pauls Mutter — während Otto in Bayreuth einen Besuch machte — gestorben war. A. d'. R.

69 glücklich, denn er nahm dir die Sorgen, die Ein­ samkeit, das Derlassensein.

Dir giebt Gott dort die Seligkeit, gab sie dir hier schon:

herauf.

und Er

Er zog ihr Morgenroth

Dir giebt Gott dort die Unsterblichkeit

und Er giebt sie Dir hier. Du wirst immer die glückliche Mutter deineund meine- Einzigen bleiben, und dein Andenken,

das du dir mit Kummer errangst, wird ewig blei­ ben, wie das Andenken an deinen Sohn, und er wird willig mit Nr die Dankbarkeit der bewun­ dernden Nachwelt theilen:

der Dank wird dir,

und ihm die Bewunderung gehören.

Weine, mein Richter!

denn es thut mir zu

weh. Dich in verbissenem und stnmmen Schmerz zu denken.

Weine immer und weine sanft, denn

Du bist glücklich und

glücklicher,

als tausend

Söhne sind; denn Du lösetest sanft den einschnei­

denden Gürtel,

womit die Pönitenzwelt die Un­

schuldige gefesselt hatte.

Ihre Brust hob

sich

dann frei und freier; ihr Blick erheiterte sich; sie weinte nur Thränen der Freude und keine des

Schmerze-;

sie genas des Wohlseins,

ruhig, freudig und lieblich zu verklären.

um sich

Da- Einzige konnte mich kränken, daß ihr letzter beruhigter und dankbarer Blick nicht auf Dich fiel; aber ihr Vater küßte sie sanft, drückte sie fester an sich, hielt sie lange und erhielt für ihren Sohn den freudigen schmelzenden Blick der Wonne, und die Verklärung der künftigen Welt schlug auf sie herüber und der Finger des Alk, mächtigen und Ewigliebenden ließ die Abendröthe ihrer dankbaren Beseligung auf ihrem Gesicht zerfließen. Nun hast Du sie erblickt, mein Lieber, nun hast Du es gesehen die« selige Vergehen; nim eS in Dich als ein Denkmal Deine- Glücke« auf, und einst, wenn Du ihr wieder in die Mut, terarme sinkest, so sei Dein erste- Wort: „Mut, teri ich habe dich verstanden und daß ich dich verstanden habe, war Seligkeit für mein Leben." Mein Richter, mein Freund, mein Lieber, mein Alle-, möge der erste Grimm de- Schmer, ze- sich in Dir bald verlieren!

Sie ist glücklich; — wir werden es werden; wir werden es sein, wenn uns unser Vater zu den Unsrigen legt.

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Ich war gestern im Schloßgarten; in der Ferne sah ich blühende Bäume; ich pries den Sommer, daß er noch Blüthen gebe. Als ich näher kam, waren es Halbweiße, schillernde Blät­ ter der Silberpappel. — Nur der Frühling hat Blüthen. — Lebe wohl, mein Lieber! bald sehe ich Dich. Jetzt gehörst Du mir noch mehr an; nim mich auch noch mehr an! Lebe wohl!

Otto an Jean Pau*. Bayreuth, Sonnabend, den 5. Aug. 1797.

Mein Richter!

W. bist Du? Was machst Du? Warum schreibst Du mir nicht? Ich versprach Dir zuerst zu schreiben; aber unser Vertrag ist nichtig ge­ worden. Es thut mir weh, daß Du mir noch nicht geschrieben hast. Ich hoffte oder ich wünschte vielmehr, daß eS sür Dich tröstend sein würde, mir zu schrei­ ben; aber Du schweigst.

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Ich wußte gewiß, daß Du jetzt wieder aus * * * reisen würdest, und es war mir einmal, als wenn Du nirgend- anders Hinreisen würdest, als nach Bayreuth. Ich besann mich aber bald wieder und, außer Allem, fiel mir ein, daß Dir die Rückkehr zur D. wohl thun würde, weil die weibliche Zartheit das bekümmerte Herz er« quickt. V. schrieb dann auch an E., daß Du wie« der nach Eger kommen würdest. Meine Ahndung, — es war auch nur ein versteckter Wunsch — verging dadurch ganz — und ich gab sie willig — hin; aber die Hoff­ nung, daß Du mir schreiben würdest, wurde nur täglich desto größer. Ich ließ sie wachsen, je lLn« ger ihre Gewährung verzog, und ehe ich mich'versah, sind Ansprüche daraus entstanden und wo Ansprüche sind, ist selten Toleranz.

Laß mich nur wissen, mein Lieber, wie Dir ist und was Du machst, und ich bin zufrieden. Ich bin hier wie ausgesetzt, ich weiß nicht, was Du machst und waS die Andern machen, und wenn meine Insel auch (wie ich hoffe) besser als

TA

ein Eldorado wäre, so möchte ich doch die Länder kennen, die um mich her liegen, um dem Gedan, ken des verlassenen Allein - Seins ju entgehen.

Den 11. August.

Seit ich diesen Dries anfing, habe ich von Al,

len Briefe und Nachricht und auch die letztem über Dich, aber nicht von Dir erhalten.

Ob ich gleich weiß,

wo Du beinahe jeden

Tag zubrachtest, und ob ich wohl sehr verschiede,

net Menschen Relazionen von Dir erhalten habe, so war mir doch nichts recht,

als Dein Gruß

durch meine Schwester. WaS machst Du? Meine

Frage und mein Verlangen bleibt das nämliche.

Seit ich hier bin, ist es mir sehr gut gegan, gen, wenn ich auch meine Lebensweise und meine

Vorsätze in jeder Woche ändern mußte und auch geändert habe. Die ersten Tage nach meiner Ankunft, nach dem Dienstag der vorigen Woche,

ging ich gar

nicht aus.

ich erst zu

Am Sonnabend kam

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Schäffer und am Sonntag besuchte ich de» Hakke und zuvor war ich einmal in dem Hof, garten. Die Häuslichkeit, die ich dadurch gewann, und da- Sammeln iü mir selbst, da- mir zu Theil wurde, that mir sehr wohl. AlS ich aber einmal aus dem Hause gegangen war, so wurde ich beinahe täglich in eine neue Bekanntschaft und Gesellschaft gezogen, und es hätte mich zu großen und zum Theil unhöflichen Widerstand gekostet, wenn ich bei meinem ersten Vorsatz hätte bleiben wollen. Hakke ließ mich einige Male einladen, und ich fand bei ihm, wenn auch nur Geschäftsleute, doch die ausgezeichnetsten, die es hier giebt, und gerade die, welche ich zuvor am meisten gescheaet, die den großen Ruf hier und in unserm Lande haben, z. D. die Regier. Räthe K. und P. Da ich nichts in ihnen fand, als auf ihr Fach be, schränkte unphilosophische Juristen, und da eS mir zu bald vorkam, daß sie mir bekannt wären, oder als wenn ich sie schon lange gesehen hätte, so fing ich an, mich weniger um sie zu kümmern, und wurde muthiger. Fürchte nicht, daß ich

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übermüthig wurde, denn «S wurde mir immer ein kleines Gegengewicht zugetheilt, das Du her, nach schon zu sehen bekommen sollst. Ich faßte nun, da eine Bekanntschaft die an, dere brachte, zu Anfang der zweiten Woche den Entschluß, daß ich ferner nicht zu sehr widerstre, ben und, ohne jemand zudringlich aufzusuchen, niemand eigensinnig ausweichen wollte. Dadurch geht eS mit meinen Arbeiten freilich nicht ganz so, als ich mir vorgenommen und wie ich eS angefangen hatte; aber ich finde doch, daß mir meine Reise in jeder Rücksicht sehr gut ist und daß sie mir noch besser bekommen wird und soff. Ich werde — sogar das abgerechnet, was mir nicht gilt und nicht gehört, und was also nicht ermun, ternd sein kann — mit mehr Muth und mit einem etwa- größern Selbstvertrauen zurückkehren. Zch war in Schwarzach beim Hofrath Doi gt. Du solltest nur darum nach Bayreuth reifen, um dahin zu kommen. Die Gegend ver, schönert sich steigend von Bayreuth bis Schwarzach und hinter Kulmbach, und mit der Rücksicht aus die Festung geht das Schönste an. Die Gegend ist weit, bergigt, mit einem

76 Gewühl

von

zusammengedrängten

unter

und

ihren Früchten beinahe niedcrsinkenden Obstbäu­

men besetzt,

und

in DoigtS Han- (wo da­

graue Pulver ungemeine Wunder gethan hat) ist immer herrlichere

in jedem Fenster eine neue,

Aussicht und ums ganze HauS geht ein Garten.

Gastfreundlicher und gefälliger kann man

ausgenommen werden.

nicht

Im Haus sind abgeson-

derte Einrichtungen für Gäste, wovon jede einen

besondern Ausgang in den Garten hat.

Sie la­

den Dich durch mich ein oft und dringend, und

daß Du gewiß kommen würdest.

ich versprach,

Der alte Mann hat ein sehr schöne- Instrument

mit vielen Zügen, daran jeder mit einem Flöten­

zug verbunden werden kann, und er lief, als wir kaum angekommen und noch int Garten waren, hinauf und spielte,

den Garten

Rückweg

hinunterziehen

von

Kulmbach,

damit die Musik zu uns in

könnte.

Schwarzach und

am

waren

Auf dem

wir

in

vergangenen Sonntag

war ich mit Schäffer und der Fürstin, die hier ist, in S a n - p a r e i l l e. Der prächtige Hain, mit der unbegreiflichen, meisten- in der Ebene stehen­

den, erstaunlichen, steigenden, sinkenden, liegenden.

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herabgebrochenen und an den Bäumen liegenden, gethürmtea, drohenden und durchbrochenen Felsen, die Anlagen und die unbeschreiblich weite (achtzehn/ stündige) Aussicht auf denselben, so wie in den Zimmern des Amtmanns und im Schloßhof; der Kastellan, der nichts vom Telemach sagen durfte, und sein kleiner Hund, der alle Wege so gut weiß, als sein Herr, und der sie vor diesem ein/ schlagt und, wenn sein Herr Kastellan stumm sein must, ein so guter Cicerone ist, als dieser; die unbeschreiblich kindischen Einfälle zur Deutung der Anlagen und die angenagelten Erklckrungstäfe/ lein; mit einem Wort: die Erhabenheit der Natur mit der abstechenden fürstlichen Kleinlichkeit und Vergänglichkeit; Alles, auch die Gesellschaft — (meine besonders; denn ich fuhr mit drei Mäd/ chen) war ausnehmend schön. Wenn ich aber wäh/ len müßte zwischen Schwarz ach und San-/ pareille: so würde ich den Weg zum erstern, die nie unterbrochene immer steigende Schönheit der Gegend (ich will und muß den Nebel, der den Hellen Tag herumzog, stieg und fiel, und der ein Nebel aus Göthes Eingang zu seinen Wer/ ken war, dazu rechnen) und die Gesellschaft mit

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E. und seiner alten nach Hause begleiteten Base, Mira, — alle- diese- würde ich SanSpa, reille vorziehen. — So habe ich aber Beideund ich danke Gott! denn wenn ich noch eia, mal wählen müßte, würde ich mich wohl bestn, nen und würde dann sagen: ich will Bride­ haben. Den Rückweg von San-pareille kann ich unmöglich missen, ob zwar der von Kulmbach her auch etwa- sagen will, weil wir zwei kleine, ungemein erfreute Schüler mit in den Wagen nahmen. Zn San-pareille heißt gewöhnlich da- Laubgehölz, wo die überra, schenken Felsen und die Anlagen und die herrli, chen Bäume aller Art, die unbeschreibliche Küh, hing, im Frühling der Nachtigallengesang, jetzt erstarrende Stille und Alexander- (de- Mark, grafen) eigenhändig an einem erhabenen Baum eingeschnittener Name mit einem Bierzeichen von ältern und neuen datum — (die der Kastellan überschmiert zeigt und unverdeckt erzählt) — in San-pareille heißt diese- Alle- in jedem Mund: der Hain. In Schwarzach, wo ich früher «ar, fiel mir diese- Wort unaufhörlich ein, und e- wurde mir, wenn ich da- Gewühl

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der Bäume über den Main drüben ansah, so klar und so vernehmlich, daß ich ei in mir immer auisprach. Eine Stunde von Schwarzach, in dieser himmlischen Gegend ist Emanuel ge« boren. Auf R i e d e l s Anlage, in einer der schön« sten Geaenden von Bayreuth, auf der Birke, in Seines, (Ellrodi Gut, den ich wegen seines Briefs und Deiner fehlenden Antwort be« richten und berichtigen mußte: — und ich sagte. Du wärest ununterbrochen und ununterbrechlich über dem Titan) war ich; in der Phantasie und Eremitage noch nicht. Den Knebel von Weimar habe ich kennen gelernt und zwei Nachmittage mit ihm in Gesellschaft sehr vergnügt und aller Zeit vergessend zugebracht. Ich bin von allen Leuten, die mich kennen lernten, zu gut aufgenommen worden und das Meiste verdanke ich — wem sonst, als — Dir? Nur mlt drei Personen ging mlr's nicht gut. Die erste ist der Reg. Direktor Wipprecht, de» ich zufällig bei Hakke traf, das Gegenge« wicht war der Konsist. Rath Kapp, der wie ich und so erfreuet und in alter Bertraulichkeit war, daß er mich Christian nannte, wie vor

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einigen 20 Jahren, wo Albrecht nnd ich seine täglichen Hausgenossen waren. Wipprecht ist ein hier allgemein als sehr gelehrt und rechtschaf/ fen angesehener Mann, der aber äußerst amtS/ stolz ist, und so war er auch gegen mich. Die zweite war der geheime Archivar Lang in Kulmbach, der sehr talentvoll aussseht und ge, lehrt ist und feurig und nach Dir fragte und Dich sehr achtet und Dich gelesen hat (Deine neuesten Bücher sind schon überall gelesen), und mich als einen Namen/ und Titellosen ansah und behandelte. Wenn ich alles Gute, was mir hier wider, fahren ist, haben könnte, ohne diese zwei Män/ nee gesehen zu haben: so möchte ichs lieber nicht; denn ich habe viel und so viel gewonnen, daß ich mich in Zukunft nie über ein ähnliches Betragen ärgern' werde. DaS habe ich aus Kulmbach mitgenommen. Der Ort gefiel mir nicht, aber die Festung, die überall über die Stadt herein sieht. Die dritte Person war eine Frau, nemlich die Fr. v. K. Sobald sie von Leipzig (heute vor acht Tagen schickte sie in *** nach Dir,

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Du warst aber nicht anzutreffen) zurück war, ließ sie mich einladen. Ich ging vorgestern hin, traf sie nicht gleich, sondern ihre Mutter, die mich vornehm aufnahm. Dann kam sie. In der ersten Minute war sie sehr freundlich; in der zweiten forschend, erwartend, getäuscht; in der dritten (es war aber schon eher, als wir uns setzten, vornehm, eine Unterhaltung von mir armen Teufel verlangend, und dann kam eine halbe Stunde oder weniger, in der ich (ohn, geachtet ich nicht sehr verlegen war) ihr Leben um eine Stunde wenigstens verlängert habe. Zch ging dann; sie lud mich vornehm (zuvorkommend hätte sie sein sollen; ich tauge sonst gar nichts, und Weiber fassen keinen Werth, als den sie sehen) wieder rin und gab mir zu verstehen, daß sie mich mit dem Rektor Engelhardt, dem sie ihren Sohn übergeben will, zugleich zu sich bit­ ten «olle. Ich komme erstens nicht wieder und zweitens zum Engelhardt nicht und drittens gar nicht. Wirst Du'- glauben, daß alle Per, stnlichkeit außer Spiel ist, — und sie ist es gewiß, —- wenn ich Dir sage, daß ein dicker Zug in ihrem Gracht (für den ich seit gestern II. o

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einen ***e.t Provinzialismus vergebens suche) und etwas in ihrem Betragen ist, das mir nicht gefällt? Schäffers Fürstin, mit der ich oft in Gesellschaft war, ist auch vornehm, aber anders; sie gefällt mir in jeder Rücksicht und Schäf fers Lob ihres tadellosen Lebens wegen viel besser. Schäffer faßt zwar manche Menschen gar nicht, z. D. den Knebel, und man darf ihm nicht überall trauen. Die Fürstin laS gestern Dein Kampaner Thal; Schäffer fand sie als sie es vollendet hatte. Alle Zweifel, die ihr ihr Stand beigebracht hatte, waren erwacht. Dein Buch hatte sie beruhiget, neue Hoffnungen waren ihr erschienen; sie war in Thränen zergangen. So fand sie Schäffer und er empfieng da- Bekenntniß ihrer Zweifel, ihrer angehenden Beruhigung und ihren Dank für Dich. — Glücklicherl was willst Du mehr als die Unsterblichkeit? Schäffers Erzählung ergriff mich so, daß ich ihm und ihr einige Blätter gab, die ich hier gemacht habe bei folgendem Anlaß. Kölle, der jüngere, ist gestorben. Er hat für die armen Juden so viel gethan, daß mehre von der Judengemeine für ihn um Genesung beteten.

83 Er erfuhr es eo't seinem Tode, ließ der Judengemeine danken und Lebewohl sagen, und

G. setzte beide- mit ein paar flmpeln Worten auf und am Tage der Zerstörung Jerusalems— an dem E. mit der höchsten Aufopferung fastete — wurde

eS in der Schule verlesen.

Die- ist ein-.

Fer,

ner: Kölle's Frau ist schwanger; ein Kind ist

vor ihm gestorben; man verbarg es ihm und es träumte ihm kurz zuvor, ehe er starb, daß sei»

Kind todt sei.

So hatte der Zufall gedichtet

und ich setzte mich hin und wurde sein Proto,

kollführer.

WaS geworden ist, kannst Du aus

der Beilage sehen, die Du so gut sein und mir wiedergeben wirst.

Ich glaube nun. Du hast eine ziemlich deut,

liche Ansicht von meinem Zustand.

Meine häus­

liche Einrichtung kennst Du; nur habe ich noch

zwei Zimmer mehr,

als Du hattest und ich

könnte diese die Deinigen

nennen, denn der

Dich nach Bayreuth haben will, sagt immer: diese gebe ich ihm, wenn er kommt, so wie er

jedes schöne Logis und jede- schöne Haus für Dich

in Beschlag nehmen will.

Musik ist

immer um mich von HeinelS Haus her.

84

Zwei, drei, vier Worte, Zeilen, Seiten und was Du drüber willst, solltest Du mir wohl schreiben. Aber waS Du willst. Wohl leben mußt Du. Lebe wohli Dein CH. Otto.

Jean Paul an Otto. "" d. 13. Aug. 1797.

Eben komm' ich von meiner erhobenen und erhebenden Emilie (v. 95.) zurück und -ffne leider Deinen Brief später, als den von Weimar, der auSsteht, als wär' er vor 5 Wochen in Hofeck oder Hirsch berg geschrieben oder drunter, und der mir nebst einigen andern Zügen * ** um zwei Monate zu bald *) verleitete. Die Fülle macht, wenigstens schriftlich, stumm: tausend Dinge hab' ich Dir zu sagen, wie Du mir. Aber meine Universal-Historie in Fran­ zen Sb ad, und meine daringewebten Entzückn«, ♦) Kurz in dem November, dem brittischen Erträ'nkmonat, ist mein Abreisemonat nach Leipzig.

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gen brauchen Dein Ohr und nicht Dein Auge. Endlich fand ich die erste weibliche Seele, die id> ohne Ecken und Widersprüche genoß, die mich und die ich besserte — es ist diese Emilie v. D. Sie ist zu edel und zu vollendet, um mit Dinte gelobt zu werden. Deine Freuden sind nothwendig und natürlich, aber nicht Deine Klagen. In Deinem Briefe mißfiel mir Deine Empfindung gegen die K..pf nicht al- Urtheil, sondern als Wirkung: die Eitel­ keit zieht durch zwei oder vier Poren in Deine» Dusen ein; — und sobald ich sie aus meinem vertrieben habe, will ich Deine rügen. Den Anlaß dieses Tadels hast Du weniger letzt ge­ geben als verdoppelt. Dir kann ich nichts vergeben, beinahe eher mir.

Ueber Deinen ersten Brief wollt' ich Dir viel schreiben, über alle meine Schmerzen — über alle Stacheln, womit das Geschick mein Herz durch­ stochen hat — über die dramatische Pein, die ich vorausgesehen — über meine Klage ohne Trost, daß meine Mutter nicht-, nichts, nichts auf der Erde gehabt, und daß ich ihr so wenig gegeben —

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und über mein Erstarren wegen des Buchs,*) roor< innen sie aufschrieb, wieviel sie sonst von Monat zu Monat ersponnen — Wenn ich alle Bücher der Erde wegwerfe, so les' ich doch, gute Mutter! Deine- fort, worin alle Quaalen Deiner Nächte stehen, und worin ich Dich in der Mitternacht mit der keuchenden stechenden Brust den Faden Deine- kargen Leben- ziehen sehe. Ich habe sie ein Vierteljahr vor ihrem Tode betrauert — aber doch jetzt thut e- meiner Seele zu weh, daß sie hier nicht- hatte, al- ein sieche- Herz voll Thrä, nen. Ach, Du warst glücklicher! — Ich will Dir meine Stunden nach dem Ende der ihrigen erzählen, wenn ich einmal kann. Am Morgen, wo ich ging, nahm sie Abschied und dankte mir für alle-, und war besorgt, daß ich mich vom Boden verliere. Als ich wiederkam, hatte die rauhe Hand des Todes, ungleich der Hand der Vorsehung, alle Leiden und alle Zahre auf dem blassen Angesicht au-gestrichen und sie war verjüngt und beruhigt. Ach wem will ich *) Dieses Buch bewahrte I. P. al- ein Heiligthum durch fein ganzes beben.

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etwas erzählen, da ich's nicht einmal schriftlich beschreiben kann! Lebe wohl! und alles Sanfte und Gute und Liebevolle komme über Dich!

R. Die Striche in Oertels Brief sind für Dich keine, D« liesest aller.

MontagS.

^Zch finde jetzt meinen Brief von einem schlim­ mern Einbläser diktirt, als der ist, der mich nach *** begleitete. Dieser Soufleur sperrte mich gestern ein. — Dergieb manches Harte. Im Bade war keine Minute zum Schreiben übrig; und solche Briefe, wie der gegenwärtige, sollt' ich auch außer dem Bade nicht schreiben. Ich glaube, E. hatte, wie Du, noch keine frohere Zeit als diese. Deine Dichtung ist schön. — Beigang hab' ich aus mehr als einer Ursache das Lesen aufgcsagt: Du kannst eS künftig durch meine eigen­ händige Auswahl bei ihm besser fortsetzen. Lasse doch Lübeck fragen, wie weit die zweite Auflage

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des Firlein ist. Lebe Ivohl! Ich habe im Bade viele Bekannte gemacht, viel Ehre, Lust und Ge­ sundheit empfangen: denn ich ging mit zerstörtem Magen hin. Mein Brief ist ein wahrer Frauen, zimmerbrief ic. Vielleicht komm' ich in vierzehn Tagen nach Bayreuth, denn die B. geht erst in 8 Tagen hier durch. Gieb E., was Du für gut hältst, alle neuen Briefe habe ich Dir nicht geschickt.

Jean Paul an Otto. B a y r c u t r,, Aug. 1797.

Auf Leipzig geh' ich nicht: ich muß wieder zu mir und zu meinen Arbeiten kommen. Bücher nehmen hier meinen Besuchen viele und meinen Briefen alle Zeit, diesen ausgenommen; und sel­ ber der zweiten Auflage deS Hesperus. Für die verstorbene Mutter Elrodt hab' ich ein klei­ nes prosaisches Epitaphium (d. h. ein Traucrgedicht) machen müssen; sie vordiente jedes und war (nach E. und nach ihren sieben letzten Worten) früher unter den Vollendeten als jetzt.

89

Mein Brief ist leer und mein Gedächtniß voll. Die Sache ist aber, wenn ein Abreisender an seinen freundlichen Relikten schreiben soll, so macht dieser nicht sowohl au- dem Inhalt alau- der Existenz de- Briefe- etwa-. Ich war bei Oertel und der Walzin. Diese sähe gut au- ohne die unförmliche Jnsignie der nahen Niederkunft. Zum Glück war der Professor, den Ich sprechen wollte, nicht da — bloß ihre schlanke Mutter, die ich für ihre Schwester hielt und eine Frau von Schöpflin. (Jetzt hab' ich die Feder 40 mal geschnitten und abge­ wischt an der obern Rockklappe, welche- man, wie ich erst heute finde, am besten Rocke wegen der Unsichtbarkeit ohne den geringsten Schaden thut). — Als Oertel kam, der jetzt dürrer und geistiger aussicht, marschiert' ich nach weni­ gen Minuten ab, die mit Spa- gefüllt werden mußten. G irtanner nimmt jährlich bloß durch schrift­ liche Konsultationen, die venerische Seuche betref­ fend, 3000 fl. ein — so sehr verachtet unser kahl­ köpfige- Jahrhundert alle Unkeuschheit, daß esogar den Schein derselben, die Krankheit, flieht.

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Wir haben auf gegenseitige Briefe gepasset — und ich verliere wahrscheinlich dabei. Jetzt erst kann ich sehen, daß mich die D a yr'euther, wenigstens die von'S gelesen. D. fragte recht angelegen nach Dir und Al­ brecht und Evern Arbeiten: theile mir doch eine geheime Instruktion mit, wie ich Dein Laborato­ rium andern abzeichnen soll. Ich begehre hier nicht mehr schöne Tage, als nur zwei; um mich ins apokryphisch kristallische Meer von Fantasie einzutauchen und einmal durch die bunten Korallenbänke der Eremitage zu strei­ chen. Die. andern Tage brächte ich doch unter Deckengemälden und Decken zu. Der bezweifelte Friede ist ratifizirt: ein Brief eines französischen Gesandten an de» hiesigen General assekurirt ihn. *) Ich komme stets einige Stunden später als mein Koffer; also allzeit nach, der fahrenden Post, und Landkutsche — mithin entweder künftigen *) Nach Briefen der Fürstin des SchLfferS wird erst noch unterhandelt und Bedingungen sollen schon rin-

gegangen sein, worüber die österreichischen Antago­

nisten sich ärgern werden, besonders wir?

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Montag oder Dienstag. Zch bitte Dich, mir in jebjtm Falle einen Brief zu schicken: gesetzt ich begegnete dem Briefe schon unter Weges. ES muß sein.

Otto an Jean Paul. Sontag den 20.Aug. 1797.

Mein Richter! ^ch schreibe Dir nicht, weil Du die Beilage bestellen sollst, sondern ich lasse sie durch Dich bestellen, damit ich Dir schreiben kann. Dein Tadel und Deine Warnung war mir sehr nöthig; ich danke Dir. Zwei Worte waren mir in Dei­ nem Brief nicht recht: Hofeck und Hirsch, berg; jetzt ist mir alle- recht. Zch habe von der Am. erfahren, daß Du an Vergebung denkst und an Versöhnung.; daran und einzig daran erkenne ich Dich. Alles, Alles will ich hingeben, um dem Schmerz der Theilung zu entgehen. Schone immer, mein Richter. Seit einer Vier, telstunde, seit ich die Nachricht habe, ist mir erst wohl. So gehörst Du mir mehr' an. So habe

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ich nicht umsonst gebeten, daß Du mir jetzt mehr angehören mußt und sollst. Habe Dank, mein Richter — Lebe wohl. Am Mittwoch oder Dienstag sehe ich Dich wieder. Tadle mich sehr, wenn ich komme, vergieb und verschweige nichts. Lebe wohl. E. Grüße will ich mir erst auftragen lassen, wenn ich den Brief fortschicke.

Jean Paul an Otto. Bayreuth,. Aug. 1797.

Ach will Dein langes Schreiben, Lieber, für etzt unbeantwortet lassen, und sogleich meines anfangen, als wenn Du mir gar nichts geschrie­ ben hättest. — Ich konnte mich gleich in den ersten Tagen auf lauter frohe gefaßt machen, weil jene die fatalsten waren, die ich je hier versessen habe. Den Donnerstag wartete der Koffer nicht auf mich, weil ihn E. zu spät bekam — die K. war auf einige Tage verreiset. Den Freitag war der Himmel voll Wolken und mein Kopf voll Migraine — der Sonnabend war

93 voll Lust und so gings fort.

da- Weimarsche

mir

Indessen verschallet

Niesengebirg

trotz

aller

neuen Freunde und Freuden hier doch die besten Weinreben und manches wird nicht zeitig. — Ich will Dir einiges ausheben; aber da- ver­

sprochene Jntelligenzblatt vom Kriege vermag ich nicht beizuschließen, weil ich's schon wieder aus dem Kopf verloren habe.

Das weiß ich noch, daß

alles den Krieg bestätigt und den Frieden widerlegt. Zch war bei D. und esse Mittwochs bei ihtzt.

Ich

halt' ihn

unter den Staatsdienern sür

den redlichsten Mann im Lande.

Ich fand bloß

Güte, Offenheit, Patriotismus und Feuer bei

ihm:

er würde mich, wäre der Himmel und

der Boden zu brauchen, auf sein Landgut mit­ nehmen.

Wir öffnete^ uns einander weit und

voll Wahrheit und Liebe.

Sein Aeußre- hat,

trotz dem Quartanfieber, nichts von Klippen md

Felsen, eS gefiel mir.

Wir kamen auch auf Dich

und Deine Brüder zu reden, und ich hoffe nicht, daß ich Euch mehr, als christlich und weiblich ist,

verläumdet habe.

Deinen Albrecht lernt' er au-

feinen gravainmibus gegen die Notarien - Dornen­ lese kennen.

„Die Schrift, sagt' er, that ihm

94

wohl und weh zugleich," weh, wegen de- ge, kränkten Verdienste-, und wohl wegen de- existi, »enden. Er wollte durch eia Postskript sein Der, geffen verbessern; aber man antwortete ihm be­ fremdet in Anspach: da- Buch sei einmal ge­ schlossen. Heute (d. 12.) seh ich ihn am Teller. Ich habe einen meisterhaften Klavieristen, Destouches, gehört. Ich habe einen sehr schö­ nen und klugen Domherrn (W am bald) beider K, fast jeden Tag gesehen. Bei dieser ist's alte Himmel-leben, nur daß W. ihr pastor fido ist, wodurch A. ein pastor infido geworden. Dieser hat sich von seiner erotischen Auszehrung erholt, und sieht ganz gut aus. Die Hofräthin Voigt, die meinetwegen da- zweite Mal hieher gefahren war, gehöret wieder unter die ausgezeichnet tief, trifteten und elektristrenden Weiber — alt ist sie freilich. Ich schreibe dieseSmal nur einen kurzen Brief, weil ich (mit diesem) fünf Briefe nach H. zu machen habe, als Antworten auf fünf erhaltene. Die zwei, die ich jetzt an A. und C. schreiben werde, überliefere bald. Hier hast Du noch dazu Oertel seinen. Zn Knebel muß ich

95

hingegen. Er erzählte, Wieland habe von Er­ langen nach *** gehen wollen, «nd der Man­ gel an Pferden in Streitberg hab' es ver­ hindert. Wäre nicht die Ausgabe meiner Zett eine wahre GeldauSgabe, so zög'ich sobald nicht von hier, weil ich dem Feldmann *) fast nicht viel mehr zu zahlen habe, als Hauszins, kein Kostgeld. — Drei oder vier neue philosophische Schreibb-gen mögen gleich vorn im ersten Band zuWoldemqrS neuer Auflage gekommen sein, und wenn ich mich recht entstnne, einige alte weg. — Es ärgert mich nicht, daß mich der T gerade ins Aequinok, ziumswetter geführt, das ich erwartete: ich habe in ***, wo einem keine Flu th von Zimmer in Zim, mer spühlt, den Nachsommer besser zur Hand. Lebe wohl, Alter! Dein Richter.

Eben komm' ich vom seeligen Essen, ich hätte den V. vor Liebe auffressen mögen, der redlichste Man» im feinen Bayreuth. Sonnabends fahr'

96

ich mit der K. nach Derneck, bleibe in Münch, berg und Sonntag- sitz' ich unter Euch. Hrute seh' ich dem Cassino,Dall von 150 Menschen zu.

Otto an Jean Paul. Donnerstag,

den 13. September 1797.

Mein Richter! Jpiet hast Du Fischer- Brief, den er an Dich zurückgelassen hat. Sie sind heute um zwölf Uhr von hier abgereiset mit der gewissen Hoffnung, Dich in Jena zu sehen. Sie hat mir sehr wohlgefallen; Er wohl auch, aber viel minder al- sie. Sie ist eine Dreißigerin, hat ein, vormal- gewiß ganz, und jetzt noch im Pro, fil sehr schönes und geistreiche- Gesicht. Sie sieht aber sehr leidend au- und da- Nachdenken macht ihre Schmerzen de- Leben- und der Krankheit noch sichtbarer. Sie spricht gut und meisten- über moralische Gegenstände mit einer unschuldigen Zartheit und Feinheit, und da- Gespräch mit ihr gelingt beinahe besser, wenn der Mann nicht, alwenn er dabei ist; wenigsten- zieht sich'- im letz.

97 teh Fall zu ihr hin. Sie liebt und achtet ihn sehr. Sie ist eine geborne Gräfin von Rei, chenbach, hat ein Gut bei Hirschberg in Schlesien mit der Aussicht auf das Riesenge, birg und auf die Schneekoppe. Er war Konrek­ tor in Hirsch berg und ist jetzt nicht mehr Kon, rektor (auch der Halberstädter Rektor und Fischer nicht), sondern ihr Mann. Sie leben auf ihrem Gute. Sie nahm von Deinem Tisch zwei Schreibfedern und drei verdorrte Wicken, eine für sich, eine für ihren Mann und die dritte für ein Fräulein von BurgSdorf, die bei ihr lebt und die Du auch in Jena kennen lernen sollst. Er hat einige Aufsätze in Monatschriften und in der Deutschen einen: über den histor. Roman, geschrieben. Die armen schlesischen Fe, stunggefangenen Leipziger, Contessa, Ser, boni sind seine vertrauten Freunde, und letzterer hat sein Exemplar Deines Hesperus zum ein, zigen Trost mit auf der Festung und zog mit ihm von Glatz nach Spandau und dann nach Magdeburg. ES wird nur mit ihm wieder frei und er und seine Gefährten wahrscheinlich beim Anfang einer neuen Regierung. Fischer II. 7

98 hat dieses Eremplar von seiner Fra« zum Ge,

schenk erhalten, und wenn eS wieder in Freiheit ist, wollen sie Dir eS schenken.

Ich referiere j«

viel für meine Eilfertigkeit und nehme mir die

mündlichen Worte durch die schriftlichen.

Dein

guter Bruder erwarb sich einen Theil der Liebe, die sie bloS für Dich mitgebracht hatten, und er hat sie verdient, nicht blos dadurch, daß er Deine

Federn ihnen gegeben hat, sonder« durch Alles. DaS andere wird sich mündlich finden, wenn

eS Vie Zeit nicht zerstäubt. Ich denke, daß Du heute in Schwarzach

bist an diesem himmlischen Tag, und ich freue mich mit Euch, mit Dir,

und mit C. beinahe noch

mehr als mit Dir.

Er ist mir heut so gegen,

wärtig geworden, weil er geschrieben hat, daß der Fischer daSmal nichts gefischet habe.

Ich hoffe

auf einige Zeilen von ihm. Er braucht keine Briefe, ich aber brauche sie, verlange sie aber Nicht. Du

siehst wohl, von wem ich sie nicht verlange: von

E. und von Dir. Dir schreibe ich jetzt, ihm bald. Um meinetwillen sage ich eS, ich liebe Dich; sei nur recht fröhlich! Lebe wohl, mein Richter!

Ich bin oft bei Dir.

99

Deinen Brief empfingen sie heute zitternd für Freude und Liebe. Dein Otto.

Jean Paul an Otto. Bayreuth, Sonntag- den 16. Septbr. 1797.

wollte gestern wenigstens ein Paar Zeilen schreiben, und mit dem Paar fang' ich heute an. — Den Schnitt Deiner Federn wirst Du im nächsten Frühling noch finden. Um 9| Uhr.

Jetzt hab' ich Deinen Brief. Nun bin ich über meine Abwesenheit wieder durch die Entzückungen des freundlichen Paares bei Euch, und durch das Betragen meines Bruders getröstet, der vor mir, aber mit weniger Recht, wie der Strauß mit seinem Kopfe, Verstecken- spielt. Hätt' ich den alten Stockknopf mit dem W. der Spangen, berg noch, diese Wilhelmine müßte auch darauf. Ich werde sie nur wieder sehen, so leibhaftig hast Du sie mir gemalt. — Das mit Zerboni hat mich gerührt: möge der kleine Planet nur irgend einen Wiederschein der Sonne, die ihm fehlt, durch sein Gefängnißgitter bringen! 7*

100

Kein heiligeres Geschenk giebt es, als das Ang« botne. — In Schwarzach war ich, und un­ ser Simultan-Bruder den halben Mittwoch und den halben Donnerstag. Leider hab' ich schon Carolinen,*) diesen vom Himmel herabgesenk­ ten Himmel oder Freudenort, gemalt. Nur Zeit und weite Stiefel fehlten mir, um einmal durch ein langes isoliertes Gehen in diesem vollen be­ fruchteten und überblühten Paradiese so viele ver­ lorne meiner Phantasie wieder zu finden. Warum wird dem Menschen alles so spät gegeben, und die besten Wallnüsse erst, wenn ihm vorn ein Hauptzahn fehlt? — Sogar der Hofrath, sie ohnehin mit ihtem ewig, jungen Auge — gefällt mir immertnehr. Zwei Loth VoigtischeS Pul­ ver hat er bei mir käuflich abgesetzt, nachdem ich AbendS gratis nach der größeren Erhitzung als Freudenmeister und als Clavizembalist eine ProbeMesserspitze voll genommen. Da ich trotz der Erhitzung keine Kopfschmerzen bekam, so bin ich nun ein Proselyt und Apostel dieses Pulvers. Beide Leute erinnern sich mit der zärtlichsten nnd ') Schwester von Otto' s Gattin.

101

sehnsüchtigsten Achtung Deiner; und daS thun alle Deine Wirthe — Schäffer und sie— und Deine Mitgästin, die Fürstin, die Dich ungemein lieb hat. Ich habe es nicht aus ihren:. Munde— denn der war, sammt Rest, einen Tag vor mir schon abgereiset — sondern von Schäffer. — Das Fischersche Ehepaar hat mir bessere Federn (zumal eine ne« angeschnittene auS Frankfurt am Main) gestohlen, als ich hier führe. Ich laufe hier meinen gewöhnlichen Zodiakus von Häusern durch: ich werde Dir nicht viel zu er­ zählen haben. Dienstag geh' ich hier ab. — Dor Erich erscheint ein Mensch veränderlich im Ge­ schmack, weil er, der auS einem dreißigjährigen einsamen Isolator«» und Biyetre herauskam und der darin vorher weder Städte noch Mädchen und Bälle gesehen, nun die allererste, die er vor der Kerkerschwelle antraf, natürlicherweise für herrlich ausschriee, denn er verglich Alles mit den Ratten und Ketten und Mauerflecke« seines Bhetre; und weil er nachher über der Schwelle draußen oft andrer Meinung wurde, wen«« er sich umsah und verglich: besagter Mensch war, und ist später gar nicht veränderlich

102

Wäre meine Zeit nicht in H. so bang, enge zugeschnitten und mit so vielen Allotrien verkürzt: so vergäß' ich hier bei unserm E. die Zeit.

Witt «ach Jena.

Ich

Zn Leipzig will ich wild

und hart gegen jeden Zeit, Dieb sein, und ein­ mal anfangen, meine Schreibereien nicht mehr

für Drunnenbelustigungen im Badorte des Le­ bens, sondern für ex offido’s anzusehen.

wohl. Lieber!

E. grüßet Dich, ohne ei mir vor­

her selbst gesagt zu haben. netwegen,

Lebe

Ich bedaur' ei sei­

daß ihn in H. nicht da- Fischersche

Paar gesucht. Du möchtest dann ihm, denn der Grund wäre derselbe,, fowol geschrieben haben,

als mir.

Leb' wohl. Lieber!

R.

Jean Paul an Otto. Sonntag, den 21. Septbr. 1797.

Die Briefe wottt* ich Dir gestern selber brin­

gen, kam aber vor passiven Besuchen nicht dazu, die um drei Uhr anfingen,

doch um eilf Uhr

103 nachließen.

Könntest Du nicht da- Buch über

die Ehe hcraussuchcn?

Ich wollte, wir zögen

einmal nach Zedwiz.

Jean Paul an Otto. Donnerstag,

de» S. Oct.br, 1797,

Sei so gut und schicke mir ein anderes Buch — den Wüstling aber noch nicht.

Hemster-

Huis ist herrlich.

Montag,

de» 9. Octbr. 1797.,

Ach hätf Euch beinahe denselben Antrag ge­ macht. *) — Aber ein wenig später komm' ich,

da ich doch keinen Kaffee trinke. Sieh hier wieder einen ertranmndanen Gcvatterbricf.

) Rach A«dwiz. A. v. O.

104

Jean Paul an Otto. Donnerstag, den 12. Octbr. 1797.

j£)tet schick' ich Dir Deine Bücher (das über

die Ehe ausgenommen) weil ich doch einmal anfangen muß, einmal mein Buch nicht sowohl alS Bücherschulden abzustoßen. Sende mir (Nicht­ heute, sondern morgen oder übermorgen) auch meine, nebst allen Billets und Briefen von 97. Herder und die Itudes magst Du noch acht Tage behalten. Auch würd' ich Dich um Deinen Koffer (aber nicht so lange, als daS vorige Mal) ersuchen, weil ich nicht weiß, wie viel ich solcher fahrbarer Taschen-Stuben brauche.

Jean Paul an Okto. Freitag,

den 13. Octbr. 1797.

1) jpict ist OertelS Brief aus Neustadt wieder: er muß von unS allen aufs Neue gele­ sen werden. — 2) Sei so gut und bringe die

105

Stark in 8 Tagen durch: sie verdient, besonders wegen der Kapitel über Parteigeist, Eitelkeit und Liebe und wegen ihrer revoluzionären Gesichts« punkte, daß Du gar nichts anders liesest. — 3) Hier sind Deine begehrten zwei Briefe. 4) Und hier mach' ich die erste Ausnahme von meiner alten Regel mit Carol. Briefen, durch die ich ihr, da ich sie so ganz allein zurücklaffe, in Zukunft Deine größere oder doch deutlichere Freundschaft zuzuwenden suche. An ihr bekämpf ich gerade den poetischen Geist, den man sonst erwecken muß.

Jean Paul an Otto. Sonnabend, den 14. Oetbr. 1797.

Für Deine Mühe schick' ich Dir außer dem Dank den Almanach, de» ich aber morgen mit der Bayreuther Post (und Du mir als» erst um 10 Uhr) zurückzugeben habe. Du kannst die Stael schon 7 Tage länger behalten. —

Lies auch die Gedichte von Lenz und Louise (v. Imhof)

106

Jean Paul an Otto. Sonntag, den 15. Oetbr. 1797.

pi ^Zch entbehre heute mein Sontag,Couvert, da ich am Donnerstag daSH.....sche schon angenommen, wie ich Dir gestern gesagt hätte, hätte mir ge­ stern ein Catarrhkopfdxuck erlaubt, zu kommen, und von freitägiger Abendgesellschaft mit Liebeskiad vielerlei zu hinterbringen.

Jean Paul an Otto. Mittwoch,

den 18. Octbr. 1797.

Einmal wieder ein ganz Vaterunser voll Bitten) Erstlich um Deinen Koffer — und dann, da ich niemals merke, wie viel ich bezahlet, ein Derzeichniß: was das Halbjahr des R. Anzeigers — der Nazionalzeitung — der Bamberger — und das ganze Jahr der Literaturzeitung beträgt. End­ lich sende mir die Nachrichten oder die Papiere, die ich gegen Wcinrich in Leipzig brauche.

107

Deine Antworten haben schon bis morgen Zeit. Ehe Du die Leipziger Bücher fortschickst — und wenn eS auch in acht, zwölf Tagen wäre — melde

cs mir, ich will einen Brief einlegen. —

Jean Paul an Otto. Donnerstag, den 19. Oetbr. 1797.

/x» ^Zch danke Dir sehr. über Alles sprechen.

Ich will schon mit Dir

Mein Rendant ist da und

will Dich,

wenn D« um zwei Uht zu Hause

bist, fragen,

ob die Vorstellung gegen die Tren­

nung der Polizei von seiner Kämmerei recht ist. Er kann sogleich kommen, da Du vielleicht aus­

gehst.

Jean Paul an Otto. Mittwoch,

den 25. Octbr. 1797.

3ch werde richtig eintreffen. *)

Das Wetter

verspricht heute mehr, als es gestern drohte.

*) Ja veimiz zum Mittagessen, A. v. O.

108

Jean Paul an Otto. Donnerstag

den 26. Octbr. 1797.

/*x> ^Zch bitte Dich um die Bitte bei Deiner Schwe­ ster — in Sachen der Leinwand — und iim die neueste Literaturzeitung, wenn Du fle bis Abend- um acht Uhr entbehren kannst.

Jean Paul an Otto. dm 27. 0-Wr. 1797. Gestern sagt' ich mir es noch nicht, daß ich Dich heute nicht mehr sehen will, weil ich Deinen An, blick mit einem solchen Gedanken nicht ertragen konnte. Vergebt mir Alle meine schweigende Flucht, die ich mir und vielleicht nicht mir allein schul­ dig war. Ach! der Körper erträgt weniger als die Seele! Hier versüße Dir mit der Dichtkunst — ich wollte Dir daö Buch erst an Deinem Geburttage geben — den Gedanken des Sonn, tags, und das regenbogenfarbige Band sei das

109

Zeichen der schönern Zukunft. — Hier ist das Geld für die Leinwand. Briefe an mich werden an Dich kommen; brich sie vorher auf, wie Ei, nem, der im Gefängniß ist. Sorge, daß mein Nachlaß Sonntag- oder Montags fortkommt. Es klingt mir Alles, wie ein Testament. Mein Ab, schied war, wie meine Trauer über meine Mitt, ter, ein Vierteljahr vor ihrer und meiner Abreise. In Gera bleib' ich einige Tage. Morgen Abend geh' ich nach Zedwij und bleibe über Nacht, und sehe ganz allein die stummen Stoppelfelder der eingeerndteten vergangenen Freuden. Eben verlangtest Du mich auf Abend. Gott gebe, daß ich mein Innere- mit Spa- ersticke und die Qualen der Phantasie bezähme. An E. schreibe den Ort meines Aufenthalte-: nim der armen Caroline etwas von ihrer dunkeln Ein, samkeit. Mein letztes Wort an Dich ist noch: sei mu, thig, strebe gegen kränkliche Phantasiern männlich an, und tritt, wie ich, immer wüthiger und wei, ter ins thätige Leben hinein, damit Deine Kraft noch mehr Andern und dadurch Dir nütze! Und so, mit diesem Wunsche, mit diese» Hoffnungen,

110 mein Unvergeßlicher, mein Ewiggeliebter, schließe sich für mich meine Jugendzeit und wir wollen von einander gehen und schweigen.

Edler und

würdiger ist unser künftiges Deisammenleben in Briefen und in den Tagen der herrlichen Wieder, erblickung, als daS bisherige getrennte und schlaffe. Wenn der Mensch eine Ewigkeit in seinem Her, zen trage» kann, so sag' ich: Du bleibst in mei­

nem ewig!

Und daS sag' auch Deiner geliebten

Schwester und Deinem geliebten Bruder.

Ich

will Euch Dreie nicht in der Welt suchen, denn ich finde Euch nicht.

Und so lasse mich ziehen von Deinem Her,

zen und von meiner Freude und von meiner

Jugend! Richter.

Sonnabend 1 Uhr,

Ach habe doch Deine von Liebe und Wehmuth verherrlichte Gestalt noch

einmal

gesehen. —

Ewige« Dank! Jetzt bricht mir das Herz.

111

Jean Paul an Otto. Sonnabend, den 28. Octbr. 1797. Abends um 4 Uhr.

habe trotz alle- Packens und trotz einer Lade mehr, nicht Alles fortbringen können. Ich schicke einen Koffer von Leipzig zurück und Du packest mir Alles darein, was ich in den zwei Re, posttorien gelassen habe, alle Briefe, Bücher rc. So mach' ich Dir noch einen Schmerz. Hier fol­ gen noch alle Sachen, zahle für mich die Zeitungen.

Otto an Jean Paul. Sonnabend, Abends um 7 Uhr, nm 28. Octbr. 1797.

Mein Richter! Ehe Du ziehest von meinem Herzen, von Deiner Jugend, ehe der Augenblick vergeht, den ich in der bangen Ungewißheit der vergangenen Tage beinahe herbei wünschte, laß mich Dich noch einmal den Meinigen nennen.

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Mein Guter, mein Lieber, ich kann weiter nichts sagen. Es ist mir aber, als ob ich so Deine Zugend und meine Freude noch auf einige Augenblicke festhalte.

Aber sie vergehen und die Nacht wird ver­ schwinden und Du wirst ganj, ganz von mir hin, weg sein. Gehe hin mit festem Tritt Deine» Weg; möchte das Schicksal, das mich treibt, mich nur Einmal und nur bald Dir entgegenführen.

Nim meine unvergängliche Liebe mit Dir; das Beste, was in meinem Bewußtsein lebt, ist mit dem Gedanken an Dich verwachsen, und so lange ich jenes erhalte, muß mir dieser bleiben. Nim meine Vorsätze als das Dermächtniß eines Scheidenden mit Dir: ich will nie fallen und eifrig gehen, so weit mich meine Kräfte tragen. Sinke ich, so erkläre mich Deiner und meiner unwerth. Mein Richter! Laß mich immer den fressenden Schmerz des Alleingelaffenen, des Alleinstehenden, des Muthbedürfenden mit Vorsätzen und Hoffnun­ gen überfüllen.

113

Non gehe denn hinunter, Jugend meine» Freundes, und auch meine scheide mit der seinen, damit un- noch Ein Schicksal vereine. Ach! der Augenblick, während dessen ich Dich noch aufhielt, ist vergangen. Nun gehst Du aus Z e d w i j und ganz von mir, und wir sind getrennt. Aber wisse, daß der erste Schritt, den Du auf Deinem neuen Wege thust, unter dem Jnbelge, töne des Friedens geschiehet, und daß Gott mich trösten wollte, indem er es mich in diesem Augen­ blicke hören ließ. Zum Dank für Alles rufe ich Dir noch zu: ES ist Friede! Lebe wohl, mein Richter! Vergiß meine Schmerzen, aber vergiß nie Deinen Verlassenen.

Montag früh nm 9 Uhr, den 30. Octbr. 1797.

Mein Richter! Ach weiß nicht, was mich vorgestern und gestern frühe, da ich Dich doch so nahe bei mir hatte, ab­ hielt, Dich noch einmal zu sehen. Am Sonnabend II. 8

114

überwand ich mich, und gestern, als ich den War gen hinauffahren sah, hatte ich die zweite Ueber, Windung nöthig. Danke mir für beide; ich werde mir in Zukunft nicht dafür danken. Deinem Bruder und Deinem Wagen und Dei, nen Sachen sah ich nach bis mir das untere Thor den Anblick und den Schall desselben nahm. Nun sank Alles unter. Was Alles untergesonken ist, da- entwickelt mir die Zeit, und die Nächte haben meine Phantasie nicht angehaltcn sondern losgelassen, und die Hoff, nung des Wiedersehens oder der Wiedervereinigung hinter undurchsichtige Nebel gestellt. Sei nur Du recht glücklich! Ich habe indeß zwei Briefe erhalten, die ich Dir ihrer Wichtigkeit wegen nachjage. Deine theure Correspondentin muß den preißwürdigen Worten ihrer zwölf Zeilen (den Namen dazu gerechnet) eine besondere Kraft zutrauen, und ich hoffe, daß Du sie finden und fühlen möchtest, da sie für Dich bestimmt ist. Antwortest Du ihr nicht bald, so hätte ich Lust, auf ihren nächsten ungeöffneten Brief die Adresse des Fräuleins H. v. S. und die Notiz Deiner Abwesen,

IIS

heit ju setzen, damit sie auf Deiner (Adresse) die rothenPostbeschwirung-zeichen auch mit fände und ihr Brief mit dem Aussehen des Hillenzwangs zurück­ kehrte, weil er wie dieser zum Goldmachen gleich gut ist. Kommen die Zeichnungen deS für Dich bestimm­ ten Paradieses, das einladender sein muß, als der Engel, der es zeigt, und, ohne eS zu wissen, ein abwehrender Seraph (oder auf eine Tempelzinne er­ hoben) wird, noch heute und zeitig genug an, so erhältst Du sie noch mit der nämlichen Post, die Dir diesen Brief bringt. Du bekommst so mehr Zettel von mir, als in ***; werde ich auch welche bekommen und viele? — Wie Du willst; lebe nur recht wohl! Lebe wohl! Dein ewiger Freund.

Jean Paul an Otto. Leipzig, den 3. Rovbr. 1797.

Der Erstling meiner Briefe gehöret dem Erstling meiner Liebe, Dir. Aber diesesmal erzähl' ich mehr

116

meine äußere Geschichte als meine innere, und noch dazu ohne Extra-Wörter. Am letzten H. Sonnabend entzog mich P l o t h o den Träumen der Einsamkeit. Nauendorf und sie waren da. Am Sonntage verlor *** noch das, was Tithon behielt, die Stimme: das Kirchengeläute warf mir noch einige Laute der Ver­ gangenheit nach. — Für 12 Rthlr. (ind. des PaffagiergeldeS) bin ich nach Gera geflogen, wie nach Leipzig gewatet. Der blaue Engel in Sch lei tz und der schwarze Bär in Auma verdienen verwechselte Namen: der Engel fraß, der Bär sättigte mich. Um zehn Uhr Dienstags — schossen wir ins lachende Gera ein. Niemand gefiel mir da mehr, als der — Hausknecht. Sp g ist der Mark, zieher meiner Kraft und ich falle matt hin. Ich mochte nicht mit ihm in die Beckersche „ Erho­ lung." — Buchhändler HeinsiuS speisete mich Abends wie der schwarze Bär — Wein, Weiber und Gesang re. re. D. Schmidt aus Jena und ein Blinder, der meine Verbeugung gar nicht erwiederte, waren da. HeinsiuS Frau, Schwe­ ster Göschens, ist lebhaft, witzig und eine leben-

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dige, in einer cLemise steckende Empfindung. Es war hübsch, Heinfius ist fein und höflich.

Den andern Tag um 10 Uhr fuhr ich fort, nm früher auf den Weg zu kommen, als der Re­ gen.

Der Fuhrmann, noch freundlicher als fein

Dorfahrer, nahm mit 8 Rthr. gut Geld und mei­ nen Nebenausgaben vorlieb. Ueberhaupt wußt' ich eS so zu machen, daß ich mit 40 Rthlrn. preuß. Cour, meine ganze Reife abthat.

Durch

nichts lernt man mehr sparen, als wenn man — verthut.

In Pegau schlief ich.

Jetzt fand ich schon

'ächsifche Höflichkeit und — Spitzbüberei; sogar die AkziSbedienten und Fuhrleute haben ihren Theil

Ich will mich lieber betrüge», als anfchnauzen lassen. — Am Mittwoch be-

Höflichkeit.

streuete der Himmel meinen Weg durch die schon

entblätterten oder entfärbten Laubenreihen bis anü

Petersthor mit Schneeblüthen, wie sonst meinen

Bayreuther mit Dlüthenfchnee.

118

Den 4. Oktober.

3$ und mein Bruder wurden überall für Kauf, leiste angesehen, obgleich nur ich mit Büchern handle. Unter dem Mauththor hatt' ich nichtju geben, al- eine Antwort. Ich fuhr zu Dey, gang — ich muß tausend Dinge weglassen — er, sein Associe und mein Korrektor und so nach, her alle Leipziger, empfingen mich, al- wär' ich wieder in Weimar. Ich sah flüchtig da-Mu, seum, dessen Verzierung, Bücherschätze, Bequem, lichkeiten und Stille, denn eS ist ein besonderes Sprechzimmer, die drei hochgewölbte Sääle zu himmlischen Freudensälen machen. Dann führte mich Herrmann in mein Logis, da- mir mit seinen hohen Stuben, hohen Fenstern, herrlichen Oefen (ich brauche | weniger Holz) und mit sei, nem neuen Ameublement (die Kommode ist besser al- alles, was ich hineinlege) und mit seiner Hansherrschaft (Kunsthändler Pforr) und mit der gefälligsten Köchin, die immer neben mir in der Küche ist und die für 2 Rthlr. ^jährlich al, les besorgt, meinen Dank gegen Herrmann, den Affociö, immer höher trieben. Zu Mittag

119

aßen wir hei Beygang: seine Frau ist eine schöne, gebildete und biedere Belgierin. Abends aß ich bei Oertel im Hirsch. Herrmann führte mich hinauf. Sieh die Spiele des Zufalls: so wohnt im Hohenthalschen Hause auf dem Markt (meines ist in der Petersstraße) Lin Frie, drich Richter, drei Treppen hoch— so elf ich aus Ek's Hause, wo ich sonst aß, Oertel hatte schon vorher einen Brief de, ponirt, der mich zu einem einsamen Wieder­ sehen einlud: nach einer halben Stunde macht' er die Nebenstube auf, und seine Frau, so groß und schmächtig wie Renata, weder schön noch unangenehm, aber mit liebequellenden, milde» Augen, die einem das Herz zauberisch we'gziehen — fiel mir, obgleich noch Mutter und zwei Schwe­ stern da waren, um den Hals. Ich war so ver­ wirrt als froh. Ihre Kehle ist wie ihr Auge. Da sie daS Vergißmeinnicht und manche welsche Stücke sang, so kannst Du leicht denken, wohin meine Ohren mein Her; führten, und welche nahe, zwischen de» Tönen schwebende Vergangenheit mich zu tief bewegte. — Herrmann besorgt alles, wechselte mir 20 LoniSd'or mit 9 Rthlr. Gewinnst

120 und erpresset« noch ein Quart — lief zu Tra»

teur#, bis er einen hatte, der mir das schmackhaf­ teste und reichlichste Essen, zwei Porzionen, und

vorher einen Küchenzettel (woraus ich zwischen zwei Braten und

zwei Gekochtem Ein Gericht

wählen kann) selber inS Haus schickt,

wöchent,

lich sür 1 Rthlr. 18 Gl. — Donnerstag AbendS war ich im Konzertsaal — über hundert Zuhörer

— Pauken, ein pergamentner Donner — Orgel — Sängerin — kurz ich hörte daS erstemal in

meinem Leben

Musik!

Wie

dem

Adam

die

Thiere, wurden mir Leute präsentirt, aber blos,

weil ich einen Namen hatte: wovon ich nur den

Prorektor Erha rdt und den Dr. Michaelimit Söhnen nenne.

Letztere

trinken Morgen-

Thee, ziehen sämmtlich Pelze an und gehen in-

Museum und —Abends nach Hause: sie haben da — Wärme frei.

Noch um 8 Uhr kam zu mir

ein Mensch ohne Hut,

mit struppigem Haar,

aphoristischer Stimme und Rede, frei und son­

derbar, Thieriot, ein Violinist und Philolog, und schien ein Sonderling, einen hielt.

mich,

weil er mich für

Sein zweites Wort war: er bitte

da« Logis zu verlassen,

weil er mit mir

121

unter Einem Dache wohnen und öfters kommen wolle; und fragte, wie ich an einen Ort ziehen könne, der mich nächstens langweilen würde. Ge­ stern war ich mit Oertel in der Oper, die ich mit zehn W. Bühnen erkaufte. Die Truppe tanzt Ballette, wie geflügelte Engel. — Und nunmehr ist's genug. Sei Du mein historischer Repetent: denn ich habe kaum Zeit, etwas einmal zu schreiben. Mein Gottlieb wird 6 fl. zu Dir schicken, brich sie auf und nim sie für die Leinwand und 2 fl. für den alten Herrmann, dem ich's restiereSchreibe mir alle historischen Neuigkeiten von ***, so wie alles Wichtige. — Ich danke Dir für Dein letzte- Geschenk, welches ein wahres Wundwaffer auf der dürren Reise war. Die ge­ strige Bouteille im italienischen Keller reicht Dei­ ner das Wasser. — Umarme Deine geliebte Schwe­ ster und Deinen Bruder in meiner Seele und schwöre ihnen Deine Liebe und meine. Ich hoffe, daß mein Nachlaß bald nachfahrt, wiewohl mir Pforr alles herzlich gern leiht. — Lebe wohl, mein Theurer! aus Schmerzen erschaff'

122

ich mir jetzt eine Zeit, wie ich sie in Weimar hatte — nämlich die künftige, in ***♦ R.

Otto an Jean Paul. Sonntag,

den 11, Novbr. 1707.

Mein Richter! Deinen Einleitungsbrief fand ich am Freitag Abends, als ich von Bayreuth zurückkam. H. war in Salzangelegenheiten Hinausgereiset, hatte mich eingeladen, und als ich es halb angenom­ men, fand sich Amöna als Akzesststin dazu, und so fuhren wir denn mit Königl. Preuß. Portio­ nen und Razionen heute vor acht Tagen hinaus. E., der nichts von unserer Ankunft wußte und dem ich durch freudige Ueberraschung das erfrischte Andenken seines Schicksals ein wenig entziehen wollte, war, als ich Abends nach sechs Uhr in sein Zimmer trat, zu sehr und so sehr überrascht, daß er auf und über eine Stunde alle Besonnenheit verlor. Er wollte seine hausvatcrlichen und hausmütterlichen Sorgen für uns gleich

123

anfangen, wußte aber nicht sogleich, was er thun oder herbeibringcn sollte und zündete vier Lichter an, «nd als diese brannten, auf den Nothfall, wenn daS Licht auSginge, wie er sagte, noch eine Oel, lampe. Wir waren vom Sonntag bis Donnerstag in Bayreuth. AlS wir über Bindloch um eilf Uhr Mittags hinaus waren und noch die Säule Deiner zweiten Vorrede *) im Gesichte hatten, fiel es uns ein, daß wir zu spät in der Nacht nach * ** kommen würden, schlugen also, anstatt des ***«, den Wiersberger Weg ein und kamen erst am Freitag AbendS zurück. Acht Tage zuvor war der Propagandiste G. D. von seinem Kreuzzug, von seiner Mission, und Entdeckungreise nach der Goldküste zurückge, kommen, und es fand sich, daß er Uhr-loS war. Denn die Uhr war nicht sowohl an Mann, als an eine Frau, und nicht sowohl an eine Frau, als an ein Mädchen, und nicht sowohl an ein Mädchen, als an eine und seine Brant gebracht. DaS erstemal mußte wohl die Uhr so lange außen

124

bleiben, denn sie war einer Fee in die Hände ge­ rathen, die sie in eine Wünschelruthe verwandelte. So erhielt er sie wieder und beim neuen Ausritt steckte er sic in seine kleinen Stiefel, nächst der Wade, wie eine Reitpeitsche. Als er bis inMeinungsche gediehen war, zog er sie vor Sonnenberg heraus, bog sie zusammen und sie schlug unaufhaltsam nieder über dieser Stadt, für ihn auf edle Metalle, für sie auf die Nägel­ fabriken des Orts, anzudeuten ihre künftige lom­ bardische eiserne Nägel - und Dornenkrone. At­ er ihr am Mittwoch vor acht Tagen um zehn Uhr Morgen- seine Hand gab, verschwand die Wünschelruthe und die Uhr war wieder da und zeigte auf die nämliche Stunde ihres und seines Alters; denn beide sind nicht nur in Einem Zahr, an Einem Monattag, sondern auch in Einer Nacht geboren. Sie sieht älter aus als sie ist und als er; sie ist nicht schön, beinahe verfallen; aber ohne durch irgend etwas ausgezeichnet zu sein , beson­ nen und vernünftig in ihrem Betragen, gntmüthig und gut gegen seine Schwestern (die es erwiedern). Der Brief des S ch ü tz, nach dem Du lange verlangtest, wird Dich sehr freuen; da- gedruckte

125 Blatt ist aber von einem Prediger und nicht von

einem Dichter. Ich wollte Dir heute nur zwei Zeilen und

einen fremden, statt eines eigenen Briefes, schik-

ken; es ist zwar kein Brief, aber es find zwei Blätter geworden und noch

dazu Probeblätter

meiner Wiedemannischen ***cc Annalen. Kannst Du mir nicht in Leipzig die Bände einer Konziliensammlnng verschaffen, nach denen

ich so lange trachte?

Ich will mein Anliegen

lieber gleich vorbringen.

O.

Lebe wohl!

Jean Panl an Otto. Leipzig, de» 15. Novbr. 1797.

Lieber Otto! ^Zch will erst Antworten geben, und dann neue

kausieren.

Erstlich, den innigsten Dank für Dein

gutes Packen: das Barometer und der Hut sollen

Leipzig nicht sehen.

Ich habe mich wie eine

Schlange nur fragmentarisch hereingezogen: jetzt

126

bin ich ganz hier. — Ich nähe alle Oktavbriefe zu einem Buche chronologisch zusammen zu Del, nem Gebrauch, und so Quartsachen. — Mit der nächsten Büchersendung schicke ich Dir das Geld für Herrmann, die Leinwand und 18 gl. zu einer Schreibtafel von zwölf oder sechszehn roeix ßen Blättern, die Du mir vorher mit den nächx sten Büchern sendest. Sie soll weiß und ohne Korkzieher und etwa sein, wie meine unterwegs verlorne. Hier kostet eine mit vier gelben Blätx tern 1 Rthlr. 16 Gr. Das abbrevierte Journal Deiner prolongierten Reise lässet mich über vieleim Dunkeln, so fröhlich und phosphoreszierend schön eS ist. — Ist mein zweiter Spitz noch in H....dSHause angestellt, und darf er mit bellen? Da der T....l doch einmal eine Frau holet, nämlich unser G., so bin ich froh, daß eS keine bessere ist, ich find' ihn, wenn ich ihn durchdenke, immer falber und welker. Er hat von seinem Dater nicht die Originalität, die Neigung zur Philosophie und zu Wissenschaften, sondern einen gemeinen Geldhunger. Die Heirath nimmt ihm noch die magnetische Exaltation. Ueber die Konx zilienakten sollen Konzilien gehalten werden.

127

Ich habe für zwei Thaler vierteljährlich ein Fortepiano. — Ich habe gleich am ersten Sonn, tag einen Bauernkrieg mit einem Kantianer ge­ führt und diesen sehr gequält: eben darum ging ich nicht nach dem kantischen Jena. Die Her­ der schrieb mir die gemarterte Einsamkeit ihres Mannes: „Er ist nun hier völlig auf sich selbst reduzirt. Er betäubt manche unangenehme Ge­ fühle durch ununterbrochene Arbeit. Lassen Sie nur von Ihrer Himmelsbahn manchmal ein Dlätt, chen herüberfiiegen zu dem Muthlosen." — Hier ist ein ungewöhnlich höflicher Ton gegen die Frauen, welche sogar — d. h. oft neunzig an der Zahl — im Konzert freien Eintritt haben, den man hernach zu ihren Herzen fodert.. — Sch. sprach ich im Museum — noch gefällt er mir so wenig, wie die ganze philosophische Horde. Ich macht' ihn doch höflich nach dem ersten Wort auf da­ hinter mir hangende Gemälde aufmerksam, dadie babylonische Thurmbaute — und die Philoso­ phie — vorstellte. Ich war in Belgershain zwei Nächte: wie schön ist eS und wie überglück­ lich Oertel! Jeder Fußtritt de- Bedürfnisses ist aus diesem FrühlinghauS verwischt, es scheint

128

blos für da- Landvergnagen gebauet. Oertel besuchte Leipzig seit der Hochzeit einmal. Nachli, galten, Johanniswürmchen, Bäume, Bücher und und die unaussprechliche Liebe seiner Frau umzin, geln ihn. — Ich trage in ein Buch die Merkwür, digkeiten ein, die ich Dir einmal erzählen will, da­ soll Dir manchen Brief ersetzen. — Ich habe so viel zu berichten und leider unmäßig an den P a, lingenesien zu arbeiten. Ich lerne meine Briefe immer schneller schreiben, thät' ich's mit meinen Büchern, so sollte das Publikum mit deren Verständlichkeit zufrieden sein. Bedenke, daß ich enger schreibe als Du. Grüße die Deinigen, alwär' ich — Du! — und Deine Novemberabende müssen glänzende, durchfliegende Ideale erleuchten und Dich innig beglücken. R.

Schreibe mir unbegreiflich viel, sowohl Neuig, keiten, als Gedanken darüber.

129

Otto an Jean Panl. Den 15. Rovbr. 1797.

Mein Richter! Ä8as ich nie zu thun dachte, da- will ich jetzt thun. Ich schreibe über mich und blos für mich, und, um einige Erinnerungen meines vorgehcndcn Lebens für die Zukunft festzuhalten, von Zeit zu Zeit etwa- auf, und Du kannst leicht denken, daß ich nicht blos mir folgen, sondern auch Dir und unserer Freundschaft nachgeben mußte. Aus dem, was ich am 3isten Oktober, zwei Tage, nachdem Du mich verlassen hattest, auf­ schrieb, will ich Dir einige Stellen hier abschrei­ ben, getrennt oder vereinigt, was nützet uns Al­ les, wenn wir nicht über uns selbst gegenseitig ins Klare und Reine gekommen sind. Du schienst mir, mein Richter, in der letzten Zeit nicht mehr derselbe; angegriffen vom Ruhm, nur manchmal zu Dir und zu mir zurückznkehren, wenn in Augenblicken des Gefübls Dein 9

130

Gesicht sich, aber schmerzlich, wahrscheinlich unter dem Gedanken der Trennung verklärte. Mich kränkten die kurzen eilfertigen Briefe, wenn Du abwesend, Deine zu große, über Alles hingehende Erhebung, wenn Du anwesend warst. Wenn Du Abends kamst, waren unsere Gespräche einsylbiger, ich vermißte überall die gewöhnte Wärme und das sonstige Leben. Wir waren uns fremder geworden. So lebten wir neben einander in verschiede« neu Häusern und hatten nichts, als die Nähe und die Kürze des Wegs, die uns zufammenführen konnten. Mir war eS, als müßte ich mit eini­ ger Selbstständigkeit in mich selber zurückziehen, auf mir selbst haften, und brauchte nicht zu sehr und nicht zu bequemend aus mir herauszugehen, und so verhärtete ich mich allezeit nur in der Ab­ wesenheit, nicht in der Gegenwart. Das Leben mit andern gönnte ich Dir, nur die Mittheilung, die entfernte Theilnahme durch die Erzählung wollte ich haben. Ich sagte zu mit, indem ich mich zurückzog: außer sich hat ja der Mensch nichts Näheres; er muß, sei er auch, was er sei, einen Verlaß auf sich haben, er muß auf

131

sich, gegründet sein, er muß, wenn er in sieb selbst bestehen, aus sich selbst hervor, und in die Höhe wachsen soll, ein Urtheil über sich selbst haben, ein Vertrauen zu sich, und wird ihm die, scs durch kein fremdes Zutrauen verliehen: so muß er es desto mehr mit sich selbst halten. Ueberall war Anwendung zu finden, aber auch Täuschung. Rang und Stand schien Einfluß ans Dich be, kommen zu haben und die Anmaßungen beider, die sich den ausgezeichneten und ausgebildeten Talenten gleichsetzen, schienst Du hingehcn zu lassen. Du glaubtest, weil Du Alles erriethest (und Du übereiltest Dich doch oft im ersten An, schein und Anblick, und mußtest Dich selber beim zweiten widerlegen), daß D« selbst nicht errathen würdest, daß selbst ich Dich nicht erriethe, und ich errieth Dich doch oft und schnell, weil Alles, waS uns angeht, uns scharfsinniger und scharfsich­ tiger macht. So kam mir bei Allem der Gedanke von Neuem wieder, daß ich mich in mich selbst mehr zu, rückziehen, mehr in mir und auf mir selbst beruhen, daß ich verschlossener, selbstständiger, selbstvertrauen9*

132

der, fester stehend seyn müsse, und so zogen wir auS einander in kalten alttäglichen Stunden, und rückten in Liebe zusammen in den Stunden der Begeisterung und de- Enthusiasmus.

Den 23. November 1797.

Mein Richter! AlS ich am I5tcn November etwas für mich schreiben wollte, schrieb ich an Dich, und nach und nach kam ich auch auf den Gedanken, daß Du das Folgende sehen solltest. „Heute, indem ich dieses schreibe, sage ich zu mir selbst: ja, wir sind getrennt. Du wirst nie einen Freund und nie einen Menschen finden, der Dich mehr liebt, mehr versteht, sogar im Ganzen genommen. Laß auch hie und da nnentdcckte Länder, laß auch, wo die gefundenen unschuldigen Polarinseln sind, dem Entdecker die Kenntniß fehlen, die in Stand setzt, die Länge und Breite ihrer Lage anzngeben; laß eS sein, daß Alle- mehr in einem verwirrenden dunkeln Gefühl, als in einer klaren

133

und besonnenen Ansicht bestand, daß ich jenes nicht wiedergeben konnte, und wenn ich es in Worten hinstcllcn sollte, es unter den Händen zu verlieren schien; dennoch habe ich Dich gekannt, ich habe Dich verstanden, ich habe Dich geliebt; ich liebe Dich, wie kein Mensch Dich geliebct hat und lieben wird. Ich würde Dich in uichrem, in Allem vielleicht nicht errathen, nicht ver­ standen haben, wenn Du nicht gleichsam vor mir entstanden wärest, und wenn ich Dich auf ein­ mal, wie Du bist und wie Du geworden bist, gesehen hätte. — Ach, eS ist viel vergangen und eS wird »och mehr vergehen. Die höchste Blüthe und die bewußtlose Schönheit jedes Dinges, jedes Daseins, kehrt, wenn sie vergangen ist, nie, nie zurück; alle Stimmungen, alle Bemühungen, alle Anstrengungen helfen zu nichts, als den Verlust fühl­ bar zu machen. Vergebens strecken wir die Hände aus, aber nichts, nicht- kehrt mehr zurück, al-die Sehnsucht und der zurückgebliebene Schatten der Erinnerung, der aber verschwindet, wenn wir die Arme zusanitnendrücke» und ihn festhaltcn wollen. Damals, wo wir nicht vom schlaffen Bcisaiuniensein zu reden hatten, wo wir nicht daran darbten.

134 einander zu unterhalten,

wo ich nicht fürchtete,

nicht sah, nicht dachte, nicht fühlte, daß Du Dich

zu mir herabließest, daß Du Dich zu mir herab,

lassen niüßtest, da war es anders und besser. Ich sitze nun einsam da und denke an diese verlorene

Zeiten der Freiheit und Gleichheit.

Seit ich mir

gestehen mußte, daß unsere Rosen verblühet sind, habe ich mir ein Selbstvertrauen erworben,

da-

nicht seinen Gehalt von dem Selbst, sondern von der Noth empfangen hat;

ich möchte sagen, ich

bin auf mich reduzirt worden.

Ich sinne zurück

auf die frühern Zeiten, wo Du mich in der obern Stube fandest, wo wir freundlich zusammenkamen, drängendes Gespräch und wenn auch Stummheit,

doch keine drückende fanden und gestärkt und freu, dig und ruhig anseinandergingcn.

Alles wurde

anders, als da, wo wir uns auf dem Schwarzen,

bacher Weg trafen,

und — täusche Dich nicht!

sie werden auch Dir nicht wiederkommen, die Zeiten, die nicht nur für mich, sondern auch für Dich die bessern

und die besten waren, denn eS

waren die Tage und die Abende, HesperuS aufging.

an denen der

Es würd« anders und es

wird noch anders werden; wir Menschen, unsere

135

Kraft sei auch, welche sie wolle, sie sei die Deine, — stehen unter Einem Schicksale, und was ver, blühet, ist, kommt nicht mehr und die Spätblüthen der Rosen gedeihen nicht, sondern der Winterfrost nimt sie schnell ab. — Unsere Blüthen verwelken zwar langsamer, so daß, wenn sie abfallen, wir uns nicht gleich gestehen wollen, daß sie verwelkt sind, aber zuletzt fällt uns doch einmal der Am blick unserer öden Kahlheit in die Augen. Ich weiß, daß Du mich lieben wirst, ich habe noch nichts erlitten, was Deinem Verlust gleichkommt, lind doch sage ich alles dieses, und doch ist es wahr. Sonst genössest Du für Dich und für mich und mit dem Andcyken an mich; zuletzt nur für Dich. Nach und nach erlangte bei Dir die eilende und wechselnde Freude des Augenblicks einen gtiv ßern Werth, als die Kreude dcS Wiedergenusses in der Erzählung. Denke nicht, daß ich diese nicht vermißte, weil ich nicht daran mahnte, ich wollte nur die Gabe mit dem doppelten Werth, die freiwillige, die sich selbst beglückt, wenn sie giebt. Sonst warst Du schonender gegen Alles; Du achtetest die Gabe eines Jeden nach dem

136 guten

Willen

Reichthums;

und zuletzt

der freiwilligen Gabe bers,

nach

fodertest

Du

seines

zum Werth

den Reichthum des Ge­

und Dein höheres Selbst ging,

fehlte, drückend über Alles hin.

wußr,

Maß

dem

wo

was Du sonst unbewußt empfingst,

Dir sonst anfgedrungen wurde,

er

Du nahmst be,

waS

und Dein inne­

rer Reichthum, der nicht in Einem, sondern nur

in vielen Menschen seinen Anklang finden konnte,

schien Dir das Rechtsgefühl eingcfldßct zu haben, in eilenden Läufern über viele Menschen, wie über sich neigende Klaviertasten, wechselnd hinzugleiten,

und die Regel Deiner zwanglosen Willkühr brach oft die allgemeine zwanglose Willkühr, und Deine

äußere Erscheinung verhüllte auf Augenblicke Dei­

nen tiefen unversiegbaren Reichthum der Menschen­ liebe nicht mir, sondern Andern, und diese mir

unsichtbare Sonnenfinsterniß erschreckte Andere und betrübte mich.

Nach und nach wurden Deine Briefe kälter, eiliger, selbstischer, an sich gehaltener, gemessener,

vorsehender, vorbeugender der augenblicklichen Ueber«

strömung,

und schauender den künftigen Abstand

einer nicht eraltirenden Erinnerung,

und in den

137

Briefen kam an die Stelle des D u, das zusammen nehmende, oft unwillige Euch. Ich -in nicht empfindlich; Du kennst mich und doch nicht ganz, und doch meine schlimme und meine beste Seite nicht recht. —

Wenn Du jetzt wieder kämest. Du könntest nichts mehr ändern. Das Vergangene kehrt nie mehr zurück; daS zarte, einmal blühende, nicht perennirende nie, nie. ES giebt ein Selbstver, trauen, eine Ruhe in sich selbst, die jeden Menschen sein läßt, waS er sein kann, und zu meiner gehört dieser Glaube, dieses Anerkenntniß eines unabän, derlichen Schicksals. Ich weiß zu gut, daß das Meiste an mir lag, nur etwas an Dir. Ich habe Dich nie, nie für veränderlich gehalten und werde es nie. Sage immer, ich thue Dir Unrecht, sage immer, ich mißverstehe Dich; aber dennoch vere berge ich Dirs nicht, daß ich glaube. Du habest noch nicht alle Irrthümer Deines Lebens hinter Dir, daß es mir ist, als stündest Du hart an dem letzten, und daß ich wünsche und hoffe, wir werden, wenn Du ihn überwunden oder überstanden haben wirst, näher wieder an einander treten.

138 Ich packe nie Deinen und nie den Nachlaß

eines Freunde- nach der Trennung mehr ein; eS thut zu weh, und die Kleinheit des bestaubten

Weltgebäckes passet nicht zum himmlischen,

idea,

lischen 'Nachlaß der Freundschaft. Ich fand in Deinen Zimmern die Spuren von drei Menschen.

Deine, m. R., gefaßt, be­

dacht, schmerzlich, liebend, vorsehend; ich müßte wie damals weinen, wenn ich ihnen nachgehen sollte, wie ich ihnen nachgehen mußte, als ich

Stück für Stück vom Gewand der guten Mut, ter bis zum leeren Arzneikästchen der Borfahren

in die Hand nahm.

Deiner Mutter ihre: Alter,

Sitte, Sittsamkeit, zärtliche, drängende Sorge, oft ohne Ursache, Duldung der Noth, Achtung,

Ehrfurcht, Keuschheit, Verschämtheit, Liebe, Auf, opferung: D e in e Mutter mit verschränkten Armen.

Die Spuren des dritten Menschen gefielen mir

nicht so.

Eine Weste von Dir, von der Mutter

geflickt und geplättet, glänzend reinlich, war zurück,

gelassen, sie mußte mit; Du hättest sie nicht zurück, gelassen.

Die verstreuten Schulbücher, alles sagte

mir, mit zu großer Verachtung des Vergangenen: „wenn ich nur fort wäre!"

Nirgends gefielen

139 mit die Sputen Deines Bruders,

al- in bet

Sorgsamkeit, mit bet et die Wirthschaftssachen, um

ihrer

und um des nachlesenden Bruders

willen, sorgsam in bet Stube aufbewahrt hatte. Auch von Dit wat mit etwas nicht recht, daS

Aufheben bet Briefe, dieser Zeichen der größten Achtung.

Ich fand nicht genug erwiederte Ach«

tung darinnen.

Du

nimst

den

Dies liegt aber bloß an mir.

Geist

nm

unbekümmert

die

Hülle; ich hange auch an dieser.

Nun darf Dich's nicht wundern, daß eS mich rührte

und

schmerzte,

die Bestätigung

Furcht in Deinem letzten Brief zu finden.

meiner „Ich

„lerne meine Briefe, schriebst Du, immer schnei/ „ler schreiben;

thät ich's mit meinen Büchern,

„so sollte das Publikum mit der Verständlichkeit „zufrieden

sein.



Bedenke,

daß

ich

enger

„schreibe, als Du;" daß es mir wehe thut, daß Du mir manchen Brief in Zukunft ersetzen willst,

den Du Dir nicht zu ersetzen brauchst.

Daß Deine Briefe eilig, daß fle für mich und nicht für Dich sind, das sah ich lange schon.

140

das wußte ich lange voraus und eben darum hättest Du es auf unserm stillen Einverständnisse beruhen lassen und nicht laut sagen sollen, waS Einem in die Hände kommt, aber doch lieb ist, wenn eS nur nicht laut schreiet.

M. 9t., schreibe mir in Zukunft nie, als wenn es Dir ein Bedürfniß ist, an mich zu schreiben. ES wird mir Schmerzen machen, wenn ich sehen werde, daß Du eS blos um mei­ netwillen thust. Zum schnellen und zum fertigen Dricfschreiben bin ich, daS weißt Du schon, ver­ dorben. Du könntest mich zwar übertreffen, aber Du sollst nicht und Du kannst nicht und Du kannst eö nicht wollen. Ich fühle mich Dir jetzt näher als lange, und darum, weil ich Dir unsere Entfernung ge­ zeigt habe. Die Offenheit hat mir täuschend und auf Augenblicke daS gegeben, was mir ihr Ge­ genstand nehmen muß. Laß mich'S noch einmal sagen: ich liebe Dich unendlich und vermessen und als kein anderer Mensch.

141 Nun die Antworten auf Deinen Brief.

Die

mit

den Büchern

DeygangS am Dienstag früh.

Dein Spitz-

Pergamenttafel

erhältst Du

und Schafhund ist der menschenftcundlichste Hund

im Jj * * * schen Hause. er

mich

kommt,

Sand

für Freude

Wenn ich komme, rennt

bald um,

und wenn er

hat er bei uns nicht Spucknäpfe und genug,

statt Schießpulver zu

Freuden­

feuern, die er in der Stube umher fahren läßt. Er darf nicht mitbellen, oder höchstens für Freude. Don der Bayreuther Reise weiß ich nichts, als daß ich meiner und wir alle unserer nicht

recht Herr waren, weil uns alles in Anspruch

nahm, der Koburger gestickten Hauben wegen, die die zwei Mädchen aufsetzen mußten, denn A. hat eine von der Braut ihres Bruder- bekomme». Sogar einen vermaledeieten Abend mußten wir

deswegen bei den R

schen zubringen.

Laß mir doch den Dey gang mit nächster am Mittwoch abgehender fahrender Post fünf Bücher

schicken und den vierteljährige« Preis dieser fort, zusetzenden Lieferung.

Ich konnte die Katalogen

noch nicht durchsehen; thue mir also den Gefallen

und bestimme die Bücher nach Deinem bi-heri«

142

gen liefen. Ich möchte freilich einmal etwas Ausnehmendes haben. Ist die V. schon in Leipzig? Grüße den Oertel einmal von meinetwegen. Ich denke zwar nie ganz freudig an ihn, aber recht herzlich möchte ich ihn doch gegrüßt haben und grüßen. Ich nahm neulich, als ich Deine Sachen beim Wiedemann abholte, eine zugroße, auf Dich bezogene Kälte an ihm wahr, forschte nach und erfuhr, daß es eine metallische ist. Sie setz­ ten voraus, daß Du ihr Logis auf ein Jahr ge­ miethet hättest und Dein früherer Auszug verzog ihr Gesicht. Soll ich etwas und was soll ich thun?

Mein BriefspedizionSamt hat zu bald aufge­ hört. Dein neuer Aufenthalt ist unbegreiflich schnell bekannt worden; er muß in irgend einer Zeitung bekannt gemacht worden sein. Hast Du Pestalozzi'S Nachforschungen ge­ lesen? die Herder im Reichsanzeiger so sehr gelobt hat? Ich glaube, er hat seine menschen­ geschichtlichen Erinnerungen, die daS Buch weckte und nur in seinem und ähnlichen Köpfen, wo sie lchon liegen, wecken kann, mitgelobt.

143 Am Sonntag waren unsere Thore versperret

und die Leute, die ihre Andacht verrichtet und gcx

sammelt hatten, zumal die nüchternen Kommuni,

kanten konnten nicht zu ihrer rauchenden Suppe

kommen und die Kinder mußte»» zu Hause um,

sonst hingucken oder einstweilen ein wenig naschen. Die Nachrichten, daß der König von Preußen

todt und die Musik nur auf acht Tage eingestellt

sei, kam an Einein Tage, jene Morgen-, diese Abend-, in unserm *** an.

Es mußte hurtig

ein Theil der treuen Unterthanen durch einen Eid für den neuen Regenten gewonnen werden und da- waren die Soldaten, die un- andere gehör,

same Unterthanen nun auch zur Treue und Hul­ digung anhalten und anschießen können. Meine »natten historiae selectae sind nun zu

Ende.

Hinter ihnen und an sie passet nicht- mehr.

Lebe wohl, mein Richter. Dein

Otto. Wa-

wieder im deutschen Reich und nicht

blos in» Reichsanzeiger für Deinen armen Sie­

ben käs geschehen ist,

wirst Du aus der Lit.

144 Zeitung und aus dem Wiener Verbot des 2ten und 3ten Theil- gesehen haben. — Nun kann was aus den O e st r e i ch e r n werden. — Man sorgt doch überall in Zeitungen und Gesetzen für reine Moral und ohne Gewissen ist kein Teufel.

Mit Beygangs Büchern kommt Dein I«, belsenior, den Dein Br. in Sparnek ge­ habt, und mir gebracht, aber, unbeschadet seiner Würde, nicht überall verstanden, oder, wie er sagte, nicht gewußt hat, waS Du damit willst.

Die Pergamenttafel enthält nur io Blätter und kostet nur 12 preuß. Groschen. Ich konnte, ob ich gleich zu mehren Buchbindern schickte, keine mit mehren Blättern erhalten. Ich wünsche, daß Du sie wohlfeil findest, und daS Strumpfband, das Du abschneidea kannst, geschenkt annehmen möchtest. Der alte Hermann ist doch unsers Her, manns Vater? Der Brief E — S, den ich Dir mitschicke, erinnert mich an diesen? Was er neu, lich vor Deiner Abreise an mich schrieb, betraf eine Kostenzahlung von 168 st., die ihm sein Advokat verschwiegen und so lange, wie er sagte.

145

vergessen hatte, bis E., der sie gern bezahlt hätte, deswegen besonders verklagt worden war. Mein Richter! die Anekdota, die ich Dir mittheilte, zerstreuten mich alle und führten mich abwärts von Dir; die Nachricht von E. wieß mich auf Dich wieder hin. Sei nicht böse wegen dessen, was ich Dir geschrieben habe; oder wenn Du eS bist und wenn Du es sein mußt, so sage mir'S wenigstens, so schweige Nicht, nur diesmal nicht; in Zukunft kannst D« eS so oft und so lange Du willst.

Aber^auch dann, wenn Du schweigen, wenn Du ungehalten auf mich sein konntest, auch dann werde ich Dich lieben, wie vormals, wie jetzt, un# veränderlich als kein anderer Mensch, ewig, ewig.

Dein O.

Damit Du über die neueste Literatur nicht ganz im Finstern bleibest, lege ich Deygangs Büchern daS neueste Martiniprogramm bei. ES wird, wie Du daraus sehen wirst,{immer besser bei unS und mit unserer Schule und unsern Programmen. Zurückschicken mußt Du mir eS; II. 10

146

denn ich muß es für Wernlein aufhcben und kann cs sonst nicht haben, weil die ganze Auf, läge höchstens in 8 Tagen vergriffen ist. AproproS, hast Du mir in Rücksicht Wernlei nS nichts aufgetragen? mir ist es so und ich kann mich doch nicht mehr erinnern.

Jean Paul an Otto. Leipzig den 28. 9iovbr. 1797.

Lieber Otto! Dein Brief gab mir zwar stoßweise kleine Schauer, aber es ist gut, daß Du mir daS ganze Gewebe Dei, ner Irrthümer zum Zerreißen vorgelegt. Mögest Du Dir künftig keine Fäden mehr weben, die in Dich einschneiden. Wie hast Du mich mißverstan­ den, obwohl immer auS Liebe! Mir thut nichts in Deinem Briefe weh, als Dein Schmerz. Ich will jetzt jeden Einwand gegen mich in Deinem Briefe zum Zugcben oder zum Widerle­ gen durchgehen, dieses Mittel giebt doch der andrin, gcndcn Fülle meines Innern einen geraden Weg.

147

angegriffen von Ruhm,

*) „R. schien mir,

nicht ganz Er selbst geblieben zu sein."

Ich

dachte oft, manche werden daS voraussetzen, und eben deswegen — schon.

Ich beschwöre Dich,

mein Innres konnte durch alle die Lorbeerbäume

nicht um einen Zoll höher gehoben werden, als es vor den „Mumien " war.

Das fremde Urtheil

betrügt mich leichter durch unmäßigen Tadel als

durch unmäßiges Lob.

Ich habe eine Demuth

in mir, die Niemand erräth und die kein Sieg, sondern eine Nothwendigkeit ist, weil ich meinen

Fleiß, meine Heuristik re. von meinen Kräften

abzusondern weiß. Renata,

Gegen die K—s, gegen

gegen Dein HauS

war

ich

wie

immer; aber dann, wenn merkantilische, verach­ tende, geldachtende, egoistische ***er dazu kamen,

dann stand nicht mein intellektueller Mensch, den allein daS Publikum zu sehr lobe» kann, so«,

dern mein moralischer auf, der Fremde und ***er verglich,

und der eS noch dazu nie vergessen

*) Wenn die angeführten Stellen nicht wörtlich zu dem vorhergehenden Briefe passen, so liegt es daran, daß von demselben nur eine spätere, (obschon nicht we­ sentlich) veränderte Abschrift vorhanden. A, d. R'

10**

148 kann,

wie man mich sonst und immer behan­

delte, und wie man meine gequälte Mutter ver­

ließ.

Bedenke, daß der Trotz (einer, den ich in

der Armuth noch mehr hatte) nur gegen Trotzige

kam,

wenigstens

gegen

die

nie,

nie

gegen Dich und die Deinigen. „AbendS sucht' Er und ich ein Gespräch," und

weiter unten: „wir suchten peinlich nach Gesprä­ chen — schien sich herabzulassen — nahm politi­

schen Stoff, fragte nach Frieden und nahm mei­

nen."

Dieser Argwohn wäre mir fürchterlich ge­

wesen, wenn ich ihn errathen hätte, und ich wäre lieber stumm oder entfernt geblieben.

Bei Dir

fühle ich eben allemal jene phantasierende Freiheit zu sprechen — über Alles — und über Nichts: ich kann Dir nicht sagen, wie wohl, und wie ange­

strengt lebhaft — das schließet aber die Pein des Suchens and der Langweile aus — ich von Dir ging.

Ich armer Unschuldiger komme mir jetzt

bedaurenSwerth in meinem stillen Frohsein vor.

Nach Frieden fragt' ich, weil ungern und mit zu vielen Qualen ich Zeitungen laS, und weil Deine Meinung mir richtiger war, als meine —

und weil cs für meine Seele und für meine Zu,

149

rücknahme der Vergötterung der für mich kaum menschgewordenen Franzosen keine angelegentlichere Frag« gab. Die Politik oder die Geschichte wendct immer eine neue Seite vor, und ist reichhal­ tiger, als jede Materie. Unsre Schwarzenba­ cher Gespräche hatten den Reiz doppelter, ausge­ wechselter Novellen, auch den meiner achttägigen Entfernung. Du kannst leicht über meine, aber ich so wenig über Deine Werke reden. Dein politisches Urtheil, nicht meines, war immer das einzige, was ich glaubte. Auch dacht' ich nie, daß die Freundschaft unterhalten müßte, und Schweigen ist nur als Zeichen des Herzens zu meiden. Ich kann bei der Menge der Sachen kein Wort weder auf die Wage Deines Argwohns, noch der Sprache legen. „Meistens war's eine Bemerkung über das menschliche Gemüth re. und nun Deine Beschrei­ bung, wie Du vergeblich ihre Bestätigung in Deinen Erfahrungen suchtest re." Davon errieth ich nichts, sonst hatt' ich's nie gethan. Ich drang oft lebhaft auf Dein Ja, weil meines auch daran hing. Vom obigen Herablassen hat mein Herz wie mein Verstand keinen Sin», nie einen

150

Gedanken. Ach wie kann ich mir eine solche Vorstellung von mir — verstellen? Za wohl war die persönliche Trennung ein Glück, bei einem solchen ewigschneidenden und ungeheuer fortwachsenden Argwohn, oder doch, statt der Trennung, ein Brief, wie Deiner. „Wie die Wallfahrter nach dem gelobten Lande k." 0 welche harte Verdrehung des Er, gusses von Liebe nnd Pflicht! „Das Verbergen des Abschieds." Das be, greifst Du nicht? Ich weiß nicht, ob Du von der fürchterlich zerstörenden Empfindlichkeit, die die Anstrengungen der Phantasie zurücklassen, und von ihrer zweifachen Aeußerung genug weißt. WaS ich sehe nnd nicht denke, ertrag' ich kalt und wär'S ein Gestorbener. Wenn aber die Ge, stalt aus dem Auge in die Phantasie rückt, die die Schlüssel meine- Herzens hat: dann wird mir die Erweichung so zerreißend, daß ich mit Leichtsinn, statt alles Trostes, bloß suche, nicht daran zu denken. Ich müßte darüber Bögen schreiben. Früher liebt' ich hen Sturm de- Gefühls — weil er eben mehr ein Zephyr war — aber jetzt nicht niehr, weil er so viel

151

abbricht. Ich frage nach wenig in der Welt »»ehr viel, die ich ausgekostet, und also auch nach den» Schmer; weniger, als nach den körperlichen Folgen desselben: und doch ertrüg' ich jenen gern; denn ganz bitter ist er nie, sonder»» die Liebe darin »nacht ihn süß, aber ich versag' es mir, wenn er andern schadet. Ich erlaubte mir nie, nämlich in der später»» Zeit, diesen tragi­ schen Genuß bei C., früher that ich's bei andern, jetzt hat mich mein Titan ausgehölt, und jeden Abend wich ich ihren Rührungen scherzhaft aus, die ich sonst so gern vermehrte. So stieg an» letz­ te»» Sonntag oben bei Dir eine ganze Welt voll Thränen in mir auf, als ich Dich anschauete, und ich konnte daher Dich zuletzt nie n»ehr lange ansehen; ich sah an Deinen Mienen ähnliche Bewegungen, ich erstickte fle und ging lieber fort. Ich tadle jetzt sogar an Dir und an Deinen Freundinnen das, waS'Du mir sonst in Leipzig zu wenig zu haben schienst, nemlich den Sinn für einen freien Genuß des Lebens. Vo»» de»» alten Gesellschaften federte ich blos Nachsicht für die neue»» — »»eiter nichts; aber diese gaben mit die ***cr nicht immer.

152 „Er

glaubte

weil er alles erriethe!"

glaubte es nie, weil ich weiß,

Ich

daß ich wegen

meiner Phantasie anfangs gar nichts richtig sehe, und also das erstemal alle Dinge, Menschen, Gegendcn, Bücher, Musik, rc. zu gut finde. „Er hielt mich für eitel."

Ich fand diese

Eitelkeit nie gegen mich bei Dir, ich war mit allem

bei Dir zufrieden und dachte. Du seiest

es auch.

Ich denke bei Niemand, den ich liebe,

daran, noch Acht zu geben im Taumel der Liebe —

ich sehe nichts —

freue mich blos.

ich scheine nichts — ich

Wo ich Dich der Eitelkeit be,

schuldigte und Dir einen erkälteten Brief schrieb, war, da Du in Bayreuth wärest.

„Ach cS ist viel vergangen, und cs wird noch mehr vergehen."

Zeder Glockenschlag ist für mich

daS Leichcngeläute der sterbenden Empfindungen,

aber auch das Kindtaufglöckchcn der neuen.

Ach

die zwanzigjährigen Frcundschastgefühle, die zwan­

zigjährigen Entzückungen

der Liebe sind hinunter

und kommen an keinem irdischen Morgen wieder;

aber wie alte Sterne untergehen, so kommen neue

herauf.

Keine Empfindung bleibt dieselbe, aber

was über ihr geboren wird, ist schöner, und daS

153

neue Herz ist oft blo- unglücklicher, aber nicht kälter, als das alte. Darüber kann man nur ein Buch schreiben. Es ist nicht- «erblüht — der wachsende Sprößling wirst im Herbst seine Blätter ab und später einmal seine jungen Blü­ ten, aber endlich steht er doch erst im vollende­ ten : Der Mensch hat viele Frühlinge und keinen Winter. „Warum ich Dir so wenig zuletzt von mei­ nen fatis erzählte? —" Ach wie kindlich, un­ schuldig steh' ich hier vor mir! weil mir die ewige Wiederkehr meines Jch'S zuwider war, weil ich immer nur von meinen Briefen und von meinen Räuchermeistern zu sagen hatte — weil ich täg­ lich die individuellen Züge schlechter merke, und ich Dir ungern eine Geschichte gebe, die aussieht wie ein Abstraktum — weil ich der Sache immer gewohnter wurde — und am meisten, weil ich nicht dachte, daß Du cs erwartetest. Meine Briefe, und am meisten dieser, sind so, weil ich sonst von Satyren abgehetzt, mich über eine warme Stelle, im Sprachgittcr für mein Herz, freuete — weil ich sonst so viele Ausstattung a» einen Brief, z. B. für den Pfarrer Vogel

154

wandte, als jetzt an ei« Buch — weil mich das ewige Arbeiten, Fühlen und Anstrengcn zerrüttet — weil das eine zerstörende Lage ist, die Du gar nicht kennst, da Du mehr in literarischen Genüs­ sen lebst alS ich — weil ich soviel zu erzählen habe, daß ich nicht kurz genug sein kann, die Menge der Briefe noch abgerechnet. Eine Anmerkung, die Du über eine blos scherzhafte in meinem letzten Briefe machst, kann ich Dir nicht beantworten, sondern blos vergeben. Dein Feh­ ler ist ein immerwährendes Beobachten und ein — obwohl scharfsinniges — Addiren kleiner Wahr­ scheinlichkeiten und Zufälligkeiten, daS Dich ewig bei Menschen, die ihren eignen Schein nicht ab­ wägen, irre führen muß, und noch fahr' ich in meiner sorglosen Freiheit der arglosen Seele fort. Ich errieth wohl in Dir ein Resultat Deiner Schlußkette, aber nicht diese, und suchte die Schuld in meinen anderen Fehlern. D. 29. Mevüt.

Ich laS Deinen und diesen Brief wieder — der meinige befriedigt mich nicht; in Deinem sind viele treffende Bemerkungen und eine Liebe, die ul» nie vergesse, der Fehler, den Du

155 Nämlich auf Dich allein

grade mir vorwirfst.

hat mein neues Verhältniß mit dem Publikum

gewirkt.

Auch hätten wir Beide keine Irrthü-

mcr begangen, härt' ich Dich niemals gefunden, als

unter

geliebtesten Deinigen. —

den

will noch einiges nachholen. —

Ich

Bei Gott, nie

mengt' ich Dich unter die Andern; meist Gefühl

für Dich

ist

einjig

schen weiter an.

und

gehört keinem Men­

Oft wenn ich mich nach meinen

***ct Freundinnen unter der Musik sehne: so

kommen sie alle auf einmal — in *** immer nur Eine, gerade die, die an der Regierung war, wiewohl zuletzt auch nicht so — und ich muß sie

mit einem sonderbaren Gefühl immer auf einmal anschauen und liebhaben.

allein

vor

mein Herz,

Du aber trittst ganz und

mir ist

wie im

neulichen Traume, wo mich Renata ganz ver­

altet und Deinen jüngeren Bruder zum kranken Albrecht mit geschwollenen Lippen führte und

endlich Du kämest, und ich vor Freude laut wei­ nend an Dich fiel, aufwachte und fortfuhr.

Nur iin Bedürfniß soll ich schreiben? Zch habe immer eines, aber keine Zeit, und wenn

jenes am stärksten ist,

schreib' ich lieber nicht.

136

sondern phantasiere auf dein Klavier, denn das Schreiben mehrt die Sehnsucht, aber dieses drückt sie stillend aus. „Verblühte Gefühle?" Ach jedes Jahr wuchs und veredelte sich meine Liebe zu Dir, trotz des neuen Fehlers, den ich fand, und ich wollte Du wärest auch so glücklich gewesen. Und wenn der Frühling mich wieder in den blühenden Zirkel Eurer Liebe stellt, so werden wir beide — zumal da die alten störenden Verhältnisse in lauter wohl­ wollende übergegangen sind — zwar keine vorige Freude und Liebe wieder finden, aber eine — hö­ here, größere, himmlische. Ach ich gebe gern die Vergangenheit für diese Zukunft hin. Gleichwohl hast Du einiges Recht, und ich fehle oft, ohne es zu wissen. Auch liegen andere Gründe Deines Mißverständnisses in mir: ich habe mehr Fehler als Du weißt. Bisher hab' ich Dir nur eine negative Widerlegung, Zugabe und Ant­ wort geliefert, aber zur positiven gehört wieder ein Buch. Wie sonderbar mein innerer Mensch seit einem Jahre ist, erräthst Du nicht. Es sei genug! und hier geb' ich Dir wieder meine Hand und sage: vergieb mir, denn ich habe Dir nichts

157

zu vergeben. Vergiß Deine Schmerzen und bleibe bei mir, eroig, wie ich bei Dir. Neuigkeiten wollt' ich Dir viel schreiben, aber nun ist keine Zeit mehr dazu. Man hat für litcrarische Muse hier soviel Achtung, daß ich weni­ ger gestört werde, als in ***. Von vielen Leu­ ten werd' ich Dir einmal schreiben. Ich war bei Plattner — bin in einer Familie, wo eine vollendet gebildete Frau, das sonderbarste Ebenbild Deiner Mutter in Physiouomie und Gestalt, und zwei schöne ungewöhnliche Töchter sind. Wo ich einen Prof. Herrmann, vl. Klodius, Plattners Tochter und viele ausgezeich­ nete junge Leute finde. Melzer ist auch hier. Fr. v. B. kommt in 14 Tagen. Für 1 Thlr. Lesegeld vierteljährig ließt Du, soviel Du willst; 2000 Bücher sind gewöhnlich außer dem Haus. Zwei Gulden rhnl. sollst Du für mich auszahlen, d. h. für den alten Zeugmacher Herrmann; die Leinwand, Schreibtafel. Ich bitte Dich herz­ lich, schreibe jedes Porto, nicht blos das, von 40 Kreuzern, sondern auch Groschen auf. Mit 80 oder 90 L'd'or denk' ich hier jährlich zu reichen. Zu Ostern kommen zwei Bändchen von mir,

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satyrische Palingenesien (der allgemeine Titel der Sammlung); der besondere dieser zwei Bändchen ist: Jean Paul'- Fata und Werke vor und in Nürnberg. Don den Teufelspapieren kommen kaum sechs umgearbeitete verstreute Bogen darin vor. Ich kenne nun Nürnberg wie ***, und habe eine Stadtkarte davon, denn hier kann ich alle Hülfmittel, wenn ich etwas schreibe, um mich legen. Dein Rath anE. ist völlig gut; — Wied­ mann gehört nichts. — Ich habe Dir noch hun­ dert Dinge zu antworten und tausend zu berichten. Ich bin ununterbrochen und ungewöhnlich g e su n d und arbeitsam zugleich. Richter.

Otto an Jean Paul. Mittwoch,

den 6. Dezl'r. 1797.

Mein Richter! Ach wußte es wohl im Voraus, daß Du den Sieg haben würdest; aber ich schrieb deswegen. Habe Dank. Einiges mißverstandest Du, weil ich es undeutlich sagte, das will ich berichtigen.

159 „Warum mich die

«nachten,

politischen Fragen

irre

herablassend (nicht für Dein Bewußt­

sein, sondern nur für mein krankeS Gefühl) er­ schienen?"

Hier war die nämliche Ursache, die

Dich an Erzählung Deiner Fata hinderte, Dich die Wiederkehr Deines Ich- ekelte.

wo Weil

sie mich mehr als andere interessirtcn, weil ich im# in« einen fortgehenden Gesichtpunkt behielt und

ein Urtheil, das auf den Zweck desselben bezogen

war, in mir motivirt lag, aber nicht zuließ, daß ich eS immer entwickeln konnte, und wenn ich es also sagte, bloS als mein Urtheil Vorbringen, also

mein Ich zu sehr inS Spiel kommen und mein vielleicht zu großes Interesse statt aller,

oft im

Augenblick nur gefühlter und nicht einzeln gegen­ wärtiger Gründe, gültig werden mußte. Ich dachte nicht, daß Du Dich wissentlich zu

mir herablassen müßtest,

es drang sich mir nur

nach und nach das Gefühl davon als eine un­

vermeidliche Folge Deiner höher»

und

meiner

niedern Natur auf. — ES war auch vormalS nicht blos der Reiz der Neuheit, der mitgetheilten

Nouvellen, der achttägigen Entfernung, was un­ sern Umgang verschön«te. ■— Zuletzt sah ich Dich

160 auch fast nie mehr allein; ich sehnte mich oft mit Dir unter vier Augen zu sein,

immer drängte

sich eine dritte Person ein und mich störte oft

jede drille, und dann schwieg ich lieber über Alles.

Wenn ich über eine Deiner Bemerkungen,

die mich ergriff,

eine Bestätigung in meiner Er­

fahrung suchte, so war es nicht für mich, nicht im

Ganzen vergeblich, sondern nur für den Augenblick,

weil die Langsamkeit meines mit der Schnelligkeit Deine- Geistes zu sehr abstach.

Die Stelle: „Wie die Wallfahrter nach dem

gelobten Lande" gehörte nicht hin; ich hatte nur zu weit geschrieben.

Es kann der Vergleich un­

passend sein, aber sie ist keine Verdrehung, sondern

die freudigste

und

dankbarste Anerkennung

des

Ergusses Deiner Liebe, die Du für Pflicht erklärst und ein Denkmal derselben für die Zukunft. Dn

scheinst mir zu empfindlich gegen die ***er zu sein.

Du verdienst eine andere Achtung als ihre

und sie verdienen Deine«» Unwillen nicht — da­

rum verlangte ich allzeit mehr. Ich hätte Alles mit Stillschweigen übergehen

können und sollen außer diesen» Punkt. mir hier Recht, überall sonst hast Du es.

Gieb

161

Zch nehme nun Deine Hand, die Du mir von Neuem giebst, und beruhigter an, und werde fi« ruhiger und fester halten, wenn Du mir mehr sagst von dem neuen Fehler, den Du fandst. Kein Wort ist vergebens und Du mutzt reden; schweigen kannst Du, wenn Du da- Reden für ganz frucht« los hältst. Gegen alle meine Umgebung halte ich mich nur durch da- Andenken an Dich fest und durch Deine Liebe, und beide- sind auch die stärk« sten Bund-genossen gegen meine Fehler. Zeige mir den neuen, ich werde ihn leider wohl al- einen alten erkennen müssen r aber zeige mir ihn doch, damit mir die Betrübniß auch Muth und Stärke gebe, ihn zu bekämpfen und zu überwinden. Nun lebe wohl, mein Richter, habe Dank für Deinen Brief. Lieb« mich; sage mir- manchmal; habe Geduld mit mir, künftig wie sonst. Lebe wohl.

O.

N. S. Dein Brief, auf den ich so sehr harrte, lag von Sonnabend bi- Montag mit und in dem Bücher« pack im Hause, ohne daß ich e- wußte und er mir n. ii

162

gebracht wurde; sonst hätte ich Dir schon am Sonntag geschrieben.

Hat B e y g a n g die Berliner Monatschrift von 92 oder 93 nicht? Dein Bruder, von dem Du mir doch manchmal ein Wort sagen solltest, könnte mit einen Gefallen thun. Im Juni oder Juli 92 oder 93 ist eine Reiscbeschreibung Stäub, linS, worin etlvas von den Brüdern Drücken, bauern (fratres pontificatores) vorkommt. Als ich es las, zeichnete ich mir eS nicht auf und jetzt brauche ich eS genau und mit der Iahrszahl. ES ist dies eine Gesellschaft deS Mittelalters, die nicht blos in Schottland war, sondern (wie schon we, gen der christlichen und also auch sittlichen Misiio, nen auS diesem Land ins übrige Europa zu ver, mnthen ist) sich auch über diese- ausbreitete und z. B. in Frankreich die Brücken über die Rhone bauete. Am liebsten wäre mir das ganze Stück der Derl. Monalschrift. —

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Jean Paul an Otto. Leipzig, den 19. Dezb». 1797.

Lieber Otto! Ach will in meinen Düschingschen wöchentlichen

Nachrichten forlfahren, ob Du gleich wie ein Zei­ tungschreiber — der solltest Du öfter von *** sein, da mich alle Winzigkeiten freuen würden — sehr ost h. Feiertage hast. Deinen mir so willkommenen Dries beantwort' ich zuletzt. — Schreib mir doch einmal von unserm geliebten Bruder Albrecht — von seinen Prozessen und Siegen. Frege und mehre haben die Nachricht, daß die Franzosen dem König F. Wilhelm dem III. Hamburg, Lübeck, Bremen gegen seine Rheinländer angeboren, was er stolz ausschlug: mir gefällt sein stiller Anfang. „Jetzt ist's wie­ der wie unter dem Fritz," sagen die Berliner. Bei der Lichtenau fand man 300,000 Pfund Sterl. in Banknoten, 800,000 Thlr. in Briefen, G6,ooo in Cassa, für 3oo,ooo Rthlr. Juwelen, 51 Centn, verarbeitetes Silber. Ein von Wien gesandter, scheinbar verstoßener Kammerherr, der

164

mit