Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Oktober bis Dezember 1883 [49]


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German Pages 356 Year 1883

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Table of contents :
Front Cover
Ueber den Frontalkampf der Infanterie Vortrag, gehalten
Algerien und Tunesien Von A Janke, Hauptmann (Schlufs)
Die Kriege der Vendée gegen die erste französiche Republik
Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten
Grundsätze für die Feuerleitung einer gröfseren Anzahl
Aus ausländischen Militär-Zeitschriften
Umschau in der Militär-Litteratur
Die russische Kavallerie in Sein und Schein von H
Noch ein Beitrag zur elementaren Erklärung der Derivation
Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten
Militärische Charakterköpfe aus dem amerikanischen Bürger-
Italiens westliche Verteidigungsfront und heutiges Befestigungs-
Ein Stück kurhannöverscher Kabinetsjustiz aus der Zeit
Umschau in der Militär-Litteratur
Zur Frage der Bewaffnung und Ausbildung der Kasaken Nach
Die Verwendung des Elephanten zu kriegerischen Zwecken im
Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten
Zur Beurteilung des Kriegsjahres 1762 in Schlesien
Frankreich
Italiens westliche Verteidigungsfront und heutiges Befestigungs-
Blume's ,,Strategie"
Umschau in der Militär-Litteratur
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Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Oktober bis Dezember 1883 [49]

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Jahrbücher

für die

deutsche

Armee

und

Marine.

Verantwortlich redigiert

von

G.

von

MARÉES

Oberstlieutenant z . D.

Neunundvierzigster

Band .

October bis December 1883.

BERLIN. RICHARD WILHELMI.

. 2

1883.

Inhalts - Verzeichnis .

Seite I.

II. III.

IV. V.

IX.

X. XI.

XII. XIII. XIV.

1 30

45 Major z. D. (Schlufs) . Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten 63 Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760 . (Fortsetzung) Grundsätze für die Feuerleitung einer gröfseren Anzahl von 79 Geschützen in Forts, Anschlufs- und Zwischenbatterien 100 Aus ausländischen Militär-Zeitschriften 108 Umschau in der Militär-Litteratur Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröfseren in den militärischen Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen 112 Aufsätze. (III . Quartal 1883) Die russische Kavallerie in Sein und Schein . von H. von

Ë ཎྜ ©

VI. VII. VIII.

Ueber den Frontalkampf der Infanterie. Vortrag, gehalten von Oberst von Scherff . . Algerien und Tunesien. Von A. Janke, Hauptmann. (Schlufs) Die Kriege der Vendée gegen die erste französiche Republik 1793-1796 . Eine militär-historische Skizze von A. v. Crousaz ,

Dewall, Rittmeister à la suite des altmärkischen Ulanen-Regiments No. 16, Lehrer an der Kriegsschule zu Potsdam . . . 127 Noch ein Beitrag zur elementaren Erklärung der Derivation der Spitzgeschofse . Von Spohr, Oberstlieutenant z . D. . . . 150 Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten Friedrich des Grofsen im Jahre 1761. (Fortsetzung zu No. IV. des Octoberheftes) 160 Militärische Charakterköpfe aus dem amerikanischen Bürgerkriege. Von Mangold, Major z. D. . . Italiens westliche Verteidigungsfront und heutiges Befestigungssystem. Von C. Winterberg. (Fortsetzung) . Ein Stück kurhannöverscher Kabinetsjustiz aus der Zeit der französischen Revolution . .

P

CA

(RE

)

496249

173 195

209

XV. XVI.

XVII. XVIII . XIX. XX. XXI.

XXII. XXIII.

Seite 225 Umschau in der Militär-Litteratur Zur Frage der Bewaffnung und Ausbildung der Kasaken. Nach russischen Quellen bearbeitet von Trost, Premier-Lieutenant 237 im Infanterie-Regiment No. 71 Die Verwendung des Elephanten zu kriegerischen Zwecken im 257 Altertume. Von Ohlendorf, Major z. D. Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten 283 Friedrich des Grofsen im Jahre 1762 • 294 Zur Beurteilung des Kriegsjahres 1762 in Schlesien Der Gesetzentwurf zur Organisation einer Kolonial -Armee in 310 Frankreich . . . Italiens westliche Verteidigungsfront und heutiges Befestigungs324 system. Von C. Winterberg. ( Schlufs) 337 Blume's ,,Strategie" 346 Umschau in der Militär-Litteratur

I.

Über den Frontalkampf der Infanterie. Vortrag, gehalten vom Oberst von Scherff.

Von allen Erfahrungslehren , welche die kriegerischen Ereignisse der letzten Decennien gezeitigt haben, ist wohl keine so allseitig zugestanden worden, als der die Infanterietaktik betreffende Satz: dafs die

Frontalfeuerkraft des mit Hinterladern bewaffneten Fufs-

volkes sich gegen früher in einer Weise gesteigert hat, welche es nicht mehr gestattet , mit den althergebrachten Mitteln und Verfahrungsweisen dagegen aufzukommen ! Es wäre unnötige Mühe, die Wahrheit dieses Ausspruches hier noch beweisen

zu

wollen ,

welche

selbst türkischem Ungeschick

gegenüber die oft geradezu heroische Bravour rufsischer Bataillone nicht umzustofsen vermocht hat, und welche auch unsere eigenen Erfolge von 1870/71 nicht Lüge zu strafen vermögen , weil wir dieselben, französischen Fehlern gegenüber, bei trotzdem oft kolossalsten Verlusten, doch auch nie andern , als jenen » alten « Mitteln verdankt haben ! So sehen wir denn auch, dafs überall Theorie und Praxis mit mehr oder weniger guter Miene in diese Thatsache sich finden und mit mehr oder weniger Erfolg sich in dieselbe zu schicken suchen! Von zweierlei Art sind im grofsen Ganzen die Wege, welche die modernen Taktiker aller Armeen gewandelt sind !

bis jetzt in dieser Absicht

Die Einen erblicken das erstrebte Gegenmittel in einer Veränderung der Kampfformen , die Andern suchen das notwendige Remedium in einer Modifikation der Gefechtsweise der Infanterie ! Die Einen fordern reglementarische Bestimmungen , welche auch einer Durchschnitts intelligenz und der grofsen Masse einen gewissen formalen Anhalt zu geben im Stande wären ; die Anderen finden den einzigen Ausweg in den freien Anordnungen des Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. XLIX., 1. 1

2

Über den Frontalkampf der Infanterie.

Moments , welche , nur durch allgemeine Gesichtspunkte angeleitet, der höheren Intelligenz zu um so einflussreicherer Geltung verhelfen sollen! Es wird notwendig sein , um diese Zweiseitigkeit der bezüglichen Bestrebungen verständlicher zu machen, zunächst einen kurzen Blick auf den eben angedeuteten Gegensatz von » Kampfformen « und >> Gefechtsweise « oder kurzweg von - Kampf und Gefecht zu werfen ! Im taktischen Ringen gegnerischer Streitkräfte kommt es bekanntlich doch immer nur einfach darauf an : den Feind von einem Fleck Erde zu vertreiben , auf welchem er sich festgesetzt hat ,

oder aber

sich

selbst an einem Orte zu behaupten ,

von

welchem der Gegner uns zu verdrängen sucht! Die Durchführung dieser immer wiederkehrenden Tendenz im >> Entweder - Oder« von Offensive und Defensive an gegebener Stelle , zu gegebener Zeit , mit gegebener Kraft stellt uns den Kampf im eigentlichen Wortsinne dar ! Mit dem Hinzutritt einer Wahl , eines freien motivierten Entschlusses darüber : ob ich hier oder dort ; jetzt oder zu einer anderen Zeit, mit mehr oder weniger Aufwand der vorhandenen Kräfte , solchen Kampf offensiv oder defensiv durchzuführen oder nur zeitweilig hinzuhalten gedenke ,

erweitert sich der Begriff der statt-

zufindenden Kraftabmessung zu der Erscheinung eines Gefechtes ! Im Kampf sind es wesentlich, wenn auch nicht ausschliefslich , die physischen und moralischen Eigenschaften der Truppe , im Gefecht

wesentlich ,

intellektuellen

wenn auch abermals nicht ausschliefslich ,

Kräfte des

obersten

Führers ,

welche

für

die den

Erfolg oder Nichterfolg der Unternehmung von hervorragender Bedeutung sind ! Da in der Praxis die eine nicht ohne die andere Thätigkeit wirksam werden kann, so erklärt es sich leicht, dafs Kampf und Gefecht so häufig als Synonyme behandelt werden . Jene kurze Charakteristik der beiden Begriffe wird aber doch für jetzt ausreichen, eine Unterscheidung zwischen denselben festhalten zu lassen, wenn ich den Ausdruck » Kampf und Gefecht « , » Kampf- und Gehier ferner in einer Gegensätzlichkeit anwenden fechtstaktiker werde, welche der Sprachgebrauch nicht immer festhält ! Ein Beispiel , welches uns gleichzeitig auf mein eigentliches Thema zurückführen soll , kann vielleicht dazu dienen , jene Verschiedenheit noch anschaulicher zu machen . Die Spitzen der Marschkolonne einer Division stofsen auf den

Über den Frontalkampf der Infanterie.

3

Feind , den sie in einer, nach allen Regeln der Kunst gewählten und besetzten Stellung finden. Mit

Geschick

aufklärend ,

haben

sie

festgestellt ,

dafs

der

gegnerische rechte Flügel sich an das Dorf X. anlehnt , der linke nicht über die Höhe Y. hinausreicht , dafs die Punkte a, b, c der Front

anscheinend

besonders

stark besetzt sind ;

sie haben die

Gesamtkraft der Gegner so und so hoch geschätzt u. s. f.; und das Alles

eine mustergültige Divisionskavallerie - dem mit seiner

Avantgarde herankommenden Divisionskommandeur schon auf fast eine Meile entgegengemeldet ! Die nunmehr zu fassenden Entschlüsse des Generals : zum

Angriff

nehmen will ?

weiter

vorgehen ,

oder

selbst

eine

ob er

Gegenstellung

wo dementsprechend der Aufmarsch der Division aus

der Marschkolonne zu erfolgen hat ? welchen Punkt der feindlichen Stellung er als Hauptobjekt seines etwa beschlossenen Angriffes wählen will ? mit welchen Kräften dieser Hauptstofs geführt, mit welchen der Rest der feindlichen Stellung demonstrativ beschäftigt werden soll ? leitung ?

welche Vorkehrungen in diesem Sinne für die Ein-

welche vorläufigen Bewegungen für die Durchführung?

welche Zurückstellungen an Reserve für Ausnützung der Aktion oder gegen einen Rückschlag anzuordnen sind u . s . f. ? - das Alles bildet den Gegenstand einer gefechtsgerechten Überlegung des obersten Führers, deren Resultate in der Gefechtsdisposition zum Ausdruck kommen! Für den Brigadekommandeur aber, der nach dieser Disposition , z. B. mit fünf Bataillonen gegen die feindliche rechte Flanke dirigiert, den entscheidenden Stofs gegen das Dorf X. zu führen bestimmt ist, gilt es : nach Ankunft auf seinem Gefechtsflecke, dem gegebenen Objekt gegenüber, nun seine Truppe in kampfgerechter Weise zu gliedern und zu entwickeln - und dann sie gradaus! frontal! gegen das Dorf und seine nächste Umgebung zum Angriffe vorzuführen ; indefs z. B. andere Bataillone der Division in anderer Kampfgliederung vorläufig einen gleichfalls nur frontalen Scheinkampf zu bestehen , noch andere in Reserve das Weitere abzuwarten haben !

Der Divisionskommandeur hat nach richtigen und Gefechtsgrundsätzen

seinen

Entscheidungsstofs ,

wichtigen

soweit

es

ihm

möglich und ratsam erschien , gegen die feindliche Flanke angesetzt und demselben die dazu für nötig erachteten Kräfte zugeteilt. Keine Infanterie der Welt ist aber heutzutage noch so ungeschickt ,

dafs

sie einer solchen Umfassung nicht alsbald eine ge1*

Über den Frontalkampf der Infanterie.

4

wisse neue Front entgegenzustellen vermöchte, und jeder Flankenangriff muss darum doch immer wieder in der Praxis letztinstanzlich zu einem Frontalkampfe sich gestalten . Mindestens in Bezug auf kampfgerechte Durchführung einer Aktion ist es ein allzu oft wiederkehrender Trugschlufs : Frontalund Flankenangriff als Gegensätze behandeln zu wollen ! Die Kriegsgeschichte lehrt uns in Massenbeispielen von Mifserfolgen, wohin man gelangt, wenn nun jener Brigadekommandeur der neuen feindlichen Front gegenüber seinerseits wieder auf die gefechtsgerechten Mittel abermaliger Flankierung und abermaliger Aussonderung von Reserven (keineswegs ein so seltener Fall in der Praxis ! ) zurückgreift ; wenn dann der z. B. mit zwei Bataillonen gegen die

neue

Flanke dirigierte Regimentskommandeur wieder

diesem Beispiele folgt, dem weiterhin der Bataillonskommandeur, der Compagniechef, der » intelligente « Zugführer nacheifern zu müssen glauben. Jedes Lehrbuch der Taktik kennt das erfolgreiche Gegenmittel des »retour offensif« , da , wo die Umfassungsmanie, ihre gefechtsgerechten Grenzen überschreitend , sich ins Unendliche verliert und den Frontalkampf vernach dem unerreichbaren Ziele strebt — meiden zu wollen. Damit stehen wir an der entscheidenden Ecke der einen der beiden

oben

erwähnten

Wege , auf welchen Abhülfe

gegen die

gesteigerte Feuerfrontalkraft der Infanterie gefunden werden soll ! So

vielverheifsend

auch der Rat derjenigen

klingt ,

welche

dieser Verderben drohenden Wirkung gegenüber auf die Flanken -- >>und immer wieder auf die Flanken ! « - verweisen : einmal kommt doch der Moment, einmal mufs er kommen, wo auch dieses Gefechtsmittel nicht mehr verfängt, wo der Kampf seine frontale Farbe bekennen, seinen frontalen Weg gehen mufs, den er dann aber nur auf seine eigene Weise zu gehen vermag!

Freilich ist ja wohl bei solch' grundsätzlicher Empfehlung von Flankenangriffen

stets eine gleichzeitige Aktion gegen die feindliche Front , als Grundbedingung des Erfolges , vorausgesetzt, und

jener Ratschlag soll wohl nur dahin zu verstehen sein, dafs während ein Teil der Offensivtruppe den Gegner beschiefst, >>ihn unter Feuer nimmt«< , der andere Teil vorwärts zu gehen habe , wobei es dann für den Begriff » Flankenangriff« in dieser Form gleichgültig wäre, ob das Schiefsen oder das Avancieren aus der Richtung der ursprünglichen Flanke des Gegners her erfolgt. Es ist unstreitig einzugestehen, dafs wo man so verfahren kann ,

5

Über den Frontalkampf der Infanterie.

dem frontalen Vorgehen eine sehr grofse Hülfe geboten wird , und dafs man deshalb so verfahren mufs , wo nur immer es angängig erscheint. Halten

wir uns aber an den oben aufgestellten Unterschied

zwischen Kampf und Gefecht, so ist offenbar solche Veranlagung der Aktion doch wieder lediglich nur eine Gefechtsfrage und dem vorgehenden Teil bleibt trotzdem der Kampf aus der Front nicht erspart. Es wird doch Niemand behaupten wollen ,

dafs bei solchem

Verfahren der avancierende Teil vom Gegner gar nicht beschossen werden könne, weil des Letzteren ganze Kraft und Aufmerksamkeit von dem beschiefsenden Teil in Anspruch genommen sei ? Aber auch die Fälle, wo solche Mafsnahmen die frontale Feuerkraft der Defensive gegen die stürmende Offensive selbst nur in nennenswerter Weise abzuschwächen vermögen , werden sich auf die minimalsten Verhältnisse beschränken. Es kann nicht geleugnet werden, dafs, wenn es einer Compagnie , welche ein bestimmtes kleines Objekt wegnehmen soll , gelingt , einen Zug dem Feinde in die Flanke zu schieben und während des Angriffes der beiden anderen im Feuer liegen zu lassen, das Vorgehen dieser beiden wesentlich erleichtert ist. Es soll nicht in Abrede gestellt werden , daſs, wenn ein Bataillon eine Compagnie frontal seinem Angriffspunkt gegenüber zum Massenfeuer einsetzt , der Sturm der drei anderen, von der Flanke her , wesentlich leichteres Spiel hat. Schon beim Regiment und der Brigade aber wird

von den

umfassenden und von den frontal vorgehenden Bataillonen jeder Teil seinen eigenen , vom Nachbarkampfe fast gänzlich unberührten Gegner selbstständig, frontal , zu bestehen haben, und je mehr die Verhältnisse anwachsen, desto mehr schrumpft der Feuerkraft des Gegners gegenüber -―― und nur um sie handelt es sich hier! solche Unterstützung auf Gegenseitigkeit , schon der Entfernungen wegen, auf den Nullpunkt zusammen ! Die auf diesem Wege erstrebte Entlastung des Angriffs kann sich wohl in Bezug auf die

absolute

numerische Stärke des

frontal zu bekämpfenden Feindes, nicht aber in Bezug auf die Intensivität des Frontalfeuers der thatsächlich gegenüberstehenden Abteilung geltend machen , hat aber in diesem Sinne nichts mit der in Thema liegenden Frage zu thun , welche ja zunächst

durch die

gegenseitigen Stärke verhältnisse gar nicht berührt erscheint. So

hat

der Flankenangriff der Sachsen auf Roncourt den

Über den Frontalkampf der Infanterie.

6

Frontalangriff der

Garden auf St. Privat in Rücksicht auf die

französische

Feuerentfaltungsfähigkeit , ebenso wenig , wie dieser entlastet « , und die Wirkung jener Kombination hat sich .

jenen

wahrlich nicht in verminderten Verlusten der hier, wie dort, frontal sondern auf einem ganz anderen Gebiete

vorgehenden Offensive ,

geltend gemacht. So hilft denn kein Krümmen und kein Winden , keine Logik und keine Sophistik über das Endwort aller kriegerischen Kraftabmessung fort : gradaus drauf! ― oder es wird überhaupt nichts aus der Sache! Hätten die Stimmen Recht, welche schon jetzt behaupten, der Frontalangriff ist heutzutage schlechthin unmöglich , so wäre ein gut Stück Weges zum ewigen Frieden zurückgelegt, und es könnte viel Geld ,

viel Schweifs und viel Kopfzerbrechen gespart werden ,

die jetzt noch der Frage nach der Art der Durchführung , nach der Form eines solchen Kampfes geopfert werden müssen . Das Alles beweist und soll nichts gegen die Nützlichkeit eines Flankenangriffes an sich beweisen .

Es ist schon oben gesagt , daſs,

wo er Platz greifen kann , es schlechthin Pflicht des disponierenden Führers ist , seiner Truppe diese Siegeschance nicht entgehen zu lassen ; mit der gesteigerten Frontalfeuerkraft der modernen Infanterie hat aber trotzdem jener Grundsatz direkt nichts zu thun, dessen auf einem ganz anderen Felde liegenden Wert die Kriegsmänner aus der Zeit der Luntenflinten schon von den Römern erlernt hatten. So

bleibt

der Flankenangriff

zwar stets

ein hochwichtiger

Hülfsfaktor für den offensiven Erfolg ; nach zwei Seiten hin aber möchte ich mich hier in Bezug auf unser Thema gegen die Universalität verwahren , welche man ihm so oft beizulegen liebt, und hier die Doppelbehauptung aufstellen : 1) der Flankenangriff ist kein Ausweg, um den Frontalangriff ein für allemal zu vermeiden, geschweige zu ersetzen ; und 2 ) die Durchführung eines reinen Frontalangriffes darf auch heutzutage nicht für eine Unmöglichkeit erklärt werden. Mit diesem Ausspruche oben erwähnten Wege.

betreten wir den zweiten der beiden

Sicherlich schulden wir denen , welche uns mit beredtem Munde und

gewandter Feder

auf

die

gefechtsgerechte

Bedeutung

der

Flankenwirkung hinweisen zu müssen geglaubt haben , groſsen Dank ; sicherlich haben sie sich um die Zukunft wohl verdient gemacht, denn aus ihrer Lehre ergiebt sich gar manche andere Folgerung,

7

Über den Frontalkampf der Infanterie.

deren Wert -

wie z. B. der eines vorherigen Aufmarsches zum

Gefecht, statt eines bataillonsweisen Einzelablaufes aus der Marschkolonne in den Kampf u. dgl. m. - vielleicht nicht immer genügend gewürdigt war. Der Kern unserer Frage aber

wird durch diese Lehre nur

gestreift, nicht blosgelegt ; und so kann ich denn andererseits auch nicht die Berechtigung jenes Achselzuckens einräumen , mit welchem denjenigen so oft entgegengetreten wird , welche den Ausweg in einer Modifikation der Kampfformen suchen zu müssen vermeinen . Ich schicke voraus , dafs auch ich in solchen Formen allein das Palladium nicht gefunden

ich darf wohl für diejenigen, die

meine früheren Arbeiten kennen, hinzufügen : - gesucht habe!

darin allein auch nie

Nun kann aber füglich nicht gut verkannt werden , dafs der Einsatz einer gröfseren Anzahl Menschen in eine Aktion , sich immer in einer gewissen, d. h. in einer bestimmt gewollten und dafür vorgesehenen Form vollzieht und vollziehen muſs, wenn man von der Gesamthandlung

mehr

als von der Summe der disparaten

Einzelhandlungen zu erwarten berechtigt sein will , und dafs folglich diese Form von der Gesamtheit der zusammen agierenden Einzelstreiter vorher gekannt sein mufs ,

sich

nicht erst im

letzten Moment improvisieren läfst ! Diese bestimmte ist

die reglementarische Form; und auf

dem Reglement fufsten und fufsen

das

Friederizianische Linien-

avancieren und die Napoleonische Sturmkolonne, so gut, wie unser heutiger Schützenanlauf, als auf dem der jeweiligen Erfahrung angepassten >> historischen Niederschlag« (wie General v. Peucker sagt) der taktischen Einsicht ihrer Zeit. Noch hat aber auch kein Gefechtstaktiker, wie ich jetzt wohl, ohne mifsverstanden zu werden, kurz sagen darf, auf einem wie vorgeschrittenen Standpunkte freier Anordnungen er auch stehen mag , für die einfache Abschaffung des Reglements und seine Ersetzung durch allgemeine Gefechtsgrundsätze einzutreten gewagt! So bleibt das Reglement und mit dem Reglement bleiben die Formen , von denen man dann aber wohl berechtigt ist, zu sagen : dafs es für den Kampf gegenüber der gesteigerten Feuerkraft der Infanterie praktischere und unpraktischere giebt ! Schon die A. C. O. vom 19. März 1873 hatte dem Ausdruck gegeben, als sie die frühere Normalkampfform der Infanterie » Angriffs-

Über den Frontalkampf der Infanterie.

8

kolonne mit Schützen in der Intervalle « , für die in erster Linie auftretenden Bataillone so gut wie beseitigte. Denjenigen, welche durch die Erfahrungen der letzten Kriege auf den Weg von Formveränderungen für den Infanteriekampf geführt worden sind, kann man daher doch wohl nicht so allgemein hier den Vorwurf machen, dafs sie » die Form durch die Form zu ersetzen> wilden

Horden Nicht mit dem Schwerte , sondern mit dem Bohrer sollten wir Afrika erobern. < Die Auch mit der Wiederbewaldung hat man begonnen. Wälder hatten durch Verwüstungen während des Mittelalters und auch in neuerer Zeit während der vielen Feldzüge sehr gelitten. Die Eingeborenen brennen sie selbst Ende des Sommers nieder , um Dieser Unsitte wird in Frühling Weideland zu bekommen .

im

neuester Zeit ernstlich gesteuert.

Trotz dieser Verwüstungen ist

Algerien heute noch reich an Wäldern , man schätzt die ganze Waldfläche auf 2,360,747 ha, also beinahe so viel als im Königreich Bayern. Die immer grüne Eiche, die atlantische Ceder, eine schon bei den Römern sehr gesuchte Conifere, Korkeiche, wilder Ölbaum, Eschen , Pistazien , Ahorn , Kastanien , Johannisbrotbaum bilden den Wegen der fehlenden Kommunikations- Mittel Hauptbestandteil . wird bis jetzt

noch Bauholz aus Schweden und Österreich

ein-

geführt. Für

Verbesserung

der

Kommunikationen

ist

sonst viel

ge-

schehen ; die Anlage der Strafsen ist ein Hauptverdienst der Armee. Eine Eisenbahn verbindet seit längerer Zeit Oran mit Algier , von letzterem bis Setif fehlt sie noch , dagegen steht Setif mit Constantine, Philippeville und Bona durch Eisenbahnlinien in Verbindung, welche ihre Fortsetzung bis zur tunesischen Grenzstation Ghardimaou und nach Tebessa erhalten soll. Aufser verschiedenen kleinen Zweiglinien nach Arzeu, Saida, Sidi bel Abbes ist auch eine Verbindung des letzteren über Tlemsen mit der marokkanischen Grenze und von Constantine mit Balna in Aussicht genommen. Ob eine dieser Linien, deren Fertigstellung in nicht ferner Zeit zu erwarten ist , ihre Fortsetzung durch die Sahara nach Timbuktu finden wird,

erscheint trotz des Eifers der Franzosen schon pro-

blematischer ,

da es bis jetzt noch keinem Forscher gelungen ist,

Algerien und Tunesien.

diese Landschaft zu durchqueren .

37

Telegraphen reichen bis Biskra

und Laghuat ; zwei unterseeische Kabel verbinden Bona und Algier mit Marseille. Für die Zugänglichmachung der Küsten ist viel geschehen ; so zahlreich die Golfe und Buchten an der Küste sind , so gefährdet waren sie alle bei Nordstürmen , daher die Fernhaltung fremder Schiffe und die Aufrechterhaltung der Seeräuberei so lange möglich gewesen ist.

Jetzt sind die wichtigsten Küstenstädte

mit guten

Hafen Anlagen , die allerdings viel Kosten verursacht haben , versehen. Damit hängt der Aufschwung der Schiffahrt und des Handels zusammen. Die Zahl der eingelaufenen Schiffe ist von 4670 im Jahre 1866 auf 7704 im Jahre 1877 gestiegen ; die Einund Ausfuhr betrug 1830-1840 171 , im Jahre 1876 380 Millionen Francs.

Der Export von Weizen, Gerste, Hafer erreichte 1872 bis

1876 den Wert von 207 Millionen Francs und ist im Steigen. Gemüsebau , besonders um Algier und Bona , ist bedeutend ,

Der

Algier

versorgt einen grofsen Teil von Mittel- und Nord- Europa während des Winters mit frischem Gemüse. Der Weinbau , welcher im Altertum berühmt, von den Arabern aber in Folge des weinfeindlichen Islam ganz vernachlässigt war , ist seit 1867 im Aufblühen . Einige prophezeien, dafs Algerien einst der Weinkeller für Europa sein werde , wie er die Kornkammer für die Römer war. Die Palmen-Kultur wird auf den Hochplateaus und in den Oasen im Grofsen betrieben. Bu Saada im Hodna und El Kantara sind die nördlichsten Palmen - Oasen , welche gute Datteln liefern . Im W. Rir und Suf sind die berühmtesten , werden aber meist Bei der Weizen-Ernte im Tell, Ende exportiert. Mai und Anfang Juni, erhält man gegen Datteln das doppelte Gewicht an Weizen , zur Zeit der Dattel-Ernte in der Sahara gegen

durch Tunesien

Weizen das doppelte Gewicht an Datteln , daher sehr lebhafter Verkehr . Zur Ausbeutung der Halfa -Produktion , welche früher zum Mattenflechten, jetzt aber zur Papierfabrikation benutzt wird , haben sich verschiedene Gesellschaften gebildet. Die Eisenbahnlinie Arzeu-Saida ist ihrethalben gebaut worden.

Man schätzt die Halfa-

Steppen auf 5 Millionen ha, wozu noch 1 Million ha im Tell kommt. Von 4000 Tonnen zu 1000 kg 1867 ist die Ausfuhr 1876 auf 59,800 Tonnen im Werte von 8 Millionen Francs gestiegen . Boden Algeriens birgt auch mineralische

Der

Schätze , die man jetzt

erst auszubeuten beginnt. Kohlen giebt es fast gar nicht, dagegen Die bedeutendsten Eisenwerke sind Kupfer , Blei , Zink , Eisen . Von 1867 diejenigen der Gesellschaft Mokta el Hadid bei Bona.

Algerien und Tunesien .

38

bis 1876 hat dieselbe 3,176,500 Tonnen im Werte von 35 Millionen Francs verkauft. Ein neues Werk ist dicht am Meere bei Beni Saf an der Westgrenze Algeriens im Entstehen.

Aufserdem ist der

Reichtum an Thermal- und Mineral- Quellen schon seit dem Altertum bekannt. Aus Obigem geht hervor, daſs Algerien seit 1871 einer besseren Zukunft entgegen sieht, und dafs Frankreich in ihm allein schon einen Ersatz für die verlorenen Provinzen Elsafs-Lothringen finden könnte , aber selbst Algerien und Tunesien scheinen ihm nicht zu genügen, seine Pläne gehen weit darüber hinaus. Ein Indien in Afrika ist sein Ziel, dem es von Norden , Westen und Süden mit fieberhafter Anstrengung zusteuert. Zunächst haben wir noch einen Blick auf die Grenze gegen

Marokko zu werfen, welche einer Berichtigung bedarf, da sie jetzt willkürlich quer über die von Westen nach Osten streichenden Gebirgszüge, quer durch Seen wie den Schott el Gharbi führt und den wichtigen Stamm der Ulad Sidi Scheich in zwei Teile teilt, sodafs die eine Hälfte zu Marokko, die andere zu Algerien gehört. Dadurch kommt ein Hinüberfluten dieser Nachbarstämme , welches den Franzosen bereits mehrfach gefährlich gewesen ist. Auch Bu Amema, der wie ein Phantom den Südwesten Algeriens beunruhigt und eine ephemere Rolle gespielt hat , die an Abd el Kader erinnerte, gehört zu ihnen, stammt aus dem bei Marokko verbliebenen Teile und ist auch dorthin zurückgekehrt. Schon einmal hat es einer Schlacht am Isly bedurft ,

um die

Marokkaner zu züchtigen , und es wird in Zukunft darauf ankommen , bei ähnlich günstiger Gelegenheit wie in Tunesien auch hier die Grenze zu regulieren . bei

dem

gänzlichen

Diese Gelegenheit wird nicht ausbleiben , da Verfall

dieses

fanatischsten

aller

moham-

medanischen Länder eine Katastrophe unausbleiblich ist. Die Franzosen scheinen in dieser Beziehung nichts überstürzen zu wollen und gehen deshalb allmählich und schrittweise vor . Im Frühjahr 1882 kam es bereits zu einem Zusammenstofs zwischen französischen Truppen und Marokkanern, von dem oben berichtet wurde. Obgleich bereits der Vertrag vom Jahre 1845 beiden Teilen das Recht verlieh , diejenigen Rebellen , welche die Grenze zwischen Algerien und Marokko überschritten, zu verfolgen, so hatte doch die Ausführung Schwierigkeiten hervorgerufen , welche erst jetzt durch Vermittlung des französischen Vertreters in Tanger gehoben sind. Im April 1882 hat nämlich der Sultan von Marokko einen Vertrag unterzeichnet , der die französischen Truppen ermächtigt , diejenigen

Algerien und Tunesien.

39

Rebellen, welche Einfälle nach Algerien gemacht haben, bis in die Grenzgebiete zu verfolgen.

Zugleich zahlte er 100,000 Francs Ent-

schädigung für frühere Einfälle.

Im Juni beschlossen die Bewohner

der Oase Figig selbst die französische Regierung um freundschaftliche Wiederaufnahme der durch die Feindseligkeiten der drei Marabuts unterbrochenen Handelsbeziehungen zu ersuchen .

Das in

der sonst als reich geschilderten Oase und ihrer Umgegend in diesem Jahre herrschende Elend soll sie zu diesem Schritt veranlasst haben ; auch wollen sie die französischen Truppen gut aufnehmen, um das Vordringen derselben in das Innere zu verhüten . offenbarten sich bei einzelnen

Schon im Mai

französischen Deputierten Wünsche

nach bleibender Besatzung dieser Oase und Errichtung einer französischen Mission daselbst, indessen erklärte der Minister am 4. Mai in der Kammer , dafs Frankreich zwar das Recht habe , nach Figig zu rücken, dafs aber nach Ansicht der Militärs noch 300 km darüber hinausgegangen

werden

müsse ,

wo bisher noch keine Be-

leidigung zu rächen sei ; das letzte Gefecht sei noch nicht wichtig genug. Wir sehen also, wohin die Pläne der Franzosen zielen . Die natürliche Grenze, welche Frankreich anstreben mufs, geht vom D. Aiaschin, dem Knotenpunkte des Grofsen und Hohen Atlas, nordwärts bis zur Muluia , südlich bis zur reichen Oase Tafilet, sodafs östlich davon die Oase Figig eingeschlossen wäre. Die letztere gehört, wie die meisten südlich des Hohen Atlas gelegenen Provinzen , nur dem Namen nach zu Marokko, die 17-20000 Einwohner der aus einzelnen Dörfern bestehenden Oase betrachten sich als unabhängig, den Sultan als ihren Verbündeten, nicht als Souverain . Sie bildet eine Zufluchtsstätte für alle Unzufriedenen, die dort von den herrschenden Marabuts ihre Befehle empfangen .

In Figig müssen

die Franzosen den Herd jeder Insurrektion ersticken , zumal sich dort auch die Haupt-Pulver-Fabrik für alle Wüstenstämme befindet. Es fragt sich nun, was soll bei der unvermeidlichen Katastrophe aus dem eigentlichen Marokko Aiaschin werden ?

westlich von Tafilet und vom D.

Geographisch hat wohl Spanien den nächsten

Anspruch darauf ; ob dasselbe aber die Kraft gewinnen wird , seine Ansprüche durchzusetzen , erscheint zweifelhaft. Kriege mit Marokko einzufädeln, hat es schon oft verstanden und an Propaganda für eine Besitzergreifung dieses Landes fehlt es in Spanien nicht. . Aufser Ceuta besitzt es bereits an der Nordküste die befestigten Punkte Melilla, Al- Chuzenas , Velez de la Comero.

Es hat bisher

noch nicht die volle Kriegsentschädigung von 20 Millionen Dueros erhalten, welche ihm durch den Frieden von Tetuan am 25. März

Algerien und Tunesien.

40

1860 zugesichert waren, daher unterhält es an allen Hafen- Orten eigene Zollbeamte, welche die Zölle überwachen und theilen ; auch geht Spanien zur Zeit damit um, das Gebiet von Agadir zu besetzen, welches ihm vor 22 Jahren überwiesen, bisher aber wegen Feindseligkeit der dortigen Bewohner nicht beansprucht worden war. Es schweben Verhandlungen, Spanien

zur

Verzichtleistung

in denen der Sultan von Marokko darauf

gegen

eine

Zahlung

von

15 Millionen Francs oder gegen einen Landaustausch bei Ceuta zu bewegen sucht. Das gegenwärtige Kabinet und die öffentliche Meinung in Spanien weist diese Angebote um so mehr zurück, als sich das Gerücht verbreitet hatte, dafs der Sultan daran denke, das Gebiet welche sich 1881 in

an eine englische Gesellschaft abzutreten ,

London gebildet hat, um Comptoirs und Fischereien an der Südküste von Marokko anzulegen . Die ganze spanische Presse und vor allen die militärischen Blätter zollen dem Regierungs- Beschlufs ihren Beifall, und es soll daher ein aus Marine- Infanterie zusammengesetztes Expeditions- Corps dorthin abgehen, um das Gebiet endgültig zu besetzen . England überwacht natürlich Spanien und Frankreich und hat ein Interesse daran ,

Marokko so schwach als möglich zu halten .

Sein Einflufs war bisher am gröfsten ; der Gesamthandel befindet sich in seinen Häuden , 1880 vermittelten ihn 646 englische Schiffe, Wenn England während Frankreich nur mit 283 beteiligt war. das für die Verproviantierung von Gibraltar bereits wichtige Tanger in Besitz nähme, würde die Bedeutung dieser Festung sehr gewinnen , denn allein reicht dieselbe zur Beherrschung der 23 , Meilen breiten Meerenge nicht aus ; das spanische Ceuta würde dann lahm gelegt sein. Nach Aussage der neuesten englischen Reisenden wäre der englische Einflufs in Marokko indessen mehr ein äufserlicher und würde nicht

ausreichen ,

wenn Frankreich von Süden oder Osten

her durch Algerien Umgehungs-Versuche machen sollte.

Auch von

Deutschland ist die Rede gewesen, und namentlich in der Schrift des Oberst Lieutenants v. Conring wird auf diese vorteilhafte Acquisition hingewiesen , da Marokko von der Natur mehr begünstigt sei als Algerien . Indessen ist wohl nicht anzunehmen , dafs Deutschland bei seiner bisherigen Abneigung gegen jede Kolonial-Politik auf den Erwerb Marokkos ausgehen

wird ,

was

nicht ausschliefst, dafs die Gewinnung eines Hafens an der atlantischen Küste, als welcher Fidallah vorgeschlagen wird, in Aussicht genommen werden könnte. Auch die Südgrenze von Algerien hat keinen

natürlichen

Algerien und Tunesien.

41

Abschlufs ; sie folgt ungefähr dem 30. Breiten -Grade, nachdem 1873 El Golea von den Franzosen besetzt worden ist. Hier kommt hinzu , dafs Niemand Frankreich an einer Weiter-Ausbreitung hindert, denn der gröfsere Teil der Sahara ist herrenlos. Auch hier bieten sich wieder natürliche Grenzen , welche Frankreich anstreben mufs , das sind die Plateaus von Tassili und Ahaggar.

Ersteres bei der Stadt

Ghat beginnend, entsendet bei einer Höhenlage von 1300 m seine Gewässer zum W. Igharghar ; dieser kommt von dem bis 2000 m ansteigenden Hochland von Ahaggar , welches mit dem Hauptort Ideles die Wasserscheide bildet zwischen den nach Süden zum Sudan und den nach Norden zu den Schotts gehenden Flüssen ; es sind dies eigentlich nur Wasserrinnen , da sie meist trocken liegen und nur während der Regenzeit sich mit Wasser füllen, wie der Igharghar selbst, welcher seiner Länge nach etwa der Elbe entspricht. Nordwestlich davon würde das Plateau von Muydir und die Oase Tuat den Abschlufs bilden ; die westlich des Plateaus von Tedmaid, von dem der W. Mija herabkommt , liegende Oasen-Gruppe von Tuat hat eine Gesamt- Bevölkerung von 60-70,000 Menschen , die zwar nominell zu Marokko gehören, faktisch aber unabhängig sind. Das bisherige Algerien entspricht seinem Flächeninhalte nach demjenigen von Frankreich, Belgien, Holland und der Schweiz , das neue in den eben bezeichneten Grenzen würde allerdings um mehr als das Doppelte so grofs werden . Südlich der Linie Ahaggar, Muydir, Tuat beginnt alsdann die eigentliche Sahara, welche Frankreich nicht zu besetzen , sondern nur zu durchqueren bestrebt sein wird, um auf diesem Wege mit seinen Besitzungen am Senegal in Verbindung zu treten und die merkantilen Vorteile auszunutzen , welche der Verkehr mit dem reichen Sudan gewähren würde.

Langsam aber sicher dringen die

Franzosen von ihren alten Besitzungen am unteren Senegal stromaufwärts vor, legen befestigte Posten in dem Lande zwischen Senegal und Niger an, schliefsen Verträge mit den dortigen Herrschern ab, um sich das Protektorat und sichern .

Desbordes ,

Derrien,

die Schifffahrt auf dem Niger zu Bayol,

Gallieni und Olivier sind in

dieser Beziehung in den letzten Jahren thätig gewesen . Der Vertrag mit dem Könige von Segu sichert den Franzosen das Recht zu, mit Ausschlufs aller anderen

europäischen Nationen in seinem

ganzen Reiche sich niederzulassen , Comptoirs zu gründen , auf dem Niger von seinen Quellen bis Timbuctu Schifffahrt zu treiben und Eisenbahnen zu bauen.

Nach Timbuctu zielen nun auch , abgesehen von

einem

eng-

42

Algerien und Tunesien.

lischen Projekt, welches vom C. Juby , also von Nord- Westen , und einem amerikanischen, welches von Monrovia, also von Süd-Westen, ausgeht, die grofsartigen Pläne der Sahara - Bahnen , welche durch hervorragende Reisende und Gelehrte angeregt und durch die französische Regierung bereitwilligst unterstützt werden. Diese Projekte, welche zuerst von Duponchel 1875 dem internationalen geographischen Kongreſs zu Paris vorgelegt wurden und seitdem durch Largeau, Soleillet, Duveyrier, Gazeau de Vautibault und durch die französische Regierung begünstigt werden , laufen darauf hinaus ,

zunächst von

Algerien Tuat zu erreichen, wozu sich drei Linien ergeben, je nachdem der Anschlufs von Oran, Algier oder Constantine erfolgen soll. Die westliche Linie würde gröfstentheils marokkanisches Gebiet berühren und über Igeli im Flufsbett des Gir oder W. Saura Tuat erreichen .

Die mittlere hat Affreville zur Ausgangsstation und soll

Laghuat, Ghardaya, el Golea berühren.

Weil sie das Centrum Al-

geriens durchschneidet , würde sie politisch und strategisch die wünschenswertere sein . Die dritte Linie soll von Constantine über Biskra, Wargla im Bett des W. Mija nach Tuat führen. 30 Meilen lange Stück Constantine-Biskra ist

Das etwa

zur Beherrschung

Ost-Algeriens und Tunesiens am notwendigsten und wird wohl zuerst in Angriff genommen werden. Die bereits wichtige Militär -Station Biskra würde noch mehr Bedeutung erlangt haben, wenn das Roudairesche Projekt eines Binnenmeeres zur Ausführung gekommen wäre. Von ihr aus könnte westlich im Thale des Dschedi der Anschlufs an die mittlere Linie gefunden werden, welche von Affreville im Thale des Scheliff und nach Umgehung oder Durchbrechung des D. Amur im Thale des Dschedi nach Laghuat führen würde.

Die

Fortsetzung von dort über Ghardaya nach Golea beträgt ca. 55 , von dort nach Insalah in der Oase Tuat 50 , von Insalah nach Timbuctu ca. 170 Meilen.

Die gegen die Möglichkeit der Ausführung einer Sahara-Bahn gemachten Einwendungen, welche man durch Hitze, Wassermangel , Sanddünen und Sandwehen , Kohlen- und Holzmangel begründet, werden

von den

Afrika- Reisenden

nach Möglichkeit

entkräftet.

Dagegen liegt die Haupt - Schwierigkeit in der Feindseligkeit der Bewohner, zumal der wegen ihres Fanatismus berüchtigten Tuaregs. Es ist demnach politische Unterwerfung dieser Länder erste Bedingung, und aus diesem Grunde ist vorläufig nur die Errichtung der Eisenbahn von Affreville bis El Golea möglich. Die Entfernung beider Orte entspricht etwa derjenigen von Trier - Posen , die von Golea nach Timbuctu Trier- Riga, und diejenige von Affreville nach

Algerien und Tunesien.

43

Timbuctu Trier - Nischnii-Nowgorod. Südlich von El Golea müfste aber zunächst die oben angedeutete Grenz-Erweiterung erfolgt und dann die Strecke Tuat -Timbuctu überhaupt erst erforscht sein, was bis jetzt noch nicht der Fall ist ,

denn alle darauf zielenden

Unternehmungen , wie z. B. diejenige des Oberst Flatters , sind gescheitert.

Diese Erforschungs-Touren werden mindestens noch Jahre

beanspruchen, und Dezennien werden vergehen, bis zur Ausführung einer Sahara-Bahn geschritten werden kann . Nach ihrer Vollendung wird sich Frankreich alsdann aus seinen Besitzungen in Afrika ein Indien geschaffen haben, so reich und so grofs als das britische, und es wird seine dahingehenden Ziele um so eher erreichen , je wollender der deutsche Nachbar ist.

wohl-

Wir speziell haben keine Ver-

anlassung, unseren westlichen Nachbarn diese Erwerbungen zu miſsgönnen , wird es durch seine afrikanischen Interessen mehr und mehr von den Revanche-Gedanken für Elsafs-Lothringen abgehalten . Im Gegensatz zu den Projekten der Franzosen steht nun das von ihnen mit Eifersucht betrachtete deutsche oder richtiger dasjenige von Gerhard Rohlfs, denn Deutschland hat sich noch nicht im geringsten damit beschäftigt.

Rohlfs schlägt für eine Sahara-

Bahn eine Linie von der grofsen Syrte nach dem Tsad- See vor und führt als Vorteil gegenüber der

französischen

an ,

dafs

sie durch

bereits erforschte Gegenden gehen und durch die weit in das Land hineingehende grofse Syrte verhältnismäfsig kürzer sein würde, Vom Meere aus könnte Murzuk in 3 Linien, entweder von Tripolis direkt oder über Msarata, Bondschem, Sokna, oder von Mirsa Buraika über Sella, Fughaa und Suila erreicht werden . nicht gemacht , denken.

Vorarbeiten

sind

noch

also ist auch an die Ausführung noch nicht zu

Mehr als Deutschland würde natürlich Italien für diese Bahn interessiert sein, da der Besitz von Tripolitanien ein von ihm anzustrebendes Ziel sein dürfte. Deutschland ,

Dieses Land ,

doppelt so grofs als

wurde seit 1872 als ein Vilayet verwaltet.

Daſs die

türkische Verwaltung bei der Entfernung von Konstantinopel eine noch jämmerlichere sein musste, als in den europäischen Provinzen , liegt auf der Hand . Während des russisch -türkischen Krieges gestalteten sich die Verhältnisse natürlich noch anarchischer und die türkischen Niederlagen blieben nicht ohne Einfluss auf die Lockerung der Autorität des Sultans bei den Eingebornen.

So kam es denn ,

daſs z. B. in Cyrenaica faktisch die türkische Herrschaft nur in den Städten Bengasi und Derna in Kraft war , was leicht erklärlich ist, da die ganze Besatzung dieses Deutschland an Gröfse gleich-

Algerien und Tunesien.

44

kommenden Distrikts nur aus 80 Soldaten bestand, die neuerdings auf 500 gestiegen ist.

Nun ist seit dem

August

1879 das aus

zwei verschiedenen Ländern zusammengesetzte Tripolitanien auch in zwei Vilayets ,

nämlich in das von Tripolis und Cyrenaica oder

Barka eingeteilt worden .

Letzteres war im Altertum ein blühendes

Land, Griechen hatten es kolonisiert und die Pentapolis von Cyrene gegründet, von der nur Ruinen übrig sind. Das Plateau hat eine Durchschnittshöhe von 500 m. Derna und Bengasi auf den Trümmern des alten Berenice sind die heutigen Hauptorte ; namentlich letzteres ist wichtig für den Handel mit Wadai .

Die Bevöl-

kerung von Barka wird auf300,000 Köpfe veranschlagt, während es eine Million ernähren könnte.

Den ganzen Süden beherrscht nicht die

Türkei , sondern die religiöse Genossenschaft der Snussi, welche auch den Überfall gegen die Rohlf'sche Expedition 1878 von

keinem

Europäer

betretenen

Es Snussi , der Gründer dieser

Oase

Kufara

in der bisher ausführen

liefs .

fanatischen , mächtigen und best-

organisierten arabischen Gesellschaft ,

welcher

1861

gestorben ist,

war für den Islam das, was Ignaz Loyola für das Christentum war. Sein Sohn ist jetzt Oberhaupt der Snussi oder Mahdi, d . h . Weltbekehrer, und wohnt auf der Grenzlinie zwischen ägyptischem und Die Hoffnung tripolitanischem Gebiet in der Oase Dscherbul. Arabis, daſs dieser wie ein zweiter Attila mit 30,000 Tripolitanern ihm in Ägypten zu Hülfe kommen werde, hat sich allerdings nicht erfüllt ; es scheint , dafs die panislamitische Idee keine Fortschritte gemacht hat.

Etwas besser als in Barka sieht es im eigentlichen Tripolitanien aus ,

obwohl auch

hier die Verwaltung eine solche ist , dafs die betreffenden General- Gouverneure nur ihre eigenen Taschen zu füllen bestrebt sind. Es hat zwei drittel Millionen Einwohner , könnte aber mehrere Millionen ernähren. Zu ihm gehören auch die Oasen Ghadames und Fessan. Die Glaubens- Verwandtschaft allein hält das Hoheits-Verhältnis der Pforte aufrecht.

Wenn die wilden Tuaregs

die Handelsstadt Ghadames besuchen, so legen sie ruhig ihre Waffen Fessan ist ein Archipel von Oasen, welche das alte Land der Garamanten bildeten . Die Hauptstadt Murzuk auf der Thorwache ab.

wird von 6000 Einwohnern bewohnt, welche für die thätigsten und unternehmendsten Kaufleute Nord- Afrikas gelten ; sie hat eine Besatzung von 240 Mann mit 4 Geschützen . Welches wird nun die Zukunft dieser Länder sein ? Bleibt die türkische Herrschaft, so ist auf Verbesserung nicht zu rechnen.

So bleibt denn nur im Interesse

der Kultur der Wunsch übrig , dafs auch Tripolitanien einst einem

45

Die Kriege der Vendée gegen die erste französische Republik etc. europäischen Staate zufallen möge.

Italien

schickte im Frühjahr

1881 eine Expedition unter Kapitän Camperio nach Barka behufs Rekognoszierung; dieselbe mufste jedoch unverrichteter Sache abziehen. Die Pforte antwortete demonstrativ gegen etwaige italienische und französische Absichten damit, dafs sie einen neuen Gouverneur entsendete und 4

Lager bei

Zukara ,

Naint ,

Sinayn ,

Ghadames

errichtete , in denen 22,000 Mann versammelt sein sollen .

Auch

hier scheint Englands Interesse jedem Versuche Frankreichs ,

sich

noch weiter nach Osten auszubreiten , entgegenzutreten , schon aus dem Grunde, damit es nicht mit dem von ihm beschützten Ägypten unmittelbar benachbart

wird.

Wenigstens

erklärte

Granville am

15. Juli 1881 , die tripolitanische Frage könne nicht mit der tunesischen vermengt werden , da die Provinz türkisches Eigentum sei ; auch Barthélemy St. Hilaire gab am 25. Juli die beruhigende Erklärung, dafs die Eroberung von Tripolitanien eine Träumerei sei, welche nur die schlimmsten Feinde Frankreichs für dasfelbe ersinnen könnten .

Trotzdem

ist

die

Aufhebung

der

Oberherrschaft

des

Sultans über Tripolitanien nur eine Frage der Zeit. Sie wird einst eintreten und es wird über seine Proteste seitens der europäischen Mächte

in ähnlicher Weise hinweggegangen werden , wie

es in

Tunesien und Ägypten der Fall gewesen ist.

III.

Die

Kriege

der Vendée gegen

zösische

Republik 1793

die

erste

bis

1796.

fran-

Eine militärhistorische Skizze von

A. v. Crousaz , Major z. D.

(Schlufs.) IV.

Weitere Kämpfe , bis zum vorläufigen Friedensschlufs 1794 und 1795.

Die Truppen der republikanischen Westarmee waren nach dem Tage von Savenay in Nantes triumphierend eingerückt und Turreau

Die Kriege der Vendée

46

hatte gleich nachher den Oberbefehl übernommen .

Seine Macht

belief sich, bei dem Vorhandensein vieler Verwundeter und Kranker , kaum noch auf 30,000 intakte Streiter ; dennoch beschlofs er und das war auf seinem Standpunkte richtig ―― die am rechten Loireufer errungenen Erfolge folgen.

auf dem linken unverweilt zu ver-

Hierbei handelte es sich zunächst darum ,

dafs

einerseits

Charette wieder vertrieben, andrerseits die Insel Noirmontier zurückerobert werde. Als Charette in Machecoul die Annäherung des republikanischen Generals Charpentier erfuhr , zog

er

ihm am 2. Januar 1794

entgegen, wurde aber zwischen Machecoul und Challons besiegt und ging dann nordöstlich auf St. Philibert *) vor, wo er am 3. Januar einen neuen Handstreich gegen das jetzt von den Republikanern Da selbiger mifslang, so zog zurückgewonnene Machecoul wagte. sich Charette demnächst südöstlich in den Landstrich zwischen der oberen Boulogne und Maine, die Republikaner gewannen aber hiermit für ihr Unternehmen gegen Noirmoutier vollen Spielraum. Turreau liefs am 3. Januar ein ansehnliches Truppencorps auf Noirmoutier landen, und ersteres suchte alsbald die gleichnamige Stadt, welche tapfer verteidigt wurde, zu nehmen. Erst am 5. Januar erhielt. General Haxo dieselbe durch Kapitulation, letztere wurde aber nicht gehalten . Man hatte der Besatzung volle Amnestie zugesagt, doch als sie entwaffnet war, machte man sie sogleich nieder. Diese Nichtswürdigkeit fiel nicht dem Truppenbefehlshaber, sondern dem Konventsdeputierten Carrier zur Last **) . Welch heilloser Zustand aber war es, in welchem solch ein Fanatiker, über alle Pflicht und Elbée , der Ehre hinaus , Kapitulationen ausstreichen konnte ! vormalige Oberbefehlshaber des Heeres von Anjou, lag hier zu Noirmontier, als es genommen wurde, noch an seinen Wunden darnieder. Das gereichte ihm aber nicht zur Schonung ; er wurde, so krank wie er war, baldigst erschossen, und mit ihm starben auch seine Gattin und seine Begleiter in gleicher Weise. Nach Unterwerfung von der Loire-Mündung Händen der Republikaner.

dieser Insel war der ganze Küstenstrich bis zum

Yon und unteren Lay in den

Diesen Bereich zu erweitern, und damit

der im südöstlichen Bocage eingenistete Charette vernichtet, der in Anjou neu aufflackernde Aufstand zu Boden gedrückt werde, machte Turreau jetzt seinen Operationsplan .

An eine Abhülfe durch geistige

*) 2 M. nordöstlich von Machecoul. **) Guerres des Vendéens III. 14—20. - Napoleons I Memoiren , Elsner , 503, 504.

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796.

47

und humane Mittel dachte man ja in Paris noch nicht ; es kam nur in Erwägung ,

wie man diese

bisherige

Kriegführung der Ver-

heerung und Grausamkeit noch gründlicher und zugleich systematischer durchführen könnte . Nur dieser Idee folgten Turreaus jetzige Dispositionen .

der

Nach ihnen

suchte er vorerst den Kriegsschauplatz zwischen

Küste,

Thouet und der Loire ganz abzusperren.

dem

Dies

geschah auf letzterem Strom durch dort stationierte Kanonenboote , aufserdem durch eine zusammenhängende Postenkette längs der anderen Umrifslinien . Das umschlossene Land wurde nun von 12 fliegenden Kolonnen in allen Richtungen durchstreift , um die Wohnungen zu verbrennen und sämtliche Teilhaber des Aufstandes niederzuhauen. *)

Was schon im Juli 1793 beabsichtigt und erstrebt

war, **) schien jetzt einer genaueren Vollführung entgegenzugehen, und die

colonnes infernales « , wie sie genannt wurden, traten bereits

am 17. Januar in Thätigkeit.

Überhaupt verwirklichten sich die

Bestrebungen Turreau's in der Hauptsache , und es ging aus den Berichten der Kolonnenführer hervor, dafs es an den gebotenen Zerstörungsmafsregeln nirgends gefehlt hat. ***) Hiermit zwang man auch den zur Niederlegung ihrer Waffen geneigten Landleuten dieselben wieder in die Hand, denn es war immer noch besser, im Kampfe, als widerstandslos ums Leben zu kommen. Im offenen Felde konnten sich indessen die Royalisten kaum noch zeigen, und Schlachten oder gröfsere Gefechte kamen nicht mehr vor ; der ganze Vendéekrieg gestaltete sich jetzt höchst eigenartig.

Er war nur noch ein Chaos

kleiner Schachzüge und grofser Mördereien ,

ein endloses Quälen

und Aufreiben seiner selbst und des Gegners. Die Vendéer schnitten Verbindungen ab, legten Hinterhalte und überfielen kleine Abteilungen des Gegners ; ihre meisten Handstreiche wurden bei Nacht vollführt, sie zeigten sich weniger als Truppencorps denn als Banden , und wo ein solcher Haufe sich bedrängt sah, zerstob er nach allen Richtungen.

Diese Kriegführung ähnelte derjenigen der Chouans † )

am rechten Loireufer ganz ungemein

und unterschied sich auch

moralisch von dem vorjährigen Thun der Vendéer sehr bedeutend . Dort hatten sie für ihre Religion und das Königtum gekämpft, hier traten diese

grofsen

Motive mehr zurück

und wuchs

das

*) Guerres des Vendéens III, 40-44 u. 46-50. **) Vergl. S. 175 des Augustheftes. ***) Guerres des Vendéens III, 52-56, 58-70, 74-93. †) So nannte man zu dieser Zeit, nach einem ihrer Bandenführer, die am rechten Loireufer einen Guerillakrieg führenden royalistischen Insurgenten.

Die Kriege der Vendée

48

persönliche dem politischen Interesse über den Kopf. Die Landleute waren durch alles Geschehene verwildert und demoralisiert ; fremde Abenteurer, die nichts zu verlieren hatten , mischten sich hier ein ; die gröfsten Helden der Vendée lebten nicht mehr und die eigentliche Seele dieser Bewegung war damit entschwunden . Hierdurch verkleinerte sich auch natürlich die Teilnahme des Soldaten , des Politikers und des Geschichtschreibers für diesen zweiten Teil des Vendéekrieges . Abgesehen davon sind die Nachrichten in Betreff der jetzigen Kriegsbewandnisse überaus dürftig. Man entnimmt sie zumeist nur, und zwar stückweise und einseitig, aus jenen Berichten der Kolonnenführer, oder aus Turreaus eigenen Memoiren , * ) die nicht nur parteiisch, sondern auch oberflächlich sind . Danach wurde am 22. Januar Tiffauges von den Republikanern, die hiermit eine Centralstellung gewannen, besetzt ; La Roche-Jacquelein aher stand 24. bei Jallais, vermied eine ihn aufsuchende Kolonne und nahm Chemillé, um von hier aus zu streifen.

Bei solcher Gelegenheit wurde er am 28. Ja-

nuar in der Gegend von Nuail **) durch einen Schufs in den Kopf getödtet.

Die Vendée verlor so ihren heldenmütigsten Führer ; ihr

kriegerischer Idealismus wurde mit ihm zu Grabe getragen . Jetzt standen von den Hauptführern nur noch Charette und Stofflet im . Felde, aber keiner von ihnen war ein Marcellus.

Stofflet übernahm

nach Laroche's Tode den Oberbefehl im Osten ; Marigny, der auch über die Loire zu kommen gewusst hatte, führte, von Stofflet unabhängig, in der Gegend von Bressuire eine besondere Abteilung. Turreau drang zu Ende Januar tiefer in den Bocage ; seine Kolonnen waren zu dieser Zeit auf dem rechten Ufer der Sevrenantaise schon weit verbreitet ;

Stofflet aber sammelte seine Streit-

kräfte am Erdre und stiefs dann südwestwärts vor, um am 1. Februar bei Gesté zwei republikanische Abteilungen zu schlagen. hielt

es ,

da

Gleichwohl

Chollet von den Republikanern stark besetzt

war,

Turreau jetzt für zulässig , der westlichen Vendée seine hauptsächlichste Aufmerksamkeit zuzuwenden. Er hielt Charette, der zwischenzeitig in einigen kleineren Gefechten Erfolge gehabt hatte, nicht unrechtmässig für seinen lebensfähigsten Gegner , und dieser sollte nun vor allen Anderen gesucht und vernichtet werden. Zu diesem Zweck wurden bei La Roche sur Yon mehrere Heeresabteilungen vereinigt ; während diese aber an die Lösung ihrer Aufgabe gingen, * ) Mémoires pour servir à l'histoire de la guerre de la Vendée etc. par L. M. Turreau. **) Am Flüfschen Layon, 4 M. südöstlich von Chemillé,

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796. wurden im Nordosten

des

49

Kriegsschauplatzes Turreau's

Voraus-

Stofflet gewann nämlich am 6. Fe-

setzungen gänzlich getäuscht. bruar Coron , zersprengte die Division Charpentier und nahm, nachdem der General Moulier zurückgedrängt worden, am 8. Februar Chollet . Bei seinem weiteren Vorgehen gegen Tiffauges wurde er jedoch vom General Cordelier geworfen , worauf auch Chollet den Vendéern wieder verloren ging und die republikanischen Truppen auch Vihiers , Chemillé und Beaupréau nahmen. Sie behaupteten sich hier bis zum 18. Februar ; zu dieser Zeit aber wurde Cordelier nach Montaigu berufen , und die Vendéer machten , wie es ihre Gewohnheit war, einen Heimatsbesuch . Es trat also in dieser Region eine Kriegspause ein. Charette leistete unterdessen auf dem westlichen Kriegsschauplatz in Gewandtheit und Ausdauer Aufserordentliches ; wenn die Kräfte,

über die er verfügte, gröfser gewesen wären , so würde er Bedeutendes vollbracht haben. Er streifte im Januar an der oberen Boulogne und Maine, und wenn er hier mit seiner kleinen Kriegführung sich den Republikanern nicht sehr beschwerlich gemacht hätte, so würden diese keine Hauptexpedition gegen ihn gerüstet haben . Charette tritt eben in der allgemeinen Kriegsgeschichte zu wenig in's Licht, weil seine Hauptleistungen im Einzelnwerke beruhen ; jede tief eingehende Schilderung , die es sich zur Aufgabe macht, das Grofse im Kleinen zu finden , würde ihn glänzend erscheinen lassen.

Mit Anfang

Februar wurde ihm durch jene zu La Roche sur Yon vereinten Kolonnen hart zugesetzt, und er stand in steten Scharmützeln, ja seine Lage wurde sogar bedenklich, und er würde erlegen sein , wenn nicht sein Genie ihm stets herausgeholfen hätte. Nach dem 20. Februar stand Charette bei Grand Luc , *) und hier gingen ihm Cordelier , Haxo und Duquesnoi aus verschiedenen Richtungen zu Leibe, ohne ihn gleichwohl festhalten zu können . Er machte sich mit seiner Manövrierkunst stets unangreifbar und ermüdete dadurch seinen Gegner aufs Äufserste.

Turreau wurde dieser

unwirksamen Hin- und Hermärsche endlich überdrüssig und entsagte für jetzt weiteren Unternehmungen gegen Charette ; er war diesem Cunctator doch nicht gewachsen.

Nach diesem Mifserfolge schritt man vorübergehend zu einigen das gewöhnliche Maſs überschreitenden Verwüstungen in der südlichen Vendée ; dann sollte im Nordosten der Kampf wieder aufgenommen werden. Die nach Chantonnay entsendete Kolonne des

*) An der oberen Boulogne, nur 1 M. südöstlich von Legé. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. XLIX., 1.

4

Die Kriege der Vendée

50

Generals Grignon wurde nach Chollet gezogen, und Turreau selbst nahm dort am 5. März seinen Sitz, um , wie es schien, diesen allerdings geeigneten Ort zum Ausgangspunkte durchgreifender Operationen zu machen. Gleichwohl wurde Chollet schon am 7. März ohne sichtbare Veranlassung von ihm geräumt , und er begab sich , nur die Abteilung Grignon's bei Vezin zurücklassend , nach Vihiers und marschierte dann

am Layon abwärts

13. März eintraf.

Auch dort blieb Turreau nicht, sondern bewegte

sich am linken Loireufer

nach Chalonne , wo er am

entlang nach St. Florent ;

hier zog

er

Cordelier heran und gelangte schon am 18. März in das südlich von Nantes befindliche republikanische Lager. *) Grignon, ganz auf sich selbst beschränkt, that, was er konnte.

Er jagte da und dort , aber meist fruchtlos , den Aufständischen nach, die sich stets sammelten, zerstreuten und wieder sammelten ; es war ein Kampf gegen Mückenschwärme, in dem sich nichts erreichen liefs . Endlich unterlag er am 17. März bei St. Aubin de Baubigné , **) ging auf Vezins und wurde von der Division Cordelier, die in diese Gegend zurückgekehrt war, aufgenommen . Beide Abteilungen rückten nun zuerst gegen Chollet, dann gegen Mortagne, das sie zerstört fanden. Da dem Feinde nirgends beizukommen war, so gingen sie endlich nach Montaigu zurück. Inzwischen suchte Haxo,

Charette

gegenüber ,

das

was der

Obergeneral verfehlt hatte , wieder gut zu machen ; aber es gelang ihm nicht. Zwar trieb er den Partisanenchef hin und her, konnte ihn aber geraume Zeit hindurch nicht standfest machen .

Endlich

nahm Charette am 20. März den Gegner bei Les Clouzeaux ***) an und schlug dessen Corps , nachdem Haxo selbst gefallen war, gänzlich. Wo dieser Fabius Stand hielt , meist sicher.

war er seines Erfolges

Die besiegte Abteilung ging nach Machecoul zurück ; Turreau begab sich, als er die Niederlage von Clouzeaux erfahren hatte, ohne etwas zu unternehmen , nach Sables d'Olonne. Was hier im Westen zunächst weiter geschah, war als Kriegsthätigkeit so geringfügig , wie als Landesverwüstung hervorragend ; im Osten des Kriegsschauplatzes aber springt zu dieser Zeit eine in solchen Zuständen der Ohnmacht und Verwirrung sehr bemerkenswerte Organisationsthätigkeit Stofflet's ins

Auge.

Schon sein am

*) Über diesen Zusammenhang vergl, 280-292.

11. März

erlassenes

Regle-

Guerres des Vendéens

III

**) An einen Wald gelehnter Flecken, 1 M. ostnordöstlich von Chatillon. ***) 32 M. südlich von Legé.

51

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796. ment *) bestimmte ,

dafs jeder männliche Einwohner vom 15. bis

60. Jahre zum Heerdienste des Königs verpflichtet, aber regulär nur die Hälfte der Verpflichteten ins Feld zu stellen sei. Die Übrigen sollten stets bereit und gewärtig sein ; bestimmte Kommissarien verwaffenfähige Mannschaft , die Kantons standen in Verbindung mit dem Heerlager durch Kuriere ; die Offiziere wurden

zeichneten die

in besonderen Versammlungen gewählt ; die Kontrole war streng und die Säumigen wurden hart bedroht. Man erkennt , dafs die Kampflust der Bauern doch schon nachgelassen hatte und diese Mafsnahmen nicht nur eine Besserung des Kriegszustandes, sondern auch eine Antreibung des Volkes erstrebten ; in jedem Falle ist Stofflet's Ausdauer und Willenskraft sehr anzuerkennen. Auch die republikanischen Truppen ermüdeten an der jetzigen Kriegführung.

Sie wurden mit Hin- und Hermärschen übermäſsig

angestrengt, ohne Erfolge zu sehen ; vielfach jagten sie nur Schatten nach ; das Terrain bot Schwierigkeiten ; die Pflege und Bekleidung war mangelhaft, und der steten Grausamkeiten mussten sie schon überdrüssig sein , zumal da ihnen selbige der Feind , wo es immer möglich war, mit gleicher Münze zurückzahlte. Ihre meisten Führer genossen keines Vertrauens, hauptsächlich verurteilte man, und nicht mit Unrecht ,

den Obergeneral .

Sein

künstlicher Operationsplan

war ein Wille ohne Wirkung ; grausam und doch schwach , ohne Beharrung und Nachhaltigkeit , trat er nirgends mit seiner Person ein u. s. w. Die unter einen solchen Feldherrn gestellten Truppen waren bedauernswert. Stofflet und Marigny vereinigten sich mit Anfang April zwischen dem Layon und Evre und wären hier wohl in langer Dauer unberührt geblieben ,

wenn

nicht

das jenseitige

Heerlager

endlich

wieder einen schneidigen und intelligenten Truppenführer an seiner Spitze

gesehen

hätte .

Das

war der Generaladjutant

Dusirat ,

welcher, mit Grignon vereint, von Montaigu aus über die Sevrenantaise ging. Während Grignon über Vezins nach Doué zog , wo er am 8. April eintraf, gewann Dusirat Chollet , wurde aber hier am 6. von Norden her angegriffen.

Er warf die Insurgenten

zurück

und verfolgte sie am 7. nordöstlich gegen Chemillé, hier aber erlag er einem überraschenden Angriffe Stofflets. Grignon , welcher zu dieser Zeit noch im Vormarsche gegen Doué begriffen war, hätte ihn vermöge einer Linkseinschwenkung unterstützen können , aber er that das nicht, und Dusirat vereinigte sich mit ihm erst in Doué.

*) Beauchamp, II. 355–359.

4*

1241 52

Die Kriege der Vendée

Dort wiederum

geordnet

und

verstärkt

stand

Dusirat

am

15. April neuerdings in Chemillé und manövrierte nun, Transporte sichernd und feindliche Abteilungen vertreibend , in dem Terrain zwischen Layon und Erdre sehr regsam hin und her.

Am 18. April

nahm er Jallais , am 24. fand bei St. Florent ein unentschiedenes Gefecht statt ; am 5. Mai schlug dieser sehr tüchtige General bei Maulevrier und am 8. bei Coron die Royalisten ,

welche ihn

an-

griffen , zurück . Den weiteren Faden seiner hier an den Tag gelegten Kriegsthätigkeit erkennt man nicht , sondern findet ihn erst am 28. Mai zu Montaigu wieder ; so viel aber steht fest ,

dafs

Dusirat einer von den wenigen Generalen dieses Zeitabschnittes und dieses Bereiches war, die zugleich pflichttreu und umsichtig operiert haben. Die anderen republikanischen Abteilungen in Anjou verhielten sich unterdessen passiv ; die Vendéer ihrerseits vollführten nach wie vor kleine Handstreiche , durchdringen zu können .

ohne Gröfseres unternehmen oder

damit

Etwa in der Mitte Mai soll Marigny das

Heer verlassen haben ; als man später seiner habhaft wurde , ist er angeblich erschossen worden , doch lautet in Betreff dieser Angelegenheit die Angabe der speziellen Umstände sehr widersprechend . * ) In der westlichen Vendée steiften sich die Republikaner darauf, den der Insel Noirmoutier unmittelbar gegenüber liegenden Abschnitt, **) welcher noch unbezwungen war , zu nehmen ; aber die sich in jenem dies teilweise.

darbietenden Terrainschwierigkeiten ***) vereitelten Charette operierte bisweilen in Gemeinschaft mit

Stofflet, doch that er dies nur ungern und es kamen dabei keine rechten Erfolge zum Vorschein , einmal weil Charette's Eigenart für das Zusammengehen mit anderen überhaupt nicht pafste ,

gleichberechtigten Führern

zweitens weil speziell zwischen ihm und

Stofflet eine gegenseitige Abneigung bestand, welche nachmals sogar verhängnisvoll wurde. Im Ganzen stand man jetzt der Bewältigung des Aufstandes ferner als vor fünf Monaten ; wenn Turreau genau mit sich abrechnete, so muſfste ihm dies ganz klar sein .

Ihm fehlte das Wägen

und Wagen , er war zugleich grausam und kleinmütig , das schöne Land war verwüstet und der Zweck, auf den es ankam, doch ganz verfehlt.

Beauchamp II, 249 bis *) Vergl. darüber Bouvier III. 210, 211 . 255 u. a. **) Zwischen Challans, St. Jean de Monts und La Barre de Monts. ***) Fast jedes Grundstück ist dort mit tiefen1 Bewässerungsgräben eingerahmt.

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796. Der Wohlfahrtsausschufs zu Paris

erkannte

53

endlich doch die

Untauglichkeit dieses Feldherrn und enthob ihn schon am 13. Mai seines Kommandos über die Westarmee. An seine Stelle trat vorerst General Vimeux ; auch ergingen neue Instruktionen, aus denen sich entnehmen liefs , dafs die eigentliche Glühhitze des Terrorismus vorüber war und man jetzt in Paris einer Wendung zum Besseren entgegenging . Die neuen Erlasse fufsten nicht mehr ,

wie die vorigen ,

Brand und Mord , sondern waren anderer Art.

auf

Die aufgegriffenen

Insurgenten sollten nun in Sicherheit gebracht, die Ortschaften und Felder nicht mehr verwüstet und die Ernten sogar geschützt werden ; *) es lag ganz auf der Hand , dafs man sich den lang verAuch fehlten Weisheitsgrundsätzen endlich zu öffnen begann . brauchte

es ,

schon

beschränkung ,

denn

aus äufseren die

Ursachen ,

Vorgänge

des

jetzt

ganzen

einer

Selbst-

Kriegshorizontes

machten es notwendig, die der Vendée gewidmeten Streitkräfte zu vermindern . Der neue Obergeneral bildete mit dem, was ihm blieb, fünf Divisionen und erstrebte damit eine zugleich planmäſsige und unbarbarische

Kriegführung ;

doch

geschah

bis

zum

6.

Juni nur

Nebensächliches . An diesem Tage gingen Stofflet und Charette gemeinsam gegen Challans vor ; dieses Unternehmen zerschlug sich aber an einer Veruneinigung der beiden Führer , und es erfolgte auch sogleich ihre Trennung. Charette zog sich südostwärts nach Belleville, Stofflet aber ging in seine östlichen Bezirke zurück. Die Republikaner versammelten sich demnächst bei Montaigu und liefsen von hier wieder streifende Kolonnen ausgehen, welche eine neue Vereinigung der Ost- und Westvendéer hindern sollten ; doch fand eine solche nochmals an der oberen Sevrenantaise statt und das Vendéevolk erliefs am 10. Juli eine gemeinsam unterzeichnete Proklamation an die Bewohner der Bretagne.

Am 12. griffen sie

ein republikanisches Lager bei La Chataigneraie erfolglos an ; **) es schien, dafs den Vendéern ihre Spitze und Schneide schon merklich abhanden gekommen war. Die weiteren Ereignisse im Juli, sowie auch im August, gingen über Streifzüge

und kleine Begegnungen nicht hinaus ; vielleicht

zauderte man , beiden Seiten.

grofser

Solche

politischer

Veränderungen

Veränderungen

blieben nicht aus.

*) Guerres des Vendéens u. s. w. III. 505-509. **) Guerres des Vendéens III . 560–568.

gewärtig ,

auf

In Paris arbeitete

Die Kriege der Vendée

54

eine starke Reaktion und endlich wurde sie stark genug, den Frankreich zu Grunde richtenden Dämon abzuschütteln .

Robespierre und

sein Anhang wurden verhaftet und am 28. Juli 1794 guillotiniert. Die Revolutionsmänner bekannten damit selbst thatsächlich , dafs Frankreich ein Jahr lang von Verbrechern regiert worden war ; welche Folgerungen liefsen sich daraus in Betreff des Vendéekrieges ziehen ?! - Das politische Fieber wich jetzt mehr und mehr, Mäfsigung und Gerechtigkeit mufsten im gleichen Verhältnisse zurückkehren.

Das zeigte sich hier in der Vendée schon im August,

von den den Truppen beigegebenen

Konventsdeputierten

als

Prokla-

mationen erlassen wurden, durch welche man jedem bei dem Aufstand beteiligten Landesbewohner, der seine Waffen niederlegen und sich den Gesetzen der Republik unterwerfen würde , Schutz zusagte.

Verzeihung

und

Das wirkte jedoch vorerst nur bei Einzelnen ; die

Menge blieb mifstrauisch oder sah in dieser Nachgiebigkeit des Gegners nur ein Bekenntnis seiner Schwäche. Diese sollte benutzt werden , und die Vendéeführer säumten also nicht, nach Vollbringung der Erntearbeiten gegen den Feind offensiv vorzugehen.

Ihre Ziel-

punkte bildeten dabei die vielen befestigten Lager, in denen der Feind stand und vermöge deren er seine Streitmacht sehr zersplittert hatte.

Charette eroberte in diesem

Sinne

am 8. September

das

republikanische Lager von La Rouilliere *) und schädigte den Feind noch durch allerlei andere belangreiche Unternehmungen ; Stofflet bewältigte am 13. das Lager von Thouarcé **) und beherrschte nun den ganzen Landstrich am rechten Ufer des Layon bis zur Loire hin . Solche Vorgänge bewogen den Konvent , das Heer gegen die Vendée um 20,000 zu verstärken und wiederum den General Canclaux au die Spitze desfelben zu stellen.

Dieser letztere

eroberte bis zum 26. September das Land zwischen dem Layon und der Loire zurück; dann massierte er seine Streitmacht bei Mortagne, also

ziemlich im Mittelpunkte des ganzen Kriegsschauplatzes , um

von dort nach allen Richtungen hin , wie es die Umstände fordern würden, operieren zu können. Das hatte auf diesem kleinen Kriegsschauplatz um so mehr Aussichten des Erfolges , als Charette und Stofflet in offener Zwietracht sich ganz getrennt hatten , und man jeden von ihnen , wo er einzeln auftrat , weit überwog ; doch war die Veränderung der Regierungspolitik jetzt schon so weit gediehen ,

dafs in nächster Zeit die kriegerische

etwas in den Hintergrund trat.

Aktion hier schon

Die Jakobinerklubs

wurden am

*) Zwischen Belleville und La Roche sur Yon. **) Am rechten Ufer des mittleren Layon, 2 M. südlich von Ponts de Cé.

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796.

55

11. November geschlossen, und der jetzt von den extremen Elementen befreite Konvent begann einzusehen , dafs etwas Nachgiebigkeit diesen so überaus verderblichen

Bürgerkrieg viel

eher

und

unter viel

günstigeren Bedingungen endigen würde, als der fortgesetzte Kampf. Solchen Erwägungen folgend , verfügte er schon am 2. Dezember 1794 eine Amnestierung aller derjenigen westlichen Vendéer, welche binnen Monatsfrist die Waffen niederlegen würden ; dann aber trat man mit Charette in Unterhandlungen . Dieses Verfahren drückte einerseits die Politik des » Divide et impera ! « aus, andrerseits wurzelte es in der sehr richtigen Meinung, dafs Charette der belangreichste Gegner sei und nach seinem, mit der Beendigung des Aufstandes in der westlichen Vendée wohl gleichbedeutendem Abtreten vom Kriegsschauplatze, die dann abgesonderte Ostvendée haltlos sein und von selbst nachfolgen würde . Indessen widerstrebte solch ein Anerbieten doch zunächst auch den westlichen Vendéern . Sie wollten keine Amnestie, sondern ihr Wenn sie sich begnadigen liefsen , so bedingte das auch Recht. zugleich ihr Schuldbekenntnis und ihre Hingabe an diese Republik, welche ja der Gegensatz und Erzfeind des auf ihre Fahne geschriebenen Königtumes war. Damit verläugneten sie ihr ganzes bisheriges Thun ; Cathélineau und Lescure, Bonchamp und Laroche, diese Märtyrer der Legitimität , würden dadurch zu Rebellen und die noch aufrechtstehenden Vendéeführer zu reuigen Sündern gemacht ; es war dies eine harte Frage, die hier an die Vendéer herantrat. Aber ein Theil ihrer Legitimitätsbegeisterung war schon verraucht, der materielle Notstand wuchs den Prinzipien schon über den Kopf, und so verlassen und so geschmälert, wie man jetzt war, liefs sich eine Durchführung des royalistischen Programms doch nicht mehr in Aussicht nehmen.

Die französische Regierung war

immerhin eine bessere geworden und konnte sich noch mehr verbessern ; vielleicht kehrte die französische Nation ganz freiwillig zur Monarchie zurück. Der fortgesetzte Kampf ruiniert Land und Leute ; wenn man sich amnestieren läfst , so werden Ruhe und Lebenslust

dahin zurückkehren ,

wo in so langer Dauer nur Leid

und Drang gewaltet haben. Solche Betrachtungen wogten hin und her ; Charette aber, dieser ganz nüchterne Philosoph , neigte sich alsbald zu dem Erreichbaren und Praktischen , und , wie er es in der Kriegführung stets gethan , so zog er auch in seiner Politik das Biegen dem Brechen vor . Es kam sonach zur Verabredung eines Waffenstillstandes und

Die Kriege der Vendée

56

über diesen hinaus zu einem Traktate. Am 12. Februar 1795 übergab Charette den

beauftragten Konventsdeputierten

vorschläge seiner Partei ,

die Friedens-

und nachdem man sich über sie geeinigt

hatte, wurde am 17. der Vertrag von La Jaunais abgeschlossen, *) in welchem den Vendéern so viel versprochen wurde , dafs sich an eine Erfüllung kaum glauben liefs. Ihrer Religionsübung und Priesterschaft wurde Schutz

zugesagt ;

sie

sollten zur Wiederaufrichtung

ihrer Wohnungen mit Geld unterstützt werden ; die Beschlagnahme ihrer in die Hände der Republikaner gefallenen Güter wurde aufgehoben ,

und

die Bons ,

welche von den Royalisten ,

zumal auf

Charette's Betrieb ausgegeben worden , löste man ein. Demgegenüber unterwarfen sich die Vendéer dem jetzigen Regierungssystem und der durch die Revolution bewirkten Gesetzgebung u. s. w. Schon das war viel , wenn aber in geheimen Zusatz-Artikeln auch noch die Wiederherstellung der Monarchie in Aussicht gestellt und die Auslieferung verheifsen wurde,**) -

der Kinder Ludwigs XVI. an die Vendéer so drängt sich wohl jedem Unbefangenen

die Überzeugung auf,

dafs hier nur durch den lockendsten . Köder

ein schnelles Resultat

erreicht,

werden sollte .

aber der Traktat nicht

gehalten

Charette war in dieser Sache nicht unbefangen , denn

ihn blendeten Selbstsucht und Eitelkeit, sein Anhang aber mochte meinen, dafs selbst eine nur teilweise Vollführung jener Zusagen dem ferneren Kampfe und Ruin immer noch vorzuziehen sei. Anders verhielt es sich mit Stofflet. Wenn auch einzelne seiner Unterführer sich unterwarfen , so wies er selbst doch die nun auch ihm gemachten Anerbietungen zurück und erliefs sogar am 2. und 4. März 1795 zwei seinen bitteren Unwillen ausdrückende Proklamationen, deren eine sich an die gegenwärtige Regierung der französischen Republik und die andere an diejenigen Vendéeführer wandte, die mit ersterer kapituliert hatten . ***) Der Konvent überzeugte sich hierdurch , daſs die östliche Vendée nur mit den Waffen zu bezwingen sei , zuversichtlicher ,

als

und schritt hierzu um so

Stofflets jetzige Isolierung das Unternehmen

gegen ihn erleichterte ; auch glaubte man ihm durch die Mittel der Bestechung viel Abbruch thun zu können . Die Republikaner nahmen nunmehr am 14. März St. Florent , am 16. Chalonne und befestigten diese Punkte so stark, dafs Stofflet's *) Moniteur 719. 720. - Guerres des Vendéens IV. 333 - 345. **) Berthre de Bourniseaux : Précis historique de la guerre civile de la Vendée II. 233-234. ***) Guerres des Vendéens IV.

386–394.

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796.

57

Versuche, sie zurückzuerobern, scheiterten. Bei Nantes bildete sich eine starke republikanische Kolonne und eine zweite hinter dem Layon, während Canclaux

selbst bei Thouars sein Hauptheer ver-

sammelte. Diese Abteilungen rückten aus allen Himmelsgegenden heran ; Stofflet sah , gleich den Gefangenen in jenem italienischen Kerker, die eisernen Wände, welche ihn zermalmen sollten, immer näher kommen . Seine Streitkräfte waren nur gering und welche Demoralisation wühlte schon in denselben ! Ein Teil sehnte sich nach Ruhe, der andere liefs sich bestechen ; die Unterführer schienen nicht mehr verlafsbar, die Mannschaften desertierten . Stofflet verlor die Volksgunst , weil dieses Volk seine Begeisterung und Kriegslust verloren hatte ; die Zeit und Stimmung des Vendéekrieges war aber vorüber.

Was blieb ihm , der an den Rand des Abgrundes gedrängt war , noch übrig , als der nutzlose Untergang oder eine Unterwerfung, die es ihm dann doch noch möglich machen konnte , seinem engeren Vaterlande irgend wie Dienste zu leisten. So ging er am 2. Mai nahe bei St. Florent auf die Stipulationen des Vertrages von La Jaunais mit ein ; *) ihn leiteten dabei weder Selbstsucht noch Eitelkeit, sein Herz ist wohl nie schwerer gewesen als in diesen Tagen.

Er hatte oft und viel geblutet und seine

letzte

Patrone verschossen ; wenn er sich jetzt auf der Bresche gefangen gab , so geschah es zumeist , damit das Blut seines Volkes nicht noch in einem letzten Verzweiflungskampfe nutzlos fliefsen möchte. V. Schlufsbegebnisse. Als auch die Streitmacht der östlichen Vendée sich unterworfen hatte, war der in Betrachtung stehende Bürgerkrieg beendet ; das was dann noch ferner geschah , zog die Vendéer nur in Mitwirkung und Mitleidenschaft und kann also noch kürzer als das bisherige dargelegt werden. Der französischen Republik kam es nur auf die Unterwerfung der Vendéer an ; wenn diese aber voll und verlafsbar sein sollte, so mufsten zunächst , so lange bis dort das Vertrauen fest stand , Grofsmut und Freigebigkeit walten. Der Konvent erfüllte also vorerst die offenen Zusagen des Vertrages von La Jaunais pünktlich und rücksichtigte auch sonst auf die Begriffsweise und Eigenart der Vendéer so viel, wie es sich mit den Gesetzen der Republik nur irgend vereinigen liess. So gewann er das Zutrauen dieses arglosen Volkes und trennte es von seinen Führern , denen doch nie ganz

*) Moniteur 945, 946.

Guerres des Vendéens V. 3-19.

58

Die Kriege der Vendée

zu trauen und noch weniger zu verzeihen war.

Auch diese wurden

jedoch momentan geehrt und dotiert ; Charette durfte sogar in Nantes feierlich einziehen und seine Eitelkeit voll befriedigen. Je mehr dies geschah in desto höherem Grade entfremdete er sich den Landleuten.

Für eine Änderung ihres Verhaltens mussten sich der

französischen Regierung , wenn sie erst wieder in voller Autorität stand, immer ein Vorwand darbieten , und die Zeit, in welcher sich das Blatt wenden würde , schien eben nicht fern zu liegen .

Wenn

sie noch schneller, als man geglaubt hatte, eintrat , so trug hierzu eine von England her für den französischen Royalismus eintretende Expedition das Meiste bei. England hatte den armen Vendéern zu der Zeit, wo sie seine Hülfe ersehnten , zweimal hohle Zusagen gemacht ; *) jetzt wo ihnen eigentlich nicht mehr zu helfen war, trat es für sie und überhaupt für den französischen Royalismus ein , Weise.

aber doch in mangelhafter

Ein aus Engländern und französischen Emigranten bestehendes Truppencorps landete nämlich am 27. Juni 1795 auf der Landzunge von Quiberon ; **) es brachte Geld , Schiefsbedarf und Gewehre und wurde

von

einer

Anzahl

sogleich anschlossen, gethan ,

diejenigen

bretagnischer Chouans ,

empfangen. Vendéer ,

die

sich

ihm

Dieses Ereignis war immer an-

welche sich nur aus

äufserer Not-

wendigkeit unterworfen oder in ihren Erwartungen getäuscht hatten, in das alte Fahrwasser zurückzuführen . Charette seinerseits sah sich zu dieser Zeit schon auf schiefer Ebene .

So lange Stofflet noch in Waffen stand, muſste, um jenem

ein Gegengewicht zu halten, Charette begünstigt werden ; als dieser Grund beseitigt war , schwand mehr und mehr jede Rücksicht für ersteren. Man fing an, ihn kurz und abweisend zu behandeln , und seine Vertrauensmänner in Paris benachrichtigten ihn sogar, dafs er persönlich gefährdet sei.

Sah

er seinen Friedensschlufs jetzt im

rechten Lichte , so mufste der Wunsch in ihm rege werden , jenen Fehler wieder gut zu machen.

Auch lockten ihn die Versprechungen

der Bourbonischen Prinzen , und schliesslich blieb seine Verbindung mit den Gegnern der Republik nicht ganz verborgen.

Er wurde so

vor ein unabweisliches Entweder - Oder gestellt , und der durch die Landung zu Quiberon gegebene Allarmschufs kam gerade zurecht, ihm sein Schwert wieder in die Hand zu drücken . *) Vergl. S. 173 des Aug.- und 274 des Sept.-Heftes . **) Quiberon Stadt auf der Spitze einer schmalen Landzunge im Departement des Morbihan.

59

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796. Stofflet

hatte

seine

Waffen

nur

äufsersten Notwendigkeit niedergelegt ;

unter

dem

Drucke

nachdem dies

einer

aber eiumal

geschehen war, widerstrebte es ihm , sie wieder zu ergreifen.

Doch

rifs ihn die Strömung der Begebnisse fort, und, vor die Alternative gestellt , gegen oder für seine Überzeugungen und Landsleute zu kämpfen, blieb ihm wohl nur das letztere übrig . Die französische Regierung war durch die Landung zu Quiberon überrascht und entsandte, ihren Folgen zu begegnen , so viel Truppen , als sie immer entbehren konnte, in die Bretagne. Das würde an sich noch nicht gefruchtet haben, wenn sich ihr nicht zwei andere überaus wertvolle Hülfsmittel dargeboten hätten . Das eine derselben gab die Vorsehung selbst : die Zwietracht und Kopflosigkeit des Gegners ; das andere schaffte der Konvent sich selbst, indem er dem General Hoche *) das Ober - Kommando im Westen anvertraute. Dieser, in voller Jugendkraft stehend, besafs die Achtung aller Parteien und stand auf dem Postament eines schon bedeutenden Selbst von Napoleon I ist er nachmals für einen Kriegsruhmes . echten Feldherrn und Helden anerkannt worden . **) Ludwig XVII war, in Folge der üblen Behandlung, die er in seiner Gefangenschaft zu erdulden gehabt, gestorben , und der nächstälteste Bruder Ludwig's XVI galt jetzt den französischen Royalisten als König.

Mit ihm stand Charette in Briefwechsel, aber gleich-

wohl blieb letzterer auf seine Führung der westlichen Vendéer beschränkt, und die zu Quiberon gelandete Expedition lag in anderen Händen. Ihr Anstifter und intellektueller Leiter war Joseph Graf Puisaye , ein Mitglied der Emigration und Vendéeischen Ursprungs ; wenn Alles nach ihm gegangen wäre , so würde die Expedition. vielleicht

bedrohlich geworden

sein .

Aber der eigentliche Ober-

befehl , zumal über die englischen Truppen, war dem Grafen Hervilly anvertraut, einem tapferen Soldaten, dem aber die Kunst der Heerführung abging. Diese beiden Führer der Expedition befanden sich in stetem Widerstreite mit einander, und es fehlte also an der Einheit des Kommandos . Hieraus erwuchs Zögerung, Schwäche, Zwiespalt, zuletzt Verwirrung und Mutlosigkeit das Alles einem Feldherrn wie Hoche gegenüber und vor einem Hintergrunde, in welchem

England mit gemischten Empfindungen stand

Zuweitgreifen dieser Diversion gar nicht wünschte.

und

ein

So kam es, dafs

*) Geboren 1768, im Kriegsdienste der Republik seit 1784 ; 1793 bei Kaiserslautern, 1794 gegen Wurmser ausgezeichnet, nachmals 1797 Oberbefehlshaber der Rhein- und Maas- Armee, starb aber in diesem Jahre. **) In seinen Memoiren von St. Helena. Elsner S. 516 .

60

Die Kriege der Vendée

nach

vielerlei

Versäumnissen und falschen

Schachzügen das Ex-

peditioncorps durch Hoche in jene Landzunge eingeprefst wurde und er endlich in der Nacht zum 21. Juli auch in erstere eindrang Hervilly fiel , Royalisten eine Niederlage beibrachte. Puisaye erreichte mit den Trümmern der Expedition die Schiffe und landete auf der kleinen Insel Houat *) , wo man ferneren

und den

Weisungen und Hülfen aus England entgegensah. **) Nach diesen Ereignissen war in Frankreich viel politische Hinund Herbewegung.

Die royalistische Partei agitierte mächtig , der

Konvent wurde zu Grabe getragen und statt seiner trat im Oktober 1795 ein Direktorium von 5 Mitgliedern an die Spitze.

Mit Preuſsen

war schon im April Friede geschlossen , mit Spanien , Hannover und Hessen-Kassel hatte man sich im Juli verglichen ; der Horizont wurde freier, aber hier im Innern nahm der Kampf noch kein Ende. Die Häupter der Vendée waren allerdings während des Kampfes um Quiberon unthätig geblieben , sie hatten ihres Stichwortes geharrt, und das war nicht gekommen.

Charette stand indessen doch schlag-

fertig und traf, einer neuen Expedition , berühren würde , gewärtig ,

welche die Vendéeküste

alle Vorbereitungen.

ordnete Hoche die wirksamsten Mafsregeln.

Dem gegenüber

Er brachte sein jetzt

wieder der Vendée zugewandtes Heer auf 24000 Mann und besetzte dann zunächst die Sevrenantaise an verschiedenen Stellen, um hierdurch jede Verbindung der westlichen mit der östlichen Vendée zu hindern ; andrerseits richtete sich seine volle Aufmerksamkeit auf Charette.

So lagen die Umstände ,

als wirklich unter

englischem

Schutz am 2. Oktober 1795 ein neues Emigranten - Corps an der kleinen Insel d'Yeu *** ) landete . Es brachte Truppen, Geld , Waffen , Munition und Lebensbedürfnisse , und ein Bourbonischer Prinz stand diesmal an seiner Spitze. neu belebt ,

Die ganze Vendée wurde durch dieses Faktum

und die royalistischen Führer setzten sich mit dem

Prinzen sogleich in Verbindung ; wenn man auf Seiten der Expedition selbst schnell und zweckdienlich gehandelt hätte, so würde auch ein so tüchtiger Feldherr wie Hoche

es

schwerlich

vermocht haben ,

diesen Ansturm gegen die Republik baldigst aufzuhalten .

Indessen

traf er doch mit gewohnter Umsicht und Energie seine Vorkehrungen , und diese richteten sich vorerst gegen Charette, da Alles daran lag, ihn von der Expedition fern zu halten. Charette stand mit etwa

*) 2 M. südöstlich von Quiberon. **) Thiers , Geschichte der französischen Revolution IV. 285-312. ***) Kleine Insel in der Höhe von St. Gilles und etwa 4 M. von der Küste.

gegen die erste französische Republik 1793 bis 1796.

61

10,000 Mann bei Belleville , *) und hierher rückte nun Hoche mit mehreren Kolonnen .

Aber sie trafen ihn nicht mehr dort , denn

Charette hatte sich, einer nicht ganz unrichtigen Spekulation folgend, nach Luçon gezogen .

Zu Belleville hatte er den vielvermögenden

Feind zwischen sich und der Expedition , die beide durch ersteren gehemmt werden konnten ; wenn er aber in den Süden ging, diesen neu insurgierte und den Feind hinter sich herzog ,

so

würde die

Expedition leichter auf den festen Boden der Vendée kommen und hier, durch alle Kräfte des Landes unterstützt, schnell vordringen. Dann bewegte sich Charette mit verstärkten Kräften nordwärts und der Feind kam zwischen zwei Feuer ; man würde die Ostvendée erreichen und endlich zu einem Angriffskriege gegen die Republik schreiten können . So konnte es kommen , wenn jeder Faktor der royalistischen Partei seine Schuldigkeit that ; aber diese Voraussetzung traf nicht zu. Die Expedition hatte einen allzuschutzlosen ersten Haltpunkt gewählt ; die gegenüberliegende Küste war überdies ganz flach und die Schiffe fanden vor ihr keinen Tiefgang, um sich genügend nähern zu können .

Die Landung war also schwer, wenn sie aber dennoch

hier stattfinden sollte, so mufste das schnell und ehe der Feind seine Gegenmafsregeln traf geschehen.

Dies ist versäumt worden ;

der

Prinz verlor seine Zeit mit Zweifeln und Berathungen, und Hoche handelte unterdessen sehr zweckdienlich . Er folgte für jetzt dem Partisanenchef nicht nach Lucon, sondern schlug d'Yeu gegenüber an der Küste ein verschanztes Lager auf; wenn die Expedition fern gehalten wird, so dämpft dies auch die Insurrektion im Süden und das Unternehmen gegen Charette kommt dann immer noch zurecht. Die Zwischenlinie an der Sevrenantaise wurde, um Charette zu isolieren, gefestigt, Verstärkungen wurden herangezogen u. s. w. — kurz es geschah hier viel, und das jenseitige Heerlager blieb müfsig. Die Expedition auf d'Yeu kam in üble Lage , denn ihre Vorräte verdarben und das Vertrauen zur Sache sank allen Beteiligten in dem Mafse, als sie sahen, dafs eine Landung an der Küste, welche vorher nur schwierig gewesen wäre, jetzt geradezu unmöglich war. Nachdem so die Expedition von d'Yeu auf dieser Insel sechs Wochen fruchtlos verweilt hatte , wurde ihr Aufenthalt daselbst unhaltbar, und sie ging am 15. November 1795 rückwärts unter Segel. liefs Instruktionen für die Insurgentenführer ,

Man

etwas Geld so wie

einige Munition zurück und versprach wiederzukommen ; das waren

*) 5 M. östlich von St. Gilles, ziemlich in der Mitte der westlichen Vendée.

62

Die Kriege der Vendée gegen die erste französische Republik etc.

nur Brocken und Schaum, und die unglücklicken Vendéeführer verkannten darüber nicht, dafs man sie preisgegeben hatte. Charette war ganz besonders schlimm daran , wurde bald verzweifelt .

und seine Lage

Kriegerisch hatte er jetzt nichts mehr in

Aussicht und auf einen Pardon war, nach allem Geschehenen , noch minder zu hoffen . Sein Vorstofs gegen die republikanische Verteidigungslinie an der Sevrenantaise mifslang, und Stofflet benahm sich zurückhaltend ; wenn er durch seine Terrainkenntnis und Geschicklichkeit den Operationen seines Gegners ausweichen konnte, so wufste der auch kriegspolitische Hoche ihm Weise beizukommen.

bald in anderer

Seine Kolonnen durchstreiften das Land, aber

nicht wie unter Turreau mit Brand und Mord , sondern nur zur Entwaffnung der Einwohner.

Dabei verfuhr man sehr glimpflich ,

nahm aber doch die Heerden und Getreidevorräte in Beschlag und gab sie, gegen Auslieferung der Waffen, alsbald zurück. Überdies sprach man den Einwohnern freundlich zu, erfreute sie durch zweckdienliche Gaben und half ihrer Feldarbeit. So schwand zuletzt jedes Mifstrauen dieser nur ihren nächsten Interessen gewidmeten Landleute, und sie sahen die vorher verabscheuten » Blauen « *) mit ganz anderen Augen an. Was konnte jetzt für Charette noch herauskommen ? sertion lichtete seine Reihen ;

Die De-

man warf ihm vor , dafs er vorher

einen Frieden ohne das Volk gemacht habe und jetzt einen Krieg gegen dessen Wunsch und Vorteil führe , und Alles verliefs ihn. Auf 200 Mann beschränkt, irrte er in den Wäldern umher, und jede Stunde konnte ihn in die Hände des Feindes geben , denen er nur durch seine Geschicklichkeit , noch kurze Zeit entging.

aber doch hülflos und hoffnungslos,

Stofflet entsagte unterdessen, ganz in die Enge getrieben, jedem ferneren Widerstande gegen die Republik, und in diesen Umständen endete der Krieg von 1795.

Hoche war nach Paris berufen worden,

und das Direktorium billigte seine dort vorgelegten Pläne.

Mit der

Ausübung einer Diktatur im Westen betraut , kehrte er im Januar 1796 zurück und fand Stofflet neuerdings in den Waffen .

Da in-

dessen das Entwaffnungs- und Beruhigungssystem Hoche's auch hier in Anjou zur Geltung kam , so ging es jetzt Stofflet fast eben so, wie es Charette gegangen war, und er wurde täglich hülfloser.

Von

den Republikanern umringt und von seiner eigenen Partei verraten, wurde er ergriffen und ausgeliefert ; dieses Faktum erst entwaffnete

*) Spitzname der republikanischen Soldaten in der letzteren Zeit des Vendéekrieges.

63

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten etc.

die Ostvendée völlig, und noch tiefer sank ihr Haupt auf die Brust, als Stofflet am 26. Februar 1796 zu Angers erschossen wurde . *) Charette fand keine Auswege mehr und seine Begleiter verminderten sich bis auf 50. Die Landleute sahen in ihm nur noch einen Ruhestörer und schützten ihn nicht mehr ; wie ein gehetztes Wild jagte er von Versteck zu Versteck und fiel endlich am 22. März in einen Hinterhalt. Man brachte ihn nach Nantes , wo er vorjährig triumphierend eingezogen war , und hier benahm er sich , seinen Richtern gegenüber , mit Würde und

Standhaftigkeit.

Er

wurde

am 29. März dort erschossen, und selbst seine Gegner fühlten wohl, dafs hier ein bedeutender Mensch aus der Welt ging. Er war der letzte dieser Heroen der Vendée, unter denen ein treues und tapferes Volk für seine höchsten Güter kämpfte , dennoch endlich demoralisiert und erdrückt zu werden .

um

Mit dem Tode Charette's war der ganze Vendéekrieg beendet ; die volle Unterwerfung dieses Volkes

erfolgte erst 1800.

Wenn

die Vendée dann 1812 , als Napoleon I. in Russland verunglückt war, obgleich erfolglos, wieder aufgestanden ist, und auch 1830 zu Gunsten der alten Dynastie in Bewegung kam , so scheint das zu beweisen , dafs bei all' seiner zeitgemässen Verwandlung doch im Kern und in der Tiefe des eigenartigen Vendéevolkes immerhin ein Rest jener Begriffe und Empfindungen verblieben ist, vermöge deren es zur Zeit der ersten französischen Revolution so heldenmütig zu kämpfen vermochte.

IV .

Die

preufsischen

Verbündeten

Husaren

Friedrich Jahren

bei

des

der Armee der

Grofsen

in

den

1758-1760 .

(Fortsetzung .) Der Feldzug des Jahres 1758 hatte auf dem westlichen Kriegsschauplatz in der Art seinen Abschlufs gefunden , dafs die französische Haupt-Armee unter Marschall Contades, etwa 50,000 Mann *) Thiers IV. 449.

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

64

stark, weitläufige Kantonnierungen zwischen Niederrhein und Maas inne hatte, und ein kleineres französisches Corps von etwa 25,000 Mann unter dem Prinzen Soubise zwischen Rhein und dem rechten Ufer des Main in Winterquartieren lag , während der ersteren gegenüber Herzog Ferdinand von Braunschweig mit kaum 40,000 Mann im Münster'schen zwischen Ems und Weser stand, mit Vorposten gegen den Rhein, von der holländischen Grenze bis Hamm, dem Prinzen Soubise gegenüber der Fürst von Ysenburg mit nur etwa 8000 Mann südwestlich von Cassel hinter der Eder. Von beiden Seiten war man eifrigst bemüht , für den neuen Feldzug Truppen und Material zu ergänzen. Doch blieb der französischen Armee mit

etwa 120,000 Mann immer eine fast er-

drückende Uebermacht gegen die schwachen Kontingente des Heeres der Verbündeten , das trotz aller Anstrengungen nur auf höchstens Die kriegerischen Opera75,000 Mann gebracht werden konnte. tionen des neuen Jahres 1759

begannen mit der Überumpelung

und Besetzung der freien Reichsstadt Frankfurt a/M. Prinzen Soubise am 2. Januar.

durch den

Die Franzosen erlangten hierdurch

eine sichere Verbindung mit der Reichsarmee in Franken , welche denn auch nicht säumte, gemeinschaftlich mit österreichischen Hülfstruppen starke Abteilungen nach Hessen zu entsenden. Dies veranlafste den Herzog Ferdinand, einerseits den Fürsten von Ysenburg mit einem Teile seiner Truppen näher der Fulda aufzustellen , ihn durch einige Schwadronen aus der Hauptarmee zu verstärken wozu 2 Schwadronen Husaren von Ruesch, welche, wie bekannt, bei Haltern, zwischen Münster und Wesel, standen, bestimmt wurden und gleichzeitig den Erbprinzen von Braunschweig stützung gegen Cassel vorgehen zu lassen.

zur Unter-

Fürst Ysenburg entsendetè am 27. Februar von Homberg aus den General v. Urff mit 4 Bataillonen Infanterie , 200 hessischen Jägern ,

600 Mann Kavallerie ,

100 hessischen Husaren

und den

beiden Schwadronen Husaren von Ruesch unter Major v. Stentzsch mit dem Auftrage, die Reichstruppen aus dem Hessischen zu vertreiben. Dieser General erreichte am 1. März Friedewald, von wo österreichische Truppen vertrieben und 1 Rittmeister und 20 Mann gefangen wurden . vorgerückt.

In den nächsten Tagen wurde bis gegen Vacha

Da der Feind in Folge dieser Unternehmungen das

hessische Gebiet eiligst räumte, so trat auch General v. Urff den Rückmarsch an und erreichte am 11. März wieder seine Kantonnierungen hinter der Eder.

Bald aber erschien der Feind aber-

mals im Hessischen, diesmal in der Gegend von Fulda und machte

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

65

dadurch energische Gegenmafsregeln nötig. Zu diesem Zwecke wurden Truppen unter dem Herzog von Holstein hierbei auch die 3. Schwadron von Ruesch

und unter dem Erbprinzen von

Braunschweig zu dem Heerteil des Fürsten von Ysenburg entsendet. Der Herzog von Holstein marschierte von Haltern vom 20. März an über Brilon und Corbach nach Fritzlar. Am 24. waren die 3 Abteilungen in der Gegend von Cassel vereinigt und Herzog Ferdinand übernahm persönlich das Kommando .

Noch an demselben

Tage brach die Avantgarde auf - 11 Bataillone, 4 Compagnien Jäger, 20 Schwadronen Dragoner, 2 Compagnien Jäger zu Pferde und 3 Schwadronen Husaren von Ruesch, deren Stärke auf 435 Mann angegeben wird - unter dem Erbprinzen von Braunschweig, und marschierte bis Melsungen.

Über Rotenburg , Hersfeld und

Schlitz traf sie

am

28. bei Fulda ein, erwartete dort das Hauptcorps und rückte am 30. dann noch bis Gersfeld . Am 31. teilte der Erbprinz die Avantgarde Melrichstadt , ging.

in

2 Kolonnen ,

die

deren

eine über Bischofstein nach

andere über Fladungen nach Kalten-Nordheim

An der Spitze der ersteren, die der Erbprinz selbst führte,

jagten die Husaren von Ruesch das feindliche Regiment Hohenzollern und 1 Bataillon Würzburg gegen Neustadt zurück und nahmen ihnen Gefangene ab. Am 1. April erschien der Erbprinz , zunächst nur mit 2 Bataillonen Grenadieren und den schwarzen Husaren , unerwartet vor Meiningen, nahm dessen Besatzung, 1 Bataillon vom Kur-Cölnischen Leib-Regiment und 1 Bataillon Elberfeld , sowie eine kleine Abteilung Kavallerie , und an demselben Tage noch das Kur-Cölnische Regiment Nagel in Wasungen gefangen und vereinigte sich dort wieder mit seiner zweiten Kolonne. Der aufgescheuchte Feind ging eiligst nach Schmalkalden, dann aber im Bogen nach Schleusingen zurück und entzog sich weiterer Verfolgung in der Richtung auf Bamberg. Der Erbprinz folgte bis Schleusingen und marschierte hierauf über Meiningen nach Fulda zurück, wo er am 8. April wieder eintraf; 2000 Gefangene, 6 Kanonen und die Erbeutung eines beträchtlichen Magazins

in Meiningen waren die Resultate dieses 10 tägigen Marsches, auf dem, unter fortwährenden Gefechten, fast 30 Meilen zurückgelegt und die Länder von Hersfeld und Vacha bis Würzburg und Bamberg hin von feindlichen Truppen gesäubert worden waren.

Inzwischen hatte eine Abteilung unter dem Herzog von Holstein , welche von Fulda aus gegen Marburg vorgegangen war, am 1. April französische Vortruppen bei Lauterbach getroffen . Ein Kommando von den schwarzen Husaren unter Lieutenant v. Usedom warf dort Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. XL1X., I. 5

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

66

die Volontärs d'Alsace ,

welche hierbei 1 Kapitän ,

1 Lieutenant

und 80 Gemeine an Todten , Verwundeten und Gefangenen verloren. Der Feind zog sich auch dort in seine Kantonnierungen zurück. Am 9. April hatten die Truppen Rasttag, schon am 10. aber brach Herzog Ferdinand, der nun seinen Rücken und seine linke Flanke unbedroht wusste, mit allen bei Fulda verfügbaren Truppen gegen die französische Mainarmee auf, welche in der Person des Herzogs von Broglie einen neuen Führer erhalten hatte. Er wollte diesem eine. Schlacht

anbieten , um entweder ihn über den Rhein zurück zu

werfen, oder wenigstens die französische Hauptarmee unter Marschall Conta des vom Niederrhein , wo sie Westphalen bedrohte, abzuziehen. In 3 Kolonnen trat die Armee den Marsch nach Frankfurt a/M . an:

auf dem rechten Flügel der Herzog von Holstein mit 6000 Mann,

in der Mitte der Erbprinz von Braunschweig mit 12,000 Mann, der Fürst von Ysenburg mit 10,000 Mann auf dem linken Flügel . Marsch über das Vogelsgebirge war äusserst beschwerlich ;

Der schon

am 11. stiefs man bei Birstein auf feindliche Vorposten, die sich zurück zogen ; spät Abends wurde Büdingen , am 12. die Gegend von Windecken erreicht. Die worden.

11 Meilen von Fulda

waren in 3 Tagen zurückgelegt

Am Morgen des 13. April führte Herzog Ferdinand seine kleine Armee dem feindlichen Heere entgegen ,

das ,

etwa 45,000 Mann

stark, in längst vorher ausgesuchter Stellung bei Bergen, 1 Meile Bei der Avantgarde , die der nordöstlich von Frankfurt , stand. Herzog persönlich führte, befanden sich die 3 Schwadronen von Ruesch Major v. Stentzsch ; die Armee folgte in 3 Kolonnen. Gleichzeitig mit einem über Vilbel vorgegangenen Jägercorps kamen die Husaren auf der Höhe vor Bergen an und hielten sich dort bis zur Ankunft der Infanterie , die alsbald zum Angriffe auf Bergen

unter

schritt. Während alsdann dieVerbündeten in wiederholten Angriffen sich vergeblich bemühten, den Feind aus seiner starken und für den Gegner völlig unübersichtlichen Stellung zu werfen, wurden die Husaren in die Reserve zurückgenommen und kamen nicht weiter in Thätigkeit. Die Schlacht selbst, in der die Verbündeten, aufser ihrer Minderzahl und den Terrainschwierigkeiten, Mangel

an

Geschütz

schwer

auch noch

empfinden

den fast gänzlichen

mufsten ,

welches

dem

schnellen Vormarsche in den schwierigen Gebirgswegen nicht hatte Herzog folgen können , endete nicht mit dem erhofften Siege. Ferdinand ging vielmehr mit einem Verluste von 2500 Mann und

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

67

5 Geschützen Nachts nach Windecken zurück, doch völlig unverfolgt. vom Feinde, der seine Stellung nicht zu verlassen wagte . Erst am

15.

trat der Herzog

den weiten Rückmarsch an.

Die Arrièregarde , der die Husaren von Ruesch zugeteilt waren , erreichte Marköbel, blieb

dort

am 16. stehen und ging am 17 .

nach Leydeck, am 18. nach der Gegend von Grünberg , Laubach und Schotten. An diesem Tage kam es zu einem hitzigen und beiderseits verlustreichen Arrièregardengefechte zwischen Reichelsheim und Bingenheim gegen ein den Verbündeten endlich nachfranzösisches Corps. Auch am Morgen des 19. fand ein gleiches Gefecht bei Grünberg statt, worauf die Verfolgung aber aufhörte. Herzogs Hauptquartier nach Ziegenhayn. wurden bis Fritzlar ausgedehnt.

Die

Am 22. kam des Cantonnierungen

Die Franzosen breiteten sich zwischen Hanau und Friedberg und bis zur Lahn bei Giefsen aus . Wenige Tage darauf traf der französische Obergeneral Marschall Contades aus Paris wieder bei der Armee ein , und es waren daher gröfsere Angriffsoperationen

Seitens desfelben bald zu erwarten. Der Marschall zog zu Anfang Mai seine Truppen , über 100,000 Mann , an 7 Punkten zusammen : in der Wetterau , bei Neuwied, Deutz, Düsseldorf, Wesel, Calcar und Walbeck an der Maas , und liefs

zwischen Wesel und Rees Brücken über den Rhein schlagen ;

alle

Anzeichen schienen anzudeuten, dafs er im Begriff stehe, den Feldzug in Westphalen zu eröffnen. Herzog Ferdinand beschlofs daher, auch seine Truppen wieder dorthin zu führen. von Fritzlar auf,

Am 17. und 18. Mai brach er aus der Gegend liefs dort nur den General V. Imhoff mit

16,000 Mann stehen und marschierte über Corbach und Brilon nach der Gegend von Hamm, in dessen Nähe das Hauptquartier blieb, während die Truppen in Kantonnierungen bei Coesfeld , Dülmen, Haltern, Lünen , Unna und Soest verlegt wurden. Am 22. begann die Vorbewegung der französischen Armee . Dieselbe ging aber nicht, wie man erwartet hatte, nach Westphalen, sondern von Düsseldorf über Siegburg nach Giefsen, wo am 2. Juni etwa 65,000 Mann unter Marschall Contades vereinigt wurden, mit denen der Marschall am 3. gegen Marburg vorging und in langsamen Märschen am 10. Corbach erreichte , während in seiner rechten Flanke ein 18,000 Mann starkes Reserve-Corps unter dem Herzog von Broglie über Homberg und Treysa gegen Cassel vor5*

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

68

rückte und der Marquis von Armentières mit 17,000 Mann von Wesel aus Münster bedrohte. Gegen den letzteren unternahm der Erbprinz von Braunschweig eine erfolgreiche Diversion, indem er am Abend des 3. Juni mit etwa 4000 Mann , darunter die Husaren von Ruesch, aus dem Lager von Unna aufbrach und die Nacht durch über Schwerte , AltHungen und Schwelm nach Elberfeld marschierte. Um 5 Uhr Morgens war die Avantgarde vor den Thoren, hob die Wache auf und

drang , von dem ganzen Corps dichtauf gefolgt ,

mutet

und schnell in die Stadt ,

dafs

so unver-

die feindliche Besatzung :

120 Mann vom Regiment Provence und etwa 30 Freiwillige von der Königlichen Legion, nicht Zeit hatte, unter's Gewehr zu kommen, sondern sich nebst allen Offizieren gefangen geben musste . Nur wenige

entkamen entkamen

nach

Mettmann ,

dessen

Besatzung,

weitere

200 Mann vom Regiment Provence, indessen wenige Stunden darauf gleichfalls kapitulieren musste . Dieser Überfall allarmierte alle französischen Besatzungen am Rhein und im Bergischen ; alle zogen sich eiligst auf Düsseldorf und Cöln zurück, wo man sogar die Geschütze auf die Wälle brachte und sich auf den Versuch eines feindlichen Rheinüberganges gefafst machte.

Unterdessen

durchstreiften die Husaren und leichten Truppen des Erbprinzen das Herzogtum Berg , machten noch viele Gefangene und trieben Kontributionen ein. Das Corps zog sich dann über Hattingen , Bochum und Dortmund zurück und vereinigte sich am 10. wieder mit der Armee. feld ,

Dülmen

Diese hatte inzwischen nur 9,000 Mann bei Coesund

General v. Wangenheim

zur

Deckung von Münster stehen lassen und wurde im Übrigen

Haltern

am

11. bei Soest versammelt. nach Anrüchte , diesem Tage

am

unter

Am 13. marschirte Herzog Ferdinand

14. nach Büren ,

ein Lager bei

während die Franzosen an

Stadtberge bezogen ,

so dafs beide

Heere sich nun in der Entfernung nur Eines Marsches schlagfertig gegenüberstanden. Als aber am 18. das Brogliesche Reservecorps in der linken Flanke der Verbündeten eintraf und Paderborn besetzte, so dafs deren Verbindung mit der Weser bedroht war, marschierte der Herzog

am

19.

mit der Armee bis unter die Kanonen von

Lippstadt und bezog am 20. ein Lager nördlich von Rietberg an der Ems . Marschall Contades erreichte am 24. Juni Paderborn , rückte am 29. bis in die Gegend von Lippspringe und seine Vortruppen breiteten sich immer weiter aus. Nachdem sie in Rheda ein kleines Magazin der Verbündeten genommen , wandte sich ein starke Abteilung der Husaren-Regi-

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

69

menter Barchini und Turpin gegen Gütersloh, um den mit 4 Schwadronen preufsischer Husaren, darunter die 3 Schwadronen von Ruesch, dort stehenden Oberst - Lieutenant v. Narszynski zu überfallen . Dieser aber, davon benachrichtigt, ging den Franzosen am 1. Juli entgegen, griff sie trotz ihrer Überlegenheit an, warf sie über den Haufen , hieb einige 30 Mann nieder und jagte die Übrigen in einen Morast, in welchem 1 Offizier und 72 Mann liegen blieben, die zu Gefangenen gemacht wurden.

Für diese That erhielten die

Husaren vom Herzog Ferdinand ein namhaftes Geldgeschenk : Major v. Stentzsch des Regiments von Ruesch 500 Thaler, 2 Lieutenants je 100 Dukaten, jeder andere Offizier 100 Thaler, jeder Unteroffizier 2, jeder Husar 1 Dukaten . Am 2. Juli besetzten die Franzosen Bielefeld und erschienen am 4. auf der Schildeschen Haide, zwischen Bielefeld und Herford. Der Übermacht weichend entzog sich Herzog Ferdinand der Umgehung seines linken Flügels, indem er nach Osnabrück zurück ging, das er am 8. Juli erreichte und wohin er auch den General v. Wangenheim aus dem Münsterschen heranzog. Inzwischen hatte sich aber durch das, bei weiterem Vorgehen des Feindes für diesen notwendig gewordene Zurücklassen von Besatzungen und durch Entsendungen das Stärke -Verhältnis derartig zu Gunsten der Verbündeten gebessert , dafs der Herzog , dem etwa 52,000 Mann zur Verfügung standen, hoffen durfte, gegen die nur noch etwa 60,000 Mann starke französische Armee mit Erfolg die Wiedergewinnung seiner bedrohten Verbindung mit der Weser, an der, zunächst in Nienburg, seine Magazine lagen , versuchen zu können . Um so dringlicher wurde dies , als am 8. Juli Marschall Contades Herford besetzte, der Herzog von Broglie am 10. Minden erstürmte und dadurch in den Besitz eines Hauptüberganges gelangte, der den Franzosen den Eingang in das Herz der hannöverschen Lande öffnete . Herzog Ferdinand schickte daher am 10. den Erbprinzen von Braunschweig mit 18,000 Mann nach Lübbecke und Hille und folgte am 11. mit der Armee bis Bohmte. von Minden erfuhr ,

liefs

Als er dort den Fall

er den Erbprinzen zur Deckung seiner

Flanke bei Diepenau stehen und ging mit der Armee am 13. nach Stolzenau an der Weser, zwischen Minden und Nienburg . Während dieses Marsches stiefsen die preufsischen Husaren , im Verein mit hannöverschen Jägern unter Major Friedrich , am 14. bei Diepenau auf eine Abteilung von 600 Mann feindlicher Kavallerie , die sie

70

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

zerstreuten wobei mehrere Offiziere nebst 180 Mann zu Gefangenen gemacht wurden. Inzwischen besetzten die Franzosen die Ebene von Minden, und ihre Streifparteien breiteten sich links bis Osnabrück, rechts bis In dieser Stellung wollte Marschall Contades Hannover hin aus . die Einnahme von Münster und Lippstadt abwarten, nach deren Falle die Eroberung der Länder links der Weser als vollendet gelten konnte. Herzog Ferdinand ging am 17. , mit Zurücklassung einer bei Abteilung unter General v. Wangenheim bei Stolzenau , welchem die Husaren von Ruesch verblieben, bis Petershagen dem Feinde entgegen , fand ihn aber in fast unzugänglicher Stellung und musste vom Angriffe abstehen . Am 22. kapitulierte Münster . Um nun wenigstens indirekt den Feind zum Aufgeben seiner Stellung bei Minden zu zwingen, in welcher er seine gesamte Zufuhr über Bielefeld und Herford aus Hessen bezog , entsendete der Herzog am 27. Abends den Erbprinzen von Braunschweig mit einem kleinen Corps über Lübbecke nach Bünde, wo dieser am 30. eintraf und so die Zufuhrstrafse der französischen Armee beherrschte und den Rücken derselben bedrohte.

Die Lage

drängte beider-

seits zur Entscheidung. Für den 1. August hatten daher beide Die Franzosen , Feldherrn den Angriff des Gegners beschlossen. denen zur Schlacht

etwa 50,000 Mann

zur Verfügung

standen,

wollten aus koncentrischer Stellung , die sie viertelkreisförmig nordwestlich von Minden eingenommen hatten, zuerst das Wangenheimsche Corps, welches bis Todenhausen und Kuttenhausen, dicht nördlich vor Minden, herangerückt war, werfen und dann dem Herzog Ferdinand selbst, der zwischen Hartum und Holzhausen , westlich Minden, stand, in die linke Flanke fallen . Dieser dagegen drang mit beiden getrennten Abteilungen koncentrisch gegen Minden vor und bewirkte die Vereinigung seiner zusammen etwa 42,000 Mann starken Truppen in der Ebene zwischen Halem und Todenhausen. Diese Bewegungen führten zu der Schlacht von Minden. Über die Teilnahme der 3 preufsischen Husaren an derselben fehlen leider genauere Angaben . Bekannt ist nur, dass, nachdem eine bei Malbergen aufgestellte französische Batterie, die den Verbündeten viel Schaden gethan hatte, von 3 hessischen Bataillonen , trotz heftigsten Feuers, gestürmt worden war, die hinter Malbergen zum Schutze der Batterie aufgestellte Infanterie, die Brigade Belsunce und die grenadiers de France ,

von preufsischer und hessischer

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

Reiterei ,

die

der Prinz

von Holstein und

der

71

General v. Urff

vom linken Flügel herbeiführten , über den Haufen geworfen und, unter Wegnahme von Trophäen und Gefangenen, bis an die rückAn dieser wärts gelegenen Höfe von Neuland verfolgt wurden. Attacke haben die 3 Schwadronen Husaren von Ruesch rühmlichen Anteil genommen.

Die

Schlacht

hatte erst gegen 8 Uhr Morgens begonnen . Wesentlich entscheidend war der denkwürdige Angriff 6 englischer Bataillone, die, ohne jede Unterstützung anderer Waffengattungen, Parade - Aufstellung , in völlig offenem Terrain und etwa 1500 Schritt weit einen Raum durchschreitend, der von den beiden.

in

grofsen Geschützaufstellungen vor der französischen Front kreuzend bestrichen wurde, gegen das von 63 Schwadronen der besten französischen Kavallerie gebildete Centrum der feindlichen Armee vorgingen , 3 Attacken derselben abwiesen , ohne im Avancieren inne zu halten, die

und

englische

so

die

Mitte des Feindes durchbrachen .

Kavallerie ,

welche

zunächst

stand ,

Hätte

unterstützend

ihre Schuldigkeit gethan , so hätte dies leicht den Untergang des gröfseren Teils der französischen Armee zur Folge haben können ; ihr Führer , Lord George Sackville , war aber selbst durch wiederholte Befehle nicht zum Angriff zu bewegen. Auch SO aber und und durch das wohlgeleitete , kräftige Eingreifen aller übrigen Teile ,

war schon bald nach 9 Uhr ein

glänzender Sieg errungen, um 10 Uhr der Feind in vollstem Rückzuge und genötigt, sich in grofser Unordnung in den Bereich der Festung Minden zu flüchten. Die Verbündeten hatten 151 Offiziere und 2460 Mann verloren , über die Hälfte davon allein die heldenmütigen 6 englischen Bataillone ; die Franzosen aber, nach eigenen Berichten, 6 Generale , 438 Offiziere, 6642 Mann, 26 schwere Kanonen , ohne die BataillonsStücke, 7 Fahnen und 10 Standarten. Gleichzeitig mit der Schlacht bei Minden hatte der Erbprinz von Braunschweig ein feindliches Corps ,

das südlich dieser Stadt

zur Deckung des Gepäcks und der Zufuhren für die französische Armee gestanden hatte, bei Gohfeld vollständig geschlagen.

Auf

diese Weise zwischen zwei Feuer gebracht, hielt Marschall Contades es nicht für ratsam, länger bei Minden zu verweilen, sondern überschritt die Weser und ging auf deren rechtem Ufer nach Cassel zurück, das er am 12. erreichte.

Herzog

Ferdinand ,

nachdem

Minden

schon

am

2. August

kapituliert hatte, marschierte ungesäumt über Bielefeld nach Paderborn, wo er am 9. eintraf.

Schon am 10. liefs er durch den Herzog

72

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

von Holstein mit einem gröfstenteils

aus Kavallerie

bestehenden

Abteilung , hierbei die 3 Schwadronen Husaren von Ruesch , den wichtigen Diemel-Übergang bei Stadtberge, 4 Meilen südlich Paderborn, besetzen , folgte am 13. dorthin mit der Armee und lagerte vor dem Defilée, an der Strafse nach Cassel, während der Herzog von Holstein sich bei Corbach, an der Marburger Strafse, aufstellte . Zur unmittelbaren Verfolgung des Feindes war von Minden aus der Erbprinz von Braunschweig mit 15,000 Mann entsendet worden. Dieser ging am 5. bei Hameln über die Weser, hatte dort und bei Halle unbedeutende Gefechte , beschofs bei Eimbeck den Feind mehrere Stunden lang, konnte ihm aber keinen wesentlichen Schaden thun und traf am 14. in Warburg wieder in der Nähe der Armee ein.

Herzog Ferdinand, der nun wieder über etwa 50,000 Mann

verfügte , Gegner

beschlofs aus

seiner

hierauf, Stellung

durch Bedrohung bei

Cassel hinaus

von Marburg den zu manövrieren .

Zu diesem Zwecke sollte am 17. des Feindes linke Flanke angegriffen werden ; er hatte aber schon in der Nacht seine dortigen Stellungen geräumt und so gelang es nur noch der Kavallerie des Herzogs von Holstein, an deren Spitze die 3 Schwadronen Husaren von Ruesch, vorwärts Naumburg, 3 Meilen südwestlich von Cassel, die feindlichen Posten aus Höringshausen und Sachsenhausen zu vertreiben. Naumburg war mit dem Grenadier-Bataillon Narbonne besetzt, welches nachdrücklichen Widerstand leisten zu wollen schien. Durch einen raschen Angriff der preufsischen Husaren und Dragoner aber wurden die feindlichen Pikets in die Stadt hineingeworfen , eine hessische Kavallerie-Abteilung ging dem Feinde in den Rücken und dieser wurde nun teils niedergehauen , teils - 342 Mann - gefangen genommen ; auch 2 Fahnen wurden erbeutet. Am 18. verliefs Marschall Contades seine Stellung bei Cassel , welche Stadt sich am 19. den Verbündeten ergab, und ging nach der Gegend von Marburg, die er am 23. erreichte. Hier verfügte er wieder über 70,000 Mann und schien entschlossen, in fester Stellung Herzog Ferdinand aber, der über seinen Rückzug zu beendigen. Corbach und Franzenberg marschiert war und am 24. bei Münchhausen, 1 Meile nördlich von Wetter , lagerte, entsendete den Erbprinzen von Braunschweig und den Herzog von Holstein mit den preufsischen Husaren und Dragonern über Wildungen abermals in des Feindes Flanke ; sie standen am 24. bei Rosenthal und AlbsDie Husaren und Dragoner des Herzogs von Holstein hausen. bestanden am 25. ein glückliches Scharmützel bei Schwarzenborn und befanden sich am 26. bei Bracht. Ein gelungener Überfall entriſs

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

73

den Franzosen am Morgen des 28. das feste Städtchen Wetter, was sie nötigte, auf das linke Ufer der Lahn zurückzugehen. Am 2. September wurden 500 Husaren, darunter die 3 Schwadronen von Ruesch, und 100 Jäger beauftragt, die feindlichen Posten bei Ober- und Nieder-Weimar, etwa 1500 Mann stark, zu vertreiben. Es gelang, sich unbemerkt in des Feindes linke Flanke und Rücken zu schleichen . Ein gemeinsamer Angriff von allen Seiten brachte ihn in gänzliche Verwirrung , 200 Mann wurden niedergehauen, 300 gefangen genommen, 1 Kanone erbeutet. Dieser erfolgreiche Angriff der Verbündeten veranlafste endlich den Marschall Contades, in den Tagen vom 3. bis 7. September nach Giefsen zurückzugehen . Nachdem am 11. auch das Schlofs von Marburg sich ergeben hatte, wurde nun die' ganze Armee der Verbündeten im Lager 1 Meile von Marburg, zu beiden Seiten der Lahn, vereinigt. Am 18. erhielten die 3 Schwadronen Husaren von Ruesch, nebst 2 Jäger - Compagnien, den Auftrag , Wetzlar zu nehmen und die Stellung des Feindes dahinter aufzuklären . Beim Anrücken der Preufsen

verliefs

liegenden Weingärten ,

der Feind die Stadt und besetzte die umwo

er von den Husaren nicht angegriffen

werden konnte. Die Jäger drangen zwar in die Stadt ein, wurden aber durch einige zur Unterstützung herbeieilende französische Bataillone

wieder verjagt .

Die Abteilung kehrte daher zur Armee

zurück, mit welcher Herzog Ferdinand am 19. die starke Stellung von Krofdorf, nördlich vor Giefsen, bezog ; er hatte hier freie Verbindung nach Hessen sowohl , wie nach Westphalen , und durfte hoffen , obgleich nur 44,000 Mann stark, den 64,000 Mann des Feindes die Spitze bieten zu können . Beide Heere blieben nun längere Zeit untätig einander gegenüber stehen. Inzwischen wurde die Belagerung von Münster nachdrücklich betrieben ; die Festung ergab sich den Verbündeten am 10. November. Hoffnung des Herzogs Ferdinand ,

Dagegen ging die

dafs die späte Jahreszeit den

Feind veranlassen werde , sein Lager aufzugeben, Winterquartiere zu beziehen und damit den Feldzug zu beendigen, nicht in Erfüllung. Vielmehr ergriffen die Franzosen , deren Führung in Folge des Mifsgeschicks von Minden , an Stelle des Marschall Contades dem bald darauf zum Marschall ernannten Herzog von Broglie übertragen worden war, im November nochmals die Offensive, diesmal in Verbindung mit einem württembergischen Corps , welches am 21. bei Fulda erschien und selbst Marburg und Cassel bedrohte. Gegen dieses wurde am 28. der Erbprinz von Braunschweig entsendet. Er verjagte den Feind am 29. aus Lau erbach und stand

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

74

am Morgen des 30. mit seiner , aus den preufsischen Dragonern, Husaren und Jägern bestehenden Avantgarde vor Fulda. Dort fand er den gröfsten Teil der Württemberger unvorteilhaft aufDer Erbprinz gestellt, mit dem Rücken an den Flufs gelehnt. wartete daher die Ankunft seiner übrigen Truppen ab und als diese gegen 9 Uhr eingetroffen waren , setzte er sich an die Spitze der Reiterei und rückte mit ihr zwischen dem Sulz- Berge und dem Dorfe Helmbach gegen den Feind vor, während die Infanterie in dessen linke Flanke geführt wurde. So in Front und Flanke gleichzeitig lebhaft angegriffen , wich der Feind eiligst durch die Stadt, schlofs die Thore und besetzte die Brücke über die Fulda. Der Erbprinz liefs den Württembergern aber nicht Zeit, sich jenseits des Flusses zu setzen ;

er sprengte die Thore, liefs durch die In-

fanterie die Brücke nehmen und veranlafste das feindliche Corps, auf verschiedenen Wegen den eiligsten Rückzug anzutreten. Ein Teil zog sich nach Hammelburg zurück ; 4 Bataillone aber wurden von den preufsischen Husaren und Dragonern eingeholt und mit solchem Ungestüm angegriffen , dafs sie nach kurzem Widerstande das Gewehr strecken mufsten ; 39 Offiziere und 1200 Mann wurden hier gefangen genommen, 2 Fahnen und 2 Kanonen erbeutet.

Der

Erbprinz rückte am 2. Dezember nach Blankenau, dann nach Herbstein und Lauterbach und am 4. nach Rupertenrod , auf halbem Wege zwischen Fluda und Giefsen.

Die hierdurch in ihrer rechten

Flanke bedrohten Franzosen gingen hierauf von Giefsen , jedoch eine starke Besatzung behielt , nach Friedberg , nördlich von Frankfurt am Main, zurück.

welches 3 Meilen

Bald darauf mufste Herzog Ferdinand dem Könige von Preufsen, der in dem Feldzuge des verflossenen Jahres und noch neuerdings bei Maxen und Meifsen schwere Verluste erlitten hatte, ein nicht unbedeutendes Truppen - Corps nach Sachsen zu Hülfe schicken . Seine numerische Schwäche machte nun für ihn eine weitere Offensive unmöglich.

Die Franzosen dagegen benutzten ihre fast zwie-

fache Überlegenheit zu vereinten Angriffsbewegungen von beiden Flügeln her , die endlich den Herzog Ferdinand nötigten, am 4 . und 5. Januar 1760 die 32 Monat lang behauptete Stellung von Krofdorf aufzugeben und sich nach Marburg zurück zu ziehen . In den nächsten Tagen bezogen dann quartiere :

beide Heere Winter-

die Franzosen zum kleineren Teile zwischen Frankfurt,

Giefsen und Neuwied,

hinter

der Lahn, zum gröfseren links des

Rhein ; die Verbündeten seit dem 22. Januar in Westphalen , bei Osnabrück, Münster und Paderborn ; ein kleines Corps in Hessen, nörd-

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

75

lich von Marburg. Das Ergebnis des 13 monatlichen Feldzuges war also , dafs die Franzosen keinen Fufsbreit Landes dauernd genommen, vielmehr sogar noch einen Teil von Hessen und Nassau verloren hatten. Das zur Unterstützung des Königs unter Kommando des Erbprinzen von Sachsen abgeschickte Corps bestand aus 13 Bataillonen und 29 Schwadronen, darunter die 10 preufsischen Dragoner- Schwadronen und die 3 Schwadronen Husaren von Ruesch. Es brach am 9. Dezember von Rupertenrod auf, marschierte über Hersfeld und Sontra nach Wanfried an der Werra und erreichte über Erfurt, Gera und Chemnitz am 28. die Armee des Königs bei Freiberg, kam aber dort nicht mehr zum Gefecht und kehrte, unter Zurücklassung der Dragoner, Ende Februar 1760 wieder zur Armee nach Westphalen zurück. Herzog Ferdinand von Braunschweig hatte während des Winters von 1759 zu 1760 zur Deckung seiner Quartiere im Osnabrückschen , Münsterschen , Lippeschen , Paderbornschen und in der Grafschaft Mark und Ravensberg Abteilungen ins Hessische bis an die Linie Dillenburg - Marburg - Hersfeld - Vacha - Eisenach vorgeschoben. Als Reserve für den linken Flügel dieser Vorposten stand General v. Gilsa mit 5 Bataillonen , 6 Schwadronen und den im Februar aus

Sachsen wieder zur Armee der Verbündeten zurückgekehrten

5 preufsischen Husaren- Schwadronen bei Eschwege an der Werra. Die Ruhe in den Winterquartieren wurde nicht gestört .

Man

war eifrig bemüht, die Truppen zu ergänzen und neu auszurüsten. So hatte jede der preufsischen Husaren- Schwadronen nach einem Rapporte von April 1760 4 Unteroffiziere und 76 Husaren über den Etat; ihre Gesamtstärke wird auf 1000

Pferde

angegeben .

Gleichwohl standen dem Herzog Ferdinand für den Wiederbeginn der Feindseligkeiten nur etwa 70,000 Mann zur Verfügung, während die französische Armee auf nahe 150,000 Mann gebracht worden war .

Leider

sind genauere

Angaben

über

die Anteilnahme der

5 preufsischen Husaren- Schwadronen an den Operationen des Feldzugs von 1760 fast gar nicht zu ermitteln gewesen. Es kann daher hier nur eine gedrängte Uebersicht der Kriegsereignisse gegeben und dabei jedesmal erwähnt werden, wenn die Husaren nachweislich daran beteiligt waren. Als die Franzosen gegen Mitte März sich im Fuldaschen zu verstärken

schienen ,

rückte

General v. Gilsa mit

seiner Abteilung

76

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

ihnen über Schlüchtern bis Hanau entgegen ; der Feind wich aber wieder zurück. Im April begann Herzog Ferdinand seine Truppen zu versammeln.

Seit dem 20. Mai standen : das Gros, etwa 32,000 Mann,

bei Fritzlar, General v. Imhoff mit etwa 10,000 Mann bei Kirchhayn, General v. Gilsa mit etwa 9000 Mann, darunter die preuſsischen Husaren bei Hersfeld, endlich General v. Spoerken mit etwa 19,000 Mann zwischen Münster und Hamm. Der grofsen Ueberlegenheit des Feindes gegenüber war Herzog Ferdinand

auf die strengste Defensive gewiesen.

Die Linie der

Ohm schien den ersten geeigneten Abschnitt zur Verteidigung der hessischen Lande zu bieten. Bevor er diese Linie selbst aber besetzte, war der Herzog bemüht , durch zahlreiche Unternehmungen des kleinen Krieges ,

welcher namentlich seit Anfang Juni in der

Gegend von Fulda unter Leitung des Erbprinzen von Braunschweig und bei reger Beteiligung

der leichten Truppen,

preufsischen Husaren ,

grofser Lebhaftigkeit

mit

diejenige Richtung zu ermitteln ,

also auch der geführt

wurde,

welche der Angriff des zwischen

der unteren Lahn und der Fulda langsam sich sammelnden Feindes nehmen würde. Diese Absicht wurde jedoch so wenig erreicht, dafs es vielmehr dem französischen Oberkommandierenden, Marschall Herzog v. Broglie , gelang mit seiner Hauptarmee, in Stärke von fast 100,000 Mann, die Ohmlinie überraschend zu erreichen und trotz der verspäteten und mit ungenügenden Kräften versuchten Gegenmafsregeln des Herzogs Ferdinand am 24. Juni bei Nieder-Ufleiden zwischen Homberg und Schweinsberg zu überschreiten .

Gleichzeitig

rückte ein französisches Corps von etwa 30,000 Mann unter dem General Graf v. Saint- Germain von Düsseldorf her über Dortmund und Arnsberg gegen Cassel heran .

Beide Heerkörper erstrebten

offenbar ihre Vereinigung in der Gegend von Corbach, und es wäre dadurch nicht nur Hessen gefährdet, die Verbindung der Verbündeten mit der Weser bedroht, sondern auch der General v. Spoerken bei Hamm abgeschnitten worden. Herzog Ferdinand war am 26. Juni nach Ziegenhain marschiert.

Als nun in den ersten Tagen

des Juli die französische Hauptarmee über Frankenberg gegen Corbach hin langsame Fortschritte machte, ging der Herzog am 9. nach Wildungen und schickte von dort aus, während er selbst bis Sachsen folgte , den Erbprinzen von Braunschweig dem General Graf v. Saint-Germain entgegen , der inzwischen Corbach schon erreicht hatte. Dort kam es am 10. Juli zu einem mit grofser Tapferkeit gegen die Uebermacht geführten Gefechte, an dem auch

Friedrich des Grofsen in den Jahren 1758-1760.

77

die preufsischen Husaren Anteil nahmen , welches jedoch die Vereinigung der vermochte.

beiden

feindlichen

Heere nicht mehr zu hindern

Die Unthätigkeit der Franzosen nach diesem Erfolge gewährte gleichwohl dem General v. Spoerken Zeit und Gelegenheit, seine Truppen an das Gros der Verbündeten heranzuführen. Erst als der Feind durch weit ausholende Bewegungen die Armee der Verbündeten auf beiden Flügeln zu umfassen drohte, ging Herzog Ferdinand am 25. Juli nach Wolfshagen und in den nächsten Tagen nördlich gegen die Diemel zurück. Das heftigere Drängen der Franzosen auf deren linkem Flügel, wo ein Corps unter dem General du Muy schon Warburg besetzt hatte, nötigte demnächst den Herzog hinter die Diemel auszuweichen , wodurch allerdings Cassel, sowie überhaupt ganz Hessen dem Feinde überlassen blieb. Der General du Muy dagegen wurde durch den Erbprinzen von Braunschweig am 31. Juli bei Warburg angegriffen und in siegreichem Gefechte, bei dem auch die preufsischen Husaren mitwirkten , über die Diemel zurückgewiesen . Dieser Flufs bildete nun für längere Zeit die Grenze, hinter der beide Feinde beobachtend stehen blieben. Die Verbündeten deckten durch eine Aufstellung , welche sich zu beiden Seiten der Weser von Stadthagen über Warburg und Beverungen bis in die Gegend von Eimbeck erstreckte, Westphalen und Hannover ; der Feind vermied es, direkt angriffsweise vorzugehen .

Da-

gegen versuchte er abermals , seine Uebermacht auszunutzen, indem er durch Bedrohung beider Flügel der Verbündeten den Herzog Ferdinand zu weiterem Zurückgehen zu veranlafsen hoffte .

Einer

Demonstration der Franzosen gegen den Reinhardswald liefs der Herzog

ein Corps

entgegen treten ,

einigen Jäger-Compagnien,

welches aus

6 Bataillonen ,

4 Schwadronen und den preufsischen

Husaren bestand. Am 10. August über Trendelburg vorgehend , fanden die Husaren den Wald von etwa 1500 Franzosen besetzt. Nur die Kavallerie und die Jäger waren gefolgt die Linien- Infanterie hatte sich verspätet.

Unbedenklich aber nahmen die am

Feinde befindlichen Truppen das Waldgefecht an und bestanden es so ehrenvoll, dafs sie 300 Gefangene machten, 3 Kanonen nahmen und das haltbare Schlofs Sababurg eroberten.

Trotz ihrer grofsen Ueberlegenheit wagten die Franzosen keine energische

Offensive ;

22. August mit

der

Herzog

seinem Gros

von

Broglie

ging

sogar

am

bis in die unmittelbare Nähe von

Cassel zurück. Im Laufe des September fanden daher nur unbeSo überfiel am deutende Gefechte der leichten Truppen statt.

Die preufsischen Husaren bei der Armee der Verbündeten

78

6. September der Erbprinz von Braunschweig das Städtchen Zierenberg ,

nahm 2 Generale und

2 Kanonen.

400 Mann gefangen und

eroberte

Auch hierbei waren die preufsischen Husaren beteiligt .

Die leichten Truppen der Verbündeten streiften sogar bis über die Eder. Die thatlose Unentschlossenheit des Feindes liefs in Herzog Ferdinand den Plan entstehen, durch eine mächtige Diversion nach dem Niederrhein die Franzosen zur Räumung der hessischen Lande zu veranlassen. In gröfster Heimlichkeit wurden daher in den letzten Tagen des September 26 Bataillone, 18 Schwadronen , sowie die 5 preufsischen Husaren- Schwadronen auf Büren und Soest in Marsch

gesetzt ,

deren Kommando

demnächst der Erbprinz von

Braunschweig übernahm und mit ihnen, dem Feinde völlig unerwartet, über Unna am 1. Oktober vor der von den Franzosen nur schwach besetzten Festung Wesel erschien.

Die leichten Truppen

gingen ohne Aufenthalt über den Rhein , überfielen am 3. Oktober Cleve und hinderten jeden Zuzug an Verstärkung in die Festung . Der Beginn der Belagerung Wege ,

wurde leider

durch

die

grundlosen

welche die Heranschaffung der schweren Geschütze

aus

Münster sehr erschwerten, verzögert und konnte erst in der Nacht vom 10. zum 11. eröffnet werden .

Mittlerweile war das Corps des

Erbprinzen von Braunschweig auf 45 Bataillone und 30 Schwadronen verstärkt

worden .

Aber auch der Herzog von Broglie hatte in-

zwischen, nachdem er am 30. September den Plan der Verbündeten erkannt, den Marschall Marquis de Castries mit zahlreichen Truppen von Cassel über Cöln entsendet, um, nach Heranziehung bedeutender Verstärkungen , welche gerade damals aus Frankreich am Rhein eingetroffen waren, die bedrohte Festung zu entsetzen. Am 12. Oktober hatte derselbe 31 Bataillone und 32 Schwadronen bei Neuss vereinigt und marschierte nun mit diesen weiter nach Wesel.

Der

Erbprinz von Braunschweig beschlofs, dem Feinde entgegenzutreten . Er liefs

daher bei

Genderich ,

eine

halbe Meile

unterhalb der

Festung, eine Schiffbrücke über den Rhein schlagen, die aber erst nach mehrtägigen , fertig wurde.

durch Stürme erschwerten Versuchen am 14 .

Und auch diese rifs am 15. , als erst 18 Bataillone

und 16 Schwadronen den Flufs überschritten hatten , so dafs der Erbprinz sich nun doppelt überlegenen feindlichen Kräften gegenüber sah , hinter sich den Strom und eine feindliche Festung, aber keine Brücke. Bei Kloster Camp , etwa eine Meile westlich von Rheinberg, kam es am 15. Oktober zum blutigen Gefecht, an dem auch die preufsischen Husaren- Schwadronen beteiligt waren,

79

Grundsätze für die Feuerleitung einer gröfseren Anzahl etc

welches aber, trotz aller Tapferkeit der Verbündeten , dennoch mit deren Rückzug nach der

zerrissenen Rheinbrücke endete.

Diese

wurde am 17. wieder hergestellt und am 18. der Uebergang auf das rechte Ufer im Angesichte des Feindes ohne Verlust ausgeführt .

Die nunmehr aussichtslos gewordene Belagerung von Wesel

mufste

aufgehoben

nach Münster Erbprinz

werden ;

die

zurückgeschickt.

Belagerungsgeschütze

Bis

von Braunschweig noch

wurden

zum 28. Oktober blieb der

bei Büren stehen , nur 1 Meile

östlich von Wesel, und auch dann ging er nur 2 Meilen weiter zurück bis Schermbeck. In der zweiten Hälfte des November führte er

endlich

seine Truppen in die

Marschall Marquis

de Castries ,

Winterquartiere bei Coesfeld .

obgleich auf 55 Bataillone und

56 Schwadronen verstärkt, wagte keine Angriffsbewegung, sondern bezog auch Rheinufer.

seinerseite

Kantonnierungsquartiere

auf dem linken

1

I

Während dieser ganzen Zeit war die französische Hauptarmee unthätig in der Gegend von Cassel verblieben ; nur wurde zu Anfang November noch die Stadt Göttingen besetzt.

Herzog Ferdinand,

der seine Stellung hinter der Diemel behauptet hatte, und dessen Truppen zwischen Trendelburg und Scherweda standen , versuchte

t gegen Ende November den Franzosen Göttingen wieder zu entreifsen . Das fortdauernd ungünstige Wetter und die in Folge dessen unter den Truppen ausbrechenden Krankheiten nötigten jedoch nach etwa 14 Tagen zur Einstellung aller Operationen. So wurden denn auch auf diesem Teile des Kriegsschauplatzes gegen Mitte Dezember beiderseits die Winterquartiere, ziemlich in den bisherigen Stellungen, bezogen.

(Fortsetzung folgt.)

√.

Grundsätze für die Feuerleitung einer gröfseren Anzahl

von Geschützen

in

Forts ,

Anschlufs-

oder Zwischen batterien .

Bestimmte Gesetze und Regeln lassen sich für die Feuerleitung ebensowenig aufstellen , wie für

die Kriegskunst im Allgemeinen.

80

Grundsätze für die Feuerleitung einer gröfseren Anzahl

Die Situationen des Kampfes sind zu verschieden, keine gleicht der anderen. Die Wissenschaft kann nur gewisse Anhaltspunkte und Grundsätze aufstellen, die das Wesen der Sache charakterisieren und den Weg zum Richtigen zeigen . Die

Hauptsache

bleibt

immer

das

schnelle

Erkennen

der

Situation, schnelles Fassen eines, wenn auch nicht immer richtigen Entschlusses , energische Durchführung desfelben ,

Ruhe und

Be-

sonnenheit bei eintretenden Wechselfällen, mögen sie günstige oder ungünstige sein . Die Grundsätze für die Feuerleitung gröfserer Artillerie-Massen im Kampfe um moderne Festungen sind noch in der Entwicklung begriffen. *)

Die Geschichte des Festungskrieges bietet kein genügen-

des Material, um diese so wichtige Frage zu einem ähnlichen Abschlufs zu bringen , wie es bei der Feld- Artillerie in Folge der reichen Erfahrungen, besonders der des letzten Feldzugs, möglich war. Und doch ist

die

Kriegskunst.

Kriegsgeschichte

die

einzig

richtige Lehrerin

der

Besonders bei Aufstellung von Grundsätzen für die

Feuerleitung ist sie ganz unentbehrlich, denn gerade vom ArtillerieKampf lässt sich bei Friedensübungen kaum ein richtiges Bild geben . Da die Geschichte des Festungskriegs, wie hervorgehoben, genügendes Material nicht liefert , so soll versucht werden , die Geschichte. des Feldkriegs mit ihren so reichen Erfahrungen, so weit es geht, heranzuziehen. Wenn schon die in neuerer Zeit immer mehr und mehr in den Vordergrund tretende Ansicht ihre volle Berechtigung hat, dafs die taktischen Grundsätze des Festungskrieges im grofsen Ganzen dieselben sind, wie die des Feldkrieges, so mufs dies im erhöhten Maſse für den Kampf der Artillerie gegen Artillerie gelten.

Die aktiven

Kampfmittel sind im Grunde genommen im Feldkrieg wie im Der Unterschied liegt hauptsächlich Festungskrieg sehr ähnlich . nur in den Gewichtsverhältnissen und in der Qualität der Wirkung. Erstere kommen aber in der Hauptsache nur für die Periode vor dem Kampfe, also in der Entwicklung zum Gefecht in Frage , und letztere können nicht zur Annahme anderer Grundsätze für den stehenden Kampf, um den es sich hier nur handelt, veranlassen . Dafs die Aufstellung der Kampfmittel in beiden Fällen nach analogen Grundsätzen erfolgt, ist zur Genüge bekannt.

Die gröfsere Schwie-

rigkeit, die das Beschiefsen der Ziele im Festungskrieg bietet, wird

*) Der Entwurf zu einer Feuerleitung in Festungen war zur Zeit, als diese Zeilen niedergeschrieben wurden, noch nicht erschienen.

81

von Geschützen in Forts, Anschlufs- oder Zwischenbatterien.

dadurch wieder etwas ausgeglichen , dafs sich die Artillerie hier besserer Beobachtungs-Mittel bedienen kann und mit dem Terrain vertrauter entweder schon ist oder im Laufe des Kampfes wird. Man denke sich den Kampf von zwei gegnerischen ArtillerieMassen, die sich beide an taktische Stützpunkte anlehnen, welche je nach dem Kampfplatze befestigte Dörfer, Feld- bezw. provisorische Schanzen oder Forts sein mögen .

Beide Artillerien werden einmal

aus gedeckten Feldgeschützen , dann aus feldmäfsig bespannten Positionsgeschützen und schliesslich aus Festungsgeschützen bestehend gedacht.

Wer will dann die Grenze angeben , wo die Taktik des

Feldkriegs aufhört, und diejenige des Festungskriegs anfängt ?

Oder

wer wäre im Stande zu sagen : Hier mufs die Feuerleitung nach den einen, hier nach den anderen Grundsätzen stattfinden ? Hatte man es bei Plewna mit der Taktik des Feld- oder Festungskriegs zu thun ? Ist die Thätigkeit der Fufs-Artillerie, wenn sie in innigster Verbindung mit der Feldarmee auftritt , eine Aktion des Feld- oder Festungskriegs ?

Niemand vermag hierin die Grenze zu ziehen , man

handelt eben in allen Fällen nach den allgemeinen Grundsätzen der Taktik, die sich immer und immer wieder bewahrheiten , die nur manchmal durch eine lange Friedensthätigkeit bei Seite geschoben werden können , um sich im Felde ihr Recht von Neuem zu erobern. Eine Erklärung des Ausdrucks

»Feuerleitung

Reglement für die Feld -Artillerie zu entnehmen.

ist aus dem

Es heifst daselbst :

>> Die Feuerleitung erstreckt sich auf die Feuerordnung und Feuergeschwindigkeit, auf die Art des Einschiefsens gegen bestimmte Ziele oder Terraingegenstände und auf die Vereinigung bezw. Verteilung des Feuers . > Im Kriege ist Alles einfach, aber das Einfache ist schwer ! >Das Hauptmittel zur Erlangung einer guten Feuerleitung ist eine Dieselbe mufs ganz im Sinne der für die

gute Befehlsgebung.

höheren Truppenführung geltenden Bestimmungen stattfinden. Die höheren Artillerie-Commandeure dürfen an nicht mehr untergebene Behörden Befehle richten, als unbedingt erforderlich . Während der Abteilungs-Commandeur seinen einzelnen Batterien Befehle erteilt, rechnet der Regiments- Commandeur nach Abteilungen, der BrigadeCommandeur nach Regimentern und Abteilungen u. s. w.

Je gröfser

die Artilleriemasse ist , desto kürzer und allgemeiner werden die Befehle sein müssen , welche der sie leitende höhere Artillerie- Führer

von Geschützen in Forts, Anschlufs- oder Zwischenbatterien. erteilt.

85

Die nächste Kommandostelle fügt die ihr nötig erscheinende

weitere Präzisierung hinzu , und das Detail der Ausführung fällt schliefslich dem Kommandowort des Batterie-Chefs anheim. Jedem bleibt dabei Befugnis.
In seinen Befehlen an die Gruppen-Commandeure Brigade-Commandeur nur haben. >Der Commandeur der Artillerie « ,

ist daselbst

heifst es ,

zum Ausdruck

> befiehlt

die

allgemeine Feuerordnung , die nur die Ziele (Aufgaben) für die Abschnitte ev. Gruppen enthält. «< Ferner : » Der Abschnitts-Commandeur arbeitet die Feuerordnung im Detail aus und bestimmt die Zielobjekte für die einzelnen Geschützaufstellungen und Batterien < ; der Gruppen-Commandeur befiehlt schliesslich die Zielpunkte innerhalb des Zielobjekts. Es wäre

vielleicht besser ,

wenn der Abschnitts-Commandeur

noch nicht soweit ins Detail ginge ; es scheint dies, wie aus anderen Stellen des Entwurfs zu entnehmen ist, wohl auch nicht beabsichtigt zu sein, wenigstens erfordert der später aufgestellte Grundsatz, dafs jede Gruppe die ihr erteilte Aufgabe selbstständig lösen soll , vollste Freiheit des Handelns für den Gruppen-Commandeur. Bezüglich der Befehlsgebung

möchte

ich

noch

allgemeine Grundsätze und Erfahrungen hinweisen.

die

auf folgende Die Erfahrung

lehrt, dafs jeder Befehl, der mifsverstanden werden kann, auch missDaher ist eine Ausdrucksweise zu wählen , die verstanden wird. Ebenso ist es eine alte Erfahrung , dafs

jeden Zweifel ausschliefst.

dasjenige , was man voraus zu sehen glaubt , gewöhnlich nicht eintrifft .

In dem Bestreben,

alle möglichen Fälle vorhersehen ,

und

dafür Verhaltungs- Mafsregeln geben zu wollen , wird man gewöhnlich das Falsche vorhersehen und den Untergebenen durch unnötige Bestimmungen in seinen Handlungen nur einschränken und verwirren. Das Wort » wenn « darf in keinem Befehle stehen. 3 ) Die Vorbereitungen zum Kampfe müssen in Rücksicht auf eine sofortige Erwiderung des feindlichen Feuers derart getroffen sein , dafs jeder beim Beginn des Kampfes weifs , was er zu thun hat. Es mufs also jedem Abschnitte und jeder Gruppe ein bestimmter Terrain- Abschnitt zugewiesen werden, innerhalb dessen er die darin auftretenden Ziele zu beschiefsen hat. Diese Abschnitte bleiben solange als nur irgend möglich dieselben , nur in ausnahmsweisen Fällen ist gegenseitiges Übergreifen gerechtfertigt . Der Gruppen Commandeur verfügt demnächst innerhalb des ihm überwiesenen Terrain -Abschnitts über seine Batterien .

Ihm wird haupt-

sächlich die spezielle Wahl der Ziele , die Feuerverteilung auf dieselben, überhaupt die Art der Bekämpfung der Batterien zufallen. Somit ist für gröfsere Artillerie-Massen eigentlich die Gruppe die taktische rechnet.

Einheit ,

mit

welcher

der Commandeur

der

Artillerie

von Geschützen in Forts, Anschlufs- oder Zwischenbatterien.

Oberstlieutenant Hoffbauer sagt hierüber :

89

>> Mit Rücksicht auf

die vorgekommenen Friktionen gehört vor Allem hierher (die Feuerleitung ist gemeint) die systematische Abteilung des zu beschiefsenden Raumes , gewöhnlich durch Linien in Richtung der Schufslinie in bestimmte Abschnitte, welche den einzelnen Brigaden , Regimentern , Abteilungen u. s. w. zugewiesen werden. >Im Kampfe gegen die feindliche Artillerie mufs diese stets auf der ganzen Linie beschäftigt werden , gegen einen Teil der Batterien aber wird stets ein überlegenes Feuer gerichtet , sei es nun , um sie zu vernichten , sei es , um eigene Batterien vor Vernichtung zu bewahren. > >>

Im Ganzen 20 Kavallerie- Divisionen. Aus der

ungewöhnlich

(7 Regimenter und

starken

1 selbstständige

2.

Garde-Kavallerie- Division

Schwadron) werden

bei der

Mobilmachung 2 Divisionen formiert, *) sodafs im Kriege im Ganzen 21 Kavallerie-Divisionen vorhanden sind , deren jede aus 2 Brigaden (die 2. Garde-Kavallerie-Division aus 3 Brigaden) zu je 2 Regimentern *) Dieser Division gehört das kombinierte Leib- Garde-Kasaken- Regiment an, aus welchem im Kriege die oben erwähnten 2 Regimenter gebildet werden, sodafs die Division ungeteilt alsdann 8 Regimenter zählen würde , was selbstredend zu viel wäre.

138

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

(nur die Garde-Kürassier- Division, zu der die Leib-Garde-Ural- KasakenSchwadron tritt , und die 1. kaukasische Kasaken-Division , welche 5 Regimenter zählt, sind stärker) und 2 reitenden Batterien bestehen (die beiden kaukasischen Kasaken-Divisionen haben nur je 1 Batterie). Wie hinsichtlich der Stärke ist , nachdem bis auf die wenigen Garde-Regimenter Russland nur noch Dragoner und Kasaken (bezw. Reiter, was auf dasfelbe hinauskommt) besitzt , eine Gleichheit der Divisionen auch betreffs ihrer sonstigen Zusammensetzung vorhanden . Es bestehen :

Die Garde-Kürassier-Division , ihrem Namen entsprechend , aus den 4 Garde-Kürassier- Regimentern und der oben genannten LeibGarde- Ural-Kasaken- Schwadron . Die 1. und 2. Garde- Kavallerie-Division aus , den gleichmäfsig auf sie verteilten Ulanen-, Dragoner-, Husaren- und Kasaken- Regimentern der Garde. Die 14 Armee-Kavallerie-Divisionen aber aus je 3 Dragonerund 1 Kasaken-Regiment. Die kaukasische Kavallerie-Division aus 4 Dragoner-Regimentern. Die 3 Kasaken- Divisionen aus 4 Kasaken- bezw. Reiter-Regimentern .

( die 1. kaukasische aus 5 )

Über die Rolle , welche diesen Divisionen zuzufallen hätte , ist man sich klar. Zwar befinden sie sich im Frieden im Verbande der Armee-Corps , derart , dafs die beiden Garde- Divisionen dem GardeCorps, die 14 Armee- Kavallerie-Divisionen den Armee-Corps No. 1-14, die beiden kaukasischen Kasaken-Divisionen dem 1. kaukasischen Armee-Corps, die kaukasische Kavallerie- Division dem 2. kaukasischen Armee-Corps angehören , während die Don-Kasaken-Division einem Armee-Corps anscheinend nicht überwiesen ist.

Mit dieser Zuge-

hörigkeit zu den Armee-Corps ist jedoch keineswegs ausgesprochen, dafs dies Verhältnis auch im Kriege aufrecht erhalten werden soll. Vielmehr hat die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer selbstständigen Verwendung der Kavallerie alle andern Rücksichten derart verdrängt und beherrscht selbst die gesamte Ausbildung der russischen Kavallerie so sehr, dafs mit voller Bestimmtheit zu erwarten ist, es werde im Kriege den Divisionen der ihnen gebührende Platz angewiesen werden, worauf auch die dauernde Zuteilung der Artillerie schliefsen läfst. Wenn wir nun auch im Wesentlichen und zunächst nur mit der vorbezeichneten in erster Linie verwendbaren russischen Kavallerie zu rechnen haben , so dürfen wir doch nicht vergessen , dafs jene Regimenter der 2. und 3. Kategorie mit 82,760 Mann hinter der

Die russische Kavallerie in Sein und Schein. ersten Linie

sich

rüsten und

139

mag es auch lange dauern

schliesslich doch auch nach vorne gelangen werden, Kaum wird man aber behaupten wollen , dafs die strategische Bedeutung der Kavallerie lediglich in der ersten Periode des Krieges zur Geltung kommen werde ; mag im Verlaufe desfelben die Rolle der deutschen Heereskräfte sich gestalten , wie sie wolle , offensiv oder defensiv, stets wird der mit einer zahlreicheren Kavallerie (die gleiche Güte vorausgesetzt ) versehene Teil der besser bediente sein und damit sich in einem gewissen Vorteil befinden. Dafs aber in solchen späteren Perioden die russische Kavallerie die an Zahl überlegenere sein wird, liegt auf der Hand und ist eine Thatsache, die diejenigen ins Auge fassen wollen, denen schon unsere 93 Regimenter zu viel sind . Zwar entbehren die Kasaken-Regimenter der Ersatz - Eskadrons (nur die Regimenter der Garde- und Armee-Kavallerie formieren dergleichen), sodafs voraussichtlich Teile der Regimenter der 3. Kategorie diese Funktionen, und zwar für diejenigen der 1. und 2. Kategorie, werden übernehmen müssen . Aber immerhin ist das, was bei uns inzwischen an Nachschub wird aufgebracht werden können , verschwindend gegen die Massen , welche aus dem Innern Russlands Kaum dafs ja unsere Ersatz-Eskadrons , wie das holt gezeigt hat , namhaftere Verluste überhaupt sich wieder 1870 eitig können , und da drüben rücken noch decken rechtz stets 80,000 Streiter in die erste Linie. um Damit wären die Zahlen einigermafsen klar gelegt , erscheinen würden.

die es sich in Betreff der russischen Kavallerie handelt.

Aber bei

keiner Waffe macht die Zahl allein so wenig aus, wie bei der Kavallerie, und um den Wert der russischen Kavallerie annähernd richtig zu beurteilen , muſs man vor allem den Grundsätzen näher treten , welche für Ausbildung und Verwendung derselben geltend sind. Während ehemals die Garde- und Armee-Kavallerie sich ausschliesslich mit dem an sich ganz brauchbaren aber etwas schwerfälligen Pferdeschlage Grofsrusslands beritten machte , entnehmen neuerdings auch diese Regimenter die Hauptzahl ihrer Remonten den Steppenrassen der südlichen Provinzen. An sich durch seine Ausdauer und Genügsamkeit zum Militärdienst mehr als ein anderes geeignet , zeigt

das Kasakenpferd in seiner Bauart indessen den

Typus des denkbar leichtesten Kavalleriepferdes (vielleicht dafs ihm in gewisser Hinsicht allenfalls noch der Ungar zur Seite steht) , sodafs in der That die russische Kavallerie zur Zeit fast nur noch aus leichten Regimentern besteht .

Man

braucht

kein

Verfechter der

schweren Reiterei , insbesondere der Kürassiere, zu sein, um einzusehen ,

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

140

dafs , da stets dem Choc die Masse ein gewisses Übergewicht verleihen mufs , die russische Kavallerie auf diese Weise schon durch ihre Remontierung zu kurz kommen mufs und wenig Aussicht hat , in geschlossener Attacke einen Gegner zu bestehen, der ihr auf kräftigeren und durch eine vernünftige Dressur in Gehorsam und Gleichgewicht gebrachten Pferden entgegenreitet. Um so mehr , als von kunstgemäßsem Zureiten der Pferde in der russischen Kavallerie anscheinend überhaupt kaum noch die Rede ist.

Das hirschhalsige,

weichrückige Kasakenpferd macht jede systematische Dressur unmöglich ;

kurzer

Galopp ,

Seitengänge

u.

dergl. ,

überhaupt jede

Art von Zusammenstellung, auf welche mit Recht bei uns ein hoher Wert gelegt wird , sind bei ihm gänzlich unerfüllbare Anforderungen . Eine Kavallerie, in welcher der Sinn für Reiterei und Reitkunst in dem Maſse schwindet , wie das bei der russischen jetzt der Fall zu sein scheint, eine solche Kavallerie mufs notgedrungen gleichzeitig auch in ihrem eigentlichen kavalleristischen Element zurückgehen .

Sie hat bessere Zeiten gekannt, wenigstens die Garde- und

die Armee- Kavallerie , ihre Manegereiterei war selbst eine recht gute , ihr heutiges Pferdematerial ist in dieser Hinsicht ihr Ruin. Man lasse sich doch nicht täuschen. russische Kavallerie mit

Da heifst es , es bringe die

ihrem heutigen

System

die

Campagne-

Reiterei zu der ihr gebührenden Geltung, gegenüber der lange Jahre hindurch zu weit getriebenen Bahndressur , die ihrerseits den kavalleristischen Geist ertödte . Letzteres ist zuzugeben ; aber man geht aus einem Extrem ins andere.

Man vergifst, dafs die Bahn-

dressur das Fundament der Campagne-Reiterei , und dafs wo man auf letztere hinaus will, ohne der ersteren ihr Recht zu lassen , das nur auf Kosten der Pferde und vor Allem aber der Reiterei geschehen kann . Was nützen der russischen Kavallerie die Wettrennen , für die von Staatswegen Preise ausgesetzt werden , was nützen die Dauerritte , die neuerdings auch von den Garnisonen aus kultiviert werden , was nützen speziell den Kasaken , die an den Cirkus erinnernden Kunststücke ,

wenn sie trotz Allem aufser Stande sind ,

vermöge einer richtigen Einwirkung auf das Pferd sich dasfelbe in Gehorsam während der Attacke zu erhalten ?

Es sind das Dinge ,

die man als Zugabe ganz gern mit in den Kauf nehmen könnte , die aber niemals zur Hauptsache , zum Selbstzweck erhoben werden dürfen . Schon die Ausrüstung des russischen Kavallerie- Pferdes kann der Reiterei d . h. der Reitkunst nicht förderlich sein. Die eigentümliche Form des Pferdehalses scheint eine um so tiefere Führung

Die russische Kavallerie in Sein und Schein .

141

zu bedingen. Im Gegenteil ist dieselbe aber in Folge der wunderbaren Art des Sattelns und Packens eine abnorm hohe. Auf einer oben mit Leder überzogenen Filzdecke ruht der Bock, auf diesem die vierfach zusammengelegte Pferdedecke. Vorne am Bock sind, ähnlich wie bei uns , die Packtaschen , hinten ein Mantelsack angebracht.

Da in dem letzteren neben den betr . anderen Ausrüstungs-

stücken der Mantel selbst jedoch nicht Platz hat , so hat man diesen nur noch am Vorderzwiesel anzubringen gewufst , wo er , nachdem überdies noch der Futtersack um ihn herumgewickelt ist , über den Packtaschen befestigt wird. *

Wenn so bei

dem hohen Sitz des

Reiters auf Filzdecke, Bock und Pferdedecke ein genügendes Einsitzen auf dem Rücken und also ein Heranholen der Hinterhand kaum möglich ist, was in gewisser Beziehung übrigens, des weichen Rückens wegen , ganz gut sein mag , so wird andererseits durch diesen Sitz und insbesondere durch die Lage des Mantels auch die Zügelfaust entsprechend erhöht.

Die Folge davon ist , dafs , da es dem Tiere

bei solcher Führung an jeder Haltung gebricht , alle Hülfen in ein wüstes Hineinstofsen und Hineinreifsen in die betr. Gangarten ausarten , während die ins Unnatürliche gesteigerte Aufrichtung und das Fehlen der Hinterhand dem schwachen Rücken die gesamte Last zuführt. Einen eigentümlichen Eindruck macht auch die weitere Belastung des Pferdes. In einer an der Filzdecke befestigten Tasche befinden sich in ähnlicher Lage , wie bei uns , 2 Hufeisen mit 16 Nägeln , an der einen Seite des Mantelsacks hängt das Kochgeschirr.

An den hinteren Enden des Sattels , da wo bei uns der

Futtersack liegt , hängt auf der einen Seite

ein Netz mit

einem

zweitägigen Heu- und auf der anderen Seite ein Sack *) mit einem zweitägigen Hafervorrat , sodafs das gesamte Gepäck einschliesslich der Fourage über 150 Pfund wiegt und das Pferd im Ganzen , wenn man den Reiter mit Waffen und Ausrüstung auf 210 Pfund berechnet **), an 360 Pfund zu tragen hat.

Nun denke man sich den

Kavalleristen im Begriff, sein Pferd zu besteigen , womöglich vielleicht nach mifslungenem Angriff zu Fufs verfolgt vom Gegner.

Zwar ist

das Tier nicht grofs, aber wie weit mufs der Mann das rechte Bein aus dem Kugelgelenk herausheben, um über das Heunetz, den Mantelsack mit dem Kochgeschirr und dem Hafer für 2 Tage herüberzukommen ! - Bei den Kasaken-Regimentern ist die Sattelung die gleiche, mit geringen Abweichungen , die nicht weiter interessieren . Dafs *) Nicht zu verwechseln mit dem obigen „ Futtersack", dessen Zweck wir übrigens neben jenem Hafersack nicht recht einzusehen vermögen . **) Siehe A. v. Drygalski.

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

142

die Kasaken auf Trense reiten und statt der Sporen eine Peitsche führen, ist bekannt. Auch die Bewaffnung ist , nachdem die Husaren- und UlanenRegimenter in Dragoner umgewandelt sind , in der gesamten russischen Kavallerie im Grofsen und Ganzen dieselbe. Waren früher ausschliesslich die Dragoner und die Kasaken mit Gewehren bewaffnet zum Fufsgefecht verwendbar , so können heute , mit verschwindenden Ausnahmen ( Garde- Kürassiere u . s. w. ) , die sämtlichen

bezw.

Regimenter zu demselben absitzen.

Doch ist dieser Übergang, wie man gesehen hat , kein gewaltsamer , plötzlicher gewesen . Speziell bei den Dragonern war das Fufsgefecht stets mit besonderer Vorliebe behandelt worden , man erinnere sich der Dragoner-Corps des Kaiser Nikolaus, wie denn überhaupt von Anfang an die russische Kavallerie eine gewisse Neigung für den Kampf mit der Feuerwaffe gehabt hat ; heifst es doch, dafs die Kavallerie Peters des Grofsen (Dragoner) sich zu Fufs weit mehr an ihrem Platze fühlte als zu Pferde. Die Erfahrungen von 1870/71 , welche die unbedingte Notwendigkeit der Feuerwaffe für die Kavallerie an den Tag legten, konnten diese Neigung nur fördern ; man gab auch dem 2. Gliede der Husaren und Ulanen den Karabiner. Dann schien aber auch das den gesteigerten Anforderungen nicht mehr zu genügen ; man glaubte, dafs ein erfolgreiches Auftreten der Kavallerie vor der Front der Armeen die Möglichkeit , nötigenfalls selbst ein zähes Feuergefecht führen zu können , zur Voraussetzung habe, und es trat jene Umwandelung der 28 Armee - Ulanen- und Husaren - Regimenter zu Dragonern ein , nach welcher die gesamte russische Kavallerie (ausgenommen der Garde) lediglich nur noch aus Dragonern und Kasaken besteht. Thatsächlich ist dieselbe auf diese Weise einheitlich organisiert und bewaffnet, oder auch, da bekanntlich auch die Kasaken von jeher neben der Lanze das Gewehr geführt haben, zu einer Verwendung zu Fufs geeignet . An blanken Waffen führen gegenwärtig die sämtlichen Regimenter (Garde-, Armee- und KasakenRegimenter) den Säbel *), ferner die Kasaken und das 1. Glied der

*) Der Säbel wird, ähnlich wie einst bei uns das Seitengewehr der Infanterie (siehe die preufsische Schlofsgarde-Compagnie), in einem über die Brust gehenden Bandolier getragen. Dadurch erhält derselbe eine ruhige Lage , bekanntlich ein grofser Vorteil, während dagegen das Bandolier das Atmen des Mannes belästigt. Eigentümlich, aber in gewisser Beziehung recht zweckmäfsig ist, dafs die Klinge in einer Holzscheide steckt. Es soll auf diese Weise das lästige Klappern, durch welches ein Kavallerie-Regiment sich auf weithin , auch im weichsten Boden, verrät, vermieden werden. Augenzeugen , die sehr für diese Einrichtung schwärmen,

Die russische Kavallerie in Sein und Schein. Garde-Kürassiere-, Ulanen und -Husaren die Lanze.

143 An Feuerwaffen

haben: die Garde-Kürassiere ausschliesslich Revolver nach dem System Smith und Wesson, die Garde- Ulanen und -Husaren für das 1. Glied und die Unteroffiziere den Revolver, für das 2. Glied den Karabiner nach dem System Berdan (Konstruktion wie das Berdan-InfanterieGewehr, jedoch mit geringerer Länge, Patrone wie das DragonerGewehr) , die Dragoner für beide Glieder das mit einem Bajonett (!) versehene Dragoner-Gewehr (System Berdan , aber gleichfalls in geringerer Länge , Patrone des Infanterie-Gewehrs mit schwächerer Ladung) und die Kasaken dasfelbe Gewehr, aber ohne Bajonett. An Munition tragen dem entsprechend von dem in den Trains u . s. w. vorhandenen Reserve-Quantum sehen

wir hier ab - der Garde-

Kürassier 20 Revolver-, der Garde-Husar bezw. Garde-Ulan 20 Revolver- bezieh. Karabiner-, der Dragoner und Kasak 40 DragonerGewehr-Patronen bei sich. Wenn man in Russland eine Vorliebe für Einheitskavallerie hat und derselben selbst äufserlich möglichst nahe zu kommen sucht, so ist das eine Sache, der wir eine gewisse Berechtigung nicht absprechen können , obgleich wir für eine übertriebene Uniformität

•⚫ nicht schwärmen und meinen, daſs, unbeschadet einer gleichmässigen Verwendung im Gefecht, Husaren und Ulanen neben den Dragonern fortbestehen können , die Ulanen der Lanze wegen sogar fortbestehen müssen.

Wenn ferner die gesamte Kavallerie die gleiche Schufs-

waffe erhält , um damit die Selbstständigkeit der Waffe zu heben, so wird das gleichfalls

niemand zu tadeln

vermögen.

Dafs jede

Kavallerietruppe im Stande sein mufs, unter Umständen zu Fufs zu kämpfen , braucht heute nicht weiter erläutert zu werden. Wenn dann aber die Dragoner auch ein Bajonett (! ) führen , mit der ausgesprochenen Absicht, mit demselben zu Fufs in geschlossener Masse zu attackieren , so kann eine derartige Einrichtung nur in hohem Mafse befremden . Thatsächlich führen 46 Reiter-Regimenter, die Dragoner, das Bajonett ; sie haben an ihrem Säbel eine Vorrichtung zur Anbringung desfelben und sollen es jedesmal , wenn sie zum Fufsgefecht absitzen , aufstecken , um dadurch, wie es heifst , den Geist der Offensive zu beleben. Dafs der offensive Geist die Kavallerie auch zu Fufs nicht verlassen darf, ist klar, und dafs durch das Bajonett die Offensive gestärkt wird , unterliegt keinem Zweifel. Aber mufs , wie das die betr.

schildern uns den Eindruck der auf diese Weise sich in gespenstischer Stille fortbewegenden Regimenter als einen höchst eigentümlichen. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. XLIX. 2. 10

144

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

Berichte als etwas besonders Rühmenswertes hervorheben, die abgesessene Kavallerie im

Fufsgefecht , in der Defensive ,

wie in der

Offensive, es der Infanterie gleichthun oder gar dieselbe übertreffen ? Und mufs , wenn durch das Bajonett dem Fufsgefecht ein solch übermässiger Wert beigelegt wird, sie nicht notgedrungen zu einem Mittelding, halb Kavallerie halb Infanterie, entwürdigt werden ? Wir haben alle Achtung vor der Infanterie , als der Hauptwaffe aller modernen Heere , welche die Entscheidung der Schlachten erringt, aber wir haben keine Achtung vor einer Infanterie , die zugleich Kavallerie, oder was dasfelbe sagen will, vor einer Kavallerie, welche zugleich Infanterie , also eine Zwitterwaffe darstellen will. Beides in gleicher Vorzüglichkeit sein , ebensosehr Kavallerist als Infanterist, ist einfach unmöglich , auch bei ungleich längerer Dienstzeit als heutigen Tages sie überall in den europäischen Armeen besteht, und selbst wenn der russische Kavallerist seine vollen 6 Jahre bei der Fahne verbliebe ; das Eine widerstrebt eben dem Andern. Der abgesessene Kavallerist ist nur die Hälfte eines Ganzen ; was man zu Fufs von ihm verlangt, darf nur ein Notbehelf, kann nicht zum Selbstzweck werden. Vielleicht wird die Zukunft uns » berittene Infanterie« bringen .

Aber dann sei sie, was sie sein soll » Infanterie « ,

die, voll und ganz als solche ausgebildet, nebenbei gelernt hat, sich von ihren Pferden dorthin tragen zu lassen , wo sie als Infanterie, und dann Achtung gebietend, wie es der Waffe zukommt, auftreten Von ihr zugleich den Dienst der Kavallerie, die geschlossene Attacke , den Aufklärungsdienst u. s . w., zu verlangen , wäre ein will .

Unding.

Allerdings können wir auch an solche berittene Infanterie

noch nicht recht glauben . Bisher hat sie nirgend genügt . Die wenigen Compagnien berittener Infanterie, welche die Franzosen im südlichen Algier errichtet hatten (die Leute ritten auf Maultieren ), wurden bald wieder beseitigt ; die seitens der Engländer in dem letztverflossenen ägyptischen Feldzuge in Aussicht genommenen Formationen scheiterten anscheinend an der Schwierigkeit, das entsprechende Pferdematerial zu erlangen . Da, wo die berittene Infanterie einigermaſsen zur Geltung gelangt ist, eigentlich allein im südlichen Afrika, lagen Verhältnisse vor, die sich auf diejenigen unserer europäischen Heere nicht übertragen lassen. Der Boer ist von Kindheit an mit der Büchse genau so vertraut, wie mit dem Pferde. Auch für die Kavallerie im amerikanischen Secessionskriege, insbesondere für die der Südstaaten, trifft das, wenigstens für einen grofsen Teil ihres Ersatzes, in gewisser Beziehung zu . Sie trug ihren Namen mit Unrecht ; der einer beritten gemachten Infanterie hätte ihr besser gestanden, denn

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

145

von den eigentlichen kavalleristischen Eigenschaften , die ihre Verwendung in geschlossenen Massen in der Schlacht gestattet hätten, besals sie wenig. Die grofsen Raids, die sie berühmt gemacht haben, erfordern in der Weise , wie sie stattfanden oder wie sie verliefen, von der Truppe selbst an solchen

kavalleristischen

Eigenschaften

nichts als eine gewisse Gewöhnung an anhaltendes Reiten, was noch lange nicht den Betreffenden zum Kavalleristen macht.

Hat Russland

sich , wie es scheint, jene Scharen zum Vorbild genommen, so darf es auch künftig von seiner Reiterei andere Leistungen , als diese sie aufzuweisen hatten , nicht verlangen , dann muſs es auf ein Auftreten der Kavallerie in rangierten Treffen mit dem Säbel in der Faust verzichten und die Möglichkeit

und

Nützlichkeit kavalleristischer

Erfolge in Zukunft für ausgeschlossen erklären . Und mit Widerstreben berichten wir es -

fast ist dem so.

Zwar der feindlichen Reiterei will man allenfalls noch, wenn es sein mufs, entgegentreten , aber eine Attacke auf Infanterie hält man für aussichtslos , die Kavallerie würde vernichtet sein , meint man , ehe sie an dieselbe herankäme.

Und

darum soll die Reiterei dieses

undankbare Feld der Thätigkeit verlassen und allein sich nur noch ihren andern beiden Aufgaben zuwenden , dem strategischen Aufklärungsdienst und dem

Fufsgefecht ,

in

welch letzterem sie , die

Geschwindigkeit ihrer Pferde zu unbemerktem Herankommen und schnellem Verschwinden ausnutzend, noch Chancen hätte. Die Russen denken an die Kürassiere von Wörth und von Sedan . Aber die Tapferkeit allein kann's allerdings nicht machen , zum Erfolge gehört neben der Bravour auch die Klugheit , neben dem Ungestüm auch die Überlegung und der militärische Blick.

Überhaupt hätten die wenigen Fälle, sagen die Russen, in denen in den letzten Kriegen

die Kavallerie noch Gelegenheit zur Aktion gefunden hat, bewiesen , dafs die Zeit ihrer Erfolge unwiderruflich zu Ende sei . Aber sie vergessen, was 1870 betrifft, dafs beide Teile, Deutsche wie Franzosen , erst durch diesen Krieg gelernt haben . Unser ganzes Streben hat sich seitdem darauf gerichtet ,

die-

jenigen Formen und Bedingungen zu finden, welche den veränderten Verhältnissen der Waffenwirkung und Taktik Rechnung tragen ; unsern Übungen liegt fast ausschliefslich dieser eine Gedanke zu Grunde, die Geltung auf dem Schlachtfelde

ist die

conditio sine.

qua non, die Bedingung, ohne welche die Kavallerie das Geld nicht wert ist, das auf sie verwendet wird, und ohne welche sie, da sie zu Fufs für die Entscheidung erst recht nicht zu gebrauchen ist zu der Stelle einer Hülfswaffe herabsinkt. Und wie wir, so arbeiten

10*

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

146

auch die Andern ; in Frankreich, wo man im Begriff ist, die lanciers von Neuem einzuführen, und selbst den Kürafs von einem Teil (6) der betr. Regimenter wieder hat anlegen lassen ; in Österreich , in Italien , überall wird nach den gleichen Prinzipien gehandelt , ein neuer Geist ist in die Kavallerie gefahren ; im Besitz zeitgemässer Reglenients glaubt man sich der Erfüllung seiner Wünsche nahe, gerade im Hinblick auf die auflösende Wirkung der heutigen Infanterie-Gefechts ; man sehnt sich nach einer Gelegenheit , an dem Gegner erproben zu können , ob man sich vervollkommnet hat, und während dessen wirft die russische Kavallerie, welche , die zahlreichste von allen , am ehesten diesen Idealen nachstreben sollte , die Lanze bei Seite und steckt den Spiefs ihren Reitern als Bajonett auf die Flinte , damit sie , zu Fufs ,

nicht Kavallerist ,

nicht Infanterist,

kämpfen sollen, da man zu Pferde es sich nicht mehr getraut.

Zwar

die Kasaken sind , da ihnen die Lanze gelassen ist , noch auf das Pferd angewiesen ; aber Kasaken können an und für sich nicht die Träger kavalleristischer Ideen sein ,

für den geschlossenen Angriff

waren sie von jeher nicht zu verwenden. Und wie lange wird es aufserdem dauern , bis auch sie ihre alte historische Waffe verloren haben ?

Schon geht man mit dem Gedanken um , sie derselben zu

berauben, sie ist ja für das Fufsgefecht nicht zu gebrauchen ! Das Gefecht zu Fufs soll heute die vornehmlichste Kampfesart der Kavallerie bilden. Was sie an Brauchbarkeit zu Pferde verloren, soll sie durch um so gröfsere Leistungen mit der Feuerwaffe wieder Zu Fufs soll sie keinen Gegner scheuen , weder im

einbringen.

Angriff, noch in der Verteidigung ; selbst die feindliche Infanterie soll sie in ihren Positionen angreifen und mit dem Bajonett aus denselben herauswerfen .

Nun

wird eine tüchtige Kavallerie unter

Umständen, wenn es sein mufs , allerdings auch vor der Aufgabe nicht zurückschrecken dürfen , Örtlichkeiten und Defiléen u. s. w., welche von Infanterie verteidigt werden , zu nehmen .

Aber kann es

sich dabei um gröfsere , rangierte Gefechte handeln ? Soll die Kavallerie, wenn sie, den Armeen vorausziehend, die Reiterei des Feindes geworfen hat und auf die

Massen seiner Infanterie stöfst,

nun

auch diese noch angreifen, oder soll sie gar in den Schlachten vom Pferde steigen und , Bataillone formierend , in langatmigem Feuergefecht, Schulter an Schulter mit der Infanterie, gegen die feindlichen Linien avancieren ?

Die Russen verlangen es .

Abgesessene Kavallerie

kann auf Erfolg gegen Infanterie nur rechnen durch ihre Artillerie oder durch Überraschung oder durch grofse Überlegenheit, und in allen Fällen nur , wo es sich um relativ schwache Infanteriekörper

Die russische Kavallerie in Sein und Schein. handelt.

Mit dem Moment ,

dafs

die

147

feindliche Reiterei von der

Bildfläche verschwunden und die unsrige auf die Hauptkräfte des Gegners stöfst , hört ihre offensive Aufgabe auf und wird dieselbe, um das Gewonnene festzuhalten , bis die eigenen Heereskörper heran sind , zu einer defensiven. Von einem weiteren Vordringen kann momentan dann keine Rede mehr sein ; man bleibt am Feinde und tastet und fühlt und sieht und meldet, aber weiter nichts ; mit Gewalt Ab-

ist nichts mehr zu machen , und am allerwenigsten zu Fufs.

gesessene Kavallerie-Massen gegen Infanterie einzusetzen, ist generell schon um deshalb ein Fehler, weil bald die Kavallerie in ihrer geringeren Zahl - von der geringeren Ausbildung ganz zu schweigen an der Überlegenheit der Infanterie sich verbluten mufs .

Denn

die erlittenen Verluste potenzieren sich durch die Unzahl von Handpferden, die durch dieselben den Schwadronen erwachsen und leicht deren Gefechtskraft auf ein Minimum reducieren können . Das müssten die Russen doch wissen .

Oder meinen sie , dafs

ihre 155,000 Mann sie über derartige Bedenken hinwegsetzen ?

Sie

werden das Gegenteil einsehen, wenn wirklich ihre Kavallerie verfährt, wie von ihr verlangt wird . Nicht nur , dafs sie einem Kampfe mit der Infanterie nicht ausweichen soll , sie soll die Gelegenheit dazu selbst herbeiführen , indem sie Flanke und Rücken derselben aufsucht , absitzt und in verkehrter Front, die für sie der Pferde wegen niemals verhängnisvoll werden kann , den Angriff beginnt. Zwar würde es unter Umständen wohl möglich sein , die durch die Bedrohung ihrer Rückzugslinie beunruhigte Infanterie niederzureiten , aber der Grundgedanke ist, dafs das Feuergefecht und die schliefsliche Bajonettattacke, wenn auch weniger schnell, so doch sicherer und leichter zum Ziele führe , der Angriff zu Pferde nur die Ausnahme sei . Dafs letzteres zutreffen wird , glauben wir gern . Eine Truppe , die für den Infanteriekampf erzogen ist , wird nur ungern zu einer Karrière sich aufraffen . Der Kampf zu Fufs scheint ihr der weniger gefährliche.

Nun denke man sich aber eine oder zwei

oder drei Kavallerie-Divisionen Infanterie vorgehend .

gegen die

in Stellung befindliche

Können sie überhaupt denn Erfolge erwarten ?

Wir meinen, dafs diejenige Infanterie , die durch das Erscheinen abgesessener Kavallerie sich zum Weichen bestimmen läfst , sofort zur Garnisontruppe gemacht und, um mit Friedrich dem Grofsen zu sprechen, die Borten an den Hüten verlieren müsse, es sei denn die Kavallerie an Schützen ihr um das Zehnfache überlegen. Den auf sie einhauenden Schwadronen zu unterliegen, die sie in Flanke oder Rücken fassen ,

ehe sie Zeit hat ,

sich zu besinnen

und

sich zu

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

148 sammeln ,

kann

Schwadronen ,

ehrenvoll

für

die

Infanterie sein ;

gegen

diese

wenn sie absitzen , den Kampf zu verlieren , ist

einfach schmachvoll. Es ist eine der grofsen Lügen, die Napoleon I. wie als Mensch und Politiker so unter Umständen auch als Soldat in die Welt zu schleudern sich nicht scheute , dafs 3000 Dragoner zu Fufs 2000 Infanteristen gewachsen seien . Die 3000 Dragoner reducieren sich überdies auf 2000 , da ein Drittel als Pferdehalter zurückbleiben mufs, und dann sind die 2000 doch immer nur Dragoner und zwar in der guten Bedeutung des Wortes, d . h. Kavalleristen und noch lange nicht Infanteristen. In vielen Stücken ähnelt der Russe dem Franzosen. übt einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus ;

Das Neue

begeistert für den

scheinbaren Fortschritt , schafft er alte , bewährte Einrichtungen ab und baut und arbeitet an neuen , bis er erkennt, dafs er auf Sand gebaut hat und in seinen Phantasien und Wünschen zu weit gegangen ist.

So ist es mit seinen socialen

hältnissen, so ist es in der Armee. gleichen Irrwege gewandelt.

Aber

und

politischen

Ver-

Schon einmal ist man hier die die Erfahrungen

mit

jenen

Dragoner- Corps Nikolaus des I. waren fruchtlos . Heute sollen die Kavallerie-Divisionen eine Art von Universalwaffe sein. Infanterie durch Gewehr und Bajonett, Kavallerie durch das Pferd, führen sie eine starke Artillerie bei sich ,

um sie in

erhöhtem Maafse

zur

Durchführung zäher, mehr oder weniger die Entscheidung suchender Kämpfe zu befähigen . Neuerdings glaubt man ihnen auch die Unterstützung der Pioniere nicht vorenthalten zu sollen, um event. sich die Hülfsmittel der Feldfortifikation nutzbar machen zu können . Einer Kavallerie- Division (der 4. ) ist seit Jahresfrist eine Schwadron reitender Sappeure zugeteilt worden, die übrigen dürften sie ebenfalls wohl erhalten. Das Schlagwort ist eben Selbstständigkeit in jeder Beziehung. mufs diese aber , wie Alles , seine Grenze

An sich ganz richtig ,

haben. Reitende Sappeure, eine Handvoll per Division , für besondere technische Arbeiten an Eisenbahnen, Telegraphen, Brücken u. im Übermaafs werden dergl. können vortreffliche Dienste leisten der Thätigkeit der mit die verleiten Ideen, zu Ballast und ein sie Artillerie ist sollten. haben gemein nichts Kavallerie-Divisionen zur Erhöhung der Gefechtskraft der Kavallerie , ohne Artillerie ermangelt sie der zur Durchführung selbstständier Aufgaben unerlässlichen Fähigkeit , hinhaltende Gefechte zu führen ; notwendig

2 Batterien jedoch bei einer Division von 4 Regimentern sind des Guten zu viel. Dafs sie, in diesem Verhältnis vorhanden, in vielen

Die russische Kavallerie in Sein und Schein.

149

Fällen die Kavallerie von einem Absitzen zum Fufsgefecht entbinden werden, wäre kein Unglück, aber ebenso oft werden sie derselben zu einem Hemmnis in ihrem eigentlich

kavalleristischen Auftreten

und zu einer Schwächuug ihrer Offensivkraft werden, indem sie das Ausscheiden entsprechend starker Bedeckungen irren wir nicht, so bestimmt das russische Reglement ein für alle mal dazu 2 Schwadronen - erfordern. Wo die Artillerie zu stark ist, wird sie unwillkürlich zur Hauptwaffe und drückt die Rolle der andern Waffen zu der einer Partikular-Bedeckung herab. Detachements von einem Bataillon mit einer Batterie, bei welchen der Infanterie ein selbstständiger Auftrag zufällt, sind taktisch undenkbar, solche von 4 Kavallerie-Regimentern mit 2 Batterien nur unter

gewissen Voraus-

setzungen, am wenigsten aber da von Vorteil, wo man beabsichtigt , zu Fufs zu kämpfen , denn die 4 Regimenter entsprechen an Schützen , selbst wenn keine berittene Reserve und keine Partikularbedeckung notwendig wäre, nur gerade erst der Stärke eines einzigen InfanterieBataillons.

Zwar scheint es, als ob man beabsichtigt, auch die Regi-

menter der Garde -Armee- Kavallerie auf 6 Schwadronen zu bringen *), bis dahin aber können wir das Verhältnis der beiden Waffen für günstig nicht halten . Wenn die Berichte über das letzte strategische KavallerieManöver des General Gurko **) von der eigentümlichen und vom kavalleristischen Standpunkte aus bedauernswerten Thatsache reden , dafs am letzten Manövertage die beiderseitigen Parteien, als sie bei Ananjew zusammenstiefsen ,

zum Fufsgefecht absafsen ,

ohne

an-

scheinend überhaupt auch nur eine Entscheidung durch die Attacke erstrebt zu haben , so ist

das eine jener krankhaften Ausgeburten

einer falschen , auf ungesunden Anschauungen beruhenden Taktik, wie sie immer bisher zu Tage getreten sind , wenn man , eine an sich richtige Idee im Auge, sich zu Schlufsfolgerungen hat hinreifsen lassen, die aufserhalb der Grenze des Möglichen liegen . Aber wenn trotz aller Neigung für das Fufsgefecht doch einmal die Russen uns attackieren , einem momentanen Impulse folgend, oder weil Offiziere sie führen , die noch Kavalleristen geblieben sind , wenn die durch ihre 2. und 3. Kategorie verstärkten Waffen sich gegen uns heran wälzen ?

Dann wird es zu Reiterschlachten kommen,

wie die Welt sie bisher noch

nicht

gesehen ;

dann mufs es

sich

zeigen, dafs nicht die Masse, sondern der Geist, der sie bewegt, die *) Die Kasaken- Regimenter zählen schon heute fast sämtlich 6 Ssotnien. **) Siehe z. B. die vorerwähnte Schrift von A. v. Drygalsky, auch die No. 34 u. flgde, des 1. J. der deutschen Heereszeitung

150

Noch ein Beitrag zur elementaren Erklärung

Entscheidung

herbeiführt .

Nicht

die Überzahl sichert den Sieg ,

sondern die reiterliche Ausbildung und die Einsicht , die Gewandtheit, der militärische Blick des Führers.

Man spottet in Russland

über unsere Ausbildung, unsere Bahn-Dressur sei übertrieben, unsere Dreitreffentaktik nur für die Exerzierplätze

berechnet ,

und

man

meint , daſs mit Leuten wie wir, d . h . mit maschinenmäſsig gedrillten Menagereitern ihre Kasaken

und Dragoner fertig werden würden .

Wir hingegen können nicht von der Ansicht lassen ,

dafs

wir mit

unserer Organisation , unserem Reglement und unserer Ausbildung, vor Allem aber mit dem unserer Waffe innewohnenden Geiste besser berathen sind, als die Russen. Wir haben dabei die russische Kavallerie im Auge , wie sie gegenwärtig ist, nicht wie sie in Zukunft sein wird, falls die schiefe Bahn , auf die man geraten ist , fernerhin verfolgt wird. Nicht genug, dafs man mit den Traditionen der Zeit des gröfsten Ruhmes der Kavallerie gebrochen hat, es machen sich Strömungen in Russland geltend, die noch weit über die heutigen Zustände, wie wir sie geschildert haben, hinaus wollen, und die , wenn sie durchdringen , der russischen Kavallerie ein Äuſseres aufprägen würden, das lebhaft an die Horden eines Dschingis - Chan erinnern würde.

X.

Noch ein Beitrag der

zur elementaren

Derivation

der

Erklärung

Spitzgeschosse . *)

Von Spohr , Oberstlieutenant z. D.

General Antonio Araldi, General-Adjutant S. M. des Königs von Italien, hatte kaum Kenntnis von den meinerseits in den Jahrbüchern entwickelten Ansichten über die Derivation der Spitzgeschosse erhalten, als er mir seine bereits im Jahre 1868 bezw. 1872 und 1876 veröffentlichten Aufsätze über diesen Gegenstand zukommen liefs , mit *) Siehe Januar-Mai- Heft der Jahrbücher.

der Derivation der Spitzgeschosse .

151

unbekannt gebliebenen

der Bitte , die mir wahrscheinlich bisher Arbeiten auch einer Kritik zu unterziehen .

Dem Wunsche des Herrn Generals glaube ich um

so mehr

nachkommen zu müssen, als einerseits dadurch der Schein einer von mir durch Verschweigen begangenen Ungerechtigkeit getilgt , andererseits aber auch durch die charakteristischen Unterschiede in dem Ideengange und der Begründung unserer beiderseitigen (General Araldi's und meiner) Ideen deren trotz grofser principieller Übereinstimmung durchaus selbstständige Entstehung klargelegt werden dürfte.

und Ausarbeitung

In seiner im Jahre 1868 aufgestellten » neuen Theorie der entwickelt General Araldi , indem er von dem unDerivation » dafs die Bewegung jedes Körpers in einem widerstehenden Mittel einem mit der gröfseren oder geringern Dichtigkeit dieses Mittels im Verhältnis stehenden Widerstande

bestrittenen Satze ausgeht ,

begegne>Dafs diese verschiedenen Widerstände sich entgegenstehen und derjenige überwiegen müsse, welcher in und durch die verdichtete Luft stattfinde, also der gegen den vordern und untern Teil der Rotationsachse gerichtete. Das habe eine Verlegung der Drehachse nach derjenigen Seite, wohin die Drehung der obern Hälfte des Geschosses gerichtet ist, zur notwendigen Folge, wodurch sich ein Rollen des Geschosses nach dieser Seite ergiebt. > Essex>Cherub

(28 Geschütze) eintrafen.

Nachdem letztere Nahrungs-

mittel und Wasser eingenommen , verliefsen sie den Hafen wieder und warteten aufserhalb desfelben auf die » Essex « . Am 28. März kam es zum Kampfe, in welchem die letztere nach tapferem WiderJahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. XLIX., 2. 12

176

Militärische Charakterköpfe aus dem amerikanischen Bürgerkriege.

stande der Übermacht der Engländer gegenüber genötigt war, die Flagge zu streichen. Das war Farraguts erste Kriegserfahrung . Er selbst war , wie er sagte , während des Gefechtes ein >» Mann für Alles > Pennsylvania « zugeteilt war , wurde er gegen Ende des Jahres zweiter Kommandant der Werft zu Norfolk , in welcher Stellung er sich noch befand, als der mexikanische Krieg ausbrach . Anfangs bemühte er sich vergebens, ein Schiff zu erhalten, trotzdem er in seinen Gesuchen seine Erfahrungen von 1839 hervorhob und die Hoffnung aussprach, dafs, wenn zu irgend einer Zeit ein Angriff auf San Juan de Ulloa beabsichtigt werde , man ihm gestatten werde, daran teil zu nehmen . Endlich gelang es ihm, das Kommando der Sloop » Saratoga« zu erhalten . Sein Wunsch, den Angriff auf das genannte Fort mit zu machen, ging jedoch nicht in Erfüllung. Als er mit der » Saratoga « bei Vera Cruz ankam, hatte es sich gerade den Landstreitkräften unter General Scott ergeben (26. März 1847 ) . Das Schiff wurde während des Krieges fast ausschliefslich zur Blockade des unbedeutenden Hafens von Tuxpan verwendet , wo seine Mannschaft erheblich unter dem gelben Fieber zu leiden hatte. Auch Farragut selbst erkrankte heftig und wäre der tückischen Krankheit fast erlegen .

Im Februar 1848 kehrte er nach New York zurück und wurde nach beendeter Aufserdienststellung seines Schiffes in seine alte Stellung nach Norfolk geschickt. Während des Krimkrieges bat er um die Erlaubnis, die Flotten der Engländer und Franzosen im Mittelmeer und der Ostsee besuchen zu dürfen. Dies wurde ihm zwar nicht gestattet , dagegen erhielt er den ehrenvollen Auftrag, auf Mare Island an der californischen Küste, etwa 30 Meilen von San Francisco, ein neues Marine- Arsenal anzulegen. Juli 1858.

Dort verblieb er, 1855 zum Kapitän befördert, bis zum Zu dieser Zeit kehrte er nach dem Osten zurück, um

den Befehl über die Dampfsloop * ) » Brooklyn « , ein neues auf einer Privatwerft erbautes Schiff, zu übernehmen . Er kreuzte mit demselben 2 Jahre im Golf von Mexico , hauptsächlich an der Küste des letztgenannten Staates , wo die fortwährenden Revolutionen die Anwesenheit starker Seestreitkräfte der Vereinigten Staaten notDurch Ausführung des ihm gewordenen Auftrags, wendig machten. den Gesandten der Union von Mexico nach dessen unterhalb New Orleans am Mississippi gelegenen Besitzung zu führen (Dezember 1859 ) , hatte er Gelegenheit, das Fahrwasser im untern Mississippi kennen zu lernen. Im Oktober 1860 auf seinen Wunsch abgelöst,

*) Eine unseren gedeckten Korvetten entsprechende Schiffsgattung.

Militärische Charakterköpfe aus dem amerikanischen Bürgerkriege.

179

kam er nach Norfolk in Virginien , welches er als seine Heimat betrachtete, und wartete dort auf eine neue Bestimmung. Es war eine Zeit tiefgehender Aufregung, als Farragut dort eintraf. Die Präsidentenwahl stand vor der Thür, und es wurde allgemein erwartet , dafs die eigentlichen Baumwollstaaten aus der Union austreten würden , falls ein den » Interessen >Arkansas >Mississippi Vice- Admiral >Aristokraten « geheifsen wurden. Das Mifstrauen , die Abneigung und die Unduldsamkeit , mit welchem die Letzteren, die das Heft in der Hand hatten, die Erstern ansahen, steigerten sich bald zu blindem Verfolgungseifer.

Als im Herbst 1792 der Krieg Österreichs und Preufsens gegen Frankreich ausgebrochen war und die Emigranten die Welt mit ihren Klagen und mit ihrem Geschrei nach Rache und Vergeltung erfüllten , stieg dieser Eifer zur Wut. Wer nur andeutete , dafs Frankreich auch ohne seinen ausgewanderten Adel und seine Abbés Frankreich bleiben werde, und wer die bis dahin vorgekommenen Ausschreitungen als Verirrungen des Pariser Pöbels bezeichnete , mit denen der weitaus. gröfste Teil der Nation nichts gemein habe ; wer auf die edelen Männer , welche damals noch die Bewegung leiteten , als auf die Bürgen einer ruhigen und gesetzlichen Entwickelung der Dinge hinwies ; wer es nicht als ein verdienstliches Werk pries , die blühendsten Provinzen des hochverräterischen Landes mit Feuer und Schwert zu verheeren und Paris, je eher je lieber, in einen Schutthaufen zu verwandeln ; wer im Entferntesten daran zweifelte , dafs die deutschen Mächte , wenn sie in Frankreich einrückten , die Revolution in wenigen Wochen niederwerfen würden der ward als ein gefährlicher Mensch, als ein Aufwiegler und Revolutionär, wenn man ihn als ganz verabscheuenswert hinstellen wollte, als ein Illuminat bezeichnet, ein Name, von dem kaum irgend Jemand wusste, was man sich darunter denken sollte , unter dem man aber etwas ganz Schreckliches, eine Art von politischem Vampyr vermutete. Es wurden Verzeichnisse von politisch verdächtigen Personen,

>> Demokraten - Listen « , angefertigt ; persönliche Abneigung , Neid , Mifsgunst, Hafs und Ranküne vermischten sich mit der Politik, und mancher politische Zionswächter wünschte, dafs nur überhaupt ein Exempel statuiert werden möchte , um dadurch einen wohlthätigen Schrecken zu erregen . Solche und ähnliche Zustände bestanden fast überall in Deutschland, da das mächtige Schauspiel allerorten die Gemüter erregt, die Leidenschaften entflammt , die Besitzenden besorgt , die Besitzlosen aufmerksam gemacht hatte ; sie bestanden innerhalb und aufserhalb der bewaffneten Macht.

Wir finden sie auch im damaligen Kurfürstentum Hannover,

aus der Zeit der französischen Revolution.

211

dessen Truppengeschichte ein merkwürdiges Beispiel dafür aufweist , wie eine sonst wohlwollende, ruhig denkende und gerecht urteilende. Regierung auf dergleichen Angebereien hin an zwei unbescholtenen Männern, guten Soldaten und braven Offizieren, angesehenen Adelsfamilien und einem der vornehmsten Regimenter angehörig , ein alles Recht verletzendes und aller Billigkeit hohnsprechendes Exempel statuieren zu müssen glaubte. II . Diese Offiziere waren die Kapitäns im Garde-Regiment zu Fufs Georg v. Bülow und Karl v . Mecklenburg, der erstere ein geborener Hannoveraner , der letztere ein Mecklenburger, beide seit 1777 in diesem Regimente dienend und eng mit einander befreundet . Im Sommer 1793

wurden sie

plötzlich ,

als sie mit ihrem

Regimente in Flandern im Felde standen , in das Land zurückgeschickt, »unbehutsamer, unanständiger und für den Dienst nachteiliger Äufserungen > Lawa « -Angriffe und fordert , die Ssotnien in der Ausbildung für diesen nicht zu beschränken , denn diese Art des Angriffs habe den Kasaken stets grofse Vorteile vor den geschlossen angreifenden Gegnern gewährt. >> Nicht derjenige schlägt den Gegner, der geschlossen anreitet, sondern derjenige, der den Angriff mit dem gröfsten Ungestüm ausführt (denn hiervon hängt die Stärke des Schlages ab) , und derjenige, der mit der Überzeugung angreift, dafs er siegen werde ; diese aber entspringt aus dem moralischen Bewuftsein der eigenen Kraft.

Wenn

man annimmt, dafs diese beiden Hauptpfänder für das Gelingen einer Attacke - die Kraft des Anreitens und die moralische bei beiden Gegnern gleiche sind, so wird, aller Wahrscheinlichkeit nach , derjenige den Sieg davon tragen ,

dem es gelingt , mit dem frontalen

Angriff einen solchen auf die Flanke oder noch besser in den Rücken des Gegners zu verbinden .

Die Kavallerietaktik fordert

dringend

dieses Verfahren , aber sie giebt leider nicht genug praktische Fingerzeige zur Erreichung dieses Zieles.

Bei gleicher Länge der beider-

seitigen Fronten ist es zwar schwer , dem Gegner die Flanke abzugewinnen , aber es ist doch fast immer möglich.

Die

Attacke

in der >> LawaHierin liegt das bedeutende Übergewicht der » Lawa« , die unsern Söhnen des Don in früheren Kriegen den Sieg über die feindliche Reiterei gegeben hat, und die wir deswegen gebührend würdigen und zur gehörigen Entwickelung bringen müssen. Lawa>ན Freilich kann man, heifst es in dem Befehle, die Energie des » Lawa-Angriffs « und auch seine Schnelligkeit bestreiten , aber hierauf macht er auch keinen Anspruch , indem sein unschätzbarer Wert in seiner Unverwundbarkeit und seiner Zähigkeit liegt.> Lawa>Folgt man obigen Auseinandersetzungen des Generals , so sagt der Verfasser eines Artikels des » russischen Invaliden « , so wäre also die >> LawaUnter solchen Bedingungen (d . h.

bei gutem Gebrauch des

Pferdes und der Waffen ) kann einem mit Piken und einem schnellschiefsenden Gewehr ausgerüsteten Regiment gegenüber , das dieses Gewehr zu gebrauchen weifs, kein Feind widerstehen , wenn das Regiment die aus der >> Lawa Lawa >Zum Angriff vorgehend, darf der Ssotnien-Commandeur nicht vergessen , die Zugführer der äufseren Züge davon in Kenntnis zu setzen, welcher von ihnen , ob einer oder beide, die feindliche Flanke anzugreifen haben ; er kann diesen Befehl entweder mündlich geben, oder , bei einem unvorhergesehenen Angriffe , von der Stelle aus dem betreffenden Zuge nur mit dem Säbel das verabredete Zeichen geben. >Der Wert der » Lawa « besteht nur darin, dafs sie, durch Aufstellung der Leute in einem Gliede die Front verlängernd, die Möglichkeit bietet, die feindlichen Flanken zu überflügeln , natürlich nur in dem Falle , wenn die feindliche Front kürzer ist, als die der >> Lawa « .

Ihre Nachteile aber sind die : dafs durch die eingliedrige

Aufstellung die Länge der Front verdoppelt wird, und dafs hierdurch bei schnellen Gangarten die Truppe auseinanderkommt , wodurch die Leitung derselben erschwert wird , was als ein grofser Nachteil anzusehen ist. Man braucht deshalb kein besonderer Kenner der Kriegskunst zu sein, um behaupten zu dürfen , dafs die » Lawa « , sowohl was die Stofskraft, als auch was die Ordnung und Gewandtheit anbetrifft, dem geschlossenen Angriff entschieden nachsteht. Die Anwendung der »Lawa« im » Vaterlandskriege « *) rechtfertigt der Autor damit ; der Kasak wäre damals infolge der unaufhörlichen Kämpfe geübter in dem Waffenhandwerk gewesen, als heute, und definiert die Stellung, welche der Kasak heute inmitten des militärischen Russlands einnimmt , dahin , dafs er sagt :

» es scheint uns , dafs der Kasak nie

speziell Dragoner oder Lanzenreiter ,

sondern immer

ein leichter

Kavallerist gewesen ist, der sich zu der verschiedenartigsten Thätigkeit auf dem Kriegstheater eignete, und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag.< Schliefslich berührt der General noch das von allen berittenen Kasakentruppen angenommene und angewendete Absitzen aller zum Gefecht zu Fufs mit Koppeln der Pferde ; er bestreitet die Notwendigkeit, diese Übung in das Reglement aufzunehmen . >>Weder die Erfahrungen aus den Kämpfen im Kaukasus , wo hin und wieder von dem allgemeinen Absitzen Gebrauch gemacht wurde, noch auch diejenigen des letzten Krieges liefern Beweise dafür, dafs es wünschenswert wäre , diese Art des Absitzens zum Fufsgefecht bei den Kasakentruppen einzuführen .

Nicht selten habe ich von

alten Kaukasiern gehört, dafs die gekoppelten Pferde sich während

*) Mit diesem Ausdruck bezeichnet man in Russland den Krieg von 1812-1815.

Zur Frage der Bewaffnung und Ausbildung der Kasaken .

249

des gegenseitigen Beschiefsens derart verwickeln , dafs es schwer hält, sie nachher wieder zu lösen. Zum » Absitzen behufs Führens eines Verteidigungskampfes im Kreise « übergehend, stellt der General die Frage:

wenn es für den Kasaken angemessen erscheint ,

tischen Augenblicke zu dieser Art der was liegt für ein Grund vor ,

Verteidigung zu

im krigreifen,

solches nicht auch dem regulären

Kavalleristen zu gestatten ? dazu , dem Kasaken

Man fragt sich : was ist Veranlassung dem geborenen Reiter - zu befehlen , im

kritischen Augenblick zu Fufs zu kämpfen und zu sterben , indem er sich Deckung hinter seinem Pferde sucht ? Wenn hierzu ein genügender Grund vorliegt , so mufs auch für ähnliche Fälle und unter gleichen Bedingungen dem Infanteristen empfohlen werden , sich tiefer in die Erde einzugraben , dem Artilleristen ein Versteck unter seiner Kanone zu suchen . Bei der grofsen Entfernung , auf welche die heutigen Feuerwaffen schiefsen , bietet die geschlossene Ordnung sowohl dem Artilleriewie auch dem Infanterie-Feuer von vornherein eine sehr gute Zielscheibe dar. Im ersten Augenblick des Angriffs bringt die geschlossene Ordnung nur 50 % der Reiter in den Kampf , da das hintere Glied selbstredend noch nicht mitwirken kann. ― Gelingt der Angriff nicht, so hindert das zweite Glied das erste nur, wenn dasfelbe » linksum - Kehrt macht, und setzt es also unnützen dagegen Die Lawa Schlägen des verfolgenden Feindes aus. führt alle 100 % gleich in den Kampf ; sie leidet weniger durch das feindliche Feuer. Bei der Attacke fafst sie um die feindlichen Flügel herum : und jeder von uns kommt im Gefecht schneller aus der Fassung und fühlt sich schneller von der Panik ergriffen , wenn er sich von allen Seiten attackiert sieht. - Die Vorwärts- und Rückwärts-Bewegung in der »Lawa «

ist leichter. -

Wenn sich

beim Angriff in der »Lawa « ein Hindernis zeigt, so wird der Reiter dasfelbe leicht nehmen, beim Angriff in der geschlossenen Ordnung aber werden viele stürzen . Frontoffizier « ja kein Stratege

*) Strategie. Eine Studie von Blume, Oberst und Commandeur des Magdeburg. Füsil.-Regts. Nr. 36. Berlin 1882. E. S. Mittler & Sohn .

Blume's Strategie .

338

sei und darum auch nicht nötig habe , sich um die » Strategie < sonderlich zu bekümmern. Es wird von diesem nicht glücklich gewählten Standpunkte aus allerdings völlig übersehen , dafs die gesamten Kriegswissenschaften ein organisch - gegliedertes , in den einzelnen Teilen einander ergänzendes, stützendes und harmonisches Gebäude ausmachen , dafs im Speziellen Strategie und Taktik , die vornehmsten Kriegswissenschaften , in engster Wechselwirkung zu einander stehen , dafs endlich ein reifes Verständnis kriegsgeschichtlicher Werke ohne klare Anschauungen von den Grundbegriffen der Dies zugegeben , wird auch der FrontStrategie unmöglich ist. offizier einem Werke , wie Blume's Strategie , sein Interesse nicht versagen dürfen.

Ehe wir auf das Werk näher eingehen , wird es nötig sein , einen flüchtigen Rückblick auf die strategische Litteratur der neueren Zeit , sagen wir der letzten 50 Jahre , zu werfen. Die Zahl der überhaupt nennenswerten litterarischen Erscheinungen über Strategie Nach dem Kriege, also in Konkurrenz mit dem

ist nicht bedeutend.

Blume'schen Werke, erschienen » die strategischen Aufsätze von Leer> Zustand

der Ruhe « im Kriege, die Truppenbeförderung auf Eisenbahnen und Schiffen ,

endlich

die rückwärtigen Verbindungen des Heeres und

die Befestigungen .

In welchem Maſse Strategie und Taktik einander

durchdringen und ergänzen ist hier ersichtlich . Ein Kapitel über Märsche , die Streitkräfte im Zustande der Ruhe , die Truppenbeförderung auf Eisenbahnen etc. wird zweifellos in keinem Handbuche der Taktik fehlen, ebenso wenig endlich in Werken über den Generalstabs-Dienst .

Dies liegt in der Natur der Sache.

Die An-

ordnung der Märsche aufserhalb des Gefechtsfeldes ist beispielsweise überwiegend Angelegenheit der Strategie, darum aber nicht minder ein Gegenstand der Taktik ;

nach taktischen Gesetzen

wird die

Ausführung der Märsche erfolgen , da ja die Truppe jeden Augenblick ein Gefecht gewärtigen muſs . Die Anordnung künstlich beschleunigter Märsche, mittelst der Eisenbahnen, ist dagegen wohl ausschliesslich Sache der Strategie , da eine Benutzung der Eisenbahnen für taktische Zwecke , d. h. auf dem Gefechtsfelde selbst ,

im Feldkriege

fast ganz ausgeschlossen ist und im Festungskriege zu den Seltenheiten zählen dürfte . — Über das Kapitel » Organisation der Streitkräfte und Truppenausbildung « äufsert der Verfasser selbst, dafs es eigentlich aufserhalb des Gebietes der Strategie liege, da der Feldherr mit ihnen als gegebenen Gröfsen rechnen , darum aber auch die Bedingungen der Leistungs- und Widerstandsfähigkeit der Streitkräfte

Blume's Strategie .

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genau kennen müsse. In diesem Kapitel ist auffällig die Behauptung, >>dafs die grundlegenden Gesichtspunkte für die Organisation und Ausbildung der Streitkräfte, unberührt vom Wechsel der Zeiten und Umstände , unabänderlich fest stehen.< Wir können diesen Satz schlechterdings nicht unterschreiben ,

sind vielmehr der Meinung,

dafs auf keinem Gebiete mehr Veränderungen zu Tage treten , als auf dem der Organisation und Ausbildung , ja dafs zu allen Zeiten gerade in dieser Beziehung die aller verschiedensten Ansichten geherrscht haben. Man vergleiche nur unsere heutige Armee mit der des grofsen Königs : welche fundamentalen Verschiedenheiten der Organisation und Ausbildung ! Wo sind dann da die »unabänderlich fest stehenden Gesichtspunkte Passivität «< , des Es wäre recht zu wünschen , dafs Abwartens , nicht völlig deckt. unsere militärwissenschaftlichen

Schriften ,

nach dem Vorangange

des Generalstabswerkes über den Krieg von 1870/71 , sich bemühten, nur da den Gebrauch der Fremdwörter zu genehmigen, wo ein entsprechendes gutes deutsches Wort sich in unserem Sprachschatze nicht vorfindet. Es soll hiermit einer übertriebenen Sprachfegerei keineswegs das Wort geredet werden, da sonst sich das anscheinend Bessere als Feind des Guten erweisen könnte .

Blume's Strategie.

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Besonders wertvoll sind auch die Kapitel über die strategische Offensive und Defensive ; hier wird der Beweis geliefert , dafs sich die Ansichten über deren beiderseitigen Wert seit Clausewitz' Zeiten gewaltig geändert haben . Clausewitz hielt bekanntlich die Verteidigung für eine stärkere Kriegsform als den Angriff , eine Ansicht , welche schon von vielen seiner Zeitgenossen lebhaft bekämpft wurde. sagt:

Willisen in seiner »Theorie des Grofsen Krieges
> Wer den General Clausewitz wahrhaft verehrt, kann freilich

nur wünschen , daſs er jene Ansicht niemals niedergeschrieben hätte« . Gleichwohl war es erst der neueren Zeit und namentlich denjenigen mafsgebenden Persönlichkeiten unserer Heeresleitung ,

welche man

als Clausewitz würdigste Schüler bezeichnen darf, vorbehalten, dem Angriff wieder zu seinem vollen Rechte zu verhelfen. demgemäss

ohne Umschweif die

strategische

Blume erklärt

Offensive für

die

wirksamere Form der Kriegführung , welche allein zum endlichen Ziele führt. Man wird die Ursache für diese veränderten Ansichten über Offensive und Defensive aber auch noch in anderen ErscheinungsMomenten suchen müssen ; in erster Linie ist es die Benutzung der verbesserten Kommunikationsmittel , der Eisenbahnen und Telegraphen für die Zwecke des Krieges. Obwohl sie der Defensive nicht minder zu Gute kommen, als der Offensive, so doch dieser in erhöhtem Maſse. Die Mobilmachung , sowie die Versammlung der Streitkräfte aus ihren zerstreuten Friedens-Garnisonen an der bedrohten Grenze benötigt, statt vieler Wochen, ja Monate, jetzt nur noch wenige Tage. Andererseits drängt die Versammlung der riesigen Heeresmassen , welche in den Kriegen der Gegenwart einander gegenüber treten ,

zu baldiger Entscheidung ; schon wenige

Wochen nach erfolgter Kriegserklärung werden die ersten wuchtigen Schläge fallen . Wer dem Gegner mit dem Beginn der Operationen nach vollzogenem strategischen Aufmarsch auch nur um wenige Tage voraus ist, hat damit schon bedeutende Chancen des Erfolges für sich ; man denke an die Eröffnung des Krieges 1870. Worte :

Das Kriegsfeuer

entzündet

schneller zusammen als früher.

Mit einem

sich schleuniger und brennt

Von einer siegreich durchgeführten

strategischen Defensive grofsen Stiles berichtet die Kriegsgeschichte der neueren Zeit Nichts. Clausewitz entwickelte seine Theorie noch unter dem Eindruck der Feldzüge von 1812 und 1813 ; doch schon der Feldzug in Frankreich 1814 redete der Offensive , obwohl die der Alliierten keineswegs

eine mustergültige war , und Napoleons

Genius sich in der ihm völlig fremden und unbequemen Rolle der Defensive in glänzendem Lichte zeigte, sehr entschieden das Wort.

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Das Schlufskapitel des Werkes beschäftigt sich mit der » Strategischen Bedeutung fester Plätze < ;

es enthält das Beste , was in

neuerer Zeit über dieses Thema geschrieben worden ist, und wird man diesen lichtvollen und fesselnden Betrachtungen in allen Beziehungen nur zustimmen können .

Von dem Fortifikations- System

der Franzosen an ihren Ostgrenzen

wird treffend gesagt :

»> Man

hat dort auf einer langen, mit der Grenze parallel laufenden Linie Festungen und Forts so nahe an einander gereihet , dafs diese ganze Linie yom Feuer der Festungsgeschütze nahezu beherrscht wird eine moderne chinesische Mauer !« - Die Vorteile eines zweckmässig angelegten

Befestigungs - Systems, im Speziellen

auch des

französischen, nicht verkennend, warnt der Verfasser zum Schlusse davor, von der Befestigungskunst zu viel zu erwarten, dem Schilde mehr zu vertrauen als dem Schwerte, und sagt : Schutz der Wälle verlassen ,

ist für

» Sich auf den

ein Volk bequemer , als

im

Schweifse des Angesichts zu arbeiten , um Geist und Körper frisch und geschickt zu schneidiger Führung des Schwertes zu erhalten . Übertriebene Hinneigung zu Festungsanlagen verdankt ihren Ursprung dem bewussten oder unbewussten Gefühl moralischer Schwäche !