229 51 30MB
German Pages 694 Year 1886
OORLO
Jahrbücher
für die
deutsche
Armee
und
Marine.
Verantwortlich redigiert
von
von
G.
MARÉES
Oberstlieutenant a. D.
Sechszigster Band .
T
IB
E
Juli bis September 1886.
F
D
R A P
B
K RE
O LR O
M
O
N A V OS LI
N E
BERLIN . RICHARD WILHELMI. 1886.
LOAN STACK
U3 M6 July - Dec 1886
ت
Inhalts - Verzeichnis .
I. II.
III.
Seite 1
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814 . Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805. Ein Bei trag zur Vorgeschichte des Krieges von 1806/7. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von Dechend , Premier-Lieutenant im hessischen Füsilier - Regiment Nr. 80
31
Betrachtungen über Gepäckerleichterung und Fufspflege bei der deutschen Infanterie
61 72
IV. Umwallung oder nicht? V. Aus ausländischen Militär - Zeitschriften
83
VI.
91
VII.
Umschau in der Militär- Litteratur Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröfseren, in den militär. Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Auf sätze. (II. Quartal 1886.) ( 15. März — 15. Juni 1886.)
100
Zum 17. August 1786. Eine Erinnerung an Friedrich den Grofsen von A. v. Crousaz , Major z . D.
117
IX.
Friedrich der Grofse in den Feldzügen 1757-1761 , aus Seiner Korrespondenz beleuchtet . Von Fritz Morgen , Hauptmann a. D.
140
X.
Der Feldzug des Herzogs von Bevern in Schlesien und die Schlacht bei Breslau. Eine kriegsgeschichtliche Untersuchung von Dr.
VIII.
158
Georg Winter , Königl. Archivar
XI.
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
(Fortsetzung)
183
XII.
Die preufsisch - hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805. Ein Bei trag zur Vorgeschichte des Krieges von 1806/7. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von Dechend , Premier- Lieutenant im hessischen Füsilier-Regiment Nr. 80. (Fortsetzung) . XIII. Die militärischen Bilder auf der Jubiläums -Ausstellung der Berliner Kunstakademie
207
XIV.
228
Umschau in der Militär-Litteratur
208
221
XV.
XVI.
XVII. XVIII. XIX.
Seite Friedrich der Grofse in den Feldzügen 1757-1761 , aus Seiner Korrespondenz beleuchtet. Von Fritz Morgen , Hauptmann a. D. 237 (Schlufs) Der Feldzug des Herzogs von Bevern in Schlesien und die Schlacht bei Breslau. Eine kriegsgeschichtliche Untersuchung von Dr. 262 Georg Winter , Königl. Archivar. (Schlufs) . 300 Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814. (Schlufs) Zur Geschichte des serbo - bulgarischen Krieges. Gopčević Umschau in der Militär-Litteratur
Von Spiridion 331
341
vaGno
CONTES
I.
Briefe
aus
den Feldzügen
1813 und 1814. *)
I. Zossen, den 24. März 1813. Seit vorgestern bin ich hier , um , wie Du weifst , den guten Onkel Fritz vor meinem Abmarsch von Berlin noch einmal zu *) Der Verfasser dieser Briefe ist der im Jahre 1863 in Bromberg verstorbene Ober-Regierungsrat Mebes , welcher beim Ausbruch des Befreiungskrieges , damals Kammergerichts-Referendar in Berlin , als freiwilliger Jäger in das neugebildete Jäger- Bataillon v. Reiche eintrat , bald nachher Offizier und weiterhin Adjutant dieses Bataillons wurde und in diesem Verhältnis die Feldzüge mitmachte. Seine Erlebnisse zeichnete er in Briefen an seine Mutter auf, nach deren Tode dieselben wieder in seine Hände gelangten. Diese Briefe , von denen leider ein grofser Teil im Laufe der Zeit verloren gegangen ist, liefern ein treues Bild über das Wirken und Treiben des Einzelnen im Kriege neben manchen wohl sonst nicht bekannt gewordenen Angaben über gewisse Ereignisse ; sie zeigen den damals 22 jährigen Verfasser in den vielfach eingeflochtenen Betrachtungen über die Zeit und in den freimütigen Urteilen über Personen und Verhältnisse als einen weitblickenden , von dem Aufschwunge der Zeit bis ins Innerste der Seele erfafsten jungen Mann. Da das Jäger-Bataillon v. Reiche nach dem Waffenstillstande im August 1813 zur Nordarmee unter dem Kronprinzen von Schweden, später zur Belagerungs Armee in Holland unter Bülow gehörte, so betreffen die in den Briefen ge schilderten Ereignisse nicht dem Haupt- , sondern einen Nebenschauplatz des Krieges , die Unternehmungen an der unteren Elbe unter Tettenborn und Wall moden bis in den Spätherbst 1813, und den Festungskrieg in Holland im Winter 1813/14. Zum Verständnis einzelner in den Briefen berührter persönlicher Beziehungen wird bemerkt, dafs die Mutter des Verfassers, Wittwe eines Hofpredigers , die Stellung einer Erzieherin bei den Kindern des Prinzen Wilhelm, Bruders des Königs Friedrich Wilhelm III., einnahm und im Schlofs zu Berlin wohnte. Abgesehen von einigen - lediglich auf Familienverhältnisse Bezug habenden und aus diesem Grunde fortgelassenen - Stellen sind die Briefe vollständig wort D. R. getreu und ohne jede Änderung wiedergegeben. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LX. , 1. 1
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
2 besuchen.
Ich konnte nicht einmal von Dir Abschied nehmen, denn
Du warst am letzten Sonntag so sehr in Anspruch genommen, daſs ich, als ich um 8 Uhr hörte, dafs Du noch am Theetisch der Prinzessin sälsest , einmal zu sehen .
es endlich aufgab , an diesem Tage Dich noch Ohnehin wollte ich den Abend zum Ordnen
meiner Papiere benutzen .
In meiner Wohnung fand ich noch einen
Bekannten vor, der meiner schon seit einer Stunde harrte, und der sich grofse Mühe gab ,
mich zu disponiren,
bei
dem sogenannten
schwarzen Corps , welches unter Major v. Lützow in Schlesien errichtet wird, Dienste zu nehmen, und die mir anhängenden frei willigen Jäger zu demselben Schritt zu bewegen. Er bezog sich besonders auf den mir von Frankfurt a/O. her näher bekannten Lieutenant v. Dittmar,
der
mit mir
dort
studirte,
und auf den
Professor Jahn , die es ihm beide angelegentlich zur Pflicht gemacht hätten , mich für das Lützow'sche Corps zu engagiren. viel und mit grofser Salbung von Jahn ,
der
Er sprach
ein einflussreiches
Mitglied dieses Corps ist , und den die Turner, seine ungeschlachten Jünger, wie eine Art von Messias anstaunen . Ich will es nicht in Abrede stellen , dafs die Zwecke , die Herr Jahn verfolgt , sehr löb lich sind ; aber die ganze Erscheinung dieses Mannes und sein nafs burschikoses Auftreten hat auf mich einen solchen unangenehmen Eindruck gemacht,
daſs ich unbedingt einen Truppentheil meiden
würde, in welchem er einen gewissen Einfluss ausübt.
Ohnehin bin
ich aber auch in der grünen Farbe schon vollständig equipirt, und ich werde ihr nicht untreu werden. Mein Besuch verliefs mich daher bitter und böse ,
um am folgenden Tage nach Breslau ab
zureisen, und ich war froh, dafs ich nun Herr meiner Zeit war . An demselben Tage hatten wir des Morgens um 11 Uhr unsere erste Parade im Lustgarten ;
ich führte als Oberjäger
einen Zug.
Unser Commandeur, der Hauptmann v. Reiche, fehlte aber ; er hatte auf einige Tage einen Ausflug nach der Priegnitz gemacht. Seine Er ist vom äufsere Erscheinung ist freundlich und angenehm. Könige mit der Errichtung eines Jäger- Bataillons beauftragt, welches vorzugsweise aus solchen Leuten gebildet werden soll , die in den vormals Preussischen Provinzen an der Elbe, also im Magdeburgischen , Halberstädtschen und der Altmark einheimisch sind. Es sind bereits 300 Mann grofs.
versammelt ,
Die freiwillige
genannt) zu der
aber noch
nicht equipirt ;
Jäger - Compagnie
auch ich gehöre ,
der Zulauf ist
( das Jäger - Detachement
unterscheidet sich dadurch von
dem Bataillon, dafs die Mitglieder der ersteren sich alle auf eigene Kosten equipirt und bewaffnet haben ,
während
das Bataillon auf
3
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814. Kosten des Staats moutirt und armirt wird . Büchsen ,
die
Letzteren
Musketen ,
und nur
Unterofficiere haben gezogene Kugelbüchsen , Wilhelm
60 Stück geschenkt hat
sprochen .
Die
Die Ersteren führen die Oberjäger oder deren
die Prinzessin
oder schenken zu wollen
ver
freiwillige Jäger- Compagnie oder das Detachement
bildet eine besondere Abtheilung und zwar die 5. Compagnie des in der Formation begriffenen Bataillons ,
welches ,
seine grüne recht
geschmackvolle Uniform abgerechnet, eigentlich nichts weiter ist als ein Füsilier-Bataillon .
Es trägt
die Uniform der Dir sehr wohl
bekannten Ostpreußsischen Jäger, aber mit hellgrünen Achselklappen und dunkelgrünen Pantalons Cavallerie- Czako's mit einem schwarzen Rofshaaren .
mit einem breiten rothen Streifen , Busch von lang herunterhängenden
Die Officiere haben dergleichen weiſse Büsche
von Rofshaaren , goldene Achselbänder und Achselklappen von hell grünem Sammet. Armee. Bei
der
Die Uniform ist eine der hübschesten in unserer
Parade
war
das
Detachement
145
Mann
Gewehr, von welchen noch kein einziger majorenn ist.
unterm
Viele haben
noch nicht das 18. Jahr zurückgelegt . Die Equipirung ist durch gehends fein und sauber. Das auf dem schwarzen Bandelier an gebrachte vergoldete Schild mit der Inschrift » Berliner Freiwillige >Sie
werden nach dem ersten Gefecht zum Officier vorgeschlagen . «
Des
Abends spiele ich in der Ressource Whist.
Meine Gesundheit, oder
vielmehr meine Verdauungswerkzeuge , die durch das anhaltende Sitzen und Studiren während des letzten Jahres sehr angegriffen waren , scheinen sich zu bessern.
Der Marsch hierher hatte mich
doch , wie ich erst am folgenden Tage inne wurde , sehr angegriffen. Ich gehe aber nach Tische jetzt regelmässig angethan eine
Meile spaziren ,
um
mit Sack und Pack
mich an
das
Marschiren
zu
gewöhnen , und mich für meinen neuen Beruf vorzubereiten. Es wird mir aber noch immer herzlich sauer. Beinahe bedaure ich es jetzt ,
dafs ich das Anerbieten der
genommen
habe ,
die
mich
an den
Prinzessin Wilhelm
nicht an
Commandeur des
Dragoner
Regiments ihres Gemahls für den Fall empfehlen wollte , daſs ich es wünschen möchte , bei der Kavallerie Dienste zu nehmen . Da es aber mit meiner Reitkunst schwach bestellt ist ,
zog ich
den
Dienst bei der Infanterie vor , und ich will wenigstens hoffen , dafs je mehr meine sonst so kräftige Gesundheit sich wieder befestigen wird ,
ich
auch
die
frühere
Behendigkeit
meiner Füsse
wieder
erlangen werde, denen noch vor einem halben Jahr ein Marsch von 6 bis 8 Meilen eine geringe Aufgabe war. Nachdem ich
nun seit länger als 3 Wochen die Akten
mit
allem Zubehör von mir geworfen und das Schreiben beinahe verlernt habe, thut es mir heut ordentlich wohl, in dem behaglichen warmen Zimmer mit Dir mich schriftlich unterhalten zu können . Dieses Wohlbehagen ist die Mutter dieses etwas in die Länge gezogenen Briefes.
II. Wittenberge an d . Elbe, den 31. März 1813 , Abends 9 Uhr.
Ich benutze die nächtliche Stille, um Dir einige Nachrichten über mich zu geben, nach welchen Dich verlangen wird, da es Dir nicht unbekannt ist , dafs wir täglich ernsten Ereignissen entgegen sehen.
Der Krieg hat gestern begonnen ;
die ersten Schüsse sind
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
8
von den Bürgern der Stadt Lenzen an der Elbe auf die am jenseitigen Ufer befindlichen Franzosen bei dem Kampf um eine Fähre gefallen . Es hat von beiden Seiten Verwundete gegeben . Kaum sind wir 3 Tage auf dem Marsch, und schon haben wir uns in einem solchen militärischen Treiben befunden , daſs ich kaum zu Athem gekommen bin. Unser interimistischer Compagnie - Führer ist der Lieutenant v. K., bis zum Jahre 1806 Offizier in einem Füsilier - Bataillon . Er ist ein Verwandter des verdienten Generals v. Lestocq, und diesem Umstande verdankt er auch wohl seine Wiederanstellung, denn er ist übrigens ein ganz ungehobelter Mecklenburger , der am wenigsten als Führer eines Jäger -Detachements qualificiert ist, welches eine so grofse Anzahl gebildeter Leute enthält.
Ich
mache aber
gute
Miene zum bösen Spiel, und suche mich ihm zu befreunden , was mir auch gelungen ist. Aufser ihm befindet sich noch ein zweiter Offizier bei dem Jäger - Detachement, ein gewisser Lieutenant K., der bisher beim reitenden Feldjäger - Corps und i . J. 1807 als Offizier unter Schill diente ――――― ein kleines sehr manierirtes und gespreiztes Kerlchen — der mich mit herablassender Güte behandelt, was ich mir gefallen lasse. Doch ich kehre zu meiner Geschichte zurück.
Am 29. März
Nachmittags um 3 Uhr versammelte
wunderschöne
sich
unsere
Compagnie auf dem Dönhoffsplatz, um den Marsch nach der Nieder Elbe zum Corps des Generals Tschernitscheff anzutreten . Eine ungeheure Volksmenge hatte sich versammelt,
und gab uns das
Geleite durch die Leipziger und die Friedrichsstrafse bis zum Oranien burger Thor. Unter unendlichem Jubel und unter dem Schall unserer Gesänge zogen wir durch die Stadt. Signal ,
indem ich das Schillersche
Ich gab selbst das
» Frisch auf Kameraden Ach , rief er in einem solchen Moment in
seinem
gebrochenen
Deutsch aus , » Nix besser Kamerad als Preufse, immer voran , immer Hurrah, ich will sie alle sterben lassen ! «
Es war aber so böse nicht
gemeint, denn er wollte eigentlich nur sagen : für meine preufsischen Kameraden könnte ich mein Leben lassen. Als das Körner'sche >Gebet vor der
Schlacht « ,
welches
einen
wahrhaft
erhebenden
Eindruck machte, an die Reihe kam, da entblöfsten die Kosacken ihre Häupter, kinder an . Ach,
so sprach die
Macht des
Gesanges
diese
Natur
und dieser herrliche Körner ist nicht mehr unter uns.
Er blieb, wie Du schon wirst vernommen haben, am 29. August in einem unbedeutenden Gefecht bei Gadebusch. Am folgenden Tage bestatteten wir im Bivouac von Wöbbelin seine irdischen Überreste unter einer alten Eiche.
Auch ich warf eine Hand voll Erde in
seine Gruft, und flüchtete dann für den Rest des Tages in die Einsamkeit, denn ich war von diesem Ereignifs so innig bewegt, dafs ich für die Gesellschaft völlig unbrauchbar war.
Und sollt ich einst beim Siegeseinzug fehlen, Weint nicht um mich, beneidet mir mein Glück, Denn was berauscht die Leier vorgesungen, Dafs hat des Schwertes freie That errungen , so sang er in einem seiner Lieder, und die darin ausgesprochene Ahnung mufste leider sobald in Erfüllung gehen. Das Lützow'sche Corps, so reich an gebildeten und interessanten
28
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814 .
Menschen, hat durch Körner's Tod seine schönste Zierde verloren. Ich habe in diesem Corps unter den Officieren sowohl als unter den freiwilligen schwarzen Jägern sehr viele Freunde und Bekannte theils von der Universität her, theils auch jetzt erst erworben .
Ich
fühle mich immer sehr wohl unter diesen jovialen, ritterlichen Männern, und suche sie daher auch, wenn wir zusammen im Lager uns befinden , fleiſsig auf.
In dem zweitägigen Gefecht bei Lauenburg
haben sie sich vortrefflich geschlagen , aber auch schweren Verlust erlitten. Ihre Tyroler Schützen - Kompagnie wurde in dem vorhin erwähnten Gefecht bei Gudow und Mölln am 4. des Monats hart mitgenommen.
Bei dem Kavallerie - Regiment dient Heinrich Valentini Wie
als Officier ; wir haben uns gegenseitig mehrmals besucht.
überhaupt in den einzelnen Truppen - Abtheilungen der Wallmoden' schen Armee viele Unzufriedenheit mit der hiesigen Art der Krieg führung herrscht, die sich eigentlich nur auf Gefechte der Avant garde beschränkt, durch die in der Hauptsache nichts entschieden wird , die aber im ganzen doch viel Blut kosten, was man besser zu wichtigeren Unternehmungen sparen könnte,
so tritt diese Unzu
friedenheit besonders bei dem Lützow'schen Freicorps (schlechthin die Schwarzen
genannt)
sehr
entschieden
hervor ,
dessen
ganze
Bestimmung dadurch, dafs es den schwerfälligen Bewegungen einer Armee, und nun gar einer solchen wie die Wallmoden'sche eine ist , folgen mufs, vereitelt wird . Wie mir nämlich der überall gut informirte Major von Reiche mittheilte, so ist das genannte Freicorps ein Geschöpf des Tugendbundes, dem auch Reiche angehörte, der von demselben mehrmals zu wichtigen und gefährlichen Missionen besonders nach Westphalen gebraucht worden ist. Als nun anfangs d. J. der Tugendbund bei der allgemeinen Erhebung des ganzen preufsischen Volkes seine ursprüngliche Aufgabe erreicht sah , und demgemäss sich auflöste , denn nun bildete die ganze Nation einen Tugendbund, beschlossen mehrere einflussreiche und weiter sehende Mitglieder dieses Vereins ihre Wirksamkeit damit, dafs sie ein Frei corps ins
Leben riefen ,
welches
besonders der
Sammelplatz
der
gebildeten , der einst zu Officieren geeigneten Jugend werden , und welches die künftige
politische Einheit und Macht Deutschlands
nach innen und aufsen im Auge behalten und nöthigenfalls mit den Waffen vertheidigen sollte.
Dieses Freicorps sollte nämlich bei dem
vorausgesetzten glücklichen Fortgang des Krieges
in Deutschland
vordringen, dasselbe insurgiren , und im Vordringen zu einer ansehn lichen Armee anwachsen , wozu die Officiere in den Elementen des Korps reichlich vorhanden waren.
Dieselbe Bestimmung hatte auch
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
das Jäger -Bataillon von Reiche.
29
Endlich aber sollte diese Armee
bei dem dereinstigen Friedensschlufs und insbesondere bei der Re der Angelegenheiten Deutschlands als eine Deutsche
gulirung
Armee (also nicht etwa als eine Preussische) ein Wort mitsprechen , damit Deutschland nicht wieder in den alten Schmutz der früheren Zeit zurückgeführt, und zu einer Versorgungsanstalt für ein halbes Tausend Fürsten, Prinzen und Prinzessinnen gemacht werde . Es sollte ein mächtiges Deutschland erstehen , in welchem Ein Gott, Ein Kaiser oder König und Ein Gesetz walten sollte . Aber obgleich Kaiser- oder Königs - Krone schwerlich ein anderes Haupt als das unseres Königs zieren würde, so soll dieser doch , als er während des Waffenstillstands von diesem Zwecke Kunde erhalten,
die deutsche
sehr aufgebracht und anfangs sogar Willens gewesen sein, das ganze Lützow'sche Freicorps aufzulösen . Dies ist zwar abgewandt worden, aber man hat ihm einen Wirkungskreis angewiesen, der für seinen Organismus völlig ungeeignet ist, so dafs es ermattet, vor der Zeit alt wird und sich durch die Ungunst der Verhältnisse absorbirt . Dafs jene herrliche Idee, mit welcher viele ausgezeichnete und einverstanden hochstehende Männer ―――― selbst in unserer Armee sind, gleichsam todtgeboren ist, bleibt freilich sehr zu beklagen . Für jetzt muss man sich damit trösten, dafs wir vorläufig noch dringenderes zu thun haben, denn unsere nächste Aufgabe ist und An einer bleibt, den Feind aus unseren Grenzen zu vertreiben. besseren Zukunft Deutschlands verzweifle ich nicht ; sie wird und mufs kommen,
denn das
eigene Interesse
der deutschen Fürsten
erheischt es, auf ein Verhältnifs freiwillig Verzicht zu leisten , welches Deutschland von jeher gelähmt und zu einem Spielball seiner Nach barn gemacht hat, und welches, wenn es von Neuem ins Leben gerufen werden sollte, sie und ihre Dynastien über kurz oder lang ins Verderben führen wird. Ich habe eben meinen Brief durchgelesen , und ich finde, dafs ich heut recht unchronologisch geschrieben habe ; ich habe mit dem Ende angefangen , und dann mehrere Gedanken - Sprünge gemacht , und habe nun schon so viel zusammen geschrieben, dafs ich manches von dem, was ich in den ersten Tagen seit der Aufkündigung des Waffenstillstands erlebt, für diesmal mit Stillschweigen übergehen mufs. Es ist nun auch für heut schon so spät geworden Mitter nacht ist vorüber und ich möchte gern noch einmal in einem Bett vollständig ausschlafen , denn wer weifs, ob und wann es mir wieder geboten werden wird .
30
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
Den beifolgenden Brief bitte ich . an den Bruder Julius *) abgehen zu lassen. Er steht noch immer vor Danzig, und wie ich höre, soll die Aussicht zur Einnahme dieses so wichtigen Platzes, der von Rapp, einem der intelligentesten französischen Generale, vertheidigt wird, sehr weitaussehend sein. (Fortsetzung folgt.) *) Jüngerer Bruder des Briefschreibers ; war preufsischer Ingenieur -Offizier und zuletzt Oberst und Inspekteur der 3. Festungs - Inspektion . Er hat sich in weiteren Kreisen bekannt gemacht durch sein Werk „ Beiträge zur Geschichte des Preufsischen Staates und Heeres . 2 Bde . 1857 " und starb fast 90 Jahre alt im Jahre 1882 zu Berlin.
II .
Die
preuſsisch -hessische im
Jahre
Waffenbrüderschaft 1805 .
Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Krieges von 1806/7 .
Nach archivalischen Quellen bearbeitet von
Dechend, Premier-Lieutenant im hessischen Füsilier-Regiment Nr. 80.
Vorgeschichte. Die Vorgeschichte der preufsisch- hessischen Waffenbrüderschaft im Jahre 1805 ist in eine allgemeine und besondere zu scheiden. Was die erstere anbetrifft , so fällt vor allem ein Gegensatz zwischen dem neuen thatendurstigen, gewaltthätigen Frankreich und den ruheseligen , friedfertigen Staaten des übrigen Europas auf. Nur England und Russland hatten noch Lebensfrische genug , um vorwärts zu eilen , und waren auch räumlich so gestellt , dafs sie weder an dem Schicksal der anderen Staaten unmittelbar Anteil nahmen, noch ihnen zu Liebe von ihren eigenen Plänen sich ab zuwenden brauchten. Andererseits hing jedoch ein Teil jener Staaten von England oder Russland mehr oder weniger ab, und es war keine Frage , dafs es dadurch zwischen Frankreich und ihnen in Sachen jener zu einer feindlichen Berührung kommen konnte. Deutschland war von der aufwühlenden Machtentwicklung Frank reichs zu dieser Zeit im Westen, wie im Süden, beinahe vollständig umklammert. Es hatte zwar von allen Staaten zuerst gegen die französische Umsturzbewegung seine Waffen erhoben , sein Ansehen hatte dadurch aber nur gelitten . Der Einfluss des Kaisers von Deutschland , welcher namentlich durch den stürmischen Ehrgeiz
32
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
eines Joseph II. bereits vorher erheblich herabgesunken und auch durch die feinere Hand
seines Nachfolgers nicht erhöht worden
war, konnte sich den vielseitigen Gelüsten des Auslandes gegenüber nicht mehr genügend geltend machen . Es frug sich nur noch , ob der französische Einflufs alleinherrschend werden könne . Bei der ersten Neuordnung der Dinge in Deutschland 1803 hatten Frank reich und Russland sich noch zum gemeinsamen Vorgehen vereinigt , immer mehr aber hatte sich seitdem ein Gegensatz zwischen diesen beiden » Stellvertretern Deutschlands « aufgethan .
Die Naturanlage
des Deutschen, sein Sinn für Absonderung und Ungestörtheit, seine Übergeduld
und
Übertreuherzigkeit
hatten
dafür
fremden Einflüsse so lebensfähig werden zu lassen .
gesorgt ,
beide
Nicht zu ver
kennen ist jedoch demgegenüber , dafs auch ohne dies ein grofser Überschufs an Naturwüchsigkeit nötig gewesen wäre ,
um diesen
äufseren und den noch zu erörternden inneren , häuslichen Verwick Auch kam hinzu, lungen zu gleicher Zeit gewachsen zu bleiben . dafs der Sinn für eine staatliche Neuwerdung , wie sie Frankreich verbiefs, an sich nicht nur seit lange in Deutschland gerade gepflegt und mächtig geworden , sondern dafs auch das Volk gewöhnt war, die Geschicke seiner Fürsten als fremde Angelegenheiten zu be trachten .
Damit gewann der Gedanke nicht einmal Leben, dafs der
innere Hader vor dem äufseren Kampf zurücktreten müsse . Endlich glaubte wohl jeder und gerade der brave deutsche Mann noch immer soviel Kraft zu besitzen , um den Franzmann , welcher sich jetzt am meisten rührte , zu Boden zu schlagen , wenn er sich ernstlichere Eingriffe in die Ruhe und Sicherheit deutschen Landes zu Schulden kommen liefse . Wie kräftige Naturen weit heftiger oft von einer Krankheit befallen werden und doch nicht an ihren Ernst so bald glauben , als schwächliche , so mufste auch hier das deutsche Volk weit mehr als seine sämtlichen Nachbaren die Schwere des Unglücks fühlen, und wurde doch erst durch den äufsersten Grad desselben . klar über seinen Zustand und den Grund desselben. Die Beschaulichkeit des politischen Lebens hätte nun wenigstens zu einem nützlichen Ansammeln der Kräfte führen können . Leider fehlte dazu die stets bereite und vieles rechtfertigende Gewalt einer Diese hatte namentlich durch den Gegensatz Staatsallmacht. zwischen dem Hause Habsburg und Hohenzollern den Boden ver 1795 hatten sich die norddeutschen Kleinstaaten mit loren. Preufsen zu einer Art Sonderbund im Reiche vereinigt und Preufsen hatte sich bisher noch stark genug gefühlt , diesen zu vertreten . Die habsburgische Staatskunst hatte aber auch nicht einmal das
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
33
Zutrauen der übrigen Reichsstände behalten , nachdem sie sich so wohl mit der Abbröckelung deutscher Lande zu Gunsten Frankreichs , als auch mit den Bereicherungen eines Reichsstandes auf Kosten des anderen einverstanden erklärt hatte, wenn der österreichischen Hauspolitik damit gedient wurde. die Verschwommenheit der
Gerade ihr Beispiel mufste für
staatlichen Begriffe am
unheilvollsten
wirken und so war es kein Wunder , wenn einmal die natürlichen Bande zwischen Unterthanen und Fürstenhaus gelockert wurden oder sich bei allen nicht unmittelbar an den kriegerischen Verwicklungen . des
deutschen Kaisers
mit Frankreich
Gleichgültigkeit geltend machte.
Beteiligten
eine auffällige
Diese nahm selbst nicht ab , als
der österreichisch-französische Krieg mit einem Vorstofs der Öster reicher
begann ,
und sie
fand weder
ein
Gegengewicht
in
der
beunruhigenden Schnelligkeit , mit welcher darauf die kriegerischen Ereignisse vor sich gingen , noch in der Machtlosigkeit Österreichs, die man so oft schon beklagt hatte. ―― In Norddeutschland hatte jene staatliche Beschaulichkeit noch mehr Boden gefunden , als im Süden und Südwesten ; denn gerade die führende Macht hielt sich von allem fern , was zu einer Ver wicklung mit dem Auslande führen konnte. Einzelne der sich bis her an Preufsen lehnenden Kleinstaaten hatten ihre Kräfte infolge dessen sogar wieder wie früher , für gutes Geld dem Auslande angeboten. Der Wendepunkt in ihrem Geschick war aber nahe gerückt ; denn die Besetzung des englischen Hannovers durch franzö sische Truppen hatte mindestens den Beweis erbracht , dafs Frank reich die vielgerühmte norddeutsche Neutralität nicht mehr beachten wolle. Angesichts des widernatürlichen und schmäligen Wettlaufes der süddeutschen Kleinstaaten um die Gunst des französischen Machthabers werden
sich wohl oder
übel bei
den meisten ihrer
norddeutschen Nachbaren Zweifel eingeschlichen haben , ob ihre Unantastbarkeit nicht auch von dieser Seite her Schaden leiden müsse. Mit diesen Besorgnissen vor den französischen Fortschritten oder denen der franzosenfreundlichen Stammesbrüder war der Zer fahrenheit Thor und Thür geöffnet ,
man versuchte höchstens nur
noch zwischen dem französischen und preufsischen Einflusse hin und her zu steuern. So lag Deutschland innerlich, wie äufserlich und, je mehr der Einzelne Hilfe von anderen Mächten erhalten wollte oder konnte, auch machtlos da , als der Kampf des deutschen Kaisers mit dem neuen
Kaiser
der
Franzosen
seiner
wichtigsten
Entscheidung
entgegenging. Jedermann hielt sich zurück auch da, wo man das Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LX , 1 . 3
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
34
Kaisertum noch ehrte. Die preufsische Regierung machte sich nicht einmal kampfbereit , sie rüstete erst, als der russische Hof ihren Anschlufs an das österreichische Bündnis erzwingen zu wollen schien, rüstete also für Frankreich. Napoleon fand somit in seinem Kampfe leichtes Spiel ; er hatte nur Österreich vor sich . Dafs er aber die Gunst des Schicksals sich auch noch zu erhalten wufste , als Russland eingriff und endlich auch Preufsen , läfst sich nur aus seinem staatsmännischen und militärischen Geschick und aus den Fehlern seiner Gegner erklären . Dies, soweit es Preuſsen anbetraf, führt uns auf die besondere Vorgeschichte der preufsisch-hessischen Waffenbrüderschaft im Jahre 1805. Hessen konnte an sich in keine bessere Lage kommen , als wenn es sich eng an Preufsen hielt ; der Churfürst selbst wies darauf hin , als er schrieb, Hessen sei der Berücksichtigung deshalb wert , weil es immer als die Vormauer des preufsischen Staates gegen Westen angesehen worden sei. Friedrich der Groſse hatte grofsen Wert auf Hessen gelegt , und aus seiner Zeit mochte wohl jene Bezeichnung herstammen.
Dennoch werden wir sehen , dafs es
auch bei dieser weniger ernsten Verwicklung nicht zu einem festen Bunde kam , und die Beziehungen noch bei
weitem
aussichtsloser
zwischen Preufsen und Hessen
wurden ,
als
das
Einvernehmen
zwischen ersterem und Frankreich wiederhergestellt worden war. Bei der Vorgeschichte der Waffenbrüderschaft im Jahre 1805 mufste es sich nach alledem darum handeln , ob der französische Einflufs wachsen konnte, und dann ob Hessen dem gegenüber noch an der Seite Preufsens bleiben wollte oder konnte. Hessen galt für Frankreich seit 1795 als unmittelbarer Bundes genosse Preufsens , es war ihm jedoch bereits 1803 gelungen den Landgrafen zur Annahme der Churwürde aus französischen Händen zu bestimmen , allerdings ohne ihm sein Mifsbehagen vor dem neuen Herrscheradel zu benehmen. Als Erwiderung dieser Höflichkeit hatte der Churfürst die diplomatischen Beziehungen mit Frankreich wieder aufgenommen , teilweise jedoch wohl auch in dem Gefühl, sie nicht mehr für sich entbehren zu können . Es waren damit Dank der Geschmeidigkeit der französischen Unterhändler auch für Hessen die Zeiten gekommen , wo es vor die Frage gestellt wurde , ob es sich die Gunst des welterobernden Frankreichs erwerben, d . h. sein Sclave oder Feind sein solle. Klar über den Weg , dem man be schritt , war man sich in Hessen nur in so weit , dafs man durch andere Beispiele wufste , um welchen ersten Preis der Franzose seine Erbietungen mache. Die allgemeine Verschwommenheit der
35
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
staatlichen Begriffe liefs Hessen über diesen ersten Schritt jedoch schneller hinwegblicken , als es sonst namentlich bei der viel bekannten Sparsamkeit des Churfürsten Wilhelm der konnte. Hessen zahlte nicht unbedeutende Summen
Fall sein selbst an
untergeordnete Zwischenhändler , um in dieser Angelegenheit auf gleichen Standpunkt mit seinen Nachbarstaaten zu gelangen. Napoleon antwortete gleichwohl sehr zurückhaltend und fand
es,
bezeichnend genug vor allem, nur nötig einen seiner abgefeimtesten Handlanger in die neue Gesandtschaft für Kassel zu bestellen , der es auch bald verstand sich in jeder Beziehung lästig zu
machen .
Die erste Drohung dieses Mannes fiel vor im Jahre 1804 , als der Churfürst der von so vielen anderen deutschen Fürsten Aufforderung
Napoleons ,
befolgten
mit ihm in dem deutschen Mainz zu
sammenzutreffen , auf Grund plötzlicher Erkrankung nicht nachkam. Er äufserte unter Anderem dem hessischen aufserordentlichen Ge sandten gegenüber, man bezweifle die Wirklichkeit jenes Übels und seinen Ernst und meine , es sei lächerlich , so seinen Besuch zukündigen und nicht auszuführen .
an
Es gäbe übrigens Leute, deren
Gedächtnis frisch bleibe, man vergäfse nicht, vergäfse nichts . Dieser Drohung folgten bald andere Mafsregeln . Man hatte den Besuch des Churfürsten zu den in Paris bald darauf stattfindenden Krönungs feierlichkeiten noch dringender gefordert und als hessischerseits dieselben Gründe für das Nichterscheinen geltend gemacht wurden , folgte eine Reihe von Anklagen , die mit herben Zurechtweisungen seitens der französischen Regierung endeten .
Man mufste es sich
gefallen lassen , dafs eine dem französischen Gesandten nach Kassel gefolgte Schauspielerin einen Platz in den hohen Adels- und Hof Kreisen beanspruchte ; man mufste sich entschuldigen , daſs man in dem Verdachte stand , englische Werbungen in Hessen zu befördern , und musste Truppenversammlungen sofort abbestellen, die gar nicht einmal Frankreichs Gegnerschaft galten .
Dabei blieb es jedoch nicht,
Napoleon erkannte sehr gut, welchen Erfolg er für sich verzeichnen könne, wenn es gelänge, dem Churfürsten das ihm so wichtige , weil Er verlangte einkömmliche Verhältnis mit England zu zerstören . unter einer Menge Gesandten Taylor ,
von und
Gründen als dieser
englischen Gesandtschaft überhaupt.
die Abweisung Kassel verliefs ,
des
englischen
diejenige
der
Preufsen vermittelte in Paris
und London , wenn auch ohne Erfolg , und Napoleon nahm diese Teilnahme des Berliner Hofes nur gut auf, um die Angelegenheit erst nach und nach reifen zu lassen, bezw. erst in einem wichtigeren Augenblick auf die Spitze treiben zu können .
Hessen gewöhnte sich 3*
36
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
thatsächlich an dieses Zuchtmittel, und als Napoleon im Beginn seiner neueren
Rüstungen
gegen Österreich einen anderweitigen Beweg
grund zum Vorschein brachte , um den Druck gegen Hessen zu vervollständigen, fand der Churfürst die Kraft zum Aufraffen weder in sich noch in einer Anlehnung an Preufsen .
Der Marsch des
Corps Bernadotte von Hannover nach Franken, gerade über Kassel gerichtet, stellte nicht nur den Churfürsten vor den Augen anderer blofs , sondern lähmte auch seine anfängliche Entschlufsfähigkeit im wichtigsten Augenblicke.
Nur die Verkündigung der norddeutschen
Neutralität befreite Hessen aus diesen Schlingen der französischen Politik wieder , der Hauptzweck war jedoch für Napoleon erreicht, denn die hiermit vorausverkündete Enthaltungspolitik der nord deutschen Staaten benahm Hessen sowohl , als Preufsen weitere ernstere Entschlüsse.
Mit
diesen absichtlich hervorgesuchten Ver
wicklungen endeten auch die kaum angeknüpften Beziehungen zwischen Hessen und Frankreich . Der französische Gesandte verliefs den Hof zu Kassel unter den schärfesten Drohungen, während man den hessischen Gesandten in Paris als eine Privatperson behandelte. Warum war jedoch Preufsen im grofsen und ganzen teilnahmslos geblieben, wie stand das Verhältnis zwischen ihm und Hessen ? Zunächst scheint auch hier die
allgemeine Grundsatzlosigkeit in
Sachen politischer Tausch- und Handelsgeschäfte unheilvolle Kreise gezogen zu haben. Er ist aus vielen Merkmalen ersichtlich , dafs man in Kassel allen Ernstes überzeugt war , man könne auch bei Männern wie Luchesini (dem preufsischen Gesandten in Paris) vieles mit Geld durchsetzen. Von diesem Gesandten schrieb man in einem Berichte, er habe geraten, Hessen solle nur ruhig, wie andere auch , annektieren , Napoleon werde wohl nichts dagegen haben , es sei also höchstens die üble Laune des Wiener Hofes zu befürchten . Dies war jedoch nur eine und wahrscheinlich untergeordnete Seite des herrschenden Mifstrauens ; auf hessischer Seite machten sich bereits Zweifel geltend , ob Preufsen noch die Macht sei, auf deren Schutz oder Einfluss man wie zu Friedrich's Zeiten rechnen könne. Ein Streifblick auf diese Verhältnisse gewährt uns namentlich ein von der Hand des Churfürsten selbst geschriebenes und als »für die Zukunft besonders wichtig zur Nachachtung seines geheimen Ministeriums bestimmtes memoire, in welchem es u. A. heifst : Wenn die hessische Regierung -- so habe der als Unterhändler für Preufsen angelangte Prinz Wilhelm Churfürsten gegenüber erklärt , Februar
von Braunschweig dem mit Preussen, 1804 -
welches sich angesichts der Möglichkeit einer Verständigung zwischen
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805 . Österreich und Napoleon in der gröfsten
Gefahr
37
befinde ,
nicht
gemeinsame Sache machen wolle , so habe es auch bei einem Zer würfnis mit Frankreich keinerlei Schutz mehr zu erwarten . Der Churfürst habe dem gegenüber darauf hingewiesen , wie 1799 den König
persönlich
auf die
Verwicklungen
er schon
aufmerksam
gemacht hätte , die sich aus der französischen Besitzergreifung von Hannover für ganz Norddeutschland ergeben könnten . Es sei ihm damals
die
Antwort geworden ,
die
Franzosen
meinten
es
mit
Preufsen gut, und könne man ihnen daher auch ihren Durchmarsch durch (Preussisch-) Westfalen
nicht aufsagen.
Daraufhin sei dem
Churfürsten nichts weiteres übrig geblieben, als auf die Sicherheit seiner eigenen Staaten bedacht zu sein ,
d. h. es wäre für
Hessen von da ab nur eine Wahl geblieben , die bewaffnete Neu tralität ;
sobald
ein Krieg entstände ,
werde Hessen
dieselbe an
alle beteiligten Mächte verkündigen , seine Armee möglichst stark (30,000 Mann) zusammenziehen und das Weitere abwarten . Es werde jeden für seinen Feind erklären , der seine Grenzen überschreite.
Auf die Frage des Prinzen , ob der Churfürst nicht
wenigstens in Verhandlungen darüber eintreten wolle, sei die Ant wort des Churfürsten gewesen, es könnte dergleichen höchstens von französischer Seite Verdrufs nach sich ziehen und doch weiter keinen Nutzen ergeben . ――――― Preufsen hatte jedoch Gelegenheit das schwankende Vertrauen dieses Verbündeten sehr bald wieder zu gewinnen , denn die Ver wicklung
wegen Taylor's und Bernadotte's
gaben ihm Befugnisse
genug , um sein von Frankreich sogar mit anerkanntes Schutzrecht geltend zu machen . die Gunst dieses Augenblickes nicht.
trugvoller Betonung Es verstand jedoch
In der Anweisung an den
mit der Vermittlung in Paris an erster Stelle betrauten Gesandten Luchesini hiefs es wegen Taylor's zuerst allerdings : sehr weit
entfernt zu denken ,
dafs die
» . . . bin ich
Drohungen des
Kaisers
(Napoleon) jemals derartige gewesen sein können , daſs den Drohungen Bignons *) Folge gegeben werde ; dieser Monarch wird in seiner Weisheit sicher nicht verkennen , wie leicht ähnliche Vorfälle sich den Beziehungen entgegenstellen könnten , in denen ich die Genug thuung habe mich auch mit ihm zu befinden , und welche ich nur zu kultivieren bitte. Ich kann sie nicht mehr mit ruhigem
Blicke verfolgen. > » Friedrich wird für die Politik und den Krieg keine Zeit übrig haben , die Diplomatie macht mit ihm, was sie will , und für Gemälde und Statuen werden ihm Länder abzugewinnen sein u. s. w. >Dafs in coupiertem und sonst schwierigem Terrain eine Distanze der Escadrons von je 15 Schritt zu gewähren , in der Plaine aber stets dicht aufzu schliefsen sei. < Die damalige Kavallerie ritt Knie am Knie , and wenn es zur Attacke kam, so begann man im Schritt, ging in den Trab über, machte durchs Galoppieren die Pferde hitzig, und jagte en carrière in den Feind . Die Kavallerie , welche bei Friedrichs grofsen Offensivhandlungen das Meiste that , stand massenhaft auf beiden Flügeln der Schlachtlinie , und es diente bei schrägen Angriffen die des refüsierten derjenigen des angreifenden Flügels als Reserve. Die Disziplin der Armee Friedrichs hing mit Seiner Indivi dualität noch enger zusammen als jede andere Hinsicht des Heer wesens. Die Heeresdisziplin vor 1740 , welche Er ungemein rühmte, **) stand doch nur auf dem mustergültigen Organismus und der eisernen Kraft ; für diejenigen im Heere des grofsen Königs aber wirkten auch unvergleichliche Hebel Seines Geistes. Er verlangte von Seinen Kriegern die äusserste Hingebung , die mutige Haltung im Unglück, sowie diese Begriffs weise , welche im grössten Gehorsam die gröfste Ehre sucht ; ― und das so zu erreichen , wie es wirklich erreicht wurde, setzte Er Sein ganzes Selbst ein . Schon Sein Blick, Sein Lob oder Unwille wirkten erstaunlich ; wo Er war , hielt sich der Soldat für unfehlbar, und je mehr kriegerische Genugthuungen Letzterer erschwang , desto wunderthätiger wurde seine Disziplin überhaupt, und zumal diejenige, welche von der Individualität Frie drichs abgeleitet war. Aber auch äufsere Veranstaltungen , und sodann Friedrichs Ansprachen , Ehrengaben und Ehrenstrafen haben
*) Kapitel XXII: Von den Treffen und Bataillen. ** ) Friedrich des Grofsen bei Lebzeiten gedruckte Werke. I. Teil am Schlufs der Abhandlung : „ Vom Militär. “
125
Zum 17. August 1786.
für sie gewirkt. Äufserlich kamen die Kriegsartikel , Instruktionen und einzelnen Befehle in Betracht, und wenn der Strafmodus streng sein musste , so beklagte Friedrich diese Notwendigkeit , und es wurde von Ihm da und dort auch auf die sie bestimmende Grund ursache hingedeutet . Im XII . Kapitel Seines Anti - Macchiavell * ) sagt Er u. a. sehr charakteristisch :
» Dafs die besten Truppen
eines Staates die Nationaltruppen wären , Staat ,
wenn er nicht die
doch aber ein
für sein Kriegsbedürfnifs er
forderliche Menschenzahl aufbringen könne ,
zur Heran
ziehung von Miethstruppen gezwungen sei u. s . w. , « und man sieht daran , was Ihm vorschwebte, und doch nicht erreichbar war. Auf die Mittel, dem sehr oft vorkommenden Vergehen der Desertion vorzubeugen, wies der König im I. Kapitel Seines Unterrichtes an die Generale
u . s. w. hin ,
und kennzeichnete hiermit überhaupt
Seine ganze Auffassung der Heeresdisziplin sehr belangreich . Von den Ansprachen Friedrichs an Seine Offiziere sind diejenigen von 1740 und 1757 die bekanntesten . Erstere wurde bei Ausbruch des ersten schlesischen Krieges vor dem Ausmarsch der Truppen aus Berlin, **) letztere unmittelbar vor der Schlacht bei Leuthen***) gehalten ; ―――― wie nahe liegt es doch , die grofsen Erfolge , welche man dort und hier dann baldigst errang, mit diesen Ansprachen in Verbindung zu bringen! Mit Seinen Ehrengaben war der grofse König sparsam.
Den Schwarzen Adlerorden hatten z . B. 1787 nur
15 Generale ; Güter, Präbenden und Adelserhöhungen erhielten nur höhere Offiziere.
Der gemeine Mann , nur unter besonderen Um
ständen belohnt ,
hatte blofs die in seiner Disziplin und Begriffs
weise , zumeist in der Begeisterung für seinen ruhenden Antriebe.
Kriegsherrn be
Der Friede schädigte die Disziplin der Armee Friedrichs nach her immerhin dadurch , dafs er die Antriebe grofser Begeisterung hinwegnahm , und die Person des Königs den unmittelbaren Be ziehungen mit dem Heere entzog ; ―― aber das war kein Verfall, sondern nur da, wo in aufserordentlichen Umständen Aufserordent liches gewesen war, ein sachgemäfses Zurückgehen zum Gewöhnlichen . In jedem Augenblicke, wo die Kriegstuba erklungen , und der König wieder in die Mitte der Truppen getreten wäre, würde die Disziplin der Begeisterung und Wunderthätigkeit wieder dagewesen sein.
*) Friedrich des Grofsen bei Lebzeiten gedruckte Werke II. **) Friedrich des Grofsen hinterlassene Werke I. Kapitel 2. ***) Preufs : Friedrich der Grofse II. 105.
Der
Zum 17. August 1786.
126
bayerische Erbfolgekrieg bestätigte das nachher, trotz seines geringen Thatinhaltes , und obgleich Friedrich zu dieser Zeit schon sehr ge altert war, doch im Wesentlichen. Friedrichs Kriegskunst ,
welche sich in der
strategischen
Behandlung Seiner Feldzüge, so wie in Seinen Schlachten, Märschen und festen Stellungen kund gab, war durchweg aufserordentlich . Seine Strategie
ging stets
mit der Kriegspolitik Hand in
Hand. Im ersten schlesischen Kriege galt es Schlesien zu gewinnen ; über dieses Ziel schritt er nicht hinaus . In Böhmen und Mähren sah man nur eine und die andere Diversion, und nach dem Erfolge von Czaslau war Friedrich weise genug Seinen Siegeslauf zu hemmen. Diese Selbstbeschränkung nach der siegreichen Offensive errang Ihm Schlesien ; aber Österreichs Gegenbestrebungen führten nachher den zweiten schlesischen Krieg herbei .
In diesem rückte Friedrich, um
Seinen Gegner offensiv einzuschüchtern , in Böhmen ein ; doch zeigte der Feind sich hier überlegen . eigenen Ausspruch
vom
Friedrich lernte dabei, nach Seinem
Feldmarschall
Traun *)
und
ging
nach
Schlesien zurück, um hier, in defensiver Haltung, Seines Stichwortes zu harren.
Wie richtig Er hiermit spekulierte, bewies nachher Sein
Sieg von Hohenfriedberg .
Auf Sachsen richtete der König ,
den weiteren Siegen von Sorr und Hennersdorf ,
nach
Sein Augenmerk
erst für den Winterfeldzug von 1745 , und es war sehr wohl durch dacht, dafs dieses deutsche Centralland, von Ihm Selbst an der Ost und vom alten Dessauer an der Nordseite angegriffen wurde.
Als
Leopold bei Kesselsdorf gesiegt, vereinten sich diese zwei preufsischen Heere , und Friedrich hätte jetzt , wenn Er ein minderer Politiker gewesen wäre, noch weiter vorgehen und die Friedensbedingungen, über den ursprünglichen Vorsatz hinaus, steigern können ; aber die Selbstbeschränkung verliefs Ihn nicht. Jede Übertreibung würde sich gerächt haben, und jedes kriegerische Hazardspiel war Seiner unwürdig ;
mit Seiner gleichzeitigen Energie und Mäfsigung aber
sicherte Sich Friedrich jetzt den Besitz Schlesiens doch für einige Dauer. Als Ihn dann die grofse » Conspiration « von 1756 bedrohte, traf Er sie, nachdem England sein Partner geworden, mit kühnem Vorstofs . Der Feldzug von 1756 bezweckte die Eroberung Sachsens, und die Schlacht von Lowositz wurde nur zur Sicherung dieser Besitznahme geschlagen .
1757 galt es vorerst einen grofsen Schlag
*) Friedrich des Grofsen hinterlassene Werke. II. Teil am Schlufs des 10. Kapitels .
127
Zum 17. August 1786 .
in Böhmen , welcher Österreich zur Nachgiebigkeit zwingen sollte . Die Schlacht bei Prag entsprach dieser Absicht vollkommen , aber die weiteren Begebnisse vernichteten wiederum Friedrichs Erwartung. Der Mifserfolg von Kolin verlegte den Hauptkampf nach Schlesien , wo man die ungünstig gewordene Kriegslage erst wieder durch den Sieg von Leuthen umgestalten konnte. Gegen die herandrängenden Russen , Schweden und Franzosen blieb man im Wesentlichen defensiv ; der einzelne Offensivstofs von Rofsbach befreite den west lichen
Kriegsschauplatz .
Nach
Schlesien von den Österreichern
dem
Leuthener
geräumt war ,
Siege
und
als
übersah Friedrich ,
dafs Er in diesem Kriegsjahre seinen ursprünglichen Zweck zwar nicht erreicht, aber doch Sachsen und Schlesien behauptet und im Einzelnen mehr und glänzender erwarten liefs.
gesiegt hatte,
als es sich vorher
1758 wollte der König vorerst nur Olmütz nehmen , um die Österreicher nachher, wenn sie ihre Hauptkraft der Zurückeroberung dieses Platzes widmeten, von anderen Unternehmungen abzulenken . Weiter ging hier Sein ursprüngliches Programm nicht ; es kam aber dann ganz
anders.
Die
Unternehmung
gegen Olmütz
mifslang,
und der König , welcher vorerst nach Böhmen ging, eilte dann nord wärts, weil die Russen Küstrin belagerten .
Er schlug sie bei Zorn
dorf und begab Sich hierauf nach Sachsen, um Daun's Fortschritten zu begegnen.
Durch Seine Niederlage bei Hochkirch gestört, ent
setzte Er gleichwohl bald nachher Neifse und blieb wiederum in Schlesien Meister. Er hatte Sich in diesem Jahre rastlos hin- und herbewegt und viel Menschen,
aber kein Land eingebüfst .
Wie
vorjährig den Österreichern bei Prag und Leuthen und den Franzosen bei Rofsbach, so war nun auch den Russen bei Zorndorf Achtung eingeflöfst worden ; der Tag von Hochkirch aber machte dem Feinde doch immer einen tiefen Eindruck und wurde als Sieg von Daun nicht ausgenutzt . 1759 gab es im Ganzen für Friedrich keine offensive Krieg führung mehr, und es galt zumeist, dasjenige, was der Feind thun oder versäumen würde, abzuwarten. Aber auch in den hierdurch bedingten Kriegsmafsnahmen zeigte sich mancher Fehlgriff, der dann Unfälle nach sich zog. Wenn Friedrich vor der Vereinigung Soltikow's mit Laudon ersterem Selbst entgegen gegangen wäre , so würde Er der Katastrophe von Kunersdorf wohl vorgebeugt und vielleicht auch Dresden gerettet haben. 1760 war, nach so grofsem Verluste, der grofse König noch mehr auf eine blofse Einteilung der Defensive beschränkt. Fouqué
Zum 17. August 1786.
128
staud im schlesischen Gebirge gegen Laudon , Prinz Heinrich sollte Brandenburg decken , der König Selbst
suchte Dresden
zurück
zugewinnen und zog , als Ihm das nicht gelang, von Daun und Laudou begleitet, nach Schlesien, wo inzwischen Fouqué bei Landshut ver unglückt war; der König siegte bei Liegnitz und stand dann auf der Basis von Breslau , aber aus dieser günstigen Stellung vertrieb Ihn Lascy's und Totleben's Vorstofs gegen Berlin , zu dessen Ab wendung Friedrich gleichwohl zu spät kam. die
schwere Schlacht von Torgau
Daun folgte Ihm und
mufste geschlagen werden ;
da
Friedrich in ihr siegte, gewann Er Sachsen gröfstenteils wieder ; das russische Heer aber ging über die Weichsel zurück .
Die preufsische
Streitmacht war in diesem Jahre sehr regsam gewesen und rühmte sich zweier Hauptsiege, durch welche Fouqué's Niederlage und der Überfall Berlins vergütet war. 1761 verteidigte der Prinz Heinrich Sachsen gegen Daun, der König stand in Schlesien gegen Laudon .
Des Letzteren Vereinigung
mit den Russen zu hindern gelang Ihm nur zeitweise ; als sie statt gefunden, bezog Friedrich ein festes Lager bei Bunzelwitz , und behauptete sich in demselben . wurde 1761
nicht geschlagen .
Die Russen zogen ab ; eine Schlacht Schweidnitz
und
Colberg gingen
allerdings verloren , der König blieb aber aufrecht und schlagfertig. 1762 führte der Tod der Kaiserin Elisabeth einen Umschwung herbei. Russland und Schweden traten vom Kriegsschauplatz, und die Kräfte wurden gleichgewichtig . Nachdem bei Burkersdorf Daun fort gedrängt worden, fiel Schweidnitz in Friedrich's Hände zurück, und auch Colberg lieferte Ihm der Petersburger Friede wieder aus. Peter's III. Abdankung und Tod änderten den Frieden mit Russland nicht ; Prinz Heinrich gewann nach seinem Siege bei Freiberg ganz Sachsen ; Österreich war allein und stand im Nachteil, und da Friedrich auch jetzt wieder Mäfsigung bewies, so erreichte Er die Friedensschlüsse von Hubertsburg und Paris. Wenn man die ganze Strategie und Kriegspolitik Friedrichs kurz zusammenfassen will, so darf man sagen : Er verteilte Seine. Kräfte richtig und dachte an alles ; Er that stets Überraschendes
und siegte, so lange es möglich war, im Sturmlauf; Er überwand jeden Unfall, stampfte Armeen aus der Erde , beschränkte sich stets rechtzeitig, und hat Seine Sache, wie Seinen Ruhm nie durch Über treibungen geschädigt. Die Schlachten Friedrichs waren geistvoll erdacht, aber in ihrem Triebwerke sehr einfach . Er täuschte den Feind über Seine Absichten, bewegte Sich geschickt und traf blitzschnell die jenseitige
Zum 17. August 1786. schwächste Stelle. linken Flügel
auf,
Bei Hohenfriedberg und
warf dann
129 rollte
Er des
Gegners
dessen hierdurch getäuschtes
Centrum mit seiner Kavallerie des linken Flügels über den Haufen . Bei Rofsbach begegnete Friedrich in gedecktem Vormarsch dem gegen Seine rechte Flanke vorrückenden Feinde ganz überraschend und zersprengte ihn dann mit Seiner mächtigen Reiterei. Bei Prag wurde die unbeschützte rechte Flanke des österreichischen Heeres umgangen und dieses hierauf von dort her aufgerollt.
Bei Leuthen
gab Friedrich Sich den Anschein eines dem gegnerischen rechten . Flügel geltenden Angriffs und traf dann schnell und in schiefer Schlachtordnung den entblöfsten linken Flügel. Bei Zorndorf umging man den Feind und griff ihn ganz überraschend von Süden her an. Die schiefe Schlachtordnung zeigte sich hier auch sehr vorteilhaft, und die eigentlichen Vernichtungsschläge gegen Fermors Heer wurden
von Seydlitz und seinen 7000 Reitern gethan.
Bei
Liegnitz nahm der König während der Nacht diejenige Stellung ein , welche Laudon einzunehmen bestimmt war, und siegte so , bei Teilung der österreichischen Streitkräfte , wiederum durch die Vor teile der Überraschung . Friedrichs Märsche wurden schnell und auf kürzesten Linien vollbracht . Zumeist springt der 1760 von Friedrich ausgeführte Marsch aus Sachsen nach Schlesien ins Auge. Der König ging, Dresden verlassend , über Elbe, Spree, Neifse, Bober und Queis ; vor Ihm zog Daun und hinter Ihm Lascy, und Er äufserte Selbst hier über : » dafs es aussah , als ob diese Heere einem Herrn ge hörten und sich wie Vortrab , Hauptheer und Nachhut mit einander verhielten. « *) An die Katzbach gelangt, ver änderte, durch sie vom Gegner getrennt, der König Seine Stellungen oftmals, und wie, während des Hermarsches , die feindliche Offensive von Ihm stets vereitelt, der Übergang über die Flüsse, trotz aller Schwierigkeit, doch stets ermöglicht worden, so bereitete Er jetzt an der Katzbach, durch allerlei kleine Meisterzüge den Liegnitzer Sieg vor. Unter den festen Stellungen , welche Friedrich während des siebenjährigen Krieges einnahm, war diejenige von Bunzelwitz die belangreichste, und Er äufserte Sich über sie Selbst eingehend . ** ) Ein Heer von 50,000 Mann machte hier, im engen Raume ver
*) Friedrich des Grofsen Geschichte des siebenjährigen Krieges . II. Teil , Kapitel 12. **) Ebendaselbst. II. Teil, Kapitel 14.
Zum 17. August 1786.
130
sammelt, Front nach allen Seiten , und verzichtete auf den Rückzug. Wenn Friedrichs Scharfblick dieses überragende und durch Dörfer eingerahmte Terrain
für Seinen Zweck ersah, so hat auch Sein
starker Wille es zu erschwingen gewufst, dafs dieses Lager binnen dreimal vierundzwanzig Stunden befestigt wurde.
Die Russen und
Österreicher belagerten Ihn hier 20 Tage, und es kann nur Seiner imponierenden Haltung zugeschrieben werden, dafs in dieser Zeit kein Sturmangriff auf das Bunzelwitzer Lager versucht wurde. Sehr denkwürdig sind die Beziehungen , in welchen Frie drich mit Seinen Generalen stand , denn sie stellen den Herrn und das Heer unter
grofsen Gesichtspunkt.
einen
Man gewinnt
hierzu schon durch dasjenige, was der grofse König über das Feld herrntum überhaupt, sodann über Cäsar, Alexander, Gustav Adolph, Turenne, Eugen und Carl XII . litterarisch geäufsert hat, *) einen ersten Haltpunkt ; aber Friedrich neigte Sich auch gemütvoll zu manchem Kriegsgenossen , der nicht gerade überragend war, während Seine Anerkennung grofser Verdienste von den persönlichen Neigungen stets unabhängig blieb. Den alten Dessauer stellte Friedrich als Soldaten sehr hoch, aber Er liebte ihn nicht ; Seydlitz ist von Ihm, wie er es verdiente, erhoben , bewundert und allseitig ausgezeichnet worden ,
ohne dafs
doch der grofse Monarch Sich für ihn recht
eigentlich erwärmen konnte. Für Fouqué und Winterfeldt, Keith , Zieten und Tauentzien sprach nächst der kriegsherrlichen Würdigung auch Friedrichs Herz.
Stille und Anhalt, Wedell , Billerbeck, Rentzell
und Götzen , die stets normal aber nicht aufserordentlich gewesen sind, betrachtete Friedrich fast als Freunde ; zu Saldern und Budden brock zog Ihn die Wissenschaft. Den Prinzen Heinrich feierte der
König
so ,
wie er es verdiente.
mit
Wort
und
That ,
aber
doch
wohl nicht ganz
In Betreff des Herzogs Ferdinand von
Braunschweig wird man über Friedrichs Urteil schon klar, wenn man Seine jenem grofsen Feldherrn gewidmete Ode **) liest . Finck und Schmettau Er
hatte
wurden vom Könige wohl zu strenge behandelt ;
ihnen
Schweres
aufgebürdet ,
und
ihre
schliesslichen
Fehlgriffe bestimmte auch ein überwältigendes Mifsgeschick. In der Politik Friedrichs handelte es sich durchweg um die innere Wohlfahrt und
*) Vergl. S. 122. **) Friedrich des dichte ) .
den
äufseren Rang
und Ruhm
Grofsen hinterlassene Werke.
Preuſsens.
VI. Teil (Ge
Zum 17. August 1786 . Dabei musste dessen deutscher und werden,
131
europäischer Beruf so erfüllt
wie es den Bewandnissen der Zeit entsprechend und im
Verhältnisse mit der seitherigen Entwickelung des Vaterlandes folge richtig war.
Preufsen hatte für Deutschland den Beruf , die aus den
abgelebten Institutionen erwachsenden Übel zu beseitigen, mit zeit gemäfser Entwickelung voranzugehen und diesem ganzen Bereiche ein scharfes Schwert und eine feste Burg zu sein .
In Betreff Europas
lag ihm offenbar die Vermittelung zwischen Ost und West, Süd und Norden ob,
und es kam hier darauf an,
die ringsum liegenden
Staatseinheiten in kluger Weise zu trennen und auch zu verbinden. Das forderte einen
steten Fortbau
eigener Machtvollkommenheit ;
denn wie hätte , da wo die Weltverhältnisse ringsum stetig wuchsen , ein solcher Beruf ohne eigenes Wachstum erfüllt werden können ?! Die Berufserfüllung Preufsens war um 1740 durch alles, was kurz vor und bald nach diesem Zeitpunkte geschah, sehr schwer geworden. Der polnische Erbfolgekrieg, die pragmatische Sanktion , die Reichs bestrebungen Carl Albrechts von Bayern, in weiterer Beziehung das koloniale Mifsverhältnis zwischen England und Frankreich , ―― das alles regte auf, und man sah die Staaten nach Befriedigung und Gleichgewicht ringen. Schon diese Umstände forderten Preufsen zu einer Aktion gröfseren Styles heraus ; es wäre ohne sie nämlich , ohne die Selbsterhöhung,
hinter
seinem
Berufe
zurückgeblieben.
Dazu spornte es aber auch jeder Blick in seine Vergangenheit. Dem grofsen Kurfürsten waren durch Österreich die schlesischen Fürstentümer widerrechtlich entzogen worden , und wenn Friedrich jetzt einen urkundlich
verbrieften
Anspruch geltend machte,
so
geschah es im Bewusstsein Seines Rechtes wie Seiner Kraft, und im Interesse Seines europäischen Berufes.
Hierzu kamen noch andere
Erwägungen. Als der grofse Kurfürst 1679 den Ausspruch that : > Aus unserer Asche wird ein Rächer erstehen « , da wandte sich dessen Spitze noch mehr dem Österreicher als dem Franzosen zu ; als nach dem polnischen Erbfolgekriege sich Friedrich Wilhelm I. über des Kaisers Ungerechtigkeit gegen
ihn
bitter äusserte,
hat
dies den damaligen Kronprinzen Friedrich tief bewegt *), und Er sah deutlich, daſs man den dem habsburgischen Kaiserhause miſsliebigen preufsischen Staat immer tiefer herabdrücken wollte. Also Friedrichs gegen Österreich auftretende Politik von 1740 stand auf historischem Grunde.
Wie gewagt sie gleichwohl war, erkannte Er genau, aber
*) Friedrich des Grofsen hinterlassene Werke I., am Ende des 1. und im Anfange des 2. Kapitels.
132
Zum 17. August 1786.
Ihm stand auch dasjenige, was Ihm zu Hülfe kam, klar vor Augen, und wer Seine darüber gethanen Äufserungen *)
aufmerksam liest,
muſs überzeugt sein , dafs dieser junge Monarch nicht als Heifssporn, sondern mit politischer Umschau vorging. Die in den drei schlesischen Kriegen kund gewordene Politik Friedrichs ist, in Zusammenhang mit Seiner dortigen Strategie, früher angedeutet worden . von 1756
äufserte
Über die politischen Gründe Seines Losbruches der grofse König am Ende des dritten
Sich
Kapitels Seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges sehr zutreffend, und am Schlufs dieses ganzen Werkes begegnet uns Sein so über aus eindrucksvoller Ausspruch über die Notwendigkeit und das Trüb sal dieses ganzen langen Krieges . Seiner Politik von 1763 bis 1775 widmete Friedrich einen umfänglichen Abschnitt Seiner Werke **), und mit diesem hängen die ferneren Abschnitte » von den Finanzen « ***) und » vom Kriegszustande < innerlich zusammen . Über das hierin Enthaltene äufsert sich schon Sein betreffender Vorbericht sehr charakteristisch.
»Das ganze Staats
und Volksleben liegt, vermöge der Wunden , welche ihm der Krieg schlug, um 1763 schwer darnieder, und Friedrich wendet Seine ganze Sorgfalt daran , diese Übel zu beseitigen .
Die Verwirrung und Ver
wüstung ist überall und in Allem und man arbeitet rastlos , um Ordnung und Wohlstand, Gesetzlichkeit und Lebenskraft wieder herzustellen . Auch in der äufseren Politik sah es, da man von jeder Bundesgenossenschaft entblöfst war, recht traurig aus, aber das besserte sich schon, als es, nach dem Tode August's III. von Polen, zu einem Schutzbündnisse zwischen Preufsen und Russland kam. Die von Katharina II . geübte Pression auf Polen führte einen Krieg Russlands mit der Türkei herbei, in welchem ersteres so siegreich war, dafs dies eine Gleichgewichtsstörung in Aussicht gab . zu begegnen
trat Preufsen 1772
mit
Dieser
Russland in Unterhandlung
und Friedrichs Politik ergriff hier gleichzeitig den Strom der Zeit um ,
zur Wiedereinbringung früherer Verluste , † )
Seinen Staat zu
vergrössern. Durch den Teilungs - Traktat von 1773 erhielt es das ganze polnische Preufsen mit Ausnahme von Thorn und Danzig und dieser Erwerb war um so wichtiger, als dadurch Pommern mit Ost preufsen verbunden , also des letzteren Schutz erleichtert und die * ) Friedrich des Grofsen hinterlassene Werke I. im 2. Kapitel. **) Friedrich des Grofsen hinterlassene Werke. Teil V, Kapitel 1 : Denkwürdigkeiten von 1763-75. ***) Ebendaselbst im 2. und 3. Kapitel . †) Vergl. Preufs : Friedrich der Grofse. IV, 49 .
133
Zum 17. August 1786. Ausnutzung der unteren Weichsel gewonnen wurde.
Was Friedrich
für Kultivierung des neuerworbenen Landes und seiner Einwohner gethan , - wie Er dessen Verwaltung geordnet und im Zusammen hange damit auch das Heerwesen erweitert hat
das bildet an sich
ein umfängliches Kapitel und ist nicht nur vom grofsen Könige Selbst , sondern auch von anderen Autoren genügend erörtert worden. *)
Griff diese Politik Friedrichs, welche Ihm Westpreufsen ein brachte,
ins Ausland , so
ist diejenige
von 1778 und 1779 ganz
deutsch gewesen.
Der König hatte zu dieser Zeit seit Hubertsburg 15 Friedensjahre verlebt , die Wunden des Landes geheilt und seine Grenzen erweitert, als am Schlufs des Jahres 1777 der Kurfürst Max Joseph III. von Bayern starb. Da er keine Leibeserben hinterliefs, so erlosch mit ihm von den beiden bayerischen Linien die Wilhelm'sche, und es blieb aufser Zweifel, dafs, sowohl deutschem Rechte , als besonderen Hausverträgen nach , die erledigten Länder sämtlich an das Haupt der zweiten bayerischen Linie , den Kur fürsten Carl Theodor von der Pfalz, fallen mufsten . Aber das Haus Österreich nahm , in Anspruch , Theodor zu
auf Scheingründe hin ,
diese Erbschaft für sich
und Kaiser Joseph II . drängte den schwachen Carl einem den gröfsten
Teil der bayerischen Erbschaft Hiermit vollzog sich ein immerhin bedenk licher Rechtsbruch , und da so eine Störung des deutschen Gleich abtretenden Vertrage.
gewichtes in Aussicht kam, so glaubte Friedrich hiergegen auftreten zu müssen. Der Herzog Carl August von Zweibrücken wurde , in seiner Eigenschaft als nächster Agnat, zum Protest angeregt, und Friedrich liefs in Wien verkünden, dafs man die Zerstückelung eines Kurstaates , ohne Mitwirkung des deutschen Reiches , nicht dulden könne.
Auch sicherte der König Sich dabei die Neutralität Frank Da eine Verständigung mit dem Kaiser sich
reichs und Russlands . nicht erreichen liefs ,
und
dieser vielmehr
seine
Streitkräfte in
Böhmen zusammenzog, so fand im April 1778 die preufsische Mobil machung statt , und zwei preufsische Heere rückten im Sommer dieses Jahres, von Schlesien und Sachsen aus , in Böhmen ein .
So
entstand dieser schnell vorübergehende bayerische Erbfolgekrieg, dem eine gröfsere militärische Bedeutung nicht innewohnt. Seinen politischen Brennpunkt bildet der vom 13. April bis 10. August 1778 , bezüglich der bayerischen Erbfolge geführte Briefwechsel *) Preufs , IV. 56—87, ―――― Manso , Geschichte des preufs. Staates von 1763-1815 . I. S. 41. 10 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LX., 2.
134
Zum 17. August 1786.
Friedrichs mit dem Kaiser Joseph *) nebst den darauf folgenden und wieder abgebrochenen Unterhandlungen ; der am 13. Mai 1779 abgeschlossene Teschener Friede aber
war ,
insofern als er ganz
Bayern und die Oberpfalz u . s . w. dem Kurfürsten von der Pfalz zurückgab, und , bezüglich dieser Länder, das Erbrecht des Herzogs von Zweibrücken feststellte , ein neuer politischer Erfolg des grofsen Königs. Die letzte politische That Friedrichs beruhte in dem 1785 von Ihm
gestifteten deutschen Fürstenbunde.
Sie
entsprang aus
derselben Wurzel wie jene Dazwischenkunft in Betreff der bayerischen Erbfolge und diente dazu , demjenigen , was mit ersterer gewonnen war , Dauer und Festigkeit
zu geben .
Kaiser Joseph schlug dem
Kurfürsten von Bayern schon 1784 vor :
Bayern , Oberpfalz, Neu
burg , Sulzbach und Leuchtenberg an Österreich zu überlassen , um hiergegen das österreichische Belgien , nebst dem Titel eines Königs von Burgund, zu empfangen. der Kaiser vor ;
Namur und Luxemburg behielt sich
auch sollte der neue König von Burgund einen
Anteil der bayerischen Staatsschuld übernehmen, und dieser ganze Tauschhandel unter die Garantie Frankreichs und Russlands gestellt sein. Dieser Plan stellte für den Kaiser so viel Vorteil und für den Kurfürsten so viel Verlust in Aussicht , dafs er schon an sich ganz unstatthaft erschien .
Das, was der Kurfürst empfangen sollte,
betrug, jene Vorbehalte eingerechnet, an Areal , Menschen und Ein künften nur etwa die Hälfte dessen, was dafür zu opfern war, und überdies mutete man dem Kurfürsten zu , sich aus Deutschland ver treiben zu lassen und ein fremdes Land , in welchem er der Willkür Frankreichs preisgegeben war , zu übernehmen. Für Deutschland wurde
durch
diese
Manipulation
dieselbe
Gleichgewichtsstörung,
welche man 1778 abgewehrt hatte in Aussicht gestellt.
Der Kur
fürst von Bayern hätte dieses Verhängnis vielleicht über sich ergehen lassen ; der Herzog von Zweibrücken aber suchte seinen Schutz neuerdings bei Friedrich , und dieser greise Monarch blieb über das , was hier zu thun sei, keinen Augenblick im Zweifel .
Er
gab den Entschlufs kund, einen zum Schutz der Reichsverfassung dienenden Verein
deutscher
Fürsten
zu
stiften ,
und
eine diesen
Gegenstand betreffende Denkschrift wurde vom Minister Hertzberg sogleich ausgearbeitet.
Als im Januar 1785 der Herzog von Zwei
*) Friedrich des Grofsen hinterlassene Werke in einem be sonderen Abschnitte des V. Teiles. **) Ebendaselbst , im unmittelbaren Anschlufs.
Zum 17. August 1786.
135
brücken des Kaisers Zumutung im Schutze Friedrichs
zurückwies ,
benahm Sich Letzterer hierüber alsbald mit Russland und Frankreich , und da diese von jeder Unterstützung des österreichischen Planes abstanden, so zog auch diese Wolke vorüber, und es wurde nunmehr der beabsichtigte Fürstenbund
geschlossen .
Selbiger gründete
sich auf eine am 23. Juli 1785 von Preufsen , Sachsen und Hannover vollzogene Übereinkunft , nach welcher sie , den bestehenden Verträgen gemäfs ,
die Erhaltung des deut
schen Reichskörpers übernahmen u . s. w. und jedem Reichs stande den Besitz seiner Länder und Gerechtsame sichern wollten u. s . w.
Zu diesem Bunde traten dann noch baldigst die
Herzöge von Braunschweig, Weimar, Gotha, Zweibrücken , Mecklen burg , die Markgrafen von Anspach und Baden , der Landgraf von Hessen-Kassel, der Bischof von Osnabrück und die Fürsten von Anhalt ; später auch der Kurfürst von Mainz. *) Das war eine letzte Grofsthat der Politik Friedrichs ,
aber
die Säulen Seines Ruhmes standen überall, und so auch im Bereich der Landeskulturstrebung , die ein wichtiges Kapitel Seiner inneren Politik bildet.
Es ist bekannt , in welcher Ausdehnung von Ihm
nach dem siebenjährigen Kriege neue Dörfer angelegt, Brüche urbar gemacht , Landstrecken kultiviert und Landleute unterstützt und zum Ackerbau angeregt wurden . dessausche
Kammerdirektor
Geheimer Finanzrat
in
v.
Hierbei leistete Ihm der frühere Brenkenhof,
welcher
preufsische Dienste trat,
1762
als
Ausgezeichnetes ;
was aber das Emporbringen technischer und gewerblicher Industrie betrifft , so erzählt u. a. Gotzkowsky's 1768 erschienene » Ge schichte eines patriotischen Kaufmann's Lafst's euch angelegen sein , viel geschickte Künstler und Ouvriers in's Land zu ziehen , und werde Ich euch hierin nicht nur kräftig unterstützen , sondern auch Selbst einen fleifsigen Abnehmer der allhier verfertigten Waaren abgeben. Kein General beging wohl in diesem Feldzuge mehr Fehler als der König , « und dann sehr schön : » Des Herrn v. Traun Benehmen ist ein vollkommenes Muster u . s . w.; der König gestand selbst , dafs er diesen Feldzug für seine Schule. der Kriegskunst und Herrn v. Traun für seinen Lehrer angesehen hat.
Geschichte
Preufsen
des
einer
siebenjährigen
entstand aus Berichten und Tagebüchern , (Guichard) auszüglich
auf
zusammengestellt,
solchen
Krieges < *)
welche Quintus Icilius
und die der König dann
historisch formte und mit Seinen eigenen Ideen durchdrang. Dieses Werk steht der Geschichte der beiden ersten schlesischen Kriege schon in der Ausführlichkeit und sodann an Feuergeist und Selbst losigkeit des Verfassers wohl nach, aber doch ist es eine grofse Autorität und enthält Stellen die ganz unvergleichlich und hoch schätzbar sind. Dafs Friedrichs während des siebenjährigen Krieges an Voltairs und d'Argene gerichteten Briefen vieles enthalten , was Seine Geschichte des siebenjährigen Krieges zu ergänzen geeignet ist, wird derjenige , welcher erstere mit Aufmerksamkeit liest , leicht herausfinden . Die Abhandlung :
» Vom Kriegsstande « ** ) endlich schildert
den Zustand des preufsischen Heeres zu der Zeit, wo es nach dem siebenjährigen Kriege in seine Standquartiere
zurückkam .
» Mehr
als 1500 Offiziere waren gefallen und man mufste die vakanten Offizierstellen zum Teil mit Bürgerlichen besetzen . Die Regimenter bestanden zu dieser Zeit mehr aus Eingebornen als Ausländern. Man besserte jetzt das Kantonwesen und die Werbung teilte die Infanterie in Inspektionen und half der Disziplin und Taktik empor u . s. w. Für die Artillerie geschah viel, die Erziehung junger Leute von Stande, welche sich den Waffenberufe widmen wollten , wurde sorgsam gefördert.
In Schlesien
wurde die Festung Silberberg gegründet,
und andere Festungen vervollkommnete man ;
General Wartenberg
leitete die Ökonomie des Kriegsstaates ; die Zahl der Husaren und Bosniaken wuchs und die 1773 stattgefundene Teilung Polens be wirkte eine Vergröfserung des Heeres von 25,220 Mann u. s. w.
ich
144
Friedrich der Grofse in den Feldzügen 1757-1761 .
arbeite unausgesetzt, meine Verluste zu ersetzen und mich in Stand zu setzen, diese Scharte auszuwetzen . . ich hoffe, binnen Kurzem Ihnen angenehmere Nachrichten geben durchaus nicht zu verzweifeln.
zu können.
Man braucht
Ich habe nur Zeit nötig, damit die
Truppen sich erholen . Danach hoffe ich Mittel zu finden , um unsern Mifserfolg auszugleichen. « Acht Tage nach Kolin, am 26. Juni, schrieb Er dem Feldmarschall Lehwaldt - der in Preufsen gegen die Russen kommandierte --- über das Vorgefallene, fügte aber hinzu : >> Er hoffe mit Gottes Hülfe den échec bald zu reparieren , >Die Rückmärsche im Anfang eines Feldzugs haben übeln Effekt auf Offiziers und Soldaten « , fügte Er am 11. Juli hinzu , jedenfalls aus seiner frischen Erfahrung ; zugleich warnt Er vor Kriegsrat. ―――― Etwa am 19. Juni entschlofs sich der König, die Hauptkolonne seiner Armee auf Sachsen selbst zu dirigieren, da Er von dorther den Hauptstofs der Österreicher erwartete. Die andere Kolonne auf die Lausitz führte sein Bruder,
der Prinz von
Preufsen , zurück.
Jene sollte die Elbe und Sachsen auch gegen die Franzosen und Reichstruppen decken , die letztere zugleich Schlesien gegen die Österreicher, falls dieselben dorthin detachierten . Dabei warnt der König seinen Bruder nicht zu schnell zurückzugehen , weil dadurch Lebensmittel fehlen und an Desertion mehr Leute verloren gehen würden, als bei verlorner Schlacht. « die preufsische Armee 25,000 Mann,
(Auf dem Rückzuge verlor fast ausschliesslich durch
Desertion). Auch unterrichtete der König seinen Bruder über die Gesamtlage, dafs augenblicklich sämtliche Gegner (Franzosen , Reichs truppen , Schweden, Russen) bis in die Nähe der preufsischen Grenze vorgerückt seien, und zieht daraus gerade den Schlufs, dafs man den Mut nicht sinken, sondern es so bald als möglich auf eine entscheidende Schlacht ankommen lassen müsse. ―――― Indessen der Prinz von Preufsen liefs sich vorzeitig durch Daun aus Böhmen herausmanövrieren , da er stets für die Verbindungen besorgt war und den Entschlufs zum Angriff gar nicht, zum Stand halten nicht rechtzeitig finden konnte. Der betreffende Heeresteil langte in übelster Verfassung in Bautzen an. Winterfeldt, der beim Prinzen war, begründet dies Alles in einem Brief an den König damit , daſs er bezüglich des Prinzen sagt : » mit alle dem Kriegsrat halten kommt Nichts heraus , sondern es mufs einer allein mit Resolution kommandieren . >Festigkeit «< , schenkte ihm aber derart Vertrauen , noch schrieb :
dafs Er ihm am 26. August
» am 31. August oder 1. September werde ich wohl
dem neuen Feinde ( Franzosen) eins zu versetzen probieren . das sind schwere Zeiten - weils Gott! und solch beklommene Umstände, dafs man ein grausam Glück haben muss, um sich aus alle dem durchzuwickeln. >Direktiven , indem Er ihn warnt , sich in Königsberg ein
Friedrich der Grofse in den Feldzügen 1757-1761 .
146
schliefsen zu lassen, wo die Armee nicht subsistieren könne ; viel mehr solle er feste Posten aufserhalb nehmen oder auch lieber eine neue action hazardiren, womöglich in der plaine. Man sieht: Stärkung des moralischen Elements und Freiheit der Be wegung sind 2 Hauptfaktoren im System fridericianischer Kriegführung , die sich eigentlich wohl gegenseitig bedingen, zu mal bei materieller Schwäche. Die Franzosen unter Soubise wichen vor dem König aus, über wältigten aber unter Richelieu bei Kloster Zeven das nur diplomatisch geführte hannoversche Corps, die Schweden nahmen Anclam, Bevern liefs sich auf Breslau zurück manövrieren , also den Weg auf die Mark freigebend und die Österreicher nach Schlesien hineinziehend. — Des Königs Stimmung wurde immer trauriger in einsamen Mufse stunden ; dennoch schrieb
Markgräfin von Bayreuth am
Er der
17. September : » Ich halte den Entschlufs fest , noch gegen das Unglück zu kämpfen , vor Allem nie meine Schmach und die Schmach meines Hauses zu unterzeichnen . Die beste Zeitung für Mich ,
daſs
Euer Liebden die feindliche Armee geschlagen und Mir solche als dann entgegen trieben . Entweder
die
Österreicher
mufsten jetzt aus Schlesien
vertrieben werden oder man mufste darauf gefafst sein , diese Provinz auf immer zu verlieren .denn Sie sonst Mir den ganzen Schwarm vom Feinde auf den Hals bringen, mich in die Nasse setzen und alles verlieren machen werden . Und setzen wir nicht das Leben ein , das Leben gewonnen sein. mich schon lange auf den Zug hätte.
Sie schien
sehr
versicherte, dafs sie
und dafs sie noch eine wie
sie
sich
ausdrückte
Na, sagte sie, Sie können
trinken soviel Sie wollen, morgen bringe ich meine Schwester mit. « Meine Berliner Landsmännin war ein prächtiges Exemplar aus
dem Voigtlande,
angeblich vermählt an
einen
Unterofficier
russisch - deutschen Legion (von ihr Religion genannt) .
der
Der Armee
folgte sie in Begleitung jener gleich ihr sehr hübschen Schwester wovon ich mich am folgenden Tage durch den
von 17 Jahren,
Augenschein überzeugte. aber ihrem Gedächtnifs
Die Vorschriften des 6. Gebots schienen unter den kriegerischen Wirren ziemlich
entfallen zu sein, denn sie war ganz kleinlaut, als ich keine Anstalt machte, ihr ein Nachtlager anzubieten . Ich schlief jetzt mehrere Stunden sehr sanft. Welchen Antheil die Marketenderin und ihr Nektar daran hatten, bleibt dahingestellt. Die erste Erscheinung am folgenden Morgen war meine Mar
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
196
ketenderin mit ihrer Schwester, von welcher ich mich mit einem blanken Thaler loskaufte.
Der
geringe Eindruck, den die junge
Schöne auf mich machte , schien das Schwesterpaar zu verdrieſsen und es hielt sich daher auch nicht lange mit mir auf. Nachher hatte ich die Freude durch die Feldpost einen Brief von Dir vom 14. d . M. zu erhalten , der mich über alle meine An gehörigen sehr beruhigt hat . Das Wetter ist jetzt nafskalt und unangenehm, und das Bivouaciren fängt an sehr lästig zu werden ; aber ich erfreue mich einer sehr guten Gesundheit.
In der Nacht vom 17. zum 18. September ging
es mir schlecht . Ich suchte Schutz vor dem Regen in einem der zum Jagdschlofs gehörigen schönen Pferdeställe und fand ihn auch und schlief dort bis zum Finsternifs
Morgen .
nicht sehen können ,
Ich hatte aber
wegen der
wo ich mich hinlegte,
und war
daher am folgenden Morgen sehr unangenehm überrascht, als ich bemerkte, dafs ich auf der Verband- und Amputations - Stätte geruht hatte, wovon eine Masse unzweideutiger Indicien , als abgenommene Beine, Arme, Hände u . s. w. Zeugnifs gaben. Mit Kleidungsstücken , Pferden und mit Geld bin ich so gut versehen, dafs mir nichts zu wünschen übrig bleibt. Für Geld sind hier alle bescheidenen Wünsche zu befriedigen ; von Mangel ist hier in keiner Weise die mehr.
Rede.
Einer
Zulage
bedarf ich jetzt nicht
Dals sich so viele hohe Gönner und Bekannte für Deine im Felde stehenden
Söhne so
erfreulich gewesen.
lebhaft
interessiren ,
ist
mir
höchst
Dafs aber auch die Excellenz v. Köckeritz so
oft nach uns fragen lässt, und sogar meine unbedeutenden Briefe eines Blicks würdigt, hat mich ganz beschämt. Mein erster Gang sobald ich nach Berlin zurückkehre, soll sein, mich ihm vorzustellen und mich für seine grofse Güte zu bedanken . Aber mein über den Kronprinzen von Schweden ausgesprochenes Urtheil kann ich nicht zurücknehmen.
Denn es hat sich,
wie mir ein Theilnehmer der
Schlacht von Dennewitz bewiesen hat, bei dieser Gelegenheit aber mals bewährt, dafs die Sache Deutschlands und Preufsens nicht die seinige ist. Er ist und bleibt mir verdächtig. Am 17. September am Tage nach der Schlacht war Heinrich v. Valentini mein Gast. brod angeschafft ;
Frau Schäfer hatte ein passables Mittag
an Wein fehlte es auch nicht, so dafs wir uns,
nachdem wir uns recht fleifsig der Vergangenheit erinnert und recht viel von Berlin, Zossen und Neuendorf geplaudert, ganz vergnügt trennten.
197
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814. Meinen Geschwistern
und allen
wandten meinen besten Grufs.
unsern Freunden
und Ver
Meine Freunde Podewils, Suckow,
Kühl, Tietzen und Klinggräff sind gesund, desgleichen Cuvry und der bei dem Jäger -Detachement stehende junge Mann vom Schlofs , auf seinen Namen kann ich mich in diesem Augenblick nicht erinnern . können .
Allardt ist Patient ; er hat die Schlacht nicht mitmachen.
Ob wir uns bald wiedersehen werden ? Ach, dazu sind wohl keine Aussichten , es sei denn , dafs der Kriegsschauplatz, was Gott verhüten möge, nach der Umgegend von Berlin verlegt wird .
Erst
müssen wir den Rhein haben ; aber der Weg dahin wird eine blutige Bahn werden. Der liebe Gott lasse mich nur die Freude erleben, die Franzosen in ihrem eigenen Lande zu bekämpfen, und ihnen dort für die Zeit von 1806/7 ein Paroli zu biegen.
VI. Boitzenburg an der Elbe, den 8. Oktober 1813. Meinen innigsten Dank statte ich Dir hiermit ab für die mir zu meinem Geburtstag übersandten Geschenke, die ich in Dahlenburg (zwischen Lüneburg und der Göhrde) erhielt. Dein Brief wurde mir durch Allardt's Vermittelung am 3. Oktober des Morgens bei dem Kaffee übergeben .
Meine Freude über alle die guten Nach
richten war grofs. Um 6 Uhr brachten mir die Hautboisten eine Morgen-Musik, denen ich für ihre Aufmerksamkeit 2 Frd'or. verehrte. Unsere Köchin , die Frau Schäfer kredenzte mir einen wohlgerathenen Pflaumenkuchen, den ich, wie Du weifst, gern esse ; ich revanchirte mich dafür mit 2 harten Thalern . zu Ehren ein Gericht mehr.
Mittags gab unsere Wirthin mir
Ich safs wie gewöhnlich zwischen den
beiden jungen Mädchen , von welchem mich die Tochter, ein lieb liches Wesen von 17 Jahren -- leider aber Braut — sehr interessirt. Die Nichte ist gleichfalls versprochen und zwar mit dem Sohn vom Hause, einem Candidaten der Theologie ; sie schien nicht glücklich zu sein; dagegen aber hatte ich mich ihres Wohlwollens zu erfreuen. Nach dem unglücklichen Überfall am 30. September hatte sich das Gerücht verbreitet,
ich sei
Gefangenschaft gerathen . muthet frisch und gesund
geblieben
oder
schwer verwundet
in
Als ich nun 2 Tage später ganz unver das Haus
betrat,
hatte
Überraschung
und Freude sie so vollständig überwältigt, dafs der Ausdruck ihrer Empfindung uns beiderseits erschreckte. Sie schien dies auch sehr Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LX. , 2. 14
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
198
zu fühlen , denn obgleich ich noch mehrere Tage im Hause blieb, hat sie mich (und auch nicht einmal zu meinem Geburtstage) nicht wiedergesehen, mir auch zu meinem grofsen Bedauern bei unserem Abmarsch nicht erlaubt, von ihr Abschied nehmen zu dürfen .
Ich sende Dir hierbei ein Exemplar unserer Feldzeitung, welchem
eine
gedrängte
Erzählung
des
glänzenden
in
nächtlichen
Gefechts bei Gelegenheit der Fortnahme der Hondsdorfer Schanzen (an der Elbe der Stadt Lauenburg gegenüber) am 23. September. Die Reiche'schen Jäger haben, wie Du aus diesem Blatt ersehen wirst, auch in dieser Affaire mit grofser Auszeichnung sich geschlagen. Diese Feldzeitung erscheint nicht regelmässig, sondern nur von Zeit zu Zeit, wenn Stoff und eine Druckerei vorhanden sind. Der Redacteur dieses Blattes ist ein gewisser Lieutenant Varnhagen aus der zahlreichen Suite des General Tettenborn, ein jüdischer Belletrist . *) Die Suite des General Tettenborn ist überhaupt ein buntes Gemisch von Avanturiers und Ex -Menschen aller Art . In derselben befindet sich auch der bekannte Graf Hahn aus Remplin , der vormals eine Revenue von 100,000 Thaler besessen haben soll. Seine Passion für das Theater hat ihn bankerott gemacht. Zu diesen Gallopins gehört auch der Rittmeister v. Wenkstern , mit dem ich näher bekannt geworden bin,
ein
sehr liebenswürdiger Mann, der mit einer Engländerin, einer Verwandten des Feldmarschalls Wellington , verheirathet ist . Aber ein Mann ist in der Umgebung des Generals, der nach meinem Urtheil mehr werth ist als unser ganzes Haupt quartier, und dies ist der vormals in preufsischen, jetzt in russischen Diensten stehende Oberstlieutenant v. Pfuel , ** ) der nach allen Richtungen hin ist.
gleich tüchtig und ebenso brav vor dem Feinde
Ich würde es sehr beklagen, wenn dieser ausgezeichnete Mann
nicht wieder in den preufsischen Dienst gezogen werden sollte. solchen Leuten haben wir keinen Überflufs .
An
Doch ich kehre wieder zu dem Faden meiner Geschichte zurück. Der Tag, an welchem ich Dir das letzte Mal schrieb, wäre beinahe der letzte meines Lebens gewesen. An demselben fand der famose Überfall statt,
dessen ich schon
vorhin beiläufig
erwähnt habe.
Nachdem wir nämlich 3 Tage hintereinander den Feind mit aller Sorgfalt beobachtet , jeden Abend ihm so nahe auf den Leib und in das Bivouac gerückt waren , und mit einem Wort unsere Sicherheits
Varnhagen v. Ense, den der Verfasser irrig für einen Juden hält. **) Der nachherige General der Infanterie und Minister -Präsident im Oktober 1848.
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
199
mafsregeln mit Hülfe des bei uns befindlichen Kosackenpulks unter Major Denisow, meinen guten Freund so vollständig getroffen hatten, dafs ein Überfall nicht möglich war, liefsen wir uns von dem Teufel verblenden, wieder einmal eine Nacht unter Menschen zuzu bringen.
Wir überliefsen
die
Aufsenposten
den
beschränkten uns auf die Besetzung des Städtchens. wurden in Allarm - Häusern untergebracht ;
Kosacken
und
Die Compagnien
die Pferde waren auf
geschirrt und gesattelt, die Officiere waren inmitten dieser Allarm Häuser bei einem guten Souper versammelt.
Ein Oberjäger
von
Podewils' Compagnie, der früher in der Schwerin'schen Hofküche Koch gewesen , hatte das Mahl nach allen Regeln seiner Kunst bereitet. Mit Einschlufs , des Major Denisow, unserer 4 Portepée fähnrichs und einiger distinguirter Freiwilligen war unsere Gesellschaft ungefähr 40 Köpfe stark.
Der Wein flofs ;
unsere schöne Musik
begleitete die herrlichen Gesänge unseres unsterblichen Körner und das neue treffliche Arndt'sche Lied — das deutsche Vaterland welches wiederholentlich mit einem steigenden Enthusiasmus ge sungen wurde. Manche Rede wurde gehalten über Deutschlands Erwartungen , seine Freiheit , Einheit , Abschaffung aller Überreste einer barbarischen und tyrannischen Zeit.
Musculus, der unermüd
liche Kämpfer für Freiheit und Wahrheit , sprach glühende Worte der Begeisterung ; er verwünschte alle Tyrannen der Welt wie einst Anacharsis Klootz und wollte zum grofsen Ärger des Majors Denisow, der am Don 7000 sogenannte Seelen besitzt, die Freiheit bis an den Ural und wo möglich bis nach Kamtschatka tragen. Auch Kling graeff , der Greis genannt (er ist nämlich den Jahren
nach unser
Senior ,
selbst
denn
er zählt schon 31 Jahre)
brachte sich
zum
Opfer, indem er sich mit der Abschaffung des Adels einverstanden erklärte.
Es war wie in einer Versammlung des Convents ; es fehlte
nur Jahn und noch einige andere Enragés der Schwarzen und wir hätten heut der europäischen Staateneinrichtung eine ganz andere Gestalt gegeben. Das Leben unter den Freicorpisten , die so viele aufgeweckte , gebildete und geniale Menschen unter sich zählen , gewährt in der That manchen Genufs .
Ihre ritterliche Gesinnung,
ihre freie Haltung den Höheren gegenüber, frei von allem Servilismus und Zwang und der den Mann entehrenden Kriecherei, ihre muthige Todesverachtung vor dem Feinde müssen jeden Unbefangenen mächtig ansprechen. Hier ist keine Spur zu finden von der Steif heit und dem Formenkram der Linie oder der Tiefenbacherei der Landwehr.
Aber es ist nicht alles Gold was glänzt, und so finden .
sich denn auch bei uns manche Schatten, die ihren Grund am Ende 14*
200
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814.
doch nur in der Organisation oder in den Elementen dieser Corps, und wahrscheinlich in beiden zusammen haben. In den Quartieren sind sie sehr ungenügsam, und das ist vom Übel , denn dies giebt Veranlassung zu manchen Reibungen und zu einem übeln Leumund. Im allgemeinen aber ist die Masse sowohl bei den Officieren als bei den Jägern vortrefflich , und ich betrachte es als eine Gunst des Zufalls , dafs er mich gerade zu einem Truppentheil geführt hat, der dazu
berufen
ist
einen so
thätigen Antheil an
dem Kriege
zu
nehmen , wenn gleich wir nicht bei der Hauptarmee , sondern nur bei einem detachirten Corps stehen. Aber ich entferne mich immer mehr von meiner Gesellschaft, und ich führe Dich daher wieder zu ihr.
Fürchte Dich nicht vor
uns und vor dem Teufelslärm , den Du dort hörst ; wir sind nicht so böse wie wir aussehen ; den Damen gegenüber sind wir sogar sanft wie die Kinder ; aber jeden Genufs , den der Augenblick uns bietet, müssen wir mitnehmen , denn wir wissen nicht, ob nicht schon in der rechnet.
nächsten
Stunde
der
Schlachtengott
mit uns ab
Die ganze Bevölkerung hatte sich vor dem Officier-Quartier versammelt ,
schaute
durch
die
offenstehenden Fenster unserem Treiben zu, freute sich über unsere Musik und unsere weitschallenden Gesänge. Unsere Jäger jubelten auf der Strafse und versuchten ihr
Glück bei den Töchtern des Landes , und , wie es mir schien , mit gutem Erfolg . Gegen eilf Uhr verliefsen uns die Zuschauer und das Spiel begann, welches mir wie gewöhnlich hold war. Aber der Wein übte auch allmählich sein Recht ; mancher Kopf war schwer geworden , mancher suchte sich eine Ruhestätte , und es trat bis weilen eine unheimliche Stille ein , denn in Gegenwart des Königs Pharao mufs man schweigen . Auch mich zieht das Spiel ungemein an; es giebt keine Lust und keinen Genufs, der Seele und Leib so zu fesseln vermag als das Hazard- Spiel. Im Kriege hat es aber auch in der That sein Gutes, denn an dem Spieler geht der Schlaf vorüber ; er wacht für die anderen , der Feind findet ihn stets schlagfertig . Gegen 1 Uhr bestand die Gesellschaft nur noch aus Schläfern und Spielern .
Die Musik war auch schlafen gegangen.
Plötzlich fiel ein Schufs , dem sogleich ein zweiter folgte ; alles horchte auf. Es trat auf einige Augenblicke eine lautlose Stille ein . Diese wurde aber bald durch ein lebhaftes Gewehrfeuer ganz in unserer Nähe unterbrochen . So war es denn auch wirklich ; wir wurden überfallen .
Alles stürzte auf die Strafse.
» Zu den Waffen,
201
Briefe aus den Feldzügen 1813 und 1814. Jäger« , »der Feind ist da « , Flügelhörner,
» Hurrah « ;
dazu das Schmettern der
das Commando der Officiere,
kurzum
es war
eine
Scene der höchsten Bewegung. » Steckt das Nest in Brand « rief der Lieutenant Bergenroth , » wir sind hier verrathen worden.>
Hagken Wedell
·
Ausfälle durch Nichtersatz
durch andere Gründe
230 Köpfe, 432 >>
231 Köpfe > 17
>>
72
145
>>
323
14
>>
26
58
die Füs.- Brig. Ernest
190
>>
424
2 Jäger -Compagnien
10
>>
33
1080 Köpfe, das III. Bat. Regts. Churfürst >>> > Schenk >
1126 Köpfe
385
>>
22
346
Σ
29
Hagken Wedell
579
»
16
187
>>
35
Lettow
162
»
92
1659 Köpfe,
>>
194 Köpfe
Die Kavallerie , nämlich :
das Drag.- Rgt . Wobeser 2 Esk. Blücher Hus. .
263
>>>
4
4
»
4
267 Köpfe,
8 Köpfe
Dieser zahlenmäfsige Schwächezustand bis zu diesem Zeitpunkte kann heutzutage mit Recht Erstaunen
erregen und mufste auch
damals im Hinblick auf die Fähigkeit des Gegners, Tausende und Abertausende zu seinen Fahnen zu versammeln, ganz erheblich ins Gewicht fallen, selbst wenn man die Abhängigkeit des preufsischen Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXI., 1. 2
Die preufsisch-hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
18
Heereswesens von den Übeln Aber auch die Gegenzahlen
des
Soldwesens
mitberechnen will.
des obigen Vergleiches, die Verluste
des Bestandes an Mannschaften » durch andere Gründe « , wie wir es zusammenfassend nannten, sind sehr bedeutende und lassen ersehen , wie wenig sowohl der Gesundheitszustand in der Truppe angemessen war, als auch der der Unterordnung (Disziplin) und zwar vornämlich in letzterer Hinsicht
die mit dem Soldwesen zusammenhängenden
des militärischen Überlaufens.
Es wird in unseren Quellen in Hinsicht
auf beide letztangeführten Übelstände vielfach geklagt, wobei man hier allerdings die Schuld mit einigem Recht auf die damals noch wenig entwickelte Treue der neu erworbenen preufsischen Landes teile schieben mag . belegen : Am 18. Nov. hatte die Inf. Am 29. Nov. hatte die Inf. 5. Jan. 1806 hatte die Inf.
Einige
Angaben
der Feldtruppen .
mögen
diese Behauptungen
11 % Ausfälle an Waffenfähigen
III. Bats. (-Res.) 37 % >
derFeldtruppen nur 5 % % » > III. Bats. noch 28
der Feldtr. wieder 10 % » III. Bats .
>
?
Die Kavallerie beklagte zu den gleichen Zeitpunkten : an Pferden 24 % Ausfälle an Waffenfähigen und 24 % erst 14 %
»
endlich 14 %
>>>
dann
>>
20% 1312% >
>
Die Verluste der Infanterie bei den Feldtruppen sinken
also
zunächst etwas, gelangen bald jedoch wieder auf denselben sehr hohen Standpunkt , und zwar wohl infolge der An strengungen u. ä. Gr. Die Kavallerie beklagt zunächst
sehr starken Nichtersatz an
Mann und Pferd, nämlich / ihres notwendigen Bestandes ; ersterer Mangel vermindert sich dann bis zu einem der Infanterie ähnlichen Standpunkte, bleibt jedoch auf demselben noch immer hoch genug stehen, während die Verluste an Pferden wenigstens langsam mehr und mehr gedeckt werden. Immerhin bleibt auch in letzterer Hinsicht noch manches zu wünschen übrig. Die III. Bataillone erscheinen mit einem ungeheuren Ausfall gegenüber ihrer Sollstärke, nämlich mit derem Drittel. Diese eben gekennzeichneten Ergebnisse sind wohl keine günstigen , namentlich wenn man in Betracht zieht , dafs in allen Abhandlungen über den Krieg von 1806 bestätigt wird ,
wie
die
Zustände des Vorjahres noch » Gold < gegenüber der Rüstung im Entscheidungsjahre gewesen seien . 1806 habe man den Feldzug
Die preufsisch- hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
19
begonnen mit einer abgerüsteten Armee, während durch den Zwischen fall mit dem russischen Czaren Preufsen mit allem , was es habe aufstellen können, 1805 kampfbereit gewesen sei . Grade auf diese gröfsere Schlagfertigkeit will man so gerne hinweisen ; wie schwierig müssen die Verhältnisse von 1806 ausgesehen haben , wenn man sich nach den anscheinend besseren des Vorjahres zurücksehnte ! Doch die Brauchbarbeit der Truppen konnte vielleicht immer noch durch ihre Marschleistung hergestellt werden . hierfür noch einen besonderen Beleg an .
Führen wir
Die erste Bewegung der preufsisch -westfälischen Truppen sollte folgende sein : 1. Das
Grenadier - Bataillon
marschieren von Bremen
Borstell
und
Regiment
nach Münster in
Lettow
sieben Tagen,
wovon ein Ruhetag ; Gesamtstrecke 170 klm, also Marsch leistung täglich 3-4 Meilen . 2. Das Regiment Churfürst marschiert von Paderborn Lippstadt in
einem Tage ;
Gesamtstrecke
34 klm ,
nach also
Marschleistung 4½ Meilen . 3. Das Regiment Wedell marschiert von Bielefeld nach Unna in fünf Tagen , wovon ein Ruhetag ; Gesamtstrecke 89 klm , also Marschleistung täglich 3 Meilen . 4. 2 Compagnien Jäger Charcot marschieren von Elze nach Notteln in zehn Tagen, wovon zwei Ruhetage ; Gesamtstrecke 220 klm , also Marschleistung täglich 3 Meilen . 5. 5 Escadrons Leibcarabiner-Regiments marschieren von Hoya nach Saerbeck bei Münster in neun Tagen , wovon zwei Ruhetage ; Gesamtstrecke 180 klm, also Marschleistung täglich 3 Meilen . 6. 5 Escadrons Reitzenstein-Kürassiere marschieren von Hameln nach Beckum bei Münster in sechs Tagen, wovon ein Ruhe tag ; Gesamtstrecke lich 3 Meilen .
130 klm, also Marschleistung täg
7. 1 Escadron Wobeser Dragoner marschiert von Duderstadt nach Greven bei Münster in elf Tagen, wovon zwei Ruhe tage ; Gesamtstrecke 250 klm , also Marschleistung täg lich 3 starke Meilen . 1 Escadron Wobeser Dragoner marschiert von Hildes heim nach Telgte bei Münster in dreizehn Tagen , wovon drei Ruhetage ; Gesamtstrecke 194 klm , also Marsch leistung täglich 23
Meilen . 2*
Die preufsisch hessische Waffenbrüderschaft im Jahre 1805.
20
1 Escadron Wobeser Dragoner, marschiert von Warburg nach Everswinkel bei Münster in sieben Tagen, wovon ein Ruhetag ; Gesamtstrecke
120 klm ,
also Marschleistung
täglich 3 Meilen . 8. 8 Escadrons Blücher Husaren marschieren von Stettin nach Ost- und Westbevern bei Münster in neunundzwanzig Tagen, wovon
sieben
Ruhetage ;
Gesamtstrecke
Marschleistung täglich 3
575 klm , also
Meilen .
9. 3 Fufsbatterien ( Kirchfeld - Neander-Schulz) marschieren von Magdeburg nach Hiltrup bei Münster in neunzehn Tagen, wovon vier Ruhetage : Gesamtstrecke 320 klm , also Marsch leistung täglich 3 Meilen . 10. Die reitende Batterie Lehmann marschiert von Berlin nach Kinderhaus bei Münster in siebenundzwanzig Tagen, wovon sechs
Ruhetage ;
Gesamtstrecke
440 klm,
leistung täglich 3 Meilen. Proviantfuhrwesen marschiert
11. Das
Albersloh bei
Münster in
von
neunzehn
Ruhetage; Gesamtstrecke 320 klm , Meilen . täglich 2
also
Marsch
Magdeburg
Tagen ,
nach
wovon vier
also Marschleistung
Aus diesen Berechnungen, welche in Bezug auf die Länge der Strecken nach dem jetzigen mafsgebenden sogenannten Kilometer Zeiger erfolgt sind, ist ersichtlich, dafs durchschnittlich täglich drei Meilen , d . i . fünf Stunden Weges aus Leistung gefordert wurden. von 9 Uhr Es konnten die Truppen - bei dieser Jahreszeit Morgens bis spätestens 2 Uhr Nachmittags marschieren und durften selbst bei schlimmen Witterungsverhältnissen an sich wohl schwer lich erst bei einbrechender Dunkelheit oder in der Nacht ihre Quartiere erreichen.
Nur ein einziger Ausnahmefall in Bezug auf
diese Durchschnittsforderung ist vorhanden , er findet jedoch seine Erklärung sehr schnell in der Kürze der Gesamtleistung , bezw. in der sofort wieder eintretenden Rast.
Ebenso durchgeführt erscheint
der Grundzug einer Ruhepause am vierten Tage. Beide Grundsätze haben im Hinblick auf die vielen Klagen über die Unmöglichkeit, sie thatsächlich durchzuführen, nicht einmal ihre völlige Erledigung erfahren und zwar, wie früher erwähnt, wohl infolge des unfertigen Zustandes von Mann und Pferd , mindestens aber ist aus allem er sichtlich ,
dafs diese mangelnde Brauchbarkeit der Truppen erst gar nach dem Marsche hervorgetreten sein mufs. (Schlufs folgt.)
II.
Studien
über Verwendung
und Gefechtsthätigkeit der Kavallerie. *) Von Freiherr v. Sazenhofen , königl. bayer. Generalmajor und Brigade-Commandeur.
IV. Die Beschreibung der Thätigkeit der Kavallerie in der Schlacht bei Eggmühl , gegeben hat,
welche
Herr
v. Bismark
in
seiner Ideen - Taktik
bietet uns ein sehr interessantes Bild über die Art
und Weise , in welcher die grofsen Kavallerie-Massen in dieser Zeit zur Verwendung gelangten. >Napoleon hatte die Kürassier- Divisionen Nansouty und St. Sulpice - à fünf Regimenter --- sowie 34 Schwadronen leichter Reiterei — 18 bayerische und 16 württembergische -- in eine Masse als Reiter Reserve vereinigt. Diese Masse marschierte in geschlossenen Kolonnen Die Württemberger in mit Schwadronsbreite bei Schierling auf. Kolonne rechts , die Bayern in Kolonne links
formiert im
ersten
Treffen , im zweiten jede Kürassier - Division in einer Kolonne für sich in Ordnung rechts.
Das abwechselnde
Terrain ,
die
steilen
Ufer und jähen Hänge waren den Bewegungen der Kavallerie nicht günstig. Nachdem die württembergische Infanterie Brücke und Dorf Eggmühl genommen hatte, deployierten die bayerischen Chevau legers und rückten in Linie die Anhöhe hinauf. In dem Augen blicke, als ihr Vormarsch Raum gab, deployierte die württembergische Division und folgte den Bayern auf 300 Schritten .
Auf der Höhe
angekommen griffen die Bayern eine österreichische Batterie an , wurden von feindlicher Reiterei in die Flanke genommen , weshalb der Angriff mifslang .
In diesem Momente war die württembergische
Division auf der Höhe angekommen und machte eine Attacke nach
*) Vergl. Januar-März-Heft 1886.
22
Studien über Verwendung u. Gefechtsthätigke
it der Kavallerie .
allen Signalen
auf die Haufen geworfen ward .
und der Umstand ,
österreichische Reiterei , welche über den Das heftige Kreuzfeuer mehrerer Batterien
dafs bei
einem Walde wirkte ,
der Verfolgung Infanterie-Feuer
nötigte diese Division umzukehren.
aus
Unter
dessen waren auch die Kürassiere auf der Höhe angekommen und die Regimenter hatten deployiert , so dafs die beiden Divisionen neben einander hielten , je fünf Regimenter hintereinander. Die leichten Divisionen sammelten sich rechts und links der Kürassiere.> Unterdessen gewann das Fufsvolk auf beiden Flügeln Terrain. Die österreichische Reiterei wollte den Moment , als die Spitzen desselben auf die Anhöhe rückten , benutzen und marschierte zum Angriff vor ; dies war der günstige Augenblick für die Reserve Reiterei. Die Württemberger und Bayern griffen die vorgerückte österreichische leichte Reiterei an und warfen sie , trafen aber bei der Verfolgung auf die feindliche Reserve - Reiterei , der sie nun ihrerseits weichen mufsten . *) Unterdessen waren die Kürassier Divisionen
im
Trabe gefolgt und begegneten
dem Angriffe der
feindlichen Reserve - Reiterei in so glänzender Weise , dafs die auf den Höhen fortziehende Infanterie von Lannes anhielt , um in die Hände klatschend den Kürassieren ein » Lebehoch« zu bringen. In der französischen Armee hatten sich dieselben zu einer moralischen Macht
erhoben .
Züge
auffallender Tapferkeit wurden
Soldaten mit dem Ausdrucke : erkannt.
» brave
comme les
von den
cuirassiers en avant marche marche « , welches auch die Kürassiere wiederholten, ohne jedoch das Tempo zu verstärken . > Als die Kürassiere so geschlossen in respektgebietender Ord nung vorrückten, machten die beiden leichten Divisionen Halt, her stellten sich und waren bewunderungswürdig schnell wieder formiert. Auf beiden Flügeln machten sie diesen Angriff mit , es war ihr dritter . Hier war es nun, wo die Bayern sich gegen eine Batterie wandten, welche die Flanke dieser Reitermasse beschofs, und sechzehn Geschütze eroberten . zu
Nach diesem Chok, welchem der Feind nicht ruhte die Reiterei und wartete das
widerstehen vermochte ,
Vorrücken beider Flügel ab ; sie befand sich neben der grofsen Strafse nach Regensburg in der Mitte zwischen Lannes und Davoust. Sowie die Flügel des Fufsvolkes sich mit der Tete der Reiterei in gleicher Höhe befanden , rückte diese in Kolonnen mit Schwadronen , die Spitzen der Divisionen nebeneinander , mit dem Ganzen vor . Bei allen diesen Bewegungen richteten sich die leichten Divisionen nach den Kürassieren, ohne andere Weisung . Überhaupt hatte man weder bemerkt noch sagen hören , dafs den deutschen Generalen an diesem Tage Befehle zugekommen wären . Der Befehl am Morgen unmittelbar vom Kaiser kommend lautete blos ; »suivez et soutinez selon les circonstances les cuirassiers . > fonds perdus « herabsinken. Die » Landesbefestigung « scheut nicht vor dem Versuche zurück , uns eines Anderen belehren zu wollen .
Die » unrichtige Beurteilung der letztvergangenen Kriegs
ereignissetüchtig « zu bleiben vermögen - ein untüchtiges Heer wird auch durch Festungen nicht (oder am allerwenigsten ) zu einem tüchtigen. Zur Defensive gezwungen , wird also ein tüchtiges Heer auch ohne Mauern und Wälle seine volle Schuldigkeit thun - ein untüchtiges , kann den Schein dieser Leistung nur dann gewinnen , wenn der
Gegner es
hinter den
schützenden
ehenso schneidig anzupacken vermag ,
wie in
Bollwerken
nicht
offener Feldschlacht.
Wir stimmen der » Landesbefestigung« bei, wenn sie dem Wunsche nach einer möglichsten Verallgemeinerung des Festungskrieges Aus in erster Linie wenigstens
druck giebt , nur denken wir dabei
nicht an die Defensive, sondern an den Festungsangriff , und da hoffen wir allerdings , dafs der deutsch-französische Krieg gar deutlich gelehrt hat : wie notwendig es sei , sich im Festungskriege genau derselben Überlegenheit der Offensive versichert halten zu können, wie im Feldkriege. Wo dieses Ziel und damit die Meister schaft im Festungsangriffe erreicht ist, da finden sich die Festungs verteidiger wohl von selbst wenn sie noch notwendig werden
Landesbefestigung.
40 sollten.
Richtige Festungsangriffe werden aber auch das vorzüg
lichste Mittel bieten , dem Verfasser der Landesbefestigunge zu beweisen , dafs sich die »durch einen frühzeitigen Abschied ihm gewordene Mufse « vielleicht doch in noch nutzbringenderer Weise hätte verwerten lassen , als es durch diese » Studie« geschah , und dafs der Truppenführer nicht blofs im Feld-, sondern auch im Festungskriege einen ganz berechtigten Anspruch auf Urteils fähigkeit, der beste Ingenieur aber selbst in diesem kein ausschliefs liches Vorrecht auf Unfehlbarkeit habe. In ihrem II . Abschnitte kömmt die » Landesbefestigung Krieg um Paris < und scheint das auch bleiben zu sollen. Vor Paris standen die deutschen Heere bekanntlich am 19. September 1870
aber erst acht Tage später fiel Strafsburg,
während die Feindseligkeiten gegen Belfort nicht vor November begannen , General v. Werder jedoch schon Ende Oktober bis Besançon und Dijon vorgedrungen
war ,
Belfort also nicht nur
>» links « , sondern sogar im Rücken seines Corps hatte liegen lassen. Sprechen diese Thatsachen für sich , so können wir auch der Bewunderung nicht beistimmen , welche Widerstande Strafsburgs gezollt wird.
dem sechswöchentlichen Gerade für einen Teil
nehmer an der Belagerung dieser Stadt kann doch unmöglich ein Zweifel darüber bestanden haben , dafs dieser Platz in sehr kurzer wäre ,, wenn Zeit zu bezwingen gewesen wäre wenn man das unfehlbarste Mittel hiezu ein rücksichtsloses Bombardement in der Weise
hätte
konnte. man
anwenden
wollen ,
in welcher
man
es
anwenden
Die Absicht aber, aus der hochherzigen Schonung, welche
einer
>> verlorenen Tochter » Gahzi « verholfen . Wir wundern uns nun wahrhaftig nicht, wenn die etwas geringschätzige Art, mit welcher die französischen Festungen im letzten Kriege behandelt wurden, von unserem Gegner manchmal dahin aufgefafst und ausgebeutet wird, dafs uns ihre Bollwerke einen gar heilsamen Respekt eingeflöfst hätten — in deutschen und von so berufener Seite unternommenen Studien, kann uns jedoch eine gleiche Auffassung Wenn nun aber geschichtlich feststeht,
nur
dafs
peinlich
berühren .
man der Eroberung
Belforts schliefslich nur deshalb besonderen Nachdruck gab, man den
Platz
beim
Friedensschlusse
als
weil
Tauschgegenstand
verwerten wollte , dann fehlt doch jede Berechtigung für die Be hauptung Heyde's , wie Belfort » es erreicht habe, dafs sein
43
Landesbefestigung.
ganzes Territorium, fast zwölf deutsche Quadratmeilen grofs, wohl habend und reich bevölkert, Frankreich erhalten blieb, das dadurch in den Stand gesetzt wurde, die südliche Ausfall -Pforte gegen Deutschland besetzt und verschlossen zu halten . « Aus den , eben von uns gewürdigten Vordersätzen stellt Heyde nun in seinem III. Abschnitte
Grundlehren
die
der
Landesbefestigung ,
welche aus den Leistungen der französischen Festungen im Kriege von 1870-71 abgeleitet werden können « zusammen . Er beginnt hierzu mit --- Bitsch und behauptet, dafs diese Festung lehre, wie sich auch ein kleiner Platz, »sofern er mit sicheren Hohlräumen . . . . genügend ausgerüstet ist und einen hohen Grad von Sturmfreiheit besitzt , einen ganzen Feldzug hindurch halten und bis zu dessen Schlufs seinen lokalen Zweck zu erfüllen vermag. > Landesbefestigung « zu rechten . Überlegenheit der neueren ,
einen
einzigen Punkt mit der
Sie sagt nämlich ( S. 63 ) :
schweren Festungsgeschütze
> Die
über die
Feldgeschütze ist so grofs, dafs eine Reihe von starken, das Umterrain beherrschenden Forts , deren äufserer Umzug völlige Sturmfreiheit und deren innere Einrichtung, der Citadelle von Bitsch entsprechend, genügende , sichere Räume für Besatzung , Ausrüstung und Vorräte bieten , bei einer tüchtigen und gut geführten Besatzung Widerstand genug leisten , um auf sie gestützt , die Intervalle kräftig zu ver teidigen , auch wenn ein Zusammenwirken der Geschütze der Forts auf jeden Punkt der Intervalle nicht möglich ist .
Selbst wenn es
dem Feinde gelungen ist, zwischen den Forts durchzudringen, wird es ihm nicht möglich sein, seine Vorteile dauernd zu behaupten, so lange die Forts in seinem Rücken nicht bewältigt sind. Das letztere ist ohne die langwierige Heranführung schwerer Belagerungstrains zur Eisenbahn nicht möglich . Eine möglichst nachhaltige Sperrung der Eisenbahnen an der Grenze wird in dieser Beziehung voraus sichtlich für die Dauer des ganzen Krieges genügen .
Sofern die
Festungen, bezw. Festungsgruppen, im Innern also so angelegt sind , dafs die Einschliefsung
möglichst erschwert
oder gar unmöglich
gemacht wird, werden sie ihre Aufgabe, die Feldarmeen zu schützen, mit Erfolg bis zum Ende erfüllen . «
Armes Deutschland !
Solcher
Befestigung gegenüber giebt es in deinem Lager wahrhaftig noch Leute , die jeden Tag Frankreich anzubinden !
den Mut haben würden nochmal mit Ob Heyde's Studie diesen Verblendeten
die Augen öffnen und sie zu besserer Einsicht bekehren wird? Wir fürchten es nicht! Wir freuen uns - mit Heyde - herzlich, wenn » la belle France« ihre Reize durch noch so viel starke Gürtel schützt ; haben wir doch die bestimmte Zuversicht, dafs die deutsche Stofskraft eintretenden Falles - all diese Gürtel recht bald ihrer -- » Jungfräulichkeit « berauben wird! Wir sind überzeugt , daſs
51
Landesbefestigung.
auch der Verfasser der » Landesbefestigung « unsere Zuversicht teilen würde , wenn er im Stande wäre , dieselbe auf die gleichen Gründe zu stützen , auf welchen sich unsere Hoffnungen mit so grofser Bestimmtheit aufbauen, deren Kenntnis man sich aber - wie schon >>Die bemerkt - unmöglich durch Mufse allein erwerben kann. Batterien des Angriffs vermögen auf 2000-2500 m Entfernung die Forts zum vollständigen Schweigen zu bringen , « das bekennt Heyde (S. 39 ) selbst und hierauf hätte er weiter bauen und sich sagen müssen : wenn dieses Resultat schon vor fünfzehn Jahren erreicht werden konnte und auch erreicht worden ist wie wirds dann wohl heute damit aussehen ?
Von ihm verlangt
man keine Aufklärungen über den Unterschied von » Feld- < und >Festungs- Geschütz -――――― diese Unterschiede werden dem Artilleristen vermutlich noch weit geläufiger sein , als dem Ingenieur - das aber kann man von ihm verlangen , dafs er sich nicht den Anschein giebt ,
als Ingenieur
als ob es ganz gleichgültig wäre,
wenn man ein Fort auf eine halbe Stunde Entfernung » zum voll ständigen Schweigen bringen kann. « fortifikatorische Mängel und
recht
können .
stattliche
Das wissen wir selbst , dafs
noch immer am besten durch tüchtige Truppenkräfte
ausgeglichen
werden
Für »tüchtige und stattliche Truppenkräfte« wollen wir
nur eigentlich keine Festungen und am allerwenigsten solche bauen, die sichtlich noch weit gröfsere Anforderungen an die Besatzungs-, als an Feldtruppen stellen würden. War der V. Abschnitt der heutigen französischen Landes befestigung gewidmet, so wendet sich ――― folgerichtig ――― der VI. der > Verwertung der , aus den Erfahrungen des Krieges von 1870-71
gezogenen
Lehren
für
die
Neugestaltung
der
Befestigungen Deutschlands gegen die Westgrenze « zu . Heyde vergleicht hier im allgemeinen das französische, mit dem deutschen Landesbefestigungssystem , ohne gerade deutlicher aus zusprechen, dafs er ―― im Herzen - wohl doch dem ersteren den Vorzug geben möchte. Wenn er aber ( S. 71 ) anführt, dafs » in Frankreich, bei dem Entwurfe des neuen Befestigungssystemes immer und überall ein direktes Zusammenwirken der Befestigungen mit der Feldarmee für die Gestaltung der Anlagen mafsgebend gewesen ist, bei der Neugestaltung des deutschen Befestigungssystemes sich der Grundgedanke eines solchen Zusammenwirkens jedoch nicht erkennen läfst, « so müssen wir uns hierbei nach mehr als einer Richtung hin über die » Landesbefestigung Durchgangsposten « sind , so stimmen wir vollständig bei , dafs auch die Festungs - Kommandanten nicht immer mit diesem Amte >abschliefsen , sondern wieder in die Truppen zurückkehren - das wird bald einen Vorrat von » Belagerern « geben und den Festungs krieg verallgemeinern « , so dafs es ihm auch nicht an gewandten Verteidigern fehlt. Irren wir uns nicht , so wird aber ― in
Landesbefestigung .
54
Deutschland wenigstens -
ohnehin schon ungefähr so verfahren,
und scheinen die Festungs - Kommandanten auch nach und nach immer mehr zu »Leitenden > Feld- zum Schweigen < gezwungen werden können , oder gar >verlassen werden müssen « , die erste und wichtigste Aufgabe des
Ingenieurs
geworden
zu
sein.
Giebt
der Ingenieur
kämpfenden Verteidiger den Schutz wieder ,
dem
den ihm die alte
Kasematte noch zur Kugelzeit gewährte, und beläfst er ihm dabei gleichzeitig und überall die Sicherheit, welche die alte Escarpe bot, ehe man ihr nicht auf blofse Grabenbreite mit Breschegeschützen gegenüberstand, dann wollen auch wir sehr gerne anerkennen, dafs die Verteidigung
jene
Vorteile
wieder
erlangt
habe ,
die
sie
Landesbefestigung.
58 vielleicht noch vor
dreifsig
Jahren
besafs.
thatsächlich ungenügende Festungswerke
Den
Versuch aber,
» im Namen Denfert's
für vorzügliche erklären zu wollen, nur weil man selbst nicht weiſs, wie man sie verbessern, oder was man an ihre Stelle setzen soll dieser Versuch hat für uns dieselbe Bedeutung ,
wie der einstige gegen den
Widerstand aller auswärtigen Waffenkommissionen Hinterlader bis Sadowa geschlagen war !
Wären die Werke der heutigen Befestigungskunst aber wirklich so widerstandsfähig, wie Heyde unter der Voraussetzung behauptet, >> dafs der Geschützkampf nicht
von
den Forts aus geführt,
die
Verteidigung aber » à la Denfert « geleitet wird , dann würde unserer Meinung nach - allerdings weniger die zeitgemäfse Ver besserung solcher Werke ,
desto mehr aber die Vervollkomm
nung des Angriffes dagegen , zu den höchsten Aufgaben des Ingenieurs, und besonders werden müssen .
des deutschen Ingenieurs,
gerechnet
Haben sich unsere Nachbarn wirklich mit so starken Gürteln umgeben , dann brauchen wir Ingenieure , die uns nicht blofs mit Kassandrastimmen vorhalten : » seht , Ihr habt schon 1870 nichts gegen diesen und jenen Platz auszurichten vermocht, wartet nur, das wird Euch in Zukunft noch schlimmer ergehen« ! sondern wir wollen
offensive Denfert's« haben , die uns sagen :
» das und das
hat dieser und jener Angriff gelehrt ; das mufs ein ander Mal so, oder so gemacht und verbessert werden , in dem und dem Sinne mufs die Artilleriewirkung gesteigert und dadurch die Möglichkeit eines
wirklich
abgekürzten Angriffes
erreicht
werden u. s. f. ,
u. s. f. « — Will Heyde in diesem offensiven , oder doch in dem früher angedeuteten , fortifikatorisch , verbessernden Sinne seine Studien fortsetzen , so wird er uns unter seinen wärmsten Freunden finden. So lange er uns aber nach französischen Mustern und Meistern bilden will, haben wir für ihn nur das bedeutsame Wort des österreichischen Kultusministers : » Lernt deutsch !> Soll > MassebildensTaktische Saupacker < hat etwas derb aber nicht un richtig einer unserer bekannten Militärschriftsteller Napoleons Generale genannt. Welche strategische Ungeheuerlichkeit hatte nicht Berthier geschaffen, ehe Napoleon 1809 zum Heere stiefs ?
Und doch - auch
das sei hier als Beweis dafür, wie schwer sich schon damals der richtige Moment für die Ausnutzung der inneren Linie finden liefs -- batte es selbst ein Erzherzog Carl nicht verstanden, die Gunst der Lage auszunutzen. Graf Yorck betont die Einwirkung der Unterführung im II. Teile seines Werkes schärfer, in dem er Seite 238/39 sagt : >> Es giebt eine Art zu befehlen , welche jede Regung des Ungehorsams, jeden Gedanken des Abweichens von dem Befohlenen von vorn herein ausschliefst. Die Gewalt heroischer Entschlüsse hat immer grofse Führer ausgezeichnet und im höchsten Grade war sie dem Kaiser eigen. Jedoch, wer solche Befehlsart ausübt, der nimmt damit für sich auch eine gewisse Unfehlbarkeit in Anspruch und er tötet in seinen Untergebenen den Geist freien Entschlusses . Auch dies ist bei Napoleon im höchsten Mafse der Fall gewesen , und diese Er fahrung erklärt , warum die gröfsten Führer fast nie Schule gemacht haben. Napoleon beschnitt seinen Unterführern das strategische Denken und erzog sie zur Unselbstständigkeit, indem er beständig den Anspruch erhob, Alles selbst zu leiten und selbst zu verantworten . Das erhöht zwar seine persönliche Bedeutung, aber ich kann nicht umhin hier abermals zu sagen, dafs sie den dauernden Erfolg einer Armee und damit für den gesicherten Bestand
81
Zur Strategie und Taktik Napoleons. eines Staates
die Heranbildung und Erziehung
einer bestimmten
Schule von Führern , mag auch der Einzelne niemals den höchsten Gipfel des Feldherrntums erreichen, wertvoller ist, als das unfrucht bare Erscheinen einer einzigen napoleonischen Gröfse. der Verlauf von 1813 einzelnen freien Kräfte
Und gerade
zeigt , wie das Zusammenwirken vieler selbst des Genies auf die Dauer Herr zu
werden vermag, denn dieses , das eine einzelne Kraft ist , dürfte um überlegen zu bleiben , nie auch nur einmal nachlassen , eine Voll kommenheit, die Menschlichem nicht verliehen und der noch besonders. die heutige Gröfse der Armeen, Ausdehnung der Kriegsschauplätze und Entwicklung der Taktik entgegenwirken. «
Diese
Sätze
darf
man wohl unterschreiben , man dürfte dies noch mehr, wenn Graf Yorck hinzugefügt hätte, wie das Anwachsen der napoleonischen Streitmassen auch diesen schon 1812 das Zusammenhalten der Armee und die direkte, persönliche Leitung unmöglich machten .
Die » defaut
de la cuirasse < war seine eigene Schuld, er empfand ihn schwer. Das ist aber der charakteristische Unterschied in dem Staat eines Napoleon und dem des angestammten Hohenzollernhauses , dafs in dem einen der Staat für den Herrscher, in dem anderen der Fürst für den Staat da war und ist , dafs der Emporkömmling nur für sich, der Erbfürst für die dauernde Consolidirung und die Wohlfahrt des Staates sorgt, dafs Preufsen nach 50 Friedensjahren , sich bewusst neben gesunden Prinzipien der Heeresentwicklung die Führerelemente in konsequenter Schulung erzogen zu haben , die kühnere strategische Form und damit die gröfseren Erfolge wählen
konnte ,
Napoleon
immer wieder auf das Massebilden zurückgreifen mufs . Hier würde der Punkt sein, Graf Yorck's Ansichten über die Anwendbarkeit des strategischen Massebildens Napoleons mit den heutigen Massen- Armeen folgen zu lassen ― Äufserungen, die wir wohl ohne Eitelkeit als ein Hinneigen zu unserer in dem ersten Teil der Studie entwickelten Meinung auffassen dürfen
wenn nicht Oberstlieutenant v. Hor
setzky's Vortrag uns noch einige Zeit beschäftigen müsste . Seite 143 wird gesagt : eine
Teil
(Benedek)
> Weil nun in diesem Falle (1866 ) der
geschlossen
vorging
und
nicht
reussirte ,
während der andere Teil getrennt war und sich zum Schlusse mit grofsem Vorteile im richtigen Momente vereinigte, wird nun diese Form des geschlossenen Vorrückens verworfen , die des getrennten Vorrückens aber besonders anempfohlen . Zu dieser Schlufsfolgerung trug allerdings nicht wenig bei, dafs ein dem Grafen Moltke zu geschobener Aufsatz 1867 im Militär- Wochenblatt die Vorteile des Operierens in getrennten Kolonnen in prinzipieller Weise hervorhob Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd LXI., 1. 6
82
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
und verteidigte.
Der Angelpunkt des damaligen Krieges, nämlich
die Möglichkeit , dafs die Armee des Kronprinzen am 28. und 29. Juni mit Aussicht auf Erfolg hätte angegriffen werden können, ward zu nächst mit dem Hinweise bestritten , dafs dann am 29. auch die Armee des Prinzen Friedrich Carl sich schon entsprechend fühlbar gemacht haben würde. So wenig uns auch dieser Nachweis über -.« Wir fragen zunächst, ob Oberstlieutenant v. Hor zeugt setzky die Methode des Vormarsches Benedek's ,
die für die Ent
wicklung nach der Spitze volle 4 Tage bedurft hätte, Nachahmung empfehlen will ?
etwa zur
Dann lag der Angelpunkt des Krieges
mit Nichten in den Tagen des 28. und 29. Juni .
Der Angelpunkt
lag viel früher, die Lösung der Frage hätte rechtzeitiges Vorgehen Benedek's
mit
allen Kräften gegen die debouchierende II. Armee
heifsen müssen, wofür es allerdings schon zu spät war, als Benedek die nötige Orientierung über den Marsch des Kronprinzen hinter der Grafschaft fort erhielt. Es bedarf nur eines Blickes auf die im Generalstabswerke enthaltenen Kartenskizzen, um zu erkennen, dafs die Möglichkeit, die Armee des Kronprinzen am 28. oder gar 29. isoliert zu schlagen, bei der Nähe der über die Iser gegangenen Armee des Prinzen Friedrich Carl und bei dem zweifellos bei diesem Prinzen vorhandenen schnellen Entschlufs , Benedek im Rücken anzufallen, eine höchst vage war. Eine Armee von 125-140,000 Mann ist im Übrigen doch auch nicht abzuthuen, wie die Kolonne Olsufiew 1814 ,
das Zusammenwirken war bei den preufsischen
Armeen auch ohne Zusammensein gesichert. Was Oberstlieutenant v. Horsetzky bezüglich 1870 sagt, erscheint uns auch nicht recht stichhaltig als
Beweismonent gegen das koncentrische Verfahren.
Der Aufmarsch der drei Armeegruppen erfolgte, unter Ausnutzung sämtlicher durchgehenden Linien , ziemlich versammelt und dies auch .
mufste
Glaubte man Frankreich doch völlig kriegsbereit, den
Schlagbereich der feindlichen Heere, namentlich bei der Kühnheit, mit der man deutscherseits den Aufmarsch trotz Frankreichs plötz lichen Losbruchs über den Rhein hinaus verlegte, bis zur Grenze reichend ; das » Nähern zu gegenseitiger Unterstützung « , das , wie wir im I. Teil unserer Studie gesagt, ja auch bei dem koncentrischen Verfahren eine Hauptbedingung und in der gröfseren Leichtigkeit seiner Vollziehung gerade einer der Vorteile dieser Operationen ist, mufste von vornherein erfolgen. in
etwas
über den französischen
Die aber dann , sobald man sich Aufmarsch,
der
für
eine das
Ansammeln nach vorwärts anstrebende Offensive ganz brauchbar, für die strategische Defensive untauglich
war,
orientiert sah, sofort
83
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
eintretende, allen Operationen und Verpflegungsrücksichten Rechnung tragende Trennung bietet unserer Ansicht nach ein Beispiel, wie es typisch werden dürfte für die Kriege mit modernen Massen Heeren. Staunen haben uns einige Punkte des Horsetzky'schen Vortrages abgezwungen, nämlich :
1. Der
aus
kriegsgeschichtlichen Beispielen
gezogene
Schlufs , Seite 151 , dafs die Schwierigkeiten der einen Manövrierform (Operieren auf der inneren Linie ) mit der Gröfse der Armeen proportional gewachsen sind , ohne dafs aber die Gefahren der anderen Form (Operieren mit getrennten ,
koncentrisch vorgehenden Gruppen) entsprechend abgenommen hätten .
2. Die
Behauptung, dafs die grofsartigen Umwälzungen im Verkehrswesen der Gegenwart dem Angreifer wie dem Ver
teidiger, dem in getrennten Gruppen, wie dem in einer Masse Operierenden, so ziemlich in gleichem Maſse zu Gute kommen. 3. Der Satz Seite 146 :
» Im Allgemeinen und mehr theoretisch
betrachtet wird indessen auch in Zukunft,
so
wie früher
derjenige, der beisammen bleibt, wenn er auch in den Be wegungen grössere Friktionen zu überwinden hat, wenigstens nicht Gefahr laufen, geteilt geschlagen zu werden , d . h . er wird sicherer gehen. < Die ersten Punkte enthalten deutliche innere Widersprüche und lassen im Verein mit dem dritten bei Oberstlieutenant v. Horsetzky die Ansicht als vorhanden erkennen , dafs thatsächlich heute das längere Vorgehen von Armeen
in der
Stärke von
700-800,000
Mann in einem » Marschechiquier « denkbar und ihre rechtzeitige Entwicklung zur Schlacht aus diesem einen »Echiquier « möglich sei . Ist die Schwierigkeit des Operierens auf der inneren Linie (was übrigens, wie wir unten besprechen werden, auch Graf Yorck zugiebt, wobei er sich einer Beweisführung aus seiner im I. Teile oft angezogenen Quelle » Jomini « bedient) mit der Gröfse der Armeen proportional gewachsen, so mufs die Gefahr des Gegenteils von der Operation auf der inneren Linie, die in getrennten Kolonnen , logisch doch verringert sein . Und so ist es in der That, wie der I. Teil der Studie nachgewiesen und wie auch der II. Teil des Yorck'schen Werkes zugiebt .
Die Umwälzungen
der
Verkehrsmittel kommen
dem in einer Masse Operierenden , ebenso wie dem in getrennten Kolonnen Vormarschierenden in fast gleichem Mafse zu Gute ! 6*
Wer
84
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
in einer Masse den strategischen Aufmarsch vollzieht, hat vielleicht eine Bahn zur Verfügung, dem strategischen Aufmarsch in Gruppen stehen vielleicht 5-6 zu Gebote. Eine Bahn leistet also soviel wie 5-6 --- eine sonderbare Logik. Wie lange hätte wohl der stra tegische Aufmarsch der preufsischen Armee gedauert,
wenn man
denselben 1866 mittelst einer Bahn in der Richtung auf Görlitz oder nach Oberschlesien , also nach einem Punkte hin, vollzogen hätte ? Der Vorsprung der Österreicher in der Mobilmachung wäre niemals eingeholt worden , der Krieg hätte ganz bestimmt einen andern Verlauf genommen.
Jede unserer Armeegruppen hatte eine oder mehrere Bahnen zur Verfügung für den Aufmarsch und für den Nachschub, und sie bedarf derselben sowohl zum letzteren Zwecke, als auch zum ersteren. Will uns Herr Oberstlieutenant v. Horsetzky einmal darthun , wie er mittelst einer Bahn einer in einem Marschechiquier vorgehenden Armee von 700-800,000 Mann den nötigen Nachschub zu Teil werden lassen will ? Selbst das engmaschigste Bahnnetz stellt aber und einem Heere, das in vielleicht acht Meilen Front vorgeht die Front doch wohl nicht gut sein, wenn eine zusammen Leitung bleiben , das Heer eben eine Masse bilden, nicht mehr als eine durchgehende Linie hinter bleiben sollte Zum Schlufs soll noch erwähnt werden,
dafs allerdings eine
neuere Armee, die sich zu strategischer Teilung entschliefst , gewisse Eigenschaften besitzen mufs, um einer solchen Teilung allen Nutzen, den sie geben kann, abzugewinnen, alle ihre Gefahren zu vermeiden, und dürften wohl die Haupteigenschaften der Armeen (bei zweck Ifsiger Anlage des ganzen Feldzuges und richtigem strategischen Amarsch, sowie guter Regelung der Befehlsverhältnisse vorausgesetzt)
93
Zur Strategie und Taktik Napoleons .
hierzu sein müssen : Offensivgeist, Selbstständigkeit und einheitliche Friedensausbildung der Führer (Anerziehen des richtigen strategischen Blickes und Leitung durch Direktiven ) höchste Manövrierfähigkeit und
Marschierfähigkeit
der
Truppen ,
sorgfältigste Regelung
des
Transportwesens (diese würde bei einer zusammengehaltenen Armee weit kritischer sein) Ausnutzung aller Kommunikationsmittel der neueren Technik. « Soweit die Auslassungen des Grafen Yorck zu der Frage ;
sie
sind von uns mit Zusätzen versehen, die wir in Klammern stellten . Die Quintessenz derselben darf man in dem Schlusse sehen , daſs die modernen Massen eine koncentrische Operation getrennter Kolonnen nicht mehr unbedingt zu scheuen brauchen . Das schroffe Urteil über unsere Kriegführung 1866, wie es sich im I. Teile findet, wo dieselbe nur durch politische Gründe erklärlich bezeichnet und durch den Hinweis darauf, dafs Napoleon das koncentrische Verfahren absolut verworfen, namentlich dann noch einen zweiten Hieb erhält, wenn man die Sätze Seite 68 heranzieht, wo es heifst : »So sehr war er durchdrungen von dem grofsen Grundsatze des » Vorbrechens in Masse . Und mit Recht, das koncentrische Verfahren hat ja allerdings etwas Bestechendes nur vergifst man leicht dabei und auch Napoleon erläutert dies ausdrücklich : » Ich sehe Sie auf falschem militärischen Wege u . s. w. und gerade dieser grofse Meister hat es oft bewiesen, welche Möglichkeiten sich einem unternehmenden Führer gegen getrennte Kolonnen bieten, wenn sie in Summa eine bedeutende Übermacht darstellen. Die Armee, die sich so teilt, giebt sich nicht nur den Zufälligkeiten hin , welche den Marsch einer solchen Kolonne verzögern können u . s. w. wird in etwas gemildert , aber nicht völlig umgeworfen .
Wir müssen
deshalb die Frage stellen, ob das System der Kriegführung 1866 nur aus politischen Gründen erklärlich und notwendig war ? und dieselbe absolut verneinen . Nach den Antworten , die Graf Moltke 1867 im Militär-Wochenblatte dem österreichischen Kritiker gegeben, hat unserer Ansicht nach ein Rückhalt in der Jominischen Schule etwas Befremdendes.
Graf Yorck erwähnt das Generalstabswerk, er
sagt aber nicht, dafs er von der Lage Mitte Juni spricht, während das Generalstabswerk Seite 31 von dem handelt, was im Mai wünschenswert gewesen wäre.
Für eine strategische Defen
sive empfiehlt sich bei einiger Ruhe des Gegners , wie man sie damals annahm , die getrennte Aufstellung nicht, der französische Krieg 1870 hat dies deutlich genug bewiesen.
Für eine Offensive.
dagegen, wie sie Mitte Juni beschlossene Sache war, wo eine Ver
94
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
einigung vorwärts erstrebt werden kann und möglich erscheint, ist dies aber doch etwas gänzlich Anderes. Aber von dem Augen blicke an, wo die Bundesbeschlüsse vom 14. Juni gefasst waren. hatte der König sich entschieden, den Krieg offensiv zu führen. Jetzt war nicht mehr die Rede von defensiven Flankenmärschen, wodurch oft die Gegner ihre eigenen Gebiete aufsuchen. stabswerk Seite 44.
General
Die diplomatischen Rücksichten treten jetzt
absolut zurück vor den militärischen , die Fortsetzung des Marsches der I. Armee in der Richtung auf die II. wurde sistiert , vorwärts, in Feindesland lag der Koncentrationspunkt. Und wohl gewählt war dieser. Auch Graf Moltke hatte den Zirkel eingesetzt und gemessen, dafs die drei Armeen , für welche am 23. Juni der Einmarsch nach Böhmen befohlen wurde, die bei Dresden, Görlitz, Neifse auf 40 Meilen Raum auseinanderstanden , sich bei Gitschin vereinigen könnten, ehe der Gegner seine Armee dort versammelt habe. Die Österreicher hatten vor dem Aufbrechen zwischen den Städten Weifskirchen Wildenschwert, standen.
Grofs - Meseritsch und Lundenburg in Mähren ge
Zum Aufschliefsen der Armeen in dem genannten Raume,
war bei Zugrundelegung von normalen Leistungen ein Zeitraum von etwa 10 Tagen erforderlich .
Das Manifest des Kaisers Franz Joseph
am 17. Juni liefs auf baldige Eröffnung der Feindseligkeiten rechnen; man hatte preufsischerseits einigen Grund zu der Annahme, dafs die Österreicher den Vereinigungspunkt an die obere Elbe verlegen würden , wozu dann 13-14 Tage erforderlich waren . Bis Gitschin konnte die österreichische Hauptarmee mit ihren Gesamtkräften nicht vor dem 30. versammelt sein. Da man preufsischerseits mit den beiden entferntesten Heeresteilen von Dresden und Neifse nach Gitschin kaum 8 Märsche hatte, so war man gleichfalls im Stande am 30. Gitschin zu erreichen.
+
Der Zeitraum für ein erfolgreiches Operieren auf der
inneren Linie seitens Benedek's war im nördlichen Böhmen jedenfalls auf eine sehr kurze Spanne beschränkt, starken Bruchteilen seines Heeres waren die preufsischen Armeen von 125 und 140,000 Mann überlegen, Benedek durfte an die genannte Operation nur denken, wenn er seine Gesamtkraft heran hatte. Drangen die Preufsen bis an die Iser und Elbe vor, so war die Situation für Benedek schon kritisch.
Der Koncentrationspunkt war daher rechtzeitig und wie
die Folge zeigte, auch strategisch günstig gelegt.
Das ist freilich
eine Hauptsache bei koncentrischen Operationen. Vorwärtsbewegen lassen sich zweifellos 250 000 Mann auf einer Operationslinie,
nach
den genügenden Vorkehrungen auch wohl
verpflegen und einheitlich leiten .
Es ist ja auch nicht die Frage,
$
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
95
ob eine Operation mit ihnen möglich , sondern ob 1866 das Masse bilden strategisch zweckmässig - oder wie der I. Theil des Yorck'schen Werkes dies andeutete, das Operiren mit getrennten Kolonnen nur durch politische Verhältnisse erklärbar sonst aber verwerflich Da sind wir nun der Ansicht, dass sich, wie die Dinge lagen , ohne die Versammlung in getrennten Gruppen und ohne koncentrisches Vorrücken dieser nicht die erzielten Erfolge hätten erreichen lassen. Der Aufmarsch in einen Massenkomplex hätte den Vorbedingungen , die der moderne Krieg an den strategischen Aufmarsch stellen muss , nicht entsprochen .
Oesterreich hatte in den Rüstungen zum Kriege
fünf Wochen voraus, als in Preussen die Mobilmachung befohlen wurde.
Den Vorsprung wett zu machen , die Priorität des Vollzuges
des strategischen Aufmarsches
sich
zu
sichern, war nur denkbar
durch Richtung der Gesammtkraft gegen Oesterreich allein, durch Ausnutzung aller fünf Bahnlinien,
die auf den Kriegsschauplatz
liefen , und damit ergab sich naturgemäss . die Versammlung in ge trenuten Gruppen . Letztere Mafsregel war durchschlagend ; am 5. Juni war die preufsische Armee au der schlesisch -böhmischen und sächsischen Grenze aufmarschirt, Oesterreich war ein Vorsprung von etwa 14 Tagen abgewonnen .
Die Initiative lag in Preussens Hand ,
und was dies im modernen Kriege bedeutet, bedarf einer weiteren Erörterung nicht.
Aufmarsch in einer Masse hätte mindestens drei
Wochen beansprucht , das Gesetz des Handelns Oesterreich überlassen . Und was hätte man erzielt, wenn man die Armee in einer Masse versammelte ? >>Legen wir , so sagt Graf Moltke in No. 18 des Militär -Wochenblattes preufsischen Gesammtmacht
von
1867 ,
» für die Koncentration der
die Dimensionen der österreichischen
Cantonnements zu Grunde, so hätten die Quartiere sich in der Front von Torgau bis Görlitz, in der Tiefe bis Berlin und Frankfurt a. O. erstreckt. Alle für Truppen gangbaren Strassen aus diesem weiten Bezirke nach Böhmen hinein drängen sich bei Ueberschreitung des Grenzgebirges auf den engen Raum von fünf Meilen zwischen Rumburg und Friedland zusammen . Die senkrechten Thalwände des Schan dauer Sandsteingebirges auf der andern Seite verbieten jede weitere Ausbreitung . Beim Vormarsche durch dieses Defilee konnten daher die vordersten Divisionen auf den Feind stossen, ohne dass die in 2 und 3 Tagesmärschen nachfolgenden irgendwie vermocht hätten , sie zu unterstützen . « Der Aufmarsch in einer Masse hätte also auch, wie die Verhältnisse lagen, die für eine Offensive nothwendige rasche Vorwärtsbewegung erlaubt. Die Versammlung in Gruppen schützte Schlesien und die Marken , erlaubte die leichtere Verpflegung
96
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
der Armeen und hatte vor Allem auch den bedeutenden Vorteil. dafs für den Vormarsch der Offensive sofort eine grofse Anzahl be quemer Strafsen zur Verfügung standen . von Massen ist an sich eine Kalamität .
Jede enge Anhäufung Sie ist gerechtfertigt und
geboten, wenn sie unmittelbar zur Schlacht führt , ist gefährlich, in Gegenwart des Feindes sich wieder aus derselben zu trennen , und unmöglich , auf die Dauer in derselben zu verharren. « Halten wir fest : Durch Versammlung in einer Masse wäre man etwa drei Wochen später aufmarschiert gewesen , hätte sich an den auf engem Raum zusammengedrängten Defileen der Niederlage der Teten durch den dann sicher bereitstehenden Gegner ausgesetzt , hätte sich endlich , wenn man selbst mit dem Gros die Defileen ohne Unfall durchschnitten , in Ge genwart des Feindes behufs schnellerer Bewegung entfalten müssen. Diese Methode wäre daher unserer Ansicht nach weit gefähr licher gewesen, als das Vorgehen in getrennten Gruppen , die rechtzeitig wieder genähert wurden. nicht, Lande.
Unmittelbar vor der Schlacht stand man
man wollte marschieren , den Gegner aufsuchen in seinem Zur schnellen Bewegung aber ist Ausbreitung erforderlich.
Politische
Gründe also
erklären
das preufsische Verfahren allein
nicht, sondern strategische lassen es als das einzig richtige erkennen. — Das koncentrische Verfahren zeigt hier wie im glänzendsten Lichte.
1870 seine Vortheile
Kommen wir nun auf Napoleon's Kriegführung 1812 , so müssen wir uns Smitt's oben gebrachten Ansichten über die Bedeutung der äufseren Linien für Napoleon 1812, die neuerdings in der Hauptsache auch auf Grund genauer Bekanntschaft mit örtlichen und statistischen Verhältnissen Sarmaticus für die erste Phase bestätigte , an schliefsen . Napoleon hat am Ende Mai seine, einschliesslich Schwarzenberg. ohne Victor,
von Yorck auf 442,000 Mann bezifferte Armee in
einem grofsen Bogen den ganzen Lauf der Weichsel entlang : Mac donald bei Königsberg, Davout bei Elbing und Marienburg, Oudinot bei Marienwerder, Ney bei Thorn , Eugen und St. Cyr bei Block, Poniatowski bei Warschau, Vandamine bei Goru Kalwaryu, Reynier gegenüber Nowo Alexandria, Schwarzenberg bei Lemberg. Aufmarsch
erlaubte die Operation
Dieser
mit getrennten Armeegruppen
durchaus noch und täuschte aufserdem den Gegner bezw. liefs ihn in Ungewissheit , ob der Kaiser den Hauptkern auf seinen linken Flügel über Kowno vorstehend oder auf dem rechten , von Warschau auf Grodno, oder über Brest Litowsk auf Minsk, oder endlich gar
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
97
über Lublin nach Wolhynien vorgehend , legen würde. Von der russischen Armee wufste Napoleon , dafs Barclay, den er auf etwa 130,000 Mann (thatsächlich nach Bernhardi's Angabe um 26,000 zu hoch) schätzte ,
weit
ausgedehnt
von
Schawly
im
Norden
bis
Prushany im Süden stand, dafs Bagration in Wolhynien sich um Bei Luzk koncentrierte . Letzteren schätzte er auf 66,000 Mann . Beginn der Operation wufste Napoleon gleichfalls, dafs Barclay sich mehr um Wilna zusammengezogen, Flügel - Corps in nordwestlicher Richtung gegen den Niemen und in südwestlicher gegen denselben Flufs vorgeschoben Wolhynien über
hatte .
Bagration glaubte er im Abmarsch aus
Brest Litowsk,
linken Flügel zu gewinnen .
um den Anschlufs an Barclay's
Die Teilung
der 2. Westarmee (wo
durch Bagration über kaum 37,000 Mann verfügte) und das Vor handensein einer Armee von 35,000 Mann unter Tormassow in Wolhynien war ihm unbekannt. Napoleons Plan ging anfänglich dahin, mit dem linken Flügel, wenn nötig ohne das als Flankenschutz bestimmte Corps Macdonald , den russischen rechten strategisch zu umgehen,
ihm
abzugewinnen
12-13 Märsche in der Richtung und
möglichst
auf Petersburg
auf seine Verbindung
mit
kau , jedenfalls aber in seine rechte Flanke zu gelangen . veranlafste Russen
die
zersplitterte
Napoleon
dazu ,
und
statt
weit
der
Flügels ,
Streben
Später
Stellung
der
strategischen Umgehung
den
strategischen Durchbruch, mit dem Ziel :
ausgedehnte
Mos
Absprengen des rechten
nach der Verbindungslinie der
Mitte
und
des
linken Flügels, zu wählen . Die Hauptkräfte, in der linken Flanke geschützt durch Macdonald, werden dazu auf die Linie Kowno-Wilna gesetzt (Garden, Oudinot, Ney, Davout, Murat mit Nansouty und Montbrun,
im
Ganzen 257,000 Mann),
Eugen mit
St. Cyr
und
Grouchy 80,000 Mann soll über Ssuwalki auf Sseiny vorgehend, eine Staffel rechts rückwärts russischer Offensive über Olita oder Grodno gegenüber bilden, bezw. die Trennung zwischen Barclay und Bagra tion erweitern helfen , Jerôme mit Poniatowski, Reynier, Vandamme und Latour Maubourg 74,000 Mann, bei Warschau und am Narew die Russen zum Glauben an eine Offensive nach Wolhynien bringen, bezw. eine russische Offensive auf Ostrolenka, Sierock oder Warschau gegenüber sich defensiv verhalten, bis die Hauptarmee in den Rücken gekommen, Schwarzenberg soll die rechte Flanke decken . Nach dem Niemenübergange spricht sich des Kaisers Plan deutlich aus : Trennung Barclay's von Bagration durch Napoleons Vorgehen mit der Hauptmasse auf Wilna, dann energisches Folgen Jerômes hinter Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marino. Bd. LXI , 1 . 7
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
98
Bagration über Grodno, um ihn gegen die Armee des Kaisers zu drängen und ihn zu erdrücken . Für die Kriegsschauplätze, auf denen Napoleon in Europa bis dahin operiert hatte, und für die Heere, die er bis dahin geführt, mag der Plan gut genannt werden, für das russische Kriegstheater und mit den Kräften , die dem Kaiser 1812 unterstanden, will uns das System der Operation mit getrennten Gruppen zweckmässiger erscheinen.
Freilich mufste dazu die Vorbedingung eines brauch
baren Führers für die zweite Gruppe, besser noch zweier solcher (da dann dem grofsen Hauptquartier die Übersicht besser gewahrt worden wäre) erfüllt sein . Die Führerqualität mufste hier sogar besonders betont werden , da die nicht durch Telegraphen abgekürzte Entfernung einen hohen Grad strategischer Einsicht und Entschlufs kraft nötig machte.
Dafür lag allerdings , nach dem was Napoleon
wufste, auch die Sicherheit vor ,
dafs
Armee jede Gruppe dem Gegner,
bei einer Zwei -Teilung der
wenn er auf der inneren Linie
operierte, dem einen Heeresteile also etwas gegenüber lassen muſste, numerisch überlegen war .
Das Bewusstsein einer hohen numerischen
Überlegenheit erlaubte das Streben nach strategischer Umfassung auf beiden Flügeln . auch so, denn
Geteilt hat Napoleon seine Armee thatsächlich ja wenn er auch versuchte, Jerôme mitzuleiten , so
operierte derselbe dennoch selbstständig und durchaus nicht nach dem Plane.
Eine Trennung in zwei Armeegruppen hätte nach dem
Aufmarsche an der Weichsel leicht in der Weise eingeleitet werden können ,
dafs
man
unter
einem brauchbaren Führer (nicht etwa
unter Jerôme) Eugen, St. Cyr, Poniatowski,
Vandamme, Grouchy
und Latour Maubourg, 143,000 Mann, auf die Operationslinie Warschau, Brest-Litowsk, Grodno oder Nyeswisch, je nach den Umständen , setzte , mit den Garden , Davout, Oudinot, Ney, dem 1. und 2. Kavallerie Corps , 217,000 Mann , über Wilkomir und Wilna vorging, anf beiden Seiten mit der Tendenz den rechten bezw. linken Flügel der Russen umfassend und gegen ihre Verbindungen diese in die Mitte zu nehmen und zur Entscheidungsschlacht
zu
zwingen.
Gegen
Tormassow blieb dann in Schwarzenberg und Reynier, unter des ersteren Befehl , als gend ,
noch
Flankenschutz .
Staffel rechts
Übermacht
verfügbar ,
rückwärts der Südgruppe fol im
Norden
Macdonald
als
Die nördliche Gruppe blieb Barclay und Bagration
numerisch überlegen , die Südgruppe beiden an Zahl gleich, umso mehr, weil Barclay, Südgruppe ausfiel ,
wenn er nach der Vereinigung etwa gegen die der Nordgruppe doch beträchtliche Kräfte
gegenüber lassen musste und diese durch Napoleon leicht geworfen
99
Zur Strategie und Taktik Napoleons.
werden konnten und er aufserdem aber durch die Nordgruppe seine Verbindungen verlor. Da Napoleon die Kraftverhältnisse ziemlich bekannt waren, so sehen wir, bei seiner Überlegenheit, in der Trennung keine Gefahr. Eine baldige Entscheidungsschlacht gegen die vereinte Armee mufste ihm erwünscht sein, er mufste aufserdem die Russen von dem an Hilfsquellen und Mitteln zur Erhöhung des Widerstandes reichen Süden sowohl als von Petersburg abschneiden , daher war es nötig, dafs er der Vereinigung der Russen goldene Brücken baute, nicht die Trennung anstrebte, die den numerisch sehr schwächeren Gegner naturgemäfs zum Ausweichen veranlafste, ihn selbst aber weit von seiner Operationsbasis fortrifs .
Er musste sie
zur Vereinigung zwingen , dann war jedenfalls eher eine Schlacht zu hoffen.
Die Bewegungen Oudinot's und Ney's von Wilna aus
veranlaſsten ja allein ,
in dem Gedanken ,
dafs Napoleon um den
russischen rechten Flügel operiere, schon den Befehl Alexanders an Bagration : » Da ich es, in Folge der Bewegungen des Feindes gegen die rechte Flanke der Armee für unerlässlich halte, eine ' grofse Macht gegen ihn zu vereinigen , um einen starken Schlag zu führen und dann angriffsweise gegen ihn zu verfahren, halte ich es für nötig, Ihnen vorzuschreiben ――――― - sich zur Vereinigung mit der 1. Armee über Nowogrodek oder über Bialystock nach Wileika zu ziehen . Wollen Sie auf diese Weise gegen die rechte Flanke des Gegners operieren, haben Sie immer die Vereinigung mit der 1. Armee ―― Und am 30. Juni : » Ihre
als Ihre Hauptaufgabe anzusehen .Die Lieferung täglicher Rationen und Portionen erfolgt nach einem streng geregelten Satze und ist so berechnet , dafs erstere vollkommen ausreicht und doch nicht übermäfsiges fordert, während die Portion des Soldaten täglich / Pfund Brot, 1/2 Pfund Fleisch, 4 Lot dürres Gemüse oder denselben Wert in Kartoffeln u. Ä. auf weist, wozu zweimal in der Woche 1, Flasche Wein oder 1 Maas Bier hinzukommt. Branntwein wird nur gefordert, wenn es wegen Märsche , Exercitien , fohlen ist.
> Requisitionen anderer Art sind streng verboten, und geschehen nur auf besonderen Befehl seitens des kommandierenden Generals. < >>Die
Offiziere ,
welche
bei
verpflegt
ihren Wirten
werden
wollen, haben sich mit ihrem Tisch zu begnügen, oder wenn sie in Wirtshäusern untergebracht sind , mit einer Verpflegung , welche den Preis ihres halben Tagessoldes nicht übersteigt.
> der Zusammenhang des (durchbrochenen) Verteidigungsgürtels, .... .... durch eine schnell zu schaffende , .... an die Flügelwerke des, noch unversehrten Teiles der Fortlinie angelehnte Stellung . ... zuerst nur notdürftigs . . . . wieder hergestellt werden soll . denkt sich der Verfasser von
> Umwallung u. s. w.
Wie
wohl diese
>> schnell zu schaffende Stellung« ? Abgesehen davon, dafs sie sich gelegene, doch auch als eine zweite und weiter rückwärts erwiesen wähnte - wie soll sie nur zur Ausführung gelangen? Die Besatzung des angegriffenen Teiles der Vorwerkslinie hatte sich ja vor allem mit dem äussersten Löwenmute und mit dem Einsatz ihrer höchsten Kräfte in und um diese eine Verteidigungslinie zu
schlagen.
Sie
soll
sich
nur auf eine
einzige
Zwischenlinie
erstreckt haben, diese Hauptverteidigungsstellung, so ist doch sehr leicht einzusehen , dafs jede rückwärtige , »an die Flügelwerke des, noch unversehrten Teiles der Fortlinie angelehnte « sich mindestens über zwei , wenn nicht drei Zwischenlinien ansdehnen müfste ; nämlich
auf die ,
der
liegenden Intervallen .
weggenommenen
zunächst
und
benachbart
War die weggenommene 4000 m lang, so
würde die » schnell zu schaffende« neue Stellung vielleicht 12,000 m Ausdehnung erhalten und diese Linie soll also mit den Trümmern derjenigen Besatzung gehalten werden , welche bei dem äussersten Widerstande übrig blieben , den diese auf der » einen und einzigen< Hauptverteidigungslinie zu leisten vermochte? Ob ein aktives und taktisch begründetes Auftreten « der Verteidigung in solchem Sinne den Belagerer wohl ernstlich schädigen und den Gesamtwiderstand eines Platzes wirklich verlängern wird? dürfen.
Man möchte es bezweifeln
Die Festungen sind in der That nicht dazu da, » damit in
der Fortlinie ein Kampf , ähnlich dem der Feldschlacht geführt werden könne « , wenn sie aber wirklich nur dazu mit so unend lichem Kostenaufwande angelegt worden sein sollten - gerade dann könnten sie der »Umwallung
erst recht nicht entbehren ; denn die
» Kämpfe der Feldschlacht« entscheiden sich mindestens in ebensoviel Tagen , als die Festungen Wochen oder Monate Widerstand zu leisten haben. Eine sturmfreie Vorwerkslinie und eine sturm frei umwallte , vor Bombardementsgefahr geschützte Stadt - das ist die
moderne Festung « , die gefordert werden mufs —
eine, nur durch » aktive Verteidigung « und » der Feldschlacht ähnliche Kämpfe« zu behauptende, stürmbare Fortlinie ohne sturmfreie K- r. Umwallung dahinter, ist - keine Festung.
XIV .
Der Entwurf zur deutschen Felddienst- Ordnung.
I. Wenige Wochen vor Beginn unserer diesjährigen Herbstmanöver erschien urplötzlich - ohne dafs ein dienstlicher Wink oder ein Zeitungsvermerk oder die geschäftige Fama darauf vorbereitet hatte der sofort in Geltung tretende, die entsprechenden Abschnitte des > grünen Buches in die angenehme Lage
setzt ,
fast
allen
seinen Ausführungen rückhaltlos zustimmen zu können « , die Anzahl
་ I
229
Landesbefestigung.
der Festungen auf ein geringes Maſs beschränkt , also genau das Gegenteil von dem ausgeführt, was der Recensent behauptet. >Ein französischer Marschall Auf Seite 41 sagt Recensent: bildet sich ein ,
man wolle die anvertraute Armee von Metz ab
drängen ; die deutschen Heere ringen in drei blutigen Schlachten die französische Armee nieder , um sie nach Metz hineinzuwerfen , und nun sagt uns die Studie eines deutschen Offiziers : in welche bedenkliche Situation die deutsche Heeresleitung durch die vor geschobenen Forts von Metz , deren wahre Bedeutung sie wohl wieder mifskannt hat, gebracht wurde. Solche Geschichtsverwertung bedarf wohl keines Kommentars « .
Nun sagt die Studie dies nicht.
Es fällt ihr gar nicht ein, der deutschen Heeresleitung Betreffs der Einschliefsung von Metz an irgend einer Stelle einen Vorwurf zu machen oder irgend etwas an ihr auszusetzen. Sie stellt nur die vom Recensenten nicht bestrittene und wohl kaum bestreitbare
4
Behauptung auf, dafs die Armee Bazaine's unmittelbar nach dem 18. August zur Kapitulation gezwungen worden wäre und in ihre Kapitulation die Festung Metz hineingezogen haben würde , wenn die vorgeschobenen Forts von Metz nicht existiert hätten . Auf Seite 47-48 sagt Recensent :
>>Was es aber heifsen will,
wie es zur vollen Ausnutzung der Artillerie -Wirkung durchaus erforderlich sei , dafs der Angriff den belagerten Werken näher wirke, dafür fehlt uns deshalb das Verständnis, weil wir sehr genau wissen , dafs der heutige Artillerie - Angriff durch eine Annäherung auf weniger als 2000 m
eigentlich nichts an wirklicher Leistung
gewinnt And wir begreifen aber vollkommen , dafs der Autor der Landesbefestigung dies nicht wissen kann« . Im weiteren Verlauf wird dies wiederholt zur Begründung der Behauptung benutzt, dem der heutigen Geschützwirkung. -
Verfasser fehle die Kenntnis
Nun hat Verfasser nirgends ausgesprochen, es sei notwendig, dafs der Artillerie - Angriff der Festung näher rücke - nicht wirke < , wie das Druckfehler - Verzeichnis ergiebt - sondern nur behauptet, dafs der Angriff näher rücken, also das Angriffsfeld überschreiten mufs .
Und diese Notwendigkeit wird wohl jeder zugeben müssen,
so thöricht wird wohl niemand sein , zu fordern , dafs der Angriff nicht isolierte, gut verteidigte Werke von der Einschliefsungs- Stellung aus auf eine Entfernung von 2000 m stürmen soll. Auch hier begründet Recensent also eine seiner Anschuldigungen mit der Behauptung, Verfasser habe einen Ausspruch gethan, den Verfasser nicht gethan
hat.
Dafs er hierzu
vielleicht teilweise durch das
230
Landesbefestigung.
Übersehen des Druckfehler - Verzeichnisses verleitet worden ist , kann ihn kaum entschuldigen . Auf Seite 51
sagt
Recensent :
>> Heyde
vergleicht
hier
im
allgemeinen das französische mit dem deutschen Landesbefestigungs System, ohne gerade deutlicher auszusprechen , dafs er - im Herzen wohl doch dem ersteren den Vorzug geben möchte. uns nach französischen Mustern und Meistern bilden will , haben wir für ihn nur das bedeutsame Wort des österreichischen Kultus ministers :
Lernt deutsch « .
Mit einem Wort:
Für den Kritiker sind die wirklichen Aus
führungen der » Landesbefestigung« nicht vorhanden .
Er tritt mit
unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen auf und kämpft gegen selbstgeschaffene Spukgestalten . Westend, den 21. Oktober 1886.
Zu
unserem
stehenden ,
grofsen
Heyde , Oberstlieutenant a. D. Bedauern ersehen wir aus den vor
uns von der Redaktion
der Jahrbücher zur Kenntnis
gebrachten Erwiderungen des Verfassers der » Landesbefestigung « , dafs derselbe nach mancher Richtung hin durch die Besprechung verletzt worden ist, welche wir im Oktober -Hefte der » Jahrbücher « veröffentlichten . Wir räumen ihm nun sehr gerne ein , dafs wir uns in der Auffassung seiner Darlegungen dort und da geirrt haben können unparteiische Leser werden das ja sehr leicht festzustellen Absichtlich ist solcher » Irrtum >Wir werden sehen , wie den Kerlchen da drüben der Kamm wächst«. Und dabei kann man Valmy eigentlich noch nicht einmal als einen Sieg der Franzosen bezeichnen , und deren 16*
Über die Bedeutung des Sieges.
238
Truppen hatten noch wenige Tage vorher bei St. Menehould ihre ganze damalige Erbärmlichkeit bewiesen. Und wie steht es nun
Ich brauche nur
drüben ?
preufsischen Rückzug aus der Champagne zu erinnern. Gefühl , nicht gesiegt
zu haben oder sogar
an den
Das bittere
besiegt zu sein ,
die
niederschmetternden Eindrücke der Niederlage und des Rückzuges, wie schwer lasten sie auf dem Heere ! Je gröfser die Spannung vorher gewesen , je stärker wird die Wirkung sein , am grössten daher nach dem Verluste einer Hauptschlacht, die des Sieges wegen geschlagen ist, und vor welcher, da sie immer eine vorbereitete , die Spannung also durch das ganze Heer hindurch geht.
Unwillkürlich
schiebt ein Jeder mehr oder minder die Schuld an der Vergeblichkeit seiner Anstrengungen dem Führer zu :
» Die Federhüte sind Schuld
Die eroberten Länder sollen beim deutschen Reiche bleiben unter
schwedischem
Schutze ,
und
übernommen
von
seinen Brüdern,
werden ;
die
hinter
bleibende Armee
bleibt unter Führung ihrer Generale u. s. w. < Über eine Oberleitung des Heeres war nicht verfügt ; die ganze Verordnung zeigte sich überstürzt und unvollkommen . Bernhard von Weimar starb danach am 8. Juli 1639 , früh 7 Uhr, also nach kaum viertägiger Krankheit. *) Hugo Grotius sagte, » dafs durch diesen Tod Deutschland seine Zierde und letzte Hoffnung , und auch die Welt einen Mann verloren habe , wie er Er trug das Genie eines Welt
nur selten zum Vorschein kommt.
bezwingers in sich , und würde, wenn ihn die Vorsehung günstiger gestellt , Alexanders Thaten vollbracht und doch dessen Irrsale gemieden haben. Sein Leben war ein stetiger Krieg voll endloser Mühen, und sein Ruhm wuchs zwischen Dornen empor. Er starb unvermählt und in der Blüte seines Lebens ; er ist gepriesen und verunglimpft, bewundert und verfolgt, verehrt und gehafst worden ; . eine Anerkenntnis seines Heldentumes versagten auch die Gegner nicht.
Nach der Eroberung Breisachs stand Bernhard auf seinem
Die Mächte Europas warben Gipfel und zugleich am Abgrunde . um seine Gunst, aber als Österreichs und Spaniens unversöhnlicher Feind , als Frankreichs nicht zu berückender Nebenbuhler , fiel er einem dunklen Verhängnis anheim. Wäre Bernhard ein schwächerer Charakter, oder auch nur ein schwacher Deutscher und Protestant gewesen, so hätten ihn des Lebens Glücksgüter überhäuft ; so wie er wirklich war , ist sein irdisches Dasein von ihm verkürzt , aber auch sein ewiger Nachruhm begründet worden . Noch möge zum Schlufs ein Blick auf die mutmafsliche Todes ursache Bernhards und ein zweiter auf das Schicksal seiner Hinter lassenschaft geworfen werden. Ob der frühe Tod dieses Helden nur durch eine zufällige Krankheit und Überanstrengung , oder durch einen Frevel herbei geführt wurde, bleibt ungewifs. Behauptete man , dafs Bernhard auf seinem Krankenbette Gift erhalten , so trat dem auf anderer Seite die Versicherung gegenüber ,
es sei in seinem
Leichname keine
*) Vergl. die Urkunden 57 , 58 , 59 des Urkundenbuches II . von Röse's erw. Biographie Herzogs Bernhard.
Bernhard von Weimar.
279
Wurde während
Giftspur gefunden worden . *)
Bernhards letzter
Anwesenheit im Elsafs eine auf ihn gemünzte Verschwörung entdeckt und vereitelt , so ist doch deren Zusammenhang mit seinem nach herigen Tode nicht erwiesen ; wurde er von seiner Erkrankung, durch
Briefe
aus so
gewarnt , **)
und
Venedig
diese
können
läumderisch gewesen sein .
Mailand
vor
spanischem
Nachrichten irrtümlich
Gifte
oder ver
Der weimarsche Abgeordnete v. Krofsig
sagt in seinem Berichte über die von ihm vollbrachte Reise nach dafs Bernhard an einem hitzigen Fieber gestorben sei,
Breisach , Grotius
aber
schrieb ,
nachdem
er
ursprünglich
Bernhards bezweifelt hatte , darüber 1649 an
die Vergiftung
Oxenstierna :
» Je
mehr ich dem Tode des Herzogs von Weimar nachforsche, desto gewisser wird es mir , dafs in seinem Körper keine Merkmale einer gefährlichen Krankheit existierten. Und wie sich das Gerücht von seiner Vergiftung erneuerte , so wird einer solchen meistens
der
Genfer Arzt Blandini ,
welcher ihm Mittel gegen die Kolik gab , verdächtigt . « ***) Die meisten späteren Schriftsteller klagten den Kardinal Richelieu eines solchen Frevels an ; aber es bleibt alles Vermutung , eine historisch feststehende Thatsache solcher Art wurde nicht ermittelt. Die Hinterlassenschaft Bernhards fiel Frankreich zu . Nach Bernhards Tode eilte Guébriant sogleich nach Breisach , die dort versammelten
Offiziere
Ludwig zu gewinnen .
des
weimarschen
Heeres für König
Auch setzte er es durch, eine Abschrift des
Testamentes Bernhards zu erhalten und sandte dieselbe nach Paris ; Erlach aber verwahrte die beweglichen Güter Bernhards und vertrat Bernhards hinter das Interesse Frankreichs mit gröfstem Eifer. bliebene Brüder , die Herzöge Wilhelm , Ernst und Albrecht heimlich ein Testamentsauszug zu von Weimar , denen gekommen
war ,
machten
ihren
Anspruch
vergeblich
geltend ;
Schweden, welches für sich selbst spekulierte, unterstützte sie nicht , und sie mufsten , dem mächtigen Frankreich weichend , nach vielen Verhandlungen einem am 19. Oktober 1639 geschlossenen Vertrage zustimmen , nach welchen die Eroberungen Bernhards samt dessen Heere unbedingt an Frankreich fielen .
*) Müller's Annalen S. 360 , mit dem visum repertum der Ärzte Blandini und Schmidt. **) Weimarsche Korrespondenz Vol . III S. 12 ff. *** ) Röse's erw.: „ Bernhard von Weimar " , Anmerkung 173 zum V. Buch.
Bernhard von Weimar.
280 Auch
die
hinterlassenen
Gelder
und
Kleinodien
Bernhards
erhielt Herzog Wilhelm nach vielen Bemühungen und Opfern nur teilweise. Auch Österreich Bernhards Interesse
und zu
und Spanien trachteten
ersteres
ziehen ,
suchte
aber
doch
dafür
nach der Erbschaft
Herzog
ohne Erfolg.
Wilhelm
in sein
Schweden
hatte
gehofft, die Hinterlassenschaft Bernhards mit Frankreich teilen zu können ,
und da dies fehlschlug ,
so
bildete sich zwischen diesen
beiden Staaten eine Verstimmung , die erst 1641 beglichen wurde. *) So war Bernhards Testament zerrissen und man beklagt den bitteren Lohn seines Heldenlaufes ; aber der Heldenlauf selbst wird als solcher stets bewundert , und das was mit ihm moralisch errungen , und womit er den deutschen Geist und die deutsche Kraft verherrlicht hat, mufs in aller Zeit hochgehalten werden.
*) Vergl. Röse's : „ Bernhard der Grofse von Sachsen -Weimar “ II. Teil V. Buch cap. 7.
XIX .
Der
Brückenbau
der
Kavallerie.
(Mit zwei Figuren.)
Seitdem sich in den letzten Jahrzehnten die Kavallerie -Divisionen mehr und mehr als selbstständige Heereskörper entwickelt haben , ist für dieselben auch der Brückenbau ein Gegenstand von besonderer Wichtigkeit geworden . schlagens
ist
deshalb von
Denn die technische Fertigkeit des Brücken
für jedes
selbstständig
grofsem Wert ,
handelnde
Kavallerie - Corps
weil dasselbe hierdurch befähigt ist ,
unter Umständen weite Umwege zu vermeiden , schneller, frischer und kampfbereit an den Feind zu kommen .
Wenig Stunden Arbeit
eines Zuges genügen oft, um dem ganzen Corps ein rechtzeitiges Eintreffen an entscheidender Stelle oder den schleunigen Rückzug bei miſslungenen Unternehmungen zu sichern .
Man legt an mancher
Stelle zwar ein gröfseres Gewicht auf das Schwimmen der Reiterei als
auf
die
Anwendung
des
Brückenschlages ,
aber
auch
das
Schwimmen will gelernt und nachhaltig geübt sein. Bekanntlich schwimmen nicht alle Pferde von Natur, sondern müssen systematisch dazu angelernt werden ,
ebenso
wie den Reitern allmählich bei
gebracht werden mufs, wie sie sich auf oder neben den schwimmenden Pferden zu benehmen haben.
In dieser Beziehung sei auf die höchst
beachtenswerten und praktischen Auslassungen des Oberstlieutenants Spohr in seiner >» naturgemäfsen Gesundheitspflege des Pferdes < hin gewiesen . Diese Ausbildung überflüssige Übung ist ,
im
Schwimmen ,
welche
sicherlich
keine
befähigt die Kavallerie aber keineswegs ,
reiſsende Ströme , Flüsse mit sumpfigem Bette oder steilen Ufern und dergleichen zu überschreiten ; da hilft nur der Brückenbau ! Eine Befürwortung der Ausbildung im Brückenschlagen würde Bedenken erregen, wenn damit die Regimenter in einen Dienstzweig gedrängt würden, welcher die Zeit und Kräfte der ganzen Truppe wichtigeren Dingen entzöge, oder wenn die Mittel zum Brückenbau
Der Brückenbau der Kavallerie.
282
das ohnehin unangenehme » impedimentum > Krieg und Frieden « noch näher belegt. In dem namentlich für den strategischen Dienst der Kavallerie SO
lehrreichen
Secessionskriege
hatte
der
rühmlichst
bekannte
Reitergeneral Stuart im Juni 1862 2500 Pferde ausgewählt , um mit ihnen die Armee Mac Clellan's zu umgehen und die Depots am Yorkflusse zu zerstören . Am 12. Juni Abends rückten die Reiter unbemerkt durch die feindlichen Reihen, biwakierten in der Nacht mitten zwischen den Gegnern und brachen am 13. mit Tagesanbruch auf.
Unter fortwährenden Kämpfen und Zerstörung aller feindlichen
Depots bei White House u . s. w. wurde den ganzen Tag hindurch marschiert. Über die Vorgänge der nun folgenden Nacht erzählt Heros v. Borcke in seinem wertvollen Buche » Zwei Jahre im Sattel und am Feinde >Gegen 10 Uhr Abends machten wir
eine Stunde Rast ,
um
die Pferde zu füttern , dann ritten wir die ganze Nacht hindurch in der Richtung auf den Chikahominy-Flufs , den wir etwa 5 Uhr Morgens erreichten. Den Nachrichten zufolge , welche wir ein gezogen , hofften wir diesen Flufs ohne jede Schwierigkeit durch reiten zu können ; um so gröfser war unsere Überraschung , ihn durch die in den letzten 24 Stunden im Gebirge gefallenen Regen güsse so angeschwollen zu finden, dafs das Wasser eine Höhe von 15 Fufs erreicht hatte. In demselben Augenblicke, als wir diese wenig erfreuliche Entdeckung machten , kam von der Nachhut die Meldung, dafs eine ganze
feindliche Division auf unserer Spur sei.
erkannte die Gefahr ,
Jeder
die uns drohte , in ihrem ganzen Umfange.
Jeder sah mit höchster Spannung auf unseren Führer , der Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LXI., 3. 19
mit
Der Brückenbau der Kavallerie.
284
gröfster Kaltblütigkeit und Ruhe seine Anordnungen traf und die Zwei Regimenter und die beiden Geschütze
nötigen Befehle erteilte. reitender Artillerie
wurden angewiesen , im Falle eines Angriffes unseren Rückzug zu decken , während sämtliche übrigen verfügbaren Mannschaften absitzen mussten, um teils Brücken herzustellen, teils mit den Pferden über den Flufs zu schwimmen. Bald war eine
Brücke für Fufsgänger von 90 Fufs Länge fertig , auf der die Sättel und sonstiges Material hinüber geschafft wurde, während sämtliche Schwimmer die ungesattelten Pferde über den Flufs schafften , indem sie auf denselben ritten , oder mit einer Hand in der Mähne, mit der andern den Zügel führend, nebenher schwammen. Mir schien die letztere Art die bessere und brachte ich selber auf diese Weise
65 Pferde
durch
den reifsenden Flufs.
Nach vier
stündiger Arbeit war eine zweite Brücke für die Geschütze hergestellt, mehr als die Hälfte der Pferde am jenseitigen Ufer, ebenso die 500 Gefangenen und Hunderte von erbeuteten Pferden und Maultieren . Das erste Geschütz wurde von Mannschaften hinübergezogen , und da die Probe gut ausfiel , folgte das zweite , und ihm die beiden in Reserve gebliebenen Regimenter. Gegen Mittag war Alles auf dem andern Ufer in Sicherheit, General Stuart überschritt die Brücke als der Letzte, bevor wir sie zerstörten . >
10
>>
10
» »
Bretterträger,
6
»
Rödeltrupp,
1
1
»
3
A
1 1
Depottrupp .
Der Brückenbau der Kavallerie.
288
Das Material war diesmal viel reichlicher vorhanden , als bei den früheren Bauten und bereits vorher auf die entsprechenden Längen zugeschnitten worden , so dafs zur Stelle waren : 5 Holme und 10 Bockbeine (4,50-4,80 m) , 5 Sumpflatten, 11 Diagonal stangen , 20 Leitstangen , 30 Streckbalken (zu 4,50 m) , 2 Uferbalken, 2 Stofsbalken , hinreichend Belagbretter , 110 eiserne Klammern und 150 Fouragierleinen .
Der Untergrund
verzögerte
den
Bau , und
mufsten die linken Beine fortwährend gehoben werden, da sie immer tiefer sanken, und schliesslich der Holm sogar erneuert werden. Dies
Fig. 2.
kam daher, dafs wahrscheinlich aus Mangel an hinreichenden Kähnen die Böcke schon auf dem Lande zusammen gebunden werden muſsten. Bei dem Bau einer Pfahlbrücke kann das Nachsinken nicht in dieser Weise stattfinden ; denn , kann man die Beine ( Pfähle) vorher einschlagen, ehe man den Holm aufbringt, so hat man die Sicherheit, dafs ein noch tieferes Einsinken der Jochpfähle nur in mäſsigster Weise stattfinden wird . zu ersehen.
Die Konstruktion der Brücke ist aus Fig. 2
2. Eine kleinere Brücke wurde vom 15. Dragoner- Regiment über die Zinzel geschlagen .
Der Bau war dadurch merkwürdig und lehrreich, dafs die Hölzer im Walde geschlagen werden mussten. Nach dem Schlagen der Hölzer war die auf zwei Böcken liegende,
Der Brückenbau der Kavallerie.
289
18 m lange Brücke in 1/2 Stunde Zeit fertig hergestellt worden; als Verbindungsmaterial waren beim Bau nur Fouragierleinen verwendet worden. Die Ufer und der Boden des Flufsbettes waren fest. 3. Eine fast 28 m lange Brücke über die Blies bauten mit 5 Unteroffizieren , 27 Reitern die bayerischen Chevauxlegers . Die Brücke ruhte auf vier Jochen , zwischen denen 6 m Spannung lagen . 3 Schwadronen gingen später über die Brücke. 4. Eine
ebenso
lange
Brücke bauten
9 Unteroffiziere und
25 Ulanen vom Regiment Nr. 7 über die Saar auf steinigem , unebnem Grunde . Zum Bau war ein Flofs zur Stelle. Das Material war ein in jeder Beziehung geeignetes. Daher kam es , dafs die Brücke bereits nach 1 Stunde 15 Minuten benutzbar war.
Aufserdem
wurden
noch
kleinere
Bauten
ausgeführt ,
Instandsetzen schadhafter Brücken ; Sprengen derselben
wie
durch die
Schiefswollpatronen der Kavallerie , Bau einer Maschine zum Über setzen von Kavallerie oder Artillerie, auf welcher 24 Pferde und nachher 90 Mann übergesetzt wurden . Diese Beispiele zeigen , in wie kurzer Zeit und mit wie wenig Mitteln solche Übergänge geschaffen werden können , zu deren Bau nur die Ausbildung von einer bis zwei Sektionen eines Regiments , einmal im Jahre gehört. Vierzehn Tage genügen vollständig , den Leuten die einfachsten Kunstgriffe zu zeigen , und sie zu lehren , die Schwierigkeiten zu überwinden . Im Felde werden ein schwerer Hammer oder Schlägel , eine bis zwei Sägen und ein Schock Klammern alles sein , was ein Regiment zum Brückenbau mit sich zu führen hätte, alles andere ist auf dem Wege der Requisition zu beschaffen. Hoffentlich wird durch diese Zeilen und namentlich durch die angeführten Beispiele auch in weiteren Kreisen eine
erhöhte Auf
merksamkeit diesem
welchem
Gegenstande
wirklich kleinen Mitteln erreicht werden kann .
oft
zugewendet ,
sehr Wichtiges
bei
mit
und Entscheidendes
XX.
Der Entwurf zur deutschen Felddienst- Ordnung.
(Schlufs . )
II. Die im inneren Zusammenhange stehenden Abschnitte : *) und » Patrouillen < » Posten « >> Infanterie - Feldwachen « , bergen eine grofse Gefahr in sich, die als solche überhaupt oder in ihrem vollen Umfange nicht ohne Weiteres von Jedem erkannt wird und darum hier deutlich gekennzeichnet werden soll : expecto crede ! Wie schon erwähnt, hat der » Entwurf« die Obliegenheiten des Feldwachhabenden (und der Führer selbstständiger Unteroffizier posten)
nach Zahl und Wichtigkeit bedeutend erhöht.
Daher
im Frieden zunächst : gründliche Schulung der Subaltern- und Unter Offiziere, so dafs die wesentlichen Regeln für ihr Verhalten ihnen in Fleisch und Blut übergehen .
Aber, wie ich früher befürwortete,
dafs die höheren und die Vorposten - Commandeure den Führern der Vorposten-Compagnien, - so bringe ich jetzt in Vorschlag, dafs auch die Compagnie-Führer, schon im Frieden , dem Feldwach habenden einen gewissen Spielraum belassen für deren Selbstthätigkeit : sind die wesentlichen Regeln « beobachtet, dann sei der Hauptmann nicht peinlich und kleinlich ; er äufsere seine abweichende Meinung, belehre, aber bemäkle und ändere nicht alle geringfügigen Einzel heiten, die nicht genau nach seinem Sinne angeordnet sind ! Es müfsten schon bei den Übungen von zwei gegen zwei Compagnien, jedenfalls aber bei den Manövern , die Feldwachhabenden in dem vollen Genufs der Machtbefugnisse treten, die der Entwurf ihnen mit Vorbedacht beigelegt hat : lassen wir die Lieutenants nicht da
* ) Es ist noch die Rede von den „ gemischten Vorposten " im „ Feld kriege " .
Der Entwurf zur deutschen Felddienst-Ordnung . bereits ihre Schwingen regen,
dann
291
kriechen sie im Ernstfall ,
ungeübt und durch die Last der Verantwortung niedergebeugt , am Boden - und die weise Absicht des Entwurfes ist vereitelt, die Bewegungsfreiheit wird den mit derselben Beliehenen zum Fluch, der Vorpostendienst ist gefährdet. Der Entwurf gleicht in dieser Beziehung einer zweischneidigen Waffe, lernen wir sie kräftig führen, ohne uns selbst zu beschädigen ! Die Ziffer 38 lautet :
» In
der Regel erfolgt das Aussetzen
der Posten gleichzeitig direkt vom Platze der Infanterie- Feldwache aus derart, dafs die zu jedem Posten gehörenden 6 Mann durch je einen Unteroffizier auf dem nächsten Wege an den vom Feldwach habenden bezeichneten Punkt vorgeführt und hier von ihm instruiert werden. Hiernach kehrt der Unteroffizier mit der zweiten und dritten Nummer der Ablösung, welche auf diese Weise Instruktion und Weg kennen gelernt haben, zur Feldwache zurück. » letzterem « , und danach die Abteilungen ――― je 1 Unter offizier, 6 Mann an dem bezeichneten Punkte so lange zu ver bleiben haben, bis der die Linie entlang gehende Feldwachhabende einen Posten nach dem andern » instruiert hat. Je nach erfolgter Abfertigung kehren dann die zweiten und dritten Nummern zur Feldwache zurück . Diejenigen, welche unter » ihm « den Unter offizier verstanden haben, übten dagegen so : jeder Unteroffizier instruierte an Ort und Stelle seinen Posten und kehrte dann mit den 4 Mann Ablösung zurück, ohne den Feldwachhabenden abzu warten. Für das Kapitel » Posten «
wird hier als
erste,
einleitende
Ziffer in Vorschlag gebracht : » Bei jedem Doppelposten wird ein Mann durch den Feldwachhabenden zum » Posten Führer
bestimmt. Führer
die Hauptverantwortung für das Verhalten des Doppel
postens tragen
müsse. Ohne Zweifel wird der Feldwachhabende Zusammen nicht nur die setzung jeder Patrouille, sondern auch die jedes Doppelpostens sich genau überlegen - und die Leute des Doppelpostens mischen aus den besseren und den weniger brauch baren Mannschaften. Und zwei so ungleichwertige Soldaten werden nun auf einen wichtigen Posten gegen den Feind vorge schoben, einander gleichgestellt in Rechten und Pflichten ! Das ist keine genügende Ausnutzung der bei einem grofsen Teil unserer Leute vorhandenen höheren Befähigung und Zuverlässigkeit, durch welche Eigenschaften der Mangel an Tauglichkeit bei einem anderen Teile zugedeckt, ausgeglichen werden soll . Der Posten - Führer « hat viel zu thun : er läfst durch, ruft an, weist an den Durchlafsposten ; er bestimmt, was gemeldet wird und wer von Beiden meldet ; er befragt die Patrouillen oder giebt ihnen Auskunft über Stellung und Gelände ; er überwacht das >>Patrouillieren sowie bei dichtem Nebel am Tage , also :
>> Bei Nacht (so
wie bei dichtem Nebel am Tage) wird Jeder, der sich den Posten *) nähert,
mit lautem » Halt - wer da ? «
Gewehrs angerufen .
unter Fertigmachung des
Wer auf ein zweites Halt nicht steht, auf den
wird geschossen . Wer nach dem Halt zweifellos als Angehöriger Alle übrigen der eigenen Armee erkannt wird, darf passieren. Personen werden nicht durchgelassen, posten 'gewiesen .
sondern
an den Durchlafs
Wer sich nicht direkt dorthin begiebt, sondern
die Posten dennoch zu passieren sucht und wer den Befehlen des Postens nicht gehorcht, auf den wird geschossen. Hinweisen« nach dem Durchlafsposten der fremde Ankömm ling doch nicht sieht, dem der deutschen Sprache nicht Kundigen seinen Willen kund thun ! Und wie will der Posten , wenn er nicht mitgeht, den Anderen bezw. dessen direktes Gehen zum >> Durch lafs posten , der doch nicht immer der Neben posten ist, in der Dunkelheit wohl überwachen ? Dieser ganzen Vorschrift klebt wohl ein wenig » graue Theorie Instanzenwege « : Durchlafsposten, Feldwache, Vorposten Compagnie u. s. w. Von da mögen sie entlassen werden , sobald sie bei weiterem Fortgange unserer Bewegungen unschädlich erscheinen . Nach Ziffer 47 hat der Feldwachhabende in der »speziellen Instruktion « u . a. dem Posten vorzuschreiben,
ob derselbe Ver
bindung mit seinem Nebenposten durch Patrouillieren erhalten soll . < Hinter »Patrouillieren « wären zweckmäfsig die Worte einzufügen : >> und zwar ob nach rechts oder nach links. « Es mufs das für die Posten einer und werden,
damit
derselben Feldwache gleichmässig bestimmt
nicht ganze Strecken
unbeobachtet bleiben.
Der
Entwurf, der vom » Patrouillieren der Posten « spricht, durfte sich nicht darauf verlassen, dafs im Heere sich ein » Brauch in dieser Hinsicht herausgebildet hat oder bilden wird thatsächlich wird es verschiedenartig ausgeführt *) -
sondern hätte wohl mit kurzen
Worten das Verfahren beim Patrouilleren der Posten ebenso gut, wie das Verhalten der Schleichpatrouillen vorschreiben müssen . Sind w mit Recht, weil mit Nutzen - die Tauben dem Heeres- und Kriegsdienst pflichtig gemacht , warum nicht die Hunde , die mit ihren scharfen Sinnen und ihrer Treue schätzens werte Genossen und
Wächter
besonders
derjenigen
Abteilungen
oder der einzelnen Personen gewesen sind und sein werden , welche sich im » Sicherheits- und Kundschaftsdienst « befinden ? Aber nicht jede Taube ist eine »Brieftaube« ; auch die Brief taube bedarf der » Schulung « ; . . . und, nicht jeder Hund ist ein
*) Vergl. Transfeldt , „ Dienst-Unterricht für den Infanteristen des Deutschen Heeres" . Dreizehnte Auflage, Seite 8 der " Nachträge“ .
295
Der Entwurf zur deutschen Felddienst- Ordnung.
>Vorpostenhund« ! Wenn also der Entwurf den Abschnitt » Posteneine sehr sorgfältige Auswahl der Leute Entwurf als die » dabei unentbehrlichsten (jetzt : » erwünschten « ) Eigenschaften< wie sie nur der Lust zur Sache inne
an : >> Unermüdlichkeit, wohnt . . . « u. s. w.
Während man also die Ungeschickteren , Beschränkteren, Unzu verlässigen lieber auf oder in der Nähe der Feldwache verwendet, auf Posten und Examiniertrupp, jetzt Durchlafsposten, werden die Tüchtigeren , Eifrigeren auf Patrouille geschickt ; jene stehen oder ruhen gar, von letzteren fordert man grofse körperliche und auch geistige Anstrengung : da scheint es doch nur in der Billigkeit zu ―――― liegen, dafs man sie vom Gepäck entlastet und der eigene Vorteil ihre » Lust zur Sache « rege erhält! Und demnach könnte der Entwurf diese Mafsnahme wohl etwas dringlicher hinstellen und in Ziffer 53 bestimmen : » sie ( die Schleich patrouillen) sind
im Kriege ,
wenn
es irgend angängig , im
Frieden stets ohne Gepäck und in Mütze zu entsenden . > auf Vorposten «
kürzer gekennzeichnet werden kann, schehen ist.
klarer
und
als dies im »Entwurf«
nicht
ge
Dagegen sind bei dem nächsten Kapitel : » Marsch « wohl einige Einwendungen gestattet, wenngleich dasselbe manche Ver besserungen der entsprechenden Bestimmungen des grünen Buches enthält.
Ziffer 4 erklärt :
»Eine an Marschdisziplin gewöhnte Truppe
wird indessen nur dann dauernd und möglichst vollzählig marsch wenn jede durch den Zweck des Marsches
fähig bleiben ,
nicht unbedingt erforderte Anstrengung einsichtsvoll ver mieden wird. < Der Entwurf entwickelt hierbei die » allgemeinen Grund für die Märsche und macht dann die Unterscheidung von sätze > Reisemärschen Bei nassen oder sandigen Wegen kann es sich dagegen empfehlen , die Marsch-Kolonne geteilt an den beiden Rändern des Weges marschieren zu lassen und die Mitte frei zu halten . « b) » Durch gröfsere Ortschaften * ) wird in der Regel im Und obenein wird angerufen im Feldkriege : „ bei Nacht " , im Festungskriege 77 bei Dunkelheit " . Letztere Bezeichnung ist auch für den Feldkrieg empfehlens wert ; sie sagt wenigstens , worauf es ankommt , nämlich : wenn man Jemanden nicht mehr erkennen kann, dann ruft man ! Das kann z. B. bei Tage geschehen , wenn es nebliges Wetter ist, ― und bei Nacht unterbleiben : wenn der Mond hell scheint ! - - Bei dem Satz (Seite 40) : „ Der Führer hat aufser seiner Meldung an den Vorposten-Kommandeur auch die Infanterie von seiner Aufstellung zu benachrichtigen " empfiehlt sich vielleicht die Änderung : „ auch an die Infanterie von seiner Aufstellung Nachricht zu senden. “ U.dgl. m. *) Was sind „gröfsere Ortschaften " ? Der Zweifel wird dem „ Führer der Marschkolonne oft entstehen ! Es giebt überall „ Städte" von verschwindendem Umfange, bei denen sich „ der Tritt" nicht lohnt. Der im Entwurf gleich folgende Ausdruck " Dorfstrafsen " beweist, dafs nicht die „ Stadt“ an sich den Vorrang hat vor dem Dorfe, sondern die Gröfse" entscheidet oder die Einwohnerzahl (?) oder vielmehr die „ Länge der Strafse" .
Der Entwurf zur deutschen Felddienst- Ordnung.
298
Tritt marschiert , da lange Dorfstrafsen an sich die Bewegungs fähigkeit der Marschkolonne einschränken und in ihnen eine Stockung im Marsche nicht ausgeglichen werden kann , während gerade hier dem Freibleiben der Strafse ein ganz besonderer Wert
beigelegt
werden muſs « .... c) » Zweckmäfsig wird der Marsch im Tritt durch ein kurzes Halten zum Rangieren , Ordnen des Anzuges, Ein stecken der Pfeifen u . s . w. eingeleitet (und dabei ,
soweit irgend
thunlich, das Spiel gerührt, auch bei der einzelnen Compagnie) . « Und die folgende Ziffer 7 sagt : d) » Der gröfste Feind des Marsches ist die Hitze und die überaus grofsen Anstrengungen , welche sie namentlich der Infanterie auferlegt, deren Reihen sie in kurzer Zeit lichten kann, verlangen wohl vorbedachte Vorbeugungs mafsregeln .
e) Zu den wirksamsten gehört das geordnete Trinken
während des Marsches ,
ohne
dafs
es
nötig
wird ,
hierzu
eine
längere Rast eintreten zu lassen. < f ) »Durch vorausgeschickte berittene Offiziere u . s . w. werden in den Ortschaften die Einwohner veranlasst ,
Wasser in
möglichst vielen
Trinkgefäfsen
Seiten der Marschstrafse bereit zu halten. «
an
beiden
g) »In kleineren Ver
hältnissen wird es bei solcher Vorbereitung möglich , bei einem kurzen Halt Alle trinken zu zu lassen.