Irrtum – Error – Erreur 9783110592191, 9783110590579

The volume is a comprehensive evaluation of epistemic, practical, veridical issues from the perspective of every kind of

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German Pages 896 Year 2018

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Irren ist menschlich!
I. Unwissen und Nichtwissen
Augustine on Error and Knowing That One Does Not Know
When Is It Wrong? Models of Argument and Interpretation from the 12th to the 13th Century
L’erreur invincible et le problème sceptique à la fin du Moyen Âge
II. Irrtum und Fortschritt in den Wissenschaften
Abicienda est penitus ista sententia, tamquam error pessimus. Alexander of Aphrodisias on the Human Soul: The Philosophical Debate on Alexander’s Error (error Alexandri) from Albert the Great to Pietro Pomponazzi
Explaining the Errors of Nature without Any Error? Some Rational Models in Several Latin Medieval Commentators on the ‘Physics’
Irrtum in geomantischen Wissenschaften. Die ,Geomantia‘ des Wilhelm von Moerbeke
Die Kritik des Irrtums und die Idee des universalen Fortschritts nach Roger Bacon
III. Medizinische Irrtümer
“Iam ergo patet veritas eius quod dixit Aristoteles, et causa deceptionis Galieni.” Philosophers vs. Medics in Albertus Magnus’ Account on Conception
Wie beherrscht man die Kenntnis der medicamina? Fehler und Normierung in der universitären Pharmakologie
Iudicium difficile : la faillibilite´ du jugement me´dical dans les commentaires au premier aphorisme d’Hippocrate (XIIIe-XVe s.)
IV. Irren und Sinnestäuschung
Der error sensuum im frühen 12. Jahrhundert: Wie irrtumsanfällig sind olfaktorische, gustatorische und taktile Wahrnehmungen? Zwei Miniaturen
Können Tiere irren? Philosophische Antworten aus dem 13. und 14. Jahrhundert
V. Göttliche oder teuflische List?
Was Adam Prone to Error? A Medieval Thought Experiment
Giles of Rome on Erring and Devilish Delusions
Giles of Rome on the Reduction of Fortune to Divine Benevolence: The Creative Error of a Parisian Theologian in the 1270s
VI. Irrtum und Religion
Irrtum als Kennzeichen anderer Religionen in der christlichen Wahrnehmung des frühen und hohen Mittelalters
Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung Neue Umgangsformen der hochmittelalterlichen Bildungselite mit dem Islam
Nulla lex est vera, licet possit esse utilis. Averroes’ “Errors” and the Emergence of Subversive Ideas about Religion in the Latin West
Die Irrtümer des Ostens. Lateiner, Griechen und Armenier im päpstlichen Avignon des 14. Jahrhunderts
Die Irrtümer der christlichen Kabbala
VII. Politische, historische, rechtliche Irrtümer
„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a) - Irrtümer mit rechtlichen Konsequenzen im babylonischen Talmud
Der Vorwurf des error in den politischen Auseinandersetzungen des 13. Jahrhunderts (1250-1300)
Die ganze Kirchengeschichte als (korrigierbarer) historischer Irrtum? Marsilius von Padua zu den historischen Rahmenbedingungen des päpstlichen Primats (,Defensor pacis‘, Dictio II)
Sorbona mater errorum. Martin Luthers Irrtumsvorwurf an die Pariser Universität
VIII. Korrigierbare Irrtümer?
Die Falsche geheiratet? Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner und ihre Rezeption in Sentenzenkommentaren des 13. und frühen 14. Jahrhunderts
“Ex instructione manualium […] ex vera ratione.” Correction of Liturgical Errors in the Late Middle Ages
Some Developments in the Medieval Christian Practice of Fraternal Correction
IX. Gewissensirrtum und Meinungsfreiheit
Error as Acting against Conscience in Bernard of Clairvaux’s ‘De gratia et libero arbitrio’
Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung in der lateinischen Tradition bis 1679
X. Unterscheidung der Geister
Meister Eckhart und der Irrtum
„So werdent doch vil menschen dar inn betrogen.“ Die Irrtumsproblematik in spätmittelalterlichen Traktaten zur ,Unterscheidung der Geister‘ (discretio spirituum)
Irrtum und Wahrheit - Die Auseinandersetzung Johannes Gersons mit wahren und falschen Visionen und Lehren. Versuch einer Kriteriologie
XI. Irrtum vernakular
Irr- und Umwege zur Wahrheit. Zu diegetischen, textgraphischen und buchkonzeptuellen Labyrinthen von der Antike bis zur frühen Neuzeit
Frogs’ Fairy Tales and Dante’s Errors: Cecco d’Ascoli on the Florentine Poet and the Issue of the Relationship between Poetry and Truth
,Irrtum‘ und ,(sich) irren‘ im Altfranzösischen - Lexikalische und literaturgeschichtliche Anmerkungen
Zwischen Wissen, Neugierde und Glauben: Von der produktiven Kraft des (Ver)Irrens in Hartmanns von Aue ,Der arme Heinrich‘
Von Bauern, Katzen und Eseln. Inszenierungen von Ignoranz in der volkssprachigen Literatur des späten Mittelalters
Milton’s Thomistic Distinction: On the Usefulness of the Distinction Between Mistake and Error in ‘Samson Agonistes’
XII. Irrtum und Historiographie
Scholastica sive pseudophilosophia. Heumann, Brucker und die historiographische Konstruktion der Scholastik in der Frühaufklärung
„qui prius philosophati sunt de veritate …“ Mittelalterhistoriographie im Wandel
Summaries
Verzeichnis der Handschriften
Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke
Namenregister
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Irrtum – Error – Erreur
 9783110592191, 9783110590579

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Irrtum – Error – Erreur

Miscellanea Mediaevalia Veröffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität zu Köln Herausgegeben von Andreas Speer

Band 40

Irrtum – Error – Erreur

De Gruyter

Irrtum – Error – Erreur Herausgegeben von Andreas Speer und Maxime Maurie`ge

De Gruyter

ISBN 978-3-11-059057-9 e-ISBN (PDF): 978-3-11-059219-1 e-ISBN (EPUB): 978-3-11-059067-8 ISSN 0544-4128 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 쑔 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Einbandentwurf: Christopher Schneider, Berlin Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und buchbinderische Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort

Gegenstand und Thema des vorliegenden 40. Bandes der ,Miscellanea Mediaevalia‘, der auf die 40. Kölner Mediaevistentagung vom 12.-16. September 2016 zurückgeht, ist der „Irrtum“. Dies mag für eine Tagung, die gewissermaßen ein kleines Jubiläum darstellt, ein ungewöhnliches Thema sein. Denn dass die Forschungsgeschichte der mittelalterlichen Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, wie sie seit nunmehr fast 70 Jahren bei den Kölner Mediaevistentagungen und seit fast 60 Jahren in den ,Miscellanea Mediaevalia‘ reflektiert wird, eine Ansammlung von Irrtümern gewesen ist, lässt sich wohl kaum behaupten. Vielmehr kann mit guten Gründen davon gesprochen werden, dass wir uns als Mediävisten miteinander nach und nach emporgeirrt haben, um eine Formulierung von Gerhard Vollmer aufzugreifen 1, und ein vielfältigeres Bild jenes Jahrtausends gewonnen haben, das als „Mittelalter“ nur unzutreffend charakterisiert ist. So haben wir auf der 40. Kölner Mediaevistentagung und folglich in diesem Miscellanea-Band auch die historiographischen Modi des Nichtgelingens, der Störung oder der Irritation, die unter dem Sichwort „Irrtum“ verhandelt werden, einer Evaluation unterzogen - ebenso wie ein weites Themenspektrum epistemischer, praktischer und veridiktiver Sachverhalte. Und dies nicht allein aus der Perspektive der Negativität, vielmehr als Ausgangspunkt und Bedingung gelingender epistemischer Praktiken. Mithin ist es auch der Anspruch des vorliegenden Bandes, aus der Perspektive des Irrtums einen Blick auf die Möglichkeiten menschlichen Erkennens und Wissens sowie der daraus folgenden menschlichen Praxis zu werfen, ferner auf die institutionellen und historischen Bedingungen epistemischer Formationen, auf die unterschiedlichen Formen der Artikulation und des Umgangs mit Dissens und Misslingen unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen eines langen Jahrtausends, das sich selbst in Kontinuität mit der Spätantike sieht und weit in die Neuzeit hineinreicht. Offensichtlich hat das Tagungsthema einen Nerv getroffen, denn erneut erhielten wir eine beeindruckende Zahl an Vorschlägen, die uns erlaubten, ein attraktives Tagungsprogramm zu formen, das sich in diesem Band widerspiegelt. Allen, die einen Themenvorschlag eingereicht haben, sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Auf diese Weise hat sich auch die Kölner Mediaevistentagung 2016 wieder als ein Ideenlabor erwiesen. Hierzu trägt nicht zuletzt der weitgespannte Freundeskreis bei, aus dem alle zwei Jahre mehr als zweihundert Wis1

G. Vollmer, Wir irren uns empor, in: Skeptiker - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken 8 (1995), 4-6, 4.

VI

Vorwort

senschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Teilen Europas und der Welt nach Köln kommen. Auf diese Weise ist die Kölner Mediaevistentagung selbst zur Plattform für zahllose Forschungsaktivitäten geworden. Dies gilt im besonderen Maße für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Beginn ihrer Laufbahn. Hierfür steht exemplarisch die European Graduate School for Ancient and Medieval Philosophy (EGSAMP), die 2006 in Köln gegründet wurde und deren Planungstreffen alle zwei Jahre im Anschluss an das Internationale Kolloquium am Vorabend der jeweiligen Mediaevistentagung stattfindet. Diese Idee eines offenen europäischen Forschungsraums gilt es gerade auch mit Blick auf den wissenschaftlichen Nachwuchs angesichts der gegenwärtigen politischen Irritationen offensiv zu verteidigen und fortzuentwickeln. Ein besonderer Dank gilt der Leitung und dem Team des Museums des Erzbistums Köln Kolumba, namentlich Herrn Dr. Stefan Kraus und Dr. Marc Steinmann. Sie haben am Tag nach der Eröffnung ihrer neuen Jahresausstellung, die stets am 14. September stattfindet und in Köln ein wichtiger kultureller jour fixe ist, das Museum Kolumba am Abend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kölner Mediaevistentagung geöffnet. Wir konnten exklusiv die wunderbare neue Ausstellung „Pas de deux“ in dem architektonisch spektakulären Rahmen des Zumthor-Baus besuchen und den Abend mit einem Empfang aus Anlass der 40. Kölner Mediaevistentagung im Foyer des Museums beschließen. Eine unerlässliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der Kölner Mediaevistentagung und somit auch für das Zustandekommen dieses Bandes der ,Miscellanea Mediaevalia‘ zählt die großzügige Unterstützung der Tagung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und durch die Otto Wolff-Stiftung. Hierfür danken wir von Herzen auch im Namen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch bei der 40. Kölner Mediaevistentagung lagen Vorbereitung und Durchführung unserer mediävistischen Biennale wiederum in den ebenso engagierten wie bewährten Händen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thomas-Instituts. Stellvertretend gilt unser Dank Frau Petra Abendt, die seit vielen Jahren das Tagungssekretariat leitet, und Herrn Dipl.-Bibliothekar Wolfram Klatt, der während der Tagung nicht nur die Bücherausstellung organisiert. Auch bei den redaktionellen Arbeiten für diesen Band konnten wir uns auf die Expertise und auf den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thomas-Instituts stets verlassen. Namentlich gedankt seien Lee Klein für die englische Sprachkorrektur sowie David Metternich für die Registerarbeit, die bekanntlich immer unter Zeitdruck stattfindet und abermals einen umfangreichen Band betrifft. Auch dieses Mal gilt der abschließende Dank dem Verlag Walter de Gruyter, namentlich Frau Katja Brockmann, für die stets gute Zusammenarbeit und für die hervorragende Ausstattung des Bandes. Köln, im Juni 2018

Andreas Speer Maxime Maurie`ge

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Andreas Speer (Köln) Irren ist menschlich! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

I. Unwissen und Nichtwissen Charles Bolyard (Harrisonburg) Augustine on Error and Knowing That One Does Not Know . . . . . . Eileen C. Sweeney (Boston) When Is It Wrong? Models of Argument and Interpretation from the 12th to the 13th Century . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christophe Grellard (Paris) ˆ ge . . . L’erreur invincible et le proble`me sceptique a` la fin du Moyen A

3

19 39

II. Irrtum und Fortschritt in den Wissenschaften Olaf Pluta (Bochum) Abicienda est penitus ista sententia, tamquam error pessimus. Alexander of Aphrodisias on the Human Soul: The Philosophical Debate on Alexander’s Error (error Alexandri ) from Albert the Great to Pietro Pomponazzi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolas Weill-Parot (Paris) Explaining the Errors of Nature without Any Error? Some Rational Models in Several Latin Medieval Commentators on the ‘Physics’ . . Elisa Rubino (Lecce) Irrtum in geomantischen Wissenschaften. Die ,Geomantia‘ des Wilhelm von Moerbeke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G¸nther Mensching (Hannover) Die Kritik des Irrtums und die Idee des universalen Fortschritts nach Roger Bacon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

69

83

95

VIII

Inhaltsverzeichnis

III. Medizinische Irrtümer Evelina Miteva (Köln) “Iam ergo patet veritas eius quod dixit Aristoteles, et causa deceptionis Galieni.” Philosophers vs. Medics in Albertus Magnus’ Account on Conception . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107

Iolanda Ventura (Bologna) Wie beherrscht man die Kenntnis der medicamina? Fehler und Normierung in der universitären Pharmakologie . . . . . . . . . . . . . . . .

123

Danielle Jacquart (Paris) Iudicium difficile : la faillibilite´ du jugement me´dical dans les commentaires au premier aphorisme d’Hippocrate (XIIIe–XVe s.) . . . . . . .

149

IV. Irren und Sinnestäuschung Cornelia Selent (Berlin) Der error sensuum im frühen 12. Jahrhundert: Wie irrtumsanfällig sind olfaktorische, gustatorische und taktile Wahrnehmungen? Zwei Miniaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Anselm Oelze (Helsinki) Können Tiere irren? Philosophische Antworten aus dem 13. und 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179

V. Göttliche oder teuflische List? Dominik Perler (Berlin) Was Adam Prone to Error? A Medieval Thought Experiment . . . .

197

Guy Guldentops (Köln) Giles of Rome on Erring and Devilish Delusions . . . . . . . . . . . .

217

Vale´ rie Cordonier (Paris) Giles of Rome on the Reduction of Fortune to Divine Benevolence: The Creative Error of a Parisian Theologian in the 1270s . . . . . . .

231

VI. Irrtum und Religion Hans-Werner Goetz (Hamburg) Irrtum als Kennzeichen anderer Religionen in der christlichen Wahrnehmung des frühen und hohen Mittelalters . . . . . . . . . . . . . . .

259

Inhaltsverzeichnis

Matthias M. Tischler (Barcelona) Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung. Neue Umgangsformen der hochmittelalterlichen Bildungselite mit dem Islam . . Luca Bianchi (Mailand) Nulla lex est vera, licet possit esse utilis. Averroes’ “Errors” and the Emergence of Subversive Ideas about Religion in the Latin West . . . . . . Jan-Handryk De Boer (Duisburg-Essen) Die Irrtümer des Ostens. Lateiner, Griechen und Armenier im päpstlichen Avignon des 14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm Schmidt-Biggemann (Berlin) Die Irrtümer der christlichen Kabbala . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

281

325

349 377

VII. Politische, historische, rechtliche Irrtümer Dagmar Bˆrner-Klein (Düsseldorf) „Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a) – Irrtümer mit rechtlichen Konsequenzen im babylonischen Talmud Ingeborg Braisch (Hamburg) Der Vorwurf des error in den politischen Auseinandersetzungen des 13. Jahrhunderts (1250–1300) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut G. Walther (Jena) Die ganze Kirchengeschichte als (korrigierbarer) historischer Irrtum? Marsilius von Padua zu den historischen Rahmenbedingungen des päpstlichen Primats (,Defensor pacis‘, Dictio II) . . . . . . . . . . . . . Ueli Zahnd (Basel) Sorbona mater errorum. Martin Luthers Irrtumsvorwurf an die Pariser Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

397

415

435

457

VIII. Korrigierbare Irrtümer? Pavel Blazˇ ek (Prag/Köln) Die Falsche geheiratet? Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner und ihre Rezeption in Sentenzenkommentaren des 13. und frühen 14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrew J. M. Irving (Groningen) “Ex instructione manualium [...] ex vera ratione.” Correction of Liturgical Errors in the Late Middle Ages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jeffrey Hause (Omaha) Some Developments in the Medieval Christian Practice of Fraternal Correction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

477

507

529

X

Inhaltsverzeichnis

IX. Gewissensirrtum und Meinungsfreiheit Marcia L. Colish (New Haven) Error as Acting against Conscience in Bernard of Clairvaux’s ‘De gratia et libero arbitrio’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

543

Sven K. Knebel (Berlin) Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung in der lateinischen Tradition bis 1679 . . . . . . . .

555

X. Unterscheidung der Geister Freimut Lˆser (Augsburg) Meister Eckhart und der Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

589

Lydia Wegener (Berlin) „So werdent doch vil menschen dar inn betrogen.“ Die Irrtumsproblematik in spätmittelalterlichen Traktaten zur ,Unterscheidung der Geister‘ (discretio spirituum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

603

Cornelius Roth (Fulda) Irrtum und Wahrheit – Die Auseinandersetzung Johannes Gersons mit wahren und falschen Visionen und Lehren. Versuch einer Kriteriologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

627

XI. Irrtum vernakular Ulrich Ernst (Wuppertal) Irr- und Umwege zur Wahrheit. Zu diegetischen, textgraphischen und buchkonzeptuellen Labyrinthen von der Antike bis zur frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

639

Ercole Erculei (Bonn/Coburg) Frogs’ Fairy Tales and Dante’s Errors: Cecco d’Ascoli on the Florentine Poet and the Issue of the Relationship between Poetry and Truth

669

Udo Schˆning (Göttingen) ,Irrtum‘ und ,(sich) irren‘ im Altfranzösischen – Lexikalische und literaturgeschichtliche Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

681

Monika Schausten (Köln) Zwischen Wissen, Neugierde und Glauben: Von der produktiven Kraft des (Ver)Irrens in Hartmanns von Aue ,Der arme Heinrich‘ . . . . .

699

Inhaltsverzeichnis

Albrecht Drˆse (Dresden) Von Bauern, Katzen und Eseln. Inszenierungen von Ignoranz in der volkssprachigen Literatur des späten Mittelalters . . . . . . . . . . . . . Ayelet C. Langer and Giora Hon (Haifa) Milton’s Thomistic Distinction: On the Usefulness of the Distinction Between Mistake and Error in ‘Samson Agonistes’ . . . . . . . . . . .

XI

719

743

XII. Irrtum und Historiographie Mario Meliado` (Freiburg i. Br.) Scholastica sive pseudophilosophia. Heumann, Brucker und die historiographische Konstruktion der Scholastik in der Frühaufklärung . . . . Andreas Speer (Köln) „qui prius philosophati sunt de veritate ...“ Mittelalterhistoriographie im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

759

783

Summaries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

811

Verzeichnis der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

833

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

834

Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

847

Irren ist menschlich! Andreas Speer (Köln) I. Entschuldigen Sie, ich glaube, ich habe mich geirrt! Zumeist fällt es uns schwer, einen Irrtum zuzugeben - vor allem, wenn es sich nicht nur um eine Marginalie handelt. Warum ist das so? Sich zu irren, geht uns gegen den Strich, gegen unsere natürliche Einstellung zur Welt, auf die wir uns affirmativ beziehen. Wir unterstellen - folgen wir unserer alltäglichen natürlichen Einstellung - oder antizipieren zumindest in unserem Erkennen und Handeln, dass Dinge so sind, wie sie uns erscheinen und wie wir sie erkennen, dass wir mit unserem Handeln das intendierte Ziel erreichen, dass wir in einer Situation richtig handeln. Thomas von Aquin führt diese natürliche Einstellung auf eine „inclinatio naturalis“ zurück, der gemäß wir in unserem Erkennen das Wahre, in unserem Handeln das Gute intendieren 1. Deshalb wohne auch allen Menschen das natürliche Verlangen inne, Irrtümer zu vermeiden und sie zu widerlegen, sofern es in ihrer Macht steht 2. Und doch irren wir uns von Fall zu Fall. Irren ist menschlich: „errare humanum est “ - so sagt es ein oft zitiertes Sprichwort. Irren scheint ein unvermeidlicher Teil des menschlichen Wissens zu sein, insofern Menschen etwas wissen können. Es scheint zu der Vernunft, die wir haben, und zu der Art, wie wir Wissen erlangen, zu gehören, dass wir uns dabei auch irren können. Irren zu können, ist also ein spezifisches Merkmal gerade der menschlichen Vernunft, nicht jedoch einer absolut gedachten göttlichen Vernunft. Absolut, d. h. abgelöst von den oftmals kontingenten Bedingungen, unter denen wir unser Wissen gewinnen, nämlich abhängig von täuschungsanfälligen Sinnesvermögen und fehlerbehafteten Schlussfolgerungen. Gleiches gilt für unser Handeln. Auch hier können wir eine Situation falsch einschätzen oder uns im Ziel irren. 1

2

Thomas de Aquino, Summa theologiae, I a-II ae, q. 94, a. 2, corp., ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis Opera omnia, vol. VII, Rom 1892, 170: „Tertio modo inest homini inclinatio ad bonum secundum naturam rationis, quae est sibi propria, sicut homo habet naturalem inclinationem ad hoc quod veritatem cognoscat de Deo, et ad hoc quod in societate vivat.“ Cf. ibid., q. 1, a. 1, corp., vol. VI, Rom 1891, 6: „Manifestum est autem quod omnes actiones quae procedunt ab aliqua potentia, causantur ab ea secundum rationem sui obiecti. Obiectum autem voluntatis est finis et bonum.“ Id., De unitate intellectus, prooem., ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis Opera omnia, vol. XLIII, Rom 1976, 291,1-4: „Sicut omnes homines naturaliter scire desiderant veritatem, ita naturale desiderium inest hominibus fugiendi errores, et eos cum facultas adfuerit confutandi.“

XIV

Andreas Speer

Irren ist eben menschlich! Erstaunlicherweise gibt es in der Antike nur sehr wenige Belegstellen für dieses oft zitierte Adagium. Eine solche Belegstelle findet sich in einer Predigt (Sermo 164) des Augustinus: „Humanum fuit errare, diabolicum est per animositatem in errore manere“ 3. Es ist zwar menschlich zu irren, teuflisch aber, aus falscher Leidenschaft im Irrtum zu verharren. - Hier ist er wieder: der Vorbehalt gegenüber dem Irrtum. Und Augustinus fährt fort: Am besten wäre es, wenn wir überhaupt nicht irrten, sondern uns nach Möglichkeit darum bemühten, den Irrtum zu „emendieren“ 4. Auf eine Möglichkeit der Irrtumsvermeidung verweist Augustinus in einer anderen Predigt: Es sei Zeichen eines gesunden Geistes (sanum ingenium), dass er nicht an Gottes statt verehrt zu werden, vielmehr den zu verehren wünscht, von dem er erleuchtet werden will. Denn ein von Gott nicht erleuchteter menschlicher Geist kann irren, da er verdunkelt ist in seinen Irrtümern 5. Falsche Leidenschaft und Selbstüberhebung als vermeidbare Gründe für den Irrtum - das sind typisch augustinische Motive ebenso wie Augustins Kritik an einem allein um seiner selbst willen erstrebten menschlichen Wissen, das sich nicht auf die Erlangung des Ewigen richtet und folglich unter dem Vorbehalt der „überflüssigen Eitelkeit “ (supervacua vanitas) und der „schädlichen Neugier“ (noxia curiositas) steht 6. Doch zugleich verteidigt Augustinus vehement - vor allem gegen die Behauptung der sogenannten akademischen Skepsis, dass nichts erkannt werden könne („nihil posse percipi “) sowie keiner Sache zugestimmt werden dürfe („nulli rei debere assentiri “) 7, und dass keine Handlung begehe, wer nichts anerkennt („ut nihil ageret qui nihil adprobaret “) 8 - die Möglichkeit zu wissen bzw. zu handeln, setzen doch auch diese Aussagen der Skeptiker bereits eine elementare Form der Zustimmung voraus: nämlich dass zumindest diese 3

4

5

6

7

8

Augustinus, Sermo 164, c. 10, n. 14, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 38, Paris 1865, coll. 901 sq. Cf. Cicero, In M. Antonium Orationes Philippicae, 12, 5, ed. P. Fedeli (M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, Fasc. 28), Leipzig 21986, 146,27: „Cuiusuis hominis est errare, nullius nisi insipientis perseuerare in errore.“ Dazu cf. M. Schumacher, ,… ist menschlich‘. Mittelalterliche Variationen einer antiken Sentenz“, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 119/2 (1990), 163-170. Ibid., col. 902: „Melius quidem erat si nunqam erraremus: sed vel quod secundum est faciamus, ut errorem aliquando emendemus.“ Augustinus, Sermones nouissimi (a F. Dolbeau in cod. Mainz, Stadtbibl. I 9 detecti), Sermo 26D (= 198 auctus), n. 24, ed. F. Dolbeau, in: Augustin d’Hippone, Vingt-six sermons au peuple d’Afrique, retrouve´s a` Mayence (Collection des E´tudes Augustiniennes. Se´rie Antiquite´ 147), Paris 1996, 383,522-523: „Si ergo ingenium humanum potest errare sine duce deo, cum sanum est humanum ingenium, non uult adorari pro deo, sed eum uult adorari, a quo uult illuminari. Nisi quippe illuminetur humanum ingenium ab illuminante deo, tenebrosum est in erroribus suis.“ Id., De Trinitate XIV, c. 1, n. 3, edd. W. J. Moutain/F. Glorie (Corpus Christianorum. Series Latina 50A), Turnhout 1968, 423,55-424,59: „[…] humanarum autem proprie scientiae nomen obtineat, de qua uolumine tertio decimo disputaui, non utique quidquid sciri ab homine potest in rebus humanis ubi plurimum superuacaneae uanitatis et noxiae curiositatis est huic scientiae tribuens […].“ Id., Contra Academicos, III, c. 10, n. 22, ed. W. M. Green (Corpus Christianorum. Series Latina 29), Turnhout 1970, 47,4. Ibid., II, c. 5, n. 12, 24,24.

Irren ist menschlich!

XV

Sätze gelten. Auch der Tor weiß nicht nichts, und derjenige, der ständig schläft und sich seiner Pflichten entzieht und zu nichts seine Zustimmung gibt, nimmt für sich in Anspruch, das Richtige zu tun. Augustinus macht diesen Zusammenhang ferner am Beispiel der Definition deutlich. Diese ist entweder wahr oder falsch. Ist sie wahr, so halte ich mit Recht an ihr fest; ist sie falsch, dann lässt sich zumindest etwas erfassen, nämlich dass ich etwas Wahres oder Falsches weiß. Wir wissen also nicht nichts 9. Mehr noch: wer zweifelt, ob etwas wahr ist, solle doch zusehen, ob er auch daran zweifelt, dass er es bezweifelt! „Und wenn es gewiss ist, dass du zweifelst, so forsche, woher diese Gewissheit kommt. Da wird dir ganz gewiss nicht das Licht dieser unserer Sonne begegnen, sondern ,das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen‘ ( Joh 1,9).“ 10 Dieses klassische Retorsionsargument, das im Kern auf dem performativen Widerspruch zwischen dem Aussageinhalt (Zweifelshypothese) und den Implikaten des Aussagevollzugs (Inanspruchnahme des Bezweifelten) beruht, wendet Augustinus schließlich in eine positive Regel, dass jeder, der einsieht, dass er zweifelt, bereits etwas Wahres einsieht und sich dessen, was er einsieht, auch gewiss ist 11. II. In dieser augustinischen Linie bildet sich eine interessante und oftmals zu wenig beachtete Argumentationslinie innerhalb der Skepsisdebatten heraus, die bis in die Neuzeit verfolgt werden kann. Auch Descartes steht - selbst wenn er seine Quellen verschweigt - in dieser Traditionslinie, die Heinrich von Gent am Ende des 13. Jahrhunderts im einleitenden Artikel seiner ,Summa‘ noch einmal magistral exponiert. Es ist gerade die Herausforderung als Magister der Theologie, diese als Wissenschaft zum einen in der Tradition des Augustinus, sodann aber gemäß den neuen Anforderungen von Seiten der aristotelischen Wissenschaftstheorie zu begründen, die ihn zu einer umfassenden Auseinander9

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11

Cf. ibid., III, c. 9, n. 21, 46,70-47,77: „Ita comprehensibilibus rebus et definitio est et exemplum. utrum, ait, etiam ipsa uera sit nescio; sed quia est probabilis, ideo eam sequens ostendo nihil esse tale, quale illa expressit posse comprehendi. ostendis fortasse praeter ipsam et uides, ut arbitror, quid sequatur. quodsi etiam eius incerti sumus, nec ita nos deserit scientia. scimus enim aut ueram esse aut falsam; non igitur nihil scimus.“ Cf. ibid., II, c. 4, n. 12, 24,24-27. Id., De vera religione, c. XXXIX, n. 73, ed. K.-D. Daur (Corpus Christianorum. Series Latina 32), Turnhout 1962, 234,25-235,30: „Aut si non cernis quae dico, et an uera sint dubitas, cerne saltem, utrum te de his dubitare non dubites, et si certum est te esse dubitantem, quaere, unde sit certum. Non illic tibi, non omnino solis huius lumen occurret, sed lumen uerum, quod illuminat omnem hominem uenientem in hunc mundum, […].“ Ibid., 235,38-40: „Deinde regulam ipsam, quam uides, concipe hoc modo: omnis, qui se dubitantem intellegit, uerum intellegit et de hac re, quam intellegit, certus est.“ Zum Retorsionsargument cf. K.-O. Apel, Das Problem der philosophischen Letztbegründung im Lichte einer transzendentalen Sprachpragmatik, in: B. Kanitscheider (ed.): Sprache und Erkenntnis. Festschrift für Gerhard Frey zum 60. Geburtstag (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 19), Innsbruck 1976, 55-82.

XVI

Andreas Speer

setzung mit der akademischen Skepsis veranlasst, die er mit ihren beiden Grundirrtümern, dass alles unsicher ist, und dass nichts gewusst werden kann, schon in seinem Prolog zitiert 12. Gegenüber einer vorschnellen Einordnung Heinrichs in den Kreis jener Theologen, die die Frage der Erkenntnisgewissheit im allgemeinen wie im speziellen letztlich auf die göttliche Erleuchtung zurückführten und damit jeder Form einer skeptischen Einstellung gleichsam den Boden zu entziehen scheinen, nimmt Heinrich die skeptischen Einwände zum Anlass, gleichermaßen die Möglichkeit sinnlicher wie auch intellektueller Erkenntnis zu verteidigen. Beide Formen der natürlichen Erkenntnis sind zugleich die notwendige Bedingung dafür, die Frage nach der Möglichkeit der Erkenntnis im Sinne der augustinischen Suggestion weiterzutreiben, dass es letztendlich einer Erleuchtung bedarf, damit der Mensch etwas mit völliger Gewissheit erkennen kann, d. h. im Licht einer reinen Wahrheit (sincera veritas), die keinen Irrtum mehr zulässt 13. Die epistemologische Zuspitzung, mit der Heinrich nicht alleine dasteht, deutet auf eine implizite Kritik an dem aristotelischen Wissensparadigma, das von der habituellen Gegebenheit des Vorhergewussten ausgeht. Doch wenn ich überhaupt nichts wissen kann, dann kann ich keiner Sache gewiss sein. Wo Aristoteles und seine Nachfolger im Satz des Widerspruchs und in einigen selbstevidenten Prinzipien die erforderliche Garantie sehen - wer diese nicht akzeptiert, gehört nicht zu den am Diskurs Teilhabenden, sondern sollte wie eine Pflanze besser schweigen 14 -, da fordert Heinrich wie vor ihm schon Bonaventura mehr: Es geht um ein unwandelbares und unfehlbares Kriterium, das entweder als Erweiterung der epistemologischen Bedingungen zum Hori12

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Cf. M. Olszewki, Dominican Theology at the Crossroads: A Critical Edition and Study of the Prologues to the Commentaries on Peter Lombard’s Sentences by James of Metz and Hervaeus Natalis (Archa verbi. Subsidia 2), Münster 2010; id. (ed.), What is „Theology“ in the Middle Ages? Religious Cultures of Europe (11th-15th Centuries) as Reflected in Their Self-Understanding (Archa verbi. Subsidia 1), Münster 2007; G. Mensching (ed.), De usu rationis. Vernunft und Offenbarung im Mittelalter (Contradictio 9), Würzburg 2007; J. A. Aertsen/K. Emery, Jr./ A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2000; A. Speer/F. Retucci/T. Jeschke/G. Guldentops (eds.), Durandus and His Sentences Commentary: Historical, Philosophical and Theological Issues (Recherches de The´ologie et Philosophie Me´die´vales. Bibliotheca 9), Leuven-Paris-Walpole (MA) 2014. Henricus de Gandavo, Summa (Quaestiones ordinariae), art. 1, q. 1, ed. G. A. Wilson, in: Henrici de Gandavo Opera omnia, vol. XXI (Ancient and Medieval Philosophy. De Wulf-Mansion Centre, Series 2), Leuven 2005, 11-19; ibid., art. 1, q. 2, 35-45. Cf. C. Kann, Wahrheit und Wahrheitserkenntnis bei Heinrich von Gent, in: C. Steel/G. Guldentops (eds.), Henry of Gent and the Transformation of Scholastic Thought. Studies in Memory of Jos Decorte (Ancient and Medieval Philosophy. De Wulf-Mansion Centre, Series 1, vol. XXXI), Leuven 2003, 157-175; M. Pickave´, Henry of Ghent and John Duns Scotus on Skepticism and the Possibility of Naturally Acquired Knowledge, in: H. Lagerlund (ed.), Rethinking the History of Skepticism. The Missing Medieval Background (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 103), LeidenBoston 2010, 62-96, bes. 74-82. Aristoteles, Metaphysik, IV [L], c. 4, 1006 a 11-15.

Irren ist menschlich!

XVII

zont der natürlichen Erkenntnis gehört oder als spezielles göttliches Licht die erforderliche Klarheit und Gewissheit der Wahrheit verbürgt 15. Das Nachdenken über die Möglichkeiten der Erkenntnis schließt die verschiedenen Möglichkeiten des Irrtums, der Täuschung und des Nichtwissens notwendigerweise mit ein. Jedoch führen das Nachdenken über den Irrtum und die Möglichkeiten des Scheiterns nicht in die pyrrhonische Urteilsenthaltung. Diese Position scheint für die mittelalterlichen Denker keine seriöse Option. Dennoch ist die Frage nach einem Skeptizismus - darauf hat Dominik Perler hingewiesen - keine historiographische Fiktion 16. Vielmehr steht sie im Dienst einer grundsätzlich affirmativen epistemischen Einstellung, eröffnet produktive Ausgangspunkte für die Frage nach den Grundlagen der Gewissheit unseres Erkennens. Der Skeptizismus erscheint als eine Irrtumsstrategie zwischen den Extremen, nichts zu wissen, auf der einen und einer absoluten Gewissheit auf der anderen Seite. Irrtum und Skepsis setzen voraus, dass es eine zumindest elementare Form natürlichen Wissen gibt. Im Grunde sucht der Skeptiker nach Gewissheit, nach der Möglichkeit, Irrtümer zu erkennen, zu unterscheiden und zu vermeiden. Die erforderliche Schärfung der Kriterien für die Erkenntnisgewissheit lenkt die Aufmerksamkeit auf Falsifikationsstrategien (Widerlegung, reductio ad absurdum), vor allem aber auf zumeist resolutive Vergewisserungsmethoden (infallibilitas- und immutabilitas-Kriterium) 17. Hierbei besteht ein Wechselverhältnis zwischen der Schärfe des skeptischen Vorbehalts, dessen Widerlegung erstrebt wird, und der Reichweite der angezielten Vergewisserung. Dies zeigen die ausgefeilten Argumentationen von Protagonisten wie Bonaventura und Heinrich von Gent. Die von ihnen angelegten Kriterien machen einen Rekurs auf eine unveränderliche ewige Maßgabe (ratio aeterna) oder auf ein göttliches Licht (lux divina) unerlässlich, ohne dass dieses zur alleinigen Maßgabe des Erkennens würde 18. III. Ganz in diesem Sinne geht es in diesem Band darum, den Irrtum nicht nur aus der Perspektive des Scheiterns und Misslingens, das möglicherweise Strafen, 15

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Hierzu cf. A. Speer, Certitude and Wisdom in Bonaventure and Henry of Ghent, in: Steel/ Guldentops (eds.), Henry of Gent and the Transformation of Scholastic Thought (nt. 12), 75100, bes. 89-95. Cf. D. Perler, Zweifel und Gewissheit. Skeptische Debatten im Mittelalter (Philosophische Abhandlungen 92), Frankfurt a. M. 2006, 1-15; H. Lagerlund, A History of Skepticism in the Middle Ages, in: id. (ed.), Rethinking the History of Skepticism (nt. 12), 1-27. Henricus de Gandavo, Summa, art. 1, q. 1, ed. Wilson (nt. 12), 11-19; Bonaventura, Quaestiones disputatae de scientia Christi, q. 4, conclusio, ed. PP. Collegium a. S. Bonaventura, in: S. Bonaventurae Opera omnia, vol. V, Quaracchi 1891, 23b. Henricus de Gandavo, Summa, art. 1, q. 2, ed. Wilson (nt. 12), 50 sq. und 62 sq.; Bonaventura, Quaestiones disputatae de scientia Christi, q. 4, conclusio, ed. PP. Collegium a. S. Bonaventura (nt. 16), 23b-24a. Cf. A. Speer, Certitude and Wisdom in Bonaventure and Henry of Ghent (nt. 14), 90-95.

XVIII

Andreas Speer

Verbote und Disziplinierungen nach sich zieht, zu behandeln, sondern im Kontext einer epistemologischen Einordnung als konstitutive, weil nicht vermeidbare Bedingung menschlichen Wissens zu begreifen, das seiner Form nach endlich ist - zumindest „in via“, wie es immer wieder heißt. Gegenstand dieses Bandes soll daher eine umfassende Evaluation epistemischer, praktischer, veridiktiver Sachverhalte aus der Perspektive jener Modi des Nichtgelingens, der Störung oder der Irritation sein, die unter dem Stichwort „Irrtum“ verhandelt werden. Dies soll aber nicht nur aus der Perspektive der Negativität geschehen, vielmehr soll gefragt werden, inwieweit der Irrtum zum Ausgangspunkt und zur Bedingung gelingender epistemischer Praktiken zu werden vermag. Man könnte vom Versuch einer Disambiguierung des Irrtums sprechen verbunden mit der Suche nach den produktiven epistemischen wie praktischen Anknüpfungspunkten im Irrtumsdiskurs. Die Ambiguität des Irrtums zeigt sich beispielhaft bei Thomas von Aquin. So hält es Thomas für die vorzügliche Aufgabe des Weisen, die Wahrheit zu bekennen und den der Wahrheit entgegenstehenden Irrtum zu bekämpfen 19. Ebenso unterstreicht er mit dem bekannten Adagium, dass „ein kleiner Irrtum am Anfang am Ende zu einem großen Irrtum wird“, die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prinzipienreflexion in den Wissenschaften 20. Andererseits stimmt Thomas in seinem Metaphysikkommentar in das Lob des Aristoteles über diejenigen ein, die uns in der Suche nach der Wahrheit vorangingen und deren Beitrag unerlässlich für die Wahrheitssuche bleibt, auch wenn sie sich möglicherweise in der Sache irrten. Denn die menschliche Vernunft ist nicht zuletzt wegen ihrer Irrtumsbehaftetheit, sondern wegen ihrer Endlichkeit auf diese gemeinsame, generationsübergreifende Wahrheitssuche angewiesen 21. Damit scheint 19

20

21

Das Eingangskapitel der ,Summa contra gentiles‘ steht unter der programmatischen Überschrift: „Quod sit officium sapientis“. Zur Authentizität dieser durch die Tradition gut bezeugten Überschrift cf. ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis Opera omnia, vol. XV, Rom 1930, XXIXa (Einleitung). Cf. ferner R.-A. Gauthier, Saint Thomas d’Aquin - Somme contre les Gentils, Introduction, Paris 1993, 143-163. Ferner cf. A. Speer, Doppelte Wahrheit? Zum epistemischen Status theologischer Argumente, in: G. Mensching (ed.), De usu rationis (nt. 11), 73-90, bes. 75-77. Thomas de Aquino, De ente et essentia, Prol., ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis Opera omnia, vol. XLIII, Rom 1976, 369a: „Quia parvus error in principio magnus est in fine, secundum philosophum in I caeli et mundi, ens autem et essentia sunt quae primo intellectu concipiuntur, ut dicit Avicenna in principio suae metaphysicae, ideo ne ex eorum ignorantia errare contingat, ad horum difficultatem aperiendam dicendum est quid nomine essentiae et entis significetur et quomodo in diversis inveniatur et quomodo se habeat ad intentiones logicas, scilicet genus, speciem et differentiam. Quia vero ex compositis simplicium cognitionem accipere debemus et ex posterioribus in priora devenire, ut, a facilioribus incipientes, convenientior fiat disciplina, ideo ex significatione entis ad significationem essentiae procedendum est.“ Neben diesem locus classicus finden sich noch weitere Belegstellen dieses offensichtlich beliebten Adagiums, das Thomas stets auf Aristoteles, De caelo et mundo (I [A], c. 5, 271 b 8-13) zurückführt; cf. auch Super I Sent., d. 2, q. 1, a. 5, expositio, ed. R. P. Mandonnet, in: S. Thomae Aquinatis Scriptum super libros Sententiarum, vol. I, Paris 1929, 77: „Hoc enim est fundamentum totius fidei; quo destructo, totum aedificium subruit. Unde etiam dicit Philosophus, in I De caelo et mundo, text. 33, quod parvus error in principio, maximus est in fine.“ Hierzu cf. meinen Aufsatz in diesem Band, 787 sq.

Irren ist menschlich!

XIX

der Irrtum ein unumgänglicher Bestandteil eines wissenschaftlichen Fortschrittsbewusstseins. Doch ist dies nicht zu modern gedacht? Trifft dies auch für das Wissenschaftsverständnis des Thomas und seiner Zeitgenossen zu? Ich möchte diese Frage bejahen. Denn gerade die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Debatten zeigen ein hohes Maß sich ausdifferenzierenden Problembewusstseins. Doch was ermöglicht und garantiert überhaupt die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum? Welche Kriterien liegen einer solchen Unterscheidung zugrunde? Und wer ist unter welchen Bedingungen in der Lage und berechtigt, den Irrtum zu erkennen und als einen solchen festzustellen? Welche Instanzen sind schließlich an dieser Unterscheidung beteiligt und hierfür legimitiert? Hier tut sich ein breites Problemfeld auf, das sich zunächst aus dem Antagonismus von Irrtum und Wahrheit ergibt. Denn wie man von einer logischen und von einer epistemischen Wahrheit sprechen und diese von einer ontologischen und metaphysischen Wahrheit unterscheiden kann, wie man die hermeneutische der dialektischen Wahrheit gegenüberstellen, und wie man nach einer historischen, nach einer theologischen oder nach einer praktischen Wahrheit fragen kann usw., so kann man auf allen diesen Ebenen den Irrtum als Gegenbegriff zur Wahrheit vorfinden. Doch was heißt es, sich zu irren? Hier differenziert sich das Wortfeld auch bedeutungsmäßig deutlich aus: So steht etwa dem Irrtum (error) das Nichtwissen (nescientia) oder die Unkenntnis (ignorantia) gegenüber 22. Damit sind unterschiedliche Niveaus des Irrtums angesprochen, die vom leicht zu behebenden Missverständnis über einen durch umfassende Information oder durch wissenschaftliche Bemühung zu behebenden Mangel bis hin zu einem grundlegenden Dissens reichen, der nur mit Mühe, mitunter auch gar nicht oder nur gewaltsam aufgelöst werden kann. Anders als bei der Falschheit liegt beim Irrtum der besondere Akzent darauf, dass jemand seine epistemische Pflicht verletzt, z. B. weil er oder sie methodisch nicht sauber gearbeitet oder wichtige Fakten übersehen hat, die er bzw. sie hätte kennen können. IV. Der vorliegende Band möchte somit - aus der Perspektive des Irrtums und damit aus der Perspektive der Störung, der Irritation und des Nichtgelingens einen Blick auf die Möglichkeiten menschlichen Erkennens und Wissens sowie der daraus folgenden menschlichen Praxis werfen, ferner auf die institutionellen und historischen Bedingungen epistemischer Formationen, auf die unterschiedlichen Formen der Artikulation und des Umgangs mit Dissens und Misslingen unter besonderer Berücksichtung der spezifischen Rahmenbedingungen jenes Millenniums, das wir aus abendländischer Sicht als Mittelalter bezeichnen. Zu 22

Cf. etwa Thomas de Aquino, Summa theologiae, I a-II ae, q. 76, a. 1-3 und De malo, q. 3, a. 7-8.

XX

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diesen Rahmenbedingungen zählen insbesondere die Fortdauer und Rezeption der hellenistisch-spätantiken Bildungstradition als des gemeinsamen Bezugspunktes für den interkulturellen Austausch und das in allen Kulturen gleichermaßen bedeutsame Spannungsfeld religiöser und theologischer Kontexte in Bezug auf die unterschiedlichen Wissensdiskurse. Daraus erwachsen charakteristische neue Konfliktfelder und unterschiedliche Lösungen für den Umgang mit als Irrtum qualifiziertem Dissens. Im Folgenden seien sieben thematische Schwerpunkte benannt, die als Orientierungspunkte dienen können, die auf unterschiedliche Weise die einzelnen Beiträge und Sektionen untereinander verbinden. (1) Den Ausgangspunkt bildet zweifellos der Schlüssel- und Referenzbegriff „Irrtum“ und seine terminologischen Äquivalente. Folglich gilt eine besondere Aufmerksamkeit dem Begriffsfeld von Irrtum in den unterschiedlichen - linguistischen, aber auch wissenschaftlichen, religiösen, fiktionalen etc. - Sprachen und um die Übersetzung aus einer Sprache in die andere. Denn es ist nicht zuletzt die Begrifflichkeit, die den jeweiligen Bedeutungskontext erschließt, was jeweils unter Irrtum zu verstehen ist, bzw. worin der Irrtum besteht. (2) In epistemischer Hinsicht setzt Irren voraus, dass man etwas erkennen kann unter den Bedingungen interner Kohärenz und externer Referenz - also unter den Wahrheitsbedingungen, welche die klassische Logik als Schlüssigkeit und Gültigkeit bezeichnet. Das Irren liegt begründet in der Tatsache, dass wir dabei Fehler machen, dass wir uns irren können. Irren bedeutet somit zugleich das Faktum der Fehlbarkeit; es verweist auf die Grenze der menschlichen Vernunft, die weder unendlich noch unfehlbar ist, sondern sich in einer kontingenten Wirklichkeit zurechtfinden, sich in dieser orientieren muss. (3) Von Interesse sind ferner die - argumentativen wie disziplinarischen Praktiken, den festgestellten Irrtum zu korrigieren oder zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang bieten z. B. Irrtumslisten und Correctoria nicht nur wichtiges Material für das Verständnis konfligierender Diskurse, sie vermitteln auch Einsichten in die zugrundeliegenden Kontrollmechanismen und -institutionen und in die entsprechenden Gegenreaktionen. (4) Eine besondere Zuspitzung erfährt die Irrtumsfrage durch religiöse bzw. theologische Wahrheitsansprüche, die entweder einander widersprechen oder zu wissenschaftlichen Lehrmeinungen in einen Widerspruch treten. Hier tut sich ein weites Feld von Irrtum, Zensur und Rechtfertigung, von Häresie und Anathem auf, das spezifische Regularien und Praktiken hervorgebracht hat. Dies gilt nicht nur für kirchliche und religiöse Institutionen, sondern auch für die Universitäten. Zudem liegt es nahe, nach den Ähnlichkeiten oder Unterschieden im interkulturellen und interreligiösen Vergleich zu fragen. (5) Wie aber steht es um die veritative Kraft des Irrtums? Denn der Irrtum verweist positiv auf die Fähigkeit der Unterscheidung. Was aber ist die Voraussetzung für diese Fähigkeit? Bedarf es hierzu eines unstrittigen Referenzpunktes, der irrtumslos - möglicherweise von jedem Menschen - eingesehen werden kann?

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(6) Die Unterscheidung zwischen einer falschen, irrigen und einer richtigen, wahren Meinung bildet die Grundlage jeder wissenschaftlichen Disputation. In der erfolgreichen Widerlegung einer falschen Meinung, im Erweis des Irrtums liegt ein Erkenntnisfortschritt 23. Hierin besteht die produktive Kraft des Irrtums. Gedankenexperimente wie auch naturwissenschaftliche Experimente, die mit falsifikatorischen Strategien arbeiten, sind ein wichtiger Bestandteil veritativer Verfahren. In welchem Maße wird diese Methodik reflektiert und als wissenschaftlicher Fortschritt interpretiert? Gibt es ein Lernen aus Irrtürmern? Inwieweit kann ein Irrtum korrigiert werden und was sind die Bedingungen hierfür? (7) Als anthropologische Kategorie bestimmt der Irrtum auch das menschliche Handeln. Was aber ist eine irrige Handlung? Irrt der Wille oder verweist der Irrtum auf die kognitive Komponente im Handeln und Entscheiden? In welchem Verhältnis stehen Irrtum und Täuschung? Welche Auswirkung hat der Irrtum auf die Schuldfähigkeit des Menschen? Der vorliegende Band verfolgt diese Leitfragen durch zwölf Kapitel, denen vierzig Beiträge zugeordnet sind. Hierbei ist das erklärte Ziel, die Fragestellung des Generalthemas in der ganzen interdisziplinären Breite zu behandeln: anhand literarischer Stoffe und Exempel und ihrer möglichen argumentativen Strategien der Visualisierung; hinsichtlich der politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen irriger Entscheidungen; mit Blick auf die Konflikte, die sich beim Kampf gegen den vermeintlichen Irrtum ergeben; in der lateinischen und griechisch-byzantinischen, in der arabischen und hebräischen Tradition; in der Alltagskultur, der Laien- und der Gelehrtenwelt. Die letzte Sektion widmet sich der Frage der Mittelalterhistoriographie. Zum einen soll die Frage mit Blick auf die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Debatten, Polemiken und historiographischen Konstruktionen aus der Sicht der philosophiegeschichtlichen Rekonstruktion behandelt werden. Zum anderen soll - auch mit Blick auf die 65jährige Geschichte der Kölner Mediaevistentagung - nach dem Wandel im Verständnis der Mittelalterhistoriographie selbst gefragt werden. Hierbei gilt es nicht zuletzt die unterschiedlichen Tendenzen und Konzeptionen in den verschiedenen Disziplinen im Auge zu behalten. Denn während sich der Mittelalterbegriff etwa im Kontext der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, die sich vor allem im letzten Jahrzehnt gerade den interkulturellen Austauschbeziehungen zwischen den vier großen Sprach- und Kulturkreisen gewidmet hat, zunehmend als problematisch erweist, weil er auf den byzantinischen, jüdischen oder arabisch-islamischen Kulturkreis eben nicht zutrifft, erweist sich das „Mittelalter“ in europäischer Perspektive in vielen Disziplinen noch immer als ein vergleichsweise robuster Epochenbegriff. 23

Cf. L. Iunius Moderatus Columella, Res rustica, I, 1, 16: „Usus et experientia dominantur in artibus, neque est ulla disciplina, in qua non peccando discatur.“ Dazu cf. E. Lelli, „Errando Discitur“, in: The Classical Quarterly 58/1 (2008), 348. Zum frühhumanistischen Spruch „Errando discitur philosophia“ cf. Conradi Celtis Protucii Panegyris ad duces Bavariae. Mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar herausgegeben von J. Gruber, Wiesbaden 2003, 88.

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V. Es gibt noch einen weiteren Anlass für die erwähnte Sektion zur Mittelalterhistoriographie: das ,kleine‘ Jubiläum der 40. Kölner Mediaevistentagung und des 40. Bandes der Miscellanea Mediaevalia. Angesichts der gegenwärtigen politischen Situation macht es einen Sinn, an die Ursprünge zu erinnern. Die erste Kölner Mediaevistentagung fand genau einen Tag nach der offiziellen Genehmigung zur Errichtung einer „Forschungsstelle für besondere philosophische Aufgaben“ bzw. zur Gründung „des Thomas-Instituts an der Universität *zu+ Köln“ durch den Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen am 10. Oktober 1950 statt 24. Die materielle Voraussetzung hierfür bot nicht zuletzt ein am 1. April 1950 vom amerikanischen Hohen Kommissar für Deutschland gewährter erheblicher Förderbetrag, welcher der Aufbauarbeit des seit der Ernennung von Josef Koch zum Ordinarius und Professor für Mittelalterliche Philosophie am 24. Mai 1948 in der Gründungsphase befindlichen neuen Instituts dienen sollte. Mit der Einladung „zu einer Mediävistentagung in Köln“ vom 8. August 1950, der am 20. September 1950 ein zweiter Rundbrief mit dem Tagungsprogramm folgte, verband Josef Koch das Anliegen, den „Gelehrten, die sich der Erforschung der Geisteswelt des Mittelalters widmen“, Gelegenheit zu geben, „sich durch Referate über den derzeitigen Stand der Forschung zu unterrichten und in gemeinsamer Aussprache schwebende Probleme zu klären“, wie dies in anderen Wissenschaftszweigen bereits üblich sei 25. Auf diese Weise verfolgte Koch zugleich das Ziel, die historische Arbeit am Mittelalter interdisziplinär auszuweiten - gewissermaßen die Grundlage für das satzungsmäßig festgeschriebene Ziel des neu gegründeten Instituts, die bei der Untersuchung der mittelalterlichen Philosophie gewonnenen Erkenntnisse „für die Probleme unserer Zeit nutzbar zu machen“. Mit der Interdisziplinarität war eine zentrale Leitidee benannt, der die Kölner Mediaevistentagungen bis heute verpflichtet sind. Ein Gleiches gilt für die erklärte Absicht, dass „bei dieser Gelegenheit eine persönliche Fühlungnahme zwischen den Forschern vor allem wichtig sein dürfte“, die ihren sozusagen institutionellen Niederschlag in einem regelmäßigen abendlichen Beisammensein im Dozentenzimmer der Universität fand. Mit der Eröffnung der ersten Mediaevistentagung am 11. Oktober 1950 in Anwesenheit des Kölner Rektors Prof. Dr. Gotthold Bohne war die nicht ohne Turbulenzen verlaufene Vor- und Gründungsgeschichte des Thomas-Instituts abgeschlossen, das Institut etabliert. So wurde es auch im In- und Ausland zur Kenntnis genommen. Kein geringerer als Fernand Van Steenberghen schrieb 24

25

Cf. Mitteilung des Kulturministers des Landes Nordrhein-Westfalen („Im Auftrage gez. Prof. Dr. Dr. Konrad“) an das Kuratorium der Universität in Köln, Düsseldorf, 10. Oktober 1950 (I W/1,3-05-35-3 Nr. 6453/50). A. Speer, 50 Jahre Kölner Mediaevistentagungen: ein Überblick, in: J. A. Aertsen/M. Pickave´ (eds.), Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 29), Berlin-New York 2002, 36-47, hier 37 sq.

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für die ,Revue philosophique de Louvain‘ den ersten Tagungsbericht - eine Tradition, die sich in den folgenden Jahren fortsetzen sollte und eine wichtige Dokumentationsquelle für die Kölner Mediaevistentagungen darstellt 26. Ich habe mir erlaubt, an diese Gründungsgeschichte so ausführlich zu erinnern, weil nichts davon im Jahre 1950 selbstverständlich war. Fünf Jahre nach dem Ende eines verheerenden Weltkrieges, den Hitler-Deutschland vom Zaun gebrochen hatte, kamen viele bedeutende Mediävisten nach Köln, viele davon aus Ländern, die massive Zerstörungen von Seiten der deutschen Wehrmacht erlitten hatten. Dass dies möglich war, lag zum einen an der außergewöhnlich großzügigen Unterstützung, die John O. Riedl, Professor für Mittelalterliche Philosophie an der Marquette University, mit dem Josef Koch noch 1944 die Edition der ,Errores philosophorum‘ des Pseudo-Aegidius Romanus publiziert hatte 27, und der nach dem Krieg als Leiter der verantwortlichen „Education Branch“ der „U.S. High Commission for Germany“ tätig war, seinem alten Freund und Kollegen beschafft hatte, sondern auch und nicht zuletzt an der Bereitschaft der Teilnehmer - darunter neben Fernand Van Steenberghen Dom Henri Pouillon und Dom Odon Lottin aus Mont-Ce´sar in Leuven und Philotheus Boehner aus Saint-Bonaventure -, die Einladung Kochs anzunehmen und nach Köln zu kommen. Die Namen der deutschen Mediävisten liest sich wie ein Who is Who der damaligen Mediävistik. Die erste Kölner Mediaevistentagung - die einzige ohne ein festes Thema - war der Versuch einer Bestandsaufnahme und zugleich ein Wiederbeginn der Mittelalterforschung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Kölner Mediaevistentagungen haben sich stets als Begegnungsorte verstanden - auch und gerade in schwierigen Zeiten: während der nicht minder schwierigen Nachkriegsjahrzehnte in der Zeit des Kalten Krieges. Wir haben den Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs erlebt. Erinnert sei an die Mediaevistentagungen der Jahre 1990 und 1992 28, die ganz unter dem Eindruck der neuen Freiheit und der neuen Möglichkeiten standen - Möglichkeiten, die wir heutzutage, wenn man die politische Landschaft in Europa betrachtet, im Begriff sind, leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Die erschreckende Wiederbelebung historisch gescheiterter politischer Konzepte wie Nationalismus und Autoritarismus, vorgetragen in einer oftmals ebenso primitiven wie gewaltsamen Sprache, die nationalistische Egoismen und Xenophobie mit geistiger Enge verbindet, erfragt unsere Aufmerksamkeit - und unseren aktiven Widerstand. Gerade wir als Mediävistinnen und Mediävisten, die wir gar nicht anders forschen können als in 26

27

28

Cf. F. Van Steenberghen, Le congre`s des me´die´vistes allemands, in: Revue philosophique de Louvain 48 (1950), 554-556. Cf. Giles of Rome, Errores Philosophorum, ed. J. Koch, english transl. J. O. Riedl, Milwaukee (WI) 1944. Siehe die folgenden Tagungsberichte: Mensch und Natur im Mittelalter. Tagungsbericht von der 27. Kölner Mediaevistentagung, in: Bulletin de philosophie me´die´vale 32 (1990), 222-226; Scientia und ars im Hoch- und Spätmittelalter. Tagungsbericht von der 28. Kölner Mediaevistentagung, in: ibid. 34 (1992), 235-238.

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einem weitgespannten internationalen Rahmen und dies als große Bereicherung, ja als Privileg erfahren, sollten unsere politische Verantwortung wahrnehmen und im Rahmen unserer Möglichkeiten für die geistige Freiheit, für Großzügigkeit und Großherzigkeit einstehen. Hierzu braucht es nicht viel mehr, als sich wechselseitig Gastfreundschaft zu gewähren, einander willkommen zu heißen und unsere jungen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen und zu ermuntern, ihrer Neugier zu folgen, die - wie Aristoteles zu Beginn seiner ,Metaphysik‘ sagt - dem Drang entspringt, der eigenen Unwissenheit zu entgehen und Wissen zu suchen, nicht um eines Nutzens, sondern um des Wissens willen 29. Denn darin - das ist die Überzeugung aller Philosophie und Wissenschaft Treibenden in jenem langen Millennium zwischen Antike und Neuzeit über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg - kann der Mensch nicht irren.

29

Cf. Aristoteles, Metaphysik I [A], c. 2, 982 b 19-21.

I. Unwissen und Nichtwissen

Augustine on Error and Knowing That One Does Not Know Charles Bolyard (Harrisonburg) I. Introduction Socrates continually confronts his listeners with the possibility of error; Augustine, as an admirer of Socrates, is equally aware of this possibility. But while Socrates and the academic skeptics who claim to follow him are apparently content to devote their lives to mere investigation of the truth without an assenting commitment to any particular truth claims, Augustine thinks we are obligated to do more. He devotes considerable attention to the resolution of these problems throughout his corpus, most importantly in his earliest philosophical work, Contra Academicos (written ca. 386-388), and his later ‘De Trinitate’ (written ca. 400-416) 1. For Augustine, error can occur in at least four distinct ways, and one of his main purposes in ‘Contra Academicos’ is to show that having an overly narrow view of error focused on only one of those ways - namely, approving a falsehood as a truth - too easily leads to skepticism. He argues instead that erring can be a sin both of commission and of omission, and that failing to assent when one should assent is just as problematic as assenting when one should not. In both ‘Contra Academicos’ and ‘De Trinitate’, Augustine extends his position by exploring the ways in which one can achieve epistemic certainty. But in doing this, he also offers scattered remarks about how one recognizes that one has not yet achieved certain knowledge, and thus about how one can know that one does not know. It is here that Augustine’s views are the most muddled, since he simultaneously claims that we (as humans in this life) are ignorant in many fundamental ways, that knowledge of something requires knowledge of that thing as a whole, and that nevertheless we can know ourselves, which obviously involves knowing that we do not know. It is to this puzzling group of statements that the remainder of the paper is addressed. 1

My primary sources and hence my citations for these works are two recent English translations: for ‘Contra Academicos’, I use Augustine, Against the Academicians and The Teacher, transl. P. King, Indianapolis-Cambridge 1995, 1-93; for ‘De Trinitate’, I use Augustine, On the Trinity, Books 8-15, transl. S. McKenna, ed. G. B. Matthews (Cambridge Texts in the History of Philosophy), Cambridge e. a. 2002. For the Latin, I use Augustinus, Contra Academicos, ed. W. M. Green (Corpus Christianorum. Series Latina 29), Turnhout 1970, 1-61 and Augustinus, De Trinitate, edd. W. J. Mountain/Fr. Glorie (Corpus Christianorum. Series Latina 50-50a), Turnhout 1968.

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In this paper, I will begin (§ II) with a brief recounting of the most relevant Socratic maxims: that one should know oneself, and that Socrates himself recognizes that he knows nothing. I will then (§§ III-VII) examine Augustine’s responses to these maxims and the epistemic puzzles they produce. I will argue that despite the problems one can find in his views, Augustine’s account of error is not only more philosophically satisfying than that of the skeptical Socrates, but it is more practical as well 2. II. Socrates and Er ror It is well known that Socrates took special interest in the Delphic exhortation “Know Thyself!”; Plato mentions Socrates in this connection many times in his dialogues, including the (possibly spurious) Alcibiades I (see especially 124b, 129b ff., and 130e) 3. In this work, which was seen as authentic by those in late antiquity, and in fact “introduced the [Neoplatonic] curriculum for three centuries” 4, the exhortation’s importance to Socrates is especially emphatic. Given Augustine’s Neoplatonic background, as well as the constellation of questions he addresses in ‘De Trinitate’ when discussing self-knowledge, it is likely that he had first-hand knowledge (or strong second-hand knowledge through his reading of Cicero) of ‘Alcibiades’ I. For the Socrates of the first ‘Alcibiades’, knowing oneself is reduced to knowing one’s soul (130e), and for him, a crucial part of this is coming to terms with one’s own lack of knowledge. As he puts it there, “is not it obvious that the reason you waver […] is that you do not know”? (117a); and a bit later, he says that “the errors in our conduct are caused by this kind of ignorance, of thinking that we know when we do not know” (117d). Socrates’s life-long goal of questioning others in the hopes of inspiring them to care for their souls more than their bodies, wealth, etc. is precisely an attempt to help them realize their own self-knowledge. Coincident with this belief in the soul’s need to know itself, however, are Socrates’s claims of ignorance, which are most famously stated in the ‘Apology’ 20d-23b. As he puts it: 2

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The most recent treatment of some of these issues is in B. Dutton, Augustine and Academic Skepticism: A Philosophical Study, Ithaca 2016. Cf. Dutton’s bibliography for references to earlier studies of the ‘Contra Academicos’. My primary source for the ‘Alcibiades’ I is Plato, Complete Works, transl. J. Cooper/S. Hutchinson, Indianapolis-Cambridge 1997, 557-595. F. Renaud/H. Tarrant, The Platonic Alcibiades I: The Dialogue and its Ancient Reception, Cambridge 2015, 110. For more on this topic cf. also W. Hankey, ‘Knowing as we are Known’ in Confessions 10 and Other Philosophical, Augustinian and Christian Obedience to the Delphic Gnothi Seauton from Socrates to Modernity, in: Augustinian Studies 34/1 (2003), 23-48; J. Siebach, Self-Knowledge in Socrates and St. Augustine: A Consideration of Alcibiades I and Confessions Book 1, Ph.D. Dissertation, The University of Texas at Austin, 1995.

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“I am wiser than this man; it is likely that neither of us knows anything worthwhile, but he thinks he knows something when he does not, whereas when I do not know, neither do I think I know.” (21d)

Many scholars over many years have addressed this apparent conflict in Socrates’s thought, thus I will not attempt to do so. My interest lies in the way Augustine tries to resolve these difficulties for himself. We will begin by looking at Augustine’s first philosophical work, ‘Contra Academicos’, where the question of skeptical ignorance is at the forefront of the discussion. In the later De Trinitate, Augustine explicitly mentions “the command ‘Know Thyself ’” 5 in the process of explaining his views about self-knowledge, so it is clear that this sort of Socratic position is similarly of great concern to him. III. Socrates as a Ske ptic in the ‘Contra Academicos’ Augustine’s ‘Contra Academicos’ was influenced by many texts, most notably Cicero’s ‘Academica’, to which many of its arguments are addressed. Augustine’s main purpose is to show that, despite skeptics’ suggestions to the contrary, it is possible to prove philosophically that we can have knowledge, and also that it is ethically and hermeneutically problematic to think that the academic skeptics’ public professions of global ignorance are worth taking seriously. Following Cicero, Augustine treats Socrates, at least initially, as an academic skeptic: “Socrates himself, and Plato, and the rest of the Old Academicians … believed that they were able to be shielded from error so long as they did not entrust themselves recklessly to any assent.” 6

For such thinkers, the primary mark of a wise man is epistemic caution, since caution makes it less likely that one will overstate one’s knowledge claims, and thus less likely that one will err. As the academic view is explained through the words of the character Licentius, “Error seems to me to be the approval of a falsehood as a truth […] someone who does not approve anything cannot approve a falsehood, and so he cannot be in error” 7. And since nothing is certain, according to academic skeptics, “the wise man would never give his approval to anything” 8. Moreover, because giving epistemic approval is required for knowl5

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Augustin, De Trinitate, X, c. 9, n. 12, edd. Mountain/Glorie (nt. 1), 325,4: “cognosce te ipsam” (transl. by McKenna [nt. 1], 53). Augustin, Contra Academicos, II, c. 6, n. 14, ed. Green (nt. 1), 26,13-16: “Quod etiam ipsius Socratis Platonisque ac reliquorum veterum auctoritate probatu facile est, qui se hactenus crediderunt ab errore defendi, si se assensioni non temere commisissent” (transl. by King [nt. 1], 39). Ibid., I, c. 4, n. 11, 10,36-40: “Error mihi videtur esse falsi pro vero approbatio; in quem nullo pacto incidit, qui veritatem quaerendam semper existimat: falsum enim probare non potest, qui probat nihil; non igitur potest errare” (transl. by King, 13). Ibid., II, c. 5, n. 11, 24,22: “nihil unquam sapiens approbaret” (transl. by King, 37).

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edge, the “Academicians held - or better, it seemed to them - that […] the wise man knows nothing” 9. The only way to avoid error, it seems, is to give up all claims to knowledge. Taken in this way, then, it is easy to see why Socrates’s exclamations that he knows nothing fit well with Augustine’s understanding of academic skepticism. Augustine at this point commences a two-pronged attack on Socratic/ academic skepticism: he expands the notion of error so that it is possible to err even if one does not profess to know anything, and he also argues that certain knowledge is in fact possible. The latter claim is proven in ways found throughout the later history of philosophy. Mathematical truths (e.g., that 3 ¥ 3 = 9), disjunctive truths (e.g., that there is either one world, or not) and “seeming” claims (e.g., that it is true that it seems to me that I know things) are some of Augustine’s prime examples of such certain, unassailable truths 10. I will not focus on these arguments here, but instead I wish to concentrate on his first line of attack. So let us examine the different kinds of error he introduces in this work.

IV. Augustine on Er ror in the Contra Academicos Augustine discusses at least four distinct accounts of error in the ‘Contra Academicos’. The first is the most commonly acknowledged one, and it is definitely the primary one for academic skeptics. We can call this the “standard” account of error: epistemically assenting to a falsehood; that is, holding something to be true when it is false. Augustine himself never denies that this account is a correct characterization of error; instead, he argues that it is only part of the story, and thus that other accounts are operative as well. The second type of error is what we can call the “doubting” account of error. On this view, which is even stronger than the standard account, one is in error when one epistemically assents to a claim one does not know to be true, even if it is in fact true. In other words, if one has any grounds for doubt about a claim, epistemic assent is automatically an error. In the ‘Contra Academicos’, Licentius attributes this view to Cicero: “If the wise man assented to uncertain matters then, even if they perhaps were to be true, he could not be free from error.” 11 Again, at multiple points later in the text, the characters Alypius and 9

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Ibid., III, c. 4, n. 10, 40,89-91: “Nam illis placuit, vel potius visum est, et esse posse hominem sapientem, et tamen in hominem scientiam cadere non posse. Quare illi sapientem nihil scire affirmarunt” (transl. by King, 61). Augustine discusses these types of knowledge claims most clearly in ibid., III, c. 10, n. 23 and c. 11, n. 25, 48 sq. (transl. by King, 73 sqq.). Ibid., I, c. 3, n. 7, 7,21-23: “si incertis rebus esset assensus, etiam si fortasse verae forent, liberari ab errore non posset” (transl. by King, 9).

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Augustine say that the academic skeptics held this view as well 12. This doubting account of error of course has echoes throughout later philosophical history, perhaps most famously in Descartes’ ‘First Meditation’, where he says that: “Reason now leads me to think that I should hold back my assent from opinions which are not completely certain and indubitable just as carefully as I do from those which are patently false. So, for the purpose of rejecting all my opinions, it will be enough if I find in each of them at least some reason for doubt.” 13

Here, Descartes (qua first meditation skeptic) appears to accept both the standard account and the doubting account as errors, assuming that we take the phrase “should hold back my assent” in the first sentence of the quotation to confer an epistemic imperative on the thinker. Augustine holds that this combination of accounts is problematic only if one also holds the belief that one cannot know anything at all, and thus that one is left either with falsehood or with doubt as the only options. His aforementioned arguments that certain knowledge is possible are meant to show this belief to be false. Academic skeptics, on the other hand, think that these are the only kinds of error, and that they can be avoided only by not assenting to anything: one can act on things as if they are true - as Augustine explains their view, one can act on the “plausible” or “truthlike” - without assenting to their truth 14. But Augustine does not like this approach. First, any attempt to characterize something as plausible or truthlike requires knowledge of the truth: one cannot know a son looks like his father, to use Augustine’s example, unless one knows the father as well 15. But he also attacks the skeptical position by expanding the range of what counts as error. For Augustine, error has both a positive and a negative sense: what I will call “positive” error is assenting when one should not, as we see in both the standard and doubting accounts, and what I will call “negative” error is not assenting when one should. This second, negative sense of error is fairly obvious when one looks at the Latin verb errare, for the word can mean either “to make a mistake” (in the standard sense), or simply “to wander”. In English, the holdover phrase “knight errant” shows this second meaning. It is not as if these medieval knights are going around foolishly making mistakes everywhere; rather, they are not finding that which they seek (the grail, a nice warm inn and a large mug of mead, or whatever). In German, of course, the verb irren also carries this same double meaning as does the Latin errare. The third account of error, predictably, is what we can call “non-assenting” error; it is the primary sort of negative error Augustine discusses. As the charac12

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Cf. ibid., II, c. 5, n. 11, 24,8-9 and 13-16 (transl. by King, 36); III, c. 14, n. 32, 54,70-72 (transl. by King, 82). Rene´ Descartes, Meditations on First Philosophy, in: The Philosophical Writings Of Descartes, vol. 2, transl. by J. Cottingham/R. Stoohoff/D. Murdoch, Cambridge 1988, 12. Augustin, Contra Academicos, II, c. 5, n. 12, ed. Green (nt. 1), 24,27-28: “probabile” and “verisimile” (transl. by King [nt. 1], 37). Cf. ibid., II, c. 7, n. 16 and c. 8, n. 21, 27 sqq. (transl. by King, 41-45).

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ter Trygetius puts it, “to be in error is always to be searching and never to find” 16; that is, to err in this non-assenting sense is to be exactly the sort of skeptic that Augustine initially imagines Socrates to be. Licentius, who is defending the academic skeptics, finds trouble with this account, since he thinks it is simultaneously both too broad and too narrow. It is too narrow because someone who utters a falsehood (in our new terminology, commits a “standard” error) but is lazy -that is, someone who is not searching for the truth at all would not be in error. It is too broad because someone who is on the correct path to the truth - Licentius imagines a man who is on the (correct) road to Alexandria but who dies along the way - would, by this third account, be in error, when in fact such a person would be nothing of the sort 17. Augustine himself thinks such non-assenting error is in fact error, and he combats Licentius’s objections in two ways. First, he agrees with the skeptics that the standard account of error is in fact error; Trygetius’s new definition only covers one type of error, not all types. Second, Augustine points out some of the moral problems that would result if one were truly a non-assenting skeptic. Such a skeptic would not assent to any given moral code, and thus might, for instance, commit adultery or homicide 18. This bad moral result, Augustine believes, shows that not assenting to a truth is just as problematic as assenting to a falsehood, and both are serious epistemic failures. And beyond these types of moral failures, Augustine also mentions the common anti-skeptical objections that one who assents to nothing would have no grounds for doing anything at all 19. The fourth type of error is what we can call “laziness” error; on this account, one errs not by assenting to something false or uncertain (as in the standard and doubting accounts), nor by failing to find what one is searching for (as in the non-assenting account). Instead, one can also err by not trying to find the truth at all. This is often the result of the doubt that results from previous epistemic failures. As Augustine puts it, this is “the common error that men, having found a false opinion, do not diligently search for the truth” 20. As with the non-assenting account of error above, Augustine sees this negative error as a significant sin of omission; one is showing intellectual neglect if one does not at least try to find the truth 21. To sum things up, then, Augustine agrees with the skeptics that we need to avoid error, but the possibility of positive error does not preclude us from 16

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Ibid., I, c. 4, n. 10, 9,17-18: “Nam errare est utique semper quaerere, nunquam invenire” (transl. by King, 12). Cf. also ibid., 9,2-3: “Errat autem omnis qui semper quaerit nec invenit” (transl. by King, 11). Cf. ibid., I, c. 4, n. 11, 10,57-62 (transl. by King, 14). Cf. ibid., III, c. 16, nn. 35 sq., 55,1-57, 56 (transl. by King, 85 sq.). Cf. ibid., II, c. 5, n. 12, 24,24: “ut nihil ageret, qui nihil approbaret” (transl. by King, 37); III, c. 15, n. 33, 54,9-10: “qui nihil approbat, nihil agit” (transl. by King, 83). Ibid., II, c. 1, n. 1, 18,11-13: “qui error omnium populorum est, falsa opinione inventae a se veritatis, nec diligenter homines quaerunt” (transl. by King, 25). Cf. also ibid., III, c. 9, n. 18, 45,15 (transl. by King, 69), where Augustine talks about the academic skeptics’s “deplorable mental laziness” (“mentis ingemiscendo torpore”).

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having an epistemic responsibility not only towards seeking the truth, but also towards assenting to it when it is found. In fact, he suggests in rather strong terms that the avoidance of negative error is even more important than the avoidance of positive error. As he says, “It is undoubtedly more monstrous that the wise man not give his approval to wisdom than it is for him not to know wisdom” 22! Socrates, at least if taken to be an academic skeptic, acknowledges positive error only and does not see negative error as something worth avoiding. Perhaps the academic skeptics’ approach has its virtues, though. If we have an epistemic duty to assent to truths, as Augustine suggests, where does this responsibility end? Must we constantly re-assent to the truths we know, or must we be constantly searching for new ones? There are similar discussions in moral philosophy about the proper limits to one’s duty to right wrongs, and not merely to avoid doing bad things. Peter Singer, when arguing in favor of increased famine relief 23, for example, holds that we have moral responsibility to give most of our excess wealth to those in need. Others argue, however, that such a standard is too high; we cannot be expected to live our lives as what Susan Wolf calls ‘Moral Saints’; something is lacking in a person who devotes herself so single-mindedly to moral excellence, in her view 24. So too, we could refine Augustine’s position by arguing that our epistemic duty to assent to truths is severely limited, or, if we follow the academic skeptics, that the epistemic duty to assent is absent altogether. In any case, Augustine sees this skeptical, positive-error-avoiding version of Socrates as being disingenuous when he claims to know nothing, because it is not entirely clear that he thinks this skeptical version of him is the true Socrates. Why? Later in the text, Augustine holds the explicit hermeneutical view that all of the academics, including Plato himself, had definite philosophical positions and thus assented to truths. He likens the Academy to an ancient mystery cult, in which its most deeply held truths were kept from outsiders. The academicians, in his view, were simply too smart to have believed what they seemed to believe 25. Though he never directly attributes this sort of esoteric reading to Socrates himself in the Contra Academicos, my strong suspicion is that Augustine thinks Socrates also holds many things to be true despite his public proclamations to the contrary, especially given the way he lumps together “Socrates, Plato, and the rest of the Old Academicians” in the passage previously cited 26. 22

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Ibid., III, c. 14, n. 30, 53, 26-28: “Est enim sine dubitatione monstrosius sapientem non approbare sapientiam, quam sapientem nescire sapientiam” (transl. by King, 81). Cf. P. Singer, Famine, Affluence, and Morality, in: Philosophy and Public Affairs 1/1 (Spring 1972), 229-243. Cf. S. Wolf, Moral Saints, in: Journal of Philosophy 79/8 (August 1982), 419-439. Cf. Augustin, Contra Academicos III, c. 17, n. 38 and c. 18, n. 40, ed. Green (nt. 1), 58,50-59, 18 (transl. by King [nt. 1], 88 sqq.). Ibid., II, c. 6, n. 14, 26,13-16: “Quod etiam ipsius Socratis Platonisque ac reliquorum veterum auctoritate probatu facile est, qui se hactenus crediderunt ab errore defendi, si se assensioni non temere commisissent” (transl. by King, 39).

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In other words, Augustine seems to believe ultimately that Socrates too finds problems with both positive and negative error. He might even say that Socrates is a crypto-dogmatist. So, in conclusion, all of Augustine’s work in the ‘Contra Academicos’ is meant to open up the possibility of knowledge, and thus of avoiding both positive and negative error, at least in some cases. But this is not to say that Augustine is epistemically careless, rashly asserting things with little justification. For him, skeptical caution and Socratic questioning are laudable as preliminary methods of investigation, but they should not be used to cut off assertions completely. As with Descartes many centuries later, skepticism is a useful tool, but it is not an end in itself. We will now turn to Augustine’s ‘De Trinitate’ (especially Books IX, X, XI, XIV and XV), and we will focus specifically on the ways he tries to set reasonable limits on our knowledge without denying its possibility altogether. More specifically, we will focus on his account of self-knowledge, since that too is something Socrates advocates pursuing. V. Human Ignorance and Er ror in the ‘De Trinitate’ In his later work ‘De Trinitate’, Augustine has the obvious goal of trying to make the Christian doctrine of the Trinity philosophically respectable, but along the way he also gives detailed analyses of the human mind and the epistemic situations we all find ourselves in. The text of ‘De Trinitate’ itself is more theological than philosophical in character, and the reliance on Biblical quotations is therefore much more pronounced than it is in the ‘Contra Academicos’. (In the latter, it is almost completely absent in the main body of the text.) Predictably, Augustine begins Book IX of ‘De Trinitate’ by citing a number of scriptural passages, and one such passage is particularly reminiscent of Socrates’s claim of ignorance, that he knows that he does not know. This is how it is put in I Cor. 8,2-3: “If anyone thinks that he knows anything, he does not yet know as he ought to know.” 27 Unlike Socrates’s rather stark statement of his own imperfection - that is, against his capacity for knowledge in any sense - one should notice the hope implicit in the Biblical text above: one does not yet know. As Augustine explains things a few lines later, when paraphrasing I Cor. 13,12, “certain knowledge will only be perfected after this life, when we shall see face to face” 28. The human mind here is “weak and erring” 29, and it is seemingly incapable of knowledge. 27

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I Cor. 8,2-3, as quoted in Augustin, De Trinitate IX, c. 1, n. 1, edd. Mountain/Glorie (nt. 1), 292,10-11: “Si quis se, inquit, putat aliquid scire, nondum scit quemadmodum scire oporteat” (transl. by McKenna [nt. 1], 24). Ibid., 293,25-26: “cognitio uero certa non perficietur nisi post hanc uitam cum uidebimus facie ad faciem” (transl. by McKenna, 24). Ibid., XIV, c. 14, n. 20, 448,80-81: “infirma et errans” (transl. by McKenna, 158).

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When speaking of the Trinity later in Book XV, he says that it is “impossible […] to fix your gaze upon this, so as to behold it clearly and distinctly” 30; a few pages later, he says that not only the Trinity, but God’s own knowledge is also “incomprehensible” to us 31. Clearly, then, the scope of ignorance intended by the original passage includes, at a bare minimum, our supposed knowledge of God in this life. Though this knowledge is possible after death, it is not available to us here and now. Perhaps drawing from his earlier Neoplatonic training, Augustine explains our current state as one in which everyone has “completely forgotten” the soul’s happiness with God 32. One might be tempted to interpret this as Augustine’s metaphorical way of referring to original sin, and thus not as a reference to one’s own, personal (pre-birth) knowledge of such happiness, but the fact that he uses the term “recollection” multiple times makes it more plausible that he sees things Platonically. Augustine goes further than Plato and the Platonists, however. It is through faith in God and scripture, he believes, that one can eventually move beyond one’s present state of ignorance, and this faith provides the means of knowing of one’s ignorance of God. In other words, we can know (through faith) that we do not know God. So much for God, then. What about knowledge of other things in this life? As Augustine told us in the ‘Contra Academicos’, and as he reiterates here by explicitly referencing the earlier work, we can in fact know many things (e.g., that we are now living, that we will things, etc.) 33. But this knowledge too is limited. First, Augustine makes multiple mentions of the power of demons to deceive us 34. (We might call this “demon error” a fifth account, but though this is a live possibility for Augustine, he does not dwell on this fact. For our purposes, then, we will mention it only to put it aside.) Instead, he focuses in on a few sub-types of standard-account sensory errors that occur (e.g., assenting to a straight oar’s being bent when seen in the water) 35. So how does he explain such errors? As he puts it, “[…] the mind is certainly in error when it imagines [things] as being without in the same way as they are conceived within, either when they have already perished without and are still retained in the memory, or when … that which we remember is formed […] by the changeableness of our thought.” 36 30

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Ibid., XV, c. 27, n. 50, 532,89-90: “Sed ad hoc dilucide perspicueque cernendum non potes ibi aciem figere” (transl. by McKenna, 222). Ibid., XV, c. 7, n. 13, 479,121: “incomprehensibilis” (transl. by McKenna, 181). Ibid., XIV, c. 15, n. 21, 449,22: “nec commemorari potest” (transl. by McKenna, 159). Cf. ibid., XV, c. 11, n. 21 and XV, c. 12, n. 22, 490-494 (transl. by McKenna, 190-193). Cf. e.g. ibid., De Trinitate XIII, c. 19, n. 24, 416,46: “deceptores daemones” (transl. by McKenna, 132). Cf. ibid., XV, c. 11, n. 21, 490,14-491,17 (transl. by McKenna, 190). Ibid., XI, c. 8, n. 13, 350,33-37: “errat quidem animus cum eas opinatur eo modo foris esse quomodo intus cogitat uel cum iam interierunt foris et adhuc in memoria retinentur, uel cum aliter etiam quod meminimus non recordandi fide sed cogitandi uarietate formatur” (transl. by McKenna, 76).

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That is, we sometimes err either by misremembering a thing, or thinking something exists because we remember it when in fact it has ceased to exist. As he explains the phenomenon in another spot: “If that will […] concentrates exclusively on that inner phantasy … not even reason itself can distinguish whether the body itself is seen without, or something of the kind is thought within.” 37

The skeptics are correct in such instances; knowledge of the external world is seemingly closed off to us, for “the mind errs when it binds itself to these images” 38. Furthermore, “the bodies themselves are by no means in our mind when we think of them, but only their likenesses. Were we, therefore, to approve of the object for the image, we would be in error, for the approval of one thing for another is an error.” 39

Augustine ultimately attributes all such errors to an improper joining of the bodily and the mental; if we can learn to separate the two, there is a path out of this entire class of standard-account errors. He tells us of the mind’s “shameful error, that it can no longer distinguish the images of sensible things from itself […].When it is […] commanded to know itself, it should not […] be withdrawn from itself, but it should rather withdraw what it has added to itself.” 40

Of course, this does not provide us with a means for knowing external objects, but it does tell us that at least one other thing can be known: one’s self. In order to know oneself, as Socrates asks us to do, Augustine holds that one must strip away everything sensible and bodily, thus allowing us to avoid the negative error of non-assent, while also avoiding the positive, standard-account error of assenting to a sensory claim about the external world that is not in fact true. So let us turn next to an examination of what exactly is involved in knowing oneself, according to ‘De Trinitate’.

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Ibid., XI, c. 4, n. 7, 341,2-9: “si ad interiorem phantasiam tota confluxerit atque a praesentia corporum quae circumiacent sensibus atque ab ipsis sensibus corporis animi aciem omnino auerterit atque ad eam quae intus cernitur imaginem penitus conuerterit, tanta offunditur similitudo speciei corporalis expressa ex memoria ut nec ipsa ratio discernere sinatur utrum foris corpus ipsum uideatur an intus tale aliquid cogitetur” (transl. by McKenna, 68). Ibid., X, c. 6, n. 8, 321,1-2: “Errat autem mens cum se istis imaginibus […] coniungit” (transl. by McKenna, 50). Ibid., IX, c. 11, n. 16, 307,7-10: “non enim omnino ipsa corpora in animo sunt cum ea cogitamus sed eorum similitudines, itaque cum eas pro illis approbamus erramus; error est namque pro alio alterius approbation” (transl. by McKenna, 37). Ibid., X, c. 8, n. 11, 324,6-13: “Hinc ei oboritur erroris dedecus dum rerum sensarum imagines secernere a se non potest … Cum igitur ei praecipitur ut se ipsam cognoscat, non se tamquam sibi detracta sit quaerat, sed id quod sibi addidit detrahat” (transl. by McKenna, 53).

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VI. Knowing Oneself and Knowing that One Does not Know in the ‘De Trinitate’ The mind, for Augustine, is self-reflective: “When the mind […] knows itself […] it is itself both the object known and the one that knows” 41. While Augustine presents a preliminary worry that something that is both knower and known cannot be fully known, insofar as the active, knowing part seemingly cannot simultaneously view itself as an object 42, he thinks that, in fact, the mind does know itself with “absolute certainty” 43. This self-reflection is an advantage, not a hindrance. As he puts it: “[…] the mind knows nothing so well as that which is present to itself, and nothing is more present to the mind than it is to itself.” 44 This presence is a constant one, for he says that “there never was a time […] when it did not know itself ” 45. He reiterates this basic claim by saying that “when the mind seeks to know itself, it already knows that it is a mind” 46. This self-knowledge is definitional as well. According to Augustine, when the mind “hears the command ‘Know Thyself ’ […] if it knows what both [words] mean, then it also knows itself ” 47. Given all of this, it is obvious that Augustine holds the self to be self-evident. It is known automatically and constantly; it is something that one always knows, and it is known by virtue of the knowledge of its terms. Furthermore, it is that thing that is best known by the self. But what exactly is involved in this selfknowing? He gives us two clues. First, he says that what the mind knows, “it knows as a whole” 48. Expanding on this claim, he talks about how “when the mind knows itself as a whole […] [it] […] knows itself perfectly” 49. Thus, for him, self-knowledge is constant and perfect for us; we cannot help having it, and we have it wholly. But since Augustine also admits that we are ignorant (of God, of some sensible things, etc.), how can we really know ourselves in a complete way? If knowl41

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Ibid., IX, c. 12, n. 18, 309,31-33: “Itaque mens cum se ipsa cognoscit … cognitum enim et cognitor ipsa est” (transl. by McKenna, 39). Cf. ibid., IX, c. 3, n. 3, 296 (transl. by McKenna, 27). Augustine uses the analogy of sight, and how one knows others’ eyes but does not know one’s own, except with a mirror. Ibid., XIV, c. 4, n. 7, 429,37-41: “Nihil enim tam nouit mens quam id quod sibi praesto est, nec menti magis quidquam praesto est quam ipsa sibi. Et alia quantum satis uisum est adhibuimus documenta quibus hoc certissime probaretur” (transl. by McKenna, 143). Ibid. Ibid., X, c. 8, n. 11, 325,24-25: “Ita uidebit quod numquam se non amauerit, numquam nescierit” (transl. by McKenna, 53). Ibid., X, c. 4, n. 6, 319,4-6: “Postremo cum se nosse mens quaerit, mentem se esse iam nouit” (transl. by McKenna, 48). Ibid., X, c. 9, n. 12, 325,3-6: “Ipsum enim quod audit: Cognosce te ipsam […]. Si autem utrumque nouit, nouit et se ipsam” (transl. by McKenna, 53 sq.). Ibid., X, c. 3, n. 6, 318,48-49: “Quod scit tota scit” (transl. by McKenna, 48). Ibid., IX, c. 4, n. 7, 299,71-72: “Mens uero cum se totam nouit, hoc est perfecte nouit” (transl. by McKenna, 30).

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edge of the self requires us to know ourselves wholly, and one aspect of ourselves is our ignorance, then it follows that in order to know ourselves, we need to know that we do not know. This is a peculiarly human condition, since Augustine’s God knows himself fully as well, but as an omniscient being, he cannot know that he does not know. Basically, for Augustine, a human has to know that she does not know, and perhaps even what she does not know, in order to have self-knowledge in the proper sense. Augustine’s answer to many of these puzzles is expressed somewhat paradoxically, but the point behind the words is clear: for him, everyone is susceptible to the negative, non-assenting error of being unaware that one knows something, and hence not assenting to it. Here is how he puts it: “[…] with regard to something of which we have not thought for a long time, and of which we are unable to think except when it is brought to our attention … we do not know that we know […] one who reminds another may rightly say […]: ‘You know this, but you do not know that you know it’.” 50

Augustine’s purpose, then, is to prove to us that we know something we do not realize we know: namely that we know ourselves, and thus that we know that (qua imperfect epistemic beings) we do not know. We have already seen why he thinks we know ourselves, so now we will look at why he thinks we can know that we do not know. The first thing Augustine does is to establish that knowledge admits of degrees. Though full knowledge of something is knowledge in the proper sense (or “wholly”, as he puts it), partial knowledge is possible as well. As he says, “the more a thing is known, but not fully known, the more the mind desires to know the rest” 51. And unsurprisingly, he similarly holds that full ignorance implies not knowing at all, and that it is a spot from which one cannot ever recover. “unless some slight knowledge of a doctrine were impressed on our mind, we would in no way be enkindled with the desire of learning it […] no one can in any way love something of which he is absolutely ignorant.” 52

Since we all know ourselves, as he showed above, and we desire to know ourselves, it must follow that we do in fact have partial knowledge. So what does this partial knowledge amount to? For Augustine, it is first required that one knows what knowing is. As he puts it: “unless he knows what it is to know, 50

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Ibid., XIV, c. 7, n. 9, 434,24-28: “Sed unde diu non cogitauerimus et unde cogitare nisi commoniti non ualemus, id nos nescio quo eodemque miro modo si potest dici scire nescimus. Denique recte ab eo qui commemorat ei quem commemorat dicitur: ‘Scis hoc sed scire te nescis’” (transl. by McKenna, 147). Ibid., X, c. 1, n. 2, 312,41-43: “Quo igitur amplius notum est sed non plene notum est, eo cupit animus de illo nosse quod reliquum est” (transl. by McKenna, 43). Ibid., X, c. 1, n. 1, 311,16-312,30: “tamen nisi breuiter impressam cuiusque doctrinae haberemus in animo notionem, nullo ad eam discendam studio flagraremus […]. Nam quod quisque prorsus ignorat amare nullo pacto potest” (transl. by McKenna, 42).

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no one would be able to say with confidence, either that he does know, or that he does not know.” 53 Second, he mentions at least two ways in which we can know that we do not know in this partial way. One way involves a vague understanding of a thing, without knowing it in specific detail: “No studious or curious person … loves the unknown … for he … already knows generically what he loves, and is now eager to know it in some particular thing or things which he does not know … He therefore frames in his mind an imaginary picture by which he may be aroused to love.” 54

And the other way deals with doubt: “if one doubts, one knows that one does not know” 55, and furthermore, such doubt is epistemically advantageous. For as Augustine explains it, “when we doubt […] although we do not know whether the thing is true about which we doubt, yet we know that we doubt” 56. The doubting error of the skeptic in ‘Contra Academicos’ thus contains its own unassailable truth: while doubting implies that we do not know the thing about which we have doubt, we can still have knowledge that we doubt. In short, our doubting is a fact about ourselves that we have to be aware of if we are to be responsible epistemic agents. If we do not know this, we do not know ourselves. But since we do know ourselves, it of course follows that we know our own ignorance in some cases. It is not that we know we know nothing, in the mode of the Socrates of the ‘Apology’. Instead, it is that we know we do not know everything. So how do we understand self-knowledge for Augustine, then? The basic claims are that: (a) we know ourselves fully and (b) we do not know everything There are a number of possible moves he might make. (1) Restrict (a) to the next life, and (b) to this life. This has the virtue of resolving the apparent contradiction completely. But if this is really his view, why would he emphasize (a) repeatedly, without making reference to the 53

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Ibid., X, c. 1, n. 3, 315,124-126: “Quod nisi haberet cognitum, neque scire se quidquam posset fidenter dicere neque nescire” (transl. by McKenna, 45). Ibid., X, c. 2, n. 4, 315,1-316,6: “Quilibet igitur studiosus, quilibet curiosus non amat incognita etiam cum ardentissimo appetitu instat scire quod nescit. Aut enim iam genere notum habet quod amat idque nosse expetit etiam in aliqua singula uel in singulis rebus quae illi nondum notae forte laudantur, fingitque animo imaginariam formam qua excitetur in amorem” (transl. by McKenna, 45 sq.). Ibid., X, c. 10, n. 14, 328,42: “si dubitat, scit se nescire” (transl. by McKenna, 56). Ibid., XV, c. 15, n. 24, 497,7-10: “Cum autem dubitamus nondum est uerbum de re de qua dubitamus, sed de ipsa dubitatione uerbum est. Quamuis enim non nouerimus an uerum sit unde dubitamus, tamen dubitare nos nouimus” (transl. by McKenna, 196).

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restriction to the next life, as he did when discussing how we can know the Trinity or God’s nature generally in other parts of the ‘De Trinitate’? (2) Reject one of the two claims. But since he repeatedly makes each claim, it is unlikely that we can do this and remain faithful to his own views. (3) Make a distinction among objects of knowledge. For instance, he might claim that even when talking about this life, we know our internal selves fully - that is, our seemings, our intellectual capacities, etc. - without knowing the external world fully. Thus, to know ourselves is to know what is truly us - our souls, their contents, and their powers - and nothing else, which harkens back to Socrates’s own emphasis on the knowledge of one’s soul in the first ‘Alcibiades’. It does not matter whether my body has an injured finger, and it also does not matter whether I even realize my body has this injury, since knowledge of the way the external world matches my mental content is, if not impossible, at least difficult to attain. In short, we restrict error only to the domain of the sensory world - this is where the skeptics are correct to insist on the avoidance of positive error - and yet still hold that it would be erroneous to (negatively) refuse to admit that we can know ourselves in the internal sense. This interpretation is also consistent with his ‘Contra Academicos’ account of external world skepticism, where he claims (in response to skeptical doubts about the existence of an external world) that “the world” simply is what seems 57. That is, he suggests an idealist response to skeptical objections. The problem with this interpretation is that, throughout his corpus, he expresses doubt even about internal things - especially about the nature of the soul and its powers. If he has doubts there, then at best one would have the capacity to know oneself (in the internal sense) fully, but not necessarily have a fully actualized internal knowledge of oneself. (4) Similarly, we might restrict the objects of knowledge even further: we know our immediate mental goings-on with certainty, but this does not automatically apply to our memory of past goings-on, or to the external world, the Trinity, etc. In short, we could reduce ourselves to the level of a Humean bundle of perceptions, epistemically speaking. This seems to be too restrictive, however, since Augustine wants to admit the knowledge of mathematical and logical truths, among other things. In my view, the first two possibilities are too far removed from Augustine’s words, and thus cannot be the correct interpretations, even if they are both philosophically appealing and theoretically simple. The fourth possibility too is intriguing, but making Augustine into a proto-Hume is too much. Thus, despite its problems, the third interpretation - that self-knowledge is internal, not external - makes the most sense of what Augustine actually says. 57

For further discussion of this topic cf. C. Bolyard, Augustine, Epicurus, and External World Skepticism, in: Journal of the History of Philosophy 44/2 (2006), 157-168.

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VII. Conclusion To sum up, then, for Augustine, one’s status as a human requires that one have knowledge of mathematical truths (e.g., that 3 ¥ 3 = 9), as well as of introspective truths (e.g., that one lives). But since there are some things that one knows one does not know perfectly (God’s nature, the external world, etc.), one has doubts, and for Augustine, the fact that one has such doubts is itself a known truth. Positive error, to harken back to the discussion in the ‘Contra Academicos’, is a central aspect of what we stumble into as humans, but that fact itself is not a reason for despair; rather, it is one of the truths most readily available to us, and it is central to our knowing of ourselves. Our knowledge is limited, but our self-knowledge is not; ignorance is not transitive in this way, according to Augustine. Just as it is true that an omniscient being would not have to know everything that every other individual knows (e.g., God could not know Augustine’s knowledge of himself ‘from the inside’, as it were), so too one could have full knowledge about oneself without similarly requiring that this full knowledge be of oneself as fully knowledgeable of everything. So, ultimately, Augustine holds, Socrates is right to exhort us to know ourselves, which (for Augustine) means being reminded that one knows more than one realizes. Socrates-qua-academic-skeptic, if taken to believe truly that he knows nothing, was not sufficiently reminded. But if Socrates is akin to the academicians discussed in the ‘Contra Academicos’ in this way, then he is being disingenuous when he claims such ignorance. Though he may well be ignorant of some things, which is his natural state as a human, he knows other things, including himself. As a result, for Augustine, Socrates is either a liar (if he had hidden, deeply held knowledge claims) or Socrates is epistemically irresponsible (if he did not assent to any such claims), insofar as he takes positive error to be the only sort, and disavows negative error as something of equal importance. Augustine seems to conclude that a lying Socrates is vastly preferable to an epistemically irresponsible one. As with the God of Augustinian Illumination that is, Augustine’s “Inner Teacher”, to use his phrase -, someone who does not tell us everything in life can still be worth our respect. In this, I think, he does not err.

When Is It Wrong? Models of Argument and Interpretation from the 12th to the 13th Century 1 Eileen C. Sweeney (Boston) This brief examination of some 12th and 13th c. thinkers grappling with and redefining the nature of error in light of Aristotle’s definition of science is part of a larger project in which I am attempting to understand how ideas about systematized knowledge in the disciplines, both secular and sacred, changed with the advent of the full Aristotelian corpus in the late 12th and early 13th centuries. I want to consider the sense in which this is a moment when a new epistemological pattern, that of Aristotelian science, challenges the existing one developed out of Augustine’s ‘De doctrina christiana’ and enshrined in 12th-century schools and monasteries. It is a kind of truism that the desire to avoid error and doubt, achieved by grounding knowledge in certain, indubitable foundations, is a modern not a medieval project. Like most truisms, this one has something to it, but my claim is that the shape of this dialectic of certainty and avoidance of doubt and error has a predecessor in the medieval reception of Aristotle’s notion of science from the ‘Posterior Analytics’. My working hypothesis is two-fold. First, I argue that these models contain two different notions of error and how to avoid or remedy it; one is the product of a model of knowledge as interpretation in which error is essentially relative and a matter of degree, and in which answers are not so much wrong as incomplete, products of an earlier stage of understanding from which one progresses toward more complete understanding. The other, not Aristotle’s actual view, but what early interpreters thought he seemed to propose, is a harsher and more unforgiving notion or error, one that is in a more complete binary opposition with getting things right. The ‘Posterior Analytics’ introduces an ideal of science and scientific certainty that the earliest adopters worried pushed large portions of accepted truth into the realm of uncertainty and liability to error. I explore 1

I wish express my gratitude to the Thomas-Institut in Cologne for its support of research which started on a DAAD research grant with the support of Professor Albert Zimmermann many years ago and is the foundation for some of the claims of this paper. Though I have only recently returned to this topic with new perspectives, Prof. Zimmermann and the wonderful library of the Thomas-Institut gave me a tremendous start on this interesting period. I was especially grateful to be able to be able to present some of this work in Cologne at the invitation of the present director, Professor Andreas Speer, who served as Professor Zimmermann’s assistant when I was in Cologne.

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these notions of error as expressed in the 12th century in the work of Hugh of St. Victor, and then trace the attempt to reconstruct notions of error in light of Aristotle’s ‘Posterior Analytics’ in a sampling of early responses to Aristotle’s model of science in Robert Grosseteste, Roger Bacon, William of Auvergne, and the ‘Summa fratris alexandri’. Second, I will look at three major thinkers in the next wave of interpretation and assimilation of Aristotle on science: Albert the Great, Thomas Aquinas, and Bonaventure. These thinkers, I argue, find ways to reduce the opposition between these two models of knowledge, finding within the Aristotelian picture a place for this earlier hermeneutic notion of truth and error.

I. Hugh of St. Victor : T he Her meneutics of Er ror Augustine’s ‘De doctrina christiana’ attempts to describe and assimilate the liberal arts into Christian education by finding them a place in the project of interpretation of scripture, understanding signs as they point to things. This means, of course, understanding human languages, linguistic signs, through grammar and logic, but, further, the way in which the ‘things’ named in scripture are themselves signs pointing to God. In this account, error becomes a matter of a failure to interpret signs correctly or of the taking of signs for things 2. Hugh of St. Victor relatively easily adapts this model in his ‘Didascalicon’. Like Augustine, Hugh understands the acquisition of knowledge as following a curriculum of reading, and translates reading into a moral project. Thus not only is Christian education described literally as a course of reading, but its stages also follow the stages of reading, from an inadequate grasp of things because of an ignorance of signs, to the understanding of things via signs, to the reinterpretation of things as signs pointing beyond themselves. Hugh’s well-known emphasis on beginning from the ‘literal level’ in scripture (and logic in secular study) has as a corollary a stronger sense of error: that without it, one goes wrong at first and in a complete sense. Logic, by which Hugh means the arts of language, must precede the other disciplines, Hugh explains, because without an understanding of words and concepts “no treatise of philosophy can rationally be explained” 3. So also in the study of Scripture, the student must be humble enough to begin with the literal level, with the meaning of the words, before proceeding to the spiritual level, that is, to an understanding of the things named 2

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For this way of understanding ‘De doctrina’ and Hugh of St. Victor as following in his footsteps, cf. E. C. Sweeney, Hugh of St. Victor, The Augustinian Tradition of Sacred and Secular Reading Revised, in: Reading and Wisdom: The De doctrina christiana of Augustine in the Middle Ages (ed. E. English), Notre Dame-London 1995, 61-83. Cf. Hugh of St. Victor, Didascalicon, I, 11, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia latina, vol. 176, Paris 1854, 749D.

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in scripture 4. Without these foundations, Hugh says, we will be as lost as if we had never learned the alphabet. But on closer examination, Hugh’s account outlines a more complex picture of error and its remedy. Hugh argues that logic must come first because without it we will assume that real things conform in a direct way to language and to our ways of reasoning 5. In parallel fashion, he notes that one of the results of a careful study of the literal sense is a realization that not every line of Scripture can be read literally 6. But, of course, knowledge of the literal level alone will not tell us when the literal meaning is insupportable; rather it is faith, the grasp of the meaning as a whole, that tells us when a literal meaning is misleading 7. The relationship between the literal and figurative meanings, like that between parts and the whole of the text, is dialectical or circular, each confirming and adjusting the other. The same structure is found in the relationship of the secular disciplines of the trivium (the study of words) and physics (the study of things). Just as one cannot without other criteria determine when the literal sense is false, so one cannot without some knowledge of things determine when the structure of language is not mirrored in reality. Thus, Hugh argues that there is a kind of innate knowledge of things through the “ideas of reason”, which are the reflection in the human mind of the divine ideas 8. The nature of error and its overcoming on this model follows the dialectic of reading. One is not so much ‘wrong’ at a foundational level from which there is no path back to the truth when mistaken about the literal level (or logic and language) than at an earlier place in the dialectic of reading, and thus has an incomplete rather than utterly erroneous grasp of the truth. This same view is expressed in a slightly different way in Hugh’s insistence that the most important of the requirements for learning is humility, which Hugh understands in academic terms as openness to all learning and to learning from others. No book is without some merit, he maintains, and what one does not perfectly understand may not be a reflection of falsity but rather of our own limitations 9. This account, then, formulated by Augustine and carried forward in Hugh of St. Victor, puts forward a view of knowledge in which truth and error are not so much ‘either-or’ options as matters of degree, in which everything is 4 5 6 7 8

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Cf. ibid., VI, 3, 799D. Cf. ibid., I, 11, 749B. Cf. ibid., VI, 3, 801B. Cf. ibid., VI, 4, 801B-C. Hugh of St. Victor, Didascalicon, Appendix C, in: C. Buttimer (ed.), Hugonis de Sancto Victore Didascalicon de studio legendi: A critical text, (DC) 1929, 134-135. According to Buttimer, this appendix on the three subsistencies of things, in the divine mind, the human mind and the material world, appears in some classes of manuscripts as a preface to the whole ‘Didascalicon’ (ibid., xvi and xxxi). J. Taylor argues that it might belong in the ‘Didascalicon’, in book I after chapter 6, which is the discussion of “the three manners of things” ( J. Taylor [ed. and transl.], The Didascalicon of Hugh of St. Victor, New York 1961, 152). Cf. Hugh of St. Victor, Didascalicon, III, 13, ed. Migne (nt. 3), 774B.

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understood to have a kind of truth, and in which the pursuit of knowledge is envisioned as a path of deepening knowledge and the grasp of truth as ever incomplete and partial.

II. Grosseteste and Bacon: Conf licts between New and Old Models of Knowledg e 1. Grosseteste In contrast to openness toward all books as sources of knowledge and the model of assimilating them by finding them a place in the catalog of the arts and sciences in Hugh, Aristotle’s requirements for science - necessary and certain premises drawn from indubitable first principles (gleaned from sense experience) combined to reach conclusions that are themselves necessary and certain - seem to create a two-tiered system of knowledge, those meeting the scientific standard of certainty and those falling into error. Questions arise about physics/natural philosophy, mathematics, and metaphysics, concerning their methods, principles, and evidence. Aristotelian science seemed to threaten the carefully constructed analogy between secular and sacred study, in which the path to knowledge is a path of reading, a path of spiraling progress from less complete to more complete knowledge in the Augustinian/Victorine model. Robert Grosseteste’s early and important commentary on the ‘Posterior Analytics’ approaches these problems by arguing that the term scientia is applicable to all the practical and speculative sciences in an analogical sense 10. Science may be said communiter of the knowledge of purely “erratic” events; it is said proprie of the knowledge gained from a study of the natural world where causal connections hold either necessarily or “for the most part” (frequentibus); it is said “more properly” (magis proprie) of those things that always happen in the same way; science applies to mathematics in this more proper sense since knowledge of both its principles and its conclusions is equally necessary and equally knowable 11. Finally, scientia applies “most properly” (maxime proprie) to knowledge of what is immutable when it is known through its cause, which is immutable in

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The translation used by Robert Grosseteste was made by James of Venice sometime after 1159. Grosseteste makes references to other translations and seems also to have consulted the translation from the Arabic made by Gerard of Cremona, who also translated Themistius’s paraphrase of the text. On the dating of Grosseteste’s commentary to the later 1220s; cf. J. McEvoy, The Philosophy of Robert Grosseteste, Oxford 1982, 512 sqq. and A. C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science 1100-1700, Oxford 1953, 46 sq. Robert Grosseteste, Commentarius in Posteriorum analyticorum libros, I, 2, ed. P. Rossi, Florence 1981, 99. Grosseteste’s commentary is cited here and below by the book and chapter number he is commenting on in Aristotle’s text and the page number in Rossi’s edition.

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its being and causing 12. On this scale, metaphysics is the most knowable, mathematics next, and physics the least certain of the speculative sciences. The degree of certainty and avoidance of error for the various sciences is based on the degree of immutability of the science’s object of study; the more immutable, the more certain the science. But Grosseteste’s analysis of how the disciplines line up on the scales of certainty, doubt, and error does not stop with the scale produced by the stability and intelligibility of their objects. The objects of mathematics are spontaneously (sponte) available to our intellects while those of logic and metaphysics, by contrast, are so removed from sense knowledge that we are frequently deceived about their nature; likewise, in natural science the objects are mutable so that we are less certain about them 13. Hence, logic and metaphysics are called ‘rational’ or ‘probable’ rather than ‘scientific’ knowledge because of the distance of their objects from our knowing powers; physics, on the other hand, is called so because of the distance of its objects from the source of intelligibility 14. Things more divine, more abstract and distant from matter would be more knowable to the unfallen human mind, unclouded by phantasms, Grosseteste explains, but to those weighed down by the corruption of the body and affection for corporeal things, mathematical objects are the “most certain” since in their comprehension we are aided by phantasms 15. Thus, even though scientific in an extended sense, error creeps in physics and metaphysics both, though for opposite reasons. This fit between our minds and mathematical objects leads to methods or degrees of success with similar methods. In mathematics, Grosseteste claims, it is easier to reduce what is known to its principles because we know that the middle term belongs essentially to the subject. In the other sciences, there are a variety of middle terms that may or may not lead to a conclusion that is the most probable. In such cases, we are obliged to consider all the possible middle terms in order to find the best one 16. Thus, while the other sciences must 12

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Cf. ibid. The fourth and most proper definition does not add anything to the third definition in terms of the things or events known; both are immutable. But it adds a condition about the way they are known, i. e., through their causes. Hence, the fourth level differentiates between knowledge of principles and conclusions; principles are not known through demonstration but are the starting points for demonstration. Knowledge of conclusions, on the other hand, is science strictly speaking since it is knowledge of what is necessary and knowledge through the cause (cf. Aristotle, Posterior Analytics, I, 2, 71a 9-13). Cf. Robert Grosseteste, Comm. Post. Anal., I, 11, ed. Rossi (nt. 11), 179. Cf. ibid.: “Et has tres, scilicet logicam, metaphysicam et naturalem, vocat Aristoteles rationales, quia propter parvitatem certitudinis comprehensionis istarum quodammodo versatur in his rationaliter magis et probabiliter quam scientifice, licet in his sit scientia et demonstratio, sed non maxime dicta. In solis enim mathematicis est scientia et demonstratio maxime et principaliter dicta.” Cf. ibid., I, 17, 257. While reliance on sense images or phantasms is less productive of knowledge for the mind before the fall and the need to rely on sensation is a punishment for sin, fallen human nature is more able to know that which can be known through sensation than that which is immaterial. Cf. ibid., I, 11, 182 sq.

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sometimes use induction, Grosseteste points out, mathematics always uses deduction 17. Grosseteste argues that what is peculiar to scientific knowledge (as opposed to intellectual knowledge) is that what we come to know scientifically is always what we first doubted or what appeared false to us. (This is because science, unlike intellectus, is acquired knowledge, so in science we move from not knowing to knowing 18.) Grosseteste, then, introduces the notion of doubt as a positive feature of scientific knowledge: the domain of science is the realm of what we do not know and can raise questions about. We can connect this to Grosseteste’s fledgling notion of the necessity of ‘testing’ scientific hypotheses. Grosseteste describes a process of experiment (experientia) in which “the awakened reason begins to wonder and to consider whether things really are as the notion in the memory says, and these two lead the reason to an experiment (experientia)” 19. Grosseteste begins by disagreeing with Aristotle’s opening claim (in the Latin version Grosseteste consulted) that all knowledge comes from preexisting knowledge. Grosseteste comments, “I say that knowledge of principles is not acquired by instruction since we are not taught nor do we add to our knowledge unless that which we first conceive is either doubtful to us or apparently false, and after doubting or holding the contrary opinion the truth becomes manifest to us” 20. Here, Grosseteste sees doubt and even error as a fruitful beginning of scientific investigation. Error is to be overcome, of course, but by posing the questions, beginning the investigation, rather than following the path of reading, beginning from a stance of humility and faith as recommended by Hugh of St. Victor. 2. Roger Bacon Roger Bacon has the most extreme response to Aristotelian science as he understood it and he is also the one most concerned about finding in the new 17 18 19

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Cf. ibid., 178 sq. Cf. ibid., 94. Ibid., I, 14, 215: “Et ex hac intentione estimate frequenter et in memoria expergiscitur ratio, que expergefacta incipit admirari et considerare an res se habeat sicut dicit estimatio memorata. Et hec duo convertunt rationem ad experientiam […]”; transl. by S. P. Marrone, William of Auvergne and Robert Grosseteste: New Ideas of Truth in the Early Thirteenth Century, Princeton (NJ) 1983, 274. Robert Grosseteste, Comm. Post. Anal., I, 1, ed. Rossi (nt. 11), 94: “Et dico quod scientia principiorum non est acquisita per doctrinam, quia non docemur vel addiscimus nisi illus quod cum primo concipimus est nobis dubium vel apparet falsum et post dubitationem vel contrariam opinionem manifestatur nobis eius veritas.” Southern cites the Latin translation of Aristotle Grosseteste is commenting on as, “omnis scientia acquisita per doctrinam et disciplina […] est ex pre-existente cognitione”, which is a bit different than the Greek text in modern use, which reads, “all teaching and all learning by argument comes from preexistent knowledge”. Cf. Aristotle, Posterior Analytics, I, 1, 71a 1-3. Cf. also R. Southern, Robert Grosseteste: The Growth of an English Mind in Medieval Europe, Oxford: 1986, 21992, 164. Nonetheless, Grosseteste’s insertion of the importance of knowledge beginning in doubt is significant.

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scientific model a path out of error. Bacon’s ‘Opus maius’ enumerates four causes of error. These are: 1) submission to faulty authority, 2) the influence of custom, 3) popular prejudice, and 4) the desire to conceal ignorance and appear wise. The first three amount to different ways of describing prevailing opinion or consensus as unreliable, and the fourth speaks to the human desire to be an authority or an arbiter of opinion. Bacon also adds a strong dose of esotericism, rejecting any sense that truth can be contained in popular opinion or will come out in the marketplace of ideas. Bacon’s path of avoiding or correcting error by avoiding both authorities and opinion contrasts with the Victorine model once again, since for Hugh the path to knowledge is constructed by taking in and learning from all books, all sources of knowledge, working from the assumption that they have some early or partial version of the truth to offer. Bacon, more than others in this period, takes the position that what has come before is error, because it does not meet the high standard of demonstrative knowledge. The way to avoid error, Bacon explains, is to “replace weak authorities with strong, custom with reason, and the feelings of the vulgar with the opinions of the holy or wise” 21. In order to avoid these errors and find our way to true authorities, reason, and the wise, we must, Bacon argues, “freely hear what is contrary to vulgar convention” 22. The point seems to be to examine received opinion critically, to take the opposite side of a question from that which is accepted by common opinion. One must, in other words, cultivate skepticism about what is usually thought. Truth is usually on the side of what is unpopular, Bacon warns, so one can make a practice of skepticism about what the masses think as a way of avoiding error more effectively. It is hard not to hear in these criticisms of authority, tradition, and common sense echoes (or rather the opposite of echoes, a kind of preparatory throat clearing) of that other Bacon, Francis, and his critique of the “idols of the mind” 23. Roger Bacon concludes that only mathematics can be free from doubt and only mathematics can proceed by demonstration 24. Therefore, the way to “arrive at certainty without doubt and truth without error” is to ground all the other 21

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Roger Bacon, Opus maius, I, 8, ed. J. H. Bridges, Oxford 1897 [Reprint: Frankfurt a. M. 1964], 17: “Remedium vero contra haec tria non est, nisi ut tota virtute auctores validos fragilibus, consuetudini rationem, sensibus vulgi sententias sanctorum aut sapientum reponamus.” Hereafter references are made in the text as ‘Opus maius’, followed by the part, chapter, and page number in Bridges’s edition. Translations are my own but I have consulted the translation of R. B. Burke, The Opus Majus of Roger Bacon, Philadelphia 1928. (The Latin edition is not up to contemporary standards, so my conclusions about Bacon can only be conditional. Though the English translation is not egregiously misleading, in the English version, some pieces of the text are found in different locations than in the Latin version; the manuscript tradition presented a difficult set of conflicts even when these were originally published, more or less one hundred years ago.) Roger Bacon, Opus maius, I, 8, ed. Bridges (nt. 21), 17: “Et licet totus mundus sit his causis erroris occupatus, tamen audiamus libenter contraria consuetudini vulgatae.” Francis Bacon, Novum organon, lib. I, aphorisms 38-68, edd. G. Rees/M. Wakely, in: The Instauratio magna part II: Novum organum and Associated Texts, Oxford 2004, 79-108. Cf. Roger Bacon, Opus maius, IV, dist. 1, c. 2, ed. Bridges (nt. 21), 105.

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sciences in mathematics 25. “A science which is full of doubts and sprinkled with opinions and obscurities cannot be rendered certain, nor made manifest, nor verified except by some other science known and verified, certain and plain to us”, Bacon writes, and that other science can only be mathematics 26. As a way of avoiding error in physics (even a mathematical physics), Bacon gives experimentum a new, more important task. After demonstrative proof has been constructed, Bacon maintains that those results must be confirmed by experimentum. While Aristotle describes the path of the discovery of the principles of science by a kind of induction in the famous metaphor of soldiers after a rout returning to form a line at the end of the ‘Posterior Analytics’, Bacon notes the necessity of experimentum to confirm conclusions in the sciences 27. Knowledge by means of reasoning to conclusions via argument is not enough to produce certainty, Bacon argues; the removal of doubt requires the discovery of conclusions by the path of experience as well 28. The path out of error to certainty goes through experimental science; only by this path can trickery and magic be distinguished from art and nature, Bacon argues 29.

III. Sacred vs. secular er ror in William of Auvergne and Alexander of Hales 1. William of Auvergne While Bacon boldly tries to turn the new science into an aid and support for theology, William of Auvergne and the ‘Summa fratris Alexandri’ respond differently to the move by Grosseteste, Bacon, and others to privilege the new science as certain and downgrade other kinds of knowledge as fraught with error. William and ‘Alexander’ want to protect sacred study from the charge that it lacks rigor and certainty, even as in subtle ways they allow the language and categories of Aristotelian science to reconfigure sacred study. 25 26 27

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Ibid., 106. Cf. ibid., c. 1, 97 sq. Ibid., 107. Cf. Aristotle, Posterior Analytics, II, 19, 100a 1-14; Bacon, Opus maius, VI, ed. Bridges (nt. 21), 172 sq. Cf. ibid., 167. The precise role of experience here is not clear. Bacon gives the example of someone who has never seen a fire: with only the idea or notion of fire, he would not know enough to avoid being burned. He also argues that one needs actual, drawn lines to understand Euclid’s geometry. On the role of experience here, cf. J. Hackett, Roger Bacon on Scientia Experimentalis, in: id. (ed.), Roger Bacon and the Sciences: Commemorative Essays (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 57), Leiden-New York-Köln 1997, 291. Cf. Roger Bacon, Opus maius, VI, ed. Bridges (nt. 21), 172 and 221. On Bacon and magic, cf. L. Thorndike, A History of Magic and Experimental Science: During the First Thirteen Centuries of Our Era, 2 vols., New York 1929, vol. 2, 666 and G. Molland, Roger Bacon and the Hermetic Tradition in Medieval Science, in: Vivarium 31 (1993), 140-160.

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William sets out to defend the universal truth (veritatem commune) by means of “irrefragable proofs” and writes of his aim to use Aristotle to produce “demonstrative certitude, after which you are left without any trace of doubt” 30. Thus, in ‘De universo’, William rejects arguments from authority and instead sets out to use philosophical arguments to refute error and establish the truth and produce certainty. This “natural knowledge”, the knowledge of the philosophers, is strongly contrasted with the stance of faith. The question raised by this contrast is what the value of rational, demonstrative arguments to support the claims of faith is. William takes up this question in ‘De fide’, in which he argues that belief sustained by rational proof is less virtuous than belief as a commitment to what is not known with certainty, nor supported by evidence making it probable. He concludes: “Believing, however, that which is not apparently true […] is virtue.” 31 And the faith that is a virtue in this sense is characterized as the foundation of religion, belief that is a free and vehement choice based on the virtue of believing alone 32. William concludes that the sort of belief that stands in need of support or security is not only not true faith but is an insult to God 33. Thus, in William, as opposed to Hugh, there is no longer an analogous structure between the arts and the study of scripture; one, demonstrative science, is certain and error free, while faith is a commitment to what is not known with certainty. Though William vehemently rejects the quest for scientific certitude in matters of faith, he holds that its fundamental principles, the “articles of faith”, are the “first principles” of sacred study, which must be accepted by everyone and held with certainty. Though these principles of faith are not supported by their self-evidence to the intellect but by vehement voluntary commitment, assent to them must be universal and unequivocal. What began sounding, at least to modern ears, like faith as an embrace of what is not just uncertain but improbable, ends in a kind of fundamentalism in the etymological sense. That is, it ends in the sense that there must be a foundation, a basic and clear set of beliefs that must simply be accepted as necessary truth without further discussion. But as “unscientific” as this kind of foundation for faith sounds, it is a reaction exactly to the criterion of science as proceeding from indubitable first principles. The point here is not that William takes the basic claims of creed as 30

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William of Auvergne, De universo, IIIa-IIae, Part III of Part II, ch. 6, ed. F. Hotot, in: Guillielmi Alverni Eipscopi Parisiensis Opera Omnia, 2 vols., Orleans-Paris 1674 [Reprint: Frankfurt a. M. 1963], vol. 1, 1028E; id., De anima, ch. 1, pt. 1, ed. F. Hotot, in: ibid., vol. 2, suppl., 65b. All passages from William of Auvergne’s works are cited from this edition by the original divisions in the text and volume and page numbers from this edition. These particular passages from ‘De universo’ and ‘De anima’ are also cited in R. J. Teske, William of Auvergne on the Relation between Reason and Faith, in: id., Studies in the Philosophy of William of Auvergne, Bishop of Paris (1228-1249), Milwaukee 2006, 179-194, at 186. William of Auvergne, De Fide, ed. Hotot (nt. 30), vol. 1, 4F: “Credere autem ea quae non apparent ess vera, vel quae non videntur esse vera, hoc non est nisi virtutis.” Cf. ibid. Cf. ibid., 5C.

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beyond doubt and error-free (or that that is something new) but that he formulates that indubitable and universal character in terms that mirror the structure of Aristotelian science as principles from which further conclusions can be drawn. And he thereby creates a clear line between certainty (in the vehement voluntary acceptance of the principles) and error (in rejecting or not holding the principles as certain). Here, we see articulated in the realm of faith that sharp line between complete and undoubting adherence versus anything less, which counts as error. 2. The Summa fratris Alexandri The writers of the ‘Summa fratris Alexandri’ carry forward what we have found in William: the notion of two different kinds of certainty (and, as corollary, two different kinds of error), which they distinguish as intellectual vs. affective. The discussion of these matters in the ‘Summa’ is aimed at laying out the sense in which sacred study can be understood as “science”, and these differences become the foundation for arguing for its own kind of certainty different from that of Aristotelian science. Theology perfects the affections rather than the intellect and is truly wisdom (sapientia), because it is cognition according to taste (sapor) and, second, issues in action, moving the affections toward the good “through the principles of fear and love” 34. Third, faith precedes understanding in theology, but in science understanding precedes faith or assent 35. Conceding that science has greater intellectual certitude, the writers answer that the certitude of theology is affective, that of the sciences experiential. The ‘spiritual man’, unlike the ‘animal man’, derives understanding and certitude from the spiritual meaning of scripture 36. There is the certitude “according to the speculation of the intellect, which is through the mode of vision”, but there is another affective certitude “which is through the mode of adherence, namely through the will or love” 37. Thus, there are two kinds of error, one in the intellect and one in the affect or will. In a sense, this disjunction goes back to Augustine; that is what is depicted so dramatically in Augustine’s ‘Confessions’. Augustine, after having achieved a kind of intellectual conversion, having reasoned through and come 34

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Summa fratris Alexandri, q. 1, c. 1, corp., ed. P. Peratoni, in: Doctor irrefragabilis Alexandri de Hales Ordinis minorum Summa theologica, 5 vols., Quarrachi 1948, vol. 4, 2: “Prima est ut cognitio secundum visum, et ideo debet dici scientia absoluta; secunda, ut cognitio secundum gustum, et ideo debet dici sapientia a sapore affectionis.” References are given below by the original divisions in the text followed by the page number in this edition. Cf. ibid., ad 4, 3. Cf. ibid., c. 4, a. 2, ad 3, 9. Ibid., q. 2, M. 3, c. 4, ad 3, 35: “Distinguendum est: quod est certitudo secundum speculationem intellectus, quae est per modum visus, et est certitudo secundum sensum affectus, quae est per modum adhaerentiae, voluntatis scilicet vel amoris.”

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to the conclusion that the Christian account of God and reality is the one that makes the most sense, Augustine is unable to bring his will to assent, to give up his love for those lesser and less real objects. However, in another sense, we could say this is a very un-Augustinian position, since Augustine, like Plato, considers that an error of the affect is an error of the intellect; that is, to go wrong in what one loves (or in Plato’s language, what is considered good) is to go wrong about what is true: the true nature of the good. The ‘Summa fratris alexandri’ writers, like William of Auvergne, certainly take the view that error about matters of faith, affective error about what one loves, is far worse than intellectual error. In that sense, they stand with Augustine and Plato over modern thinkers like Hobbes and Hume, for whom there is no error in the affects, no disputing, if you will, not only about taste but also love and desire, making reason “the slave of the passions”, as Hume so famously put it. We are still far from this modern view in the ‘Summa fratris alexandri’, but we have taken a step toward it. IV. Alber t the Great, T homas Aquinas, and Bonaventure 1. Albert the Great Albert the Great develops a number of strategies to adapt Aristotle’s account of science so that it can fit all the disciplines, including physics, metaphysics, and revealed theology. We do find in Albert some of the same ways of ranking the sciences in terms of their certainty and propensity to error that we found in Grosseteste and Bacon. In the ‘Commentary on the Metaphysics’, Albert defines wisdom as knowing that which is difficult to know; and things are difficult to know either through their imperfection (physics) or their perfection (metaphysics) 38. In a discussion of which of the sciences are the most free, Albert argues that it is neither physics (because of greater error and diverse opinions) nor divine science (because it is beyond our intellects); thus, math is the most liberal or free because its conclusions are not subject to variety of opinion and are proportioned to our intellect 39. Yet, Albert argues that, as sciences, all these disciplines are concerned with unchanging rationes rather than changeable individuals, and, second, that different disciplines have different methods and forms depending on the knowability of their different objects. For Albert, this also means that ethics can be a 38

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Cf. Albertus Magnus, Metaphysica., I, tr. 2, cap. 1, ed. B. Geyer, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. XVI/1, Münster 2000, 18. Cf. ibid., cap. 7, 24,38-67. Cf. B. Ashley, St. Albert and the Nature of Natural Science, in: J. A. Weisheipl (ed.), Albertus Magnus and the Sciences: Commemorative Essays 1980, Toronto 1980, 95. Ashley claims, wrongly I think, that Albert completely rejects the Platonist view that math is more a science than physics.

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science, insofar as it is concerned not with individual acts per se but rationes morum 40. Albert’s ‘Commentary on the Physics’ begins with a distinction between the path of knowing in physics as different from that of the other sciences. The context is Aristotle’s claim in the first chapter of the ‘Physics’ that that which is first known to us is universals or wholes, known confusedly, thus, Aristotle notes, children begin by calling all women ‘mother’ and only later come to distinguish among individuals. Albert uses this comment to make a distinction between physics and the other sciences. Physics begins with the senses and thus begins with the confused universal and works its way toward more distinct knowledge 41. This mode of knowing, from that which is simpler and indistinct to what is more distinct and composite, is the via compositionis and is proper to natural science but not to the other sciences. In those other sciences, the opposite path, from the particular to the universal, the via resolutionis, is followed 42. This view of physics is reflected in Albert’s commentaries on Aristotle’s works of natural philosophy, which include Albert’s insertions of alphabetical lists of types of stone, herbs, animals, along with descriptions of them, their properties and possible uses or virtues. In addition, experience/experiment is more necessary in physics than in mathematics, Albert argues. Knowledge of things in matter and time is mixed with opinion and not confirmed science, Albert notes, citing Aristotle’s comment about how the young can become good mathematicians but not physicists or ethicists, because they do not have experience 43. But Albert goes further, arguing that it is the uncertainty of the subject matter of physics, that what is known about things in matter and motion is more mixed with opinion and more uncertain, that makes us more in need of experience/experiments in physics than in mathematics in order to avoid error 44. Albert makes a similar claim in his 40

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Cf. J. Müller, Ethics as a Practical Science in Albert the Great’s Commentary on the Nicomachean Ethics, in: W. Senner e.a. (eds.), Albertus Magnus Zum Gedenken nach 800 Jahren: Neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N.F. 10), Berlin 2001, 277-279. Honnenfelder concurs with Wieland’s claim that Albert initiates an establishment of ethics as self-standing practical philosophy; cf. L. Honnenfelder, Die philosophiegeschichtliche Bedeutung Alberts des Grossen, in: id./R. Wood/ M. Dreyer/M.-A Aris (eds.), Albertus Magnus und die Anfänge der Aristoteles-Rezeption im lateinischen Mittelalter (Subsidia Albertina 1), Münster 2005, 249-280, at 271 and G. Wieland, Ethica - Scientia practica. Die Anfänge der philosophischen Ethik im 13. Jahrhundert (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. N. F. 21), Münster 1981. Cf. Albertus Magnus, Physica, I, tr. 1, cap. 6, ed. P. Hossfeld, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. IV/1, Münster 1987, 12. “And so it is clear how the universal is more known to sense according to us and more hidden by nature, and the particular more manifest by nature and more hidden to sense according to us.” Cf. Albertus Magnus, Metaphysica, I, tr. 1, cap. 7, ed. Geyer (nt. 38), 10, which makes same distinction between two kinds of universals, confused and mixed vs. separate and distinct. Albertus Magnus, Physica, I, tr. 1, cap 6, ed. Hossfeld (nt. 41), 12. Cf. id., Metaphysica, I, tr. 1, cap. 7, ed. Geyer (nt. 38), 10. Cf. Aristotle, Nichomachean Ethics, IV, 1142a 11. Cf. Albertus Magnus, Metaphysica, I, tr. 1, c. 1, ed. Geyer (nt. 38), 1,24-27 and 52-56. Cf. M. de Asu´a, Minerals, Plants and Animals from A to Z: The Inventory of the Natural World in

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‘Commentary on Metaphysics’, arguing that we need more often and more diligently to test/experience those things that are less certain 45. In his account of the principles of metaphysics, Albert notes that they cannot be demonstrated or taught but that one must be persuaded to their truth, justifying a broader use of language and tactics to bring about understanding of its basic principles 46. Albert also defends the use of poetic language and other persuasive techniques in revealed theology, beginning from the feature theology shares with metaphysics - that, as Aristotle says, our eyes confronted with the highest things are like those of bats looking toward the sun 47. Besides poetic language, Albert goes on defend the use of admonition and command, appeals to the senses through hymns or prayers, parables or similitudes as appropriate to theology. What I am suggesting - though I have only as yet scattered and incomplete evidence for this claim - is a possible way of seeing as coherent the things Albert says about the different sciences - his strong emphasis on observation and collections of data natural philosophy, his reliance on intellectual illumination in metaphysics, and his leanings toward a highly negative, even mystical theology. Albert accommodates diverse sciences understood by different traditions by construing the science, their methods, and sources as different from one another, conforming to their subjects and human powers of knowing. From within this frame of the diversity of scientific knowledge in its origins and procedures, we can also make sense of Albert’s opposition to mathematical physics, as well as his broader understanding of the nature, modes, and functions of revealed theology. It would follow from this view that Albert understands error (and its avoidance) to take different forms in different disciplines. Physics needs examples and data to avoid error because of the variability in its subject matter; metaphysics, because its considerations are not tied up with matter, needs intellectual illumination rather than experience to avoid error, and theology, because of the degree to which its object surpasses our intellect and because what it illuminates is the supreme good, needs different modes of language and genres to adumbrate its unknowable object and move the affections toward it to avoid error. Further, we can see that in Albert there is a more thorough and nuanced assimilation of Aristotle than in Grosseteste or Bacon. Looking more broadly than at the ‘Posterior Analytics’, Albert finds in Aristotle a notion that we can

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Albert the Great’s philosophia naturalis, in: Senner e.a. (eds.), Albertus Magnus Zum Gedenken nach 800 Jahren (nt. 40), 399. Cf. also T. Koehler, Wissenschafliche Annäherung an das Individuelle im 13. Jahrhundert. Der Einfluss von ‘De animalibus’ des Aristoteles, in: J. A. Aertsen/ A. Speer, Individuum und Individualität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 24) BerlinNew York 1996, 161-177. Cf. Albertus Magnus, Metaphysica, I, tr. 1, cap. 8, ed. Geyer (nt. 38), 11 sq. Cf. ibid., cap. 3, 20,40-49. Cf. id., Summa theologiae, tr. 1, q. 5, cap. 1, in: ed. D. Siedler, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. XXXIV/1, Münster 1978, 16 sq.

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move from general and indistinct knowledge to more specific and clearer knowledge. Albert has a sense, quite correctly, that error (like children calling all women ‘mother’) is not an abyss from which one can never extricate oneself or which one can wholly avoid, but rather a mode of ‘partial’ knowing from which, necessarily, more complete knowing must come. Thus, Albert has in his ecumenism a way of being more open and more flexible about error, preserving the notion of multiple ways of knowing, multiple sources of knowledge, and multiple methods to pursue understanding. Thus, there is not one method, one source of knowledge, one way of knowing while the others amount to error, as they do for Bacon, for example, who rejects all knowledge except mathematic demonstration. 2. Thomas Aquinas Thomas Aquinas adopts an even more thoroughgoing account of the sciences as constituted by their rationes rather than the ontological status of their objects than Albert or the earlier Grosseteste. Aquinas’ strong and consistent account of the subjects of the sciences is grounded on the mode of their consideration of things, their ratio, rather than the ontological status of their objects. Though this understanding of the sciences differentiates them in terms that are neither arbitrary nor unjustified, it still generates sciences that study diverse things under the same aspect, and/or the same things under different aspects. There is a science of everything insofar as it is being, and a science of material being considered without matter, and a science, i. e., necessary knowledge, of that which is not per se necessary, the natural world. In his ‘Commentary on the Posterior Analytics’, Aquinas articulates the general principle for differentiating one science from another: “Since something scientifically knowable is the proper object of a science, the sciences will not be diversified according to material diversity of scientifically knowable objects, but according to their formal diversity […]. Therefore, no matter how diverse certain scientifically knowable objects may be in their nature, so long as they are known through the same principles, they pertain to one science, because they will not differ precisely as scientifically knowable. For they are scientifically knowable in virtue of their own principles.” 48

Different secular sciences sometimes work toward the same conclusion, but they do so through different means (e.g., the earth can be proved to be round by both mathematical and physical principles); he concludes: “Hence, nothing prohibits the same things which are treated by the philosophical disciplines according as they are knowable by the light of natural reason, also being 48

Thomas Aquinas, Expositio libri Posteriorum Analyticorum, I, 41, edd. R. Spiazzi/A. Pirotta in: S. Thomae Aquinatis In Aristotelis libros Peri hermeneias et Posteriorum Analyticorum expositio, Turin-Rome 1955, 366.

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treated by another science according as they are known by the light of divine revelation.” 49 “Since therefore sacred scripture considers things according as they are divinely revealed. […] all things whatever which have been divinely revealed share in the single formal ratio of the object of this science. And thus they are comprehended under sacred doctrine as under one science.” 50

On the one hand, and like Albert, Aquinas sees the sciences as arranged hierarchically; the ratio of the metaphysician is both more universal and seeks knowledge of more universal causes than those of mathematics and physics. Further, from these human sciences to sacred doctrine there is a qualitative jump in the interpretation of the significance and end of the reality it considers. However, on the other hand, there is a sense in which which any ratio can trump the other, depending on what question you are asking. The different sciences can only be perspectives, so to speak, because we cannot take in all aspects of things at once; we cannot consider the thing as material and in motion, as quantified, as being, and as created at once, but have to move from one kind of consideration to another. In the ‘Summa’, on the issue of whether we can understand many things at the same time, Aquinas responds, “the intellect can, indeed, understand many things as one but not as many” 51. As Aquinas notes in his Sentences commentary, the metaphysician’s consideration is more universal than the physicist’s or the mathematician’s only because it ignores other essential and accidental characteristics of the thing; it considers the thing as being and hence not as material in motion, or morally good or bad 52. Each science is both a way of seeing many things at once (as physics, for example, considers many things as sharing the common traits of motion and matter), and, in a sense, a way of seeing one thing at a time, i. e., what the things considered share. Each of the sciences is a true consideration of things, a perspective that is not false; it is, however, limited by its ratio. The result does not just explain how you can have certain knowledge of what is per se uncertain but also how you can have multiple sciences each with their own claim to the status of knowledge as different perspectives on the same objects. Their claims, though different, do not have to compete and do not have 49

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Id., Summa theologiae, I, q. 1, a. 1, ad 2, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. IV, Rome 1888, 7: “Unde nihil prohibet de eisdem rebus, de quibus philosophicae disciplinae tractant secundum quod sunt cognoscibilia lumine naturalis rationis, et aliam scientiam tractare secundum quod cognoscuntur lumine divinae revelationis.” Ibid., a. 3, corp., 12: “Quia igitur sacra Scriptura considerat aliqua secundum quod sunt divinitus revelata, secundum quod dictum est, omnia quaecumque sunt divinitus revelabilia, communicant in una ratione formali obiecti huius scientiae. Et ideo comprehenduntur sub sacra doctrina sicut sub scientia una.” Ibid., I q. 85, a. 4, corp.: “[…] intellectus quidem potest multa intelligere per modum unius, non autem multa per modum multorum […]” (my emphasis). Cf. Thomas Aquinas, Scriptum super Sententiis, Prooemium, Prol., q. 1, a. 2, corp., ed. R. P. Mandonnet, vol. 1, Paris 1929, 10: “Ita et cum ista scientia [sacra doctrina] sit altissima et per ipsum lumen inspirationis divinae efficaciam habens, ipsa unica manens, non multiplicata, diversarum rerum considerationem habet, non tantum in communi, sicut metaphysica, quae considerat omnia inquantum sunt entia, non descendens ad propriam cognitionem moralium, vel naturalium.”

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to falsify those of the other sciences to succeed. For Aquinas, this is tied to the limited and always partial mode of human understanding, which can come to universal knowledge only by sacrificing particularity. We can, as Aquinas puts it, know many things at once but not as many, only, then, under one ratio at a time. This multi-layered notion of knowledge and error is carried through in the way in which Aquinas executes the disputatio format, most characteristically not engaging in falsification so much as reinterpretation, reinstating even rejected views as part of the truth. Though I cannot really argue for this here, my view is that, superficial appearances to the contrary, the “disputatio” method actually envisions error more as an interpretive error, as incomplete understanding that can be brought right, rather than as something that is simply and wholly wrong. Disputation is connected to the methods of scripture interpretation, bringing to bear texts in the arts, and then of answering questions/solving disputes about how to interpret the text, figuring out which readings can be accommodated and at what level.

3. Bonaventure Even though there is a sense in which Albert and Aquinas are in different ways recuperating a sense of knowledge as interpretation and of error as partial or incomplete knowledge, it is Bonaventure who recovers more completely these Augustinian/Victorine notions in the context of assimilating Aristotle’s notion of science. Bonaventure’s ‘De reductione atrium ad theologiam’ uses Hugh’s division of the mechanical arts and division of philosophical knowledge into rational (the trivium), natural (divided into physics, mathematics, and metaphysics), and moral (divided into ethics, economics, and politics). Echoing ‘De doctrina’ and the ‘Didascalicon’, Bonaventure insists that the different arts and sciences are ordered toward an understanding of scripture 53. Bonaventure finds (repeatedly and relentlessly) in the arts and sciences their “reduction” to scripture, to God and, in the ‘Collationes in Hexae¨meron’, more specifically to Christ. The modifications of light which are the modes of knowing other than in scripture (sense perception, mechanical arts, rational, natural, and moral philosophy) are not just to be used in the understanding of scripture but they are, Bonaventure writes, “enclosed within it and perfected in it … and by means of it are ordered to eternal illumination” 54. In the ‘Collationes’, Bonaventure expounds on the three ways the intelligence is led to the light: through reasoning, experience/experiment, and the understanding. Experience/testing brings knowledge of the mixed, composite, and defective character of the product in relation to 53

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Cf. Bonaventure, De reductione artium ad theologiam, 7, ed. Collegium S. Bonaventurae, in: Doctoris seraphici S. Bonaventurae Opera omnia, vol. 5, Quaracchi 1891, 363-385, at 322. Cf. ibid.

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its origin in God 55. What Bonaventure says in the ‘De reductione’ about natural philosophy is, for him, of course, true of all of the sciences: “Behold, how the wisdom of God is hidden in natural philosophy.” 56 When it comes to metaphysics, Bonaventure outlines what it can know, how it can exemplify the Trinitarian structure with Christ at the center, and what it cannot achieve on its own. Metaphysics can move from created and particular being to uncreated and universal being and can see this being as origin and end, Bonaventure maintains. It is Christ as center who produces knowledge and who is “the metaphysical center that leads us back”. Bonaventure concludes, “this is the total of our metaphysics: emanation, exemplarity, and consummation, namely to be illuminated by spiritual rays and reduced to the highest. And this is true metaphysics” 57. For Aristotle, substances, composites of matter and form, are subsistent, their forms un-generated and, thus, in a sense necessary, while accidents of those substances are contingent, non-necessary features dependent on their host substances. Bonaventure glosses the primary distinction between subsistence and contingency (an opposition evoking the Aristotelian distinctions between substance and accident and necessary and contingent) in Trinitarian form: the subsistent is “from itself, according to itself and on account of itself ” and contingent being is then “from another, according to another and on account of another” 58. For Bonaventure, contingency implies dependency not just on any efficient cause but on an exemplar; it also implies direction the desire to return to that origin. For Bonaventure, Aristotle’s six pairs of metaphysical terms - substance/ accident, universal/particular, potency/act, one/many, simple/composite, and cause/caused - are versions of Augustine’s distinction between signs and things. As Augustine’s analysis leads to the conclusion that God is the only thing and everything else is a sign, Bonaventure’s reveals God as the one in and exceeding the many. God is simple, even the immaterial angels are composite. Bonaventure’s point in both ‘De reductione’ and the ‘Collationes’ is the same, in a sense, as Plato’s in the Gorgias - that knowledge (or science or wisdom) is not knowledge unless it is knowledge of the good. Knowledge of the world is not really knowledge unless it leads to knowledge of God, Bonaventure shows, repeatedly finding Trinitarian structure, emanation and return, dependence and direction in the creature. Bonaventure does not create two realms, one of scientific knowledge and the other of affective certainty, as if they could be rivals or separate but equal; rather, he subsumes Aristotelian science into theology, rewriting its terms so that they find their true home in God or scripture or Christ. Aristotelian science looks into the reality, incomplete and dependent though it 55

56 57 58

Cf. id., Collationes in Hexae¨meron, V, 30, ed. Collegium S. Bonaventurae, in: ibid., 327-454, at 359. Id., De reductione artium ad theologiam, 22 (nt. 53), 325. Id., Bonaventure, Collationes in Hexae¨meron, I, 17 (nt. 55), 332. Ibid., I, 12, 331.

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Eileen C. Sweeney

is, in the material world, but the theologian finds in its definitions, distinctions, and arguments pointers back to their origin and end in God. In Bonaventure’s hands, the very form of the Aristotelian syllogism, the means of showing scientific conclusions, becomes a figure for the Trinity. “The middle term by its evidence, manifestation and fittingness with the extremes compels reason to assent, so that while the extremes before had no manifest connection between them, by virtue of the middle term’s connection to both extremes, their connection became manifest.” 59 Hence, for Bonaventure, what the syllogism reveals most deeply, its truth, if you will, is not in uncovering relations of cause and effect, based on definitions and essential attributes, but its structure as imitating the truth of Christ as mediator, joining Father to Holy Spirit, human beings to God. Thus, Bonaventure is not so much contradicting or proposing an alternative to Aristotelian science as he is asserting an origin and end for all knowledge/ science (Aristotelian or not) in Christ. In other words, Bonaventure does not reject Aristotelian science as outright or total error but sees it as partial truth, at its best exemplifying, as all things do, a divine origin and end. Insofar as Bonaventure rejects the conclusions Aristotle reaches about the eternity of the world or the reality of divine ideas, he rejects them for cutting off the possibility of further meaning, as a failure to see the deeper reality of things in terms of their origin and direction in God. For Bonaventure, then, the nature of error is as a form of mis- or non-interpretation, harkening back, of course, to Augustine’s ‘De Doctrina christiana’. The error is not in Aristotle per se but in the context in which his account is placed, as the whole truth as a rival to the Christian truth, rather than as Bonaventure would see it, as the partial truth. V. Conclusion I have always been attracted to Hugh of St. Victor’s interpretative model of knowledge acquisition and open-ended stance toward its sources, and interested in the question about how much of it survived into the 13th century and beyond. This question is not usually posed because the terms for discussing knowledge, truth, and error become those from the Aristotelian corpus, leaving scholars of one period or the other on their own side of that divide. But there are common questions and problems albeit phrased in different terminology. In the early wave of interpreters, Grosseteste, Bacon, William of Auvergne, and the ‘Summa fratris alexandri’, we see what appeared to be the challenges posed by Aristotle for Hugh’s hermeneutic mode. What I have tentatively argued for here is that in the hands of Albert, Aquinas, and Bonaventure some aspects of the picture we find in Hugh of St. Victor are reinterpreted in the context of Aristotle’s 59

Ibid., I, 25, 333.

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account of science, making possible, in different ways and different degrees, the co-existence of multiple modes of knowing and methods of coming to truth and avoiding error. Though it is a big claim to make, I think we do find in that this flexibility and openness (albeit within limits and with continued battles about how flexible and open to be) that allowed for the development of the sciences, in its own way paving the way for modernity and, ironically, the defeat of scholasticism, which helped to bring it about. In terms of the notion of error such a view implies, the philosophical task is less about refutation and the purging of error than finding a place for it in the ongoing dialectic of understanding. I think that such a view of error, in which it is recast as partial truth, goes with a notion in which its opposite, truth, is also partial and provisional. On such a view our certainties are not so brittle that they cannot admit qualifications and completions by others. That goes as well, I hope, for the claims I make in this paper.

ˆ ge L’erreur invincible et le proble`me sceptique a` la fin du Moyen A Christophe Grellard (Paris) Je souhaiterais ici attirer l’attention sur un fait mineur, mais significatif, a` savoir l’importation par Gauthier Chatton d’un concept d’e´thique et de the´ologie morale, le concept d’erreur invincible (error invincibilis), d’une erreur qui ne peut pas eˆtre e´vite´e, dans les discussions e´piste´mologiques sur le scepticisme (entendu comme de´bat sur la possibilite´ pour nous de parvenir a` une connaissance certaine de la ve´rite´). Cet usage par Chatton de la notion d’erreur invincible dans un contexte e´piste´mologique est, pour autant que je sache, relativement isole´ 1. Mais il est ne´anmoins important dans la mesure ou` il est lie´ aux discussions qui conduisent a` l’e´laboration de l’argument sceptique le plus puissant, l’argument de la tromperie divine 2. Les e´changes entre the´ologie morale et e´piste´mologie conduisent a` la formation d’une nouvelle forme de fide´isme, directement lie´e a` l’erreur invincible. Classiquement, en particulier dans la tradition augustinienne qui est la plus sensible au de´fi sceptique (par exemple, chez Jean de Salisbury ou des franciscains the´ologiens comme Bonaventure ou Matthieu d’Acquasparta), les arguments sceptiques sont utilise´s pour montrer les limites de la connaissance naturelle, et en particulier, de la connaissance rationnelle 3. C’est 1

2

3

On trouve un usage e´piste´mologique ponctuel chez Jean Buridan e´galement mais dans un contexte un peu diffe´rent. Il n’est malheureusement pas possible d’aborder ce point dans le cadre de cette e´tude. Voir Jean Buridan, Quaestiones in Metaphysicen (ultima lectura), Paris, Poncet le Preux, 1518, L. II, q. 1, fol. 9ra; Quaestiones super decem libros ethicorum, Paris, Poncet le Preux, 1513, I, 1, fol. 11va: « Sciendum quod veritas secundum quod de ea loquimur hoc est conformitas nostre cognitionis autem etiam nostri sermonis ad rem et hec veritas est pertfectio ac bonum naturali intellectus vt dicetur in sexto huius. Propter quod intellectus noster deficit semper a complemento sue perfectionis quam diu fuerit opinionibus falsis informatus. Et tamen non est propter hoc imaginandum quod falsitas sit peccatum nobis imputabile. Non est enim culpa nostra sed est nostre nature debilitas si ignorantia fuerit inuincibilis. Constat autem quod plures veritatis amatores et ipsius profundi scrutatores incurrunt sepe falsas opiniones sed inuincibiliter propter debilitatem sui intellectus. Sed tunc mendaces essemus et in culpa si falsum aliquod preferemus aut sustineremus scienter. » Sur cet argument, l’e´tude classique reste celle de T. Gregory, Dio ingannatore e genio maligno. Nota in margine alle Meditationes di Descartes, Giornale critico della filosofia italiana 53 (1974), 477-516, et T. Gregoryy, La tromperie divine, dans: Z. Kaluza/P. Vignaux (eds.), Preuves et raisons logiques a` l’universite´ de Paris. Logique, ontologie et the´ologie au XIVe sie`cle, Paris 1984, 187-195; cf. aussi D. Perler, Zweifel und Gewissheit. Skeptische Debatten im Mitttelalter, Frankfurt a. M. 2006, 266-280. Pour une pre´sentation ge´ne´rale de cette question, cf. Ch. Grellard, Comment peut-on se fier a` l’expe´rience? Esquisse d’une typologie des re´ponses me´die´vales au scepticisme, dans: Quaestio, 4 (2004), 113-135; Ch. Grellard, Academicus, dans: I. Atucha/D. Calma/C. König-Pralong/ I. Zavaterro (eds.), Mots me´die´vaux offerts a` Ruedi Imbach, Turnhout 2011, 5-16. Sur Jean

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Christophe Grellard

pre´cise´ment cet e´chec de la raison qui permet de faire une place a` la foi dans l’acce`s a` la ve´rite´. Avec la notion d’erreur invincible, la situation est un peu diffe´rente. Le concept d’erreur invincible a d’abord e´te´ e´labore´ dans le cadre de la the´ologie morale afin de rendre compte de la possibilite´ d’excuser ou non certains types de faute. Transpose´ dans le contexte e´piste´mologique, il renvoie a` une situation de contingence radicale ou` l’exclusion de l’erreur ne peut jamais eˆtre garantie. Cette incertitude maximale, exemplifie´e par la tromperie divine, laisse le sujet cognitif seul, et sans moyens d’identifier ou de rectifier son erreur. Cette nouvelle situation modifie radicalement la re´ponse que l’on peut offrir au proble`me sceptique, et modifie le proble`me lui-meˆme. Je rappellerai d’abord les e´tapes de la formation du concept d’erreur invincible dans le contexte de la the´ologie morale, puis j’examinerai successivement les usages e´piste´mologiques de la notion d’erreur invincible chez Gauthier Chatton et Robert Holcot.

I. L’er reur invincible: une question de the´ ologie morale Le concept e´thique d’ignorance invincible (plutoˆt que d’erreur, je reviendrai sur ce point) e´merge dans le contexte des morales de l’intention dans l’e´cole de Laon et dans la philosophie de Pierre Abe´lard, dans le second quart du 12e`me sie`cle. La premie`re pre´sentation de´taille´e du concept peut eˆtre lue dans l’‘Ethica sive scito teipsum’ d’Abe´lard 4. Ce dernier l’utilise dans la discussion sur la responsabilite´ morale des juifs qui ont perse´cute´ le Christ et les premiers martyrs. S’ils ont a` bon droit ignore´ la nature divine du Christ, ils n’ont pas pe´che´ en le perse´cutant. Plus encore, ils auraient pe´che´ s’ils ne l’avaient pas perse´cute´ puisque leur propre compre´hension de la loi divine (en l’occurrence, une mauvaise compre´hension de la loi divine, selon Abe´lard) les obligeait a` perse´cuter le Christ: « Sunt autem qui bonam uel rectam intencionem esse arbitrantur, quocienscumque se aliquis bene agere credit et deo id placere, quod facit, sicut eciam illi qui martires persequebantur, de quibus ueritas in euangelio:Venit hora ut omnis qui interficit uos arbitretur obsequium se prestare deo. (…).

4

de Salisbury, cf. Ch. Grellard, Jean de Salisbury et la renaissance me´die´vale du scepticisme, Paris 2013. Sur Bonaventure, cf. A. Speer, Certitude and Wisdom in Bonaventure and Henry of Ghent, dans: G. Guldentops/C. Steel (eds.), Henry of Ghent and the Transformation of Scholastic Thought, Leuven 2003, 75-100. Sur ce concept peu e´tudie´ a` ce jour, cf. O. Lottin, Le proble`me de l’ignorantia iuris de Gratien a` Saint Thomas d’Aquin, dans: Psychologie et morale aux xiie et xiiie sie`cles, vol. 3, LouvainGembloux 1949, 56-62; S. Kuttner, Kanonistische Schuldlehre von Gratian bis auf di Dekretalen Gregors IX, Vatican 1935, 147-162; Ch. Grellard, Que m’est-il permis d’ignorer? La foi, l’ignorance et les limites acceptables de l’orthodoxie, dans: Ch. Grellard/Ph. Hoffman/L. Lavaud (eds.), Gene`ses antiques et me´die´vales de la foi, Paris, Etudes augustiniennes (a` paraıˆtre); J. W. J. Laemers, Invincible ignorance and the discovery of the Americas: history of an idea from Scotus to Suarez, Ph Dissertation, University of Iowa, 2011.

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Non possumus dicere eos in hoc peccasse nec ignoranciam cuiusquam ue ipsam eciam infidelitatem cum qua nemo saluari potest, peccatum esse. » 5

Dans ce cas, l’ignorance, accompagne´e d’une intention droite et de la volonte´ constante d’accomplir ce que Dieu semble commander, pourrait eˆtre une excuse pour le pe´che´ 6. Mais au-dela` de cette approche the´ologique de la notion d’ignorance invincible, Abe´lard pre´sente aussi un point de vue plus ge´ne´ral, a` porte´e e´piste´mologique, avec le cas du chasseur homicide: « Non credere uero Christum, quod infidelitatis est, quomodo paruulis uel his, quibus non est annunciatum, culpe debeat asscribi, non uideo, uel quicquid per ignoranciam inuincibilem fit, cui scilicet prouidere non ualuimus, ueluti si quis forte hominem, quem non uidet, in silua sagitta interficiat, dum feris uel auibus sagittandis intendit. » 7

Supposons qu’un chasseur, en foreˆt, en de´pit de toutes les pre´cautions qu’il a prises (il n’a pas e´te´ ne´gligent mais examine´ avec pre´caution son environnement, et pris soin de ne viser que les beˆtes sauvages qu’il chassait) en vient a` tirer une fle`che qui ne tue pas la beˆte qu’il visait mais un homme qui se promenait la` (et qu’il a pris pour une beˆte). Ce type d’accident de chasse renvoie a` une situation ou` les efforts cognitifs n’ont pas e´te´ couronne´s de succe`s dans l’identification de l’objet percœ u, malgre´ toute la bonne volonte´ que l’on y a mis. Peuton pour autant excuser le chasseur de son acte? L’exemple est inte´ressant car il identifie clairement les causes de l’excuse: le chasseur a fait de son mieux, n’a pas e´te´ ne´gligent, mais ne se trouve pas en situation de percevoir pleinement sa victime, en raison des limites de ses faculte´s cognitives. Meˆme si Abe´lard utilise ici la notion d’ignorance, on se trouve clairement dans une situation d’erreur, cause´e par l’ignorance: l’ignorance de la pre´sence du promeneur et l’erreur de perception (qui consiste a` prendre une chose pour une autre) sont les deux causes principales de l’homicide. L’ignorance de la ve´rite´ divine par les juifs et l’ignorance du promeneur par le chasseur sont structurellement similaires: tout ce qui exce`de les faculte´s cognitives humaines, soit d’un point de vue structurel (comme la nature divine), soit d’un point de vue accidentel (comme la visibilite´ du promeneur dans une foreˆt) rele`ve de l’ignorance invincible. Notre ignorance est invincible quand, malgre´ tous nos efforts, nous ne pouvons atteindre la ve´rite´. Quelques anne´es plus tard, Jean de Salisbury soulignait la dimension sceptique d’une telle ignorance invincible. Il l’inclut, en effet, dans la liste des multiples facteurs qui limitent la capacite´ humaine a` saisir la ve´rite´ avec certitude: 5

6

7

Pierre Abe´lard, Ethica siue scito teipsum, ed. R. M. Ilgner (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 90), Turnhout 2001, 36 sq. En fait, Abe´lard prend soin de distinguer plusieurs sens de peccatum, et surtout il introduit une dimension cognitive objective dans son e´thique qui interdit d’en rester a` ce qui nous semble bon. Je ne peux rentrer ici dans ces de´tails qui ne sont pas pertinents pour mon propos ge´ne´ral. Cf. Grellard, Que m’est-il permis d’ignorer (nt. 3). Abe´lard, Ethica, ed Ilgner (nt. 4), 44.

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Christophe Grellard

« Sed quia multa sunt quae praepediunt intelligentiam, utpote inuincibilis ignorantia eorum, quae ratione expediri non possunt, sicut sunt Sanctae Trinitatis arcana […] ut ad ueri notitiam raro possit accedere. » 8

La nature divine, et en particulier sa nature trinitaire, fait partie des objets que notre intelligence limite´e ne peut pas pleinement saisir. Notre rapport a` la divinite´ est donc un rapport d’ignorance que seule la foi peut nous permettre de de´passer. Ne´anmoins, ce premier usage sceptique de l’ignorance invincible devait rester largement isole´. Le de´veloppement effectif de la notion d’ignorance invincible est duˆ aux juristes (et d’abord aux canonistes), et aux the´ologiens de la deuxie`me moitie´ du 12e`me sie`cle, du maıˆtre Roland de Bologne, qui fut e´le`ve d’Abe´lard, jusqu’a` Pierre Lombard et Alain de Lille 9. Dans ce contexte, la notion d’ignorance invincible est principalement utilise´e a` propos du pe´che´ d’Eve: Eve e´taitelle dans une situation d’ignorance invincible quand elle a suivi les insinuations du serpent? Habituellement, il est admis qu’Eve n’a pas d’excuse puisque son ignorance e´tait vincible et non invincible, et parce qu’elle connaissait les commandements divins. Mais peu a` peu, la notion va se trouver appliquer a` d’autres cas, comme ceux d’idolaˆtrie ou d’he´te´rodoxie (qui sont lie´s a` l’ignorance de la nature exacte de la divinite´), en particulier parmi les laı¨cs et les simples. Dans la ‘Summa Aurea’, vers 1220, Guillaume d’Auxerre met en place une the´orie ge´ne´rale qui sera par la suite largement accepte´e (avec quelques variations mineures) par les the´ologiens du 13e`me sie`cle. De facœ on inte´ressante, pour Guillaume, l’erreur est une forme d’ignorance. Il distingue en effet trois sens d’ignorance: par privation, par ne´gation et par disposition. Dans le premier cas, il y a une impossibilite´ naturelle a` savoir, comme dans le cas des enfants et des fous; dans le second cas, l’ignorance est l’absence de science; enfin, dans le troisie`me cas, l’ignorance est l’erreur, c’est-a`-dire le fait de penser a` une chose autrement qu’elle n’est: « Ignorantia vero dispositionis est qua quis aliter opinatur de re quam sit; et talis quedam est ignorantia iuris, quedam ignorantia facti. Ignorantia facti a toto excusat, adhibita diligentia debita. […]. Ignorantia vero iuris nenimen excusat. » 10

Il n’en reste pas moins que le terme utilise´ par les the´ologiens reste celui d’ignorance plutoˆt que d’erreur. Sche´matiquement, tous les the´ologiens acceptent l’ide´e que l’ignorance invincible excuse de la faute puisqu’elle concerne des situations ou` il est naturellement impossible de de´couvrir la ve´rite´. Mais lorsque ce principe ge´ne´ral est applique´ a` des casus particuliers, la plupart d’entre eux 8

9 10

Jean de Salisbury, Metalogicon, IV, 40, ed. J. B. Hall (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 98), Turnhout 1991, 179 sq. Sur les rapports entre the´ologie et scepticisme chez Jean de Salsibury, cf. C. Grellard, John of Salisbury and Theology, dans: Ch. Grellard/F. Lachaud (eds.), A Companion to John of Salisbury (Brill’s Companion to the Christian tradition 57), LeidenBoston 2014, 339-373. Sur ces de´veloppements, cf. Grellard, Que m’est-il permis d’ignorer? (nt. 3). Guillaume d’Auxerre, Summa Aurea, II, 16, 4, ed. J. Ribaillier, Paris-Grottaferrata 1982, 560.

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` titre cherchent a` restreindre le champ d’application de l’excuse de l’ignorance. A d’exemple, on peut conside´rer les trois casus suivants: l’enfant sauvage, le petite vieille he´re´tique et le diable transfigure´ 11. Selon le premier casus, un enfant baptise´ grandit sans aucun contact avec ses coreligionnaires (soit dans une foreˆt, soit dans une prison, soit parmi les paı¨ens), et donc sans recevoir d’enseignement concernant les dogmes de la foi catholique. Sera-t-il sauve´ s’il meurt avant d’avoir obtenu une connaissance explicite des ve´rite´s e´vange´liques? En ge´ne´ral, tout le monde admet que, s’il meurt avant d’avoir atteint l’aˆge de raison, il sera sauve´ par le seul sacrement du bapteˆme. Mais s’il meurt apre`s, alors une connaissance explicite de la Re´ve´lation est requise. Guillaume d’Auxerre sugge`re (et il sera suivi par la plupart des the´ologiens, comme Alexandre de Hale´s ou Thomas d’Aquin) que si cet enfant fait de son mieux (facere quod est in se), il sera aide´ par une illumination divine directe par laquelle Dieu lui donnera la foi explicite qui lui fait de´faut. La meˆme solution est adopte´e dans le second cas: supposons qu’un preˆtre ou un e´veˆque enseigne un dogme he´re´tique a` une petite vieille (vetula); puisqu’elle doit obe´ir a` son pasteur, elle croira fermement cette erreur comme vraie. Sera-t-elle damne´e si elle meurt dans un tel e´tat? Encore une fois, la re´ponse commune consiste a` soutenir que si elle fait de son mieux, elle sera aide´e par Dieu afin de connaıˆtre la ve´rite´. Et si elle n’est pas illumine´e, cela signifie qu’elle ne le me´ritait pas, soit qu’elle fuˆt ne´gligente, soit qu’elle se trouvaˆt de´ja` dans un e´tat peccamineux. Finalement, dans le troisie`me cas, on introduit le proble`me de l’idolaˆtrie et de la tromperie de´moniaque. Imaginons que le diable prenne la forme du Christ et que quelqu’un l’adore comme e´tant le Christ. Peut-on dire que cette adoration est me´ritoire en raison de l’ignorance invincible, ou bien s’agit-il d’un pe´che´ d’idolaˆtrie? Ici, Guillaume d’Auxerre sugge`re deux solutions diffe´rentes qui, encore une fois, seront largement suivies par les autres the´ologiens. Nous pouvons soit conside´rer que Dieu aidera quiconque fait de son mieux (comme dans les deux casus pre´ce´dents), soit conside´rer que l’adoration doit eˆtre conditionnelle: « Item illa ignorantia est invincibilis, non enim iste simplex potest scire utrum iste sit Christus vel dyabolus […], sed ignorantia invincibilis a toto excusat […]. Ad quartum dicimus quod ignorantia illa est invincibilis, quantum in se est, sed vincibilis est quantum ad auxilium Dei, quoniam si iste facit quod est in se, Dominus docebit ipsum. Vel potest dici quod invincibilis est quantum ad discretionem, sed vincibilis quantum ad evasionem, quoniam potest evadere sic: adoro te, si tu es Christus. » 12

Il re´sulte donc de l’analyse de ces trois casus que les the´ologiens me´die´vaux privile´gient l’argument de l’aide divine (auxilium dei) pour re´soudre les cas ou` l’ignorance invincible pourrait excuser l’he´te´rodoxie, l’erreur en matie`re de foi. 11

12

Pour une analyse plus pre´cise de ces casus, cf. Grellard, Que m’est-il permis d’ignorer? (nt. 3) et id., Histoire des philosophies et des the´ologies de l’occident me´die´val. Re´sume´ des confe´rences 2015-2016, Annuaire de l’Ecole pratique des hautes e´tudes (EPHE), Section des sciences religieuses 123 (2016), 239-245. Guillaume d’Auxerre, Summa, III, 26, 5, ed. Ribaillier (nt. 9), 501 sq.

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Christophe Grellard

On peut certes y voir, d’un point de vue pastoral, une strate´gie argumentative, pour faire reposer l’erreur en matie`re de foi sur les laı¨cs eux-meˆmes, plutoˆt que sur leurs pasteurs. Mais on peut aussi y voir le te´moignage d’une conviction commune a` tout le 13e`me sie`cle, a` savoir que Dieu vient en aide a` celui qui cherche since`rement la ve´rite´, quel que soit son objet. La de´faillance cognitive e´ventuelle de l’homme est donc supple´e´e par un soutien divin d’ordre providentiel. Un important changement se produit avec Thomas d’Aquin, non pas dans sa the´orie de l’ignorance invincible, qui n’est gue`re originale et de´pend largement des de´veloppements successifs poste´rieurs aux the´ories de Guillaume d’Auxerre, mais dans la manie`re qu’il a de lier la question de l’ignorance invincible avec le proble`me de la conscience errone´e, et de l’obligation de la conscience errone´e. Selon Thomas d’Aquin, il n’est jamais permis de rejeter sa conscience, fuˆt-elle errone´e, car elle ne nous indiquerait par que quelque chose est un bien si elle ne le croyait pas effectivement eˆtre tel. Dans la mesure ou` la conscience est le lieu d’instanciation de la loi divine, il y a une obligation a` suivre ses injonctions. Ne´anmoins cela ne signifie pas que la conscience errone´e excuse du pe´che´ (sauf quand l’erreur est invincible) mais simplement que l’on pe´cherait davantage en s’y opposant 13. La position de Thomas ne recœ ut gue`re un e´cho tre`s favorable avant Guillaume d’Ockham. Le venerabilis inceptor, paradoxalement, est l’un de ceux qui reprennent et radicalisent la the`se thomasienne de l’obligation de la conscience errone´e, et il est probablement le premier a` parler syste´matiquement d’erreur invincible plutoˆt que d’ignorance. Comme Thomas d’Aquin, il conside`re que la volonte´ doit toujours se conformer a` la raison, qu’elle soit droite ou errone´e. L’erreur invincible est de´finie comme une erreur qui n’est pas au pouvoir de l’agent, de telle sorte que la volonte´ peut eˆtre excuse´e puisqu’elle est oblige´e d’accepter le pre´cepte de la raison 14. La promotion de l’obligation de la conscience errone´e va conduire a` placer la subjectivite´ cognitive au cœur de la question de l’erreur. Au moment ou` le concept d’erreur invincible va eˆtre repris en e´piste´mologie, et pour bien comprendre les ruptures qui se jouent au 14e`me sie`cle, il faut prendre la mesure du bouleversement qu’induit la promotion de l’obligation de la conscience errone´e. La valorisation de la conscience individuelle comme lieu d’identification du vrai et du bien et comme lieu d’instanciation de la loi s’accompagne d’une mise a` distance de l’aide divine providentielle dans l’acce`s a` la ve´rite´. C’est de cette rupture que l’argument du dieu trompeur est le symptoˆme. 13

14

Sur cette question, cf. B. Valuet, La conscience errone´e selon saint Thomas, dans: Revue Thomiste 117 (2017), 5-94. Cf. Guillaume d’Ockham, Quaestiones uariae, q. 8, edd. G. I. Etzkorn/F. E. Kelley/J. C. Wey, dans: Guillelmi de Ockham Opera Theologica, vol. 8, st. Bonaventure (NY) 1984, 429. Sur la conscience errone´e chez Ockham, cf. M. Baylor, Action and Person. Conscience in Late Scholasticism and the Young Luther, Leiden 1977; T. Shogimen, Ockham and Political Discourses in Late Middle Ages, Cambridge 2007.

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II. De la the´ ologie morale a` l’e´ piste´ mologie: naissance de la tromperie divine Le premier usage du concept d’erreur invincible dans une perspective e´piste´mologique se trouve chez Gauthier Chatton (au de´but des anne´es 1320) dans le contexte de sa discussion de l’esse apparens de Pierre d’Auriol 15. Chatton conside`re la connaissance sensible comme le commencement de toute notre connaissance, et le moyen exclusif, pour nous, de parvenir a` saisir le singulier dans le monde exte´rieur (puisqu’il rejette l’ide´e d’une intuition intellectuelle). Pour cette raison, il est particulie`rement sensible a` la relation entre l’e´tat mental cognitif et son objet, a` la certitude de cette relation. Afin d’en garantir la certitude, il de´fend une forme de re´alisme direct, qu’il oppose au repre´sentationalisme qu’il attribue a` Pierre d’Auriol. Et ce re´alisme direct repose sur une the´orie causale de la perception selon laquelle l’objet de ma connaissance est la cause de ma connaissance. En effet, puisqu’un effet ne peut exister sans sa cause, il suit qu’aucune vision ne peut exister naturellement sans son objet: « Aut per abstractivam intelligitur talis cognitio per quam non apparet res esse praesens; igitur adhuc sequitur propositum, quia per nullam notitiam quae naturaliter est sine obiecto, apparet res esse praesens. Nam aliter per causas naturales causaretur in nobis error invincibilis per naturam, quia si per naturam causatur actus per quem apparet nobis res esse praesens quae non est praesens, et virtute illius actus mens assentit rei significatae per istam ‘A est praesens’, igitur mens errat per causationem causarum naturalium; et est error invincibilis, quia nec potest vinci per sensationem aliquam, eo quod idem est argumentum de illa sensatione, nec per intellectum, planum est. Igitur etc. » 16

La the`se est prouve´e au moyen d’un argument contrefactuel: si nous admettons la position d’Auriol (telle que Chatton la comprend), c’est-a`-dire, si nous admettons qu’une vision peut naturellement eˆtre produite sans son objet, nous nous trouverons dans une situation d’erreur invincible. De fait, par la causalite´ naturelle, une chose nous apparaıˆtrait comme pre´sente alors qu’elle n’existe pas, et ni la sensation, ni l’intellect ne nous donneraient les moyens d’identifier l’erreur. C’est la premie`re occurrence de la notion d’erreur invincible en contexte e´piste´mologique. Cet usage e´piste´mologique a pour fonction de souligner, on le voit, que dans le cadre de l’e´piste´mologie de Pierre d’Auriol, selon Gauthier Chatton, nous ne pouvons pas eˆtre conscients des situations ou` nos perceptions sont errone´es, ni ne sommes en mesure, a fortiori, de les corriger. Par conse´15

16

Le de´bat entre Auriol et Chatton est examine´ dans K. Tachau, Vision and Certitude in the Age of Ockham: Optics, Epistemology, and the Foundation of Semantics, 1250-1345 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 22), Leiden e. a. 1988. Sur l’e´piste´mologie de Pierre d’Auriol, cf. aussi Ch. Bolyard, Knowledge, Certainty and Propositions per se notae. A Study of Peter Auriol, PhD dissertation, Indiana University 1999. Sur Chatton cf. D. Perler, Zweifel und Gewissheit (nt. 1), 266-280. Gauthier Chatton, Reportatio et Lectura super Sententias: Collatio ad Librum Primum et Prologus, prol., q. 2, a. 2, ed. J. C. Wey (Studies and Texts 90), Toronto 1989, 91.

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quent, si nous voulons pre´server la possibilite´ d’un assentiment ve´ridique, nous devons maintenir un lien causal fort entre la chose exte´rieure et notre perception. L’importance donne´e a` la causalite´ naturelle conduit Chatton a` de´fendre une forme de fiabilisme: habituellement, la causalite´ naturelle fonctionne correctement, et cette confiance ge´ne´rale dans les relations causales est le fondement de notre connaissance empirique. En d’autres mots, la connaissance est la re`gle, l’erreur l’exception 17. On pourrait dire, pour Chatton, que le sujet cognitif n’est jamais isole´ puisqu’il est engage´ dans un re´seau de relations causales entre des choses re´elles. Mais une objection se pre´sente imme´diatement: si nous introduisons un lien fort entre la chose exte´rieure et notre perception, c’est-a`-dire un lien causal ne´cessaire, il semble que nous sommes alors conduits a` limiter la puissance divine. Si la vision ne peut pas exister sans la chose, Dieu ne pourra pas supprimer l’une sans l’autre, meˆme par sa puissance absolue. Chatton re´pond en conce´dant que Dieu, par sa puissance absolue, peut causer une vision sans la chose, ou maintenir une vision apre`s avoir supprime´ la chose En outre, il conce`de encore qu’aucune certitude empirique ne peut re´sister a` une telle action divine. Dieu pourrait causer dans notre esprit une vision sans objet, laquelle causerait un jugement faux sur la chose. Or, ce cas est structurellement similaire a` la critique de l’e´piste´mologie de Pierre d’Auriol. Nous n’avons aucun moyen qui nous permette d’identifier l’action divine, et aucun moyen de corriger la vision errone´e, et l’assentiment faux qui en re´sulte: « Ad secundum, concedo etiam conclusionem: quod non habemus talem certitudinem quin Deus, qui potest causare visionem sine praesentia rei, posset causare in nobis unum actum quo iudicaremus aliter esse in re quam est. Tamen cum hoc stat quod habeamus talem certitudinem quod per causas naturales non possemus sic poni in errore invincibili. » 18

Ne´anmoins, dans le cas de Pierre d’Auriol, l’erreur invincible est produite naturellement, tandis que dans le cas d’une intervention divine de potentia absoluta, il s’agit d’une erreur invincible produite de facœ on surnaturelle. C’est ce qui permet a` Chatton de soutenir que cette situation a` laquelle son e´piste´mologie est confronte´e est une exception, et, qui plus est, une exception d’ordre purement the´orique. L’erreur invincible ne peut se produire que dans une situation exceptionnelle et hypothe´tique, mais dans notre pratique cognitive quotidienne, nous n’avons pas a` prendre en conside´ration une telle hypothe`se. De facto, une telle erreur invincible ne se produira pas (meˆme si de iure, elle le pourrait), et c’est la principale diffe´rence avec Pierre d’Auriole. Cette re´ponse est confirme´e par les quelques textes ou` Chatton traite de la tromperie divine. Dans ces textes, Chatton affirme clairement la possibilite´ the´orique de la tromperie divine, mais en meˆme temps, il soutient aussi qu’une telle 17

18

Sur le fiabilisme de Chatton, cf. D. Perler, Can we trust our senses? Fourteenth-century debates on sensory illusions, dans: D. G. Denery/K. Ghosh/N. Zeeman (eds.), Uncertain knowledge. Scepticism, Relativism and Doubt in the Middle Ages (Disputatio 14), Turnhout 2014, 63-90. Gauthier Chatton, Collatio, ed. Wey (nt. 16), 92.

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hypothe`se n’est pas pratiquement pertinente et doit eˆtre exclue. De fait, Dieu peut infuser dans l’esprit une espe`ce ou n’importe quel e´tat mental, c’est-a`-dire, n’importe quelle qualite´ qui causera un assentiment e´vident a` un e´tat de choses qui n’existe pas. Mais cette action divine de facto et naturaliter ne se produit pas: « De potentia Dei posses decipi, ita quod Deus potest tibi talia infundere principia quibus evidenter assentires te vidisse Sortem, licet nunquam eum videris. Sed tales non habemus per causas naturales de facto. » 19

Dans ce texte, Chatton de´pend manifestement de Guillaume d’Ockham, dont les Quodlibeta sont contemporains de la ‘Reportatio’ de Chatton. Mais ce dernier va bien plus loin dans la concession au scepticisme. Il admet, en effet, qu’un ange ou un de´mon, meˆme s’ils ne peuvent pas causer directement une intuition (au sens d’une perception ve´ridique), peuvent produire une apparence fausse par un mouvement local. Or, aucune certitude empirique ne peut re´sister a` une telle tromperie. Il en re´sulte que le point de de´part de notre connaissance, la certitude empirique, ne peut jamais eˆtre tout a` fait garantie, et la possibilite´ d’une tromperie ange´lique ou divine ne peut jamais absolument eˆtre exclue: « Dico quod nullam certitudinem habemus per sensum exteriorem quin Deus et angelus et forte etiam aliae causae inferiores aliquae possint nos decipere. Sed tamen communiter non est talis deceptio per causas naturales. » 20

Selon le cours commun de la nature et dans le cadre de la causalite´ naturelle, il n’y a aucune tromperie ni ange´lique ni divine. La re´ponse de Chatton ouvre ainsi la voie aux the´ories des degre´s d’e´vidence de´veloppe´es explicitement quelques anne´es plus tard par Jean de Rodington et Adam Wodeham 21. Il n’en reste pas moins que le proble`me de toutes ces solutions fiabilistes au de´fi sceptique tient ce que l’on ne peut jamais savoir si l’ordre naturel est rompu, ou non. Gauthier Chatton est probablement le premier a` insister aussi fortement sur la radicale faillibilite´ de notre connaissance du monde contingent, et a` souligner que cette connaissance n’est jamais entie`rement pre´serve´e de l’erreur. Finalement, l’importation de la notion morale d’erreur invincible dans un contexte e´piste´mologique souligne pre´cise´ment cette situation: la possibilite´ d’une tromperie divine rend manifeste les cas ou`, meˆme en faisant de son mieux, il est non seulement impossible de connaıˆtre l’objet percœ u mais il est en outre impossible de savoir si l’on est trompe´ ou non. L’hypothe`se de la tromperie divine permet d’introduire un nouveau type d’erreur qui ne peut eˆtre corrige´ ni par les sens ni par l’intellect. Ne´anmoins, Chatton s’efforce de circonscrire le 19

20

21

Gauthier Chatton, Reportatio super Sententias: Libri III-IV, Lib. III, d. 14, q. 4, a. 3, edd. J. C. Wey/G. J. Etzkorn, vol. 4 (Studies and Texts 149), Toronto 2005, 123. Gauthier Chatton, Reportatio super Sententias: Liber II, d. 11, q. u, ed. J. C. Wey/G. J. Etzkorn, vol. 3 (Studies and texts 148), Toronto 2004, 280. Sur Jean de Rodington, cf. M. Tweedale, John of Rodynton on Knowledge, Science and Theology, PhD Dissertation, UCLA 1965; sur Wodeham, cf. O. Grassi, Intuizione e significato. Adam Wodeham ed il problema della consoscenza nel XIV secolo, Jaca, Milano 1986.

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champ d’application de cette hypothe`se en soutenant qu’elle est purement the´orique, et pratiquement insignifiante. Mais dans la mesure ou` il n’offre aucun argument en faveur de cette restriction, sa position demeure fragile. En outre, contrairement a` Jean de Rodington, il ne peut pas de´samorcer l’hypothe`se au moyen de la bonte´ divine dans la mesure ou`, pour lui, les tromperies ange´lique et de´moniaque sont tout aussi dangereuses, et indiscernables, que la tromperie divine. Le seul moyen d’e´chapper a` l’erreur invincible consiste, sur le mode`le de la re´ponse au casus de l’adoration d’une hostie non consacre´e, de rendre notre savoir conditionnel: si Dieu ne nous trompe pas, alors nous sommes certains de cette ve´rite´ contingente. Mais cette solution peut difficilement satisfaire un sceptique. En dernier recours, la solution repose entie`rement sur la confiance que l’on peut placer en Dieu. C’est cette solution que Robert Holcot va reprendre, en la radicalisant, quelques anne´es plus tard.

III. De l’e´ piste´ mologie a` la the´ ologie morale: faire confiance a` un dieu trompeur Une dizaine d’anne´es apre`s Chatton, vers 1333, Robert Holcot franchit une e´tape supple´mentaire dans la ge´ne´ralisation de l’erreur et de l’incertitude en supprimant la restriction the´orique a` la tromperie divine 22. Le but de Holcot est pre´cise´ment de radicaliser la ne´cessite´ de la confiance en Dieu, comme seul moyen d’e´chapper au scepticisme. Chez lui, le recours a` un argument e´piste´mologique est clairement finalise´ par une perspective morale, et plus encore, sote´riologique. De fait, pour le dominicain, non seulement Dieu peut tromper les cre´atures, mais de fait, il les trompe, comme l’attestent plusieurs autorite´s bibliques. De facœ on ge´ne´rale, et d’un point de vue e´piste´mologique, n’importe quelle connaissance cre´e´e peut-eˆtre falsifie´e par la mutation de l’objet contingent sur lequel elle porte. Ainsi, n’importe quelle connaissance humaine peut eˆtre falsifie´e par Dieu si ce dernier maintient la connaissance dans l’intellect humain quand l’objet a disparu: « Dico quod omnis notitia create est limitate ad significandum sic esse sicut per eam denotatur, et ideo omnis notitia create potest esse error si sit de obiecto mutabili. Et ideo cum in anima beati et in anima Christi sint multae notitiae creatae quae sunt veridicae notitiae modo de creaturis, sicut

22

Cf. K. Tachau, Robert Holcot on Contingency and Divine Deception, dans: L. Bianchi (ed.), Filosofia e teologia nel trecento. Studi in ricordo di Eugenio Randi (Textes et E´tudes du Moyen ˆ ge 1), Louvain-la-neuve 1994, 157-196; H. Gelber, It could have been otherwise. Contigency A and Necessity in Dominican Theology at Oxford, 1300-1350 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 81), Leiden-Boston 2004, chap. 7: « Invincible Ignorance », 267-307.

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quod sol movetur in caelo et quod luna eclipsabitur in tali tempore, dico quod istae possunt, si Deus voluerit, fieri errors et falsae opiniones. » 23

Par conse´quent, directement ou indirectement (c’est-a`-dire par l’interme´diaire d’un ange ou d’un homme), Dieu peut tromper, au sens de « eˆtre la cause » de l’erreur. De fait, on peut alle´guer de nombreux exemples bibliques d’une telle tromperie, le plus fameux e´tant l’ordre donne´ a` Abraham de sacrifier son fils. Dieu peut donc tromper au sens ge´ne´ral du terme: il peut causer une erreur chez quelqu’un d’autre. Il n’y a qu’une seule restriction: Dieu ne peut pas tromper au sens restreint du terme, c’est-a`-dire de facœ on injuste ou vicieuses: « Isti termini fallere, decipere, mittere in errorem, vel facere hominem errare, vel causare errorem, et huiusmodi dupliciter possunt accipi. Uno modo communiter et tamen proprie, alio modo stricte et tamen improprie. Communiter et tamen proprie loquendo decipere vel fallere no est aliud quam esse causam erroris alicuius, et sic capio fallere et decipere in articulo pretractato. Secundo modo capiuntur tales termini stricte et improprie, ut in difinitione exprimente quid nominis includuntur talia syncathegoreumata iniuste vel malitiose siue uitiose vel deordinate vela liquid equivalens, et sic fallere importat causare iniuste vel deordinate errorem, et sic loquuntur sancti de decipere et fallere, quando talem actum negant a deo. » 24

Quelles sont les conse´quences de cette nouvelle conception de la tromperie divine? En premier lieu, comme l’ont souligne´ K. Tachau et H. Gelber, Holcot ne s’inte´resse pas vraiment aux conse´quences e´piste´mologiques de la tromperie divine. Le monde cre´e´, en tant que contingent, est radicalement incertain mais cette incertitude, finalement n’a pas d’impact du point de vue sote´riologique qui inte´resse Holcot. Le bienheureux peut eˆtre trompe´ a` propos de la cre´ation, mais cela ne changera pas son statut de bienheureux. La tromperie divine rend donc manifeste la ne´cessite´ d’une absolue confiance en Dieu. Ce n’est pas la ve´rite´ mais la confiance qui sauve. Ce point est clairement exemplifie´ par l’histoire d’Abraham: « Et immo dicendum quod absolute credidit quod debuit immolasse filium et quod deus voluit enim erronee credere hoc, ut ostenderetur mundo maxima fides et odedientia sua deo. Error tamen nec commendat fidem nec vituperat quia fuit inuincibilis, nec aliter placuit deo suam obedentiam experiri. » 25

Puisque la tromperie divine est un cas d’erreur invincible, ce n’est pas un pe´che´ que d’agir en e´tant trompe´ de la sorte. En effet, comme on l’a vu, il y a un consensus parmi les the´ologiens pour soutenir que l’erreur invincible excuse de la faute. En suivant saint Augustin, Holcot rejette le motif traditionnellement attribue´ aux sceptiques selon lequel toute erreur est une faute ( peccatum). La` encore, en suivant la position commune parmi les the´ologiens, Holcot estime 23

24 25

Robert Holcot, In IV libros Sententiarum, Lib. II , q. 2, a. 8, edd. P. Striverler/K. Tachau, Seeing the Future Clearly. Questions on Future Contingents by Robert Holcot (Studies and Texts 119), Toronto 1995, 157 sq. Ibid., Lib. III, q. u., a. 8, ed. Lyon 1518, fol. n. iiii ra. Ibid., q. u., a. 7, fol. n. ii vb-n. iii ra

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que nous devons distinguer l’erreur qui re´sulte d’une faute (culpa) de celle qui re´sulte d’une punition ( pena) 26. Dans le premier cas, l’excuse de l’ignorance invincible n’est pas recevable, mais elle l’est dans le second cas. Or, notre faillibilite´ re´sulte d’une punition, conse´cutive au pe´che´ originel, mais cette faillibilite´ e´piste´mologique est moralement excusable dans les cas d’ignorance invincible. Quiconque fait de son mieux (facere quod est in se) pour ne pas eˆtre trompe´ ne commet pas de faute si l’erreur ou la tromperie sont hors de ses capacite´s de controˆle. La faillibilite´ de nos faculte´s apre`s le pe´che´ originel excuse donc notre incapacite´ a` de´passer la tromperie. Pour cette raison, il est ne´cessaire de distinguer deux types d’erreur, une erreur dangereuse et une autre qui ne l’est pas. De facœ on ge´ne´rale, se tromper, c’est conside´rer le faux comme vrai. Mais l’erreur n’est dangereuse que si elle porte sur la foi. L’erreur n’est pas dangereuse, en revanche, dans les cas d’ignorance invincible, quel que soit le champ d’application. Cela signifie, premie`rement, que l’erreur invincible, d’un point de vue e´piste´mologique, n’a aucune importance, et deuxie`mement que l’erreur d’un point de vue sote´riologique peut eˆtre excuse´e. Cette dernie`re situation peut eˆtre exemplifie´e par le cas bien connu de l’adoration du diable transfigure´ (casus qui se rame`ne a` une forme de tromperie de´moniaque). Supposons que le diable, avec la permission de Dieu, prenne la forme du Christ et soit adore´ par un viator comme e´tant le Christ. On aura alors une situation typique d’idolaˆtrie. Dans sa solution a` ce casus classique, Holcot va plus loin que n’importe quel the´ologien avant lui. De fait, il conside`re que, puisque l’erreur est invincible, la conscience errone´e nous oblige a` cet acte d’adoration, qui est exte´rieurement un acte d’idolaˆtrie. Ici, cet acte d’idolaˆtrie est non seulement permis mais ne´cessaire au salut: « Quod autem error suus sit invincibilis, patet ex casu, et sic consequenter dicebatur quod, si diabolus transfiguraret se in effigiem Christi et deo permittente causaret firmam fidem in animo alicuius simplicis quod esset Christus, et talis simplex eum adoraret adoratione latriae et frueretur eo, posset dici consequenter quod talis meritorie frueretur diabolo et meritorie adoraret diabolum et peccasset mortaliter nisi hoc fecisset, si addatur ad casum quod conscientia sua sic sibi dictasset faciendum vel peccare mortaliter. » 27

Que peut-on alors en conclure concernant les rapports entre scepticisme et erreur invincible chez Holcot? Le dominicain est probablement l’un des the´ologiens les plus radicaux dans son usage a` la fois de l’erreur invincible et de la tromperie divine. L’argument de la tromperie divine autorise une sorte de radicalisation de la contingence du monde. Dans la mesure ou` cette tromperie est un cas d’erreur invincible, elle exclut qu’aucun moyen naturel puisse nous permettre d’y e´chapper. Contrairement a` Chatton, Holcot tire toutes les conclusions de cette situation. Premie`rement, il refuse de re´duire l’argument a` une simple hypothe`se the´orique, ne´gligeable en pratique. Deuxie`mement, il tire les 26 27

Ibid., L. III, q. u., a. 8, fol. n. iii vb. Robert Holcot, Sex articuli, a. 4, ed. F. Hoffmann, Die ‘Conferentiae’ des Robert Holcot O.P. und die Akadmischen auseinandersetzungen an der Universität Oxford 1330-1332 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, N.F. 36), Münster 1993, 109.

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conse´quences e´thiques et sote´riologiques de notre instabilite´ e´piste´mique. Puisque nous ne pouvons jamais savoir si nous nous trompons ou non, nous devons faire de notre mieux pour connaıˆtre et appliquer la loi divine. Mais seule la purete´ de l’intention et l’absolue confiance en Dieu peuvent nous pre´munir ve´ritablement contre l’erreur. Chez Chatton, l’expression « erreur invincible » vise seulement a` souligner que nous ne pouvons pas y e´chapper. Chez Holcot, au contraire, le croisement de l’erreur invincible et de la tromperie divine apparaıˆt comme un moyen de conduire a` une forme de fide´isme ou` seule la foi comme confiance absolue en Dieu permet d’e´viter le scepticisme. De fait, quel est le sens de l’exclusion d’une action vicieuse ou me´chante de la part de Dieu (qui est rappelons-le la seule limite a` la tromperie divine)? Cela signifie que le mensonge divin est seulement un cas extreˆme de contingence radicale, mais cette contingence ne contrevient en rien au salut du fide`le qui fait de son mieux. Cette lecture e´thique et sote´riologique du scepticisme est probablement la contribution la plus importante de Holcot a` l’histoire me´die´vale du scepticisme. IV. Conclusion La principale contribution de la philosophie me´die´vale a` l’histoire du scepticisme est sans doute l’e´laboration de l’argument de la tromperie divine. Parmi les premiers a` recourir a` cet argument, Gauthier Chatton l’utilise en le rapprochant d’un concept issu de la the´ologie morale, le concept d’erreur invincible, afin de souligner que la tromperie divine est absolument indiscernable. Mais, en meˆme temps, il limite le champ d’application de l’argument en le re´duisant a` une hypothe`se purement the´orique. Pour Chatton, il y a une confiance dans la fiabilite´ ge´ne´rale de l’ordre naturel des causes. Certes, cet ordre de´pend entie`rement de Dieu, mais nous n’avons aucune raison de supposer que Dieu veuille y contrevenir. La stabilite´ de cet ordre de causes, par ailleurs radicalement contingent, nous permet d’eˆtre confiant dans le fait que l’erreur est une exception et non la re`gle. Pourtant, Chatton est probablement le premier a` insister a` ce point sur la faillibilite´ de notre connaissance du monde. Une telle connaissance ne peut jamais tout a` fait se pre´munir contre le risque d’erreur. Notre savoir est donc largement conditionnel et de´pend de l’hypothe`se que Dieu pre´serve la stabilite´ de l’ordre naturel. D’un coˆte´, donc, notre savoir peut eˆtre pre´muni par l’hypothe`se d’un ordre causal, mais d’un autre coˆte´, quand on cherche a` fonder cette hypothe`se, on se trouve conduit a` un point aveugle, et ce d’autant plus qu’une e´ventuelle tromperie divine rele`ve de l’erreur invincible et ne peut eˆtre identifie´e. Chatton se trouve ainsi reconduit la` ou` il avait voulu conduire l’e´piste´mologie de Pierre d’Auriole. C’est a` Robert Holcot qu’il revient, en quelque sorte, de tirer les conse´quences de l’utilisation e´piste´mologique de la notion d’erreur invincible. Pour Chatton, finalement, la tromperie divine n’est encore qu’un simple test pour la the´orie de la connaissance. En revanche, pour le dominicain, cette tromperie est un fait et ce fait doit conduire a` une sorte de fide´isme.

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Puisque la tromperie divine est indiscernable, mais bien re´elle, on ne peut se contenter d’une solution de type conditionnel qui suppose que Dieu ne suspend pas l’ordre causal. C’est n’est pas dans l’ordre naturel qu’il faut placer sa confiance mais dans Dieu lui-meˆme, avec cette conviction qu’il ne refusera pas sa graˆce a` ceux qui font de leur mieux 28. Nous devons faire de notre mieux pour remplir les commandements divins: meˆme si l’on e´choue ou si l’on est trompe´ par un de´mon ou par Dieu, nos efforts, la purete´ de l’intention, seront re´compense´s.

28

Sur cette question, voir l’analyse classique de H. Oberman, Facientibus quod in se est Deus non denegat gratiam: Robert Holcot, OP and the Beginnings of Luther’s Theology, in: Harvard Theological Review, 55 (1962), p. 317-342.

II. Irrtum und Fortschritt in den Wissenschaften

Abicienda est penitus ista sententia, tamquam error pessimus. Alexander of Aphrodisias on the Human Soul: The Philosophical Debate on Alexander’s Error (error Alexandri) from Albert the Great to Pietro Pomponazzi Olaf Pluta (Bochum) In his treatise ‘On the Soul’, Alexander of Aphrodisias developed what today we would call a theory of emergence: the soul, in his view, is a power and form that supervenes on the particular mixture of its underlying body, which is blended and joined together in a specific way. Alexander thus outlined a nonreductive materialism which holds that, even though the human soul is exhaustively constituted of material elements, and hence dies together with the body, its complex behavior cannot be explained as being caused by physical properties 1. When Alexander’s theory became known in the Latin West during the thirteenth century, mainly through the quotations and summaries in Averroes’s ‘Long Commentary on the De anima’ of Aristotle, translated around 1220/35, it was met with immediate resistance from Church officials. William of Auvergne, the Bishop of Paris, demanded in his own treatise ‘On the Soul’ (‘De anima’), completed by around 1240, that Alexander’s error (error Alexandri), which denies any future life, must be wiped out “as a radical and most pestilential plague” 2. I. Alber t the Great The Dominican Albert the Great took up this challenge 3. In his treatise ‘On the Soul’ (‘De anima’), written in the years 1254-1257, Albert argued that, 1

2

3

For this interpretation cf. Alexander of Aphrodisias, On the Soul, Part 1: Soul as Form of the Body, Parts of the Soul, Nourishment, and Perception, transl. (with an Introduction and Commentary) by V. Caston (Ancient Commentators on Aristotle), London e.a. 2014, Introduction: Supervenience and emergentism, 9-12. Guilielmus Alvernus, Tractatus De anima, cap. 5, pars 5, in: Guilielmi Alverni Opera omnia, Parisiis 1674, Tomus II, Pars II (Supplementum), 119a: “tanquam pestem radicalem ac pestilentissimam”. William of Auvergne, The Soul. Translated from the Latin, with an Introduction & Notes by R. J. Teske (Mediaeval Philosophical Texts in Translation 37), Milwaukee (WI), Wisconsin 2000, 194. William of Auvergne, Bishop of Paris from 1228, gave the Dominicans their first chair in theology at the university in 1229. The second Dominican chair was established in 1230, which

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Olaf Pluta

recounting the damning the critique by Averroes 4, if the human soul were a material form, universal cognition would be impossible: universal cognition requires that the human intellect is an immaterial form. According to Albert, this “demonstratively destroys Alexander’s theorem” (“demonstrative destruit dictum Alexandri ”) 5. Later, Thomas Aquinas used the very same reasoning as the main argument in his ‘Disputed Questions on the Soul’ (‘Quaestiones disputatae De anima’), composed in 1267: the human soul must be immaterial and hence immortal, because “the intellect is concerned with universals” (“intellectus est universalium”) 6. In conclusion, Albert emphasized that it would follow from Alexander’s theorem that the human soul perishes together with the body “et multa alia, quae absurdissima sunt”; consequently, he demanded: “abicienda est penitus ista sententia, tamquam error pessimus” (this position must be utterly abandoned as the worst error) 7. Albert continued his crusade against Alexander 8 in his treatise ‘On the Nature and Origin of the Soul’ (‘De natura et origine animae’), written in the years 1258-1262/1263, in which he claimed that Alexander’s theorem is considered “to be absurd by anybody philosophizing correctly” (“quod est absurdum apud omnem hominem recte philosophantem”) 9, “and therefore it is refuted by all philosophers” (“et ideo ab omnibus refutatur philosophis”) 10. In his commentary ‘On Animals’ (‘De animalibus’), written in the same period, he once again called Alexander’s theorem “the worst error” (“error pessimus”), 11 and its consequences “ab-

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would thereafter be known as the ‘external chair’, reserved for Dominican masters from outside Paris. Albert held this chair for three years from 1245 to 1248. Albertus Magnus, De anima, lib. III, tract. 2, cap. 4, ed. C. Stroick, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. VII/1, Münster 1968, 183,14-15: “Et hae rationes Averrois contra Alexandrum sunt tenendae.” Ibid., 182,92-93. Thomas de Aquino, Quaestiones disputatae De anima, q. 14, ed. B.-C. Baza´n, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia (editio Leonina), vol. XXIV/1, Roma-Paris 1996, 126,214; id., Questions on the Soul, transl. (from the Latin with an Introduction and Notes) by J. H. Robb (Mediaeval Philosophical Texts in Translation 27), Milwaukee (WI) 1984, 177. For Albert’s and Thomas’s theory of the human intellective soul cf. P. D. Hellmeier, Anima et intellectus. Albertus Magnus und Thomas von Aquin über Seele und Intellekt des Menschen (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Neue Folge 75), Münster 2011. Albertus Magnus, De anima, lib. III, tract. 2, cap. 4, ed. Stroick (nt. 4), 183,19-21. Cf. A. de ` la Recherche de la Ve´rite´), Paris 1990, 222-232 Libera, Albert le Grand et la philosophie (A (“Le mate´rialisme psychologique: contre Alexandre d’Aphrodise”); de Libera quotes Albert as condemning Alexander’s view as “une erreur tre`s grave (pessimus), qui entraıˆne la destruction de toute la noblesse et de la perpe´tuite´ meˆme (perpetuitas) de l’aˆme humaine” (ibid., 224). Albert was appointed as preacher of the crusade in 1263 by Pope Urban IV, and Albert called himself “praedicator crucis” several times. However, little evidence concerning this activity has survived. When Urban IV died in 1264, Albert’s work as preacher of the crusade came to an end. Albertus Magnus, De natura et origine animae, tract. II, cap. 5, ed. B. Geyer, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. XII, Münster 1955, 25,55-56. Ibid., 25,67-68. Albertus Magnus, De animalibus (Nach der Cölner Urschrift), lib. XVI, tract. 1, cap. 3, ed. H. Stadler, 2 vols. (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 15-16), Münster 1916

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surd and adverse to truth” 12. Finally, in his ‘De causis et processu universitatis a prima causa’, written around 1264-1267, he denounced Alexander’s theorem as being “an intolerable and most pernicious error against philosophy” 13. Albert is, first and foremost, upset with Alexander of Aphrodisias because he denies immortality, resurrection, and eternal life, which are at the core of Christian belief. But he is also upset because, in his opinion, Alexander of Aphrodisias violates fundamental philosophical principles; that is why he calls Alexander’s position an error against philosophy itself. Our intellect is concerned with universals, which are considered in complete abstraction from matter and from material conditions, that is to say, in a wholly immaterial way. Now each thing operates in accordance with what it is 14. Consequently, our intellective soul must be immaterial and hence immortal. No material composition whatsoever can prepare a material intellect for understanding universals, as Alexander of Aphrodisias holds. For Albert, Alexander’s position thus violates the said philosophical principle that operation follows upon being (operatio sequitur esse). Material faculties such as our bodily senses can only apprehend singularly; an immaterial faculty is required to apprehend universally 15. To sum up, Albert the Great held that universal cognition is proof that the human intellective soul is immaterial and hence immortal. II. John Buridan John Buridan, to whom we will now turn, thought differently. Disruption drives change and brings about new paradigms and ways of thinking. This kind of innovative disruption can be found in John Buridan, who explicitly states that he argues against the common opinion held by many of his contemporaries and nearly all ancient commentators (“multi et quasi omnes expositores antiqui ”), namely that human intellective cognition must be universal precisely because the human intellect is an immaterial entity 16.

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and 1920, vol. 2, 1070,21-22: “Est autem iste error pessimus et impediens omnem circa naturalia verum intellectum.” Albertus Magnus, De animalibus, lib. XVI, tract. 1, cap. 3, ed. Stadler (nt. 11), vol. 2, 1070,2526: “[…] quae omnia sunt absurda et veritati inimica: propter quod ista sunt refutanda.” Albertus Magnus, De causis et processu universitatis a prima causa, lib. II, tract. 5, cap. 9, ed. W. Fauser, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. XVII/2, Münster 1993, 176,65-66: “Qui error intolerabilis est et valde perniciosus contra philosophiam.” Cf. Thomas de Aquino, Quaestiones disputatae De anima, q. 14, ed. Baza´n (nt. 6), 126,202203: “Unumquodque autem operatur secundum quod est”; transl. by Robb (nt. 6), 177. Cf. Albertus Magnus, De anima, lib. III, tract. 2, cap. 4, ed. Stroick (nt. 4), 182,92-183,5: “Id autem quod demonstrative destruit dictum Alexandri, est, quod omne quod recipitur in eo quod est in corpore sicut forma corporis, est particulare et (183) individuum, sicut probatur per omnia, quae sunt in virtutibus animae sensibilis. Si ergo intellectus possibilis esset huiusmodi forma, receptum in ipso esset particulare, et sic non esset intellectus receptivus universalis.” Johannes Buridan, Quaestiones super libros Physicorum Aristotelis, lib. I, q. 7, edd. M. Streijger/ P. Bakker, in: John Buridan, Quaestiones super octo libros Physicorum Aristotelis (secundum ultimam lecturam), Libri I-II (History of Science and Medicine Library 50/Medieval and Early

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Buridan only had the quotations and summaries in Averroes’s ‘Long Commentary on the De anima’ of Aristotle available 17. This was both an advantage and a disadvantage. On the one hand, his knowledge of Alexander was fragmentary at best. On the other hand, however, this gave him the opportunity to fill in the blanks, be creative, and come up with arguments and theories of his own. In the beginning of his book ‘On the Soul’, Alexander of Aphrodisias “enjoined that when considering the soul in the first place one ought to know beforehand the wonders of the composition of the body of a human being” 18. Before claiming that the human intellective soul is “more divine and greater than any bodily power” 19, one should first look at the wonders of the human body and see if one can solve all puzzles about the soul by considering it as “something that also belongs to this body, which is constructed so incredibly and magnificently” 20. This is exactly what Buridan does in the texts we are about to discuss here. We will focus on the third and final redactions of his Questions on the Physics and on the ‘De anima’ of Aristotle, both written between 1352 and 1357. In both works, Buridan casts doubt on whether the human intellect cognizes universally because it is immaterial, and the senses apprehend singularly because they are material. For Buridan, this commonly held opinion is far from obvious 21. Neither does universality necessarily follow from immateriality, nor does

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Modern Science 25), Leiden-Boston (MA) 2015, 65,13-19: “Ad primam et secundam dubitationes dixerunt multi et quasi omnes expositores antiqui quod ex eo intellectus apprehendit universaliter, quia est separatus et immaterialis, sic quod non est eductus de potentia materiae nec extensus extensione materiae; ideo non recipit modo singulari, cum ex extensione et divisione materiae proveniat divisio et multitudo individuorum in rebus materialibus. Ista opinio non videtur sufficiens.” Cf. id., Questiones in De Anima (tertia lectura), ed. J. A. Zupko, in: John Buridan’s philosophy of mind: An edition and translation of Book III of his Questions on Aristotle’s De anima (third redaction) with commentary and critical and interpretative essays (Ph.D. Dissertation, Cornell University 1989), 2 vols., Ann Arbor (MI) 1990, vol. 1, 22,58: “Prima opinio fuit Alexandri, ut ibi recitat [Zupko: citat] Commentator.” This is Averroes’s summary in his ‘Long Commentary on the De anima’ of Aristotle, in: Averroes (Ibn Rushd) of Cordoba, Long Commentary on the De anima of Aristotle, transl. (with introduction and notes) by R. C. Taylor (Yale Library of Medieval Philosophy), New Haven (CT)-London 2009, 310. Cf. Averrois Cordubensis Commentarium Magnum in Aristotelis De Anima libros, ed. F. Crawford (Corpus Commentariorum Averrois in Aristotelem, Versionum Latinarum VI/1), Cambridge (MA) 1953, 394,214-217: “Et hoc aperte et universaliter propalavit in initio libri sui de Anima, et precepit ut considerans primo de anima debeat prescire mirabilia compositionis corporis hominis.” Alexander of Aphrodisias, On the Soul, transl. by Caston (nt. 1), 32,17. Alexander of Aphrodisias is alluding to Plato’s ‘Phaedo’ (91C-D); cf. Alexander of Aphrodisias, On the Soul, transl. by Caston (nt. 1), 74, nt. 13. Ibid., 32,25-26. Buridan did not devote an entire question to this problem. Instead, his considerations form a digression within his question as to “Whether universals are more known to us than singulars” (“Utrum universalia sunt nobis notiora singularibus”), which is discussed in the first book of his ‘Questions on the Physics’ (Quaestiones in octo libros Physicorum [ultima lectura], I, q. 7). A similar question (“Utrum intellectus prius intelligat universale quam singulare vel e converso”) and a similar digression can be found in his ‘Questions on the De anima’ (Quaestiones in tres libros De

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singularity necessarily follow from materiality 22. In fact, universality or universal reference is a very general phenomenon and not exclusively tied to immaterial entities. On the contrary, it can also be found in the material realm, both in animate and inanimate nature. Buridan provides two examples: The natural appetite of a thirsty and hungry horse is not directed singularly towards a specific source of water or grain, if nothing is in sight, but universally and indifferently towards any water and grain it may find. Therefore, the horse will drink and eat from whichever water or grain it encounters. Likewise, the natural appetite of fire is not directed singularly towards a specific piece of wood, but universally and indifferently towards any combustible wood. Therefore, the fire will burn whichever wood is nearby 23. These two examples suggest that the human intellect, if taken to be a material form, can act universally in a similar fashion, that is, have universal cognition. But how does the human intellect actually cognize universally? In the subsequent paragraphs, Buridan outlines a theory of universal cognition that is compatible with his assumption of the human intellect as a material form. What Buridan outlines here is a theory of representative likeness or similarity. According to Buridan, universal cognition is not constituted by directly referring to something universal but by a process of abstraction that finally results in a common concept (conceptus communis) which, while existing singularly in the intellect, becomes universal by indifferently representing or signifying all members of the same species. Thus, for Buridan, the universality of concepts does not consist in their mode of existence, but in their capacity to signify a plurality of individuals. But how does the human intellect generate such a common concept? Buridan states, first of all, that the intellect does not have direct access to things, but

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anima [ultima lectura], III, q. 8). For an edition and analysis of these texts cf. O. Pluta, John Buridan on Universal Knowledge, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 7 (2002), 25-46. Cf. Johannes Buridan, Quaestiones super libros Physicorum Aristotelis, lib. I, q. 7, edd. Streijger/Bakker (nt. 16), 65,19: “Ista opinio non videtur sufficiens”; id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 71,177: “Haec autem opinio videtur defectuosa.” Cf. Johannes Buridan, Quaestiones super libros Physicorum Aristotelis, lib. I, q. 7, edd. Streijger/ Bakker (nt. 16), 65,19-66,5: “Primo, quia Deus est summe separatus et immaterialis, sic quod non est eductus de potentia materiae; et tamen non intelligit modo universali sicut nos, quia sicut dicit Commentator duodecimo Metaphysicae, hoc est intelligere res confuse et imperfecte non intelligendo distinctionem singularium, Deus autem omnia perfectissime et distincte intelligit, licet unica simplicissima intellectione. Sed de hoc est videndum in duodecimo Metaphysicae. Secundo non est verum quod singularitas proveniat ex extensione vel materialitate, quia ita singulariter et distincte ab aliis existit Deus et intellectus noster sicut aliquod extensum, immo etiam terminus universalis ita singulariter et distincte ab aliis existit in intellectu tuo vel meo sicut albedo in pariete.” Cf. ibid., 66,6-14: “Tertio, quia appetitus sensitivus ita est extensus et materialis sicut sensus; et tamen equus et canis per famem et sitim appetunt modo universali. Non enim hanc aquam vel hanc avenam magis quam illam, sed quamlibet indifferenter; ideo quaecumque eis praesentetur, bibunt eam vel comedunt. Et etiam intentio, potentia vel appetitus ignis ad calefaciendum est modo universali, scilicet non determinate ad hoc lignum, sed ad quodlibet lignum calefactibile indifferenter, licet actus calefaciendi determinatur ad certum singulare. Et ita etiam potentia visiva est modo universali ad videndum.”

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must rely on the images (species) of the senses, which are their representative likenesses (similitudines repraesentativae). He assumes, secondly, that things of the same species share a greater likeness (similitudo) or conformity (convenientia) than things belonging to different species. This is why we say that a group of beings belongs to the same species. Thus, Plato and Socrates fit better into the same species than Socrates and the ass Brunellus. And Socrates and Brunellus fit better into the same species than Socrates and a stone 24. The greater likeness, however, stems from the fact that two things belonging to the same species spring from the same or from similar natural causes, because in the order of beings they belong to the same grade or to grades relatively close to one another. In fact, two members belonging to the same most specific species (species specialissima) may share such a great likeness that the only way of perceiving their difference is by referring to their different locations 25. For example, take two stones which are totally alike in size, shape, color, and all other respects. And assume that you only see one of them in front of you. After you have gone away, the first stone is replaced by the second. When you return, you will judge that the stone that is now there is the same that you saw before. But if both stones are placed in front of you, you will judge that they are different because of the difference in their location. This exemplifies how a common concept can signify members of the same species by showing that, as

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Cf. ibid., 66,15-27: “Dico igitur, sicut mihi videtur, quod una causa in hoc quod intellectus intelligit universaliter, licet existat singulariter et res intellecta singulariter et intellectio etiam singulariter et omne aliud, est quia res intelliguntur non per hoc quod sunt apud intellectum, sed per suam similitudinem existentem apud intellectum. Res autem extra ex natura et essentia sua habent inter se convenientiam et similitudinem, ut suppono et postea declarabo. Modo si sit ita quod sint multa invicem similia, omne quod est simile uni eorum, quantum ad hoc in quo sunt similia, est simile unicuique aliorum. Ideo si omnes asini ex natura rei habent ad invicem convenientiam et similitudinem, oportet quod, quando species intelligibilis in intellectu existens repraesentabit per modum similitudinis aliquem asinum, ipsa simul indifferenter repraesentabit quemlibet asinum, nisi aliquod obstet; de quo postea dicetur. Ideo sic fiet universalis intellectio”; id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Pluta (nt. 21), 37: “Si ergo volumus assignare unam causam, licet non sufficientem, quare intellectus potest intelligere universaliter, quamvis res intellectae nec universaliter existant nec universales sint, ego dico, quod haec est causa: quia res intelliguntur non propter hoc, quod ipsae sint in intellectu, sed quia species earum, quae sunt similitudines repraesentativae earum, sunt in intellectu. Unde dicitur tertio De anima: ‘lapis non est in anima, sed species lapidis’. Tunc accipimus, quod res extra animam singulariter existentes de eadem specie vel de eodem genere habent ex natura sui similitudinem seu convenientiam essentialem maiorem, quam illae, quae sunt diversarum specierum vel diversorum generum. Plus enim conveniunt ex natura rei Socrates et Plato quam Socrates et Brunellus (etiam quantum ad suas essentias). Et plus etiam conveniunt Socrates et Brunellus quam Socrates et ille lapis, quod propter hoc patet, quia in eis inveniuntur accidentia naturaliter convenientia essentiis eorum, magis similia et magis convenientia in his, quae sunt eiusdem speciei vel generis quam in aliis”; cf. ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 73,237-74,256 Cf. id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Pluta (nt. 21), 37: “Et huiusmodi maior essentialis convenientia provenit ex eo, quod illa, quae sunt eiusdem speciei vel generis, proveniunt ex eisdem causis vel similibus magis quam alia, propter quod in ordine entium sunt eiusdem gradus vel propinquiorum graduum ad invicem quam alia. Immo illae, quae sunt eiusdem speciei specialissimae, tantam habent essentialem convenientiam, quod tu non habes viam ad percipiendum eorum distinctionem nisi per extraneam”; cf. ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 74,256-263.

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in this case, one only has to abstract from the specific location to generate a concept that signifies both stones 26. Based on the assumption that all members of the same species entertain such a relation of similarity, Buridan further assumes that, for this relation, the rule of transitivity holds. This means that, in Buridan’s own words, if a group of similar things, that is, a, b, and c, are similar, and d is similar to a, then d must be similar to all the other elements of the group, that is to say, it must be similar to b and c. This rule ensures that all members of the same species can be signified by the same common concept. Again, we can assume that this rule of transitivity is guaranteed by the fact that d comes from the same or from a similar natural cause as a, b, and c 27. Finally, Buridan concludes that such a common concept can be generated by the intellect if it is able to sort out size, location, and other accidental appearances and discern them from the substantial ones. If the intellect succeeds in abstracting the concept in such a way that the object is no longer perceived in the manner of something existing within the prospect of the cognizer (in prospectu cognoscentis), then there will be a common concept. For this reason, when the singular concept of Socrates has been abstracted in such a way, it will not represent Socrates any more than Plato, and there will be a common concept from which the name ‘human being’ (homo) is taken. Thus, understanding something in accordance with a common concept is all that thinking universally amounts to. And whatever faculty can perform an abstraction of this sort, whether it belongs to the senses or to the intellect, can be said to cognize universally 28. 26

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Cf. id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Pluta (nt. 21), 37: “Verbi gratia, sint duo lapides similes in magnitudine et figura et colore et aliis singularibus accidentibus, et nunc videas unum et quantum potes considerare ipsum. Demum, te recedente, auferatur ille et ponatur alius locus eius. Tunc tu rediens iudicabis, quod ille, qui nunc est ibi, sit idem, quae ante videbas. Et similiter color, quae in eo iudicabis, sit idem ille color, quae ante videbas, et sic de magnitudine et figura. Nec tu habebis aliquam viam ad sciendum an ille est idem lapis vel alter (et sic etiam de hominibus). Sed si videas eos simul, tu iudicabis, quod sunt alii per alietatem locorum vel situs”; cf. ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 74,263-274. Cf. id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Pluta (nt. 21), 37 sq.: “Postea ego iterum suppono, quod si sint aliqua ad invicem similia, quidquid est simile uni illorum, in eo in quo sunt duo in invicem similia, ipsum est simile unicuique illorum. Verbi gratia, si a, b et c sint similia secundum albedinem, quia sunt alba, sicut d est simile ipsi a, oportet, quod sit consimile ipsi b et c. Ideo consequitur ex eo repraesentatio fit per similitudinem, quod illud erat repraesentativum unius, erit in(38)differenter repraesentativum aliorum, nisi aliud concurrat, quod obstet, sicut dicetur post”; cf. ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 74,274-75,283. Cf. id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Pluta (nt. 21), 38 sq.: “Et hoc finaliter infertur, quod cum species (et similitudo) Socratis fuerit apud intellectum et fuerit abstracta a speciebus extraneorum, illa non magis erit repraesentatio Socratis quam Platonis et aliorum hominum, nec intellectus per eam magis intelliget Socratem quam alios homines. Immo sic per eam omnes homines indifferenter intelliget uno conceptu, scilicet a quo sumitur hoc nomen ‘homo’. Et hoc est intelligere universaliter. […] Tunc ergo revertendo ad propositum dico, quod, cum intellectus a phantasmate recipit speciem vel intellectionem Socratis cum tali confusione magnitudinis et situs, facientem apparere rem per modum existentis in prospectu cognoscentis, intellectus intelligit illum modo singulari. Si intellectus potest illam confusionem distinguere et abstrahere conceptum substantiae vel albedinis a conceptu situs, ut non amplius res percipiatur per modum existentis in prospectu cognoscentis, tunc erit conceptus communis. Unde cum elicitus fuerit conceptus Socratis abstracte a

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Summarizing his theory of universal cognition, Buridan finally gives credit to Alexander of Aphrodisias as the most famous ancient commentator who upheld a materialistic theory of universal cognition, emphasizing that Alexander permitted that this faculty in men be called the intellect on account of its excellence and nobility over the cognitive powers of brutes 29. Obviously, however, higher species of animals are capable of cognizing universally in the same way, although perhaps not as perfectly as humans. Today, we would speak of concept learning in nonhuman animals, which involves a process of categorization based on physical similarity such as the one outlined by Buridan. It may thus come as no surprise that discussions of animal intelligence can be found in John Buridan’s works on natural philosophy. However, what Buridan actually has to say on the subject is quite amazing. In another redaction of Buridan’s lectures on the ‘De anima’ of Aristotle, when presenting the position of Alexander of Aphrodisias (opinio Alexandri), Buridan states that apes are ingenious compared to other animals and to some extent endowed with reason (“quodammodo rationabilis”), and that dogs and other animals are likewise capable of reasoning and concluding, although not in as sophisticated and complete a manner as man or ape (“immo et canes et alia animalia ratiocinantur et syllogizant, quamvis non ita subtiliter ac complete sicut homo vel simia”). Buridan is using the terms “ratiocinari ” and “syllogizare” to emphasize that animal thinking is not different in principle from human thinking, but only differs in scope and complexity 30.

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conceptibus albedinis et situs et aliorum accidentium vel extraneorum, ille iam non magis repraesen(39)tabit Socratem vel Platonem, et erit conceptus communis, a quo sumitur hoc nomen ‘homo’. Et quaecumque virtus potest facere huiusmodi abstractionem, sive illa sit sensus sive intellectus, illa potest universaliter cognoscere”; cf. ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 75,283-290, 79,391-80,405. Cf. id., Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 8, ed. Pluta (nt. 21), 39: “Unde Alexander illam virtutem in nobis credidit esse materialem et extensam, quam tamen concessit in homine esse vocandum intellectum propter excellentiam et nobilitatem eius super virtutes cognoscitivas brutorum”; cf. ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 80,405-409. Paris, Bibliothe`que Nationale, Cod. lat. 15888, fol. 70ra: “In hac materia sunt tres opiniones magis famosae. Una fuit Alexandri, quod anima intellectiva humana est forma materialis, extensa et deducta de potentia materiae, generabilis et corruptibilis, ut est anima canis aut asini. Et dicebat hoc non debere negari propter magnam subtilitatem hominis vel eius ratiocinationem, quoniam hoc dicebat provenire ex nobilitate complexionis corporis humani vel ex nobilitate animae humanae super alias animas, sicut dicemus simiam (esse) ingeniosam super cetera animalia et quodammodo esse rationabilem, immo et canes et alia animalia ratiocinantur et syllogizant, quamvis non ita subtiliter ac complete sicut homo vel simia. Quod apparet, quia, si canis videt dominum suum et vult ire ad ipsum et in directa linea inveniat magnam foveam, non intrabit in illam, sed quaerit aliam viam, licet longiorem, quod non faceret, nisi ratiocinaretur et syllogizaret, quod non est bonum cadere in foveam et cetera. Et tunc Alexander solvebat auctoritates Aristotelis de separatione et perpetuitate intellectus dicens, quod hoc Aristoteles intelligebat non universaliter de omni intellectu, sed loquebatur semper indefinite, et erant dicta sua vera de intellectu divino; ideo in tertio huius loquens specialiter de intellectu humano, quando quaesivit, quare non reminiscimur post mortem, respondet, quod intellectus passivus, sine quo homo nihil intelligit, corrumpitur. Et dicit Alexander, quod per intellectum passivum intelligebat Aristoteles animam intellectivam humanam, quam dicebat esse formam substantialem corporis humani informantem corpus humanum inhaerenter, sicut anima canis informat eius corpus.”

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Buridan refers to a well-known example, namely a dog’s use of logical reasoning in determining which way to go: “This is obvious, for if a dog sees his home and wishes to go there and encounters a large pit on the direct route, it does not enter the pit, but searches for another way, even if it is longer. The dog would not do this unless he reasoned and concluded (nisi ratiocinaretur et syllogizaret) that it would not be good to fall into the pit.” This ability of dogs had been known since antiquity. The Stoic philosopher Chrysippus, for example, describes a hunting dog’s behavior as follows: When the dog comes to a three-way crossroads, he is said ‘virtually’ to go through a syllogism about his prey: ‘The animal went either this way, or that way, or the other way. But not this way, or that way. So that way.’ This example appears with slight variations - in many places. In Philo and Aelian, the hunting dog comes to a pit (closely resembling Buridan’s example) and has to decide if the prey turned left or right or went straight ahead and crossed the pit. Sextus Empiricus, who ascribes the example to Chrysippus, even specifies the syllogism: “the dog makes use of the fifth complex indemonstrable syllogism.” 31 According to Stoic logic, this syllogism took the form of: ‘Either A or B or C; but neither A nor B; therefore C.’ The dog cannot, of course, verbalize his decision or reason in propositional form, but he may mentally represent the three possibilities in a manner that may be akin to the way humans would try to figure out which way to go. Even according to Aristotle, we would have to grant animals the capacity to engage in practical syllogism or reasoning. In the case of the thirsty horse above, appetite says ‘I must drink’, and perception says ‘This is a drink’. The linking of the premises with the conclusion is a causal process, as suggested by Aristotle’s discussion of human practical syllogisms in the Nicomachean Ethics, and there is no apparent reason why animals should not be capable of such causal processes. Thus, even if animals do not ‘explicitly’ go through a practical syllogism, this fact does not suffice to justify the conclusion that they do not think logically 32. But let us return to John Buridan’s discussion of what Albert the Great had called “error Alexandri ”. In a series of four questions on the third book of the ‘De anima’ of Aristotle, which form a small treatise on the nature of the human intellect 33, Buridan 31

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Sextus Empiricus, Outlines of Pyrrhonism, 1, 69; transl. by R. G. Bury, Cambridge (MA) 1955, 43. Cf. J. Annas/J. Barnes, The Modes of Scepticism, Cambridge 1985, 36. For Buridan’s use of this example and its relation to ancient Stoic logic cf. O. Pluta, Mental Representation in Animals and Humans: Some Late Medieval Discussions, in: G. Klima (ed.), Intentionality, Cognition, and Mental Representation in Medieval Philosophy (Medieval Philosophy: Texts and Studies), New York (NY) 2015, 273-286. Cf. R. Sorabji, Animal Minds and Human Morals. The Origins of the Western Debate (Cornell Studies in Classical Philology 54), Ithaca (NY) 1993, 88. According to Buridan, a syllogism is a simple mental act within the soul, even though it is a complex semantical structure. Such an act may easily be possible for animals, even though they cannot express it by means of language. Question 3 asks whether the human intellect is the substantial form of the human body; question 4 whether it is an inherent form in the human body; question 5 whether it is one and the

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discusses three competing positions: the positions of Averroes and Alexander of Aphrodisias, and the position of the Catholic faith, which Buridan introduces as “a truth of our faith (veritas fidei nostrae), which we must firmly believe” 34. However, while Averroes and Alexander of Aphrodisias offer coherent, if mutually exclusive, theories of the human intellective soul, the position of the Catholic faith combines conflicting statements which cannot be reconciled by natural reason. According to Buridan, they are not demonstrable without a special and supernatural revelation: they can only be narrated without any proofs (“narrandae sunt sine probationibus”) 35. Alexander’s position is summarized as follows: “The first opinion was Alexander’s, as the Commentator quotes there. Alexander said that the human intellect is a generable and corruptible material form, educed from the potency of matter, and extended by the extension of matter, just like the soul of a cow or the soul of a dog, and it does not remain after death.” 36 Averroes, for his part, had invoked numerous arguments against Alexander and contended that the human intellect was not a material form. However, Buridan claims that all these arguments are not demonstrative. He then proceeds to counter each of these arguments one by one. As Buridan cannot rely on Averroes for counter-arguments, it becomes clear that these arguments in favor of Alexander are in fact his own 37. Not surprisingly, we here also find our argument drawn from universal cognition. According to Averroes, if the human intellect were a material form, it

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same for all human beings; and question 6 whether it is everlasting. These four questions (lib. III, qq. 3-6) can be found in Zupko, John Buridan’s Philosophy of Mind (nt. 17), vol. 1, 20-56. For our interpretation, we have also made use of Zupko’s English translation (vol. 1, 242-280) and his commentary (vol. 2, 457-505). Johannes Buridan, Quaestiones super libros De anima Aristotelis, lib. III, q. 3, ed. Zupko (nt. 17), vol. 1, 22,74-75: “Tertia opinio est veritas fidei nostrae, quam (Zupko: quae) firmiter debemus credere.” Ibid., q. 6, 51,104-108: “Sed credo quod oppositae conclusiones non sunt demonstrabiles sine speciali et supernaturali revelatione. Nunc narrandae sunt sine probationibus conclusiones vel propositiones quae in hac materia secundum fidem sunt tenendae.” Previously, Buridan had pointed out that the position of faith, namely that the human intellect is made by means of creation, cannot be demonstrated by natural reason. On the contrary, natural reason dictates that everything made in time is made in the mode of natural generation. Consequently, the position of faith can only be narrated without proof. Cf. ibid., q. 4, 33,121-34,128: “Quarta ratio est quia humana ratio, circumscripta fide, aut etiam fides, non dictaret quod intellectus tuus esset antequam tu esses, nisi poneretur perpetuus et unicus, sicut voluit Commentator. Si autem esset factus de novo, hoc aut esset per modum creationis, quod ratio naturalis, circumscripta fide, non dictaret, aut hoc esset per modum generationis naturalis, et tunc esset eductus de potentia materiae et inhaerens”; ibid., q. 6, 49,61-66: “Nam si intellectus non sit perpetuus, ipse est factus, et ratio naturalis non dictaret, sine fide vel supernaturali revelatione, quod aliquid esset factum per modum creationis, sed quod omne factum de novo sit factum per modum naturalis generationis ex subiecto praesupposito, de cuius potentia forma educeretur ab agente.” Ibid., q. 3, 22,58-62: “Prima opinio fuit Alexandri, ut ibi recitat [Zupko: citat] Commentator. Dicebat Alexander quod intellectus humanus est forma materialis generabilis et corruptibilis, educta de potentia materiae, et extensa extensione materiae, sicut anima bovis aut anima canis, et non est manens post mortem.” Ibid., 26,152-153: “Unde Alexander sic respondisset ad illas rationes ut puto.”

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would be unable to conceive anything except singularly and individually, just like the senses. Therefore, it could not cognize universally 38. To this argument Buridan replies on Alexander’s behalf that an extended power is indeed carried to its object in a universal way, just like the horse’s appetite. For the thirsty horse desires water, and not determinately this water or that water, but indifferently any water at all. Therefore, it drinks whichever water it finds 39. In conclusion, Buridan states that philosophers who follow natural reason alone would have to concur with Alexander’s position that the human intellective soul is just as material as ‘the soul of a cow or the soul of a dog’. “My proof is that I think that a pagan philosopher would maintain the opinion of Alexander” (“Probo quia ego puto quod philosophus paganus teneret opinionem Alexandri ”) 40. Subsequently, Buridan emphasizes several times that pure natural reason (“ratio pure naturalis”) forces us to accept Alexander’s position: if we were to put our Catholic faith aside (“fide catholica circumscripta”), our natural reason would dictate it (“ratio naturalis nostra dictaret”) 41. In the final question, which, as Buridan remarks, has been raised so that everything which has been said in the preceding questions might be reviewed 42, he summarizes all statements which “someone would put forward if he used natural arguments alone, without the Catholic faith” 43. At the very end of his argumentation, in the final conclusion, Buridan endorses Alexander’s opinion 44, 38

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Ibid., 25,130-134: “Quarta ratio ad conclusionem principalem est quia si esset eductus de potentia materiae et extensus, tunc non potest recipere nisi singulariter et individualiter, sicut sensus. Ideo nihil posset cognoscere universaliter.” Cf. ibid., 26,171-27,175: “Ad quartam rationem dixisset Alexander quod virtus extensa bene fertur in obiectum suum modo universali, sicut appetitus ipsius equi. Equus enim sitiens appetit aquam, et non determinate hanc vel illam, sed quamlibet indifferenter appetit. Ideo quamcumque invenit, eam bibit.” This counterargument is later repeated; cf. ibid., 44,134-137: “Ad quartam dictum fuit prius quod appetitus sensitivus, quantumcumque sit multiplicatus et individuatus et extensus, potest appetere modo universali, ideo etiam diceretur quod hoc non est impossibile de virtute cognoscitiva.” Ibid., 32, 80-81. Ibid., q. 5, 42,91-94: “[…] puto [Zupko: puta] quod, fide catholica circumscripta et supernaturali infusione notitiae veritatis in nobis, ratio naturalis nostra dictaret quod intellectus humanus esset eductus de potentia materiae et generabilis et corruptibilis.” Cf. ibid., 43,117-119: “[…] si fide circumscripta aliquis procederet ratione pure naturali sine supernaturali infusione, illa ratio dictaret”; ibid. q. 6, 49,62-64: “[…] ratio naturalis non dictaret, sine fide vel supernaturali revelatione, quod aliquid esset factum per modum creationis.” Cf. ibid., q. 6, 48,46-47: “Veritas huius quaestionis apparet ex praecedentibus, sed mota est ut omnia recolligantur simul.” Ibid., 48,48-49,52: “Et enumero primo conclusiones quas aliquis poneret si sine fide catholica solum rationibus naturalibus uteretur, per principia ex sensibilibus [Zupko: speciebus] habentibus evidentiam per naturam sensus et intellectus, sine speciali et supernaturali revelatione.” Cf. ibid., 51,99-101: “Septima conclusio infertur quae est opinio Alexandri: quod est generabilis et corruptibilis, extensus, eductus, inhaerens et multiplicatus.” It should be noted that the question does not end here. Following the requirements of the Parisian Statute of April 1, 1272, Buridan must finish it with a formal declaration that all conclusions against the Catholic faith are not true. “But nevertheless, it must be firmly maintained that not all of these conclusions are true, since they are against the Catholic faith. But I believe that the opposing conclusions are not demonstrable

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This is indeed what natural reason has to say concerning the nature of the human intellect: pure natural reason dictates that the human intellective soul is just as material as ‘the soul of a cow or the soul of a dog’. Thinking is not exclusively human, even if there is an enormous difference in complexity between human and animal thinking. Only a few generations after Buridan, in the fifteenth century, Alexander’s position had become commonplace at the University of Paris, so much so that an anonymous commentator of Peter of Dresden’s ‘Parvulus philosophiae naturalis’, a late-medieval handbook on natural philosophy 45, wrote: “Alia est opinio Alexandri commentatoris […]. Et illum communiter sequuntur Parisienses. Similiter Buridanus tenet hanc opinionem in suis quaestionibus” (“Another is the opinion of Alexander […]. And this one the Parisians commonly follow. Likewise, Buridan maintains this opinion in his own Questions”) 46. After the decline of the University of Paris, following the Great Schism of the West, which lasted from 1378 to 1417, many new universities were founded throughout Europe during the fourteenth and fifteenth centuries 47. At several of these universities, John Buridan was required reading, and Alexander’s posi-

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without a special and supernatural revelation” (ibid., 51,102-105: “Sed tamen firmiter tenendum est quod non omnes conclusiones sunt verae, quia sunt contra fidem catholicam. Sed credo quod oppositae conclusiones non sunt demonstrabiles sine speciali et supernaturali revelatione”). Thus, while complying with the rules and declaring that the position of the Catholic faith is true, he once again makes clear that pure natural reason (ratio pure naturalis) must beg to differ. The ‘Parvulus philosophiae naturalis’ was written around 1400 by Peter of Dresden, probably in Prague. Even though the ‘Parvulus philosophiae naturalis’ was widely read in the fifteenth century, especially at the universities in Leipzig, Erfurt, Basel, Vienna, and Craco´w, it is now quite unknown to us. Around 80 manuscript copies have been identified so far. Of the many extant commentaries, only four have been identified: the early printed texts of the Thomist Johannes Peyligk from Leipzig (Lipsiae per Melchior Lotter 1499), the modernus Bartholomaeus Arnoldi de Usingen from Erfurt (Lipsiae per Wolfgangum Stöckel 1499), the Humanist Matthias Qualle from Vienna (Hagenaw in officina Heinrici Gran 1513), and the Scotist Jan ze Stobnicy from Craco´w (Basilea ex officina Ade Petri 1516). Eichstätt, Universitätsbibliothek, Cod. st 685, fol. 358va: “Alia est opinio Alexandri commentatoris qui vult quod intellectus humanus incepit esse per generationem sicut alia forma (bruti), et dicit quod sit forma educta de potentia materiae, generabilis et corruptibilis, coextensa corpori sicut alia forma bruti. Et illum communiter sequuntur Parisienses. Similiter Buridanus tenet hanc opinionem in suis quaestionibus.” Cf. M. J. F. M. Hoenen, Speculum philosophiae medii aevi. Die Handschriftensammlung des Dominikaners Georg Schwartz († nach 1484) (Bochumer Studien zur Philosophie 22), Amsterdam-Philadelphia (PA) 1994, 105. I follow the text of the manuscript Eichstätt, Universitätsbibliothek, Cod. st 685, which once formed part of the collection of George Schwartz († 1484), a German Dominican who studied at Leipzig, Bologna, and Cologne, and who later became a lecturer at the Dominican convent in Eichstätt. A description of the manuscript can be found in Hoenen, 62-72. For an interpretation of this passage cf. Hoenen, 102-106. Heidelberg (1386), Ferrara (1391), Turin (1404), Leipzig (1409), St Andrews (1413), Rostock (1419), Catania (1434), Barcelona (1450), Glasgow (1451), Greifswald (1456), Freiburg im Breisgau (1457), Basel (1460), Munich (1472), Tübingen (1477), Uppsala (1477), Copenhagen (1479), Genoa (1481), Aberdeen (1495), Santiago de Compostela (1495), Valencia (1499).

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tion was considered “true according to the principles of nature” (“vera secundum principia naturae”), as Nicholas of Amsterdam taught at Rostock University 48. The ‘most pestilential plague’ which the Bishop of Paris, William of Auvergne, had demanded to wipe out in the thirteenth century, had become commonplace at the University of Paris and had spread to many universities across Europe in the fourteenth and fifteenth centuries. Alexander’s theory of the human intellective soul had become part of the university curriculum, and now some masters even dared to call it true, at least according to natural reason. The worst error (error pessimus) had been turned into a philosophical truth. As all previous attempts to stop this plague had failed, the Church authorities now decided that a stronger medicine was needed.

III. Pietro Pomponazzi On December 19, 1513, the Fifth Lateran Council in Rome declared in the form of a papal bull that “since in our days (which we endure with sorrow) the sower of cockle, the ancient enemy of the human race, has dared to scatter and multiply in the Lord’s field some extremely pernicious errors (“nonnullos perniciosissimos errores”), which have always been rejected by the faithful, especially on the nature of the rational soul, with the claim that it is mortal, or only one among all human beings, and since some, playing the philosopher without due care, assert that this proposition is true at least according to philosophy, it is our desire to apply suitable remedies against this plague (pestem, Tanner: infection) and, with the approval of the sacred council, we condemn and reject all those who insist that the intellectual soul is mortal, or that it is only one among

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For Nicholas of Amsterdam cf. O. Pluta, Materialism in the Philosophy of Mind. Nicholas of Amsterdam’s Quaestiones De anima, in: P. J. J. M. Bakker/J. M. M. H. Thijssen (eds.), Mind, Cognition and Representation. The Tradition of Commentaries on Aristotle’s De anima (Ashgate Studies in Medieval Philosophy), Aldershot 2007, 109-126, and O. Pluta, Nicholas of Amsterdam on Universal Knowledge, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 18 (2015), 195-210. Nicholas of Amsterdam refers to Buridan’s example of the hungry horse: “Primo quod non provenit ex parte immaterialitatis intellectus patet sic, quia alicubi reperitur universalitas, ubi non reperitur immaterialitas, ut est de appetitu equi respectu avenae; appetitus namque talis est universalis. Nam quia causatur ratione carentiae, et quia carentia est respectu cuiuslibet indifferenter, idcirco appetit avenam indifferenter; et tamen ibi non reperitur immaterialitas, igitur et cetera” (ibid., 208,22209,2); and he briefly summarizes Buridan’s theory of universal cognition as follows: “Respondetur secundum modernos quod universalizatio causatur ex convenientia et similitudine obiecti cum obiectis aliis in quibus reperitur talis similitudo. Nam potentia intellectiva considerans convenientia rerum ad invicem abstrahit unum conceptum iuxta talem convenientiam qui est plurimum repraesentans” (ibid., 209,8-11). For further examples cf. O. Pluta, “Sed hoc non videtur verum in lumine naturali ”. Natural Philosophy’s Struggle for the Truth in the Immortality Debate of the Fifteenth Century, in: W. Schmidt-Biggemann/ G. Tamer (eds.), Kritische Religionsphilosophie. Eine Gedenkschrift für Friedrich Niewöhner, Berlin-New York (NY) 2010, 85-105.

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all human beings, and those who suggest doubts on this topic” 49. Roma locuta, causa finita. Fortunately, however, despite this condemnation, our story does not end here. In 1516, three years after the bull ‘Apostolici Regiminis’ was published (but prior to the official end of the Council), Pietro Pomponazzi published his treatise ‘On the Immortality of the Soul’ (‘De immortalitate animae’), which launched the immortality controversy of the Renaissance 50. In 1495, the complete text of Alexander’s treatise ‘On the Soul’, translated by Hieronymus Donatus, had become available which allowed Pietro Pomponazzi a much more detailed discussion. The reception of Alexander of Aphrodisias and his ‘error’ concerning the human soul had only just started.

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Decrees of the Ecumenical Councils, vol. 1: Nicaea I to Lateran V, ed. and transl. by N. P. Tanner, London-Washington (DC) 1990, 605 sq.: “Cum itaque diebus nostris (quod dolenter ferimus) zizaniae seminator, antiquus humani generis hostis, nonnullos perniciosissimos errores a fidelibus semper explosos in agro Domini superseminare et augere sit ausus, de natura praesertim animae rationalis, quod videlicet mortalis sit, aut unica et cunctis hominibus; et nonnulli temere philosophantes, secundum saltem philosophiam verum id esse asseverant; contra huiusmodi pestem opportuna remedia adhibere cupientes, hoc sacro approbante concilio damnamus et reprobamus omnes asserentes animam intellectivam mortalem esse, aut unicam in cunctis hominibus et haec in dubium vertentes.” For Pietro Pomponazzi and the Immortality Controversy of the Renaissance cf. M. L. Pine, Pietro Pomponazzi: Radical Philosopher of the Renaissance, Padua 1986, Chap. II: “The Battle for the Soul: the Immortality Controversy”, 124-234.

Explaining the Errors of Nature without Any Error? Some Rational Models in Several Latin Medieval Commentators on the ‘Physics’ Nicolas Weill-Parot (Paris* ) In 1 his ‘Physics’ (II, 8, 199a 33 et sqq.), Aristotle writes those well-known lines: “Now mistakes come to pass even in the operations of art: the grammarian makes a mistake in writing and the pours out the wrong dose. Hence clearly mistakes are possible in the operations of nature also. If then in art there are cases in which what is rightly produced serves a purpose, and if where mistakes occur there was a purpose in what was attempted, only it was not attained, so must it be also in natural products, and monstrosities will be failures in the purposive effort. Thus in the original combinations the ‘ox-progeny’ if they failed to reach a determinate end must have arisen through the corruption of some principle corresponding to what is now the seed.” 2

Aristotle compares the grammarian’s mistakes with nature’s own mistakes. This paragraph is inserted in a section where Aristotle rejects the mechanistic theory which denies any final explanation. More precisely, it is the first of a series of three arguments where Aristotle borrows some ideas from the mechanists’ theory in order to support his own thesis: the existence of a final cause. This section leads to two important issues concerning the medieval scholastic framework: first, the legitimacy of the comparison between art and nature, and second, the possibility of understanding if and how nature can make a mistake. I would like to give an overview on some interesting medieval scholastic commentaries on this issue. As a historian of science, I would like to show how discussions on nature’s errors took place within a larger framework including human mistakes and explanations of phenomena such as nature’s abhorrence of a vacuum. This, I hope, will shed some light on the medieval status of “error”. * 1

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E´cole Pratiques des Hautes E´tudes (EPHE) and Paris Sciences & Lettres (PSL). I thank Katelyn Mesler and Sylvie Anahory who kindly corrected my English. I assume full responsibility for the possible remaining gallicisms and other mistakes. English translation by R. P. Hardie and R. K. Gaye (slightly amended: ‘physician’ instead of ‘doctor’), URL: *http://classics.mit.edu/Aristotle/physics.html+ (last access on January 14th, 2017).

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I. Nature and man using ar t The first issue concerns the question of how Latin translations and medieval commentators apprehended and interpreted the examples of the grammarian and the physician. The first Latin version from the Greek by James of Venice reads: “Peccatum autem fit et in his que sunt secundum artem; scripsit enim non recte grammaticus, et potavit medicus non recte potione […].” 3 “The mistake occurs also in those operations made according to art; a grammarian does not write correctly and a physician does not provide the potion rightly […].”

In the textus annexed to Averroes’ Long Commentary on the Physics, which presumably has been translated from Arabic to Latin by Michael Scot, we read: “Sed accidit peccatum in eo, quod fit per artem. Grammaticus enim barbarizat quandoque et medicus nocet in dando medicinam […].” 4 “The mistake occurs in the operations produced by art. The grammarian commits sometimes a barbarism and a physician harms his patient in prescribing a drug […].”

The Latin translation of Averroes’ Long Commentary reads: “Ut grammaticum barbarizare et medicum errare in potione, similiter possibile est ut hoc accidit a natura.” 5 “Just as a grammarian commits a barbarism and a physician makes a mistake when he prescribes a potion, similarly this possibly occurs by nature.”

The first known commentator, namely Robert Grosseteste, does not provide any comment on these lines. However, in his paraphrase of Aristotle’s ‘Physics’, Albertus Magnus, provides more details on the mistakes made by the grammarian and the physician: “And the example of the first is that sometimes the grammarian does not write in the right way, and then, because he has forgotten some of the principles of his art, he does not accomplish the purpose of the orthography, because grammar is the science of writing in the right way, as far as orthography is concerned. Example of the second: sometimes because he has forgotten some of the principles of his art, a physician provides an evacuant (evacuativum) which has not been properly prepared (non recta potione)” 6. 3

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Aristotle, Physica, translatio vetus Iacobi Venetici, edd. F. Bossier/J. Brams (Aristoteles Latinus VII/2), Leiden-New York 1990, 87 sq. Aristotle, Physica, translatio Michaelis Scoti, in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis, ed. Venetiis (apud Junctas) 1562-1574 [Reprint: Frankfurt a. M. 1962], vol. 4, fol. 79va. Averroes, De Physico auditu libri octo, in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis (nt. 4), vol. 4, textus 82, fol. 79vb. Albertus Magnus, Physica, II, 3, 3, ed. P. Hossfeld, in: Alberti Magni Opera omnia (editio Coloniensis), vol. IV/1, Münster 1987, 136: “Et exemplum primi horum est, quod aliquando non recte scribit grammaticus: et tunc propter omissionem alicuius principiorum artis non pervenit ad finem orthographiae, quia grammatica quantum ad orthographiam scientia est recte scribendi. Exemplum secundi est, quod medicus aliquando propter omissionem alicuius principiorum artis potavit evacuativum non recta potione.”

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Here, the main reason why the grammarian or the physician makes a mistake is the “omission of some art principles”. But a century later, in his ‘Expositio on Aristotle’s Physics’, Albert of Saxony does not give the example of the physician anymore, but focuses on new details about the grammarian’s mistake: “Their first argument was the following: if nature acted according to a purpose, it would never produce any monster; however, we often see the opposite. In short, this argument is wrong, because obviously art operates according to a purpose and, nevertheless, it operates sometimes in a monstrous way. Indeed, sometimes a copyist who wanted to write b wrote d, although he intended to write b, and sometimes his spelling is incorrect, although he intended to use a correct spelling. Similarly, although nature does not intend to produce a monster, however sometimes it produces it, and, nevertheless, we could say that it has acted according to a purpose, although sometimes its operation is hindered in such a way that it does not realize the intended purpose. Therefore this argument is wrong, as I have said.” 7

The copyist’s confusion between the two letters ‘d’ and ‘b’ seems to be an example invented by Albert of Saxony. The grammarian making a barbarism or a grammatical mistake gives way to a copyist wrongly writing a ‘d’ instead of a ‘b’. According to the standard gothic handwriting in the middle of the fourteenth century, such an error was possible. II. T he star ting points of Latin medieval discussions For the commentators, the main issue was the following: they were trying to explain nature’s errors of producing monsters, while at the same time referring to natural causes, and justifying nature’s mistakes while nature was supposed to be God’s perfect instrument. Among the 219 theses condemned by Etienne Tempier’s 1277 ‘Syllabus’, we find this particular one: “[n. 196] Quod dignitatis esset in causis superioribus posset facere peccata et monstra preter intentionem, cum natura hoc possit.” 8 “Being able to produce errors and monsters without any intention to produce them, this would be something dignifying for superior causes, since nature can do it.” 7

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Albert of Saxony, Expositio in octo libros Physicorum, II, 6, 1, in: id., Expositio et Quaestiones in Aristotelis Physicam ad Albertum de Saxonia attributae - e´dition critique, vol. 1, ed. B. Patar, Louvain-la Neuve-Paris 1999, 107: “Primum motivum eorum erat istud: si natura ageret propter finem, nunquam ageret monstra, cuius tamen oppositum saepe videmus. Breviter istud motivum non valet, nam clarum est quod ars agit propter finem et tamen aliquando agit monstruose: aliquando enim scriptor volens scribere b fecit d, quamvis intendebat scribere b, et aliquando non recte, quamvis intendebat scribere recte. Sic simili modo, quamvis natura non intendit producere monstrum, tamen aliquando producit; cum quo stat quod egit propter finem, quamvis aliquando impediatur quod non producit finem intentum. Ergo illud motivum non valet quod dictum est.” Ed. in: D. Piche´, La Condamnation parisienne de 1277, Paris 1999, 96 sq.

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Roland Hissette, the first editor of these condemnations, wrote that this thesis was “silly” rather than “impious”. The unidentified author of this thesis seems to think that the ability to fail is something highly desirable. Moreover, if this thesis included God as a “superior cause”, it would be inconsistent with divine perfection 9. When facing the issue of nature’s errors, medieval commentators followed different paths. As Cecilia Panti has recently established, two main paths have been followed by Avicenna and Averroes 10. In the part of the ‘Kitaˆb al-Shifa’ (‘Book of Healing’) dedicated to Physics, in the first treatise entitled in Latin ‘De causis et principiis naturae’, Avicenna deals (in chapter 7) with the phenomena that occur praeter solitum, that is against the ordinary course of nature: some of them are produced by an external cause (ex causa extranea), but some of them are due to matter (materia). Avicenna gives two examples: a large head and a sixth finger. These anomalies are not common according to the course of nature, but they are actually produced “naturally and by nature, because their cause is nature”. This occurs because of matter which receives such peculiarity since its quantity and quality has been arranged in such a particular way 11. To explain the whole process, Avicenna makes a very important distinction to which I have paid much attention elsewhere 12 -, namely between natura universalis (universal nature) and natura particularis (particular nature). The “particular nature” is the “nature proper to each individual”. The “universal nature” is defined in a much more complex way, since it has two different meanings: on the one hand, it means “species”, on the other hand, it means all natural beings, i. e., as we could say, nature with a capital N. The second meaning seems to be most relevant to understand the issue of natural anomalies. Avicenna uses the distinction between universal nature and particular nature in order to give an account of the paradoxical problem concerning two examples of natural phenomena. First, death. The particular nature of Socrates aims at preserving Socrates’ life; therefore, his particular nature does not aim at his death. However, the universal nature is actually responsible for Socrates’ death and forces the particular nature towards this end, for two good reasons: first, to enable the soul to be 9

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R. Hissette, Enqueˆte sur les 219 articles condamne´s a` Paris le 7 mars 1277 (Philosophes me´die´vaux 22), Louvain-Paris 1977, 168. Cf. C. Panti, Natura non intendit nisi quinque digitos. Caso, contingenza e mostruosita` nelle Questiones supra octo libros physicorum e nei Communia naturalium di Ruggero Bacone, in: Rivista di storia della filosofia 68 (2013), 101-130. Avicenna, Liber primus naturalium, Tractatus primus, De causis et principiis naturalium, cap. 7, ed. S. Van Riet (Avicenna Latinus 8), Louvain-la-Neuve-Leiden 1992, 68 sq.; id., Liber de philosophia prima sive scientia divina. Libri V-X, ed. S. Van Riet (Avicenna Latinus 4), Louvain-laNeuve -Leiden 1980, VI, 5, 334 sq. Cf. N. Weill-Parot, Points aveugles de la nature: la rationalite´ scientifique face a` l’occulte, l’attraction magne´tique et l’horreur du vide (XIIIe-milieu du XVe sie`cle), Paris 2013.

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separated from the body, so that it may reach the happiness of blessed people; second, to leave sufficient food and room for future generations. Second, the hand’s sixth finger. Universal nature gives to every matter the exact form which matter has been prepared to receive; but when there is an oversupply of matter, which requires an additional finger, the universal nature neither prevents this finger from being generated nor acts in order to reduce the excess of matter. In the part of the ‘Kitaˆb al Shifaˆ’ which refers to ‘Metaphysics’ (‘Philosophia prima’), Avicenna gives more details concerning the action of the universal nature regarding death. Averroes, in his ‘Long Commentary on Physics’, does not refer to such a distinction when he tackles this same section. He clarifies the meaning of the error in nature and art: according to him, Aristotle uses art as a nearly antecedens and nature as a nearly consequens. Now, in art, a right action (actio recta) is “an action which achieves the intended purpose without any impediment”, while a mistake (peccatum) occurs when art “does not achieve the intended purpose, but another end which has not been intended”. The same is true for the right operation of nature and for its mistake (peccatum). Therefore, monstrosities are generated by nature’s mistakes (ex peccato naturae). Hence, if we suppose that the monstrous cow mentioned by Empedocles existed, this could not happen by chance (casu), as Empedocles wrongly asserted, but rather, by nature’s own mistake (ex peccato naturae). “The monstrosities that come from nature are produced by nature’s mistakes (peccato) and operations. Obviously, these came to exist because nature was hindered in such a way that it missed its purpose. Therefore, the cause of the cow mentioned by Empedocles - if this example is true - is the following: in the beginning of its generation, some principle has been corrupted in such a way that nature was unable to accomplish the intended purpose from this principle. Similarly, we see that monstrosities occur in animals because of the corruption of the sperm, not because this action of nature would be produced by some accident, as those who ascribe the action of nature to chance wrongly assert.” 13

In his ‘Quaestiones super octo libros Physicorum’, Roger Bacon compares the errors of Ars and Natura 14. Yet, interestingly enough, his comparison reverses Aristotle’s idea, since art is considered as a means to avoid errors. He asks if there is anything wrong (erroneum) in nature, be it a deficiency (peccatum) or a monster (monstrum). He puts forward a first objection. Nature cannot make a 13

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Averroes, De Physico auditu libri octo (nt. 5), fol. 80ra: “Monstruositates provenientes a natura sunt ex peccato naturae, et exitu illius actionis ab illo, patet quod fuerunt per aliquod impedimentum quod fecit eam errare a fine, causa igitur illius vaccae quam Empedocles dicit, si fuerit verum, est quia in prima generatione corruptum fuit aliquod principium in eo adeo quod natura non potuit inducere principium ad finem intentum, sicut invenimus monstrositates in animalibus accidere ex corruptione spermatis, non quod fuit haec actio naturae sine aliquo accidente, ut dicunt illi qui attribuunt actionem naturae casui.” Cf. Roger Bacon, Questiones supra libros octo Physicorum Aristotelis, II, edd. F. M. Delorme/ R. Steele, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, vol. 13, Oxford 1935, 134 sq.

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mistake, since “nature is a principle which moves its subject per se and not by accident” 15. By necessity, nature always acts evenly, thus it cannot produce a monster. But, there could be a counter-argument: one could say that although nature by itself does not do anything wrong, it nevertheless does so when matter is in excess. Roger Bacon raised three objections against this counter-argument a parte materiae. First, art imitates nature; when matter is overabundant, art can remove the superfluous matter; consequently, so can nature. Second, art is less powerful than nature; art can remove the mistakes from its own matter; thus, nature should definitely be able to accomplish more. Third, nature, as the agent of infinite power (that is God), cannot encounter any impediment. Bacon provides an answer. He asserts that a peccatum or a monstrum can be generated by nature. The first objection based on a comparison between art and nature is called a fallacia consequentis, a “fallacy of the consequent”: “Although art imitates nature in some processes, this imitation does not apply to the processes of increasing and reducing matter. Nature acts with one determined purpose, thus it is unable to accomplish opposite aims, therefore it always acts evenly according to matter; thus, if matter is overabundant, nature produces a monster. However, art acts with an undetermined purpose and it can directly accomplish opposite aims thanks to the free will, thus it is able to remove the overabundant matter or to add some matter if it is not abundant enough. Therefore, the two processes are not similar; hence there is a fallacy of the consequent.” 16

In this section, Bacon settles two important points. First, nature indeed produces monsters. In doing so, it increases or reduces the overabundant matter. However, the result is different from art’s work. Art, by increasing or reducing matter, can correct and avoid anomalies when matter is overabundant. Nature cannot. By increasing and reducing matter, nature produces monsters. Nevertheless, this does not imply less power on behalf of nature. This is because nature is strictly oriented towards an exact purpose, whereas art depends on human free will. Furthermore, Bacon rejects the second objection which is also based on the comparison between art and nature. He argues that if the insubordination of matter in respect to nature were proportionally the same as the insubordination of matter in respect to art, then to avoid any error, nature could rectify matter. But the point is that insubordination of natural matter is too strong for nature to neutralize it or rectify it - and obviously, all the more so for art 17. 15 16

17

Ibid., 134: “natura est principium movendi per se et non per accidens id in quo est.” Ibid., 135: “Licet ars imitatur naturam in aliquibus, tamen in apponendo vel diminuendo non, quia natura est agens terminatum non valens ad opposita, ideo semper uniformiter agit secundum materiam, et ideo, si materia superflua sit, agit monstrum, set quia ars est agens indeterminatum ad opposita per liberum arbitrium directe, ideo potest resecare superfluum vel addere si deficiat, ideo non est simile, ideo est ibi fallacia consequentis.” Ibid.: “Ad aliud dico quod, si esset consimilis et proportionalis inobedientia in materia artificis et nature, tunc sicut ars posset aufferre, bene posset natura similiter, set aliquando est tanta inobedientia in materia naturali, ideo non potest natura supra illam nec multofortius posset ars nec eam rectificare.”

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Finally, Bacon rejects the last objection. According to itself, an infinite agent has an infinite power, but according to this particular matter, which is finite, this infinite agent has a finite power, since matter receives its power according to its own finitude. Therefore, as nature is understood in an absolute sense, it cannot encounter any impediment, but, as far as nature regulates nature, it does so 18. Briefly speaking, according to Bacon, nature intends the preservation of the five fingers, not the production of the sixth finger. As Cecilia Panti rightly points out, Bacon makes a strong distinction between monsters (produced by a mixture of seeds) and peccata, which are natural anomalies, for example, a sixth finger 19. Anyway, Bacon follows Avicenna’s path and explains how nature generates a sixth finger. He wants to know whether monsters and peccata are intentionally produced by nature. He explains that nature does not primarily intend to produce a sixth finger, it does so incidentally. Nature gives a shape to remaining matter when it is overabundant, otherwise the remaining matter would rot and this rotten matter would corrupt the remaining fingers. In short, according to Bacon, nature’s intention is to preserve the five fingers, not to produce an extra finger. In other writings (e.g. ‘Communia naturalium’ 20), Bacon clearly explains that the nature which produces a peccatum naturae such as the sixth finger is the “universal nature”. Pierre Duhem and Edward Grant have pointed out that Bacon was the first to explain nature’s abhorrence of a vacuum as a result of the “universal nature” 21. As I have demonstrated elsewhere, Bacon actually borrowed from Avicenna the concept of “universal nature” and applied it to nature’s abhorrence of a vacuum 22. Bacon explains why the water does not fall downwards from a clepsydra or a cantaplora: when a vessel with a narrow hole at the top and several small holes at the bottom has been entirely filled with water, and when the hole at the top is closed, the water does not fall downwards, although it is a heavy body. Bacon explains that this occurs because the universal nature’s action abhors a vacuum. According to its “particular nature”, water should fall, but if it 18

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22

Ibid.: “Ad aliud: agens infinite potentie secundum se est infinite potentie, et sic agit uniformiter, aut ipsum potest comparari ad materiam in qua operatur et illa est finita, ideo tunc potentia ejus finita, quia modo finito recipitur in operatione nature, et ideo tunc potest accipere impedimentum circa ejus operationem in quantum regulat naturam, sed non secundum se.” Cf. Panti, Natura non intendit (nt. 10), 122 sqq. Cf. Roger Bacon, Communia naturalium, II, 5, 4, ed. R. Steele, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, vol. 2, Oxford 1911, 134 sq. On the “abhorence of a vacuum” cf. P. Duhem, Le Syste`me du monde, Paris 1913-1959, vol. 8, 121-168; E. Grant, Much Ado about Nothing. Theories of Space and Vacuum from the Middle Ages to the Scientific Revolution, Cambridge 1981, 67-100; id., Medieval Explanations and Interpretations of the Dictum that ‘Nature Abhors aVacuum’, in: Traditio 29 (1973), 327-355. Cf. N. Weill-Parot, Retour sur ‘l’horreur du vide’. Les origines de la ‘nature universelle’ dans la physique me´die´vale et ses significations (xiie-xive sie`cle)”, in: J. Biard/S. Rommevaux (eds.), La Nature et le Vide dans la physique me´die´vale. E´tudes de´die´es a` Edward Grant (Studia Artistarum 32), Turnhout 2012, 15-38; id., Points aveugles (nt. 12).

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fell, a void would be produced; in order to prevent the existence of a vacuum, the “universal nature” stops water from falling. This operation contradicts water’s “particular nature” but does not contradict its “universal nature” whose aim is to save the whole universe, where no vacuum exists 23. Thus, Bacon uses the same concept of “universal nature” to explain two phenomena: the existence of peccata naturae (errors of nature) and the abhorrence of a vacuum. In both cases, a disorder takes place and the operation of the “universal nature” as opposed to the operation of the “particular nature” keeps this disorder within a strictly natural framework. Silvia Donati and Cecilia Trifogli have drawn scholars’ attention to the English commentaries of the years 1250-1270 24. These commentaries, generally unedited, are strongly indebted to Roger Bacon’s ‘Quaestiones in octo libros Physicorum’. One of them is the important anonymous commentary now held in the manuscript of the Biblioteca communale of Siena, L III 21; in Book II it reads: “I say that there are two causes of errors: the first one indeed is close and precise, the other one is remote and nevertheless original. Nature can commit an error in the first way when it is produced once the end has been achieved, in other words: because of the primary and precise cause and, thus, the end is the cause of the error in nature. But the remote cause of error is the matter itself, and the matter itself is also the origin of this error. Although, according to the first way, the error stems from the end, nevertheless the error comes from the matter in such a way that when nature is overabundant or insufficient or disobedient, nature acts on it as far as it can […].” 25

The anonymous author, probably an English master of arts, rephrases the standard analysis of the natural cause of errors. In the margin, a later hand 23

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Cf. Roger Bacon (?), Questiones supra libros quatuor Physicorum Aristotelis, edd. F. M. Delorme/R. Steele, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, vol. 4, Oxford 1928, 199 sqq. (the attribution of this first commentary to Aristotle’s ‘Physics’ to Roger Bacon has been recently discussed by S. Donati, Pseudepigrapha in the Opera hactenus inedita Rogeri Baconi? The Commentaries on the Physics and on the Metaphysics, in: O. Weijers/J. Verger [eds.], Les De´buts de l’enseignement universitaire a` Paris [1200-1245 environ] [Studia Artistarum 38], Turnhout 2013, 152203); id., Questiones supra libros octo Physicorum Aristotelis, ed. Delorme/Steele (nt. 14), 225-230; id., Communia naturalium, III, 2, 6, ed. Steele (nt. 20), 219-224; id., Opus maius, IV, 4, 9, ed. H. Bridges, vol. 1, Oxford 1897, 151; id., Opus tertium, cap. 45, ed. J. S. Brewer, London 1859, 165. Cf. S. Donati, Per lo studio dei commenti alla Fisica del xiii secolo. Commenti di probabile origine inglese degli anni 1250-1270 ca. Parte I, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 2/2 (1991), 361-441 and 4 (1993), 25-133; C. Trifogli, Oxford Physics in the Thirteenth Century (ca. 1250-1270): Motion, Infinity, Place and Time (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 72), Leiden-Boston-Köln 2000. Siena, Biblioteca communale, ms. L III 21, fol. 36va: “Ad aliud scilicet quod secundo queritur dico quod causa erroris dupliciter est, quedam enim est proxima et precisa et quedam est remota originalis tamen: primo modo potest natura errare cum fiat post finem scilicet penes causam primam et precisam, et sic finis est causa erroris in natura. Causa autem erroris remota est ipsa materia, est etiam ipsa materia origo illius erroris. Licet uno modo fiat error a parte finis, ex parte autem materie provenit error ut cum fuerit superflua vel diminuta vel inobediens, agit natura in ipsam prout potest et per hoc patet prime rationi.”

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clarifies that the master distinguishes between a close and precise cause, namely the end, and a remote and original cause, which is matter (“Causa erroris est duplex: una proxima et precisa et ista est finis, alia autem remota et originalis et talis est materia”) 26. III. T he Buridanian Tur n By the middle of the fourteenth century, as is well-known, John Buridan and Albert of Saxony, in several commentaries which are very similar to one another, initiated new approaches to medieval physics. As I have shown elsewhere, Buridan suggested a new way to understand the “universal nature” in the issue of the abhorrence of a vacuum 27. Roger Bacon had already proposed two different concepts of “universal nature”. The first was defined in the ‘Quaestiones in octo libros physicorum’, an early work, as a transcendent force originating in the heavenly bodies and acting from the outside on the inferior bodies. The English commentators followed this definition. Yet, Bacon gave a completely different definition in a later work, the ‘Opus tertium’, of what he now also called “natura communis”. This was an internal principle, common to all bodies as bodies, i. e. because they are bodies. When a vacuum threatens to form, bodies, according to their “common nature”, tend to touch each other in order to avoid its existence 28. I have tried to show also that this second definition was gradually assumed by the Parisian commentators at the turn of the thirteenth and fourteenth centuries. But John Buridan, in both his earliest and his latest commentaries on the ‘Physics’, offered the most comprehensive understanding of this concept of “natura communis”. John of Saxony is less explicit, but comes quite close to this solution in his ‘Commentary on De Caelo’. Concerning monsters, John Buridan’s last commentary on the ‘Physics’ explicitly rejects the explanation based on the natura universalis or communis and the natura particularis. But he ascribes to some opponents an argument based on an older definition of natura universalis (a transcendent principle). In the ‘Ultima lectura’, Buridan writes that some people call “common or universal nature” God and the Intelligences, and “particular natures” the natures of the inferior bodies. Since “the universal soul acts without any error or mistake, always moving the heavens regularly”, it is clear that “universal nature does not intend to produce either mistake or monster”. In contrast, “particular natures” often make 26 27 28

Ibid. Cf. supra nt. 12 and nt. 22. Cf. Roger Bacon, Opus tertium, cap. 45, ed. Brewer (nt. 23), 165. P. Duhem, Le Syste`me du monde (nt. 21) quoted this section and wrote that it was Bacon’s most mature view on this issue, but he did not point out the fundamental difference between this late definition and Bacon’s previous definitions of “natura universalis”.

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mistakes and intend to produce monsters, because of many external causes that are contingent with respect to them. Hence, our nature, i. e. our soul, often behaves badly and “commits a sin intentionally” 29. Buridan rejects this argument. He explicitly refers to logic in order to solve the problem 30. He refers in particular to the problem of appellatio 31. Verbs such as “to desire, to intend, to want, to make clear, etc. make the terms that follow them in the sentence ‘appellate’ (or call in; Latin: appellare) these reasons according to which the things are intended and desired”. Thus, one cannot infer from the sentence “The man who is coming, I know” the sentence “Therefore I know the man who is coming”. Suppose that Socrates is my best friend, and suppose that Socrates is coming towards me but that I cannot see his face. The sentence “the man who is coming, I know” is true, whereas the sentence “I know the man who is coming” is false, since this second sentence would imply that, at the moment when I am speaking, I know that this man is my old friend Socrates. Thus, the order of words is important in such sentences 32. Buridan also takes up the example of a glass of dirty water that looks like a glass of wine from a distance. Because I believe that it is wine, I want and intend to drink it. But my desire is not induced by the wish to actually drink this liquid, according to the “reason” that it is dirty water, but rather according to the “reason” that I actually believe that it is good wine. The same is true for the verb intendere when applied to nature. The two sentences “No nature intends to produce a monster” and “A monster, nature intends to produce” seem contradictory, but they are actually both true. In other words, whereas the sentence “A monster, nature intends to produce” is true; the sentence “Nature intends to produce a monster” is false. 29

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John Buridan, Quaestiones super octo libros Physicorum Aristotelis (secundum ultimam lecturam): Libri I-II, edd. M. Streijger/P. J. J. M. Bakker (History of Science and Medicine Library 50), Leiden-Boston 2015, II, 12, 332: “Quidam enim distinxerunt de natura communi et de natura particulari, vocantes naturam communem seu universalem Deum et intelligentias et vocantes naturam particularem naturas istorum inferiorum. Et dixerunt quod natura universalis agit sine errore et peccato movendo semper caelum regulariter; ideo illa universalis natura nullum intendit peccatum vel monstrum. Sed naturae particulares propter multa extranea sibi contingentia errant saepe et intendunt monstrum. Et hoc est manifestum de nostra natura, quae est anima nostra. Ipsa enim saepe ex intentione agit mala et peccat.” Cf. ibid., 333: “Sed videtur mihi quod ista quaestio vera solutione debet solvi per logicam ponendo duas conclusiones.” Cf. ibid., 333 sq. Concerning the “appellatio rationis” cf. J. Biard, Le cheval de Buridan. Logique et philosophie du langage dans l’analyse d’un verbe intentionnel, in: O. Pluta (ed.), Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert. In memoriam Konstanty Michalski (1879-1947) (Bochumer Studien zur Philosophie 10), Amsterdam 1988, 119-137, espec. 123; id., Logique et The´orie du signe au XIVe sie`cle (E´tudes de philosophie me´die´vale 64), Paris 1989, 185 sqq., 211 sqq. and 232-237; Jean Buridan, Sophismes (Sic et Non), ed. J. Biard, Paris 1993, 117-169; L. M. de Rijk, John Buridan on Universals, in: Revue de me´taphysique et de morale 1 (1992), 35-59, espec. 51-54 and note 43); G. Nuchelmans, Appellatio Rationis in Buridan Sophismata, IV, 9-15, in: O. Pluta (ed.), Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert (nt. 32), 67-84.

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As Buridan writes, we must concede the truth of the sentence “Everything intended by nature is natural”. On the one hand, we must say that a monster is “a natural thing” and must be called “a natural thing with respect to what is right and normal” in this monster. According to this “reason”, i. e. its participation in normality, the monster “is said to be intended by nature”. But, on the other hand, a monster must not be called a natural thing, but a “fortuitous thing” and “a thing in discordance with nature with respect to its discordance and defects”. Thus, according to this “reason”, we must not say that a monster is intended by nature 33. Albert of Saxony gives the same explanation, but he keeps in mind the distinction between “universal nature” and “particular nature”. He makes use of the grammatical difference between active and passive. He concludes that the particular nature “does not intend” to produce a monster, since it produces it against its own intention, but that the monster “is intended” by the particular nature: the particular nature actually intended to produce this creature, although it did not intend to produce it with this monstrous shape and features (dispositio). On the other hand, as far as the universal nature is concerned, both sentences are true. The monster “is intended” by the universal nature and also the universal nature “intends” to produce the monster 34. This reversibility is justified, since Albert of Saxony moves away from Bacon’s explanation. Roger Bacon had seen the sixth finger as a natural last resort in order to avoid the rotting of the five other fingers. Quite the opposite, Albert of Saxony asserts that the monster is a good thing, that the universal nature produces the monster for the perfec33

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John Buridan, Quaestiones super octo libros Physicorum (nt. 29), 333 sq.: “Verbi gratia ponamus quod in hoc potto sit aqua immunda et mala et ego credam quod sit bonum vinum, propter quod eam intendo et appeto et prosequor. Demonstrata igitur ista aqua constat quod hoc ego appeto et intendo. Et ille appetitus meus non fertur in hoc secundum rationem malae aquae, sed secundum rationem secundum quam credo quod sit bonum vinum. Propter hoc igitur ista verba ‘appetere’, ‘intendere’, ‘velle’, immo etiam ‘cognoscere’ et ‘apparere’, faciunt terminos sequentes eos cum quibus construuntur, appellare istas rationes secundum quas res intenduntur et appetuntur etc. Propter quod non sequitur ‘venientem cognosco, igitur cognosco venientem’. Nec etiam sequitur ‘aquam appeto, igitur appeto aquam’. Hoc enim desidero bibere, et hoc est aqua, igitur aquam desidero bibere et tamen nolo potare aquam. Igitur secundum proportionem ad nos debemus ista praedica ‘intendere’ et ‘appetere’ attribuere naturae, ac si natura cognosceret. Modo si natura cognosceret, illa non intenderet nec appeteret rem aliquam nisi sub ratione boni et numquam sub ratione mali. Ideo falsa est propositio qua volumus exprimere quod natura appetit vel intendit rem aliquam, si praedicatum sequens significet illam rem secundum aliquam rationem malitiae vel defectus, cuiusmodi est hoc praedicatum ‘monstrum’ vel ‘monstruositas’. Et sic falsum est dicere quod natura intendit monstrum, sed monstrum intendit, sicut erat falsum dicere quod ego volebam bibere aquam, licet aquam vellem bibere.” Cf. Albert de Saxe, Quaestiones in Aristotelis Physicam (nt. 7), II, q. 17, 446 sq.: “Isto supposito, sit prima conclusio: natura particularis non intendit producere monstrum. Probatur: quia monstra dicuntur fieri a casu in ordine ad naturam particularem; igitur natura particularis praeter intentionem producit monstra, et per consequens non intendit producere monstra. Secundo, quia natura particularis intendit producere sibi simile et non dissimile; modo, cum producuntur monstra, producuntur dissimilia in dispositionibus producentibus. Secunda conclusio: monstrum bene intenditur a natura. Probatur per primam rationem positam in principio quaestionis, ita quod breviter virtus conclusionis stat in hoc quod, producto aliquo monstro, natura particularis bene intendat producere hoc, sed non sub tali dispositione monstruosa Tertia conclusio: monstrum intenditur a natura universali, et etiam natura universalis intendit monstrum.”

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tion of the universe: the monster is the last ornament of the universe, which does not mean a defect of nature at all, but, on the contrary, actually proves God’s perfection 35. Drawing his inspiration from St. Augustine’s ‘De ordine’ 36 - although he does not mention this work -, Albert of Saxony makes the comparison with a painter and his apprentice. The painter asks his apprentice to paint a picture that seems very ugly, so that the apprentice is annoyed and obeys only reluctantly. In other words, the apprentice correctly paints this picture but “against his own intention”. But this small picture is actually part of a larger one, and this larger and complete picture is actually very beautiful. The painter knew that originally: he is like the “universal nature” and his apprentice is like the “particular nature” 37. V. Conclusion When Aristotle addressed the issue of monsters or anomalies of nature, he compared this with human error in art. Thus, his medieval commentators had to deal with this paradox: on the one hand, nature is the instrument of God and thus everything which exists is produced according to His will and power; on the other hand, errors cannot be imputed to nature or to God, since their action is perfect. This is the classical problem of theodicy. How to understand God’s omnipotence together with the existence of natural errors? The use of the Avicennian concept of “universal nature” is an important point, since the same concept of “universal nature” was employed by Bacon and many followers in order to find a place for strange phenomena that seemed anomalous in the natural order. Such were the motions that seemed contrary to nature because of the abhorrence of a vacuum. The existence of a vacuum 35

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Cf. ibid.: “Patet: nam quod sunt monstra, hoc est pro decore universi; sed mone tale intendit natura universalis; ergo. Sed ex alio natura universalis bene praescit ipsum debere fieri tali dispositione; ergo non producit ipsum tale praeter intentionem. Et etiam, sicut prius dicebatur, in ordine ad primam Causam non fiunt aliqua casualiter, sed omnia quae producit et qualiacumque producit, producit cum intentione. Ergo natura universalis ita intendit producere monstra sicut monstra intenduntur ab ea.” Cf. Augustine, De Ordine libri duo, I, 2, ed. R. Jolivet, in: Œuvres de Saint Augustin, 1re se´rie: Opuscules, vol. IV: Proble`mes fondamentaux, Paris 1939, 304-307. Cf. Albert de Saxe, Quaestiones in Aristotelis Physicam (nt. 7), II, q. 17 ,447 sq.: “Et imaginandum est hic quod, sicut in arte, aliquando magister operis praecipit suo subdito, verbi gratia, in arte depingendi facias ibi talem imaginem, ut forte unam imaginem bene turpem, ita quod ille subditus nesciens in quem finem bene dolet quod debeat ibi facere talem imaginem ita turpem unde recte facit eam contra intentionem; sed, postquam circa illam imaginem sunt factae aliae imagines, tunc propter diversitatem talium imaginum totum aggregatum redditur valde pulchrum. Et et hoc bene praesciebat magister operis, quamvis hoc non praesciebat subditus. Ita in natura, cum producuntur monstra, causa universalis bene praescit quod ex hoc universum redditur pulchrum, et ergo intendit principaliter talia; sed quia agens pertinere non videt, hoc non intendit principaliter monstrum.” Cf. N. Weill-Parot, Nature universelle et harmonie du monde (XIIIeXIVe siecle), in: Micrologus 25 (2017), 197-221.

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would actually have been a dreadful error of nature, and therefore the fact that the water could be led to climb along a tube instead of falling was ultimately not an error. The use of the Avicennian concept of “universal nature” led to a solution which, in some way, subsumed the error of nature or monster under a higher order of nature in which, as a last resort, the error was actually no longer an error. But there were two different ways of subsuming the error thanks to the “universal nature”. The first one was modest: it was Roger Bacon’s solution. According to Roger Bacon, the universal nature produces the sixth finger in order to avoid a worse natural phenomenon, i. e. the destruction of the other five fingers. This was a last resort solution, “ein kleineres Übel” as the Germans say, “un pis-aller” as the French say. It was the least bad solution in the best possible world. The second way was more optimistic: it is Albert of Saxony’s solution. According to Albert of Saxony, the monster was part of the beauty of a higher general frame. Thinking about errors of nature according to the model of human error finally led to a subsuming of the error under the perfection of the first cause. The deficient craftsman gave way to the brilliant artist.

Irrtum in geomantischen Wissenschaften. Die ,Geomantia‘ des Wilhelm von Moerbeke Elisa Rubino (Lecce) I. „Der Gedanke des potentiell prognostischen Charakters von Erklärungen hat neben seinem systematischen Aspekt zweifellos eine große wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung. Den Pionieren der neuzeitlichen Naturwissenschaften, wie Galilei, Torricelli, Newton u. a. erschien die Tatsache, daß diese neuen Wissenschaften sich in so vorzüglicher Weise für Voraussagezwecke eignen, als Realisierung eines bislang unerfüllt gebliebenen Menschheitstraumes: ein Wissen um Künftiges zu erlangen. Zugleich erblickten sie darin das beste Zeugnis für die Überlegenheit der neuen Wissenschaft und der neuen Methode gegenüber der spekulativ vorgehenden Naturphilosophie, die es trotz ihres Anspruchs und Tiefe und Überlegenheit nicht zu prognostisch verwertbaren Weisheiten gebracht hatte.“ 1 Von der Prognostik der neuzeitlichen Naturwissenschaften sind in der Tat Zuverlässigkeit und Genauigkeit zu erwarten, wobei auch der Fehler mit statistischen Methoden untersucht werden kann und in dem gesamten epistemologischen Rahmen (man denke an die Gauß’sche Normalverteilung) seinen Platz findet. Ein gut funktionierendes Navigationssystem führt zum Ziel, zwar nicht im Sinne, dass es zu einem exakten geometrischen Punkt führt, aber man kann immerhin erwarten, zum richtigen geographischen Punkt geführt zu werden. Bei dieser modernen Prognostik ist oberstes Gebot, Irrtum zu vermeiden - die Folgen könnten lebensgefährlich sein. Bei der mittelalterlichen Prognostik waren die Erwartungen der Beteiligten wahrscheinlich nicht geringer, denn kein Abt ließ das künftige Osterdatum und die gesamte Jahresliturgie falsch oder ungenau kalkulieren, und kein Kunde ist je zu einem Geomanten gegangen, um irrtümliche und fehlerhafte Informationen über die eigene Zukunft zu erhalten. Nur unterliefen im Mittelalter Fehler und Irrtümer wesentlich häufiger - beginnend mit dem Umstand, dass die handschriftliche Überlieferung von Zahlentabellen und wissenschaftlichen Kalkulationen und Anweisungen unzählige Abschreibfehler enthielt. Sehr selten je1

W. Stegmüller, Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, Berlin-Heidelberg-New York 1969, 153.

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doch wurde eine Reflexion über Fehler und Irrtum im Rahmen der Prognostik geführt, und es ist dementsprechend schwierig, sich ein Bild des epistemologischen Rahmens dieser - um Stegmüllers Ausdruck zu benutzen - „spekulativ vorgehenden“ Wissenschaften zu machen, im Besonderen derjenigen, die heute als „mantische Künste“ bezeichnet werden. Von einer dieser prognostischen ,Künste‘ bzw. ,Wissenschaften‘ - die scientia geomantiae, die Wissenschaft der Geomantie - ist in diesem Beitrag die Rede, und zwar im Besonderen von einem noch unveröffentlichten Traktat, in dem sich eine Reflexion über Fehler und Irrtum ankündigt. Dieser Traktat wird unter dem Titel ,Geomantia‘ von 15 Handschriften überliefert und einstimmig Wilhelm von Moerbeke zugeschrieben, dem berühmten Dominikaner, Pönitentiar und Kaplan von Papst Gregor X., der sein Leben als Erzbischof von Korinth beschloss und zahlreiche Werke des Aristoteles sowie astronomische, medizinische und mathematische Texte übersetzte. In Wilhelms ,Geomantia‘ - die ich im Rahmen eines von Alessandra Beccarisi geleiteten Forschungsprojektes ediere und untersuche 2 - werden nicht nur viele punktuelle, dogmatisch aus der Tradition aufgenommene Interpretationen, sondern auch aufmerksame Reflexionen über Fehler und Irrtum überliefert, die dazu beitragen dürften, den epistemologischen Rahmen dieser scientia besser zu verstehen. Doch bevor wir auf diesen Text eingehen, wollen wir kurz erklären, was die Geomantie im Mittelalter war, und wie der Geomant operierte. II. Die Geomantie (scientia geomantie) ist eine prognostische Kunst arabischen Ursprungs, welche auf dem Zeichnen von 16 Linien basiert, die aus beliebig gezeichneten Punkten bestehen, wobei die Punkte, die jede Linie konstituieren, der Zahl nach zwölf oder mehr sein sollen 3. Die Anzahl der Punkte kann eine ungerade oder eine gerade Ziffer sein. Im zweiten Fall (gerade Zahl), erhält die Linie den Wert ,1‘. Wenn die Anzahl der Punkte einer Linie ungerade ist, erhält die Linie den Wert ,2‘. Aus diesen binären Werten von je vier Linien entstehen Figuren. Insgesamt können mit diesem System 16 Figuren gebildet werden. Die ersten vier Figuren werden ,Mütter‘ (Matres) genannt, die zweite Quaterne ,Töchter‘ (Filiae), die dritte Quaterne ,Neffen‘ (Nepotes). Ferner gibt es zwei ,Zeugen‘ (Testes), einen ,Richter‘ (Iudex) und schliesslich eine 16. Figur. Alle diese Figuren werden den zwölf Astral-Häusern, den Tierkreiszeichen und den Planeten zugeordnet und haben unterschiedliche Bedeutungen je nach Stellung, Zusammenstellung, Ursprung sowie Anwendung komplexer astrologischer Pro2

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FIRB 2012: Foreseeing Events and Dominating Nature: Models of Operative Rationality and the Circulation of Knowledge in the Arab, Hebrew and Latin Middle Ages. Grundlegend zur mittelalterlichen Geomantie cf. Th. Charmasson, Recherches sur une technique divinatoire: la ge´omancie dans l’occident me´die´val, Geneve-Paris 1980.

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zeduren. Die geomantische Prozedur beginnt mit dem Zeichnen der Punkte, welches unter dem Einfluss der Himmelskörper erfolgt. Aber die Voraussage hängt offensichtlich von der Fähigkeit des Geomanten ab, die daraus entstandenen Figuren und Figurenkombinationen richtig (d. h. ohne Fehler) nach den Regeln der Kunst zu interpretieren. Das Verfahren war kompliziert und der Geomant konnte sich irren. Die Folgen konnten tragisch sein. Nehmen wir zum Beispiel jemanden, der den Geomanten aufsuchte um zu erfahren, ob die eigene Frau ihn betrügen werde. Was folgt, ist das prognostische Verfahren, so wie es in einem erfolgreichen geomantischen Handbuch, nämlich das sog. ,Estimaverunt Indi‘ 4, festgelegt wurde, und später in Wilhelms ,Geomantia‘ wiederholt wird: „De castitate mulierum. Ut si cognoscere vis, si mulier sit casta an incesta, et lineas super hanc intentionem, tunc aspice, quid sit illud quod exit in prima domo et 7a et 6a et 8a et 12a [Estimaverunt Indi: 11a ]. Nam si in eis formatur Flavus, Diminutus, Populus, Rubeus et procreantur ad invicem, tunc ipsa non est casta. Et continuatur ex omnibus domibus Tutela intrans, Comprehensum intus et Carcer, Mundus facie et alie laudabiles, tunc significat castitatem et bonitatem […]. Si autem formatur Diminutus in 7a, tunc ipsa est vehementer diligens servum aut virum absque lege extraneum aut aliquem ex inferioribus hominibus. Si est Rufus, tunc est diligens adolescentulum imberbem. Et similiter dispone figuras secundum ordines suos, et si est sustentans super figuram 15am [,Estimaverunt Indi‘: super 14a ] et Testimonium eius, et ad illud convertitur res eius ad successionem, bonitatem aut corruptionem.“ 5

Dieser Text, hier wiedergegeben nach dem Wortlaut von Wilhelms ,Geomantia‘, fasst die Tradition genau zusammen, die der Traktat ,Estimaverunt Indi‘ überliefert. Beerkenswert ist, dass die numerischen Angaben an zwei Stellen von der Quelle abweichen. Das Haus nämlich, das an fünfter Stelle in Frage kommt, um die entsprechende Figur zu interpretieren, ist nach der ,Geomantia‘ das zwölfte, und nach ,Estimaverunt Indi‘ das elfte. Eine zweite Abweichung findet man im Falle der 15. Figur ,Geomantia‘, die nach ,Estimaverunt Indi‘ die 14. ist. Es gilt zu beachten, dass es hier darum geht, zu entscheiden, ob die Frau „keusch und gut “ (significat castitatem et bonitatem) ist, oder ob sie den fragenden Mann „mit einem unreifen Knaben“ betrügen wird (est diligens adolescentulum imberbem). Eine falsche Zahl genügte, um den Geomanten in die Irre zu führen und eine familiäre Katastrophe zu verursachen. Das Problem war offensichtlich, Irrtum auszuschliessen. Kein Wunder, dass das Verlangen nach einem wahren Urteil zum Ausdruck gebracht wird: „[…] ut verum atque certum habeatur iudicium de scientia geomantie.“ 6 Geomantie als Wissenschaft sollte einen epistemologischen Status finden, der zu einem „wahren und sicheren Urteil“ führt. 4

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Cf. Estimaverunt Indi, zitiert nach der Hs. Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. XXX-29, foll. 1r-25v (= L), hier fol. 9vb. Guillelmus de Morbecca, Geomantia, zitiert nach der Hs. Kassel, Landesbibliothek, 4∞ Ms. astron. 16, foll. 1ra-43ra (= K), hier fol. 41vb. Guillelmus de Morbecca, Geomantia, K (nt. 5), fol. 1ra.

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III. Historiker und Historikerinnen wie Burnett, Rodolfi, Caroti und Fidora 7 haben bereits deutlich gemacht, dass in der Antike die Prognostik ursprünglich als ein rein menschliches Phänomen betrachtet (Aristoteles) und erst später von Cicero als göttlich bezeichnet wurde. Während es sich für Augustin um eine verabscheuenswerte Form von Neugierde (curiositas) handelte, wurde sie von Isidor von Sevilla als superstitiosa beschrieben und von Rabanus Maurus als demoniaca apostrophiert. Zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert veränderte sich die Perspektive. Dank aristotelischer Werke wie ,Meteorologica‘, ,De caelo‘, ,De generatione‘, die Teil des Curriculums der Universitäten wurden, sowie solcher wie Ptolemäus’ ,Tetrabiblos‘ (Quadripartitus), Hugo von Sankt Viktors ,Didascalicon‘, Gundissalinus’ ,Divisio philosophiae‘, und Al-Farabis ,De ortu scientiarum‘, kehrten Astrologie und mantische Künste wie Geomantie, Hydromantik, Aeromantie, Pyromantik und Chiromantie in den Bereich der Naturwissenschaft zurück. Im 13. Jahrhundert akzeptierten auch herausragende Intellektuelle diese Wissenschaftsformen. Thomas von Aquin erkannte, wie Loris Sturlese gezeigt hat 8, die Wahrhaftigkeit der astrologischen Wahrsagungen an, ebenso wie Albertus Magnus es tat - auch wenn beide eine unüberwindbare Grenze zur Vorhersage festlegten: die Willensfreiheit. Mit den neuen Erkenntnissen im Bereich der Naturwissenschaften erwarben die mantischen Künste eine eigene Würde. Sie waren nun nicht mehr nur Ausdruck einfachen Aberglaubens, sondern wurden als mögliche Form der Kenntnis der Zeichen betrachtet, die Gott in die irdischen Dinge gelegt hatte, um eine auf den Gestirnen basierende Divination zu ermöglichen (nach ,Estimaverunt Indi‘ sowie nach der ,Geomantia‘ Wilhelms: „ Deus […] posuit omni rei significationem [„Zeichen“] in terra, qua significetur [„prognostizieren“] ex precognitione ex stellis“ 9). 7

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Cf. A. Fidora, Divination and Scientific Prediction: The Epistemology of Prognostic Sciences in Medieval Europe, in: Early Science and Medicine 18/6 (2013), 517-535; id., Mantische Disziplinen als aristotelische Wissenschaft. Der epistemologische Integrationsversuch des Dominicus Gundissalinus, in: id. (ed.), Die mantischen Künste und die Epistemologie prognostischer Wissenschaften im Mittelalter (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 74), Köln-WeimarWien 2013, 61-72; Ch. Burnett, Doctors versus Astrologers: Medical and Astrological Prognosis Compared, in: ibid., 101-111; id., The Certitude of Astrology: the Scientific Methodology of Al-Qabı¯sX¯ı and Abu¯ Ma‘shar, in: Early Science and Medicine 7/3 (2002), 198-213; A. Rodolfi, Divinazione e conoscenza del futuro tra antichita` e medioevo, in: A. Palazzo (ed.), L’antichita` classica nel pensiero medievale (Atti del Convegno della Societa` Italiana per lo Studio del Penˆ ge 61), siero Medievale S.I.S.P.M Trento, 27-29 settembre 2010) (Textes et e´tudes du Moyen A Porto 2011, 207-232; S. Caroti, Astrologie im Mittelalter: Von Superstitio zur Scientia astrorum, in: L. Sturlese (ed.), Mantik, Schicksal und Freiheit im Mittelalter (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 70), Köln-Weimar-Wien 2011, 13-31. Cf. L. Sturlese, Thomas von Aquin und die Mantik, in: id. (ed.), Mantik, Schicksal und Freiheit im Mittelalter (nt. 7), 97-107. Guillelmus de Morbecca, Geomantia, K (nt. 5), fol. 12vb; Estimaverunt Indi, L (nt. 4), fol. 18ra.

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Die Verbindung der aristotelischen Philosophie der ,Analytika posteriora‘ 10 und besonders der darin enthaltenen Lehre der Definition - mit Disziplinen wie der Astrologie, die die Prognostik bezwecken, war trotzdem schwierig. Von certitude of astrology zu sprechen, schreibt Charles Burnett, „[…] seems to be a contradiction in sense“ 11. Tatsächlich wird die Astrologie im ,Tetrabiblos‘ des Ptolemäus aufgrund der Veränderlichkeit ihres Gegenstandes als non assertiuam beschrieben (ich zitiere nach der Übersetzung von Wilhelm von Moerbeke) 12. 1953 fasste Alistair Crombie 13 den Grad der Wahrheit einiger Wissenschaften wie folgt zusammen: „Already among the ancient Greek astronomers a distinction had arisen between theories that were ,true‘ and theories that simply ,saved the appearances‘. Plato had held that it was characteristic of the substance of heavenly bodies.“ 14 Als im 13. Jahrhundert die geometrische Demonstration auf die Erfahrungswelt übertragen wurde 15, wurde anfänglich das Maß von „scheinbarer Wahrheit “ auf Wissenschaften wie die Astrologie angewendet, die sich zwar der Mathematik bedient, aber keine pure Mathematik ist 16. In der bereits zitierten lateinischen Übersetzung von Ptolemäus’ ,Tetrabiblos‘ benutzt Wilhem von Moerbeke das Adjektiv „uerisimilatiuam“, um die Astrologie zu beschreiben 17. Trotzdem waren die Sterne sowohl für viele mittelalterliche Intellektuelle als auch für normale Leute nicht nur ein legitimes, sondern auch sicheres Instrument, um die Zukunft vorauszusehen. Lehrreich in dieser Hinsicht ist, wie Danielle Jacquart unter anderem am Beispiel von Petrus von Abano gezeigt hat 18, die fortschreitend intensive Anwendung von Astronomie und Astrologie in der medizinischen Prognostik 19. Im Gegensatz zu dem, was man heute erwarten könnte, betrachtete man im 13. und 14. Jahrhundert die Medizin als ein, von einem epistemologischen Gesichtspunkt aus, ziemlich labil begründetes Wissen und versuchte daher, sie durch eine Verankerung in der Astrologie sozusagen zu stabilisieren. Bernhard von Gordon 20 - dem Verfasser des Handbuchs ,Lilium medicinae‘ (1303) - lobt das astrologische Wissen als „vollkommen, fest und gewiss“, und dies im Ge10 11 12

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Cf. Aristoteles, Analytika posteriora I, c. 2, 71b 9-35. Ch. Burnett, The Certitude of Astrology (nt. 7), 199. Cf. Ptolemy’s Tetrabiblos in the Translation of William of Moerbeke. Claudii Ptolemaei Liber iudicialium, edd. G. Vuillemin-Diem/C. Steel (Ancient and Medieval Philosophy, De WulfMansion Centre, Series I, 19), Leuven 2015, 163,135. Cf. A. C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science 1100-1700, Oxford 1953, 21962, 31971. Ibid., 5. Cf. ibid., 6. Ibid., 13. Ptolemy’s Tetrabiblos in the Translation of William of Moerbeke (nt. 12), 163,135. Cf. D. Jacquart, La prudence dans l’e´nonce´ du pronostic me´dical au tournant des XIII e et XIV e sie`cles, in: A. Fidora (ed.), Die mantischen Künste (nt. 7), 113-129. Cf. ibid., 126-128. Cf. ibid., 115-118, 123 sq.

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gensatz zur Unordnung der unzähligen Krankheiten, mit denen der Arzt zu tun hat. Die Zuverlässigkeit der astrologischen Prognostik beruhte auf der Vollkommenheit der Himmelskörper und auf der Regelmässigkeit der Himmelsbewegungen 21, die auf die Gesundheit der Menschen einwirken und die körperlichen und psychischen Merkmale (die menschlichen Komplexionen) beeinflussen 22.

IV. Nun zu Wilhelms ,Geomantia‘, die als ein Versuch gelesen werden dürfte, den neuen epistemologischen Status der geomantischen Wissenschaft zu konsolidieren. Im sogenannten „Kleinen Prolog“ (Prologus minor) präsentiert der Verfasser die Geomantie als Ersatz der Astronomie, welche zu kompliziert ist, um überall und jederzeit betrieben werden zu können. Ein sehr kräftiger astrologischer Hintergrund, der tatsächlich in der technischen Sprache und in den angewendeten Kalkulationen bemerkbar ist, begründet und legitimiert die Geomantie als eine zuverlässige und wahrhaftige Wissenschaft, die nicht auf der Zufälligkeit sondern auf der Notwendigkeit der Himmelsbewegung beruht. „[…] dicitur per sapientes, et verum est, quod corpora inferiora reguntur a corporibus supracelestibus, et ita sequuntur motum corporum superiorum“ schriebt Wilhelm am Anfang seiner compilatio, und gründet die Geomantie auf der soliden Basis der regelmäßigen, perfekten und notwendigen Himmelsbewegungen 23. Auch die Idee von der Überlegenheit der Geomantie über die Medizin wird im Traktat bestätigt. Es wird z. B. ein Abschnitt denen gewidmet, die sich an den Geomanten wenden, um zu erfahren, ob das Artzneimittel, das ihnen verabreicht wurde, auch wirksam ist („Si querat utrum medicus tibi sit utilis “) 24. Aber nicht nur ein Patient, der einen Arzt aufgesucht hatte, hielt es für sicherer, zusätzlich einen Geomanten zu befragen, sondern auch der Arzt selbst bat den Geomanten um die Bestätigung des Gesundheitszustandes seines Patienten und der Wirksamkeit seiner Prognose. So Wilhelm im Traktat: „De cognitione infirmi, si a medico queratur.“ 25 Allerdings war der Irrtum in der geomantischen Voraussage, trotz der Solidität ihrer Voraussetzungen, nicht ausgeschlossen. 21

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Cf. ibid., 124 sowie A. Akasoy/Ch. Burnett/R. Yoeli-Tlalim (eds.), Astro-Medicine, Astrology and Medicine, East and West (Micrologus’ Library 25), Firenze 2008. Cf. J. Ziegler, Philosophers and Physicians on the Scientific Validity of Latin Physiognomy, 1200-1500, in: Early Science and Medicine 12/3 (2007), 205-312, 302 sq. Guillelmus de Morbecca, Geomantia, K (nt. 5), fol. 1va. Cf. A. Maier, Scienza e filosofia nel Medioevo. Saggi sui secoli XIII e XIV, Milano 1984, 11983, 378. Guillelmus de Morbecca, Geomantia, K (nt. 5), fol. 21ra. Ibid., fol. 21ra.

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V. Die ,Geomantia‘ besteht aus acht Teilen (particulae) 26. Dem Inhalt nach scheint sich dieses Werk von den vorhergehenden Traktaten über die Prognostik nicht wesentlich zu unterscheiden, wobei ein genauer inhaltlicher Vergleich dadurch erschwert wird, dass diese Literatur völlig unediert vorliegt und nur durch die Arbeit von The´re`se Charmasson in ihren Grundzügen zugänglich ist 27. Im Rahmen der Forschungen unseres Projektes war es möglich, wörtliche Entsprechungen zwischen Wilhelms ,Geomantia‘ und dem (ebenfalls unedierten) Traktat ,Estimaverunt Indi‘ 28, ferner der ,Ars geomantiae‘ des Hugo von Santalla, sowie der anonymen Schrift ,Desiderantibus verum et certum iudicium dare‘ nachzuweisen. Ob es sich um Zitate oder um den Gebrauch gemeinsamer antiker Quellen handelt, ist kaum zu ermitteln. Ein Element scheint jedoch den Traktat Moerbekes von den anderen bereits bekannten geomantischen mittelalterlichen Texten sowie von RenaissanceTraktaten, wie z. B. der ,Lectura geomantica‘ von Heinrich Cornelius Agrippa 29, zu unterscheiden. Dieses ist die besondere Aufmerksamkeit, die der Verfasser der Problematik des Fehlers als Quelle des Irrtums widmet. Es gibt einen Komplex von Regeln (regule), denen man sorgfältig folgen muss, um ein korrektes Urteil secundum rectitudinem scientie zu fällen und keinem Irrtum zu unterlaufen. Die Wissenschaft, die der Geomant ausübt, um die Vergangenheit zu erkennen, die Gegenwart zu sehen und die Zukunft vorherzusagen 30, nimmt hier die Gestalt einer Art wissenschaftlichen Protokolls von einem wahren Experiment an. Hierbei werden, wie in einem neuzeitlichen Laboratorium, kontrollierte experimentelle Bedingungen gefordert: normierte Instrumente, Standarddauer, bestimmte Temperatur, aseptischer Ort und angelerntes Personal, das nach ethischen Verhaltensregeln arbeitet. - Die Geomantie kann im Sand praktiziert werden oder auf anderem bestimmtem Material („tabula gipsea et cerea et cum penna in carta et in lapidibus et lateribus“ 31); und im Allgemeinen mit allem, was der Wahrnehmungskraft (virtus 26 27 28

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Ibid., fol. 1rb: „[…] in octo divisimus particulas […].“ Cf. Th. Charmasson, Recherches sur une technique divinatoire (nt. 3). Näheres in: A. Beccarisi, Guglielmo di Moerbeke e la divinazione, in: A. Palazzo/I. Zavattero (eds.), Geomancy and other Forms of Divination (Micrologus’ Library 87), Firenze 2017, 371396. Cf. Heinrich Cornelius Agrippa, In geomanticam disciplinam lectura, in: Henrici Cornelii Agrippae ab Nettesheym Opera in duos tomos concinne digesta, ed. Lugduni [i. e. Straßburg] ca. 1630 (per Beringos Fratres), 405-425, URL: *https://books.google.de/books?id= yvZIAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ViewAPI&redir_esc=y#v= onepage&q&f=false+ (Stand: 13. 10. 2017). Cf. Guillelmus de Morbecca, Geomantia, K (nt. 5), fol. 1ra: „Finalis causa est cognoscere preterita, videre presentia et pronosticare futura.“ Ibid., fol. 1va.

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estimativa 32) erlaubt, die gerade oder ungerade Anzahl von Punkten zu beobachten. Der Geomant zeichnet 16 Linien aus Punkten, von rechts nach links, und folgt hiermit den Bewegungen der Planeten 33. - Das Experiment hat eine Standarddauer: Sobald der quaerens (die Person, die den Geomanten konsultiert) dem Geomanten die quaestio stellt, soll diese innerhalb eines bestimmten Zeitraumes beantwortet werden („fiat questio immediate“) 34. - Heiteres Wetter ist nötig („tempus debet esse serenum“). Es darf weder wolkig noch regnerisch sein 35; und die Frage muss zwischen neun Uhr morgens und dem Sonnenuntergang („a tertiis usque ad vesperas“) gestellt werden 36. - Es muss eine präzise Technik bei der Stellung der Frage eingehalten werden: Der Geomant darf für die astralen Einflüsse offen bleiben, für die er - zum jetzigen Zeitpunkt im Prozess - nur ein Vermittler ist. Der Geomant hat hierbei präzise Verhaltensregeln zu befolgen, damit das Verfahren zu einem richtigen Ergebnis führt und die Zeichen, die Gott in die Dinge gelegt hat, durch eine auf die Gestirne basierte Prognostik erkannt werden 37: Er muss eifrig, fleißig und „ohne persönliches Interesse“ handeln 38. Er muss aber vor allem die Regeln der Kunst einhalten und Fehler vermeiden. VI. Wilhelm von Moerbeke widmet in seinem Text den möglichen Fehlern im geomantischen Verfahren eine grosse Aufmerksamkeit. Die Störungsfaktoren, die ein verum atque certum iudicium verhindern und zum Irrtum führen, lassen sich in drei Typologien klassifizieren: a) Materielle Fehler, wenn die für das Verfahren fixierten Bedingungen und die Ausgangsbedingungen nicht eingehalten werden; b) Beobachtungsfehler, die im Falle einer falschen Messung und durch Voreinge32

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Cf. ibid., fol. 1va: „generaliter cum omni eo, in quo virtus estimativa potest considerare paritatem et imparitatem punctorum et figurarum.“ Cf. ibid., fol. 1va: „Et iterum quia non in omnibus locis neque in omnibus temporibus licebat illam formare tum propter temporis brevitatem, tum propter incognitum seu inattingibilem stellarum cursum aut planetarum motum sive pro directione vel retrogradatione casum seu stationem, ut in quinta huius libri particula plenius est tractatum.“ Ibid., fol. 1ra. Ibid., fol. 1va. Ibid. Cf. ibid., fol. 12vb: „Deus autem posuit omni rei significationem in terra, qua significetur ex precognitione ex stellis.“ Ibid., fol. 1rb: „Octava particula et ultima docet specialiter caute previdere questiones atque sano iudicare intellectu, scilicet per unam solam figuram occurrentem in 1a domorum specialiter, videlicet quando movetur artifex per supracelestia ad inquisitionem rei vel questionis ignote et sollicitus super hoc quando nec tempus forte presens sibi locum tribuit congruum, ut integram possit percutere questionem, aut propter aliud impedimentum occurrens aliquod, et ita questio fieret tenebrosa, tunc secundum artis geomantie licentiam, si animus super hoc sit sollicitus, unam ex quatuor stellarum lineis formet figuram confidenter. Magna enim et attingibilis est virtus eius, nam per eam et in ea sanum atque firmum apprehenditur questionis iudicium.“

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nommenheit des Beobachters entstehen; c) Bewertungsfehler, die auf mangelnde Kenntnis der Kunst oder die falsche Interpretation der Daten zurückzuführen sind. Zu a): Materielle Fehler entstehen etwa aus der Nichtbeachtung verbotener Tage, wenn z. B. eine geomantische Antwort an einem ägyptischen Tag oder während des interconnubium des Mondes gegeben wird 39. Ebenso liegt ein materieller Fehler vor, wenn eine ungerade Zahl in der 15. Figur auftaucht, und trotzdem versucht wird, ein Urteil zu formulieren. Die 15. Figur besteht nämlich aus der Addition und der Kombination der Punkte der 14 Figuren und muss aufgrund einer mathematischen Regel immer gerade sein 40. Wenn sie ungerade ist, ist dieser Umstand immer durch einen sachlichen Kalkulationsirrtum des Geomanten verursacht. Unter der Kategorie der materiellen Fehler fällt auch die Handschriftenvarianz, von der schon oben die Rede war. Zu b): Beobachtungsfehler stellen sich ein, wenn dieselben Figuren in verschiedenen Häusern erscheinen und ihre Bedeutungen aus der Kombination der unterschiedlichen Bedeutungen, die die Figuren in jedem Haus annehmen, stammen. Manchmal werden ihre Bedeutungen auch aus der Figur hergeleitet, die im vorhergehenden oder folgenden Haus steht. Es existieren dabei aber sowohl solche Bewegungen, die die Figuren machen dürfen, als auch irrtümliche und unmögliche Bewegungen 41. Um ein Beispiel zu nennen: wenn die geomantische Figur ,Puella‘ im ersten Haus erscheint, kann sie nicht nach den Regeln der Kunst (secundum radicem artis) auch das 7., 11. und 12. Haus besetzen. Einige Figuren, so liest man im Traktat, besetzen Häuser gegen die Natur und die Regeln der Geomantie. Alle Fälle, in denen dies geschieht, werden im zweiten Teil (particula), dritter distinctio aufgelistet, und sind auf den Irrtum des Geomanten zurückzuführen 42. Ein weiterer Beobachtungsfehler wird vom Geomanten begangen, wenn er zu persönlichen Zwecken das Urteil verfälscht und falsche Antworten gibt. „Amor et odium“ 43, „Liebe und Hass“, können das Urteil verändern. In diesem 39

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Cf. ibid., fol. 31rb: „Feliciter intelligas nec memorie commendare negligas, quia non omnes dies neque omnia tempora congruunt operibus geomantie. Abstinere enim oportet diebus Egyptiis et interconnubiis lune. Et dicuntur interconnubia lune ex quo oritur 17 a usque dum oritur 20 a et a 27 a die usque ad novilunium, quoniam illis diebus sunt alique stelle que malivole se aspiciunt et infortunantur, que virtutem et influentiam obtenebant et impediunt signorum et planetarum.“ Cf. ibid., fol. 8va: „hoc dicitur transfiguratio figurarum, quando una figura pro alia mittitur ad sententiam, ad quam propter imparitatem stellarum non potest pergere, ut inferius dicetur.“ Cf. ibid., fol. 7rb: „Dico ergo, quod quidam motus sunt possibiles et naturales lineam questionis rectificantes in significationibus suis. Et quidam impossibiles et erronei preter artem et radicem, qui per errorem artificis forsan eveniunt in linea questionis et multotiens. De quibus hic nostrum incipiemus sermonem.“ Cf. ibid., foll. 7ra-8va. Cf. ibid., fol. 14vb: „De ignorante iudicium causa odii vel amoris sic dicimus: Si quis elevaverit lineam et apparuerint ibi plura mala signa et ipsum dilexeris et erit ad aliquod signum in mitigatione, dubitandum est. Et similiter, si non dilexeris ipsum et essent multa bona signa, ut motus corporis et Iudex et iudicium et alia, et erit unum malum signum in questione, non totum iudicium secundum illud iudicabis. Et nota quod amor et odium vertit in iudicium quod non debet, ubi aliqui non secundum artis rationem, sed secundum animi voluntatem iudicium precipitant veritatis.“

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Fall ist das Urteil nicht mehr Resultat eines objektiven Verfahrens, sondern Ergebnis des Willens des Menschen: Des richtenden Geomanten. Zu c): Bewertungsfehler entstehen durch Unwissenheit des Geomanten. Ein grundlegendes Element der Korrektheit des geomantischen Verfahrens ist die genaue Kenntnis der Regeln. In der 5. particula, in der die Grundlage (radix) der Geomantie beschrieben wird, ist ein Kapitel denen gewidmet, die die Wissenschaft nur oberflächlich kennen 44. Insbesondere handelt das Kapitel von Geomanten mit falschen Überzeugungen zu drei fundamentalen Bausteinen der Geomantie, die der Interpretation der geomantischen Figuren zugrunde liegen: Aspekt (aspectus), Urteil (iudicium) und Bewegung (motus). Fehler in der Interpretation der Winkelfiguren, Fehler in der Kombination der Figuren mit den Tierkreiszeichen, Fehler in der Bedeutung eines jeden domus und Fehler im Einfluss der Planeten auf einzelne Figuren können nur zum Irrtum führen.

VII. Dadurch, dass sich der Geomant der möglichen Fehler bewusst ist, erlangt er eine tiefgehende Kenntnis seiner Wissenschaft, und das Einhalten der Regeln führt zu richtigen Interpretationen. Die Folgen eines Fehlers im Urteil könnten schwerwiegend sein, da die Geomantie nicht eine Wissenschaft für wenige Auserlesene ist. Sie wendet sich - so Wilhelm in seinem Traktat - an alle Menschen, die dieser Kunst und Wissenschaft vertrauen und klaren Geistes sind, aber sie wendet sich nicht an Kinder und an Menschen, die diese Kunst verhöhnen 45. Im Traktat Wilhelms konsultieren selbst Priester den Geomanten 46. Ausgeschlossen werden von dieser Wissenschaft nur die Menschen, die kein Vertrauen in diese Kunst haben. Wer sich an den Geomanten wendet, kann eine quaestio zur Meteorologie stellen, zu einer Schwangerschaft, über den oder die Geliebte, einen Handel, ein Erbe, bereits besessene oder zu beschaffende Güter, den Kauf von Tieren, die ecclesia oder die Stadt und ihre Regierung, die Freundschaft, und natürlich das Leben und den Tod. Alle Aspekte des menschlichen Lebens waren Untersuchungsgegenstand der Geomantie und eine falsche Antwort konnte fatale Folgen haben. 44

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Cf. ibid., fol. 31rb: „Notandum quod in pluribus errant qui ignorant scientiam, sed specialiter autem in tribus, scilicet in aspectu, iudicio et motu, verbi gratia cum prima aspicit 4 am et 7 am, dicunt in 4 a pervenire ad suum finem. Nos autem dicimus ista proponere querenti in Iudice et iudicio, si detur per 6 am vel per aliam timentium domorum sicut 7 am, et questio sit de infirmitate per medicinam penitus liberabitur.“ Cf. ibid., fol. 1 va: „hominibus credentibus artem et scientiam, temperatis et discretis, non furiosis, non mentecaptis, non stultis, non pueris, nec temptantibus artem nec obloquentibus neque vagis aut derisoribus vel scientiam vituperantibus.“ Cf. ibid., fol. 18 vb: „Si queris de sacerdote, quomodo se habet in ecclesia sua. Vide si 3 a sit bona, bene se habet in ecclesia. Et si in 4 a est bona figura, ut Fortuna maior et Acquisitio et cetera, eucratur in illa et e converso. Et ita intellige si sit honoratus in eadem vel non.“

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VIII. Zuletzt ein paar abchließende Bemerkungen. Der Irrtum, seine Ermittlung und seine Beseitigung spielt im wissenschaftlichen Prozess eine wesentliche Rolle. Gerade im Hinblick auf die Problematik des wissenschaftlichen Irrtums enthält Wilhelm von Moerbekes Traktat über die Geomantie wichtige Elemente. Der Autor beschränkt sich nicht darauf, aus der damals vorliegenden Literatur bekannte Informationen zusammenzustellen, oder eine mehr oder weniger ausführliche Liste von dogmatisch vordefinierten Voraussagen anzuführen. Er bereichert vielmehr seine Geomantie-Lehre mit Überlegungen zum Irrtum, und versucht hiermit einen Beitrag zur Konsolidierung und zur Verwissenschaftlichung der Geomantie zu leisten. 1. Die Gültigkeit der Geomantie wird auf die Astronomie gegründet, und zwar auf die Notwendigkeit und Regelmässigkeit der Himmelsbewegungen. Zwar schreibt Wilhelm, dass dank der Einflüsse der Himmelskörper der Geomant „die Zeichen“ erkennt, „die Gott in die Dinge gelegt hat “ 47. Es handelt sich aber nicht um prophetische Visionen, die einigen Auserwählten durch den astralen Einfluss zuteil werden. Ob das Verfahren wirkt, hängt von der Kenntnis des Forschers ab. Das Urteil des Divinators ist also das Ergebnis einer Art Experiment im geomantischen Laboratorium. 2. Die Zuverlässigkeit der Antworten, die der Divinator gibt, hängt von der Anwendung eines Systems von Regeln ab. Ein falsches Urteil hängt von den Verfahrensfehlern ab, die der Geomant aufgrund seiner Unwissenheit, Unfähigkeit, Befangenheit oder Willkür begangen hat. Das Erkennen möglicher Fehler bestätigt die experimentellen Eigenschaften des geomantischen Verfahrens. Zeigt der Text Wilhelms einerseits innovative Elemente in Bezug auf die scientia geomantie, so sollten andererseits auch die Grenzen dieser „Wissenschaft “ nicht vergessen werden. Auch in dieser Hinsicht ist der Versuch Wilhelms ein wichtiger Zeuge. Er übernimmt und behält die traditionellen Grundregeln für die Herstellung der Figuren, aber sein Text zeigt eine starke kasuistische Hypertrophie und eine aussergewöhnliche astrologische Komplexität. In dieser Komplexität bewegt sich der Geomant vor allem mit seiner Intuition und seinem Einfühlungsvermögen, und seine prädiktiven Urteile erfolgen mit einer Approximation, die eine unkontrollierbare Bandbreite hat und die sich daher einer wahren experimentellen Nachprüfung entzieht. Dieser Weg führte in eine Sackgasse. Erst die Abkoppelung von der Astrologie wird es erlauben, die psychischen Kräfte, die im geomantischen Prozess wirkten, in Rahmen einer rein menschlichen Wissenschaft zu erforschen 48. 47 48

Cf. supra nt. 9. Cf. E. Garin, Lo zodiaco della vita. La polemica sull’astrologia dal Trecento al Cinquecento, Roma-Bari 2007, 11976, vii-xvi.

Die Kritik des Irrtums und die Idee des universalen Fortschritts nach Roger Bacon G¸nther Mensching (Hannover) Das Werk Roger Bacons ist von Kritik und zuweilen von heftiger Polemik bestimmt. Viele seiner wichtigsten Schriften beginnen mit einer Darlegung von Irrtümern und Fehlern, deren Ursache in der Vergangenheit gelegt wurde und die von gegenwärtigen Autoren und Institutionen kritiklos fortgeschleppt und verschlimmert werden. Für die akademischen Debatten seiner Zeit ganz ungewöhnlich, greift er seine Gegner zuweilen unter Namensnennung scharf an. Das markanteste Beispiel ist Richard Rufus von Cornwall, den er als den „Urheber des schlimmsten und dümmsten jener Irrtümer kenne, der Richard von Cornwall heißt und der berühmteste in der törichten Menge ist “ 1. Der ihm vorgeworfene Fehler ist weniger fundamental als die anderen, mit denen Bacon in verschiedenen Variationen abrechnet. Er bezieht sich auf die Verwendung identischer Begriffe auf existierende und vergangene Dinge, wieso es denn falsch sei zu sagen „Caesar ist ein Mensch“. Grundsätzlicher sind die Irrtümer, die auf Alexander von Hales zurückgehen. Seine nach Bacon vollkommen überschätzte Summa zeuge nicht von der Kenntnis der modernen Wissenschaft, deren Bedeutung Bacon dagegen dartun will. Nach Alexanders Eintritt in den Franziskanerorden „ jubelten seine Brüder und andere zum Himmel und gaben ihm die Autorität über das gesamte Studium und schrieben ihm jene große Summa zu, die viel mehr wiegt als ein Pferd, die er [aber] selbst nicht verfasst hat, sondern andere. Und trotzdem wurde sie ihm aus Verehrung zugeschrieben und ,Summa des Bruders Alexander‘ genannt. Und selbst wenn er sie selbst verfasst hätte oder [wenigstens] großenteils, so las er dennoch weder die naturwissenschaftlichen Schriften noch die Metaphysik noch hörte er sie, denn es gab keine Lehrbücher jener Wissenschaften noch übersetzte Kommentare, als er Magister regens war.“ 2 1

2

Roger Bacon, Compendium studii theologiae, ed. Th. S. Maloney, Leiden-New York 1988, 86: „Et optime novi pessimum et stultissimum istorum errorum [auctorem], qui vocatus est Richardus Cornubiensis, famosissimus apud stultam multitudinem“ (meine Übersetzung). Id., Opus minus, in: J. S. Brewer (ed.), Fr. Rogeri Bacon Opera quaedam hactenus inedita, London 1859, 326. „Ex suo ingressu fraters et alii exaltaverunt in coelum, et ei dederunt auctoritatem totius studii, et adscripserunt ei magnam Summam illam, quae est plusquam pondus unius equi, quam ipse non fecit sed alii. Et tamen propter reverentiam ascripta fuit, et vocatur Summa fratris Alexandri. Et si ipse fecisset vel magnam partem, tamen non legit naturalia, nec metaphysica nec audivit ea, quia non fuerunt libri principales harum scientiarum nec commentarii translati quando rexit in artibus“ (meine Übersetzung).

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In diesem Zitat sind bereits zwei wichtige Motive von Bacons Auffassung des Irrtums enthalten: die Überschätzung der institutionellen Autorität, die mit der wissenschaftlichen Kapazität nicht notwendig verbunden ist und die womöglich willentliche Unkenntnis der Naturwissenschaften. Um die Aufnahme der naturwissenschaftlichen Schriften und der Metaphysik des Aristoteles in das Lehrprogramm, hat sich Bacon während seines ersten Pariser Aufenthaltes sehr bemüht. Auch wenn die Universitäten nach wiederholten Verboten den Kanon in dieser Hinsicht erweitert haben, war Bacon mit dem danach sich einspielenden Lehrbetrieb nicht einverstanden und übte seine Kritik gerade an den von ihm so genannten moderni, die dem Aristoteles blind folgten, ihm aber nichts Neues hinzuzufügen verständen. Insbesondere sind hier die später so genannten Lateinischen Averroisten seine Gegner, aber auch Albertus Magnus zählt er zu den moderni und auch Thomas von Aquin ist in diesem Zusammenhang kritisch erwähnt 3. Bacon hat seine drei Hauptschriften ,Opus maius‘, ,Opus minus‘ und ,Opus tertium‘ in höchster Eile im Auftrag des Papstes Clemens IV. geschrieben, um diesem seine Ideen zur Reform des gesamten wissenschaftlichen und vor allem des theologischen Studienwesens darzulegen. Dieser ordensintern verbotene, direkte Kontakt mit dem Papst brachte Bacon in heftigen Konflikt mit seinen franziskanischen Oberen, namentlich auch mit Bonaventura, dem Generalminister des Ordens bis 1274. Die novitates, die ihnen suspekt erschienen, hatten das Interesse des Papstes geweckt, als dieser unter dem Namen Guy le Gros de Foulques noch päpstlicher Legat in England war. In den genannten Schriften, aber ebenso in seinem ,Compendium studii philosophiae‘ und dem späten ,Compendium studii theologiae‘ tritt Bacon auch nach dem Tode seines päpstlichen Mentors 1268 für seine Kritik der zeitgenössischen Wissenschaft und für die Reform des wissenschaftlichen Studiums ein. Eine radikale Änderung erscheint ihm zwingend notwendig, nicht aus gleichsam zünftlerischen Gesichtspunkten, sondern wegen der weltpolitischen Lage des damaligen Christentums, das er mitsamt aller Zivilisation in höchster Gefahr sah. Der Eifer, mit dem er überkommene und aktuelle Irrtümer in der Wissenschaft bekämpft, stammt aus einer theologisch fundierten Eschatologie, die auch seine Wissenschaftssystematik bestimmt. Diese ist für ihn nicht eine akademische Angelegenheit, sondern eine auf das Heil der Menschen in praktischer Absicht gerichtete Theorie. Sie stellt nicht, wie auch öfters behauptet wird, eine Wendung des scholastischen Denkens von der vermeintlich fruchtlosen Spekulation zur empirischen Erfahrung oder gar zum Empirismus dar. Er war nicht ein moderner Forscher avant la lettre, auch wenn er seine scientia experimentalis durchaus auch praktisch, im experimentellen Umgang mit den Naturmaterialien betrieben hat. Bacons Denken ist im Kern sehr traditionell und gerade dies ermöglichte ihm, Kritik an seiner Gegenwart zu üben ohne die Vergangenheit zu idealisieren. 3

Cf. Id., Compendium studii philosophiae (nt. 1), 426.

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Der Gedanke des möglichen Fortschritts im weltlichen Leben der Menschen verbindet sich mit einer neuplatonisch und joachitisch inspirierten Eschatologie. Diese letzteren Motive waren in den reflektiertesten theoretischen Entwürfen seiner Zeit im Grunde schon überholt. Weder Thomas noch Duns Scotus noch Heinrich von Gent noch die Vertreter der Franziskanerschule wie Petrus Johannis Olivi oder Matthäus ab Aquasparta, stimmen hiermit überein. Mit den, gegen Ende des 13. Jahrhunderts sich herausbildenden nominalistischen Tendenzen hat er gar nichts im Sinne 4. In der Verbindung seiner Motive ist Bacon indessen überaus originell und beansprucht dies auch. Er steht am Rande der großen geistigen Bewegung des 13. Jahrhunderts, an der er dennoch auch affirmativ partizipiert. Keiner der zu seiner Zeit bestehenden Richtungen ist er umstandslos zuzuordnen und hat auch selbst keine Schule begründet. Die Rezeption seines Werkes beschränkt sich auf seine Beiträge zur Naturwissenschaft, namentlich auf die Alchemie und seine erstaunlich modernen technologischen Visionen 5. Besonders die Schrift ,De secretis operibus naturae‘ hat zudem manche phantasievollen Legenden angeregt. Er wollte die Theologie im traditionellen Sinne retten oder gar wiederherstellen und projektiert zu diesem Zweck ein neues Studiensystem, das die Fehler und Irrtümer des bestehenden korrigiert. Diese Deutung steht in Kontrast zu den bis heute überwiegenden Interpretationen von Bacons wissenschaftlichen Intentionen, die als zuweilen erstaunliche oder auch wieder unvollkommene Antizipationen neuzeitlicher Wissenschaft gelten. Die Bekämpfung der verbreiteten Irrtümer zielt daher auch nicht allein auf die Berichtigung sachlicher Fehler in der Naturwissenschaft und in der Sprachtheorie, sondern vielmehr auf ein geändertes Selbstbewusstsein von Wissenschaft. Dem Betrieb der damals institutionalisierten Wissenschaft, wirft Bacon geistferne Routine und Ignoranz gegenüber neuen Erkenntnissen vor. Ging es im Unterricht an den Universitäten und Ordensstudien fraglos zunächst um die Vermittlung der Tradition, so war doch der fortwährende Reflexionsprozess, der sich in den Disputationen objektivierte, auch die Quelle intellektuellen Fortschritts. Bacon selbst hat daran teilgenommen, wie seine überlieferten Quaestiones zur Physik und Metaphysik zeigen. Dennoch sieht er das damals kaum fünfzig Jahre alte Studiensystem bereits als veraltet und unangemessen an. So redet Bacon von der „infinita dementia [quae] regnat in studio toto tam philosophiae quam theologiae“ 6. Im ersten Teil des ,Opus maius‘ führt Bacon vier grundlegende Irrtümer an, die er als so schwerwiegend ansieht, dass aus ihnen alle Übel der Menschheit stammen: „Ex his autem pestibus mortiferis accidunt omnia mala generis humanae.“ 7 4

5

6 7

Th. S. Maloney hat den extremen Realismus Bacons herausgearbeitet: The Extreme Realism of Roger Bacon, in: Revue of Metaphysics 38 (1985), 807-837. Cf. Roger Bacon, De secretis operibus artis et naturae et de nullitate magiae, in: Brewer (ed.), Opera (nt. 2), 523-551. Id., Compendium studii philosophiae (nt. 1), 432. Id., Opus maius, ed. J. H. Bridges, vol. III, Oxford 1900 (Neudruck: Frankfurt 1964), 2.

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Diese vier Fehler sind vornehmlich Attitüden der akademischen Lehrer. Indessen sind sie „Hindernisse für die Erkenntnis der Wahrheit, die jeden Weisen behindern und kaum jemandem erlauben, zum Ehrennamen der Weisheit zu gelangen, nämlich das Beispiel schwacher und unwürdiger Autorität, die lange Dauer der Gewohnheit, die Gesinnung der unerfahrenen Menge und die Verbergung der eigenen Unwissenheit unter der Prahlerei mit scheinbarer Weisheit “ 8. Mit dieser schweren Anklage hat Bacon die Studien an den Universitäten im Auge. Der Vorwurf der Unwissenheit und der falschen Prätention von Wissen, der durch die inzwischen eingeschliffene Routine der universitären Lehre fortgesetzt wird, trifft die Magister der Artes und der Theologie. Sie folgen blind den Meistern der Vergangenheit, die ebenfalls gegen Irrtümer nicht gefeit waren. So führt er sogleich am Anfang seiner Kritik Avicenna und Averroes an, die in manchen sachlichen Irrtümern befangen sind. Dennoch sind diese, ebenso wie Augustinus, Aristoteles selbst und viele Kirchenväter, echte Autoritäten, deren Lehren jedoch nicht besinnungslos wiederholt werden sollen, sondern vielmehr der Prüfung durch den Verstand unterliegen müssen. Dies aber geschehe im Betrieb der Disputationen und der Sentenzenkommentare nicht oder nur unvollkommen, denn nicht einmal die vorliegenden Übersetzungen des Aristoteles und seiner arabischen Kommentatoren würden ausreichend zur Kenntnis genommen und seien ohnedies meist schlecht und irreführend. Die Kritik im ,Opus maius‘ bezieht sich vor allem auf die Autoritätsgläubigkeit und die Routine, die keine neuen Erkenntniswege zulassen. Noch in seinem, gegen Ende seines Lebens geschriebenen ,Compendium studii theologiae‘ führt er die gleichen Quellen der Irrtümer an: „[…] tria sunt videndae veritatis offendicula: fragilis et indignae auctoritatis exempla, consuetudinis diuturnitas, sensus multitudinis imperitae. Primum inducit in errorem, secundum ligat, tertium confirmat.“ 9

In diesem Werk entwirft Bacon Elemente einer Semiotik, die der mangelnden sprachlichen Kompetenz seiner Gegner entgegenwirken will. Die Hauptteile des ,Opus maius‘ setzen sich der gewöhnlichen wissenschaftlichen Methode entgegen und entwerfen eine Enzyklopädie der Wissenschaften, die untereinander durch das Band der utilitas verbunden sind. Dieses Netz der wechselseitigen Beziehungen hat eine hierarchische Struktur. Die Theologie ist die höchste Wissenschaft, der alle anderen zuarbeiten müssen, ohne freilich der Dogmatik im Einzelnen zu folgen. Im Gegenteil, eben hierin liegt der Irrtum der Gewohnheit und womöglich der falschen Autorität. Dieses Ancilla-Motiv ist ja nicht neu, aber es wird in einer ungewöhnlichen Weise vorgetragen und 8

9

Ibid.: „Quattuor voro sunt maxima comprehendendae veritatis offendicula, quae omnem quantumcumque sapientem impediunt, et vix aliquem permittunt ad verum titulum sapientiae pervenire, videlicet fragilis et indignae auctoritatis exemplum, consuetudinis diuturnitas, vulgi sensus imperiti, et propriae ignorantiae occultatio cum ostentatione sapientiae apparentis“ (meine Übersetzung). Id., Compendium studii theologiae (nt. 1), 38.

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verstanden 10. Es ist nicht allein die Theologie, die aus den theoretischen und empirischen Wissenschaften Nutzen zieht, sondern die Theologie selbst bietet für die Wissenschaften die unverzichtbare Orientierung. Das prägnanteste Beispiel bietet hier die Optik, die Bacon zumeist perspectiva nennt. Die physikalische Lehre vom Licht und den Gesetzen seiner Ausbreitung, mit der sich Bacon eingehend auch experimentell beschäftigt hat, kommt nach seinem System der Theologie zugute, wenn sie ihre Lehre vom göttlichen Licht mit den neuesten Erkenntnissen der Optik in Zusammenhang bringt. Umgekehrt hat die empirische Wissenschaft der Optik nach Bacon ihr Selbstbewusstsein darin, dass sie mit einer unmittelbaren Ausstrahlung des Göttlichen zu tun hat. Die theologische Metaphorik nimmt Bacon wörtlich als Aussage über die Natur, über die inzwischen neue Erkenntnisse vorliegen, welche von der Theologie zu ihrem eigenen Schaden ignoriert werden. In dieser Auffassung liegt Bacons problematische Verbindung von traditioneller Religiosität und moderner Wissenschaft. Der Nutzen, den die Theologie aus den Wissenschaften zieht, ist jedoch nicht das Ergebnis einer vollständigen reductio ad theolgiam, wie sie Bonaventura versteht, er besteht vielmehr in der Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse, denn die Theologie muss der konkreten Welt in Natur und Politik Rechnung tragen, wenn sie nicht in der Wiederholung des Immergleichen stehenbleiben will. „Alle Wissenschaften sind untereinander verbunden und leisten sich gegenseitig Hilfe, wie die Teile eines Ganzen, von denen ein jedes seine Arbeit leistet, nicht nur um seiner selbst, sondern auch um der anderen willen, so wie das Auge den ganzen Körper lenkt und der Fuß das Ganze stützt und von einem Ort zum anderen führt, usw. Daher ist ein Teil außerhalb des Körpers wie ein ausgerissenes Auge oder ein abgeschnittener Fuß, und so verhält es sich auch mit den Teilen der Wissenschaft, denn keiner kann seine Nützlichkeit ohne den anderen entfalten, denn sie sind Teile einer und derselben Gesamtwissenschaft.“ 11

Diese sapientia totalis ist nicht mit der Theologie identisch, diese ist vielmehr deren integraler Teil. Die arbeitsteilige und doch teleologisch verfasste Sphäre der Wissenschaft dient insgesamt dem Heil der Menschheit und bezieht ihre produktive und zugleich kritische Kraft aus der Abwehr des Antichrist, der nicht allein die Christenheit, sondern alle zivilisierten Völker mit Vernichtung bedroht. „Nicht allein zum Zwecke wissenschaftlicher Betrachtung schreibe ich dies, sondern wegen der Gefahren, die den Christen und der Kirche Gottes durch die Ungläubigen drohen und drohen werden, besonders aber durch den Antichrist, weil er selbst die 10

11

Cf. hierzu F. Finkenberg, Ancilla theologiae? Theologie und Wissenschaften bei Roger Bacon, Mönchengladbach 2007, 47 sqq. Roger Bacon, Opus tertium, in: Brewer (ed.), Opera (nt. 2), 18: „Nam omnes scientiae sunt connexae, et mutuis se fovent auxiliis, sicut partes ejusdem totius, quarum quaelibet opus suum peragit, non solum propter se sed pro aliis: ut oculus totum corpus dirigit, et pes totum sustentat et de loco ad locum deducit; et sic de aliis. Unde pars extra totum est sicut oculus erutus vel pes abscissus; et sic erit de partibus sapientiae: nam nulla consequitur sui utilitatem sine alia, cum sint partes ejusdem sapientiae totalis“ (meine Übersetzung).

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Macht der Wissenschaft nutzt und alles zum Üblen wendet. Durch solche auf die Sterne bezogenen Worte und Taten, mit einem starken Wunsch, Übles zu tun, verbunden mit der festesten Absicht und einem heftigen Selbstvertrauen wird er nicht allein einzelne Personen, sondern ganze Staaten und Regionen ins Unglück stürzen und verzaubern.“ 12

In den Mongolenstürmen, die von 1241 bis in die Zeit der Niederschrift von Bacons Werken das christliche Europa sowie den islamischen Orient direkt bedroht und teilweise verwüstet haben, sieht Bacon die Vorboten des Antichrist, zumal die Mongolen der damaligen Zeit keiner der monotheistischen Religionen angehörten und für ihn deshalb außerhalb jeder Zivilisation standen. Die von ihnen ausgehende Gefahr ist umso größer, als sich diese Eroberer rasch auch intellektuelle Methoden aneigneten und sie als Kampfmittel verwendeten. Eben deshalb tritt Bacon für die friedliche geistige Auseinandersetzung mit dem Gegner ein, der sich den logischen Argumenten und den beweisbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht widersetzen kann 13. Die Kritik der Irrtümer und Fehler in der zeitgenössischen Wissenschaft, besonders in Theologie und Philosophie, die nur auf diesem weltpolitischen Hintergrund verständlich ist, kennt noch mehrere Varianten. Im ,Opus minus‘ 14 klagt er sieben peccata im Studium der „Hauptwissenschaft, welche die Theologie ist “ an. Der erste Fehler besteht darin, dass sich die Theologie allzu sehr von der Philosophie bestimmen lässt. Die Behandlung aller Fragen „in der Summa der Theologie ist rein philosophisch mit ihren Argumenten und Lösungen“ 15. Selbst die wichtigsten theologischen Gegenstände wie die Trinität, die Inkarnation und die Sakramente werden ausschließlich durch philosophische Begriffsdistinktionen behandelt. Das Wort Gottes, also der originale Bibeltext, sei hierdurch zumeist verdeckt und komme gar nicht eigens zur Sprache. „So ist es bei dem übermäßigen Gebrauch des Sentenzenbuches unmöglich, den Text Gottes zu erkennen. So sind denn die Fragen, die zu dem Text zu stellen sind bei dessen Exposition bereits vom Text selbst getrennt, wie es in jeder Fakultät geschieht. Und so wird jemand neugierig genannt, der an den Text gestellte Fragen diskutieren will, auch wenn sie notwendig und der Theologie eigentümlich sind“ 16 12

13 14 15

16

Id., Opus maius, ed. J. H. Bridges, vol. I, Oxford 1897 (Neudruck: Frankfurt 1964), 399: „Non solum pro consideratione sapientiali haec scribo, sed propter pericula quae contingunt et contingent Christianis et ecclesiae Dei per infideles, et maxime per Antichristum, quia ipse utetur potestate sapientiae, et omnia convertet in malum. Et per hujusmodi verba et opera stellificanda, et magno desiderio malignandi componenda cum intentione certissima et confidentia vehementi, ipse infortunabit et infascinabit non solum personas singulares, sed civitates et regiones“ (meine Übersetzung). Cf. id., Moralis philsophia, ed. E. Massa, Zürich 1953, 195. Cf. id., Opus minus, in: Brewer (ed.), Opera (nt. 2), 323-359. Ibid., 322 sq.: „Major pars omnium quaestionum in summa theologiae est pura philosophica, cum argumentis et solutionibus“ (meine Übersetzung). Ibid., 329 sq.: „Item impossibile est quod textus Die sciatur propter abusum libri Sententiarum. Nam quaestiones quae quaeri deberent in textu ad expositionem textus, sicut fit in omni facultate, sunt jam separate a textu“ (meine Übersetzung).

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Der zweite Fehler besteht in der Ignoranz der Theologen im Hinblick auf die anderen Wissenschaften, besonders auf die Mathematik und die Naturwissenschaften, wie die Optik, die Alchemie und die Astronomie, die Bacon zeitentsprechend Astrologie nennt. Stattdessen beschäftige sich der akademische vulgus allenfalls mit der lateinischen Grammatik, der Logik, einem Teil der Metaphysik und dem schlechteren, weil überholten Teil der Naturphilosophie. Will demgegenüber die Theologie die höchste Wissenschaft bleiben, so muss sie den Nutzen des empirischen Wissens sowie der Mathematik erkennen. Der dritte Fehler (peccatum) ist die horrende Unkenntnis der fremden Sprachen, vor allem jener, aus denen Philosophie und Theologie entstanden, nämlich Griechisch, Hebräisch und Arabisch. Den zeitgenössischen Magistri entgehe daher die Kenntnis der fortgeschrittenen Wissenschaften, deren Quellen und aktuelle Literatur in anderen als der lateinischen Sprache geschrieben sind, nämlich in Griechisch, Hebräisch und Arabisch. Um diesem Grundfehler abzuhelfen, hat Bacon mit einer griechischen und einer hebräischen Grammatik begonnen 17. Das ,Compendium studii theologiae‘ verfolgt dieselbe Argumentation. Als vierten Fehler stellt Bacon die beherrschende Bedeutung des ,Liber Sententiarum‘ des Petrus Lombardus für das Studium der Theologie heraus. Die Perspektive der Studenten werde so von vornherein einseitig durch diesen Text bestimmt und eingeengt. Die Verpflichtung jedes Theologen, die Sentenzen zu lesen und zu kommentieren, führt nach Bacon zu öder Routine, die zudem noch von der hierarchischen Ordnung der magistri und lectores bestimmt wird. Die Frage, ob in den Sentenzenkommentaren nicht doch mehr als nur zahllose Wiederholungen und empirisch-wissenschaftliche Irrtümer von Generation zu Generation fortgeschleppt werden, sondern, namentlich bei den großen Autoren, das Hinausgehen über den Bibeltext und auch über die Formulierungen des Sentenzenbuches selbst eine Linie der Emanzipation des Geistes darstellt, wird von Bacon nicht untersucht. Bacons Stellung zur Theologie ist ohnehin ungewöhnlich. Trotz seiner hohen Wertschätzung dieser Wissenschaft hat er nicht wirklich zu theologischen Fragen Stellung genommen, obwohl er deren Studium so radikal reformieren wollte. Er war nie selbst Magister der Theologie, die er wohl nur bei Adam Marsh, einem Oxforder Franziskaner, studiert hat ohne auch nur geweihter Priester zu sein. Thomas von Aquin und sein Ordensgeneral Bonaventura werden allenfalls indirekt zitiert, obwohl einige Stellen vermuten lassen, dass der eine oder der andere gemeint sein könnte. Einen Sentenzenkommentar hat er ebenso wenig geschrieben wie bibelexegetische oder dogmatische Texte. Dennoch lässt sich seine Botschaft aus der Polemik gegen die zeitgenössische Theologie entnehmen. Sie ähnelt der Maxime Martin Luthers „Sola scriptura“, die freilich unter ganz anderen Voraussetzungen formuliert worden ist. Die weiteren peccata, die Bacon der Theologie als Quellen des Irrtums vorwirft, beziehen sich ausführlich auf die fragwürdigen Bibelübersetzungen, die an 17

Cf. E. Nolan/S.A. Hirsch (eds.), The Greek Grammar of R. Bacon and a Fragment of his Hebrew Grammar, Cambridge 1902.

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vielen Stellen weder mit dem Originaltext noch untereinander übereinstimmen. Besonders scharf greift er die Vulgata an, die von zahllosen Fehlern durchsetzt sei. Dies gehe auf die vielen ignoranten Korrektoren zurück, die für Verwirrung nicht nur im sensus litteralis des biblischen Textes gesorgt hätten, sondern auch für die zahllosen Irrtümer in der Auffassung des sensus spiritualis. Bacon zieht für seine kritische Diagnose die ihm bekannten Übersetzungen heran, auch die Septuaginta. Die vielen Irrtümer, die durch die fragwürdige Textüberlieferung entstehen, gehen vor allem auf die mangelnde Kenntnis der biblischen Sprachen, Griechisch und Hebräisch, zurück. Nur wer diese beherrsche, könne den Sinn der biblischen Texte erfassen. In seinem Reformvorschlag für das Theologiestudium nehmen die biblischen Sprachen dann auch einen hohen Rang ein. Bacons Argumentation nimmt hier ein weiteres modernes Motiv vorweg. Er tritt, wohl als einer der ersten, wenn nicht als der erste überhaupt, für eine philologische Textkritik der Bibel ein, die ja erst in der Renaissance Kontur annahm, im 18. Jahrhundert eine Waffe der Aufklärung gegen die Orthodoxie war und seit dem 19. Jahrhundert schließlich zum Standard in der Theologie gehört. Zu Beginn des ,Opus maius‘ ruft Bacon seinen Adressaten, den Papst, dazu auf, die errores die er in seinem Werk darstellt, zu verurteilen, um für eine bessere Ordnung in der Welt zu sorgen. Wird den Folgen dieser Irrtümer und Fehler nicht Einhalt geboten, so droht das welthistorische Unheil des Antichrist ungemildert: „Es ist notwendig, dass die Gewalt und Bosheit dieser vier Ursachen aller Übel erkannt und von Grund aus verworfen und aus jeder wissenschaftlichen Erwägung weit entfernt werden. Wo diese drei herrschen, bestimmt keine Vernunft, richtet kein Recht, bindet kein Gesetz, hat das göttliche Geheiß keinen Ort, geht das Gebot der Natur zugrunde, das Gesicht der Dinge ändert sich, die Ordnung wird umgestürzt, ist das Laster übermächtig, die Tugend erlischt, die Falschheit regiert, die Wahrheit wird ausgetrieben. Daher ist nichts nötiger zu erwägen als eine klare Verdammung dieser vier [Ursachen des Irrtums] durch den Spruch von Gott erwählter Weiser, denen niemand wird widersprechen können.“ 18

In diesem Appell an den Papst kommt noch die Zuversicht zum Ausdruck, dass dieser über genügend Macht und moralische Autorität verfügt, um eine Änderung der Situation herbeizuführen, die ein universaler Fortschritt wäre. An dieser Stelle des ,Opus maius‘ hat Bacon den Sitz des von ihm diagnostizierten Übels noch nicht mit Namen benannt. Dies hat er in dem späteren ,Compendium studii philosophiae‘ umso deutlicher getan, womöglich weil ihm das ursprüngliche Vertrauen verloren ging. Hier schreibt er über die Institution, die seine Reform durchsetzen sollte: 18

Roger Bacon, Opus maius, vol. III (nt. 7), 3: „Et ideo necesse es tut violentia et malitia harum quatuor causarum omnis mali cognoscantur in principio et reprobentur, et longius a consideratione sapientiae relegantur.Nam ubi haec tria dominantur, nulla ratio movet, nullum jus judicat, nulla lex ligat, fas locum non habet, naturae dictamen perit, facies rerum mutatur, ordo confunditur, praevalet vitium, virtus extinguitur, falsitas regnat, veritas exsufflatur. Et ideo nihil magis necessarium consideratione, quam certa damnatio istorum quatuor per sententias sapientum electas, quibus non poterit contradici “ (meine Übersetzung).

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„Die römische Kurie, wo die Weisheit Gottes zu regieren pflegte und regieren sollte, wird jetzt durch die Dekrete von weltlichen Kaisern verunstaltet, die für die zu regierenden Laien gemacht waren, welche das bürgerliche Recht bindet. Der Heilige Stuhl wird nämlich von Betrug und ungerechter List zerrissen. Die Gerechtigkeit geht zugrunde, der Friede wird gänzlich gestört, ungezählte Skandale werden erregt. Dort herrschen verdorbenste Sitten; es regiert der Hochmut, es lodert die Habgier, der Neid zerfrisst die Einzelnen, Verschwendungssucht bringt jene ganze Kurie in Verruf, die Genusssucht beherrscht alles.“ 19

Wenige Zeilen später steht das Verdikt: „Totus clerus vacat superbiae, luxuriae, et avaritiae.“ 20 Nach Bacons eigener Einsicht standen die Chancen für eine Realisierung seiner Reformpläne und die Beförderung des universalen Fortschritts durch die Wissenschaft schlecht, nicht allein wegen des Zustandes der Kirche, sondern aufgrund der politischen Lage in Europa überhaupt. Er hat als einer der wenigen Philosophen seiner Zeit die geschichtliche Situation in seine Reflexionen einbezogen. Die maßgeblichen Fürsten werden als üble und korrupte Tyrannen beschrieben, die die Völker derart unterdrücken, dass auch die Untertanen nichts als Gewalt, List und Betrug im Sinne haben. „Das Volk, vollends gegen die Fürsten aufgebracht, hasst sie, und deshalb halten [die Menschen] ihnen keine Treue, wo immer sie ihnen entkommen können. Sie sind verdorben durch das schlechte Beispiel ihrer Herren und unterdrücken sich wechselseitig und umgarnen sich mit Listen und Betrügereien, wie wir es überall augenfällig zu Gesicht bekommen. Sie sind vollkommen der Genusssucht und der Gefräßigkeit verfallen und sind verdorben, mehr als man erschöpfend beschreiben kann. Bei den Kaufleuten und Handwerkern herrschen ohne Frage in allem was sie sagen und tun, Betrug, List und Falschheit im Übermaß.“ 21

Trotz dieser scheinbar übermächtigen Umstände hat Bacon bis zum Ende seines Lebens an seiner Konzeption wahrer Wissenschaft festgehalten.

19

20

21

Id., Compendium studii philosophiae (nt. 1), 398 sq.: „Nam Curia Romana, quae solebat et debet regi sapientia Dei, nunc depravatur constitutionibus imperatorum laı¨corum, factis pro proprio laı¨co regendo, quas jus civile continet. Laceratur enim illa sedes sacra fraudibus et dolis injustarum. Perit justitia, pax omnis violatur, infinita scandala suscitantur. Mores enim sequuntur ibidem perversissimi; regnat superbia, ardet avaritia, invidia corrodit singulos, luxuria diffamat totam illam curiam, gula in omnibus dominatur “ (meine Übersetzung). Ob hier ein Anklang an Sallust und seine wortgleichen Anklagen der römischen Gesellschaft in der ,Coniuratio Catilinae‘ vorliegt, wäre zu untersuchen. Roger Bacon, Compendium studii philosophiae (nt. 1), 400: „Populus, jam irritatus per principes, odit eos, et ideo nullam fidem tenent eis ubi possunt evadere; et corrupti per mala exempla majorum ad invicem se premunt, et dolis et fraudibus circumveniunt ut ubique conspicimus ad oculum; et totaliter luxuriae et gulae dediti sunt et depravantur, plus quam valeat enarrari.De mercatoribus et artificibus non est quaestio, quia in omnibus dictis et factis eorum regnat fraus,et dolu, et falsitas ultra modum“ (meine Übersetzung).

III. Medizinische Irrtümer

“Iam ergo patet veritas eius quod dixit Aristoteles, et causa deceptionis Galieni.” 1 Philosophers vs. Medics in Albertus Magnus’ Account on Conception Evelina Miteva (Köln) During the Middle Ages, two frameworks dominated basic physiological questions, such as the conception and development of the human embryo or the composition of the human body: the followers of Aristotle, who heavily relied on his description of the concept of the human soul, and Galen, the Greek physician who proposed an alternative explanation based on the observation of the human body. The Arab philosopher Avicenna (980-1037), in his double calling of philosopher and medic, tried to reconcile the appoaches. In the West, Albertus Magnus (1200-1280) followed his attempt and, despite his lack of empirical data on the problem, formulated theories that aimed both at theoretical coherence and factual accuracy. In a number of questions, Albert confronts the disagreements between medical authorities on the one hand, and philosophers, i. e. Aristotle and the peripathetics, on the other. Those questions have a wide range, from the primarity of the heart in the functioning of the body, to the role of the woman in the conception of a child, to the movement of the hands and legs, to name just a few. Some of these questions were pivotal to the development of modern science out of classical natural philosophy, like embryology or the role of the heart. But in all matters, big or small, Albert took a stand in the discussion and thus provided probably the fullest and most detailed account in the 13th-century treatment of the discrepancies between philosophi and medici. In this article, I will focus on a standard case in which an error due to insufficient empirical knowledge was complemented by theoretical argumentation. I am looking into the controversy on the role of the mother in conception, a topic to which Albert devoted numerous commentary chapters and digressions. The relation of male and female genetic material in the conception of a *

1

I would like to thank Benedictus Arblaster and Lee Klein for their careful and professional correction of my English. Albertus Magnus, De animalibus libri XXVI (Nach der Cölner Urschrift), lib. III, tr. 1, c. 6, ed. H. Stadler, 2 vols. (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 15-16), Münster 1916 and 1920, vol. 1, 304,4-5.

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new foetus is a clear case in which the lack of empirical data needed to be complemented by theoretical analysis. After a long and detailed discussion, Albert nevertheless took the position that would be proven wrong. Despite this “error”, I argue that it was the debate as such and not the correctness of its results that sparked further interest in natural philosophy and thus led to further medical developments. I. W hose Child? T he Role of the Mother in the Conce ption of the Embr yo Although scholars have recently begun to revisit Albert’s natural philosophy and medical learning - most notably in the articles by Miguel de Asu´a, Ursula Weisser, Nancy Siraisi, Jackart and Thomasset, and by Demaitre and Travill 2 -, the specific topic of conception gets lost among other, more general problems. Albert, however, repeatedly returned to this question throughout his writings. Here, I focus on this important issue in the entirety of Albert’s works, so that besides ‘De animalibus’, which is the standard reference on the topic, further texts will be taken into consideration: ‘De homine’, ‘Super II Sententiarum’, ‘Physica’, ‘De anima’, ‘Quaestiones de animalibus’. Moreover, Albert’s position on the controversy of philosophical and medical authorities remains unclear as he was occasionally inconsistent in his attempt to reconcile contemporaneous positions. Hence, scholars disagree over whom Albert was following while elaborating his position. This confusion can be seen in M. Burger, arguing in favour of Albert’s Aristotelian position, and in M. de Asu´a, concluding that Albert “adopted the Galenic position”. These judgments are both true in different respects, as will be shown in this article 3. A more detailed look into the discussion should provide us a clearer insight into Albert’s plan to smuggle Galen into an Aristotelian paradigm. 2

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Cf. M. de Asu´a, War and Peace: Medicine and Natural Philosophy in Albert the Great, in: I. M. Resnick (ed.), A Companion to Albert the Great. Theology, Philosophy, and the Sciences (Brill’s Companions to the Christian Tradition), Leiden-Boston 2013, 269-298; id., Albert the Great and the Controversia inter medicos et philosophos, in: K. A. Gerschbach e.a. (eds.), Proceedings of the PMT Conference, 19-20, Villanova (PA) 1997, 143-156; U. Weisser, Die Harmonisierung antiker Zeugungstheorien im islamischen Kulturkreis und ihr Nachwirken im europäischen Mittelalter, in: A. Zimmermann/I. Craemer-Ruegenberg (eds.), Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), Berlin-New York 1985, 301-326; N. Siraisi, The medical learning of Albertus Magnus, in: J. A. Weisheipl (ed.), Albertus Magnus and the Sciences. Commemorative Essays (Studies and Textes 49), Toronto 1980, 379-404; D. Jacquart/ C. Thomasset, Albert le Grand et les proble`mes de la sexualite´, in: History and Philosophy of Life Sciences 3 (1981), 73-93; L. Demaitre/A. A. Travill, Human Embryology and Development in the Works of Albertus Magnus, in: Weisheipl (ed.), Albertus Magnus and the Sciences, 405-440. M. Burger, Albert the Great - Mariology, in: Resnick (ed.), A Companion to Albert the Great (nt. 2), 105-136, esp. 123. Cf. de Asu´a, War and Peace (nt. 2), 290.

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1. Albert’s Position In the beginning of ‘De animalibus’, Albert gives a brief account of his view on human conception: “The active generating power is the power of the male, and the passive generating power is the power of the female. As there are two substances in cheese, namely the rennet that makes it and the milk that it is made of, there are likewise two sperms in the substance of the conceived. These are the sperm of the man making it and the sperm of the woman susceptive of solidifying, shaping and forming. These two are the first principles of generation. […] In some or maybe in all (living beings), there necessarily is a third fluid present in the place where the above-mentioned fluids are mixed. This is the nutritive (fluid) for the conceived, from which - not radically but materially - some of its parts come into being. For the living beings that generate their kindred, this fluid is the menstrual blood or another fluid which is in the place of the menstrual blood.” 4

In his account, Albert uses a traditional analogy, which is found in both Aristotle and the Bible 5. According to the metaphor, the male sperm ferments the female fluid and imposes “coagulation, figure and form” on it, likening conception to rennet transforming milk into cheese. In this and other passages 6, Albert is apparently defending an Aristotelian notion of conception: the man is the active principle and the woman is the material one. The passage nevertheless takes a slight but important turn as it introduces a “third fluid”. Such a substance is definitely not found in Aristotle as, for him, an active and a passive principle - the male and the female - exhaust the necessary conditions for any coming into being, the human one included. A third principle is something clearly undermining the hylemorphic Aristotelian scheme, and Albert in fact is trying to justify and camouflage this insertion. After asserting that the first principles of human conception are two, the male and the female (“haec duo sunt prima principia generationis”), Alberts claims that there is also a third substance, which partakes in conception (“necesse est adesse tertiam humiditatem”). This third fluid, different from the menstrual blood, is 4

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Albertus Magnus, De animalibus, lib. I, tr. 1, c. 6, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 31,11-24: “Generans enim in eo active, est virtus masculi, et generans in ipso passive est virtus feminae. Et sicut de substantia casei sunt duo, coagulum videlicet quod facit, et lac ex quo fit caseus: ita duo spermata sunt de substantia concepti: sperma quidem viri faciens, et sperma feminae suscipiens coagulationem et figurationem et formam. Et haec duo sunt prima principia generationis. […] In quibusdam autem vel forte in omnibus necesse est adesse tertiam humiditatem praesentem in loco in quo praedicta duo spermata sunt permixta: et haec est nutritiva concepti, ex qua non radicaliter, sed materialiter fiunt quaedam partes eius: et haec in animalibus generantibus sibi similia est sanguis menstruus vel alius humor qui est loco sanguinis menstrui.” Cf. Job 10,10: “Did you not pour me like milk and curdle me like cheese”; Aristotle, De generatione animalium, II, c. 4, 739b 22-31. Cf. also S. Ott, Aristotle Among the Basques: The ‘Cheese Analogy’ of Conception, in: Man (N.S.) 14 (1979), 699-711. Cf. Albertus Magnus, Quaestiones super De animalibus, XV, q. 19, ed. E. Filthaut, in: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), vol. XII, Münster 1955, 271-272: “Utrum feminae spermatizant.”

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nevertheless similar to it. In Aristotle’s account, it is the menstrual blood that comprises the material principle. The adjunction that Albert makes is of Galenic origin. It was Galen and the medical authorities, like the ‘Corpus Hippocraticum’ or Constantinus Africanus’ ‘Liber pantegni’, who defended the alternative position that the mother had more than only a receptive role in conception 7. In fact, in the discussed passage, Albert speaks of sperma mulieris, an expression which terminologically presupposes a certain - even if limited - activity of the mother. Albert also often speaks of gutta mulieris, the female drop, which gives a terminological expression of his view that there is a female substance beyond the menstrual blood which participates in the formation of the human embryo. The Aristotelian hylemorphistic description of the process provides a clear and economical model of conception, but leaves one obvious problem unresolved: the resemblance of the child to the mother. If the mother were simply material for the forming principle provided by the father, then it would be difficult to explain how the mother’s qualities have apparently formed the child. Moreover, Galen’s observation and description of the similarity between ovaries and testicles suggested the hypothesis that the woman, like the man, produces a generative material. Galen developed the so-called two-seed theory, assuming that both sexes are actively involved in conception. While Aristotle was claiming that only the male “seed” forms the embryo, Galen and his followers affirmed that the female “seed” also has an active part in its formation 8. This position will be proven true, even if as late as in the 19th century. As early as in ‘De homine’ (ca. 1242), Albert is speaking of ‘two seeds’ and retains this view up until the late ‘Problemata determinata’ (1271): “To the second objection we should say that the semen is twofold, namely material and effective. The effective one is, however, part of the matter, saved in it as in its first. And the first, i. e. the material, descends from the woman, attracted by the menstrual blood or another fluid instead of it; the second, i. e. the effective, descends from the male into all animals that are male and female.” 9 7 8

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Cf. Weisser, Die Harmonisierung antiker Zeugungstheorien (nt. 2), 305. Cf. W. Brunschön, Gleichheit der Geschlechter? Aspekte der Zweisamentheorie im Corpus Hippocraticum und ihrer Rezeption, in: Ch. Brockmann/W. Brunschön/O. Overwien (eds.), Antike Medizin im Schnittpunkt von Geistes- und Naturwissenschaften. Internationale Fachtagung aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Akademievorhabens Corpus Medicorum Graecorum/Latinorum (Beiträge zum Altertumskunde 255), Berlin-New York 2009, 173-190; A. Debru, Physiology, in: R. J. Hankinson (ed.), The Cambridge Companion to Galen, Cambridge 2008, 263-283, esp. 278. Albertus Magnus, De homine, I.1.2.5.1.2.1.3.2, ad 2, edd. H. Anzulewicz/J. R. Söder, in: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), vol. XXVII/2, Münster 2008, 128,65-72: “Ad aliud dicendum quod semen est duplex, scilicet materiale et effectivum. Quod tamen effectivum pars est materiae secundum subiectum primum in quo salvatur. Et primum, scilicet materiale, descinditur a femina per attractum sanguinis menstrui vel alterius humoris, qui est loco eius; secundum autem, scilicet effectivum, descinditur a viro in omnibus animalibus, in quibus est masculus et femina.” Cf. ibid., 3, 1, sol., 126,45-57: “Vis autem operans est in semine et non in organo aliquo, et illius est operatio eius quod nascitur. Materia vero etiam duplex supponitur, scilicet principalis quae profundatur in membris radicalibus, et hoc est humidum quod est in substantia seminis, et supponitur per hoc quod dicitur ‘partem corporis similem illi in potentia’. Secundaria vero supponitur cum dicitur ‘per attractionem aliorum corporum quae illi assimilat’; illa enim est materia sanguinis

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Albert was following Avicenna when he introduced the distinction between material and effective semen. Menstrual blood attracted the woman’s material semen into the womb, where the male effective semen joins it and becomes part of it as in subiecto. Albert believes that this distinction faithfully adheres to Aristotle’s division of material (female) and effective (male) cause. But, unlike Aristotle, he distinguishes a seminal part in the female material, while Aristotle was only acknowledging the menstrual blood as a part of conception. Furthermore, Albert distinguishes the functions of the menstruum, a substance which provides the nourishment of the foetus in a triple form: as placenta; as “subtlest” nourishment for the foetus; and as breast milk 10. Moreover, Albert asserts “some other fluid” that collaborates with the male sperm. Despite their common name, the female sperm differs from the male one in that it is ejaculated inwards, into the womb, instead of outwards 11. Furthermore, the female semen is weaker than the male, immature and insufficiently “digested”; male semen is essentially blood condensed by high corporeal heat, while women are moist and cold by their nature. Even the warmest woman is cooler than the coldest man 12. The abundance of corporeal fluids women produce (e.g. menstrual blood, breast milk 13) prove their humid nature and this exaggerated humidity suggests her incapacity to produce a true, robust masculine sperm 14. The sperm, as already defined in the preceding question, is the only way of reproduction through propagation (ex propagatione), with the only exception of spontaneous generation (puterfactio) 15. Thus, Albert regards female sperm as inferior in every respect to

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menstrui et seminis mulieris, quae attrahitur a semine et commiscetur illi, ut sufficiat ad corporis quantitatem. Alia vero pars sanguinis menstrui derivatur ad mamillas ad nutrimentum quod praeparari debet generato. Similiter duplex finis est: Per hoc enim quod dicitur ‘generari’, tangitur figuratio corporis secundum lineamenta membrorum; per hoc vero quod dicitur ‘in similitudinem illius in effectu’, tangitur finis ultimus, qui est finis intentionis, et est inductio formae specificae in eo quod generatur.” Cf. id., Problemata determinata, q. 34, ed. J. Weisheipl, in: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), vol. XVII/1, Münster 1975, 60,21-25: “Dicimus igitur quod Avicenna in suo libro de animalibus XVI dicta Aristotelis verba exponens dicit, quod corpus spermatis dicit totum congregatum ex gutta feminae et ex gutta maris.” Cf. id., De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 5, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 725,5-9: “Hoc igitur ita supposito, dicendum videtur quod sanguis menstruus in conceptu in tria dividitur. Subtilius enim ipsius nutrit creaturam, et aliquid subtile venit ad mamillas, et residuum grossum abicitur et stat intra telas conceptus usque ad partum, et tunc eicitur.” Cf. ibid., lib. I, tr. 1, c. 5, 24,6-9: “Sed hoc differt in mare et femina, propter quod sciendum est, quod omne masculinum in genere animalium existens generat eiciendo suum semen in suam feminam. Femina autem non eicit, sed inmittit decisum a se semen in suam matricem.” Cf. id., Quaestiones super De animalibus, XV, q. 6, ed. Filthaut (nt. 6), 262,11-14: “Humiditas autem excellens obtundit calorem et extinguit ipsum. Et ideo dicitur secundum auctores medicinae, quod caldissima femina frigidior est viro frigidissimo.” Cf. ibid., q. 7, 263,64-71. Cf. ibid., q. 19, 271,54-62: “Dicendum, quod proprie loquendo femina non spermatizat. Et huius ratio est, quia sperma est superfluitas ultimi cibi complete digesti; sed completio digestionis est ex calore forti, feminae autem sunt debilis caloris, et ideo in femina non est virtus sufficiens generandi sperma. Immo sicut calor fortis sperma facit in mare, sic calor debilis menstruum facit in femina, quia menstruum est sanguis crudus et indigestus.” Cf. ibid., q. 18, 270 sq.: “Utrum sperma sit necessarium ad generationem animalium”, esp. 270,77-81.

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the male one, comparing it in one instance with the sperm of an immature boy 16. Albert thus affirms that there is female sperm, apart from the menstrual blood, and both take part in conception. He diminishes the value of the female part, but nevertheless holds this non-Aristotelian stance. In order to locate his position in the controversy, I will give a short account of the main positions of medici and philosophi.

2. The Controversy In his ‘De generatione animalium’, Aristotle sketched the topics which will become the benchmark for the later controversy, e.g. whether a woman’s pleasure during intercourse encourages conception, the digestion of the blood into sperm, and the role of the menstrual blood in the development of the embryo. This was available to Albert through Michael Scot’s translation from Arabic 17. Aristotle states clearly that the male sperm acts as an active principle upon the menstrual blood that provides the material for conception. The female part in the process is purely passive and acts as a prima materia 18. Thus, Aristotle is consistent with his overall hylemorphic view of generation and formation. Although Aristotle did also acknowledge the existence of a female ejaculate, commonly called sperm (sperma, or govos/govh 19), he denied any active role to the woman in the formation of the foetus and happened to be right that this ejaculate did not have any fertile function. Hence, Aristotle could make a universal claim for any animal conception within the same genus, regardless of differences

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Cf. id., De animalibus, lib. XV, tr. 2, c. 11, ed. Stadler (nt. 1), vol. 2, 1056,36-39: “Sed ille de quo diximus mulieris humor statim convertitur in substantiam materialem conceptus: et ideo sperma mulieris est sicut sperma pueri qui emittit sperma antequam digeratur.” Cf. Aristotle, De generatione animalium, I, c. 20, 728a 15. Cf. Aristotle, De animalibus, Michael Scot’s Arab-Latin Translation. Part Three: Books XVXIX, Generation of Animals, ed. A. M. I. van Oppenraaij (Aristoteles semitico-latinus 5), Leiden-New York-Köln 1992. The passages from Aristotle’s ‘De generatione animalium’ are cited according to this edition, which was also used by Albert the Great. Cf. H. Anzulewicz, Aristotelische Biologie in den Früwerken des Albertus Magnus, in: C. Steel/G. Guldentops/ P. Beullens (eds.), Aristotle’s Animals in the Middle Ages and Renaissance (Supplementa Humanistica Lovaniensia 1), Leuven 1999, 159-188. Anzulewicz points out that, along with Scotus’ translation, Albert was using, at least partially, a translatio anonyma of ‘De animalibus’ from Greek, which preceded Moerbeke’s translation (ibid., 162 and nt. 10). Cf. Aristotle, De generatione animalium, I, c. 20, 729a 30-32, ed. Van Oppenraaij (nt. 17), 50: “[…] manifestum est quod sperma feminae non convenit spermati viri in generatione, sed convenit sicut materia; et hoc manifestatur quoniam prima material est natura menstrui.” Cf. Brunschön, Gleichheit der Geschlechter? (nt. 8), 178; S. Föllinger, Differenz und Gleichheit. Das Geschlechterverhältnis in der Sicht griechischer Philosophen des 4. bis 1. Jahrhunderts v. Chr., Stuttgart 1996, 34 sqq.

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in form and distinction 20. The universality of the account, i. e. its capacity to address not only a specific state of affairs but the common grounds of a phenomenon, grants it scientific value. On the other side of the controversy are the medici, among whom Galen is the most prominent 21. In Albert, the medici is the losing party in the explicit comparison with the Philosopher. From a historical point of view, however, it was Galen who was right on the matters of embryology and conception, as he relied, at least to a greater extent, on medical rather than syllogistic evidence. Galen (129-ca. 200/216 AD) was a medical doctor from Pergamon with knowledge of human anatomy. During his lifetime, autopsies were no longer performed for learning purposes, but human bones were still used for teaching purposes 22. Galen writes that the female ovarian tubes structurally resemble the testicles and since similar organs must also have similar functions, ovaries and testicles must function similarly. Galen also notes maternal resemblance: if the mother was only receptive, and not formative, then the child should always be formed by the father and bare his bodily and personality features. Lastly, Galen identifies female ejaculate as the female seminal fluid, as it resembles the whitish color and quantity of sperm 23. It is difficult to discern whether Albert was using Galen’s texts directly 24. As only a few of Galen’s works were translated into Latin by the middle of the 13th century, it seems more probable that, despite the abundant references to Galen’s name, Albert was using his authority through the intermediary of Avicenna’s account in ‘Canon’ and ‘De animalibus’. These two works had been translated into Latin by the time Albert started working on natural philosophy. The ‘Canon’ was translated at the Toledo school of translators, presumably by 20

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Cf. Aristotle, De generatione animalium, I, c. 20, 729a 23-26, ed. Van Oppenraaij (nt. 17), 49: “Et qui consideravit hoc consideratione universali inveniet nostrum sermonem verum; quoniam necessario debet esse generans et ex quo erit generatum, et non erit diversum quando genus fuerit idem, et diversitas non est nisi ex parte distinctionis et formae.” Cf. P. Adamson (ed.), Philosophical Themes in Galen (Bulletin of the Institute of Classical Studies, Supplement 114), London 2014; O. Temkin, Galenism: Rise and Decline of a Medical Philosophy, Ithaca (NY) 1973; E. Lesky, Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 1950, Nr. 19), Mainz 1951. On the Neoplatonic theories of human conception and embryonic development, cf. J. Wilberding, Forms, Souls, and Embryos: Neoplatonists on Human Reproduction (Issues in Ancient Philosophy), New York 2017. Cf. Temkin, Galenism (nt. 21), 3; J. Rocca, Anathomy, in: Hankinson (ed.), Companion to Galen (nt. 8), 243-246. Cf. Weisser, Die Harmonisierung antiker Zeugungstheorien (nt. 2), 317 sqq. Cf. Albertus Magnus, De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 1, ed. Stadler (nt. 1), 708,4-8. Cf. E. Filthaut, Ad Quaestiones super de animalibus prolegomena (nt. 6), XXXV-XLVII, esp. XLVI,67-68: “Allegationes Galeni saepe magnam praebent difficultatem”. Cf. also Siraisi, The medical learning of Albertus Magnus (nt. 2), 390 sqq.; Weisser, Die Harmonisierung antiker Zeugungstheorien (nt. 2), 305 sq.

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Gerard of Cremona, along with several other medical works 25. The translation of Avicenna’s compendium ‘De animalibus’ was conducted by Michael Scotus before 1232 26. The first Latin author to comment on Avicenna’s ‘De animalibus’ was Peter of Spain (written between 1246-1249) 27, and it was probably through these two sources that Albert acquired the idea of a long debate between medical and philosophical authorities, as well as its main points of contention 28. Albert inherited an already structured controversy, in which the main protagonists were Aristotle - or, on fewer occasions, and used almost interchangeably, the Peripathetics - and the medics, who sometimes remain unnamed but most often were personified by Galen or occasionally supported by Hippocrates. Although Albert followed an already structured controversy, he did not let it constrain him. The debate on the two-seeds theory is a good case of Albert’s own investigation.

3. Albert’s Attempt at Reconciliation: Some Diachronical Remarks Already in his early works, Albert displays an impressive knowledge of Aristotle’s works of natural philosophy 29. In his theological treatise ‘De incarnatione’ (1242-1245), we find his biological approach at several occasions, such as in the question of the natural process of Christ’s conception and his incarnation in the male sex 30. In ‘De homine’ (ca. 1242), Albert for the first time touches 25

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Cf. H. Schipperges, Die Assimilation der arabischen Medizin durch das lateinische Mittelalter (Beiheft Sudhoffs Archiv 3), Wiesbaden 1964, 95-103. N. Siraisi, Avicenna in Renaissance Italy: The Canon and the Medical Teaching in Italian Universities, Princeton 1987, 45 sq. Cf. Avicenna, Liber canonis revisus et ab omni errore mendaque purgatus, ed. Venetiis 1507 (Reprint: Hildesheim 1964). A transcription of the two manuscripts containing Peter of Spain’s ‘De animalibus’ is contained in: J. M. da Cruz Pontes, Pedro Hispano Portugalense e as controve´rsias doutrinais do se´culo XIII. A origem da alma, Coimbra 1964, 253-282. Cf. M. de Asu´a, Medicine and Philosophy in Peter of Spain’s Commentary on De animalibus, in: Steel/Guldentops/Beullens (eds.), Aristotle’s Animals (nt. 17), 189-211; id., Albert the Great and the Controversia (nt. 2), 143; Temkin, Galenism (nt. 21), 95-133; S. Nagel, Testi con due redazioni attribuiti ad un medesimo autore: il caso del De animalibus di Pietro Ispano, in: Steel/Guldentops/Beullens (eds.), Aristotle’s Animals (nt. 17), 212-237. For a detailed study on Albert’s reception of the Aristotelian biology in his early works, cf. Anzulewicz, Aristotelische Biologie (nt. 17), 159-188. Anzulewicz shows that Alebrt knew some of Aristotle’s biological works since his first treatise ‘De bono’, and his biological knowledge was increasing with time. Cf. de Asu´a, Medicine and Natural Philosophy in Albert the Great (nt. 2), 270 sq.; Siraisi, The medical learning of Albertus Magnus (nt. 2), 388. Cf. Albertus Magnus, De incarnatione, tr. 2, q. 3, art. 2 and tr. 3, q. 2, art. 4, ed. I. Backes, in: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), vol. XXVI, Münster 1958, 188 sq. and 198 sq. Albert explains it with the perfect nature of Christ; a female child, however, is conceived because of some deficit in the sperm or in the conditions of conception. Cf. id., Enarrationes in primam partem Evang. Lucae (I-IX), c. I, 7, ed. A. Borgnet, in: Alberti Magni Opera Omnia, vol. 23, Paris 1895, 15b: “Dicit autem Filius et non filia, quia principalis sexus qui expectabatur, erit filus. Filia enim ex commixione viri et mulieris matri iuvari non poterat, qui corrupta fuit.”

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upon the role of the mother in conception. 31 It is as early as in ‘De homine’ that Albert refers to the controversy between Aristotle and Galen, whose names are explicitly referenced in a discussion on the vascular system, on the question whether touch and taste are instrumental senses of the heart and on female participation in conception 32. Already in this early work, Albert holds, together with Avicenna, the moderate position that the female part is not merely passive. Without delving much into detail - which he did in later works -, Albert responds to an Aristotelian passage by attributing women some limited role in conception: “To the third argument it should be answered that the woman generates something within herself from another semen, which is effective, but still from her own semen, which is material.” 33

In this early work, Albert quotes the authority of Avicenna on the issue 34. Aristotle occupies, this time, the first part of the quaestio, which is the one to be refuted. This tendency is confirmed in Albert’s famous statement from his commentary on the second book of the ‘Sentences’, dating from the same period (ca. 1246). There, in a discussion whether Creation’s separation of light from the darkness was of a physical nature, Albert ascribes the relevant authority for each of the intertwined branches of knowledge, i. e. theology, medicine and natural philosophy: “Thus, it should be known that in matters of faith and morality one should trust Augustine more than the Philosophers when they dissent. But if speaking about medicine, I would trust Galen or Hippocrates more; and if speaking about natural matters, I trust Aristotle or any other expert of natural matters more.” 35

This explicit and famous prioritising of Galen in matters of medicine seems to contradict later statements of Albertus Magnus. In fact, throughout his later works, Albert continues to confront Aristotle with Galen on a vast range of matters such as the nature of time, movement, or even sense perception in teeth 36. 31

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Albertus Magnus, De homine, I.1.2.5.1.2.1.3.2, ad 2, edd. Anzulewicz/Söder (nt. 9), 127, 2025; ibid., I.1.2.5.1.2.1.3.3, arg. 34-35 and ad 36, 135,70-136,12 and 142,20-32. Cf. ibid., I.1.2.5.2.2.1.3.2, 337,53-57; I.1.2.5.2.1.1.1.1.1.4.3.5, 244,23-40; I.1.2.5.1.2.1.3.3, 137,45-50. Ibid., I.1.2.5.1.2.1.3.2, arg. 3, 127,26-33 and ad 3, 129,13-15: “Ad aliud dicendum quod femina generat in se ex semine alio, quod est effectivum, sed tamen ex semine proprio, quod est materiale.” Cf. Avicenna, De animalibus per magistrum Michaelem Scotum de arabico in latinum translatus, lib. IX, c. 7, ed. Venetiis ca. 1500. Albertus Magnus, Commentarii in II Sententiarum, dist. 13, C, art. 2, ed. A. Borgnet, in: Alberti Magni Opera Omnia, vol. 27, Paris 1894, 247a: “Unde sciendum, quod Augustino in his quae sunt de fide et moribus plusquam Philosophis credendum est, si dissentiunt. Sed si de medicina loqueretur, plus ego crederem Galeno, vel Hippocrati: et si de naturis rerum loquatur, credo Aristoteli plus vel alii experto in rerum naturis.” Cf. id., Physica, lib. IV, tr. 3, c. 5, ed. P. Hossfeld, in: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), vol. IV/1 (= Pars I, Libri 1-4), Münster 1987; ibid., lib. VIII, tr. 1, c. 1 and c. 2,

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As to the mother’s role in conception, Albert comes back to it in an extensive discussion in his commentary on ‘De animalibus’. Written in the period between 1258 and 1262/3, it is by far the most detailed and full Latin commentary of ‘De animalibus’. Books IX and X, the second tractatus of books XV, XVI and XVIII and a total of 76 chapters are entirely dedicated to human reproduction and embryonic development. The controversia on the female sperm is discussed in the 6 chapters of the entire second treatise of book IX. In this second treatise, which is entirely devoted to the dispute between Galen and Aristotle on the principles of human generation 37, Albert touches upon all of the topics concerning gynecology and embryology. His method of proceeding is to first describe the respective positions, i. e. of medics and of the Philosopher, and then evaluate which one is more trustworthy 38. Along with the argumentation pro and contra, Albert readily inserts cases and examples. Albert opens the tractatus with a reference to Galen, according to whom the main function of the matrix is not to reject but to retain the sperm. To illustrate this, Albert gives the example of a woman who felt that the sperm was entering her womb and, as she wanted to avoid pregnancy, started jumping to let the sperm fall out but got pregnant anyway 39. The exposition of the Galenic position follows closely the text of Avicenna, in the structure of the arguments and in the abundance of examples. The arguments in favour of Galen and his position that there is female sperm that contributes to conception are divided into 1) anatomical , for “by the means of anatomy there have been found spermatic vessels in the woman, full of white viscous fluid, which was beyond doubt a spermatic fluid” 40. What, asks Galen, function would these organs serve (testiculi mulieris) if the woman does not produce a proper sperm-like material? Nature does not create anything in vain, so, if there are the relevant organs, they need to have an adequate function. The example supporting this anatomical argument tells, per experimentum, about a women who was not engaging in intercourse for a long time and her womb “suffocated” (suffocatio matricis); afterwards, an exciting dream caused her to eject a condensed sperm, which brought a pleasure similar to sexual orgasm, and cured her “suffocated womb” 41. 2) The Galenic argument from the view of natural philosophy, i. e. a not strictly empirical one but rather a theoretical one, claims that the woman must have a characteristic sperm besides menstrual blood

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vol. IV/2 (Pars II, Libri 5-8), Münster 1993, 516,46-47 and 528,58-59; id., De anima, lib. II, tr. 3, c. 34, ed. C. Stroick, in: Alberti Magni Opera Omnia (Editio Coloniensis), vol. VII/1, Münster 1968, 147,40-66. Cf. Id., De animalibus, lib. IX, tr. 2, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 706-729: “Tractatus secundus IX ni libri de Animalibus, qui totus est de disputatione Galieni et Aristotelis de principiis generationis homini.” Cf. Ibid., c. 1, 706,19-21: “Accipiamus igitur quaecumque de ista materia dixisse videntur Ypocras et Galienus, et conferamus cum hiis quae dixit Aristoteles, et videamus quid sit verius ex eis.” Cf. Ibid, 706,25-29. Cf. Avicenna, De animalibus (nt. 34), fol. 20r Albertus Magnus, De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 1, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 708,4-6: “[…] per anathomiam inventa sunt vasa spermatis in muliere plena humiditate alba viscosa, quae procul dubio erat humiditas spermatica.” Cf. ibid., 708,9-16. Cf. Avicenna, De animalibus (nt. 34), fol. 20r.

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because blood has fluid characteristics that cannot provide the necessary dense material for the formation of nerves, bones and veins. The obvious problem of a child’s resemblance to the mother made Aristotle’s position particularly vulnerable. If the mother has no active role in conception, she would not have an impact on the formation of the foetus either. If this were the case, any resemblance of the child to the mother would be unsustainable. Albert addresses the difficulty of “similitudo nati cum matre” 42 and points out that, according to Galen, this was a particularly strong argument against the Aristotelian position 43. Even the position of Galen was, nevertheless, cautious about a possible female activity in conception, positing that the masculine sperm has stronger formative potential than the feminine. Hence, to the objection that an offspring should more often exhibit resemblance to the father than to the mother, Galen answers that the female sperm receives additional vigour through the menstrual blood, i. e. the material which serves the nutrition of the foetus 44. In the next chapter, Albert presents the Peripathetics’ arguments following Avicenna’s ‘De animalibus’ 45. With respect to the anatomical argument, he responds only to the qualities (color, density) of sperm, which is shared by other human tissues unrelated to generation (brain tissue, for instance) 46. Thus, female sperm is also not necessarily related to generation. The part of the argument that discusses the ovarian tubes and that will eventually be confirmed in 1561 by Gabriele Falloppio as empirically correct, is left out. As to the argument that menstrual blood cannot transform into hard substances such as bones, Albert points to its universally accepted function as a nutriment for the embryo, and to the assumption that, as a nutriment, it can transform into other tissues 47. To the argument of hereditarity, Albert responds, on account of the Peripathetics, that the qualities of the matter, i. e. of the menstrual blood, are indeed the ones that contribute to the formation of complexion, figure and colours. The stronger the sperm, the more effectively it overwrites the disposition of the matter provided by the menstrual blood 48. 42 43

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Albertus Magnus, De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 1, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 709,5. Cf. ibid., 709,18-20: “Et hac ratione inventa multum exultavit Galienus, eo quod reputavit eam valde fortem esse contra philosophos qui Aristotelis acceperant opinionem.” Cf. ibid., 709,29-40: “[…] Solvit autem istam ratiocinationem dicens, quod licet sperma mulieris sit debilioris virtutis in formando quam sperma viri, tamen quia cibat et sustentat se sanguine mestruo continue, vigoratur et aliquando invalescit in virtute assimilandi super sperma viri. […].” Cf. supra nt. 37. Cf. Albertus Magnus, De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 2, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 713,9-33. Cf. id., Quaestiones super De animalibus, XV, q. 14, ed. Filthaut (nt. 6), 268,27-56, where Albert draws a correlation between the brain and the sperm exactly on the basis of their structural similarity: “Et ideo ab illis partibus magis derivatur sperma et maxime a cerebro, quia cerebrum est album et molle et humidum, et in hoc convenit cum substantia spermatis. Cerebrum etiam participat calorem a corde, et in hoc potest sperma recipere caliditatem; unde maxime exit sperma a cerebro.” Cf. id., De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 2, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 712,14-713,8. Cf. ibid., 713,9-33.

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Surprisingly, Albert concludes the chapter with the seemingly unsubstantiated statement that nothing in Galen contradicts Aristotle 49. This conflation grounds Albert’s own fuller opinion, in which he basically admits Galenic elements into the Aristotelian worldview. Albert agrees with Galen on the fact that there is female sperm, something that Aristotle actually also speaks of, but denies any conceptive capacity. Albert nevertheless affirms Galen’s position that women produce female sperm, thus sliding towards the view that it does not only exist but also plays a certain role in conception. He also admits that the ovarian tubes are necessary vessels for the female sperm 50. Albert, however, holds that the female seminal fluid could be called “sperm” only equivocally, since it does not have formative but only informative power. Although it might not be purely passive and material, its activity is clearly circumscribed. Further, in the commentary Albert once again clarifies his position. Both sperms, male and female, participate in conception. The role of female sperm is immediately reduced to material and informative (i. e. giving secondary characteristics like appearance and complexion). But then again, female sperm, unlike the impure menstrual blood, is a “pure” matter, which is not changed by the forming power of male semen 51. This precariously balanced position, which requires several concessive clauses, introduced by tamen 52, in order to be explained, is confirmed in ‘Quaestiones super De animalibus’, dated to the same period as the commentary ‘De animalibus’ (1258-1262/3). There, Albertus Magnus often refers to “controversia inter philosophos et medicos” 53. The exposition proceeds once again from presenting the positions of the medics and the Philosopher to a digressio in which he presents his own deliberation on the discussion. It is worth emphasising that it is only in ‘Quaestiones super De animalibus’ that the slogan “controversia inter philosophos et medicos” appears. This stylistic particularity could be explained by the fact that, unlike e.g. ‘De animalibus’, which is an autograph, the ‘Questions on the living 49

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Cf. ibid., 714,12-13: “Ex omnibus igitur hiis patet, quod nichil necessarium vel contrarium Aristoteli est in sermonibus Galieni probatum.” Cf. ibid., c. 3, 716,4-5: “[…] et etiam humor ille a vasis seminariis mulieris effunditur, sicut bene et veraciter dicit Galienus.” Cf. ibid., lib. XV, tr. 2, c. 11, 1056 sq., esp. 1057,2-3: “Mundam autem voco materiam quae statim sine alteratione suscipit formam.” Cf. Jacquart/Thomasset, Albert le Grand et les proble`mes de la sexualite´ (nt. 2), 77-82. Cf. Albertus Magnus, De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 2, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 716,4-6: “[…] sicut bene et veraciter dicit Galienus. Sed tamen nichil horum confert ei nomen spermatis et rationem”; ibid., lib. XV, tr. 2, c. 11, 1056,21-23: “Patet igitur ex praedictis quod sperma non descendit a muliere secundum illam rationem spermatis qua descendit a viro. Non tamen puto nullo modo descendat ”; id., Quaestiones super De animalibus, XV, q. 19, ed. Filthaut (nt. 6), 271,54-80: “Dicendum quod proprie loquendo femina non spermatizat. […] Intelligendum tamen est, quod aliquo modo sperma potest esse in femina. […] Advertendum tamen est, quod sperma repertum in feminis non est conveniens generatione secundum propriam rationem spermatis.“ M. de Asu´a identifies the quaestiones as dealing explicitely with the controversia; cf. de Asu´a, War and Peace (nt. 2), 286 sq.

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beings’ is a reportatio, written down by a friar, Conrad of Austria. Although Albert describes the same topics and questions in a similar style throughout his corpus, he does not again use the term controversia. For example, some common formulations are “altercatio Galieni et Aristotelis” 54, “contrarietas Aristotelis et Galieni ” 55, “rationes Galieni contra Aristotelem” 56, or “magna diversitas inter auctores” 57. Albert was well aware of the discussion between medics and philosophers, and he was trying to discern who was right and who was wrong. However, the term controversio is probably added by the hand of the scholar who wrote down the ‘Quaestiones’. II. Conclusive Remarks: W hy Aristotle (And Not Galen)? Given a context without an empirical way to settle the controversy, the dispute had to be settled on theoretical grounds. The discussion of embryonic development was not only a medical matter but had also broader philosophical implications, e.g. how the soul joins the body, and the more practical question of pregnancy length, which would remain a matter of speculation for centuries. Without microscopes and caesarean sections there was little to be empirically known. Even after the invention of the microscope in the middle of 17th century, with which spermatozoids could first be observed, little change occurred within the theoretical framework. The existence of an ovule was described only in 1827. Medieval scholars had almost no empirical knowledge at their disposal when discussing female participation in conception, much like the data we have available today when discussing consciousness. The empirical knowledge gap was, and is, filled by theoretical speculation. Here, social conceptions and historical background were taken into account and considerably influenced the outcome of the discussion. Nevertheless, it was precisely on this topic that Albert took a stand, different from Aristotle, who was supported also by Albert’s predecessor Peter of Spain. Unlike in other questions, Albert actually sided with Galen and Avicenna regarding this disagreement. The position of the medici was both the one that had the truth on its side from the perspective of his time, and the one to which Albert himself gave credit. Why, then, would Albert conflate the incongruous frameworks by adopting the medical position under the condition of his general agreement with the Peripathetics? 54 55 56 57

Albertus Magnus, De homine, I.1.2.5.1.2.1.3.3, edd. Anzulewicz/Söder (nt. 9), 137,46-47. Ibid., I.1.2.5.2.1.1.1.1.1.4.3.5, 244,26. Ibid., I.1.2.5.2.2.1.3.2, 337, 43. Id., De anima, lib. II, tr. 3, c. 29, ed. Stroick (nt. 36), 140,35-43: “Et est in eis magna diversitas inter auctores, quoniam in veritate Galenus et Avicenna volunt, quod causa saporum sit calidum et frigidum […]. Et nos videmus, quod hoc non est verum […].” Cf. id., Physica, lib. VIII, tr. 1, c. 1, ed. Hossfeld (nt. 36), vol. 2, 516,47-49: “Et hoc ignoravit Galienus et ideo contradixit verbis egregii philosophi, Aristoteli scilicet […].”

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Albertus Magnus intended to establish natural philosophy as a science with its proper method 58. A science, nevertheless, must have a syllogistic structure of argumentation and be based on universal principles 59, even when it refers to the singular and the particular, like the science of the living beings. Thus, Albert delves into the details, recounting examples and stories he had heard or read, writing digressions that complemented a certain topic, while keeping the framework of scientific knowledge in mind. In Aristotle, he finds the theoretical approach he is seeking. On the one hand, Aristotle argues from a syllogistic point of view about female sperm. Even in matters that had a physiological basis, it was the correctness of the syllogism that had greater value. Albert dismisses the empirical argument of the resemblance of the child to the mother as absurd because it is not syllogistically correct 60. On the other hand, Aristotle provides a method for natural philosophy, which should consider the natural phenomena not from their efficient cause, but from the perspective of the final cause 61. Taking an example from Aristotle, Albert explains this through a recurrent analogy. As the cause of healing is health, which is yet not present in the sick person, but is its motor as a final cause, the final cause should be considered part of every natural phenomenon 62. The final cause in generation is to bring about the proper form of each species, and the proper operation of the single bodily organs 63. It is an epigenetic way to describe natural processes that fits particularly well with the case of embryology. This is how Aristotle might have provided a more appropriate framework that could accomodate exceptions like Galen’s, allowing his insight into the female role in generation to be inserted only with caution and not unconditionally. 58

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Cf. L. Spruit, Albert the Great on the Epistemology of Natural Science, in: A. Fidora/ M. Lutz-Bachmann (eds.), Erfahrung und Beweis. Die Wissenschaften von der Natur im 13. und 14. Jahrhundert (Wissenskultur und Gesellschaftlicher Wandel 14), Berlin 2007, 61-76; W. A. Wallace, Albertus Magnus on Suppositional Necessity in the Natural Sciences, in: Weisheipl, Albertus Magnus and the Sciences (nt. 2), 103-128; B. Ashley, St. Albert and the Nature of Natural Sciences, in: ibid., 73-103; H. Schipperger, Das medizinische Denken bei Albertus Magnus, in: G. Meyer/A. Zimmermann (eds.), Albertus Magnus. Doctor universalis 1280-1980, Mainz 1980, 279-294; J. R. Shaw, Scientific Empiricism in the Middle Ages. Albertus Magnus on Sexual Anatomy and Physiology, in: Clio Medica 10 (1975), 53-64. Cf. Aristotle, Analytica Posteriora, I, c. 2, 71b 9-25; Albertus Magnus, Physica, lib. I, tr. 1, c. 2, ed. Hossfeld (nt. 36), 5,8-17. Cf. Albertus Magnus, De animalibus, lib. IX, tr. 2, c. 2, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 713,9-11: “Hoc autem quod inducit de similitudine ad patrem et ad matrem, omnino est irrationabiliter dictum et contra artem sillogisticam quae traditur in logicis.” Cf. Wallace, Albertus Magnus on Suppositional Necessity (nt. 58). Cf. Aristotle, Physica, II, c. 3, 194b 35-195a 3; Albertus Magnus, De animalibus, lib. XI, tr. 1, c. 3, ed. Stadler (nt. 1), vol. 1, 766,29-767,13: “[…] et sic necessarium suppositionis est in omnibus ad finem ordinatis, qui est complementum domus, quia propter hoc facta est operatio omnium rerum ad finem illium ordinatarum, quam intendit ultimo operari carpentarius. In omnibus enim illis est necessarium, quod sit id quod est prius in opere ultimo supposito in intentione. Et per omnem eumdem modum debet intendere naturalis de necessario, et non est differentia, nisi quod ponitur in rebus naturalibus quod de artificialibus dictum est.” Cf. ibid., c. 4, 797,10-29; lib. XVI, tr. 1, c. 7, vol. 2, 1083,3-4.

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Albert’s famous dictum that in the matters of medicine he would follow Galen or Hippocrates remains a testimony to his passion for scientific and medical learning. But when studying the causes, it was up to the natural philosopher and not the medical doctor to discern 64. And Albert was, at his core, a natural philosopher. Moreover, he was a theologian, and this might have been another reason for him to side with Aristotle. In his discussion on the Incarnation, Albert touches upon the role of Mary in his conception. On this issue, Albert holds a stricter Aristotelian position, since it is the Holy Spirit who is informing the foetus. Aristotle, once again, was the more appropriate choice 65. This is how the correct Galenic view on the female role in conception was continued to be deemed erroneous. Albert’s interest in the world of the natural, his extensive work on it and the rich material he brought into the field, were about to make a deeper impact than his correct syllogistic arguments in such an empirical discussion as the female role in conception. His extensive coverage of the debate, coupled with his curiosity and interest into the single and the particular, were what made him an authority in natural philosophy.

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Cf. id., De anima, lib. I, tr. 1, c. 7, ed. Stroick (nt. 36), 14,84-85: “Scire enim causas corporis humani physici est, non medici.” Cf. supra nt. 29. Cf. Burger, Albert the Great - Mariology (nt. 3), 122 sq.

Wie beherrscht man die Kenntnis der medicamina? Fehler und Normierung in der universitären Pharmakologie Iolanda Ventura (Bologna) * I. Die im 12. und 13. Jahrhundert neu angefertigten oder vervollständigten lateinischen Übersetzungen medizinischer Werke aus dem Arabischen trugen in entscheidender Weise dazu bei, das Image und den Inhalt der Disziplin zu verändern 1. Die dadurch ermöglichte Rezeption dieser Werke im lateinischen Abendland beeinflusste und transformierte alle Bereiche der Medizin wie Anatomie, Physiologie, Pathologie, Therapie, Pharmakologie und Pharmazie, ihren theoretischen Hintergrund und die praktische Umsetzung der neu gewonnenen Erkenntnisse. Zu nennen sind hier vor allem die ,Practica Pantegni‘ des Ali ibn alAbbas al-Majusi in den Übersetzungen des Constantinus Africanus und einige Jahrzehnte später des Stephanus von Antiochia, der ,Liber Canonis‘ Avicennas in der lateinischen Fassung Gerhards von Cremona, das ,Colliget‘ des Averroes, das der Jude Bonacolsa/Bonacosa 1285 in Padua übersetzte und schließlich die dem sog. ,Mesue dem Jüngeren‘ zugeschriebenen pharmakologischen und pharmazeutischen Schriften (,Canones universales‘, ,De consolatione simplicium medicinarum‘, ,Antidotarium sive Grabadin‘, ,Practica sive Grabadin‘). Der Einfluss der in diesen Werken manifesten arabisch-lateinischen Medizin erstreckte sich bis in die Renaissance und prägte sowohl den akademischen als auch den professionellen, praxisorientierten Bereich der Disziplin. Was die Pharmakologie angeht 2, können wir den Beitrag der arabisch-lateinischen Wissenschaft und ihrer eben genannten repräsentativen Texte im Wesent*

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Ohne Herrn Dr. Bertram Lesser und seine Hilfe, hätte dieser Aufsatz nicht geschrieben werden können. Ihm sei er mit bestem Dank gewidmet. Cf. D. Jacquart/F. Micheau, La me´decine arabe et l’Occident me´die´val, Paris 1990. Unter dem Begriff „Pharmakologie“ verstehe ich die allgemeine Lehre der medicamina simplicia, und zwar sowohl ihren theoretischen, die Erkennung und die Definition der Natur, der therapeutischen Eigenschaften, der Intensität der Effekte und der Wirkung in den Präparaten behandelnden Teil, als auch die praxisorientierte Beschreibung der einzelnen Stoffe, welche als Heilmittel eingesetzt wurden und als Zutaten der medizinischen Rezepten galten. Zur Geschichte des Begriffes cf. A. Touwaide, La the´rapeutique me´dicamenteuse de Dioscoride a` Galien: du pharmaco-centrisme au me´dico-centrisme, in: A. Debru (ed.), Galen on Pharmacology (Studies in Ancient Medicine 16), Leiden e. a. 1997, 255-282. Trotzdem scheint mir die Definition „Pharmakologie“ für die antike und mittelalterliche Epoche angemessen zu sein.

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lichen in drei Bereichen fassen: 1) in der Schaffung einer breiten und detaillierten Übersicht der zahlreichen medicamina simplicia, welche dem Arzt zu Verfügung standen, 2) in der Entwicklung neuer Beschreibungs- und Klassifikationssysteme - wie sie etwa im zweiten Traktat des zweiten Buches des ,Liber canonis‘ aufscheinen, wo die Natur, die complexio, und die einzelnen Körperstellen bzw. pathologischen Bereiche, in denen der Stoff wirken kann, separat und in einer festen Sequenz aufgelistet werden - und, last but not least, 3) in der Entfaltung einer tiefen und komplexen Theorie der Heilmittellehre 3. Zu dieser gehören etwa die Begriffe von Natur, complexio und therapeutischen Eigenschaften in Bezug auf den gesamten Körper bzw. dessen Teile und/oder Organe, die Beschreibung der Wirkung und ihrer Intensität, etwa in der sog. Gradenlehre oder die Analyse der einzelnen Ingredienzen eines medicamen compositum, dessen operatio sich nicht auf die Summe der Eigenschaften und Effekte der einzelnen Zutaten reduzieren lässt und die sorgfältig zusammengestellt werden müssen, um die Heilung des Patienten besser und schneller zu gewährleisten und unerwünschte Nebenwirkungen, z. B. durch die gegenseitige Beeinflussung und Neutralisierung einzelner Komponenten, auszuschließen. Zunächst seien die pharmakologischen Abschnitte der oben genannten Werke kurz skizziert: Das zweite Buch der ,Practica Pantegni‘ von Ibn al-Abbas al-Majusi weist in den Übersetzungen des Constantinus Africanus und des Stephanus von Antiochia, der seine Übertragung als ,Regalis dispositio‘ bezeichnete, jeweils unterschiedliche Strukturen und Inhalte auf: Constantinus Africanus gliederte den Text des zweiten Buches in einen „theoretischen“ (,De probanda medicina‘) und zwei „praktische“ (,De simplici medicina‘ und ,De gradibus‘) Teile, welche wahrscheinlich den Versuch widerspiegeln, einen ursprünglich unvollständigen Text zu ergänzen. In der Version des Stephanus enthält das Buch nur die beiden Abhandlungen ,De probanda medicina‘ und ,De simplici medicina‘. Der hier interessierende Teil ,De probanda medicina‘ ist in beiden lateinischen Fassungen vorhanden. Er zerfällt in 34 Kapitel, von denen die ersten acht eher allgemeiner bzw. grundsätzlicher Natur sind. Sie beschreiben die fundamentalen therapeutischen Strategien (Pharmazie, Diät, Chirurgie, Kap. I), die allgemeinen Notionen über die Natur und die Effekte der Medikamente (Kap. II) und die experimentelle Erforschung ihrer konkreten Eigenschaften (probatio medicine per experimentum, Kap. III). Kapitel IV-VIII sollen den Leser in die Lage versetzen, Natur und Eigenschaften der Medikamente rationell aus den konkreten Zeichen ihrer Substanz (wie die Geschwindigkeit, sich im Körper des Patienten aufzulösen und sich in Heilmittel zu verwandeln, Kap. IV und V) und ihren wahrnehmbaren Charakteristiken wie Geschmack, Farbe und Geruch zu erkennen (Kap. VI und VIII). Die Kapitel IX-XXXIV schließen diesen Teil ab und stellen die verschiedenen therapeutischen Eigenschaften der Medikamente im Hinblick auf den 3

Cf. dazu D. Jacquart, Islamic Pharmacology in the Middle Ages: Theories and Substances, in: European Review 16/2 (2008), 219-227.

Wie beherrscht man die Kenntnis der medicamina?

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ganzen Körper oder auf einige Teile, d. h. die qualitates primarie und secundarie, im Einzelnen dar 4. Der erste Traktat des zweiten Buches des ,Liber canonis‘ besteht aus sechs Kapiteln, worin Avicenna zunächst die complexio der Medikamente vorstellt (Kap. I), um dann, wie vorher schon Al-Majusi, die experimentellen Erkenntnisformen ihrer Natur und Eigenschaften aufzulisten (Kap. II). Anders als AlMajusi behandelt er Zeichen wie die Geschwindigkeit der Auflösung und der Verwandlung der Ingredienzen in therapeutische Mittel und Charakteristiken wie Geschmack, Farbe und Geruch in einem einzelnen Kapitel (Kap. III zur cognitio per ratiocinationem). Das vierte Kapitel bietet eine rationell gestaltete Darstellung der qualitates primarie und secundarie der Medikamente. In den abschließenden Kapiteln V und VI bespricht der arabische Mediziner zunächst die Änderungen der Eigenschaften, die bei der Verarbeitung der Heilmittel durch Kochen, Zerschneiden oder Waschen auftreten und für Irrtümer sorgen können, und listet anschließend Regeln zur Erwerbung (collectio) und Aufbewahrung der medicamina simplicia auf 5. 4

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Constantinus Africanus, Pantegni, in: Opera Ysaac [Israeli], ed. Lyon 1515. Cf. D. Jacquart, Principales e´tapes dans la transmission des textes de me´decine (XI e-XIV e sie`cle), in: M. Fattori/J. Hamesse (eds.), Rencontres de cultures dans la philosophie me´die´vale (Textes, Etudes, Congre`s, 1), Louvain-la-Neuve-Cassino 1990, 251-271; ead./Micheau, La me´decine arabe (nt. 1); Ch. Burnett/D. Jacquart (eds.), Constantine the African and Ali ibn al Abbas al-Magusi. The Pantegni and its Related Texts (Studies in Ancient Medicine 10), Leiden e. a. 1994; Ch. Burnett, The Legend of Constantine the African, in: Micrologus 21 (2013): The Medieval Legends of Philosophers and Scholars, 277-294; R. Veit, Das Buch der Fieber des Isaac Israeli und seine Bedeutung im lateinischen Westen. Ein Beitrag zur Rezeption arabischer Wissenschaft im Abendland (Sudhoffs Archiv, Beihefte 51), Stuttgart 2003; ead., Quellenkundliches zu Constantinus Africanus, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 59/1 (2003), 121-152; F. Newton, Arabic Medicine and Other Arabic Cultural Influences in Southern Italy in the Time of Constantinus Africanus (saec. XI2 ), in: B. K. Nance/F. Eliza Glaze (eds.), Between Text and Patient. The Medical Enterprise in Medieval and Early Modern Europe (Micrologus’ Library 39), Firenze 2011, 25-55. Monica Green bereitet zurzeit eine Monographie zur literarischen Tätigkeit des Constantinus Africanus und die Rezeption seines Werkes vor. Von meiner Seite, bereite ich einen Aufsatz zur Entstehung und Überlieferung des zweiten Buches der ,Practica Pantegni‘ vor. Avicenna, Liber canonis, ed. Venedig 1507 (Nachdruck Hildesheim 1998). Zu Avicenna cf. D. Jacquart, La me´de´cine me´die´vale dans le cadre parisien (XIV e-XV e sie`cle), Paris 1998; ead., La science me´dicale occidentale entre deux renaissances (XII e s.-XV e s.) (Variorum Collected Studies Series 567), Aldershot 1997; ead., Lectures universitaires du Canon d’Avicenne, in: J. Janssens/D. de Smet (eds.), Avicenna and His Heritage. Acts of the International Colloquium, Leuven-Louvain-la-Neuve, September 8-September 11, 1999, Leuven 2002, 313-324; ead., Les traductions me´dicales de Ge´rard de Cre´mone, in: P. Pizzamiglio (ed.), Gerardo da Cremona (Annali della Biblioteca Statale e Libreria Civica di Cremona 41 [1990]), Cremona 1992, 5770; Ch. Burnett, The Coherence of the Arabic-Latin Translation Program in Toledo in the Twelfth Century, in: Science in Context 14 (2001), 249-288; id., Arabic into Latin: The Reception of Arabic Philosophy into Western Europe, in: P. Adamson/R. Taylor (eds.), Cambridge Companion to Arabic Philosophy, Cambridge 2005, 370-404; id., Arabic into Latin in the Middle Ages: The Translators and Their Intellectual and Social Context, Aldershot 2009 (Variorum Collected Studies Series 939); J. Chandelier, La re´ception du Canon d’Avicenne. Me´decine arabe et milieu universitaite en Italie avant la peste noire, Diss., Paris 2007; H. Paavilainen,

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Die Pharmakologie wird von Averroes im fünften Buch seines ,Colliget‘ behandelt. Das Buch besteht aus 59 Kapiteln, die zu vier thematischen Gruppen zusammengefasst werden können. Auf das prologartige Eingangskapitel mit seinen Ausführungen zu Struktur und Inhalt des Buches folgt die erste Gruppe (Kap. II-XXIII), worin die allgemeinen Prinzipien der Pharmakologie wie der Unterschied zwischen Speisen und Heilmitteln, die Funktion der Naturobjekte als Speisen und Heilmittel sowie deren virtutes primarie, secundarie und tertiarie dargestellt sind; im Gegensatz zu den eben genannten Werken bietet Averroes noch eine wichtige zusätzliche Sektion zu den Wirkungen der Heilmittel a forma specifica. Die zweite Gruppe (Kap. XXIV-XXX) präsentiert die Regeln zum Erwerb von Kenntnissen über die Natur und die Effekte der Naturobjekte in ihren unterschiedlichen Funktionen als Speise und Heilmittel, und zwar nach Geruch, Geschmack und Farbe, nach Ort und Zeit des Vorkommens oder Wachstums und nach den Wirkungen. In der dritten Gruppe (Kap. XXXILVI) beschreibt Averroes die Naturobjekte nach Typologien (tierische, pflanzliche und mineralische Herkunft) in ihren complexiones. Kapitel LVII-LIX bilden schließlich den Übergang zu den medicamina composita, worin Averroes die Regeln der Zusammenstellung der composita, zur Quantifizierung der enthaltenen simplicia und der experimentellen Gewinnung von Informationen über die composita beschreibt 6. Im Fall des ,Colliget‘ ist zu beachten, dass die Erkenntnistheorie per experientiam/per ratiocinationem, die in den anderen Quellen als Fundament der allgemeinen Pharmakologie galt, hier in zwei Aspekte aufgeteilt wird. Die experientia spielt für Averroes ausschließlich bei der Analyse der composita eine Rolle, während die Kenntnis der proprietates primarie, secundarie und tertiarie der simplicia nur per viam demonstrativam zu erwerben ist und der praktischen Erfahrung nicht bedarf. Die Canones universales des Pseudo-Mesue bilden schließlich insofern eine Ausnahme, als der Autor keine allgemeinen, für alle Arten von Medikamenten gel-

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Medieval Pharmacoterapy: Continuity and Change. Case Studies from Ibn Sina and some of his Late Medieval Commentators (Studies in Ancient Medicine 38), Leiden 2009; R. Veit, Greek Roots, Arab Authoring, Latin Overlay: Reflections on the Sources for Avicenna’s Canon, in: R. Wisnowsky e. a. (eds.), Vehicles of Transmission, Translation, and Transformation in Medieval Textual Culture (Cursor mundi 4), Turnhout 2011, 353-369; P. Adamson (ed.), Interpreting Avicenna: Critical Essays, Cambridge 2013; I. Ventura, Classification Systems and Pharmacological Theory in Medieval Collections of materia medica: A Short History from the Antiquity to the End of the 12th Century, in: T. Pommerening/W. Bisang (eds.), Classification from Antiquity to Modern Times: Sources, Methods, and Theory from an Interdisciplinary Perspective, BerlinBoston 2017, 101-166; J. Chandelier, Avicenne et la me´decine en Italie (Sciences, techniques ˆ ge a` l’aube des Lumie`res 18), Paris 2017. et civilisations du Moyen A J. Chandelier bereitet zurzeit eine kritische Ausgabe des Textes vor. Eine Übersicht der Handschriften und Drucke des Werkes, sowie eine Bibliographie, bietet die Webseite des Projektes DARE (Digital Averroes Research Environment), URL: www.dare.uni-koeln.de (Stand: 11. 09. 2017). Zur Averroes’ Pharmakologie cf. Y. Tzivi Langermann, Another Andalusian Revolt? Ibn Rushd’s Critique of Al-Kindi’s Pharmacological Computus, in: J. P. Hogendijk/A. I. Sabra (eds.), The Enterprise of Science in Islam. New Perspectives, Cambridge (Mass.) 2003, 351-372.

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tenden Regeln aufstellt, sondern sich inhaltlich auf eine einzige, zwar sehr beliebte und stark benutzte, aber auch potentiell gefährliche Kategorie von Medikamenten - die Purgantien - konzentriert, und eine abweichende Struktur wählt: Er gliederte sein Werk in vier Intentiones, die wiederum die Regeln (conditiones) der Auswahl (electio) der medicamina enthalten (Intentio prima) und anschließend die Korrektur der gefährlichen Effekte und Nebenwirkungen der Medikamente im allgemeinen (emendatio malitiarum in ipsis; Intentio secunda), während die dritte und die vierte die Regel der Purgation (emendatio malitiarum redundantium in hora solutionis; Intentio tertia) und nach der Purgation (emendatio nocumentorum derelictorum post purgationem; Intentio quarta) zum Gegenstand haben 7. Auf unterschiedliche Weise, beschreiben die vier vorgestellten Schriften den gesamten Prozess von der Erwerbung der richtigen Kenntnisse über die Medikamente und ihre Eigenschaften bis zu ihrem praktischen Einsatz. Dabei versuchen die Verfasser klare, korrekte und zuverlässige Richtlinien aufzustellen, die zu einer Rationalisierung und Normierung des kognitiven und operativen Bereichs der Pharmakologie führen sollen. II. Die Rezeption der arabisch-lateinischen theoretischen Pharmakologie verlief im Spätmittelalter, insbesondere im akademischen Bereich, nicht problemlos. Rezipiert wurden hauptsächlich die genannten Schriften Avicennas, Averroes’ und Mesues des Jüngeren, während Al-Majusis ,Pantegni‘ im akademischen Bereich wenig Einfluss auf die Pharmakologie ausgeübt zu haben scheint - vielleicht, weil das Werk vom Avicennas ,Liber canonis‘ überholt wurde. Magistri und medizinische Autoren, die sich mit den in diesen Texten enthaltenen Theorien und Aussagen befassten, beschränkten sich nicht darauf, sie zu kommentieren und zu erläutern, sondern benutzten sie als Ausgangspunkt umfangreicherer und komplexerer eigener Untersuchungen. Darin entwickelten sie unter anderem Kriterien für die korrekte Wahrnehmung, Feststellung und Quantifizierung (so7

Cf. Opera Mesue, ed. Venedig 1595; I. Klimaschewski-Bock, Die „Distinctio Sexta“ des Antidotarium des Pseudo-Mesue in der Druckfassung Venedig 1561 (Sirupe und Robub) (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 40), Stuttgart 1987; U. Heuken, Der achte, neunte und zehnte Abschnitt des Antidotarium Mesue in der Druckfassung Venedig 1561 (Trocisci, Pulver, Suffuf, Pillen) (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 58), Stuttgart 1990; S. Lieberknecht, Die Canones des Pseudo-Mesue. Eine mittelalterliche Purgantien-Lehre (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 71), Stuttgart 1995; P. De Vos, The ,Prince of Medicine‘. Yu¯hø anna¯ ibn Ma¯sawayh and the Foundations of the Western Pharmaceutical Tradition, in: Isis 104 (2013), 667-712. Ferner cf. R. Schmitz, Geschichte der Pharmazie, vol. I: Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters, Eschborn 1998; D. N. Hasse, Success and Suppression. Arabic Sciences and Philosophy in the Renaissance, Habilitationsschrift, Freiburg i. Br. 2004 (mit Liste der gedruckten Ausgabe); I. Ventura, Les me´langes manuscrits autour des Canones et du Grabadin du Pseudo-Mesue: questions de contenu et de catalogage, in: D. Jacquart e. a. (eds.), Les miscellane´es scientifiques me´die´vales (in Vorbereitung).

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wohl in absoluter als auch der aufgrund verschiedener menschlicher complexiones relativer Hinsicht) der Effekte der Medikamente auf dem menschlichen Körper, für die geeignete Dosierung und ausgewogene Kombination der Zutaten in den Rezepten und für die Analyse und Definition von natura, complexio und proprietates der verschiedenen Stoffe. In diesen heftigen Debatten, die sich in den akademischen Milieus von Paris, Montpellier, Bologna und Padua ausbreiten und in unterschiedlicher Form und Tiefe mit den Werken Jean de Saint-Amand, Bernard de Gordon, Gentile da Foligno, Dino del Garbo und anderen bis hin zu dem jüngeren, aber nicht weniger wichtigen Paduaner Magister Sigismondo Polcastro reflektiert werden, spielen die gerade angesprochenen Fragen eine außerordentlich wichtige Rolle 8. Die verschiedenen Autoren bedienten sich dabei unterschiedlicher Formen und Methoden: Sie inkorporierten diese Fragen- und Themenkomplexe in umfangreiche Kommentare der erwähnten Schriften von Avicenna, Averroes und Mesue, oder sie wählten bestimmte Teilprobleme aus und besprachen sie separat in kleinen monographischen, manchmal pamphletartigen oder in Quaestiones strukturierten Traktaten, wie im Fall Gentiles oder Sigismondo Polcastros, deren Aufmerksamkeit sich auf die Frage der richtigen Dosierung der medicamina richtete. Die Erneuerung, Vermehrung und inhaltliche Diversifizierung der zu Verfügung stehenden medizinischen Literatur ist jedoch nicht allein für die fortschreitende theoretische Fundierung der Pharmakologie verantwortlich. Ein weiterer, aber nicht weniger bedeutender Faktor besteht in den immer enger und auch vielfach problematisch werdenden Beziehungen zwischen Medizin und Naturphilosophie und demzufolge in der immer dringenderen Notwendigkeit, auch die Pharmakologie mit den Prinzipien der Naturphilosophie zu verbinden, beispielsweise in den Beziehungen zwischen der complexio des Menschen und der Naturobjekte, welche als Nahrungs- und Heilmittel verwendet werden 9. Im weiteren Verlauf dieser sich verschärfenden Diskussionen entstand eine tiefe Kluft („clivage“) zwischen der via philosophorum und der via medicorum, wie D. Jacquart 8

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Zur Medizin in mittelalterlichen Universitäten cf. N. G. Siraisi, Arts and Sciences at Padua: The Studium of Padua before 1350 (Toronto Medieval Studies and Texts 25), Toronto 1973; ead., Taddeo Alderotti and His Pupils. Two Generations of Italian Medical Learning, Princeton 1981; ead., Avicenna in Renaissance Italy. The Canon and Medical Teaching in Italian Universities after 1500, Princeton 1987; ead., Medicine and Italian Universities, 1250-1600 (Education and Society in the Middle Ages and the Renaissance 12), Leiden e. a. 2001; D. Le Ble´vec/T. Garnier (eds.), L’Universite´ de Me´decine de Montpellier et son rayonnement (XIII e-XV e sie`cles) (De diversis artibus 71, N.S. 34), Turnhout 2004; D. Jacquart, La me´decine me´die´vale (nt. 5); L. Moulinier-Brogi, Deux ou trois choses que l’on sait d’elle: la faculte´ de me´decine parisienne et ses de´buts, in: J. Verger/J. W. Baldwin (eds.), Les de´buts de l’enseignement universitaire a` Paris (1220-1245 environ) (Studia Artistarum 38), Turnhout 2013, 387-398; C. Casagrande/ G. Fioravanti (eds.), La filosofia in Italia al tempo di Dante (Le vie della civilta`), Bologna 2016. Eine Übersicht der Tendenzen der theoretischen Pharmakologie findet man in M. McVaugh, Introduction, in: Arnaldus de Villanova, Aphorismi de gradibus, ed. M. McVaugh (Arnaldi de Villanova Opera medica omnia 2), Granada-Barcelona 1975.

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mit Recht betont hat, die von Texten wie den Quaestiones des Conciliator Petrus de Abano konkret belegt wird 10. Diese Spaltung, oder besser gesagt: der Konflikt zwischen der via medicorum und der via philosophorum wird dann besonders virulent, wenn es um prinzipielle Fragen wie die Bezeichnung der Medizin als Wissenschaft oder als Kunst oder ihre Stellung im Wissenschaftssystem, geht, um die Rolle der Erfahrung beim Erwerb medizinischer Kenntnisse und ihre praktische Umsetzung oder um Probleme der complexio perfecta oder der Beziehungen zwischen Elementen und corpora mixta. Im speziellen Bereich der Pharmakologie äußert sich dieser Konflikt beispielsweise bei der Erörterung des möglichen Unterschieds zwischen der physischen Natur und den therapeutischen Qualitäten der Medikamente, bei der Trennung der natürlichen Stoffe in ihrer Rolle als Speise und Medikament, oder bei der forma specifica und den okkulten Eigenschaften der medicamina simplicia und composita. Im Zuge einer intensiven Rezeption der Werke von Avicenna und Pseudo-Mesue wurden auch die Auswirkungen der Zubereitungsverfahren auf die complexio und die Eigenschaften der Medikamente und der internen Verwandlung der simplicia und composita durch Fermentation und Alterung einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Geschichte der „scholastischen“, hier sowohl als „universitären“ als auch als „theoretisch“ definierbaren Pharmakologie bleibt noch zu schreiben 11. Dieser Aufsatz kann diese Lücke nicht füllen, sondern soll lediglich ein einziges Thema exemplarisch betrachten, und zwar einen Ausschnitt der Diskussion um die Begriffe „Fehler“, „Irrtum“, und „Unsicherheit “ anhand einiger Aussagen der italienischen medizinischen Autoren und magistri medicine analysieren 12. Daraufhin werde ich mich insbesondere mit einem autoritativen, aber nicht allzu 10

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Cf. D. Jacquart, Me´decine et pharmacie a` Paris au XIII e sie`cle, in: Comptes rendus de l’Acade´mie des Inscriptions et Belles-Lettres 150 (2006), 999-1029. Pietro bespricht die Pharmakologie in den differentiae des ,Conciliator‘; cf. Petrus Abanensis, Conciliator controversiarum, quae inter philosophos et medicos versantur, ed. Venetiis 1565 [Nachdruck: E. Riondato/L. Olivieri (eds.), Pietro d’Abano, Conciliator. Ristampa fotomeccanica dell’edizione Venetiis apud Iunctas 1656 (I Filosofi Veneti, Sezione II: Ristampa 1), Padua 1985], Differentia 137-143, foll. 193va202vb. Zur Pharmakologie im Conciliator cf. E. Paschetto, Pietro d’Abano medico e filosofo, Firenze 1984, bes. 217-235. Zur Rezeption des Conciliator cf. J. Chandelier, Pietro d’Abano et les me´decins. Re´ception et re´putation du Conciliator en Italie dans les premie`res anne´es du XIV e sie`cle, in: J.-P. Boudet e. a. (eds.), Me´decine, astrologie et magie au Moyen Age: autour de Pierre d’Abano (Micrologus’ Library 50), Firenze 2012, 183-201. Zu Petrus de Abano cf. P. De Leemans/M. J.F.M. Hoenen (eds.), Between Text and Tradition. Pietro d’Abano and the Reception of Pseudo-Aristotle’s Problemata Physica in the Middle Ages (Mediaevalia Lovaniensia, Series I, Studia 46), Leuven 2016. Für eine Übersicht cf. Chandelier, La re´ception du Canon d’Avicenne (nt. 5). Zu dem Unterschied zwischen „Irrtum“, „Fehler“, und „Unsicherheit “ cf. M. Gadebusch Bondio/A. Paravicini Bagliani, Introduction, in: ead. (eds.), Errors and Mistakes. A Cultural History of Fallibility, Firenze 2012 (Micrologus’ Library 49), VII-XIII. Zur Rolle der Irrtümer und Fehler in der Geschichte der mittelalterlichen Medizin cf. D. Jacquart, De la faillibilite´ de l’art me´dical aux erreurs du practicien au de´but du XIV e sie`cle: une imperceptible marge, in: ibid., 129-146 (neugedruckt in: ead., Recherches me´die´vales sur la nature humaine. Essais sur la re´fle´xion me´dicale [XII e-XV e s.], Firenze 2014 [Micrologus’ Library 63], 277-296).

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reichhaltig kommentierten Text auseinandersetzen, in dem diese Begriffe vorkommen und in ihren Konsequenzen sowohl auf die theoretischen Prinzipien der Pharmakologie als auch auf ihre praktische Umsetzung im Zuge der Heilung der Patienten (Empfehlung einer Therapie, Zubereitung des Medikamentes und seine Darreichung an den Patienten) ausführlich besprochen werden: Es handelt sich um den ersten Traktat des zweiten Buches des Liber canonis. Darin spielen die Kapitel 2 und 3, in denen die ,Canones‘ der cognitio per experimentum und der cognitio per ratiocinationem geschildert werden, eine besondere wichtige Rolle, da dort die Grundlagen der richtigen Erkenntnis der Medikamente und ihrer Qualitäten dargelegt werden, die auch die Basis für ihren korrekten Einsatz in der praktischen Therapie bilden. Ich werde den Text der zwei Kapitel nicht isoliert berücksichtigen, sondern ihn als Ausgangspunkt für die Diskussion der genannten Begriffe benutzen, die in den beiden mittelalterlichen Kommentaren der Kapitel von Dino del Garbo (geschrieben um 1320) und wenig später von Gentile da Foligno geführt wurde, wobei hier ausschließlich Dinos Erläuterungen konsultiert werden sollen. Ziel meiner Analyse ist nicht nur die Suche nach den Definitionen von „Fehler“, „Irrtum“ und „Unsicherheit “, sondern auch die Determination ihrer Rolle innerhalb eines Prozesses der Normierung und Rationalisierung einer induktiven und praxisorientierten Wissenschaft wie der Pharmakologie, deren Erkenntnisse auf der praktischen Beobachtung der Effekte von Medikamenten basieren. Der eigentlichen Untersuchung dieser Texte muss eine (keineswegs vollständige) Übersicht der medizinischen und pharmakologischen universitären Literatur vorausgehen, die sich mit den Begriffen „Fehler“, „Irrtum“ und „Unsicherheit “ auseinandergesetzt und auf verschiedene Weise eine „Normierung“ bzw. ein Konvolut von allgemeinen, rational fundierten, anerkannten und zuverlässigen Regeln angestrebt hat 13. Diese Literatur deckt die Begriffe sowohl auf theoretischer Ebene im Hinblick auf die Hauptfragen und Prinzipien des medizinischen intellektuellen Hintergrundes wie complexio, gradus, qualitas und operatio, als auch auf der Ebene der therapeutischen Praxis (z. B. Dosierung, Erkennen und Bewertung der Qualitäten, Modus operandi, Effekte, korrekte Verwendung potentiell gefährlicher Heilmittel wie der Purgantien oder der toxischen Stoffe) ab. Als erstes, obwohl nicht direkt mit dem universitären Milieu verbundenes Beispiel gilt das Werk ,De erroribus medicorum‘ von Roger Bacon, in dem der englische Philosoph alle „Fehler“ der zeitgenössischen Ärzte auflistet und insbesondere auf die Verwirrung aufmerksam macht, die auf allen Ebenen der medizinischen Kenntnis von der Nomenklatur bis zu den einzelnen Eigenschaften herrscht, und auf die Gefahr einer übertriebenen Theorisierung hinweist, die jede Verbindung mit der Realität der konkreten Erfahrung verliert 14. 13 14

Zu diesen Begriffen cf. Aufsatz von G. Hon und A. C. Langer in diesem Band. Cf. Rogerus Bacon, De erroribus medicorum, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, Fasc. IX: De retardatione accidentium senectutis; De erroribus medicorum, edd. A. G. Little/ E. Withington, Oxford 1928, 150-179.

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Meiner bisherigen Kenntnis nach kann man die universitäre Literatur zum Thema „Fehler, Irrtum und Unsicherheit in der Pharmakologie“ in drei Gruppen gliedern: 1) die Gattung der Kommentare zu den autoritativen Hilfsmitteln und Handbüchern der Universitätsmedizin; 2) die Gattung der kleinen Traktate de dosibus medicinarum, die sich mit dem Thema der richtigen Dosierung der Medikamente und der korrekten Bestimmung der Quantitäten und Qualitäten der einzelnen Ingredienzen beschäftigen; 3) die Literatur der medizinischen und pharmakologischen Quaestiones, in der die Aussagen der in den ersten beiden Gruppen überlieferten Autoren geordnet, zusammengefasst und diskutiert werden. Zur ersten Gruppe gehören selbstverständlich auch die beiden Kommentare von Dino del Garbo und Gentile da Foligno zum ersten Traktat des zweiten Buches des ,Liber canonis‘ Avicennas - obwohl dieser Teil von Avicennas Handbuch eher selten berücksichtigt wurde 15, gilt er als eine der Hauptquellen für die Normierung der Pharmakologie und wird daher unten ausführlich gewürdigt. Ferner sind der den ,Canones universales‘ des Pseudo-Mesue gewidmete Kommentar des Mondino de’ Liuzzi sowie das weit verbreitete ,Commentum super Antidotarium Nicolai‘ von Jean de Saint-Amand zu nennen, das weit über eine erläuternde Beigabe zum Rezeptar des ,Antidotarium Nicolai‘ hinausgeht und den Charakter eines Handbuchs der theoretischen Pharmakologie annimmt 16. Um den von diesen Autoren geleisteten Beitrag zur rationalen Normierung der Pharmakologie und zur Erkenntnis der Schwierigkeiten und der Risiken dieser Disziplin zu erkennen, die für Irrtümer, Fehler und Unsicherheiten sorgten, reicht es, ein einziges Beispiel zu nennen. In seinem Kommentar zum ,Antidotarium Nicolai‘ spricht Jean de Saint-Amand eigentlich nicht direkt über „Irrtümer“ und „Fehler“, sondern setzt einige allgemeine Regeln und Normen fest, die solche Risiken vorbeugen sollten. Dazu gehören Regeln zur korrekten Dosierung und Proportionierung der medicamina simplicia in einem compositum 17 sowie zur korrekten Zubereitung 18, die versuchen, die virulente Problematik um die richtige quantitas eines Heilmittels, die eine bestimmte Auswirkung des Stoffes erzielt, um die Regelung der rectificatio eines Heilmittels durch ein 15

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18

Zu Dino del Garbo cf. A. De Ferrari, Dino del Garbo, in Dizionario Biografico degli Italiani, URL: www.treccani.it (Stand: 11. 09. 2017), und A. Robert, Dino del Garbo et le pouvoir de ˆ ge 81 (2014), 193l’imagination, in: Archives d’Histoire Doctrinale et Litte´raire du Moyen A 195. Zu Gentile cf. Roger French, Canonical Medicine. Gentile da Foligno and Scholasticism, Leiden e. a. 2001. Cf. W. O. Schalick, Add One Part Pharmacy to One Part Surgery and One Part Medicine: Jean de Saint-Amand and the Development of medical Pharmacology in Thirteenth-Century Paris, Diss., Baltimore 1997; Jacquart, La me´decine me´die´vale (nt. 5); M. R. McVaugh, Medicine and Arts in Thirteenth-Century Paris, in: S. E. Young (ed.), Crossing Boundaries at Medieval Universities (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 36), Leiden-Boston 2011, 189-211. Cf. Iohannes de Sancto Amando, Commentum super Antidotarium Nicolai, in: Opera Mesue (nt. 7), foll. 272ra-304vb, hier fol. 300rb-vb. Cf. ibid., foll. 297vb-298rb.

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anderes und um die korrekte Messung dieser Auswirkungen zu lösen. Jean bemerkt etwa, dass die Zugabe eines Heilmittels B zu einem gleichartig wirkenden Heilmittel A die Effizienz der Mixtur um die Hälfte erhöht, während ein Heilmittel B mit entgegengesetzter Qualität die Wirkung eines Heilmittels A ausgleichen wird (rectificat). Dabei weist er ausdrücklich darauf hin, dass die richtige Quantität und Dosierung eines Heilmittels, das seine Wirkung auf ein spezifisches Organ entfalten muss, nicht allgemein bestimmt werden kann, da sie von der Größe des Organs und seiner Position im Körper abhängt. Ferner erinnert Jean, gestützt auf Avicenna, an die Schwierigkeiten und Risiken der experimentalen und rationellen Erkenntnis (cognitio per experimentum und per ratiocinationem) 19 einerseits und der handlungsorientierten praktischen Erkenntnis der Natur der medicamina anhand ihrer konkreten Wirkungen und Effekte (cognitio per operationes) und plädiert dabei für eine klare Reglementierung des Erkenntnisprozesses 20. Schließlich erinnert er in der bekannten Diskussion über die medicamina opiata an die quaestio famosa nach der Auswirkung der medicamina composita, und zwar, ob man diese Auswirkung auf die Natur und Effekte ihrer Zutaten oder auf die forma specifica, die aus ihrer Mischung resultiert, und dem compositum entspricht, zurückführen muss 21. In diesem Fall, mehr als konkrete Regel, widerspiegelt er eine sich im Gang befindende Debatte. Für die zweite Typologie von Texten sei lediglich auf das Interesse der italienischen magistri medicinae an der Dosierung der medicamina simplicia hingewiesen. In den dabei entstandenen kleinen Traktaten spiegeln sich sowohl die fortschreitende „Mathematisierung“ der Pharmakologie und Pharmazie (d. h. die exakte Berechnung der Intensität der Effekte jedes Naturstoffes nach rationalen Kriterien, welche die Herstellung eines wirksamen compositum möglichst ohne gefährliche Nebenwirkung ermöglichen sollte) als auch die Debatte über die problematische Erkenntnis und Bestimmung der Natur, der complexio, und der Kraft der einzelnen simplicia wieder. Einen guten Ausgangspunkt für die Erschließung dieser Literatur bietet die von Paulus Meietus zusammengestellte Anthologie ,Opuscula illustrium medicorum de dosibus seu de iusta quantiate et proportione medicamentorum‘, die 1584 in Lyon erschien 22. In diesem Band vereint Meietus unterschiedliche Schriften, von denen einige eher theoretisch ausgerichtet sind (z. B. Al-Kindis Schrift ,De gradibus‘, die als autoritative Quelle der spätmittelalterlichen „Mathematisierung“ der Pharmazie, und das Werk Tommaso del Garbos ,De reductione medicinarum ad actum‘, in dem die Entfaltung und die Umsetzung der qualitates medicinarum im menschlichen Körper und die Bestimmung der potentiellen und effektiven Intensität der Wirkung im Bezug 19 20 21 22

Cf. ibid., foll. 273vb-275rb. Cf. ibid., fol. 274rab. Cf. ibid., fol. 299vb. Zur forma specifica der simplicia cf. ibid., fol. 275vb-276rb. Cf. Opuscula illustrium medicorum de dosibus, seu de iusta quantitate et proportione medicamentorum. Nunc recens fidelius et diligentius quam antea edita, et a multis mendis vindicata, ed. Lyon 1584.

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auf die complexio des Körpers und die Natur des Medikaments diskutiert werden), während andere sich mit praktischen Aspekten auseinandersetzen, wie z. B. mit der korrekten Einschätzung der Wirkung der medicamina simplicia und ihrer Intensität nach Graden sowie mit der richtigen Dosierung der composita nach Typen (z. B. die ,Methodus Dosandi‘ Matteo Curcis oder ,De modo componendi medicinas et de dosi earum‘ des Bartholomaeus da Montagnana, die in der hier gedruckten Fassung als zweites Buch auch den ,Tractatus de dosi medicinae‘ des Mondino de Liuzzi enthält 23). Beide Textgruppen streben nach einer Normierung der Pharmakologie und der Pharmazie, die Bedeutung des „Irrtums“ und des „Fehlers“ ist jedoch unterschiedlich. Während in den praxisorientierten Texten die Eventualität eines fehlerhaften Verfahrens kaum erwähnt wird - schließlich haben sie eine stark normierende Funktion der Vermittlung exakter Anweisungen und Informationen und nicht fehlerhafter Ausnahmen -, spielen „Irrtum“ und „Fehler“ in den Abhandlungen, in denen über die allgemeinen Regeln der Dosierung diskutiert wird, eine größere Rolle. Im Gentile da Folignos Traktat ,De dosibus medicinarum‘ wird z. B. das Thema „Fehler“ in Bezug auf die Fehler anderer Autoren, deren Aussagen den principia medicinae entgegenstehen 24 oder im Hinblick auf Fehler bei der Dosierung von Medikamenten angesprochen, welche die Wirkung eines medicamen compositum verstärken sollen. In diesem Fall verortet Gentile den Fehler nicht allein auf der „operativen“ Ebene, weil er voraussetzt, dass die allgemeine Regel der Erhöhung oder Milderung der Intensität eines Medikamentes durch ein anderes von den betreffenden Autoren nicht gekannt oder respektiert wurde, oder dass über diese Regel kein allgemeiner Konsens herrscht 25. Die dritte Gattung, die sich im Zuge der Normierung der Pharmakologie auch mit verschiedenen Aspekten des „Irrens“ auseinandersetzt, ist diejenige der Quaestiones 26. Diese Gattung ist durch die beiden Schriften mit dem identischen Titel ,De actuatione medicinarum‘ aus der Feder der schon erwähnten 23

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25 26

Zu Mondino de Liuzzi cf. F. Bacchelli, Mondino de Liuzzi, in Dizionario Biografico degli Italiani, URL: www.treccani.it (Stand: 11. 09. 2017). Cf. z. B. die Beurteilung der Fehler Bartholomäus’ de Varignana (Gentilis de Fulgineo, De dosi medicinarum, in: Opuscula illustrium medicorum [nt. 22], hier 144 sq.): „Et in hoc erravit vehementer Bartholomaeus Varignana (sic!) in tractatu suo dicens, si medicina componatur cum similibus in complexione, quod eius complexio est tanto intensior, sicut si componeretur ex pluribus calidis, esset calidior, quam ex paucioribus. Sed hoc est contra principia medicine: nam aliqua medicina composita ex aliqua una re calida, solum est calidior aliqua composita ex viginti calidis rebus.“ Cf. z. B. ibid., 164-170 zur Dosierung der Purgantien und zur Verstärkung dieses Effektes. Zur Gattung der medizinischen Quaestiones cf. Siraisi, Taddeo Alderotti (nt. 8), 237-268 und B. C. Baza`n e. a. (eds.), Les Questions dispute´es et les questions quodlibe´tiques dans les Faculte´s ˆ ge Occidental 44de the´ologie, de droit et de me´decine (Typologie des Sources du Moyen A 45), Turnhout 1985. Zur Disputationspraxis cf. O. Weijers, In Search of the Truth. A History of Disputation Techniques from Antiquity to Early Modern Times (Studies on the Faculty of Arts, History and Influence 1), Turnhout 2013 und M. Gindhart/U. Kundert (eds.), Disputatio 1200-1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur (Trends in Medieval Philology 20), Berlin-New York 2010.

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Autoren Gentile da Foligno und Sigismondo Polcastro vertreten; der um 1460 geschriebene Text Polcastros darf als Zusammenfassung der gesamten Thematik gelten 27. Das Werk verdient in der Tat eine eigenständige Untersuchung, da Polcastro die ausführliche Debatte um den Übergang der Eigenschaften und die Wirkungen der Medikamente von potentia bis actus und um die Rolle der Wärme des menschlichen Körpers und seiner complexio in dieser Handlung in ihrer historischen Entwicklung darstellt. In unserer Perspektive ist vor allem die Übersicht Polcastros zu den opiniones aliorum und den Fehlern von Bedeutung, die man in ihrem Gedankengang und ihren Aussagen entdecken kann 28. Solche Auseinandersetzungen Polcastros mit den Fehlern seiner Vorgänger und der Autoritäten sind aber nicht als persönliche Attacke zu interpretieren, sondern als Hervorhebung und Besprechung problematischer Teile und formaler Schwierigkeiten bei der Formulierung der Theorie(n) der reductio medicinarum ad actum. Beispielsweise kritisiert der Paduanische magister medicinae Averroes, dem er vorwirft, die wärmende Wirkung eines warmen Medikaments auf dem menschlichen Körper auf die Umwandlung seiner Substanz in ein im Vergleich mit dem chylum temperatum des Körpers wärmeres chylum reduziert zu haben 29. In dieser Hinsicht können wir die Bezeichnung „Irrtum/Fehler“ in diesem Text (wenn nicht in dieser Gattung!) als error opinionis einer Autorität betrachten, wobei dieser „Irrtum/Fehler“ sich nicht als einfache Schwäche einer Meinung, sondern als besondere formale Schwierigkeit in der Entfaltung und Formulierung einer Theorie entpuppt, die als Ausgangspunkt und Anstoß für die Meinung des Autors diente. Nachdem wir eine notwendigerweise oberflächliche Übersicht der Texte und Texttypologien zusammengestellt haben, sollen nunmehr die oben genannten beiden Kapitel aus dem ersten Traktat des zweiten Buches des ,Liber canonis‘ von Avicenna mit dem Kommentar des Dino del Garbo, näher untersucht werden. Ihre Rolle als Basistext definiert sich sowohl aufgrund des autoritativen Charakters als auch weil im Grundtext wie im Kommentar die Hauptbereiche und die Hauptfragen der Erkenntnistheorie in der Pharmakologie und in der therapeutischen Handlung behandelt und dabei die uns interessierenden Kategorien „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ definiert werden. III. Die aus der reichen Konstellation von Texten und Texttypologien resultierende Fülle und Komplexität von Aussagen und Theorien, die sich nicht nur 27

28 29

Cf. Sigismundus de Polcastris, Quaestiones, ed. Venedig 1506, foll. A2ra-C5rb. Zu Polcastro cf. T. Pesenti, Professori e promotori di medicina nello Studio di Padova dal 1405 al 1509. Repertorio bio-bibliografico (Contributi alla Storia dell’Universita` di Padova 10), Sarmedia di Rubano (PD) 1984, 167-170. Cf. De Polcastris, Quaestiones (nt. 27), foll. A3ra-B5vb. Cf. ibid., fol. A4ra-va.

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auf einer chronologischen Linie disponieren, sondern auch eine eng verbundene intertextuelle und verschiedene Milieus involvierende Verflechtung bilden, macht es unmöglich, ein umfassendes Bild der drei genannten Kategorien in einem Aufsatz zu zeichnen. Hier kann lediglich ein kleiner Beitrag geleistet werden, der anhand eines einzigen, allerdings zentralen und autoritativ gültigen Textes die darin behandelten Arten von „Irrtümern“ und „Fehlern“ exemplarisch analysiert und damit gewissermaßen ein Grundgerüst für die weitere Forschung zum Thema „Irrtum und Fehler in der Pharmakologie“ errichtet. Mit diesem Ziel habe ich mich dafür entschieden, anstatt eine Galaxie von Texten und Einzelproblemen flüchtig zu erwähnen, die Begriffe, die mit „Irren“ verbunden sind, anhand eines Kommentars, die einen zentralen Text im Bereich „Irren und Pharmakologie“ begleitet, als Basis für meine Diskussion zu wählen. Der Text ist der erste Traktat des zweiten Buches von Avicennas ,Liber canonis‘, und der Kommentar ist derjenige von Dino del Garbo (um 1320). Ein weiterer Kommentar wurde wenig später, und sicher nach Kenntnisnahme der Erläuterung Dinos, von Gentile da Foligno verfasst. Im Hinblick auf die im gebotenen Rahmen kaum zu bewältigende Material- und Informationsfülle ist es daher ausreichend und notwendig, allein den Kommentar Dinos auszuwerten 30. Meine besondere Aufmerksamkeit soll den Kapiteln 2 und 3 gelten, worin die ,Canones‘ der cognitio per experimentum und der cognitio per ratiocinationem geschildert werden, bei denen das „sich Irren“ eine wichtige Rolle spielt. Bislang ist aber nur das 2. Kapitel untersucht worden, vor allem von Joe¨l Chandelier, dem wir eine ausführliche Untersuchung des Begriffs von experientia und experimenteller Erkenntnis verdanken 31. Das dritte Kapitel hat jedoch kaum Beachtung gefunden. Hier sei zunächst der Inhalt der zwei Kapitel kurz skizziert. In beiden Teilen zeigt Avicenna die Regeln (canones) auf, welche zur experimentellen und zur rationalen cognitio der Medikamente führen. Die Kriterien, die er im zweiten Kapitel auflistet und erläutert, gelten noch heute als ein musterhaftes Beispiel des Strebens der mittelalterlichen Kultur nach einem allgemein gültigen, zuverlässigen und allseits anerkannten Medikamentenprotokoll. Die im dritten Kapitel 30

31

Der Kommentar Gentiles kann z. B. in der Venezianer Ausgabe von 1492 des ,Liber canonis‘ nachgeschlagen werden; cf. Avicenna, Canon medicinae, ed. Venedig 1492, vol. II, URL: www.muenchener-digitalisierungszentrum.de (Stand: 11. 09. 2017). Cf. J. Chandelier, Expe´rience, expe´rimentation et connaissance dans la me´decine scolastique italienne du 14e sie`cle, in: T. Be´natouı¨l/I. Draelants (eds.), Expertus sum. L’expe´rience par les sens dans la philosophie naturelle me´die´vale. Actes du Colloque international de Pont a` Mousson, 5-7 fe´vrier 2009 (Micrologus’ Library 40), Firenze 2011, 385-403. Cf. auch id., L’expe´rience face a` l’autorite´ dans les commentaires me´die´vaux au Canon d’Avicenne, in: P. Chastang (ed.), ˆ ge a` la RenaisLe passe´ a` l’e´preuve du pre´sent. Appropriations et usages du passe´ du Moyen A sance, Paris 2008, 417-432. Sein Aufsatz Erreurs et incertitudes dans les dosages des me´dicaˆ ge, in Vorbereitung für den Druck der ments selon quelques me´decins de la fin du Moyen A Akten des internationalen Kolloquiums ,La faillibilite´ et la culture de l’erreur dans la me´decine. Aspects historiques, e´piste´mologiques et e´thiques‘ (Paris, 21.-22. März 2013), organisiert von M. Gadebusch Bondio und R. Poma, war mir nicht zugänglich; cf. Abstract, URL: https://sites. google.com/site/ermedproject/gallery (Stand: 11. 09. 2017).

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beschriebenen Kriterien der rationalen cognitio der Medikamente legen den Schwerpunkt auf die Haupteigenschaft und die complexio des Naturobjektes sowie die aus seiner substantia resultierenden Zeichen, die sie den menschlichen Sinnen wahrnehmbar machen und sich in der Wirkung bzw. im Übergang der potentia des Medikaments ad actum widerspiegeln. Die im zweiten Kapitel aufgelisteten Kriterien können wie folgt zusammengefasst werden: 1) Das Heilmittel darf keine qualitas acquisita/accidentalis besitzen, bzw. muss seine Bewertung aufgrund der Grundeigenschaft erhalten, die seiner allgemeinen Natur entspricht und durch keine artifizielle Bearbeitung erzeugt ist; 2) Die Krankheit, an der das Heilmittel getestet wird, muss singularis, nicht composita sein, d. h. sie darf nicht komplex sein und/oder mehrere Organe betreffen; 3) das Heilmittel muss bei unterschiedlichen aegritudines contrariae getestet werden, um die eigentliche Wirkung des Heilmittels (actio per se) von den Nebeneffekten (actio accidentalis) zu unterscheiden; 4) das Heilmittel muss Qualitäten und Wirkungen besitzen, die der Krankheit entgegenwirken und der Schwere der Krankheit proportional sein; 5) der Beginn und die Dauer seiner Wirkung muss beobachtet und festgestellt werden; 6) das Heilmittel soll von einer assiduitas operationis, von einer jederzeit und unter gleichen Umständen reproduzierbaren Wirkung, gekennzeichnet sein, d. h. dass alle Patienten die gleichen Effekte und dieselbe Wirkung erfahren; 7) der Test muss am menschlichen, nicht an tierischen Körpern vollzogen werden, da der Mensch im Vergleich zu den Tieren eine andere complexio besitzt 32. Das dritte Kapitel beinhaltet dagegen die Besprechung von fünf canones rationales, von denen zwei als Hauptkriterien gelten, da sie der Substanz (essentia) des als Medikament benutzten und bewerteten Naturobjektes gewidmet sind, während die drei übrigen canones Nebenkriterien darstellen. Zur ersten Kategorie der substantiellen Eigenschaften gehören die velocitas sive tarditas conversionis (die Geschwindigkeit, mit der ein Heilmittel sich im Körper auflöst und verbreitet) und die velocitas sive tarditas coagulationis (die Geschwindigkeit, mit der ein Heilmittel durch die Wärme des menschlichen Körpers seine Wirkung entfaltet); beide stehen ihrerseits mit einer grundsätzlich warmen, bzw. kalten Substanz, und/ oder mit einer dicken (spissa), bzw. subtilen (rara) Konsistenz in Verbindung. In Bezug auf die Nebenkriterien listet Avicenna wie vor ihm Al-Majusi drei „Zeichen“ auf, welche die complexio und die Hauptqualitäten der als Medikamente dienenden Naturobjekte ausmachen, und zwar Geschmack, Farbe, und Geruch. Diese äußerlichen Charakteristika (insgesamt acht Geschmacksrichtungen und zahlreiche Farben und Gerüche) gruppieren sich um die zwei Hauptqualitäten der Naturobjekte, die Wärme und die Kälte, und bilden dabei eine bedeutungsmäßige Hierarchie, da sie unterschiedliche Niveaus von Gewissheit und Zuverlässigkeit der Wahrnehmung und der aus ihr stammenden Informationen zur 32

Cf. dazu J.-P. Be´ne´zet, Pharmacie et me´dicament en Me´diterrane´e occidentale (XIII e-XVI e sie`cles) (Sciences, techniques et civilisations du Moyen Age a` l’aube des Lumie`res 3), Paris 1999, 456 sq.

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Substanz des Objektes repräsentieren. In dieser Hinsicht ist der Geschmack wichtiger und zuverlässiger als Farbe und Geruch, weil er direkt aus der stofflichen Essenz und ihrer Qualität stammt, eine klare Aussage über sie liefert, und aus keiner Mischung gewonnen wird, in der minoritäre Teile des Objektes eine Rolle spielen können und den Prozess der Wahrnehmung beeinflussen oder beeinträchtigen können. Sowohl Dino del Garbo als auch Gentile da Foligno widmen diesen Kapiteln und den in ihnen enthaltenen Canones jeweils einen langen Kommentar, der 1514 in Venedig erschienenen Ausgabe von Dinos Werk die Bl. 12va-37vb umfasst, wo nicht nur die Passagen der zwei Kapitel erläutert werden, sondern 15 weitere Quaestiones (zwei bei Kapitel II,2 und dreizehn bei II,3) hinzugefügt werden 33. Im zweiten Band der mehrbändigen 1496 ebenfalls in Venedig erschienenen Inkunabelausgabe des ,Liber canonis‘ füllt der gedruckte Kommentar Gentiles die Bl. AAA4vb-BBB5vb 34. Wie oben angedeutet, werde ich mich ausschließlich auf Dinos Kommentar konzentrieren. Dennoch können an dieser Stelle weder der gesamte Inhalt von Avicennas Text noch die zugehörigen Kommentarpassagen dargestellt und untersucht werden. Möglich sind aber eine schematische Darstellung der Kommentare zu den Stellen, die sich mit den in Frage stehenden Begriffen „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ beschäftigen, und die Beantwortung er daraus resultierenden Hauptfragen. Vorausgeschickt sei aber noch eine notwendige Präzisierung: Die Worte „Irrtum“, „Fehler“, und „Unsicherheit “ sind nicht nur untereinander unverwechselbar, da sie auf verschiedene Aspekte und Momente des Erkenntnisprozesses bzw. des Erwerbsprozesses von Kenntnissen und ihrer praktischen Umsetzung rekurrieren 35. Sie sind auch Teil einer breiteren terminologischen Konstellation, die zum Bereich „Irren“ gehört und zusätzliche Aspekte des kognitiven und operativen Umfeldes umfasst. Diese Konstellation schließt auch weitere Termini ein, die in unterschiedlicher semantischer Schattierung, das „Irren“ und/oder den Gewinn keiner, nicht ausreichender oder unzuverlässigen Daten zum Ausdruck bringen, wie hesitatio, cognitio incerta, usw. Diese Termini, obwohl nicht direkt mit einem „Irrtum“ oder „Fehler“ zu verbinden, decken den Bereich der „Unsicherheit “ ab, die zum Irrtum und Fehler führt. Diese Präzisierung führt jedoch auch zu einer Warnung: Meiner Meinung nach kann und darf man nicht vom „operativen“, handlungsorientierten „Fehler“ sprechen, wenn man sich mit dem „Irrtum“, dem „Fehler“ und der „Unsicherheit “ im kognitiven, erkenntnis33

34 35

Cf. Dinus del Garbo, Expositio super quarta fen primi Canonis Avicennae. Accidit ejusdem Expositio super Canones generales de virtutibus medicinarum simplicium secundi Canonum Avicennae, ed. Venedig 1514, URL: www.muenchener-digitalisierungszentrum.de (Stand: 11. 09. 2017). Zur Ausgabe cf. supra nt. 30. Zum Thema „unsichere Kenntnis“ cf. den Sammelband D. G. Denery II e. a. (eds.), Uncertain Knowledge. Scepticism, Relativism, and Doubt in the Middle Ages (Disputatio 14), Turnhout 2016. Cf. auch D. Perler, Zweifel und Gewissheit. Skeptische Debatten im Mittelalter (Philosophische Abhandlungen 92), Frankfurt am Main 2006 sowie seinen Beitrag in diesem Band.

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theoretischen Bereich nicht zuvor auseinandergesetzt hat. Ich halte daher die Untersuchung des operativen Fehlers (beispielsweise des „ethischen“ Fehlers) ohne die notwendige Erläuterung des vorgängigen kognitiven „Irrtums“ und der erkenntnistheoretischen Unsicherheit für schwierig bzw. reduktiv. Daraus resultiert meine Entscheidung, mich in diesem Aufsatz ausschließlich mit dem „Irren“ im kognitiven Bereich zu befassen. Sie wird auch von Dinos Kommentar selbst gerechtfertigt, worin er eine bekannte und prägnante Definition von error bietet: Ein Fehler impedit cognitionem que sumitur ab experientia (und nicht die actionem, A.d.V.) 36!

IV. Die mit dem Thema „Irrtum“, „Fehler“, und „Unsicherheit “ verbundenen Stellen, Aussagen, Hauptfragen und -probleme in Avicennas ,Liber canonis‘ und im zugehörigen Kommentar lassen sich zu drei Komplexen zusammenfassen, die sich ihrerseits in drei kurzen, nur scheinbar elementaren Problemen manifestieren, und zwar: 1) Wann und in welchen Phasen des Erkenntnisprozesses treten Irrtümer, Fehler und Unsicherheiten auf ? 2) Welche Begriffe der Naturphilosophie oder der naturphilosophischen Pharmakologie bzw. welche Objekte der universitären pharmakologischen Debatte sind von „Irrtum“, „Fehler“, und „Unsicherheit “ betroffen? In Bezug auf welchen Begriff sind sie nicht nur wahrscheinlicher, sondern auch gefährlicher, weil von gravierenden Konsequenzen begleitet? Was sind diese Konsequenzen und wie kann man sie feststellen? 3) Spielen „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ innerhalb der cognitio per experimentum, d. h. der experimentellen, protokoll- und testartigen Erwerbung von Kenntnissen aus den Wirkungen, und in der cognitio per ratiocinationem, d. h. der rationalen Interpretation der Charakteristiken der Naturobjekte, in den Angaben zu ihrer Substanz und complexio, eine unterschiedliche Rolle? Bilden sich innerhalb dieser beiden Wege „Hierarchien“ der zuverlässigen Elemente und canones, die nicht nur ex positivo zu besseren Kenntnissen führen, sondern auch ex negativo gravierende, gefährlichere Arten von „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ verursachen? Und ganz allgemein: Kann die cognitio rationalis die cognitio experimentalis ergänzen, unterstützen, bzw. korrigieren - und umgekehrt? Mit anderen Worten, spielen „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ im Bezug auf die Phasen, die Objekte, die Art und den Verlauf des Erkenntnisprozesses im pharmakologischen Bereich und seiner Analyse und Normierung von der Seite Avicennas und seiner Kommentatoren eine Rolle? Hier werde ich mich vor allem auf die ersten beiden Fragen konzentrieren, während die dritte nur vorläufig und in Kürze in den Schlussbemerkungen betrachtet wird. 36

Dinus del Garbo, Expositio (nt. 33), fol. 12rb (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,2).

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V. Für die Phasen und Momente, in denen Irrtümer, Fehler und Unsicherheiten entstehen können, ist der Beginn eines experimentellen Protokolls von besonderer Bedeutung, da es in sich und in Bezug auf die weitere Aktion des Medikaments für Verwirrung und Mehrdeutigkeit sorgt. So beobachtet Dino del Garbo in seinen Ausführungen zu jener Stelle des zweiten Kapitels, in der Avicenna die zeitliche Abfolge der Effekte und therapeutischen Aktionen eines Medikaments (insbesondere den Unterschied zwischen dem ersten auffallenden Effekt und dem letzten), dass in einer solchen Phase nicht direkt Fehler eintreten müssen, sondern Informationen und Daten über die Effekte und den modus operandi des Medikaments nur unter Schwierigkeiten zu erhalten sind. Diese Unsicherheit betrifft nicht die Wirkung des medicamen schlechthin, sondern die genaue und korrekte Einschätzung seiner complexio, soweit sie durch die Wirkung gezeigt wird. Wenn diese doppelte Ambiguität von complexio und effectus nicht genügend berücksichtigt wird, kommt es dazu, dass die reale therapeutische Aktion des simplex am Anfang seiner Verbreitung im Körper nicht feststellbar sei, sondern verborgen bleibe, und diejenige, die auftritt, nur akzidentiellen Charakter hat 37. Deshalb bietet die Zeit, und überhaupt die erste Phase der experimentellen Erkenntnisgewinnung mehrere Arten von Unsicherheiten und Ambiguitäten, von denen Irrtümer in der Bewertung ausgehen können - im Bezug sowohl auf das Verhältnis zwischen Natur und Wirkung, als auch auf das Verhältnis zwischen tatsächlicher, obwohl nicht leicht spürbarer, und akzidentieller, aber deutlicher Wirkung. Der normative, reglementierende Aspekt von Avicennas Abhandlung kommt bei Dino insofern zum Tragen, als er betont, dass alles, was zum Umfeld des accidens gehört, niemals als Ausgangspunkt der Sammlung von Daten über die complexio der Naturobjekte und Medikamente dienen dürfe 38. 37

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Cf. Dinus del Garbo, Expositio (nt. 33), fol. 13rb (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,2): „Declarat predictam conditionem quando ex ea habetur difficilis cognitio, et primo ostendit quando in predicta cognitione consurgit difficultas et ambiguitas, secundo ostendit secundum quem modum removetur illa difficultas et illa ambiguitas. Circa primam parte intelligendum quod hesitatio et ambiguitas consurgit in cognitione complexionis medicine que sumitur ex ista conditione quando contingit, ut dicit Avicenna, quod operatio a medicina procedens in principio in quo occurrit corpori est contraria operationi que apparet ex ea fieri quando perseverat in processu, quoniam tunc hesitamus que operatio debet per se attribui medicine et ex qua operatione per se debet iudicati complexio propria medicine; similiter etiam accidit hesitatio et dubietas in hac cognitione quando non apparet operatio manifesta in principio ex medicina cum occurrit corpori, quoniam possibile est quod medicina non efficiat in principio operationem que primo ab ea procedit per accidens, sed in principio operatio que ab ea procedit per se est quasi occulta, deinde consequitur eam operatio apparens et manifesta que est per accidens, tunc enim quia non apparet nobis operatio per se manifesta, apparet autem manifesta operatio per accidens, iudicamus ex operatione per accidens de complexione eius naturali, et erit error cum ex illa non debeat radicari, sed potius ex ea que non apparet manifeste.“ Cf. ibid.: „Hic predictam ambiguitatem docet removere; removet eam per hoc quod docet cognoscere que operatio est procedens per accidens a medicina, quoniam ex illa que est per accidens non sumitur cognitio de complexione medicine, sed sumitur ex illa que ab ea per se procedit, et duo facit sicut ex duobus docet cognoscere operationem que a medicina procedit per accidens, et primo docet hoc cognoscere ex dispositione ipsius medicine approximate, secunda ibi.“

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Das zweite Moment der Erkenntnisprozesse, in denen zwar nicht direkt Fehler, sondern Formen der Verwirrung entstehen können, ist dasjenige, in welchem die Zeichen, welche die complexio und Hauptqualitäten der Medikamente vor ihrer Aktion sinnlich wahrnehmbar und rational bewertbar machen, vom Beobachter gesammelt und interpretiert werden 39. In diesem Moment können die unterschiedlichen Informationen, welche von substantiellen und primären bzw. akzidentiellen und sekundären complexiones ausgehen, beim untersuchenden Arzt für Verwirrung und Unsicherheit sorgen. Die Gefahr dieser Verwirrung ist auffallend, obwohl sie nicht von der Ebene der Aktion, sondern von jener der allgemeinen Natur ausgeht und keiner Aktion, weder vom Medikament noch vom Arzt bedarf 40. Auch in diesem Fall enthält Dinos Kommentar nicht nur eine Erklärung der von Avicenna evident gemachten Gefahr, sondern auch eine Betonung der normierenden, regelvermittelnden Darstellung des arabischen Arztes: Nach Avicenna und Dino sollte der Erkenntnisprozess nicht nur zu einer Ansammlung der Informationen, sondern auch zu ihrer korrekten Bewertung, Einordnung und Hierarchisierung der Daten im Hinblick auf die complexio, die Art des Zeichens und die entsprechende Wahrnehmung führen 41. Die Regel für die hierarchische Ordnung der Daten hat Avicenna selbst geboten, indem er auf die Zuverlässigkeit des Geschmacks und die Ambiguität der Farben und Gerüche aufmerksam gemacht hat. Beides involviert allerdings, weder beim arabischen Autor noch beim Kommentator, den Prozess der menschlichen Wahrnehmung dieser externen Eigenschaften, sondern nur ihre Rolle bei der Identifizierung des Naturobjektes und ihren Bezug zu dessen complexio. Weder Avicenna, noch Dino nutzen diese Gelegenheit, um den Mechanismus der Perzeption durch die menschlichen Sinne zu erläutern. 39

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Zum Begriff complexio cf. J. Chandelier/A. Robert, Nature humaine et complexion du corps ˆ ge, in: Revue de synthe`se 134/4 (ser. 6) (2013), chez les me´decins italiens de la fin du Moyen A 473-510. Cf. Dinus del Garbo, Expositio (nt. 33), fol. 25ra (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „In prima parte vult dicere Avicenna quod dictum est quomodo in aliqua re commixta sunt aliquando partes contrariarum complexionum, quarum una magis imprimit sensum gustus vel odoratus vel visus quam alia, dato quod complexio alterius plus dominetur in commixto … Sed harum qualitatum satarum, id est per gustum, odoratum et visum, que sunt sapores, odores et colores, quedam sunt digniores, id est magis apte ut quod eis permiscetur ex contrario efficiat in eis impressionem manifestam, et dum perseverat qualitates earum vere sensate, et non sentiuntur in eis contrarie earum, scilicet qualitates superiores in actu sunt vincentium virtutum, id est significant complexiones vel virtutes in toto commixto vincentes.“ Cf. ibid., fol. 25rb (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „Vult ergo dicere Avicenna quod error minus contingit in significationibus sumptis ex qualitatibus saporum quam in significationibus sumptis ab odoribus et coloribus. Et adhuc minus convenit hoc error in significationibus sumptis ab odoribus quam in significationibus sumptis a coloribus, maxime autem hic error accidit in significationibus sumptis a coloribus, et propterea dicit Avicenna quod in coloribus quidem est sicut sine fiducia cum eo, quasi vult dicere quod propter errorem sepius contingentem in hoc in significationibus sumptis a coloribus in eis quasi non est fiducia certa in significando, et propterea etiam quia in saporibus minus cadit error et est maior certitudo, dicit Avicenna in primo § quod in talibus qualitatibus sensatis quedam sunt digniores ad hoc, ut impressio fiat in eis manifesta ex permixtione contrarii, et sunt etiam digniores dum perseverant tales qualitates sensate, et non sentiuntur cum eis contrarie ipsarum, sed sentiuntur sole aut dominantes in toto commixtio.“

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Schließlich befindet sich der dritte, aber deshalb nicht weniger wichtige Augenblick, worin „Irrtümer“, „Fehler“ und „Unsicherheiten“ eintreten können, im Moment der Interpretation der erworbenen Informationen und der korrekten Definition der Eigenschaften des Naturobjektes, das als Medikament geprüft wird. Dieser Augenblick wird z. B. in Verbindung mit der vexata quaestio nach der konkreten Möglichkeit, die complexio und die Graden, in denen die primären Qualitäten sich aufmerksam machen, eindeutig zu bestimmen. In diesem Fall ist die Erläuterung Dinos besonders interessant, weil sie auf zwei intensiv diskutierte Themen in der naturphilosophischen Medizin und Pharmakologie des Spätmittelalters beruht: Es sind dies zum einen die Rolle der Erfahrung und der cognitio experimentalis, und zum anderen die Frage nach der Anwesenheit einer complexio perfecta. Dino widmet dem Thema keine schlichte Erläuterung des zweiten Kapitels, sondern eine quaestio, die zweite, die wenigstens in der gedruckten Fassung die Erklärung des ersten Canons der cognitio per experimentum unmittelbar folgt, und zwar die erste „Regel des pharmakologischen Protokolls“, nach der man ein Medikament im Fall einer eindeutigen (singularis) Krankheit testen soll, die keine unterschiedliche Charakteristiken und Symptome aufweist. Dino verwandelt in der quaestio den Canon in eine Diskussion über die Funktion der experientia im Allgemeinen und über die experientia in corpore temperato sive distemperato, et in distemperantia simili et dissimili im Besonderen und spricht damit die beiden inkriminierten Probleme - die Rolle der Erfahrung und die mögliche Anwesenheit einer complexio temperata - direkt an. Der Grund dieser Verbindung zwischen den beiden Hauptthemen ist einfach zu erklären: Einerseits benötigt man mehrere Körper und mehrere Menschen mit unterschiedlicher Konstitution und unterschiedlichem körperlichen Gleichgewicht zwischen Gesundheit und Krankheit, um die Wirkung eines Medikaments zu testen (und man benötigt dazu die Erfahrung des Tests als solche!). Auf der anderen Seite bringt die Anwesenheit mehrerer Arten von Krankheit und mangelndes körperliches Gleichgewicht (distemperantia) beim Testen keine Sicherheit, sondern sorgt für Verwirrung, da sowohl die Intensität der Qualitäten der Medikamente als auch diejenige des menschlichen Gleichgewichts unterschiedliche Variablen bieten, die nicht eindeutig skaliert werden können. In dieser Hinsicht wird nicht nur diese spezielle Erfahrung, sondern das Prinzip der Erfahrung generell in Frage gestellt, da sie nicht in der Lage ist, absolute und zuverlässige Werte zu liefern, sondern nur eine Fülle relativer Daten 42. Zum Schluss der quaestio liefert Dino 42

Cf. ibid., q. II (videlicet: Dubitatur, in quo corpore medicus debet experiri ad hoc, ut per experientiam de virtute iudicet medicine), fol. 14vb (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,2): „Habetur enim certior cognitio quando experientia habetur in omnibus corporibus, quia si in omnibus efficit operationem secundum quam iudicatur talis, tunc nulla hesitatio cadit in ipsa, quoniam sit talis in comparatione ad corpus humanum. Habetur etiam cognitio universalior cum cognitio habeatur ab ipsa in regula ad omnem diversitatem que cadit in modo complexionis humane, et propterea ad hoc advertens Avicenna in ultima conditione dicit quod experientia eius debet fieri in homine absolute non dearticulans aliquod corpus humanum, et quod experientia medicine debet fieri non solum in sanis, verum etiam in egris, et in experientia eius in egris posset cadere error et deceptio. Si vero queritur determinatio complexionis eius quantum ad gradum ipsius distincte, sic dicendum quod ex sola experientia circa corpus temperatum debet iudicari talis esse in grado temperatio determinato, et huius ratio est duplex. Una est, quia experientia circa illud corpus debet indicari medicina esse in tali gradu,

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eher gezwungenermaßen, vorsichtig und pessimistisch eine Lösung, die sowohl zur Bewertung als auch zur Reglementierung dieses Prozesses führen kann: Er meint, dass die Kenntnis, die diese Erfahrung bringt, nicht abzulehnen sei, jedoch müsse man ihren konjekturalen, hypothesenartigen Charakter im Kauf nehmen und als cognitio particularis, als punktuelle, durch einen induktiven, obwohl rational geführten Prozess erworbene Kenntnis, akzeptieren, die dem Anspruch der Medizin als ars universalium freilich weniger gerecht werde 43. Abschließend kann man in Dinos Kommentar die Funktion und Bedeutung der cognitio experimentalis wie folgt zusammenfassen: Obwohl in der Tat unzuverlässig, durch ihren punktuellen Charakter mit dem Streben nach einer cognitio universalis nicht kompatibel, und im Wesentlichen relativ, bleibt die cognitio per experimentum die Basis für die Gewinnung von Kenntnissen schlechthin. Hier finden der „Irrtum“, der „Fehler“ und die „Unsicherheit “ an mehreren Stellen Platz, besonders angesichts der verwirrenden Daten und Informationen, welche die Naturobjekte zu Verfügung stellen. Im Vergleich dazu wird der dem erkennenden Subjekt immanente Prozess der Wahrnehmung derartiger Daten und ihre Umwandlung in Erkenntnis weder behandelt, noch wegen seiner möglichen Relativität kritisiert. Das Risiko relativer und unzuverlässiger Daten betrifft auch die Beziehung des Menschen zu den Zeichen, welche die Naturobjekte im Bezug auf ihre Substanz zu Verfügung stellen und die als Objekt der cognitio per ratiocinationem gelten, die nicht nur wahrgenommen und gesammelt, sondern gemäß

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et quod corpus est determinans omnia alia corpora in gradu complexionis ipsarum, et regula cuius corporis omnia alia corpora esse dicuntur talia, sed hoc est corpus temperatum […]. Secunda ratio est, quia in illo corpore debet fieri experientia ad hoc, ut habeatur cognitio gradus complexionis eius medicine in quo corpore medicina operatur effectum suum non excedentem, sed in corpore temperatum inducit effectum non excedentem neque diminutum. Igitur etc. materia est nota, quia quando determinatur gradus in medicinis, si determinaretur gradus earum ex operatione quarum faciunt in corpore excedentem aut diminutam, tunc non haberetur cognitio certa de gradu ipsius, quia aut iudicaretur in gradu superfluo caliditatis vel frigiditatis, aut in gradu diminuto, et propterea gradus eius determinari debet solum ex operatione quam facit in corpore non excedenter neque diminute, minus (?) apparet, quia in corporibus distemperatis medicine calide vel frigide in similibus quidem faciunt operationem excedentem valde, quoniam simile additum simili auget ipsum valde, et facit ipsum furere in distemperatis vero distemperantia contraria per multa resistentia diminutum faciunt effectum, ut verbi gratia: piper approximatum corpori colerico valde agit in ipso calefactionem excedentem valde adeo quod producit ipsum ad febrem, unde ex hoc iudicabitur piper calidum esse in quarto grado et erit error, sed approximatum corpori frigido valde calefaciet ipsum parum valde, unde iudicatur forte esse calidum in primo grado, et est error, sed in corpore temperato approximatum nec est omnino simile sibi nec omnino contrarium effectum suum inducit secundum id quod est in potentia ex sui natura, unde non facit excedentem nec diminutum effectum, propter quod medicina debet poni talis in gradu ex operatione quam efficit in corpore temperato.“ Cf. ibid., fol. 15rb (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,2): „Et hec est una ex causis quare licet auctores non diversificentur nisi raro in complexione medicine, diversificantur tamen multociens in gradu complexionis eius, quoniam cognitio certa de gradu complexionis in medicinis non habetur nisi ex experientia in relatione ad corpus temperatum, et quia ut in pluribus fit experientia in corporibus distemperatis propterea quia raro inveniuntur temperata, et ex experientia in talibus non habetur nisi cognitio coniecturativa qua sumitur ratiocinatione illi experientie addita et in tali coniectura propter incertitudinem eius cadit diversitas multa, hic est quod ratione huius unus ponit medicinam aliquam esse talem in primo gradu, alter vero in secundo, alter vero forte ponet in tertio, et precipue etiam hoc ostendit quia quando sit experientia in distempteratibus corporibus cum corpora distemperata sint diversa secundum diversitatem eorum in quibus fit experientia.“

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ihrem eigenen Wert interpretiert und in eine richtige Hierarchie eingeordnet werden müssen. Das Streben nach einer Normierung der Erkenntnisprozesse wird in dieser Hinsicht (obwohl nicht nur in diesem Fall) von Dino mehrmals betont und zum Teil seiner Paraphrase gemacht.

VI. Als privilegierte Objekte der Untersuchung und der Interpretation des Arztes, aber auch als Feld für intensive Diskussionen in der universitären Pharmakologie gelten die Theorien der complexio - besonders im Hinblick auf die Natur und die Struktur der Heilmittel, auf den theoretischen Komplex der Gradenlehre, worin die Qualitäten, die Eigenschaften und die Effekte aus der Natur des Medikaments entnommen und rational, ja selbst mathematisch determiniert werden, und der Übergang von der potentia zum actus, von den Qualitäten in „stand-by“ innerhalb der Substanz des Naturobjektes bis zu ihrer Umsetzung in die Praxis und Auswirkung behandelt werden. Hingegen erhielt die menschliche complexio, die doch als Diskriminante für die Bestimmung der complexiones der Heilmittel galt, weit weniger Aufmerksamkeit. Diese Themen und Theorien, die wir schon als Objekt des Interesses der Autoritäten der pharmakologischen Literatur des Spätmittelalters vorgefunden haben, sind auch für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ von Bedeutung. Was die complexio angeht, können wir sie als Ursache von Verwirrung, Unsicherheit oder Fehleinschätzungen nicht nur im Bezug auf die Aktion und den Moment der Wahrnehmung, sondern auch im Hinblick auf das Naturobjekt an sich und dessen in seiner Wirkung manifesten oder daraus abzuleitenden Eigenschaften feststellen. Die Schwierigkeit und das permanente Risiko eines Irrtums oder einer Konfusion liegen sowohl in dem modus iudicandi complexionis, als auch und vor allem in den verschiedenen complexiones eines Objektes selbst und in den Komplikationen, die auftreten können, wenn man versucht, sie im Einzelnen zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Dino bringt diese Problematik zur Sprache, wenn er die Aussagen Avicennas zur Geschwindigkeit eines Objektes, einen wärmeren oder kälteren Status zu erreichen (velocitas inflammationis seu congelationis) kommentiert, d. h. eines der Zeichen, die als Zeugnis der Essenz eines Objektes der cognitio per ratiocinationem zustehen. Dino beobachtet, dass eine der Möglichkeiten, sich über die complexio eines Naturobjektes zu vergewissern, darin besteht, das Objekt bzw. Medikament als eine Mischung verschiedener einzelner Elemente und einzelner complexiones zu begreifen, dessen complexio als Ganzes aus der Summe der complexiones der einzelnen Komponente resultiert. Obwohl die Passage Dinos schon in sich eine Ambiguität enthält (sollte man die complexio absolute proveniendo ex elementis als reine Summe der Charakteristiken der Elemente, oder als complexio specifica, die aus den Elementen

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resultiert, sich aber nicht auf die Elemente reduzieren lässt?) 44, bleibt die Hauptfrage und die erkannte Ursache der tatsächlichen Ambiguität die Verbindung zwischen der wie auch immer determinierten complexio des Objekts und der Geschwindigkeit mit der es einen anderen Status erreicht. Tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass die Fähigkeit zur Statusänderung nicht von einer, sondern von mehreren spezifischen Qualitäten abhängig ist. Beispielsweise bemerkt Dino, dass ein Stoff schneller oder langsamer koagulieren könne, nicht nur, weil er im Vergleich zu einem anderen Stoff kälter, sondern auch, weil er dicker ist. Deshalb stellt die complexio an sich, ihre Beurteilung und Bewertung eine unvermeidliche Quelle zweideutiger und unzuverlässiger Erkenntnisse dar 45. Darüber hinaus bietet die complexio noch eine weitere Form unsicherer, risikovoller Erkenntnisse: Wenn ein Objekt ein corpus mixtum ist - was zweifellos für die meisten Naturobjekte gilt! -, besteht es aus verschiedenen Teilen, deren jeder seine eigene complexio besitzt und als Konsequenz den Sinnen jeweils spezifische „Informationen“ liefert. Dino löst das Problem, indem er noch einmal auf die Regel zur Bewertung der Zeichen von complexiones nach Geschmack, Farbe, Geruch verweist die er nach Avicennas Vorbild in eine Hierarchie der Zuverlässigkeit einordnet, aber auch weil er die Gründe dieser Hierarchisierung betont, d. h. ihre unterschiedliche Beziehung zur Substanz und ihr Niveau von Immaterialität und Distanz aus der alterabilis materia 46. Über den theoretischen Komplex der Gradenlehre und ihre problematische Bestimmung habe ich schon im vorigen Teil über die Momente des „Irrens“ gesprochen und die Gründe der Unsicherheit erwähnt. Hier kann man die Begriffe von „Irrtum“, „fehlender Einschätzung“ und „Unsicherheit “ sowohl erkenntnistheoretisch als Schwierigkeit oder Unmöglichkeit interpretieren, ein korrektes Verfahren zur Gewinnung zuverlässiger Kenntnisse zu etablieren und zu erreichen, als auch als die Komplexität, die aus der Fülle relativer Daten resultiert, welche die einzelnen Naturobjekte allein und in Wechselwirkung mit der unterschiedlichen körperlichen Konstitution und dem Gesundheitszustand des 44

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Cf. ibid., fol. 19rab (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „Circa istas particulas est notandum quod ex dictis Avicenne apparet quod duplex est modus iudicandi de complexione in medicinis et in rebus aliis. Nam unus est modus iudicandi de complexione alicuius in quantum est tale mixtum, que quidem complexio dicitur esse eius complexio absolute proveniendo ex elementis in mixtione illius rei. Nam siquidem in eius mixtione vincat elementum calidum dicitur complexionis calide, si vero frigidum dicitur frigide et sic de aliis.“ Cf. ibid., fol. 21ra (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „[…] quando est diversitas in substantia rerum que comparantur ad invicem penes coagulationem, tunc cognitio sumpta super complexionem est ambigua, ut verbi gratia: si sint due res quarum una sit grossior in substantia, tunc possibile est quod ista velocius coaguletur aut equaliter coaguletur, non quia sit frigidior in complexione quam alia vel equaliter frigida, sed hoc est, quia est grossior, et ideo in talibus non sequitur.“ Cf. ibid., fol. 24ra (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „[…] quando res non est simplex, sed est permixta ex partibus diversis habentibus diversas complexiones et diversos colores vel odores vel sapores. Sed quare maxime iste significationes diversificantur a suis significatis cum sumuntur ex coloribus et odoribus plusquam quando sumuntur ex saporibus, et quare maxime diversificantur cum sumuntur ex coloribus, est quia quanto qualitas sensibilis a qua sumitur significatio super complexionem minus a complexione dependet et minus est inmaterialis a materia alterabili.“

Wie beherrscht man die Kenntnis der medicamina?

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Patienten oder in unterschiedlicher Quantität (das gilt auch, wenn man nicht die richtige quantitas specifica jedes Medikaments wählt) dem Beobachter liefern. Zu dieser allgemeinen Relativität fügt Dino eine weitere, gewissermaßen forschungsimmanente Ursache von Verwirrung hinzu - nämlich die unterschiedlichen Schlussfolgerungen, welche die verschiedenen Autoritäten aus den Erscheinungen und ermittelten Daten gezogen haben. Wenn die Autoritäten selbst uneinig sind, kann ein Leser oder ein Arzt in der Ausführung seiner Tätigkeit keine feste und sichere Erkenntnis aus ihnen gewinnen, ihm bleibt nur eine Einschätzung, die auch die Fehler und/oder die verschiedenen Meinungen der Autoritäten berücksichtigen muss 47. Als Schluss dieses notwendigerweise unvollständigen, die Objekte des Irrens betreffenden Teils (hierzu gehören z. B. noch jene Fehler und unkorrekten Aussagen, die der Begriff von Übergang der potentia zum actus mit sich bringt und die mit der Hilfe der quaestio Sigismondo Polcastros nochmals untersucht werden sollten), möchte ich resümieren, dass es hier vor allem der Begriff von complexio und alle damit assoziierten Begriffe von Qualität, rationaler bzw. mathematischer Bestimmung der Intensität der Qualitäten (Gradenlehre) und Wirkung sind, um die sich die Kategorien „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ häufen. Diesen Schluss kann man jedoch präzisieren, wenn man beobachtet, dass die drei genannten Objekte nicht die gleiche Form von Fehlern produzieren. Was die complexio angeht, besteht die Problematik nicht nur in der Bestimmung der richtigen Natur eines Objekts und die Wahl der richtigen Methode, sondern vielmehr darin, den Begriff von complexio selbst korrekt zu definieren und die zugehörigen complexiones particulares mit den ihnen eigenen Qualitäten entsprechend zu identifizieren. Was die Qualitäten- und Gradenlehre angeht, besteht der „Risikofaktor“ dagegen nicht so sehr in der Ambiguität der Begriffe, sondern in der Relativität der möglichen Erkenntnisse, die man erwerben kann, wenn man die Naturobjekte und Medikamente allein betrachtet oder sie experimentell mit dem menschlichen Körper unter unterschiedlichen Umständen (Zeit, Alter, usw.) in Beziehung setzt. Hier bedeutet „Irren“ nicht, sich etwas komplett falsch vorzustellen, sondern lediglich, Daten zu erwerben, die nicht immer als richtig gelten können. So besteht in dieser Hinsicht das Risiko eines Irrtums gleich in der Prämisse, von corpora distemperata, von Objekten in unterschiedlichen Zuständen (denen es zudem an Gleichgewicht mangelt), Informationen zu gewinnen, die folglich konsequenterweise immer noch relativ, punktuell, nicht universell und nicht allgemeingültig sind und sein können. Was jedoch zwischen den Zeilen durchschimmert ist zudem die Schwierigkeit eine complexio perfecta aufzufinden - nicht nur, weil man ihre Existenz nicht postulieren kann, sondern auch, weil man nicht in der Lage ist, sie korrekt auszuwerten. Schließlich besteht der letzte „springende Punkt “ im Fall potentieller Ursachen von „Irrtum“, „fehlender 47

Cf. die supra in nt. 43 zitierte Stelle.

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Einschätzung“ und „Unsicherheit “ in der schwachen Beziehung zwischen Qualitäten und Aktionen, besonders jener Aktionen, die rational als Konsequenz der Substanz eines Objekts und ihrer Eigenschaften betrachtet werden. Das Problem hat Dino in seiner Analyse der problematischen Koinzidenzen zwischen Qualitäten und Solutions- bzw. Koagulationsgeschwindigkeiten klar dargestellt, wenn er beobachtet, dass kein Konsens zwischen der Geschwindigkeit, einen anderen Status zu erreichen, und einer spezifischen Qualität herrscht, sondern dass derselbe Effekt von unterschiedlichen Ursachen und Eigenschaften erzielt werden kann. VII. „Irrtümer“, „Fehler“ und „Unsicherheiten“ sind sowohl in der cognitio per experimentum als auch in der cognitio per ratiocinationem anzutreffen, besser gesagt, enthält jede Art von Erkenntnistheorie ihre eigenen Risiken. Ob sich die beiden Arten des Erkenntniserwerbs gegenseitig unterstützen, um ein passables Niveau von Sicherheit zu erreichen, oder ob sie nicht in ihren Problemen, sondern in ihren Lösungen und Regeln eine Hierarchie der Zuverlässigkeit bilden, bleibt am Schluss zu fragen. Dinos Antwort in dieser Hinsicht ist etwa überraschend: Obwohl beide Erkenntnisformen Daten, Informationen und Schlüsse aus den wahrnehmbaren Effekten ableiten, die wiederum von den menschlichen Sinnen und ihrer Wirkung abhängig sind (und deshalb potentiell keine Sicherheit bieten können), gilt nicht die rationale cognitio, sondern die durch die ratio unterstützte und bestätigte experimentelle cognitio als die am meisten zuverlässige. Das sei eigentlich, so Dino, der Grund dafür, dass Avicenna gerade mit der via experimentalis und nicht mit der via rationalis begonnen habe 48. Es mag hier scheinen, als habe Dino die Präeminenz der experimentellen Kenntnis über die rationale bewiesen, was jedoch keineswegs der Fall ist: Die cognitio experimentalis beinhaltet als gravierendstes Problem ihren punktuellen, objektbezogenen Charakter, der sie als cognitio particularis ausweist, die weit von jener Universalität entfernt ist, zu der die Medizin als ars strebt. Andererseits lässt sich die cognitio experimentalis nicht nur leicht begreifen und verwenden, da sie eine bessere Art von Sicherheit verschafft, sondern auch leicht in ihren Vorteilen betrachten. Die Tatsache, dass sie von der konkreten, punktuellen und gleichzeitigen Beobachtung der Wirkungen und Effekte der Medikamente abhängt und daraus unmittelbar (immediate) ihre Schlüsse zieht 49, deutet 48

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Cf. ibid., fol. 12vab (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,2): „Sed nota quod Avicenna prius a via experimentali incepit, non quia via experimentalis semper rationem precedit, immo aliquando consequitur cognitionem ratiocinativam […]. Est etiam facilior, et certificat etiam viam ratiocinativam, unde ipsa se est certior, idcirco Avicenna a via experimentali incepit tamquam a notiori et certiori.“ Cf. ibid., fol. 17ra (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „Sed predicta via dicitur via experimenti quoniam accipitur immediate ex ipsa operatione quam facit in corpore humano medicina simplex.“

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darauf hin, dass die cognitio experimentalis direkt mit dem Naturobjekt als Medikament interagiert und deshalb weniger fehleranfällig ist. Sie bietet noch einen weiteren Vorteil, indem sie durch die experimentelle Erfahrung nicht nur die Wirkungen deutlich wahrnehmbar, sondern sie auch in einer chronologischen Reihenfolge strukturierbar macht. Das bietet eine erhöhte Toleranz gegenüber Mikrofehlern, die von einer übertriebenen Rationalisierung der Beobachtungen verursacht werden. Die cognitio rationalis betrachtet Dino dagegen als problematisch und von Irrtümern geprägt, da sie prinzipiell a posteriori denkt, und den Anspruch hat, durch Gedankengänge das apriori nicht zu rekonstruieren. Außerdem ist sie durch Rationalismus und die Benutzung der via demonstrativa gekennzeichnet. Diese Aussage Dinos ist in der Tat sehr interessant, weil sie sich nicht spezifisch auf Avicennas Meinung bezieht, sondern die Gefahr erkennt und betont, die in Averroes’ Strukturierung der Pharmakologie und der darunterliegenden Erkenntnistheorie begründet ist 50. Dieser Satz, der aus einer problematischen Beziehung zum Colliget des Averroes resultiert, sollte nochmals untersucht werden, vor allem im Hinblick auf die Rezeption des Werkes in der italienischen Universitätsmedizin. Was die Normierung angeht, kann hier nur nochmals darauf hingewiesen werden, dass Dino den praktischen Protokollen, welche der cognitio experimentalis zugrunde liegen, und der Hierarchisierung der zuverlässigen und weniger zuverlässigen Zeichen, welche die Objekte durch Geschmack, Farben, und Gerüche dem Mediziner kundtun und durch ihre Sinneseindrücke interpretierbar macht, besondere Aufmerksamkeit schenkt. Was diese letzteren Regeln angeht, kann man hinzufügen, dass auch diese rationale Hierarchie einige Risiken birgt, etwa im Fall der Anwesenheit verschiedener complexiones particulares, von denen jede ihre eigene Information liefert. Auch wenn sie mit einigen Unsicherheiten behaftet sind, so tragen Avicennas ,Canones‘ nach Meinung seines Kommentators dazu bei, allgemeingültige Erkenntnisse und Regeln für ihren Erwerb zu vermitteln und dabei durch verschiedene einander ergänzende Kontrollmechanismen jeweils besondere Arten von „Irrtümern“ und „Fehlern“, wenn nicht von „Unsicherheiten“ zu vermeiden. VIII. Zum Schluss: Die ausgewählten Passagen aus Dinos Kommentar zum zweiten und dritten Kapitel des ersten Traktates des zweiten Buches vom ,Liber 50

Cf. ibid., fol. 17ra (zu Avicenna, Liber canonis, II,i,3): „Via autem rationis hec intelligitur via que procedit per viam investigationis, non quidem ex causis et prioribus, sed ex aliquibus posterioribus notis ad sensum investigando per illa principia et causas que sunt complexiones ipsarum medicinarum, et propterea talis ratiocinatio, ut dicit Averroes quinto Colliget, est per viam sillogismi demonstrativa non cause, sed esse […]. Idcirco licet ista via habeat sufficientiam non tamen habet omnimodam certitutinem in qua aliquando non cadat error, quoniam et in ipsa aliquando cadit error.“

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canonis‘ haben gezeigt, dass die Begriffe „Irrtum“, „Fehler“ und „Unsicherheit “ in diesem Text und in seiner Erläuterung eine wichtige Rolle spielen, und zwar in verschiedenen Nuancen und im Hinblick auf unterschiedliche Teile, Aspekte, Momente und Objekte der Ausführung der cognitio experimentalis und rationalis. Sie werden nicht nur in ihrem gefährlichen Potential erläutert, sondern auch in Verbindung mit den möglichen Lösungen, welche die Regeln und Normen bieten. Dino analysiert jedoch die Gefahren, die den als Medikamente verwendeten Naturobjekten immanent sind, genauer als die erkenntnistheoretischen Prozesse, mit denen der forschende Mediziner an seinen Gegenstand herantritt. Nur ein Aspekt scheint sich damit intensiver zu beschäftigen, nämlich Dinos unverhohlene Kritik an der via rationalis und an ihrer mangelnden Zuverlässigkeit. Diese Kritik, die sich einer problematischen Anspielung an der in Averroes’ ,Colliget‘ präsentierten Form der theoretischen Pharmakologie äußert, sollte noch einmal untersucht werden, und zwar in Bezug auf Pharmakologie des Averroes, von deren Rezeption wir bislang nur wenig wissen - ein erhebliches Desiderat der Forschung, das auch eine kleine Anspielung zum Ausdruck bringt.

Iudicium difficile : la faillibilite´ du jugement me´dical dans les commentaires au premier aphorisme d’Hippocrate (XIII e-XV e s.) Danielle Jacquart (Paris) Auteur de plusieurs ouvrages destine´s a` relever les erreurs des me´decins anciens et modernes, afin de trouver une me´thode suˆre pour arriver a` une me´decine infaillible, le professeur padouan Santorio Santorio - ce´le`bre dans l’historiographie pour avoir concX u une chaise-balance dans son ‘De medicina statica’, paru en 1614 - exprime l’ide´e selon laquelle toute la vie d’un me´decin consiste en l’e´vitement des erreurs 1. En dehors des de´bats d’ordre e´piste´mologique autour de la de´finition de la me´decine en tant que scientia et ars, de la mise en avant du caracte`re conjectural d’une bonne part de ce savoir, la lecture des ‘Aphorisˆ ge incitait justement a` re´fle´chir sur mes’ d’Hippocrate qui a traverse´ le Moyen A les moyens d’e´viter que la faillibilite´ de l’art en ge´ne´ral ne menaˆt a` l’erreur du praticien confronte´ a` des situations particulie`res. Jusqu’au temps de Santorio Santorio, et meˆme au-dela`, le commentaire au premier aphorisme constituait un cadre privile´gie´ pour souligner cette condition de l’exercice me´dical 2, en restant au niveau de la pratique ordinaire, sans soulever ne´cessairement la question du degre´ de certitude (ou d’incertitude) de la science qui la sous-tendait. Cette ˆ ge, e´tait plus volontiers aborde´e a` l’occasion d’autres question, au Moyen A lectures, tout particulie`rement de l’‘Ars medica’ (ou ‘Tegni’) de Galien et du ‘Canon’ d’Avicenne 3. Si les premiers termes de l’aphorisme (vita brevis, ars longa) 1

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Cf. R. Poma, Santorio Santorio et l’infaillibilite´ me´dicale, dans: M. Gadebusch Bondio/A. Paravicini Bagliani (eds.), Errors and Mistakes, A Cultural History of Faillibility (Micrologus’ Library 49), Florence 2012, 213-225. Formulation usuelle de cet aphorisme tel qu’eurent a` le commenter les universitaires me´die´vaux: «Vita brevis, ars vero longa, tempus autem acutum (vel strictum), experimentum vero fallax (vel timorosum), iudicium autem difficile. Oportet autem non solum se ipsum prebere facientem que oportet sed ut egrotantem et presentes et ea que extrinsecus sunt ». Sur les diverses traductions latines cf. P. Kibre, Hippocrates Latinus. Repertorium of Hippocratic Writings in the Latin Middle Ages, dans: Traditio 32 (1976), 257-292 et 33 (1977), 253-278; F. Wallis, Why was the Aphorisms of Hippocrates retranslated in the eleventh century?, dans: R. Winovsky/F. Wallis/J. C. Fumo/C. Fraenkel (eds.), Vehicles of Transmission, Translation and Transformation in Medieval Textual Cultures (Cursor mundi 4), Turnhout 2011, 173-193. Cf. P. G. Ottosson, Scholastic Medicine and Philosophy, A Study of Commentaries on Galen’s Tegni (ca. 1300-1450), Naples 1984; N. Palmieri (ed.), L’Ars Medica (Tegni) de Galien: lectures antiques et me´die´vales, Saint-Etienne 2008; J. Chandelier, Avicenne et la me´decine en Italie, Le Canon dans les universite´s (1200-1350), Paris 2017; N. G. Siraisi, Avicenna in Renaissance Italy, The Canon and Medical Teaching in Italian Universities after 1500, Princeton 1987.

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incitaient a` e´voquer l’acquisition du savoir, d’abord par les premiers inventeurs de la me´decine, puis par sa transmission a` travers l’enseignement et l’e´criture, de pre´fe´rence sous la forme aphoristique comme l’illustrait le texte commente´, les deux derniers termes de la premie`re partie (experimentum fallax vel timorosum, ˆ ge du grec σφαλερη´ , et selon les deux traductions qui eurent cours au Moyen A iudicium difficile) entraıˆnaient plus directement sur le terrain de la pratique quotidienne. Quant au terme me´dian (tempus acutum vel strictum), qui rendait compte dans l’original grec du caracte`re fugitif du « kairos », ce moment de´cisif ou` il faut agir, il faisait le lien entre les deux types d’objectifs: le temps est court pour acque´rir le savoir me´dical, mais aussi la mutabilite´ des e´tats du corps et des signes qu’il envoie rend tre`s restreint le temps de l’efficacite´ escompte´e 4. I. De Saler ne a` la tradition universitaire italienne La proposition « le jugement est difficile » est en quelque sorte conclusive de la premie`re partie de l’aphorisme. Elle est fortement lie´e a` la pre´ce´dente (« l’expe´rience est trompeuse [ou dangereuse] ») dans laquelle l’expe´rience est certes comprise en partie comme une expe´rimentation a` fin d’invention, principalement pharmacologique, mais est surtout place´e dans le cadre de l’intervention quotidienne du praticien et de sa mise en œuvre du traitement, dans le contexte donc de ce qui est appele´ ingenium sanitatis ou ingenium curationis, qui du fait de la diversite´ des cas rencontre´s reveˆt a` chaque fois, et a` chaque e´tape de la de´marche the´rapeutique, les traits d’un experimentum 5. La proposition « le jugement est difficile » est aussi lie´e a` la deuxie`me partie de l’aphorisme: « Or il faut non seulement se montrer soi-meˆme accomplissant son devoir, mais aussi faire que le malade, les assistants et les e´le´ments exte´rieurs accomplissent le leur » 6. On est bien la` dans le cadre de l’acte me´dical concret, dont la re´ussite repose sur une parfaite convergence entre la compe´tence du me´decin, l’attitude du malade et de son entourage, l’environnement imme´diat et les circonstances fortuites. Le me´decin se doit de prendre en compte cet ensemble. C’est pourquoi Barthe´lemy de Salerne, dans ses ‘Glosule super Aphorismos’, datables des premie`res de´cennies de la seconde moitie´ du XII e sie`cle 7, juge bon de commenter 4

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Hippocrate, L’Art de la me´decine, Traduction et pre´sentation par J. Jouanna et C. Magdelaine, Paris 1999, 319 note 2. Cf. I. Ventura, Experimentum vero fallax: Acquisizione della conoscenza e sperimentazione pratica nei commenti ad Aphorismi I, 1, dans: T. Be´natouil/I. Draelants (eds.), Expertus sum. L’expe´rience dans la philosophie naturelle me´die´vale (Micrologus’ Library 40), Florence 2011, 353-383; M. R. McVaugh, The « Experience Based Medicine » of the Thirteenth Century, dans: Early Science and Medicine 14 (2009), 105-130. Traduction francX aise d’apre`s le grec: Hippocrate, L’Art de la me´decine (nt. 4), 210. Cf. F. Wallis, The Articella Commentaries of Bartholomaeus of Salerno, dans: D. Jacquart/ A. Paravicini Bagliani (eds.), La Scuola Medica Salernitana, Gli autori e i testi (Edizione nazionale « La Scuola Medica Salernitana » I), Florence 2007, 125-164.

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ensemble les deux dernie`res propositions de la premie`re partie de l’aphorisme et sa deuxie`me partie. Apre`s avoir pre´cise´ qu’ici l’expe´rience sert a` e´prouver une chose par son effet, il e´nonce les quatre modes selon lesquels cette expe´rience peut eˆtre dite fallax, c’est-a`-dire mener a` un effet autre que celui escompte´. Cette de´faillance provient soit de la faute du me´decin, soit de la de´sobe´issance du patient, soit de la faute de ceux qui l’entourent, soit en raison de quelque e´ve´nement exte´rieur. Seul incombe en ce contexte a` la responsabilite´ du me´decin luimeˆme defectus contemplationis, un manque d’examen approfondi de la situation, de ce qui, a` propos de chaque genre de maladie, peut arriver pour favoriser soit empeˆcher l’experimentum, ce dernier e´tant entrepris dans le cadre du savoir transmis dans la partie pratique (practica) de la science me´dicale et devant mener a` l’ope´ration effective (operatio manuum). Cet examen approfondi pre´alable a` toute initiative est ce qui est appele´ iudicium, dit Barthe´lemy, et il repose sur le savoir transmis dans la partie the´orique de la me´decine. Il consiste en la prise en conside´ration de la nature de la maladie, de la complexion du malade, de la noblesse de la partie du corps concerne´e, de la saison etc. Cette contemplatio ou ce iudicium s’appuient sur une pratique fre´quente (frequentia usus) - l’expe´rience acquise donc par le praticien - et sur une e´tude assidue (studii diligentia) 8. Contrairement a` la tradition suivie par d’autres maıˆtres salernitains, y compris Maurus (mort en 1214) qui lui est pourtant poste´rieur 9, Barthe´lemy laisse de coˆte´ en son commentaire au premier aphorisme la question du pronostic, notamment du pronostic vital: c’e´tait aussi le parti qu’avait pris Galien dans son propre commentaire et qu’adopte`rent les universitaires a` partir du XIII e sie`cle, re´servant le sujet de la pre´vision d’une e´volution vers la gue´rison ou la mort a` la lecture des Pronostics hippocratiques. Dans la tradition universitaire italienne inaugure´e dans la seconde moitie´ du XIII e sie`cle, il devint habituel de commenter conjointement le texte hippocratique et sa lecture gale´nique 10. Le commentaire aux ‘Aphorismes’ que Taddeo 8

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Ms. Munich, Bayerische Staatsbibliothek, CLM 28219, fol. 1v: « ‘Experimentum vero fallax’. Artem longam esse probat quia experimentum quod ad practicam et ad operationem manuum spectat, fallax est, ‘iudicium autem’ quod ad theoricam ‘difficile’ est […]. Experimentum est ergo alicuius probatio in aliquo effectus, que probatio fallax est […]. Experimentum autem universaliter fallax est IIII or modis, aut propter culpam medici, aut propter inobedientiam egri, aut culpam circumstantium, aut propter ea que accidunt extrinsecus […]. Quia ergo hec triplex fallacia non accusat artificem, sed ea sola que est ex defectu contemplationis, ad fallaciam experimenti excludendam necesse est complecti circa unumquodque genus egritudinum quamplura occurrentia que coadiuvare vel impedire possunt experimentum per contemplationem previam medici, quam auctor hic appellat ‘iudicium’, cuiusmodi sunt natura morbi, patientis complexio, membri nobilitas vel ignobilitas et tempus anni et similia. In hiis omnibus igitur circa unumquodque genus morbi comprehendendum medici iudicium, id est contemplatio, in frequentia usus, in studii diligentia, non parum in temporis expostulabit expensas. » Voir les extraits des commentaires de Maurus et de maıˆtres ante´rieurs cite´s dans: Ventura, Experimentum vero fallax (nt. 5), 376-377. Cf. Commentaire de Galien aux Aphorismes d’Hippocrate dans: Claudii Galeni Opera Omnia, ed. K. G. Kühn, vol. 17/2, Leipzig 1829, 345-356. Sur l’introduction des Aphorismes d’Hippocrate dans la collection dite ‘Ars medicinæ’, puis du commentaire de Galien dans l’‘Ars commentata’ cf. C. O’ Boyle, The Art of Medicine, Medical Teaching at the University of Paris, 12501400 (Education and Society in the Middle Ages and the Renaissance 9), Leyde-BostonCologne 1998.

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Alderotti composa a` Bologne, avec des interruptions entre 1274 et 1283, en est le premier te´moin 11. Le jugement du me´decin y acquiert une double face: le mot iudicium est a` comprendre soit comme ratio, soit comme de´termination de la chose a` expe´rimenter. Il est « difficile » dans les deux cas. En tant que ratio, sa difficulte´ vient de la discordance entre les auteurs qui ont traite´ du sujet auquel est confronte´ le praticien; le passage de ce savoir livresque discordant a` l’initiative pratique ne´cessite un raisonnement approprie´ pour « redresser », « rendre droite » (rectificare) l’expe´rience. En tant que de´termination de la chose a` expe´rimenter, le jugement est tout aussi difficile et c’est un exemple qui l’illustre, tire´ comme l’ensemble de ces propos de Taddeo Alderotti du commentaire de Galien: supposons qu’un malade prenne diffe´rents me´dicaments, dont certains sont utiles, d’autres nuisent, il est difficile de de´terminer celui qui est utile et celui qui nuit. Mais quelle est la diffe´rence entre ratio et determinatio experimentorum, alors que toutes deux rele`vent d’un raisonnement? La re´ponse fait pe´ne´trer, non pas dans une de´marche expe´rimentale destine´e a` trouver un nouveau reme`de, mais dans le cadre ordinaire de l’action the´rapeutique, qui s’inscrit dans le temps d’une e´volution au cours de laquelle le praticien est amene´ constamment a` ajuster ses prescriptions en fonction des effets qu’il constate du traitement en cours. Le jugement-ratio pre´ce`de l’experimentum, en recherchant la « science curative » a` partir de la connaissance de la maladie et de la partie du corps affecte´e, ainsi que des choses avec lesquelles il convient de traiter cette maladie et cette partie. Le jugement-determinatio experimentorum suit l’experimentum, en distinguant ce qui est utile de ce qui nuit 12. Jacques de Forli, dans son commentaire e´crit sans doute a` Ferrare peu avant 1403 13, ne prononce pas le terme de ratio a` propos de ce jugement qu’e´voque le premier aphorisme d’Hippocrate, mais le de´finit comme un assentiment (assensus), une croyance qui emporte l’approbation du me´decin sur le mode d’ope´rer. Comme chez Taddeo Alderotti, un jugement pre´ce`de l’experimentum, un autre le 11

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Cf. N. G. Siraisi, Taddeo Alderotti and his Pupils, Two Generations of Italian Medical Learning, Princeton 1981, 35, 40. Taddeo Alderotti, Expositio in arduum aphorismorum Ipocratis volumen, ed. L. A. Giunta, Venetiis 1527, fol. 2r: « ‘Iudicium autem difficile’. Per iudicium autem possumus duo intelligere, scilicet rationem, et possumus intelligere experimentationes et examinationem sive determinationem rei experimentande. Dico quod utrumque est difficile. Quia enim ratio sit difficilis signum est quia sapientes usque hodie discordant ea et ubi discordant sapientes necessario est difficultas, est etiam difficile, quia cum ea oportet rectificare experimentum. Quod autem determinatio rei experimentande sit difficilis, patet tali exemplo. Ponamus quod aliquis infirmus utatur diversis medicinis et per quasdam earum iuvetur et per quasdam noceatur, scire que illarum iuverit et que illarum nocuerit est difficile […]. Sed dubitatur que sit differentia inter rationem et determinationem rerum que experiuntur. Ad quod dicendum quod magna est differentia inter eas quoniam ratio secundum quam invenitur scientia curativa incipit a notititia morbi et membri et notitia rerum cum quibus debet curari morbus in tali membro […]. Determinatio vero experimentorum est quedam consideratio per quam distinguimus circa ea que experta sunt que eorum sunt utilia et que nociva, unde talis consideratio sequitur experimentum, ratio vero precedit sicut dictum est. » Cf. T. Pesenti, Professori e promotori di medicina nello Studio di Padova dal 1405 al 1509, Repertorio bio-bibliografico, Padoue 1984, 107.

Iudicium difficile: la faillibilite´ du jugement me´dical dans les commentaires

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suit, tous les deux tout aussi « difficiles »: dans le premier, il faut examiner la nature de la maladie et du corps, ainsi que d’infinies circonstances; dans le second, rechercher la cause dont provient l’effet observe´, e´tant donne´ que plusieurs causes peuvent entraıˆner le meˆme effet 14. Dans son commentaire qu’il de´die a` Niccolo` d’Este en 1414 15, Ugo Benzi reprend cette double face du jugement, sauf que ce qu’il pre´ce`de ou suit n’est plus appele´ experimentum, mais plus conforme´ment a` l’action vise´e, operatio. Le jugement qui pre´ce`de conside`re l’essence de la maladie et la nature de la partie affecte´e, afin de choisir le type d’intervention. Par exemple, si une maladie de cœur consiste en une complexion chaude, conside´rant que le cœur est un organe principal et qu’il est assez e´loigne´ de la peau de la poitrine, il faut conclure que sont indique´s des refroidissants dans lesquels est jointe une substance subtile pour aider a` la pe´ne´tration, ainsi qu’un ingre´dient de qualite´ chaude pour conserver la chaleur du cœur. Quant au jugement qui suit l’ope´ration, du fait de la multiplicite´ des interventions il est difficile de reconnaıˆtre celle qui a mene´ a` tel et tel effet, qu’il s’agisse d’une e´vacuation de matie`re, d’une alte´ration de l’e´tat du malade ou de la gue´rison. Comme Taddeo Alderotti, Ugo Benzi de´finit un jugement-ratio et un jugementdeterminatio experimenti. En se re´fe´rant a` la vision historique des sectes ou courants de pense´e me´dicale antiques, ve´hicule´e notamment par Galien, il attribue l’adhe´sion au premier type de jugement aux dogmatiques ou rationales, l’adhe´sion au second type, aux empiriques et me´thodiques 16. Concernant le jugement conse´cutif a` l’ope´ration ou a` l’expe´rience, il renvoie aux sept re`gles e´nonce´es dans le ‘Canon’ d’Avicenne pour tester avec fiabilite´ l’effet d’un me´dicament. Le respect de ces re`gles n’e´liminant toutefois pas le risque d’erreurs, il enjoint son lecteur 14

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Jacques de Forli, Expositio super Aphorismis Hippocratis cum questionibus, ed. O. Scotus, Venetiis 1495, fol. 1r: « Quarto nota quod iudicium non est nisi assensus quo credimus vel assentimus sic esse vel sic fore operandum, quod quidem est duplex, scilicet quoddam antecedens experimentum et quoddam consequens experimentum, exempla patent. Ad propositum utrumque est difficile. Primum quidem, quia ignoramus cui operatio sit attribuenda, ut in commento [Galeni], quia quando a pluribus causis potest provenire idem effectus, ignoramus cui cause sit attribuenda illius effectus productio et utentes primo iudicio sunt rationales, utentes vero secundo sunt methodici. » Cf. D. P. Lockwood, Ugo Benzi, Medieval Philosopher and Physician 1376-1439, Chicago 1951; Pesenti, Professori et promotori (nt. 13), 56. Ugo Benzi, Expositio super Aforismos Hippocratis et super commenta Galeni eius interpretis, ed. O. Scotus, Venetiis 1517, fol. 2v: « Attende tamen quod duplex est iudicium etiam rationis quantum ad propositum spectat, unum est precedens operationem et est, cum considerata morbi essentia et membri natura, ita iudicamus sic, vel taliter operandum esse. Verbi gratia. Cogito quod egritudo cordis est mala complexio calida et quod cor est membrum principale et quod satis distans cute pectoris. Concludo quod applicanda sunt infrigiditativa in quibus coniunguntur aliquid subtilis substantie ut penetrare faciat et aliquid calidum pro caloris eius conservatione. Aliud vero est sequens operationem, nam multis factis sequitur aliquando evacuatio vel fluxus aut alteratio aut sanitas et postea iudicamus quod istorum que facta sunt fuit illud a quo processit talis effectus et certum est quod utrumque istorum iudiciorum est difficile. Primum tamen horum maxime ad medicos de secta rationalium pertinet, secundum vero ad methoycam vel empiricam, nam hoc secundum est potius determinatio experimenti quam rationis. » Il est a` noter que Jacques de Forli ne preˆtait le second jugement qu’aux me´thodiques (voir supra nt. 14). Sur les sectes me´dicales antiques cf., notamment, Ph. Mudry/ J. Pigeaud (eds.), Les e´coles me´dicales a` Rome, Gene`ve 1991; V. Nutton, La me´decine antique, Paris 2016, 156-243.

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de garder a` l’esprit le constat suivant: « bien que l’expe´rience soit certaine, cependant il arrive meˆme au bon me´decin de faire une erreur. » Que doit-on comprendre alors sous la formule « lorsque la raison contredit l’expe´rience, suivons l’expe´rience »? La raison dont il est question ici ne doit pas eˆtre entendue au sens de de´monstration, car la de´monstration ne peut contredire l’expe´rience, puisque les deux sont vraies, mais au sens d’argumentations probables. Le conseil donne´ par Ugo Benzi aux de´butants pour ope´rer continuellement sans erreur, est d’observer des me´decins experts dans leurs œuvres qui me`nent au re´sultat escompte´ (opera recta). Autrement dit, rien ne remplace l’expe´rience acquise, le savoir-faire qui ne s’apprend pas dans les livres ni ne suit l’application de re`gles 17. La discussion ici mene´e rejoint celle que suscitaient la lecture du ‘Canon’ d’Avicenne et l’e´nonce´ qu’il donnait des sept conditions garantissant la fiabilite´ d’une expe´rience sur l’action des me´dicaments. En ce contexte, parmi les auteurs qui valorise`rent le recours a` l’expe´rience figure le me´decin florentin Dino del Garbo, qui dans son commentaire au livre II du ‘Canon’, compose´ en 1325, de´clarait: « La voie de l’expe´rience, si on respecte les conditions, est la voie la plus suˆre, dans laquelle l’erreur n’est pas possible, alors que la voie de la raison est une voie dans laquelle l’erreur peut survenir. » Malgre´ cette de´claration ge´ne´rale, l’examen de chacune des re`gles avicenniennes laissait transparaıˆtre les difficulte´s de leur mise en œuvre et les he´sitations qui accompagnaient toujours l’interpre´tation d’une expe´rience 18. Si Jacques de Forli rangeait le jugement pre´ce´dant l’ope´ration au niveau d’une croyance emportant l’assentiment du praticien, Taddeo Alderotti et Ugo Benzi usaient du terme ratio, le second la limitant a` des argumentations probables. Dans son commentaire aux ‘Pronostics’ d’Hippocrate, Taddeo Alderotti apportait quelques pre´cisions. Apre`s avoir mis en avant la qualite´ de « prudence » (he´ritie`re de la φρο´ νησιw aristote´licienne, apanage des sciences pratiques selon l’‘E´thique a` Nicomaque’) que devait avoir le me´decin dans l’art du pronostic, il e´noncX ait: « Sont dits prudents ceux qui acquie`rent la science des signes par l’expe´rience et la raison ». Une pre´cision intervenait imme´diatement: ratio et non

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Ugo Benzi, Expositio super Aforismos (nt. 16), fol. 2v: « Hic [in Avicenne Canone] dicitur quod ad recte iudicandum per experimentum requiruntur 7 conditiones precipue in iudicando de veritate medicine […]. Ideo quia multis contigit errare etiam in illis conditionibus […] tu vero serva hunc modum menti, nam ex hoc vides quod licet experimentum sit certum, tamen etiam in bono medico contingit quod erret. Quod autem dicitur quod cum ratio repugnat experimento sequimur experimentum, non debemus intelligere per rationem demonstrationem sed argumentationes probabiles. Nam demonstratio non repugnat experientie cum ambe sint vere […]. Ex quo sequitur quod qui debet esse bonus medicus et operari continue sine errore, a principio debet cum bonis et expertis medicis conversari ut videat opera recta unde experimentum eligat. Qui vero sine hoc operatur sepissime in principiis errat. » Cf. J. Chandelier, Expe´rience, expe´rimentation et connaissance dans la me´decine scolastique italienne du 14e sie`cle, dans: Be´natouil/Draelants (eds.), Expertus sum (nt. 5), 385-403. Les citations du commentaire de Dino del Garbo au ‘Canon’ d’Avicenne en cet article (388 sqq.) sont tire´es de l’e´dition de Venise date´e de 1514.

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intellectus, car il ne s’agit pas d’une connaissance ayant la spe´culation pour seule fin, mais d’une spe´culation et de l’e´tude approfondie d’une chose oriente´es vers une action 19. II. La lecX on d’Ar naud de Villeneuve Malgre´ leur brie`vete´, ces conside´rations sur ce qu’il faut entendre par « jugement » et sa difficulte´ souligne de manie`re sobre et discre`te combien il e´tait difficile pour les me´decins me´die´vaux de de´celer l’erreur qu’ils avaient pu commettre. Leurs de´tracteurs ne manque`rent pas de le re´pe´ter. Lorsque Pe´trarque reproche au me´decin d’user de l’e´loquence pour de´montrer qu’en cas d’issue fatale les fautifs sont le malade lui-meˆme, ses assistants ou encore la nature, il ne fait que retrouver les accents du premier aphorisme d’Hippocrate. Au tournant du XIII e au XIV e sie`cle le chirurgien Henri de Mondeville tenait a` peu pre`s le meˆme discours que Pe´trarque, constatant que les erreurs commises par les chirurgiens e´taient plus manifestes, visibles, alors que les me´decins pouvaient toujours les imputer a` la nature, a` la faiblesse du patient, « s’en excuser et en accuser un autre » 20. Face a` l’erreur qu’il sait inhe´rente a` la faillibilite´ de son art, le me´decin me´die´val a deux pre´occupations: d’une part chercher une me´thode pour la de´tecter, l’e´viter ou la re´parer si possible, d’autre part pre´server la confiance du patient (et sa propre re´putation) en usant de prudence dans ses propos afin de ne pas de´voiler ses failles et ses he´sitations. « Melius est silere quam 19

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Taddeo Alderotti, Expositio in divinum pronosticorum Ipocratis librum, ed. L. A. Giunta, Venetiis 1527, fol. 195v; « dicit [Galenus] rationem et non intellectum, quia cognitio intellectus consistit in sola speculatione, sed ratio consistit in speculatione et pertractatione rei ad propositum, hoc autem oportet facere medicum pronosticantem, quia non sufficit scire signa pronostica nisi sciamus ea ducere ad actum sicut dicit infra Galenus in hoc prologo Galeni. » Cf. D. Jacquart, La prudence dans l’e´nonce´ du pronostic me´dical au tournant des XIII e et XIV e sie`cles, dans: A. Fidora, Die mantischen Künste und die Epistemologie prognostischer Wissenschaften im Mittelalter (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 74), Cologne-Weimar-Vienne 2013, 113-129. Pe´trarque, Contra medicum, III, 15, dans: Pe´trarque, Invectives, texte traduit, pre´sente´ et annote´ par R. Lenoir, Grenoble 2003, 191: « si forte defectus tuos et medicine imperitiam, non dicam supplere, sed tegere putas eloquentia, et, cum aperte peremeris, ostendas culpam esse non tuam, sed egroti, sed astantium, sed nature ». Sur Pe´trarque et la me´decine cf. K. Berghold, Arzt, Krankheit und Therapie bei Petrarca. Die Kritik an Medizin und Naturwissenschaft im italienische Frühhumanismus, Weinheim 1992; id., Petrarca, Aristoteles und die Kritik an der scholastischen Medizin, dans: M. Gadebusch Bondio (ed.), Medical Ethics, Premodern Negotiations between Medicine and Philosophy (AURORA Schriften der Villa Vigoni 2), Stuttgart 2014, 61-71; M. Berte´/V. Fera/T. Pesenti (eds.), Petrarca e la Medicina (Biblioteca umanistica 8), Messine 2006. Cf. Henri de Mondeville, Chirurgia, ed. J. L. Pagel, Berlin 1892, 79: « quia opera cyrurgie sunt visui manifesta, et medicine opera sunt occulta, et in hoc medici plurimi sublevantur, quia, si super patientem erraverunt, eorum errror non erit manifestus, et si ipsum interficiant, non fiet in aperto, sed error cyrurgici operantis, ut incisio manus et brachii, apparet nothorice cuilibet intuenti nec potest ipsum nature vel virtuti imponere nec se super hoc excusare nec alium accusare. »

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ut tu erres », conseillait a` Bologne a` la fin du XIII e sie`cle Alberto de Zanchariis 21. Le premier aphorisme d’Hippocrate offrait ainsi l’occasion, non seulement de re´fle´chir sur les conditions concre`tes de l’exercice me´dical, mais aussi de proposer des conseils a` la fois me´thodologiques et de´ontologiques. Probable reflet d’un cours donne´ a` l’universite´ de Montpellier en 1301, l’ample commentaire que consacre Arnaud de Villeneuve a` ce seul premier aphorisme rassemble toutes ces pre´occupations et tente d’y re´pondre 22. Comme les maıˆtres italiens, Arnaud de Villeneuve concX oit un jugement double, mais selon des de´finitions diffe´rentes. Le premier jugement vise a` trouver la cause ou la raison (ratio) d’un effet et a` en de´terminer le pourquoi (propter quid); autrement dit, il faut rechercher la cause de la cause qui a entraıˆne´ l’effet constate´. Le second jugement consiste en la distinction de la cause spe´cifique d’un effet particulier quand plusieurs sont a` l’œuvre. Le jugement devient difficile lorsque l’assignation de la cause est douteuse et rele`ve de l’opinion, non d’une certitude apporte´e par un raisonnement de´monstratif 23. Arnaud de Villeneuve s’emploie ensuite a` de´finir en quoi consiste la rectitude d’un jugement (rectum iudicium), apte a` indiquer la direction que doit prendre l’intervention the´rapeutique. Ce jugement s’applique sur deux niveaux: l’information tire´e du savoir des « docteurs de la me´decine », qu’il soit transmis par e´crit ou par voie orale; l’observation de « l’effet apparent sur le corps curable » 24. Au premier niveau, l’obstacle principal re´side dans la discordance des propos de ces docteurs, comme le signalait aussi Taddeo Alderotti a` la suite de Galien. Le choix de la bonne proposition repose a` nouveau sur deux crite`res: s’assurer d’abord qu’elle rele`ve bien de l’art, c’est-a`-dire qu’elle n’est pas seulement e´nonce´e a` des fins dialectiques, mais oriente´e vers la mise en œuvre d’une pratique, en conformite´ avec la de´finition de la me´decine en tant que savoir destine´ a` conserver la sante´ ou a` la re´tablir; s’assurer ensuite qu’elle est vraie, en se fondant sur ce qu’Arnaud de Villeneuve appelle « une re`gle commune et propre » dont il donne longuement le de´tail, avec des citations d’autorite´s et des exemples doctrinaux. Selon cette re`gle, il faut ve´rifier que la proposition choisie soit 21

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Alberto de Zancariis, De cautelis medicorum habendis, ed. M. Morris, Leipzig 1914 (diss.), 18, cite´ dans: M. McVaugh, Medical Values and Behavior. A View from 1380’s Montpellier, dans: Gadebusch Bondio (ed.), Medical Ethics (nt. 20), 83. Cf. ibid., 79-85; M. R. McVaugh/F. Salmon (edd.), Arnaldi de Villanova Opera Medica Omnia, vol. XIV, Barcelone 2014, 107-179, 265-333. Arnaud de Villeneuve, Repetitio super Aphorismo Hippocratis « Vita brevis », ed. McVaugh, dans: id./Salmon, Arnaldi de Villanova Opera Medica Omnia, vol. XIV (nt. 22), 205: « Tertium autem intelligitur per ‘iudicium difficile’, in quo iudicio duo comprehendit, ut dicit Galienus, quorum primum est assignatio vel inventio cause vel rationis alicuius effectus et propter quid talis effectus a tali re procedit; secundum, distinctio vel discretio seu determinatio cause alicuius effectus quando plura concurrunt ad opus. Dicitur autem ‘difficile’ iudicium quando causa cuiuslibet effectus assignatur vel discernitur sub dubio per modum opinionis. » Ibid., 213: « Videamus ergo de recto iudicio. Ea vero de quibus medicus iudicare debet ad sui directionem in opere due sunt, quorum primum est sententia vel traditio doctorum medicine, sive doceatur per scripturam sive per prolationem; secundum est effectus apparens in sanabili corpore. »

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conforme a` la raison et aux principes de l’art, a` l’expe´rience dite « rationnelle », enfin aux principes e´dicte´s par les autorite´s, sachant qu’il est difficile de connaıˆtre la ve´rite´ lorsqu’il y a discordance entre celles-ci 25. En un long de´veloppement qui va traiter de points de doctrine pre´cis, Arnaud de Villeneuve donne un exemple mettant en application les trois volets de cette « re`gle commune et propre »: les disciples de De´mocrite disent qu’il est impossible qu’une humeur ne soit maligne par sa subtilite´. Cette proposition n’est pas conforme aux principes de l’art, car l’e´pais et le subtil sont conside´re´s par les me´decins comme deux extreˆmes, or le bon e´quilibre ne se trouve jamais dans les extreˆmes mais au milieu. La proposition preˆte´e aux disciples de De´mocrite ne se ve´rifie pas non plus dans l’expe´rience, comme le montrent les cas des ulce`res qui se disse´minent sans corrosion, ou la couperose ou la taie de l’œil. Dans le premier cas, l’humeur maligne n’est pas seulement chaude d’une chaleur aigue¨, mais subtile; dans les deux autres cas, l’expe´rience montre au me´decin que l’usage d’un vin subtil ou d’aliments engendrant un sang subtil nuit plus que l’emploi de leurs contraires e´pais. Pour rejeter la proposition des disciples de De´mocrite, c’est enfin l’autorite´ d’Avicenne, qui au chapitre du traitement des fie`vres putrides e´nonce comme re`gle ge´ne´rale que pour assurer la digestion d’une matie`re e´paisse, il faut revenir a` l’e´quilibre par l’apport de subtil, et, qu’inversement une matie`re subtile ne´cessite un e´paississement, ce qui prouve que la qualite´ subtile peut nuire. La de´monstration de la faussete´ de la proposition attribue´e aux disciples de De´mocrite se poursuit en revenant sur chacun des crite`res et avec le renfort de multiples re´fe´rences a` des œuvres d’Hippocrate et de Galien traitant de la subtilite´ d’une humeur, d’un fluide corporel ou autre 26. Au second niveau auquel la rectitude du jugement doit s’appliquer, le me´decin observe les effets apparents sur le corps qu’il a a` traiter afin de de´terminer la cause de chacun et ainsi diriger son action. Nulle formule toute preˆte ne peut alors aider le praticien, dont la qualite´ du jugement repose sur une juste connaissance « des choses naturelles, non-naturelles et contre nature », c’est-a`-dire l’ensemble de ce qui fonde la the´orie me´dicale: l’anatomie et la physiologie, les facteurs agissant sur le corps pour lui assurer la sante´ ou l’en priver (l’air ambiant, la nourriture et la boisson, les activite´s physiques, les e´motions etc.), enfin les e´tats pathologiques et leurs agents 27. Chaque situation particulie`re ne´cessitant 25

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Ibid., 213 sq.: « Iudicium autem primum, scilicet quod versatur circa dicta cuiuslibet docentis aliquem, consistit in duobus. Primum est considerare an illud quod dicitur sit pertinens arti, nam si non, respuendum est penitus; secundum est, posito quod sit pertinens, an sit verum. Ad primum autem cognoscendum dat doctrinam Galienus in pluribus locis, specialiter in primo de interioribus, ubi docet distinguere inter dialecticam et medicinalem investigationem […]. Ad cognoscendum vero secundum, scilicet an sermo sit verus, ordinantur omnes scripture medicinales et etiam philosophice, sed hic sufficit explicare communem et propriam regulam que circa hoc semper est observanda, scilicet ut consideretur an positio vel illud quod dicitur repugnet rationi et principiis artis, et an repugnet rationali experientie, tertio vero an repugnet auctoritati principiorum. » Ibid., 215-223. Ibid., 223: « Bonitas autem istius iudicii consistit in recta cognitione et consideratione rerum naturalium et non naturalium et contra naturam, de quo in sequenti amphorismo vel lectione tangetur quantum spectat proposito. » La tripartition de la the´orie me´dicale en e´tude des choses naturelles, non naturelles et contre-

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ainsi de rassembler une multitude de connaissances et de donne´es, Arnaud de Villeneuve pre´conise, outre la me´morisation d’aphorismes au sein desquels le praticien retiendra ceux qui sont adapte´s au cas rencontre´, l’e´tablissement de tables concX ues pour re´unir et croiser diffe´rents types d’informations. Comme « la me´moire est labile », il conseille d’avoir toujours sur soi dans sa bourse des notes rassemblant sous forme d’aphorismes des re`gles ge´ne´rales pour diverses situations 28, des noms de me´dicaments tempe´re´s cense´s n’avoir qu’un effet neutre pour les temps d’he´sitation, afin de ne pas laisser percevoir ce doute au patient et a` son entourage tout en n’entreprenant rien qui pourrait nuire 29. De meˆme le praticien doit se munir de divers types de tables, dont la consultation peut l’aider, par exemple en cas d’effet impre´vu d’un traitement: « Quand un effet nuisible apparaıˆt chez le malade qui sorte du cours commun de la force de la maladie et des vertus des causes curatives, le me´decin doit eˆtre certain qu’un accident extrinse`que est intervenu, et donc qu’il traque cet impre´vu en faisant appel a` sa me´moire et en re´fle´chissant sur toutes les matie`res des causes qui apportent la sante´ jusqu’a` ce qu’il de´couvre cet accident. Pour eˆtre prompt en cet exercice, il convient qu’il parcourt la table des genres et espe`ces de toutes les causes me´dicinales salubres et s’il ne la connaıˆt pas par cœur, du moins qu’il la porte dans sa bourse, afin qu’il puisse la lire tre`s vite. » 30

L’e´laboration de tables n’est pas seulement destine´e a` servir d’aide-me´moire au chevet du malade, certaines sont aussi des instruments de re´flexion qui fixent l’attention. Une fois revenu dans son cabinet, apre`s avoir examine´ le malade, l’avoir interroge´ ainsi que son entourage, il est en effet conseille´ de rassembler sous la forme d’une table tout ce qui a e´te´ releve´ lors de la consultation, concernant le patient (son sexe, son aˆge, sa complexion, ses habitudes etc.) et les symptoˆmes de la maladie. A partir de cette repre´sentation visuelle synthe´tique des e´le´ments rassemble´s, le me´decin cherchera toutes les causes possibles de chaque symptoˆme et e´tablira toutes les relations pertinentes entre cause et symptoˆme, afin d’isoler les facteurs en jeu dans le cas rencontre´ 31. Ces conseils interviennent dans le commentaire a` la seconde partie de l’aphorisme d’Hippocrate, qui enjoint de prendre en conside´ration la personne du

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nature e´tait notamment e´nonce´e dans l’un des textes de base de l’enseignement, l’‘Isagoge Iohannitii’; cf. ed. G. Maurach, dans: Sudhoffs’ Archiv 62 (1978), 148-174. Arnaud de Villeneuve, Repetitio super Aphorismo Hippocratis « Vita brevis », ed. McVaugh (nt. 23), 241: « quando accidentia vult conflare vel comparare, repetere debet canones universales quibus prompte notitia horum elicitur et - ut promptius etiam legere vel recurrere possit - debet eos in cedula semper scriptos et maxime sub stilo amphorismali portare in bursa (si nequit in corde, cum sit valde labilis memoria hominis). » Ibid., 239. Ibid., 258. Ibid. 240 sq.: « Cum ergo fuerit in secreto studio vel scrutinio suo debet, ut sapiens medicus, sub ordine rationis iam supratacte representare oculis sue mentis omnia accidentia que collegit; et quia mens humana vagari non cessat et distrahi per diversa solutis sensibus nisi freno detineatur et occupetur alicuius specialis sensibilis, ideo debet ea in una cedula summatim et artificialiter tabulare iuxta doctrinam Galieni in supradictis operibus […]. Cum itaque sic tabulaverit omnia, teneat coram oculis cedulam et consideret de quolibet accidente quot causas possit habere. »

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malade, son entourage et ea que extrinsecus sunt. Si l’e´volution d’un e´tat pathologique par sa nature suit une voie que le me´decin est en mesure de maıˆtriser, en appliquant un traitement approprie´, ce qui tient a` l’attitude et aux habitudes du patient, aux initiatives de l’entourage et surtout a` des conditions exte´rieures parfois impre´visibles, peut perturber le cours naturel de l’efficacite´ the´rapeutique. C’est a` chaque e´tape de l’e´volution de l’e´tat du malade que le me´decin doit exercer son jugement pour constamment adapter son traitement aux effets constate´s et agir sur la cause qu’il est tenu de de´celer, tel un capitaine de navire, qui est non seulement confronte´ a` des choses ne´cessaires et permanentes, mais a aussi a` faire face au contingent et a` une varie´te´ de situations possibles. De meˆme que le navigateur est amene´ a` changer les voiles et ses autres outils, le me´decin a a` adapter ses instruments et ses actions en fonction de la variation des symptoˆmes de la maladie, des dispositions de l’air ambiant et d’autres choses contingentes qui peuvent changer le corps a` traiter 32. Du fait de cette obligation d’adaptation constante, inhe´rente a` la de´finition de son office et a` la finalite´ de son art qui vise a` l’utilite´, le me´decin doit veiller a` la teneur des informations qu’il donne au malade et a` son entourage, en particulier sur le temps que durera le traitement pour arriver a` la fin escompte´e. S’il y a des temps de la maladie, des phases dont le me´decin est en mesure de pre´voir la dure´e, « selon une e´valuation tire´e de l’art » (secundum extimationem artificialem), parvenir a` l’efficacite´ recherche´e selon la ve´rite´ de cette pre´vision est hors de porte´e, et il faut seulement s’efforcer de s’en approcher le plus possible. Le contemporain montpellie´rain d’Arnaud de Villeneuve, Bernard de Gordon, use du meˆme type de formule lorsqu’il e´voque les he´sitations que peut avoir le praticien: sauf si celui-ci est aussi sot qu’une pierre de moulin, il arrive sinon a` la ve´rite´ du moins a` une conjecture proche de celle-ci (coniectura proxima veritati). C’est en effet le propre d’une science ope´ratoire, d’une ars ainsi que les discussions sur le statut e´piste´mologique de la me´decine l’exposent et le justifient 33. Vers la fin de son commentaire au premier aphorisme d’Hippocrate, Arnaud de Villeneuve donne des exemples d’erreurs dans lesquelles peut tomber un me´decin. Les cas rapporte´s ne sont pas issus de son expe´rience personnelle, mais preˆte´s a` d’autres, chaque auteur tentant de pre´server sa propre re´putation, ils ne renvoient pas non plus a` la pratique d’ignorants, de me´decins incompe´32 33

Ibid., 247 sq. Ibid., 249: « In declinatione [morbi] vero converittur ordo [regiminis], quia incipit regimen a parva quantitate et gradatim augetur usque ad maximam, scilicet consuetam, tanto tempore quantum prima tria [tempora morbi ] duraverunt secundum extimationem artificialem - que si non venit ad exquisitum veritatis, saltem appropinquat. » Cf. Bernard de Gordon, De decem ingeniis curandorum morborum, ed. G. Rouillius, Lugduni 1551, 670: « nam vides et in processu cognoscis quod non bene operatur, nullo modo moreris in errore, sed corrige ipsum […] qui ad ista diligenter consideravit, est possiblile quod cognoscat aut secundum veritatem aut coniecturam proximam veritati, si non est lapis molendini et talibus non scribo. » Cf. D. Jacquart, De la faillibilite´ de l’art me´dical aux erreurs du praticien, une imperceptible marge, dans: Gadebusch Bondio/Paravicini Bagliani (eds.), Errors and Mistakes (nt. 1), 129-146; J. Agrimi/ C. Crisciani, Edocere medicos, Medicina scolastica nei secoli XIII-XV, Naples 1988, 150; Chandelier, Experience, expe´rimentation (nt. 18), 391 sq.

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tents, car ils ne serviraient pas a` illustrer combien le jugement est difficile. Ils ne font pas non plus re´fe´rence a` des signes trompeurs, comme ceux que de´livre l’urine, nuntius fallax par excellence de´nonce´ re´gulie`rement par les auteurs me´decins 34. Les exemples donne´s par Arnaud de Villeneuve illustrent des cas ou` le jugement d’un praticien compe´tent a laisse´ passer un facteur, lors du de´roulement d’une intervention. Ce qui importe pour l’e´dification des de´butants auxquels s’adresse Arnaud de Villeneuve, ce n’est pas tant la relation dramatique d’erreurs fatales, mais au contraire la mention exemplaire d’erreurs qui ont pu eˆtre corrige´es. Re´el ou fictif, l’un de ces cas sert a` illustrer le fait que la connaissance de l’accident fait corriger l’erreur. Il est ainsi relate´ qu’un me´decin fameux, un octoge´naire d’une grande expe´rience, voulut pour la ne´cessite´ de son propre corps recourir a` un bain chaud. Comme ce vieillard, en raison de son aˆge, avait un de´ficit de chaleur naturelle, il fit ajouter des charbons ardents: « Un me´decin fameux, un octoge´naire de grande expe´rience, pour la ne´cessite´ de son corps voulut user d’une e´tuve ou d’un bain de sie`ge. Il y entra donc un jour et, comme il e´tait vieux et de´ficient en chaleur naturelle, il ne lui semblait pas que l’air de l’e´tuve ou du bain de sie`ge fuˆt assez chaud, c’est pourquoi il y fit placer des charbons ardents, et peu apre`s l’un de ses accompagnateurs tomba en syncope et un autre pre`s de de´faillir lui-meˆme le sortit. Voyant ce cas le maıˆtre sortit de l’e´tuve et ainsi ce jourla` l’intervention fut empeˆche´e. Le lendemain, de´sirant revenir, il ne voulut pas eˆtre accompagne´ [dans le bain] par celui qui avait eu une syncope, et fit appel a` un jeune me´decin qui lui e´tait tre`s cher en lui disant qu’il conside`rerait et examinerait l’e´tat du jeune homme, car il craignait qu’une humeur ve´ne´neuse ne soit cache´e dans ses visce`res, du fait de ce qui s’e´tait passe´ dans le bain. S’interposa alors un accompagnateur de la veille ‘certes maıˆtre je crois que si j’e´tais reste´ un peu plus dans ce bain il me serait arrive´ la meˆme chose’. Le jeune me´decin commencX a alors par demander s’ils e´taient entre´s dans le bain apre`s avoir de´jeune´ et ils re´pondirent que non. Puis il leur demanda s’ils avaient fait quelque chose avant, ils re´pondirent que non, sauf que celui qui avait eu la syncope dit: ‘sur l’ordre du maıˆtre j’ai enflamme´ les charbons a` l’exte´rieur en soufflant longtemps dessus et ensuite je suis rentre´ dans le bain’. Le jeune me´decin re´pliqua alors: ‘Il vous arrivera la meˆme chose aujourd’hui si vous placez dans le bain des charbons ardents, car le maıˆtre qui est ici sait bien qu’un homme ne peut vivre que dans un lieu ou` l’air qui est attire´ pour tempe´rer le cœur est plus froid ou d’une moindre chaleur que le cœur. En conse´quence comme vous avez embrase´ l’air de l’e´tuve, vous les jeunes dont le cœur abonde en forte chaleur, vous avez de´failli avant le maıˆtre, lequel, s’il e´tait reste´ plus longtemps, finalement aurait aussi de´failli’. Le vieillard alors en se frappant le front de la paume de sa main connut l’erreur » 35.

III. En conclusion: d’un jug ement conjectural proche de la ve´ rite´ a` une action be´ ne´ fique Sans qu’Arnaud de Villeneuve ne l’explicite, ses auditeurs et lecteurs sont cense´s comprendre que l’erreur de jugement en ce cas vient de l’oubli de la 34

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ˆ ge, « Lire dans un verre la nature de l’homme », Cf. L. Moulinier-Brogi, L’uroscopie au Moyen A Paris 2012, 84-135. Arnaud de Villeneuve, Repetitio super Aphorismo « Vita brevis », ed. McVaugh (nt. 23), 258 sq.

Iudicium difficile: la faillibilite´ du jugement me´dical dans les commentaires

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re`gle selon laquelle l’air inspire´ ne doit pas eˆtre plus chaud que le cœur de la personne. Les jeunes qui ont un cœur de complexion plus chaude que les vieillards sont affecte´s plus toˆt par un air embrase´. D’ailleurs, le maıˆtre octoge´naire s’e´tait prescrit a` lui-meˆme cette entre´e dans une e´tuve dont la chaleur avait e´te´ augmente´e par des charbons ardents, parce qu’il voulait re´tablir sa chaleur naturelle de´faillante, mais il avait a` l’e´vidence verse´ dans l’exce`s et n’avait pas tenu compte de la complexion de ses jeunes accompagnateurs. Ce me´decin ve´ne´rable commit en re´alite´ une double erreur, d’abord en augmentant exage´re´ment la chaleur de l’e´tuve, et ensuite en imaginant une cause errone´e a` la syncope de son accompagnateur, qu’il imputait faussement a` une humeur ve´ne´neuse dans ses visce`res. Mais en bon me´decin, il sut admettre son erreur, accompagnant le geste a` la parole en se frappant le front. Pour un lecteur moderne, il est facile de deviner que les malaises ressentis par les jeunes accompagnateurs venaient d’une probable intoxication au monoxyde de carbone, une cause hors de porte´e de la the´orie de la me´decine me´die´vale, qui fournissait une explication en terme d’intensite´ de chaleur de l’air inspire´. Malgre´ cette ignorance de la cause re´elle, le conseil de ne pas rester dans cet air surchauffe´ et confine´ e´tait adapte´. Prend alors tout son sens l’ide´e exprime´e par Arnaud de Villeneuve et d’autres auteurs me´die´vaux, selon laquelle le praticien doit rechercher avant tout l’utilite´ de son intervention, meˆme si son jugement ne peut qu’atteindre une conjecture proche de la ve´rite´. Malgre´ la faillibilite´ de l’art me´dical, l’erreur pouvait eˆtre corrige´e, a` condition de rester proche de la re´alite´ concre`te et de maintenir une attention constante aux moindres e´volutions, des conseils que la lecture du premier aphorisme d’Hippocrate incitait a` suivre en me´ditant sur les conditions de l’exercice me´dical quotidien et des rudes moments de de´cision qu’il impliquait. Pour en revenir a` l’exemple cite´ par Arnaud de Villeneuve, le me´decin fameux octoge´naire ne s’e´tait pas comple`tement trompe´ en imaginant une sorte d’empoisonnement chez le jeune homme tombe´ en syncope, mais en ne sortant lui-meˆme de l’e´tuve que parce que ses aides en e´taient eux-meˆmes sortis, il n’avait sans doute pas compris que cet « empoisonnement » l’avait aussi atteint et de ce fait n’e´tait pas preˆt a` prendre la bonne de´cision. En imputant la syncope a` la qualite´ de l’air, la conjecture du jeune me´decin e´tait plus proche de la ve´rite´ et, de ce fait, plus apte a` mener a` une action be´ne´fique. Malgre´ la pertinence de l’initiative de ce de´butant, il e´tait toutefois plus ge´ne´ralement admis, comme le soulignait Ugo Benzi, que seule la longue expe´rience de me´decins sachant mener des opera recta permettait de limiter les ine´vitables erreurs de jugement, ou si l’on porte un regard moderne d’en re´duire les conse´quences.

IV. Irren und Sinnestäuschung

Der error sensuum im frühen 12. Jahrhundert: Wie irrtumsanfällig sind olfaktorische, gustatorische und taktile Wahrnehmungen? Zwei Miniaturen Cornelia Selent (Berlin) I. Einleitung In der Anthropologie des frühen 12. Jahrhunderts wird wiederholt die Unzuverlässigkeit der sinnlichen Wahrnehmung thematisiert und als wenig geschätztes Defizit der menschlichen Natur abgewertet. Zwar können Sinneseindrücke und die daraus resultierende opinio wahr sein, aber es gibt keine Garantie dafür. Für die Naturphilosophen bedeutete allein die Möglichkeit des Irrtums ein lästiges Risiko bei der Suche nach objektiven Wahrheiten hinsichtlich der causae naturae. Dabei weist die Degradierung der Sinne bei aller Beharrlichkeit der Autoren eine seltsame Unschärfe auf, denn das Sehen ist überwältigend oft der einzige Perzeptionsmodus, dem Irrtümer in Beispielen nachgewiesen werden. So repetieren Bernhard von Chartres und Wilhelm von Conches die Klage Platons, wenn sie in ihren Kommentaren zum ,Timaeus latinus‘ der Perzeption mit Misstrauen begegnen. Bernhard erklärt zu ,Timaeus latinus‘ 28a - Platon spricht hier allgemein von den irrationales sensus 1: „Meinung entsteht mit der sinnlichen Wahrnehmung dann, wenn jene Wahrnehmung ruht, die irrational genannt wird, da sie sich in der Perzeption der Dinge täuscht und weder sehr kleine noch sehr große Dinge erfasst. Niemand erfasst nämlich mittels der Sinneswahrnehmung die Winzigkeit der Atome oder die Größe des Himmels.“ 2

Abgesehen davon, ob man hier tatsächlich von einem error im Sinne eines Irrtums mit möglichem Korrektiv sprechen kann oder nicht vielmehr die Wahrnehmungsgrenzen des menschlichen Sinnesapparates an sich beklagt werden, 1

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Platon, Timaeus a Calcidio translatus commentarioque instructus, 27e-28a, ed. J. H. Waszink (Plato Latinus 4), London-Leiden 1962, 20: „Est igitur, ut mihi quidem videtur, in primis dividendum, quid sit quod semper est, carens generatione, quid item quod gignitur nec est semper, alterum intellectu perceptibile ductu et investigatione rationis, semper idem, porro alterum opinione cum inrationabili sensu opinabile proptereaque incertum, nascens et occidens neque umquam in existendi condicione constanti et rata perseverans.“ Bernhard von Chartres, Glosae super Platonem, ed. P. E. Dutton (Studies and Texts 107), Toronto 1991, 158: „ Fit enim opinio cum sensu, illo quiescente sensu qui dicitur irrationabilis, quia fallitur in rerum perceptione, et quia nec minima nec maxima comprehendit. Nullus enim parvitatem atomi vel magnitudinem caeli sensu comprehendit.“ (Die recte gesetzten Phrasen sind vom Dutton markierte wörtliche Übernahmen aus dem ,Timaeus latinus‘.)

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steht der unvermögende Blick in den Himmel und in die atomare Winzigkeit für ein generelles Defizit sensualer Fähigkeiten. Eine ähnliche Konzentration auf das Sehen, wenn auch in einem anderen Bezugsrahmen, zeigt der Kommentar Wilhelms von Conches: „Die sinnliche Wahrnehmung nennt man irrational, weil sie oft fehlt geht, wie wenn das Ruder im Wasser gebrochen zu sein scheint, obwohl es ganz ist. […] Der Ursprung einer irrigen Meinung liegt in der getäuschten sinnlichen Wahrnehmung, wie wir einen Stab, obwohl er ganz ist, im Wasser für gebrochen halten, weil sich der Seheindruck täuscht.“ 3

In Wilhelms Beispiel spielen die Wahrnehmungsgrenzen im Sinne eines eingeborenen Vermögens keine Rolle. Er verweist vielmehr auf den error visus innerhalb der Wahrnehmungsgrenzen. Die Crux an der Konzentration auf das Sehen ist, dass die anderen Wahrnehmungsmodi zu leicht aus dem Blick geraten. Dabei lassen sich die Ursachen visueller Fehleindrücke schon bei oberflächlicher Betrachtung nicht ohne weiteres auf die anderen sensus übertragen. Ein wesentlicher Parameter des visus ist, wie die Beispiele von Bernhard und Wilhelm zeigen, neben dem unzureichenden Diskretionsvermögen und der medialen Verzerrung, die Distanz zwischen Betrachter und Objekt. Wie wichtig die Entfernung für den error visus ist, zeigen zudem das Fata-Morgana-Phänomen, von dem der vermutlich von Bernardus Silvestris verfasste Kommentar zu Martianus Capellas ,De nuptiis Philologiae et Mercurii‘ erzählt 4, oder das Sehschärfebeispiel und die scheinbare Sonnengröße aus dem ,Dragmaticon philosophiae‘ Wilhelms von Conches: „[…] zwei Türme, von weitem gesehen, scheinen verbunden zu sein, obwohl sie auseinander stehen; obwohl die Sonne achtmal größer ist als die Erde, scheint sie kaum zwei Fuß groß zu sein.“ 5 Fällt die Entfernung weg, wie im Falle des Tast- und Geschmackssinns, wird es unmöglich, den körpernahen Wahrnehmungen in dieser Hinsicht Irrtümer nachzuweisen. Nun könnte das Problem großzügig mit dem pars pro toto-Argument entschuldigt und zur Seite gelegt werden, doch täte man der philosophischen Wahrheitsfindung damit keinen Gefallen. Denn der generalisierende Begriff sensus zerfällt in fünf diskrete Einzelwahrnehmungen mit je eigenen sensiblen ,Zuständigkeiten‘ und Funktionsweisen. Der Sehsinn fällt weder mit dem sensus allgemein, 3

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5

Wilhelm von Conches, Glosae super Platonem, com. 35, com. 93, ed. E. A. Jeauneau (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 203), Turnhout 2006, 66 sq., 164: „Sensus dicitur irrationabilis, quia multotiens fallit, ut quando remus videtur fractus in aqua cum integer sit. […], principium vero falsae [scil. opinionis] est ex sensu decepto, ut opinamur fractum in aqua baculum cum sit integer quia fallitur visus.“ The Commentary on Martianus Capella’s ,De nuptiis Philologiae et Mercurii‘ attributed to Bernardus Silvestris, 6.168-171, ed. H. J. Westra (Studies and Texts 80), Toronto 1986, 135: „Aliquando enim intuentes vallem vacuam opinamur mare esse […].“ Wilhelm von Conches, Dragmaticon philosophiae, III, 2, ed. I. Ronca (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 152), Turnhout 1997, 60 sq.: „[…]; duae turres, si a longe prospiciantur, quamvis loco distent, videntur coniunctae; sol, cum octies maior sit terra, bipedalis tamen non videtur; […].“

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noch mit dem Hör-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn im Einzelnen zusammen. Dennoch stehen Bernhard und Wilhelm beispielhaft für eine verbreitete Reduzierung des error sensuum auf den visus. Warum exemplifizieren weder sie noch andere Autoren ihre Behauptung nicht anhand des olfactus, gustus oder tactus, und sei es nur um der variatio willen, sondern belassen es bei den perzeptiven Leerstellen und der daraus resultierenden Ungenauigkeit zwischen dem Allgemeinbegriff und den darunter subsumierten Einzelphänomenen? Sind die anderen Sinneswahrnehmungen - auch der auditus - zu unwichtig oder gibt es inhaltliche Schwierigkeiten? Die folgenden Ausführungen können die Fragen zwar nicht befriedigend beantworten, sie zeigen aber Spuren eines gewissen Detailbewusstseins, welches das Problem der irrtümlichen opinio hinsichtlich der fünf Perzeptionsmodi differenzierter angeht. Daran schließt sich zunächst die Frage an, ob es allgemeine Aussagen hinsichtlich einer gestaffelten Irrtumsanfälligkeit der Sinneswahrnehmungen gab. Soweit bis jetzt zu erkennen ist, deutet in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts einzig Wilhelm von Conches eine Hierarchie an. Im ,Dragmaticon philosophiae‘ separiert er den visus von den anderen sensus: „Mag auch jede Sinneswahrnehmung in vielem falsch liegen/urteilen, so ist doch das Sehen die täuschungsanfälligste von allen.“ 6 Und an anderer Stelle: „ Nihil esse falsius visu constans est.“ 7 Leider begründet Wilhelm seine Aussage nicht inhaltlich. Vielmehr scheint sich die Aussage auf die Menge der angehäuften Beispiele zu beziehen, denn im Anschluss an das erste Zitat zählt er fünf Situationen auf, in denen der visuelle Eindruck täuscht 8. Im Vergleich zu Wilhelms umrisshafter Hierarchisierung nehmen sich die Betrachtungen im ,Nemesius latinus‘, übersetzt von Alfanus von Salerno, und in Adelards von Bath Dichtung ,De eodem et diverso‘ ausgesprochen detailfreudig aus. Trotz großer Unterschiede in Gattung und Ton gehören diese beiden Werke einer Zeit an, die philosophiegeschichtlich ab ca. den 1080er Jahren als Beginn einer naturphilosophischen Erneuerung und Anreicherung gilt. Man könnte sagen, ein naturwissenschaftlicher Ruck ging durch einige Orte Europas. Weltschöpfung, allgemeingültige causae naturae und der Mensch als physiopsychologisches Wesen stehen in Übersetzungen und neuen Schriften im Mittelpunkt. Es ist daher nur folgerichtig, wenn die naturphilosophische und teilweise auch poetische Diskurs- bzw. Textlandschaft häufig mit Fragestellungen zur Perzeption durchzogen ist. Vor allem der Verknüpfung von Sinneswahrnehmung und Kognition bringen naturphilosophische Traktate, Kommentare und naturphilosophisch angereichte Dichtungen dieser Zeit ein großes Interesse entgegen. 6 7 8

Ibid., 60: „Quamvis omnis sensus in multis sit falsus, visus tamen omnium est falsissimus.“ Ibid., IV, 13, 120. Ibid., III, 2, 60 sq.: „Quamvis omnis sensus in multis sit falsus, visus tamen omnium est falsissimus. Baculus, cum sit integer, fractus videtur in aqua; duae turres, si a longe prospiciantur, quamvis loco distent, videntur coniunctae; sol, cum octies maior sit terra, bipedalis tamen non videtur; si in nocte aliquis digitis suum premat oculum, videbitur sibi diversi coloris circulos aspicere.“

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Dennoch sind Aussagen selten, die sich dem error des olfactus, tactus und gustus differenzierter nähern. Für die Zeit um 1100 gehen m. E. lediglich die zwei genannten Texte dezidiert darauf ein. II. ,Nemesius latinus‘ in der Übersetzung des Alfanus von Salerno In den 80er Jahren des 11. Jahrhunderts übertrug Alfanus von Salerno erstmals das ,Premnon physicon‘ des Nemesios von Emesa ins Lateinische 9. Alfanus von Salerno und Constantinus Afrikanus waren mit ihren Übersetzungen aus dem Griechischen und Arabischen für die Medizin und anthropologische Naturphilosophie des 12. Jahrhunderts von kaum zu überschätzender Bedeutung. Sie wurden nachweislich in Frankreich von den Naturphilosophen in Paris, Chartres und anderen Städten rezipiert 10. Alfanus, Bischof in Salerno und Dichter einer stattlichen Anzahl von carmina 11, erschloss den mittelalterlichen Lesern des lateinischen Westens eine fundierte Erörterung des Menschen, einschließlich einer ausgedehnten Diskussion der menschlichen Sinneswahrnehmung. Er vermittelte den Zeitgenossen mit Emesius’ Schrift nicht nur faktische Wissensbestände und eine erfrischend unpolemische naturphilosophische Diskursivität, sondern auch ein Bewusstsein für die starke Vernetzung der einzelnen Wissensfelder untereinander. Zur Ausprägung des auffälligen internexus trägt nicht zuletzt der differenzierte Blick auf die fünf Sinneswahrnehmungen einen gewissen Teil bei. Bereits in der ersten Erörterung - der des visus - wird die Komplexität der Zusammenarbeit aller sensus offenkundig. Dass die Diskussion um den error sensuum in das Kapitel De visu und nicht in eines der vier folgenden Einzeldarstellungen der Sinneswahrnehmungen integriert ist, ist angesichts der ,traditionellen‘ Visuslastigkeit des error-Problems nur folgerichtig. Welche Überlegungen zum 9

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Nemesii Episcopi Premnon Physicon sive PERI FYSEVS ANTRVPOY Liber a N. Alfano Archiepiscopo Salerni in Latinum translatus, ed. C. Burkhard, Leipzig 1917 (im Folgenden als Nemesius latinus/Alfanus ausgewiesen). 1165 wurde der Traktat erneut - dieses Mal vollständig von Burgundio von Pisa übersetzt, Ausgabe Ne´me´sius d’E´me`se, De natura hominis, Traduction de Burgundio de Pise, edd. G. Verbeke/J. R. Moncho (Corpus Latinum Commentariorum in Aristotelem Graecorum, Suppl. 1), Leiden 1975. Zur Rezeption cf. H. Brown Wicher, Nemesius Emesenus, in: F. E. Cranz/V. Brown/P. O. Kristeller (eds.), Catalogus translationum et commentariorum: Medieval and Renaissance Latin Translations and Commentaries, Vol. 6, Washington D.C. 1986, 31-72; zu den sensus cf. Th. Halton, The Five Senses in Nemesius, De natura hominis and Theodoret, De providentia, in: Studia Patristica 20 (1989), 94-101; Th. W. Köhler, Grundlagen des philosophisch-anthropologischen Diskurses im dreizehnten Jahrhundert. Die Erkenntnisbemühung um den Menschen im zeitgenössischen Verständnis (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 71), Leiden e. a. 2000, 89-93; auch zu Constantinus Africanus cf. v. a. die Beiträge im Sammelband Constantine the African and Alı¯ ibn al-Abba¯s al-Magˇu¯sı¯. The Pantegni and Related, eds. Ch. Burnett/D. Jacquart (Studies in Ancient Medicine 10), Leiden e. a. 1994. I carmi di Alfano I Arcivescovo di Salerno, edd. A. Lentini/F. Avagliano (Miscellanea Cassinese a Cura dei Monaci die Montecassino 38), Montecassino 1974.

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differenzierten error sensuum unterbreitete Nemesius latinus den Gelehrten des 12. Jahrhunderts? Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass ein sensibile durch mehrere Wahrnehmungsmodi gleichzeitig erfasst wird. Diese synthetisierende Wahrnehmung ermöglicht die Korrektur eines irrtümlichen Eindrucks durch eine andere Wahrnehmung. Nemesius erläutert dies am Beispiel des Apfels. Der Apfel wird aktualiter nicht nur aufgrund seiner Form und Farbe als ein solcher erkannt, sondern auch durch geschmackliche und olfaktorische Merkmale, die sich über eine Reaktivierung der memoria am Erkenntnisakt beteiligen 12. Nemesius flicht im nächsten Schritt kurz eine Unterscheidung zwischen der Sinneswahrnehmung per se und deren kognitiver Verarbeitung ein: „Wenn wir also glauben, ein weißer Apfel wäre rot, irrt sich nicht der visuelle Wahrnehmungsakt, sondern die Unterscheidungsfähigkeit [der Seele]. Denn die visuelle Wahrnehmung kann sich in den ihr eigenen Wahrnehmungsparametern nicht irren, sie erkennt Farbe und Form.“ 13 Anselm von Canterbury übernimmt schon Anfang des 12. Jahrhunderts in ,De veritate‘ die Unterscheidung von sensus exterior und sensus interior, die erst im 13. Jahrhundert fester Bestandteil der Wahrnehmungspsychologie ist 14. Für die Zeit um 1100 muss man im Allgemeinen aber festhalten, dass sensus exterior und interior nicht immer deutlich differenziert werden, weder inhaltlich noch terminologisch. Schon im ,Nemesius latinus‘ geht die Unterscheidung im Verlauf der Problemdarstellung sozusagen verloren. Nemesius differenziert die fünf Perzeptionsmodi nun zunächst aus, bevor er auf die Mechanismen des error eingeht. Das Sehen, Hören und Riechen nehmen aufgrund des Übertragungsmediums ,Luft‘ nicht nur exteriora aus der unmittelbaren Nähe wahr, während der Geschmackssinn ganz auf den unmittelbaren Nahkontakt angewiesen ist. Der Tastsinn arbeitet sowohl medial vermittelt - hier beispielsweise durch einen Stock oder Pilgerstab (fustis) - oder unmittelbar durch direkten Kontakt mit dem sensibile 15. Diese Distanzeigenheiten ergänzen sich zu einem Zusammenspiel von Nah- und Fernwahrnehmung aus dem sich ein Sicherungssystem im Falle falscher oder unsicherer Sinneseindrücke rekrutiert: 12

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Nemesius latinus/Alfanus (nt. 9), 79 sq.: „Eadem ratio est in malo. Si enim non ex solo colore et figura specificatur malum, sed odore etiam et qualitate ad gustum pertinente, non iam visus hoc apprehendens vidit, quod malum esset, sed anima memoriam servans odoris et gustus, simul ut vidit, congnovit et haec cum figura et colore.“ Ibid., 80: „Quando igitur album malum putamus esse rubeum, non est visus, qui errat, sed virtus dinoscibilis. Colorem namque et figuram percepit.“ Anselm von Canterbury, De veritate, VI, ed. F. S. Schmitt (Opera omnia 1), Stuttgart-Bad Cannstatt 1968, 183: „Non mihi videtur haec veritas vel falsitas in sensibus esse, sed in opinione. Ipse namque sensus interior se fallit, non illi mentitur exterior.“ Zum sensus exterior und sensus interior cf. J. A. Tellkamp, Sinne, Gegenstände und Sensibilia. Zur Wahrnehmungslehre des Thomas von Aquin (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters Vol. 66), Leiden e. a. 1999. Nemesius latinus/Alfanus (nt. 9), 80: „Tres igitur sensuum, hoc est visus et auditus et odoratus exteriora nec etiam propinquantia comprehendunt per medium aerem. Sed gustus non aliter sentit, nisis adiungatur sensibili. Tactus autem agit utrumque. Etenim sentit adiunctus corporibus et quandoque per medium fustem.“

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„Daher bedarf der Seheindruck zuweilen eines Zeugnisses [testimonium] durch die anderen Wahrnehmungen, wenn das, was künstlich scheint und zur Irreführung hergestellt wurde, wie im Falle einer Skulptur. Denn die Aufgabe einer Skulptur ist es, den Seheindruck durch körperliche Ausgestaltung von Nichtexistierendem zu täuschen. In der Natur eines Dings liegt es, dass [der Mensch], um richtig zu erkennen, manchmal vor allem auf den Tastsinn angewiesen ist, zuweilen auch auf den Geschmacks- oder Geruchssinn, wie im Falle des weißen Apfels […].“ 16

Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn sind nach Nemesius’ Darstellung offensichtlich zuverlässigere Perzeptionsmodi als der visus. Die körpernahen sensus können falsche, aus der Ferne empfangene Seheindrücke korrigieren oder Gewissheit bei unsicheren Eindrücken geben. Dabei muss immer der error des visus korrigiert werden, während gerade der tactus ein äußerst zuverlässiges testimonium liefert und kaum irrtumsanfällig zu sein scheint. Auf die perzeptive Autokorrektur des Wahrnehmungssystems, insbesondere auf die Zusammenarbeit von visus und tactus, weist Nemesius auch in ,De tactu‘ hin: „In der Tat berichtigt der eine die Fehler des anderen. Wenn nämlich der visus gewisse Erhebungen an einer Skulptur sieht, wie die Nase und andere, korrigiert der hinzutretende tactus den Fehler des visus.“ 17 Das zuverlässige testimonium des Tastsinns und die hohe Irrtumsanfälligkeit des Sehsinns hängen eng mit dem jeweiligen Übertragungsmedium zusammen. Das Sehen ist besonders anfällig, weil der Blick, wie Nemesius anführt, Nebel, Rauch und dergleichen Lufttrübungen, Wasser, durch Blendung oder zu schnelle Bewegungen getäuscht wird 18. Für den error visus existieren im Verhältnis zu den anderen sensus wesentlich mehr Fehlerquellen (Übertragungsmedium, Licht, Bewegung). Nemesius zählt sogar explizit auf, welche äußeren Bedingungen für einen verlässlichen Seheindruck herrschen müssen 19. Demgegenüber sind Tast- und auch Geschmackssinn aufgrund ihrer spezifischen me16

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Ibid.: „Aliquando igitur visus indiget testimonio aliorum sensuum, cum, quod apparet, fuerit artificio factum ad errorem, ut in sculptura. Sculpturae namque opus deviare visum prominentiis non existentibus et concavationibus in re habet naturam, ubi opus est ad dinoscentiam tactu quidem maxime, aliqumado etiam et gustu vel odoraru ut in albo malo; […].“ Ibid., 83: „Etenim alterius delicta alter corrigit. Cum enim visus sculpturae eminentias quasdam videt, ut nasi et aliorum, tactus accedens correxit ipsius delictum.“ Nemesius geht es hier erneut darum, dass die Skulptur als echtes Wesen gesehen/wahrgenommen werden könnte, ein Irrtum, den der Tastsinn bei Berührung schnell korrigieren kann. Ibid., 80 sq.: „Decipitur autem etiam, cum viderit per nebulam sive fumum aut aliquid similium visum disturbantium. Similiter quoque, cum per aquam se moventem aliquid viderit; etenim in mari remum tamquam confractum videt. Similiter autem et, cum per aliquam splendentem materiam inspexerit, ut per specularia et vitrum et alia huiusmodi. Sic quoque, cum velociter movetur visibile. Conturbat enim visus citatus motus, ut rotunda non rotunda videat et, quae moventur, tamquam stantia.“ Erinnert sei hier nochmals an Wilhelm von Conches (nt. 8), der ebenfalls zahlreiche errores versammelt. Nemesius führt noch einen weiteren Grund an und wiederholt seine Unterscheidung zwischen äußerem und innerem Sinn: „Errat quoque, cum mens ab aliis impeditur, ut cum praesenti loqui amico et loqui postea discedente ipso, cum mens eius aliis intendat. Nec hoc autem est delictum visus, sed mentis. Cum enim vidit, locutus est, sed mens postea non intendit sermonibus“ (ibid., 81). Ibid., 81: „Quattuor igitur maxime ad perficiendam dinoscentiam visus indigent: illaeso sensu, moderato motu et distantia, aere puro et lucido.“

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dialen Übertragungsbedingungen beim Menschen besonders ausgeprägt und damit auch zuverlässig: „Der Mensch hat diesen Wahrnehmungssinn [scil. tactus, C.S.] auf vollkommene Weise, wie er auch im Geschmackssinn alle anderen Lebewesen übertrifft […].“ 20 Der Geschmackssinn wird in dieser Hinsicht auch Adelard noch beschäftigen. III. Adelards von Bath ,De eodem et diverso‘ Der englische Übersetzer, Philosoph, Dichter, Reisende und Lehrer Adelard von Bath schrieb vermutlich zwischen 1105 und 1124 seine satirische Traumvision ,De eodem et diverso‘ 21. Darin liefern sich Philocosmia und Philosophia als Repräsentantinnen zweier scheinbar kategorisch getrennter Lebensentwürfe ein heftiges Wortgefecht. Thematisch steht der Streitdialog den mittelalterlichen altercationes zwischen Leib und Seele sowie Tugenden und Lastern nahe 22. Anders aber als in den durchgängig versifizierten Streitgedichten alternieren Prosaund Verspartien in Anlehnung an die prosimetrischen Dichtungen des Martianus Capella und Boethius. Nicht nur formal, auch inhaltlich geht ,De eodem‘ über die bekannten altercationes hinaus, denn die streitentenden Personifikationen schleudern einander neben moralischen auch ausgesprochen naturphilosophische Argumente entgegen. Diese spezifisch philosophische Ausrichtung ist für die literarische Gattung des Streitgesprächs (nicht nur) in Adelards Zeit m. E. singulär. Treffen invektivischer Eifer und Naturphilosophie aufeinander, kann, wie im vorliegenden Fall, eine ungewöhnliche Dichtung entstehen, die eben nicht nur moralische Übel aufruft und anprangert, sondern das Bestehen auf Wahrheit und die strikte Ablehnung von epistemologischen Irrtümern in den satirischen Strudel wirft. Dabei arbeiten sicheres, unsicheres und irrtümliches Wissen hervorragend mit den moralischen Lagern zusammen. Angesichts der Schlüsselposition, die der sinnlichen Wahrnehmung beim Erwerb von Wissen und Kenntnis über die res naturae zukommt, formt Adelard deren satirische Verarbeitung zu einem literarischen Höhepunkt. Kurz zum Inhalt von ,De eodem‘: Adelard berichtet seinem Neffen von einem Tagtraum, den er als junger Mann gehabt habe, als er sich für seine philosophischen Studien bei Tours an einen ruhigen Ort außerhalb der Stadt zurückzog. 20

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Nemesius latinus/Alfanus, (nt. 9), 84: „Perfectissimum namque habet hunc sensum [scil. tactus, C.S.] homo, ut hoc etiam et gustu cetera excellat animalia, […].“ Adelard von Bath, De eodem et diverso, in: Ch. Burnett (ed. and transl.), Adelard of Bath. Conversations with his Nephew. On the Same and the Different, Questions on Natural Science, and On Birds (Cambridge Medieval Classics 9), Cambridge 1998. Zur Autorschaft, Entstehungszeit und Überlieferung cf. ibid., Introduction, xi-xxii; auch die Beiträge im Sammelband Adelard of Bath. An English Scientist and Arabist of the Early Twelfth Century, ed. Ch. Burnett, London 1987. Dazu besonders H. Walther, Das Streitgedicht in der lateinischen Literatur des Mittelalters (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 5,2), München 1920.

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Ganz den Blick nach innen gekehrt erscheinen ihm zwei Frauengestalten, die Personifikation der Weltliebe Philocosmia und die der Liebe zur Weisheit Philosophia. Über die Herkules-am-Scheideweg-Frage, ob Leben und Lebenswerk den weltlichen oder den philosophischen Dingen gewidmet werden sollten, streiten beide Damen mit Hilfe ihrer Unterstützerinnen 23. Philocosmia ergreift zuerst das Wort und führt das Thema sensualitas sowohl im moralischen wie naturphilosophischen Kontext an. Anhand von Divitie, ihrer ersten pedissequa, kontrastiert sie den weltlichen Reichtum mit der armseligen Erscheinung des Typus ,Philosoph‘. Den entscheidenden Brückenschlag von der Moral hin zum philosophischen Diskurs gestaltet Adelard über das Thema ,Erkenntnis‘ (cognoscere) 24. So behaupten diese armseligen aber nichtsdestotrotz ruhmsüchtigen Philosophen, nur wer wie sie die causae rerum kennen würde, sei glücklich; weltlichen Reichtums bedarf es da nicht. Aber, so Philocosmia, noch nicht einmal dies erreichen sie tatsächlich, da sich selbst die größten philosophischen Geister über die causae nicht einig seien. Was ist da schon die Vernunft/ der Verstand wert? Gegen den angeblichen Vorrang der ratio über die sensualitas führt sie die verwirrende Anzahl philosophischer Meinungen in Bezug auf die nicht sinnlich wahrnehmbaren Dinge an, denn diese Divergenzen lassen auf ein fragliches Urteilsvermögen der ratio schließen. Ausgerechnet die Verfechter der spekulativen Wahrheitssuche im Reich der Intelligibilia meinen, die Urteilsfähigkeit der Perzeption verurteilen und der ratio unterordnen zu dürfen: „Sie behaupten nämlich, dass es kein sicheres Urteilsvermögen der sinnlichen Wahrnehmung gibt; weder den Augen, noch den Ohren oder übrigen (Sinnesorganen) darf man trauen. Wenn sie sich (selbst) dieses Geschenks beraubten, sollten sie anders denken! O wären sie nur alle blind und taub! Und zurecht! Wie sie sagen, folgen sie nämlich dem Verstand. Es gibt nichts Blinderes als diesen, weil sie lügen, wenn sie (angeblich) das, was nicht aktualiter an Dingen ist, sehen. Und sie vertrauen dem Verstand!“ 25

Wie so oft, wenn der philosophische Blick auf die Welt im Mittelpunkt steht, verschwinden das Riechen, Schmecken und Tasten im ceteri („ nec oculis nec auribus ceterisque credendum esse“). Philosophias Replik auf den Angriff gegen die ratio zugunsten der sensualitas entbehrt nicht zuletzt deshalb einer gewissen Komik, weil sie das ungeschriebene und ebenfalls von Philocosmia eingehaltene ,Gesetz‘ der Nichterwähnung der drei ,unphilosophischen‘ Wahrnehmungen im Erkenntnisdiskurs durchbricht. Kurz zum weiteren Verlauf der Szene: Philocosmia preist nach Divitie noch 23

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Beide Damen haben ihre allegorischen pedisseque: Philocosmia folgen (in der Reihenfolge ihres jeweiligen ,Auftritts‘) Divitie, Potentia, Dignitas, Fama, Voluptas; Philosophia vereint hinter sich Grammatica, Rhetorica, Dialectica, Arithmetica, Musica, Geometria, Astronomia. Adelard von Bath, De eodem (nt. 21), 8-11. Ibid., 10: „Aiunt enim nullam esse certificationem sensuum, nec oculis nec auribus ceterisque credendum esse. Quo munere si priventur ipsi, aliter sentiant! Utinamque omnes ceci surdique efficiantur! Ac merito. Sequuntur enim, ut dicunt, rationem ducem, qua nichil cecius est, cum id quod nichil in actu rerum est se videre menciantur, hiique ei fidem habent.“

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Potentia, Dignitas und Fama an, bevor sie ihre Werberede mit Voluptas abschließt 26. Philosophia ergreift nun ihrerseits das Wort und zielt sogleich in das Zentrum der philosophischen Disziplin: Ideenlehre, Entstehung der Welt, Ursachen, Seelenlehre des Menschen, Erkenntnisphilosophie 27. Dabei führt sie nicht nur die vera speculatio als Modus der Erkenntnis an, sondern erklärt auch die Widersprüche zwischen der platonischen und aristotelischen Philosophie und hebt sie damit auf. Der Duktus ihrer Rede ist ihrer persona entsprechend im Affekt ,wohltemperiert‘, rational argumentativ und weit entfernt von satirischer Gehässigkeit, welche die Rede der Philocosmia charakterisierte. Erst als sie sich an deren Behauptung, nichts sei blinder als die ratio, erinnert, schlägt der Ton um: Philosophia verliert ihre Haltung, ja man kann von einem veritablen Ausraster sprechen, der in komischem Kontrast zur Dignität der Figur steht. Dass das Problem sensualitas vs. ratio besonders affektgeladen ist, zeigte sich bereits bei Philoscosmia: ihr halfen am Ende der Rede nur zornige Ausrufe und die Flucht in eine gebundene Sprache - sie kanalisiert ihren inneren Aufruhr am Ende in 6 elegische Distichen 28 - um ihrer Rage Herr zu werden. Die Rhetorik der Philosophia folgt dem gleichen Schema der affektiven Zuspitzung. Dabei rechtfertigt, vielmehr fordert ihre Invektive gegen die Sinneswahrnehmungen eine Steigerung, welche Adelard über die Ausdifferenzierung der fünf Perzeptionsmodi realisiert. Philosophia zerpflückt jede einzelne Wahrnehmung erbarmungslos, denn „ nichil sensibus fallacius“ 29. Es beginnt zunächst recht harmlos. Sie rechtfertigt ihr vernichtendes Urteil mit dem bekannten sensualen Defizit von Auge und Ohr hinsichtlich philosophischer Bedürfnisse: „Zuerst einmal, weil die sinnliche Wahrnehmung weder bei den größten noch kleinsten Dingen etwas vermag. Wer hätte nämlich jemals die Weite des Himmels mit dem Blick ermessen? Wer den Ton desselben und die himmlische Harmonie mit den Ohren erfasst? Wer unterschied mit dem Auge die Kleinheit des Atoms? Wer bemerkte mit dem Ohr je den Klang, den Atome beim ihrem Zusammenstoß verursachten?“ 30

Im nächsten Schritt endlich greift sie bissig die Ungeheuerlichkeit an, auch Geruchs-, Tast- und Geschmackssinn könnten der ratio überlegen sein: „Set ,pingui,‘ ut dicunt ,agamus Minerva‘.“ „Handeln wir wie die sogenannte fette Minerva“, d. h. betreiben wir eine vulgäre Beweisführung 31. Diese Vulgarität äußert sich in erster Linie in der Wahl der Feige als sensibile, an dem der weitere Beweis 26 27

28 29 30

31

Ibid., 12-17. Ibid., 16-19. Dazu A. Speer, Die entdeckte Natur. Untersuchungen zu Begründungsversuchen einer „scientia naturalis“ im 12. Jahrhundert (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 45), Leiden e. a. 1995. Adelard von Bath, De eodem (nt. 21), 12. Ibid., 24. Ibid.: „Primum, quia nec in maximis nec in minimis rerum sensus vigent. Quis enim umquam celi spacium visu comprehendit? Quis sonum eiusdem celestemque concentum auribus clausit? Quis item athomi parvitatem oculo distinxit? Quis sonum eisdem athomis collisis creatum aure notavit?“ Ibid.

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durchgeführt werden soll, ist die Frucht doch eine gehässige Anspielung auf die körperlich-sinnlichen Freuden der Voluptas 32. Noch wenige Seiten zuvor pries Philocosmia mit ihrem strategisch klug gesetzten Finalargument ,Voluptas‘ den Weltdienst als sinnliche Rundumversorgung an: Dienst an der Welt, heißt Dienst am Körper um des angenehmen Vergnügens willen. Und Voluptas lehrt, sich am Duft wohlriechender Salben und Blumen zu weiden, sich süßen Gourmetfreuden hinzugeben; es folgen Augen- und Ohrenschmaus und an im wahrsten Sinne des Wortes einprägsamster Stelle am Ende steht das Vergnügen taktiler Genüsse, ohne allerdings allzu deutlich zu werden: „Damit nicht irgendein Teil des Körpers nicht dem Vergnügen dient, hat sie (Voluptas) die gesamte Oberfläche des Körpers mit taktilen Verlockungen überzogen.“ 33 Die Feige markiert darüber hinaus, wie Philosophia mit der pinguis Minerva deutlich macht, den Bruch mit der philosophischen Betrachtung. Statt der dignitas des unvergänglichen Himmels und der unteilbaren Atome ist die Baumfrucht von nur allzu irdischvergänglicher Natur. Trotz des satiregetränkten ,Abstiegs‘ in die irdischen Niederungen hält Philosophia an einer ernsthaften Beweisführung hinsichtlich der cognitio fest. Steuerndes Kriterium ist die Distanz zwischen Wahrnehmungsgegenstand und Wahrnehmendem. Wie zuverlässig sind also die sinnlichen Auskünfte über die Feige? „Wenn du etwa von weitem die Form einer Feige erblickst, ist es dann notwendigerweise eine Feige? Es gibt andere Dinge von ähnlicher Form, die in der Substanz aber verschieden sind. Was wenn du den Tastsinn zu Hilfe nimmst, es gibt auch andere Körper von der gleichen Weichheit. Du wendest dich dem Geruch zu. Aber es könnte sich den Geruch durch den Kontakt mit Feigen akzidentiell zugezogen haben. So ist es notwendig, dass du die Zähne hineindrückst.“ 34

Das Ergebnis ist niederschmetternd: Der Seheindruck hat versagt, ebenso der Tast- und Geruchssinn. Letztendlich hilft nur ein herzhafter Biss in das corpus delicti um eine Fehlannahme endgültig auszuschließen. Doch selbst dieser Test, der mehr eines Hundes denn eines wahre Erkenntnis suchenden Gelehrten würdig sei, kann noch fehlgehen 35. Jetzt würde man allerdings gern von der aufgebrachten Philosophia erfahren, um welches Objekt es sich nach dem lückenlosen 32

33

34

35

Zur sexuellen Symbolik der Feige cf. die Sprichwörter im Thesaurus Proverbiorum Medii Aevii, ed. Kuratorium Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, Vol. 3, Berlin-New York 1996, 192 sqq. Adelard von Bath, De eodem (nt. 21), 14 sqq.: „Hec [scil. Voluptas, CS.] ita sensibus nostris preest ut ei soli servire malint. Hec enim unguentis oblitos, floribus redimitos, odoratu pasci docuit; hec melleos Bachiosque latices gustare ammonuit; hec auro ac gemmis ceterisque rerum formis insitire oculos iussit; hec univeris tinnitibus rata modulatione constantibus, quos Greci SYNFVNIAS vocant, aures animantium adhibuit; hec demum, ne qua pars corporis voluptati non serviret, illecebros tactus toti superficiei corporis subtexit.“ Ibid., 24: „Num si eminus coctani formam aspicias, id ideo coctanum esse necesse est? Set sunt et alia forma similia, substantialiter tamen diversa. Quod si ad tactum recurras, sunt et alia eiusdem lenitatis corpora. Odoratum advertis. Atqui potuit sibi ex coctanorum contactu odorem accidentalem attraxisse. Sic necesse est ut dentes imprimas.“ Ibid.: „O argumentum perspicuum quod magis cani quam homini conveniens est! Sed nec huic credendum est cum sepissime fallat.“

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sinnlichen Testdurchgang statt der Feige handeln könnte. Unabhängig vom Zusammenspiel der Sinneswahrnehmungen, ist der Beweis für das Sehen, Tasten und Riechen durchaus schlüssig, weil er begründet wird. Der Sehsinn kann sich aufgrund der Distanz irren, der Tastsinn an der wenig individualisierenden Weichheit und der Geruchssinn aufgrund von Kontamination. Doch der Geschmackssinn erweist sich als hartnäckig widerständig, denn Philosophia gesteht mit dem Biss in die Frucht ein, dass dem Geschmackssinn eben kein Irrtum über das Objekt ,Feige‘ unterläuft, sondern endgültige Gewissheit eingeholt werden kann, auch wenn sie am Ende meint, dass sich der gustus ebenfalls irren kann, um mit dieser unbewiesenen Behauptung allgemein sagen zu können: „Was anfällig für Täuschung ist, kann die Wahrheit treffen, beweisen kann es sie aber nicht.“ 36 Philosophia streut dem Leser Sand in die Augen. Mit ,Nemesius latinus‘ im Hintergrund wird das umso deutlicher. Tast- und Geschmackssinn qualifizierte Nemesius als ausgesprochen zuverlässiges testimonia. Adelard gelingt es zwar, seine Feststellung zum Tastsinn im Dienst der Invektive auszuhebeln, nicht aber die zum Geschmackssinn. Eine überzeugende Begründung für den error gustus bleibt uns Philosophia also schuldig. Sie arbeitet an dieser Stelle aus Erklärungsnot tatsächlich wie ein ,fette Minerva‘. Philosophias Kritik bleibt nicht an diesem Punkt stehen. Sie fährt etwas beruhigter fort und beklagt, dass die sensus nicht nur die Wahrheit nicht erforschen (investigare), sondern sogar den Geist an der investigatio hindern. Arbeitet der Mensch geistig hochkonzentriert, machen laute und unangenehme Geräusche, grelles Licht und ähnliche Umweltbedingungen die Konzentration zunichte 37. Es bleibt der narrativen Finesse Adelards überlassen, aus der theoretischen Betrachtung eine real-fiktive Situation zu kreieren: In der Eingangserzählung schildert er, wie oben kurz erwähnt, seinen Rückzug aus der Stadt an einen locus amoenus, der die enge Verbindung zwischen der sinnlichen Wahrnehmung und den Bedingungen kognitiver Aktivitäten unter Einbeziehung der olfaktorischen Bedingung offen legt: „Und weil ein Ort gewöhnlich einigen sinnlichen Einfluss auf die Seele/dem Geist hat, sei es ein beruhigender oder verwirrender, habe ich mir diesen möglichst ruhigen Ort außerhalb der Stadt ausgesucht, an dem mich nichts weiter als Blumendüfte und das Murmeln der Loire stören.“ 38 Verschwieg auch der theoretische Diskurs die Relevanz und Spezifik des olfactus, implementiert die narratio auf unauffällige, da so selbstverständliche Weise die Geruchswahrnehmung völlig zurecht als wesentliche Umweltkomponente wenn es um kognitive Tätigkeiten geht. Auch Bernardus Silvestris optimiert bekannt36 37

38

Ibid.: „Quod enim fallax est, verum quidem incidere potest, certificare autem non potest.“ Ibid., 24 sq.: „Deinde non modo non investigant, set etiam ab veri investigatione animum violenter extrudunt. Cum enim anima in aliqua noticia aciem fixerit, fit ut aut auribus sonus instrepat aut lux oculos feriat aut aliquo tali motu inquietetur. Itaque tumultu sensuali usque ad sedem anime occursante, ipsa ab investigatione sua fatiscit.“ Ibid., 6: „Et quia locus non nichil quietis turbationisve sensuali tumultu anime inferre solet, hunc michi quam quietissimum eligo, extra civitatem - scilicet ubi me nichil preter odores florum et Ligeris fluminis fragores inquietaret.“

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lich seinen irdischen Paradies- und Fantasieort Gramision in der Cosmographia visuell, akustisch und olfaktorisch derart, dass Physis hingebungsvoll und konzentriert über die Kategorien des Aristoteles nachsinnen kann 39. IV. Resümee Werden ,Nemesius latinus‘ und Adelard von Bath nebeneinander gestellt, zeigen sich bemerkenswerte Parallelen und Widersprüche. Nemesius weist dem Tastsinn als Vergewisserungsinstanz und Korrekturmittel visueller Irrtümer einen sehr hohen Wert zu. Der Grund für dessen sensuale ,Treffsicherheit‘ liegt in der Annahme begründet, der Mensch sei unter allen animalia mit dem besten Tastsinn ausgestattet. Im Umkehrschluss lässt sich sagen, dass der tactus in einer Hierarchie der Irrtumswiderständigkeit den obersten Platz einnimmt. Gibt man Nemesius Recht, hat es Adelard mit der satirischen Degradierung nicht leicht. Dennoch findet er einen Schwachpunkt in der Theorie vom hochempfindlichen Tastsinn des Menschen, den er Philosophia in den Mund legen kann. Demnach bezieht sich die hohe Diskretionskraft auf die Abstufungen innerhalb der dem tactus zugänglichen qualitates (im ,Nemesius latinus‘ warm, kalt, weich, hart, zähflüssig, flüssig, schwer, leicht, spitz, stumpf, rau, sanft, trocken, feucht, dickstofflich, dünnstofflich etc.) 40, sie kann aber bei einer Oberflächenbeschaffenheit, die mehreren res gemeinsam ist, nicht mit Sicherheit bestimmungsrelevante Merkmale individueller res (hier der Feige) über die kognitive Verarbeitung erkennen. Anders verhält es sich bei dem Geschmackssinn. Nemesius positioniert ihn in unmittelbarer Nähe zum tactus, wenn es um ein zuverlässiges testimonium des sinnlichen Eindrucks geht und Adelard bestätigt ex negativo diese Zuordnung über die misslungene ,Beweisführung‘ Philosophias. Vielleicht ist das Versagen des erfindungsreichen Dichterfurors die beste Bestätigung für die hohe Resistenz des Geschmackssinns gegen irrtümliche Rückschlüsse. Der misslungene Versuch Philosophias, den gustus des Irrtums zu überführen - vielleicht kann man darin auch eine Satire auf die Satire sehen -, korrespondiert mit der Beobachtung des Nemesius, dass Körpernähe und mediale Unmittelbarkeit mögliche errores des jeweiligen Sinneseindrucks erheblich verringern. Tactus und gustus sind zwar für den Wissenserwerb von geringerer epistemologischer Relevanz als das Sehen und Hören, sie sind aber als Vergewisserungsinstanzen und Korrekturmittel besonders für das Sehen von hohem Wert. 39

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Bernardus Silvestris, Cosmographia, ed. P. Dronke (Textus Minores 3), Leiden 1978. Zu Leben und Werk des Bernardus cf. ibid., 1-15. Nemesius latinus/Alfanus (nt. 9), 83: „Sensibile igitur proprium est tactus calidum et frigidum, molle et durum, viscosum et liquidum, grave et leve; per solum namque tactum haec dinoscuntur. Communia vero sunt tactus et visus haec: acutum et hebes, asperum et lene, siccum et humidum, grossum et tenue, superius et inferius et locus et magnitudo, cum fuerint talia, ut per unam occupationem tactus possint comprehendi; densum quoque et rarum nec non et rotundum, cum fuerit parvum, ut et quaedam aliae figurae.“

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Der olfactus nimmt eine besondere Stellung ein. Nemesius zählt ihn, wie gesehen, ebenfalls zu den zuverlässigen sensus, aber Adelard hat auch hier klugerweise mit der Kontaminationstheorie eine Lücke im System erkannt. Es ist wiederum das literarische Medium, welches den Raum für eine differenzierte Betrachtung des error sensuum öffnet. Satirisches Schreiben fordert Übertreibung, die sich im Fall der naturphilosophischen Satire in Differenzierungswut und dem Auffinden von Irrtumsursachen jenseits des philosophischen Diskurses äußert und bestehende Aussagen dank der poetischen Lizenz hinterfragt. Adelards innovativer Vorstoß, konkrete Situationen eines error gustus, olfactus und tactus zu benennen, bleibt mindestens für die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, wenn nicht sogar darüber hinaus, singulär. Der Dichter versucht jene Hierarchie der Irrtumsanfälligkeit innerhalb der Perzeptionsmodi, die ,Nemesius latinus‘ erkennen lässt, zu widerlegen. Ein tatsächlicher Diskurs etablierte sich allerdings nicht, denn auch die Aussagen des Nemesius fanden keinen Widerhall in den Texten der Zeit.

Können Tiere irren? Philosophische Antworten aus dem 13. und 14. Jahrhundert Anselm Oelze (Helsinki) 1

„Irren ist menschlich“, sprach der Igel und stieg von der Klobürste.

Die Frage, ob Tiere irren können, mag zu trivial sein, um sie überhaupt stellen zu müssen. Schließlich fallen jedem von uns auf Anhieb etliche Beispiele von Tieren ein, die in irgendeiner Situation einem Irrtum aufgesessen sind. Eines der bekanntesten Beispiele für einen tierischen Irrtum aus der jüngeren Philosophie des Geistes ist zweifelsohne das folgende, das ausführlich von Donald Davidson und Norman Malcolm diskutiert wurde 2. Ein Hund jagt einer Katze hinterher. Die Katze rennt, um dem Hund zu entkommen, auf eine Eiche zu. Im letzten Moment schlägt sie jedoch einen Haken und rettet sich auf einen benachbarten Ahorn. Der Hund hat dieses Manöver nicht mitbekommen und so beginnt er, die Eiche anzubellen, auf der die Katze aber gar nicht sitzt. Ohne langes Nachdenken würden wir wohl sagen, dass der Hund hier einem Irrtum erlegen ist. Er irrt sich, wenn er die Eiche für jenen Baum hält, auf dem die Katze sich befindet. Auch in der Philosophie des Mittelalters sind Schilderungen über die Irrtümer von Tieren zu finden. So geht beispielsweise Albertus Magnus in seinem Quästionen-Kommentar zu Aristoteles’ Tierbüchern (,Quaestiones super De animalibus‘) der Frage nach, weshalb Wölfe sich auf freiem Feld nicht fürchten, wohl aber im Wald recht ängstlich sind. Seine Antwort ist ebenso kurz wie einfach: Im Wald kommt es durchaus vor, dass ein Wolf einen Baum für einen Menschen hält. Dies jagt ihm natürlich einen gehörigen Schrecken ein. Auf dem freien Feld 1

2

Der Autor dankt dem European Research Council (ERC Grant Agreement Nr. 637747) für die Förderung der Arbeit am vorliegenden Beitrag. Cf. N. Malcolm, Thoughtless Brutes, in: Proceedings and Addresses of the American Philosophical Association 46 (1972), 5-20, hier 13; D. Davidson, Rational Animals, in: Dialectica 46/4 (1982), 317-327, hier 319. Beide Beiträge liegen in deutscher Übersetzung vor in: D. Perler/ M. Wild (eds.), Der Geist der Tiere. Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, Frankfurt a. M. 2005, 77-94 und 117-131. Für eine knappe Diskussion cf. e.g. H.-J. Glock, Animal Minds: Conceptual Problems, in: Evolution and Cognition 5 (1999), 177-186.

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kann ihm das mangels Bäumen aber nicht so leicht passieren 3. Ähnlich furchtsam wie Albertus’ Wolf ist ein Esel in einem anonymen ,De anima‘-Traktat aus dem 13. Jahrhundert. Dort heißt es, der Esel fürchte sich vor seinem eigenen Spiegelbild im Wasser und halte infolgedessen das Wasser für gefährlicher als einen Löwen 4. In beiden Fällen würden wir wohl so wie bei Malcolms und Davidsons Hund geneigt sein, von einem Irrtum zu sprechen. Schließlich irrt sich der Wolf, wenn er meint oder glaubt, der Baum sei ein Mensch. Und der Esel erliegt einem tragischen Irrtum, wenn er meint, sein eigenes Spiegelbild sei gefährlicher als ein Löwe. Doch genau an dieser Stelle fangen die philosophischen Probleme bei der Beantwortung der Frage, ob Tiere irren können, an. Die Frage ist nämlich, ob Wölfe, Hunde, Esel oder andere nichtmenschliche Tiere überhaupt in der Lage sind, zu meinen oder zu glauben, dass dieses oder jenes der Fall sei. Dabei geht es hier nicht so sehr um die feinen Unterschiede zwischen Ausdrücken wie ,meinen‘ oder , glauben‘. Man könnte anstatt von ,meinen‘ oder von , glauben‘ ebenso gut von ,denken‘ oder ,urteilen‘ sprechen, auch wenn alle diese Ausdrücke zugegebenermaßen nicht exakt das Gleiche bezeichnen. Worum es geht, ist vielmehr eine generelle Frage, nämlich ob Tiere sogenannte „propositionale Einstellungen“ („propositional attitudes“) haben können, wie Donald Davidson es ausgedrückt hat 5. Propositionale Einstellungen sind durch mehrere Dinge gekennzeichnet: Erstens gibt es ein Subjekt, das sie besitzt oder hervorbringt. Zweitens sind das Bilden und Haben von propositionalen Einstellungen geistige Tätigkeiten. Und drittens haben propositionale Einstellungen einen Inhalt: Man meint, glaubt, denkt oder hofft stets etwas. Dieser Inhalt wird (meistens) ausgedrückt durch eine Proposition, etwa durch die Proposition. Die Katze sitzt auf der Eiche‘. Propositionen - so umstritten der Begriff auch sein mag - sind wiederum dadurch gekennzeichnet, dass sie erstens begrifflich strukturiert sind, zweitens eine Subjekt-Prädikat-Struktur aufweisen und drittens Wahrheitswerte besitzen 6. 3

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Cf. Albertus Magnus, Quaestiones super De animalibus, VIII, q. 32, ed. E. Filthaut, in: Alberti Magni Opera Omnia (editio Coloniensis), vol. XII, Münster 1955, 199: „Ad quartum dicendum, quod quia lupus est animal timidum, ideo frequenter aestimat arbores esse homines, sed cum est in campo, tunc melius potest undique respicere et sibi praecavere et ideo audacior est extra silvam quam in silva.“ Cf. Anonymus, De anima et potenciis eius, ed. R.-A. Gauthier, in: Revue des Sciences philosophiques et the´ologiques 66 (1982), 3-55, hier 46: „Hac vi [i. e., estimatione; Anm. A.O.] iudicat ovis esse lupum inimicum, et asinus leonem amicum et aquam inimicum, quia representat horridam eius faciem vel ymaginem, cum tamen a leone occidatur et per aquam salvetur.“ Eine konzise Zusammenfassung von Davidsons Definition propositionaler Einstellungen bietet M. Wild, Tierphilosophie zur Einführung, Hamburg 32013, 90-104. Zwar sprachen mittelalterliche Autoren nicht von propositionalen Einstellungen, sehr wohl aber von propositiones, an die sie sehr ähnliche Kriterien anlegten. Cf. dazu die noch immer grundlegenden Studien von G. Nuchelmans, Theories of the Proposition. Ancient and Medieval Conceptions of the Bearers of Truth and Falsity, Amsterdam-London 1973; D. Perler, Der propositionale Wahrheitsbegriff im 14. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Philosophie 33), Berlin 1992.

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Dieser letzte Aspekt ist nun ganz entscheidend, wenn es um die Frage des Irrtums geht. Schließlich liegt immer dann ein Irrtum vor, wenn ein Subjekt etwas meint, denkt oder glaubt, das nicht der Fall ist. Anders ausgedrückt, ein Subjekt irrt, wenn es sich täuscht hinsichtlich der Wahrheitsbedingungen einer Proposition. Doch kann wirklich nur dann von einem Irrtum die Rede sein, wenn er propositional realisiert ist? Auch dies mag zunächst wie eine triviale oder, genauer gesagt, wie eine übermäßig pedantische Frage wirken. Sie hat aber durchaus ihre philosophische Berechtigung. Wenn wir nämlich behaupteten, dass es nicht nötig ist, propositionale Einstellungen zu besitzen, um irren zu können, dann könnten wir genauso gut davon sprechen, dass unser Thermometer sich irrt, wenn es uns die falsche Temperatur anzeigt. Sicherlich treffen wir im Alltag des Öfteren auf Aussagen dieser Art und behaupten, unser Thermometer irre sich. Doch auf Nachfrage würden wir wohl stets erklären, dass wir den Ausdruck ,irren‘ hier nur in einem übertragenen Sinne verwenden. Schließlich ist der vermeintliche ,Irrtum‘ unseres Thermometers letztlich nichts anderes als ein einfaches technisches und kein kognitives Versagen 7. Doch wie verhält es sich bei nichtmenschlichen Tieren wie dem Hund von Malcolm und Davidson oder Alberts Wolf ? Irren auch sie nur in einem übertragenen Sinne wie unser Thermometer? Oder irren sie so, wie wir es tun, also in propositionaler Form? Anders gefragt: Muss man über propositionale Einstellungen verfügen, um irren zu können, und ist irren allein menschlich? Dies sind die Fragen, denen im Folgenden nachgegangen werden soll. Dabei geht es weniger darum, wie Vertreter der modernen Philosophie des Geistes wie Davidson und Malcolm diese Frage beantwortet haben. Vielmehr soll im Vordergrund stehen, was Autoren des Mittelalters über den Irrtum - genauer: über die Irrtumsfähigkeit - der Tiere dachten. Der Fokus wird dabei vor allem auf Autoren des 13. und 14. Jahrhunderts liegen. Natürlich dienten viele ihrer Aussagen, die im Folgenden dargestellt und diskutiert werden sollen, nicht primär oder nicht explizit der Beantwortung der Frage, ob Tiere irren können. Dies macht sie aber keineswegs weniger relevant oder interessant - im Gegenteil. Denn sie bieten teilweise eine andere Perspektive auf den tierischen Irrtum, als wir sie einzunehmen gewohnt sind. Und damit laden sie durchaus zur Reflexion über unsere eigene Perspektive ein. I. Metaphysische Gr undannahmen zur Kognition der Tiere Die Frage nach der Irrtumsfähigkeit von Tieren besteht genau genommen aus zwei Fragen: Zum einen geht es darum, was der Irrtum im strengen Sinne eigentlich ist. Zum anderen gilt es zu beantworten, welcher kognitiven Voraussetzungen es zum Irren bedarf. Für die Beschäftigung mit diesen Fragen sind 7

Ein grundlegender gegenwartsphilosophischer Beitrag zu Fällen dieser Art ist D. Dennett, Intentional Systems, in: The Journal of Philosophy 68/4 (1971), 87-106.

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Tiere ein hervorragendes Studienobjekt, eine Art Lackmustest. Anders ausgedrückt: Sie sind nicht nur explanandum, also das, was erklärt werden soll, sondern auch explanans, also das, womit etwas erklärt wird. Wenn wir nämlich zum Beispiel festlegen, dass Irrtum stets in propositionaler Form ausgedrückt werden muss, folgt daraus, dass nur jene (Lebe-)Wesen irren können, die über die Fähigkeit verfügen, propositionale Einstellungen zu bilden. Wenn wir aber mit Blick auf die eingangs genannten Beispiele zugleich an der Position festhalten wollen, dass Tiere irren können, ohne die Fähigkeit zur Bildung solcher Einstellungen zu besitzen, bleiben uns nur zwei Möglichkeiten: Entweder revidieren wir unsere Definition von Irrtum, nämlich dahingehend, dass er auch nicht-propositional sein kann beziehungsweise nicht von propositionalen Einstellungen abhängig ist. Oder wir revidieren unsere Ansicht über die kognitiven Fähigkeiten nichtmenschlicher Tiere, nämlich dahingehend, dass auch sie in der Lage sind, propositionale Einstellungen zu besitzen. Beides erfordert also einen genaueren Blick darauf, was es eigentlich heißt, zu irren. Bezüglich der kognitiven Fähigkeiten von Tieren ist für die meisten, wenn nicht gar für alle Autoren des Mittelalters, wenigstens in einer Hinsicht bereits eine gewisse Vorentscheidung getroffen. Sie gehen nämlich, wie allgemein bekannt ist, davon aus, dass nur menschliche Tiere vernunftbegabte Tiere (animalia rationalia) sind. Das heißt, nur Menschen verfügen aus ihrer Sicht über Vernunft (ratio) und Verstand (intellectus). Alle anderen Tiere wie Hunde, Wölfe oder Esel sind zwar Tiere, insofern als sie diverse äußere (Gehör, Sehsinn etc.) und auch etliche innere Sinne (Vorstellung, Erinnerung etc.) besitzen. Der rationale Seelenteil geht ihnen nach Meinung mittelalterlicher Autoren (die darin vor allem Aristoteles folgen) jedoch ab 8. Somit ist zu vermuten, dass ihnen auch eine ganze Reihe kognitiver Fähigkeiten fehlen, die klassischerweise dem Verstand und der Vernunft zugeschrieben werden. Dies sind insbesondere drei Fähigkeiten, nämlich Begriffsbildung (oder Universalienerkenntnis), Urteilsvermögen und Schlussfähigkeit. So gesehen mag man die Frage der Irrtumsfähigkeit bereits für entschieden halten: Tiere können keine Begriffe bilden, also keine Urteile fällen, also keine propositionalen Einstellungen besitzen. Doch dieser Schluss ist problematisch. Denn selbst wenn wir ihm zustimmen, haben wir noch nicht beantwortet, was denn eigentlich im Hund vor sich geht, wenn er energisch den falschen Baum anbellt, oder im Wolf, wenn erschrocken vor einem Baum wegrennt. 8

Cf. T. W. Köhler, Homo animal nobilissimum. Konturen des spezifisch Menschlichen in der naturphilosophischen Aristoteleskommentierung des dreizehnten Jahrhunderts, Teilband 1 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 94), Leiden-Boston 2008, 295, bezeichnet dies als „metaphysisch-anthropologische Grundannahme“. Cf. dazu auch ibid., Teilband 2.1 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 114/1), Leiden-Boston 2014, 104. Inwiefern diese Annahme im späten Mittelalter hinterfragt worden ist, diskutiere ich ausführlich in Animal Rationality. Later Medieval Theories 1250-1350 (Investigating Medieval Philosophy 12), Leiden-Boston 2018.

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II. Der Ir r tum und die Sinne Beginnen wir uns einer Antwort zu nähern, indem wir zunächst ausloten, inwiefern Irrtum aus mittelalterlicher Sicht auf der Ebene der Sinne vorkommen kann. Denn dass nichtmenschliche Tiere gewisse Sinne besitzen, steht für die Autoren dieser Zeit außer Zweifel. Was die äußeren Sinne betrifft, so scheint Irrtum zunächst einmal ausgeschlossen. Vorausgesetzt sie funktionieren ordnungsgemäß, täuschen sie sich nicht hinsichtlich der sogenannten sensibilia propria, also der jedem Sinn eigenen Gegenstände, wie schon Aristoteles in ,De anima‘ betont 9. Wenn etwa der Sehsinn korrekt funktioniert, dann sieht er Farben und er kann sich nicht irren, dass es sich bei dem, was er wahrnimmt, um Farben handelt und nicht etwa um Geräusche oder Gerüche. Schließlich ist er zu nichts Anderem imstande, als Farben wahrzunehmen. Dies bringt Thomas von Aquin in seinem Kommentar zu ,De anima‘ auf den Punkt, wenn er sagt: „circa quod non potest errare sensus“ - hinsichtlich der eigenen Sinnesgegenstände kann der Sinn nicht irren 10. Thomas vertritt hier natürlich eine ganz bestimmte wahrnehmungstheoretische Position, nämlich einen sogenannten „Wahrnehmungsrealismus“ 11. Ein solcher Realismus ist zweifelsohne nicht ganz unproblematisch und kann durchaus kritisiert werden 12. Mit Blick auf die Möglichkeit von Irrtümern weist Thomas selbst jedoch zugleich darauf hin, dass es an anderen Stellen auf der Ebene der Sinne sehr wohl zu Irrtümern kommen kann. Konkret benennt er hier die Wahrnehmung der sogenannten sensibilia per accidens und der sensibilia communia und gibt für erstere folgendes Beispiel: Wenn der Sehsinn etwas Farbiges wahrnimmt, dann täuscht er sich, wie gesagt, nicht darin, dass es sich um etwas Farbiges handelt. Er kann sich aber sehr wohl darin täuschen, was dieses Farbige eigentlich ist und wo genau es sich befindet. Etwas Schwarzes kann, wenn aus einiger Entfernung wahrgenommen, ja durchaus vieles sein: ein dunkel gekleideter Mensch, ein Tier oder ein Baum. Und ähnlich 9 10

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Cf. Aristoteles, De anima, II, c. 6, 418a 11-16 und III, c. 3, 428b 20-23. Thomas von Aquin, In Aristotelis librum De anima commentarium, II, lect. 13, n. 384, ed. A. M. Pirotta, Turin-Rom 1959, 100: „Et dicit, quod sensibile proprium est quod ita sentitur uno sensu, quod non potest alio sensu sentiri, et circa quod non potest errare sensus […]. Unusquisque autem horum sensuum iudicat de propriis sensibilibus, et non decipitur in eis; sicut visus non decipitur quod sit talis color, neque auditus decipitur de sono.“ Cf. J. A. Tellkamp, Sinne, Gegenstände und Sensibilia. Zur Wahrnehmungslehre des Thomas von Aquin (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 66), Leiden-Boston-Köln 1999, 178. Als „wahrnehmungstheoretische Untrüglichkeitsthese“ wird diese Position Thomas’ bezeichnet von T. Davids, Color habet duplex esse. Bemerkungen zur Farbentheorie des Thomas von Aquin, in: I. Bennewitz/A. Schindler (eds.), Farbe im Mittelalter. Materialität Medialität - Semantik, vol. 2, Berlin 2011, 834. Zur Frage des Irrtums in der Wahrnehmung laut Thomas cf. auch D. Perler, Perception in Medieval Philosophy, in: M. Matthen (ed.), The Oxford Handbook of the Philosophy of Perception, Oxford 2015, 51-65, bes. 60-64. Zu einigen skeptischen Einwänden und möglichen Erwiderungen vonseiten Thomas’ insbesondere mit Blick auf die Wahrnehmung von Farben cf. Davids, Color (nt. 11), bes. 833-836.

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verhält es sich mit anderen Sinnesgegenständen wie etwa Klängen oder Gerüchen 13. Wie sieht es nun bei nichtmenschlichen Tieren aus? Zunächst scheint es hier ganz ähnlich zu sein. Schließlich haben Hunde, Wölfe oder Esel genauso Augen wie wir, mittels derer sie Farben wahrnehmen können. So gesehen mag es sich in dem von Albertus Magnus geschilderten Beispiel des Wolfes einfach um einen Irrtum hinsichtlich der akzidentellen Sinnesgegenstände handeln: Der Wolf sieht etwas Farbiges, aber er täuscht sich bei der Beurteilung dessen, was dieses Farbige ist. Er hält das dunkle Ding für einen Menschen, nicht für einen Baum. Doch hier ist ein genauerer Blick geboten und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens ist zu fragen, wo eigentlich das Fehlurteil generiert wird. In den äußeren Sinnen oder anderswo? Zweitens ist zu fragen, ob dieser Urteilsakt bei anderen Tieren wirklich genauso abläuft wie bei uns Menschen. Vielmehr noch stellt sich die Frage: Können Tiere überhaupt urteilen? Die erste Frage ist relativ schnell beantwortet. Denn nach Meinung von Autoren wie Thomas und Albert obliegt die Beurteilung von Wahrgenommenem nur insofern den äußeren Sinnen, als diese - korrektes Funktionieren vorausgesetzt - eben urteilen, dass sie etwas Gelbes, etwas Lautes oder etwas Süßliches wahrnehmen. Was genau dieses Gelbe oder Laute oder Süßliche ist, beurteilen jedoch nicht sie, sondern zunächst einmal die sogenannten inneren Sinne. Wenn wir also, um ein berühmtes Beispiel in der Version von Avicenna aufzugreifen, etwas Gelbes sehen und urteilen, es handele sich um süßen Honig, obwohl es sich in Wirklichkeit um bittere Galle handelt, dann irrt hier nicht unser Sehsinn, sondern unsere Einschätzungskraft (aestimatio). Unser Sehsinn liegt völlig richtig: Er sieht etwas Gelbes. Unsere Einschätzungskraft aber liegt falsch, denn sie urteilt, dieses Gelbe sei jene süße von Bienen hergestellte Masse, die heute Morgen auf unserem Frühstückstisch stand. Laut Avicenna kommen solcherlei Irrtümer durchaus öfters vor. Aber dank unseres Intellektes sind wir in der Lage, sie zu korrigieren 14. 13

14

Cf. Thomas von Aquin, In De anima, II, lect. 13, n. 385, ed. Pirotta (nt. 10), 100: „Sed circa sensibilia per accidens vel communia, decipiuntur sensus; sicut decipitur visus, si velit iudicare homo per ipsum, quid est coloratum, aut ubi sit. Et similiter decipitur quis, si velit iudicare per auditum quid est quod sonat.“ Zu Thomas’ Unterscheidung der sensibilia cf. ausführlicher Tellkamp, Sinne (nt. 11), 157-178, und zur Möglichkeit falscher Wahrnehmung bes. 178-184. Cf. ebenfalls M. Baumgartner, Zum thomistischen Wahrheitsbegriff, in: J. Geyser e.a. (eds.), Studien zur Geschichte der Philosophie. Festgabe zum 60. Geburtstag von Clemens Baeumker (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Supplementband 1), Münster 1913, 241-260, bes. 250 sqq.; N. Kretzmann, Infallibility, Error, and Ignorance, in: Canadian Journal of Philosophy 21 (1991), 159-194; R. Pasnau, Theories of Cognition in the Later Middle Ages, Cambridge 1997, 138-142. Cf. Avicenna Latinus, Liber de anima seu Sextus de naturalibus, IV, c. 3, ed. S. van Riet, Louvain-Leiden 1968, 35: „Dicemus ergo quia aestimatio excellentior iudex est in animalibus, quae iudicat ad modum adinventae imaginationis cum non est certa, et hoc est sicut id quod accidit homini cum putat mel sordidum quia simile est stercori: aestimatio enim iudicat ita esse et anima sequitur ipsam aestimationem, quamvis intellectus improbet.“

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Doch wie läuft dies, um zur zweiten Frage zu kommen, nun bei nichtmenschlichen Tieren ab? Zunächst einmal scheint, wie oben bereits angedeutet, alles recht ähnlich zu sein. Der Wolf sieht etwas Farbiges, nur geht seine Einschätzungskraft fehl, wenn sie urteilt, dieses Farbige sei ein Mensch und kein Baum. Doch diese Vermutung übersieht einige wichtige Unterschiede zwischen uns Menschen und anderen Tieren. Ein erster Unterschied liegt in der materiellen Beschaffenheit der Sinnesorgane, wie zum Beispiel Albert betont. Die Augen, aber auch andere Sinnesorgane - und zwar sowohl äußere als auch innere anderer Tiere unterscheiden sich physiologisch von denen des Menschen. Sie haben teilweise nicht nur eine andere Größe oder Form, sondern auch eine andere stoffliche Zusammensetzung. Sie sind also zum Beispiel weicher oder härter, feuchter oder trockener als unsere Sinnesorgane. Daraus folgt kurz gesagt: Andere Tiere sehen und beurteilen die Welt vermutlich etwas anders als wir 15. Natürlich ist nicht ausgemacht, dass ausgerechnet die Sinnesorgane von Wölfen sich wesentlich von denen des Menschen unterscheiden. Aber prinzipiell ist es nicht ausgeschlossen, beziehungsweise wäre nach Alberts Theorie genauer zu untersuchen. In jedem Falle erklären sich viele tierische Irrtümer aus diesem Umstand, denn gerade auf der Ebene der inneren Sinne treten die Fehler auf. Nun mag man an dieser Stelle zweierlei einwenden: Erstens sind andere Tiere aufgrund der Beschaffenheit ihrer Sinnesorgane nicht per se benachteiligt - im Gegenteil, sie übertreffen uns in vielerlei Hinsicht in puncto Scharfsinnigkeit. Zum Zweiten kann man ihnen ihre Irrtümer kaum zum Vorwurf machen. Schließlich können sie nichts dafür, dass ihnen nur äußere und innere Sinne gegeben sind. Zum ersten Einwand ist zu sagen, dass Autoren des Mittelalters in der Tat keineswegs die Meinung vertraten, Tiere seien dem Menschen in sinnlicher Hinsicht unterlegen. Sehr wohl erkannten sie an, dass etwa Luchse weitaus besser sehen und Hunde besser riechen können als wir. Oft zitieren sie in diesem Zusammenhang ein in ähnlicher Form bereits bekanntes Sprichwort eines (spät-)antiken Autors: „Der Eber übertrifft uns im Hörvermögen, der Luchs im Sehvermögen, der Affe im Geschmackssinn, der Geier im Geruchssinn und die Spinne im Tastsinn.“ 16 Kurzum: Etwas anders beschaffene Sinnes15

16

Cf. Albertus Magnus, De animalibus libri XXVI (Nach der Cölner Urschrift), lib. VIII, tr. 6, c. 1, ed. H. Stadler, vol. 1 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 15), Münster 1916, 667-670. Es taucht in dieser Form etwa auf bei Thomas von Cantimpre´, Liber de natura rerum, IV, c. 1, ed. H. Boese Berlin 1973, 106: „Homo in quinque sensibus superatur a multis: aquile et linces clarius cernunt, vultures sagacius odorantur, simia subtilius gustat, aranea citius tangit; liquidius audiunt talpe vel aper silvaticus: Nos aper auditu, linx visu, simia gustu, Vultur odoratu precedit, aranea tactu.“ Zum mittelalterlichen Auftreten dieses Sprichwortes cf. Köhler, Homo animal, Teilband 1 (nt. 8), 116. Zu den antiken Vorläufern cf. R. Sorabji, Animal Minds and Human Morals. The Origins of the Western Debate, London 1993, 15 sq. Thomas von Aquin diskutiert die partielle Überlegenheit nichtmenschlicher Tiere ausführlich in Summa theologiae, I, 91, 3, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 5, Rom 1889, 393 sq. Cf. dazu die Analyse von T. Davids, Anthropologische Differenz und animalische Konvenienz. Tierphilosophie bei Thomas von Aquin (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 120), LeidenBoston 2017, 123-127.

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organe zu haben, heißt nicht notwendig, schlechtere Sinne zu besitzen. Der zweite Einwand berührt allerdings den entscheidenden Unterschied zwischen uns und anderen Tieren. Wie schon aus Avicennas Beispiel - der Verwechslung von Galle und Honig - erhellt, ist ein solcher Irrtum keineswegs ein ausschließlich tierischer. Er tritt auch bei uns Menschen auf. Schließlich teilen wir, wie oben gesagt, mit den (meisten) Tieren eine ganze Reihe von Sinnen, ganz gleich, ob sie im Einzelnen etwas anders beschaffen sein mögen. Im Gegensatz zu uns fehlt anderen Tieren aber etwas Entscheidendes, nämlich Vernunft (ratio) und Verstand (intellectus). Das Fehlen intellektueller Vermögen ist für die Frage des Irrtums nun von entscheidender Bedeutung und zwar aus folgendem Grund: Wie schon Avicenna bemerkt, ist es der Intellekt, der ein sinnliches Urteil widerlegt (improbet) 17. Das heißt, jenen Lebewesen, denen der Intellekt abgeht, geht zugleich die Fähigkeit zur intellektuellen Korrektur sinnlicher Fehlurteile ab. Auch Albertus Magnus hebt diesen Punkt in ,De animalibus‘ bei seiner Betrachtung der vergleichsweise hochentwickelten Gattung der Affen (genus symiarum) hervor. Zu dieser Gattung zählen laut Albert auch die dem Menschen sehr nahekommenden Pygmäen. Diese besitzen einen „Schatten der Vernunft “ (umbra rationis), wie Albert es nennt, und sind dadurch nicht nur wie andere Affen zu „unvollständigen Schlüssen“ (argumentationes imperfecta), sondern sogar zu einfachen, praktischen Syllogismen in Form von Induktionen in der Lage 18. Das heißt sie können, um ein Beispiel zu geben, den Schluss ziehen, dass dieses gelbe krumme Ding vor ihnen süß und begehrenswert ist, weil auch jenes gelbe krumme Ding, das sie vor einer Weile gegessen haben, süß und begehrenswert war 19. Gleichwohl sind auch bei diesen vergleichsweise hoch entwickelten, nichtmenschlichen Tieren die Vorstellungskraft und andere innere Sinne „nicht mit dem Intellekt verbunden“ (intellectui non coniungitur). Daher verhält es sich bei ihnen so, dass „häufig Irrtum auftritt “ (frequens incidit error), wie Albert sagt 20. Der Affe hält also zum Beispiel fälschlicherweise ein gelbes krummes Ding für süß und begehrenswert, obwohl 17 18

19

20

Cf. supra nt. 14. Albertus Magnus, De animalibus, XXI, tr. 1, c. 3, ed. H. Stadler, vol. 2 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 16), Münster 1920, 1331 sq. Zu Alberts Theorie der Schlussfähigkeit nichtmenschlicher Primaten cf. B. Roling, Drachen und Sirenen. Die Rationalisierung und Abwicklung der Mythologie an den europäischen Universitäten (Mittelalterliche Studien und Texte 42), Leiden-Boston 2010, 494-498; id., Syllogismus brutorum: Die Diskussion der animalischen Rationalität bei Albertus Magnus und ihre Rezeption im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 78/1 (2011), 221-275, bes. 231 sqq.; Köhler, Homo animal, Teilband 1 (nt. 4), 388; J. A. Tellkamp, Aping Logic? Albert the Great on Animal Mind and Action, in: J. Kaukua/ T. Ekenberg (eds.), Subjectivity and Selfhood in Medieval and Early Modern Philosophy (Studies in the History of Philosophy of Mind 16), Dordrecht 2016, 109-123; Oelze, Animal Rationality (nt. 8), 150-155. Albertus Magnus, De animalibus, XXI, tr. 1, c. 3, ed. Stadler, vol. 2 (nt. 18), 1331: „Sed in omnibus hiis non movetur nisi ex fantasmate: et ideo frequenter errat sicut et alia animalia quia sicut diximus in antehabitis, ubi fantasticum intellectui non coniungitur, frequens incidit error: […].“

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es sich nicht um eine Banane handelt. Einem Irrtum dieser Art erliegt er häufiger und leichter als wir, weil er weder Vernunft noch Verstand besitzt. Diese Erklärung mag zunächst einleuchtend klingen. Trotzdem sollten zwei Fragen noch genauer in den Blick genommen werden. Nämlich erstens, ob Tiere irren im Sinne von ,etwas falsch beurteilen‘. Und zweitens, ob sie ihre Irrtümer wirklich nicht korrigieren können. Autoren wie Thomas und Albert würden beide Fragen vermutlich wie folgt beantworten: Von ,Urteilen‘ kann bei Tieren nur insofern die Rede sein, als man den Ausdruck ,Urteil‘ hier im Sinne eines sinnlichen Urteils verwendet. Das heißt, die äußeren Sinne urteilen, insofern sie verschiedene Sinnesgegenstände unterscheiden. Natürlich ist das Unterscheiden ein weitaus weniger komplexer Vorgang als die Beurteilung von etwas. Auch ein Magnet, so mag man einwenden, kann gewissermaßen Dinge unterscheiden, etwa Eisen und Gold 21. Trotz dieser Unterscheidungskraft würde man dem Magneten aber wohl kaum Urteilsvermögen zuschreiben. Doch daraus folgt keineswegs, dass Tiere nicht urteilen können. Im Unterschied zu unbelebten Dingen wie Magneten verfügen sie schließlich über Kognition. Und insbesondere der Besitz von inneren Sinnen führt dazu, dass sie nicht einfach nur Farben, Formen oder Gerüche aufnehmen, sondern diesen auch eine gewisse Bedeutung beimessen. Wenn der Wolf also die Farbe und die Form des Baumes sieht und diese fälschlicherweise für die Farbe und die Form eines Menschen hält, dann urteilt er hier auch insofern, als er den vermeintlichen Menschen als gefährlich einschätzt. Ähnlich tut es das berühmte Schaf, wenn es vor dem Wolf wegrennt oder der oben genannte Esel, der fatalerweise vor seinem Spiegelbild Reißaus nimmt. Der Bedeutungsgehalt von Wahrnehmung ist nach Meinung dieser Autoren im Anschluss an Avicenna vermittelt durch sogenannte ,Intentionen‘ (intentiones), also etwa die Gefährlichkeit eines Wolfes für das Schaf oder die Gefährlichkeit eines Menschen für den Wolf. Doch wie steht es um den Wahrheitsgehalt solcher Intentionen? Sind sie nicht generell wahr? Schließlich ließe sich im Falle des Wolfes ja sagen, dass der Fehler auf der Ebene der äußeren Sinne liegt. Denn sind sie es ja, die falsche sinnliche Formen übermitteln. Und damit trifft die Einschätzungskraft keine Schuld, denn sie beurteilt die übermittelten Formen völlig richtig, indem sie beispielsweise die Form eines Menschen als gefährlich einstuft. Nein, würde Albert sagen. Denn ebenso wie Thomas ist auch er der Überzeugung, dass hier nicht bei der Wahrnehmung der sensibilia propria, sondern bei der Wahrnehmung der sensibilia per accidens oder der sensibilia communia 21

Diesen Einwand diskutiert etwa Pseudo-Petrus Hispanus, Commentum super libros De animalibus (Venezianer Redaktion), Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Lat. VI, 234, foll. 1ra303vb, hier fol. 151vb: „Sed in illis, que discernunt a natura, discernunt speciem discretione naturali, ut adamans ferrum ab auro. Ergo brutum discernit discretione naturali et habet aliam supra, que est cognitio.“ Ich danke T. W. Köhler für die Bereitstellung seiner Transkription dieses Textes, der ich an dieser Stelle folge. Dabei ist zu beachten, dass mit dem im Text vorkommenden Ausdruck adamans (häufiger: adamas) tatsächlich ein Magnetstein und nicht, wie vermutet werden könnte, ein Diamant gemeint ist.

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etwas falsch läuft. Der Wolf „urteilt oft, dass die Bäume Menschen sind“ (frequenter aestimat arbores esse homines), wie Albert sagt, weil die aestimatio des Wolfs die sinnlichen Formen, die ihr über die äußeren Sinne übermittelt werden, falsch einschätzt. Natürlich mag dies unter anderem auch damit zusammenhängen, dass die sinnlichen Formen etwa aufgrund der Dunkelheit im Wald ungenau sind. Aber nichtsdestotrotz liegt der Fehler bei der Einschätzungskraft selber. Nur stellt sich die Frage, ob sie diesen Fehler auch selbst korrigieren kann. Wie bereits oben erwähnt, obliegt eine solche Korrektur im Falle des Menschen dem Intellekt. Sein Urteil steht auf einer höheren Stufe als die Urteile der äußeren und inneren Sinne. Er kann nicht nur die verschiedenen Urteile miteinander vergleichen, sondern auch ihre Wahrheitsbedingungen feststellen. Doch kann nicht auch der Wolf sein Urteil korrigieren, etwa indem er bei näherer Betrachtung feststellt, dass es sich bei jenem dunklen, schmalen Ding, das er im Wald sieht, doch um einen Baum und nicht um einen Menschen handelt? Freilich ist eine solche Korrektur des Irrtums denkbar. Allerdings handelt es sich nicht im strengen Sinne um eine Korrektur. Denn anders als der Intellekt eines Menschen korrigiert die Einschätzungskraft des Wolfes nicht ihr eigenes Fehlurteil. Vielmehr gelangt sie einfach zu einem anderen Zeitpunkt zu einem anderen Urteil, das an die Stelle des ursprünglichen (Fehl-)Urteils tritt. Ein Urteil wird also durch ein anderes ersetzt, aber nicht im strengen Sinne korrigiert 22. Thomas bringt diesen Unterschied an einer Stelle seiner ,Quaestiones disputatae De veritate‘ auf den Punkt, indem er sagt, Tiere seien „nicht in der Lage, über ihre Urteile zu urteilen“ (nec iudicant de suo iudicio) 23. Modern gesprochen heißt dies, dass sie keine Urteile zweiter Stufe, so genannte „second-order judgments“, fällen können 24. Wenn sie also ein Urteil über etwas bilden, so können sie zum einen nicht auf einer höheren Ebene urteilen, dass es sich bei Ersterem um ein Urteil handelt. Sie sind also nicht in der Lage ein Urteil zu bilden wie „,Dieses Ding ist ein Mensch‘ ist ein Urteil“. Zum anderen heißt dies aber auch, dass sie das Urteil auf der ersten Ebene nicht durch ein höherstufiges evaluieren können. Ihnen fehlt also die Fähigkeit, ein Urteil wie „Das Urteil ,Dieses Ding ist ein Mensch‘ ist falsch“ zu bilden. Mit anderen Worten: Sie können weder urteilen, dass sie geurteilt haben, noch, wie sie geurteilt haben, ob also richtig oder falsch. Mit dieser Feststellung sind wir jedoch wieder am Ausgangspunkt angelangt. Denn es stellt sich die Frage, ob Tiere dann überhaupt im strengen Sinne irren können, wenn sie doch gar nicht genau so urteilen können wie wir? 22

23

24

Dieser Punkt wird auf ähnliche Weise auch schon von John Blund in seinem vermutlich Anfang des 13. Jahrhunderts verfassten ,Tractatus de anima‘ gemacht. Dort weist Blund darauf hin, dass die Einschätzungskraft der Tiere zwar durchaus Wahrheit und Falschheit wahrnimmt, insofern sie eben richtige oder falsche sinnliche Urteile fällt. Dies heißt aber nicht, dass sie „das Wahre insofern es Wahres oder das Falsche insofern es Falsches“ (verum secundum quod verum, vel falsum secundum quod falsum) ist, erfasst. Cf. John Blund, Tractatus de anima, c. 19, § 261, transl. D. Werner (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 6), Freiburg e.a. 2005, 242. Cf. Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae De veritate, q. 24, a. 1, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 22/3.1, Rom-Paris 1973, 686. Cf. dazu auch Davids, Anthropologische Differenz (nt. 16), 196 sq.

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III. Der Ir r tum und der Intellekt Zur erneuten und abschließenden Diskussion dieser Frage empfiehlt es sich, einen Blick auf eine Debatte aus dem 14. Jahrhundert zu werfen und zwar auf die Debatte zwischen Adam Wodeham und Gregor von Rimini über das Urteilsvermögen nichtmenschlicher Tiere. Zwar ist diese Diskussion bereits verschiedentlich rekonstruiert und analysiert worden 25. Trotzdem kann sie einiges zur Frage des Irrtums beitragen. Zum einen deshalb, weil es in ihr explizit um Irrtümer, genauer gesagt um Sinnestäuschungen, geht. Zum anderen deshalb, weil in der Diskussion zwischen Adam und Gregor sehr gut zutage tritt, inwiefern unterschiedliche methodische und begriffliche Strenge Auswirkung auf die Beantwortung der Frage hat, ob Tiere irren können. Das Beispiel, das den Ausgangspunkt der Debatte bildet, ist folgendes: Wir stehen an Bord eines Schiffes und bemerken plötzlich, wie die Bäume am Ufer in Bewegung geraten. Sie scheinen an uns vorbeizuziehen. Einen Moment lang sind wir irritiert; doch dann stellen wir fest, dass es das Schiff ist, das sich fortbewegt und nicht die Bäume. Wir haben uns also geirrt. Doch genau an dieser Stelle taucht die Frage auf, wo eigentlich der Irrtum herrührt. Handelt es sich um eine Täuschung unserer Sinne? Oder hat unser Intellekt ein falsches Urteil gefällt? Für Adam Wodeham ist die Sache klar: Seiner Meinung nach ist es ein falsches Urteil (iudicium erroneum) unseres Intellekts, das diesen Irrtum auslöst 26. Natürlich verneint Adam nicht, dass diesem intellektuellen Urteil eine sinnliche Wahrnehmung vorausgeht. Wir sehen schließlich die Bäume durch unsere Augen. Doch täuschen wir uns eben intellektuell in der Beurteilung des25

26

Cf. ausführlicher M. E. Reina, Un abozzo di polemica sulla psicologia animale: Gregorio da ˆ ge Rimini contro Adamo Wodeham, in: C. Wenin (ed.), L’homme et son univers au Moyen A (Philosophes me´die´vaux 26-27), Louvain 1986, 598-609; D. Perler, Intentionality and Action. Medieval Discussions on the Cognitive Capacities of Animals, in: M. C. Pacheco/J. F. Meirinhos (eds.), Intellect et imagination dans la Philosophie Me´die´vale, vol. 1 (Rencontres de Philosophie Me´die´vale 11/1), Turnhout 2006, 72-98, bes. 89-94. Cf. ebenso knapper K. H. Tachau, What Senses and Intellect Do: Argument and Judgment in Late Medieval Theories of Knowledge, in: K. Jacobi (ed.), Argumentationstheorie. Scholastische Forschungen zu den logischen und semantischen Regeln korrekten Folgerns (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 38), Leiden-New York-Köln 1993, 653-668, hier: 665; C. Michon, Intentionality and Proto-Thoughts, in D. Perler (ed.), Ancient and Medieval Theories of Intentionality (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 76), Leiden-Boston-Köln 2001, 325-341, hier: 326 sq.; Oelze, Animal Rationality (nt. 8), 123-129. Cf. Adam Wodeham, Lectura secunda in primum librum Sententiarum, prol., q. 4, § 7, ed. R. Wood, St. Bonaventure 1990, 97: „Sed illa apparitio non est visio sed iudicium erroneum causatum mediante visione.“ Der gleichen Meinung war auch Adams Lehrer William Ockham, cf. K. H. Tachau, Vision and Certitude in the Age of Ockham. Optics, Epistemology and the Foundations of Semantics 1250-1345 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 22), Leiden e.a. 1988, 135 sq.; Van der Lecq, Confused Individuals and Moving Trees: John Buridan on the Knowledge of Particulars, in: E. P. Bos/H. A. Krop (eds.), John Buridan, A Master of Arts. Some Aspects of His Philosophy (Artistarium: Supplementa 8), Nijmegen 1993, 1-21, hier: 19 sq.

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sen, was wir sehen. Adam selbst gesteht jedoch ein, dass ein gewichtiger Einwand gegen diese Darstellung existiert. Nehmen wir einmal an, ein Tier, zum Beispiel ein Hund, steht neben uns an Bord. Auch er sieht die Bäume am Ufer. Und in dem Moment, in dem die Bäume sich vermeintlich in Bewegung setzen, rennt er sogar erschrocken davon. Er scheint also ebenfalls Opfer der Sinnestäuschung zu sein 27. Doch wie ist das zu erklären? Per definitionem (siehe Abschnitt I) besitzt der Hund keinen Intellekt. Folglich kann er auch kein falsches intellektuelles Urteil fällen. Adam stellt sich dieser Frage, weist jedoch zunächst auf zwei ganz grundsätzliche Probleme hin, die bei der Beantwortung einer solchen Frage auftreten. Das erste Problem kann als epistemologisches Problem bezeichnet werden. Es besteht darin, dass wir lediglich das Verhalten eines Tiers beziehungsweise, wie er es ausdrückt, gewisse „Wirkungen und Bewegungen“ (effectus et motus) beobachten können 28. Worum es uns eigentlich geht, ist ja aber, welche Ursachen dieses Verhalten hat, genauer, welche kognitiven Prozesse ihm zugrunde liegen. Diese aber sind uns anders als das Verhalten nicht direkt zugänglich. Wir können die Gedanken des Hundes, so er denn überhaupt welche hat, nicht von außen sehen. Daher gibt es eine ganze Bandbreite von möglichen Antworten auf die Frage, ob der Hund irrt, also meint oder urteilt, dass die Bäume sich bewegen. Wenn wir diese Frage nun so beantworten, dass der Hund ebenso wie wir ein „komplexes objektives Urteil“ (iudicium complexe obiective) fällt, sind wir laut Adam Wodeham mit einem weiteren Problem konfrontiert, das als metaphysisches Problem oder auch als Klassifikationsproblem bezeichnet werden kann. Wir müssen dann nämlich seiner Meinung nach dem Tier eine praktische Vernunft (ratio practica) zuschreiben und es konsequenterweise als vernunftbegabtes Lebewesen (animal rationale) klassifizieren 29. Es käme also zu einer Verschiebung der Grenze zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren. Aufgrund dieser Probleme ist er geneigt, das Verhalten des Hundes (und anderer nichtmenschlicher Tiere) wie folgt zu erklären: Sie haben zwar ähnlich wie wir Wahrnehmungen oder sinnliche Erfassensakte (apprehensiones), doch anders als bei uns handelt es sich bei ihren Erfassensakten erstens um einfache Erfassensakte (simplices apprehensiones); zweitens folgt auf diese Akte sinnlichen Erfassens kein intellektuelles Urteil. Stattdessen wird unmittelbar (statim) eine instinktive Reaktion ausgelöst. So ist zu erklären, weshalb der Hund in dem 27

28

29

Cf. Adam Wodeham, Lectura, ed. Wood (nt. 26), 98: „Contra: illa apparitio qua apparet homini quod arbores moveantur est actus sensitivus. Sed, per te, nullum iudicium quo assentitur aliquid esse aliquale, vel aliqualiter se habere, est actus sensitivus. Igitur. Maior probatur, quia etiam brutis apparent arbores illae moveri, in tantum si navis moveretur versus arbores, fugerent [ac] si essent eis terribilia quaedam.“ Ibid., 99: „concedo quod in brutis sunt visiones tales simplices, ad quas natum esset sequi iudicium illud quo complexe [formato] obiective ipsis competeret. Sed utrum eis conveniat, scire non possumus, nisi coniciendo ex effectibus et motibus sequentibus tales visiones simplices.“ Ibid.: „Sed si hoc movere deberet, esset consequenter in eis ponenda ratio practica, id est dictamen practicum de eligendis et respuendis, prosequendis et fugiendi. Sic enim agunt si dictamen haberent. Et tunc non video quare non debeant animalia rationalia appellari.“

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Moment die Flucht ergreift, als die Bäume sich zu bewegen beginnen. „Er denkt nicht nach und urteilt nicht “ (nec deliberat nec iudicat) über das, was er sieht 30. Er folgt einfach einem natürlichen Impuls, einem Naturinstinkt (instinctus naturae). Wir hingegen haben die Möglichkeit, mit einem gewissen Abstand unsere Wahrnehmungen zu beurteilen. Zwar sind auch wir sicherlich zunächst verwundert, möglicherweise sogar erschrocken über die Bewegung der Bäume. Aber nach einem Moment des Nachdenkens kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir uns geirrt haben und kein Grund zur Sorge besteht. Adam Wodehams Argument liegt damit auf der gleichen Linie wie das eingangs skizzierte Argument Donald Davidsons. Natürlich spricht er nicht wie Davidson von propositionalen Einstellungen. Aber sein Urteilsbegriff ist ähnlich anspruchsvoll wie der Urteilsbegriff Davidsons. Urteile sind komplexe Gebilde, die mehr erfordern als nur Sinnesorgane und einfache Wahrnehmungen, so der Kern dieser Auffassung. Und wenn wir Irrtum definieren als ein falsches Urteil oder eine falsche Meinung darüber, dass etwas der Fall oder nicht der Fall ist, dann können diejenigen Lebewesen, die keine Meinungen und Urteile bilden können, im strengen Sinne auch nicht irren. Wir können natürlich einen Ausdruck wie ,Urteil‘ verwenden, wenn wir über ihre kognitiven Prozesse reden. Doch dann tun wir dies in einem übertragenen oder äquivoken Sinne, wie Adam betont 31. Modern gesprochen: Wir anthropomorphisieren. An dieser Position lassen sich diverse Punkte kritisieren. Adams direkter Widerpart, Gregor von Rimini, hat beispielsweise eingewendet, mit einem ReizReaktions-Modell, wie Adam Wodeham es heranzieht, lasse sich keineswegs jegliches Tierverhalten befriedigend erklären. Denn laut diesem Modell folgt auf einen bestimmten Reiz immer die gleiche Reaktion. Doch wie erklären wir dann einen Fall, in dem ein Tier unterschiedliche Reaktionen auf ein und denselben Reiz zeigt? Zum Beispiel das Verhalten eines Tieres, das ein Stückchen Brot zu einem Zeitpunkt begierig frisst, zu einem anderen aber keinerlei Interesse daran zeigt? Sicherlich ließe sich sagen, das Tier habe eben zu einem Zeitpunkt Hunger, zu einem anderen aber nicht und entsprechend fällt seine Reaktion auf den Stimulus Brot unterschiedlich aus. Doch das ist für Gregor noch keine befriedigende Erklärung. Denn obwohl bei der Bewegung des Tiers hin zum oder weg vom Brot ein Appetit oder ein Streben (appetitus) eine Rolle spielt, reicht dieses Streben alleine noch nicht aus. Es bedarf, so Gregor, neben dem einfachen sinnlichen Erfassen (apprehensio simplex) eines Gegenstandes auch eines Urteils (iudicium) und zwar darüber, wie auf das, was sinnlich erfasst wird, reagiert werden soll; ob also beispielsweise das Brot gefressen oder nicht gefressen 30

31

Ibid., 99 sq.: „Id est non solum non libere prosequuntur ac fugiunt proficua et nociva, sed nec deliberant nec iudicant aliquid iudicio complexo obiective conveniens exsistere vel nocivum de fugiendo vel [proficuum de] prosequendo. Sed statim ad simplicem apprehensionem istius quod est nocivum fugiunt et illius quod est conveniens prosequuntur. Et si talis prosecutio conveniat omnibus individuis alicuius speciei naturaliter, tunc sufficit prima apprehensio simplex ad illam prosecutionem et fugam, quod tantum fit de re praesente. […] sed hoc est ex instinctu naturae.“ Ibid., 100: „concedendum est illam apparitionem non esse iudicium nisi aequivocando de iudicio.“

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werden soll 32. Nur indem wir auch nichtmenschlichen Tieren eine gewisse Urteilsfähigkeit zuschreiben, können wir laut Gregor ihre Verhaltensweisen befriedigend erklären. In dieser Hinsicht ähnelt seine Argumentation derjenigen, die in der Gegenwartsdebatte etwa von John Searle vertreten worden ist 33. Anders als Donald Davidson behauptet Searle, dass Tiere durchaus über gewisse Formen propositionaler Einstellungen wie zum Beispiel Überzeugungen („beliefs“) verfügen. Der Hund ist schließlich überzeugt davon, die Katze sitze auf der Eiche, die er anbellt. Doch nicht nur das. Sobald er feststellt, dass die Katze sich nicht auf diesen Baum, sondern auf den benachbarten Ahorn gerettet hat, korrigiert er seine ursprüngliche Überzeugung. Diese Korrektur erfolgt natürlich nicht durch die Bildung sprachlicher Urteile wie: „,Die Katze sitzt auf der Eiche‘ ist ein falsches Urteil.“ Denn anders als wir verfügt er nicht über Begriffe wie ,Katze‘, ,Eiche‘ oder ,Urteil‘. Somit kann im Falle des Hundes streng genommen auch nicht von propositionalen Einstellungen die Rede sein. Nichtsdestotrotz kann er laut Searle der Überzeugung sein, die Katze sitze auf diesem oder jenem Baum, und diese Überzeugung kann sich je nach Lage der Dinge verändern beziehungsweise angepasst werden. Ähnlich wie Searles Argumentation muss wohl auch Gregors Position verstanden werden: Tieren die Urteilsfähigkeit gänzlich abzusprechen, hieße, sie mehr als nötig von uns abzugrenzen hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten. Vielmehr ist es angebracht, nach Ähnlichkeiten zwischen ihnen und uns zu suchen. Auch Gregor würde dabei nicht so weit gehen, ihnen Sprachfähigkeit zuzuschreiben. Ihre Urteile, so ließe sich sagen, sind Urteile auf einer niedrigeren Stufe 34. Gleichwohl handelt es sich um Urteile. Und gerade Irrtümer belegen aus Gregors Sicht diesen Umstand. In diesen Situationen zeigt sich nämlich, dass ein Tier einen Gegenstand oder ein Geschehnis auf eine bestimmte Weise beurteilt beziehungsweise einschätzt 35. Für Gregor werden Irrtümer also sogar zu einem Beleg für Urteilsfähigkeit. Natürlich lassen sich auch gegen Gregors Sichtweise etliche Einwände formulieren. Etwa das bereits oben erwähnte Argument Adams, dass wir dann zumin32

33

34

35

Gregor von Rimini, Lectura in primum et secundum Sententiarum, dist. 1, q. 3, edd. A. D. Trapp/V. Marcolino, Berlin-New York 1981, 304: „Quod primo convinci potest, quia, sicut videmus, aliquando brutam, apprehendit aliquod sensibile, ut puta panem, et movetur ad ipsum; aliquando vero apprehendit idem, et non movetur ad ipsum. Ergo motus iste, cum sit per appetitum animalem et talis appetitus sequatur apprehensionem, praesupponit praeter simplicem apprehensionem sensibilis iudicium quo iudicatur illud utile vel necessarium aut tale vel tale.“ Cf. J. R. Searle, Animal Minds, in: Midwest Studies in Philosophy 19/1 (1994), 206-219, bes. 210-213. Entsprechend spricht Perler, Intentionality (nt. 25), 92 sq., in diesem Zusammengang von „lowlevel judgments“. Cf. Gregor von Rimini, Lectura, eds. Trapp/Marcolino (nt. 33), 304 sq.: „Secundo quia aliquando animal appetens dulce vel aliter aliquale secundum saporem apprehenso colore alicuius rei determinatae movetur ad illam. Hoc autem, ut videtur, non contingeret, nisi iudicaret rem illam esse dulcem. Et istud confirmatur ex eo quod, si postea gustans non reperiat esse talem qualem quaerebat, fugit ab ea.“

Können Tiere irren? Philosophische Antworten aus dem 13. und 14. Jahrhundert

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dest gewisse nichtmenschliche Tiere ebenfalls als rationale Lebewesen bezeichnen müssten, weil ihnen praktische Rationalität in Form von Urteilsvermögen unterstellt wird. Weiterhin führt Adam ins Feld, wir Menschen täten oftmals Dinge, ohne vorher ein Urteil gefällt zu haben. Sein zugegebenermaßen etwas merkwürdiges Beispiel lautet, dass wir uns etwa rasieren, wenn es im Gesicht juckt. Dies tun wir aber „ohne jegliches Nachdenken und ohne vorheriges Urteil“ (sine omni deliberatione vel iudicio praevio) 36. Der entscheidende Punkt ist hier nicht, ob Adams Beispiel wirklich einleuchtend und überzeugend ist. Vielmehr geht es um Folgendes: Wenn sich Situationen finden, in denen auch wir Menschen trotz unseres Verstandes und unserer Vernunft handeln, ohne vorher geurteilt zu haben, dann handeln nichtmenschliche Tiere möglicherweise immer, ohne vorher zu urteilen. Gregor würde dieses Argument sicherlich nicht zufriedenstellen. Zum einen sagt er, man könne ruhig auch andere nichtmenschliche Tiere als vernunftbegabte Lebewesen bezeichnen 37. Er hält also das oben als Klassifikationsproblem bezeichnete Problem für nicht allzu dramatisch. Dies ist sicherlich auch deshalb der Fall, weil immer noch klare Unterschiede zwischen den Urteilen von Tieren und unseren Urteilen ausgemacht werden können. Zum anderen, so könnte man an Gregors Stelle noch gegen Adam anführen, ist auch das umgekehrte Argument denkbar: Menschen urteilen manchmal und manchmal tun sie es nicht. Warum sollte es nicht auch bei nichtmenschlichen Tieren so sein? Ganz gleich, wen man als Sieger aus dieser Debatte hervorgehen sieht, zeigt sie, wie anfangs erwähnt, eine Sache recht deutlich: Die Beantwortung der Frage, ob Tiere irren können, hängt maßgeblich davon ab, was wir erstens eigentlich unter ,Irrtum‘ verstehen und zweitens, welche kognitiven Fähigkeiten wir als Voraussetzung für das Irrenkönnen betrachten. Wenn wir wie Adam Wodeham oder Donald Davidson einen sehr strengen Urteils- und Irrtumsbegriff anlegen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass Tiere, denen die Urteilsfähigkeit abgeht, auch nicht irren können. Irrtum ist demnach an propositionale Einstellungen gebunden, wie Davidson es genannt hat, beziehungsweise an komplexe Erfassensakte, so Adams Formulierung. Wenn wir aber so wie Gregor von Rimini, Thomas von Aquin oder Albertus Magnus (im Gefolge von Avicenna und in Analogie zu heutigen Autoren wie etwa John Searle) einen weiteren Begriff von Urteilen und Irren anlegen, so können wir durchaus davon sprechen, dass Tiere urteilen und irren. Dabei ist zu beachten, dass dieser Begriff keineswegs einfach nur ein äquivoker Begriff ist, wie Adam Wodeham unterstellt. Gewiss, viele Urteile von Hunden, Eseln oder Wölfen mögen rein instiktive Urteile sein. Des 36

37

Cf. Adam Wodeham, Lectura, q. 4, § 8, ed. Wood (nt. 26), 100: „Nec est hoc inconveniens bruto, cum etiam in nobis experiamur, cum ad solam positionem simplicium apprehensionum multa frequenter facimus sine omni alia deliberatione vel apprehensione complexa, sicut scalpimus caput cum sentimus pruriginem et fricamus barbam. Et alios multos gestus et motus habemus sine omni deliberatione vel iudicio praevio.“ Cf. Gregor von Rimini, Lectura, eds. Trapp/Marcolino (nt. 33), 306: „Si tamen velis illa etiam vocare rationalia, potes, quia vocabula sunt ad placitum.“

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Anselm Oelze

Weiteren können sie falsche Urteile, also Irrtümer, nicht intellektuell korrigieren, sondern nur durch andere Urteile auf der sinnlichen Ebene ersetzen. Trotzdem messen auch sie Dingen, die sie wahrnehmen, eine bestimmte Bedeutung bei. Und dabei können sie falsch oder richtig liegen - genau wie wir.

V. Göttliche oder teuflische List?

Was Adam Prone to Error? A Medieval Thought Experiment Dominik Perler (Berlin) I. Introduction: the ideal human condition It seems quite evident that we are far from perfect in our cognitive and moral activities. As we all realize in daily life, we often produce imperfect or even wrong perceptions of the objects and people around us, we make wrong judgments about them, and we give wrong explanations of what they are and how they behave. Moreover, we make mistakes in our practical deliberations. When thinking about the actions we should choose, we often come up with wrong evaluations and make wrong decisions. This clearly shows that we are prone to error. But why is that the case? Many thinkers in the Christian tradition gave a seemingly simple answer to this question. Human nature is deeply corrupt, they said, and this is due to the original sin, which affected all human beings. We all have defective cognitive and moral capacities and are therefore fallible in our cognitive and moral activities, no matter how much we strive for improvement and perfection. It is well known that this idea of a universal corruption played a crucial role in Augustine’s conception of original sin 1. On his view, human beings are not simply corrupted by their individual sins, nor can they overcome corruption through individual actions. Corruption is rather a permanent feature that was introduced into the history of mankind by Adam, the first human being, and then transmitted to all later human beings. It is part of the human condition and therefore inevitable for all human beings, regardless of their individual qualities and achievements. Given this characterization of human nature, Augustine’s conception of original sin can be regarded as the foundation of a pessimistic anthropology, which shaped all medieval debates about human error 2. 1

2

For a concise analysis, cf. W. E. Mann, Augustine on Evil and Original Sin, in: E. Stump/ N. Kretzmann (eds.), The Cambridge Companion to Augustine, Cambridge 2001, 40-48; J. Couenhoven, St. Augustine’s Doctrine of Original Sin, in: Augustinian Studies 36 (2005), 359-396. To be sure, it shaped debates far beyond the medieval period and played a key role in the Reformation. For an overview, cf. J. Gross, Geschichte des Erbsündendogmas: ein Beitrag zur Geschichte des Problems vom Ursprung des Übels, vol. 3: Entwicklung des Erbsündendogmas im Zeitalter der Scholastik (12.-15. Jahrhundert), München 1971; H. Köster, Urstand, Fall und Erbsünde in der Scholastik (Handbuch der Dogmengeschichte II.3b), Freiburg e.a. 1979 and id., Urstand, Fall und Erbsünde. Von der Reformation bis zur Gegenwart (Handbuch der Dogmengeschichte II.3c), Freiburg e.a. 1982.

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However, this pessimistic anthropology had an optimistic complement. If corruption is the human condition after the fall, there must have been a better state before that event, a state in which human nature was so perfect that cognitive and moral error could be avoided. Augustine himself referred to this prelapsarian state as an ideal state in which human nature was not defective. In ‘On Nature and Grace’ he famously affirmed: “In fact, the nature of a human being was first created faultless and without any vice. But this nature of a human being, in which everyone is born from Adam, now needs a physician because it is not healthy.” 3 The important point is that human nature is not inherently or essentially corrupt. It rather became corrupt at a given moment in history and therefore now needs some kind of healing. But we should not forget that there was a time when it was not corrupt, and we should try to understand what a fully intact nature amounts to. This means, of course, that we should form an idea of human nature as it was before the fall. Only then will we be able to understand what a life without cognitive and moral error consists in, and only then will we also realize the limitations of our own life. Given this emphasis on the prelapsarian state as the ideal human state, it is not surprising that many medieval authors explored the life of Adam before the fall. They wanted to know what it meant for Adam to lead a faultless life, what kind of capacities he had, and what he achieved by using them. In particular, they wanted to understand what it meant for Adam to have perfect knowledge. This is most evident in Peter Lombard’s ‘Sentences’. In the second book of this influential work, he explicitly referred to the prelapsarian state and claimed that Adam had a threefold knowledge that was perfect: knowledge of created things, of God, and of himself 4. Clear and simple as this claim seems to be, it gives rise to a number of questions, which were all extensively discussed by Lombard’s commentators. Did Adam have knowledge of all created things? Or only of those he encountered in his environment? Did he know God simply by contemplating him? Or did he have another type of cognitive access to him? And did he immediately see his own soul? Or did he have another kind of privileged access to himself ? These questions show that it was not sufficient to simply state that perfect knowledge was possible in the prelapsarian state; its specific structure and its objects needed to be spelled out. But there is an even deeper problem. If Adam’s nature was fully intact before the fall, he must have been a person who did not make the mistakes we often 3

4

Augustine, De natura et gratia, cap. 3, n. 3, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Graeca, vol. 44, Paris 1841, 249: “Natura quippe hominis primitus inculpata et sine ullo vitio creata est: natura vero ista hominis, qua unusquisque ex Adam nascitur, jam medico indiget, quia sana non est.” (All translations from Latin are mine.) Cf. Peter Lombard, Sententiae in IV libris distinctae, liber II, dist. 23, cap. 3, ed. PP. Collegi S. Bonaventurae, Grottaferrata 1971, vol. 1/2, 448 sq.. On Lombard’s conception of Adam, cf. L. Valente, Adam et la nature humaine avant le pe´che´ originel dans le II e livre des Sentences de Pierre Lombard, in: G. Briguglia/I. Rosier-Catach (eds.), Adam, la nature humaine, avant et apre`s. E´piste´mologie de la Chute, Paris 2016, 19-43.

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make. This is in fact the reason why Augustine called his nature “faultless”: Adam did not produce false perceptions, false judgments, and false moral evaluations. Yet, Adam clearly was a human being with all the limitations such a being inevitably has: his body had a restricted number of senses, and his intellect had a limited range of activities. So how was it possible for a cognitively limited being to be perfect? Was Adam not, despite his fully intact nature, prone to some kind of imperfection or even error? In particular, was he not prone to moral error? Otherwise he would not have made the wrong choice to eat the fruit from the forbidden tree. After all, a cognitively perfect human being would have foreseen the devastating consequences and avoided them. This is exactly the problem I want to discuss. I intend to look at the way medieval authors explained the fact that Adam was able to make some mistakes (and that he did in fact make a fundamental mistake), although he had a perfect nature. I will first look at their account of cognitive error, then at their analysis of moral error, and finally I will make a suggestion for understanding their entire approach from a methodological point of view. To be sure, I cannot cover but a small part of a complex debate. My aim is not to give a historical overview or to present the full story of Adam’s life as it was told in the Middle Ages 5. Nor will I enter into theological debates about the relationship between nature and grace. I rather want to look at some points that are philosophically relevant and that make clear why scholastic authors were so intrigued by the possibility of Adam’s error. 2. Cognitive er ror Thomas Aquinas is a good starting point for a closer look at medieval accounts of Adam since he presents a detailed analysis of Adam’s capacities and activities. He fully agrees with Peter Lombard that Adam had perfect knowledge of material objects, of God, and of himself. But how exactly did Adam know all these things? Let us look more closely at his knowledge of material objects. Aquinas states that Adam did not acquire this knowledge the way we do. That is, he did not first receive sensory impressions, then form phantasms, and finally abstract special cognitive devices, so-called intelligible species, which represented material objects. He rather had, right from the beginning, “infused species”, i. e., species that were directly implanted in his intellect by God 6. This means that 5

6

This story would have to deal with the creation of Adam, his bodily constitution, his passions, his language, and many other issues. Some of them are discussed in: A. Paravicini Bagliani (ed.), Adam, le premier home (Micrologus Library 45), Firenze 2012, and most recently in: Briguglia/ Rosier-Catach (eds.), Adam, la nature humaine, avant et apre`s (nt. 4). Cf. Thomas Aquinas, Summa theologiae (= Sum. Theol.), ed. P. Caramello, Rome-Turin 1952, pars I, q. 94, art. 3, ad 1; Quaestiones disputatae de veritate (= De veritate), q. 18, art. 4, corp., and ad 10, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. XXII/2, Rome 1972, 541 sqq.

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he had, right from the beginning, a full representation of all objects. Since no reception of sensory information was required, no error in processing this kind of information could occur. God gave Adam species that perfectly represented all material objects, and thereby enabled him to have perfect knowledge. No doubt, this is a clear statement that emphasizes the contrast between Adam’s innate knowledge and our acquired knowledge. However, it gives rise to a serious question. How was Adam ever able to make cognitive progress? If he had full knowledge right from the beginning, there was nothing for him to discover and to learn. So, was he just sitting around, pleased with himself and doing nothing? Not exactly, because his innate knowledge was only dispositional knowledge that needed to be actualized, and this happened when he got in touch with particular things. Let me illustrate this point with an example Aquinas himself adduces 7. Let us imagine that Adam led a peaceful life without ever seeing lions. In that state he already had an intelligible species for lions and therefore the disposition to think about lions. But he did not actually think about lions. This only happened when he encountered a real lion and received some sensory impressions. However, unlike later human beings he did not need to abstract anything from these impressions. They were nothing but a trigger that enabled him to actualize his dispositional knowledge. And when he eventually actualized it, he did not acquire any new knowledge about lions. He simply applied the full knowledge he already possessed to a particular lion. Or as Aquinas himself says: “[…] one should say that in his knowledge of naturally knowable things, Adam made progress not with respect to the number of things known, but with respect to the way of knowing. For the things he knew intellectually, he later came to know by experience.” 8

The crucial point is that Adam did not make progress in his knowledge of animals when he encountered a lion. He only found an experiential basis for knowledge he already possessed. This was knowledge in the strict sense (scientia), which enabled him to grasp the essential features of lions so that he could give a definition of lions. Or for short, it was definitional knowledge. The sensory impressions he received from the particular lion did not change or correct this knowledge. They simply added some information to it, namely information about accidental features such as size, shape, and color. However, the fact that Adam was at least able to acquire some additional information may cast doubt on Aquinas’s thesis that Adam’s epistemic situation was perfect right from the beginning. After all, Adam had to work on the information he received and he could have made mistakes under special circumstances. For instance, he could have fallen prey to a sensory illusion when seeing 7 8

Cf. id., De veritate, q. 18, art. 4, ad 10. Id., Sum. Theol., pars I, q. 94, art. 3, ad 3: “[…] dicendum quod Adam in scientia naturalia scibilium non profecisset quantum ad numerum scitorum, sed quantum ad modum sciendi; quia quae sciebat intellectualiter, scivisset postmodum per experimentum.”

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a lion in the dark. Given the bad light, the animal could have appeared black to him although it was in fact brown. Adam could therefore have had a phantasm representing the lion as something black, and this could have given rise to the judgment that the lion was in fact black. So there could have been intellectual error as far as the accidental features were concerned, even if Adam’s knowledge of the essential features was perfect. Should one therefore not concede that there was a real possibility for error? Aquinas clearly rejects this possibility. He holds that in this situation Adam “would discern the truth by his reason” 9. What does that mean? Let me sketch an answer by fleshing out the example. Suppose that the lion did in fact appear to be black. Yet Adam did not spontaneously come up with a judgment based on this appearance. He also took other factors into account. For instance, he was aware of the fact that he was seeing the lion in bad light, and he knew that brown things tend to appear black when seen in bad light. That is why he immediately corrected the sensory information, thinking something like the following: “What appears to me as something black must be judged to be brown because of the special light conditions.” Consequently, he formed a correct judgment about the lion’s color. The crucial point is that Adam had something like an internal correction program that immediately checked the incoming information and evaluated it against the background of other available information. He was therefore able to avoid perceptual errors. Now it seems as if Adam had complete and infallible knowledge of all material things. But this is not exactly the thesis Aquinas wants to defend. As we have already seen, he ascribes nothing but definitional knowledge to Adam, and this means that Adam did not have every kind of cognition of every possible item. Aquinas spells this out as follows: “But the first human being did not cognize other things, which cannot be known through a natural human effort and which are not necessary for leading a human life, such as the thoughts of human beings, future contingents, and singular things, for instance how many pebbles lie in a river, and other things of this sort.” 10

It is significant that Aquinas speaks about cognition here, not about knowledge. Cognition deals with individual things and their accidental features, and it is not provided by the infused species that represent nothing but essential features. Consequently, Adam knew just the definition of a pebble, he did not cognize the number or the size of individual pebbles. Nor did he cognize the thoughts of other people since thoughts are, metaphysically speaking, individual accidents of individual souls. For cognitive access to their thoughts, Adam 9

10

Ibid., art. 4, ad 3: “[…] dicendum quod, si aliquid repraesentatum fuisset sensui vel phantasiae primi hominis aliter quam sit in rerum natura, non tamen deciperetur: quia per rationem veritatem diiudicaret.” Ibid., art. 3, corp.: “Alia vero, quae nec naturali hominis studio cognosci possunt, nec sunt necessaria ad gubernationem vitae humanae, primus homo non cognovit; sicut sunt cogitationes hominum, futura contingentia, et quaedam singularia, puta quot lapilli iaceant in flumine, et alia huiusmodi.” Cf. also id., De veritate, q. 18, art. 4, corp.

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needed to interpret their behavior and their utterances. This means that he had nothing but inferential cognition, the same kind of cognition we also have. The same applies to his cognition of future events. He had to interpret the constellation of the clouds in order to make a statement about rain in the near future, and he had to interpret Eve’s gestures in order make a prediction about her picking an apple. Adam had no knowledge of all these things, but only an inferential cognition. But was his cognition correct? Yes, it was, but even the best interpretation was nothing but a prediction. Since future things are contingent, no prediction was absolutely true. It was, as we say today, only conditionally true. That is, when observing Eve’s behavior, Adam was only able to say something like the following: “If Eve is going to lead her action to an end and if she does not change her mind in the last second, then she will pick an apple.” Adam made no error in his statement about Eve’s action, but it was only conditionally true because she could very well have changed her mind and stopped her action. Adam was therefore not an omniscient being who could read, as it were, the future with absolute certainty. He simply made predictions, just as we do, but with the crucial difference that he always correctly interpreted the observable signs. The fact that his predictions were only conditionally true did not make him an unreliable cognizer. This is an important point. It shows that Aquinas clearly distinguishes between an omniscient being and an epistemically reliable being. Adam was epistemically reliable because he made no mistakes when processing information and producing predictions. Nevertheless, he was a cognitively limited being, capable of using no more than the information that was available to him in a given situation. And he had to work on this information, interpret it, and make inferences. Unlike God, he was not an omniscient being with no need for processing sensory information. It seems, however, that Adam was similar to God in an important respect. As I already pointed out, Aquinas claims that Adam had infused species of all things. Right from the beginning, all of them were present in his intellect. It seems, therefore, that he did not have to collect different species in order to build up a body of knowledge. He simply needed to use them and, in principle, he could use many species at the same time. Does this mean that he could grasp the essential features of many things at the same time? Did he somehow see them in one glance? And did he therefore have intuitive knowledge like God, not the kind of discursive knowledge we have? Some fourteenth-century authors, among them Gregory of Rimini, did not hesitate to claim that Adam did indeed have divine (or at least angelic) knowledge as far as the structure of his knowledge was concerned 11. But in the 11

Gregory explicitly compares Adam’s knowledge to that of angels, claiming that there is a simultaneous use of many species in both cases. Cf. Gregory of Rimini, Lectura super primum et secundum Sententiarum, lib. II, dist. 11, q. 1, ed. A. D. Trapp, vol. 5, Berlin-New York 1979, 234.

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sixteenth century, Francisco Sua´rez harshly criticized this view, emphasizing that Adam was, after all, a human being with a limited intellect. Even when he actualized many species, he had to go from one to the next, thus producing a series of acts of knowing. The reason for this serial and hence discursive knowledge is quite simple: Adam was not able to focus on many things at once. Sua´rez put this point as follows: “It is therefore a fact that this lack of power in us does not have its origin in the destructibility and exhaustion of the body, but in an intrinsic limitation of the human intellect, which, when focused on many things, is less focused on every singular thing.” 12

This statement can easily be illustrated. Suppose that you go to the Louvre in Paris and look at the famous “Mona Lisa” painting. No doubt, you can look at the entire painting in one glance, but if you do so, you will hardly notice all the details, for instance, the color of the eyes or the size of the lips. To grasp the details, you need to pay attention to each and every part of the picture by moving from one to the next in a series of acts of seeing. Similarly, if Adam had produced just one single act of intuitive knowledge, he would not have paid attention to all the things that were present to him. He needed many acts in order to have a precise understanding of each and every thing. In these acts, he moved from one thing to the next and inspected all of them carefully. Quite obviously, Sua´rez wants to distinguish Adam from God. The mere fact that Adam was not prone to error did not make him God. The structure of his knowledge was genuinely human and therefore discursive. But was Adam really immune to error? This is the basic thesis on which Aquinas, Gregory of Rimini and Sua´rez agreed, regardless of their disagreement about the structure of Adam’s knowledge. However, not all medieval authors subscribed to this thesis. Bonaventure is an interesting exception. He fully agreed that Adam made no mistake as far as his definitional knowledge was concerned. But he thought that Adam could still have made mistakes as far as his cognition was concerned, namely, in the grasping of accidental features; hence he was in some sense prone to error. According to Bonaventure, there are two types of error: “[…] someone can be deceived in two ways: either in such a way that he adheres [to something] with strong rash confidence, or that he adheres to it with some kind of estimation. The first deception is called an error in the strict sense, and it did not occur in the first human being. But the second can be called an opinion in which there is an acceptance of a part without the full assent of rash confidence, and this can be called a false estimation. And it occurred in Adam without any blame and

12

Francisco Sua´rez, De opere sex dierum, lib. III, cap. 9, n. 22, ed. A. D. M. Andre´, in: Opera Omnia, vol. III, Paris 1856, 236: “Unde constat hanc impotentiam in nobis non provenire ex corporis corruptibilitate et defatigatione, sed ex intrinseca limitatione intellectus humani, qui pluribus intentus minor est in singulis.”

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punishment, especially when this estimation did not lead to a sin and did not do any harm.” 13

It is evident that Bonaventure distinguishes two kinds of epistemic attitudes. The first is rash confidence (credulitas), i. e. an attitude by which one firmly assents to a proposition, yet without having reflected on why one should assent to it. One simply takes it for granted and therefore spontaneously assents to it. A good example for this kind of epistemic attitude is my assent to the proposition that the sun is shining right now. I have not reflected upon it, nor have I done empirical research that would provide evidence for it. Given my sensory experience, I cannot but have the strong impression of sunlight; consequently, I cannot but assent to the proposition that the sun is shining. But there is also a second kind of epistemic attitude I can take. It is much more cautious than the first one because it does not involve a firm assent. If there is an assent at all, it is a weak one that will easily be given up. Bonaventure calls it a mere estimation (aestimatio), but we may also call it a mere belief 14. Thus, I have the mere belief that there are sixty books on the bookshelf in front of me. Since it is a belief, I give my assent to a proposition. But I do not stick to it. If someone were counting the books and telling me that there are sixty-two books on the bookshelf, I would be ready to give up my assent. Or some years ago, I had the belief that there are nine planets in our solar system. But then I read in a scientific journal that astronomers had decided to take Pluto away from the list because it did not satisfy all the criteria a planet must meet. Taking this change into account, I was immediately ready to give up my assent. The important point is that in the case of a mere belief I lack strong reasons and am aware of that; therefore, I only weakly assent to a proposition. Now, Bonaventure’s idea is that Adam also had the second type of epistemic attitude: mere beliefs to which he gave a weak assent. Since some of his beliefs 13

14

Bonaventure, In secundum librum Sententiarum, dist. 23, art. 2, q. 2, ed. A. C. Peltier, in: Opera Omnia, vol. III, Paris 1865, 144b: “[…] dupliciter contingit aliquem falli, aut ita quod adhaeret firma credulitate, aut quod adhaeret qualicumque aestimatione: et prima deceptio vocatur error proprie, et haec in primo homine stante non fuisset; secunda vero potest dici opinio, in qua est acceptio unius partis sine pleno assensu credulitatis, et haec potest dici quaedam aestimatio falsa. Et haec fuisset in Adam absque culpa et poena, maxime cum ex hac aestimatione nec incideret in peccatum, nec incurreret damnum.” Bonaventure does not specify to which faculty of the soul the estimation belongs. It could be a cognitive state belonging to the intellectual faculty. In that case, it would be a full-fledged belief consisting of concepts. But it could also be a cognitive state belonging to the sensory faculty. Following Avicenna, many thirteenth-century authors took the estimative power (vis aestimativa) to be a part of the sensory faculty and identified it as one of the internal senses. They claimed that it was responsible for making estimations about the goodness or badness of perceived objects (e.g. the badness of the wolf that is perceived). This type of estimation does not consist of concepts since it does not involve an intellectual activity. But no matter whether the estimation is a conceptual attitude and hence a belief in the strong sense or a pre-conceptual attitude and hence a belief in the weak sense, it is an attitude that involves an assent to something that is immediately present. On various theories of estimation, cf. C. di Martino, Ratio Particularis. Doctrines des sens internes d’Avicenne a` Thomas d’Aquin (E´tudes de philosophie me´die´vale 94), Paris 2008.

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were not true, he was not immune to error, but this was unproblematic because he did not firmly subscribe to them. He was willing to give them up in light of convincing reasons, just as I did with my belief about the nine planets. Moreover, his beliefs had no negative consequences. So perhaps he had the belief that there were two hundred and thirty two apples on the tree, while in fact there were only two hundred and thirty one, but this was of no importance because it did not do any harm; it was an insignificant belief. The crucial point is that a distinction between different types of assent to a proposition makes it possible to make room for false beliefs and hence for error. Bonaventure thinks that in light of this distinction we can ascribe some error to Adam without assuming that he was an irresponsible epistemic subject. On the contrary, he was highly responsible since he was willing to give up his false beliefs. However, neither Aquinas nor Sua´rez agreed with this conclusion 15. Sua´rez openly attacked Bonaventura, claiming that every assent to a false proposition is a wrong judgment. And if one makes a wrong judgment without realizing it, one falls prey to error, no matter how much one hesitates when giving the assent or how much one is willing to give up the assent 16. Clearly, Adam would have been a defective being if he had been susceptible to some error. His nature would have been corrupt even before the dramatic act of sinning took place. And who knows what the consequences of his false beliefs would have been? Sometimes an insignificant belief can have the most devastating consequences no one can foresee. This reaction shows that Sua´rez was really appalled by the possibility of error. He insisted on the fact that the strength of the assent to a proposition does not matter when we talk about error. There is error whenever someone gives his assent to a false proposition, no matter how strong or weak the assent may be. It is therefore highly misleading to allow for small errors, as Bonaventure suggested. What is at stake here is not the gravity of an error, but the very possibility of error that presupposes a defect in the cognizing subject. A perfect cognizer like Adam had no defect. Hence he could never make an error, not even a seemingly innocent one. 3. Moral er ror I hope it has become clear so far that Adam was in an ideal state. Why then did he make a crucial mistake? Why did he accept the fruit of the forbidden 15

16

Thomas Aquinas reports and rejects it, yet without naming Bonaventure; cf. Sum. Theol., pars I, q. 94, art. 4, corp. Francisco Sua´rez, De opere sex dierum, lib. III, cap. 10, n. 8, ed. Andre´ (nt. 12), 241: “Nam licet dicatur aestimatio, vel existimatio, imo et levis etiam vocari posset, si magna sit formido: nihilominus aliquod judicium intervenire debet, alioqui nulla erit aestimatio, licet occurrant conjecturae, quae de se talem aestimationem inducere possint. Omne autem judicium quantumcumque formidolosum si non sit conformis rei judicatae, est simpliciter falsum, et consequenter error, seu deceptio, ac proinde malum intellectus repugnans statui primae institutionis.”

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tree? It seems that an impeccable being should have been immune to this sin. Or to put it more technically, a being with a fully reliable intellect should not have made a wrong judgment causing a wrong action. Why did Adam nevertheless commit the original sin? At first sight, there seems to be a simple answer. When Adam was offered the fruit, he was overcome by a sensory desire. The apple looked so delicious and had such a pleasant scent that he could not resist. He took it without thinking about possible consequences, even without producing a clear decision. He somehow turned off his intellect and blindly followed his sensory desire. However, this is not the answer chosen by medieval authors. They all agree that Adam was a fully rational subject who was always in control of his desires. Of course, as a human being he inevitably had desires, and some of them were very strong. But he was always able to resist them because his rational faculty always dominated over the sensory ones 17. Sua´rez is very explicit about this point. He emphasizes that Adam, unlike later human beings, had a perfectly coordinated system of psychic faculties, and this system was hierarchically structured so that the lower sensory faculties always obeyed the higher rational ones 18. This means, for the situation in which he was offered an apple, that his sensory faculty inevitably produced a desire, perhaps even a very strong one, which tempted him to take the apple. But his rational faculty unfailingly resisted the temptation. It immediately produced a judgment with the content that a fruit from the forbidden tree must not be touched. This normative judgment dominated over the desire. Given this perfect rational control, it is even more difficult to understand why Adam took the apple. What was the root of this wrong action if he was not overcome by a desire and if he did not have a wrong cognition of the whole situation? Both Aquinas and Sua´rez give a clear answer: Adam acted out of arrogance (superbia), which was the first and most devastating sin 19. He wanted to be like God and therefore deliberately ignored the normative judgment that fruits from the forbidden tree must not be touched. This is, of course, the standard answer that was given in the theological tradition 20. But from a philosophical point of view, it looks quite puzzling. How was a cognitively perfect being ever able to act out of arrogance? Is arrogance not based on the wrong 17

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19

20

He was therefore never overcome by bad desires or bad passions, as Aquinas makes clear; cf. Thomas Aquinas, Sum. Theol., pars I, q. 95, art. 2. On the problem of passions, cf. C. Casagrande/S. Vecchio, Les passions avant et apre`s la Chute. Mode`le thomasien et tradition augustinienne, in: Briguglia/Rosier-Catach (eds.), Adam, la nature humaine, avant et apre`s (nt. 4), 153171. Cf. Francisco Sua´rez, De opere sex dierum, lib. III, cap. 12, n. 14-20, ed. Andre´ (nt. 12), 251 sqq. Cf. Thomas Aquinas, Sum. Theol., pars II-II, q. 162, art. 1; Francisco Sua´rez, De opere sex dierum, lib. III, cap. 3, n. 12, ed. Andre´ (nt. 12), 345. Cf. Augustine, De civitate Dei, XII, 6, ed. B. Dombart/A. Kalb (Corpus Christianorum. Series Latina 48), Turnhout 1955; id., De genesi ad litteram, XI, 5, 7, ed. J. Zycha (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 28/1), Wien 1894.

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judgment that human beings should be like God? And does a human being who is immune to error not avoid this wrong judgment? Does he not have some kind of internal mechanism that prevents him from making this judgment, just as he has a mechanism that prevents him from blindly following his desires? To answer these questions, we need to take a closer look at the structure and the origin of arrogance. Following Augustine, Aquinas points out that arrogance is a pernicious appetite. It is the “appetite for a perverse elevation” (appetitus perversae celsitudinis) 21. The arrogant person wants to elevate himself, that is, he wants to put himself at a higher level. In its worst form, arrogance is the wish to put oneself at the same level as God: one wants to imitate God 22. This is exactly what Adam aimed at. He was not satisfied with the subordinate level where he found himself as a creature and wanted to be like the creator himself. More precisely, he wanted to be as perfect as God - a position in which he would have unrestricted knowledge. Let us now look more closely at the constitutive elements of arrogance. It clearly has a cognitive element, for anyone who is arrogant must grasp the difference between his own position and a superior one. And the position at stake is not simply a local one that could be perceived, but a metaphysical one that needs to be understood. This means that the arrogant person does not simply see that he is far away from God. He rather understands that there is a hierarchical structure in the world and that he occupies a subordinate place in this hierarchy. That is why he needs to use his intellect, a cognitive faculty that enables him to grasp this thought. So, arrogance clearly has an intellectual element. An animal without an intellect can never be arrogant, and an infant who does not yet make use of his intellect cannot be arrogant either. Since these creatures only use their sensory faculties, they can only see or smell things around them and desire them. They are utterly unable to understand that there is a metaphysical hierarchy in the world and that they occupy a special place in it. Yet arrogance requires more than the intellect. The will is also required, for an arrogant person wants to be in a higher position. Or to put it more technically, this person wants to give his assent to a proposition like “I should be in a higher position” or “I should be in the same position as God.” Aquinas is very explicit about this point. He remarks that arrogance is not a sensory desire but a rational one 23. And such a desire always requires an assent. Let me illustrate this important point with an example. Suppose that you are quite thirsty and that you see a glass of water in front of you. How will you react? There are 21 22

23

Thomas Aquinas, Sum. Theol., pars II-II, q. 162, art. 1, ad 2. To be precise, one wants to imitate God in his cognitive activity by having full knowledge of what is good and bad. Aquinas emphasizes that it is this striving, not the general aspiration to be a perfect being, that is pernicious. Cf. Thomas Aquinas, Sum. Theol., pars II-II, q. 163, art. 2, corp. Thomas Aquinas, Sum. Theol., pars II-II, q. 162, art. 3, corp.

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two possibilities. You can simply act like an animal or an infant and follow your sensory desire, which is triggered by the perception. In that case, you immediately take the glass and start drinking, without really deciding that you should drink. Or you can activate your rational faculties and first think that drinking would be wonderful and then give your assent to the proposition “I should drink”. In this second case, you use your will in combination with your intellect. It is only in this case that you make a decision in the strict sense - a decision that leads to an action. In the first case, you simply exhibit a behavior, not an action, because your bodily movement is not guided by a rational activity. Now, a similar explanation should be given for arrogance. It is not just a sensory desire, but a rational one that involves both intellect and will. The arrogant person is someone who forms the proposition “I should be like God” and gives his assent to this proposition. This will lead to an action and not just to a bodily behavior. But why is it so important for the will to be involved? Why is it not sufficient to simply think “I should be like God”? It is important because merely entertaining a thought or considering a proposition does not lead to an action. As long as one does not assent, one has a neutral attitude toward the proposition, and this attitude does not involve any commitment. Thus, I may think many things, for instance “I should be like an athlete” or “I should be like a movie star.” As long as I do not give my assent to one of these propositions, I do not engage in an action. It is only my wanting to be an athlete or a movie star that will make me go to the gym or to drama school. To put it in technical terms, only a volition will turn a mere thought into an action-guiding thought. This is exactly what happened in the case of Adam: he thought “I should be like God” and assented to this proposition, thus prompting an action. At this point, one may raise a simple but fundamental objection. Why did Adam give his assent to the proposition “I should be like God”? Why did he not realize that this proposition presents a situation that destroys the dependency relation between creator and creature? After all, as an epistemic subject that makes no mistakes he should have seen that this is a morally wrong proposition. Consequently, he should have rejected it. Neither Aquinas nor Sua´rez chooses this line of argument. Why not? First of all, it is important to see that Adam’s cognitive perfection concerns only the way he cognizes things in the world. As has become clear, he has perfect innate knowledge of the essence of all things, and he acquires perfect information about their accidental features. But he has no innate normative principles. There are no species infused by God that would yield to knowledge of these principles. That is why he was able to come up with a number of normative principles, one of them being “I should be like God.” Second, and more importantly, Adam was under no constraint to give his assent only to some normative principles. Since he had a free will, he could give his assent to any principle that he deemed to be good. In fact, it was precisely his free will that made it possible for him to make a decision and to choose one among many possible principles.

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Lurking in the background of this crucial assumption is a theory of the will that clearly distinguishes between two kinds of volitions. As far as the most general goal in life is concerned, there is no free will. All human beings, including Adam, necessarily want to achieve this goal. According to Aquinas, this goal is the union with God. That is why all human beings necessarily give their assent to the proposition “I should be united with God”. However, for all other goals that are more specific, there is no necessity. Human beings only contingently want to achieve these goals. In a famous passage, Aquinas expresses this point as follows: “But particular things which one can do are contingent things, and so with regard to them the judgment of reason is open to different actions, and it is not determined to one. Accordingly, human beings necessarily have free decision, precisely because they are rational.” 24

When applied to the situation of Adam, this means that there were many things he could choose and many goals he could set for himself, for instance, “I should be healthy” or “I should be rich”. Technically speaking, he could give his assent to very different normative propositions, and this was possible because he was a rational being with a free will. Unlike non-rational animals, he was not simply driven by his sensory desires but could deliberate on many options and choose one of them. This means, of course, that he was also able to choose the goal that he should be like God. There was no internal mechanism that prevented him from choosing this goal. If there had been such a mechanism, he would have been like a marionette that was programmed to avoid a certain goal. But in that case, he would no longer have been a rational being that made a choice. He would have been reduced to a non-rational being that simply followed an internal program. This line of argument makes clear why Aquinas thinks that Adam was cognitively fully reliable and nevertheless able to commit the original sin. Acting out of arrogance has nothing to do with making a cognitive mistake. It has its origin in a volitional mistake, that is, in the wrong choice of a certain goal. This choice should always be open to a human being who is not determined in his actions. If he were deprived of this choice, he would be deprived of the status of a rational being 25. Given this basic fact, it is quite understandable why Adam was able to commit the original sin. Sua´rez goes even a step further. He claims that Adam could 24

25

Thomas Aquinas, Sum. Theol., pars I, q. 83, art. 1, corp.: “Particularia autem operabilia sunt quaedam contingentia: et ideo circa ea iudicium rationis ad diversa se habet, et non est determinatum ad unum. Et pro tanto necesse est quod homo sit liberi arbitrii, ex hoc ipso quod rationalis est.” In his early Commentary on the ‘Sentences’, Thomas Aquinas even claims that Adam would have lost his nature; cf. Thomas Aquinas, Scriptum super libros Sentiarum, lib. II, dist. 23, q. 1, art. 2, corp., ed. R. P. Mandonnet, Paris 1929, 570: “Dico ergo, quod si peccatum omnino impediretur, per hoc multi gradus bonitatis tollerentur: tolleretur enim natura illa quae potest peccare et non peccare; quae quidem bona est.”

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commit all kinds of sins and choose many wrong actions: he could steal, lie, and do many other despicable things. He was never determined in his actions, simply because, right from the beginning, he had a free will. Sua´rez unmistakably holds: “Above all, we cannot deny that a human being in this state [sc. of Adam] has an intrinsic freedom to want or choose anything in any particular area, even with respect to something insignificant, like a useless word or a lie. For there was nothing that could have necessitated the will of this human being, neither in its exercise nor in its specification in this rather than that area.” 26

This is quite a remarkable statement. Obviously, Sua´rez holds that Adam was able to make all kinds of moral mistakes. His perfect knowledge of all things did not prevent him from making them. On the contrary, since he had knowledge of all things in all areas, he was able to make decisions about a large number of things; in all these cases, he was always free to make good as well as bad decisions. Nothing determined him to use his will to produce nothing but morally valuable decisions 27. It is therefore hardly surprising that he came up with some bad ones, one of them being so bad that it led to the expulsion from paradise. This was in fact the price to be paid for free will: only a being without a free will, a marionette in God’s hands, would have been so immune to wrong decisions as to have necessarily avoided the loss of paradise. 4. T he case of Adam as a thought experiment I hope it has become clear that the case of Adam played a crucial role in medieval debates. It enabled scholastic authors to look at the possibility of error in a clearly defined situation. But why did they devote long questions and special treatises to this special situation? Why were they so intrigued by the question of how Adam acted before the fall? There seems to be an evident answer. Since they were all theologians, they wanted to tell the full story of creation, including its very beginning, and therefore analyzed the case of Adam in detail. 26

27

Francisco Sua´rez, De opere sex dierum, lib. III, cap. 13, n. 21, ed. Andre´ (nt. 12), 262: “Quia imprimis non possumus negare homini in illo statu intrinsecam libertatem ad volendum, seu eligendum in quacumque materia particulari, etiam de se levi, ut est verbum otiosum vel mendacium. Quia nihil erat, quod necessitaret voluntatem hominis, sive quoad exercitium, sive quoad specificationem in tali materia magis, quam in alia.” Sua´rez emphasizes that Adam was able to commit all these “venial sins” only after committing a “mortal sin.” But the important point is that he always had a free will and hence the ability to commit all of these sins. Of course, Thomas Aquinas concedes that Adam was only able to give his assent to things or states of affairs that seemed good to him. Being an intellectualist, he holds that the will does not randomly assent to anything; it only assents to what the intellect presents as being good. However, what is presented as being good is not always identical to what is really good. That is why it is possible to make wrong decisions. On the process of decision making, cf. a concise analysis in E. Stump, Aquinas, London 2003, 277-306.

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This is certainly a correct answer, but it underestimates the philosophical significance of the subtle theological debate. Peter Harrison defends the thesis that this debate had a function that went far beyond theology. He argues that early modern authors used the story of Adam in order to argue for an empiricist program in science 28. The comparison of human beings before and after the fall made it possible for them to show that we are now limited in our cognitive activities and that we need to work on them in order to build up a solid system of knowledge. On their view, we cannot make progress unless we carefully evaluate our empirical data and revise our incomplete or wrong judgments. The story of Adam was therefore some kind of incentive for promoting science as the best way of ameliorating our deplorable situation after the fall. No doubt, this is a convincing interpretation of the function the story of Adam had in the seventeenth century, when the idea of improving and reforming science was dominant in intellectual debates. But in the medieval period, it had quite a different function. Scholastic authors rather used it as a thought experiment that made clear what an ideal state looks like and then drew consequences for the description and explanation of the normal state of human beings. This methodical function is quite similar to the function it has in some recent debates, for instance in debates about the origin and structure of perception. In an influential article, David Chalmers points out that we no longer live in the Garden of Eden where all the objects are immediately and unfailingly present to us. We rather live in a world where we have an incomplete and sometimes even a deceptive perception of the objects around us. But we can imagine life in the Garden of Eden and think about the ideal perceptual situation. This will help us to better understand our current perceptual situation, both its advantages and its disadvantages. Or as Chalmers expresses it: “And even though we have fallen from Eden, Eden still acts as a sort of ideal that regulates the content of our perceptual experience.” 29 In a similar way, we can say for scholastic discussions about Adam: even though they realized that we no longer live in the Garden of Eden, where Adam had perfect knowledge of all things, Eden still acted for them as a sort of ideal that made it possible to see what perfect knowledge would amount to. And it helped them become aware of the sources of error in our non-ideal situation. Or for short, the thought experiment enabled them to assess our normal cognitive situation against the background of an ideal situation. Admittedly, it may look a bit strange to talk about a thought experiment in the Middle Ages, given that scholastic authors never characterized their own analysis in this way. As is well known, the expression ‘thought experiment’ was coined as a technical term only in the nineteenth century, and it was then used 28

29

Cf. P. Harrison, The Fall of Man and the Foundations of Science, Cambridge 2007, esp. 245258. D. Chalmers, Perception and the Fall from Eden, in: id., The Character of Consciousness, Oxford 2010, 381-454, here 382.

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in a long tradition ranging from Ernst Mach to Thomas Kuhn and beyond 30. It is therefore important to note that, methodically speaking, this expression is used as an interpretive term that is intended to characterize the scholastic way of dealing with Adam’s situation; it is not a scholastic term. But why are we as interpreters entitled to speak about a thought experiment? Such an experiment always comprises three elements 31. First, it presents a counterfactual situation that cannot be observed and described in reality. This situation is usually introduced with locutions like “Let us imagine that …” or “Let us suppose that …”. Second, the situation is then spelled out in detail. An entire story is told about what happens to some persons or objects in the imagined world. Third, some conclusions are drawn with respect to real situations that can be observed and described. That is, the imagined situation is used as some kind of blueprint for a better understanding of real situations. All the three elements can be found in the story of Adam. First, this story presents a counterfactual situation that is not empirically accessible. We can never observe Adam - not because we never have the chance to meet him, but because he is, in principle, not an empirically accessible person. He does not belong to the reality that we can experience and describe. Second, medieval authors then told a detailed story about Adam’s life, in particular about his cognitive achievements. They explained which objects he knew, how he knew them, how he behaved on the basis of his knowledge, and why he committed the original sin despite his perfect knowledge. And third, they drew some conclusions with respect to our situation. They made clear that we, unlike Adam, have no innate knowledge, that we make mistakes when we acquire knowledge on a sensory basis, and that we have finite knowledge since both our sensory and our intellectual capacities are limited. Contrasting our situation with Adam’s made it possible to see why our capacities are limited and why we are therefore far from being perfect epistemic subjects. In addition, it made it possible to see similarities between the two situations. Scholastic authors came to the conclusion that at least one thing was present before and after the fall, namely free will, and that this will was responsible (and in fact still is responsible) for wrong actions. So, Adam’s situation before the fall served as some kind of blueprint for demonstrating what the use of free will in a perfect human being amounts to. However, one may object that it is not legitimate to speak about a thought experiment in the medieval context, despite the three crucial elements just mentioned. After all, when the medievals spoke about Adam, they did not refer to a counterfactual situation. According to their world view, the situation in paradise was part of creation and therefore part of reality. Hence, Adam before the 30

31

For a history of this term, cf. U. Kühne, Die Methode des Gedankenexperiments, Frankfurt a. M. 2005. For a concise analysis of these elements, cf. N. Rescher, What If? Thought Experimentation in Philosophy, New Brunswick-London 2005.

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fall was a real case and not a counterfactual case. For a thought experiment, one would need a case that never occurred in reality and that cannot occur - a case that is excluded by the laws of nature. This objection correctly points out that thought experiments are often presented as science fiction cases that violate the laws of nature. But it would be misleading to think of all of them in this way. In the methodological literature on thought experiments, one can find a helpful distinction between two types of counterfactual situations 32. A strongly counterfactual situation is indeed one that can never occur in reality, because it is against the laws governing processes and events in this world. In the medieval context, we can find some thought experiments of this type, especially in the literature dealing with God’s absolute power. When presenting these thought experiments, scholastic authors introduced situations in which God suspends the laws he himself has established and acts against these laws or creates new laws, thus creating an alternative world 33. But we can also find a second type of thought experiment, namely cases that present weakly counterfactual situations. These situations can in principle take place in reality, but usually they do not take place, or if they do, they cannot be observed. Think about the famous case of the scientist Mary in a black-andwhite-world, which is often mentioned in philosophy of mind 34. In principle, it is not against the laws of nature to imprison a scientist in a world where she sees no color. Nor is it against the laws of nature to free her after some years so that she will discover a world full of colors. But in practice, this situation never takes place and is therefore empirically not accessible. We can only imagine it. It is in this sense that the story of Adam can be understood as a thought experiment: it presents a situation that can take place in reality but that can never be observed. It therefore makes sense to speak about a weakly counterfactual situation. Some medieval authors even took the case of Adam as their starting point for a strongly counterfactual situation. Sua´rez is a clear example. After discussing 32

33

34

Cf. S. Roux, Introduction: The Emergence of the Notion of Thought Experiments, in: K. Ierodiakonou/S. Roux (eds.), Thought Experiments in Methodological and Historical Contexts (History of Science and Medicine Library 19/Medieval and Early Modern Science 15), Leiden 2011, 1-33, esp. 20 sq. These thought experiments explore what is metaphysically and not just physically possible. On the distinction between these two types of possibility, cf. W. J. Courtenay, The Dialectic of Omnipotence in the High and Late Middle Ages, in: T. Rudavsky (ed.), Divine Omniscience and Omnipotence in Medieval Philosophy: Islamic, Jewish and Christian Perspectives (Synthese Historical Library 25), Dordrecht 1985, 243-269. In the “obligationes” literature we can also find thought experiments of this type. Cf. P. King, Mediaeval Thought-Experiments: The Methodology of Mediaeval Science, in: T. Harowitz/G. J. Massey (eds.), Thought Experiments in Science and Philosophy, Savage 1991, 43-64; M. Yrjönsuuri, Obligations as Thought Experiments, in: I. Agnelelli/M. Cerezo (eds.), Studies on the History of Logic. Proceedings of the III. Symposium on the History of Logic (Perspectives in Analytical Philosophy 8), Berlin-New York 1996, 79-96. Cf. P. Ludlow/Y. Nagasawa/D. Stoljar (eds.), There is Something about Mary. Essays on Phenomenal Consciousness and Frank Jackson’s Knowledge Argument, Cambridge (MA) 2005.

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the situation of the real Adam, he opens a long section with the title: “On the state, in which the wayfarers in this world would have been if their first parents had not sinned.” 35 Quite obviously, this is a hypothetical scenario - a situation that is merely imagined and that never took place. Nevertheless, it is important to imagine this situation because it shows the contrast between our real situation and the ideal situation in which we could be, at least in principle. But why were the medievals so keen on describing this situation? Why were they almost obsessed with describing all the details of Adam’s life before the fall? They had at least two reasons for doing so. First, the analysis of this situation had a heuristic function. It enabled scholastic authors to find the model of a human being who makes the best use of all his capacities - some kind of role model. It made clear what a human being is able to do under the best possible circumstances, what an ideal cognitive process looks like, and what perfect knowledge amounts to. Moreover, it made it possible to find alternatives to standard ways of describing and explaining human cognition. For instance, it was possible to find an alternative to empiricist theories, which explained cognition by looking at the way sensory impressions are received and processed in a human being. Scholastic authors were able to present innatism as an alternative and to argue that, in principle, the possibility of “infused species” could not be excluded. The case of Adam served the same function as that of angels or separated souls. It illustrated the limits of empiricist theories and presented a scenario to which an innatist theory could be applied. There is also a second reason why the case of Adam was taken seriously. An analysis of this case had an explanatory function - not just with respect to Adam, but also (and perhaps even more so) with respect to normal human beings. It helped scholastic authors explain how our cognitive process works, where we can go wrong, and why we can go wrong. For as soon as they had a role model, they could compare it to normal human beings and explain the relevant differences. For instance, they were able to show that we often fall prey to sensory illusions because we lack an internal mechanism that corrects the incoming sensory information. And they were able to point out that our errors are due to the fact that we cannot sufficiently distinguish between true and false propositions; unlike Adam, we assent to all kinds of propositions and thereby go wrong. Once we understand this crucial difference, we can become aware of the fact that propositions need to be carefully evaluated and that we should give our assent only to those that turn out to be true. But the thought experiment had probably the most important explanatory function with respect to our will. It made clear that wrong actions do not always have their root in wrong cognitions or in wrong desires. Even a human being who never makes a mistake when cognizing all things and who is never overcome by a strong desire can make a wrong choice, as the case of Adam docu35

Francisco Sua´rez, De opere sex dierum, title of lib. V, ed. Andre´ (nt. 12), 380: “De statu quem habuissent in hoc mundo viatores, si primi parentes non peccarent.”

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ments. Free will is responsible for this choice. Once we understand this fact in the case of Adam, we can see that, in our own case, free will plays a crucial role. In fact, we then realize that no action can be explained without reference to a choice, which presupposes free will. If there were no choice, there would be no action in the strict sense, but only bodily behavior. This is precisely why it is so important to carry out the thought experiment. It helps us better understand the crucial role free will plays in all actions, our own included. In a nutshell, the imagined situation vividly presents what is decisive in our own life.

Giles of Rome on Erring and Devilish Delusions Guy Guldentops (Köln) Le Diable : « La Forme est peut-eˆtre une erreur de tes sens, la Substance une imagination de ta pense´e. […] Peut-eˆtre qu’il n’y a rien! » 1

In a well-known passage from his ‘Meditationes de prima philosophia’, Rene´ Descartes defines error as “a privation, i. e., the lack of some knowledge that in one way or another ought to be in me” 2. Medieval thinkers, however, have a somewhat different understanding of error. For most of them, the word error denotes more than just a privation of knowledge. In this paper, I will analyze Giles of Rome’s notion of erring. Thereafter, I will turn attention to his theory of demonic deception. Even though his doctrine did not directly influence the Cartesian notion of a mauuais genie 3, it is representative of the late medieval scholastic tradition that inspired Descartes. It will be argued that Giles was one of the authors who paved the way toward some kind of demon skepticism.

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Gustave Flaubert, La Tentation de Saint Antoine, VI, Paris 1874, 261. On Flaubert’s devil and his relation to positivism, cf. M. Orr, Flaubert’s Tentation: Remapping Nineteenth-Century French Histories of Religion and Science, Oxford 2008, 156-158 and 192-206. Cf. Rene´ Descartes, Meditationes de prima philosophia, 4, edd. C. Adam/P. Tannery, Paris 1957, 54,31-55,3. On this passage, cf. C. Wee, Material Falsity and Error in Descartes’ Meditations, Abingdon 2006, 118-129. Cf. Rene´ Descartes, Meditationes de prima philosophia, 1, edd. Adam/Tannery (nt. 2), 22,23-26 (= Les Meditations metaphysiques, edd. C. Adam/P. Tannery, Paris 1957, 17). On this topic, cf. Z. Janowski, Index augustino-carte´sien. Textes et commentaire, Paris 2000, 30 and 121-122; D. Perler, Does God Deceive Us? Skeptical Hypotheses in Late Medieval Epistemology, in: H. Lagerlund (ed.), Rethinking the History of Skepticism. The Missing Medieval Background (Studien zur Geistesgeschichte des Mittelalters 103), Leiden-Boston 2010, 171192, 171-192, esp. 171; and Th. M. Lennon/M. W. Hickson, The Skepticism of the First Meditation, in: K. Detlefsen (ed.), Descartes’ Meditations. A Critical Guide, Cambridge 2013, 9-24, esp. 15-20. Unlike Perler, I am not sure that Descartes interprets the malicious demon as a “fictional figure” (in its entirety, the hypothesis that concludes the first meditation has a fictional character, but this need not imply that Descartes regards each element of the hypothesis as unreal).

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I. Er ring Commenting on Paul’s Letter to the Romans, Giles holds that while God is absolutely truthful (He neither deceives nor is deceived), “man is false”: because human beings deceive each other and are deceived, they do not keep their promises and unrighteously get back what they have not given 4. A similar rather pessimistic view on man’s capacity of knowing and speaking the truth also looms in the background of Giles’s ‘Sentences’ commentary. In the question on Christ’s inability to lie, Giles argues that after the fall human beings have lost their original justice. Owing to this loss, “every man is a liar because everyone deviates from that true being of nature”. Accordingly, all fallen human beings actually lie or are by nature inclined to lie because their senses, sensuality, and thought are prone to evil (as said in Genesis) 5. This view also affects Giles’s ideas about non-Christians. On the one hand, he admits that “if anyone uses the light of nature correctly, God will not refuse to give him [or her] His grace” 6. Moreover, he maintains that, owing to their rationality, those raised under “a false law” (especially Jews and Muslims) are, at least in principle, able to acknowledge the falsity of that law 7. On the other hand, however, it is noteworthy that the sentence “God will not refuse to give him [or her] His grace” depends on a conditional. Furthermore, in the question as to “whether it is possible to criticize the falsity of the law under which one is raised”, the central idea is that owing to their religious upbringing many human beings do have false opinions about God, the world, and human life. Indeed, Giles claims that infidelity involves mental blindness 8 and he stresses that “pagans are totally excluded from 4

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Giles of Rome, In Epistolam B. Pauli apostoli ad Romanos commentarii, ed. Christophorus Patauinus, Romae (Apud A. Bladum) 1555, 21ra. Cf. Paul, Rom. 3,4 (based on Ps. 115,11). On Giles (ca. 1243-1316), cf. C. F. Briggs, Life, Works, and Legacy, in: C. F. Briggs/P. S. Eardley (eds.), A Companion to Giles of Rome (Brill’s Companions to the Christian Tradition 71), Leiden-Boston 2016, 6-33. Giles of Rome, In Tertium Librum Sententiarum Eruditissima Commentaria cum Quæstionibus […], 12, 2, 2, 1, ed. Fulgentius Galluccius Georginas, Romæ (Ex Typographia A. Zannetti) 1623, 480aA-B; cf. Gen. 8,21. In his theological evaluation of metaphysics, Giles also underlines the shortcomings of man’s intellectual capacities in via: cf. G. Pini, Ex defectu intellectualis luminis: Giles of Rome on the Role and Limits of Metaphysics, in: Quaestio 5 (2005), 527-541, esp. 534-539. Giles of Rome, In Tertium Librum Sententiarum, 25, 1, 2, ad 1, ed. Galluccius (nt. 5), 599aA. For this idea, cf. Aquinas, Quaestiones disputatae de veritate, 24, 15, resp., ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 22, Roma 1976, 725,59-66 and Summa theologiae, I-II, 109, 6, arg. 2; cf. also my review of J. Marenbon, Pagans and Philosophers, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 82 (2015), 438-447, at 442, nt. 5. Cf. my Die Kritik des Ägidius von Rom am ,falschen Gesetz‘ in ihrem philosophie- und theologiehistorischen Kontext, in: A. Speer/G. Guldentops (eds.), Das Gesetz - The Law - La Loi (Miscellanea Mediaevalia 38), Berlin-Boston 2014, 583-606, esp. 597-600. Giles of Romes, In Tertium Librum Sententiarum, 24, 1, 2, ed. Galluccius (nt. 5), 592b-593b.

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the light of truth because they lack the habit of faith, which is the source of the entire light of grace and the foundation of the entire spiritual building” 9. It goes without saying that the above-mentioned views are also connected with the notion of erring. Discussing the question as to “whether ignorance can be the cause of sin”, Giles makes clear distinctions between ignorantia, nescientia, error, and infidelitas 10. All of these terms are opposed to “truthful knowledge” (scientia), though not in the very same manner, since one single item is always directly opposed to another single item 11. Hence, Giles proceeds to give some precise definitions of the terms. Nescientia is “not-knowing” and opposed to knowledge in a contradictory or purely negative manner. Ignorantia is the “privation of knowledge”; accordingly it stands in a privative opposition to knowledge. Error is opposed to knowledge “through a contrary opposition”, that is to say, there is an error only “when the privation of the knowledge of what is true is accompanied by the affirmation of what is false”; owing to this falsehood, error is the contrary of knowledge. Infidelitas is opposed to knowledge of the truth “through a special kind of contrariety”, just as ‘fever’ is opposed to ‘health’ “through a special kind of contrariety” 12. In the climactic sequence nescientia ignorantia - error - infidelitas, each word after the first adds something to the meaning of the preceding word. Not-knowing is related to everything one does not know, no matter whether one is able or obliged to know it or not. To this mere not-knowing, ignorance adds “some kind of natural aptitude”. Therefore, one is called ‘ignorant’ only concerning “things one is by nature able to know”; and if ‘ignorance’ is taken as a moral fault (culpa), it adds “not only such an aptitude but also an obligation”. In this sense, someone is called ignorant about “what one ought to know”, such as “things pertaining to salvation”. The meaning of ‘error’ is even stronger, since it also involves “the assertion of what is false”. This assertion can be an habitual asserting (just as ‘science’ denotes an habitual asserting of the truth); or it can be an actual assertion (in that case it is opposed to the act of considering the truth, produced by the habit of knowledge). Whereas ‘not-knowing’ and ‘ignorance’ do not per se denote an act (they rather denote a negation and a privation of an act respectively), ‘error’ signifies an act that is contrary to knowledge. ‘Infidelity’ refers to “an error regarding things pertaining to salvation”. An error is called ‘infidelity’ when the erring person “does not sufficiently believe in the Holy Scripture, although knowledge about faith, morality, and everything relevant to salvation is sufficiently handed down [to this person]”. Infidelity, then, is “the assertion of what is false and 9 10

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Ibid., 598bD-599aA. Id., In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones […], Pars Secunda, 22, 2, 3, ed. Angelus Rocchensis, Venetiis (Apud F. Zilettum) 1581, 217B. Cf. Aristotle, De interpretatione, 7, 18a 8-9; Auctoritates Aristotelis, 32.14, ed. J. Hamesse (Philosophes me´die´vaux 17), Louvain-Paris 1974, 305,49. The idea that fever is opposed to health in a special manner goes back to Aristotle, Topica, IV, 3, 123b 34-36; cf. Albertus Magnus, Topica, IV, 2, 1, ed. A. Borgnet, in: Alberti Magni Opera omnia, Vol. 2, Paris 1890, 370b-371a.

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contrary to the Holy Scripture” 13. Giles is certainly not the first theologian to make such sharp distinctions between words belonging to the semantic field of ‘not-knowing’. It is very likely that on this point he is influenced by Thomas Aquinas 14. In a next step, Giles argues that not-knowing and ignorance are accidental causes of sinning, whereas error and infidelity are per se causes. In line with Aristotle and Aquinas, he first explains that a cause that removes a hindrance is an accidental cause (for example, someone who opens a window is an accidental cause of bringing light into the house, whereas the sun is the per se cause of the light in the house) 15. Applying the distinction between per se and accidental causes to the moral-theological subject-matter at hand, Giles points out that not-knowing and ignorance are accidental causes of sinning in that they “remove the knowledge which hinders sin”. Since ignorance takes away knowledge of what one ought to know, it can, “simply speaking” (i. e., without any qualification), be an accidental cause of sinning. Not-knowing, however, can accidentally cause a sin only if it coincides with ignorance, or insofar as a particular person lacks the specific knowledge which he (or she) ought to have because of a specific incumbent duty or task. Giles sketches the example of a bishop: owing to his particular office, a bishop is obliged to know certain things which other Christians who do not have the same ecclesiastical role need not know. If, then, a bishop acts wrongly because he does not know something he should know as a bishop (though he need not know it absolutely speaking, i. e., as a human being or a Christian), he sins “through not-knowing”. Likewise, not-knowing 13

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Giles of Romes, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 22, 2, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 217aB-218aA. Cf. the parallel passages in Aquinas’s Quaestiones disputatae de malo, 3, 7, resp., and 8, 1, ad 7, ed. Comissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia,vol. 23, RomaParis 1982, 80,79-81, 96 and 195,406-196,423; cf. also In Quartum Librum Sententiarum, 30, 1, 1, ad 1, ed. S. E. Frette´, in: Doctoris Angelici diui Thomae Aquinatis Opera omnia, vol. 11,Paris 1874, 109a. The distinction between not-knowing and erring is already to be found in Augustine, who holds that “all who believe they know what they do not know err, because they approve something false instead of what is true” (cf. Enchiridion, 5, 17, ed. E. Evans [Corpus Christianorum. Series Latina 46], Turnhout 1969, 57,22-23; this view is reminiscent of Plato’s notion of double ignorance: cf. T. Kobusch, Doppelte Unwissenheit. Vom Dünkel der Selbstweisheit, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 85/1 [2018]). Likewise, the view that erring arises from ignorance and overshadows the life of all human beings derives from Augustine (cf. De ciuitate Dei, XXII, 22, edd. B. Dombart/A. Kalb [Corpus Christianorum. Series Latina 47-48], Turnhout 1955, 842,4-6). The distinction between ignorantia and error is also connected with Aristotle’s division of ‘ignorance’ into pure ignorance and false opinion (cf. Analytica Posteriora, I, 12, 77b 24-27 and I, 16, 79b 23-24). On the word field of error in Antiquity and the 13th century, cf. I. Braisch’s paper in the present volume and L. Keeler’s excellent monograph The Problem of Error from Plato to Kant. A Historical and Critical Study, Rome 1934, esp. 62-82 (on Augustine) and 83-111 (on Aquinas). Cf., e.g., Aristotle, Physica, VIII, 4, 254b 7-10 and 255b 24-29; Thomas Aquinas, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio, V, 3, § 789, edd. M.-R. Cathala/R. M. Spazzi, Turin-Rome 1964, 216. Aquinas also argues that ignorance can be an accidental cause of sinning (cf. Summa theologiae, I-II, 76, 1).

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the art of medicine is, absolutely speaking, not a cause of sinning; it becomes such a cause only if someone who has no medical knowledge voluntarily plays the role of a physician 16. In contrast with not-knowing and ignorance, erring and infidelity are per se causes of sinning, i. e., causes that induce or compel someone to sin. Moreover, both an error and infidelity are in themselves sinful. If one has any intellectual insight and is asked a question about what one knows, one is obliged to answer and speak the truth; if one has no insight and does not know the answer, one should remain silent. Asserting falsities or lying does not accord with the nature of a well-educated man; rather it is, as Augustine says, “a punishment of the damned” and a moral fault (even though it is not always a mortal sin) 17. Since, then, an error rests on the belief that something false is true, it can be a per se cause of sinning. A fortiori, infidelity is a sinful per se cause of sinning. Infidels who believe that idols should be worshipped not only sin by this idolatrous belief (which is condemned by the Holy Scripture), but are also led by this belief to commit other sins (e.g., to persecute Christians) 18. The only human beings who are ideally supposed to be free of error are the popes. As Giles argues in ‘De ecclesiastica potestate’, it is fitting, though not absolutely necessary, that the pope, who occupies “the holiest and most spiritual rank” in the world, “be the holiest and most spiritual person according to his personal perfection”. This means that, insofar as he is truly holy, “he judges all things correctly and perceives the truth in every single case”. As the most spiritual man, he “judges everything and is judged by nobody, that is to say, he is not criticized by anyone in his judgment”, at least not “with regard to the office handed over to him and with regard to the requirements of his rank” 19. Even though Giles sometimes tends to consider the pope qua pope to be unerring, he does not attribute any kind of ‘(quasi-)infallibility’ to the pope 20. Giles does not rule out the possibility of an erring pope, since he explicitly states that “if the spiritual power and primarily the power of the supreme pontiff deviate [from the truth], they will be judged by God alone” 21. Still, it is the task of the pope 16

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Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 22, 2, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 218aB-bD. Cf. Augustine, De libero arbitrio, III, 18, 52, ed. W. M. Green (Corpus Christianorum. Series Latina 29), Turnhout 1970, 306, 52-55. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 22, 2, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 218bD-219aC. Id., De ecclesiastica potestate, I, 2, ed. R. Scholz, Aalen 1961, 7,18-24 and 8,37-39, and II, 12, 102,8-10. Giles applies to the pope what Aristotle says about the virtuous man (cf. Ethica Nicomachea, III, 6, 1113a 29-33) and what Paul says about the spiritual man (cf. I Cor. 2,15). Pace E. Krüger, Der Traktat »De ecclesiastica potestate« des Aegidius Romanus. Eine spätmittelalterliche Herrschaftskonzeption des päpstlichen Universalismus, Köln 2007, 174-175. On Krüger’s reading of Giles, the pope enjoys “a quasi-infallibility”. Giles of Rome, De ecclesiastica potestate, I, 5, ed. Scholz (nt. 19), 17,7-13. This passage shows the inaccuracy of B. Tierney’s claim that Giles is one of “the most avid partisans of papal power” who are “indifferent to the doctrine of papal infallibility” (cf. his Origins of Papal Infallibility, 1150-1350. A Study on the Concepts of Infallibility, Sovereignty and Tradition in the Middle Ages [Studies in the History of Christian Thought 6], Leiden 1972, 131).

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“to give the definitive answer” in all controversial questions concerning Christian faith and the moral life and “to firmly determine which view Christians ought to hold” 22. Being “God’s general vicar”, the pope has to govern the universal Church in order to protect humankind against errors that would form an obstacle to peace in the world and the salvation of the elect 23. Given that an error is defined as a sort of ignorance combined with holding an untrue belief and uttering falsehood, it is worthwhile to look at Giles’s question on devilish delusions. Even though this question does not directly focus on ‘error’, it is obvious that impressions, beliefs, and attitudes provoked by devils are to be considered ‘erroneous’ in some (weaker or stronger) sense of the word. II. Devilish delusions The question as to whether (and how) demons can deceive human cognition is often discussed in late medieval theology. Whereas Aquinas’s answer has already been analyzed in detail 24, Giles’s position in the late medieval debate on this question has not yet been studied 25. Giles deals with three interrelated enquiries: (1) whether demons can mislead man’s exterior and interior senses; (2) whether they can influence the human intellect; and (3) whether they can 22 23

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Id., De ecclesiastica potestate, I, 1, ed. Scholz (nt. 19), 5,8-14. Id., De ecclesiastica potestate, II, 13, ed. Scholz (nt. 19), 127,32-35; III, 2, 154,29-36; and III, 6, 177,11-26. Cf. D. Perler, Zweifel und Gewissheit. Skeptische Debatten im Mittelalter (Klostermann Rote Reihe 47), Frankfurt a. M. 2006, 127-134 (mainly on De malo, 16, 11-12 and Summa theologiae, I, 111); A. Boureau, Satan he´re´tique. Naissance de la de´monologie dans l’Occident me´die´val (1280-1330), Paris 2004, 140-141 (commenting on De malo, 16, 7). - The question is usually discussed in the commentary on Peter Lombard’s Sentences, II, distinction 8. Cf. also Richard of Mediavilla, Questiones disputate, q. 31, ed. A. Boureau, in: Questions dispute´es, vol. IV, Paris 2011, 338-396. (In contrast to what Boureau claims in his introduction [esp. 329-331 and 333-334], Richard does not outline an “atomist” theory of sense-perception nor does he depict the devil as “a mad scientist”; Richard’s views on demonic deception were apparently influenced by Giles.) On Bonaventure’s view, cf. B. Faes de Mottoni/T. Suarez-Nani, I demoni e l’illusione dei sensi nel secolo XIII: Bonaventura e Tommaso d’Aquino, in: H.-J. Horn (ed.), Jakobs Traum. Zur Bedeutung der Zwischenwelt in der Tradition des Platonismus, St. Katharinen 2002, 77-94, esp. 80-83. For John Capreolus’s view on “the deceiving demon dilemma”, cf. M. V. Dougherty, Moral Dilemmas in Medieval Thought. From Gratian to Aquinas, Cambridge (UK) 2011, 177-190. On Gabriel Biel’s question, cf. T. Gregory, Dio ingannatore e genio maligno. Nota in margine alle Meditationes di Descartes, in: Giornale critico della filosofia italiana 53 (1974), 477-516, esp. 506-511. On the deceptive power of demons, cf. also M. van der Lugt, Le ver, le de´mon et la vierge. Les the´ories me´die´vales de la ge´ne´ration extraordinaire, Paris 2003, esp. 289 and 520. On God’s deceptive power, cf. J.-F. Genest, Pierre de Ceffons et l’hypothe`se du Dieu trompeur, in: Z. Kaluza/P. Vignaux (eds.), Preuves et raisons a` l’Universite´ de Paris. Logique, ontologie et the´ologie au XIVe sie`cle, Paris 1984, 197-214. The topic is not treated in G. Pini’s thorough chapter Cognition, in: Briggs/Eardley (eds.), A Companion to Giles of Rome (nt. 4), 150-172.

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affect man’s sensitive and intellectual appetites. Giles’s in-depth treatment of these questions indicates that late-thirteenth-century theology was seriously interested in the power of demons over human beings 26. (1) In his discussion of the first question, Giles starts from the Gloss on Exodus, which says that evil magicians “deluded the eyes of those who looked at them by means of devilish figments” 27. This view is corroborated by Augustine’s claim that demons are able to deceive human beings “by lulling the senses to sleep and bringing about changes in the organ of imagination” 28. Such sensory delusions may consist in a fictive production of colors, in a modification of the medium between the sensible object and the senses perceiving it, or in a privation of sense-perception. Demons change the apparent colors of objects in a manner similar to the manner in which a dove produces an apparent change of the colors of its feathers by turning its neck. Demons can also change the appearance of an object by deforming its apparent figure, as concave mirrors do. While changing the appearance of sensible objects, demons can make use of “the power of stones and herbs” and of their own “agile skill in forming and dissolving bodies”. When demons modify the medium, the illusory effect resembles special effects produced by water and air (Giles compares it with wellknown sense illusions: an oar looks broken in the water, the sun receives a reddish color owing to some vapors in the air, and such vapors make the moon seem bigger) 29. More significantly, Giles holds that demons are able to influence the senses “in such a manner that what does not exist appears to exist”. Something similar happens during sleep, when the vital heat, which functions as the soul’s instrument in sense-perception, “withdraws itself into the inner [senses]” and stimulates the imagination. Likewise, delirious persons (frenetici) “believe they see things which they do not see” (their hallucinations are “due to fumes ascending 26

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For a somewhat different view, cf. P. Porro, Il diavolo nella teologia scolastica: il caso di Tommaso d’Aquino, in: Il diavolo nel Medioevo, Spoleto 2013, 77-99, esp. 82: “[…] ai teologi scolastici della fine del Duecento e gli inizi del Trecento, il diavolo non interessa in quanto ha a che fare con gli uomini […].” However this may be, Porro rightly emphasizes that according to Aquinas (and other late-thirteenth-century theologians) “the interaction between human beings and demons is limited by the presence of precise cognitive barriers” (ibid., 97). Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 1, ed. Rocchensis (nt. 10), 385bA. Cf. Ex. 7,11. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 1, ed. Rocchensis (nt. 10), 388aB. Cf. Augustine, De ciuitate Dei, X, 11, edd. Dombart/Kalb (nt. 14), 284,17-35; XVIII, 5, 597,16-29; and XVIII, 17-18, 607,1-608, 2. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 1, ed. Rocchensis (nt. 10), 388aC-bD. On Aristotle’s view on the fallibility of the senses, cf. A. Bäck, Aristotle’s Theory of Abstraction, Heidelberg 2014, 111-118; for similar examples of sense illusion in medieval authors, cf. K. H. Tachau, Vision and Certitude in the Age of Ockham. Optics, Epistemology and the Foundations of Semantics, 1250-1345 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 22), Leiden e.a. 1988, 410-411 (s. v. “experience”). For the demonic use of stones and herbs, cf. Augustine, De ciuitate Dei, X, 11, edd. Dombart/Kalb (nt. 14), 284,20-21.

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to the brain”) 30. Demons employ seeds so as to dehydrate the organ of imagination, and by doing so, they are “able to produce the apparition of whatever they want in front of us, unless they are prevented by the power of God” 31. Furthermore, since demons have the power to move corporeal matter 32, they are able to provoke hallucinations by manipulating the bodily spirits and humors in people who are awake. Under this demonic influence, such hallucinating persons may believe “that they are birds, wolves, or donkeys, just as people often dream that they are flying, have wings or the figure of a quadruped or a fowl” 33. In particular, demons are able to transform the appearance of the color, shape, and size of any visible object “by changing the liquid of the eyes”, in which “the judgment about the object of sight is made” 34. In Giles’s view, this power of demons is confirmed, not only by Augustine, but also by a contemporaneous story: “Indeed, we remember to have heard that someone with a stick [in his hands] was on open sea. As he fell into the water, he threw parts of the stick into the sea. Through the art of demons, he made appear as many ships as he threw parts of wood into the sea. Even though we do not know whether this truly happened, we have absolutely no doubt that it was possible owing to the art of demons.” 35

This passage is interesting because it links delusion with not-knowing. According to Giles, it is certain that demons are able to produce sensory illusions, and given this ‘scientific’ certitude concerning their deceptive capacities in general, demons indirectly generate a cloud of unknowing around the truth of particular stories about the concrete illusory effects they produce. Giles, however, does not go on to reflect upon this lack of knowledge about demonic sense deceptions. (2) The question of whether demons can provoke changes in the human intellect is based on arguments propounded by John of Damascus and Augus30

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Ibid. On frenzy in late-thirteenth- and early-fourteenth-century theology, cf. V. Hirvonen, Mental Disorders in Late Medieval Philosophy and Theology, in: V. Hirvonen/T. J. Holopainen/ M. Tuominen (eds.), Mind and Modality. Studies in the History of Philosophy in Honour of Simo Knuuttila (Brill’s Studies in Intellectual History 141), Leiden-Boston 2006, 171-188, esp. 173-181 and 186; Hirvonen shows that several other theologians (e.g., Olivi and Duns Scotus) also envisage demons as causes of mental disorders. For the idea that demons “use seeds that are found in the elements of the world in order to achieve such [i. e., deceptive] effects,” cf. Aquinas, Summa theologiae, I, 114, 4; Aquinas refers to Augustine, De Trinitate, III, 8, 13, edd. W. J. Mountain/F. Glorie (Corpus Christianorum. Series Latina 50), Turnhout 1968, 139,23-140,33. Cf. Thomas Aquinas, Summa theologiae, I, 110, 3, resp. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 1, ed. Rocchensis (nt. 10), 388bD-389aD. Ibid., 389bA-D. Ibid., 389bD-390aA: “Meminimus enim nos audiuisse, quendam existentem [an scribendum exeuntem?] in mare [an scribendum mari?] baculum quendam tenentem, atque incidentem, & frusta [conieci: frustra ed.] eius in mare proijcientem, quo`d arte Dæmonum quot frusta ligni proiecit in mare, tot fecit apparere naues. quod vtrum sic veritas se habuerit, nescimus: sed arte Dæmonum illud fuisse possibile, minime dubitamus.”

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tine. According to Damascene, spiritual substances are present where they are active. Hence, if they are able to change the human intellect, they must be in the human intellect, that is to say, they must ‘fall into’ the human soul. Since such an illapsus is possible only for God, it seems impossible for angels or demons to influence the human intellect 36. Augustine, however, distinguishes three manners in which demons can impart information to human beings. Like angels, they produce a change in the intellect through some ‘loosening’ that occurs in the body. This bodily change can lead to three psychic reactions: (i) either “the soul perceives in itself some significant similitudes which, though present in the soul before, were not seen before” (memory, for instance, may contain several images that are not constantly being cognized); (ii) or the soul can perceive newly formed similitudes that were not in the soul before; (iii) or the soul can see such similitudes “in some kind of spirit” 37. In case (i), demons (and good angels) “need not fabricate new [sensible] species”; rather, by ordering the species that are present in our memory and connecting them with the organ of imagination, “they can teach us many truths which perhaps no human beings could teach us” 38. That demons are capable of teaching truths may surprise; as we will see, however, even then, they have evil intentions. In case (ii), demons (like good angels) “form sensible exterior words or some sensible bodies by joining active with passive [principles], just as they do when they clothe themselves in bodies”; they are even able to bring bodies that have been formed elsewhere to our sight. In case (iii), human beings do not directly see or think the intelligible species that exist in spiritual substances (this is impossible during the earthly life); rather these species are the ratio intelligendi whereby demons and angels are able to organize the phantasms in the human brain and to move the 36

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Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 2, ed. Rocchensis (nt. 10), 385bB-C. Cf. John Damascene, De fide orthodoxa, 17, ed. E. M. Buytaert (Franciscan Institute Publications, Text Series 8), St. Bonaventure (NY) 1955, 71,39-41 and 72,54-55. On illapsus in late-thirteenth-century theology, cf. Th. Jeschke, Deus ut tentus vel visus. Die Debatte um die Seligkeit im reflexiven Akt (ca. 1293-1320) (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 104), Leiden 2011, 137-139, 156-158, and 211-212. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 2, ed. Rocchensis (nt. 10), 390aD-bA. Giles paraphrases Augustine, De Genesi ad litteram, XII, 22, ed. I. Zycha (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 28/1), Wien 1894, 414,3-21. Aquinas discusses this passage in the question “whether demons can change the cognitive part of the soul, as far as the interior and exterior senses are concerned” (De malo, 16, 11, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 23, Roma 1982, 330,164227); in his view, demons can affect the exterior or inner senses only by producing a local change in the bodily spirits or humors. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 2, ed. Rocchensis (nt. 10), 390bB-391aC. Cf. also id., Reportatio lecturae super libros I-IV Sententiarum. Reportatio Monacensis. Excerpta Godefridi de Fontibus, II, 33, ed. C. Luna, in: Aegidii Romani Opera omnia, vol. III/2, Firenze 2003, 262,16-24, where he explains that “demons sometimes predict the future” and communicate their foreknowledge by producing sounds or re-arranging our sensible species.

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human intellect 39. In short, spiritual substances act indirectly upon the human intellect, namely by influencing the humoral liquids and the cerebral pneuma in which the images of imagination are preserved 40. (3) Giles examines the question of the demonic influence on the will and sensitive appetite at length. Since sensitive appetite is a power that resides in the body, it can be indirectly changed by a spiritual substance. Making use of seeds, demons “are able to heat the blood around the heart and consequently to move the sensitive appetite, namely the irascible appetite, to anger”; likewise, they can “heat the venereal parts […] in such a manner that the sensitive appetite, namely the concupiscible appetite, is aroused to incontinence”. Still, since both parts of the sensitive appetite are “rational through participation” and human beings can act against their passions, the plans of the demons are not always realized 41. How demons can influence the will is a more complicated issue, since the will can be considered under three aspects. (i) Insofar as the will is naturally moved toward its natural goal (i. e., happiness), this goal is pre-established by nature. Accordingly, the will is directed toward the good. (ii) Insofar as the will is related to the means leading to its goal, it is moved “by free choice”; in this sense, free will (liberum arbitrium) is not only passively moved but also actively moves itself. Even though the will cannot immediately cause its own motion, it is an indirect principle of self-motion: either because it brings the intellect to deliberate on the means and then is moved by the good which the intellect judges to be the right means; or because the will freely determines itself to strive after or to avoid the object presented by the intellect (for instance, when the intellect shows that fornication is morally disordered, though pleasurable, the will is free to choose or not to choose to have sexual intercourse with a person one is not married to). (iii) The third kind of motion of the will is caused “by some sort of impulse”, insofar as the will “is in us, joined with the sensitive appetite, whereby it is driven and so to speak drawn toward something”. The sensible objects which attract the will in this sense are ‘extraneous’ in that they

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Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 2, ed. Rocchensis (nt. 10), 391aC-bC. On Giles’s theory of the language of angels (and demons), cf. T. SuarezNani, Connaissance et langage des anges selon Thomas d’Aquin et Gilles de Rome (E´tudes de Philosophie Me´die´vale 85), Paris 2002, 211-214; B. Roling, Locutio angelica. Die Diskussion der Engelsprache als Antizipation einer Sprechakttheorie in Mittelalter und Früher Neuzeit (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 97), Leiden-Boston 2008, 104-124. Ibid., 392aC. In his Quodlibet VI, Giles discusses the question of “whether an angel can teach a human being by effecting something in the human intellect”; but he does not dwell there on the influence of demons (cf. Giles, Quodlibeta […] illustrata, VI, 16, ed. Petrus Damasus de Coninck, Lovanii 1646 [Typis H. Nempæi], 406a-409b). Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 392aD-bB. For the participative rationality of the sensitive appetite, cf. Aristotle, Ethica Nicomachea, I, 13, 1102b 13-14 and b 25-28; cf. also Aquinas, Summa theologiae, I-II, 56, 4, resp. and ad 1, and I-II, 60, 1, resp.

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are not proper or appropriate to the will 42. Demons (and in general all spiritual substances) can move the will in the three above-mentioned respects. (i) Whereas only God moves the will’s natural motion directly and “absolutely efficaciously”, created spiritual substances can do this indirectly through persuasion. Moreover, by persuading to repeat certain actions, they can produce a habit, i. e., “a second nature”, owing to which the will is quasi-naturally moved toward a determinate goal 43. (ii) By influencing the imagination of human beings, demons and angels are also “able to move the intellect and to form arguments whereby the will is persuaded to will something” 44. (iii) They also have the power to move the sensitive appetite in such a manner that it draws the will to desire some sensible object 45. At the end of this question, Giles notes that there is an important difference between the movements produced by angels and those caused by demons. In contrast with angels, who always act with good intentions, demons incline the will toward evil: “Even if a demon might seem to do this for the sake of the good, he does so because he transfigures himself into an angel of light. Still, he always intends to incline [human beings] toward evil. And what has been said about the will with regard to the good also holds true for the intellect with regard to what is true. Indeed, even if a demon seems to persuade [human beings] of the goodness of some things, he does so with the intention of drawing [them] toward evil. Likewise, as far as the intellect is concerned, even if he sometimes seems to speak the truth, he always does so with the intention to mislead, as Augustine says in his ‘On the Trinity’, book III [or rather IV], chapter 17.” 46 42

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Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 392bB-393aC. For the idea that the will is ‘drawn’, Giles refers to Aristotle, De anima, III, 11, 433b 5-10 and 434a 12-14. Cf. also Giles’s Quaestio de deceptione, ed. G. Bruni, in: Analecta Augustiniana 17 (1939-1940), 229-245, at 235 (esp. ll. 13-26). On Giles’s notion of free will, cf. P. S. Eardley, Ethics and Moral Psychology, in: Briggs/Eardley (eds.), A Companion to Giles of Rome (nt. 4), 173-211, esp. 176-195. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 393bA-C. For the notion of second nature, cf. Auctoritates Aristotelis, 2.48, 7.64, 12.125, 19.24, ed. Hamesse (nt. 11), 144, 200, 241, and 272. The idea stems from Aristotle (cf., e.g., De memoria, 2, 452a 27-28, and Ethica Nicomachea, VII, 11, 1152a 30-31), but the phrase is not explicitly found in his writings (cf. P.-M. Morel, L’habitude: une seconde nature?, in: id. [ed.], Aristote et la notion de nature. Enjeux e´piste´mologiques et pratiques, Bordeaux 1997, 131-148). Cicero says something similar (cf. De finibus bonorum et malorum, V, 25, 74). The adage “consuetudo est altera/secunda natura” occurs only in late ancient and medieval authors: cf., e.g., Macrobius, Saturnalia, VII, 9, 7; Augustine, Contra Iulianum, IV, 103, ed. M. Zelzer, Wien 2004 (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 85/2), 106,40-41; Bernard of Clairvaux, Sententiae, 3, 107, edd. J. Leclercq/H. Rochais, in: Sancti Bernardi Opera, vol. 6/2, Rome 1972, 176,6; William of Conches, Dragmaticon, VI, 20, 5, ed. I. Ronca (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 152), Turnhout 1997, 252,38. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 8, 2, 5, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 393aD-bA. Ibid., 393aD. Ibid., 393bC-D: “Et si videatur hoc propter bonum facere, hoc est, quia se transfigurat in Angelum lucis, ipse tamen semper intendit inclinare ad malum. Et quod dictum est de voluntate respectu boni, veritatem habet

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Owing to their irreparable evil-mindedness 47, demons are always inclined to lead human beings into error and they can do this in various ways. Giles, however, does not mention how often this happens. Since the frequency of such devilish delusions remains unclear, one might expect him to conclude that we never know whether or not we are being deceived by demons. Yet, he does not formulate this conclusion; he does not even hint at it. III. Conclusion Like many of his contemporaries, Giles holds that demons are capable of producing different sorts of devilish delusions, regards human beings as liars, and conceives of error as a kind of immoral ignorance whereby one asserts something false. These components of his theological anthropology and demonology accord with his gloomy views on the intellectual incapacity of non-Christians. Taken together, these considerations suggest that human beings, when not aided by divine enlightenment and revelation, succeed only exceptionally in knowing and telling the truth, and from there it is only a small step toward the skeptical assumption that “perhaps all our cognitive acts are non-veridical” 48. Still, Giles avoids such a skepticism. The reason why he does not draw skeptical conclusions from his above-mentioned considerations are manifold. One reason may be found in his overall realist theory of knowledge 49, but another, more fundamental reason is his metaphysics of light, according to which “all things are rendered manifest in the light” and “everything that is true is a kind of light” 50. In line with this Neoplatonic metaphysics, Giles (like Aquinas) main-

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de intellectu respectu veri. Nam Dæmon, & si videtur aliqua bona persuadere, hoc facit intentione ad malum trahendi: sic ex parte intellectus, & si videtur aliqua vera dicere, semper dicit intentione fallendi, vt dicit Aug. 3. de Trini. c. 17.” For the transfiguration of the devil, cf. II Cor. 11,14. On the deceitful intention of demons, cf. Augustine, De Trinitate, III, 7, 12 and IV, 17, 23, edd. W. J. Mountain/F. Glorie (nt. 31), 139,14 and 190,47-51; on their ‘dispirited’ badness, cf. A. Boureau, Effacement ou affaissement: la nature de´prime´e des de´mons apre`s leur chute, in: G. Briguglia/I. Rosier-Catach (eds.), Adam, la nature humaine, avant et apre`s. E´piste´mologie de la Chute, Paris 2016, 45-62. See Giles, Reportatio lecturae […] Monacensis, II, 33, ed. Luna (nt. 38), 258,58-59: “After having sinned, [demonic] angels lost the state of the wayfarer and continuously remained in that [evil] will.” This is G. Klima’s “sufficiently sharpened version” of ‘demon skepticism’; cf. his essay Demon Skepticism and Concept Identity in a Nominalist vs. a Realist Framework, in: G. Klima/ A. W. Hall (eds.), The Demonic Temptations of Nominalism, Newcastle upon Tyne 2011, 83-94, at 84. For his epistemological realism, cf. G. Pini, Cognition (nt. 25); for the link between realism and anti-skepticism, cf. Klima, Demon Skepticism (nt. 48), esp. 92 sq. Cf. Giles of Rome, Opus super authorem de causis, commentum propositionis 6æ, Venetiis (Apud I. Zoppinum) 1550, 23rI. Cf. Perler, Zweifel und Gewissheit (nt. 24), 133-135 (on Aquinas’s “epistemological optimism” and its metaphysical framework), and id., Does God Deceive Us? (nt. 3), 178.

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tains that “all beings are, absolutely speaking, true owing to the truth that exists in the intellect of the First, who is the measure of all things” 51. Hence, the world is, at least in principle, intelligible to human beings, and what is true is the proper object of the human intellect 52. In addition, Giles restricts the influence of demons: since they are subjected to the omnipotence of God, who is thought to be absolutely good, they are unable to mislead human beings all the time. What is more, the demons themselves are deceived by God in such a manner that they indirectly and unwillingly contribute to the good 53. To sum up, there is a tension and perhaps even an inconsistency between, on the one hand, Giles’s basically optimistic metaphysics and theory of knowledge and, on the other, his theological views on postlapsarian humankind. Due to original sin, man’s capacity for knowing the truth is radically weakened, and this weakness is exploited in particular by demons. In this sense, Giles is one of the late medieval theologians who prepared the way for demon skepticism. Nevertheless, his above-mentioned views are not at all the expression of some “sort of Christian skeptical undercurrent in medieval society” 54. Nowadays, the idea that demons deceive human beings seems to be a ‘typically medieval’ error and part of an outlandish, superstitious worldview, especially if one considers that medieval theologians did not develop this doctrine as a kind of epistemological thought experiment and refrained from interpreting demons as unconscious forces in the human soul. It should be remembered, however, that in the early seventeenth century Giles of Rome was still cited as an authority on this topic. In his ‘On the Canonization of the Saints’, more 51

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Cf. Primus Egidii […] sententiarum, 19, 2, 2, ed. Augustinus Montifalconius, Venetiis (Impressus sumptibus […] heredum quondam Domini Octauiani Scoti) 1521, 112vK. Cf. Aquinas, Summa theologiae, I, 16, 6, resp.; Aristotle, Metaphysica, X, 1, 1052b 24-25. Cf. Giles of Rome, Quodlibet IV, 7, resolutio, in: Quodlibeta, ed. de Coninck (nt. 40), 214a. On Giles’s concept of truth, cf. A. D. Conti, Giles of Rome’s Questions on the Metaphysics, in: F. Amerini/G. Galluzzo (eds.), A Companion to the Latin Medieval Commentaries on Aristotle’s Metaphysics (Brill’s Companions to the Christian Tradition 43), Leiden-Boston 2014, 255275, esp. 265-271. Cf. Giles of Rome, In Secundum Librum Sententiarum Quæstiones, 6, 2, 3, ed. Rocchensis (nt. 10), 306aB-C: “As Augustine says in his Enchiridion, God would not allow evil things to happen if He were not so almighty that He could elicit some good [effects] from [those] evils. Therefore, He would not allow that saintly persons are tempted by demons unless the merit of the saints would rise from [those temptations].” Cf. also id., De ecclesiastica potestate, II, 13, ed. Scholz (nt. 19), 124,15-31: “Even though demons, and especially Lucifer, that dragon, intend to harm the Church and the elect, God deludes them in that He changes their tricks into something good for the Church and the elect.” Cf. Augustine, Enchiridion, 3, 11 and 8, 27, ed. E. Evans (Corpus Christianorum. Series Latina 46), Turnhout 1969, 53,29-34 and 64,53-54, and De Genesi ad litteram, XI, 27, ed. Zycha (nt. 37), 359,24-360,3, and 360,1518; Peter Lombard, Sententiae in IV libris distinctae, I, 46, 4, 1, ed. I. Brady, Grottaferrata 1971, 317,2-6. Keagan Brewer postulates such an undercurrent in his Wonder and Skepticism in the Middle Ages (Routledge Research in Medieval Studies 8), London-New York 2016, 174. However, he does not convincingly show that “medieval society” (whatever that phrase may mean) was really permeated or affected by some kind of skepticism.

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precisely in a passage on “the astonishing (though not miraculous) actions of demons”, the Augustinian Angelo Rocca explicitly referred to Giles’s doctrine of devilish delusions. Agreeing with Giles, Rocca noted: “If God did not hinder demons from time to time, they would, owing to the natural, inborn power of all spirits, hurt us in more respects and in more dramatic ways than we can imagine.” 55 Obviously, what counts as an error, just like what is regarded as the truth, changes over the centuries.

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Cf. Angelo Rocca, De Sanctorum Canonizatione Commentarius, cap. 12-13, Romae (Apud G. Facciottum) 1601, 21 sqq. (esp. 21); reprinted twice in the eighteenth century, in: F. Angeli Rocca Camertis […] Opera omnia […], vol. I, Romae (Ex Typographia S. Michae¨lis ad Ripam) 1719, 112b (= Thesaurus Pontificiarum Sacrarumque Antiquitatum necnon Rituum, Praxium ac Cæremoniarum […], vol. I, Romæ [Sumptibus F. Amidei] 1745, 112b): “Hinc Dæmones ob naturalem omnibus spiritibus inditam facultatem, si a` Deo interdu`m non impedirentur, tot tantaque nobis inferrent damna, quot quantaque a` nobis excogitari non possunt.” On Rocca (1545-1620), who edited, among other works, Giles of Rome’s ‘Sentences’ commentary and was the founder of the Biblioteca Angelica, cf. E´. Amann, Rocca, Ange, in: Dictionnaire de The´ologie catholique, vol. XIII/2, Paris 1937, 2757-2758; G. Caravale, Forbidden Prayer. Church Censorship and Devotional Literature in Renaissance Italy, Farnham 2011, 147-149; and J. Touber, Law, Medicine, and Engineering in the Cult of the Saints in Counter-Reformation Rome. The Hagiographical Works of Antonio Gallonio, 1556-1605 (Studies in Medieval and Reformation Traditions 178), Leiden-Boston 2014, 109. - I thank Cal Ledsham (Melbourne) for his comments on a first draft of this paper.

Giles of Rome on the Reduction of Fortune to Divine Benevolence: The Creative Error of a Parisian Theologian in the 1270s Vale´ rie Cordonier (Paris *) Among the significant figures in Late Medieval intellectual history, Giles of Rome (ó 1316) holds a rather specific position, as a large part of his contribution has to do with errors - be they the “errors of the philosophers” forming the subject of the work sometimes ascribed to him (although the authorship of this treatise ‘Errores philosophorum’ is not definitely secured 1), or the errors he was thought to have made, which led to his disagreement with his older colleague Henry of Ghent (ó 1293) and to his involvement in the Condemnation issued by Etienne Tempier, Bishop of Paris, in March 1277 2. In addition to the errors which have traditionally been considered in scholarship on Giles and which characterized his difference of opinion with Henry of Ghent, I have recently drawn attention to an ‘error’ which led to intense criticism from Henry and had a profound influence on his thinking, namely Giles’ views on the so-called ‘Liber de bona fortuna’, a treatise that was part of the Latin Aristotelian corpus from the 1260s. However, this so perceived ‘error’ had, until then, escaped the attention of researchers - maybe precisely because it does not figure either in Tempier’s Condemnation or in Giles’ defense. The work consists of two chapters on the subject of fortune taken from the ‘Magna Moralia’ (1206b 30-1207b 19) and the ‘Eudemian Ethics’ (1246b 37-1248b 11) and forms an essential milestone in the discussions on contingency as well as on divine government 3. * 1

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Centre national de la recherche scientifique (CNRS). For some doubts on the authenticity of the ‘Errores philosophorum’, essentially based on doctrinal considerations (mainly concerning Giles’ ideas about the unicity of substantial form) cf. C. Luna, La Reportatio della lettura di Egidio Romano sul Libro III delle Sentenze (Clm. 8005) e il problema dell’autenticita` dell’Ordinatio, Parte II, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 1 (1990), 113-225, 164 sq. On this affair cf. the classical studies by R. Wielockx, Aegidii Romani Opera omnia, vol. 3/1: Apologia (Corpus Philosophorum Medii Aevi. Testi e studi 4), Firenze 1985, 3-41 and id., Henrici de Gandavo Opera omnia, vol. 6: Quodlibet II, Leuven 1983. In the course of this essay, I will use the phrase “divine government” to mean - in the broadest and most general sense - how God or the First Cause, being the First Principle of all beings according to Scholastic thinkers - leads them all to their ends, their “good”. Divine government, which is one of the most debated topics since Late Antiquity, still has not received its due place in the history of philosophy.

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For it was possible to establish that Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ (12751278), a commentary on the then newly-discovered ‘Liber de bona fortuna’, was the primary target of Henry’s ‘Quodlibet’ VI,10 (1281/82), in which a groundbreaking model of divine providence was proposed 4. In this essay, I would like to examine Giles’ supposed “error” on good fortune more closely, from the viewpoint of its construction and its doctrinal fruitfulness. This will entail showing precisely how the way in which Giles commented on the ‘Liber de bona fortuna’ led Henry to consider the commentary unacceptable and to look for an alternative interpretation of Aristotle’s doctrine of good fortune and divine government. To do so, I will focus on a passage from Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ that proves to be crucial in this respect, namely a lemma corresponding to the description of “enthusiasts” in ‘Magna moralia’ 1207b 3-5. The present paper is structured in three parts. The first, which is preliminary in nature, presents Giles’ approach to the treatise as a whole and indicates the crucial importance of his commentary on ‘Magna moralia’ 1207b 3-5. The second part, which forms the core of the analysis, is devoted to a close reading of this passage: by comparing it to some previous scholastic texts that form its background - although they are not explicitly mentioned -, I will highlight the way in which the young theologian, while relying on some selected claims held by Thomas Aquinas (ó 1274) on divine government and God’s ad extra action, brings forth some new methodological options and doctrinal results. Finally, on the basis of this analysis, it will be possible to show, in the third part, why Giles’ reading of Aristotle’s doctrine of good fortune might have been considered erroneous or, at least, incoherent by Henry, and how this led the latter to envisage radically new ideas on divine providence. I. T he impor tance of the section on enthusiasm in Giles’ g eneral outline of the ‘ Liber de bona for tuna’ Before entering into Giles’ commentary on the discussion of the “enthusiasts” in the ‘Liber de bona fortuna’, let us briefly sketch the trajectory of this text and indicate some discoveries recently made concerning its early reception. The second half of the 13th century constitutes a decisive step in the history of the Peripatetic tradition, as far as it marks the first appearance of a complete and systematic corpus of Aristotle’s works in the West 5. In this corpus, the 4

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Cf. V. Cordonier, Une lecture critique de la the´ologie d’Aristote: le Quodlibet VI, 10 d’Henri de Gand comme re´ponse a` Gilles de Rome, in: ead./T. Suarez-Nani (eds.), L’aristote´lisme expose´: aspects du de´bat philosophique entre Henri de Gand et Gilles de Rome (Dokimion 38), Fribourg 2014, 81-180. Further references on this aspect of the debate between Giles of Rome and Henry of Ghent are given below, nt. 51. V. Cordonier/P. de Leemans/C. Steel, Die Zusammenstellung des ‘corpus aristotelicum’ und die Kommentartradition, in: A. Brungs e. a. (eds.), Die Philosophie des Mittelalters, vol. 4: 13. Jahrhundert (Erster Halbband) (Grundriss der Geschichte der Philosophie), Basel 2017, 149-161.

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‘Liber de bona fortuna’ stands out because of its structure as a combination of two chapters on the subject of good fortune taken from different works that were originally independent in the Greek tradition: the ‘Magna Moralia’ (1206b 30-1207b 19) and the ‘Eudemian Ethics’ (1246b 37-1248b 11). A series of elements to be found in the textual tradition and in the early reception of these chapters indicate that they were combined after the translator - who has been identified as the learned Dominican William of Moerbeke - had translated a longer extract from the ‘Eudemian Ethics’ including, after the chapter on good fortune, the very last chapter, namely the one on the typically Greek virtue of kalokagathia (1248b 11-1249b 25) 6. On a purely textual level, I have suggested that this second step in the constitution of the ‘Liber’ was most likely made under Thomas Aquinas’ influence and in a Parisian context; on a more doctrinal level, I have shown that this work served as the cornerstone for the constitution of a supposed Aristotelian doctrine of divine government that was thought to be compatible with Christian faith in a God who takes care not only of the world and of the conservation of all species, but also of each individual human being - to save them 7. To avoid misunderstandings, let me stress that such a reconstitution of the pre-history of the treatise does not imply that Moerbeke translated these texts on the explicit request of Aquinas or anyone else. It merely means that his translation work, like any other work by a serious translator, served some demand of the intellectual milieu to which the work was addressed. In this case, it was some scholars’ interest in Aristotle’s texts. The two chapters devoted to good fortune in the ‘Magna moralia’ and the ‘Eudemian Ethics’ made their first appearance in the third part of Aquinas’ ‘Book on the Truth of the Catholic Faith’ (‘Summa contra Gentiles’), written during his sojourn at the Papal Curia in Italy at the beginning of the 1260s. Indeed, the final part of the chapter of Aristotle’s ‘Eudemian Ethics’ on good fortune was first quoted by Aquinas in chapter 89 of Book III to serve as a philosophical authority that confirms that God is the cause not only of the human will, but also of its movements (“Quod motus voluntatis causatur a Deo, et non solum potentia voluntatis”) 8. This chapter appeared again in chapter 92, this 6

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Cf. V. Cordonier/C. Steel, Guillaume de Moerbeke traducteur du ‘Liber de bona fortuna’ et de l’‘Ethique a` Eude`me’, in: A. M. I. van Oppenraay (ed.), The Letter before the Spirit: The Importance of Text Editions for the Study of the Reception of Aristotle (Aristoteles Semitico-Latinus 23), Leiden-Boston 2012, 401-446. Cf. V. Cordonier, Sauver le Dieu du Philosophe: Albert le Grand, Thomas d’Aquin, Guillaume de Moerbeke et l’invention du ‘Liber de bona fortuna’ comme alternative autorise´e a` l’interpre´tation averroı¨ste de la doctrine aristote´licienne de la providence divine, in: L. Bianchi (ed.), Christian Readings of Aristotle from the Middle Ages to the Renaissance (Studia Artistarum 29), Turnhout 2011, 65-114 and ead., La doctrine aristote´licienne de la providence divine selon Thomas d’Aquin, in: P. D’Hoine/G. van Riel (eds.), Fate, Providence and Moral Responsibility in Ancient, Medieval and Early Modern Thought. Studies in Honour of Carlos Steel (Ancient and Medieval Philosophy, Series 1), Leuven 2014, 495-515. Thomas Aquinas, Summa Contra Gentiles III, 89, ed. Commissio Leonina (Opera omnia, vol. 14), Roma 1926, 273,7-19 (n∞ 2651); transl. V. J. Bourke, Saint Thomas Aquinas, Summa contra Gentiles, Book III: Providence, Part II, Notre Dame 1975 (19561 ), 37, n∞ 8: “Besides, an argument that is pertinent is offered by Aristotle, in Book VIII of the ‘Eudemian Ethics’

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time in combination with the chapter on the same topic taken from the ‘Magna moralia’, to fuel the discussion of an issue that was new in Aquinas’ production and that proves to be clearly connected to the two then newly discovered texts, namely: “How one is said to be well-fortuned and how man is assisted by superior causes” (“Quomodo dicitur aliquis bene fortunatus, et quomodo adiuvatur homo ex superioribus causis”) 9. But in his later works, Aquinas mentionned the chapter of the ‘Eudemian Ethics’ exclusively, quoting it as a “capitulum de bona fortuna” or, more rarely, under the label “liber de bona fortuna” 10. This label, referring to some Aristotelian treatise of its own, became the official title of the treatise in the late Middle Ages, which it remained until the 16th century, a period during which the text awoke lively discussions on fate, fortune and related topics 11. In the history of the reception of the ‘Liber de bona fortuna’, Giles’ commentary is the first known exegetical work on this treatise, and the options chosen in it provide a basic framework for subsequent approaches to the text (alongside its citations by Aquinas). Before reading the passage on the enthusiasts, it is useful to characterize the way in which Giles organizes the subject matter of the treatise. After the initial section of Aristotle’s ‘Magna moralia’ (1206b 30-36), which Giles considered to be a prologue to the whole treatise, he distinguishes three main parts: in the first part (A), which covers the rest of the ‘Magna moralia’ after the part considered the prologue (1206b 36-1207b 19), Aristotle asks what good fortune is; in the second part (B), corresponding to the first half of the ‘Eudemian Ethics’

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(1248a 25-b 5), as follows: There must be a cause for the fact that a person understands, deliberates, chooses, and wills, for every new event must have some cause. But, if its cause is another act of deliberation, and another act of will preceding it, then, since one cannot go on to infinity in these acts, one must reach something that is first. Now, a first of this type must be something that is better than reason. But nothing is better than intellect and reason except God. Therefore, God is the first principle of our acts of counsel and of will.” Ibid. III, 92, 279 (n∞ 2667); transl. Bourke, Summa contra Gentiles (nt. 8), 42, n∞ 4: “Next, we can show how a person might be said to be favored by fortune.” Although the ‘Magna moralia’ is quoted only once in this chapter, there are many other implicit references to this text in the course of the discussion, as well as a general (but implicit) reference to the ‘Eudemian Ethics’. A list of explicit citations of the ‘Liber de bona fortuna’ in the work of Thomas was provided, on the basis of the Index Thomisticus established by Roberto Busa, by R.-A. Gauthier, Thomas d’Aquin, Somme contre les Gentils, Introduction, Paris-Bruges 1993, 82. The only quotation referring to the extract from the ‘Eudemian Ethics’ as a “treatise” is to be found in Aquinas’ ‘De sortibus’, c. 4, ed. Commissio Leonina (Opera omnia, vol. 43), Roma 1976, 235,259-260. It is hence inaccurate to claim, as Gauthier did, that the author of the ‘Book on the Truth of the Catholic Faith’ was referring to a “treatise on good fortune”: to be exact, Aquinas, while quoting the ‘Magna moralia’ explicitly, was actually offering a combined reading of this chapter and of the parallel chapter to be found in the ‘Eudemian Ethics’, at a time when nothing indicated the existence of a proper treatise on this topic. On all of this cf. Cordonier, Sauver le Dieu du philosophe (nt. 7). Some lines of discussion are indicated in V. Cordonier, Re´ussir sans raison(s). Autour du texte et des gloses du ‘Liber De bona fortuna Aristotilis’ dans le manuscrit de Melk 796 (1308), in: A. Speer/D. Wirmer (eds.), 1308 - Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit (Miscellanea Medievalia 35), Berlin-New York 2010, 704-770.

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(1246b 37-1247b 15), he asks who the well-fortuned men are; in the third part (C), the second half of the ‘Eudemian Ethics’ (1247b 15-1248b 11), he clarifies the realm and the action of good fortune 12. Following the remarkably complex layout of scholastic commentaries, each of the three main parts is then divided into subparts that are themselves subdivided again, and so on. As the discussion on the enthusiasts is to be found in part A, a sketch of the internal divisions of this part may be of interest. A is subdivided into two subsections, which, following Giles, correspond to two argumentative attitudes by Aristotle: in the first subsection (I = 1206b 36-1207a 12), the nature of good fortune (“What is good fortune?”) is discussed by the Philosopher “in doubting” (dubitando), while in the second (II = 1207a 12-1246b 37), the same topic is addressed “in determining the truth” (veritatem determinando) 13. This second subsection is itself subdivided into two subparts. The first subpart (1 = 1207a 12-30) provides an enumeration of the parts of the definition of good fortune, whereas the second (2 = 1207a 30-b 19) offers a more synthetic account of this definition. This second subpart of the second subsection of A, in turn, proves to be divided into three subsections, which are organized as follows: in the first (a = 1207a 30-b 2), the Philosopher “concludes the definition as having been enumerated”; in the second (b = 1207b 2-5), he shows how this kind of fortune is reduced to divine benevolence; in the third (c = 1207b 5-19), he finally distinguishes the good fortune “that is somehow divine and continuous” from the one that is “discontinuous and as chance has it” 14. Such a distinction, which is crucial to Giles and forms the core of A.II.2.c, had already appeared in A.II.2.a. And this latter passage is worth considering in detail here, because it will allow us to specify the relevance of A.II.2.b, where Giles discusses Aristotle’s description of the enthusiasts. The text runs as follows: “Good fortune, then, consists in some good accruing beyond his own calculation, etc.’’ (1207a 30-36). After the Philosopher has enumerated the parts of the definition 12

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Cf. Giles of Rome, Sententia de bona fortuna, 1206 b 36-07a 2, ed. Cordonier, Une lecture (nt. 4), 144,1-8: “‘First, then, one may raise difficulties about this etc.’ (1206b 36-1207a 2). Once the prologue has been finished, in this part the executive part or tract is posited, in which the Philosopher does three things according to what he has in the prologue promised that he was to deal with. For he first deals with good fortune itself, second he shows who the wellfortuned men are, third he declares concerning what and in what good fortune exists. The second starts with: ‘But since not only wisdom’ (1246b 37), the third with: ‘What, then, prevents such things happening’ (1247b 15)’.” In what follows, I will be referring to Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ as “SBF”. Ibid., 1206b 36-07a 2, 144,8-10: “Concerning the first, he does two things because first he addresses good fortune in doubting, second in determining the truth here: ‘And yet outside of these’ (1207a 12).” Ibid., 1207a 30-07a 2, 146,65-70: “For first he concludes the definition of good fortune as having been enumerated, second he shows how this kind of fortune is reduced to divine benevolence, and third he distinguishes this good fortune that is somehow divine and continuous from the one that is discontinuous and completely accidental and as chance has it. The second part is: ‘being in the same condition as those’ (1207b 3), and the third: ‘We cannot call good fortune’ (1207b 5).”

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of good fortune, in this part he concludes its definition as having been enumerated. To understand this in a clear way one must know that the good fortune that is at issue here is the one that is somehow continuous and divine and not the one that is completely accidental and as chance has it. And, because this kind of fortune, with which the discussion here deals principally, is in some way divine, as will be made clear near the end of this short book (cf. 1248a 25-b 5), it has in some way to be reduced to divine benevolence.” 15

This explanation is decisive in several respects. Structurally, it contains in a seminal way the two aspects developed more specifically in the two following sections, enumerated above: the idea of a “reduction” of fortune to divine benevolence is addressed in depth in section A.II.2.b, whereas the idea of a specificity of the concept of fortune at issue in the treatise is the main object of section A.II.2.c. Moreover, and more importantly, this passage marks the first occurrence, in Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’, of an explicit distinction between two different concepts of good fortune. The second of these concepts is considered “divine” on the basis of the end of the treatise, more precisely the passage already quoted by Aquinas in the chapter of his ‘Book on the Truth of the Catholic Faith’ concerning God as the cause of the movements of our will (‘Eudemian Ethics’, 1248a 25-b 5) 16. But despite this similarity, it must be noted that, while Aquinas had worked with these two different concepts of fortune, he did not make an explicit distinction between them - be it because he was not aware of their distinction, or because his aim was precisely to combine them. So the distinction between continuous and discontinuous fortune here made by Giles to highlight the peculiarity of the kind of contingency addressed in the ‘Liber de bona fortuna’ was new, not only compared with Aquinas, but also and more decisively in the long-term Peripatetic tradition. Indeed, since Antiquity, it had been recognized among Aristotelian scholars that the universe allows for three kinds of modality: while the superlunary beings - the celestial bodies or their incorporeal “movers”- act or react in a necessary way, actions and reactions of sublunary beings happen in a contingent way, which means frequently (as natural processes happening on earth do) or infrequently (as chance events do) 17. This typology, principally developed by 15

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Ibid., 1207a 30-36, p. 145,57-146,65: “‘Est igitur bona fortuna in eo quod bonum aliquod existit preter rationem, etc.’ (1207a 30-36). Postquam philosophus uenatus est partes diffinitionis bone fortune, in parte ista concludit diffinitionem eius tamquam uenatam. Ad cuius euidentiam, sciendum quod bona fortuna de qua hic principaliter intenditur est illa que est quasi continua et diuina, non illa que est omnino per accidens et ex euentu rerum. Et quia huiusmodi bona fortuna de qua hic principaliter est sermo est quodammodo diuina, ut patebit circa finem huius libelli, ideo quodammodo reduci habet in diuinam beniuolentiam.” Cf. Thomas Aquinas, Summa Contra Gentiles, III, 89, quoted above (nt. 8). The classical study for this remains A. Maier, Notwendigkeit, Kontingenz und Zufall, in: ead. (ed.), Die Vorläufer Galileis im 14. Jahrhundert. Studien zur Naturphilosophie der Spätscholastik, Roma 1949, 219-250. In the preceding explanation, I made an abstraction of the question of the nature and origins of the so-called contingens ad utrumlibet, a kind of contingency that could be anachronistically described as a “fifty-fifty” probability. As already noted by Maier, Aristotle’s ‘Physics’, II, 5, 196b 10-18, provided the textual basis for rich discussions, in which the Aristotelian commentators - from Late Greek Antiquity - tried to specify the very origin of this particular kind of contingency. As was also judiciously highlighted by Maier, Giles played a

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the commentators on the basis of Aristotle’s ‘Metaphysics’, Book VI, and ‘On Interpretation’, chapters 9-13, was compatible with ‘Physics’, Book II, chapters 4-6, where natural causality is contrasted with a causality that produces infrequent events and was called alternatively ‘chance’ or ‘fortune’ 18 ). In contrast, the ‘Eudemian Ethics’ and the ‘Magna moralia’ introduced a kind of contingency that was irreducible to “chance” and to “fortune”: though the categorizations of ‘Physics’, Book II, were not completely absent from these two works, the discussion in them evolved in the direction of a different idea of “fortune”, implying a reoccurrence of fortunate events for the same man. So in the ‘Liber de bona fortuna’, good fortune is the cause not only of the fact that a man going to the market in order to buy carrots meets some of his debtors, but of the fact that such lucky encounters happenseveral times for the same man in the course of his existence. The peculiarity of this notion of fortune in the tract, which makes an individual see his options frequently followed by fortunate effects, is precisely captured, for the first time, as far as I know, by Giles’ abovementioned distinction between continuous and discontinuous fortune. So, the specificity of the notion of fortune at issue in the ‘Liber de bona fortuna’, highlighted by Giles with the qualifications “divine” and “continuous” on the basis of the end of the treatise dealing with God’s influence on our choices, allows him to conclude, at the end of the passage from A.II.2.a quoted above, that this kind of fortune “has - in some way - to be reduced to divine benevolence”. It must be noted that the term “reduction”, which itself cannot be found in the treatise, appears in a passage of the Aristotelian corpus that has been of crucial importance for discussions on contingency and determinism since Antiquity, namely ‘Metaphysics’, Book VI, Chapters 1-3, precisely in a short phrase where Aristotle mentions the possibility of the “reduction” (αœ ναγωγη´ ) of all accidental effects to their per se causes (1027b 14-16) 19. It is on the basis of this very elusive text that Aquinas developed, in his ‘Commentary

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crucial role in the history of these discussions, in reworking the solution given to this problem by Averroes in reaction to Avicenna, in a way that was subsequently taken as a starting point by William of Ockham to develop a radically new solution. While there is no study on Giles’ approach to Aristotle’s doctrine of contingency, I am currently preparing an essay on this question, focusing on the particular issue of the contingency ad utrumlibet. While the conceptual distinction between these two labels was neither posited in a perfectly clear way nor maintained consistently in ‘Physics’, Book II, scholastic thinkers - on the basis of a clarification already made by some ancient commentators - have systematized the meaning of each term in positing that “fortune” is a specific kind within the genus “chance”, a kind distinguished by the fact that its results concern sublunary beings that act in a voluntary or intentional way. Cf. e. g. Thomas Aquinas, Commentary on Aristotle’s ‘Physics’, transl. R. J. Blackwell e. a. (Aristotle Commentary Series), Notre Dame (Ind.) 1999 [19631 ], n∞ 208-216 and Giles of Rome, Commentaria in octo libros phisicorum Aristotelis II, 5, 196b 10-16, ed. A. de Torresanis de Asula, Venetiis 1502, fol. 38r27-32 [Reprint: Frankfurt a. M. 1968]. Aristoteles, Metaphysica (Recensio et Translatio Guillelmi de Moerbeka) VI, 3, 1027b 14-16, ed. G. Vuillemin-Diem, (Aristoteles Latinus XXV/3.2), Leiden e. a. 1995, 130,158-160: “Sed ad principium quale et causam qualem reductio talis, utrum ut ad materiam aut ut ad id quod cuius gratia aut ut ad mouens, maxime perscrutandum.”

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on the Metaphysics’, an extensive and independent discussion of different kinds of determinism, to finally establish that the assumption of universal providence exerted by God does not take away the possibility of contingency; and at this occasion, he claimed that every single “contingent” effect can be ultimately reduced to its first cause, in relation to which it is not contingent anymore 20. This idea, which constitutes the main tenet of what Pasquale Porro recently called Aquinas’ “providential determinism” 21, became an object of inquiry of its own in Giles’ discussion of Aristotle’s newly discovered treatise. Hence the relevance of section A.II.2.b of the ‘Sententia de bona fortuna’, which is devoted to the discussion of the reduction of fortune to God’s benevolence. This crucial passage of Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ corresponds to a section of the ‘Magna moralia’ where Aristotle (or the anonymous author of the work), after having assessed three a priori candidates for the position of the cause of good fortune - which are human intelligence, divine influence and, finally, good nature (φυ´ σιw ) - comes back to the third one by defining good fortune as “nature without reason” (“sine racione natura”). This would characterize the well-fortuned men, explaining their ability to see their acts followed by fortunate effects 22. The author clarifies this definition by identifying nature as the cause of why “the well-fortuned man has an impulse to good things and obtains these without reasoning”, being unable to explain why he does so 23. At this point, the second candidate for the position of the cause of good fortune, namely divine inspiration, is recalled as well, by means of a comparison made between the well-fortuned men and the “enthusiasts”, who also have an impulse apart from reason 24. To render the present participle referring to these kinds of men ( ο«i eœνθουσια´ ζοντεw in 1207b 3 and 4), the Latin translator uses the word “God” twice (“qui a deo aguntur; a deo uecti ”) 25: when faced with these phrases, 20

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Cf. Thomas Aquinas, In Metaphysicam Aristotelis commentaria VI, 3, Lect. 3, ed. M.-R. Cathala, Torino 1935, n∞ 1202-1222, 306-308. P. Porro, Contingenza e impedibilita` delle cause: presupposti e implicazioni di un dibattito scolastico, in: Rivista di storia della filosofia 68/1 (2013), 113-147 and id., “Lex necessitatis vel contingentiae”. Necessita`, contingenza e providenza nell’universo di Tommaso d’Aquino, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 96/3 (2012), 401-450, here 437-441. [Pseudo-]Aristoteles, Liber de bona fortuna, 1 (from the ‘Magna moralia’), 1206a 35-36: “Est igitur bona fortuna sine racione natura.” In what follows, I will be referring to the ‘Liber de bona fortuna’ as ‘BF’. Cf. ibid., 1, 1207a 36-b 3: “Bene fortunatus est enim sine racione habens impetum ad bona, et hec adipiscens, hoc autem est nature. In anima enim inest natura tale quo impetu ferimur sine racione ad que utique bene habebimus. Et si quis interroget sic habentem, ‘propter quid hoc placet tibi operari’, ‘Nescio’, inquid, ‘sed placet michi’ […]”. Cf. ibid., 1, 1207b 3-5: “[…] simile paciens hiis qui a deo aguntur. Et enim a deo uecti sine racione impetum habent ad operari aliquid.” This option is in line with the fact that many other passages in this chapter as well as in the second chapter of the treatise speak of “the/a God” (θεο´ w ) to discuss the view that fortune comes from divine influence. Indeed, Moerbeke used the word “God” (deus) to render all the occurrences of the Greek term θεο´ w (used only in singular forms) in the course of the tract, namely in ‘Magna moralia’ 1207a 6.10-11.15 and in the ‘Eudemian Ethics’, 1247a 24.28.38,

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Giles considers that ‘Magna moralia’ 1207b 2-5 clarifies the way in which fortune is reduced to God’s benevolence. Moreover, the close proximity of this passage to the formula “nature without reason” (1206a 35-36) strongly suggests that the main issue in the treatise consists in finding a way to combine the natural and the divine aspects of fortune. And this is all the more crucial in that the second chapter of the treatise also indicates that fortune ultimately results from a combination of some kind of divine influence and human nature - this notion later being referred to in terms of a “good temperament” 26. To sum up: following Giles’ reading, ‘Magna moralia’ 1207b 3-5, which forms the first chapter of the ‘Liber de bona fortuna’, gives an explanation of the way in which the good fortune that is specific to this text, namely continuous and divine good fortune, is reduced to God’s benevolence. This interpretation by Giles makes use of an idea of “reduction” that was present in a crucial Aristotelian text (namely ‘Metaphysics’ VI, 1-3) which was taken up by Aquinas to develop and advocate what is usually labeled as a compatibilist view on contingency. Besides, following Giles, the Aristotelian passage on enthusiasm also explains how the divine influence supposed to account for fortune is combined with what was called, some lines earlier, “nature without reason”. In so doing, the text provides, following Giles, the ultimate and most complete explanation of the fact that some individuals of the human species benefit, in the course of their lives, from a clear reoccurrence of lucky or fortunate events as a result of their own acts but in an unpredictable manner. This also means that, according to Giles, this very passage captures a key doctrine of the treatise. Now, it remains to be seen how Giles understood it. II. “According to the order that we see”: Giles’ commentar y on the ‘ Liber de bona for tuna’ I, 1207b 3-5 as a kind of philosophical manifesto This section is devoted to Giles’ exegesis of the passage on the enthusiasts, where the Philosopher is supposed to show how the good fortune at issue in the ‘Liber de bona fortuna’ is reduced to God’s benevolence. Before starting the textual analysis as such, let us see how this passage from Giles’ commentary

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1248a 26.28.38 and 1248b 4. The only case where Aristotle qualifies this term more is 1247a 28, where he writes “God or the demon” (deus aut daimon). Indeed, in chapter 2, a similar combination between a natural factor and a divine factor is to be found as in chapter 1. The main difference is the following: while the author of the ‘Magna moralia’ had expressed the nature hypothesis by using the term “nature” (φυ´ σιw , rendered by Moerbeke with the term natura) - in the ‘Eudemian Ethics’ Aristotle used, in addition to this term (present in 1247a 2.9-10.23.31.37, 1247b 8.20-21.23.28 and 1248a 13-14), the more precise lexicon of the “good natural constitution” (εyœφυÏiα, transliterated to give the Latin term eusya), which is a distinctive trait of the “naturally well-constituted man” (εyœφυη´ w , translated by bene natus or bene naturatus).

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is structured. As is the author’s usual practice in these kinds of texts, he starts with an explanation of the literal meaning of the passage (formed by a diuisio textus and an expositio littere), then comes to a more systematic doctrinal elucidation (formed by a series of notes and, finally, the discussion of some questions or doubts). In the literal explanation, he actually summarizes the passage on the enthusiasts together with the preceding lines of the treatise, in which fortune was equated with “nature without reason” (1207a 36-b 3) 27. As for the doctrinal explanation, in this particular case it consists of three notes (introduced by “One must note that …”), followed by a section devoted to a particular doubt (introduced by “One could perhaps doubt …”), in which Giles discusses a problematic issue. The section devoted to the doubt in question proves to be particularly long and well developed: such a feature of a purely structural nature already indicates, from the outset, that there is something rather important happening in this passage. Now that these preliminary remarks have been made, we can start a close reading of Giles’ commentary: to do so, we will follow, step by step, first the three notes and then the doubt, sketching all the claims expressed, in order to situate them as precisely as possible against their doctrinal background on the basis of other texts by Giles himself or by Aquinas. The three notes with which Giles starts his doctrinal explanation give different kinds of justification to the text by Aristotle summarized above; however, these justifications do not concern exactly the same point and do not have the same depth in all three notes. In the first note, Giles justifies the equation, made in the commented passage, between the well-fortuned men and those who follow their natural and irrational impetus 28. Although the commentary formulates the argument in a rather synthetic way, one can isolate four main claims in this passage, which are the following: (i) God moves our souls similarly to the way in which moves the whole of nature (148,129-130); (ii) because he is himself fundamentally good, he moves all this towards the good (148,130); (iii) in the case of human beings, he does so in creating an impetus in our souls (148,13127

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Giles of Rome, SBF, 1207b 3-5, ed. Cordonier, Une lecture (nt. 4), 147,124-148,128: “Then, when he says: ‘being in the same condition’ (1207b 3 sq.), he shows how good fortune is reduced to divine benevolence by saying that the well-fortuned man and [in the sense of: “that is”] the one who follows natural impetus is in the same condition as those who are acted (that is moved) by God, and that those who are such and are transported (that is conducted and moved) by God have an impetus without reason towards acting (that is in such a way that they operate something good).” The passage equating fortune with nature without reason, taken from ‘Magna moralia’ 1207a 36-b 5, is quoted above (nt. 22 and 23). Ibid., 148,129-136: “But, one must note that God moves the whole of nature and that he moves our souls, and that because he is himself essentially good, he moves always towards the good. Those, then, who follow up such a divine motion and impetus made by God in our souls achieve and attain some goods; even if they are not able to give a reason why one must act in this way (cf. 1207a 36-1207b 3). Indeed, God, as it will be said below (cf. 1248a 38-39), forecasts the future good that those must attain, and He moves them towards this good, which is a good that those who are moved in this way cannot forecast themselves and hence they can not give a reason.”

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133); (iv) God is able to forecast the future goods that human beings will obtain (148,133-136). All these four principles taken together explain, following Giles’ commentary, that God can bring good fortune to human beings. But not all the principles have the same conceptual root and history: while claim (iv) rephrases an assumption that was rather classic in mediaeval philosophy at least since Boethius, the preceding claims are much more typical for the 13th century. Indeed, it was only from this period - in which theological thinking was marked with the influence of a Peripatetic doctrine of motion - on that it was possible to assume, as Giles does here, a basic correspondence between God’s moving “the whole of nature” and moving our souls, and to hold that this divine influence is the ultimate cause of human beings’ striving for the supreme good. Actually, Giles’ assumption of a correspondence between God’s motion of the whole of nature and of human beings can be situated even more precisely in the framework of 13th-century philosophy. Indeed, it can be read in the light of Aquinas’ commentary on the chapter of ‘Nicomachean Ethics’, Book I, where Aristotle establishes that a supreme good exists on the basis of the impossibility of proceeding to infinity with regard to the ends to which human desire tends, because human desire cannot be vain (I, 2, 1094a 11-22). For when rephrasing this argument, Aquinas elaborated a justification of the fact that our desire cannot be vain: this is because, he said, “a natural desire is nothing else but an inclination belonging to things by the disposition of the First Mover”, which cannot be frustrated” 29. A similar addition was made in his commentary on the text of ‘Metaphysics’, Book Lambda, in which Aristotle posits (1075a 13-15) a twofold order in the things forming the universe, namely their mutual (horizontal) order, and their order to their principle (vertical): in Aquinas’ reading, the connection of the two orders was assumed to have been providentially established by the nature of each being, which is “a kind of inclination implanted in it by the First Mover, who directs it to its proper end”, and this allows for the possibility that all “natural beings act for the sake of an end even though they do not know that end” 30. This idea of some kind of “inclination” given to each being to direct it towards an end was intimately linked to a Christian reading of Aristotle, according to which the First Mover is also the creator of all things 29

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Thomas Aquinas, Commentary on the Nicomachean Ethics I, 2, 1094a 19-22, transl. C. I. Liztinger, Chicago 1964, n∞ 21, 13: “Hence it follows that a natural desire would be useless and vain, but this is impossible. The reason is that a natural desire is nothing else but an inclination belonging to things by the disposition of the First Mover, and this cannot be frustrated.” This seems to me to be an example that invites us to slightly qualify the view that the changes introduced in Aristotle’s ‘Ethics’ by Aquinas are minor and correspond to some views that were already present in him “in spirit - though not literally”. On this quite common view on Aquinas’ supposed “Aristotelianism” cf. recently M. Perkams, Thomas von Aquin, Kommentar zu Aristoteles’ Nikomachischer Ethik. Sententia Libri Ethicorum I und X. Lateinisch-Deutsch, Freiburg e. a. 2014, 11-56. Thomas Aquinas, Commentary on the Metaphysics of Aristotle XII, 10, 1075a 13-15, lect. 12, transl. J. P. Rowan, 2 vols., Notre Dame 1995 (Chicago 19641 ), vol. 2, n∞ 2629-2636, 833839, in part. n∞ 2634.

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and exercices providence towards them - thus being able to cause particular dispositions and potencies in them. To sum up: in Giles’ commentary on the passage of the ‘Liber de bona fortuna’ containing Aristotle’s discussion of the enthusiasts, the notion of “divine motion” or “impetus made in our souls” (148,131-132) corresponds quite faithfully to the notion of inclination introduced by Aquinas in his commentaries on classic passages from the Aristotelian corpus dealing with the human desire for the ultimate good 31. However, after having rephrased the description of the enthusiasts with the help of such basic assumptions taken from what one could call Aquinas’ metaphysics and anthropology of divine providence, Giles would even go much further in the following notes, so as to develop some views that are more original and audacious. These notes give a deeper justification to the Aristotelian passage at issue by explaining more precisely why and how such a construal of men favored by fortune is able to account for the very diversity of destinies that is to be found among different individual beings. Despite the repetitions to be found in this laborious text forming note 2 - a feature that could have something to do with the originality and tentative aspect of the views expressed there -, let us quote it in its entirety: “One must also note that he says that the well-fortuned man is similar to those who are acted upon by God, because God, according to the order that we see, as far as his part is concerned, moves in the same way; yet because of the diversity of the recipients, not all perceive this movement in a similar way. So, as far as God’s part is concerned, the well-fortuned are in a condition similar to all the others who are acted upon and moved by God. This is because, as it was said, according to this order that we see, God acts, or stimulates and moves all in the same way, be they well-fortuned or not. Yet, it is not the case that all are acted upon and moved in the same way, but those who have such a nature that is disposed in such a way that they are acted upon by means of God’s impetus are well-fortuned according to the Philosopher. As to whether or not God could make contrary to this order and move in a different way as far as his part is concerned, this is not the object of the present speculation.” 32 31

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One could, of course, be sceptical about introducing Aquinas among the texts that possibly form the background of Giles’ approach, since the existence of a teacher-student relationship between them is not unanimously accepted; cf. e.g. E. Hocedez, Gilles de Rome et Saint Thomas, in: Me´langes Mandonnet. E´tudes d’histoire litte´raire et doctrinale du moyen aˆge, Paris 1939, 385-410, 391 sq. However, whatever their relationship may have been on a personal and institutional level, it is hardly imaginable that a scholar of this time, commenting on a new item of Aristotle’s ethical corpus, was unaware of the existing work done by Aquinas on the main text of this corpus, as well as the key text of the ‘Metaphysics’. Giles of Rome, SBF, 1207b 3-5, ed. Cordonier, Une lecture (nt. 4), 148, l. 137-148: “Notandum etiam quod ait quod bene fortunatus est simile patiens hiis qui a deo aguntur, quia deus secundum istum ordinem quem uidemus, quantum est de se, similiter mouet, tamen propter diuersitatem recipientium non omnes similiter percipiunt huius motum. Quantum est ergo ex parte dei, bene fortunati sunt simile patientes omnibus aliis qui aguntur et qui mouentur a deo quia, ut dictum est, secundum istum ordinem quem uidemus, deus omnes, tam bene fortunatos quam alios, similiter agit siue agitat et mouet. Tamen non omnes similiter aguntur et mouentur, sed qui habent naturam talem et sic dispositam quod impetu dei aguntur, hii secundum sententiam

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This passage must be situated against the background of the lasting debate concerning the respective parts played by God and the creatures themselves in the production of natural effects, an issue that was addressed by Giles on many occasions 33. This was most notably the case in his ‘Commentary on the Sentences’ (the “reportatio”, or written report, of which is accepted to have been written around 1270 34). Concerning the first distinction of Book II of the Lombard’s work, the young scholar asks in q. 8 “if all beings act in virtue of the first agent” (“Utrum alia a primo agant”). In giving an answer, he first critically discusses the solution given by Aquinas in his own ‘Commentary on the Sentences’, which says that all beings act by giving the form to an activity whose matter is given by God: Giles does not agree with this option, considering that God must be immediately present in every action, which can only be the case if he also gives the form to every action 35. So he claims that every effect comes from God in its entirety immediately and totally, but that this effect, as far as it is caused by God through secondary causes, comes from him in its entirety immediately, but not totally, that is, not in every way (“totus immediate, sed non totaliter”). To make this subtle distinction clearer, he adds that God acts in things universally “as far as his part is concerned” (“quantum est ex parte sui ”), so that the diversity in the effects is only due to the diversity of the beings receiving this action, as they receive it “according to their natures” (“recipiunt secundum naturas suas”); hence, Giles claims the diversity of the effects, despite the “uniformity” of God’s action: every action is produced by God, but not totally, since there is no distinction “as far as his part is concerned” 36. Let us now briefly focus on this specific doctrine. As was judiciously summarized by Giorgio Pini in an essay published in 2001 in ‘Miscellanea Medievalia’,

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philosophi bene fortunati sunt. Utrum autem deus posset facere preter istum ordinem et posset quantum est de se dissimiliter mouere, non est presentis speculationis.” On this debate, initiated in the Arabic world with the discussion of the Muslim theologians’ views by Ghazali, Averroes and Maimonides, and continued in the Western world from Aquinas to the XVIIth century, cf. among many others P. Vollmer, Die göttliche Mitwirkung bei Aegidius Romanus, in: Divus Thomas 6 (1928), 452-470 and M. Plathow, Das Problem des Concursus Divinus. Das Zusammenwirken von göttlichen Schöpfungswirken und geschöpflichen Eigenwirken in K. Barths “Kirchlicher Dogmatik” (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie 32), Göttingen 1976, 17-97. The texts by Giles traditionally taken into account in this respect are the distinctions from his ‘Commentary on the Sentences’ devoted to the question, the part of the ‘Commentary on the Book on Causes’, Book I, prop. 4, and, finally, question 4 of the ‘Theoremata de esse et essentia’. Cf. C. Luna, Aegidii Romani Opera Omnia, vol. 3/2: Reportatio Lecturae Super libros I-IV Sententiarum. Reportatio Monacensis, Excerpta Godefridi de Fontibus (Corpus Philosophorum Medii Aevi. Testi e Studi 17), Roma 2003, 90, gives 1270-72 as a date for the course on Book II, whereas a slightly earlier date (1269-1270) was given for the first two books by C. Luna, La Reportatio della lettura di Egidio Romano sul libro III delle Sentenze e il problema dell’autenticita` dell’Ordinatio, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 1 (1990), 113-225, here 127 sq. Cf. Giles of Rome, Rep. II Sent., q. 8 [dist. 1], ed. Luna (nt. 34), 208,15-18. Ibid., 208,19-34.

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this doctrine can be seen as the original result of the young Giles’ rigorous interpretation of Aquinas’ claim of the identity of conservation and creation as held in ‘De Potentia’ V, 1, a claim that, in turn, seems to be a consequence of his understanding of creation as a pure relation between God and creatures 37. Following this particular view, which is proper to Giles’ understanding of God’s external activity and which Pini called his “doctrine of God’s uniform action”, the First Mover is supposed to act on all beings uniformly, but this very action leads to different effects according to the specificity of the beings receiving his action. Pini studied this explanation of God’s ad extra action with a focus on its link to Giles’ most famous claim of the real difference between being and essence formulated, among others, in his treatise ‘De ente et essentia’, and on the subsequent debate with Henry of Ghent, who criticized both Giles and Aquinas concerning this issue. So, Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ was completely absent from Pini’s analysis, as it had, at this time, no real place in the existing studies on the debate concerning the respective roles played by God and the creatures in natural causality: this absence was all the more “natural” as the ‘Liber de bona fortuna’ was itself almost ignored in the historiography of scholastic thought and received no consideration from scholars specializing in philosophy. However, this specific work by Giles is of great importance for our subject, as far as it attests an interesting evolution in Giles’ conception and formulation of his doctrine of God’s external action. Indeed, in comparison with the just mentioned passage from the “reportatio” of Giles’ ‘Commentary on the Sentences’, some specificities of Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ immediately become obvious. The most striking one is that the phrase “as far as his part is concerned”, present in both passages, happens to be combined with the phrase “according to the order that we see” in the ‘Sententia de bona fortuna’ (138,142-143: “secundum ordinem quem uidemus”). This phrase, which is absent from the “reportatio”, is to be found in two later texts, in which the theologian discusses the issue as to whether it is possible to assume a distinction between individuals of the same angelic kind, namely his ‘Theoremata de esse et essentia’, n∞ 3 and his ‘Quodlibetal Question’, Book II, q. 7: in both texts, the “order that we see” clearly refers to the actual condition of the created world, in contrast to a different order that God could achieve using his power without any restriction 38. In the light of these passages, it becomes clear that the reference to the “order that we see”, made by Giles in his second note to the description of the enthusiasts in the ‘Liber de bona fortuna’, indicates that he restricts the focus of his analysis of good fortune. Obviously, 37

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Cf. G. Pini, Being and Creation in Giles of Rome, in: J. A. Aertsen e. a. (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 390-409, here 394-396. Cf. Giles of Rome, Theoremata de esse et essentia, ed. E. Hocedez, Louvain 1930, n∞ 3, 13,1215 and id., Quodl. II, q. 7, ed. H. Nempaeus, Leuven 1646, 65a,45-65b,19.

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this restriction was made deliberately, as is indicated at the end of the passage quoted above, where the author excludes the issue “as to whether or not God could make contrary to this order” as being “not the object of the present speculation”. The same holds true for the third note, which is even more radical, saying that the “good” at issue in the ‘Liber de bona fortuna’ must be understood in terms of the goods “that we can attain by means of our pure nature”, for only those were taken into consideration by the Philosopher 39. In fact, such a decision to address a subject without taking Christian faith into account is not unique in Giles’ writings. But the explicit and decided way in which he advocates such an option in the ‘Sententia de bona fortuna’ is, to my knowledge, a rare case. And when one considers the other occasion where the author proceeds in such a way, it seems that the ‘Liber de bona fortuna’ played a decisive role in this affair. Indeed, a very similar position statement is to be found in Giles’ ‘Commentary on the Rhetorics’, concerning chapter 5 of Book I, where Aristotle deals with happiness in a way that is not entirely in line with all the other texts in the corpus, but that partially corresponds with the two extracts forming the ‘Liber de bona fortuna’. Indeed, in the ‘Rhetorics’ human happiness is defined by enumerating its “constitutive parts” (1360b 6.19). In a passage that is very close to this one, the Philosopher posits a distinction between “external” and “internal” goods (1360b 26-30) but without giving a complete list of the items belonging to each category. So, because good fortune figures among these “constitutive parts” of happiness enumerated thusly (1361b 39-1362a 12), the question of its categorization arises. To answer this, Giles first ensures that fortune belongs to the internal goods, as does friendship (mentioned later, in 1361b 35-1362a 12); he then justifies this claim by the fact that fortune can be reached naturaliter, as can be made clear on the basis of what the Philosopher says “in the chapter on good fortune” (“ut potest patere ex philosopho in capitulo de bona fortuna”) 40; and a couple of lines later, after having recalled the specificity of the concept of good fortune at issue in the treatise, he stresses that only God’s inspiration can make an individual well-fortuned in the sense of the opuscule: “And perhaps it [good fortune] can be said to come from nature, speaking of our direction in as far as we are directed by the separated substances to an end that is proportionate to our nature, which we can attain by means of our pure nature (ex puris naturalibus). As to whether or not there is some supernatural end

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Giles of Rome, SBF, 1207b 3-5, ed. Cordonier, Une lecture (nt. 4), p. 148,149-152: “One must also note that when we say that those who have such a nature so as to be conducted by God’s impetus and attain some goods are well-fortuned, this is to be understood in terms of the natural goods that we can attain by means of our pure nature, because we did not find the Philosopher having dealt with other kinds of goods.” Giles of Rome, Commentaria in Rhetoricam Aristotelis I, 5 (1361b 3-6), ed. Venetiis 1515, fol. 21va [Reprint: Frankfurt a. M. 1968].

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(aliquis finis supernaturalis), and how we are directed by God to attain this end, this is not the object of the present speculation.” 41

Against the background of Giles’ works, this text shares some features with his commentary on the passage of the ‘Liber de bona fortuna’ on the enthusiasts, which are, to my knowledge, not present in other texts by Giles. In both passages, the notion of “nature” proves to be crucial and is understood to be partially in line with Aquinas’ understanding of Aristotle’s ‘Nicomachean Ethics’, Book I, and ‘Metaphysics’, Book Lambda, concerning the human disposition towards the good 42. But at the same time, Giles gives to this theological notion of nature a much more radical meaning, in advocating an inquiry conducted solely “by means of our pure nature”. Most strikingly, in the ‘Commentary on the Rhetorics’, he uses this phrase to mean a state of affairs opposed to the “supernatural”. Although this later word does not appear in the ‘Sententia de bona fortuna’, the clear-cut opposition between what is purely natural and what is supernatural, explicitly claimed in the ‘Commentary on the Rhetorics’, is taken for granted in Giles’ commentary on Aristotle’s doctrine of fortune: the “present inquiry” means an approach that intentionally does not take into account the possibility of some “supernatural end” for human beings. Sure, the phrase “pure nature” was already used by Latin theologians before Giles, with the function of identifying, in a given process, what comes from man himself without grace or before the fall. However, Giles uses it to mean a specific method, distinct from revealed theology, which he systematically applied to comment on the new Aristotle, in a spirit that is in line with the approach adopted by Albert the Great in his own exegetical writings. This shift towards a concept of “naturality” that is thought of in opposition to the supernatural and used as a typically philosophical tool, marks a clear break with Aquinas’ approach 43. So, Giles’ understanding of Aristotle’s doctrine of good fortune in terms of an approach “by means of our pure nature” (“ex puris naturalibus”), made explicit in his third note to the description of the enthusiasts in 1207b 3-5, is mainly a reading method, or an interpretative strategy, that does not necessarily pretend to be the only approach to the subject at issue. In other words, such a restriction 41

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Ibid. I, 5 (1362a 13), fol. 23ra: “Et forte multo magis a natura dici potest loquendo de directione nostra prout a substantiis separatis dirigimur in finem proportionatum nature nostre, quem ex puris naturalibus consequi possumus. Vtrum autem sit aliquis finis supernaturalis, et quomodo attingendum illum a deo dirigimur, non est presentis speculationis.” Cf. the extracts of Aquinas’s commentaries on Aristotle’s ‘Nicomachean Ethics’ I, 2, 1094a 1922 and ‘Metaphysics’, XII, 10, 1075a 13-15 quoted here above (nt. 29 and 30). On the use and significance of the concept of “nature” in Thomas Aquinas cf. above all the very influential approach by Henri De Lubac, Surnaturel. Etudes historiques, nouvelle e´dition avec la traduction inte´grale des citations latines et grecques, Paris 1991 (19461 ), 213-291 and 355-373 and J.-P. Torrell, Nature et graˆce chez Thomas d’Aquin, in: Revue Thomiste 101 (2001), 167-202. For a stimulating outline of discussions on that issue in late scholastic tradition cf. J. Schmutz, La doctrine me´die´vale des causes et la the´ologie de la nature pure, in: Revue Thomiste 101 (2001), 217-264.

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of the scope of the philosopher who comments on Aristotle could have been regarded by Giles as a way of leaving space for a specifically Christian approach to divine government - supposed to be developed in other works, belonging to different literary genres 44. Nevertheless, Giles’ methodology in commenting on Aristotle has direct and significant consequences for his treatment of good fortune. A first consequence is clearly explained by himself in the “doubt” that directly follows the three notes just analyzed. This doubt gives rise to a rather long justification in which the author advocates the method adopted by the Philosopher when causally explaining good fortune in terms of “nature without reason”. In so doing, Giles also justifies his own doctrine of fortune in commenting on the ‘Liber de bona fortuna’. Since the very formulation of this question will be of interest for our purpose, let us quote it here in full: “One could perhaps doubt that while the good fortune that is principally at issue here comes from God as a mover, and from a natural aptitude according to which we can perceive this motion and act according to it, why the Philosopher attributes good fortune to a greater extent to nature itself or to the natural disposition itself, than to divine benevolence, whereas it seems that it is to be attributed to a greater extent to divine benevolence because the effect is to be attributed more to the principal agent than to the instrumental one.” 45

Although Giles gives no reference, the basic assumption that lies behind the doubt corresponds to a principle indicated in prop. 1 of Pseudo-Aristotle’s ‘Liber de causis’: “Every primary cause exerts more influence on what is caused than does the secondary cause” (“causa primaria plus influit super causatum quam causa secundaria”). So, the doubt can be summarized as follows: why is it that the author of the ‘Liber de bona fortuna’ defines good fortune starting with the notion of nature rather than with that of divine benevolence, while it is known, on the basis of another crucial work from the Aristotelian corpus, that an effect must be attributed to the principal agent more than to the instrument? Or: why 44

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The fact that Giles’ naturalist approach to Aristotle’s ‘Ethics’ does not exclude a Christian view but rather leaves space for it and even indicates its necessity is clearly expressed by Giles among others in his treatise ‘On the Government of the Princes’; cf. Giles of Rome, De Regimine Principum, I, ii, 33, ed. Antonius Bladum, Romae 1556, fol. 90r,14-16 (end of the chapter): “In hoc ergo eliditur philosophorum elatio, uolentium quod ex puris naturalibus possemus omnia mala uitare et perfectam bonitatem acquirere.” A good example of a typically Christian approach to the subject of divine government is Giles’ later treatise ‘De predestinatione et prescientia, paradiso et inferno’. Cf. B. E. Holstein, A commentary on ‘De predestinatione et prescientia, paradiso et inferno’ by Giles of Rome on the basis of MS Cambrai BM 487 (455), Ph.D. Diss, Berlin 2007. I intend to devote a further study to this treatise by Giles and its relation to the ‘Sententia de bona fortuna’. Giles of Rome, SBF, 1207b 3-5, ed. Cordonier, Une lecture (nt. 4), p. 148, l. 153-159: “Dubitaret forte aliquis, cum bona fortuna de qua hic principaliter intenditur sit a deo mouente et ab aptitudine naturali secundum quam percipere possumus motionem illam et agere secundum eam, quare philosophus magis attribuit bonam fortunam ipsi nature uel ipsi dispositioni naturali quam beniuolentie diuine. Videtur autem eam magis attribuendam esse beniuolentie diuine, quia effectus magis attribuendus est principali agenti quam instrumentali.”

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is it that the Philosopher, after having acknowledged that fortune is ultimately reduced to divine benevolence, allows himself to treat it on the basis of its purely natural causes? The starting point of Giles’ answer is his doctrine of God’s uniform action: the activity of the prime mover, who acts “as far as his part is concerned” uniformly on all beings, “is not diversified but because of the diversity of the recipients, or because of the secondary agents”; so an effect coming from the first cause is diversified either according to the diversity of the recipients of this effect, or according to the diversity of the secondary agents of the activity considered 46. Hence Aristotle’s choice, Giles claims, to focus on the secondary causes, which are the actual explanatory factors of the diversity of destinies among human beings: in this case, the secondary causes are the different natural impetuses moving the different individual men 47. Giles finally returns to the principle that had given rise to the doubt, namely the idea that “an effect is to be attributed more to the principal agent than to the instrumental one”. This principle is still valid, he states, but it corresponds to a certain point of view chosen by the Philosopher (or the philosophers) to find the “proper and particular” cause for some kind of effect: in the case of fortune, this means to make it come from the natural impetus present in the human beings concerned - notwithstanding the universal causality of God, “which moves the whole of nature” 48. Giles’ explanation echoes Aquinas’ doctrine of God’s ad extra action, in several respects. First and generally, his view that “in whatever natural operation, God acts more and more intimately than nature itself ” (149,178-179) is in line with a claim that is frequently made 46

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Ibid., 1207b 3-5, 148,159-149,165: “It must be said that, according to the Philosopher’s doctrine, God, as far as his part is concerned, acts uniformly and his action is not diversified but because of the diversity of the recipients, or because of the secondary agents. So according to the Philosopher, what is uniformly unvariate in the effects must be attributed to the first cause that acts and moves uniformly, whereas what is diversified in the beings must be attributed either to the diversity of the recipients or of the secondary agents.” Cf. ibid., 149,165-170: “Therefore, while not all are well-fortuned but, rather, there is in this the most extreme diversity because some are well-fortuned and some unfortunate, and the one and the same man at one time acts fortunately who at another time operates unfortunately. Hence the Philosopher attributes good fortune - even if he reports it to Gods benevolence and to God as the mover of the whole of nature as in its universal cause - to the natural impetus as its particular and proper cause.” Ibid., 149,171-183: “However, what is added (that the effect is to be attributed to the principal agent, not to the instrumental) is true under the condition that one respects the proportion between the effect and the cause, in the sense that a universal effect is to be attributed to a greater extent to the universal agent than to the instrument, and the particular effect is to be attributed to the principal and particular agent to a greater extent than to the instrument. Yet if the effect is proper and particular, it is attributed to the secondary and particular agent, such as warming, even if it comes from fire and from the intelligence that moves the sphere and from God, is attributed to fire as to its proper and particular agent. Indeed, in whatever natural operation, God acts more and more intimately than nature itself. Yet, as the proper and particular effects are reduced to proper and particular causes, we attribute the natural effects to natural agents and say that good fortune comes from natural impetus despite the fact that all these kinds of effects come from God as from their principal cause, that moves the whole of nature.”

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in the passages from Aquinas’ mature works where he discusses the above mentioned issue of the factors at issue in natural causality in dialogue with some Muslim theologians, most particularly in Book III of the ‘Book on the Truth of the Catholic Faith’ 49. Second and more specifically, Giles’ way of explaining the Philosopher’s method in terms of a focus on secondary causes can be read in the light of some claim made by Aquinas in commenting on Aristotle’s note to the “reduction” of the accidental effects to their per se causes in ‘Metaphysics’, Book VI, 1027b 14-16, namely the claim that, according to Catholic worldview, nothing happens by chance or fortuitously, whereas, in this place, “Aristotle is speaking of those contingent events which occur here as a result of particular causes” 50. This idea, mentioned by Aquinas in passing, has been taken by Giles as a true key principle to understanding the Philosopher’s doctrine in the ‘Liber’: such a focus on secondary causes represents, to him, an important feature of what has now appeared as his manifesto, the manifesto for a typically philosophical method that aims at accounting for contingency on the basis of the secondary causes and in making abstraction of the Christian faith.

III. For tune as resulting from the necessity of nature: the main tenets of Giles’ “er ror” from Henr y of Ghent’ s point of view Shortly after its publication, Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ gave rise to sharp critical reactions by the Parisian theologian Henry of Ghent, whose ‘Quodlibet’ VI, 10 - written either at Christmas 1281 or in Spring 1282 -, was entirely devoted to the issue of the causes and nature of good fortune, and 49

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This is the leitmotiv of this book, which constitutes, in its entirety, a general background for Giles’ doctrine of divine government. The book includes the issue of the felicity constituting the final end of human acts (Ch. 1-63) and that of God’s activity towards different kinds of beings (Ch. 64-163). But the limited background of Giles’ claim is formed by the series of Chapters 64-83 devoted to God’s action in the world through secondary agents and, in particular, in the chapters where Aquinas, after having stated that God governs all things and preserves them in being (Ch. 64-65) establishes that the only way to give being is to act by divine power (Ch. 66), that “God is the cause of operation for all things that operate” (Ch. 67), and that the Arab theologians who “take away proper actions from natural things” (Ch. 69) are wrong, because the same activity can be attributed at the same time both to the First Principle and to the secondary agents that are to be found in the created world (Ch. 70). Even more specifically, Summa Contra Gentiles III, 66, § 6 states (i) that the secondary agents act by the power of the primary agent and (ii) that the particularities of the secondary agents are determinants and particularizers of the primary agent’s activity. In this crucial series of chapters, which has no real parallel in the remaining part of Aquinas’ works, the issue of the reduction of particular effects to their particular and general causes is a leading theme that is treated intensively in a way that seems to have served as a starting point for Giles’ analysis. Thomas Aquinas, Commentary on the Metaphysics of Aristotle VI, 1, n∞ 1216, transl. Rowan (nt. 30), vol. 1, 417.

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proves to be fundamentally dependent on, and directed against Giles’ exegesis 51. It was indeed Giles’ understanding of the treatise, which favored Aristotle’s definition of good fortune as “nature without reason” (1207a 35-37), that gave rise to the question asked in ‘Quodlibet’ VI, 10, “whether good fortune is natural to man” (“Utrum bona fortuna sit homini naturalis”). Henry’s answer to this question is clearly contrary to that given by Giles: for him, good fortune is not and cannot be, in any way, natural to man; if this so-called good fortune is natural to man, it is not fortune anymore, and, conversely, to be truly wellfortuned, the human condition of being well-fortuned must be other than natural. So, according to Henry, Giles was incoherent. He denounces Giles’ inconsistency in the following way: Giles failed to measure the consequences of his doctrine of God’s uniform action because, if he had done so, he would have been able to see that it means that God’s external action, when considered in this way, proves to be actually dependent on the natural receptivity of individual beings. In other words, according to Henry, when one takes Giles’ exegesis of the ‘Liber de bona fortuna’ seriously, the actions of Aristotle’s God are simultaneously limited and necessitated by the natural prerequisites of the beings on which they apply. From this, Henry calls the whole system of contingency elaborated by his younger colleague as an Aristotelian commentator into question. From Henry’s perspective, it is nonsense to try to account for fortune in natural terms, as Giles did: a satisfactory notion of contingency is only possible when taking into account the idea of a God who acts in a voluntary way and whose activity is not limited by the natural conditions of the created world. This God can act contrary to the natural conditions of the world and the natural dispositions of men, and this is only the case for the Christian God. Accordingly, Henry pro51

The text has been edited by G. A. Wilson, in: Henrici de Gandavo Opera omnia, vol. 10: Quodlibet VI, Leuven 1987, 87,3-127,65. The year 1281 is indicated on p. xxii, on the basis of J. Go´mez Caffarena, Cronologia de la ‘Suma’ de Henrique de Gante per relacio´n a sus ‘Quodlibetos’, in: Gregorianum 38 (1957), 116-133. The year 1282 is given as an alternative in G. A. Wilson, Henry of Ghent’s written legacy, in: id. (ed.), A companion to Henry of Ghent (Brill’s Companions to the Christian Tradition 23), Leiden-Boston 2011, 3-23, here 6. Besides the edition from 1987, whose contents reveal the text’s many redactional layers and the often substantial modifications made by Henry to the second section (where he criticizes Aristotle), Wilson had also devoted two further studies to ‘Quodlibet’ VI, 10, in which he elucidated, in one case, some motives behind Henry’s critique of the ‘Liber de bona fortuna’ and, in the other, the impact of this critique on the last ‘Quodlibet’ by Duns Scotus; cf. G. A. Wilson, Henry of Ghent’s Critique of Aristotle’s Conception of Good Fortune, in: Franziskanische Studien 65 (1983), 241-251 and id., Good Fortune and the Eternity of the World: Henry of Ghent and John Duns Scotus, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 65 (1998), 40-51. The dependency of Henrys’ ‘Quodlibet’ VI, 10 on Giles’ ‘Sentencia de bona fortuna’ has been highlighted in Cordonier, Re´ussir sans raison(s) (nt. 11), 738 and was studied in detail in ead., Une lecture (nt. 4). Gordon A. Wilson has then taken this dependency into account to study Henry’s “naturalist” approach to Aristotle’s doctrine of good fortune; cf. G. A. Gordon, Henry of Ghent on Fatalism and Naturalism, in: D’Hoine/van Riel (ed.), Fate, Providence and Moral (nt. 7), 591-603.

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poses a twofold view of God’s ad extra action 52. Very roughly speaking, he distinguishes between two different aspects of God’s action towards the world, or two kinds of divine providence. First, there is what he calls God’s general providence, a benevolent concern for all kinds of being: following this general providence, God governs the different beings according to their specific natures and to the natural necessity attached to these natures; at this level, Aristotle’s concept of fortune as interpreted by Giles was perfectly relevant. Second, there is what Henry calls God’s particular providence, which is devoted exclusively to human beings. On the basis of this kind of providence, God directs human individuals according to an order that is not natural, but gratuitous. This order very often contradicts the natural order, so that God’s particular providence is superior to, and much more powerful than, general providence. This twofold model of providence was in line with a broader distinction that was identified by Luca Bianchi as an obsession for Henry, namely his distinction between the God of the philosophers (who acts in accordance with nature) and the God of Christian faith (who acts in a supernatural way) 53. The importance of this opposition between two absolutely irreducible figures of God for the subsequent developments in Latin theology is well known. But, more specifically, the importance of the topic of divine providence in Henry’s thinking has only recently begun to be recognized as such 54. While the critique addressed to Giles by Henry in Quodlibet VI,10 follows intricate paths and relies on a complex reading of the Sententia de bona fortuna 52

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This model is most present in the ‘Quodlibet’ VI, but also in other works, in particular the ‘Summae quaestionum ordinariarum’, art. III, q. 5, ed. J. Badius, Paris 1520, vol. I, fol. 30rT. On this distinction and its importance in Henry’s thought cf. Cordonier, Une lecture (nt. 4), 124126, in part. nt. 99. Henry’s twofold view of God’s ad extra action ultimately results from a particular reading of the distinction made by Augustine in his work ‘De genesi ad litteram’, XVIII, 37, between two kinds of God’s providence (“opus bipartitum divinae providentiae”). Henry uses this model to distinguish between two kinds of texts in the Dionysian corpus: while the treatise ‘On the Divine Names’ is supposed to deal with the natural order of God’s providence, the treatise ‘On the Celestial Hierarchy’ is supposed to deal with the gratuitous order of God’s providence. On this cf. Henry of Ghent, Quodl. VI, q. 4, ed. Wilson (nt. 51), 52,29-31, 54,8688 and 55,17-18 with the comments made in Cordonier, Une lecture (nt. 4), 133, nt. 119. This particular reading of Dionysius, however, deserves further study. Cf. L. Bianchi, Onnipotenza divina e ordine del mondo fra XIII e XIV secolo, in: Medioevo 10 (1983), 106-153, in particular 109 sq., and id., Il vescovo e i filosofi. La condanna parigina del 1277 e l’evoluzione dell’aristotelismo scolastico, Bergamo 1990, 65. Cf. in particular the following essay, in which the author points to an intriguing comment that Henry made in his ‘Summae quaestionum ordinariarum’, art. LI, q. 2, to a certain “tract on divine providence and on the government of the creatures”, which has left no trace in Henry’s extant works. Among the possible explanations for this empty reference, Wilson favors the hypothesis that it is a reference to an independent tract that Henry intended to write, but did not write - possibly because he died before he could compose it: G. A. Wilson, The Parts of Henry of Ghent’s “Quaestiones Ordinariae (Summa)”, in: R. Hofmeister Pich e. a. (eds.), Contemplation and Philosophy: Scholastic and Mystical Modes of Medieval Philosophical Thought. Festschrift in honor of Kent Emery, Jr. on the Occasion of his 70th Birthday (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters), Leiden e. a. (forthcoming). I thank Gordon A. Wilson for having sent a copy of this unpublished essay.

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that cannot be explained here in detail, the aspects that interest us in this paper are the features that are present in Giles’ text and could have instigated his adversary’s attack. In this respect, one of the most striking features is to be found in the formulation of the doubt that followed the three notes to Aristotle’s description of the enthusiasts in Magna moralia 1207b 3-5, in a passage already quoted above 55. Let us now consider this passage once again, but this time focus on the words and phrases used by Giles to mean the natural factor at issue in the ‘Liber de bona fortuna’ and in Aristotle’s supposedly preferred definition of good fortune as “nature without reason”. When considered from this particular viewpoint, this extract proves to contain three different words to mean this natural factor of fortune. Indeed, we find not only the term “nature itself ” followed by the phrase “natural disposition” (148,156: “ipsi nature […] dispositioni naturali ”), but also, and preceding these two, the phrase “natural aptitude”, which is said to make one “able to perceive the motion by which God moves us to our goods and to act according to it” (148,154-155). So, in other words, nature, natural disposition or natural aptitude altogether seem to mean here an individual’s capacity not only to be favorably moved by God - in line with Aquinas’ view of Gods’ uniform attraction of all beings towards their ends by means of their so-called “natural inclination” -, but also some human capacity to “react” to God’s providence in perceiving its appeal and in acting in accordance to it, in a way that will bring good fortune. It is striking that Giles, in such a crucial passage of his ‘Sententia de bona fortuna’, which is precisely supposed to solve a crucial doubt concerning a decisive methodological issue, does not distinguish clearly between the meanings of “nature” and the various instantiations of what a natural factor of fortune could be, speaking indeed of a “natural aptitude”, a natural disposition and a “nature”, which are far from being unambiguously defined and could well be either general or individual, either corporeal or spiritual, either innate or acquired by practice or some training. Actually, the only secure conclusion that the reader is allowed to deduce from Giles’ explanations is that the natural factor at issue is probably a capacity that is present in various degrees in diverse individuals belonging to the same human species - a conclusion suggested by the context of the passage and the very formulation of the doubt at issue. But the same reader remains unable to determine with certainty the origin, the workings and the eventual adjuvant factors of such an aptitude. This ambiguity can hardly be considered to result from Giles’ incapacity to make conceptual distinctions, given the authors’ marked predilection for such conceptual distinctions, a typical tendency that is even confirmed in the ‘Sententia de bona fortuna’, precisely concerning two different meanings of “nature” in ‘Magna moralia’ 1207a 3036 and 1206b 38-1207a 1 56. 55 56

Cf. above nt. 45-48. Indeed, in SBF, 146,81-147,106, Giles indicates that the two passages each offer a different reading of “nature”: the first is a reading of nature as the cause of effects in the beings that it actuates, whereas the second relates to a principle which, far from being sufficient to provoke an effect, only corresponds to a tendency to produce one. This second reading of “nature”,

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On these conditions, it does not seem justified to infer the author’s inability to distinguish between different instances of “nature” in Aristotle’s description of the enthusiasts. Instead, it seems probable that the ambiguity of the use of this concept in Giles’ formulation of the doubt concerning the description of the enthusiasts was deliberate - perhaps because the author’s argumentative point was to draw a basic (and, hence, conceptually broad) opposition between an approach of good fortune conducted on the basis of its “natural causes” (in the most general sense) and an approach taking the surnatural end of human life into account. However, it seems to me that the task of the historian of philosophy is not to determine what happened, at a psychological level, in the mind of the authors under consideration, but rather to understand the effects that their texts could have had on an interpretative level - a task that is at the same time historical and philosophical. In this respect, what seems to be clear now is that it is precisely this ambiguity concerning the notion of nature in the passage of Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ analyzed above that made this text susceptible to Henry’s criticism: this openness of the concept of nature used here gave room to Henry’s much more complex interpretation of Aristotle’s system of good fortune, an interpretation in which the so-called fortunate effect ultimately results from a series of naturally determined factors, the combination of which can only be determined, since all of them are so 57. Thus, the ambiguity of the natural factors at issue in Giles’ reading of Aristotle’s discussion of the enthusiasts constitutes an essential element of what was, to Henry, Giles’ error in this crucial passage. Let us, finally, take a step back, and now consider Giles’ error and its critique by Henry against the broader framework established in the preceding analyses. First, it must be recalled that the issue as to how God governs the world and leads all beings to their ultimate ends was much debated in late scholasticism, and all the more intensively after Thomas Aquinas had credited the Philosopher’s First Principle with a true concern for every single individual being: from then on, Western experts on Peripatetism began to discuss the workings of such

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according to Giles, is at work in the definition of fortune as “nature without reason” in ‘Magna moralia’ 1207a 30-36, while the other, which can also be applied to inanimate beings, is at work in Aristotle’s refusal to see fortune as a natural cause in ‘Magna moralia’ 1206b 38-1207a 1. On this cf. Cordonier, Une lecture (nt. 4), 103. Cf. Cordonier, Une lecture (nt. 4), 123 sq. Following Wilson, Henry of Ghent on Fatalism (nt. 51), 598 sq., “Henry did not regard the position expressed in the De bona fortuna as a determinism”, he rather “regarded the position of Aristotle as presented in the tract ‘De bona fortuna’ as a minimal naturalism, which restricted how God could operate in the created world.” This indication is true for Henry’s endeavor against the Philosopher’s views on good fortune himself, in the second part of ‘Quodlibet’ VI, 10 (ed. Wilson [nt. 51], 103,86-122,61). But when Henry deals with Giles’s interpretation of it more specifically, as he does in the first part of ‘Quodlibet’ VI, 10 (87,3-103, 85), I think that the label “determinism” remains valid to characterize Henry’s reading of Giles; indeed, as I have tried to show, Henry seems to consider that Giles’ error is to believe that Aristotle’s view of fortune allows for true contingency, which is actually not the case.

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divine government. Second, it is now rather clear that, in this history, Giles’ reading of Aristotle’s ‘Sententia de bona fortuna’ marks a crucial milestone. The contribution of this text, the influence of which lasted until the Renaissance, was in the present essay examined from the viewpoint in which Giles’ exegesis was considered to be erroneous by his colleague Henry of Ghent. In this respect, what seems to have constituted Giles’ error is the kind of radical interpretation that he gave to Aquinas’ doctrine of God’s ad extra activity. The very idea of using the ‘Liber de bona fortuna’ as a key text for God’s government was, as such, deeply rooted in some passages from the Thomasian corpus, most evidently Book III of the ‘Book on the Truth of the Catholic Faith’, where the two chapters that were later shown to make up the opuscule, taken from the ‘Eudemian Ethics’ and the ‘Magna moralia’, were quoted for the first time. On the basis of this exegetic strategy, which forms the remote framework of the ‘Sententia de bona fortuna’, Giles’ reading can be summarized as implying a twofold interpretative gesture towards Aristotle and Aquinas, which brought up some problematic points that were latently present in his predecessor’s doctrine. This twofold gesture will be described in what follows. First of all, Giles systematically accentuated the significance of a “detail” added by Aquinas in commenting on Aristotle’s ‘Nicomachean Ethics’, Book I and ‘Metaphysics’, Book Lambda, namely the idea that the direction of all beings towards their final end or their good comes from some kind of natural inclination given to them by the First Principle (or first intelligences). Such an idea, that was absent from Aristotle, was used in the ‘Sententia de bona fortuna’ to give a more determinate content to the suggestion, made in both chapters of the short Aristotelian treatise, that fortune results from a subtle combination of a natural factor and some kind of divine inspiration. Secondly, on the basis of such an idea of fortune, Giles opted for a viewpoint that was methodologically in line with the attitude ascribed to the Philosopher by Aquinas in his analysis of the accidental in ‘Metaphysics’, Book VI, namely a focus on the secondary causes, leaving out the per se causes to which accidental effects are ultimately reducible. Such a focus on the secondary causes of good fortune - which are, in this case, its natural factors - was adopted by Giles as a philosophical program, which was systematically applied in the course of the ‘Sententia de bona fortuna’, but also made explicit in a particularly clear way in the passage dealing with the description of the enthusiasts, in which the Philosopher was supposed to explain how fortune is reduced to divine benevolence. This passage contained an extensive outline of Giles’ doctrine of uniform action, to develop it in the direction of a naturalistic account of good fortune, formulated to the exclusion of any consideration of human beings’ supernatural end and of any intervention of the Christian God. This choice to develop an analysis restricted to the “order that we see” seems to have been closely connected to Giles’ commentary work on Aristotle and more particularly on the ‘Liber de bona fortuna’ - as suggested by a passage in the ‘Commentary on the Rhetorics’ in which this treatise is dealt with in a

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very similar way as in the ‘Sententia de bona fortuna’. Giles’ methodological choice for such a limited kind of analysis seemed problematic to Henry, being perceived as a reductionist view of fortune, in which the character of naturality advocated by Giles marked not only its secondary causes, but also the mode of God’s ad extra action itself. This interpretation was favored by the fact that, in Giles’ discussion of Aristotle’s description of the enthusiasts, the notion of “natural factors” of fortune has remained extremely abstract and schematic and, hence, rather unclear in a way. According to Henry’s critical notes against Giles’ reading of the ‘Liber de bona fortuna’, such an exegesis of Aristotle was unsatisfactory and fundamentally incoherent. On the one hand, it was unsatisfactory because his view of God’s uniform action made him dependent on the receptivity of human beings: following Giles’ account, God could only bestow good fortune on those who are naturally well-fitted to perceive his influence and act accordingly, which was seen by Henry as an unacceptable limitation of God’s power. On the other hand, Giles’ exegesis was judged incoherent because a doctrine that claims to deal with fortune and ends up in such a naturalistic account of divine government is, finally, self-contradictory. So, in short, according to Henry, Giles’ error was not complete: while almost all exegetical assumptions of his reading of Aristotle’s doctrine of good fortune were true, he failed to see and to duly measure the consequences of such a doctrine. IV. Conclusion In order to see Giles’ reading of Aristotle’s description of the enthusiasts as an error, we have, for the most part, adopted Henry’s particular point of view. On the basis of this analysis, another aspect of the young theologian’s error could now appear, which has perhaps less to do with philosophy than with intellectual strategy. Indeed, it could be consider that fundamental to Giles’ error was his endeavor to make a basic principle of Aquinas’ doctrine of contingency the very object of a discussion, namely the idea of a reduction of contingent effects to their ultimate cause, which is God’s action: this discussion opened the possibility to see Aquinas’ view on contingency (and good fortune) as unsatisfactory, by bringing up the fact that the so-called contingent is contingent only in relation to secondary causes, but that it remains necessary in relation to God. Hence the crucial position of this lemma in the ‘Sententia de bona fortuna’ as well as in the debate between Henry and Giles concerning this opuscule. Now, the historian of medieval philosophy can ask whether it was justified to devote an entire essay to such an intricate passage as Giles’ commentary on Aristotle’s description of the enthusiasts. I would answer in the affirmative. For one can do history of philosophy in several ways. One way is to seek to reconstruct the process by which some doctrines and claims were elaborated, rather than focusing exclusively on the resulting theses. When opting for this way, one can see that, in some cases, the very fact that the views of some people seemed to be

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incomplete and unsatisfactory to others played a certain role in the development of the history of ideas. And to make aspects like this appear, one must often go into the texts themselves and into their intricacies, rather than only summarizing their arguments. Thus, one realizes the possibly creative potential of error in some human elaborations.

VI. Irrtum und Religion

Irrtum als Kennzeichen anderer Religionen in der christlichen Wahrnehmung des frühen und hohen Mittelalters Hans-Werner Goetz (Hamburg) In einem ERC-Advanced Grant-Projekt „POR“ („Perception of Other Religions“) haben wir in Hamburg drei Jahre lang die christliche Wahrnehmung anderer Religionen im frühen und hohen Mittelalter vergleichend untersucht, und zwar aller anderen Religionen: der Heiden, Sarazenen, Juden, Häretiker und griechisch-orthodoxen Christen. Die Ergebnisse sind veröffentlicht und hier nicht darzulegen 1. Es ist aber auch für das hiesige Thema zu betonen, dass die Wahrnehmung anderer Religionen das zeitspezifische, christliche Selbstverständnis widerspiegelt. Wichtig für das Folgende ist ferner, dass gemäß unseren Ergebnissen wohl stets ein Bewusstsein der Verschiedenheit der Religionen vorhanden war, jedoch nur dort zur Sprache gebracht wurde, wo eine Abgrenzung notwendig erschien, etwa in feindlich-kriegerischen oder geistig-religiösen Auseinandersetzungen: Ein Interesse an der anderen Religion war durchweg funktionsbedingt und zielte in aller Regel auf deren Widerlegung ab. Dabei wurden Unterschiede zwischen den Religionen sehr wohl wahrgenommen, zugleich aber durch die (allen gemeinsame) Abgrenzung vom katholischen Christentum als der einzig wahren Religion relativiert und mit einer Stigmatisierung aller anderen Religionen als falscher Glaube verbunden: Nichtchristen waren nicht andersgläubig (wie für uns heute), sondern ungläubig, infideles. Hier ist es nun auffällig, wie häufig in diesem Zusammenhang vom Irrtum (error) die Rede ist: „Irrtum“ charakterisiert, wenn auch unterschiedlich intensiv, alle anderen Religionen. Das 1

Cf. H.-W. Goetz, Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlich-abendländisches Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5.-12. Jahrhundert), 2 vols., Berlin 2013. Ferner Aufsätze der Projektmitarbeiter/innen: id./A. Aurast (eds.), Die Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter. Terminologische Probleme und methodische Ansätze (Hamburger geisteswissenschaftliche Studien zu Religion und Gesellschaft 1), Berlin 2012; Christian Perception and Knowledge of Other Religions in the Early Middle Ages, in: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. 10 (2013), 275-384; N. Bade/B. Freudenberg (eds.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern. Die christlich-abendländischen Vorstellungen von Andersgläubigen im Früh- und Hochmittelalter in vergleichender Perspektive, Bochum 2013, sowie die Dissertation von N. Bade, Die christlich-abendländische Wahrnehmung vom Islam und von den Muslimen im Spiegel historiographischer Werke des frühen Mittelalters. Eine Studie über die kontextbedingte Entstehung eines religiösen Feindbilds (Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters 32), Hamburg 2015.

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sei in einem ersten Teil an einigen Beispielen verdeutlicht 2, bevor ich daraus anschließend Schlüsse bezüglich der Fragen dieses Bandes und der diesem zugrunde liegenden Tagung zu ziehen versuche. I. (1) Die Kennzeichnung als Irrtum gilt in besonderem Maße für das Heidentum. Heidentum ist Irrtum schlechthin: Error gentilium, error gentilis oder error gentilitatis sind ausgesprochen häufig anzutreffende Wendungen, oder, wie bei Gregor von Tours, errores fanatici, denen der Frankenkönig Chlodwig anfangs noch verfallen war 3. (,Fanatisch‘ - das weiß heute auch niemand mehr - ist der Heide, weil er seine Götter im fanum, dem heidnischen Heiligtum, verehrt.) Charakteristisch (für viele) ist eine Stelle in der ältesten Bonifatiusvita. 4 Heidentum ist hier, wie üblich, Aberglaube (superstitio) und zugleich Irrtum, und beides wird natürlich negativ gesehen (horror errorum, malivola superstitio). Konkret geht es dem Autor hier wie so oft um die erfolgreiche Missionsleistung des Bonifatius, also um Bekehrung und Ablegen des Irrtums, nämlich des Heidentums. Kennzeichnend ist daher zum einen die Abwertung - Alfrid spricht vom „Schmutz des früheren Irrtums“ 5 - und zum andern die kontrastierende Gegenüberstellung von „heidnischem Irrtum“ und „christlichem Glauben“, wie später in der sogenannten Schwäbischen Weltchronik (zur Bekehrung des Ungarnkönig Waik, der den Namen Stephan annahm) 6 oder schon rund zwei Jahr2

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Meines Wissens hat dieser Aspekt der (anderen) Religion als Irrtum bislang kaum Beachtung gefunden. Die wenigen einschlägigen, mir bekannten Studien zum Irrtum verfolgen ganz andere Ziele; cf. G. Mensching, Der Irrtum in der Religion, Heidelberg 1969, geht es eher darum, die ganz verschiedenen Arten von Irrtümern in den Religionen aufzuzeigen; G. R. Evans, Getting It Wrong. The Medieval Epistemology of Error (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 63), Leiden e.a. 1998, ordnet das Phänomen geistesgeschichtlich in den gesamten Kosmos des Wissens ein; genau genommen, geht es in dem Buch daher gar nicht um den Irrtum. Zu jeweils speziellen, spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Aspekten cf. die Beiträge in M. Gadebusch Bondio/A. Paravicini Bagliani (eds.), Errors and Mistakes. A Cultural History of Fallibility (Micrologus’ Library 49), Firenze 2012. Zu Petrus Lombardus: E. Brambilla Pisoni, L’„errore“ nel primo libro delle Sententiae di Pietro Lombardo, in: Rivista di Filosofia NeoScolastica 103 (2011), 363-387. Gregor von Tours, Historiae, II, 27, edd. B. Krusch/W. Levison (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Merovingicarum 1/1), Hannover 1937/1951, 72: „Eo tempore multae aeclesiae a Chlodovecho exercitu depraedatae sunt, quia erat ille adhuc fanaticis erroribus involutus.“ Cf. Willibald, Vita Bonifatii, 6, ed. W. Levison (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum 57), Hannover-Leipzig 1905, 27: „errorum deposito horrore a malivola gentilitatis superstitione retraxit.“ Altfrid, Vita Liudgeri, I, 22, ed. W. Diekamp, Die Vitae sancti Liudgeri (Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster 4), Münster 1881, 26: „fana destruere et omnes erroris pristini abluere sordes.“ Cf. Chronicon Suevicum universale, 14, ed. H. Bresslau, Wiponis Opera, Anhang (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum 61), Hannover-Leipzig 1915, 102: „Stephanus Ungariorum rex bonae memoriae obiit, qui se ipsum cum tota gente sua ad fidem Christi ex gentili errore convertit.“

Irrtum als Kennzeichen anderer Religionen in der christlichen Wahrnehmung

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hunderte früher bei Hrabanus Maurus 7: Der paganicus error weicht der fides Christi, die, wie hier deutlich ausgesprochen wird, durch Taufe und Glaubensbekenntnis erlangt wird, anschließend aber noch durch Ermahnung und Besserung der bereits Bekehrten zu vertiefen ist. Von der Irrlehre zum wahren Glauben ist es ein weiter Weg. Der heidnische Irrtum aber liegt im Götzenkult. Tempel und Götzenbilder der Heiden sind die Zeugen ihres Irrtums, meint Walahfrid Strabo, und den Dämonen geweiht, die eben für diesen Irrtum verantwortlich sind und die Heiden entsprechend getäuscht haben 8 (vor dem Hintergrund der augustinischen Lehre, dass die heidnischen Götter als Dämonen betrachtet werden, ihre Existenz also keineswegs bestritten wird). Entsprechend kann Willibrord bei seiner Friesenmission ein „Götzenbild des alten Irrtums“, das er in Walcheren vorfindet, vernichten 9. Für die Ansicht, das Heidentum mit seinem Götzendienst sei Irrtum, gibt es tatsächlich unzählige Belege 10. Das Heidentum ist in religiöser Hinsicht der älteste Irrtum, wie es in einem Brief König Aethelberts II. von Kent an Bonifa-

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Cf. Hrabanus Maurus, De ecclesiastica disciplina, praef., ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 112, Paris 1852, 1191 B: „in paganico errore adhuc conversantes ad fidem Christi percipiendam invitares, et quomodo in Ecclesiam per baptismum et confessionem verae fidei iam introductos doctrina et exhortatione catholica corroborares.“ Cf. Walahfrid Strabo, De exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum, 9, edd. A. Boretius/V. Krause (Monumenta Germaniae Historica. Capitularia 2), Hannover 1897, 484: „Si enim pagani templa et statuas erroris sui testimonia daemoniis deceptoribus suis per quaedam potius exsecramenta, quam sacramenta devovere et dedicare noscuntur, ut et suam devotionem diis, quibus placere desiderant.“ Alkuin, Vita Willibrordi, I, 14, ed. W. Levison (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Merovingicarum 7), Hannover-Leipzig 1920, 128: „venit ad quandam villam Walichrum nomine, in qua antiqui erroris idolum remansit.“ Cf. (als kleine Auswahl) etwa Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, IV, 25, edd. A. Cre´pin (introduction et notes)/M. Lapidge (texte critique)/P. Monat/Ph. Robin (traduction), 3 vols. (Sources chre´tiennes 489-491), vol. 2, Paris 2005, 358: „ad erratica idolatriae medicamina concurrebant “; Willibald, Vita Bonifatii, 6 (nt. 4), 34: „Quorum quippe quam plurimi regulari se eius institutione subdiderunt populumque ab erratica gentilitatis profanatione plurimis in locis evocavere“; ibid., 8, ed. Levison, 47: „erraneo gentilitatis more“; Alkuin, Vita Willibrordi, I, 11, ed. Levison (nt. 9), 125: „pessimo errore“; ibid., I, 32, ed. Levison, 140: „et plurimos paganorum ab erroris iniquitate avertit “; Vita Willehadi, 4, ed. G. H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores 2), Hannover 1829, 381: „errores gentilium“; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, IV, 6, edd. L. Bethmann/G. Waitz (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Langobardicarum), Hannover 1878, 118: „cum adhuc gentilitatis errore tenerentur “; Thietmar von Merseburg, Chronicon, IV, 55, ed. R. Holtzmann (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum n. s. 9), Berlin 1935, 194, zu den Slawen: „vario gentilitatis errore implicitum esse perspiceret “; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, II, 49, ed. B. Schmeidler (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum 2), Hannover-Leipzig 31917, 110: „qui populum converterent ab errore ydolatriae“; Helmold von Bosau, Chronicon, I, 3, ed. B. Schmeidler (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum 32), Hannover 3 1937, 10: „paganismi errores“; ibid., I, 6, ed. Schmeidler, 16, zu den Ranen auf Rügen: „Ibi fomes est errorum et sedes ydolatriae“; Passio Christophori, num. 150, str. 177, ed. K. Strecker (Monumenta Germaniae Historica. Poetae 4,2/3), Berlin 1923, 824: „Ecce quos deos gentili vos errore colitis.“

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tius heißt 11, der diesen Irrtum ebenfalls auf eine Täuschung zurückführt (errore deceptam), abwertet (miserabiliter deceptam) und in Gegensatz zum christlichen Glauben stellt. „Durch Irrtum getäuscht “ (errore deceptus) waren auch nach Otto von Freising bis auf das Volk Israel sämtliche Menschen von Adam bis Christus, weil sie, „von den Spielen der Dämonen gefangen und in den Lockungen der Welt verstrickt, in nichtigem Aberglauben lebten und unter dem Teufel als dem Fürsten dieser Welt Kriegsdienste leisteten“ 12: Bis zur Ankunft Christi waren außer dem Volk Israel also alle Menschen in diesem heidnischen Irrtum getäuscht. Bei Rupert von Deutz wurde das Vielgöttertum der Heiden daher, anders als bei Juden und Häretikern, quasi zu einem „öffentlichen [staatlich verordneten] Irrtum“ (publicus error). Verdammt sind jedoch alle gleichermaßen 13. (2) Erheblich seltener sind Belege für die Sarazenen, die sich aber schon deshalb ganz in das dargestellte Bild einfügen, weil sie, obwohl man in der Regel um ihren Monotheismus wusste, im Abendland fast durchweg als „Heiden“ bezeichnet wurden. Nach den seit dem 9. Jahrhundert aufkommenden, sogenannten ,Mohammedviten‘, ist Mohammed den Vorspiegelungen des Teufels erlegen, den er für den Erzengel Gabriel hielt, und hat seinerseits das ganze Volk getäuscht und in den Irrtum geführt, wie es im 12. Jahrhundert bei Hugo von Fleury heißt 14. Wenn Mohammed sich danach als der von den Juden erwartete Messias verstand, dann vermischt er letztlich Heidnisches und Jüdisches (und Christliches). In solcher Sicht aber wird der Islam selbst zum Irrtum: Der Abt Petrus Venerabilis von Cluny, der schon wegen der von ihm in Auftrag gegebenen, ältesten lateinischen Koranübersetzung ein besseres Wissen über den Islam besaß als alle seine abendländischen Vorläufer, trotz dieses Wissens allerdings, wie zu betonen ist, keineswegs weniger polemisch schrieb, spricht mehrfach geradezu vom Mahumeticus error 15. Petrus fragt, ob es sich bei den Anhängern dieser Religion um Häretiker oder um Heiden handelt, eine Frage, die er 11

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Bonifatius, Epistola 105, ed. M. Tangl (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae selectae 1), Berlin 1916 ( 21955), 230: „ut innumerosam multitudinem gentilium idolatriae vetustissimo errore miserabiliter deceptam ad christiane fide˛i normam predicationis vestrae verbo et labore convertit.“ Otto von Freising, Chronica, III, prol., ed. A. Hofmeister (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum 45), Hannover-Leipzig 1912, 130: „quia a primo homine ad Christum totus pene orbis, exceptis de Israelitico populo paucis, errore deceptus, vanis superstitionibus deditus, demonum ludicris captus, mundi illecebris irretitus sub principe mundi diabolo militasse invenitur.“ Rupert von Deutz, Commentaria in duodecim prophetas minores. In Sophoniam prophetam, 2, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 168, Paris 1854, 670 B-D: „triplices esse Ecclesiae hostes, scilicet Iudaeos, haereticos atque paganos […]. Si quidem Iudaei atque haeretici quodam divini nominis candore, utcunque se palliaverunt, pagani non unum Deum, sed multa daemonia publico errore coluerunt. Igitur non soli Chanaan et Philistiim et Moab et filii Ammon, ,sed vos, inquit, Aethiopes, interfecti [Migne: inerfecti] gladio meo eritis‘, id est non soli Iudaei atque haeretici, qui legem acceperunt, sed et vos pagani sive gentiles, eiusmodi legem non habentes, iudicio meo condemnabimini.“ Cf. Hugo von Fleury, Historia ecclesiastica, ed. B. Z. Kedar, Crusade and Mission. European Approaches toward the Muslims, Princeton 1984, 209: „Tunc Muameth sumpta fiducia penes illam, cepit eam dementare, et incantationum suarum prestrictam fantasmate, paulatim in errorem inducere.“ Petrus Venerabilis, Tractatus adversus Iudeorum inveteratam duritiem, 4, ed. Y. Friedman (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 58), Turnhout 1985, 109.

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letztlich nicht entscheiden kann: es ist beides oder vielmehr keines von beiden. Hingegen würde ein mittelalterlicher Autor den Islam niemals als eigenständige Religion anerkennen 16, weil es letztlich nur drei Religionen gab oder geben konnte: Heidentum, Judentum und Christentum, von denen man allenfalls abweichen konnte und dann zum Häretiker wurde 17. Einerseits, so Petrus, weicht der Glaube Mohammeds vom Christentum ab, ebenso wie einige Häresien er vergleicht ihn vor allem mit dem Arianismus -, andererseits lehrt er Heidnisches wie bislang keine Häresie. Der Islam, so folgert Petrus, stammt nicht aus dem Christentum und aus der Kirche (wie die Häresien), sondern zählt zu den außerhalb der Kirche umherschweifenden Irrtümern 18. Ist der Islam für Petrus daher weder Häresie noch Heidentum, so ist er gleichwohl, wie Häresie und Heidentum, „Irrtum“. Dank seiner ungeheuren Ausbreitung über zwei Erdteile (und einem Standbein im dritten, europäischen Kontinent in Spanien) ist das für Petrus kein particularis error mehr, kein spezieller, auf einzelne Weltregionen beschränkter Irrtum, sondern ein universalis error, dem die ganze Welt nachgibt 19. Denn nach dem Erschlaffen des Römischen Reiches, so ergänzt Petrus in der Kurzfassung seiner anti-islamischen Schrift, „erhob sich die Herrschaft der von dieser Seuche infizierten Araber und Sarazenen“, unterwarf fast ganz Asien, ganz Afrika und einen Teil Spaniens „und ergoss diesen Irrtum“ mit der Herrschaft auch über die Beherrschten 20. Im Wortlaut heißt das: nicht der „Islam“, sondern dieser „Irrtum“ breitete sich mit der Herrschaft der Araber über alle drei Erdteile aus. Das ist eine klare Kennzeichnung dieser Religion. An anderer Stelle konkretisiert Petrus diesen „Irrtum“ als ein Leugnen der Trinität (als dem wesentlichen Unterschied zum Christentum): Obwohl sie Monotheisten sind und obwohl sie Gott mit dem Mund bekennen, kennen die Sarazenen Gott doch nicht, weil sie nicht die Trini16

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Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, prol., 13, ed. R. Glei, Petrus Venerabilis, Schriften zum Islam (Corpus Islamo-Christianum. Series latina), Altenberge 1985, 48: „Sed utrum Mahumeticus error haeresis dici debeat et eius sectatores haeretici vel ethnici vocari, non satis discerno. Video enim eos hinc haereticorum more de fide Christiana quaedam suscipere, quaedam abicere, hinc ritu pagano, quod nulla umquam haeresis fecisse scribitur, facere pariter et docere.“ Cf. Goetz, Wahrnehmung anderer Religionen (nt. 1), 802 sqq. Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, prol., 12, ed. Glei (nt. 16), 48: „At error iste nec ex nobis exiit nec ex nobis fuit. Christianis enim de ecclesia, hoc est Christi corpore, quolibet errore tractis vel recedentibus Patres suprascripti responderunt, alienos et extra ecclesiam vagantes errores silendo contempserunt. Quibus et hic error connumerari potest, qui nec ut dictum est de ecclesia exiit nec se de ecclesia exisse ut aliae haereses erroris, non haeresis nomine satis ostendit. Non enim haeresis dicitur, nisi exiens de ecclesia et agens contra ecclesiam.“ Cf. auch supra nt. 16. Cf. Petrus Venerabilis, Adversus Iudeorum inveteratam duritiem, 4, ed. Friedman (nt. 15), 109: „Ad haec primum respondeo: aliud esse partes orbis, aliud totum orbem errori cuilibet cedere: et idcirco aliter de particulari errore, aliter de universali sentiri debere.“ Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, 11, ed. Glei (nt. 16), 14: „Nam statim Romano languescente immo paene deficiente imperio - permittente eo ,per quem reges regnant‘ - Arabum vel Saracenorum hac peste infectorum surrexit principatus, atque vi armata maximas Asiae partes cum tota Africa ac parte Hispaniae paulatim occupans in subiectos sicut imperium sic et errorem transfudit.“

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tät bekennen 21. In seinem Brief an Bernhard von Clairvaux steigert Petrus seine Charakterisierung des Islam sogar zum „Irrtum der Irrtümer“ und verknüpft das gleichzeitig wieder mit seiner Abscheu, indem er diese „tödliche Seuche“ „zum Abschaum aller Häresien“ „und aller Abspaltungen des Teufels“ stilisiert und dazu aufruft, „solche Dummheit und Schande zu verfluchen und mit Füßen zu treten“ 22. Zimperlich ist Petrus wahrlich nicht. (3) „Irrtum“ ist für die christlichen Autoren sodann auch die jüdische Religion. So suchten etwa die westgotischen Gesetze den „Irrtum der Juden“ auszumerzen 23. Dieser Irrtum ist hier zudem väterlich vererbter (parentalis error) „Unglaube“ (perfidia, incredulitas) und wird konkret auf die religiösen Riten bezogen 24. Mehr noch, wird Irrtum, etwa bei Ildefons von Toledo (also ebenfalls im westgotischen Reich) geradezu zu - einem - Kennzeichen der Juden, neben perfidia (wortbrüchiger Treulosigkeit oder Unglauben) - häufig findet sich auch die Wendung error perfidiae! -, pravitas (Verkehrtheit, ansonsten das typische Zeichen der Häretiker), caecitas (Blindheit, ein typisches, besonders Juden zugeschriebenes Attribut) und obstinacio (Verstocktheit: auch das ist typisch für das Judenbild) 25. Noch im 12. Jahrhundert sieht Johannes von Salisbury in dieser Religion Irrtum, Aberglauben (sonst Kennzeichen der Heiden) und wieder perfidia vereint 26 und ganz ähnlich heißt es schon vorher (im 9. Jahrhundert) bei Agobard von Lyon in einer mit „Über den Aberglauben und die Irrtümer der Juden“ betitelten Schrift, er wolle Belege gegen den Unglauben (perfidia), den Aberglauben (superstitio) „und die unzähligen Irrtümer der Juden“ zusammen-

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Cf. ibid., 1, ed. Glei (nt. 16), 2: „In primis primus et maximus ipsorum exsecrandus est error, quod trinitatem in unitate deitatis negant, sicque dum in una divinitatis essentia trinum personarum numerum non credunt in unitate numerum evitantes, dum ternarium inquam omnium formarum principium atque finem sicque rerum formatarum causam et originem atque terminum non recipiunt, deum licet ore confitentes ipsum penitus nesciunt.“ Petrus Venerabilis, Epistola de translatione sua, 3, ed. Glei (nt. 16), 24: „Hoc ego de hoc praecipuo errore errorum, de hac faece universarum haeresum, in quam omnium diabolicarum sectarum quae ab ipso salvatoris adventu ortae sunt reliquiae confluxerunt, facere volui, ut sicut eius letali peste dimidius paene orbis infectus agnoscitur, ita quam exsecrandus et conculcandus detecta eius stultitia et turpitudine a nescientibus agnoscatur.“ Leges Visigothorum, XII, 3, 1, ed. K. Zeumer (Monumenta Germaniae Historica. Leges nationum Germanicarum 1), Hannover-Leipzig 1902, 430: „de cunctis Iudeorum erroribus generaliter extirpandis.“ Ibid., XII, 2, 18 (De perfidia Iudeorum), ed. Zeumer, 426 sq.: „suorum rituum errorem; […] quos adhuc detestande incredulitatis fuscat nequitia et parentalis error manifestus retentat; […] de ceteris vero Iudeis, qui in perfidia cordis sui perseverantes.“ Ildefons von Toledo, De virginitate sanctae Mariae, titulus. Contra Iudaeos, ed. V. Yarza Urquiola (Corpus Christianorum. Series Latina 114A), Turnhout 2007, 166: „Tu autem, quem perfidia auertit, quem prauitas occupauit, quem caecitas adiit, quem error obtinuit, quem obstinatio indurauit, dicito: quare non credis in genere tuo puerperam uirginem?“ Cf. Johannes von Salisbury, Policraticus, II, 4, ed. K. S. B. Keats-Rohan (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 118), Turnhout 1993, 77: „forte significans Iudaicae perfidiae et superstitiosi erroris euersionem.“

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stellen 27. Judentum ist hier ebenso Irrtum wie das Heidentum, aber, so Agobard in einer bezeichnenden Wertung, die „verstockte Gottlosigkeit ihres Unglaubens“ übertrifft den Irrtum der Heiden noch bei weitem 28. Alkuin stilisiert das zu „Fesseln des Irrtums“: Irrtum „fesselt “ das ungläubige Judentum ( Judäa), so dass es statt Christus den Antichrist erwartet 29. Auch hier wird der Irrtum also, wenngleich anders als bei Sarazenen, konkretisiert. Er läuft dennoch bei beiden auf die Nichtanerkennung der Göttlichkeit Christi hinaus. In einer Invektive gegen den Apostaten Wezelin, einen zum Judentum übergetretenen Hofkaplan, ist der jüdische Glaube bei Alpert von Metz nicht nur Irrtum - Wezelin schließt sich dem Irrtum der Juden an -, sondern erneut auch eine vom Teufel bewirkte Täuschung 30. In einem Brief an Hermogenianus setzt sich bereits Augustin mit dem Vorwurf auseinander, Paulus habe die Heiden nicht richtig bekehrt, weil er sie zum „Judaisieren“ (zum Nachahmen jüdischer Bräuche) angeleitet habe 31. Der Irrtum der Juden ist hier nicht vorgetäuscht, sondern tatsächlich angenommen, sodass selbst Paulus letztlich, aber doch wiederum nicht ganz, im Irrtum war, weil er wusste, dass sie irren, und entspechend predigte. Die Juden selbst aber, so ist aus dieser Stelle zu schließen, irren ganz und gar. (Das gilt allerdings nicht für das Volk Israel des Alten Testaments, das nach Otto von Freising, wie vorhin schon ausgeführt, einzig dem Irrtum nicht erlegen ist 32.) (4) Irrtum ist sodann ein ganz zentraler Vorwurf auch gegenüber Häretikern: Das Irren macht die drei Freunde Hiobs, so Gregor der Große, geradezu zum „Typus“, zu Präfigurationen der Häretiker 33. Das sei angemessen, weil Häretiker eben „durch den Irrtum falscher Lehre der Kenntnis der Wahrheit entfremdet 27

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Agobard von Lyon, De Iudaicis superstitionibus et erroribus, 1, ed. L. van Acker (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 52), Turnhout 1981, 199: „qualis esse debeat erga Iudaicam perfidiam et superstitiones atque innumerabiles errores, in quantum extremitas nostra inuenire potuit ex usu et institutione priorum Gallicanarum ecclesiarum rectorum.“ Ibid., 3, ed. Van Acker, 201: „infidelitatis eorum obstinatissimam impietatem supra omnem gentilium execrantur errorem.“ Alkuin, Interrogationes et responsiones in Genesin (De benedictionibus patriarcharum, interr. 231), ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 100, Paris 1851, 566 A: „Plebs infidelis Iudaea, erroris suis laqueis capta pro Christo Antichristum exspectat.“ Cf. Alpert von Metz, De diversitate temporum, I, 7, ed. H. van Rij, Amsterdam 1980, 16: „Istis etiam diebus, videlicet Heinrici regis, qui postea benedictione apostolica imperator effectus est, quidam Wecelinus, qui fuerat Cuonradi ducis clericus, illusione diabolica seductus, errori Iudeorum consensit.“ Cf. Augustinus, Epistola 82, 3, ed. A. Goldbacher (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 34,2), Prag e.a. 1898, 377: „nec dici timeo sic Paulum defendere, quod non simularit errorem Iudaeorum, sed uere fuerit in errore, quoniam neque simulabat errorem, qui libertate apostolica, sicut illi tempori congruebat, uetera illa sacramenta, ubi opus erat, agendo commendabat ea non satanae uersutia decipiendis hominibus sed Dei prouidentia praenuntiandis rebus futuris prophetice constituta, nec uere fuerat in errore Iudaeorum, qui non solum nouerat, sed etiam instanter et acriter praedicabat eos errare, qui putabant gentibus inponenda uel iustificationi quorumque fidelium necessaria.“ Cf. supra nt. 12. Cf. Gregor der Große, Moralia in Iob, praef. VI, 15, ed. M. Adriaen (Corpus Christianorum. Series Latina 143), Turnhout 1979, 20: „Constat ergo eos haereticorum typum errando gerere.“

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sind“ 34. Auch Gregor konkretisiert das: Häretiker „suchen die Sätze der Heiligen Schrift, die die richtigen Lehren enthalten, zu einem falschen Verständnis zu vergewaltigen“ (wenn man den letzten Halbsatz so übersetzen darf). Der „Irrtum“ liegt hier also - ganz typisch für die Wahrnehmung von Häretikern - in der falschen Bibelauslegung. Sie mischen ihre Irrtümer mit Wahrem, sagt Gregor an anderer Stelle (ein oft wiederholter Vorwurf) 35. Den falschen Bibelgebrauch kritisiert noch mehr als ein halbes Jahrtausend später Werner von St. Blasien: Häretiker führen den Sinn der Schrift zu einem „irrigen und falschen Verständnis“ (wörtlich: „zum Irrtum eines falschen Verständnisses“). Erst die (falsche) Auslegung führt demnach zu den Irrtümern. Sie macht die Häretiker aber zu „Lehrern der Irrtümer“, mit denen sie durch betrügerische Beweisführungen wiederum ihre Zuhörer täuschen 36. Hrabanus Maurus vergleicht die aus dem Rauch einer Grube aufsteigenden Heuschrecken (Apoc 9,3) mit Häretikern, die „aus der dunklen Tiefe des Irrtums“ in die Kirche gelangen 37. Das wird wieder entsprechend negativ und religiös gesehen: Für Petrus Damiani lehren Häretiker (gleich Magiern) in einer bezeichnenden Wendung „den Irrtum vergifteten Unglaubens“ 38. Der Häretiker, so definiert Atto von Vercelli differenzierend, irrt im Glauben, der Schismatiker in der brüderlichen Liebe 39. Irren aber ist beiden zu eigen. Hrabanus Maurus bestätigt das Gegensatzpaar häretischen Irrtums und katholischen Glaubens als „der Lehre der Wahrheit “ 40: Häresie und Rechtgläubigkeit unterscheiden sich durch den Gegensatz zwischen irriger und wahrer Lehre. Auch Eriugena bestätigt (indirekt oder beiläufig) die Verbindung zwi34

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Ibid., XVIII, 13, 20, ed. M. Adriaen (Corpus Christianorum. Series Latina 143A), Turnhout 1979, 898: „Non absurde impii vocantur haeretici, qui per errorem praui dogmatis a cognitione sunt ueritatis alieni, quos sequenti uerbo etiam uiolentos appellat, quippe qui scripturae sacrae sententias recta dogmata continentes ad intellectum prauum conantur uiolenter inflectere.“ Ibid., XII, 31, 36, ed. Adriaen, 650: „Sed solent haeretici errorum suorum dictis uera aliqua permiscere.“ Werner von St. Blasien, Libri deflorationum sive excerptionum, liber 2. Dominica octava. De falsis prophetis, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 157, Paris 1854, 1078 AB: „Unde et haeretici vel falsi prophetae pseudoprophetae dicuntur, quia Scripturas non sano sensu sapiunt, sed eas ad errorem pravae intelligentiae ducunt; neque semetipsos earum sensibus subdunt, sed eas perverse ad errorem proprium trahunt. Doctores errorum, scilicet haeretici, pravis persuasionibus ita per argumenta fraudulentiae suos illigant auditores, ut eos quasi labyrintho implicent, a quo exire non valeant.“ Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam sacram scripturam, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 112, Paris 1852, 988 CD: „,De fumo putei exierunt locustae in terra,‘ quod de obscuritate profundi erroris processerunt haeretici in Ecclesia.“ Petrus Damiani, Epistola 160, ed. K. Reindel (Monumenta Germaniae Historica. Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 4, vol. 4), München 1993, 129: „consurgunt adversum nos heretici, errorem venenatae perfidiae dogmatizantes, tanquam phitones et magi malefica incantationum carmina conspergentes.“ Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola I ad Corinthios, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 134, Paris 1853, 295 A: „Inter haeresim et schisma hoc distat, quod haereticus proprie dicitur, qui in fide errat; schismaticus, qui in fraterna dilectione.“ Hrabanus Maurus, De institutione clericorum, II, 58 (De haeresibus variis), ed. D. Zimpel (Fontes christiani 61/2), Turnhout 2006, 430: „Hoc ergo cavendum est omni animae timenti Deum, ut non a fide catholica decidens et relinquens doctrinam veritatis in errores haereticorum cadat, quia hoc certissimum mortis est genus.“

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schen Häresie und Irrtum, um dies ebenfalls von der katholischen Lehre abzuheben und daraus aber zusätzlich das Verhalten (oder die Einstellung) der Rechtgläubigen abzuleiten: Katholiken billigen die häretischen Irrtümer nicht, sondern nutzen sie, um desto wachsamer und vorsichtiger gegenüber solchen „Fallstricken“ zu werden 41. Ist schon mehrfach von Irrtümern (im Plural) die Rede gewesen 42, so differenziert Haymo von Auxerre das noch weiter aus: Nicht nur die Lehre der Häretiker ist Irrtum, sondern die häretischen Lehren sind durch verschiedene Irrtümer in der Predigt (oder Rede) gekennzeichnet und voneinander unterschieden (wie die verschiedenen Farbpigmente der Leprosen) 43. Für die Wahrnehmung der Häresie bedeutet das eine Anerkennung dessen, dass sehr verschiedene Häresien existieren, für die Wahrnehmung des Irrtums aber, dass häretische Lehren durch ganz unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche Irrtümer geprägt sind, wie es an anderer Stelle heißt 44. Häresie ist demnach nicht nur ein einziger Irrtum, sondern jeweils Irrtum. Der Irrtum vereint trotz der offensichtlichen Unterschiede wiederum Häretiker und Heiden. Hrabanus Maurus setzt die Irrtümer der Häretiker sogar mit den Götzen der Heiden gleich (und personifiziert damit, wenn man so will, den Irrtum der Lehre): Irrlehren sind quasi wie Götzendienst, indem sie ihre Irrtümer zu Götzenbildern machen. Dadurch brechen Häretiker den (in der Taufe geschlossenen) Ehebund mit Gott und begehen Ehebruch (mit den Heiden) 45. „Häretiker verehren die Götzenbilder ihrer Irrtümer,“ heißt es ent-

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Johannes Scotus Eriugena, De divina praedestinatione, I, 3, ed. G. Madec (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 50), Turnhout 1978, 8: „Vtamur ergo etiam haereticis, non ut eorum approbemus errores, sed ut catholicam disciplinam aduersus eorum insidias asserentes uigilantiores et cautiores simus, etiam si eos ad salutem reuocare non possimus.“ Cf. Gregor von Tours, Historiae, II, 27 (supra nt. 3); Willibald, Vita Bonifatii, 6 (supra nt. 4); Petrus Venerabilis, Epistola de translatione sua, 3 (supra nt. 22); id., Contra sectam Saracenorum, prol., 12 (supra nt. 18); Lex Visigothorum, XII, 3, 1 (supra nt. 23); Agobard von Lyon, De Iudaicis superstitionibus et erroribus, 1 (supra nt. 27); Werner von St. Blasien, Libri deflorationum sive excerptionum liber 2. Dominica octava. De falsis prophetis (supra nt. 36). Cf. Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 126, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 118, Paris 1852, 676 A: „Per leprosos non incongrue haereticos intelligere possumus, quia sicut lepra varios colores exprimit in cute, sic haereticorum doctrina varios errores generat in sermone. Non solum enim a catholica Ecclesia sunt divisi, sed etiam adversum seipsos diversa sentiunt.“ Cf. id., Expositio in Apocalypsin b. Ioannis, II,9, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 117, Paris 1852, 1055 BC: „Ita et haeretici semetipsos dividunt et contrarios sibi errores proferunt, verbi gratia: Photinus negat Christum ante Mariam fuisse, sed ex ipsa initium dicit eum sumpsisse et verum corpus habuisse. Econtra, Arius dicit eum ante saecula natum et creaturam esse. Similiter et caeteri varios mendacii inveniunt errores valde sibi contrarios; sed quamvis inter se dissideant, tamen unanimiter contra unitatem Ecclesiae pugnant.“ Cf. Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum, V, 9, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 109, Paris 1852, 920 BC: „ipsi sunt homines fornicarii, quia pactum, quod cum Deo in baptismatis perceptione inierunt, non servaverunt, sed virum priorem relinquentes, errorum suorum idolis se commiscendo adulterati sunt.“

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Hans-Werner Goetz Tabelle 1: Übersicht über die Quantität der wichtigsten Attribute nach Belegstellen in der ,Patrologia Latina Database‘ (PLD)46 und in der ,Library of Latin Texts A‘ (LLT), in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit Migne (PLD)

LLT

Verkehrtheit: pravitas perversitas Summe

648 62 710

254 57 311

Irrtum: error

238

170

Verschlagenheit/Falschheit: calliditas versutia astutia falsitas Summe

13 46 20 33 112

13 25 6 22 66

Lüge und Betrug: mendacium fraus/fraudulentia Summe

21 84 106

17 51 68

sprechend in der ,Glossa ordinaria‘, und bieten so den Grund für ihre Verdammnis, weil daraus falsche Lehren, ungerechtes Leben, ungesunde Freude und ein schändlicher Tod erwachsen 47. Im religiösen Bereich sind solche Irrtümer folglich fatal 48. Die überaus zahlreichen Beispiele zeigen, dass sich „Irrtum“ in mittelalterlichkatholischer Sicht ähnlich oft wie bei Heiden mit Häresie verbindet: Häresie, so Hildebert von Le Mans, sprießt unter Häretikern hervor und verbreitet den Irrtum, der sie erst zur Häresie führt 49. Dabei handelt es sich also um ein wechselseitiges Verhältnis: Häresie erzeugt (im Wortsinn: generat) Irrtum, Irrtum 46

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Bei der elektronischen Suche im Migne konnten allerdings nur solche Stellen berücksichtigt werden, in denen h(a)eresis oder h(a)eretici und Attribut (jeweils in allen grammatischen Fällen und in beliebiger Reihenfolge) unmittelbar aufeinander folgen. Eine vollständigere Liste findet sich in Goetz, Wahrnehmung anderer Religionen (nt. 1), 603 sqq. (Pseudo-Walahfrid Strabo), Glossa ordinaria, Liber sapientiae, 14, 28, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 113, Paris 1852, 1179 B: „Haeretici autem errorum suorum simulacra colentes, perditionis suae causa fiunt, quorum et doctrina falsa, vita iniusta, laetitia insana, mors nefanda.“ Cf. Bruno von Asti, Commentaria in Matthaeum, III, 74, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 165, Paris 1854, 224 C: „Vae illis qui scandala concitant et qui scandalizantibus credunt: Vae haereticis et schismaticis et his qui illorum sequuntur errores.“ Hildebert von Le Mans, Sermo 128 (Sermones de diversis 41), ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina vol. 171, Paris 1854, 916 B: „Quae antiquitus haeresis multum inter haereticos pullulavit, et adhuc inter multos errorem generat. In hunc errorem adducti sunt haeretici.“

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erzeugt Häresie. Zählt man die Attribute aus, die (begrifflich) der Häresie angefügt werden (Tabelle 1), dann steht Irrtum, gleich nach der dominierenden „Verkehrtheit “ (pravitas und perversitas) an zweiter Stelle. Alles andere folgt mit weitem Abstand. (5) Bei dem letzten „anderen“ Glauben, dem griechisch-orthodoxen, kann ich mich kurz fassen, da die Griechen entweder als rechtgläubig oder aber als häretisch betrachtet werden. Nur im letzten Fall ist auch hier vom „Irrtum“ die Rede, dies fügt sich aber zwanglos in die Häresiebeispiele ein. Gregor der Große, so berichtet (oder argumentiert) später beispielsweise Liutprand von Cremona, habe den Irrtum bzw. „das Buch des Irrtums“ des Eutychius, der eine Auferstehung der irdischen Körper bestritten hatte, „rechtgläubig verbrannt “ 50: Der Irrtum steht hier erneut der Rechtgläubigkeit geradezu diametral gegenüber. Mehrfach taucht der Vorwurf des Irrtums auch in den ,Libri Carolini‘, die gegen den Ikonoklasmus Stellung beziehen, oder in der leidigen filioque-Kontroverse auf, weil die Griechen den Heiligen Geist im Glaubensbekenntnis (mit der ursprünglichen Formel) nur vom Vater und nicht auch vom Sohn ausgehen sehen; für westliche Theologen ist das ein Verstoß gegen die Trinitätslehre: Sie irren damit, so etwa Anselm von Havelberg in seinem Dialog mit dem griechischorthodoxen Bischof Niketas von Nikomedia, vom Glauben an die Heilige Trinität ab 51. Anselm plädiert für gegenseitige Achtung (die er selbst nicht einhält), während sein griechischer Gesprächspartner sich dafür einsetzt, nicht jede Abweichung gleich einen Irrtum zu nennen, da der Bibelsinn ein mehrfacher sein kann. Schon im 9. Jahrhundert warnt Papst Johannes VIII. hingegen die noch schwankenden Bulgaren davor, der römischen und nicht der griechischen Kirche zu folgen, um nicht in deren gewohnheitsmäßige Irrtümer und damit in Häresie und Schisma zu fallen 52. Und er warnt die Bulgaren vor dem Beispiel der (alten) Goten, die zwar dem Irrtum der Heiden entsagten, aber der Irrlehre des Arius verfielen und dadurch von einem Irrtum in den nächsten fielen 53. Nach einer Schrift Humberts von Silva Candida, mischten die Griechen warmes Wasser mit 50

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Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 22, ed. P. Chiesa (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 156), Turnhout 1998, 196: „Aiebat idem Eutychius - nec solum aiebat, sed etiam docebat, clamabat, scriptitabat - nos in resurrectione non veram, quam hic habemus, sed fantasticam quandam carnem assumpturos; cuius erroris liber a Gregorio orthodoxe est combustus.“ Cf. Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi), II, prol., ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 188, Paris 1855, 1161 D: „Et mirum in modum, quomodo Graeci in numero sanctorum computentur et ex ipsis Romani pontifices electi inveniantur, si in fide sanctae Trinitatis adeo erraverunt, ut dicerent et crederent Spiritum sanctum a Patre tantum et nequaquam a Filio procedere.“ Cf. Johannes VIII., Registrum epistolarum, Epistola 66, ed. E. Caspar (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae 7), Berlin 1928, 59: „ne, si forte Gre˛cos secuti fueritis, cum illi in diversas he˛reses et scismata solito more ceciderint, vos quoque cum ipsis in erroris profunda ruatis.“ Cf. ibid., ed. Caspar, 59 sq.: „Noli ergo sequi Gre˛cos, fili karissime, quia argumentis semper fallacibus student, semper dolosis intendunt versutiis, ne forte vobis, quod genti contigit Gothorum, contingat, que˛, cum a paganorum errore cuperet liberari Christique fidei sociari, episcopum incidit formam pietatis habentem, virtutem autem eius abnegantem, qui eos, dum a paganismo liberat, Arrii blasphemiis implicat; sicque illi, dum incaute que˛runt errorem fugere, in errorem incidunt.“

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Wein, um damit das warme Blut des noch lebendigen Christus zu symbolisieren. Wenn das aber erst seit dem 6. (ökumenischen) Konzil (680) geschah, so fragt der Autor polemisch, haben dann etwa alle mehr als 600 Jahre lang geirrt, oder haben das nur die Griechen, nicht aber die Lateiner erkannt 54? (6) Interessant ist schließlich noch der Rückgriff auf die Irrtumsmetapher in vergleichenden Betrachtungen anderer Religionen. Wenn in einem mehrfach aufgegriffenen Brief Papst Coelestins I. darum gebeten wird, dass Ungläubigen der Glaube gegeben werde, Heiden aber von den Irrtümern des Götzendienstes befreit werden mögen (und Juden das Licht der Wahrheit aufgeht, Häretiker den vollkommenen katholischen Glauben und Schismatiker die Nächstenliebe wiedererlangen), dann ist Irrtum hier wieder Kennzeichen der Heiden 55. Es gebe zwei Arten von Barbaren, meint hingegen der Priester Salvian von Marseille im 5. Jahrhundert: Heiden und Häretiker. Da den Heiden der ältere Irrtum innewohnt, wolle er mit ihnen beginnen 56. Irrtum ist jedoch beider Glaube. Entsprechend kann Haymo von Auxerre lehren, dass Heiden, Juden und Häretiker zwar allesamt der dreigeteilten Gemeinschaft des Teufels angehören, die Heiden aber immer noch ihrem (alten) Irrtum anhängen 57. Auch Petrus Damiani weist den Heiden den Irrtum, den Juden den ,Treubruch‘ (oder Unglau54

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Cf. Humbert von Silva Candida, Responsio sive contradictio adversus Nicetae pectorati libellum, 7, ed. C. Will, Acta et scripta quae de controversiis Ecclesiae graecae et latinae saeculo undecimo composita extant, Leipzig-Marburg 1861 (ND: Frankfurt a. M. 1963), 139: „Aquam calidam et sanguinem de vivo et calido Christi corpore exisse et ideo Graecos aquam ferventem sanguine eius iure miscere“; ibid., 20, ed. Will, 143: „Nunquid usque ad sextam synodum Graeci et Latini rationem missae ac ieiuniorum ignoraverunt et per sexcentos et amplius annos a passione Christi in talibus errarunt? An forsan Graeci haec noverunt et Romani ignoraverunt?“ Cf. Coelestin I., Epistola 21, 11, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 50, Paris 1846, 535 B: „Cum enim sanctarum plebium praesules mandata sibimet legatione fungantur, apud divinam clementiam humani generis agunt causam, et tota secum Ecclesia congemiscente, postulant et precantur, ut infidelibus donetur fides, ut idololatrae ab impietatis suae liberentur erroribus, ut Iudaeis, ablato cordis velamine, lux veritatis appareat, ut haeretici catholicae fidei perceptione resipiscant, ut schismatici spiritum redivivae charitatis accipiant, ut lapsis poenitentiae remedia conferantur, ut denique catechumenis ad regenerationis sacramenta perductis coelestis misericordiae aula reseretur.“ Das Zitat wird mehrfach aufgegriffen, beispielsweise in den Epistulae ad Fulgentium Ruspensem, Epistola 16, 27, ed. J. Fraipont (Corpus Christianorum. Series Latina 91A), Turnhout 1968, 561, bei (Pseudo-)Gennadius von Marseille, Liber ecclesiasticorum dogmatum (recensio altera auctore Brachiatio episcopo Hispaliensi), 30, ed. F. Oehler (Corpus haereseologicum 1), Berlin 1856, 342, oder Hinkmar von Reims, De praedestinatione Dei et libero arbitrio, 38 (Epilogi 5), ed. J-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 125, Paris 1852, 442 B. Cf. Salvian von Marseille, De gubernatione Dei, IV, 13, 61, ed. G. Lagarrigue (Sources chre´tiennes 220), Paris 1975, 282: „Duo enim genera in omni gente omnium barbarorum sunt, id est aut haereticorum aut paganorum“; ibid., 4, 14, 67, ed. Lagarrigue, 286: „Nam cum omnes, ut iam ante diximus, barbari aut pagani sint aut haeretici, ut de paganis, quia prior illorum error est, prius dicam.“ Cf. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis, V, 16 (nt. 44), 1137 A: „Haec civitas hoc in loco in tres partes dividi pronuntiatur, non quo et ante divisa non esset, ut tunc solummodo dividatur, sed quo certum sit, ex quibus hominum qualitatibus ipsa constet, hoc est paganorum in gentilitatis errore adhuc manentium atque haereticorum et Iudaeorum, qui pro uno accipiuntur, falsorum quoque Christianorum, qui in sinu Ecclesiae modo latent.“

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ben: perfidia), den Häretikern die Verkehrtheit zu 58. Hingegen sieht Isidor von Sevilla das vorrangige Kennzeichen der Heiden im Götzendienst und das der Juden in der Blasphemie, während er den Irrtum nun wiederum den Häretikern zuschreibt 59. Ganz ähnlich äußern sich Hrabanus Maurus 60 oder Beda Venerabilis, wenn Letzterer Häretiker den Glauben an einen Gott durch Irrtümer verunreinigen lässt (während Heiden Polytheisten sind, Juden die Gottessohnschaft leugnen und falsche Christen den Glauben durch schlechte Werke und Schismen entheiligen) 61. Einigkeit besteht zwar auch hier nicht, eben weil alle Ungläubigen irren, doch hängen in solchen Vergleichen vor allem wieder Häresie und Heidentum ursächlich mit „Irrtum“ zusammen. So kann Beda beide Glaubensrichtungen gleichermaßen als Irrtum klassifizieren, da beide Krieger des Teufels sind 62. Andere, wie Humbert von Silva Candida, fügen dem schließlich wieder die Juden hinzu 63: Alle anderen Religionen befinden sich im Irrtum 64. Der Wechsel von einem in einen anderen Glauben tauscht für Isidor von Sevilla daher nur einen Irrtum (und einen Unglauben) gegen den anderen aus 65. 58

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Cf. Petrus Damiani, Epistola 35, ed. Reindel (nt. 38), vol. 1, München 1983, 338: „Qui nimirum novo et incomparabili criminis genere sic Iudaicam perfidiam superant, ut non modo gentilium errorem, sed et hereticorum pravitatem detestabiliores excedant.“ Cf. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum. In Deuteronomium, 17, 1, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 83, Paris 1850, 367 C: „Qui numerus, adiecta idololatria gentium, blasphemia Iudaeorum, errore haereticorum, evidentissime adimpletur.“ Cf. Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum, IV, 3, ed. Migne (nt. 45), 870 sq.: „Longe est testamentum a paganis, qui idololatriae exercent falsitatem; longe est et ab haereticis, qui fidei deserentes veritatem sectas construunt erroris; longe est et a malis catholicis, qui licet fidem rectam teneant tamen opera fidei condigna non habent et propterea testamenti Dei veraciter participes non sunt.“ Cf. auch id., Epistola 37, ed. E. Dümmler (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae 5), Berlin 1899, 473 (Widmungsschreiben an Ludwig den Deutschen zu seinen Predigten in 22 Büchern): „Addidi quoque in presenti opusculo non pauca de fide catholica et religione christiana; et e contrario de gentilium superstitione et hereticorum errore, de philosophis et magis atque falsis diis, de linguis gentium, de regum et militum, civiumque vocabulis atque affinitatibus.“ Cf. Beda Venerabilis, In principium Genesis usque ad natiuitatem Isaac et eiectionem Ismahelis adnotationum (Hexaemeron), III, 11, 8 sq., ed. Ch. W. Jones (Corpus Christianorum. Series Latina 118A), Turnhout 1967, 161: „Quod gentiles faciunt multos deos colendo, haeretici fidem unius Dei erroribus polluendo, Iudei filium Dei Christum negando, falsi catholici fidem malis operibus siue schismatibus rectam profanando.“ Cf. id., In Matthaei evangelium expositio, IV, 27, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 92, Paris 1850, 122 CD: „Haec faciunt usque hodie pagani et haeretici, milites utique diaboli, quasi arundine caput Christi feriunt, qui divinitati illius contradicentes, errorem suum confirmare auctoritate sacrae Scripturae conantur.“ Cf. Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos I, 11, ed. F. Thaner (Monumenta Germaniae Historica. Libelli de lite 1), Hannover 1891, 116: „Et apprehendentes eum per ipsa opera, per ipsa consilia eius, mittunt eos in tenebras exteriores, id est in errorem gentilium, Iudaeorum vel hereticorum.“ Cf. Hrabanus Maurus, Expositio in librum Judith, 15, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 109, Paris 1852, 578 A: „quia paganorum et haereticorum et omnium impiorum multiplices sunt errores et varia iniquitatum devia, in quibus dispersi nunquam se coadunare in via iustitiae possunt.“ Cf. Isidor von Sevilla, Sententiae, I, 16, 15, ed. P. Cazier (Corpus Christianorum. Series Latina 111), Turnhout 1998, 59: „Qui ab idolatria ad iudaismum uel heresem transeunt, iuxta prophetam ,de

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II. Soweit der Befund. Der zweite Teil dieses Beitrags kann sich auf dieser Grundlage nun einer phänomenologischen Auswertung des Irrtums im mittelalterlichen Verständnis widmen: Was bedeutet die Wahrnehmung anderer Religionen als Irrtum für das mittelalterliche Verständnis des Irrtums an sich (und für die Fragen, die im Tagungskonzept aufgeworfen wurden)? Dabei werde ich der Einfachheit halber mehrfach auf bereits besprochene Belege zurückgreifen, da sie nicht nur die enge Kohärenz von „Irrtum“ und „Irrglauben“ (jeder Art) aufzeigen, sondern darüber hinaus so manche Konnotation dieses Begriffs (und damit die mittelalterlichen Vorstellungen vom „Irrtum“) erkennen lassen. Im Hinblick auf die Themenkreise des Tagungskonzepts sei einschränkend vorangestellt, dass Kontext und Bedeutung(en) des Irrtums durch meine Untersuchung vorgeprägt sind: Den Kontext bilden die Religionen, der Bedeutung nach ist Irrtum durchweg der Irrglaube. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass error in anderen Zusammenhängen nicht auch andere Bedeutungen gewinnen kann. Einen weiteren Themenkreis der Tagung, die Frage nach einem Begriffsfeld des „Irrtums“, kann ich ebenfalls nicht klar umgrenzen, da ich begriffsgeschichtlich vorgegangen bin und von vornherein nach error-Belegen gesucht habe. Dabei werden im Umfeld meiner Belege zwar begriffliche Nähen (etwa zu Falschheit und Lüge) erkennbar, die gleich noch anzusprechen sind; es scheint mir allerdings, dass error der einzige unmittelbare Begriff für den Irrtum bleibt. Besonders sieben (durchaus miteinander verknüpfte) Aspekte seien hervorgehoben. 1. „Irrtum“ kann (als Fazit meines ersten Teils) ganz offensichtlich (nicht nur) religiös konnotiert werden, sondern ist geradezu ein religiöser Zentralbegriff, der sich zum einen als gemeinsames Merkmal auf alle anderen Religionen anwenden lässt und sie charakterisiert - alle anderen irren, weil sie infideles sind -, vorzugsweise aber auf Heiden und Häretiker angewandt wird, und der zum andern entsprechend abwertet: error an sich ist negativ und umgibt sich mit pejorativen Wertungen 66. Es bleibt aber bezeichnend, dass sich in den Belegen für Irrlehren kein spezifischer Begriff (etwa error doctrinae) findet 67, sondern dass error zur Kennzeichnung vollkommen ausreicht. Die anderen Religionen sind zudem nicht einfach durch Irrtümer gekennzeichnet; ihr Glaube an sich ist viel-

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malo ad malum labuntur, et Dominum non cognouerunt’ (Ier 9, 3), quia de infidelitatis errore in errorem alium transierunt.“ Cf. Willibald, Vita Bonifatii, 6 (supra nt. 4): „errorum deposito horrore a malivola gentilitatis superstitione retraxit “; Petrus Damiani, Epistola 160, 4, 4 (supra nt. 38): „errorem venenatae perfidiae dogmatizantes.“ Nur in der erweiterten Zusammensetzung als error pravi dogmatis begegnet eine entsprechende Wendung bei Gregor dem Großen, Moralia in Iob, XVIII, 13, 20 (supra nt. 34): Nicht das Dogma an sich ist irrig, sondern das falsche Dogma. Bei Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 126 (supra nt. 43), erzeugt die Lehre (doctrina) der Häretiker zwar Irrtümer, der Irrtum selbst aber bedarf auch hier keines präzisierenden Attributs.

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mehr Irrtum, konkretisiert sich aber auf verschiedene Weise durch unterschiedliche Irrtümer (im Plural). „Differenzierungen“ (so eine weitere Frage des Tagungskonzepts) gibt es bei meinem Thema nur in der Hinsicht unterschiedlicher Irrtümer der einzelnen Religionen und Häresien, nicht aber im Begriff (oder Konzept) des Irrtums an sich. 2. Vom religiösen Standpunkt aus wird Irrtum somit zu einem unmittelbaren Gegensatz zu dem rechtgläubig-katholisch-christlichen als dem einzig „richtigen“ Glauben (oder sogar: dem einzigen Glauben), der nämlich im Gegensatz zu allen anderen kein Irrtum ist: Der Begriff tritt nirgends im Kontext des katholischen Christentums auf. Der katholische Glaube steht vielmehr ständig in striktem Gegensatz etwa zum „häretischen Irrtum“, wie bei Ivo von Chartres 68, er ist „der Glaube Christi “ (im Gegensatz zum heidnischen Irrtum) 69 oder der „christliche Glaube“ (im Gegensatz zum „ältesten Irrtum heidnischen Götzenkultes“) 70, der „wahre Glaube“ oder „die Wahrheit des Glaubens“ (wie bei Hraban) 71, also „der“ Glaube schlechthin. Eine solche Abgrenzung wird auch deutlich, wenn Honorius Augustodunensis im 12. Jahrhundert in seinem Hoheliedkommentar Sunamitis (Shulamith), der König Salomon seine Liebe bekennt und die für Honorius die einzig wahre Religion repräsentiert, zunächst das „vom Tyrannen im Götzendienst gefangengehaltene Heidentum“ symbolisiert, das dann aber „durch den Glauben vom Irrtum des Unglaubens, durch die Taufe vom Schmutz des Götzendienstes, durch die Buße vom schlechten Leben und durch gute Werke vom heidnischen Ritus zu dem wahren König, Christus, zurückgekehrt ist “ 72: Eine Abkehr durch Glauben, Taufe, Buße und rechtes Leben ist also möglich. Ganz ähnlich äußert sich Hrabanus Maurus in einem Brief (vielleicht an den Chorbischof Reginbald von Mainz) 73: Taufe, 68

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Ivo von Chartres, Epistola 237, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 162, Paris 1855, 244 D: „Quamvis enim sicut catholica fides in corde, ita et haereticus error in corde maneat.“ Cf. Chronicon Suevicum universale, 14 (supra nt. 6): „ad fidem Christi ex gentili errore convertit “; Hrabanus Maurus, De ecclesiastica disciplina, praef. (supra nt. 7). Cf. Bonifatius, Epistola 105, 230 (supra nt. 11). Cf. auch Flodoard, Historia Remensis ecclesiae, IV, 5, ed. M. Stratmann (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores 36), Hannover 1998, 384: „Certe progenitores vestri reges deposito gentilitio errore divino cultui se sublimiter subdiderunt et a deo semper auxilium expetierunt, propter quod et feliciter regnaverunt et regni hereditatem ad suos posteros transmiserunt.“ Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum, IV, 3 (supra nt. 60): „qui fidei deserentes veritatem sectas construunt erroris.“ Honorius Augustodunensis, Expositio in Cantica canticorum, III, 7, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 172, Paris 1854, 462 AB: „Revertere, revertere, Sunamitis, revertere, revertere, ut intueamur te. Sunamitis quod dicitur captiva, fuit gentilitas a tyranno captivata in idololatria, haec reversa est ab errore infidelitatis ad verum regem Christum per fidem, reversa est de sordibus idololatriae per baptismum, reversa est de mala vita per poenitentiam, reversa est de ritu gentili per bona opera.“ Der erste Teil des Zitats kann sich auf Gregor den Großen, Expositio in Cantica canticorum, 6, stützen, dem Honorius jedoch die religiösen Bezüge anfügt. Cf. Hrabanus Maurus, Epistola 40, ed. Dümmler (nt. 60), 478: „Quadam die […] venit mihi in mentem recordatio boni studii tui, sancte Christi sacerdos, quod habes in doctrina gregis tibi divinitus commissi, qualiter extrapositos et in paganico errore adhuc conversantes ad fidem Christi percipiendam invitares, et quomodo in ecclesiam per baptismum et confessionem verae fidei iam introductos doctrina et exhortatione catholica corroborares, ut quod professi sunt ore, exercerent in bona operatione, qualiterque deviantes per praevaricationes

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Glaubensbekenntnis, katholische Lehre und Ermahnung, gute Werke und Buße bereiten den Weg vom heidnischen Irrtum (paganicus error) zum Glauben Christi (fides Christi). Die Quintessenz ist immer die gleiche: Nur der wahre katholische Glaube befreit vom Irrtum. Den Weg der Gerechtigkeit, so Bruno von Asti, schlägt nur derjenige ein, der nicht zum Irrtum neigt. Juden, Häretiker und Heiden kennen diesen Weg nicht 74. Irrtum macht hingegen „blind“ (für den wahren Glauben) 75. Die ,Irrlehre‘ ist ,Unglaube‘. Die anderen haben letztlich gar keinen Glauben, weil sie nicht dem Glauben schlechthin folgen. Sie dienen vielmehr sämtlich dem Teufel und bilden eine einzige Gemeinschaft des Teufels (einschließlich der schlechten Christen). „Irrtum“ ist somit mangelnder Glaube. Theologisch verweist der Glaube auf das Göttlich-Himmlische (verus Deus, mit unzähligen Belegen) ebenso wie auf Seelenheil und ewiges Leben: „Irrtum“ wird dadurch zum Gegensatz des Heils (oder des Heilswegs), wie in einem Brief Papst Gregors II. zur Mission des Bonifatius in Thüringen 76. 3. Damit wird zugleich deutlich, dass religiöser „Irrtum“ mehr ist als ein einfaches Irren, nämlich - geradezu apodiktisch - „falscher Glaube“, im Gegensatz eben zum „wahren Glauben Christi “ (und folglich grundlegend falsch). Auch dafür hatten wir bereits Beispiele 77. Wenn (bewusster) Irrtum, wie in mehreren Belegen deutlich geworden ist, „Täuschung“ ist - „im ältesten Irrtum elendig getäuscht “ sind die Heiden in dem Brief Aethelberts von Kent 78 ebenso wie bei Otto von Freising 79 -, dann ist der Irrtum zwar von anderen (bei Heiden von den Dämonen) verursacht, sind die Irrenden damit nicht selbst voll verantwortlich, doch falsch bleibt es dennoch. In jedem Irrtum steckt Falschheit, meint schon Augustin 80. „Irrtum“ (error) ist für die katholischen Autoren immer „falsch“. „Irrig“ und „falsch“ werden geradezu zu Synonymen: Häresie ist per se „verkehrt “ (perversus), so dass Hrabanus Maurus vom error haereticae pravitatis sprechen kann: Der Irrtum der Häresie liegt in ihrer „Verkehrtheit “ 81.

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diversas disciplina evangelica coerceres, et in statum pristinum per poenitentiam restituere certares.“ Cf. ähnlich auch id., De ecclesiastica disciplina, praef. (supra nt. 7). Cf. Bruno von Asti, Expositio in psalmos. Ps. 22, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 164, Paris 1854, 771 C: „Per semitam iustitiae incedit, qui ad errorem non declinat et a veritate non recedit. Hanc semitam nesciunt Iudaei, haeretici et pagani.“ Cf. Altfrid, Vita Liudgeri, I, 1, ed. Diekamp (nt. 5), 7: „Set quia gens illa eo tempore in errore infidelitatis erat excaecata, multa multi iniusta a rege crudeli et ab eius ministris fuerant perpessi.“ Cf. Bonifatius, Epistola 25, ed. Tangl (nt. 5), p. 43: „ideo fratrem nostrum sanctissimum Bonifatium episcopum ad vos direximus, ut vos debeat baptizare et fidem Christi docere et ab errore ad viam salutis deducere, ut salutem habeatis et vitam sempiternam.“ Cf. Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum, IV, 3 (supra nt. 60); Glossa ordinaria, Liber sapientiae, 14, 28 (supra nt. 46). Bonifatius, Epistola 105 (supra nt. 70): „gentilium idolatriae vetustissimo errore miserabiliter deceptam.“ Otto von Freising, Chronica, III, prol. (supra nt. 12): „errore deceptus.“ Cf. auch Walahfrid Strabo, De exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum, 9 (supra nt. 8). Cf. Augustinus, De mendacio, 1, 1, ed. J. Zycha (Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum 41), Prag e.a. 1900, 413 sq.: „in qua si ullus error est, cum ab omni errore ueritas liberet atque in omni errore falsitas inplicet.“ Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum, VI, 4, ed. Migne (nt. 45), 949 D: „Sicut maior gratia alia non est quam charitas vera in laetitia bonae mentis, ita maior plaga non est quam tristitia dolosi cordis in idololatria seu errore haereticae pravitatis.“

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Wie mit Falschheit, so verbindet sich Irrtum aus der gleichen Denkweise heraus mit „Lüge“, wenn Haymo von Auxerre davon sprechen kann, dass Häretiker „verschiedene Irrtümer der Lüge“ erfinden 82. Als Häretiker sind sie dafür (und zwar, wie von anderen Belegen her anzunehmen ist: sogar wider besseres Wissen) wieder selbst verantwortlich. Vom (mittelalterlichen) Konzept des Irrtums her spielt hingegen, wie schon bei dem Bezugspaar irrig und falsch, der (moderne) Unterschied zwischen (unbewusstem) Irrtum und (bewusster) Lüge keine Rolle: Lüge bleibt Irrtum. 4. Mit der Gleichsetzung aller anderen Religionen als Irrtum und ihrer Kennzeichung als falsch entfällt für das Mittelalter folglich eine moderne Unterscheidung zwischen unwissentlichem (und folglich entschuldbarem) Irren - wenngleich Heiden oft die mangelnde Gotteskenntnis zugute gehalten wird - und wissentlich falscher (und folglich unentschuldbarer) Behauptung, wenngleich so etwas im Hinblick auf die Häresie, etwa bei Petrus Damiani, zumindest anklingt: Jede Häresie irrt, aber nicht jedes Irren ist schon Häresie. Dazu bedarf es vielmehr der beharrlich aggressiv-streitbaren Verbreitung falscher Lehren 83. Wer irrt, predigt Falsches, doch macht ihn nicht der Irrtum an sich schon zum Häretiker. Zur Häresie wird der Irrtum erst bei unablässiger und unbelehrbarer Verfechtung von Falschem, wie auch Bruno der Kartäuser betont 84. Honorius fügt beide Kriterien zusammen: Häresie entsteht gleichermaßen aus Irrtum und Streit (oder aus streitbarer Verfechtung des Irrtums gegen die Worte und Schriften der Weisen) 85. Häresie ist unredlicher (weil geheuchelter) Irrtum, wie es in einem Brief des Beatus von Lie´bana und des Heterius von Osma in Spanien an den (häretischen) Erzbischof Elipand von Toledo heißt 86. Das bedeutet zwar: Wer unvorsichtig oder unwissentlich irrt, seinen Irrtum aber nicht verteidigt, ist noch kein Häretiker, sofern er sich belehren lässt. Doch Irrtum (und falsch) bleibt seine Lehre gleichwohl! Das entspricht nicht unserer Differenzierung. Man kann im Mittelalter folglich zwar grundsätzlich zwischen unwissentlichem und wissentlichem Irrtum - modern also, aber eben nicht in mittelalterlicher Diktion, zwischen Irrtum und Lüge - unterscheiden. Die mittelalterlichen Begründungen dafür sind jedoch andere als heute: Es geht, vor allem im Hin82

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Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis, II, 9 (supra nt. 44): „Similiter et caeteri varios mendacii inveniunt errores valde sibi contrarios.“ Petrus Damiani, Epistola 140, ed. Reindel (nt. 38), vol. 3, München 1989, 487: „Nec omnes heretici dicendi sunt, qui opinantur errorem, sed qui pertinaciter et audacter predicant falsitatem.“ Cf. Bruno der Kartäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Titum, 3, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 153, Paris 1854, 483 B: „Nota quod ex hoc loco colligitur, quod si quis imprudenter errat et errorem suum non defendit, hic non est iudicandus haereticus; sed ille tantum, qui quod male de fide sentit (quod deterius est) incorrigibilis asseverat et defendit.“ Cf. Honorius Augustodunensis, Liber de haeresibus, praef., ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 172, Paris 1854, 234 D: „Fit autem haereticus errore et contentione, dum quis errorem suum contentiose defendit et sapientum dicta vel scripta contemnit.“ Cf. Beatus von Lie´bana und Heterius von Osma, Adversus Elipandum, II, 95, ed. B. Löfstedt (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 59), Turnhout 1984, 162: „Et quia aliquando heretici quanto magis in perfidiae errore blandiuntur, tanto magis sanctitatem simulant.“

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blick auf Häretiker, um bewusste Verbreitung (durch Predigt), um Unbelehrbarkeit, um Aggressivität und Heuchelei. Begrifflich macht das hingegen keinen Unterschied. Unkenntnis ist damit nicht (wie heute) quasi ein Charakteristikum des Irrtums, sondern nur eine - mögliche - Ursache, die im religiösen Kontext ausschließlich auf die Heiden zutrifft (denen man, wie schon gesagt, immer wieder mangelnde Gotteskenntnis als Kennzeichen zuschreibt), während alle anderen wider besseres Wissen irren. 5. Entsprechend stellt sich das Verhältnis des Irrtums zu einem anderen Gegenpol dar: zur Wahrheit. Wir haben in den Beispielen schon mehrfach gesehen, dass auch mittelalterliche Autoren Irrtum und Wahrheit strikt gegeneinander, aber auch in Beziehung zueinander setzen 87: Irrtum verhindert Wahrheit bzw. genauer: die Erkenntnis der Wahrheit, hatte Gregor der Große gemeint 88. Irrtum ist aber auch umgekehrt, wie für Hrabanus Maurus, Verlassen der Wahrheit (nämlich wieder des Glaubens), vor allem für Häretiker, die diese Wahrheit ja schon einmal besessen hatten (während sie Heiden nach Hraban erst vermittelt werden muss und schlechte Christen wegen ihrer des Glaubens unwürdigen Taten nicht wahrhaft daran teilhaben) 89. Den Irrtum verhindert (entsprechend), wer nicht von der Wahrheit abweicht, denn er folgt dem Weg der Gerechtigkeit 90. Die Wahrheit befreit von jedem Irrtum 91. Irrtum und Wahrheit bilden folglich einen - alternativen - Gegensatz. Christi Tod und Auferstehung, schreibt Hrabanus Maurus, führen vom Unglauben zum katholischen Glauben, vom Götzendienst zum Gotteskult, von der Sünde zur Gerechtigkeit, vom Irrtum zur Wahrheit (und so weiter) und damit auch zur Auferstehung der Menschen 92. Ähnlich äußert sich im 12. Jahrhundert der bekehrte Jude Hermann: Wer fromm die Knoten des Unglaubens löst, wird „vom Lehrer des Irrtums zu einem Schüler der Wahrheit “ 93. In religiöser Hinsicht ist Irrtum Unglaube, Wahrheit ist Glaube und Gotteskult und das heißt: christlicher Glaube und Kult. Dieser Satz aber ,die Wahrheit ist der (christliche) Glaube‘, ist für mittelalterliche Denker umkehrbar: der Glaube ist die Wahrheit, oder, wie Hrabanus Maurus schreibt, man nähert sich 87 88 89 90 91 92

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Cf. auch Brambilla Pisoni, L’„errore“ (nt. 2), 386, zu Petrus Lombardus. Cf. Gregor der Große, Moralia in Iob, XVIII, 13, 20 (supra nt. 34). Cf. Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum, IV, 3 (supra nt. 60). So Bruno von Asti, Expositio in psalmos. Ps. 22 (supra nt. 74). So Augustinus, De mendacio 1, 1 (supra nt. 80). Cf. Hrabanus Maurus, Homilia 17. In die Dominica Paschae, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 110, Paris 1852, 34 D: „In eo quippe quod Christus mortuus est, mors nostra destructa est; et quod ipse resurrexit, nobis resurgendi facultatem tribuit, nosque transire fecit de infidelitate ad fidem catholicam, de idololatria ad unius Dei cultum, de peccato ad iustitiam, de errore ad veritatem, de discordia ad pacem, de servis inutilibus et diaboli servitio mancipatis in numerum filiorum Dei, de exsilio ad patriam, de poena ad coronam.“ Hermannus Iudaeus, Opusculum de conversione sua, 5, ed. G. Niemeyer (Monumenta Germaniae Historica. Quellen zur Geistesgeschichte 4), Weimar 1963, 85: „quin potius exorandum, ut ipse, qui omnes homines salvos fieri et ad agnitionem veritatis vult venire, quando et quo modo vellet sua misericordissima pietate nodos infidelitatis dissolvere et ex magistro erroris discipulum veritatis dignaretur efficere.“

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der Wahrheit, wenn man den Irrtum von sich weist (wörtlich: „ausspeit “), nämlich: dem Teufel mit all seinem verderblichen Wirken und seiner falschen Pracht entsagt (der Teufel selbst ist „Irrtum“). Es ist der Irrtum, der den „alten Menschen“ (veterem hominem) verdirbt 94. Der verlogene Häretiker dient bewusst dem Irrtum statt der Wahrheit 95. Das gilt aber nicht nur für Häretiker, sondern, wie Hraban selbst an anderer Stelle betont, wieder für alle anderen Kulte: Sie verehren quasi den Irrtum an Stelle der Wahrheit als ihren Gott 96. Deutlicher lässt sich ein Zusammenhang von rechtem Glauben und Wahrheit kaum ausdrücken. Der Wahrheit müssen selbst lange Gewohnheiten weichen: „Niemand,“ so Anselm von Havelberg im Blick auf die Irrtümer der Griechen, „soll zweifeln, dass eine gängige Gewohnheit der offenkundigen Wahrheit weichen muss“, weil Vernunft und Wahrheit die Gewohnheit immer ausschließen. Es sei besser, einen durch noch so langen Gebrauch üblich gewordenen Irrtum in Abwägung einer besseren Vernunft demütig abzulegen, als ihn hochmütig beizubehalten und hartnäckig zu verteidigen. Das sind wieder Häretikerattribute, die hier den Griechen untergeschoben werden 97. In solcher Deutung (vom Glauben her) aber gewinnt „Wahrheit “ eine ganz andere Dimension: Das Wahre ist nicht nur „wahr“, sondern die Wahrheit schlechthin. Das ist mehr als (neo-)platonische Ontologie: Es gibt ein summum bonum und ein gestuftes Sein, aber keine summa veritas; Wahrheit ist sozusagen immer „ summa“. Es gibt ein Teilwissen oder ein unvollkommenes Wissen (wie es dem Menschen auf Erden per se anhaftet); Häretiker können sogar Wahres mit Falschem vermischen 98, doch bleibt ihre Lehre dennoch falsch. Halbwahrheiten gibt es in dieser religiösen Hinsicht für die mittelalterlichen Autoren hingegen ebensowenig wie halbes Irren. 6. Kaum schlüssig zu beantworten ist von meinem Ansatz her die im Tagungskonzept aufgeworfene Frage, welche Reaktionen das Verständnis hervorruft (da ich es hier ausschließlich mit Konzepten, nicht mit Handlungen 94

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Hrabanus Maurus, De institutione clericorum, I, 27, ed. Zimpel (nt. 40), 192: „,primum‘ interrogatur ,paganus‘ si abrenunciet‘ diabolo et ,omnibus damnosis eius operibus atque fallacibus pompis‘, ut primum respuat errorem, et sic adpropinquet ad veritatem, possitque iuxta apostolum ,deponere veterem hominem secundum pristinam conversationem, qui corrumpitur secundum desideria erroris‘ (Eph 4, 22), ,abnegans impietatem et saecularia desideria‘ (Tit 2, 12).“ Die Zitate im ersten Teil folgen Alkuin, Epistola 137, ed. E. Dümmler (Monumenta Germaniae Historica. Epistolae 4), Berlin 1895, 214. Cf. id., Commentarii in Ecclesiasticum, VI, 3, ed. Migne (nt. 45), 946 AB: „Dives mendax est haereticus, qui abundat sensu et sermone, sed potius elegit in his errori quam veritati deservire.“ Cf. id., Commentarii in librum Sapientiae, II, 10, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 109, Paris 1852, 722 sq.: „ut intelligamus omnes idolorum cultores et haereticos atque schismaticos, qui errorum suorum sectas pro veritate colunt.“ Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi), III, 4, ed. Migne (nt. 51), 1212 sq.: „Nemo dubitet veritati manifestatae consuetudinem cedere, quia consuetudinem ratio et veritas semper excludit: melius est errorem, quamvis longo usu usitatum, considerata meliori ratione humiliter deponere quam in eo superbe perseverare ac pertinaci contentione defendere.“ Cf. Gregor der Große, Moralia in Iob XII, 31, 36 (supra nt. 35).

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zu tun habe) 99, doch wird religiöser Irrtum, wie in einigen zitierten Belegen, auffälligerweise zumindest auch mit (falschem) Verhalten in Verbindung gebracht und einer moralisch-christlichen Lebensweise (conversatio) gegenübergestellt 100. Die Irrlehre schlägt sich zugleich, so Ivo (ohne das näher auszuführen), in entsprechenden Werken nieder: Katholiken erkenne man an ihren katholischen, Häretiker an ihren häretischen Werken 101. Mehr noch: Religiöser Irrtum ist falscher Glaube bzw. (in mittelalterlicher Diktion:) Unglaube und muss ausgerottet werden. Das ist zwar nicht zwangsläufig ein Aufruf zum Töten der Irrenden, sondern zunächst zur Bekehrung, fördert aber zumindest die Anschauung, dass ein toter Ungläubiger mehr oder weniger belanglos ist (er ist ja ohnehin verdammt). Das kann unter Umständen sogar eine ,Lizenz zum Töten‘ umfassen, wie bei dem angelsächsischen Mönchsgelehrten Beda Venerabilis, der im Hinblick auf den „Irrtum der Heiden“, wenn auch in apokalyptischen Zusammenhängen, glaubt, dass es diesen nichts nützt wenn sie nicht getötet werden, da sie ja doch in ihrem üblen Heidentum verharren würden 102. 7. Die Vorstellungen vom Irrtum als Irrglauben wirken schließlich noch auf eine letzte Frage des Tagungskonzepts zurück: Inwieweit lässt sich aus Irrtümern lernen (und zwar, meinem Thema gemäß, in mittelalterlicher Wahrnehmung)? Ein „Lernen aus Irrtümern“ verlangt nach einer sich überlappenden Beziehung zwischen Irrtum und Wahrheit, die es im Mittelalter nach dem vorgelegten Befund in dieser (religiösen) Hinsicht wegen des strikten, einander ausschließenden Gegensatzes beider Phänomene, der kein ,Sowohl als auch‘ (und kein halb irrig oder halb wahr) kennt, nicht geben kann. „Lernen“ lässt sich in mittelalterlicher Anschauung in diesem Zusammenhang lediglich in Form der Erkenntnis, dass man im Irrtum gelebt hat und sich davon (durch Bekehrung) voll und ganz abwenden muss. Der Irrtum lässt sich damit immerhin, jedoch nur auf diese Weise korrigieren. Bekehrung befreit vom Irrtum (aber auch umgekehrt): Der eine, meint Gregor der Große in seinem Hiobkommentar, ist im Irrtum des Unglaubens geboren und geht darin unter, während der im rechten katholischen Glauben Geborene darin zur Vollendung gelangt; ein anderer aber 99

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Welche Instanzen beteiligt sind und welche Praktiken der Bekämpfung angewandt werden, hängt in diesem Zusammenhang ganz von dem Verhalten gegenüber der jeweiligen anderen Religion, nicht aber gegenüber dem Irrtum an sich ab und schlägt sich daher nicht in einem mittelalterlichen Konzept des Irrtums nieder. Cf. Honorius Augustodunensis, Expositio in Cantica canticorum, III, 7 (supra nt. 72): „reversa est de mala vita per poenitentiam“; Hrabanus Maurus, De institutione clericorum 1, 27 (supra nt. 94): „possitque iuxta Apostolum deponere veterem hominem secundum pristinam conversationem, qui corrumpitur secundum desideria erroris.“ Cf. Ivo von Chartres, Epistola 237, ed. Migne (nt. 68), 244 D: „tamen, sicut ex catholicis operibus catholicum sentimus, ita ex haereticis operibus haereticum cognoscimus.“ Cf. Beda Venerabilis, Expositio Apocalypseos, II, 14, 9, ed. R. Gryson (Corpus Christianorum. Series Latina 121A), Turnhout 2001, 359 (zu Apoc 9, 20): „Quia falsos christianos et hereticos descripserat, nunc, ut corpus omne diaboli circumscribat, gentilium quoque commemorat errorem, quibus nihil prodest his plagis non occidi, cum constet eos in gentili tunc quoque perdurare malitia. Neque enim in illa persecutione cogentur gentiles supra dictis consentire, sed in sua incredulitate morientur.“

Irrtum als Kennzeichen anderer Religionen in der christlichen Wahrnehmung

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entstammt zwar dem Schoß einer katholischen Mutter, wird am Lebensende jedoch vom Abgrund des Irrtums verschlungen, während ein anderer wiederum, den das Virus des Irrtums mit der Muttermilch hat aufwachsen lassen, sich später bekehrt 103. Mit Blick auf die Öffnung des Christentums für alle Religionen heißt es bei Beda: „Der Irrtum der Juden ist das Heil der Heiden.“ 104 Bekehrung (der Heiden) 105 oder Belehrung (der Häretiker) aber sind die einzigen Wege, den Irrtum abzulegen. III. Religiöser Irrtum scheint mir ein gangbarer Weg zu sein, nicht nur die christliche Wahrnehmung anderer Religionen und damit das mittelalterlich-christliche Selbstverständnis, sondern auch das mittelalterliche Verständnis des Irrtums an sich, wenn auch nur teilweise und aus bestimmtem Blickwinkel, besser zu erfassen. Wenn der Priester Salvian von Marseille schon im 5. Jahrhundert bezeugt, dass jeder Irrtum mit der Vernichtung (wörtlich: dem Verlust) des Irrenden bestraft wird (um wieviel mehr also, ist damit impliziert, der Irrtum des Unglaubens?) 106, dann zieht er damit immerhin eine direkte Verbindung zwischen allgemeinem und religiösem Irrtum. Als „religiöser Irrtum“ ist Irrtum in mittelalterlichen Diskursen fast allgegenwärtig und lässt entscheidende Akzente mittelalterlichen Denkens und ein ganzheitliches Verständnis erkennen: als Gegenpol zum ,Glauben‘, zur Wahrheit (als ,Glaubenswahrheit‘), zum ,Heilsweg‘ (Irrtum wird hier zum falschen Ziel) und Heilsverhalten (Irrtum verführt zum falschen Leben). Bezeichnend ist es jedoch nicht nur, dass in diesen Zusammenhängen keine Definition des ,Irrtums‘ gegeben wird oder notwendig erscheint - das Verständnis erschließt sich aus dem Kontext und wird bei den Lesern quasi vorausgesetzt -, sondern dass darüber hinaus auch ein (erklärender) Zusatz ,religiöser‘ Irrtum unnötig erscheint und nirgends begegnet: ,Irrtum‘ ist in solchen Zusammenhängen religiöser Irrtum. Man mag einwenden, dass ich in mei103

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Cf. Gregor der Große, Moralia in Iob 29, 33, 77, ed. Adriaen (nt. 33), 1489 sq.: „Alius in errorem infidelitatis natus, in errorem deficit; alius in catholicae fidei rectitudine genitus, in catholicae fidei rectitudine consummatur. Econtra uero alius catholicae matris uentre editus, iuxta uitae terminum erroris uoragine deuoratur, alius autem uitam suam in catholica pietate consummat, qui, ortus in perfidia, cum lacte matris auxerat uirus erroris.“ Fast wörtlich wiederholt bei Prudentius von Troyes, De praedestinatione, 2, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 115, Paris 1852, 1028 BC. Beda Venerabilis, In Matthaei evangelium expositio, II, 13, ed. Migne (nt. 62), 70 B: „Error Iudaeorum salus est gentium“; id., In Marci evangelium expositio, II, 6, 3, ed. D. Hurst (Corpus Christianorum. Series Latina 120), Turnhout 1960, 502: „Scandalum et error Iudaeorum salus nostra est et hereticorum condemnatio.“ Cf. Willibald, Vita Bonifatii, 6 (supra nt. 4); Chronicon Suevicum universale, 14 (supra nt. 6). Cf. Salvian von Marseille, Ad ecclesiam siue Aduersus auaritiam, IV, 2, 10, ed. G. Lagarrigues (Sources chre´tiennes 176), Paris 1975, 316: „Itaque si omnis error errantis perditione multatur et his quoque erroribus uita hominum periclitatur, quibus usitate atque communiter innocentia humana polluitur, quid futurum existimamus, ubi in deum ipsum detestabili infidelitate peccatur?“

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Hans-Werner Goetz

nen Ausführungen ja doch nur diese Art des Irrtums, eben den religiösen Irrtum, behandelt habe. Vom heutigen Standpunkt aus gesehen ist das natürlich richtig. In mittelalterlicher Sichtweise - und um diese geht es mir - stellt sich das jedoch anders dar: Religiöser Irrtum ist der Irrtum schlechthin, die christliche Lehre als Gegenpol ist die Wahrheit schlechthin.

Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung Neue Umgangsformen der hochmittelalterlichen Bildungselite mit dem Islam Matthias M. Tischler (Barcelona *) In memoriam Heinrich Fichtenau (1912-2000)

I. Einführ ung Erst in jüngster Zeit sind Dialog und Disputation als scholastische Auseinandersetzungsformen in der Umbruchsituation der hochmittelalterlichen Bildungsgeschichte, gerade auch aus der Perspektive der verschiedenen religiösen Traditionen, neu beleuchtet worden 1. Doch was sagt es über die christliche Wahrnehmung von religiöser Alterität aus, wenn es lange Zeit nicht einmal zu fiktiven, literarischen Dialogen mit Andersgläubigen kommt 2, sondern bewusst andere literarische Genres und Modi zur Auseinandersetzung mit deren Glaubensvorstellungen gewählt werden? Und was sagt diese Entscheidung wiederum über *

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Institucio´ Catalana de Recerca i Estudis Avancœ ats/Universitat Auto`noma de Barcelona, Edifici B, Campus de la UAB, E-08193 Bellaterra. Dieser Beitrag ist eine Ergänzung zu A. J. Novikoff, The medieval culture of disputation. Pedagogy, practice, and performance (The Middle Ages Series), Philadelphia (PA) 2013. Ohne Kenntnis dieses Buches hatte ich auf der Generalversammlung der Görres-Gesellschaft in Tübingen am 30. September 2013 Beobachtungen zum langen Fehlen eines (literarischen) Gesprächs zwischen Christen und Muslimen vorgestellt: „An- und Abwesende(s) in den Glaubensgesprächen des Hohen Mittelalters. Anmerkungen zur Geschichte scholastischer Auseinandersetzungsformen“, Symposium ,Interreligiöse Dia- und Contraloge‘. Diese strukturellen Beobachtungen liegen den folgenden Ausführungen zugrunde. Es fällt auf, dass wir bis zum 13. Jahrhundert auch aus dominikanischer Feder keine literarischen Glaubensgespräche haben, an denen der ,Muslim‘ als Vertreter seiner Glaubensposition teilnimmt, dann aber seit Ramon Llull, einem überaus produktiven Autor: R. Friedlein, Der Dialog bei Ramon Llull. Literarische Gestaltung als apologetische Strategie (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 318), Tübingen 2004. Diese Studie geht aber wiederum nicht auf Llulls grundsätzliche religiose und konzeptionelle Gegensätze zu den Dominikanern ein; cf. ibid., 48 und 62-64. Hierzu jetzt M. M. Tischler, Die Dominikanermission unter den Muslimen im 13. Jahrhundert. Warum der mallorquinische Laie, Universalgelehrte und Missionar Ramon Llull zum Fundamentalkritiker des Dominikanerordens wurde, in: M. Delgado (ed.), 800 Jahre Mission und interreligiöser Dialog in Dominikanertradition (Studia Friburgensia), Fribourg 2018 (im Druck).

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Matthias M. Tischler

die Entwicklung des eigenen Wissens- und Bildungsgefüges aus? Meine drei Hauptfragen, die hinter der folgenden Abhandlung stehen, lauten daher: 1. Welche Bedeutung haben das Vorhandensein und Fehlen von nichtdialogischen und dialogischen Formen der Auseinandersetzung mit religiöser Alterität und insbesondere mit dem Islam? 2. Wie sieht die wechselseitige Bedingtheit von gewählten literarischen Formen, religiösen Wahrnehmungsmustern und angewandten Methoden der Auseinandersetzung aus? 3. Welcher spezifisch interreligiöse Entwicklungsgang lässt sich an diesen Beobachtungen für die Übergangsphase von der Früh- zur Hochscholastik vom 12. zum 13. Jahrhundert ablesen? Ohne Zweifel ist die Wahrheitsfindung und -bewahrung in der eigenen religiösen Tradition, Auslegung und Praxis von größter Bedeutung. Jeder noch so kleine Irrtum innerhalb wie außerhalb dieses Traditionsstroms musste daher erkannt, bekämpft und beseitigt werden. Seit der Spätantike hat das Christentum, welches nun selbst zu einer anerkannten religiösen Traditionsgemeinschaft geworden war, die in der Auseinandersetzung mit antikem Judentum und paganem Heidentum gewonnen Erfahrungswerte auf die neuen Auseinandersetzungen mit Häretikern, Juden, Muslimen und Heiden angewendet und schrittweise weiterentwickelt. Gleichwohl gibt es bislang keine Problemskizze, welche die Anwendung der neuen scholastischen Methoden zur Irrtums- und Wahrheitsfindung für eine Einordnung des Islam in der religiösen Weltordnung des Hochmittelalters zwischen Heidentum, Judentum und Häresie und damit zur wissenschaftlichen wie historischen Integration in die christliche Wissensordnung systematisch erörtert 3. Nachdem unser bisheriger Fokus auf dem Vergleich der religiösen Grundtexte bis in die Zeit der Hochscholastik des 13. Jahrhunderts hinein lag 4, wird sich der folgende Beitrag mehr den frühen scholastischen Auseinandersetzungformen der Irrtumsfindung und -bekämpfung bis zum frühen 13. Jahrhundert widmen. Unser Augenmerk wird hierbei auch auf der Stellung und dem Stellenwert des Islam in diesen Werken gerichtet sein 5. Ein kurzer Ausblick auf die weitere Entwicklung des 13. Jahrhunderts wird hilfreich sein, um die Ergebnisse weiter einzuordnen. 3

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H. Fichtenau, Ketzer und Professoren. Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter, München 1992 geht zwar auf das Thema ,Islam‘ noch nicht ein, spürt aber bereits den Zusammenhängen zwischen Häresien und der scholastische Bekämpfung ihrer Irrtümer nach. Cf. M. M. Tischler, ,Lex Mahometi‘. Die Erfolgsgeschichte eines vergleichenden Konzepts der christlichen Religionspolemik, in: A. Speer/G. Guldentops (eds.), Das Gesetz - The Law La Loi (Miscellanea Mediaevalia 38), Berlin-Boston 2014, 527-573. ˆ ge (Collection Cf. J. V. Tolan, Les Sarrasins. L’Islam dans l’imagination europe´enne au Moyen A historique), Paris 2003; H.-W. Goetz, Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlichabendländisches Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5.-12. Jahrhundert), 2 vols., Berlin 2013 (es fehlen jeweils Petrus von Blois und Nikolaus von Amiens) gehen zwar auf die meisten der im folgenden behandelten christlichen Autoren und Werke ein, vergleichen aber eher die in ihnen evozierten Islambilder, als dass sie die gewählten äußeren und inneren

Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung

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II. Zwischen Patristik und Fr ühscholastik: Petr us Venerabilis 1. Die Muslime werden Teil einer umfassenden christlichen Glaubenslehre Am Anfang unserer Ausführungen soll Petrus Venerabilis (1092/10941156), der letzte große Abt von Cluny, stehen. Das von Petrus auf seiner Visitationsreise zu den spanischen Cluniazenserklöstern 1142 ins Leben gerufene Projekt der ersten lateinischen Koranübersetzung (samt begleitender Schriften) und seine schließlich selbst in Angriff genommene Auseinandersetzung mit dem Islam ist im größeren Rahmen seiner schon vorher erfolgten, intellektuellen Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Häresie der Petrobrusianer 6 und mit den Juden 7 zu sehen. Alle drei Glaubensgruppen, Juden, Häretiker und Muslime erkennt er in seiner Auseinandersetzung als die drei größten Feinde der heiligen Christenheit und stellt sich hierbei ausdrücklich in die Nachfolge des hl. Augustinus 8. Aus Petrus’ verschiedenen Werken zwischen 1130 und seinem Lebensende wird deutlich, dass er diesen Glaubenskampf als eine umfassende Auseinandersetzung außer- und innerhalb Clunys versteht. Er ist der erste Autor der lateinisch-christlichen Kirche, der sich aus eigenem Antrieb mit Häretikern, Juden und Muslimen gleichermaßen auseinandersetzt 9. Zu dieser Einsicht konnte Pe-

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Auseinandersetzungsformen (Genres, Argumentationsmodi) kontrastieren und in den hochmittelalterlichen Entwicklungsgang der scholastischen Auseinandersetzung mit religiöser Alterität einordnen. Cf. Petri Venerabilis Contra Petrobrusianos here´ticos, ed. J. Fearns (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 10), Turnhout 1968, 3-165. Cf. Petri Venerabilis Adversus Iudeorum inveteratam duritiem, ed. Y. Friedman (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 58), Turnhout 1985, 1-187. Dies bezeugt Petrus Venerabilis’ Notar Petrus von Poitiers in seinem Brief an den Abt von Cluny vom Jahr 1148: „Solus enim vos estis nostris temporibus, qui tres maximos sanctae Christianitatis hostes, Iudaeos dico et haereticos ac Sarracenos, divini verbi gladio trucidastis, et matrem ecclesiam non ita orbatam vel desolatam bonis filiis ostendistis“, ed. R. Glei, Petrus Venerabilis, Schriften zum Islam (Corpus Islamo-Christianum. Series Latina 1), Altenberge 1985, 226-230, 228,16-20. Der umfassende Kampf ist aber auch bei Petrus selbst zu erkennen, der als Vorbild insbesondere Augustinus und sein Werk ,De civitate Dei‘ nennt; cf. id., Epistola de translatione sua, § 5, ed. R. Glei, ibid., 22-28, 28,9-13: „Sic de reliquis sui temporis et non sui temporis haereticis, sic de Iudaeis, sic de paganis faciens non solum contra eos sui temporis homines armavit, sed etiam ad nos et ad posteros omnes maximae aedificationis et instructionis charisma transmisit “; id., Contra sectam Saracenorum, Prolog, § 16, ed. R. Glei, ibid., 30-224, 52,13-19: „His universis nulli supradictorum doctrina inferior, immo forte superior, Augustinus succedat, et libris notissimis viginti duobus ,De civitate Dei‘ editis non tantum contra haereticos, qui de ecclesia exeunt, sed et contra paganos ac Iudaeos, qui in ecclesia numquam fuerunt, contraque omnes omnino errores congruo tempore verbo scriptoque agendum esse doceat.“ Den Zusammenhang der drei Initiativen nennen schon Petrus’ Sekretär Petrus von Poitiers in seinem Begleitbrief zu den Petrus Venerabilis zugeschickten Capitula und Rudolf von Cluny in seiner Vita domni Petri abbatis Cluniacensis, c. 5, ed. R. Glei (nt. 8), 228,14-18: „Volo autem, ut sic isti confundantur a vobis, sicut confusi sunt Iudaei et provinciales haeretici. Solus enim vos estis nostris temporibus, qui tres maximos sanctae Christianitatis hostes, Iudaeos dico et haereticos ac Saracenos, divini verbi gladio trucidastis […].“ Cf. D. Iogna-Prat, L’impossible silence. Pierre le Ve´ne´rable, neuvie`me abbe´ de Cluny (1122-1156) et la pastorale du livre, in: R. M. Dessı`/M. Lauwers (eds.), La parole du pre´dicateur, Ve-XVe sie`cle (Collection du Centre d’E´tudes Me´die´vales de Nice 1), Nice 1997, 111-152, 138; „Tempore isto diversorum haereses in ecclesia pullularunt, et sua perversitate totum ecclesiae statum maculaverunt. Quod videns pater

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Matthias M. Tischler

trus aber nur kommen, weil er die Bedeutung der Übersetzung der bislang nicht zugänglichen Kernschriften der religiösen Gegner erkannt hatte, um sie als geistige Waffen gegen sie selbst einzusetzen 10. Damit überträgt er die Einsicht der christlichen Auslegungstradition zu I Sm 17, die besagt, dass man Goliath mit seiner eigenen Waffe schlagen muß, auf Judentum und Islam. Der eigentliche Skandal bezüglich des Islam bestehe nach Petrus’ Meinung darin, dass es angesichts der größten häretischen Gefahr für Leib und Seele überhaupt niemanden gegeben habe, der ihm geantwortet habe, weil es niemanden gegeben habe, der ihn kennengelernt und verstanden habe 11; dass also die Unwissenheit der Latei-

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beatus, totis nisibus assurgens, contra omnes verbis et scriptis agere coepit, et omnes auctoritate scripturarum superavit. Cujus libri contra eos facti qui tali vitio laborabant, et illos convincunt, et nobis doctrinae scientiam ministrant. Fecit etiam librum contra sectam Mahumet, et omnes ejus adinventiones mirabili disputatione destruxit “, edd. E. Marte`ne/U. Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium amplissima collectio […], vol. 6, Paris 1724 [Nachdruck: New York 1968], 1187-1202 [Nachdruck: Patrologia Latina, ed. J-P. Migne, vol. 189, Paris 1854, 15-28], 1193,28-39. Auch ein Epitaph in der um 1500 von Großprior Francœ ois de Rive geschriebenen ,Vita altera‘ bezeugt diese Dreiheit: „Hic Cluniacensis, instructor Catholicorum, / Contraque schismaticos, Iudaeos, et Mahumetos / Tractatus scribens, necnon volumina multa“, edd. M. Marrier/A. Duchesne, Bibliotheca Cluniacensis in qua ss. patrum abb. clun. vitae, miracula, scripta, statuta, privilegia chronologiaque duplex […], Paris 1614 [Nachdrucke: Maˆcon 1915; Bruxelles-Paris 1915], 589-602 [Nachdruck: Patrologia Latina, ed. J-P. Migne, vol. 189, Paris 1854, 27-42], 602,25-27. Iogna-Prat, L’impossible silence, 135; id., Ordonner et exclure. Cluny et la socie´te´ chre´tienne face a` l’he´re´sie, au judaı¨sme et a` l’islam 1000-1150 (Collection historique), Paris 1998, 32 nennt diese Dreiheit sinnigerweise „le triptyque que forme son œuvre ˆ ge, Paris 1994, 311the´ologique“, bzw. id., Cluny, in: Dictionnaire des lettres francœ aises. Le Moyen A 316, 315 „le triptyque pole´mique“; cf. auch id., Ordonner et exclure, 121. J. V. Tolan, Peter the Venerable on the ,diabolical heresy of the Saracens‘, in: A. Ferreiro (ed.), The devil, heresy, and witchcraft in the Middle Ages. Essays in honor of Jeffrey Burton Russell (Cultures, Beliefs, and Traditions 6), Leiden e.a. 1998, 345-367 [aktualisierte Fassung in: id., Sons of Ishmael. Muslims through European eyes in the Middle Ages, Gainesville (FL) 2008, 46-63 und 170-173], 367 spricht von „trilogy of theological polemics“. Im Kontext der Streitschriften des Petrus erwähnt Rudolf neben Contra Petrobrusianos hereticos und Adversus Iudaeorum inveteratam duritiem nur dessen Werk Contra sectam Saracenorum, nicht die ungleich bedeutendere Vorarbeit hierzu, die erste lateinische Koranübersetzung. Cf. W. Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter 4: Ottonische Biographie. Das hohe Mittelalter. 920-1220 n. Chr., vol. 2: 1070-1220 n. Chr. (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 12/2), Stuttgart 2001, 308 nt. 96. Davon berichtet erst die eben genannte Vita altera, aber auch sie im Anschluß an die Traktate gegen die Juden und die Petrobrusianer: „Idem iste Petrus noster Cluniacensis Abbas ipso existente in Hispaniis cum Imperatore, transtulit de Arabico in Latinum Alchoranum de lege Mahometi haeretici. Et tamen in Cluniaco scripsit fortissime adversus praedictam sectam, Opus suum dividens in quinque Libros, qui Libri dividuntur per Capitula“, edd. Marrier/Duchesne, Bibliotheca Cluniacensis, 591,35-41. Diesen Gedanken formuliert Petrus sogar wortwörtlich zu Beginn von c. 4 seines antijüdischen Traktats Adversus Iudaeorum inveteratam duritiem, ed. Friedman (nt. 7), 68,7-10: „Non deerit michi, ut spero, ad te perimendum, si vivere nolueris, gladius Goliae quo te prostrato in plenam tui perniciem utar, et blasphemum caput mucrone, quo contra Deum accinctus processeras, resecem.“ Cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 17, ed. Glei (nt. 8), 20,6-12: „quia scilicet cum [sc. „ecclesia“] omnes sive antiquas sive modernas haereses usque ad nostra tempora respondendo confutaverit, huic soli, quae super omnes alias tam in corporibus quam in animabus infinitam humani generis stragem dedit, non solum nihil respondit, sed nec quid tanta pestis esset aut unde processerit inquirere saltem vel tenuiter studuit “; id., Contra sectam Saracenorum, Prolog, § 17, ed. Glei (nt. 8), 54,9-12: „Indignatus sum causam tantae perditionis Latinos ignorare et ipsa ignorantia nullum ad resistendum posse

Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung

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ner dazu geführt habe, den Gegner nicht bekämpfen zu können. Nach Petrus’ Überzeugung dürfe ein religiöser Irrtum sich nicht in aller Stille ausbreiten. Vielmehr müsse er öffentlich benannt werden, damit er widerlegt werden könne. Insofern hat Petrus aus Einsicht in sein verändertes Islambild methodische Meilensteine für die Zukunft gelegt. Zunächst schreibt er die Summa totius haeresis Saracenorum 12, eine kurze Phänomenologie des Islam 13, die deshalb in einem sehr polemischen Ton gehalten ist, weil sie für den internen Gebrauch unter den französischen und iberischen Cluniazensern bestimmt ist 14. Der Text bietet als Summa die Quint-

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animari. Nam non erat qui responderet, quia non erat qui agnosceret.“ Möglicherweise rekurriert hier Petrus auf eine ähnliche Idee des Wibert von Nogent, wonach kein Kirchenvater gegen Muhø ammads Lehre ein Werk verfaßt habe: „Quem prophanum hominem parvae multum antiquitatis existimo, non ob aliud scilicet nisi quia aecclesiasticorum doctorum neminem contra eius spurcitiam scripsisse repperio“, ed. R. B. C. Huygens, Guitberti abbatis Sanctae Mariae Novigenti Historia quae inscribitur Dei gesta per Francos quinque accedentibus appendicibus (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 127 A), Turnhout 1996, 77-352, 94,250-253. Cf. auch die mit Petrus Venerabilis korrespondierende Feststellungen des Koranübersetzers Robert von Ketton: „Latinitas tamen omnis hucusque non dicam perniciosis incommodis ignorantiae, negligentiaeve pressa, suorum hostium causam et ignorare, et non depellere passa est “, ed. Th. Bibliander, Machumetis Saracenorum principis […] Alcoran […], Basel 1543 [ 21550], 7 sq. [Nachdruck: Patrologia Latina, ed. J.-P. Migne, vol. 189, Paris 1854, 657-660], 7,18-20; „[…] ut illam heresim, omnium maximam, per me denudatam, quam, inter rudes origine sumpta, omnes eciam ecclesie doctores in universum et nimium crescere per quingentos triginta et septem annos passi sunt, ipse fortiter et omnino destruat “, ed. J. Leclercq, Pierre le Ve´ne´rable (Figures ´ . de la Cruz Palma, Los textos monastiques), Saint-Wandrille 1946, 375-377, 376,9-13; ed. O de la llamada ,Collectio Toletana‘, fuente de informacio´n sobre el Islam, in: Proceedings of the Fifth International Congress for Medieval Latin Studies (Toronto 2006) 1 [= The Journal of Medieval Latin 17 (2007)], Turnhout 2007, 413-434 (Edition: 419 sq.), 419,20-24. Zu diesem Zeitpunkt hat Petrus seine umfangreiche Widerlegung des Islam noch nicht verfaßt, da er sie von jemanden anderes in § 17 erwartet bzw. am Ende seiner einleitenden Zusammenfassung in § 18 ankündigt, cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, ed. Glei (nt. 8), 20,2-6 und 20,7-22,16: „[…] et si talis est, qui contra totam haeresim istam scribere et velit et possit, cum quali hoste pugnaturus sit agnoscat. Erit enim fortasse adhuc cuius spiritum dominus suscitabit, ut ecclesiam dei a magna quam inde patitur ignominia liberet […] ut […] aliquis dei servus ad eam scripto refellendam Sancto inflammante Spiritu incitaretur. Quod quia - pro pudor - iam paene toto huiusmodi studiorum sanctorum ubique in ecclesia tepefacto fervore non est qui faciat (exspectavi enim diu, et non fuit qui aperiret os et zelo sanctae Christianitatis moveret pennam et ganniret), ego ipse, saltem si magnae occupationes meae permiserint, quandoque id aggredi domino adiuvante proposui. Semper tamen a quocumque altero melius quam a me deterius hoc fieri gratum haberem.“ Glei, 249, nt. 85 möchte den vorletzten zitierten Satz auf Bernhard von Clairvaux beziehen, weshalb er die heute allein bekannte Fassung der Summa aufgrund von weiteren Versatzstücken hieraus in Petrus’ Epistola 111 an Bernhard von Clairvaux für eine spätere Fassung hält (ibid., xix sq.). Besagte Wendung kann aber auch allgemeingültig formuliert sein, womit die Unterscheidung zwischen einer früheren und einer späteren Fassung der Summa entfiele. Cf. Iogna-Prat, Ordonner et exclure (nt. 9), 339-342. Mit dem Übergang von den Gemeinsamkeiten zu den Differenzen zwischen dem Glauben der Christen und Muslime nimmt der polemische Ton des Werkes zu. Cf. Ch. Sassenscheidt, Die Konstruktion des Anderen am Beispiel des Islams in der ,Summa totius haeresis Saracenorum‘ des Petrus Venerabilis, in: M. Borgolte e.a. (eds.), Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 18), Berlin 2011, 228-238. Die Auffassung von J. Kritzeck, Peter the Venerable and Islam (Princeton Oriental Studies 23), Princeton (NJ) 1964, 115 sq., wonach diese Einführung für Bernhard von Clairvaux und den französischen Klerus gedacht ist, scheitert sowohl an den textimmanenten wie den rezeptionsgeschichtlichen Fakten.

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essenz des Islam und ist als accessus zur sog. Collectio Toletana gedacht 15, die er neben vorbereitenden und begleitenden Texten zur Grundlage hat 16. Anlass seiner Auseinandersetzung, so Petrus, sei die große Gefahr, die von der größten aller Häresien, vom Islam ausgehe 17. Im Zentrum der kleinen Schrift steht die Einsicht, dass die teuflische Ketzerei der Muslime den Glauben an die Trinität und somit an die Gottessohnschaft und Gottheit Jesu Christi sowie die christlichen Sakramente ablehne 18. Die Wurzeln dieser Häresie lägen in christlichhäretischem und jüdischem Gedankengut 19. Petrus nimmt also eine integrative Haltung gegenüber dem Islam und seinem Propheten Muhø ammad ein, die in der kontrastiven Abhandlung eines Katalogs wesentlicher christlicher Glaubensinhalte 20 und ihrer konsequenten Umschreibung mit dem Vokabular christlicher Häresievorstellungen zum Ausdruck kommt 21. Diese traditionelle, patristische 15

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Der einführende Charakter der ,Summa‘ ergibt sich aus folgender Stelle in § 3, ed. Glei (nt. 8), 4,1-4: „De quo quis fuerit et quid docuerit [sc. „Mahumetus“] propter eos qui librum istum lecturi sunt, ut scilicet quod legerint melius intelligant et quam destestabilis tam vita quam doctrina illius exstiterint sciant, dicendum videtur.“ Benutzt sind der Koran, der sog. Pseudo-al-Kindı¯, Petrus Alfonsis Dialogus contra Iudaeos und die Chronographia des Theophanes in der Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius. Cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 17, ed. Glei (nt. 8), 20,8-11: „[…] huic soli, quae super omnes alias [sc. haereses] tam in corporibus quam in animabus infinitam generis stragem dedit, non solum nihil respondit [sc. ecclesia].“ Cf. ibid., § 1, 2,3-4: „In primis primus et maximus ipsorum exsecrandus est error, quod trinitatem in unitate deitatis negant […]“; ibid., § 2, 2,1-4 und 4,23-26: „Illi item caeci deum creatorem patrem esse negant, quia secundum eos nullus fit pater sine coitu. Christum itaque, licet ex divino spiritu conceptum, dei filium esse non credunt […] Sic enim docuit eos miserrimus atque impiissimus Mahumethus, qui omnia sacramenta Christianae pietatis, quibus maxime homines salvantur, abnegans […].“ Zur Ablehnung der christlichen Sakramente cf. auch ibid., § 12, 14,5-7: „[…] nec baptismati, sacrificio, paenitentiae vel alicui Christiano sacramento […] communicant “; ferner id., Contra sectam Saracenorum, Prolog, § 14, ed. Glei (nt. 8), 50,1-4: „Cum paganis autem baptisma abiciunt, sacrificum Christianum respuunt, paenitentiam cunctaque reliqua ecclesiae sacramenta derident.“ Cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 7, ed. Glei (nt. 8), 8,1-10: „Et ut tota iniquitatis plenitudo in Mahumeto conflueret et nihil ei ad perditionem sui vel aliorum deesset, adiuncti sunt Iudaei haeretico, et ne verus Christianus fieret dolose praecaventes, homini novis rebus inhianti non scripturarum veritatem, sed fabulas suas, quibus nunc usque abundant, Mahumeto Iudaei insibilant. Sic ab optimis doctoribus Iudaeis et haereticis, Mahumetus institutus Alkoran suum condidit, et tam ex fabulis Iudaicis quam ex haereticorum neniis confectam nefariam scripturam barbaro ullo suo modo contexuit “; und zusammenfassend: ibid., § 10, 12,16-17: „suadente iam dicto monacho [sc. „Sergio (Bahø ira)“] ac praefatis Iudaeis idolatriam.“ Angesprochen werden (in dieser Reihenfolge) die Leugnung der Trinität und der hiermit verbundenen Wesenseinheit (Christologie), die Lehre vom Gericht, ein kurzer Abriß von Leben, Charakter und Lehre des Muhø ammad, der als Pseudoprophet gekennzeichnet und dessen Glaubensvorstellungen als ein Synkretismus aus nestorianischen und jüdischen Anteilen beschrieben werden, die Höllen- und Paradiesesvorstellung des Muhø ammad, seine freizügige Lebensgestaltung, seine Lebensvorschriften sowie sein allmählicher Aufstieg zur Macht. Beschlossen wird die knappe Einführung mit einer skizzenhaften Soteriologie, die vom Vergleich des Zerstörungswerkes des Teufels bei Muhø ammad und bei Porphyrius getragen ist. So etwa in der nestorianischen Prägung des Muhø ammad durch den Mönch Sergius (Bahø ira), worin Petrus Venerabilis dem Pseudo-al-Kindı¯, nicht Petrus Alfonsi (jakobitische Prägung) folgt: Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 6, ed. Glei (nt. 8), 8,1-12; cf. ibid., 244 nt. 34. Cf. ferner ibid., § 9, 10,11-12,16: „Inter ista omnes paene antiquarum haeresum faeces, quas

Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung

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Wahrnehmungsmethode, die Petrus in seiner großen Widerlegung ,Contra sectam Saracenorum‘ weiter ausbauen wird, bringt ihn freilich in die Verlegenheit, nicht zuverlässig entscheiden zu können, ob er es nun mit einer Häresie oder nicht doch mit Heidentum zu tun habe 22. Daher knüpft er in seiner Widerlegung des Islam stets an beide Traditionsstränge der Patristik an an den der Häresiebekämpfung und an den der christlichen Heidenapologetik.

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diabolo imbuente sorbuerat, revomens cum Sabellio trinitatem abnegat, cum suo Nestorio Christi deitatem abicit, cum Manichaeo mortem domini diffitetur, licet regressum eius non neget ad caelos“; ibid., § 15 (der Glaubensabfall des Porphyrius), 16-18. Cf. ibid., § 12, 14,1-7: „Hos licet haereticos nominem, quia aliqua nobiscum credunt, in pluribus a nobis dissentiunt, fortassis rectius paganos aut ethnicos, quod plus est, nominarem, quia, quamvis de domino vera aliqua dicant, plura tamen falsa praedicant nec baptismati, sacrificio, paenitentiae vel alicui Christiano sacramento, quod numquam ullus praeter hos haereticus fecit, communicant “; id., Contra sectam Saracenorum, Prolog, §§ 13-14, 48-50: „Ad haec ego: Fateor hoc, inquam, et ipse Christianos pertinaciter contra quamlibet rectae fidei partem agentes iam ab antiquo usitato nomine dici haereticos, et id quod prave sentiunt vel fatentur vocari haeresim. Sed utrum Mahumeticus error haeresis dici debeat et eius sectatores haeretici vel ethnici vocari, non satis discerno. Video enim eos hinc haereticorum more de fide Christiana quaedam suscipere, quaedam abicere, hinc ritu pagano, quod nulla umquam haeresis fecisse scribitur, facere pariter et docere. Nam cum quibusdam haereticis - scribente sic in Alkorano suo impio Mahumetus - Christum quidem de virgine natum praedicant, maiorem omni homine ipsoque Mahumeto dicunt, sine peccato vixisse, vera praedicasse, mira fecisse affirmant, spiritum dei, verbum dei fuisse fatentur - sed nec spiritum dei aut verbum ut nos aut intelligunt aut exponunt -, Christi passionem aut mortem non solum ut Manichaei phantasticam, sed nullam prorsus exstitisse vesaniunt. Haec quidem et similia cum haereticis sentiunt. Cum paganis autem baptisma abiciunt, sacrificium Christianum respuunt, paenitentiam cunctaque reliqua ecclesiae sacramenta derident. Elige igitur quod malueris! Aut voca haereticos propter haereticum sensum et quo partim cum ecclesia sentiunt, partim dissentiunt, aut dic paganos propter excellentem impietatem, qua omnium haeresum errores professione impia vincunt. Si haereticos dixeris, probatum est supra omnibus haereticis vel haeresibus obviandum. Si paganos vocaveris, probo idque Patrum auctoritate ostendo non minus et illis resistendum“; ibid., § 17, 52,1-3: „Sive ergo Mahumeticus error haeretico nomine deturpetur sive gentili aut pagano infametur, agendum contra eum est, scribendum est.“ Cf. R. Ch. Schwinges, Wilhelm von Tyrus. Vom Umgang mit Feindbildern im 12. Jahrhundert, in: Susanna Burghartz e.a. (eds.), Spannungen und Widersprüche. Gedenkschrift für Frantisˇek Graus, Sigmaringen 1992, 155-169, 164: „Abt Petrus Venerabilis von Cluny […] konnte sich nicht entscheiden. In der langen Einführung zu seiner Koranwiderlegung - zwei Kapitel allein sind diesem Problem gewidmet - äußerte er sich freimütig, es sei ihm nicht klar, ob die Irrlehre der Mohammedaner eine Häresie und ihre Anhänger Häretiker oder vielmehr Heiden genannt werden sollten; dies, obgleich er vorher kirchenrechtlich richtig festgestellt hatte, daß der Islam nicht von der Kirche ausgegangen sei, insofern also keine Häresie im strengen Sinn sein könne. Petrus verstand es, Argumente für beide Möglichkeiten anzuführen. Für Ketzerei sprachen trotz der Anerkennung Christi als Geist und Wort Gottes, seiner Geburt von der Jungfrau Maria und der Wahrheit seines Evangeliums die Leugnung der Gottheit Christi und seiner Passion; für Heidentum dagegen die Verwerfung der Taufe, der Eucharistie sowie der übrigen Sakramente. Petrus drückte sich aber um eine Entscheidung herum und überließ sie dem Leser, das heißt, er zog nicht die Konsequenzen seiner eigenen Überlegungen, die auf die orientalische Version einer weiteren Religion neben Christentum, Judentum und Heidentum hätten hinauslaufen können. Analog dazu wand sich Petrus auch um die Gottesidentität herum. Zwar erkannte er ,unum Deum’, mit den Muslimen teilen mochte er ihn aber doch nicht: Die Sarazenen würden Gott zwar mit dem Munde bekennen, aber er bliebe ihnen völlig unbekannt.“ Cf. auch bereits id., Kreuzzugsideologie und Toleranz. Studien zu Wilhelm von Tyrus (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 15), Stuttgart 1977, 120.

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Petrus’ eigentliche Islampolemik entfaltet sich in seinem Werk ,Contra sectam Saracenorum‘, dessen Ziel es ist, die ungläubigen Muslime zu bekehren 23: Im sehr ausführlichen Prolog 24, der allein an christliche Leser gerichtet ist, rechtfertigt Petrus die Notwendigkeit seines Werkes. Hier liefert er eine Phänomenologie aller, ihm bekannter, Sekten und Häresien 25. Dies ist sein auch anderswo zu beobachtender Versuch 26, eine bislang unbekannte Häresie in die ihm vertraute Geschichte der christlichen Dogmen einzuordnen. Diese, schon von den Kirchenvätern praktizierte Methode der Wahrnehmung und Deutung - in deren gelehrte wie sittliche Nachfolge Petrus sich ausdrücklich stellt 27 - wird nun 23

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Cf. J.-P. Torrell, La notion de prophe´tie et la me´thode apologe´tique dans le ,Contra Saracenos‘ de Pierre le Ve´ne´rable, in: Studia monastica 17 (1975), 257-282 [Nachdruck: id., Recherches ˆ ge, XIIe-XIVe sie`cles. E´tudes et textes (Dokimion sur la the´orie de la prophe´tie au Moyen A 13), Fribourg 1992, 75-100]; id./D. Bouthillier, Pierre le Ve´ne´rable et sa vision du monde. Sa vie - son œuvre. L’homme et le de´mon (Spicilegium Sacrum Lovaniense. E´tudes et documents 42), Louvain 1986, 180-194; T. Georges, Petrus Venerabilis - der antijüdische Polemiker als Botschafter des Friedens gegenüber dem Islam? Eine Untersuchung seiner Schrift ,Contra sectam Saracenorum‘, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 122 (2011), 1-19. Diese intendierte Rezeptionsperspektive muß man im Auge behalten, wenn man den gegenüber der Summa totius haeresis Saracenorum gemäßigteren Ton des Werkes verstehen will. Zu verschiedenen anderen Merkmalen, die auf dieses Publikum hinweisen cf. Glei, Petrus Venerabilis (nt. 8), XXVI sq. Abgesehen davon ist die in ibid., 248, nt. 78 und 274, nt. 282 vorgebrachte Behauptung, Petrus’ Meinung zu Muhø ammad als Sprachrohr des Teufels habe sich im Laufe der Zeit gewandelt, irrig; cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 16, ed. Glei (nt. 8), 18,912; id., Contra sectam Saracenorum, I, §§ 43 und 45, ed. Glei (nt. 8), 88,5-6 und 90,5-8. Wofür sich Petrus am Schluß zu entschuldigen müssen meint; cf. ibid., Prolog, § 22, 60,4-6: „Sed ut excusatum me lector habeat, sciat hoc importunis obiectionibus disputantium contigisse, quibus, ne brevis viderer, forte iusto prolixior aliis exstiti.“ Ibid., § 3-16, ibid. 32-52. Summa totius haeresis Saracenorum: cf. supra 285-287 mit nt. 12-22; ferner id., Epistola 111, ed. Glei (nt. 8), 297,9-13: „Inter ista omnium pene antiquarum heresum feces quas diabolo imbuente sorbuerat revomens, cum Sabellio trinitatem abnegat, cum suo Nestorio Christi deitatem abiicit, cum Manichaeo mortem domini diffitetur, licet regressum eius non neget ad caelos.“ Cf. J. M. Ga´zquez, Los Santos Padres, modelo de Pedro el Venerable en la refutacio´n del Islam, in: Homenaje a Marcelo Martı´nez Pastor [= Cuadernos de Filologı´a Cla´sica. Estudios latinos, N. S. 15 (1998)], Madrid 1998, 353-361, 356-358. Zu nennen sind hier folgende Stellen: Epistola de translatione sua, § 3, ed. Glei (nt. 8), 24,1-6: „Fuit autem in hoc opere intentio mea, ut morem illum Patrum sequerer, quo nullam umquam suorum temporum vel levissimam ut sic dicam haeresim silendo praeterierunt, quin ei totis fidei viribus resisterent et scriptis atque disputationibus esse detestandam ac damnabilem demonstrarent “; auch seine Erinnerung an Bernhard von Clairvaux in: ibid., § 5, 28,49: „Propono inde vobis Patres omnes et praecipue Patrem Augustinum, qui licet Iulianum Pelagianum, licet Faustum Manichaeum verbis et labore suo ad fidem rectam convertere nequiverit, non tamen, quin de eorum errore magna contra eos volumina conderet, omisit “; id., Contra sectam Saracenorum, Prolog, § 2, 30,1-32,9: „Causa plane scribendi haec mihi fuit, quae multis et magnis Patribus extitit. Non potuerunt illi pati quamlibet vel parvam iacturam fidei Christianae nec adversus sanam doctrinam insanientem multiformium haereticorum vesaniam tolerarunt. Caverunt esse muti ubi loquendum erat, advertentes immo plenissime scientes non minus se addicendos in subtili apud deum statera iudicii de infructuoso vel, quod maius est, damnoso silentio quam de verbo otioso vel noxio […]“; ferner ibid., §§ 3-7 der ausführliche Katalog an patristischen Widerlegungen spätantiker Häresien, ed. Glei (nt. 8), 32-40. Auch die weiteren Abschnitte des Prologs sind ganz in diesem patristischen Geiste geschrieben. Auch wenn Petrus kein Bischof,

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erstmals auf den Islam angewandt. Aber Petrus bemerkt sehr rasch - wahrscheinlich unter dem Einfluß der ihm nun auch zur Verfügung stehenden Islampolemik des sog. Pseudo-al-Kindı¯ -, dass Muhø ammad seine Lehre nicht wie die anderen Häretiker mit Argumenten, sondern mit Gewalt und Krieg verbreitet hat 28. Zu Beginn von Buch I rechtfertigt Petrus dann, nach Betonung des allgemeingültigen Doppelgebotes der Gottes- und Nächstenliebe 29, seine rationale Vorgehensweise, die auf der Einsicht in die Friedfertigkeit aller Sinneswesen und der Vernunftbegabtheit aller Menschen basiert 30. Die von Natur aus gegebene Gleichheit von Christen und Muslimen ist für Petrus die wichtigste Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit der Position des religiös Anderen 31. Seine Verstandes- bzw. Vernunftbegabtheit macht dieses Gegenüber zu einem mit rationalen Argumenten überzeugbaren Gesprächspartner. Es folgt eine grundsätzliche Anfrage an das mit Gewalt sanktionierte Verbot für Muslime, an Glaubensgesprächen teilzuhaben 32. Den Dialog über Glaubensauffassungen müssten die Muslime schon deshalb wollen, weil sie selbst vernunftbegabte Wissenschaft betrieben 33. Wer von Natur aus mit Vernunft begabt sei und hiervon angeleitet Wissenschaft betreibe, wolle die rationale Auseinandersetzung, denn er suche

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sondern ,nur‘ Abt ist, so gründet doch seine Autorität im innerkirchlichen Gewicht der ecclesia Cluniacensis, der er vorsteht. Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, Prolog, § 11, ed. Glei (nt. 8), 46,7-12: „Hinc non miti ratione, sed violenta incursione toto fere ut dictum est armis Oriente subacto Aegyptum, Libyam Africamque universam profanae religioni subiecit, et sic duabus mundi partibus occupatis nec tertiam, quae Europa vocatur, Hispania pervasa Christo vel Christianis suis integram dereliquit.“ Cf. ibid., I, § 24, 62,6-22. Cf. ibid., I, § 25, 64. Cf. J. Kritzeck, De l’influence de Pierre Abe´lard sur Pierre le Ve´ne´rable dans ses œuvres sur l’Islam, in: R. Louis/J. Jolivet (eds.), Pierre Abe´lard, Pierre le Ve´ne´rable. Les courants philosophiques, litte´raires et artistiques en Occident au milieu du XIIe sie`cle, Abbaye de Cluny, 2 au 9 juillet 1972 (Colloques internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique 546), Paris 1975, 205-212 und 213 sq. (Discussion), 210 sq. (Einfluß Abaelards); J. Me´nard, Remarques sur le roˆle de la ,Philosophie‘ dans le ,Liber contra sectam sive haeresim saracenorum‘ de Pierre le Ve´ne´rable, in: Actas del V Congreso internacional de filosofı´a medieval, vol. 2, Madrid 1979, 999-1004, 1002 sq. (ohne Kenntnis des Beitrags von Kritzeck); T. Georges, ,[…] auf das unerschütterliche Fundament der Vernunft gegründet […]‘? Petrus Venerabilis und Petrus Alfonsi zur Rolle der ,ratio‘ im Islam, in: P. Gemeinhardt/T. Georges (eds.), Theologie und Bildung im Mittelalter (Archa Verbi. Subsidia 13), Münster 2015, 359-373, 366-370 (ohne Kenntnis der Beiträge von Kritzeck und Me´nard). Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, I, § 29, ed. Glei (nt. 8), 68,5-14: „Audiatis ideo dico, quia, quod valde mirum est, si tamen verum est, nullum contra morem vobis assuetum, nullum contra vestras patrias leges agere volentem, nullum contra ritus ab ipso quem supra nominavi vestro propheta vobis traditos disputare quaerentem vos velle audire audivi. Et non solum vos hoc nullo velle audire accepi, sed ut ipsa loquendi primordia lapidibus aut gladiis vel quolibet alio mortis genere obstruatis, vobis lege praeceptum ab Oriente vestro ad Occidentem nostrum fama diffusa fatetur.“ Man beachte diese offenkundig mündlich aus dem Nahen Osten überbrachte Information. Weitere ähnliche Stellen: ibid., I, § 33, 74,910 und 22-24. Cf. ibid., I, § 29, 66,2: „sed et ingenio et arte rationabiles“; ibid., § 30, 68,1: „viri iuxta scientiam saecularem prudentes“; und ibid., § 59, 110,1: „o prudentes iuxta carnem viri.“

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Sicherheit im Umgang mit den Dingen der Welt, die erst mit dem Wissen um die Wahrheit dieser Dinge erreicht werde. Um zu dieser Wahrheit zu gelangen, müssten aber die vorhandenen Meinungen geprüft und diskutiert werden 34. Ungleich mehr gelte der Zusammenhang von Wahrheitsinteresse und Meinungsprüfung aber jenseits der geschaffenen Dinge gerade dem, das allem Geschaffenen als Ungeschaffen vorausgehe und das von allen Völkern ,Gott‘ genannt werde 35. Kein vernunftbegabter und den Wissenschaften aufgeschlossener Mensch könne daher der Auseinandersetzung um die letzte Wahrheit ausweichen. Vielmehr müsse er diese suchen, denn eine Ablehnung sei nichts als das Eingeständnis, einer falschen Position anzuhängen 36. Aufgrund seiner gegenteiligen Anweisungen, die Gewalt, ja Mord den Vorzug vor dem Glaubensgespräch gäben, könne der sog. Prophet Muhø ammad nur einen falschen Glauben propagiert haben 37. Im weiteren Verlauf seines Werkes will sich Petrus unter dieser Maßgabe kritisch mit dem ,Gesetzgeber‘ (legislator) und seiner ,Gesetzgebung‘ (legislatio) auseinandersetzen 38. Nach einem überleitenden, aus der ,Historia ecclesiastica gentis Anglorum‘ des Beda Venerabilis genommenen, historischen Exkurs zur friedlichen christlichen Mission unter den heidnischen Angeln (I, 25) 39, die Petrus kaum zufällig als ein zu Muhø ammads Leben und Wirken zeitgleiches Beispiel gewählt hat, um die muslimischen Leser auf die weiteren Darlegungen einzustimmen 40, geht er auf die Vermengung von jüdischen und christlichen Anteilen in dem ihm seit einigen Jahren in lateinischer Übersetzung vorliegenden Koran ein 41 und widerlegt in Verbindung damit den muslimischen Vorwurf der Verfälschung der heiligen Schriften durch Juden und Christen (tahø rı¯f ), wodurch er wiederum die Falschheit bzw. Zweifelhaftigkeit des Koran erweisen kann 42. 34 35 36 37 38

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Cf. ibid., §§ 30-31, 68-70. Cf. ibid., §§ 32-33, 72-74. Cf. ibid., § 34, 74-76. Cf. ibid., §§ 35-48, 76-94. Cf. ibid., § 49, 96,22-24: „necesse mihi erit et contra vestrum legislatorem et contra ipsius legislationem verbis materiei congruentibus agere.“ Zu Heidenvorstellung und Heidendarstellung in Bedas Historia ecclesiastica gentis Anglorum allgemein cf. K. Zech, Heidenvorstellung und Heidendarstellung. Begrifflichkeit und ihre Deutung im Kontext von Bedas ,Historia Ecclesiastica‘“, in: A. Aurast/H.-W. Goetz (eds.), Die Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter. Terminologische Probleme und methodische Ansätze (Hamburger geisteswissenschaftliche Studien zu Religion und Gesellschaft 1), Berlin 2012, 15-45, 22-45. Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, I, §§ 51-54, ed. Glei (nt. 8), 98-104. Hierzu cf. Max Lejbowicz, Between autochthonous tradition and concealed acculturation, in: A. Speer/L. Wegener (eds.), Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 33), Berlin-New York 2006, 32-46, 35-39 (mit etlichen Fehlurteilen). Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, I, § 55, ed. Glei (nt. 8), 104,5-7: „Ex quo ab aliquot annis lex Mahumetica de lingua Arabica in patriam id est Latinam meo studio translata est.“ Zum Terminus lex Mahumetica cf. auch schon ibid., § 33, 74,9-10: „lex Mahumetica os obturabit aut, si quid forte contra eam dixero, vix primis verbis elapsis caput secabit?“ Cf. ibid., I, §§ 55-88, 104-148. Die wechselseitige Bedingtheit der beiden Argumentationskreise zeigt Petrus sehr schön auf ibid., I, §§ 75-76, 132,16-132,3: „Constat igitur hac ratione legem illam, illam inquam legem vestram, quam de caelis missam gloriari soletis, non solum ex parte sed totam

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In Buch II nimmt Petrus den zu Beginn von Buch I angesponnenen Gesprächsfaden des muslimischen Bekenntnisses von Muhø ammad als dem letzten der Propheten, dem „Siegel aller Propheten“, wieder auf 43. Er kennzeichnet den Stifter der muslimischen Gemeinschaft näherhin als jemanden, der angesichts des christlichen Konzeptes eines Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassenden 44, thaumaturgischen 45 und nach dem Geltungsgrad unterschiedenen 46 Prophetentums nicht in eine Linie mit den Propheten Mose, Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Daniel, Elija und Elischa sowie mit Christus gestellt werden könne 47. Daher sei er gerade nicht das Siegel der Propheten 48. Diesen Nachweis könne er, Petrus, auf der Grundlage der in Buch I bereits erwiesenen Wahrhaftigkeit der biblischen Bücher erbringen 49. Buch II und somit das ganze Werk schließt Petrus mit dem apodiktischen Satz „Non est igitur propheta“ 50. Diese Schlußsentenz trifft Muhø ammads Glaubenslehre natürlich ins Mark. Aber im Gegensatz zu den von seinem Sekretär Petrus von Poitiers geplanten polemischen Kapiteln 51 und im Gegensatz zum wenig zimperlichen Ton seiner eigenen, früher

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ex integro falsam vel dubiam. Quod si falsum vel dubium Alkoran vestrum vel dicere vel credere refugitis, urgente vos undique certa quae nec fallit nec fallitur veritate fateri cogemini libros illos, unde a Mahumeto vestro plurima vel sumpta vel quantum ad sententiam sicut ibi leguntur legi vestrae inserta sunt, non ex parte sed ex toto veraces, non ex parte sed ex toto divinos. Hoc concesso non solum Iudaica volumina absque ulla mendacii nota ut divina suscipietis, sed hac eadem per omnia ratione etiam Christianos libros pariter admittetis […]“; ferner ibid., §§ 86 und 88, 144,1- 146,17 und 148,1-3. Die Anregung zu diesen Auseinandersetzungen gab wahrscheinlich der Pseudo-al-Kindı¯; cf. ibid., 277, nt. 316. Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, I, § 28, ed. Glei (nt. 8), 66,6-7: „Ille cum sit ordine ultimus in prophetis et velut ,signaculum omnium prophetarum’.“ Cf. auch den Schlußsatz von Buch I, ibid., § 88, 148,6-9: „Quod autem saepe dicta lex vestra omni prorsus veritate destituatur ipseque ille, ille plane ille, nec propheta fuerit nec dei nuntius, sed seductor et profanus, sequentia declarabunt.“ Das Zitat aus ibid., I, § 28 wird wortwörtlich wieder aufgenommen in ibid., II, § 95, 158,6-7. Zum Prophetenkonzept als apologetischer Strategie des Buches, das wiederum durch den Pseudo-alKindı¯ angeregt ist, cf. Torrell, La notion de prophe´tie (nt. 23). Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, II, § 97, ed. Glei (nt. 8), 158,9-11: Prophetia est rerum ignotarum aut de praeteritis aut de praesentibus aut de futuris non humana inventione, sed divina inspiratione facta prolatio“ und 160,17-19: „Propheta est, qui res ignotas aut praeteriti temporis aut praesentis vel futuri non humana cognitione edoctus, sed spiritu dei inspiratus mortalibus manifestat.“ Die Ausführungen hierzu stehen in ibid., §§ 98-122, 160-188. Cf. ibid., §§ 123-127, 190-194. Cf. ibid., §§ 131-144, 198-214 und §§ 151-152, 220-224. Cf. auch in ibid., §§ 153-154, 224 die Zusammenfassung des an Muhø ammad angelegten Konzeptes, in der aber der Aspekt der Thaumaturgie nicht mehr angesprochen wird. Cf. ibid., § 95, 158,7: „signaculum omnium prophetarum“; ibid., § 137, 206,7-9: „Non fuit igitur Mahumetus vester ut dicitis ,signaculum prophetarum‘, hoc est ultimus in prophetis.“ Cf. ibid., § 150, 221. Ibid., § 159, 224,7-8. Diese „conclusio cum auctoritate“ hat Georges, Petrus Venerabilis (nt. 23), 11 völlig verkannt, weshalb er ambivalent urteilt: „In der Tat trägt das Textende in Buch II keine klaren Hinweise auf einen Abschluß. Allerdings ist nach den vorliegenden Ausführungen die Argumentation zu einem Punkt gekommen, an dem die Intention, die am Beginn des Werkes zu erkennen war, erfüllt ist. […] Es ist also gut möglich, dass er sein Werk mit dem bekannten Textbestand abgeschlossen hat.“ Cf. Petrus von Poitiers, Capitula, ed. Glei (nt. 8), 232-238. Sie haben ihr Gegenstück in den gleichfalls polemischen Rubriken und Glossen zum Koran, die von Robert von Ketton und von

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verfaßten ‚Summa totius haeresis Saracenorum‘ 52 hat der Abt von Cluny seine jüngste Islamschrift in einem weitestgehend nüchternen Ton geschrieben 53. Dies hat sicher mit ihrer geplanten Verbreitung unter Muslimen in arabischer Übersetzung zu tun 54.

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Petrus von Poitiers stammen; cf. M.-Th. d’Alverny, Deux traductions latines du Coran au Moyen ˆ ge, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen A ˆ ge 16 (1947-1948), 69-131 A [Nachdruck: ead. (ó), La connaissance de l’Islam dans l’Occident me´die´val (Collected Studies Series 445), Aldershot 1994, Nr. I], 102 sq.; Th. E. Burman, Religious polemic and the intellectual history of the Mozarabs, c. 1050-1200 (Brill’s Studies in Intellectual History 52), Leiden e.a. 1994, 84-89; Tolan, Peter the Venerable (nt. 9), 355-357 und 364; J. Martı´nez Ga´zquez, Observaciones a la traduccio´n latina del Cora´n (Qur’a¯n) de Robert de Ketene, in: J. Hamesse (ed.), Les traducteurs au travail. Leurs manuscrits et leurs me´thodes. Actes du Colloque international organise´ par le ,Ettore Majorana Centre for Scientific Culture‘, Erice, 30 septembre - 6 octobre 1999 (Fe´de´ration Internationale des Instituts d’E´tudes Me´die´vales. Textes et E´tudes du ˆ ge 18), Turnhout 2001, 115-127, 115 sq., 120-125 und 127; H. Lamarque, En marge Moyen A du Coran latin, in: Palladio magistro. Me´langes Jean Soubiran [= Pallas. Revue d’e´tudes antiques 59 (2002)], Toulouse 2002, 339-355; J. Martı´nez Ga´zquez, Las glosas en la primera traduccio´n del ,Alcoran latinus‘, in: M. M. Tischler/A. Fidora (eds.), Christlicher Norden - Muslimischer Süden. Ansprüche und Wirklichkeiten von Christen, Juden und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel im Hoch- und Spätmittelalter (Erudiri Sapientia. Studien zum Mittelalter und zu seiner Rezptionsgeschichte 7), Münster 2011, 141-151, 143, nt. 7. Der von N. Daniel, Islam and the West. The making of an image, Edinburgh 1960, 399 sq. (= id., Islam and the West. The making of an image, Oxford 21993, 418) unterbreitete Vorschlag, wonach der Hauptannotator von Paris, Bibliothe`que de l’Arsenal, Ms. 1162 ein unbekannter Mozaraber gewesen sei, scheitert daran, dass es sich eindeutig nicht um einen iberischen, sondern um einen cluniazensischen Schreiber handelt. Daher kann es auch nicht Petrus von Toledo gewesen sein, wie Kritzeck, Peter the Venerable (nt. 14), 57 sq. mit nt. 31; A. H. Cutler, Peter the Venerable and Islam, in: Journal of the American Oriental Society 86 (1966), 184-198, 189 sq. vorschlugen. Die am Beginn der Handschrift auf fol. 1ra eingetragene längere Hinführung auf ihren Inhalt, auf die L. Vones, Zwischen Kulturaustausch und religiöser Polemik. Von den Möglichkeiten und Grenzen christlich-muslimischer Verständigung zur Zeit des Petrus Venerabilis, in: Speer/Wegener (eds.), Wissen über Grenzen (nt. 40), 217-237, 235 sq. hingewiesen hat, stammt gleichfalls von diesem cluniazensischen Mönch. Der Text ist nicht mit dem sonst überlieferten Inhaltsverzeichnis der sog. Collectio Toletana identisch. Zur gewaltkonnotierten Sprache des Koranprologs aus der Feder des Robert von Ketton cf. J. Martı´nez Ga´zquez, El lenguaje de la violencia en el pro´logo de la traduccio´n latina del Cora´n impulsada por Pedro el Venerable, in: L’affrontement, fonctions symboliques et ide´ologiques de la violence en Pe´ninsule Ibe´rique (XIIe-XVe sie`cle). II e Journe´e d’E´tude du GEMAH [= Cahiers d’e´tudes hispaniques me´die´vales 28 (2005)], Lyon 2005, 243-252, 248 sq. Cf. Glei, Petrus Venerabilis (nt. 8), XXIII: Es fehlen sämtliche Argumente (orientalisch-christlicher Tradition), die auf die Persönlichkeit des Muhø ammad abzielen: die physische und mentale Schwäche eines Epileptikers, die Freizügigkeit im Gebrauch seiner Lebensgewohnheiten (die man am Koran ablesen könne) und die Versprechung eines Paradieses mit vor allem sexuellen Vergnügungen. Erst das offenkundig flott niedergeschriebene Ende des zweiten Buches verrät einen gewissen polemischen Ton; cf. ibid., XXVI. Eine gewisse Relativierung dieser Einschätzung unternimmt Georges, Petrus Venerabilis (nt. 23), 15 sq. Cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, Prolog, § 19, ed. Glei (nt. 8), 56,1-5.: „[…] Poterit, inquam, quod scriptum fuerit in eorum linguam transferri, poterit Christiana veritas in litteras Arabicas vel quaslibet alias commutari, sicut potuit nefandus error ad Latinorum notitiam meo studio transmigrare.“

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2. Verschiedene Glaubensgegner und Auseinandersetzungsstrategien, aber ein Ziel Die vertraute literarische Form des mit Argumenten operierenden Glaubenstraktats greift über die bislang geführte, innerchristliche Auseinandersetzung gegen Häresien nun auch das Judentum und den Islam aus. Diese interreligiösen Trakte des Abtes von Cluny atmen den Geist der aufkommenden Scholastik und ihrer Methoden und entstehen kaum zufällig, als Abaelard auf seine alten Tage, das heißt nach seiner Verurteilung auf der Synode von Sens, in Cluny Zuflucht findet (1141) 55. Allerdings gelingt es Petrus, abgesehen von einzelnen verklammernden Passagen in diesen Werken 56, noch nicht, diese jeweils separat 55

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Cf. J. W. Sweetman, Islam and Christian theology. A study of the interpretation of theological ideas in the two religions, part 2, vol. 1: Mediaeval developments significant for comparative study, London 1955, 69-87, 70-72; Kritzeck, De l’influence de Pierre Abe´lard (nt. 31), 210212. Hat Abaelards Idee, die christliche Hemisphäre zu verlassen, um unter den ,Feinden Christi‘ (Übersetzung des Jean de Meung: ,Sarrazenen‘) als Christ zu leben, Petrus Venerabilis den Anstoß zu seiner Islaminitiative gegeben? Cf. Historia calamitatum, ed. J. Monfrin (Bibliothe`que des textes philosophiques), Paris 1959, 31967, 63-109, 97,1221-98,1231: „Sepe autem, Deus scit, in tantam lapsus sum desperationem, ut Christianorum finibus excessis ad gentes transire disponerem, atque ibi quiete sub quacunque tributi pactione inter inimicos Christi christiane vivere. Quos tanto magis propitios me habiturum credebam quanto me minus christianum ex imposito mihi crimine suspicarentur, et ob hoc facilius ad sectam suam inclinari posse crederent. Cum autem tantis perturbationibus incessanter affligerer atque hoc extremum mihi superesset consilium ut apud inimicos Christi ad Christum confugerem.“ Zur Interpretation dieser Stelle cf. R. Roques, La me´thode de saint Anselme dans le ,Cur Deus homo‘, in: Aquinas. Ephemerides Thomisticae 5 (1962), 3-57, 27; id., La me´thode du ,Cur Deus homo‘ de saint Anselme de Cantorbe´ry“, in: id., Structures the´ologiques de la gnose a` Richard de Saint-Victor. Essais et analyses critiques (Bibliothe`que de l’E´cole des Hautes E´tudes. Section des sciences religieuses 72), Paris 1962, 243-293, 261. Für die gemeinsame Lebenszeit in Cluny (11401142) ging Kritzeck, De l’influence de Pierre Abe´lard, 206 sq. hingegen umgekehrt von einem Einfluß des Petrus Venerabilis auf die in Abaelards Collationes entwickelten Position des ,heidnischen (arabischen) Philosophen‘ aus, der bereits auf das durch die lex naturalis gegebene Doppelgebot der Liebe abhebt. Dies nahm er aber nur an, weil er mit der älteren Forschung irrtümlicherweise von einer Endredaktion („re´vision finale“) der Collationes in Cluny ausging. In seinem Traktat gegen die Petrobrusianer hat Petrus in § 161 einen kurzen vergleichenden Abschnitt zu Glaubensinhalten und Erfolg der Muslime eingebaut; cf. Petrus Venerabilis, Contra Petrobrusianos hereticos, ed. Fearns (nt. 6), 94,10-23. In seinen Judentraktat integriert er in c. 4 Erörterungen zu den Gründen des Erfolges des Islam; cf. id., Adversus Iudeorum inveteratam duritiem, ed. Friedman (nt. 7), 108,1447-111,1556. Hierzu cf. Iogna-Prat, Ordonner et exclure (nt. 9), 296-298. In seinen Islamwerken wiederum behandelt Petrus das Verhältnis der Juden zu Muhø ammad. Weil dieser in religiösen Dingen unerfahren war, halfen ihm gebildete Juden und christliche Häretiker bei der Abfassung des Koran; cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis, § 7, ed. Glei (nt. 8), 8,6-10: „Sic ab optimis doctoribus, Iudaeis et haereticis, Mahumetus institutus Alkoran suum condidit, et tam ex fabulis Iudaicis quam ex haereticorum neniis confectam nefariam scripturam barbaro illo suo modo contextuit.“ Das führte dazu, dass die Muslime sich von der Wahrheit der Bibel ab- und den Lügen des Koran zugewandt hatten, so wie sich zuvor schon die Juden den Lügen des Talmud zugewandt hatten; cf. id., Contra sectam Saracenorum, II, § 138, ed. Glei (nt. 8), 208,6-13: „Impleta, ut in vobis et in Iudaeis, quando dixit: ,Erit tempus cum sanam doctrinam non sustinebunt‘, et in eodem versu: ,A veritate auditum avertent, ad fabulas autem convertentur.‘ Nam claret orbi praeter vos et ipsos, quod tam vos quam ipsi (ut suo loco probabitur) a veritate auditum avertistis et ad fabulas hunc convertistis, a veritate Christiana vos ad fabulas Mahumeti, Iudaei ad fabulas Talmud.“

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geführten Auseinandersetzungen in einem einzigen Werk zu vereinigen. Formal kündigt sich demnach bei Petrus bereits die Einsicht an, die umfassende Auseinandersetzung mit Häretikern, Juden und Muslimen gar nicht trennen zu können; doch bleibt die Zusammenführung in neuen theologischen Werkformen den kommenden Generationen vorbehalten, zumal eine umfassend neue Auseinandersetzungsmethode noch nicht gefunden ist. Petrus steht auch methodisch an einer Epochenschwelle: In der patristischen Tradition ist die Veröffentlichung des religiös Fremden mittels Traktaten (scripta) und Gesprächen (disputationes) 57 die bis dahin elaborierteste Form der Einbeziehung des religiös Fremden in den eigenen Wissenskosmos zur Widerlegung des auf diese Weise zum religiös Anderen gewandelten Wissens. Doch Petrus’ Vorgehen ist auch schon scholastisch, denn er entwickelt in Buch I von Contra sectam Saracenorum eine Axiomatik 58, indem er den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen eine Auseinandersetzung möglich ist. Der Einsatz hinreichender Vernunftsargumente, die auch sonst in den zeitgenössischen Disputationen Anwendung finden, ist für ihn selbstredend. Während Petrus die Irrlehre der Petrobrusianer mit biblischen und patristischen Mitteln bekämpft, entnimmt er die Argumente für seine Widerlegung der Juden nur jenen Teilen der Bibel, welche diese auch haben. Daher finden sich darunter annähernd keine Bezüge zum Neuen Testament. Die Anregung hierzu dürfte der Abt von Cluny durch Petrus Alfonsi bekommen haben, denn tatsächlich hat Petrus Venerabilis in seinem Antijudentraktat dessen Dialogus contra Iudaeos verarbeitet 59. Petrus Venerabilis ist neben Hermann von Kärnten 60 und 57 58

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Cf. Petrus Venerabilis, Epistola de translatione sua, § 3: cf. supra nt. 27. Im Sinne einer Lehre vom Definieren und Beweisen mit Hilfe von Axiomen, d. h. Sätzen, die aus sich und durch sich bekannt sind. Cf. M. Kniewasser, Die antijüdische Polemik des Petrus Alphonsi (getauft 1106) und des Abtes Petrus Venerabilis von Cluny (ó 1156), in: Kairos, N. F. 22 (1980), 34-76, 57 sq.; J. Tolan, Petrus Alfonsi and his medieval readers, Gainesville (FL) e.a. 1993, 116 sq. Für eine Vermittlung des Textes durch Hermann von Kärnten und Robert von Ketton, die Petrus Alfonsi nach 1130 in Spanien kennengelernt hätten, sprach sich aus Kniewasser, Die antijüdische Polemik, 48 mit nt. 96 und 61-64. Dagegen hat sich Tolan, Petrus Alfonsi, 241, nt. 55 u. a. mit dem Argument gewandt, dass Petrus Venerabilis das Werk bereits im französischen Überlieferungskontext hat kennenlernen können. Doch ist es nur ein Zufall, dass die ibid. hervorgehobene Lesart der von Petrus Venerabilis benutzten Dialogus-Handschrift nahezu identisch in dem Codex der Cluny nahestehenden normannischen Benediktinerabtei Fe´camp, heute Paris, Bibliothe`que nationale de France, Ms. lat. 5080, zu finden ist? Hier ist das Rezeptionsprofil des von Hermann von Kärnten 1143 in Toulouse begonnenen und im selben Jahr in Be´ziers vollendeten philosophischen Werkes De essentiis zu beachten: Hermann ist nicht nur einer der Protagonisten des von Petrus Venerabilis 1142 ins Leben gerufenen und 1144 abgeschlossenen Übersetzungsprojektes muslimischer Schriften; cf. Ch. Burnett, Hermann of Carinthia, De essentiis. A critical edition with translation and commentary (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 15), Leiden-Köln 1982, 4-10. Er ist auch der früheste Rezipient dieser Schriften und vermutlich des Dialogus contra Iudaeos des Petrus Alfonsi überhaupt: In seinem Werk hat Hermann nicht nur den von seinem Freund und Mitarbeiter Robert von Ketton übersetzten Koran samt dessen Vorwort rezipiert (ibid., 26 sq. und 242) und er weist nicht allein bei zwei Koranversen und bei den Vorwürfen gegen Muhø ammad auffallende Übereinstimmungen mit dem von Petrus von Toledo (alias Petrus Alfonsi)

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Walter von Compie`gne 61 einer der ersten Rezipienten dieses antijüdischen Dialogs. Die Kenntnis des darin enthaltenen Islamkapitels (Titulus V) dürfte wiederum Auslöser 62, ja hermeneutische Grundlage für Petrus’ generelle Auseinandersetzung mit dem Islam gewesen sein 63. Zugleich bekommt der Abt von Cluny über dieses Werk des Petrus Alfonsi 64 - wenn auch nicht allein hierüber 65 - erstmals Zugang zum Talmud, wodurch er das talmudische Judentum als eine weitere Quelle des Islam definieren und so „ein populär-gerüchtehaftes Unbehagen in einem faßbaren Argument “ verankern kann 66. Jedoch ist sich Petrus seiner immer noch ungewöhnlichen, intellektuellen Grenzüberschreitung in diesem Wissensbereich bewusst und muss seine Rezeption von authentisch jüdischem Wissen, mit dem er die Juden widerlegen will 67, mit einer göttlichen Eingebung legitimieren 68. Im Gegensatz zum zeitgenössischen Judentum, sieht

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übersetzten Pseudo-al-Kindı¯ auf (ibid., 245, 247 und 308), sondern er nennt in seinem Werk wie Petrus Alfonsi im Dialogus contra Iudaeos auch fünf ewige Prinzipien (essentie), und nicht wenige wissenschaftliche Überzeugungen und Inhalte sind beiden Autoren gemeinsam (ibid., 245 und 247). Diese Zusammenhänge hat Tolan, Petrus Alfonsi (nt. 59) nicht berücksichtigt. Allem Anschein nach haben wir es hier mit einer Übersetzungs- und Zitiergemeinschaft zu tun, deren Mitglieder Robert von Ketton, Hermann von Kärtnen und Petrus Alfonsi hießen. Cf. den Schluß seiner Otia de Machomete, ed. F. Go´nzalez Mun˜oz, ‘Mahometrica’. Ficciones poe´ticas latinas del siglo xii sobre Mahoma (Nueva Roma 42), Madrid 2015, 174-240, 240 v. 1089 sq.: „Plenius hec dicit Moyses, ego tedia vito; / Tu Moysen, si vis cetera nosse, lege“; cf. E. Rotter, Mohammed in Bamberg. Die Wahrnehmung der muslimischen Welt im deutschen Reich des 11. Jahrhunderts, in: A. Hubel/B. Schneidmüller (eds.), Aufbruch ins zweite Jahrtausend. Innovation und Kontinuität in der Mitte des Mittelalters (Mittelalter-Forschungen 16), Ostfildern 2004, 283-344, 336, nt. 251, der die Identifizierung mit Moses, dem Petrus Alfonsi in seinem Dialogus contra Iudaeos die Vorstellung des Islam in den Mund legt, noch nicht vornimmt. Tolan, Petrus Alfonsi (nt. 59) geht auf diese Stelle gar nicht ein. Cf. Kniewasser, Die antijüdische Polemik (nt. 59), 63. Cf. ibid., 67 sq. noch nt. 110. Zentraler Angriffspunkt ist in allen Werken (Contra sectam Saracenorum; Capitula; Islamexkurs in Adversus Iudaeorum inveteratam duritiem c. 4: cf. supra nt. 56) die Bestreitung des Prophetentums Muhø ammads, indem auf den unmoralischen Lebenswandel, das Fehlen von Wundern und die Unwahrhaftigkeit der Lehre abgehoben wird. Zu den auffallend übereinstimmenden Koranstellen im Dialogus contra Iudaeos des Petrus Alfonsi und in den Werken des Petrus Venerabilis cf. Kniewasser, Die antijüdische Polemik (nt. 59), 68 noch nt. 110. Cf. S. Liebermann, Shki‘in. A few words on some Jewish legends, customs and literary sources found in Karaite and Christian works, Jerusalem 1939 [ 21970], 27-42 [hebräisch]. Denn die Listen der Talmudzitate bei beiden Autoren sind nicht identisch; cf. A. L. Williams, Adversus Judaeos. A bird’s-eye view of Christian ,Apologiae‘ until the Renaissance, Cambridge 1935, 390 sq. und 393; H. Schreckenberg, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte (11.-13. Jh.). Mit einer Ikonographie des Judenthemas bis zum 4. Laterankonzil (Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie, 335), Frankfurt a. M. e.a. 1988, 31997, 186 sq.; G. Dahan, Les ˆ ge (Patrimoines. Judaı¨sme), Paris 1990, 22007, 459. intellectuels chre´tiens et les juifs au Moyen A Kniewasser, Die antijüdische Polemik (nt. 59), 55 (Zitat), 66 sq., 69 sq. und 76; Dahan, Les intellectuels chre´tiens (nt. 65), 459. Cf. Petrus Venerabilis, Adversus Iudaeorum inveteratam duritiem, Prolog, ed. Friedman (nt. 7), 2,67-70: „Remitto ergo vos ad vestri generis homines, remitto ad proprias quas a Deo accaepistis scripturas, et ex hiis testimonia profero quibus cedere quantalibet lis Iudaica compellatur.“ Cf. ibid., c. 5, 126,35-39: „Sed miraris, cum Iudeus non sim, unde michi hoc nomen innotuit, unde auribus meis insonuit, quis michi secreta Iudaica prodidit, quis intima vestra et occultissima denudavit? Ille inquam, ille, ille Christus, quem negas, illa veritas denudavit falsitatem tuam, discooperuit ignominitatem tuam […].“

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Petrus im Islam vorwiegend eine christliche Häresie, weshalb er ihr mit den von Muhø ammad selbst verwendeten Zitaten aus dem Alten und Neuen Testament 69, die er beide in Buch I von Contra sectam Saracenorum als für Muslime akzeptabel erwiesen hat 70, und natürlich auch mit Koranversen 71 begegnen kann. Legenden, die sich um Judentum und Islam ranken, sollen nicht allein durch Übersetzung und Rezeption authentischer Schriften (Talmud; rabbinisches Schrifttum 72; Koran) 73, sondern auch durch den Einbezug älterer exegetischer und historischer Quellen ausgeschieden werden und auf diesem Wege soll eine genaue historische Einordnung der neuen religiösen Traditionen in die christliche Weltordnung gewährleistet werden. So lehnt Petrus ältere Traditionen ab, wonach die islamische Lehre eine Wiederbelebung der nach dem Diakon Nikolaus aus Act 6, 5 (cf. auch Apc 2, 6 und 15) benannten Sekte der Nikolaiten sei, denen - wie auch angeblich den Muslimen - die Unzucht erlaubt gewesen sei 74. Diese Meinung vertrat schon der karolingische Exeget Paschasius Radber69

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Zu der bei Petrus bereits aufblitzenden Einsicht, den Muslimen mit von Muhø ammad selbst in den Mund genommenen Bibelstellen begegnen, cf. id., Contra sectam Saracenorum, I, § 26, ed. Glei (nt. 8), 64,10-12: „Quae Psalmorum verba ea vobis de causa propono, quia Psalmos a deo David fuisse datos a vestro Mahumeto audio“; ibid., § 33, 72,1-2: „et iuxta Psalmum David, cui ut credo non discreditis“; ibid., § 56, 108,17-18: „Unde in Psalmis, quos iam dictus propheta vester David traditos asserit, legitur.“ Auch aus dem Evangelium Christi werden Zitate angeführt; cf. ibid., I, § 34, 74,3-76,14; ibid., II, § 91, 154,18-20. Cf. supra 290. Zu den Koranzitaten in Contra sectam Saracenorum cf. Glei, Petrus Venerabilis (nt. 8), 316 sq. Nur Suren 17, 59 und 29, 46 stammen aus dem Pseudo-al-Kindı¯; cf. G. Monnot, Les citations coraniques dans le ,Dialogus‘ de Pierre Alfonse, in: M.-H. Vicaire (ed.), Islam et chre´tiens du Midi (XIIe-XIVe s.) (Cahiers de Fanjeaux 18), Toulouse 1983, 261-277 [Nachdruck: id., Islam et religions (Islam d’hier et d’aujourd’hui 27), Paris 1986, 261-277], 276; Glei, Petrus Venerabilis, 293, nt. 506 und 273 sq., nt. 278. Cf. Ch. Merchavia, The Church versus Talmudic and Midrashic literature (500-1248), Jerusalem 1970, 128-152 [hebräisch]; Kniewasser, Die antijüdische Polemik (nt. 59), 56-58 und 70-76; Friedman, Petri Venerabilis Adversus Iudeorum inveteratam duritiem (nt. 7), XIV-XX; Dahan, Les intellectuels chre´tiens (nt. 65), 458; Iogna-Prat, Ordonner et exclure (nt. 9), 300-316; Y. Friedman, Anti-Talmudic invective from Peter the Venerable to Nicolas Donin (1144-1244), in: G. Dahan/E´. Nicolas (eds.), Le bruˆlement du Talmud a` Paris 1242-1244 (Nouvelle Gallia Judaı¨ca [1]), Paris 1999, 171-189, 173-189. Cf. d’Alverny, Deux traductions latines (nt. 51), 75; ead., Pierre le Ve´ne´rable et la le´gende de ` Cluny. Congre`s scientifique, feˆtes et ce´re´monies liturgiques en l’honneur des Mahomet, in: A saints abbe´s Odon et Odilon, 9-11 juillet 1949, Dijon 1950, 161-170 [Nachdruck: ead. (ó), La connaissance de l’Islam (nt. 51), Nr. III], 161. Cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 3, ed. Glei (nt. 8), 4,4-10: „Putant enim quidam hunc Nicolaum illum unum e septem primis diaconibus exstitisse et Nicolaitarum ab eo dictorum sectam, quae et in Apocalypsi Iohannis arguitur, hanc modernorum Saracenorum legem exsistere. Somniant et alii alios, et sicut lectionis incuriosi et rerum gestarum ignari, sicut et in aliis casibus falsa quaelibet opinantur.“ Hierzu cf. d’Alverny, Pierre le Ve´ne´rable (nt. 73), 165 sq.; Iogna-Prat, Ordonner et exclure (nt. 9), 337. Eine ältere, recht ähnliche Ablehnung der Gleichsetzung findet sich in Buch III der ,Ars lectoria‘ des Benediktiners Aimericus von Angouleˆme von 1086: „Anno Christi dcvii obiit Ocin diaconus, quem Sarraceni Maumitum vocant qui ab Osio papa ad Hispanias missus legatione officii fungens sed deceptus decepit, anni cccclxxviii. Falluntur enim qui Nicolaum unum de septem primis putant. Inde usque ad nos, anno Christi mlxxxvi, anni cccclxxix“, ed. H. F. Reijnders, Aimericus, Ars lectoria, in: Vivarium 9 (1971), 119-137; ibid. 10 (1972), 41-101 und 124-176 (Edition: 126-137, 45-

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tus in seinem wohl in den 50er Jahren des 9. Jahrhunderts fertiggestellten Matthäus-Kommentar (hier zu Mt 24, 12), auch wenn er bereits um den Anspruch der Muslime wusste, einen monotheistischen Glauben zu haben 75, diesen aber

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101 und 128-175), 141,7-11. Um 1145 setzt eine anonyme Beschreibung der Kreuzfahrerstadt Edessa Muhø ammed mit Nikolaus gleich: „Ibi est Mecha, in qua colitur Mahumet apostata Nikolaus“, ed. R. Röhricht, Studien zur mittelalterlichen Geographie und Topographie Syriens, in: Zeitschrift des Deutschen Palaestina-Vereins 10 (1887), 195-320 (Edition: 296-299), 298,6-7; cf. B. Z. Kedar, Crusade and mission. European approaches toward the Muslims, Princeton (NJ) 1984, 89. Zum zeitgenössischen innerchristlichen Reformdiskurs um die neuen Nikolaiten, also verheirateten oder im Konkubinat lebenden Priestern, z. B. bei Gerhoh von Reichersberg, cf. d’Alverny, Pierre le Ve´ne´rable, 166, nt. 3; P. Classen, Der Häresie-Begriff bei Gerhoh von Reichersberg und in seinem Umkreis, in: Willem Lourdaux/Daniel Verhelst (eds.), The concept of heresy in the Middle Ages (11th-13th c. ). Proceedings of the International Conference, Louvain, May 13-16, 1973 (Mediaevalia Lovaniensia I. Studia 4), Louvain 1976, 27-41 [Nachdruck: J. Fleckenstein (ed.), Ausgewählte Aufsätze von Peter Classen (Vorträge und Forschungen 28), Sigmaringen 1983, 461-473], 30 sq. und 33 sq. Zur älteren Nikolaus-Tradition bis in die Zeit des Petrus Venerabilis cf. auch G. Fornasari, Celibato sacerdotale e ,autocoscienza‘ ecclesiale. Per la storia della ,Nicolaitica haeresis‘ nell’Occidente medievale (Pubblicazioni della Facolta` di Magistero dell’Universita` di Trieste 3, 7), Trieste 1981; A. Ferreiro, Simon Magus, Nicolas of Antioch, and Muhammad, in: Church History 72 (2003), 53-70, 55 sq. und 62-68; A. Fidora, La ,Doctrina pueril‘ de Ramon Llull. Aproximacio´n a la religio´n desde un punto de vista histo´rico, in: id./M. M. Tischler (eds.), Discovering religion as a historical phenomenon. Changes in the perception of Judaism, Christianity and Islam during the Middle Ages [= Quaderns de la Mediterra`nia 16 (2011), 143-168 und 296-314], Barcelona 2012, 296-302, 297 sq. (dort wird die Gleichsetzung irrtümlich erst ins 12. Jahrhundert datiert). Eine umfassende monographische Studie zur Zusammenschau von Nikolaus und Muhø ammad in der christlichen Islamdebatte fehlt bislang. Die Überwindung polytheistischer Vorstellungen vom Islam ist selbst im 12. Jahrhundert noch nicht vollzogen: In der Passio (II) S. Thiemonis archiepiscopi Iuvavensis, die um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Admont verfaßt wird, wird das Leben des Erzbischofs Thiemo von Salzburg (1090-1101/1102) geschildert. In c. 15 ist von einem ydolum Machmit die Rede. Diese Bemerkung steht im Kontext der für ihre Zeit erstaunlich vagen Vorstellung vom Islam als einer heidnischen und polytheistischen Glaubenslehre (c. 12-15). Vermutlich ist diese Charakterisierung aber nicht fehlendem Wissen (cf. Berschin, Biographie und Epochenstil [nt. 9], 457: „Ignoranz“) als vielmehr dem literarischen Genre der Hagiographie, der seit der Spätantike traditionellen Auseinandersetzung zwischen heidnischem Herrscher und christlichem Martyrer und dem intendierten frommen Publikum der Passio geschuldet. Eine Kritik an der Glaubwürdigkeit dieser Erzählung (Zertrümmerung des Götzenbildes) und an ihrer Charakterisierung des Islam als Polytheismus formuliert Otto von Freising in seiner ,Chronica‘, VII, 7, der wie Wibert von Nogent und Wilhelm von Malmesbury bereits weiß, dass der Islam ein Monotheismus ist; cf. Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive Historia de duabus civitatibus, ed. A. Hofmeister (MGH Scriptores rerum Germanicarum [45]), Hannover-Leipzig 1912, 1-457, 317,18-20: „quod autem ydola comminuerit, ex hoc credere difficile est, quia constat universitatem Sarracenorum unius Dei cultricem esse“; hierzu cf. M. Manitius[/P. Lehmann], Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, vol. 3: Vom Ausbruch des Kirchenstreites bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts (Handbuch der Altertumswissenschaft IX. Abteilung, 2. Teil, 3), München 1931, 379; Berschin, Biographie und Epochenstil, 457. Cf. Wibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, 4, ed. Huygens (nt. 11), 100,408-412: „Sed omissis iocularibus quae pro sequacium derisione dicuntur, hoc est insinuandum quod non eum deum, ut aliqui estimant, opinantur sed hominem iustum eundemque patronum, per quem leges divinae tradantur “; Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, II, 189, edd. R. A. B. Mynors (ó) e.a., William of Malmesbury, Gesta regum Anglorum. The History of the English Kings, vol. 1 (Oxford Medieval Texts), Oxford 1998, 2-840, 338,32-339,1: „Nam

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mehr als Verdrehung von jüdischem und christlichen Glaubensanteilen verstand 76. In Anbetracht der starken karolingischen Traditionen Clunys hat Petrus hier vielleicht sogar Paschasius Radbertus’ Meinung selbst im Blick, auch wenn in der Bibliothek von Cluny bislang keine Kopie dieses Matthäus-Kommentars nachweisbar ist 77. Desweiteren profitiert Petrus auch von den historischen Einsichten einer anderen spätkarolingischen Arbeit, die sogar einen byzantinischorientalischen Hintergrund hat. Die Rede ist von der von Anastasius Bibliothecarius zwischen 871 und 874 angefertigten lateinischen Übertragung 78 der byzantinischen Chronik des Theophanes Homologetes (Confessor) (ca. 752-818), der im zweiten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts das erste historiographische Werk

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Saraceni et Turchi deum creatorem colunt, Mahumet non deum sed dei prophetam estimantes“; hierzu cf. R. M. Thomson, William of Malmesbury, Woodbridge 22003, 174-184, 175. Siehe freilich auch in Gesta regum Anglorum, IV, 367, die der zeitgenössischen Kreuzzugschronistik geschuldete Schilderung der Muhø ammad-Statue in der Moschee zu Jerusalem: „Ibi templum Domini et templum quod dicunt Salomonis, quibus incertum auctoribus edificata, Turchorum celebri frequentia colebantur, templum presertim Domini, quod cotidianis venerabantur excubiis Christianosque ingressu arcebant, simulacro Mahumet ibidem collocato“ (edd. Mynors e.a., 642,9-13). Cf. Paschasius Radbertus, Expositio in Matheo libri XII, lib. XI, ed. B. Paulus, vol. 3 (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 56 B), Turnhout 1984, 1163,446-453: „Et ne quis mihi obiciat Sarracenos […] quasi ad eos Evangelium Christi necdum pervenerit. Pervenit quidem et receperunt Dei notitiam sed male seducti a quibusdam pseudoapostolis ut ita loquar Nicolai discipulis propriam sibi tam ex Veteri Testamento quam ex Novo condiderunt legem ac si sub unius Dei cultu nec tamen nobiscum nec cum Iudeis quippiam sentire volentes omnia perverterunt.“ Hierzu cf. P. Alphande´ry, Mahomet-Antichrist ˆ ge latin, in: Me´langes Hartwig Derenbourg (1844-1908). Recueil de travaux dans le Moyen A d’e´rudition de´die´s a` la me´moire d’Hartwig Derenbourg par ses amis et ses e´le`ves, Paris 1909, 261-277, 268 sq.; M.-Th. d’Alverny, La connaissance de l’Islam au temps de Saint Louis, in: 7e centenaire de la mort de Saint Louis. Actes des Colloques de Royaumont et de Paris, 21-27 mai 1970, Paris 1976, 235-246 [Nachdruck: ead. (ó), La connaissance de l’Islam (nt. 51), Nr. VI], 237; Kedar, Crusade and mission (nt. 74), 30 sq. und 205 (Textstelle); F. Gonza´lez Mun˜oz, La leyenda de Mahoma en Lucas de Tuy, in: M. Pe´rez Gonza´lez (ed.), Actas del III Congreso Hispa´nico de Latı´n Medieval, Leo´n, 26-29 de septiembre de 2002, vol. 1, Leo´n 2002, 347-358, 351 mit nt. 11; K. S. Beckett, Anglo-Saxon perceptions of the Islamic world (Cambridge Studies in Anglo-Saxon England 33), Cambridge 2003, 7, nt. 20. Exakte Islamkenntnisse verrät auch die Verwendung des Wortes Myschyda für ,Moschee‘; cf. Paschasius Radbertus, Expositio in Matheo, lib. II, ed. Paulus, 146,1045-1046 (cf. dazu ibid., 1167,585-586). Bereits A. Cutler, The ninth-century Spanish martyrs’ movement and the origins of Western Christian missions to the Muslims, in: The Muslim World 55 (1965), 321-339, 326, nt. 18 vermutete, dass Paschasius’ Islamkenntnisse mit der 858 im Auftrag des westfränkischen Königs Karl den Kahlen durchgeführten Spanienreise der Mönchen von Saint-Germain-des-Pre´s zu tun haben. Cf. E. M. Wischermann, Grundlagen einer cluniacensischen Bibliotheksgeschichte (Münstersche Mittelalter-Schriften 62), München 1988. Ed. C. de Boor, Theophanis Chronographia, vol. 2, Leipzig 1885 [Nachdrucke: Hildesheim 1963; Hildesheim-New York 1980], 33-346, 208,21-210,5. Cf. ibid., 423-430; E. Rotter, Embricho von Mainz und das Mohammed-Bild seiner Zeit, in: F. Staab (ed.), Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik. Referate und Aussprachen der Arbeitstagung vom 22.-24. November 1990 in Speyer (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer 86), Speyer 1994, 69-122, 90, 116 und 117, nt. 250; id., Mohammed in Bamberg (nt. 61), 289 und 324 sq.

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in Byzanz zuende redigiert 79 und darin Muhø ammads Leben und Wirken darstellt (ad a. 622) 80. Die Chronik ist wohl das erste historiographische Werk der byzantinischen Kultur 81, ja sogar das erste nichtorientalische Werk 82, das Muhø ammad und den Islam erwähnt. Mit Hilfe dieses Werkes gelingt Petrus Venerabilis nicht allein die exakte historische Einordnung des Muhø ammad. Vielmehr scheint sie Petrus überhaupt den Anstoß dazu zu geben, Muhø ammad und die Muslime in die christliche Weltsicht zu integrieren 83. Diese Rezeption mag durch den 79

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Cf. C. A. Mango, Who wrote the Chronicle of Theophanes?, in: Zbornik radova vizantolosˇkog instituta 18 (1978), 9-17 [Nachdruck: id., Byzantium and its image. History and culture of the Byzantine Empire and its heritage (Collected Studies Series 191), London 1984, Nr. XI und Addenda et Corrigenda, 3]; I. Sˇevcˇenko, The search for the past in Byzantium around the year 800, in: Homo Byzantinus. Papers in honor of Alexander Kazhdan [= Dumbarton Oaks Papers 46 (1992)], Washington (DC) 1992, 279-293, 287 sq.; A. Kazhdan, A history of Byzantine literature (650-850) (The National Hellenic Research Foundation. Institute for Byzantine Research. Research Series 2), Athens 1999, 205-234; P. Yannopoulos, Les vicissitudes historiques de la ,Chronique‘ de The´ophane, in: Byzantion 70 (2000), 527-553. In einer der wenigen Digressionen unterbricht Theophanes die chronologische Ordnung zum 21. Regierungsjahr des Kaisers Herakleios, geht dabei von Muhø ammads angeblichen Tod (in Wirklichkeit dem Jahr der Hig˘ra) als Datierungskriterium aus, um auf die Lebensgeschichte des Stifters der neuen religiösen Bewegung zurückzublenden; cf. Robert G. Hoyland, Seeing Islam as others saw it. A survey and evaluation of Christian, Jewish and Zoroastrian writings on early Islam (Studies in Late Antiquity and Early Islam 13), Princeton (NJ) 1997 (etc.), 428-432 und 631-671. Cf. Carl Güterbock, Der Islam im Lichte der byzantinischen Polemik, Berlin 1912, 67 sq.; Otto Mazal, Der Islam und das Christentum, in: T. al Samman/O. Mazal (eds.), Die arabische Welt und Europa. Ausstellung der Handschriften- und Inkunabelsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Handbuch und Katalog (Ausstellungskatalog), Graz 1988, 109-131, 114. Cf. A. d’Ancona, La leggenda di Maometto in Occidente, in: Giornale storico della letteratura italiana 13 (1889), 199-281 [auch separat: Torino 1889; Nachdruck mit Ergänzungen und Literaturnachtrag: id., Studj di critica e storia letteraria 2, Bologna 21912, 165-306; auch separat: A. Borruso (ed.), La leggenda di Maometto in Occidente (Omikron 51), Roma 1994], 215. Cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 4, ed. Glei (nt. 8), 6,1-5: „Fuit autem iste, sicut etiam chronica ab Anastasio Romanae ecclesiae bibliothecario de Graeco in Latinum translata apertissime narrat, tempore imperatoris Heraclii, paulo post tempora magni et primi Gregorii Romani pontificis, ante annos fere quingentos et quinquaginta […].“ Die gemeinte Passage zu Muhø ammad ist in de Boor, Theophanis Chronographia (nt. 78), 208-210. Auf dem heute verlorenen fol. 139 von Paris, Bibliothe`que de l’Arsenal, Ms. 1162, dem Anfangsblatt des Pseudo-al-Kindı¯, stand zudem eine Randglosse mit Bezug zur Chronik des Anastasius Bibliothecarius, wie sich aus den Ableitungen Oxford, Corpus Christi College, Ms. 184, 272 col. a und b, Paris, Bibliothe`que nationale de France, Ms. lat. 3649, fol. 2r, Paris, Bibliothe`que nationale de France, Ms. lat. 6064, fol. 83ra, Paris, Bibliothe`que nationale de France, Ms. lat. 14503, fol. 218r, Citta` del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 4072, fol. 184r und Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 335, fol. 1r ergibt: „Sciendum quia ex quo sarraceni Egyptum possederunt regnumque apud Menfis, que nunc Babilonia dicitur, statuerunt, omnes reges Emirhelmomini vocaverunt, sicut olim egipcii pharaones, romani cesares. Unde adhuc quidam proprietatem lingue ignorantes pro Emirhelmomini admirabilem sive admirabilium dicunt, licet in Hystoria Anastasii iiiior admirei a Mahumet constituti inveniantur, scilicet, Abdalla, id est, servus Dei; Helmemun, id est, pacificus; Emirhelmomini, id est, rex credencium; Elehesimin et Alahabet propria nomina gentis“; cf. J. Mun˜oz Sendino, La Apologia del Cristianisimo de al-Kindı¯, in: Miscela´nea Comillas 11-12 (1949), 339-460, 377, Apparat; F. Gonza´lez Mun˜oz, Introduccio´n, in: id. (ed.), Exposicio´n y refutacio´n del Islam. La versio´n latina de las epı´stolas de al-Ha¯sˇimı¯ y al-

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cluniazensischen Chronisten Radulfus Glaber angeregt worden sein, der bereits selbst Anastasius benutzt haben könnte 84. Aber auch jüngere, deutsche und französische Chronographen wie Frutolf von Michelsberg 85, Sigebert von Gembloux 86 und Hugo von Fleury 87 haben sich in ihren Weltchroniken direkt oder indirekt (über den ihn ausschreibenden Landolfus Sagax) 88 auf Anastasius gestützt 89. Hugo von Fleury unterstreicht sogar ausdrücklich, dass es Anastasius gewesen sei, der bei allem geringen Wissen über Muhø ammad diesen historisch exakt einzuordnen wußte 90. Petrus ist aber auch einer der ersten Autoren, der die bislang nur kirchenintern angewandten, patristischen Ketzerkataloge auf den Islam anwendet, weshalb er ihn hauptsächlich als Häresie ansieht. Vielleicht hat er die Anregung

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Kindı¯ (Universidade da Corun˜a. Servizio de Publicacio´ns. Monografı´as 111), A Corun˜a 2005, VII-CXXXVIII, LXXV, nt. 223. Cf. M.-Th. d’Alverny, La connaissance de l’Islam en Occident du ixe au milieu du XIIe sie`cle, in: L’Occidente e l’Islam nell’alto medioevo, vol. 2 (Settimane di Studio del Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo 12/2), Spoleto 1965, 577-602 [Nachdruck: ead. (ó), La connaissance de l’Islam (nt. 51), Nr. V] und 791-803 (Discussione), 595 sq. zur etwaigen Kenntnis der kurzen, von Ismael ausgehenden Genealogie, die in der Chronik des Theophanes überliefert wird und die durch die lateinische Übersetzung durch Anastasius Bibliothecarius bzw. seine Rezeption durch Landolfus Sagax im lateinischen Westen zugänglich wird. Ed. G. Waitz (MGH Scriptores 6), Hannover 1844, 33-211, 153,15-32; cf. Rotter, Mohammed in Bamberg (nt. 61), 297 sq. und 337-339. Ed. L. C. Bethmann (MGH Scriptores 6), Hannover 1843, 300-374, 323,10-20; cf. d’Alverny, Pierre le Ve´ne´rable (nt. 73), 163 sq.; ead., La connaissance de l’Islam (nt. 84), 595. Cf. die Bemerkung zu seinem Quellenfund im Prolog zum 6. Buch der 2. Fassung: „Verum multa quae secuntur ab Anastasii Romani bibliothecarii libro decerpsi, quem tempore Karoli Magni [!] de Greco transtulit in Latinum. Res enim gestae sub aliis imperatoribus usque ad Mauricium lucide Latinis continebantur in libris; a modo vero dicti imperatoris temporibus rerum gestarum series nulla fulta manebat auctoritate, sed historiographus quisque vulgi tantum opinionem suo ponebat in codice; quod ex lectionibus quae in exaltatione sanctae crucis per universas fere leguntur ecclesias animadverti potest. Quas falsitate refertas quibuscumque sapientibus lucide liquet. Prefatus autem Anastasius suis temporibus ea quae in Greca continebantur historia ab Octaviano Augusto usque ad Michaelem, qui Nicephoro successit, rationabili prosecutus oratione, Latino transtulit eloquio; in quo opere nobis multa quae hactenus nesciebamus aperuit, ibique de Muhamet pseudopropheta pauca quidem locutus est, sed quibus temporibus fuerit lucide designavit. Liber tamen ille per multos latuit annos, sed nuper meis Deo volente venit in manibus. Cuius auctoritas non est frivola vel inepta, sed autentica, probabilis et robusta“ (ed. G. Waitz [MGH Scriptores 9], Hannover 1851, 354-364, 357,45-56 [= Patrologia Latina, ed. J.-P. Migne, vol. 163, Paris 1854, 829-854, 837,31-53]); cf. de Boor, Theophanis Chronographia (nt. 78), 401 sq.; Rotter, Mohammed in Bamberg (nt. 61), 334 mit nt. 247. Cf. M. M. Tischler, Orte des Unheiligen. Versuch einer Topographie der dominikanischen Mohammed-Biographik des 13. Jahrhunderts zwischen Textüberlieferung und Missionspraxis, in: Archa Verbi 5 (2008), 32-63, 37 sq. und 40. Zur Chronik des Anastasius Bibliothecarius und ihrer Wirkungsgeschichte cf. Kedar, Crusade and mission (nt. 74), 3 nt. 1, 33-35, 40, 86 sq., 89 sq., 90, nt. 132 und 206. Cf. den eben supra nt. 87 zitierten Prolog zum 6. Buch der 2. Fassung: „ibique de Muhamet pseudopropheta pauca quidem locutus est, sed quibus temporibus fuerit lucide designavit “ (ed. Waitz, 357,5354 [= Patrologoia Latina, vol. 163, 837,47-49]); cf. N. Daniel, The Arabs and mediaeval Europe (Arab Background Series), London-New York 1975, 236; Rotter, Embricho von Mainz (nt. 78), 82, nt. 80.

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hierfür durch Wibert von Nogent bekommen, der in seiner Anfang des 12. Jahrhunderts geschriebenen Chronik zum I. Kreuzzug, den Dei gesta per Francos, Muhø ammads Leben bereits in eine Übersicht von christlichen Sekten vornehmlich orientalischen und afrikanischen Ursprungs einflicht 91. Dieses komparatistische Verfahren ist eine entscheidende Neuerung im lateinischen Westen, während es im Orient bereits seit Beginn der Kontroversen mit den Muslimen üblich war, deren Glaubensinhalte mit den bekannten philosophischen (heidnischen) und religiösen (jüdisch-christlichen) Irrglauben (Häresien) zu vergleichen 92. In den zeitgenössischen Theologenprozessen, die gegen unter Häresieverdacht stehende magistri angestrengt werden, ist die wesentliche Neuerung im Verfahren die Erarbeitung von mehr oder weniger langen Irrtumslisten und die von kompetenten Gutachtern gefällte Entscheidung allein hierüber (Sens 1140: Petrus Abaelard; Reims 1148: Gilbert Porreta) 93. Diese Entwicklung ist dadurch bedingt, dass dem neuen Typus des dialektisch argumentierenden Theologen mit dem traditionellen synodalen Häresieprozess, der eine abweichende Lehre an den traditionellen Ketzerkatalogen bemisst, nicht mehr beizukommen ist. Da der Islam für den Abt von Cluny vornehmlich eine christliche Häresie ist 94, kann er diese Neuerung auch auf die bislang noch fremde religiöse Traditionsgemeinschaft übertragen. So sind insbesondere die Summa totius haeresis Saracenorum, aber auch der Beginn des ausführlichen Prologs zu Contra sectam Saracenorum solche orientierenden Irrtumslisten. Die von Petrus zur Einordnung des Islam benutzten Schriften - sein patristisches Wahrnehmungsfilter 95 - sind folgende: Augustinus’ ,De civitate Dei‘ und ,De consensu evangelistarum‘ 96, das in Hieronymus’ Schriftstellerkatalog ,De viris illustribus‘ integrierte Verzeichnis der christlichen Apologeten 97, der Trinitätstraktat des Hilarius von Poitiers, 91 92

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Cf. Wibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, 3-4, ed. Huygens (nt. 11), 94-100. So schon bei Johannes von Damaskus; cf. M. M. Tischler, Eine fast vergessene Gedächtnisspur. Der byzantinisch-lateinische Wissenstransfer zum Islam (8.-13. Jahrhundert), in: A. Speer/Ph. Steinkrüger (eds.), Knotenpunkt Byzanz. Wissensformen und kulturelle Wechselbeziehungen (Miscellanea Mediaevalia 36), Berlin-Boston 2012, 167-195, 173 sq. Cf. J. Miethke, Theologenprozesse in der ersten Phase ihrer institutionellen Ausbildung. Die Verfahren gegen Peter Abaelard und Gilbert von Poitiers, in: Viator 6 (1975), 87-116 [Nachdruck: id., Studieren an mittelalterlichen Universitäten. Chancen und Risiken. Gesammelte Aufsätze (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 19), Leiden-Boston 2004, 275-311], 96-102, 104-106, 108, 112 sq. und 115; L. Kolmer, Abaelard und Bernhard von Clairvaux in Sens, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 67 (1981), 121-147, 126, 130, 135 sq., 139-142 und 146. Cf. supra, nt. 17 und 22. Cf. M. Manitius, Zu Petrus’ von Cluni patristischen Kenntnissen, in: Speculum 3 (1928), 582587 (ohne Berücksichtigung der im Haupttext genannten Werke); Glei, Petrus Venerabilis (nt. 8), 311-317. Augustinus, De civitate Dei allgemein (cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, § 16, ed. Glei [nt. 8], 52,13-19), XIX, 23 (cf. id., Summa totius haeresis Saracenorum, § 15, ed. Glei [nt. 8], 16,1-18,8), XVIII und XIX sowie De consensu evangelistarum, I, 15, 23 (cf. ibid, 18,9-20). Cf. Hieronymus, De viris illustribus c. 23, 26, 33, 39, 42, 61, 72, 74, 79, 85-87, 91, 99-101, 109, 110, 114-117 und 127 = Apologetenverzeichnis (cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, § 15, ed. Glei [nt. 8], 50,2-12; ibid., § 15, 50,12-52,16; ibid., § 9, 42,4-9; ibid.,

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,De trinitate‘ 98, und ausgewählte Kapitel aus den Etymologiae des Isidor von Sevilla 99. In ,Contra sectam Saracenorum‘ entwickelt Petrus breit den Ursprung und Wert der heiligen Schriften sowie den Charakter von Prophetie 100. Damit geht er auf zentrale Punkte des islamischen Selbstverständnisses bzw. der islamischen Kritik an den Christen und auf deren apologetische Bedürfnisse ein. Denn die von vornherein beabsichtigte, doppelte Adressierung dieses Werkes an die Muslime und die Christen der Iberischen Halbinsel verrät, dass Petrus eine klare Vorstellung davon besitzt, welchen zentralen Stellenwert das Prophetentum Muhø ammads für die Muslime hat, aber auch welches Gefahrenpotential in seiner Anerkennung für die Christen in der iberischen Konvivenzsituation steckt, die sich im Augenblick der Akzeptanz dieser Position automatisch zum Islam bekehren würden. Das untrennbare Wechselverhältnis von Übernahme und Ablehnung eines religiösen Konzeptes wird hier sinnfällig. Zugleich zeigt Petrus’ vielschichtige Kritik am Islam die Zwecksetzung dieses Werks als Grundlage der gemeinsamen gelehrten Auseinandersetzung auf. Die Kritikpunkte sind teils doktrinaler, teils historischer Natur: der Prophet und seine Anhänger werden verspottet und bestimmte Vorschriften des Koran werden kritisiert, wie etwa der Aufruf zur Gewaltanwendung. Die Kritik greift aber auch theologische Unterschiede auf, wenn sie die zentralen christlichen Glaubensinhalte Trinität, Inkarnation, Auferstehung und Jüngstes Gericht zur Sprache bringt. Dies nicht zuletzt, um die eigene Position in der stets als bedrohlich empfundenen Atmosphäre des mutmaßlichen religiösen Synkretismus der Iberischen Halbinsel zu stärken. Dass Petrus aber ein Eschatologe gewesen ist 101, wird man aus seiner Vorgehensweise und dem dahinterstehenden Muhø ammad-Bild kaum ableiten können. Für ihn ist Muhø ammad nicht mehr der Antichrist 102, wie er es für die

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§ 15, 52,17-18; ibid., § 15, 52,18-22; ibid., § 9, 42,3-4; ibid., § 5, 36,2-4; ibid., § 9, 42,1044,14; ibid., § 16, 52,1-3; ibid., § 5, 36,11-15, 36,16-38,17 und 38,17-21; ibid., § 16, 52,1013; ibid., § 5, 36,4-5, 38,21-27 und 38,27-29; ibid., § 5, 38,29-30 und § 6, 38,6-7; ibid., § 7, 40,10-11; ibid., § 9, 44,17-20; ibid., § 6, 38,10-11; ibid., § 6, 38,7-8; ibid., § 6, 38,9-10 sowie § 5, 38,30-32). Cf. Hilarius von Poitiers, De trinitate, VI, 46 (cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum, § 13, ed. Glei [nt. 8], 14,8-16,13). Cf. Isidor von Sevilla, Etymologiae, VIII, 5, 31, 42-44, 51 und 63-65 (cf. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum, §§ 4-7, ed. Glei [nt. 8], 32-40). Cf. Torrell, La notion de prophe´tie (nt. 23). So irrtümlicherweise S. Luchitskaja, Les idoles musulmanes. Images et re´alite´s, in: M. Borgolte (ed.), Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale Beiträge zu Praxis, Problemen und Perspektiven der historischen Komparatistik (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 1), Berlin 2001, 283298, 289. So inbesondere Paulus Albarus, Indiculus luminosus, § 3, ed. J. Gil [Ferna´ndez], Corpus Scriptorum Muzarabicorum, vol. 1 (Manuales y anejos de ,Emerita‘ 28/1), Madrid 1973, 270-315, 275,28-33: „Vereor ne moleste ferant non temeritatis, ut ille extimant, set veritatis ut catholici probant responsum, qui in nobissima tempora constituti Antichristi persecutjonem conspiciunt muti. Quisquis his partibus terre persecutjonem odie negat, aut dormiens iugum serbitutis somno socordie portat, aut elatus cum ethnicis pede supervie subiectos Christi tirunculos calcat “; ibid., § 4, 277,11: „ab Antichristi discipulos [!]“; ibid., § 15,

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meisten Martyrer von Co´rdoba im 9. Jahrhundert gewesen ist, aber immerhin ein Vorläufer desselben 103. 3. Zwischen Tradition und Innovation Bezüglich seiner Verhaltensweisen und intellektuellen Methoden ist Petrus eher ein Traditionalist. Der Abt von Cluny attackiert nicht deshalb, weil seine monastische Reformbewegung innerhalb der Christenheit keinen Widerspruch dulden kann, sondern weil die lange Geschichte des christlichen Denkens, das andere (jüdische bzw. häretische) Element stets einzubeziehen gelernt hat, insofern es sich als ein bedeutungsvolles und nützliches Mittel in der Auseinandersetzung um das rechte Verhältnis von weltlicher und geistlicher Sphäre erwiesen hat. Da Clunys Ansprüche in diesem Konzert durch andere, scheinbar adäquatere Ansätze, so insbesondere durch die Kreuzzugspolitik Bernhards von Clairvaux, in Frage gestellt werden, muss es sich hiergegen zur Wehr setzen. Hinsichtlich der Anwendung der beschriebenen Verhaltensweisen und Methoden auf den Islam aber ist Petrus in jedem Fall zu seiner Zeit ein singulärer Neuerer 104. Kirchenpolitisch auf der Höhe seiner Zeit, ist der Abt von Cluny religionsgeschichtlich gesehen mit seiner flexiblen Option der intellektuellen Auseinandersetzung neben (nicht: statt) dem physischen Konflikt je nach Einsatzraum (Iberische Halbinsel - Heiliges Land) sicher vorausschauend. Petrus erkennt als erster, dass die Christen dem Phänomen ,Islam‘, das er auch als erster umfassend über einen authentischen Zugang zu analysieren wagt, auf verschiedenen Ebenen

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287,9-10: „Nam ut veritas Christus est Dominus, ita mendacium Antichristus diabolus.“ Cf. D. MilletGe´rard, Chre´tiens mozarabes et culture islamique dans l’Espagne des VIIIe-IXe sie`cles (E´tudes augustiniennes), Paris 1984, 114 sq. Ferner Indiculus luminosus, § 6, 278,26-28: „Et heu iterum hac tertjo innumere ve˛ nobis, qui hanc eorum subsannatjonis derisionem portamus et de persecutjonis Antichristi tempora duvitamus.“ Cf. Petrus Venerabilis, Summa totius haresis Saracenorum, § 13, ed. Glei (nt. 8), 14,5-7 und 16,15-17: „[…] deinde per istum Satanan scilicet Mahumetum provecta per Antichristum […] Antichristi […] maximum […] nutrimentum“; hierzu cf. Alphande´ry, Mahomet-Antichrist (nt. 76), 266; J.-P. Torrell/D. Bouthillier, Une spiritualite´ de combat. Pierre le Ve´ne´rable et la lutte contre Satan, in: Revue thomiste 84 (1984), 47-81 [überarbeiteter Nachdruck: Torrell/Bouthillier, Pierre le Ve´ne´rable (nt. 23), 303-342], 76 mit nt. 172. Dieser Meinung war schon Eulogius von Co´rdoba, Liber apologeticus martyrum, § 12, ed. J. Gil [Ferna´ndez], Corpus Scriptorum Muzarabicorum, vol. 2 (Manuales y anejos de ,Emerita‘ 28/2), Madrid 1973, 475-495, 482,12-14: „[…] qui ab spiritu immundo praereptus iniquitatis mysterium et verus Antichristi praecursor exercens, nescio quam novitatis legem pro suo libito et instinctu daemoniorum perdito vulgo instituit “; hierzu cf. Millet-Ge´rard, Chre´tiens mozarabes (nt. 102), 113 (mit weiteren Stellen). Dieses Denken bezeugt Eulogius auch von der Martyrergruppe von Petrus und seinen Gefährten; cf. Memorialis sanctorum libri tres, lib. II, 4, § 3, ed. Gil [Ferna´ndez], Corpus Scriptorum Muzarabicorum, vol. 2, 363-459, 403,15-404,16: „,[…] quoniam Christum Deum veraciter confitentes praevium Antichristi et auctorem profani dogmatis vatem vestrum esse profitemur […]’“; hierzu cf. Millet-Ge´rard, Chre´tiens mozarabes (nt. 102), 113. ˆ ge (XIIIe-XVe sie`cles) (CollecCf. J. Richard, La papaute´ et les missions d’Orient au Moyen A tion de l’E´cole francœ aise de Rome 33), Rom 1977 [Nachdruck: Rom 1998], 7 sq., der für das 12. Jahrhundert den fehlenden Willen zur unmittelbaren Mission von Muslimen konstatiert.

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begegnen müssen. Noch ist diese Doppelstrategie nicht in der Theorie eines einzigen Gelehrten vereint, sondern auf die Schultern der beiden herausragenden Protagonisten des reformbenediktinischen Mönchtums des 12. Jahrhunderts, Petrus und Bernhard, verteilt. Als Traditionalist steht Petrus immerhin an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, doch seine defensive Haltung 105 verweist ihn noch in die vergangene Zeit. Die Entscheidung, die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Islam (sowie mit Häretikern und Juden) als neues Aufgabenfeld Clunys zu umreißen, zeitigt nicht den gewünschten Erfolg: Cluny wird nicht aus seiner zunehmend defensiven Haltung herausgeholt, der für das 12. Jahrhundert fortschrittliche Islamdiskurs bleibt in der in Cluny verbliebenen, einzigen Handschrift der sog. Collectio Toletana und den wenigen Kopien von Contra sectam Saracenorum verborgen, eine intellektuelle, geschweige denn institutionelle Situierung des Diskurses in Frankreich oder auf der Iberischen Halbinsel bleibt aus. Sie ist eine Angelegenheit der strukturell organisierten Muslimenmission, vor allem der Dominikaner im weiteren 13. Jahrhundert, für die Petrus‘ Textsammlung eine wichtige Grundlage bilden wird 106. Dies ist sein später Triumph. III. Eine Figur des Überg angs: Petr us von Blois, De fide Es gab eine gewisse Unsicherheit darüber, wer als erster eine umfassende Debatte gegen Häretiker, Juden und Muslime in der traditionellen Form eines Glaubenstraktats geführt hat. So wussten wir lange nicht, ob sich der Kleriker Petrus von Blois (ca. 1130-ca. 1211) 107 in seinem späten Werk ,De fide‘ (oder: ,De assertione fidei‘), einer Sammlung von Definitionen und Argumenten zur Widerlegung von Häresien wohl aus den 1190er Jahren, auch mit dem Glauben der Juden und Muslime auseinandergesetzt hat, da dieses von ihm mehrfach bezeugte Werk lange Zeit verschollen war 108. Inzwischen sind aber wenigstens 105

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Diese defensive Haltung kommt sehr schön im Bild von Petrus’ Werk als Mauer gegen die Glaubensfeinde zum Ausdruck, das sein erster Biograph benutzt (c. 4): „Hic enim contra omnes haereses et scissuras ecclesiae se murum opponebat, et fidei hostes viriliter oppugnabat “, edd. Marte`ne/ Durand, Veterum scriptorum […] collectio (nt. 9), vol. 6, 1192,47-49. Zu dieser Nicht-Rezeption des cluniazensischen Islam-Projekts bis ins 13. Jahrhundert und ihren zahlreichen Gründen cf. M. M. Tischler, Die älteste lateinische Koranübersetzung als (inter)religiöser Begegnungsraum, in: R. Glei (ed.), Frühe Koranübersetzungen. Europäische und außereuropäische Fallstudien (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 87), Trier 2012, 25-82, 49-58. Er ist nicht mit dem gleichnamigen, aber älteren Zeitgenossen zu verwechseln, der zunächst Kanoniker der Kathedrale von Chartres und dann Archidiakon von Dreux war; cf. R. W. Southern, The necessity of two Peters of Blois, in: L. Smith/B. Ward (eds.), Intellectual life in the Middle Ages. Essays presented to Margaret Gibson, London-Rio Grande (OH) 1992, 103118; id., The two Peters of Blois in the schools and in government, in: id., Scholastic humanism and the unification of Europe, vol. 2: The heroic age, Oxford 2001, 178-218. Cf. Petrus von Blois, Contra perfidiam Iudaeorum, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 207, Paris 1855, 825-870, 828,1-4: „Qualiter autem versutiis et blasphemiis haereticorum te vel Catholicum quemlibet oporteat contraire, credo me in libro, quem ,De fide‘ intitulavi, plenius intimasse.“ Das Werk bezeugt Petrus auch in seiner Invectica in depravatorem von ca. 1198, in: ibid., 1113-1126,

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drei Zeugen dieses Glaubenstraktats aufgetaucht, die zeigen, dass Petrus sich darin nach einem ersten Teil zu praktischen Aspekten des Glaubens (auf der Basis von Balduins von Canterbury Liber de commendatione fidei) in einem zweiten Abschnitt mit der Entwicklung verschiedener Häresien bis hin zur Leugnung der menschlichen Natur Christi durch die Katharer auseinandergesetzt hat 109. Petrus nennt sogar seine patristischen Quellen für diesen Abschnitt: Eusebius von Cäsarea, Rufinus von Aquileja, Irenäus von Lyon, Hilarius von Poitiers, Hieronymus, Augustinus und Epiphanius von Salamis. Damit steht aber fest, dass erst Petrus’ Zeitgenosse Alanus von Lille die umfassende Auseinandersetzung mit Häretikern, Juden und Muslimen in einem einzigen Werk geführt hat, dem wir uns nun zuwenden wollen. IV. Auf dem Weg zum umfassenden Ketzerkompendium: Alanus von Lille, ,De fide catholica contra haereticos‘ 1. Eine umfassende apologetische Glaubenslehre in einem Werk Alanus von Lille (Alanus ab Insulis), um 1120 (vor 1128) in Lille geboren und 1202/1203 nach seinem späten Eintritt in den Zisterzienserorden (Profeßkloster: Cıˆteaux) gestorben, ist ein fruchtbarer, scholastisch gebildeter Philosoph, Theologe und Schriftsteller (doctor universalis), der zwischen 1160 und 1170 in Paris, dann in Südfrankreich Theologie lehrt und auch als zisterziensischer Albigenserprediger agiert 110. Aus seinem umfangreichen und vielgestaltigen

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1115,43-44: „et in opere meo novello de assertione fidei “; hierzu cf. Manitius[/Lehmann], Geschichte (nt. 75), 296 mit nt. 7. Cf. R. W. Southern, Some new letters of Peter of Blois, in: The English Historical Review 53 (1938), 412-424, 413 mit nt. 7; id., Peter of Blois. A twelfth century humanist?, in: id., Medieval humanism and other studies, Oxford 1970, 105-132, 124 mit nt. 4; E. Revell, The later letters of Peter of Blois (Auctores Britannici Medii Aevi 13), Oxford 1993, XX sq., XXXIII und 323: Oxford, Jesus College, Ms. 83, fol. 84v-104r; San Daniele del Friuli, Civica Biblioteca Guarneriana, Ms. 264, 1-64 und Erfurt, Bibliotheca Amploniana, Fol. 71, fol. 175v-186r (unvollständig). Der Widmungsbrief an einen unbekannten Empfänger (Bischof oder Papst?) ist editiert von Revell, The later letters, 323-329, Nr. 77. Cf. G. Raynaud de Lage, Alain de Lille, poe`te du XIIe sie`cle (Universite´ de Montre´al. Publications de l’Institut d’E´tudes Me´die´vales 12), Montre´al-Paris 1951; E´. Gilson, History of Christian philosophy in the Middle Ages, London 1955, 21980, 172-178 und 635 sq.; M.-Th. d’Alverny, Alain de Lille. Textes ine´dits. Avec une introduction sur sa vie et ses œuvres (E´tudes de philosophie me´die´vale 52), Paris 1965; ead., Maıˆtre Alain - ,nova et vetera‘, in: M. de Gandillac/ E´. Jeauneau (eds.), Entretiens sur la Renaissance du 12e sie`cle (De´cades du Centre culturel internationale de Cerisy-la-Salle, N. S. 9), Paris-La Haye 1968, 117-135 und 136-145 (Discussion); H. Roussel/F. Suard (eds.), Alain de Lille, Gautier de Chaˆtillon, Jakemark Gie´le´e et leur temps. Actes du colloque de Lille, octobre 1978 (Bulletin du Centre d’e´tudes me´die´vales et dialectales de l’Universite´ de Lille III. Bien dire et bien aprandre 2), Lille 1980; G. R. Evans, Alan of Lille. The frontiers of theology in the later twelfth century, Cambridge 1983; J.-L. Sole`re e.a. (eds.), Alain de Lille, le docteur universel. Philosophie, the´ologie et litte´rature au XIIe sie`cle (Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale. Rencontres de philosophie me´die´vale 12), Turnhout 2005; C. Chiurco, Alano di Lilla. Dalla metafı´sica alla prassi (Filosofia.

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Œuvre soll uns allein sein apologetisches Werk ,De fide catholica contra haereticos‘ (auch: ,Quadripertita magistri Alani editio contra hereticos, Valdenses, Iudaeos et paganos‘) interessieren, das in vier Büchern die Haupthäresien der Zeit abhandelt 111: Die Katharer (76 Kapitel), die Waldenser (25 Kapitel), die Juden (21 Kapitel) und die Muslime (14 Kapitel) 112. Alanus’ christlicher Blick ist auf die prominentesten Heterodoxien der Zeit gerichtet, die es gleichermaßen zu bekämpfen gilt 113, auch wenn die Abfolge und der geringer werdende Umfang der Bücher den abnehmenden Grad der Dringlichkeit widerspiegeln 114. Dieser umfassende und zugleich hierarchisch geordnete Entwurf, der sich - wie wir

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Contributi), Milano 2005; C. Barbera, Alano di Lilla. Poeta, filosofo, apologeta del secolo XII (Lettere italiane. Sezione di saggistica), Napoli 2011. Ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 210, Paris 1855, 305-430; hierzu cf. Manitius[/Lehmann], Geschichte (nt. 75), 802 sq.; M. Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode, vol. 2: Die scholastische Methode im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert, Freiburg 1911 [Nachdruck: Graz 1957], 455-457 und 466 sq.; J. Rousset de Pina, L’entrevue du pape Alexandre III et d’un prince sarrasin a` Montpellier le 11 avril 1162. Notes sur les relations islamochre´tiennes a` la fin du XIIe sie`cle, in: E´tudes me´die´vales offertes a` M. le Doyen Augustin Fliche de l’Institut par ses amis, ses anciens e´le`ves, ses colle`gues (Publications de la Faculte´ des Lettres de l’Universite´ de Montpellier 4), Paris 1953, 161-185, 183 sq.; C. Vasoli, Il ,Contra haereticos‘ di Alano di Lilla, in: Bulletino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano 75 (1963), 123-172; Ch. Thouzellier, Catharisme et valde´isme en Languedoc a` la fin du XIIe et au de´but du XIIIe sie`cle. Politique pontificale - controverses (Publications de la Faculte´ des Lettres et Sciences humaines de Paris-Sorbonne. Recherche 27), Paris 1966 [Louvain-Paris 2 1969], 81-106; W. L. Wakefield/A. P. Evans (ó), Heresies of the High Middle Ages. Selected sources (Records of Civilization 81), New York 1969 [Nachdruck: New York 1991], 214-220 (mit englischer Übersetzung von Buch I, 1-3 und 9 sowie Buch II, 1) und 712-714; d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 156-162; N. M. Häring, Alan of Lille’s ,De fide catholica‘ or ,Contra Haereticos‘, in: Analecta Cisterciensia 32 (1976), 216-237; Evans, Alan of Lille (nt. 110), 102132. Ed. M.-Th. d’Alverny, Alain de Lille et l’Islam. Le ,Contra paganos‘, in: Vicaire (ed.), Islam et chre´tiens du Midi (nt. 71), 301-350 [Nachdruck: ead. (ó), Pense´e me´die´vale en Occident. The´ologie, magie et autres textes des xiie-xiiie sie`cles (Collected Studies Series 511), Aldershot 1995, Nr. VI], 331-348. Alanus begründet diesen integralen Ansatz mit den veränderten Zeiten, wonach aus den älteren Häresien inzwischen eine umfassende geworden sei; cf. Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos, Prologus, ed. Migne (nt. 111), 307,17-308,4: „Olim vero diversi haeretici diversis temoribus, diversa dogmata et adversa somniasse leguntur, quae generalis Ecclesiae publicis edictis damnata noscuntur: nostris vero temporibus, novi haeretici, imo veteres et inveterati, veterantes dogmata, ex diversis haeresibus, unam generalem haeresim compingunt, et quasi ex diversis idolis unum idolum, ex diversis monstris unum monstrum, et quasi ex diversis venenatis herbis unum toxicum commune conficiunt.“ Angesichts unserer weiteren Ausführungen ist freilich folgendes Urteil zu den Büchern III und IV von Vasoli, Il ,Contra haereticos‘ di Alano di Lilla (nt. 111), 171 sq. unzutreffend: „E` questa pero` la parte dell’operetta di Alano meno interessante per lo storico perche´ in essa il maestro di Lilla si limita a ripetere i temi piu` convenzionali di una letteratura apologetica ormai tradizionale, che ha i suoi esempi «classici» nel ,Contra sectam Saracenorum‘ e nel ,Contra Judeos‘ di Pietro il Venerabile […] E se questi due libri del ,Contra haereticos‘ possono certo giovare alla ricostruzione del particolare ambiente storico in cui si formo` e si svolse la letteratura teologica del XII secolo, in presenza delle profonde influenze della cultura ebraica ed islamica, il loro interesse dottrinale e` indubbiamente assai limitato.“

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eben sehen konnten - schon bei Petrus Venerabilis findet 115, wenn auch dort noch in einer Abfolge von Einzelwerken, ist der Ausschließlichkeitshaltung der christlichen Heilsökonomie um 1200 und dem theologischen Verständnis des Autors geschuldet. Ein auch anderswo zu beobachtendes Epochenmerkmal schon vor 1200 ist der Einbezug der Juden unter die Kategorie der Häretiker 116. Als geistiger Schüler des Gilbert Porreta ist Alanus aber insbesondere vom Neoplatonismus der Schule von Chartres geprägt 117. Er versteht die Monade Gott - als reine Einheit, wodurch alles eins ist. Daher rechtfertigt er das christliche Dogma, indem er alle Beziehungen zwischen Über- und Untergeordnetem als Beziehungen zwischen Demselben und Ähnlichem versteht. Im Herabschreiten der Hierarchie, angefangen bei Gott über die Engel zu den Menschen, nimmt mit der Distanz die Vielfalt zu. Indem die Nichtchristen in ihrem Glauben von der Einheit wegstreben, bedeuten sie eine unerwünschte Vielfalt im Glauben, auch wenn sie weiterhin zu einem gewissen Grade an der Einheit teilhaben. Dieses Denken der Vielfalt in der Einheit findet seinen formalen und materiellen Niederschlag in Alanus’ umfassendem aber hierarchisch gegliederten Werk, das einer einheitlichen Methode und Darstellung folgt 118 und das mit dem dreifachen Wunsch nach Einheit in Gemeinschaft, Glauben und ewiger Glückseligkeit schließt 119.

2. Scholastische Methoden der Irrtumswiderlegung Angeregt wird die Arbeit durch konkrete Ketzererfahrungen, die Alanus während seines Aufenthaltes im südfranzösischen Montpellier macht 120. Niedergeschrieben hat er das Kompendium des katholischen Glaubens dann als magister, möglicherweise in Le Puy 121, vermutlich schon in einer gewissen Nähe zu den 115 116 117

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Iogna-Prat, Ordonner et exclure (nt. 9), 32 sieht in Petrus gleichsam den Wegbereiter des Alanus. Cf. Dahan, Les intellectuels chre´tiens (nt. 65), 362-364. Cf. J. Chaˆtillon, La me´thode the´ologique d’Alain de Lille, in: Roussel/Suard (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 47-60 [Nachdruck: id., D’Isidore de Se´ville a` saint Thomas d’Aquin. E´tudes d’histoire et de the´ologie (Collected Studies Series 225), London 1985, Nr. VIII]; L. Catalani, Modelli di conoscenza tra Gilberto di Poitiers e Alano di Lille, in: Sole`re e.a. (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 217-245, 237-243 und 245 (zu seinem eigenständigen Wissensmodell). Alanus verknüpft die einzelnen Bücher und Kapitel durch interne Querverweise auf bereits erbrachte Beweisführungen. Cf. Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos, Conclusio, ed. Migne (nt. 111), 430,810: „[…] ut sic ad veram unitatem perveniant, et a vera unitate fidei, ad veram aeternae beatitudinis unitatem ascendant.“ Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode (nt. 111), 457 verweist auf die Überlieferung des Autorennamens „Alanus de Montepessulano“ in mehreren Handschriften, die anscheinend auf eine Autorschaft während seiner Lehrtätigkeit in Montpellier verweise. Das legt eine Zuschreibung des Werkes an einen „Alanus de Podio“ nahe; cf. C. Baeumker, Handschriftliches zu den Werken des Alanus, in: Philosophisches Jahrbuch 6 (1893), 163-175 und 417-429, 417 mit nt. 1; Manitius[/Lehmann], Geschichte (nt. 75), 795.

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Zisterziensern 122, sicher aber frühestens 1184 oder 1185 123. Gewidmet hat er sein Werk dem Grafen Wilhelm VIII. von Montpellier (1152-1202), einem bekannten Gegner der Katharer, deren Bekämpfung am Anfang des Werkes steht. Alanus dürfte es als Handreichung für die Predigt- oder Disputationstätigkeit von katholischen Klerikern in Südfrankreich konzipiert haben. Dafür macht sich der Autor seine scholastische Ausbildung zu Nutze, indem er stets zunächst die gegnerische Position als Quaestio mit Bibelzitaten (auctoritates) und Vernunftsargumenten (rationes) zu Wort kommen lässt, um sie schließlich mit eigenen Bibelzitaten, heidnischen Autoritäten 124 und Vernunftsargumenten zu widerlegen 125. Alanus’ Argumentation hebt stark auf die aktuellen philosophischen Debatten um die vernunftsgemäße Erklärung des christlichen Glaubens ab 126 und erinnert bisweilen an ein mathematisches Beweisverfahren. Dennoch ist es bemerkenswert, dass er zur Darlegung der alten rechtgläubigen Positionen gegenüber den, zumeist nur wiederbelebten, alten Irrtümern dieselben patristischen 122

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Nach Ablegung der zisterziensischen Profeß vermutete Raynaud de Lage, Alain de Lille (nt. 110), 30. Dagegen führten Häring, Alan of Lille’s ,De fide catholica‘ (ed. Migne [nt. 111], 220 sq.); M.-Th. D’Alverny, Alain de Lille. Proble`mes d’attribution, in: Roussel/Suard (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 27-46 [Nachdruck: ead. (ó), Pense´e me´die´vale en Occident (nt. 112), Nr. V], 34 eine Urkunde von Juli 1200 an, aus der hervorgeht, dass Alanus selbst zu diesem Zeitpunkt noch kein Zisterziensermönch war. Eine Anspielung auf zisterziensische Prediger findet sich in De fide catholica contra haereticos, II, 1, ed. Migne (nt. 111), 379, 42-45: „Videmus etiam sanctiores iis non praedicare, qui intellectum sacrae Scripturae habent, ut multos Cistercienses, quia nimirum missi non sunt.“ Zu Alanus’ Verhältnis zu den Zisterziensern cf. d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 14-17; J. M. Trout, The monastic vocation of Alan of Lille, in: Analecta Cisterciensia 30 (1974), 46-53. Die ausdrücklich erwähnte Verdammung der Waldenser auf einem Laterankonzil kann sich eigentlich nur auf das IV. von 1215 beziehen: „isti Waldenses qui contra praeceptum domini papae praedicant, imo contra totam Ecclesiam, huic sententiae subjacent. In concilio enim Lateranensi in eos sententia excommunicationis lata est “ (ed. Migne [nt. 111], 382,35-39). Verdammt wurden auf dem III. Laterankonzil von 1179 nämlich die Katharer. Vermutlich handelt es sich um eine Verwechslung mit der von Papst Lucius III. auf dem Reichstag von Verona 1184 ausgeprochenen Bannung der Waldenser; cf. Raynaud de Lage, Alain de Lille (nt. 110), 29. Oder hat Alanus das am Rande des III. Laterankonzils erfolgte, jedoch vergebliche Eintreten einer Abordnung von Waldensern für die Erlaubnis der Laienpredigt falsch verstanden? Nach Häring, Alan of Lille’s ,De fide catholica‘ (nt. 111), 221 sq. mit nt. 34 gehört das Textstück zum Originaltext, denn es findet sich bereits in den ältesten und besten Handschriften des Werkes. Das erinnert an die Vorgehensweise seines Zeitgenossen Petrus von Blois in ,Contra perfidiam Iudaeorum‘; cf. Schreckenberg, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte (nt. 65), 368 und 374. Generell zum Verhältnis von Philosophie und Theologie bei Alanus von Lille cf. J. Köhler, „Aus der Herrin wird eine Dienstmagd“. Über den Wandel im Verständnis der Philosophie bei Alain de Lille, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale, 25. bis 30. August 1997 in Erfurt (Miscellanea mediaevalia 26), Berlin-New York 1998, 468-474. Cf. Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos, Prologus, ed. Häring, Alan of Lille’s ,De fide catholica‘ (nt. 111), 223,1-6: „[…] tamen propter novos haereticos novis, immo veteribus et novissimis haeresibus debachantes non philosophicis speculationibus deditos sed sensuum speculis destinatos cogor disertis rationibus de fide rationabili reddere rationem. Qui in hoc ab antiquis haereticis differunt quod illi humanis rationibus fidem nostram expugnare conati sunt.“

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Autoritäten wie Petrus Venerabilis und Petrus von Blois aufführt: Augustinus, Hilarius von Poitiers, Hieronymus und die anderen orthodoxen Väter 127. In Buch I 128 hält er der Glaubensposition der Katharer, welche darin besteht, dass die Welt das Werk eines schlechten Anfangs mit seinen wandelbaren und unvollkommenen Auswirkungen sei (wie in der Natur beobachtbar), daher unvollkommene Ursachen habe und somit nicht von Gott stammen könne, die von Aristoteles herrührende Sichtweise entgegen, dass jede Bewegung einen unbewegten Beweger voraussetze, also Gott, und damit eine unveränderliche, bewirkende Ursache, auch wenn die Wirkungen Wandel und Verschlechterung ausgesetzt seien. Der Leugnung der Unsterblichkeit der Seele durch die Katharer hält Alanus die platonische Idee entgegen, dass die Seele unkörperlich und unsterblich sei. Auch andere katharische Positionen, etwa zu den gefallenen Engeln, zur Natur Christi und zur Wiederauferstehung sowie die Einwände gegen das Alte Testament, gegen den katholischen Kult, die Eucharistie und die Ehe, aber auch andere häretische Meinungen, etwa zur Taufe (die er aber nicht als nicht-katharisch erkennt), bringt er zur Sprache und widerlegt sie. Alanus liefert eine Analyse von Einzelsätzen, aber keine Synthese. Das liegt weniger daran, dass er keine Quellenkenntnis hätte - er hat wohl durchaus katharische Schriften herangezogen, so ist er insbesondere über deren Bibelexegese gut unterrichtet - sondern verdankt sich vielmehr seiner scholastischen Vorgehensweise, einheitlich erscheinende, häretische Ansichten einsichtig widerlegen zu wollen. Er geht also theoretisch vor, aber mit einem praktischen Zweck. In Buch II 129 hält Alanus den Waldensern, für ihn mehr Verwirrern als Häretikern, die wegen der Betonung ihrer eigenen Tugendhaftigkeit ohne kirchliche 127

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Cf. ibid., 233,16-234,3: „Sed quia antiqua sunt dogmata, non novis elaborandum est inventis sed rationibus obviandum autenticis. Que, inquam, dogmata a preclari ingenii viris et in omni disciplina exercitatis deleta fuisse traduntur: ut ab Augustino, Hylario, Ieronimo et ceteris patribus orthodoxis. Sed quia earundem haeresum semina pululant rediviva, eisdem sunt antiquorum patrum obicienda munimenta et, si aliqua nova emerserit heresis, infirmanda rationibus firmis.“ Cf. A. Borst, Die Katharer (MGH Schriften 12), Stuttgart 1953, 10, 13, 252, nt. 4 und 273; Vasoli, Il ,Contra haereticos‘ di Alano di Lilla (nt. 111), 137-164; d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 157-160; Thouzellier, Catharisme et valde´isme (nt. 111), 83-94; J. M. Trout, Alan the missionary, in: Cıˆteaux 26 (1975), 146-154, 151 sq. und 154; N. M. Häring, Die Rolle der Hl. Schrift in der Auseinandersetzung des Alanus de Insulis mit dem Neu-Manichäismus, in: A. Zimmermann (ed.), Die Mächte des Guten und Bösen. Vorstellungen im XII. und XIII. Jahrhundert über ihr Wirken in der Heilsgeschichte (Miscellanea mediaevalia 11), Berlin-New York 1977, 315-343, 315-318, 320, 322 und 324-331; G. Rottenwöhrer, Der Katharismus, vol. 1/1: Quellen zum Katharismus, Bad Honnef 1982, 74 sq. und vol. 1/2: Quellen zum Katharismus. Anmerkungen, Bad Honnef 1982, 238-243; Evans, Alan of Lille (nt. 110), 118-122. Cf. H. Grundmann, Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik (Historische Studien 267), Berlin 1935 [Nachdrucke: Darmstadt 1961; Vaduz 1965], 93-96; Vasoli, Il ,Contra haereticos‘ di Alano di Lilla (nt. 111), 164-171; Thouzellier, Catharisme et valde´isme (nt. 111), 94-106; Häring, Die Rolle der Hl. Schrift (nt. 128), 318 sq. und 331; d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 160 sq.; Trout, Alan the missionary (nt. 128), 150 sq.; Evans, Alan of Lille (nt. 110), 122 sq.

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Legitimation predigen und die Kirchenhierarchie und ihre Ämter verachten würden, die Funktion des mosaischen Gesetzes für die Menschen entgegen, nämlich im Bild einer Medizin, die Gott einem Kranken gibt. In Buch III 130 gegen die Juden verhandelt Alanus die Trinität, die Aufhebung des mosaischen Gesetzes, das Kommen und die Göttlichkeit des Messias, die Jungfrauengeburt Mariens und den Tod und die Auferstehung Jesu. Durchaus traditionell ist hier Alanus’ Vorgehensweise, die Analogie zum Wahrheitserweis der Trinität einzusetzen 131. Hingegen zeigt sein Werk trotz einer selektiven Abhängigkeit von Gilbert Crispins Judendialog 132 bereits eine selbständige Kenntnis des Talmud 133, so dass Alanus möglicherweise einer der ersten lateinischen Autor gewesen ist, der lange vor den Dominikanern des 13. Jahrhunderts bereits den Talmud und damit verbundene Midrasch-Literatur zum Beweis des Erscheinens des Messias und der Wahrheit der christlichen Dogmen einsetzt 134. In Buch IV 135 gegen die Muslime widerlegt Alanus - unter bewusster Auslassung der meisten, für Christen skandalösen, Details der Biographie Muhø ammads sowie seines Prophetentums und der Eingebung des Koran - die Vorwürfe seiner Anhänger gegen christliche Glaubensauffassungen sowie deren eigene Glaubensvorstellungen und Gebräuche. Alanus zeigt seine solide Kenntnis des Islam. So kennt und wiederlegt er die muslimischen Ansichten zur Inkarnation 136 130

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Cf. d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 161; Häring, Die Rolle der Hl. Schrift (nt. 128), 319; M.-H. Vicaire, ,Contra Judaeos‘ me´ridionaux au de´but du XIIIe sie`cle. Alain de Lille, E´vrard de Be´thune, Guillaume de Bourges, in: B. Blumenkranz/M.-H. Vicaire (eds.), Juifs et judaı¨sme de Languedoc (Cahiers de Fanjeaux 12), Toulouse 1977, 269-293, 269-274; Evans, Alan of Lille (nt. 110), 123 sq.; J. H. Pearson, The anti-Jewish polemic of Alan of Lille, in: Sole`re e.a. (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 83-106, 91-102 und 104-106. Cf. Pearson, The anti-Jewish polemic of Alan of Lille (nt. 130), 99-101. Chr. Trottmann, ,Unitas, aequalitas, conexio‘. Alain de Lille dans la tradition des analogies trinitaires arithme´tiques, in: Sole`re e.a. (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 401-427 geht in seiner Studie eigentümlicherweise nicht auf ,De fide catholica contra haereticos‘ ein. Cf. D. Berger, Gilbert Crispin, Alan of Lille, and Jacob ben Reuben. A study in the transmission of medieval polemic, in: Speculum 49 (1974), 34-47, 34 sq.; id., Mission to the Jews and JewishChristian contacts in the polemical literature of the High Middle Ages, in: The American Historical Review 91 (1986), 576-591, 582. Cf. Schreckenberg, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte (nt. 65), 362; G. Dahan, La pole´miˆ ge (Pre´sences du judaı¨sme 4), Paris 1991, 92 que chre´tienne contre le judaı¨sme au Moyen A und 110 (Traktat Sanhedrin). Cf. A. Funkenstein, Hattemurot bewikkuach haddat schebejn jehudim lenotsrim bame’a ha 12/ Les changements dans la dispute religieuse entre juifs et chre´tiens au XIIe sie`cle, in: Zion 33 (1968), 125-144, 142 [hebräisch]; D. J. Lasker, Jewish philosophical polemics against Christianity in the Middle Ages, New York 1977 [Nachdruck: Oxford 2007], 6. Cf. Häring, Die Rolle der Hl. Schrift (nt. 128), 319; d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 161 sq.; G. R. Evans, Old arts and new theology. The beginnings of theology as an academic discipline, Oxford 1980, 150 sq.; d’Alverny, Alain de Lille et l’Islam (nt. 112); Evans, Alan of Lille (nt. 110), 125 sq.; M. Dreyer, „[…] rationabiliter infirmare et […] rationes quibus fides [innititur] in publicum deducere“. Alain de Lille et le conflit avec les adversaires de la foi, in: Sole`re e.a. (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 429-442, 433-442. Cf. Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos, IV, c. 1-2, ed. d’Alverny (nt. 112), 332-336.

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und Erlösung Christi 137 und kritisiert ihre materielle Paradiesesvorstellung, die sich mit dem christlichen Paradies der spirituellen Körper auch deshalb nicht vereinbaren lasse, weil sonst die Verfolgung der Martyrer, allein um künftiger körperlicher Freuden willen, sinnlos erscheine 138. Für Alanus sind die Anhänger Muhø ammads eine durch Fleischeslust gekennzeichnete Sekte, deren Vielweiberei sich durch nichts rechtfertigen lasse 139. Ferner widerlegt er die muslimische Vorstellung von der Sündenreinwaschung allein durch Wasser 140, die muslimische und jüdische Ablehnung der christlichen Bildervehrung 141, das muslimische Verbot, fremde Glaubensanhänger zu grüßen 142 und die muslimischen Zweifel an Christus’ Rolle als Weltenrichter am Ende der Zeiten 143. Diesen Informationsstand kann Alanus nur über Gewährsmänner mit direktem Kontakt zu Muslimen und ihren Koranauslegungen erlangt haben, da er kein Arabisch beherrscht und eine Rezeption der im lateinischen Christentum inzwischen verfügbaren Quellen zum Islam in seinem Werk, so insbesondere des Islamkapitels in Petrus Alfonsis ,Dialogus contra Iudaeos‘, der von Petrus Venerabilis iniitierten Übersetzungen des Koran und weiterer arabischer Werke zum Islam sowie dessen darauf aufbauenden Widerlegungen, bislang nicht wirklich nachgewiesen ist 144. V. T heologie als Kunst über allen Künsten: Nikolaus von Amiens, ,Ars fidei catholicae‘ 1. Die Darlegung des christlichen Glaubens als wissenschaftliches Verfahren Noch einen Schritt weiter geht dann Nikolaus von Amiens (1147-nach 1203) mit seiner ,Ars fidei catholicae‘ 145. Wie Alanus ist er ein geistiger Schüler des 137 138

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Cf. Ibid., c. 3-4, 336 sq. Cf. Ibid., c. 5-6, 337-339.; hierzu cf. B. Roling, ,Paradysus carnalium‘? Das körperliche Paradies in der christlich-islamischen Kontroverse, in: F. Schmieder (ed.), Produktive Kulturkonflikte [= Das Mittelalter 10/2 (2005), 3-147], Berlin 2006, 74-125, 84. Cf. Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos, IV, c. 7-8, ed. d’Alverny (nt. 112), 339-341. Cf. Ibid., c. 9-10, 341-343. Cf. Ibid., c. 11-12, 343-346. Cf. Ibid., c. 13-14, 346 sq. Cf. Ibid., c. 15, 347 sq. D’Alverny, Alain de Lille et l’Islam (nt. 112), 318-320 hat den Einfluß der Werke des Ibn H ø azm nicht ausschließen wollen. Überholt ist auf jeden Fall das Urteil von U. Monneret de Villard, Lo studio dell’Isla¯m in Europa nel XII e XIII secolo (Studi e testi 110), Citta` del Vaticano 1944 [Nachdruck: Citta` del Vaticano 1977], 59: „Eppure con un metodo tutto affatto scolastico, egli non sa altro se non rifiutare le obbiezioni contro la vera natura del Cristo, respingere una presunta concezione troppo materialistica delle beatitudini che attendono i giusti oltre tomba, e negare il valore delle abluzioni per la remissione dei peccati, misconoscendone cioe` completamente il loro signifacto. Cıˆteaux si mostra infinitamente meno bene informato di Cluny.“ Ed. M. Dreyer, Nikolaus von Amiens, Ars fidei catholicae. Ein Beispielwerk axiomatischer Methode (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, N. F. 37), Münster 1996, 76-106. Der Text war durch Bernhard Pez 1721 unter dem Namen des Alanus von

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Gilbert Porreta und hat gemäß dieser Prägung einen dezidiert neuplatonischkosmologischen Ansatz, der übrigens sehr schön in der ausführlichen Einleitung zu seiner Weltchronik in acht Büchern zum Ausdruck kommt, die er auf der Grundlage der Arbeit des Sigebert von Gembloux, dessen Fortsetzungen durch Anselm von Gembloux (1112-1135) und der sog. Continuationes von Ourscamp (bis 1154) und Anchin (1149-1201) schreibt 146. Seine in fünf Büchern gegliederte ,Kunst des katholischen Glaubens‘ widmet er Nikolaus Papst Clemens III. (1187-1191) 147. Die Zwecksetzung der Arbeit, die oft unter dem Namen des Alanus von Lille läuft - was verständlich ist, weil dieser ebenfalls in der neuplatonischen Schule von Chartres erzogene Gelehrte einen ähnlich umfassenden Entwurf zum katholischen Christentum geschrieben hat -, besteht darin, die Übel der Christenheit auszumerzen, deren Ursache in den zahlreichen Häresien nicht näher genannter Sekten des Okzident 148 und in Muhø ammads Lehre aus dem Orient lägen 149. Deren geistiger Widerstand soll nicht mit der ihm nicht genügend zur Verfügung stehenden physischen Gewalt (vires corporis) noch durch die ihm gleichfalls mangelnde Thaumaturgie der Väter (virtus miraculorum) noch durch die ebenso nicht mehr allein überzeugenden Schriftbeweise aus dem Alten und Neuen Testament (auctoritates veteris et novi testamenti),

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Lille ediert und so auch bei Migne erneut abgedruckt worden. Baeumker, Handschriftliches (nt. 121), 163 vertrat ebenfalls diese Autorschaft. Für Nikolaus von Amiens sprachen sich hingegen aus B. Haure´au, Histoire de la philosophie scolastique, vol. 1: De Charlemagne a` la fin du XIIe sie`cle, Paris 1872 [Nachdruck: Frankfurt am Main 1966], 502; Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode (nt. 111), 459-465 und 471-476; P. Glorieux, L’auteur de l’,Ars fidei catholicae‘, in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 23 (1956), 118-122. Durch einen Handschriftenfund in Zagreb verleitet, glaubte Ch. Balic´, Les anciens manuscrits de la Bibliothe`que me´tropolitaine de Zagreb, in: Studia mediaevalia in honorem admodum Reverendi Patris Raymundi Josephi Martin […], Bruges 1948, 437-474, 462-466 und 473 sq.; id., De auctore operis quod ,Ars fidei catholicae‘ conscribitur, in: Me´langes Joseph de Ghellinck, S.J., ˆ ge. E´poques moderne et contemporaine (Museum Lessianum. Section historique vol. 2: Moyen A 14), Gembloux 1951, 793-814 das Werk wieder Alanus und den kleinen Folgetext ,Potentia est vis‘ Nikolaus zuschreiben zu müssen. Für Nikolaus als Autor sprechen neben den von Glorieux, L’auteur nach einem Vergleich mit den ,Regulae‘ vorgebrachten stilistischen Gründe auch inhaltliche und methodische Unterschiede, auf die Evans, Alan of Lille (nt. 110), 172-182 hingewiesen hat. Zudem hat Nikolaus im Vorwort zu seiner Chronik selbst auf Überlegungen zur Frage nach den ersten Ursachen in seiner ,Ars fidei catholicae‘ Bezug genommen: „[…] ergo utriusque cause causa est superior ipsam componens, sicut in libro de Arte catholice fidei plenius disputavi “ (ed. d’Alverny, Alain de Lille [nt. 110], 320-322, 320,37-321,2; cf. ibid., 69). Ed. d’Alverny, Alain de Lille (nt. 110), 320-322. Cf. Nikolaus von Amiens, Ars fidei catholicae, Prologus, ed. Dreyer (nt. 145), 76,5-7: „Clemens papa, cuius rem nominis et vitae subiecti sentiant, et tu a domino consequaris zelum scribentis, hoc opus tuo devotum nomini benignus attende.“ Cf. ibid., 76,7-11: „Partes occidentalis imperii tot sectarum haeresibus corruptas officisiossime contemplatus, aegre sustinui adeo invalescentem merito peccaminum in confessione Christiani nominis corruptelam, cum ad instar cancri serpens et palam iam se prodere non formidans ecclesiae scandalum grave pariat et irreparabile detrimentum.“ Cf. ibid., 76,12-24: „Ceterum terrae orientalis incolae ridiculosa Machometi doctrina seducti his praecipue temporibus non solum verbis sed armis professores Christianae fidei persequuntur.“

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sondern allein durch Vernunftsargumente (probabiles […] humanae rationes) bekämpft werden 150. Nikolaus’ Werk ist eine eigenständige, praktische Umsetzung der später in Alanus’ ,Regulae caelestis iuris‘ voll entwickelten, theoretischen Axiomatik 151: In diesem Werk wendet Alanus das aus den zweiten Analytiken des Aristoteles (der sich selbst an der synthetischen Methode der Geometrie orientiert hatte) bekannte Prinzip, wonach sich jede Wissenschaft (scientia) in ihrer Ausführung (ars) auf ihre eigenen Regeln (regulae) und Vorschriften (praecepta) stütze, erstmals umfassend auf eine gesamte Disziplin und dazu auf die vornehmste unter ihnen an: die Theologie 152. Während aber die Regeln der übrigen Wissenschaften konventionell seien, besäßen die 134 Regeln der Theologie wegen des unveränderli150

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Ibid., 76,15-77,3: „Ego vero cum viribus corporis non possim resistere, temptavi saltem rationibus eorum malitiam impugnare. Porro sancti patres Iudaeos a pertinacia, gentiles ab erroribus virtute miraculorum recedere facientes, auctoritatibus veteris et novi testamenti productis in medium comprobatam fidem catholicam ampliaverunt. Sed nec miraculorum gratia mihi collata est nec ad convincendas haereses sufficit auctoritates inducere, cum illas moderni haeretici aut prorsus respuant aut pervertant. Probabiles igitur nostrae fidei rationes, quibus perspicax ingenium vix possit resistere, studiosius ordinavi, ut qui prophetiae vel evangelio contemnit, acquiescere humanis saltem rationibus inducatur.“ Ed. N. M. Häring, Magister Alanus de Insulis, ,Regulae caelestis iuris‘, in: Archives d’histoire ˆ ge 58 (1981), 97-226, hier 121-226; transl. F. Hudry, Alain doctrinale et litte´raire du Moyen A de Lille, Re`gles de the´ologie, suivi de Sermon sur la sphe`re inteligible. Introduction, traduction et notes (Sagesses chre´tiennes), Paris 1995, 93-279; ed./transl. C. Chiurco, Le regole del diritto celeste. Introduzione, traduzione e note. Saggio introduttivo di A. Musco (Machina Philosophorum. Testi e studi dalle culture euromediterranee 6), Palermo 2002, 60-204 und 61-205; ed./ transl. A. Niederberger/M. Pahlsmeier, Alain von Lille, Regulae theologiae. Regeln der Theologie. Lateinisch - Deutsch (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 20), Freiburg e.a. 2009, 48-256 und 49-257; cf. Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode (nt. 111), 457-459 und 468-471; M.-D. Chenu, Un essai de me´thode the´ologique au XIIe sie`cle, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 24 (1935), 258-267; id., Une the´ologie axiomatique au XIIe sie`cle. Alain de Lille (ó 1203), in: Cıˆteaux in de Nederlanden 9 (1958), 137-142; M.-Th. d’Alverny, Alain de Lille et la ,theologia‘, in: L’homme devant Dieu. Me´langes offerts au Pe`re Henri de Lubac 2 (The´ologie. E´tudes publie´es sous la direction de la Faculte´ de The´ologie S.J. de Loyn-Fourvie`re 57), Paris 1964, 111-128 [Nachdruck: ead. (ó), Pense´e me´die´vale en Occident (nt. 112), Nr. II], 115-117; ead., Alain de Lille (nt. 110), 6668; Chaˆtillon, La me´thode the´ologique d’Alain de Lille (nt. 117), 52 und 54; G. R. Evans, Boethian and Euclidian axiomatic method in the theology of the later twelfth century. The ,Regulae theologicae‘ and the ,De arte fidei catholicae‘, in: Archives internationales d’histoire des sciences 30 (1980), 36-52, 36-47 und 52; J. Jolivet, Remarques sur les ,Regulae theologicae‘ d’Alain de Lille, in: Roussel/Suard (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 83-99; Evans, Alan of Lille (nt. 110), 16, 31 sq., 37 sq., 51 und 63-80; Hudry, Alain de Lille (nt. 151), 47-68; Chiurco, Le regole del diritto celeste (nt. 151), 7-36 und 44-47; F. Hudry, Me´taphysique et the´ologie dans les ,Regulae theologiae‘ d’Alain de Lille (ó 1202), in: M. Lutz-Bachmann e.a. (eds.), Metaphysics in the twelfth century. On the relationship among philosophy, science and theology (Fe´de´ration Internationale ˆ ge 19), Turnhout 2004, 201des Instituts d’E´tudes Me´die´vales. Textes et e´tudes du Moyen A 215; Chiurco, Alano di Lilla (nt. 110), 54-68; Niederberger/Pahlsmeier, Alain von Lille (nt. 151), 19, 21 und 25-44. Zu Alanus’ Theologieverständnis cf. G. D’Onofrio, Alano di Lilla e la teologia, in: Sole`re e.a. (eds.), Alain de Lille (nt. 110), 289-337; C. Chiurco, Tra la teoresi e la prassi. Una possibile interpretazione della teologia in Alano di Lilla, in: ibid., 339-368.

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chen Charakters ihres Erkenntnisgegenstandes (Glaube an Gott) eine absolute und widerspruchsfreie Notwendigkeit 153. Zur Darlegung dieses Sachverhaltes greift Alanus freilich auf das Modell des in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus dem Arabischen übersetzten ,Liber de causis‘ zurück, der den Gelehrten zu seiner Zeit als Werk des Aristoteles galt 154: Jeder Regel folgt hier eine Beweisführung in euklidischer Manier. Doch anders als im Vorbild werden die Ableitungssätze stärker auf vorausgegangene bezogen, sodass sich letztlich alle weiteren Regeln aus der ersten voraussetzungslosen Regel ableiten, ja die ganze Beweisführung selbst regular, quasi zu einer einzigen Regel wird. Alanus behandelt in seinen Regeln alle wichtigen Inhalte des christlichen Glaubens und der Theologie: von der Gottes- zur Sakramentenlehre, wobei er seinen Stoff nach den Hauptgesichtspunkten Glaube (fides), Liebe (caritas) und Sakramente (sacramenta) gliedert 155. Alanus’ Theologie gleicht also einem nach mathematischaxiomatischen Methoden aufgebauten Gedankengebäude: Keineswegs glaubt er aber, dass man die Wahrheit der Artikel des christlichen Glaubens rational ,beweisen‘ kann. Er benügt sich vielmehr damit, taugliche Gründe aufzuzeigen, welche den Geist der Häretiker zur Auseinandersetzung mit der Vernunft führen sollen, da ihnen die Autorität der Hl. Schrift nicht genügt. Der Gnadencharakter des Glaubens bleibt damit unangetastet. Diese grundsätzliche Einschätzung teilt auch Nikolaus 156. Nikolaus’ Leistung besteht darin, das Prinzip der Axiomatik auf die Darlegung der Dogmen des christlichen Glaubens in der polemischen Auseinandersetzung mit allen andersgläubigen Positionen anzuwenden und hierbei tatsächlich in einer mathematisch-geometrischen Beweisführung (more geometrico) vorzugehen: Er legt die religiösen Probleme mit dem von Euklid herrührenden, dreigliedrigen 153

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Hierbei unterscheidet er nochmals zwei Gruppen von Regeln - solche, die jedem erkenntnismäßig zugänglich sind, und solche, die nur von wenigen (i.e. Weisen) als „per se nota“ wirklich verstanden würden; cf. Alanus de Insulis, Regulae caelestis iuris, Prologus, § 10, ed. Häring (nt. 151), 123; ed. Niederberger/Pahlsmeier (nt. 151), 50-52. Cf. Ch. H. Lohr, The Pseudo-Aristotelian ,Liber de causis‘ and Latin theories of science in the twelfth and thirteenth centuries, in: J. Kraye e.a. (eds.), Pseudo-Aristotle in the Middle Ages. The ,theology‘ and other texts (Warburg Institute Surveys and Texts 11), London 1986, 5362, 56 sq.; P. Magnard, La demeure de l’eˆtre, in: id. e.a. (eds.), La demeure de l’eˆtre. Autour d’un anonyme. E´tude et traduction du ,Liber de causis‘ (Philologie et Mercure), Paris 1990, 9-28, 25. In seinem Prolog verrät Alanus natürlich auch Kenntnis des Kommentars des Gilbert Porreta zu Boethius’ De hebdomadibus, in dem ebenso Wissenschaft als auf Regeln und Fundamente gestütztes Verfahren erörtert wird. Die behandelten Inhalte verteilen sich wie folgt: Regeln 1-67: dreieiniger Gott (1-53) und Schöpfung (54-67) bzw. spekulative Theologie; Regeln 68-115: Sündenfall (68-90) und Erlösung (91-115) bzw. Moraltheologie, darin Verhältnis Gott-Mensch (91-99) Inkarnation Christi (100-106) und Sakramente (107-115); Regeln 116-134: Unterscheidung zwischen Natur und Theologie. Cf. Nikolaus von Amiens, Ars fidei catholicae, Prologus, ed. Dreyer (nt. 145), 77,3-8: „Hae vero probationes etsi hominem ad credendum inducant, non tamen ad fidem plene capessendam sufficiunt. Usquequaque fides enim non habet meritum, cui humana ratio experimentum praebet ad plenum. Haec enim erit gloria nostra perfecta scientia comprendere, quod nunc quasi per speculum in aenigmate contemplamur.“

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Prinzipieninstrumentarium, sprich Beschreibungen (descriptiones), Forderungen (petitiones) und allgemeinen Geistesentwürfen (communes animi conceptiones) 157 mittels Definitionen (diffinitiones), Unterscheidungen (divisiones) und Beweisprämissen (propositiones oder theoremata) dar 158. Die Stoffgliederung in fünf Büchern folgt den bekannten, zentralen Inhalten scholastischer Glaubenssummen (etwa der Sentenzen des Petrus Lombardus): Buch I: Gottes- und Trinitätslehre nach dem Kausalitätsprinzip; Buch II: Schöpfung der Welt, der Engel und des Menschen sowie das Problem des freien Willens; Buch III: Inkarnation des Gottessohnes zur Erlösung des Menschen; Buch IV: Sakramente der Kirche; Buch V: Auferstehung 159. Nikolaus’ Werk 160 besitzt damit gegenüber Alanus’ großangelegtem Werk ,De fide catholica contra haereticos‘ eine verdichtete Form: Es gliedert seinen Stoff nicht nach den zu widerlegenden nichtchristlichen Glaubensgruppen und ihren Ansichten, sondern nach einer systematischen Darlegung wesentlicher Inhalte des christlichen Glaubens (aber nicht im Durchgang durch das Glaubensbekenntnis wie noch Petrus Alfonsi im ,Dialogus contra Iudeaos‘) 161. Tatsächlich

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Ibid., 77,20-26: „Descriptiones autem appositae sunt hac de causa, ut appareat in quo sensu accomodis huic arti vocabulis sit utendum. Tres autem petitiones sic dicuntur, quia cum per alia probari non possint tamquam maximae licet non adeo evidentes, vere tamen ad probationem sequentium illas mihi peto concedi. Communes autem animi conceptiones sequuntur sic dictae, quia adeo sunt evidentes quod eas auditas statim concipit animus esse veras.“ Die descriptiones (in Buch I, II, IV und V) sollen dem Leser verdeutlichen, in welchem Sinn bestimmte Worte verwendet werden; unter petitiones (in Buch I für das gesamte Werk) seien Beweismittel verstanden, die weder durch andere Sätze bewiesen werden können noch evident seien; unter communes animi conceptiones (ebenso in Buch I für das gesamte Werk) seien völlig evidente Aussagen verstanden. Zu den im 12. Jahrhundert verfügbaren lateinischen EuklidÜbersetzungen cf. M. Clagett, The medieval Latin translations from the Arabic of the ,Elements‘ of Euclid, with special emphasis on the versions of Adelard of Bath, in: Isis 44 (1953), 16-42. Nikolaus von Amiens, Ars fidei catholicae, Prologus, ed. Dreyer (nt. 145), 77,13-15: „In modum enim artis composita diffinitiones, divisiones continet et propositiones artificio processu propositum comprobantes.“ Cf. ibid., 77,15-20: „Quinque vero libris distinctum est hoc opus, quorum primus agit de una omnium causa, id est uno deo eodem trino, secundus de mundi, angeli et hominis creatione et arbitrii libertate, tertius de filio dei incarnato pro homine redimendo, quartus de sacramentis ecclesiae, quintus de resurrectione.“ Cf. K. Balic´, Bemerkungen zur Verwendung mathematischer Beweise und zu den Theoremata bei den scholastischen Schriftstellern, in: Wissenschaft und Weisheit 3 (1936), 191-217, 207209; Chenu, Une the´ologie axiomatique (nt. 151), 138-142; Evans, Boethian and Euclidian axiomatic method (nt. 151), 36 sq. und 47-52; ead., Old arts and new theology (nt. 135), 4752; ead., Alain of Lille (nt. 110), 182-187; M. Dreyer, „[…] rationibus […] malitiam impugnare“. Zur Theologiekonzeption des Nikolaus von Amiens, in: R. Berndt e.a. (eds.), ,Scientia‘ und ,Disciplina‘. Wissenstheorie und Wissenschaftspraxis im 12. und 13. Jahrhundert (Erudiri sapientia. Studien zum Mittelalter und zu seiner Rezeptionsgeschichte 3), Berlin 2002, 223234, 226-231. Ed. K.-P. Mieth, in: M. J. Lacarra (ed.), Pedro Alfonso de Huesca, Dia´logo contra los Judı´os (Larumbe 9), Huesca 1996, 5-193, 5,20-6,13 und 7,32-8,8 (Prolog) sowie 104,1-172,28 (Tituli VI-XI); cf. M. M. Tischler, Der iberische Grenzraum. Drei frühe Entwürfe zum Islam aus Exegese und Theologie, in: M. Borgolte e.a. (eds.), Mittelalter im Labor. Die Mediävistik testet Wege zu einer transkulturellen Europawissenschaft (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 10), Berlin 2008, 95-116, 101.

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baut Nikolaus nur an drei einzelnen Stellen häretische Kontrapositionen ein 162 und läßt in Buch V zur Auferstehung - nahezu am Ende des Werkes - mit seiner abschließenden Kritik an den körperlichen Paradiesesvorstellungen der Muslime nur ein einziges Mal sein Islamwissen kurz anklingen, ohne eine wirkliche Auseinandersetzung führen zu wollen 163. Damit hat er im Verhältnis zwischen christlichen und nichtchristlichen Glaubenspositionen die Gesamtperspektive umgekehrt: Sein Werk erläutert den christlichen Glauben nicht mittels einer Polemik sondern mittels einer Apologie gegen nichtchristliche Positionen. Oder anders ausgedrückt: Er wehrt sich nicht mehr gegen die nicht-christlichen Positionen, sondern er verteidigt seine christlichen Positionen gegen diese. In der Tradition der boethianischen Reflexion zur Ordnung der Inhalte und der Fächer des Wissens bezeichnet er sein Werk als Ars, weil er es als eine wissenschaftliche und methodische Grundlegung der christlichen Theologie sieht. Damit macht er diese zur ars über allen anderen artes. 2. Die Krise des Glaubensgesprächs und die Verwissenschaftlichung der Glaubenslehre Wie schon in den Glaubensdialogen sind die sog. quaestiones der Ausgangspunkt der theologischen Erörterungen, was sich inbesondere an der Ordnung von Bejahungen und Verneinungen bzw. von gegensätzlichen Meinungen im Traktat des Alanus ablesen lässt, die darum zentriert sind. Warum aber entfalten Alanus und Nikolaus gegen Ende des 12. Jahrhunderts nicht nur, wie Petrus Venerabilis, den christlichen Glauben in Traktatform (statt in einem Dialog) und führen anders als Petrus ihre integrale Auseinandersetzung gegen häretische, jüdische und muslimische Positionen in einem einzigen Werk mit der innovativen Methode eines konsequent angewendeten Regelwerks (Axiomatik)? Man wird insbesondere den letzten Punkt nicht allein mit dem allgemeinen Trend der Verwissenschaftlichung des Wissens und seiner Vermittlung im Laufe des 12. Jahrhunderts erklären können, der schließlich auch die vornehmste der Wissenschaften, die Theologie, erfasste. Dazu war der Wandel im Verhältnis der Kirche zu den Nichtgläubigen viel zu tiefgreifend: Der reale Dialog der Kirche mit den Juden und Häretikern befand sich in einer Krise 164 und zwang zu 162

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Cf. Nikolaus von Amiens, Ars fidei catholicae, lib. I, 12, ed. Dreyer (nt. 145), 82,6-8: „Si enim adversarius dicat cum haeretico Manichaeo non unam tantum esse causam supremam, ponantur ergo esse plures. […]“; ibid., lib. I, 18, 83,29-84,2: „Si ergo dicat falsigraphus: ,Deus non omnia potest‘, ponatur aliquid esse creatum vel concreatum, quod ipse non possit […]“; ibid., lib. IV, 8, 102,26-103,1: „Fides sacramentorum exigitur bene merentibus apud deum. *Dicet Catharus falsum esse. Ponatur igitur bene merentem apud deum non habere fidem sacramentorum […].“ Cf. ibid., lib. V, 6, 106, 4-6: „Erubescant igitur Mahomitae, qui mulierculas et miri saporis cibos, delicias, siquidem bestiales, terrenas, non caelestes, corporis non animae resurrectionem promittunt “; cf. Roling, ,Paradysus carnalium‘? (nt. 138), 85. Erkennbar insbesondere am Versiegen des christlichen Judendialogs gegen Ende des 12./Anfang des 13. Jahrhunderts: cf. supra nt. 1. Zu strukturellen Krisenphänomenen im (literarischen) christlichen Judendialog des 12. Jahrhunderts, insbesondere dem Ausbleiben der Konversion des Juden, nicht berücksichtigt bei Novikoff, The medieval culture of disputation (nt. 1), ist folgender wichtige Beitrag: M. Müllerburg e.a., ,Und warum glaubst du dann nicht?‘. Zur ambivalenten

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innovativen Formen der Vermittlung der Geheimnisse des christlichen Glaubens. Nicht nur das wachsende Wissen um die religiöse Alterität erforderte ein neues systematisches Durchdenken der eigenen Glaubenspositionen, sondern auch ihre Schärfung im Kontrast mit den fremden oder anderen Glaubenspositionen. Zudem steckte in der zunehmend philosophisch und methodisch grundgelegten Theologie die etwa schon von Abaelard formulierte Einsicht in die mit dem ,Anderen‘ gemeinsame Basis, wenn die gemeinsamen Autoritäten fehlen 165. Für den neuen, nach innen wie außen gerichteten, Aufgabenbereich der christlichen Pastoral in Auseinandersetzung mit häretischen, jüdischen und muslimischen Glaubensauffassungen aber waren die bislang entwickelten Entwürfe nicht geeignet. Insofern kann man die Lösungen von Alanus und Nikolaus auch als eine innerchristliche Kritik an den ersten Summen der frühscholastischen Theologie verstehen, die reine innerchristliche Wissensentwürfe waren und folglich die polemische Integration von nicht-christlichen Positionen nicht üben mussten. Schließlich bleibt zu überlegen, ob mit der durch die praktische Glaubenserfahrung angestoßene Verwissenschaftlichung der christlichen Theologie zu einem Regelwerk nicht auch ein entscheidender Argumentationsvorteil in künftigen Auseinandersetzungen mit nicht-Christen errungen werden sollte. VI. Die weitere Entwicklung: Ein kurzer Ausblick auf das 13. Jahrhunder t Die Wirkungslosigkeit des Entwurfs des Petrus Venerabilis bis zu seiner allmählichen Wiederentdeckung und Rezeption im 13. Jahrhundert ist bereits hinlänglich diskutiert worden 166. Doch auch die gewagten Versuche des Alanus von Lille und insbesondere des Nikolaus von Amiens, die Vollkommenheit des christlichen Glaubens mit einem strengen axiomatisch-geometrischen oder

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Funktion der Venunft in Religionsdialogen des 12. Jahrhunderts, in: Borgolte e.a. (eds.), Integration und Desintegration (nt. 13), 261-324, 279-317. Der singuläre (fiktive) Dialog Qui ceptum zwischen einem Christen und einem Juden, den ein jüdischer Konvertit Petrus ca. 1222 vielleicht im aragonesischen Uncastillo geschrieben hat, ist die iberische Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Er ist freilich auch mehr apologetischer Traktat gegen die alten Glaubensgenossen, denn wirklicher Dialog: ed. J. M. Milla´s Vallicrosa, Un tratado ano´nimo de pole´mica contra los judı´os, in: Sefarad 13 (1953), 3-34, 10-34; cf. ibid., 7 sq. mit nt. 1 (zur Datierung); Dahan, Les intellectuels chre´tiens (nt. 65), 450 sq., 484 sq., 493, 507 und 536; V. Valca´rcel [Martı´nez], La ,Vita Mahometi‘ del co´dice 10 de Uncastillo (s. XIII). Estudio y edicio´n, in: Pe´rez Gonza´lez (ed.), Actas del III Congreso Hispa´nico de Latı´n Medieval (nt. 76), 211-245. Einen literarisch faßbaren Dialog mit Muslimen gibt es vor Ramon Llull quasi gar nicht (nt. 2), denn auch das bekannte Islamkapitel (Titulus V) im Dialogus contra Iudaeos des Petrus Alfonsi ist ein Dialog zwischen der alten jüdischen (Moses) und der neuen christlichen Idenität (Petrus) des Autors über die Glaubenspositionen der Muslime: ed. Mieth, in: Lacarra (ed.), Pedro Alfonso de Huesca (nt. 161), 91-103; cf. Tischler, Der iberische Grenzraum (nt. 161), 99 sq. Ed. J. Marenbon/G. Orlandi, Peter Abelard, Collationes (Oxford Medieval Texts), Oxford 2001 [Nachdruck: Oxford 2003], 2-222. Cf. supra nt. 106.

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logisch-mathematischen Verfahren darzulegen, fanden in der universitären Hochscholastik des 13. Jahrhunderts keine wirkliche Nachfolge 167. Sie werden zugunsten einer aristotelisch verfeinerten Argumentationstechnik aufgegeben, wie auch die im theologischen Kontext eher ungewöhnlichen Termini ,Axiom‘, ,Theorem‘ oder ,Korollar‘ verschwinden. Gleichwohl sollten sich auch die in der Hochscholastik weiterwickelten Auseinandersetzungsformen mit den Andersgläubigen angesichts der Unbeweisbarkeit der Alleingültigkeit des christlichen Glaubens und der Venunftmäßigkeit seiner Annahme als letztlich ungenügend erweisen. Insofern ist es bezeichnend, dass mit Ramon Llull ein großer Kritiker dieses erneuten Scheiterns des Gesprächs mit den Nichtgläubigen in seiner eigenen Ars nicht einfach zur früheren aristotelischen Axiomatik einer ,beweisenden‘ abstrakten Wissenschaft zurückkehrt, sondern vielmehr ausgehend von einfachen, immerwährenden Begriffen, seinen divinae dignitates, das Gesamtkunstwerk dieses Schöpfergottes und damit auch die Inhalte des christlichen Glaubens in einem für alle Religionsangehörige gleichermaßen einsichtigen wie schlüssigen Sprachverfahren neu entfaltet 168. Tatsächlich führten die sich verändernden Rahmenbedingungen der Kirche in ihrem Verhältnis zur Glaubensverkündigung - die zunehmende Professionalisierung der Theologie an den nun entstehenden Universitäten und das Verbot für Laien, über den katholischen Glauben öffentlich oder privat mit Ungläubigen zu disputieren - zu neuen scholastischen Formen der Darlegung des christlichen Glaubens und der Widerlegung nicht-christlicher Glaubensvorstellungen insbesondere für die Peripherien des lateinischen Christentums 169. In den neuen scholastischen Entwürfen des früheren 13. Jahrhunderts werden die bislang eher getrennten Entwicklungen des 12. Jahrhunderts zusammengeführt, indem nun für die deutlich komplexeren neuen Darlegungen des eigenen Glaubens vermehrt die schon vorhandenen christlichen Werke zum Islam, die von Petrus Venerabilis neu initiierten Übersetzungen des Koran und seiner Begleitschriften sowie der arabische Koran, seine Exegese und arabische wie hebräische philosophische Schriften studiert werden. Schon in Wilhelms von Auvergne Abhandlung über den (christlichen) Glauben und die (verschiedenen) Gesetze (,De fide et legibus‘), einer zwischen 1223 und April 1228 geschriebenen Widerlegung nicht-christlicher Glaubensinhalte, aber auch in anderen Trak167

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Alanus von Lille: Häring, Magister Alanus de Insulis (nt. 151), 99-101; Hudry, Alain de Lille (nt. 151), 68-78; Niederberger/Pahlsmeier, Alain von Lille (nt. 151), 42-44; Nikolaus von Amiens: Dreyer, Nikolaus von Amiens (nt. 145), 38 sq. Cf. Ch. Lohr, Raimundus Lullus und die Scholastik, in: Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales 73 (2006), 335-347, 345 sq. Der folgende Abschnitt ist eine knappe Zusammenfassung von Tischler, ,Lex Mahometi‘ (nt. 4), 544-567, die ihr Augenmerk auf die Fragestellung des vorliegenden Aufsatzes lenkt, weshalb nun Thomas von Aquin neu in die Überlegungen mit einbezogen ist, die ausführlich diskutierten Entwürfe des Humbert von Romans und Wilhelm von Tripolis, des anonymen Autors von ,De statu Saracenorum et de Mahomete pseudopropheta eorum et de ipsa gente et eorum lege‘ und des Riccoldo von Montecroce jedoch bewußt weggelassen sind.

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taten seiner Glaubenssumme Magisterium divinale 170, zeigt sich die nun intensivierte Nutzung des Pseudo-Methodius, des Petrus Alfonsi und des Pseudo-alKindı¯ sowie des lateinischen Koran zur Polemisierung gegen Muhø ammad, sein Glaubensgesetz und seine Anhänger in dem neuen vergleichenden Typus des scholastischen ,De legibus‘-Traktats. Freilich liegt bei Wilhelm, immerhin auch Bischof von Paris, wie generell bei den zeitgenössischen Pariser Theologen das Interesse noch mehr auf der Auseinandersetzung mit dem talmudischen Judentum, das man aber anders als Petrus Venerabilis nun nicht mehr für die Entstehung des Islam mit verantwortlich macht, sondern umgekehrt unter dem negativen Einfluss von Islam und arabischer Philosphie sieht. In dem skizzierten Umfeld verdichten sich die Spuren der Wiederentdeckung und Nutzung der Schriften des cluniazensischen Islamkorpus vor allem durch Autoren des noch jungen Dominikanerordens. Diese Werke versprechen trotz aller Polemik einen authentischen Zugang zum Islam, geben den Anstoß zur Auseinandersetzung mit dem Koran und verhelfen damit den christlichen Gelehrten zu der Einsicht, dass die Muslime ihr ,eigenes Gesetz‘ haben. Dies sind die Voraussetzungen für die nun neu entstehenden, vornehmlich dominikanischen Glaubenstraktate des weiteren 13. Jahrhunderts. Die beiden frühesten Entwürfe von 1256/1257 und 1260, die ,Explanatio symboli apostolorum ad institutionem fidelium‘ 171 und ,De seta Machometi‘ (oder: ,De origine, progressu et fine Machometi et quadruplici reprobatione‘) 172, stammen aus der Feder des katalanischen Dominikaners Ramon Martı´ und bilden ein Tandem: das erste ist eine argumentativ entwickelte Apologie der 12 Artikel des Glaubensbekenntnisse der Christen in muslimisch-jüdischer Fremde, das zweite eine Polemik gegen die Glaubensinhalte der Muslime. Während Ramon im ersten Traktat die Integrität von Altem und Neuem Testament sogar auf der Grundlage maßgeblicher Stellen aus dem Koran nachweisen und das Fehlen einer Ankündigung Muhø ammads in dieser jüdisch-christlichen Tradition zeigen kann, widerlegt er im zweiten Traktat gerade auch mit Hilfe des Koran den Prophetenstatus des Muhø ammad. Im ersten Traktat werden die einzelnen Glaubensartikel (insbesondere zur Trinität) gegen die im muslimisch-jüdischen 170

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Cf. Wilhelm von Auvergne, De fide et legibus, ed. [F. Hotot], in: Guilielmi Alverni episcopi Parisiensis, mathematici perfectissimi, eximii philosophi, ac theologi praestantissimi, Opera omnia […], vol. 1, Paris 1674 [Nachdruck: Frankfurt a. M. 1963], 1a-102b; id., De virtutibus, in: ibid., 102b-191a; id., De universo, in: ibid., 593a-1074b. Ed. J. M. March [i Batlles], En Ramo´n Martı´ i la seva ,Explanatio simboli Apostolorum‘, in: Anuari de l’Institut d’Estudis Catalans 2 (1908), 443-496, 450-496 [auch separat: ed. J. M. March y Batlles: La ,Explanatio Simboli‘, obra ine´dita de Ramo´n Martı´, autor del ,Pugio fidei‘, Barcelona 1910, 10-56]. Ed. J. Hernando [i Delgado], Ramo´n Martı´ (s. XIII), ,De seta Machometi o de origine, progressu et fine Machometi et quadruplici reprobatione prophetiae eius‘. Introduccio´n, transcripcio´n, traduccio´n y notas, in: Acta historica et archaeologica mediaevalia 4 (1983), 9-63, 14-62 [nach Burgo de Osma, Archivo Capitular, Ms. 46]; ed. J. Chora˜o Lavajo, Cristianismo e islamismo na penı´nsula ibe´rica. Raimundo Martı´ um precursor do dia´logo religioso, vol. 3, Diss. theol. [masch.] Evora 1988, 900-1027 [nach allen bekannten Handschriften].

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Lebenskontext geäußerten Einwände mit Schriftbeweisen (auctoritates), Vernunftsgründen (rationes) und Beispielen aus dem analogen Denken (similitudines) dargelegt und damit zugleich die Irrtümer Muhammads und seiner Anhänger offengelegt. Bemerkenswert ist hier, neben der Nutzung der eigenen philosophischen Tradition, der Einbezug von Argumenten aus dem hebräischen Talmud, dem arabischen Koran und zahlreichen arabischen theologischen wie philosophischen Autoren. In seinem zweiten Traktat nimmt Ramon Martı´ hingegen die im ersten Werk angedeutete Widerlegung von Muhø ammads Prophetenstatus zum Ausgangspunkt seiner Auseinandersetzung mit den muslimischen Glaubensinhalten, für die er erneut den arabischen Koran und seine Exegese, aber auch Werke der muslimischen Tradition zu Muhø ammad, arabische Philosophen und verschiedene christliche Polemiken gegen den Islam heranzieht. Zudem bringt Ramon die Vernunft, das Naturgesetz, die Philosophie und sogar viele Inhalte der muslimischen Lehre selbst in Anschlag, um die Wahrheit der christlichen Position zu zeigen. Nach der Schilderung der Biographie Muhø ammads, der falschen Offenbarung des Koran und der Gemeinschaft der ersten Muslime entfaltet Ramon vor allem anhand des Koran seine vierfache Widerlegung des Propheten, der keines der vier üblichen Merkmale, nämlich Wahrhaftigkeit, Tugendhaftigkeit, Wundermächtigkeit und Hervorbringen eines heiligen und guten Gesetzes aufweise. Nach einer kurzen Schilderung von Erkrankung und Tod Muhø ammads zeigt Ramon dann in umgekehrter Reihenfolge zur Explanatio symboli apostolorum die Richtigkeit des Christentums auf, indem er die Autorität der christlichen Bibel einerseits durch Vernunftgründe (rationes) und Schriftzeugnisse (auctoritates) und andererseits durch den Koran und weitere authentische Schriften des Islam (historiae antiquae) aufzeigt. Ramon wehrt sich hierbei gegen den üblichen Vorwurf der Muslime, die Christen hätten die heiligen Schriften verfälscht. Anders als die frühscholastischen Autoren des 12. Jahrhunderts stellt Ramon Martı´ in seinen beiden Frühschriften, das Glaubensbekenntnis der Christen (symbolum) selbst in den Mittelpunkt seiner Widerlegung der muslimischen Gegenpositionen und bezieht dafür erstmals umfassend die Schriften der Muslime mit ein, die er sogar in ihrer originalen Sprache Arabisch rezipiert. Die hier erkennbare, integrative Methode des Nachweises der alleinigen Richtigkeit der christlichen fides, wird der Dominikaner dann in seinen beiden späteren Hauptwerken gegen Juden (und Muslime), dem ,Capistrum Iudaeorum‘ von 1267 173 und dem ,Pugio fidei‘ von 1278 174, weiter ausbauen. 173

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Ed. Adolfo Robles Sierra, Raimundi Martini Capistrum Iudaeorum, vol. 1: Texto crı´tico y traduccio´n (Corpus Islamo-Christianum. Series Latina 3), Würzburg-Altenberge 1990, 54-310; vol. 2: Texto crı´tico y traduccio´n (Corpus Islamo-Christianum. Series Latina 5), WürzburgAltenberge 1993, 16-288. Ed. Raymundi Martini, Ordinis Praedicatorum, Pugio Fidei adversus Mauros et Judaeos, cum observationibus Josephi Voisin, et introductione Jo. Benedicti Carpzovi […], Leipzig 1687 [Nachdruck: Farnborough 1967], 1-6 und 191-960.

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Die fides der Christen steht auch in den beiden bekannten Glaubenstraktaten des Thomas von Aquin im Mittelpunkt: In der ,Summa contra gentiles‘ von 1259/1268 175, deren ausführlicher Titel Liber de veritate catholicae fidei contra errores infidelium lautet, entwickelt Thomas eine allgemeine Apologie des katholischen Glaubens gegen die Irrtümer der Ungläubigen (nicht: Heiden). In ,De rationibus fidei‘ von 1268 176 bringt er dann vor allem Vernunftgründe (rationes) gegen die Einwände der Muslime gegen den christlichen Glauben vor. In Vorgriff auf den bekannten Grundsatz seiner etwas später geschriebenen ,Summa theologiae‘ gegen friedfertige Ungläubige keinen Zwang anzuwenden, entscheidet sich Thomas jeweils für die gewaltfreie verbale Auseinandersetzung. In seiner ,Summa‘ erörtert er bereits das Problem, dass man mit Muslimen und Heiden anders als mit den Juden und Häretikern verfahren müsse, da man wegen ihrer Ablehung der auctoritas der Hl. Schrift keine gemeinsame Diskussionsbasis mit ihnen habe. Im Gespräch mit Vertretern anderer religiöser Traditionen und Glaubensrichtungen, müsse am Anfang immer mit dem Offensichtlichen, dem Sichtbaren begonnen werden, um von dort aus zu den Geheimnissen des Glaubens vorzudringen. Dem Heiden müsse man die Existenz Gottes an dessen Schöpfungswerk vor Augen führen. Im Gespräch mit den Juden könne darüber hinaus auf die alttestamentlichen Prophezeiungen eingegangen werden, um zur Gotteserkenntnis zu gelangen. Bei den Muslimen käme die Bedeutung von Jesus und Maria hinzu. Thomas beschreitet also einen intellektuellen Weg vom Offenkundigen zum weniger Offensichtlichen. So kann der Weg schrittweise weg von den irdischen Bedürfnissen hin zur göttlichen Offenbarung gelenkt werden. Thomas geht also nicht von der rational ohnehin nicht erklärbaren, geoffenbarten eigenen Wahrheit aus, sondern von den rational wahrnehmbaren und widerlegbaren Einwänden seiner gedachten Dialogpartner. Die Rationalität nimmt damit eine Stellvertreterposition ein und sie ermöglicht den Rückzug auf den unbeweisbaren Offenbarungsglauben. In den ersten drei Büchern seiner Summa legt Thomas die Grundlagen des christlichen Glaubens durch nachvollziehbar beweisbare (rationes demonstrativae) und wahrscheinliche Argumente (rationes probabiles), die eine gewisse Entsprechung in Judentum und Islam haben, also similitudines sind. Im vierten Buch verteidigt Thomas auf philosophischem Wege gewisse, der natürlichen Verstandeserkenntnis unzugängliche Glaubensinhalte der Christen, wie die Trinität und die Inkarnation, gegen Einwände. Der apologetische Charakter seines Werkes ist eindeutig. Die Anhänger des Muhø ammad werden von Thomas in die Nähe der Heiden gerückt. Daher müsse bei ihnen auf die natürliche Vernunft zurückgegriffen werden, die der eigenen religiösen Tradition systematisch eingeschrieben wird, 175

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Cf. Thomas von Aquin, Summa contra gentiles, ed. Commissio Leonina, in: Sancti Thomae Aquinatis doctoris Angelici Opera omnia, vol. 13, Roma 1918, 3-602; vol. 14, Roma 1926, 3475; vol. 15, Roma 1930, 3-299. Cf. Thomas von Aquin, De rationibus fidei, ed. Commissio Leonina, in: Sancti Thomae Aquinatis doctoris Angelici Opera omnia, vol. 40 B, Roma 1969, 57-73.

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um auf diese Weise einen dem anvisierten Kulturbereich adäquaten missionarischen Denk- und Argumentationsstil zu befördern. Jedoch äußert sich Thomas allein in I, 6 ausführlicher zum Islam. Hier zeigt er die unterschiedlichen Weisen auf, mit denen Christentum und Islam verbreitet wurden. Seine Vorlage ist dabei nicht etwa der Koran selbst oder andere authentische muslimische Texte in lateinischer Übersetzung, die zu seiner Zeit im eigenen Orden bereits zur Verfügung stehen, sondern das in seiner Zeit zunehmend beliebter werdende apologetische Werk des Pseudo-al-Kindı¯. Man hat daraus geschlossen, dass Thomas’ Interesse am Islam im Rahmen des Werkes eher beiläufig gewesen sei und dass bei ihm die Neigung zur Apologetik vorgeherrscht habe. Aber die Nutzung gerade dieser Vorlage zeigt, dass sich Thomas sehr wohl in ihre Tradition hineinstellt und dass er sein Werk als theoretische Grundlage für den missionarischen Kontext verfasst hat. Hieraus erklärt sich auch die prononicierte Zusammenfassung seiner Vorwürfe: Thomas bringt in einer rhetorisch aufbereiteten Aufzählung - die Signalwörter stehen jeweils am Anfang seiner Sätze - folgende Vorwürfe: Muhø ammad habe die Völker verführt, indem er ihnen körperliche Genüsse versprochen habe, zu denen das schwache menschliche Fleisch dränge. Die Regeln, die er ihnen (mit dem Koran) gegeben habe, sind auf seine Versprechungen abgestimmt, auf welche die Leute bereitwillig hören. Er habe keinerlei Zeugnisse der Wahrheit vorgebracht außer solchen, die leicht zu begreifen seien. Vielmehr habe er Wahres mit vielerlei Fabeln und haarsträubenden Irrlehren vermischt. Er habe keine übernatürlichen Zeichen getan, die allein zeigen könnten, dass er als Lehrer von der Wahrheit unsichtbar inspiriert gewesen sei. Er habe vielmehr von sich gesagt, dass er in der Gewalt der Waffen geschickt worden sei, was auch Diebe und Tyrannen kennzeichne. Zudem haben ihm am Anfang nicht in göttlichen und menschlichen Dingen geübte Weise, sondern wilde Wüstenbewohner geglaubt, die - jeglicher göttlichen Lehre abhold - ihm ob ihrer Masse mit Waffengewalt dazu verholfen haben, seine Lehre anderen Völkern aufzuzwingen. Keiner der vorausgegangenen Propheten habe eine göttliche Voraussage gesprochen, die auf ihn hindeute. Ganz im Gegenteil habe er fast alle Zeugnisse des Alten und Neuen Testamentes durch seine legendenhaften Erzählungen entstellt. Daher habe er zu seinem Selbstschutz seinen Gläubigen das Lesen der beiden Testamente untersagt. So werde einsichtig, dass seine Anhänger leichtgläubig seien. Im Gegensatz zur ,Summa‘ befaßt sich die etwas später verfaßte Gelegenheitsschrift ,De rationibus fidei‘ vornehmlich mit dem Islam. Das Werk rechtfertigt argumentativ zentrale christliche Glaubensgrundsätze gegen muslimische Einwände, die im Nahen Osten immer wieder vorgebracht werden und die Thomas durch einen ungenannten Cantor aus Antiochia übermittelt bekommt. Thomas beginnt deshalb sein Werk mit der programmatischen Aufforderung aus I Pt 3, 15 zur jederzeitigen Bereitschaft, als Christ seinen Glauben und seine Hoffnung zu bezeugen. Diese neutestamentliche Stelle ist der Ausgangspunkt jeglicher christlicher Fundamentaltheologie und Apologetik, die den Glauben

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vor allem an die Gottessohnschaft Jesu (c. 1) und an den freien Willen des Menschen (c. 10) verteidigt. Durch die Anwendung auf die Muslime erlangt das Zitat eine missionstheologische Dimension. Es besteht Einigkeit darüber, dass im religiösen Gespräch eine gemeinsame Verstehensbasis gesucht werden müsse. Thomas ist von dem Cantor um rationes morales et philosophicas quas Saraceni recipiunt gebeten worden. Doch da es erfahrungsgemäß vergebens sei, mit nichtakzeptierten Autoritäten gegen Muslime zu argumentieren - so schon Thomas’ Einsicht in der ,Summa‘ -, habe er ganz auf Schrift- und Väterzitate verzichtet. Tatsächlich weist sein Werk wenig Schriftstellen und gar keine Väterzitate auf. Diese ganz von der Pragmatik geprägte rationale Argumentationsweise verschließt Thomas die Augen vor den durchaus existierenden Gemeinsamkeiten, Abhängigkeiten und Interdependenzen zwischen der biblischen und der koranischen Theologie, die zahlreiche andere Autoren des Mittelalters sehr wohl sehen. In einem methodologischen Exkurs „Qualiter sit disputandum contra infideles“ zeigt Thomas, dass es in einer Disputation mit Ungläubigen nicht um den Beweis des Glaubens, sondern nur um seine Verteidigung zur Wahrung der eigenen religiösen Identität gehen kann. Für Thomas geht es also - etwa im Gegensatz zu seinem Ordensbruder Ramon Martı´ - nicht darum, die Apologie durch Koranzitate zu untermauern (so schon in der Summa, wo Thomas sogar seine Unkenntnis des Koran bezeugt), weshalb auch der bisweilen formulierte Vorwurf einer fehlenden genaueren Islamkenntnis am Ziel vorbeischießt. So erstaunt es nicht, dass sich bei Thomas weder die Kenntnis der lateinischen Koranübersetzung des Robert von Ketton - die zur Entstehungszeit seines Werkes im Dominikanerorden bekannt zu werden beginnt -, noch die des Markus von Toledo noch sonstige Kenntnisse über die Geschichte und die Rechtstexte des Islam nachweisbar sind. Freilich ist die Grundsituation des neuen Werkes eine ganz andere als bei der Summa, auch wenn es ihr inhaltlich nahesteht und Thomas auf seine erst unlängst abgeschlossene Glaubenssumme mehrfach verweist. ,De rationibus fidei‘ ist in erster Linie eine Antwort auf die bisweilen ironische Hinterfragung christlicher Glaubensinhalte seitens der Muslime, so der Gottessohnschaft und der Trinität (cf. die koranische Lehre von der ausschließlichen Einheit und Einzigkeit Gottes: Sure 4, 171; c. 3-4), des Kreuzes- und Erlösungstodes Jesu Christi, ja, letztlich seiner Inkarnation (cf. die koranische Ablehnung des Todes Jesu am Kreuz: Sure 4, 157; c. 5-7), des christlichen Eucharistieverständnisses (c. 8) und schließlich des freien Willens des Menschen (cf. das Problem der Prädestination/des Determinismus und der Handlungsfreiheit im Koran; c. 10). Thomas’ kurzer Traktat liefert also keine elaborierte Glaubenslehre, die als theoretisches Handbuch zur Vorbereitung der argumentativen Auseinandersetzung mit den Ungläubigen (infideles bzw. gentiles) dienen soll. Das knappe Werk, das größtenteils auf die Muslime als Ungläubige abhebt, ist mehr eine Handreichung für die praktische Glaubensdisputation im muslimischen Kontext.

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VII. Zusammenfassung Anhand von Schlüsselautoren des 12. und 13. Jahrhunderts wurden verschiedene Personen und Institutionen und ihre früh- und hochscholastische Genres, Formen und Modi der philosophischen und theologischen Auseinandersetzung mit dem Islam als ,religiösem Irrtum‘ vorgestellt und miteinander kontrastiert. Der Beitrag versuchte zu zeigen, wie sich mit dem zunehmenden Wissen um diese religiöse Alterität die Vorgehensweisen und Qualifizierungen und die Kategorien ihrer Beurteilung wandelten. Das Repertoire zur Irrtums- und Wahrheitsfindung reicht hierbei von traditionellen Katalogen häretischer Glaubenssätze, über die Anwendung von Definitionen, Axiomen und Theoremen bis hin zur systematischen Kategorisierung von Eigenschaften des diese Tradition begründenden Propheten bzw. Gesetzgebers. Hierbei wurde deutlich, dass sowohl die Person des Gesetzgebers als auch ,ihr‘ Gesetzgebungswerk (Koran), also der Lehrer und seine Lehre zunehmend in den Mittelpunkt der Erörterungen rückte, da beides nach dem Verständnis der Zeit untrennbar zusammengehörte. Nach dem Scheitern der ersten Ansätze des 12. Jahrhunderts rückte mit der Wiederentdeckung des lateinischen Koran sowie mit der zunehmenden Fähigkeit der Gelehrten, auch den arabischen Koran und begleitende Schriften zu studieren, ,Muhø ammads Gesetz‘ (lex Mahometi) immer mehr in den Fokus der scholastischen Auseinandersetzung. Der Dialog als klassisches, literarisches Genre der Glaubensapologetik und -vermittlung auf beiden Seiten eines Gesprächs, kommt in unserem Betrachtungszeitraum nicht mehr zum Zuge. Die bedienten Genres sind in der Mehrheit Traktate und gehören der alten patristischen Tradition ,De fide‘ und dem neuem scholastischen Genre ,De legibus‘ an. Erstere Tradition wird zu Häresiekompendien und wissenschaftlichen wie pastoralen Grundlegungen des christlichen Glaubens ausgebaut, während letztere ein Teil der neuen hochscholastischen theologischen Summen wird. Damit ist auch der jeweilige Sitz im Leben dieser Entwürfe genannt, die sich zwischen der Praxis der Verteidigung des eigenen (katholischen) Glaubens gegen Häretiker, Juden und Muslime und der Predigt gegen die Glaubensfeinde sowie der theoretischen Absicherung des eigenen Glaubens im scholastischen Betrieb der aufstrebenden Universitäten bewegen.

Nulla lex est vera, licet possit esse utilis. Averroes’ “Errors” and the Emergence of Subversive Ideas about Religion in the Latin West Luca Bianchi (Milan) I. Loquentes quasi gar r ulantes et sine ratione se moventes In 1311, Raymond Lull wrote that “although they were infidels, Saracens stoned Averroes, who was himself a Saracen, because of the errors that he introduced against their religion” (quos contra legem eorum inducebat ) 1. A few years later, his disciple Thomas le Mye´sier described Averroes as a haereticus in omni lege 2. Lull and his disciple voiced sentiments that would have a great diffusion in European culture from the 14th century onwards: one need only think of Benvenuto of Imola, who in his commentary on Dante’s ‘Inferno’ first ascribed to Averroes the “three impostors” theme (previously credited to the emperor Fredrick the Second and to Simon of Tournai) 3; of Petrarch, who saw Averroes 1

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Ramon Llull, Sermones contra errores Averrois, ed. Hermogenes Harada, in: Raimondi Lulli Opera Latina, vol. VII (Corpus Cristianorum. Continuatio Mediaevalis 32), Turnhout 1975, 246. On this text cf. C. Teleanu, Raymundista et Averroista. La re´futation des erreurs averroı¨stes chez Raymond Lulle (Scholia Raymundistarum 3), Paris 2014, 354 sq. Cf. also the Liber natalis pueri parvuli Christi Iesu, in: Raimondi Lulli Opera Latina, vol. VII (Corpus Cristianorum. Continuatio Mediaevalis 32), 69: “[…] quod dicunt et asserunt Auerroim haereticum imitantes.” I discussed some of the texts examined here during three workshops, held at the Institute for Advanced Study, Princeton (February 14, 2011), at Catania University (October 4, 2014), and at the LudwigMaximilians Universität Munich (November 26, 2014). I am grateful to all participants for their helpful comments, and especially to Patricia Crone (Institute for Advanced Study, Princeton), whose research project on “The Impostor Theme” was unfortunately interrupted by her untimely death. This paper is dedicated to her memory. I also wish to thank Iacopo Costa (CNRS, Paris), Guy Guldentops (Thomas-Institut der Universität zu Köln), Maxime Maurie`ge (ThomasInstitut der Universität zu Köln), Luca Potesta` (Universita` Cattolica di Milano) and Carlos Steel (University of Leuven) for their advice. Breviculum sev electorivm parvum Thomae Migerii (Le Mye´sier), edd. C. Lohr/T. Pindl-Büchel/ W. Büchel, in: Raimondi Lulli Opera Latina, Supplementum Lullianum, vol. 1, Turnhout 1990 (Corpus Cristianorum. Continuatio Mediaevalis 77), 28: “Fides Auerrois haeretici in omni lege.” Benvenuti de Rambaldis de Imola Comentum super Dantis Aldigherii Comoediam, I, ed. G. F. Lacaita, Firenze 1887, 182: “[…] quomodo autor posuit iste sine pena, qui tam impudenter et impie blasphemat Christum dicens, quod tres fuerunt baratores mundi, scilicet Christus, Moyses, et Macomettus, quorum Christus, quia iuvenis et ignorans, crucifixus fuit?” On this topic, the most important work remains that by M. Esposito, Una manifestazione d’incredulita` religiosa nel medioevo: Il detto dei “Tre Impostori” e la sua trasmissione da Frederico II a Pomponazzi, in: Archivio Storico Italiano, ser. VII, 16 (1931), 3-48: see in particular 6-10, 14 sq. (on Fredric II), 29 (on Benve-

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as the prototype of the faithless and called him “rabid dog”; of Denis the Carthusian, who claimed that Averroes “abandoned the law of Muhammad on account of the most blatant falsities that are contained in the Qur’an” 4; of Chryostomus Javelli, who wrote that after endorsing, in turn, the Jewish, Christian and Muslim religion he finally “despised all these laws” 5; and eventually of modern savants such as Pierre Bayle, Daniel Georg Morhof, Johann Franz Budde and Jacob Brucker, who spread the image of Averroes as a freethinker 6. An heir of this tradition, as early as 1852, Ernest Renan understood that this image of Averroes goes back to the treatise ‘De erroribus philosophorum’ (or ‘Errores philosophorum’), probably written around 1270 and generally ascribed to the Augustinian friar Giles of Rome 7. As is well known, the treatise first thoroughly examines the doctrines of Aristotle that are in conflict with Christian faith, then devotes specific chapters to the “errors” of Averroes, Avicenna, Alga-

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nuto of Imola), 36 sq. (on Simon of Tournai). Cf. also M. M. Tischler, Lex Mahumeti. Die Erfolgsgeschichte eines vergleichenden Konzepts der Christlichen Religionspolemik, in: A. Speer/G. Guldentops (eds.), Das Gesetz - The Law - La Loi (Miscellanea Mediaevalia 38), Berlin-Boston 2014, 527-573, at 569-572 (with bibliography). On the Islamic and Jewish origins of this topic cf. at least F. Niewöhner, Are the Founders of Religions Impostors?, in: S. Pines/Y. Yovel (eds.), Maimonides and Philosophy, Dordrecht-Boston-Lancaster 1986, 233-245; S. Stroumsa, Freethinkers of Medieval Islam, Leiden-Boston-Köln 1999, 217. Denys the Cartusian, De quatuor hominum novissimis, ed. V. Priggiobba, Neapoli 1844, 176: “Fuit [Averroes] enim primo de lege Mahumeti, quemadmodum Avicenna et Algazel. Postmodum vero legem impiissimi Mahumeti reliquit, propter apertissimas falsitates, quae in Alchorano continentur.” Chrysostomus Javellus, Tractatus de animae humanae indeficientia, ed. A. Pincius Venetus, Venetiis 1536, 63r: “Isti de deo male sentiunt, ut pessimus ille Auerroes qui a Deo uigorem infinitum abstulit, qui diuinam solicitudinem erga singularia ut singularia sunt negauit, qui omnem animam informantem materiam mortalem posuit, qui putauit animam intellectiuam esse unicam omnium hominum sed separatam ut intelligentiam, et ut sic immortalem, qui dictus est uno tempore se professum fuisse legem Moysi, alio tempore legem Christi, alio tempore legem immundissimi Mahumeth, denique omnes leges dispexit, ut qui se bestiam fecerat, negando animam intellectivam esse formam dantem esse homini, sine lege ut bestia uiueret. Isti insani et atra bili uexati omnem pietatem et diuinum cultum prosternunt.” On this text cf. H. Wels, Aristotelisches Wissen und Glauben im 15. Jahrhundert. Ein Kommentar zum Pariser Verurteilungsdekret von 1277 aus dem Umfeld des Johannes de Nova Domo (Bochumer Studien zur Philosophie 41), Amsterdam-Philadelphia 2004, cxlix-cl. The idea that Averroes moved from Christian to Jewish and eventually to Muslim religion is repeated by Antonius Sirmundus, De immortalitate animae […] adversus Pomponatium et asseclas, ed. Lodovicus de Heuqueville, Parisiis 1635, 29. On these savants cf. G. Piaia, Averroes and Arabic Philosophy in the Modern “Historia Philosophica”: Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: A. Akasoy/Guido Giglioni (eds.), Renaissance Averroism and Its Aftermath: Arabic Philosophy in Early Modern Europe (International Archives of the History of Ideas 211), Dordrecht 2013, 237-253; C. König-Pralong, Me´die´visme philosophique et raison moderne de Pierre Bayle a` Ernest Renan, Paris 2016, 56-61. The attribution of this treatise to Giles of Rome is not absolutely certain: cf. S. Donati, Studi per una cronologia delle opere di Egidio Romano. I: Le opere prima del 1285. I commenti aristotelici, in: Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 1 (1990), 1-112, at 28 sqq. (but see also 20 sq., nt. 46); C. Luna, La “Reportatio” della lettura di Egidio Romano sul libro III delle Sentenze (Clm 8005) e il problema dell’autenticita` dell’“Ordinatio”, in: ibid., 113-225, at 165 sqq.; F. Del Punta/S. Donati/C. Luna, Egidio Romano in: Dizionario Biografico degli Italiani, vol. XLII, 1993, 319-341, at 320. For Renan’s references to the ‘Errores philosophorum’ cf. E. Renan, Averroe`s et l’averroı¨sme, Paris 2002 (first edition, 1852), 184 sqq.

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zel, Alkindi, and Maimonides. Besides emphasizing that Averroes endorsed and disseminated all of Aristotle’s “mistakes”, and established new ones such as the doctrine of the unity of the potential intellect, Giles rebukes Averroes for “scorning” both Christians and Muslims for their belief in the creation of the world. He also adds that, “at the beginning of book III of the Physics”, Averroes stated that, because of the “custom” (consuetudo) acquired through religious teachings, some denied self-evident principles - such as “nothing can be produced out of nothing”. Even worse, Averroes mocked Christians and all those who believe in revealed religions, calling them “loquentes quasi garrulantes et sine ratione se moventes”; and insulted in particular the “loquentes in lege sua” calling them “voluntates”: “Praeter tamen errores Philosophi arguendus est, quia vituperavit ommem legem, ut patet ex II ∞ Metaphysicae et etiam ex XI ∞, ubi vituperat legem Christianorum sive legem nostram Catholicam et etiam legem Sarracenorum, quia ponunt creationem rerum et aliquid posse fieri ex nihilo. Sic etiam vituperat in principio III ∞ Physicorum, ubi vult quod propter contrariam consuetudinem legum aliqui negant principia per se nota negantes ex nihilo nihil fieri, immo, quod peius est, nos et alios tenentes legem derisive appellat loquentes quasi garrulantes et sine ratione se moventes. Et etiam in VIII ∞ Physicorum vituperat leges et loquentes in lege sua appellat voluntates, eo quod asserant aliquid posse habere esse post omnino non esse. Appellat etiam hoc dictum voluntatem, ac si esset ad placitum tantum et sine omni ratione. Et non solum semel et bis, sed pluries in eodem VIII ∞, contra leges creationem asserentes in talia prorumpit.” 8

Before examining the significance of these expressions, let me recall that in the second book, in chapter 3, of his ‘Metaphysics’ (II, 994b32-995a5) Aristotle drew attention to the negative role that what we are accustomed to hearing may play in the search for truth, illustrating his general remarks through references to the popular belief in the mythical and childish elements of the “laws” (nomoi ) 9. Developing these remarks in a passage that in the Averroes Latinus was often labelled as a “Prologus in tertium Physicorum” (and that the editors of the Giunta edition decided to move to the first book 10), Averroes presented “custom” (con8

9

10

Giles of Rome, Errores Philosophorum, ed. J. Koch, English transl. J. O. Riedl, Milwaukee 1944, 16. Aristotle, Metaphysica, II, 994b 32-995a 5, recensio et translatio Guillemi de Moerbeka, ed. G. Vuillemin-Diem (Aristoteles latinus, vol. XXV/3.2), Leiden-New York-Köln 1995, 47: “Contingunt autem auditiones secundum consuetudines entibus; nam ut consueuimus ita dignamur dici. Et que preter ea non similia uidentur, sed propter inconsuetudinem minus nota et magis extranea; nam consuetum notius. Quantam uero uim habeat quod consuetum est leges ostendunt, in quibus fabularia et puerilia magis quidem ualent cognitione de eis propter consuetudinem.” The best known medieval Aristotelian florilegium deeply distorts the meaning of this passage; cf. J. Hamesse, Les auctoritates Aristotelis. Un florile`ge me´die´val. E´tude historique et e´dition critique (Philosophes me´die´vaux 17), LouvainParis 1974, 119, § 59: “In quibusdam fabularia puerilia magis valent propter veritatem conservandam.” The reference of Giles to the “third book of the Physics” (and those of other medieval thinkers to Averroes’ ‘Prologus super tertium Physicorum’) has long troubled scholars, who were unable to find the pertinent passage and therefore supposed a copyist’s error: cf. e.g. Giles of Rome, Errores Philosophorum (nt. 8), 17, nt. 41; H. Wolfson, The Twice-Revealed Averroes, in: Speculum 36 (1961), 373-392, at 379. As a matter of fact, we now know that in the tradition of the Averroes Latinus this “prologue” corresponds to a text that the editors of the Giunta edition decided to publish at the end of text 60 of the first book, vol. IV, 36rD-E; cf. the gloss at the end of book II, 85rD. Cf. H. Schmieja, Drei Prologe im grossen Physikkommentar des Averroes?,

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suetudo) as an impediment to scientific knowledge; he compared “false speeches” to “poison” and mentioned the notion of production out of nothing as an example of the force of often-heard opinions; and he discussed at length the views of the “moderni loquentes” regarding the relationship between the study of philosophy and the study of the “laws”, as well as the relationship between the “faith of the philosophers” and the “faith of common men”: “Consuetudo sicut dicit Aristoteles in primo Metaphysicae est maxima causa impediens a pluribus rebus manifestis per se, quemadmodum enim quando homo fuerit assuetus ad aliquas actiones, licet noceant illi, erunt faciles illi, et credit quod sint utiles. Similiter cum fuerit assuetus credere sermones falsos a pueritia, erit illa consuetudo causa ad negandum illam veritatem manifestam, sicut quidam tantum assueti fuerunt comedere venenum in tantum quod erat eis cibus, et sicut accidit modernis dicentibus quod generatio fuit ex non ente, et causa istius aestimationis fuit consuetudo. Et tu potes scire hoc ex hoc quod dixit Aristoteles quod omnes antiqui conveniunt in hoc quod nihil generatur ex nihilo. Et iam vidi quosdam socios dubitantes in hac quaestione, et Avicenna oboedivit huic aliquantulum in suo tractatu de substantia orbis [Giunta ed.: vidi quosdam socios dubitantes in hac quaestione, tamen obviavi huic aliquantulum in tractatu de substantia orbis]. Et ista mala consuetudo potest auferri per habere consuetudinem audiendi sua contraria. […]. Et ideo videmus modernos loquentes dicere quod qui in principio addiscit philosophiam, non potest addiscere leges, et qui primo adiscit leges, non [om. Giunta ed.] ei abscondentur post aliae scientiae, et bene dixerunt. In quo enim congregantur consuetudo veritatis et comprehensio [Giunta ed.: comprehensibilitas] veritatis, ille non habet impedimentum a veritate, sed habet impedimentum a falsitate aut saltem ab eo, in quo neque est veritas neque falsitas ut in legibus. Sed qui habet consuetudinem recipiendi falsum, aptus est, ut impediatur a veritate. […]. Et ex hoc modo, scilicet per consuetudinem aestimatur quod apologi positi civitati [Giunta ed.: civitatum] sibimet corrumpunt multa principia necessaria, et hoc est per assuetudinem, et ideo fides vulgi est fortior quam fides philosophorum, quoniam vulgus non assuevit audire aliud, philosophi autem audiunt multa, et ideo quando disputatio et consideratio communis est omnibus, corrumpitur fides vulgi, et ideo quaedam leges prohibent disputare.” 11

Giles’s presentation of Averroes is clearly based on this passage and, as he explicitly declares, on a parallel passage of the Long Commentary on the second book of the ‘Metaphysics’, in which Averroes first presents the “custom” acquired in childhood through religious training as an impediment to the search of

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in: A. Zimmermann/G. Vuillemin-Diem (eds.), Aristotelische Erbe im Arabisch-Lateinischen Mittelalter. Übersetzungen, Kommentare, Interpretationen (Miscellanea Mediaevalia 18), Berlin-New York 1986, 175-189, at 175-184. Schmieja makes reference to the short note by A. Pattin, A propos du prologue d’Averroe`s au III e livre de son commentaire sur la Physique d’Aristote, in: Bulletin de Philosophie me´die´vale 25 (1983), 61 sq. Both scholars, however, apparently ignore that the so-called prologue to the third book of the ‘Physics’ had already been identified and examined by two outstanding Italian historians of philosophy: cf. B. Nardi, Studi su Pietro Pomponazzi, Firenze 1965, 130 sq., nt. 2; M. Grignaschi, Indagine sui passi del ‘Commento’ suscettibili di avere promosso la formazione di un averroismo politico, in: E. Cerulli (ed.), L’averroismo in Italia (Atti dei Convegni Lincei 40), Roma 1979, 237-278, at 257-261. I quote the prologue to the third book of the ‘Physics’ from H. Schmieja, Drei Prologe im grossen Physikkommentar des Averrois? (nt. 10), 177 sq. In the Giunta edition cf. I, c. 60, vol. IV, 36rD-E.

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truth; he then explains that human beings achieve “completion” only “through association”, which is promoted by “goodness”, and concludes that it is therefore necessary that men be good but “it is not necessary that they know the truth”: “Intendit in hoc capitulo declarare ea, quae impediunt veritatem scire. Et fortissimum est eorum consuetudo in pueritia in rebus legum et maxime in hac scientia, quia plures opiniones huius scientiae sunt radices legum. Et ponuntur in legibus non ad sciendum, sed ad inquirendum veritatem [Giunta ed.: bonitatem]. Et causa in hoc est, quia complementum hominum non completur nisi per congregationem, et congregatio est propter bonitatem. Ergo esse boni est necessarium, et non est necessarium eos scire veritatem. Et hoc non accidit tantum in legibus, sed etiam in primis cognitis, sicut accidit hominibus, qui in pueritia audierunt scientiam loquentium. Isti enim propter consuetudinem negant naturam esse et veritatem, et negant necessaria esse, et ponunt omnia possibilia esse.” 12

At the end of the chapter he devotes to Averroes, Giles appends a short list of the latter’s “errors”, including the shocking thesis “that no law is true, although it can be useful” (Quod nulla lex est vera, licet possit esse utilis) 13. Distinguished scholars such as Josef Koch, Harry Wolfson and Mario Grignaschi have shown that Giles of Rome’s portrait of Averroes stems from his very selective and distorting reading of a few textual elements extracted from the Averroes Latinus. According to Wolfson, Giles misunderstood several key words: in particular the term “lex” - standing for both “na¯mu¯s” (law) and “millah” (religion), which he always interpreted in the second sense - and the expression “loquentes in divinis” - which he identified with the Muslim theologians known as Mutakallimu¯n, currently called “Loquentes” in the Latin world 14. Therefore, 12

13 14

Averroes Latinus, Metaphysicorum libri, II, c. 14, ed. G. Darms, In Aristotelis librum II (a) Metaphysicorum commentarius, Freiburg 1966, 75 (= Giunta ed., vol. VIII, 34vI-K; cf. also M. Grignaschi, Indagine sui passi del ‘Commento’ [nt. 10], 272-275). Among the propositions ascribed to the “Commentator” in the section of the ‘Auctoritates Aristotelis’ devoted to the second book of the ‘Metaphysics’, one reads the following one ( J. Hamesse, Les auctoritates Aristotelis [nt. 9], 120, § 67): “Consuetudo audiendi apologos et fabulas magnum est impedimentum in cognitione veritatis.” The term “apologi” is not used in the passage from which this saying is extracted, but in other passages of the Averroes Latinus. Besides the so-called prologue to the third book of the ‘Physics’, quoted supra; cf. e.g. the ‘Great commentary on Metaphysics’, XII, c. 50, Giunta ed., vol. VIII, 334rA-B: “Alij autem sermones, et apologi in corporibus praeter illos, qui accepti sunt a Chaldeis, verae sunt fabulae sine aliqua veritate; et non fuerunt scriptae nisi ad corrigendum mores hominum ad illud, quod est bonum eis”; the ‘Commentary on the De caelo’, II, c. 6, ed. F. Carmody, Averrois Commentaria Magna in Aristotelem De Caelo et Mundo, Leuven 2003, 279 (= Giunta ed., vol. V, 98vK): “Et quia omnia ista sunt apologi quos ponunt ponentes leges ad rectificationem civium, a veritate autem sunt valde remota et ab intellectu humano, dixit ‘Volumus igitur fugere’ etc.” In this commentary, Averroes emphasizes that several men trained in his own “law” absorb “false opinions”, which contradict evident principles (ibid., I, c. 90, 163 = Giunta ed., vol. V, 58vL): “[…] plures homines non possunt credere principia prima propter crementum eorum in opinionibus falsis, ex quibus infinguntur in eis propositiones probabiles, contrarie primis propositionibus manifestis per se, sicut opinantur per se in lege nostra quod Deus posset creare mundos infinitos nisi esset diminutus.” Giles of Rome, Errores Philosophorum (nt. 8), 24. On these misunderstandings cf. Koch’s remarks in Giles of Rome, Errores Philosophorum (nt.8), 17, nt. 41; M. Grignaschi, Il pensiero politico e religioso di Giovanni di Jandun, in: Bullettino dell’Istituto Storico Italiano per il medioevo e Archivio Muratoriano 70 (1958), 425496, at 470 sqq.; Wolfson, The Twice-Revealed Averroes (nt. 10), 375-382.

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critical remarks addressed by Averroes to a particular group of Muslim theologians were transformed into an attack against every form of theology - Islamic, Jewish and Christian - and even into a rebuttal of all revealed religions, which Averroes would have disparaged primarily because of their belief in creation out of nothing 15. However it may be, this portrait of Averroes had a long impact on Western culture and fed the fear that Averroes was introducing subversive views regarding the origin, the nature, and the function of religion. One need only remember that the treatise ‘Errores philosophorum’ circulated in several manuscripts, was printed in Vienna in 1482, was appended in 1581 to the Venice edition of Giles of Rome’s commentary on the ‘Sentences’, and was reproduced by the Jesuit Possevinus in his well-received ‘Bibliotheca selecta’ (1593) 16 and by Charles du Plessis d’Argentre´ in his huge ‘Collectio Judiciorum de novis erroribus’ (1728) 17. Moreover, the chapter devoted to Averroes in the ‘Errores philosophorum’ is the source of Nicolaus Eymericus’ presentation of him in the ‘Directorium inquisitorum’, compiled by 1376, which would become - together with the commentary of the Jesuit Francisco Pen˜a, first published in 1578 - the handbook for Inquisition trials, in use until the 17th century 18. In the second part of this work, Eymericus raises 58 questions “on the heretical depravity pertaining to the office of the inquisition” (de haeretica pravitate ad officium inquisitionis pertinentes), the fourth of which deals with the “errors of the ancient philosophers” (de erroribus Philosophorum priscorum) 19. Focusing on the 15

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19

See above. Creation is indeed targeted in several passages of the ‘Long Commentary’ on the twelfth book of the ‘Metaphysics’, another declared source of Giles’ treatise. According to Koch (Errores Philosophorum [nt. 8], 17, nt. 40), Giles referred to XII, c. 18, 304r F (“[…] et haec est opinio Loquentium in nostra lege, et lege Christianorum, de qua Ioannes Christianus opinabatur, quod possibilitas non est nisi in agente […]”), but see also ibid. 305rE-F: “Imaginatio ergo super creationem formarum induxit homines dicere formas esse et datorem esse formarum: et induxit Loquentes trium legum, quae hodie quidem sunt, dicere aliquid fieri ex nihilo.” These “three laws” are clearily identified in the ‘Long Commentary on the De caelo’, I, c. 102 (ed. F. Carmody [nt. 12], 196 = Giunta ed., vol. V, 70rD), where Averroes recalls that the thesis that the world is generable and corruptible was spread by the Muslim, Christian and Jewish religion: “[…] et hanc sustinent tres leges que sunt modo note scilicet Maurorum et Christianorum et Iudeorum.” On these editions cf. Koch’s Introduction to Giles of Rome, Errores Philosophorum (nt. 8), xiv-xvi. Cf. Ch. Du Plessis d’Argentre´, Collectio judiciorum de novis erroribus […], vol. I, ed. L. Coffin, Lutetiae Parisiorum 1724, 238a-245b (the section devoted to Averroes is at 240a-241a). As shown by Koch (Errores philosophorum [nt. 8], x, xvi), Du Plessis d’Argentre´ used the fourteenth-century manuscript Paris, BN lat. 16553, which is all but reliable, since “the scribe often abridges the text” and “includes many of his own observations”. On Eymerich cf. C. Heimann, Nicolaus Eymerich (vor 1320-1399) praedicator veridicus, inquisitor intrepidus, doctor egregius. Leben und Werk eines Inquisitors (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft 37), Münster 2001. On Pen˜a’s edition of the Directorium inquisitorum cf. at least A. Borromeo, A proposito del Directorium inquisitionis di Nicolas Eymerich e delle edizioni cinquecentesche, in: Critica storica 20 (1983), 499-547. Directorium inquisitorum F. Nicolai Eymerici […] cum commentariis Francisci Peniae […] in hac postrema editione iterum emendatum, auctum, et multis litteris Apostolicis lucupletatum, II, q. 4, ed. Marcus Antonius Zalterius, Venetiis 1595, 238a-242a.

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same authors examined by Giles of Rome, Eymericus devotes a long section to Averroes, ascribing to him ten “errors”. The first three read as follows: “1. Hic secutus est errores Aristotelis, et cum maiori pertinacia errores eius defensauit: sed praeter errores Aristotelis, negauit creationem rerum, id est quod ex nihilo aliquid fiat; & vituperat legem Christianorum, et sectam Sarracenorum in hoc, quod ponunt rerum creationem, & hoc patet ex xj & xij Metaphysicorum. 2. Item, vituperat nos Christianos, asserens nos esse garrulatores, & sine ratione nos mouentes: haec patent circa principium tertii Physicorum. 3. Item negat, aliquid posse habere esse post omnino non esse, et vituperat Christianos hoc credentes: hoc patet viii Metaphysicorum.” 20

According to Giles of Rome, Averroes went so far as to call the upholders of all the “laws” “loquentes quasi garrulantes”; Eymericus - who condenses Giles’ passage and mentions only the Christians - assumes that he labeled them “garrulatores”. These expressions, which as yet have not received due attention, are interesting in two ways. Firstly, whereas medieval theologians often associated terms such as “garrulare”, “garrulitas”, “garrulationes” and “garrulatores” 21 to heresy, “garrulatores” also played a significant, though unnoticed role in the tradi20

21

Ibid., 239a. Though hinting at a possible oral circulation of these offending theses, Pen˜a perceived Eymericus’ dependence on Giles of Rome and in the glosses of his edition wrote (ibid., 241b): “Illud est preterea obseruandum, Eymericum hos philosophorum errores non uideri hausisse ex proprijs fontibus, aut libris eorum auctorum, quibus tribuuntur, sed vel ab alijs libris, vel ab illis, qui viua voce eos sibi retulerunt, accepisse. Mihi autem valde fit verisimile, eum in tota hac quaestione secutum fuisse Aegidium Romanum, a quo dicitur esse conscriptus tractatus de praecipuis philosophorum erroribus, qui nunc impressus circumfertur; nam quae hic traduntur, cum illis maxime conueniunt.” On the relationship between Giles’ and Eymericus’ list of “errors” cf. E. Cerulli, Nuove ricerche sul Libro della Scala e la conoscenza dell’Islam in Occidente (Studi e Testi 271), Citta` del Vaticano 1972, 300-312. Cerulli, however, does not take the minor textual and terminological differences into account, which are of interest to me here. Cf. e.g. Peter Lombard, Commentarium in Psalmos, 77, 50, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 191, Paris 1880, 737 (“Mystice rana est loquax vanitas, et significat garrulitatem haereticorum”); Summa Fratris Alexandri, III, t. 2, c. 2, ad 5, ed. PP. Collegii S. Bonaventurae, Quaracchi 1959, vol. IV, 1116b (“[…] est contra declamationes et garrulationes haereticorum”); Pseudo-Thomas Aquinas, Expositio super Apocalipsim, 16, in: Sancti Thomae Aquinatis Opera, ed. Parmensis, vol. 23, 666b (“[…] quia daemones importunum garrulant in cordibus multorum persuadendo fortiter errores per se et per alios haereticos garrulatores […]”). It is, moreover, worth noting that shortly after 1300, in the section of his treatise ‘De cymbalis Ecclesiae’ devoted to the prophecy “Woe to the world in one hundred years”, Arnald of Villanova criticizes Paris Aristotelians who “obscure the truth” by using these terms: “Nidus etiam Aristotelis contabescens evacuabitur, quia pullorum garritus abominabilis obteget veritatem, irridendo ministris eius”; I quote from J. Perarnau i Espelt, El text primitiu del De mysterio cymbalorum ecclesiae d’Arnau de Vilanova, in: Arxiu de textos Catalans antics 7/8 (1989-1990), 7-169, at 103. Even more interesting is that, in his commentary on this passage, brother Gentile of Foligno firstly associates “the disciples of Aristotle”, garrulitas and disbelief; then, he complains that “the science of Aristotle makes people loquacious and gabbling”; and finally, he emphasizes that the study of “the errors of the philosophers” may be risky to Christians: “Tales pulli, scilicet disscipuli Aristotelis, dicuntur habere garritum pro eo, quod sciencia Aristotilis facit hominem loquacem et garrulum. Et talis garritus est abhorribilis piis mentibus, quia sapit infidelitatem, magis quam catholicam veritatem. Nam cum mens in primevo sue erudicionis, antequam sit radicata in catholice fidei

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tion of the so-called “three impostors” theme. Most medieval sources on this theme describe Christ, Moses and Mahomet as “baratores” or “baratatores” (impostors), “deceptores” (deceivers) or “truffatores” (tricksters), while the letter discussing the origin of the ‘Traite´ des trois imposteurs’, written by Bernard de la Monnoye and appended to several editions of the Traite´ under the title ‘Sentimens sur le Traite´ des trois imposteurs’, states that one of the sermons of the otherwise unknown Berlette denounced the thesis, ascribed to Porphyry, that Moses, Mahomet and Jesus Christ were the three “garrulatores” that “converted the whole world” 22. Secondly, expressions such as “garrulantes” and “garrulatores” sound openly derogatory: they may be rendered with “gabblers” - or with “babblers”, as in Reidl’s English translation of the ‘Errores philosophorum’ - provided that one bears in mind that the emphasis is not on talking rapidly and too much but on talking foolishly. In other terms, Giles of Rome, and Eymericus in his footsteps, spread the idea that Averroes - who actually denounced the verbosity and presumed philosophical dilettantism of the Mutakallimu¯n - considered all believers, and in particular Christians, as men led by their religious convictions to “proceed irrationally” (sine ratione se [or nos] mouentes) and even to contradict selfevident principles such as “nothing can be produced out of nothing”. Moreover, Giles of Rome - not followed by Eymericus in this - adds that Averroes “also in book VIII of the Physics scorns the laws” and qualifies the “loquentes in lege sua” as “voluntates” 23. According to Koch and Nardi, this is probably a misreading of a passage of the ‘Great Commentary on the Physics’, in which the Averroes Latinus refers to the “Loquentes nostrae legis” using the term “involventes”:

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23

sensibus, occupatur philosophie studio, et inbuitur opinionibus et erroribus philosophorum et paulatim subripitur ei veritas fidei et desiccatur in ipsa pinguedo sancte devocionis […]”; I quote from M. Kaup/R.E. Lerner, Gentile of Foligno interprets the Prophecy “Woe to the world”, with an Edition and English Translation, in: Traditio 56 (2001), 149-211, at 204 (cf. also H. Finke, Aus den Tagen Bonifaz VIII. Funde und Forschungen, München 1902, 222, nt. 1). Bearing in mind that Gentile of Foligno was an Augustinian friar, one might advance the hypothesis, not envisaged by Kaup and Lerner, that the language of this gloss is inspired by the Errores philosophorum: a treatise which, whoever the author was, soon circulated under Giles of Rome’s name (see below, nt. 68). Sentimens sur le Traite´ des trois imposteurs, appended to the 1777 Amsterdam edition of the Traite´ des trois imposteurs, facsimile reproduction, Universite´s de la Re´gion Rohne-Alpes 1973, 107: “Le bon Gabriel Berlette dans un sermon de St. Andre´ fait dire a` Porphire ce qui suit: & sic falsa est Porphirii sententia, qui dixit tres fuisse garrulatores qui totum mundum ad se converterunt; primus fuit Moyses in Populo Judaico, secundus Mahometus, tertius Christus. Belle Chronologie qui met Je´sus-Christ & Porphire apre`s Mahomet!” This passage is mentioned (without remarks and information on Berlette) by F. Charles Daubert, Le ‘Traite´ des trois imposteurs’ et ‘L’Esprit de Spinoza’. Philosophie clandestine entre 1678 and 1768, Oxford 1999, 38. Using an unreliable fourteenth-century manuscript (cf. supra nt. 17), Du Plessis d’Argentre´, Collectio judiciorum de novis erroribus, 240a, offered a highly distorted version of the passage: “Appelatque eos [i. e. those who deny evident principles] garrulantes et loquentes sine ratione et in 8 libro loquentes suae legis appellat voluntates eo quod asserant aliquid posse habere esse post omnino non esse. Appellat enim Deum Voluntatem, ac si esset ad placitum solum Deum.”

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“Et hoc quod dicunt Loquentes nostrae legis, immo inuoluentes, quod possibile est prouenire actionem nouam […] est sermo sophisticus et deceptiuus.” 24

Plausible as the identification of the source is, one might still wonder whether Giles actually wrote “voluntates” (the reading attested in all extant manuscripts and printed editions) or “volentes” (Robert Holckot’s variant reading in the passage examined below). In the first case, Giles transformed the “loquentes in lege sua”/“involventes” - that is, a group of Islamic theologians who, according to Averroes, enveloped or concealed in sophisms the truths of faith - into men who might be roughly (and enigmatically) defined as “wills”. In the second case, he implied that they were simply “willing” (volentes) to believe certain doctrines, first of all that “something can have being after wholly non-being”. However it may be, it is clear that, departing from the assumption that Averroes considered all believers as people who “proceed irrationally” (sine ratione se moventes), Giles made a generous but specious effort to interpret a wrong reading of the Latin translation of the ‘Great Commentary on the Physics’ available to him, and assumed that Averroes rebuked Muslim theologians for believing religious doctrines by an act of will - in particular for endorsing the doctrine of the creation of the world “just arbitrarily without any reason” (ad placitum tantum et sine omni ratione). In other words, Giles implicitly attributed to Averroes the claim that Muslim theologians viewed religion as the expression of a simple “will to believe” - to use William James’ formula. Tacitly relying on Giles’ ‘Errores philosophorum’, at the beginning of the 14th century, the Dominican theologian Robert Holckot mentioned a few passages of Averroes - and first of all the so-called prologue to the third book of the ‘Physics’ - in order to present him as an “execrable rascal” (ribaldus ille pessimus) who “disparaged all religions” 25, then added: “Nota hic circa stolida dicta sua quod habentes per prophetarum revelationem leges sicut habent Christiani et Judaei tantummodo vocat loquentes quasi garrulantes sine sensu vel ratione. Similiter alios de lege sua, quia fuit aliquando Saracenus, vocat volentes quasi sine scientia non quod ratio cogit sed quod voluntas eligit. Vult ergo dicere in praedicto prologo [scil.: “super 3m librum physicorum”] quod loquentes tales dicunt quod homo imbutus in aliqua lege potest postea addiscere philoso24

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Aristotelis de Physico auditu libri VIII, VIII, 4, 341vI. Cf. the commentary by Koch in Giles of Rome, Errores Philosophorum (nt. 8), 17, nt. 42. Koch’s views on this point are accepted by R. Guerrero in his Introduction to the Spanish translation of Giles’ treatise: cf. Gil de Roma (Egidio Romano), Los errores de los filo´sofos, Editorial Trotta, Madrid 2012, 43. Nardi, Studi su Pietro Pomponazzi (nt. 10), 128, nt. 4 remarked: “Paleograficamente l’errore di leggere voluntates al posto di involventes e` spiegabile. Piu` strano e` lo sforzo di giustificare l’errore di lettura con una chiosa abbastanza lambiccata.” However “convoluted”, Giles’ interpretation reflects a precise way of interpreting Averroes as a thinker who considered one of the main beliefs of revealed religions, i. e. creation, as arbitrarily and irrationally established. Robert Holcot, Quodlibet I, ed. J. T. Muckle, Utrum theologia sit Scientia. A Quodlibet Question of Robert Holcot O.P., in: Mediaeval Studies 20 (1958), 127-153, at 145: “[…] ribaldus ille pessimus Commentator Averrois, omnium legum contemptor, qui legem Christianorum, Iudeorum, et Saracenorum plane contemnit.”

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phiam […], sed qui primo addiscit philosophiam numquam potest postea legibus assentire. Appologos vocat leges et statuta et cerimonias quibus multitudo hominum in communi civitate regulabatur, et ideo dicit quod quando licet omnibus publice disputare tunc fides vulgi corrumpitur et cetera sunt plana.” 26

II. Sig er of Brabant and John of Jandun on “fables” Let us now go back to Aristotle’s remarks, in the second book, chapter 3, of his ‘Metaphysics’, on the difficulties impeding the inquiry into truth and on men’s tendency to believe “fabularia et puerilia”. From the thirteenth century onwards, several Latin thinkers expounded this chapter. It is therefore interesting to examine how they interpreted it and, in particular, how the Arts masters often labeled as ‘Averroists’ made use of Averroes’ reading: did they develop, qualify, or challenge his controversial ideas on “laws”? Did they see them as an expression of his religious insincerity, as Giles of Rome did around 1270? Precisely in this period, the ‘Averroist’ Siger of Brabant gave several courses on the ‘Metaphysics’. Despite a few significant differences, both the Cambridge and the Munich reportationes show that he taught his students that Aristotle was right when he assumed that “what is commonly heard, although fabulous and false, is more easily impressed on the mind than what is true” 27. Siger repeatedly made clear that such remarks concerned only “human laws” 28, but 26

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Ibid., 145 sq. The passage which I have omitted reads as follows: “quia naturales rationes necessitabunt eum ad dissentiendum legi.” It seems clear that this sentence should be placed after and not before the sentence: “sed qui primo addiscit philosophiam nunquam potest postea legibus assentire.” Siger of Brabant, Quaestiones in Metaphysicam (Cambridge), II, q. 23, ed. A. Maurer, in: Siger de Brabant -Quaestiones in Metaphysicam. Texte ine´dit de la reportation de Cambridge. E´dition revue de la reportation de Paris (Philosophes me´die´vaux 25), Louvain 1983, 71: “Dico ad hoc quod consuetudo audiendi falsa, etiam opposita eorum quae sunt per se nota, facit credere ea; quod per effectum probat hic Aristoteles. Illa enim quae in legibus humanis consueta sunt audiri, quamvis fabulosa et falsa, magis applicabilia sunt animo quam suae veritates. Ratio quare in legibus humanis traduntur aliquando falsa et fabulosa est quia legislator non semper ponit secundum quod opinatur de primis principiis, sed secundum quod magis potest aptare cives ad mores bonos. Falsis autem et fabulosis possunt quandoque homines aptari ad bonum […]. Et ideo in lege Pythagorae tradebatur sub comminatione quod anima hominis boni post mortem intraret aliud corpus bonum, mali autem corpus alicuius bestiae; quod non fuit verum sed propter terrorem positum.” In the Munich reportation, Siger also mentions Averroes’ ‘Commentary on the De caelo’, I, c. 33, ed. Carmody (nt. 12), 64 (= Giunta ed., vol. V, 23vM-24rA): “Sed Averroes I ∞ Caeli et mundi: illud impedimentum quo homo impeditur a cognitio veritatis penes prima principia non est parvi momenti, sed maximi.” Cf. Siger of Brabant, Quaestiones in Metaphysicam (Munich), II, 3, ed. W. Dunphy, in: Siger de Brabant - Quaestiones in Metaphysicam. E´dition revue de la reportation de Munich. Texte ine´dit de la reportation de Vienne (Philosophes me´die´vaux 24), Louvain 1981, 80. Often referred to by thirteenth-century Arts masters, this passage was used by one of Siger’s colleagues, around the same period, while discussing whether the lawgivers must tell people the false: cf. I. Costa (ed.), Anonymi Artium Magistri Questiones super Librum Ethicorum Aristotelis (Paris, BnF, lat. 14698) (Studia Artistarum 23), Turnhout 2010, 231 sq. Cf. the passage of the Cambridge reportation mentioned above, nt. 27, as well as the Munich reportation, II, commentum, 80 sq.

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he did not introduce any cautionary statement regarding the different status of revealed “laws”, as Thomas Aquinas did in his ‘Sententia super Metaphysicam’, openly distinguishing human laws, which - as he claimed - may contain “fabulous and childish elements”, from “the law given by God”, in which “there is nothing false” 29. Emphasizing this point, Armand Maurer suggested that Siger’s frequent association of “fables”, “falsehoods”, and “laws”, together with his emphasis on the moral and social function of Pythagoras’ doctrine of the survival of souls, might have provoked the suspicion of ecclesiastical authorities. Maurer therefore surmised that Siger’s lessons on Aristotle’s ‘Metaphysics’ might be behind article 174, which was condemned by the bishop of Paris, Etienne Tempier, on March 7, 1277, “That there are fables and falsehoods in the Christian law just as in others”, and perhaps behind another three prohibited articles (152, 153, 175) dealing with Christian religion and theology 30. Maurer prudently added that this does not necessarily mean that Siger was the source of these “errors”, but claimed that “if their authorship is ever discovered, it will be no doubt among the commentators on book 2 of the ‘Metaphysics’” 31. This is possible, but far from sure. Aristotle’s ideas on the “consuetudo audiendi” had been developed by Averroes, not only in his commentary on the second book of the ‘Metaphysics’, but especially in his so-called prologue to the 29

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Thomas Aquinas, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio, II, l. 5, § 333, edd. M.-R. Cathala/R.M. Spiazzi, Torino 1964, 93: “Loquitur autem hic philosophus de legibus ab hominibus adinventis, quae ad conservationem civilem sicut ad ultimum finem ordinantur; […]. Sed lex divinitus data ordinat hominem ad veram felicitatem cui omni falsitas repugnant. Unde in lege Dei nulla falsitas continetur.” It is worth noting that at the end of the 1280s Giles of Rome devoted an entire question of his ‘Quodlibet III’ to discussing whether someone who has been “nourished in a false law” can realize that it is false. Giving a positive answer to this question, Giles emphasizes that, whereas the law revealed by God is true, all laws which have a human origin “contain many falsities”: “Nulla enim est lex data ab homine puro, vel per hominem purum, nisi data sit per revelationem, vel per inspirationem divinam, quae non contineat multa falsa, et multa reprobanda et vitios.” Later, after attacking Muhammad’s religion, Giles wonders whether laws which are not inspired by God can be properly called “laws”: “Aliarum autem legum, si leges dici debeant, quae non sunt per divinam inspirationem habitae […]”; I quote from B. Aegidii Columnae Romani […] Quodlibeta, ed. Typis Hieronimi Nempaei, Lovanii 1646, 145b and 146b. For a fine analysis of this question and related texts cf. G. Guldentops, Die Kritik des Ägidius von Rom am ‘falschen Gesetz’ in ihrem philosophie- und theologiehistorischen Kontext, in: A. Speer/G. Guldentops (eds.), Das Gesetz - The Law - La Loi (nt. 3), 583-606. Cf. art. 174: “Quod fabule et falsa sunt in lege christiana, sicut in aliis”; art 152: “Quod sermones theologi fundati sunt in fabulis”; art. 153: “Quod nichil plus scitur propter scire theologiam”; art. 175: “Quod lex christiana impedit addiscere”; I quote from the edition provided by D. Piche´, La condamnation parisienne de 1277. Texte latin, traduction, introduction et commentaire, Paris 1999, 124, 132. A. Maurer, Siger of Brabant on Fables and Falsehoods in Religion, in: id., Being and Knowing. Studies in Thomas Aquinas and Later Medieval Philosophers, Toronto 1990, 163-174, 174. The hypothesis that Siger might be the source of these articles is taken into account by R. Hissette, L’implication de Thomas d’Aquin dans les censures parisiennes de 1277, in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 64 (1997), 3-31, at 15 sq.; and is unquestioningly assumed by S. Landucci, La doppia verita`. Conflitti di ragione e fede tra Medioevo e prima modernita`, Milano 2006, 55.

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third book of the ‘Physics’, and this passage (surprisingly ignored by Maurer 32) had been largely used and abused by Latin thinkers since the 1260s 33. Although we do not know whether articles 152, 153, 174 and 175, prohibited in 1277, were ever taught literally by anyone, those who were responsible for the (written or oral) circulation of similar ideas - if they did exist - were most likely acquainted with a reading of the Averroes Latinus which recalls the one provided by Giles of Rome, who in his summary of Averroes’ “errors” rebuked him, as we have seen, for maintaining “that no law is true, although it may be useful” 34. 32

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Although Siger makes explicit reference to “Commentator super III m Physicorum” in the Cambridge reportatio edited by Maurer himself (nt. 27): cf. II, q. 25, 74, together with the parallel passage of the Munich reportatio (nt. 27), II, q. 25, 84: “Averroes in prologo super III um Physicorum.” Landucci, La doppia verita` (nt. 31), 56, 110 sq., claims that, after Giles’ attack on it, Averroes’ so-called prologue to the third book of the Physics became a “prohibited” and “explosive” text, and therefore only a few ‘radical’ Arts masters such as Siger of Brabant, John of Gottingen and John of Jandun were so “brave” as to refer to it. As a matter of fact, we will see that Siger of Brabant’s and John of Jandun’s approach to this text is all but ‘radical’; as to John of Gottingen, see below, nt. 34. Moreover, one might easily show that several thinkers working from the 1270s onwards - theologians included - mentioned this passage without qualms: cf. e.g. Roger Bacon, Compendium Studii Philosophiae, 3, ed. J. S. Brewer, London 1859, 416; John of Dacia, Divisio scientiae, ed. A. Otto, in: Johannis Daci Opera Omnia, vol. I/1, Hauniae 1955, 15 sq.; Anonymi Boethio Daco usi Quaestiones Metaphysicae, II, q. 10, ed. G. Fioravanti, Hauniae 2009, 229; Godfrey of Fontaines, Quodlibet VI, q. 11, edd. M. De Wulf/J. Hoffmans, in: Les Quodlibets cinq, six, et sept de Godefroid de Fontaines, Louvain 1914, 225; Humbert of Prouilly, Sententia super Librum Metaphisice Aristotelis Liber I-V, prol., edd. Monica Brinzei/N. Wicki (Studia Artistarum 36), Turnhout 2013, 48; Duns Scotus, Quaestiones super libros Metaphysicorum Aristotelis, II, q. 1, edd. R. Andrews/G. Etzkorn/G. Ga´l/F. Kelly/G. Marcil/T. Noone/ R. Wood, in: Duns Scotus Opera philosophica, vol. 3, St. Bonaventure 1997, 195. Lastly, as Landucci knows (cf. La doppia verita` [nt. 31], 118), no less than four sayings extracted from this passage were included in the best known florilegium of Aristotelian tags and sayings - the so-called ‘Auctoritates Aristotelis’, redacted at the end of the 13th century by the Franciscan Johannes de Fonte and preserved in hundreds of manuscripts and several printed editions. Cf. J. Hamesse, Les auctoritates Aristotelis (nt. 9), 149, §§ 113-116 (Commentator in prologo hujus [scilicet: Physicorum] III libri): “Quidam homines ita erunt consueti comedere venenum quod erat eis cibus”; “Quidam propter usum audiendi fabulas negaverunt principia vera per se nota, ut est illud: ex nihilo nihil fit”; “Fides vulgi fortior est quam fides philosophorum”; “Qui in principio addiscit philosophiam non bene potest audire leges, sed qui in principio addiscit leges non impeditur posse audire philosophiam.” On Averroes’ quotations in the ‘Auctoritates Aristotelis’, cf. L. Bianchi, Conclusions, in: J. Hamesse/ J. Meirinhos (eds.), Les ‘Auctoritates Aristotelis’, leur utilisation et leur influence chez les auteurs ˆ ge me´die´vaux. E´tat de la question 40 ans apre`s la publication (Textes et E´tudes du Moyen A 83), Barcelona-Madrid 2017, 317-331, at 324 sq. According to Z. Kuksewicz, De Siger de Brabant a` Jacques de Plaisance. La the´orie de l’intellect chez les averroistes latins des XIII e et XIV e sie`cles, Wroclaw-Varsovie-Cracovie 1968, 140 sq., at the beginning of the fourteenth century, notwithstanding Tempier’s condemnation, ‘Averroists’ developed a ‘rationalist’ approach towards Christian faith: in particular, John of Goettingen displayed in his ‘Sophisma’ a true “esprit anti-the´ologique”. The most relevant passage of the text that Kuwsewicz quotes to support this interpretation, however, seems rather ambiguous to me (ibid., 262, nt. 55): “Iuxta illud Philosophi 2 Metaphysicae, quod sicut consuemus [sic! lege: consuevimus], ita digeramur [sic! lege: dignamur ], dici: nam propter inconsuetudinem aliqua videntur minus nota et magis extranea; nam omne consuetum notius, secundum quod confirmat Philosophus per ea, quae nos videmus in legibus, in quibus fabularia et puerilia magis valent cognitione veritatis propter consuetudinem. Et hoc est, quod Commentator dicit pulchre in Prologo 3 Physicorum sic. Dicit, quod apologi positi in civitatibus

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Moreover, if it is undeniable that - as Maurer noticed - Siger “does not explicitly exempt the Christian religion from contamination by childish tales and errors” 35, one should not forget that his analysis of Aristotle’s passage of the second book of the ‘Metaphysics’, concerning the fabulous teachings of the “laws”, is more prudent than Albert the Great’s. Actually, in his long paraphrase of this passage, the Dominican theologian not only neglected - like Siger - to highlight that Aristotle’s remarks should not be applied to revealed “laws”. Unlike Siger, Albert also pointed out that the aim of the lawmakers is not to discover truth but to give praecepta pietatis useful to preserve the unity of the community, adding: “Et ideo ficti sunt esse dii multi et cultus multi et religiones, in quibus non attenditur, quid verius sit, sed potius quid moveat ad reipublicae conservationem.” 36

So, Siger probably played a smaller role than Albert in disseminating the idea that religions may have a human origin and teach what is politically useful but not true 37; and, as far as one can judge from the extant reportationes, his courses on the ‘Metaphysics’ do not seem a plausible source of Tempier’s articles affirming that “there are fables and falsehoods” in all religions and that the study of Christian religion and theology is incompatible with the study of philosophy (art. 152, 153, 174, 175). But what about the other presumed ‘founder’ of ‘Latin Averroism’ - and even of ‘political Averroism’ - namely John of Jandun? 38

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corrumpunt multa principia necessaria, et hoc est per assuefacionem; et propter hoc fides vulgi fortior est quam fides philosophorum. Vulgus enim non consuevit audire aliud, philosophus autem profundat multa, et ideo quando disputatio et consideratio communis omnibus, corrumpitur fides vulgi et ideo quaedam leges prohibent disputare.” Maurer, Siger of Brabant on Fables and Falsehoods in Religion (nt. 31), 172 sq. Albert the Great, Metaphysica, II, 11, ed. B. Geyer, in: Alberti Magni Opera Omnia, vol. 16, Münster 1960, 102 sq. Grignaschi, Indagine su passi del ‘Commento’ (nt. 10), 253, and Landucci, La doppia verita` (nt. 31), 112, nt. 31, mention this chapter but without taking the passage quoted above, which is - I think - the most impressive one, into account. Cf. also Albert’s ‘Commentary on De anima’ I, 3, 407b20-24, where Albert (I, t. 2, c. 7, ed. C. Stroick, in: Alberti Magni Opera Omnia, vol. 7/1, Münster 1968, 38) underscores that Pythagoras introduced his “fables” on the destiny of the souls “to make citizens cultivate piety and justice”. In so doing, he goes further than Averroes, who simply stated that Pythagoras’ “apologue” aimed at “correcting the citizens’ souls”. Cf. Commentarium magnum in Aristotelis de anima libros, I, t. 53, ed. F. Stuart Crawford, Cambridge (Ma.) 1953, 74. It is significant that Humbert of Prouilly rephrases Albert’s text adding what Albert implies but does not explicitly say, namely that his remarks concern “laws invented by men”. Cf. Humbert of Prouilly, Sententia super Librum Metaphisice Aristotelis Liber I-V (nt. 33), II, 4, 245: “Secundo est intelligendum quod in legibus humanitus adinventis, ut dicit Albertus, non considerantur principia veritatis, sed tantum praecepta pietatis, que hominem alliciant ad bene agendum propter primum, premium boni et penam mali, sicut dicebat Pictagoras […].” I do not take Boethius of Dacia into account here. First, because he can no longer be qualified as an ‘Averroist’ - cf. L. Bianchi, Boe`ce de Dacie et Averroe`s: essai d’un bilan, in: D. Calma/ Z. Kaluza (eds.), Regards sur les traditions philosophiques (XIIe-XIVe sie`cles) (Ancient and Medieval Philosophy, Series 1, 56) Leuven 2017, 127-151; second, because no commentary on the ‘Metaphysics’ has been ascribed to him with certainty so far. The one preserved in ms. Leipzig, Universitätsbibliothek 1386, however, is issued from his ‘school’, and it is noteworthy that Aristotle’s views concerning the custom of hearing falsehoods are discussed making use of

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It is well known that in a passage of his celebrated question 18 on the first book of the ‘Metaphysics’ 39 Jandun claims that philosophers represent the preeminent “part of the community” and have a decisive social utility, insofar as they can fulfill - as Averroes taught - the intellectual potentialities of mankind by contemplating in this life the separate substances and God. It is equally known that he goes as far as saying that, in this perspective, the contribution of priests is very limited since they “add nothing but outward acts” (i. e., ceremonies, rituals) to what philosophers do for the perfect actualization of reason and the acquisition of supreme happiness 40. Yet, when in question 17 he discusses the hierarchy of the sciences and thoroughly examines the relationship between the study of speculative sciences and the study of practical sciences, including that of the “laws”, Jandun is extremely prudent. Far from emphasizing their incompatibility (as in the objection presented by his opponents 41), he displays a great amount of ingenuity in order to

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Averroes’ remarks on the “leges”, and without introducing any qualification about their human or divine origin. Cf. Anonymi Boethio Daco usi Quaestiones Metaphysicae (nt. 33), II, qq. 910, 227-230. This question has been thoroughly examined by specialists of medieval political thought, from Alan Gewirth to Ludwig Schmugge, from Jeannine Quillet to Mario Grignaschi. As most scholars, I examine Jandun’s commentary on the ‘Metaphysics’ using the printed version of the text, first published by Marcantonio Zimara in 1505 (I quote from the following edition: Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae […], ed. Hieronymus Scotus, Venetiis 1560). There is no need to say, however, that I am aware that this represents the last step of elaboration of the text and contains several materials lacking in the manuscript tradition, perhaps not always authentic. On this point cf. at least R. Lambertini, Jandun’s Question-Commentary on Aristotle’s Metaphysics, in: F. Amerini/G. Galluzzo (eds.), A Companion to the Latin Medieval Commentaries on Aristotle’s Metaphysics (Brill Companions to the Christian Tradition 50), Leiden 2014, 385-411, at 388 sq. Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), I, q. 18, 74: “Dicendum quod speculatiui viri sunt finis aliarum partium civitatis gratia cuius, quia sicut omnes homines sunt propter speculativos viros tamquam gratia cuius, sic tota civitas propter illos, et felicitas politica ordinatur ad felicitatem speculatiuam, sicut omnes homines in ciuitate ordinantur ad speculationem de Deo. Similiter sacerdotes non addunt supra speculatiuos viros ad speciem speculationum Dei nisi actus exteriores.” Cf. also ibid., I, q. 1, 6, where Jandun argues for the primacy of philosophical happiness over political happiness, remarking that the knowledge of God is necessary in order to behave well, and therefore lawgivers need philosophers, who are able to “demonstrate” God’s existence: “[…] dicendum, quod verum est, omnis sapientia non est necessaria ad communicationem humanam sed sapientia, quae est in contemplatione et cognitione dei et aliorum principiorum abstractorum, necessaria est ad communicationem et bonum coniunctum: quia sine cognitione dei homines formaliter non possunt bene operari, licet materialiter; unde ad hoc, quod legislator suos ciues faciat bonos, oportet quod habeat cognitionem dei per se, ut per habitum sapientiae sibi adiunctum, vel per alium sapientem qui dicat sibi, et demonstret sibi deum, ut possit alios instruere; unde etiam foelicitas politica ordinatur ad foelicitatem speculatiuam, sicut ad illud quod est finis.” Ibid., I, q. 17, 62: “Item illi habitus sunt honorabiliores qui non prohibent acquisitionem aliorum habituum, quam illi qui prohibent acquisitionem aliorum habituum, sed habitus practici non prohibent acquisitionem aliorum habituum, ut speculatiuorum, sed habitus speculatiui impediunt acquisitionem habituum practicorum, ut vult Commentator in prologo 3 Physicorum, ubi dicit qui primo adiscit leges non prohibetur a philosophia, id est a speculatiua scientia, sed qui primo adiscit philosophiam, non potest postea adiscere leges, et hoc habet auctoritate suorum contemporaneorum. Modo leges sunt habitus practici, quare et c. Item illi habitus sunt honorabiliores, secundum quos habetur certior fides, ut patet per Comentatorem in prologo 10 [sic] physicorum

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point out that the adages taken from Averroes’ so-called prologue to the third book of the ‘Physics’ - one of his favorite auctoritates 42 - can be read in an ‘orthodox’ way: according to John, religious training does not impede the study of philosophy, and the latter renders the acquisition of religious beliefs perhaps more difficult, but not impossible 43. Moreover, he adds, one should carefully distinguish between true religion (i. e., the Christian one) and false religions, or, to use his own terminology, which is significantly inspired by Thomas Aquinas, “laws intermingled with errors” 44. In this perspective, Jandun concludes, phi-

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ubi dicit Fides enim vulgi est fortior fide philosophorum, sed fides vulgi habetur per habitum practicum, et fides philosophorum per habitum speculatiuum.” In scarcely reliable manuscripts and ancient editions of his works, Jandun refers to this passage as belonging not only to Averroes’ prologue to the third book of the ‘Physics’, but also to the forth, the eighth, and even the tenth. Besides Jandun’s passages quoted above (nt. 41) and below, cf. Super octo libros Aristotelis de Physico auditu subtilissimae quaestiones, IV, q. 5, ed. Hieronimus Scotus, Venetiis 1575, 95b: “Et Commentator in prologo suo super 3. Physicorum dicit, quod consuetudo est maxima causa impediens a pluribus rebus manifestis per se, unde et in 1. Coeli et Mundi dicit Commentator quod praua consuetudo audiendi falsa a pueritia est causa impediens a comprehensione propositionum primarum, et idem tangit in 1. Physicorum.” It is worth noting that later, having argued that philosophy cannot demonstrate the beginning of time, Jandun claims that this is a simple object of faith and emphasizes that belief in revealed truths is strengthened by hearing them during childhood: “Considerandum etiam, quod licet Aristoteles ita diceret, ut praemissum est, tamen dico secundum fidem et veritatem, quod totum tempus est terminatum a parte ante […]. Hoc autem, quamvis non sit per se notum tamen non est demonstrabile aliqua demonstratione ab homine, sed sic esse credimus sola auctoritate diuina et scriptura Sanctorum. Et ad huiusmodi et similium credulitatem multum facit consuetudo audiendi a pueritia huiusmodi dicta: quae enim consueuimus dignamur dici secundo Metaphysicae” (ibid., VI, q. 11, 162a). In itself, the emphasis on the role of religious training in childhood can hardly be considered a novelty. To give just one example, Peter Abelard, in his so-called Dialogue, allows the philosopher to say that adults continue to hold true what they were taught as children. Abelard, however, has the Jew answer that faith is indeed instilled by parents, but is later followed by virtue of a rational choice: cf. Collationes, edd. J. Marenbon/G. Orlandi, Oxford 2001, 8-14 (§§ 7 sq. and 12 sq.). Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), I, q. 17, 67: “[…] sic qui assuefit in philosophia, postea difficulter adiscit leges, tamen non prohibetur hoc omnino, quia post philosophiam potest leges adiscere, sed non ita feliciter.” Another fourteenth-century commentator, whose identity is controversial, followed a different and easier strategy for neutralizing this passage, assuming that by “laws” Averroes meant the “follies” of poets: “Tertium est quod ipse dicit quod qui primo audiunt leges, bene postea possunt proficere in philosophia; qui autem primo in philosophia, non possunt postea proficere in legibus, et per leges intelligit fatuitates et fremotiones poeticas et inopinabiles.” Cf. B. Patar (ed.), Ioannis Buridani Expositio et quaestiones in Aristotelis Physicam ad Albertum de Saxonia attributae, vol. III (Liber I-Liber III) (Philosophes me´die´vaux 40), Louvain-la-Neuve-Louvain-Paris 1999, 114. Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), I, q. 17, 67 sq.: “Vel aliter posset dici quod duplices sunt leges, scilicet communes et proprie, et proprie sunt duplices. Quaedam sunt leges proprie cum admixtione erroris, sicut sunt leges mahumeti, et omnes aliae prater diuinam legem. Aliae sunt leges proprie sine admixtione erroris, sicut est lex Christianorum. Modo qui est assuefactus in legibus propriis cum admixtione errorum, postea bene potest adiscere philosophiam, si termini debite exponantur ei, sed econuerso non, quia qui habet cognitionem philosophiae et veritatis non potest adiscere leges, quae sunt cum admixtione errorum, quia homo fortiorem habet inclinationem ad veritatem, quam ad falsitatem, licet impediatur aliquando per aliud. […] Et quando Commentator dixitque fides vulgi fortior est fide philosophorum, intellexit in legibus falsis, et non veris.” It has been highlighted that Jandun’s conception of positive law is inspired by Thomas Aquinas’ ‘Summa Theologiae’, and that the distinction

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losophers have a stronger faith in the true “law of the Christians” than common men: Averroes’ saying refers only to “false laws” 45. The distinction between different kinds of law (lex naturalis/lex positiva, lex communi/lex propria; lex propria cum admixtione erroris/lex propria sine admixtione erroris) is accurately explained in question 11 of book II, specifically devoted to discussing “whether custom represents a hindrance to truth” (Num consuetudo impedimentum praestet ad veritatem) 46. Here, Jandun repeatedly refers to Averroes’ so-called prologue to the third book of the ‘Physics’, but limits the validity of its analysis, systematically excluding Catholic faith: Averroes, Jandun remarks, was a Muslim, and the target of his criticism were not Christians but Muslim thinkers, first of all Avicenna, who wrongly assumed that something can be naturally created out of nothing 47; Averroes’ opinion that “laws” corrupt neces-

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between laws cum admixtione erroris and sine admixtione erroris is reminiscent of - but distorts Aquinas’ thesis that legal justice arises from natural justice cum permixtione or sine permixtione humani erroris; cf. Sententia libri Ethicorum, V, l. 12, ed. Commissio Leonina, in: Opera omnia, vol. XLVII, 306, and comments by Grignaschi, Il pensiero politico (nt. 14), 450-454, 474 sq.; J. Quillet, Bre`ves remarques sur les Questions super metaphysice libros I-IV (Codex Fesulano 161, f∞ 1ra-41va ) et leurs relations avec l’aristote´lisme he´te´rodoxe, in: A. Zimmermann (ed.), Die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität im XIII. Jahrhundert (Miscellanea Mediaevalia 10), Berlin-New York 1976, 361-385, at 371-376; Lambertini, Jandun’s QuestionCommentary on Aristotle’s Metaphysics (nt. 39), 405. One might add that in his ‘Summa Contra Gentiles’, I, 6 (ed. Commissio Leonina, in: Opera omnia, vol. XIII, 17), Aquinas presented Muhammad as an outstanding example of “those who founded sects committed to erroneous doctrines” (qui sectas errorum introduxerunt ), complained that he “seduced the people” through promises and false doctrines, and concluded that “he mingled the truths that he taught with many fables and with doctrines of the greatest falsity” (fabulis et falsissimis doctrinis immiscuit). On this text cf. M. Di Cesare, The Pseudo-Historical Image of the Prophet Muhammad in Medieval Latin Literature: a Repertory (Studien zur Geschichte und Kultur des islamischen Orients, N.F. 26), Berlin-Boston 2012, 307-310. Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), I, q. 17, 68: “Dicendum quod fides potest referri ad duo: uno enim modo potest referri ad falsas leges, et sic fides vulgi est fortior, quia magis credunt falsis legibus quam philosophiae, quia non viderunt multa, et nesciunt discernere verum a falso, sed philosophi multa viderunt, ut dicit Commentator ibidem. Alio modo fides potest referri ad verum, et sic fides philosophorum fortior est fide vulgi, quia philosophi magis credunt veris quam vulgares. Et quando Commentator dixitque [sic ] fides vulgi fortior est fide philosophorum, intellexit in legibus falsis, et non in veris.” Cf. Grignaschi, Indagine sui passi del ‘Commento’ (nt. 10), 255 sq. Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), II, q. 11, 170-175. Grignaschi, Il pensiero politico (nt. 14), 456-459, had the merit of drawing attention to this question. Although this is the most important text where Jandun discusses the problem of the “consuetudo audiendi”, other passages should be taken into account in order to fully understand his position. Besides those examined below, I draw attention to the incidental remark in q. 22 of the Quaestiones super Parvis Naturalibus, apud Hieronimum Scotum, Venetiis 1570, 79a-b, where Jandun argues that what is “naturally” held as true by most men cannot be totally false, qualifying this statement thus: “et dico naturaliter, quia si omnes vel plures concederent, et crederent aliquid esse verum per consuetudinem audiendi illud, et per aliquas persuasiones sophisticas, non ex naturali inclinatione sui intellectus, non esset bonum argumentum, sicut et de multis quae ponuntur in legibus ad persuadendo hominibus operationes virtuosas.” Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), II, q. 11, 173 sq.: “Sed si aliquis instaret, videtur quod Commentator loquatur de lege christianorum, quae est verissima, quia exemplificat de principio, per quod christiani in legibus radicantur, scilicet quod ex nihilo dicunt

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sary principles and therefore represent an obstacle to acquiring philosophical knowledge applies only to laws “intermingled with errors”, i. e., “erroneous laws”: “Et tu dicis, quod consuetudo in legibus etc.: conceditur de legibus communibus et de illis propriis que rationaliter sunt fundatae, et sine admixtione erroris fundantur super leges communes ille sunt bone et promouent ad cognitionem veritatis, sed proprie leges quae fundantur super communes cum admixtione erroris impediunt cognitionem veritatis et sunt fortissimum impedimentum inter impedimenta quae sunt aduentitia naturae, quia aliter non est verum, et de illis legibus erroneis loquitur Commentator. […] Ac etiam qui audit leges falsas, bene postea potest proficere in philosophia et veritate quando est in opposito exercitio vel legibus, sed quamdiu manent leges in eo, et eis adheret tunc sunt fortissimum impedimentum a cognitione veritatis, et sic intellexit Commentator de legibus propriis, quae sunt cum admixtione erroris et non de legibus communibus intellexit, et de propriis quae sunt verae et sine admixtione errorum, sicut est lex christianorum.” 48

Whatever one might think of Jandun’s sincerity 49, three points need to be emphasized. First, the assumption that Averroes’ analysis of the relationship between philosophical training and religious beliefs is true insofar as it refers to religions invented by men for political purposes, while it is false if extended to Christian faith, is constant in his teaching. One can find allusions to it in Jandun’s commentaries on the ‘Physics’ 50, the ‘De anima’51 and the ‘Rhetoric’52 - where

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aliquid fieri, et quod homo fiat ex terra. Dicendum quod Commentator hoc retulit ad legem mahumeti, unde vocat eos loquentes nostrae legis, unde mahumetani hoc principia [sic ] quod ex nihilo aliquid fit utebantur male, quod per naturam et naturaliter aliquid posset fieri ex nihilo, non attribuentes omnia potentiae divinae. Et tunc iuste increpat eorum legem. Unde illud digne attribuitur potentiae divinae, quod nulli competit nisi sibi, unde etiam natura respectu Dei nihil est, quia natura non potest facere ex nihilo, sed solum Deus, qui producit per creationem, quae non est factio naturalis, sed super omnem naturam, unde etiam Commentator fuit de lege mahumeti, ergo illos qui sunt de lege ista nominat loquentes suae legis. Ex hoc ulterius patet, quod consuetudo audiendi aliqua falsa a pueritia, quae ponuntur in istis legibus retrahit, et impedit cognosere veritatem principiorum non solum propriorum, verum etiam communem, et hoc patet per Commentatorem in isto commento, quia dicit, quod audivit a pueritia scientia loquentium, immo dicit, quod qui audiuit in pueritia scientiam loquentium propter consuetudinem negant naturam esse et virtutes naturales, et negant necessarium esse, et ponunt omnia possibiliau […].” Cf. also Super libros Aristotelis de Anima subtilissimae quaestiones […], ed. Hieronymus Scotus, Venetiis 1552, prooemium, 1va: “Quantam vim habeat, quod consuetum est, leges ostendunt, in quibus plus valent fabularia et puerilia cognitione de eis propter consuetudinem. Est etiam impedimentum non solum in conclusionibus, sed etiam principiis, et hoc est quod dicit Commentator 2 Metaphysicae quod illi qui audiunt in pueritia scientiam loquentium, propter quod consueverunt, negant verum esse et omnem veritatem, et negant necessarium, et ponunt omnia possibilia esse.” Ioannis de Ianduno […] Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae (nt. 39), II, q. 11, 175. On this point cf. at least S. MacClintock, Perversity and Error. Studies on the ‘Averroist’ John of Jandun, Bloomington 1956, 88-99. Cf. Super octo libros Aristotelis de Physico auditu (nt. 42), prol. [fol. 1b, not numbered]: “[…] unde Commentator dicit in suo prologo super Octauo [sic] physicorum, quod homines qui in iuuentute fuerunt nutritis in legibus positis falsis et ficticijs, cum incipiunt philosophari et audire rationes demonstratiuas, tunc ipsi reputant impossibilia illa, quae ponuntur in talibus legibus et reputant impossibilem illam perfectionem, quae mittitur per obseruationem legis.” Jandun repeatedly insists on the consequences of being “nourished in laws”, and in his Quaestiones de somno et vigilia he develops Averroes’ idea (cf. Averroes’ Paraphrasis of Aristotle’s ‘De Sompmo et vigilia’, in: Averrois Cordubensis compendia librorum Aristotelis qui Parva Naturalia vocantur, ed. A. L. Shields, Cambridge [Ma.] 1949, p. 117 = Giunta ed., vol. VI, 36rE; cf. J. Hamesse, Les auctoritates Aristotelis. [nt. 9], 204 § 103) that

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Jandun repeatedly refers to the Muslim religion as “intermingled with errors” 53 and draws attention to its deceitful promises 54 - as well as in his questions on the ‘De caelo’, where he explicitly declares that the Commentator speaks of “the fables [apologi] of his religion”, and “if he spoke also of the Christian religion, proved by God’s miracles, he would lie”:

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even oneiric activity is influenced by religious training: “[…] aliqua enim simulacra communiter et indifferenter occurrunt omnibus gentibus cuiuscunque legis, sicut simulacrum aeris, ignis, aut aquae aut huiusmodi, aliqua autem simulacra sunt quasi propria aliquibus hominibus secundum quod nutriti sunt in aliqua lege, et consueti sunt imaginari, ut aliqui nutriti sunt in expectando resurrectionem mortuorum, ut Christiani, et alij in alijs positis a suis legibus, et secundum hoc apparent diuersa simulacra”; I quote from the ‘Quaestiones de somno et vigilia’, q. 24, in: Quaestiones super Parvis Naturalibus (nt. 46), 85a. Cf. Super libros Aristotelis de Anima subtilissimae quaestiones (nt. 47), III, q. 37, 10va: “Et puto quod illi qui reputant istam perfectionem impossibilem homini, et hoc propalant et colorant, dant multis hominibus occasionem divertendi a bono suo declinandi ad inhonesta: quia non possunt demonstrare aliam perfectionem nobiliorem, propter cuius adeptionem homines ratione vigentes debent fugere opera inhonesta et vivere secundum virtutes, sed promittunt talia quae non possunt rationibus convinci; cum tamen hominum genus arte et ratione vivat, sicut in lege Machometi, et in aliis multis falsis legibus positis voluntarie.” On this question cf. J.-B. Brenet, Transferts du sujet. La noe´tique d’Averroe`s selon Jean de Jandun, Vrin 2003, 407 sq.; A. Vella, Il ruolo delle credenze religiose nell’ascesa intellettuale a Dio in una quaestio di Giovanni di Jandun sulla possibilita` di conoscenza delle sostanze separate, in: Rivista di Filosofia Neoscolastica 109/1 (2017), 131-146. I am grateful to Andrea Vella for sending this article to me before its publication. The Quaestiones super libris Rhetoricorum are likely to be the last of Jandun’s Aristotelian commentaries and were redacted shortly before he left Paris in 1326. L. Schmugge, Johanes von Jandun (1285/89-1328). Untersuchungen zur Biographie und Sozialtheorie eines Lateinischen Averroisten (Pariser Historische Studien 5), Stuttgart 1966, 135-139, argued that two redactions of this work exist. Iacopo Costa, who is preparing its critical edition, thoroughly examines the manuscript tradition and shows that it is actually tripartite in his forthcoming article: Plurality of redactions and access to the original: editing John of Jandun’s ‘Questions on Aristotle’s Rhetoric’. I thank Costa for making this important article available to me before its publication. My references to Jandun’s ‘Quaestiones super libris Rhetoricorum’ concern the long version, preserved in manuscript Padova, Biblioteca Universitaria 1472, fols 262ra-286rb. In book I, discussing the question “utrum magis peccet ille qui peccat contra iura scripta quam qui contra iura non scripta”, Jandun (fol. 280va ) presents Muhammad’s “law” as an exemple of positive law deriving from natural law “cum permixtione erroris”. In the question of book I devoted to discussing “utrum aliquid quod nullus homo habet sit bonum homini ” (ibidem, fols 272ra-rb, here 272rb ), Jandun distinguishes different ways in which something cannot be had by anyone and, arguing that something cannot be had “secundum ueritatem” although it can be had “secundum opinionem uel estimationem”, he provides the following example: “Verbi gratia magnitudo imperii a solis ortu usque ad occasum et ab aquilone usque ad meridiem et huius non est bonum humanum secundum ueritatem, cum nec sit finis hominis nec ordinatum in finem, ut satis patet consideranti; tale tamen non habitum potest esse bonum humanum secundum opinionem uel estimationem, et si quis potest inducere homines ad credendum tale bonum esse possibile, tunc propter adeptionem illius boni potuerunt induci consequenter ad multa alia facienda que reputantur bona, huius autem sunt que promittuntur in legibus falsis et corruptis siue peruersis, sicut in lege machomecti et quibusdam aliis similibus, ut innuit commentator auerroys in suo prologo super 4 [sic] physicorum. Contingit autem maxime opinari huiusmodi propter consuetudinem audiendi ut patet ex 2 metaphysice.” Incidentally, this passage shows that Jandun envisaged the function of a universal monarchy differently from Dante; this is remarkable if one bears in mind that, from Bruno Nardi onwards, Jandun’s and Dante’s ideas on the fulfillment of human welfare have been frequently compared.

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“Et sciendum quod Commentator dicit de his dictis, quod ista omnia sunt apologi, idest sermones vulgares, quos ponunt legislatores, et sunt remoti a veritate et intellectu humano. Unde etiam dicit in tertio Physicorum in prologo, quod apologi nostrae legis, quos ponimus in ciuitatibus, corrumpunt multa principia necessaria propter consuetudinem. Et ipse Commentator loquitur de apologis suae legis, quae sumitur de lege Maumeth. Et si loqueretur de nostra lege mentiretur: quia omnia in lege nostra sunt vera et probata per miracula Dei et Creatoris gloriosi.” 55

Second, Jandun’s insistence on this point shows that he does not always content himself with distinguishing the conclusions of philosophy from the tenets of Christian revelation abruptly. Far from appending cautionary disclaimers and protestations of faith - as he often does at the end of his quaestiones -, in this case he develops a complex line of reasoning aiming at affirming the superiority of Christian religion. Third, such an approach is not totally unprecedented. As a matter of fact, Jandun expands on what Ferrandus of Spain suggested, around 1290, in his commentary on the ‘Metaphysics’ 56: a commentary labeled as Averroistic by Albert Zimmermann, but considered “perfectly orthodox” by Fernand Van Steenbergen 57. III. “ T he law of the Christians is false” We have seen that two major figures of the so-called ‘Latin Averroism’ expounded Aristotle’s passages on fabulous elements of the “laws”, avoiding (Siger of Brabant) or even rejecting ( John of Jandun) the reading that Giles of Rome had ascribed to Averroes, above all his insulting remarks concerning revealed religions. Does this mean that an endorsement of this reading, going as far as claiming that religious beliefs are useful but not true, would only come with the 55

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Averroes, In libros Aristotelis De coelo et mundo […] quaestiones subtilissimae, II, q. 2, ed. Iuntas, Venetiis 1552, 24ra. Cf. the passages quoted in A. Zimmermann, Ein Averroist des späten XIII. Jahrhunderts: Ferrandus de Hispania, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 50 (1968) 145-164, at 163, nt. 44: “Haec autem, quae hic dicit Commentator, tangunt legem suam et consimiles leges, quae fuerunt quaedam fictiones inventae ab hominibus. Et ideo mores talium legum impediunt cognitionem veritatis”; 163, nt. 45: “Non autem tangunt in aliquo legem nostram, quae est divinitus inspirata. Unde et mores legis nostrae non solum non impediunt cognitionem veritatis, immo sine ipsis impossibile est venire ad speculationem veritatis et philosophiae.” Cf. also A. Zimmermann, Remarques et questions relatives a` l’œuvre de Ferrand d’Espagne, in: H. Santiago-Otero (ed.), Dialo´go filoso´fico-religioso entre Cristianismo, Judaı´smo e Islamismo durante la Edad media en la penı´nsula ibe´rica (Rencontres de Philosophie Me´die´vale 3), Turnhout 1994, 215-228, at 226. Cf. Zimmerman, Ein Averroist des späten XIII. Jahrhunderts (nt. 54), 164; F. Van Steenberghen, La philosophie au xiiie sie`cle, deuxie`me e´dition, mise a` jour (Philosophes Me´die´vaux 28), Louvain-la-Neuve-Louvain-Paris 1991, 373 (cf. also id., Introduction a` l’e´tude de la philosophie me´die´vale, Louvain-Paris 1974, 548 sqq., 563 sqq.). Both judgments should be better qualified. Good arguments for denying Ferrandus “the ephithet Averroist” are proposed by G. Galle/G. Guldentops, Ferrandus Hispanus on Ideas, in: G. Van Riel/C. Mace´ (eds.), Platonic Ideas and Concept Formation in Ancient and Medieval Thought (Ancient and Medieval Philosophy. De Wulf Mansion Centre. Series 1, 32), Leuven 2004, 51-80, at 51-55.

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presumably ‘lay’ Renaissance thought? This is generally assumed, and Pietro Pomponazzi is often credited with the diffusion of such subversive ideas, being presented as the prototype of a sceptic who reduces religions to a series of artful expedients to avoid immorality and social disorder. As a matter of fact, in his treatise on the immortality of the soul, published in 1516, Pomponazzi claimed that this doctrine was a “device” (ingenium) introduced by the founders of religions who - “as Averroes says in the prologue of the third book of the Physics” - do not care for truth but only try “to lead men to virtue” 58. Moreover, though quickly dismissing them as “poison”, in the lectures he gave at Bologna in 1514 Pomponazzi carefully explained this prologue to his students, first emphasizing that for the Commentator religious laws “impede the truth” and “are false because they are not evident, or reduced to evident things”, then suggesting that they are “neither true nor false”, like all “fables” (apologi) necessary to indoctrinate gross and childish men 59. In the space at my disposal, I can neither discuss Pomponazzi’s views on this point - which are more complex than it might appear at first glance 60 - nor 58

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Pietro Pomponazzi, De immortalitate, 14, in: id., Tractatus acutissimi, utillimi et mere peripatetici, facsimile reproduction of the 1525 Venice edition, Casarano 1995, 49vb: “Maiorque pars hominum, si bonum operatur, magis ex metu aeterni damni quam spe aeterni boni operatur bonum, cum damna sint magis nobis cognita quam illa bona aeterna. Et quoniam hoc ultimum ingenium omnibus hominibus potest prodesse, cuiuscumque gradus sint, respiciens legislator pronitatem virorum ad malum, intendens communi bono, sanxit animam esse immortalem, non curans de veritate, sed tantum de probitate ut inducant homines ad virtutem. Neque accusandus est politicus: sicut namque medicus multa fingit ut egro sanitatem restituat, sic politicus apologos format ut ciues rectificet. Verum in his apologis, ut dicit Auerrois in prologo tertij physicorum proprie neque est veritas neque falsitas. Sic etiam nutrices inducunt alumnos suos ad ea quae pueris prodesse cognoscunt.” Cf. the passages quoted by Nardi, Studi su Pietro Pomponazzi (nt. 10), 134 sq., examined also by M. Pine, Pietro Pomponazzi: Radical Philosopher of the Renaissance, Padova 1986, 117 sq.: “Alias dedi multas expositiones: do unam expositionem que videtur mihi esse melior. Non sunt veri nec falsi appologi; dicimus quod sunt sermones fabulosi quia illo tegumento intendunt bonum, sub illo intendunt verum […]. 2∞ Metaphysice, commento 14, dicit quod finis phylosophi est docere verum; veritas est finis phylosophi. Finis legis latoris nec est verus nec falsus: est facere bonum morigeratum. Quando pueri clamant dicent aliqui Veniet lupus. - Homines docuntur metu, non paradiso. Erant viri bonii qui fecerunt illas leges propter bonum nostrum, quia non possemus ire per vias. Intendunt bonum etsi sciant se [non] dicere veritatem.” Cf. also the passage quoted by Nardi, Studi su Pietro Pomponazzi (nt. 10), 147: “Pro quo sciendum quod apologi sunt quidam sermones fabulosi, qui scilicet sub alia fabula intendunt aliquod bonum aut verum, sicut sunt fabulae Aesopi […]. Et nota etiam, ex 2∞ Metaphysicae, quod differentia est enim inter philosophum et legislatorem, quia finis philosophi est veritas, finis vero legislatoris est bonitas. Et ita apologi non intendunt veritatem nec falsitatem. Unde legislator non dicit illas fabulas ut decipiat homines, sed ut faciat homines bonos. Et ideo dicit Plato et vult quod liceat medico quandoque dicere falsitatem egroto, ut scilicet ei imictat spem futurae sanitatis, et legislatoribus dicere mendacia, ut scilicet terrorem inducant.” Vittoria Perrone Compagni has repeatedly argued that Pomponazzi does not conceive of religions as impostures, because he assumes that they are produced, through the agency of the heavenly bodies, by the Intelligences and God (cf. her introductions to Pietro Pomponazzi, Il fato, il libero arbitrio e la predestinazione, Trento 2004, xxvi sqq.; Pietro Pomponazzi, De incantationibus, Firenze 2011, lxii sq.). Yet, one should better distinguish Pomponazzi’s views about the origin of the “laws” and his statements about their truth-value. Needless to say, one can no longer assume too easily that Pomponazzi was a ‘heterodox’ thinker who masked his religious insincerity by the expedient of the so-called ‘double truth’. Nonetheless, one cannot

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examine interesting reactions to them - notably that of the Dominican friar Bartolomeo Spina, who significantly asked whether Pomponazzi’s statement that those who taught the immortality of the soul “were deceivers of the people, not caring for truth” should be applied even to Jesus Christ 61. Rather, I will point out the existence of documents which ascribe to a major medieval figure the most challenging ideas about religion denounced both by Giles of Rome in his treatise against the “errors of the philosophers” and by bishop Tempier in his list of the “execrable errors” supposedly taught by the studentes in artibus 62. According to this early fourteenth-century document, several witnesses swore, during a trial for heresy, that the accused claimed that religions had no divine

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underrate his emphasis on a few striking points. First, he often compares religious beliefs to “fables” and “fictions”, useful to educate ignorant men but not acceptable to philosophers. Second, he claims that the lawmakers introduced doctrines such as the immortality of the soul “not caring for truth but only for righteousness” (text quoted supra nt. 58); cf. also Apologia, in: Tractatus acutissimi, utillimi et mere peripatetici (nt. 58), 61vb: “Quare cum hec sint tam irrationabiliter dicta non videntur convenire hominibus se philosophice tradentibus sed magis poetis, viris vulgaribus et etiam legislatoribus non curantibus de veritate sed bonum constituere hominem et morigeratum.” Third, in the ‘De incantationibus’, he goes as far as affirming that the existence of angels and demons has been “invented” by men who were perfectly aware that they “cannot exist at all” (De incantationibus, 10, ed. Perrone Compagni, 110: “[…] propter vulgares introducti sunt angeli et daemones, quamquam introducentes minime posse esse illos sciebant ”). The fact that Pomponazzi absorbed them into the eternal cycle of events governed by the celestial Intelligences undoubtedly demonstrates that he refused the idea that religions are impostures - but only insofar as it implies that prophets and lawmakers are simple charlatans who exploit their knowledge to deceive and manipulate the masses. Some of the points examined above, however, show that Pomponazzi was nonetheless indebted to the tradition which sees the “legislatores” as “altruistic impostors”, who take upon themselves the task to diffuse virtue but not to teach the truth. This, significantly enough, is in accordance with Averroes’ gloss to Aristotle’s remarks on the “consuetudo audiendi”. In the passage of his ‘Long Commentary’ on the second book of his ‘Metaphysics’ quoted above, Averroes indeed presents “laws” as a means aiming at promoting “goodness” and argues that it is necessary that men must be good, but that “they need not know the truth”. Bartolomeo Spina, Tutela veritatis de immortalitate anime contra “Petrum” Pomponacium […], 14, alpha 8, i, in: Opulscula [sic] edita per fratrem Bartholomeum de Spina Pisanum […], ed. Gregorius de Gregorijs, Venetiis 1519: “Haa verba scelestia. Nun [sic] et christum dominum nostrum qui est ipsa prima et summa veritas illuminans omnem hominem venientem in hunc mundum suggillare audes quod non curet de veritate, quod dixerit falsitatem, quod totum mundum deceperit, quod ut fictus doctor populorum ad bona per figmenta deduxerit? ”; id., Flagellum in tres libros apologie eiusdem Peretti de eadem materia, Flagellum in tertium Apologie Peretti, alpha 1, a, in: ibid.: “Quomodo potes te excusare quod non perperam sapias de immortalitate anime, cum omnis tuus conatus sit rationibus et infinitis dolis probare mortalitatem, et in tantum insanias ut affirmes quod immortalem dicere animam nostram sit delirare, principiis philosophie contradicere, pictagoricas fabulas retexere; et quod qui hoc docuerunt fuerunt nugaces, deceptores populorum, de ueritate dicenda non curantes - etiam Moyses? etiam Christus? O deus meus […].” Pine, Pietro Pomponazzi (nt. 58), 179 sq., rightly remarks that Spina does not identify in Averroes the source of Pomponazzi’s idea that the lawmakers introduced religious doctrines “not caring for truth”. On the meaning of this expression in Tempier’s prefatory letter cf. L. Bianchi, Students, masters, and ‘heterodox’ doctrines at the Parisian Faculty of Arts in the 1270s, in: Recherches de The´ologie et Philosophie Me´die´vales 76 (2009), 75-109, at 94-98.

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origin but “were invented by men” in order to preserve morality and peace 63. Some reports are more detailed and attribute to the defendant the claim that religions “have no truth” (nullius veritatis sunt; nullius veritatis existere) 64 and, in particular, that “Christian law” is a fabrication and contains “many falsities” (multa falsa) - including the Trinity, Mary’s virginal childbirth, the resurrection of the bodies, and transubstantiation 65. This explains why in the list of accusations against the suspect redacted in 1310 we find the article saying that the Old and New Testament do not communicate “laws given by God” but “human inventions” (hominum adinventiones) and that all of the “laws” do not “contain truths” but “are only useful” (solummodo utilitatem habere) 66. Who is the presumed advocate of such dangerous heresies? Surprisingly enough, a powerful cardinal, namely Benedict Caetani, later Pope Boniface VIII. As a matter of fact, in a posthumous trial held between 1309 and 1311 he was charged, among other things, of having made these claims, on the occasion of a private debate, held in Naples in 1294 in front of several bystanders. Jean Coste, who carefully edited and thoroughly examined the proceedings of this trial, affirms that the formal identity between allegations excludes that they record what the denouncers spontaneously remembered around fifteen years later, and therefore reflects a prior agreement between the denouncers and/or between the denouncers and the accusers. Coste, moreover, remarks that, leaving aside speculations about cardinal Caetani’s religious sentiments, one can hardly imagine that he actually made such utterances a few weeks before his election to the Holy See, since this “would have been a suicide” 67. It is difficult to 63

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Jean Coste, Boniface VIII en proce`s. Articles d’accusations et de´positions des te´moins (1303-1311). Edition critique, introduction et notes, Roma 1996, 504 sq., 508 sq., 512, 513, 515, 516, 654. Ibid., 508 sq.: “[…] audivit quod dum quereretur de lege Machumeti, ipse dominus Benedictus cardinalis dixit et asseruit, quasi per modum doctrine, quod nulla lex est divina, sed omnes leges invente sunt per homines et posite sunt ibi multe pene eternales solum ut homines pro metu pene retrahantur a malis, cum tamen nulla sit pena eterna et ideo leges nullius veritatis sunt nisi ut homines metu penarum spiritualium vivant civiliter et quiete”, ibid., 504; “ … dixit: ‘Omnes leges invente sunt ad doctrinam hominum et continent varias et multas penas eternales ad terrorem hominum ut abstineant a malefaciendo metu pene’, asserens legem divinam nichil esse et alias leges nullius veritatis existere.” Cf. also ibid., 512, 515, 516, 683 sq., 687. Ibid., 505: “[…] inter ceteras leges, lex cristianorum, ut lex evangelica plura vera continet et plura falsa”, “[…] dicebat quod lex Christianorum est falsa […]”; ibid., 516: “[…] inter ceteras leges, lex cristianorum peior est et falsior est”; ibid., 513: “Lex divina et Christianorum non est sicut creditis, quia per homines facta est et non a Deo et continet multa falsa”; ibid., 655: “[…] dixit quod lex divina fuit inventa ab hominibus, et quod lex christiana erat falsa in multis”; ibid., 663: “dixit tunc idem cardinalis quod lex christianitatis continet falsitates”; ibid., 687: “[…] dixit quod nulla dictarum legum erat divina, sed erant leges iste ab hominibus adinvente, ut homines metu pene retraherentur a malis et quod dicte leges, et specialiter lex christianorum continet multa vera et multa falsa.” Ibid., 565: “[…] dictus Bonifatius dicebat et asserebat expresse novum et vetus testamentum leges a Deo datas non fuisse, sed quod erant hominum adinventiones, nec ipsas leges, sicut est lex Mahometi, continere veritatem, ad animarum salutem, sed hoc solummodo utilitatem habere, ut per eas informarentur homines ad vivendum pacifice in hoc mundo.” Ibid., 19 sq., 456-462. I quote from 461: “Sans douter qu’ait bien eu lieu, le 3 novembre 1294 a` Naples, une disputatio au cours de laquelle le cardinal Caetani aura passe´ en revue de manie`re critique certaines particularite´s de la foi chre´tienne, on ne saurait en effet penser se´rieusement qu’un candidat a` la papaute´, a`

Nulla lex est vera, licet possit esse utilis

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disagree with him, especially if one bears in mind that the aforementioned accusations were added to a previous list of heresies, offending statements, and behaviors in the last phase of a trial which had political reasons, namely the conflict between the late Boniface VIII, the Colonna family and the king of France Philip the Handsome. Still, the fact remains that a cardinal destined to become a Pope is, as far as I know, the first medieval “vir litteratus” who was openly accused of endorsing something similar both to “error” 174 censured at Paris in 1277 and to the first of the “errors of the Commentator” listed in the ‘Errores philosophorum’ circulating under the name of Giles of Rome 68. Since Giles had been one of the best collaborators of Boniface VIII and presented himself as his “humble creature” 69, one could even be tempted to think of an easy retaliation, effected by posthumously ascribing to the Pope what the best known theologian of his entourage had ascribed to Averroes 70. However it may be, the least we can say is that at times also in intellectual history ‘one error leads to another’: what in the 1270s had been denounced as the worst of the “errores Commentatoris” reappeared, a few decades later, among the “errores Bonifacii ”.

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quelques semaines d’une ´election fort attendue, ait nie´ a` la file et de manie`re formelle les principaux dogmes de sa religion. C’euˆt ´ete´ suicidaire.” Although the authenticity of the ‘Errores philosophorum’ is not certain, it is noteworthy that it was ascribed to Giles of Roma as early as the thirteenth century: cf. Giles of Rome, Errores philosophorum (nt. 8), xxx sqq. On Giles’ relationship with Boniface VIII cf. F. Del Punta/S. Donati/C. Luna, Egidio Romano (nt. 7), 323-325. This is not to say that the treatise ‘Errores philosophorum’ was the only possible source of the thesis ascribed to pope Boniface VIII. As a matter of fact, it is well known that the idea that religions (or at least some of them) are human inventions devised for political purposes was widely diffused in Greek and Latin culture and circulated in the Middle Ages thanks to Cicero’s ‘De natura deorum’ (I, 42, ed. W. Ax, Stuttgart 1961, 46) and Augustine’s ‘De civitate Dei’ (IV, 27, edd. B. Dombart/A. Kalb [Corpus Christianorum. Series Latina 47], 120 sq.). Yet, it does not come as a surprise that Boniface VIII was presented as an ‘Averroist’ in literature on the history of religious unbelief, which is now outdated but nonetheless continues to have a readership. Cf. e.g. Fritz Mauthner’s history of atheism, first published between 1920 and 1923, and recently translated into Italian: F. Mauthner, L’ateismo e la sua storia in Occidente, Italian Translation by L. Franceschetti, Roma 2012, 349-352.

Die Irrtümer des Ostens. Lateiner, Griechen und Armenier im päpstlichen Avignon des 14. Jahrhunderts Jan-Hendryk de Boer (Duisburg-Essen) Anderen Irrtümer zu unterstellen, kann eine Strategie darstellen, um das eigene Handeln zu legitimieren. Denn wer anderen Irrtümer zuschreibt, reklamiert für sich nicht allein den Besitz der Wahrheit, sondern obendrein die Kompetenz, über die Positionen des anderen zu urteilen. Dass die Irrtümer der Griechen und Armenier auch im Avignoneser Exil die Aufmerksamkeit der Päpste und lateinischen Gelehrten auf sich zogen, hatte verschiedene Gründe, die teils in Avignon, teils im Osten ihren Ursprung hatten. Das Avignoneser Papsttum sah sich spätestens dann immer stärkerer Kritik ausgesetzt, als allmählich deutlich wurde, dass es sich nicht um eine aus der Not geborene Episode handelte, sondern eine rasche Rückkehr nach Rom nicht zu erwarten war. Schon Johannes XXII. hatte damit begonnen, die Kurie umzugestalten, Abläufe zu verrechtlichen und theologische Entscheidungen zu treffen, die Avignon als institutionelles, religiöses und theologisches Zentrum der lateinischen Christenheit erweisen sollten. Er begann in den späten 1310er Jahren auch, die Kontakte in den Osten wieder zu intensivieren. Damit knüpfte er an die Politik seiner Vorgänger an, die nie die Herausforderung vergessen hatten, dass in Byzanz eine christliche Kirche existierte, welche den Primat des Haupts der römischen Kirche, des Papstes, nicht anerkennen wollte und auch in verschiedenen dogmatischen Fragen andere Wege beschritt. Von wechselnder Intensität waren schon im 13. Jahrhundert die Kontakte des Papsttums nach Armenien gewesen, doch boten sich hier ebenfalls Anknüpfungspunkte für legitimatorisches Handeln der Avignoneser Päpste. Spätestens mit den Bauprojekten Benedikts XII., der mit dem sogenannten alten Palast auf dem Rocher des Doms eine repräsentative, alles momenthafte negierende Bleibe für sich und seine Nachfolger schuf, wurde auf der materialen Ebene deutlich, dass die Päpste für einige Zeit an der Rhone zu bleiben gedachten. Die Kritik an der ,babylonischen Gefangenschaft‘ des Papsttums, wie sie etwa rombegeisterte Humanisten wie Francesco Petrarca, aber auch (vornehmlich italienische) Kleriker und Theologen äußerten, nahm zu und im gleichen Zuge auch die päpstlichen Bemühungen, das Avignoneser Papsttum zu legitimieren. Päpstliche Entscheidungen als Garanten für Rechtgläubigkeit zu inszenieren, war ein wichtiges Mittel, Legitimität zu beanspruchen. Ein ertragreiches Feld dafür boten die Begegnungen mit griechischen und byzantinischen Gelehrten, welche die Lateiner mit abweichenden religiösen, theologischen und kirchenpolitischen Geltungsansprüchen konfrontierten, die es ab-

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zuweisen und zu widerlegen galt. Neben dogmatischen Fragen wie dem Filioque richtete sich die besondere Sorge der Päpste und der sie stützenden lateinischen Gelehrten auf den päpstlichen Primat, den man, ebenso wie gegen Widerstände innerhalb der lateinischen Welt, gegenüber den Ostkirchen durchsetzen wollte. Im Jahre 1318 hatte Johannes XXII., der auch in diesem Punkt ein weitsichtiger Verwaltungsfachmann war und sein Pontifikat mit beträchtlichem Erfolg der institutionellen Sicherung der päpstlichen Herrschaft widmete, die Missionsanstrengungen institutionalisiert, indem er im Nahen und Fernen Osten zwei Diözesen schuf, welche den Dominikanern bzw. den Franziskanern zur missionarischen Tätigkeit anvertraut wurden. Außerdem stattete er die Missionare mit weitreichenden Vollmachten aus 1. Dieser Institutionalisierungsprozess kam zu einem Abschluss, als Innozenz VI. die Fratres Unitores als armenischen Zweig der Dominikaner approbierte. Zwischenzeitlich hatten sich unter Benedikt XII. und Clemens VI. die Kontakte nach Byzanz und Armenien noch intensiviert. Anlass dazu bot das Eintreffen gelehrter Griechen und Armenier in Avignon, die teils als Gesandte, teils als Flüchtende vor Konflikten in ihrer Heimat den Weg nach Westen genommen hatten. Am Papsthof lösten diese Begegnungen, die im Zentrum dieses Beitrags stehen sollen, das Bedürfnis aus, die eigenen Ansprüche gegenüber den Ostkirchen zu explizieren, das wechselseitige Verhältnis zu klären und Handlungsmaximen für den künftigen Umgang zu finden. In diesen Reflexionen erwiesen sich verschiedene Haltungen zum Irrtum als Triebkräfte, um unterschiedliche Weltdeutungen und davon abhängige kommunikative Strategien zu entwickeln. 1338 kam der Armenier Nerses Balientz, Bischof von Orni, nach Avignon. Mit der Behauptung, Erzbischof von Manazkert zu sein 2, konnte er die Aufmerksamkeit von Papst und Geistlichkeit ebenso auf sich ziehen wie mit den Vorwürfen, die er gegen die armenische Kirche erhob. In der Folge seiner Beschuldigungen entstand eine Liste, die 117 Irrtümer der Armenier aufführte 3. Nerses darf als eigentlicher Urheber dieser Aufstellung gelten; ihre endgültige Form verlieh ihr eine Kommission von Theologen, die sich im Auftrag des Papstes mit den Anschuldigungen auseinandersetzte. 1339 traf ein weiterer Ge1

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Cf. Acta Ioannis XXII (1317-1334), ed. A. L. Ta˘utu (Pontificia commissio ad redigendum codicem iuris canonici orientalis, Fontes, Series III, 7/2), Citta` del Vaticano 1952, Nr. 14, 2126; Nr. 18, 13-33. Cf. S. P. Cowe, The Armenians in the Era of the Crusades 1050-1350, in: M. Angold (ed.), The Cambridge History of Christianity, vol. 5: Eastern Christianity, Cambridge e. a. 2006, 404-429, bes. 424-427; J. Richard, La papaute´ et les missions d’orient au Moyen Age (XIII e-XV e sie`cles) (Collection de l’E´cole francœ aise de Rome 33), Rom 1977, 200-211. Die armenische Seite bestritt, dass er diesen Titel zu Recht führte; er sei lediglich Bischof von Orni, habe sich also an der Kurie fälschlich als Erzbischof ausgegeben; cf. Acta Benedicti XII (1334-1342), ed. A. L. Ta˘utu (Pontificia commissio ad redigendum codicem iuris canonici orientalis, Fontes, Ser. III, 8), Citta` del Vaticano 1958, Nr. 59, 213; Daniel von Tabriz, Responsio ad errores impositos Hermenis, in: Recueil des historiens des croisades. Documents latins et francœ ais relatifs a` l’Arme´nie, vol. 2: Documents arme´niens, Paris 1906, 557-650, bes. 638. Cf. Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 57, 119-155.

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lehrter aus dem Osten ein, der wie Nerses als cultural broker 4 agierte: Der aus Seminara in Kalabrien stammende, griechisch aufgewachsene Mönch Barlaam, Abt des Klosters vom Heiligen Erlöser in Konstantinopel, hatte bereits einige Erfahrungen in Verhandlungen mit dem Westen gesammelt, als er Mitte der 1330er Jahre im Auftrag Kaiser Andronikos’ III. mit lateinischen Geistlichen verhandelt hatte 5. Im Laufe des Jahres 1334 hatten sich die beiden von Johannes XXII. nach Konstantinopel entsandten dominikanischen Bischöfe Francesco da Camerino und Richard von England in Konstantinopel eingefunden 6. Mit ihnen sollte die Frage der Kirchenunion diskutiert werden, doch verweigerte der eigentlich vorgesehene Nikephoros Gregoras die Debatte, da er sie für überflüssig hielt. Als Ersatzmann wurde Barlaam ausgewählt. Im Kontext dieser Diskussion verfasste er mehrere antilateinische Traktate, die teils in Vorbereitung auf das Ereignis entstanden, teils im Anschluss die neuen Erfahrungen theologisch reflektierten. Im Zentrum steht die Verteidigung des Hervorgangs des Geistes aus dem Vater allein, was zugleich die Zurückweisung des Filioque bedeutet 7. Doch auch dem Problem des päpstlichen Primats widmete Barlaam gleich mehrere Schriften, in denen er die, von den Dominikanern ins Spiel gebrachte, päpstliche Autorität zurückweist, allein über die Frage des Filioque zu entscheiden, und die Annahme kritisiert, der Papst könne nicht nicht orthodox sein 8. Barlaam 4

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Als cultural broker werden hier im Sinne der Ethnologie und Netzwerktheorie Personen bezeichnet, die an der Grenze zweier kommunikativer Einheiten operieren. Sie agieren an den Schnittstellen, die ein Netzwerk mit anderen verbindet. Aus ihrer vermittelnden Position erwächst ihnen Handlungsspielraum, um die Ziele einer Gruppe zu befördern und zugleich die Interessen einer anderen zu bewahren. Zum Begriff cf. E. D. Wolf, Aspects of Group Relations in a Complex Society. Mexico, in: American Anthropologist 58 (1956), 1065-1078, bes. 1075; D. K. Richter, Cultural Brokers and Intercultural Politics: New York-Iroquois Relations, 1664-1701, in: Journal of American History 75 (1988), 40-67, bes. 40 sq.; E. Hinderaker, Translation and Cultural Brokerage, in: P. J. Deloria/N. Salisbury (eds.), A Companion to American Indian History, Malden 2004, 357-375. Zur Anwendung des Konzepts in der Mediävistik sei verwiesen auf die Beiträge in M. von der Höh e. a. (eds.), Cultural Brokers at Mediterranean Courts in the Middle Ages (Mittelmeerstudien 1), Paderborn 2013. Zum Kontext cf. M. Angold, Byzantium and the West 1204-1453, in: id. (ed.), The Cambridge History of Christianity, vol. 5: Eastern Christianity, Cambridge e. a. 2006, 53-78, bes. 61-64. Cf. Acta Ioannis XXII (nt. 1), Nr. 134, 249-251. Cf. R. E. Sinkewicz, A New Interpretation for the First Episode in the Controversy between Barlaam the Calabrian and Gregory Palamas, in: Journal of Theological Studies, N.S. 31 (1980), 489-500. Cf. Barlaam Calabro, Opere contro i latini. Introduzione, storia dei testi, edizione critica, traduzione e indici, ed. A. Fyrigos (Studi e testi 347), 2 vols., Citta` del Vaticano 1998, bes. vol. 2, 241-465 (,Traktat B‘); 465-625 (,Traktat A‘); 427-667 (,Syntagma‘). Cf. A. Fyrigos, Considerazioni sulle Opere contro i Latini di Barlaam Calabro, in: id. (ed.), Barlaam Calabro. L’uomo, l’opera, il pensiero. Atti del convegno internazionale Reggio Calabria - Seminara - Gerace, 10-12 dicembre 1999, Rom 2001, 119-126. Zur Biographie cf. S. Impellizerri, Art. ,Barlaam Calabro‘, in: Dizionario biografico degli Italiani 6 (1964), 392-397; A. Fyrigos, Barlaam Calabro tra l’aristotelismo scolastico e il neoplatonismo bizantino, in: Il veltro. Rivista della civilta` italiana 27 (1983), 185-195, bes. 186; G. Kapriev, Philosophie in Byzanz, Würzburg 2005, 252-256. Cf. T. M. Kolbaba, Barlaam the Calabrian. Three Treatises on Papal Primacy. Introduction, Edition, and Translation, in: Revue des e´tudes byzantine 53 (1995), 41-115.

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kam zum gegenteiligen Schluss: Der Papst möge nicht zu kühn werden. Solange er die Lehren der Väter vertrete, sei er rechtgläubig, doch wenn er von ihnen abweiche, werde sein Primat zunichte 9. Seine in der Debatte mit den lateinischen Theologen erworbenen Erfahrungen und deren schriftstellerische Bearbeitung prädestinierten ihn dafür, von seinem Kaiser als ausgewiesener Kenner der lateinischen Theologie wie der Methoden des theologischen Streitgesprächs gen Westen geschickt zu werden, um weitere Verhandlungen zu führen. Vielleicht auch angesichts der Widerstände, derer er sich inzwischen in Konstantinopel erwehren musste, sollte er sich hier konzilianter zeigen als in seinen Auseinandersetzungen mit Vertretern der römischen Kirche. War man in Avignon über die Lehren der Griechen noch einigermaßen korrekt informiert, erwies sich das Wissen um die armenische Kirche als außerordentlich lückenhaft. Angestachelt von Nerses und seinen Mitstreitern, wuchsen die Befürchtungen, die Armenier könnten sich nicht an ältere Vereinbarungen halten. Bereits Ende des 12. Jahrhunderts hatten Leo II., König von Kilikien, und Katholikos Grigor VI. den päpstlichen Primat anerkannt. 1251 hatte eine Synode zu Sis das Filioque akzeptiert. Tatsächlich waren damit nicht alle Spannungen ausgeräumt worden. In Klerus, Adel wie in der Bevölkerung überwog die Ablehnung der Unionsbemühungen. Infolgedessen beteiligten sich die Armenier, anders als die Byzantiner, nicht am Zweiten Konzil von Lyon 10. Eine erneute Annäherung vollzog sich auf Betreiben des kilikischen Königs Hethum II., der die Union mit der römischen Kirche bestätigte. Im Jahre 1298 erkannte Katholikos Grigor VII., der sich vor der militärischen Übermacht der Mameluken und Mongolen ins kilikische Sis hatte flüchten müssen, Bonifaz VIII. als Haupt der universalen Kirche an. Schließlich bestätigten die Synoden von Sis 1307 und Adana 1316 die Union mit der römischen Kirche, ohne dass dadurch alle Widerstände ausgeräumt worden wären. Für die Lateiner erwies es sich als schwierig, die durch innere Spannungen häufig zusätzlich verkomplizierten Entwicklungen im Osten korrekt einzuschätzen. Die Informationen, die über aktuelle Diskussionen wie die politische Situation an den Papsthof gelangten, waren zufällig, mitunter unzuverlässig und häufig unvollständig. Deshalb sollten die von Johannes XXII. entsandten Missionare und Gesandtschaften zuallererst die Lage erkunden und ihre Beobachtungen an die Kurie melden. Doch blieb man auf einheimische Informanten angewiesen. Nerses, Barlaam und ihre Begleiter vergrößerten das Wissen der Lateiner über die Ostkirchen daher erheblich. Richard FitzRalph, der sich 1334 bis 1336, 1337 bis 1344 und 1349 bis 1351 in Avignon aufhielt 11, stellte in seiner, vielleicht auf den dritten Aufenthalt am 9

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Cf. ibid., AL 7, § 18, 87,191-195; Barlaam Calabro, Opere contro i latini (nt. 7), Traktat B, cap. 7, 448-465; Traktat A, cap. 10, 614-625. Cf. Cowe, Armenians (nt. 1), 415-419. Cf. K. Walsh, A Fourteenth-Century Scholar and Primate. Richard FitzRalph in Oxford, Avignon and Armagh, Oxford 1981.

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Papsthof zu datierenden ,Summa de Questionibus Armenorum‘ ausdrücklich heraus, wie viel er von Nerses über die Armenier erfahren habe 12. Von ihm habe er gehört, dass in seinem Land einige von den heiligen Vätern verworfene Häresien gelehrt und neue, irrige Aussagen gegen die Heilige Schrift vorgebracht hatten 13. Der Armenier, der den Verfasser über diese Irrtümer informiert hatte, war dementsprechend (zusammen mit Johannes Kernatzi) 14 einer der Widmungsträger des umfangreichen Werkes. Auch Barlaam hatte FitzRalph mit Informationen, etwa über die Leugnung des Fegefeuers durch die Griechen, versorgt. Wie die der gleichen Thematik gewidmeten Äußerungen etwa in seinem Sentenzenkommentar verraten, wusste FitzRalph vor dieser Begegnung nur sehr ungenau, was die Griechen lehrten 15. FitzRalph verschleierte die Quelle seines Wissensgewinns nicht: Mehrfach wird in der ,Summa‘ von den Figuren Johannes, dem Schüler, und Richardus, dem Lehrer, namentlich auf Barlaam Bezug genommen. So erinnert Johannes daran, Richardus habe jenem griechischen Doktor das feierliche Versprechen gegeben, aus der Schrift und den Argumenten der Griechen und Armenier auf deutliche Weise herzuleiten, wie der Heilige Geist aus dem Vater hervorgehe oder von ihm gehaucht werde 16. Barlaam wird auch eine Reihe von Einwänden gegen die lateinische Lehre des Hervorgangs des Geistes aus dem Vater und dem Sohn zugeschrieben, wonach die Lateiner faktisch eine Vierzahl beziehungsweise die Trinität und zugleich eine Zweiheit der Personen annähmen 17. Dem Bericht des verehrungswürdigen Herrn Abtes und Doktors Barlaam verdanke sich schließlich sein Wissen über die Haltung der Griechen zum Fegefeuer, die im Folgenden zurückgewiesen wird 18. Neben Nerses und Barlaam tritt in der ,Summa‘ als weiterer cultural broker übrigens ein 12

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Cf. Richard FitzRalph, Summa in Questionibus Armenorum, ed. J. Sudoris, Paris 1511. In der einschlägigen Arbeit von K. Walsh ist zu lesen, der Pariser Druck der ,Summa‘ erlaube wegen der vielen Fehler kaum, den Sinn der Ausführungen FitzRalphs zu erkennen; cf. Walsh, FitzRalph (nt. 11), 130. Walshs Schüler J. Gorman wies diese Einschätzung in seiner kritischen Edition des sechzehnten Buchs der ,Summa‘ zurück. Demnach ist die von Sudoris erstellte Textfassung derjenigen der von Walsh hocheingeschätzten Handschrift Krakau, Biblioteka Jagiellon´ska, Ms 1599 so ähnlich, dass beide auf derselben Vorlage basieren dürften; cf. J. Gorman, Introduction, in: Richard FitzRalph, Summa de Questionibus Armenorum Book XVI. An Edition and Translation with Introduction, ed. J. Gorman, 2 vols., Diss. Dublin 1999, vol. 1, 9698. Ein Vergleich des Pariser Drucks mit den Handschriften Vatican, Vat. lat. 1034, 1035 und 1036 sowie Brüssel, Bibliotheque royale, Ms 11437-40 bestätigt, dass die Druckausgabe zwar nicht ohne Fehler ist, aber doch einen insgesamt verlässlichen Textbestand bietet. Daher wird sie im Folgenden verwendet. Cf. FitzRalph, Summa (nt. 12), prol., fol. 2r. Cf. K. Walsh, Zwischen Mission und Dialog. Zu den Bemühungen um Aussöhnung mit den Ostkirchen, in: A. Patschovsky/H. Zimmermann (eds.), Toleranz im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 45), Sigmaringen 1998, 297-333, bes. 212 sq. Cf. C. Schabel, Richard FitzRalph on the Filioque before and after His Conversations with Barlaam the Calabrian, in: M. W. Dunne/S. Nolan (eds.), Richard FitzRalph. His Life, Times and Thought, Dublin 2013, 128-155, hier 128-130. Cf. FitzRalph, Summa (nt. 12), lib. VI, cap. 1, fol. 39r. Cf. ibid., cap. 12, fol. 43v. Cf. ibid., lib. XIII, cap. 1, fol. 102r.

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jüdischer Konvertit in Erscheinung, der FitzRalph über die Irrtümer der Juden informierte. Expertenwissen war also - noch vor Buchwissen - die zentrale Ressource, auf die der anglo-irische Theologe seine Ausführungen stützte. Dagegen integrierte der Karmeliter Guido Terreni in seiner ,Summa de haeresibus et earum confutationibus‘ neu verfügbare Informationen in sein angelesenes Wissen, das sich nicht immer auf der Höhe der aktuellen Diskussionen befand 19. In der zwischen 1338 und 1342 entstandenen, großangelegten Abrechnung mit den Irrtümern frühchristlicher Häretiker, der Juden, Griechen, Jakobiten, Armenier, Katharer, Waldenser, Spiritualen sowie der Beginen und Begarden orientierte er sich insbesondere an dem antihäretischen Schrifttum Augustins und Isidors von Sevilla. Dazu griff er fallweise für die Irrtümer einer spezifischen Gruppe auf jüngere Schriften zurück; im Falle der Griechen anscheinend auf das kurz zuvor entstandene ,Collyrium fidei contra haereses‘ des Franziskaners Alvaro Pelagio 20. Der Auftakt der griechischen Irrtümer besteht in der Ansicht, der Heilige Geist gehe nur vom Vater aus 21. Diese Lehre hält Terreni für ein schismatisches Übel und für häretische Schlechtigkeit, weil sich die Griechen damit willentlich von der römischen Kirche getrennt hätten 22. Weitere der insgesamt 26 griechischen Irrtümer betreffen den Gebrauch gesäuerter Brote, den päpstlichen Primat, den Taufritus, das Fegefeuer, Strafe und Belohnung der Seelen der Verstorbenen, die Ämterlehre, die erneute Eheschließung, den Wucher, den Ämterkauf und die Sakramentenlehre. Die den Armeniern vorgehaltenen Irrtümer orientierten sich weitgehend an der Zusammenstellung der 117 Irrtümer. Terreni arrangierte das Material neu und bündelte es so, dass er im fünften Buch seiner Schrift 30 Irrtümer der Armenier widerlegen konnte 23. Zu jedem Artikel werden mehrere Gründe angegeben, warum es sich um einen Irrtum handele. Die Armenier folgten laut Terreni in vielem den Irrtümern der Griechen - Thema des dritten Buchs seiner ,Summa‘ - sowie denjenigen der Nestorianer und der Jakobiten, welche im vierten Buch behandelt werden. Daneben verträten sie jedoch auch zahlreiche eigentümliche Irrtümer 24. Im Zentrum stehen der Primat des Papstes sowie die Trinitätstheologie. Behandelt werden außerdem die Erbsünde, die Existenz des Fegefeuers, Rettung und Verurteilung, die Sakramentstheologie, die Ämterlehre, Fastenpraktiken sowie der korrekte Termin der Feier von Christi Geburt. Durch Rück- und Querverweise betont 19

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Cf. I. Bueno, Guido Terreni at Avignon and the „Heresies“ of the Armenians, in: Medieval Encounters 21 (2015), 169-189; T. Turley, Guido Terreni, Heresy, and the Reconstruction of Tradition, 1317-1342, in: N. van Deusen (ed.), Tradition and Ecstasy. The Agony of the Fourteenth Century, Ottawa 1997, 51-68, bes. 64 sqq. Cf. I. Bueno, Les erreurs des orientaux chez Guido Terreni et Alvaro Pelagio, in: A. Fidora (ed.), Guido Terreni, O.Carm. (ó 1342). Studies and Texts, Barcelona 2015, 241-268, bes. 258-267. Cf. Guido Terreni, Summa de haeresibus In qua haereses ab initio mundi usque ad eius tempora, hoc est, ad Annum Domini millesimum trecentesimum et ultra, accurate recensentur et refutantur, Köln 1631, De haeresibus Graecorum, 31 sq. Cf. ibid., De haeresibus Abbatis Ioachim et Petri Joannis, cap. 2, 175. Cf. ibid., De haeresibus Armenorum, 48-70. Cf. ibid., 48.

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Terreni Ähnlichkeiten zwischen den Irrtümern der Armenier und Griechen einerseits und den Häresien der Sadduzäer 25, Pelagianer 26, Donatisten 27, Katharer 28 und Waldenser 29, des Joachim von Fiore oder des Petrus Johannis Olivi 30 andererseits. Um eine genauere Überprüfung, inwiefern die Vorwürfe berechtigt waren, bemühte sich der Karmeliter nicht. Auch die aktuellen Entwicklungen in Byzanz oder Armenien interessierten ihn kaum. Nicht zuletzt politische Faktoren hatten im Osten nämlich nach einer Phase der Annäherung im 13. Jahrhundert seit den 1330er Jahren eine neue Bereitschaft zu Verhandlungen mit dem Papsttum entstehen lassen. Das byzantinische Reich ebenso wie die beiden Armenien sahen sich massivem äußeren Druck ausgesetzt. Unter dem Druck der Mameluken schickte der armenische König in der zweiten Hälfte der 1330er Jahre zwei Gesandtschaften nach Avignon, die die Bedrängnis des östlichen Christentums schildern und Unterstützung erbitten sollten. Die wachsende militärische Bedrohung brachte 1346 König Leo V. erneut dazu, den Papst um Hilfe zu bitten, worauf Clemens VI. zwei gelehrte Bischöfe gen Osten schickte, damit sie untersuchten, inwieweit nach wie vor Irrtümer unter den Armeniern gelehrt würden. Aufgetragen wurde ihnen, sich in jenen Ländern unter der Leitung Gottes als sorgsame Züchter zu betätigen und das für Recht Befundene zu stärken, das Widerständige einzuebnen 31. Erst nach 1356 ebbten die engen Kontakte wieder ab, nachdem der mamelukische Druck auf das armenische Reich von Kilikien immer stärker geworden war. Auch Byzanz sah sich Mitte des 14. Jahrhunderts genötigt, im Westen militärische Unterstützung gegen äußere Feinde zu erbitten. Hier waren es vor allem die Osmanen, die sich als Bedrohung erwiesen. Innere Unruhen nach dem Tod Andronikos’ III. verkomplizierten die Lage: Johannes Kantakuzenos, ein enger Vertrauter des verstorbenen Kaisers, beabsichtigte, die Regentschaft für den minderjährigen Johannes Palaiologos zu übernehmen, stieß jedoch auf den erbitterten Widerstand von Kaiserin Anna und Patriarch Johannes Kalekas 32. Erst 25 26 27 28 29

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Cf. ibid., cap. 29, 69. Cf. ibid., cap. 3, 50. Cf. ibid., cap. 19, 62. Cf. ibid., De haeresibus Catharorum, cap. 3, 126; cap. 13, 129. Cf. ibid., De haeresibus Armenorum, cap. 15, 57; De hearesibus Valdensium, cap. 1, 137; cap. 4, 141; cap. 9, 143; cap. 10, 144. Cf. ibid., De haeresibus Armenorum, cap. 15, 57; De haeresibus Abbatis Ioachim et Petri Ioannis, cap. 2, 175. Cf. Acta Clementis PP. VI (1342-1352), ed. A. L. Ta˘utu (Pontificia commissio ad redigendum codicem iuris canonici orientalis, Fontes, Ser. III, 9), Citta` del Vaticano 1960, Nr. 92, 155: „Vobis et vestrum cuilibet tamquam Dei ministris et viris in lege Domini plenius eruditis et ipsius fidei sinceris et fervidis zelatoribus, qui in ipsius semitam mandatorum Deomini gradientes, studetis ipsum verum lumen de lumine veramque sapientiam, quantum vobis ab ipso permittitur imitari, in dictis partibus Armeniae plenae legationis officium duximus committendum, ut ibidem auctore Domino recta regentes ac dirigentes, etiam indirecta ac aspera convertentes in plana, sicut cultores diligentes, atque solliciti evellatis et distruatis, dissipetis et plantetis ac disperdatis ac aedificetis, sicut vobis Dominus ministrabit.“ Zu diesen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen cf. D. M. Nicol, The Last Centuries of Byzantium, 1261-1453, Cambridge e. a. 21993, 185-208.

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1347 kam es zu einem kurzzeitigen Ausgleich, als der militärisch erfolgreiche Johannes Kantakuzenos als Johannes VI. faktisch Mitkaiser an der Seite von Johannes V. Palaiologos wurde. Noch im Oktober desselben Jahres diskutierte Johannes Kantakuzenos mit dem römischen Priester Bartholomäus, dem er bei seiner Rückreise einen Brief an Clemens VI. mitgab 33. Drei Jahre später entsandte Papst Clemens seinerseits den Dominikaner Gasbert d’Orgueil und den Franziskaner Guillelmus Emergavi zu weiteren Verhandlungen nach Konstantinopel 34. Damit die griechischen Theologen besser für künftige Disputationen mit Vertretern der römischen Kirche gerüstet waren, ließ Johannes Kantakuzenos, ein Anhänger des Hesychasmus, außerdem Werke lateinischer Theologen wie des Augustinus und des Thomas von Aquin übersetzen 35. Die Einigung zwischen den rivalisierenden, byzantinischen Parteiungen erwies sich jedoch als wenig stabil; der Krieg wurde wieder aufgenommen. Erst im Dezember 1354 endeten die Wirren mit der halb freiwilligen, halb erzwungenen Abdankung des Johannes Kantakuzenos, der sich in ein Kloster zurückzog. Doch die äußeren Gefahren, die den Handlungsspielraum der letzten byzantinischen Kaiser erheblich einschränkten, bestanden weiterhin. Sie brachten eine erneute Wendung nach Westen 36. Zunächst verhandelte Johannes V. mit Erzbischof Paul von Smyrna, bevor er am 15. Dezember 1355 durch denselben Innozenz VI. eine Bitte um militärische Unterstützung gegen die Türken übermittelte. Er versprach dem Papst den Gehorsam seiner Person und denjenigen seines Volkes. Der Papst möge ein großes Heer schicken, damit der Kaiser gegen die Türken und die ihm feindlichen Griechen ziehen könne; als Garantie-

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Cf. J. L. Boojamra, The Byzantine Notion of the „Ecumenical Council“ in the Fourteenth Century, in: Byzantinische Zeitschrift 80 (1987), 59-76, bes. 68 sq. Cf. Acta Clementis VI (nt. 31), Nr. 161-164, 158-261. Cf. C. Delacroix-Besnier, Rencontres entre the´ologiens grecs et latins et e´changes culturels sous les re`gnes de Jean VI Cantacuze`ne et de Jean V Pale´ologue, in: I. M. Damian e. a. (eds.), Italy and Europe’s Eastern Border (1204-1669) (Eastern and Central European Studies 1), Frankfurt am Main e. a. 2012, 95-108, bes. 104 sq.; G. Podskalsky, Theologie und Philosophie in Byzanz. Der Streit um die theologische Methodik in der spätbyzantinischen Geistesgeschichte (14./ 15. Jh.), seine systematischen Grundlagen und seine historische Entwicklung (Byzantinisches Archiv 15), München 1977, 173-180. Zu dem im Dienste des Kantakuzenos stehenden Gelehrten Demetrios Kydones, der 1354 seine Übersetzung der ,Summa contra gentiles‘ vollendete, cf. H.-G. Beck, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich (Byzantinisches Handbuch II,1), München 1959, 733 sq.; D. M. Searby, Demetrios Kydones: Defending Thomas or Defending Himself?, in: A. Speer/D. Wirmer (eds.), Knotenpunkt Byzanz. Wissensformen und kulturelle Wechselbeziehungen (Miscellanea mediaevalia 36), Berlin-Boston 2012, 439451; P. Demetracopoulos, Demetrius Kydones’ Translation of the Summa Theologica, in: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 32 (1982), 311-320. Zur byzantinischen Thomasrezeption cf. J. Demetracopoulos, Thomas Aquinas’ Impact on Late Byzantine Theology and Philosophy. The Issues of Method or ,Modus Sciendi‘ and ,Dignitas Hominis‘, in: Speer/Wirmer (eds.), Knotenpunkt Byzanz (nt. 35), 333-410. Cf. H.-G. Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich (Die Kirche in ihrer Geschichte 1,D1), Göttingen 1980, 226-230.

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leistung bot der Kaiser an, seinen Sohn Manuel nach Avignon zu senden 37. Trotz dieser hochfliegenden Pläne und trotz seiner Versprechungen wusste Johannes V. um die ablehnende Haltung vieler Landsleute gegen die Lateiner, weshalb er auch für den Fall seines Sturzes Vorsorge traf: Er werde sich dann zum Papst begeben, damit ihm dieser helfen könne, seine Herrschaft wiederherzustellen. Alle angebotenen Sanktionen sollten ihn nur dann treffen, wenn er das Versprochene willentlich nicht erfülle, nicht aber, wenn es ihm an Macht gebreche 38. Im Juli 1356 antwortete Innozenz im Ton begeistert, aber in der Sache hinhaltend 39. Auf die konkreten Vorschläge des Kaisers ging er nicht ein. Immerhin entsandte er zwei Legaten nach Konstantinopel, um die sich bietende Gelegenheit einer weiteren Annäherung zu nutzen 40. Die Hoffnungen des Papstes, die Union mit Byzanz voranzutreiben, erfüllten sich jedoch ebenso wenig wie diejenigen Johannes’ V., dem die ersehnte militärische Unterstützung versagt blieb. Als er jedoch von den Kreuzzugsplänen Urbans V. hörte, erneuerte er sein Werben im Jahre 1365. Der Papst entsandte wiederum Paul von Smyrna nach Konstantinopel, um die Unionsverhandlungen voranzutreiben. Um mit ihm zu diskutieren, holte die byzantinische Seite Johannes Kantakuzenos, inzwischen Mönch Joasaph, herbei, der seinen Wunsch nach der Wiederherstellung der Kircheneinheit erneuerte, jedoch beklagte, dass die römische Kirche nicht bereit sei, die Griechen als gleichwertige Gesprächspartner zu akzeptieren. Nachdem deutlich geworden war, dass die theologische Diskussion nicht weiterführte, entschloss sich der Kaiser zum Handeln: 1367 schickte er eine Gesandtschaft nach Italien, zwei Jahre später bestieg er selbst ein Schiff gen Westen, ohne allerdings die byzantinischen Großen überzeugen zu können, ihm zu folgen. Am 21. Oktober 1369 trat der Kaiser in einer feierlichen Zeremonie vor den Papst und die Kardinäle und unterwarf sich. Johannes V. erkannte die römische Lehre an und legte ein lateinisches Glaubensbekenntnis ab. Dass es sich hierbei um eine persönliche Entscheidung des Kaisers handelte, wusste Urban. Im Februar des folgenden Jahres drängte er brieflich den Klerus von Konstantinopel und Griechenland, es dem Kaiser gleichzutun. Doch als Johannes V. im Oktober 1371 wieder in Konstantinopel eintraf, stand fest, dass er für seine politische Entscheidung in seiner Heimat nicht auf Anerkennung hoffen durfte. Erneut blieben auf allen Seiten enttäuschte Erwartungen zurück 41. 37

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Cf. Acta Innocentii PP. VI (1352-1362), ed. A. L. Ta˘utu (Pontificia commissio ad redigendum codicem iuris canonici orientalis, Fontes, Ser. III, 10), Citta` del Vaticano 1961, Nr. 84, 151155. Cf. ibid., 154: „Et est intelligendum, quod si forte supradicta omnia et singula non complerem, pro eo quod potentia et non voluntas deficeret et ego personaliter accederem ad ipsum dominum nostrum papam, in illo casu dominus noster papa teneatur defenere et adiuvare me ad recuperandum imperium meum sicut pro filio meo fecisset, me ad ipsius praesentiam personaliter non accedente et non videar in aliquam poenam incidisse vel contra fecisse, si necessitate impotentiae et non voluntatis supradicta omnia non complessem sicut superius promisi.“ Cf. ibid., Nr. 84a, 155-158. Cf. Nicol, Last Centuries (nt. 32), 259 sqq. Cf. ibid., 266-275.

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Neben den politischen gab es religiöse Gründe, Kontakt mit dem Westen zu suchen. Eine von missionierenden Dominikanern beeinflusste Fraktion innerhalb der armenischen Geistlichkeit fürchtete, aufgrund liturgischer Differenzen könnten die von armenischen Klerikern gespendeten Sakramente ungültig sein. Einer ihrer Sprecher war jener Nerses Balientz, der sich, nachdem er sich mit dem Katholikos Jakob II. überworfen hatte, gen Westen wandte 42. Als Benedikt XII. von der Affäre erfuhr, beauftragte er den Kardinal von Albi, Bernhard, die Sache zu untersuchen. Nerses und weitere Armenier wurden an den Papsthof geladen. Nerses erhob hier im Verbund mit Simeon Beck, dem Bischof von Erzurum, seine Anklagen, die die lateinische Seite zunächst beeindruckten. Dass beide in ihrer Heimat bereits nach armenischem Ritus Getaufte dazu gebracht hatten, sich erneut nach lateinischem Ritus taufen zu lassen und dafür vom Katholikos exkommuniziert worden waren, erfuhren die Lateiner erst später, 43 ebenso, dass beide in innerarmenischen Konflikten nur für eine Minderheit sprachen 44. Vom Papst wurde Nerses zunächst finanziell unterstützt, im Oktober 1338 als Erzbischof von Manazkert bestätigt 45, und er erhielt außerdem die Bischofsweihe nach römischem Ritus. In Avignon unterrichtete er zudem die armenische Sprache und konnte so seine Expertise in Armenienfragen unter Beweis stellen. Erst weitere armenische Gelehrte, an ihrer Spitze der Franziskaner Daniel von Tabriz, der als Gesandter Leos V., ein Glaubensbekenntnis von Katholikos Jakob II. im Gepäck 46, 1341 nach Avignon gekommen war, konnten zeigen, dass Nerses nicht unbedingt als unvoreingenommener Zeuge armenischer Irrtümer gelten konnte, sondern von Eigeninteressen geleitet war. Während Nerses in der armenischen Kirche in der gesamten Zeit seiner Kontakte mit dem lateinischen Westen eine Position in der Peripherie besetzte und so nicht für die Mehrheit der Kirchenmänner und Gelehrten sprechen konnte, nahm Barlaam zunächst nur dann eine exzentrische Position innerhalb der byzantinischen Gelehrtenwelt ein, wenn man den Hesychasmus, dem er kritisch gegenüberstand, als Zentrum des theologischen Denkens betrachtet. Erst seine Gegner drängten ihn im Zuge der durch die Debatten mit den lateinischen Theologen Mitte der 1330er Jahre ausgelösten intellektuellen Dynamik in eine Außenseiterposition. Die in der älteren Forschung kursierende Annahme, er stehe für einen byzantinischen Humanismus, der sich dem Geist der heidnischen Antike verbunden sah 47, darf inzwischen ebenso als widerlegt gelten wie seine 42

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Cf. Walsh, Zwischen Mission und Dialog (nt. 14), 304-308; J. Richard, Les Arme´niens a` Avignon au XIVe sie`cle, in: Revue des e´tudes arme´niennes 23 (1992), 253-264, bes. 257 sqq.; I. Bueno, Avignon, the Armenians, and the Primacy of the Pope, in: Archa Verbi 12 (2015), 930, bes. 11-18. Cf. Daniel von Tabriz, Responsio (nt. 2), 619 sq. Cf. Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 59, 214 sq. Cf. ibid., Nr. 60, 232 sqq. Cf. ibid., Nr. 58, 156-159. Cf. J. Meyendorff, Un mauvais the´ologien de l’unite` au XIVe sie`cle: Barlaam le Calabrais, in: 1054-1954. L’E´glise et les E´glises. E´tudes et travaux offerts a` Dom Lambert Beauduin, Che´vetogne 1955, vol. 2, 47-64.

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Einordnung als Nominalist. Barlaam war, wenn schon nicht vor der Debatte mit den Gesandten Johannes’ XXII., so doch zumindest nach dieser, durch das dabei erworbene Wissen einer der besten Kenner der lateinischen Theologie in Byzanz. Vor seiner Reise nach Avignon besaß er jedoch wohl keine genaueren Kenntnisse der scholastischen Methoden, Glaubenslehren wissenschaftlich zu behandeln 48. Sein Wissen von der Lehren des Thomas von Aquin beschränkte sich zunächst auf das, was er von seinen Diskussionspartnern hatte in Erfahrung bringen können 49. Vor seinem Aufenthalt am Papsthof wusste er obendrein offenbar nichts von jener Festlegung des Hervorgangs des Geistes aus dem Vater und dem Sohn, die auf dem Zweiten Konzil von Lyon getroffen worden war 50. Das weitgehende Fehlen wechselseitiger Einflüsse schließt jedoch nicht das Vorhandensein ähnlicher Problemlagen aus: Wie viele seiner scholastischen Kollegen im lateinischen Europa war Barlaam Aristoteliker, für den sich die Frage stellte, welche Geltung die aristotelische Philosophie in theologischen Zusammenhängen besitzen konnte. Barlaam erörterte etwa, inwiefern die Syllogistik auf die Trinität angewendet werden konnte - ein Problem, das einige Jahre zuvor auf lateinischer Seite etwa Wilhelm von Ockham beschäftigt hatte. Barlaams Antwort war negativ: Weder der apodiktische noch der dialektische Syllogismus stellten ein geeignetes Mittel dar, um geoffenbarte Glaubensinhalte zu erforschen 51. Die von den Lateinern angeführten syllogistischen Beweise werden dabei nicht nur als methodologisch unzulässig betrachtet, sondern auch inhaltlich als nicht durch die Lehren der griechischen Väter gedeckt abgelehnt 52. Auch wenn Barlaam vor seiner Reise nach Avignon keinesfalls der lateinischen Scholastik nahestand, zog die Art und Weise, wie er auf die antike griechische Philosophie zurückgriff, um theologische Fragen zu behandeln, und die Art seiner Verhandlungsführung gegenüber den lateinischen Gelehrten im Jahre 1335 die Kritik des Gregorios Palamas auf sich, der sich mit einer eigenen Verteidigung des orthodoxen Glaubens in die Diskussionen einschaltete 53. Die Einwände Pala48

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Cf. A. Fyrigos, Quando Barlaam Calabro conobbe il concilio di Lione II (1274)?, in: Rivista di studi bizantini e neoellenici, N.S. 17/19 (1980/82), 248-253; R. Flogaus, Palamas and Barlaam Revisited. A Reassessment of East and West in the Hesychast Controversy of 14th Century Byzantium, in: St. Vladimir’s Theological Quarterly 42 (1998), 1-32, bes. 5 sqq. Cf. Barlaam Calabro, Opere contro i latini (nt. 7), Traktat A, cap. 5-8, 576-601; Traktat B, cap. 6, 414-447. Cf. Fyrigos, Considerazioni (nt. 7), 120 sq.; id., Quando Barlaam Calabro conobbe il concilio di Lione (nt. 48). Cf. Barlaam Calabro, Opere contro i latini (nt. 7), Traktat B, 380-413; Traktat A, 554-575; Syntagma, 630-649. Cf. R. E. Sinkewicz, The Doctrine of the Knowledge of God in the Early Writings of Barlaam the Calabrian, in: Mediaeval Studies 44 (1982), 181-242; Kapriev, Philosophie (nt. 7), 253 sqq. Cf. Barlaam Calabro, Opere contro i latini (nt. 7), Traktat B, cap. 3, 318-343; Traktat A, cap. 3, 538-553; Syntagma, 660-665. Cf. Podskalsky, Theologie und Philosophie (nt. 35), 124-173; Beck, Geschichte (nt. 38), 218224; Sinkewicz, A New Interpretation (nt. 6), 495-498; D. Krausmüller, The Rise of Hesychasm, in: M. Angold (ed.), The Cambridge History of Christianity, vol. 5: Eastern Christianity, Cambridge e. a. 2006, bes. 110-113, 121-126. Die Einordnung des Palamas in das gelehrte

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mas’ erfolgten insbesondere auf methodologischer Ebene: In seinen ,Apodiktischen Traktaten‘ verteidigte er gegen Barlaams antilateinische Schriften die Möglichkeit, Aussagen über Gott in Form von apodiktischen Syllogismen zu treffen 54. Nach dem Zeugnis des Nikephoros Gregoras denunzierte Palamas Barlaam dabei - unter anderem in Anspielung auf seine Herkunft aus Italien als Lateiner, ein Vorwurf, der von der Forschung in Verkennung der polemischen Absicht zu lange für zutreffend gehalten wurde 55. 1341 wurde Barlaam von einer Synode, welcher sein einstiger Förderer Andronikos III. vorsaß, verurteilt und wechselte daraufhin die Seiten: Von einem Vertreter griechischer Ansprüche gegen die Lateiner wurde er nun zu einem Verteidiger der lateinischen Ausdeutungen des christlichen Glaubens. In Anerkennung seines Seitenwechsels wurde er vom Papst zum Bischof von Gerace ernannt 56. Sein theologisches Wissen ebenso wie seine Sprachkenntnis ließen ihn zu einem gefragten Ansprechpartner lateinischer Gelehrter werden. So unterrichtete er zeitweise, wenn auch mit mäßigem Erfolg, Petrarca im Griechischen 57. 1346/47 war er wieder als Gesandter in Unionsfragen tätig, vertrat nun jedoch die lateinische Seite. Im Auftrag Papst Clemens’ VI. reiste er nach Konstantinopel zu neuen Verhandlungen, allerdings ohne etwas ausrichten zu können. Lassen sich auf griechischer und armenischer Seite verschiedene Gründe für die Kontaktaufnahme und das Anwachsen oder Nachlassen der Verhandlungsbereitschaft ausmachen, traf auf lateinischer Seite das päpstliche Interesse, die

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Feld des 14. Jahrhunderts wurde lange durch die apologetische Perspektive erschwert, unter der die Forschung die zentrale Gestalt des Hesychasmus betrachtete. Erst allmählich ist ein sachlicherer Ton und ein Bemühen um analytische Neutralität in die Diskussion eingezogen. Das Operieren mit Großkategorien wie ,Humanismus‘ und ,Antihumanismus‘ hat sich ebenfalls nicht als hilfreich erwiesen; cf. Kapriev, Philosophie (nt. 7), 249-308; R. E. Sinkewicz, Gregory Palamas, in: C. G. Conticello/V. Conticello (eds.), La the´ologie byzantine et sa tradition, vol. 2, Turnhout 2002, 131-182; Beck, Kirche (nt. 35), 712-733; B. Müller-Schauenburg, Gregorios Palamas und die kulturelle Neugier - Relecture einer theologischen Leitfigur, in: Speer/Wirmer (eds.), Knotenpunkt Byzanz (nt. 35), 287-307. Cf. G. Kapriev, Die göttliche Gesetzgebung und die Norm der Erkenntnis gemäß Gregorios Palamas, in: G. Guldentops/A. Speer (eds.), Das Gesetz - The Law - La Loi (Miscellanea mediaevalia 38), Berlin-Boston 2014, 427-436, bes. 432 sq.; V. Pseftongas, Divergenze gnoseologiche e metodologiche nella gnoseologia teologica di Gregorio Palamas e di Barlaam Calabro, in: A. Fyrigos (ed.), Barlaam Calabro. L’uomo, l’opera, il pensiero. Atti del convegno internazionale Reggio Calabria - Seminara - Gerace, 10-12 dicembre 1999, Rom 2001, 25-36, bes. 29-33. Cf. Nikephoros Gregoras, Antirrhetika, ed. H.-V. Beyer (Wiener byzantinische Studien 12), Wien 1976, 147 sqq. Cf. L. Rickelt, Zum Franken geworden. Zum Franken gemacht? Der Vorwurf der ,Frankophilie‘ im spätbyzantinischen Binnendiskurs, in: W. Drews/C. Scholl (eds.), Transkulturelle Verflechtungsprozesse in der Vormoderne (Das Mittelalter, Beihefte 3), Berlin-Boston 2016, 35-62, bes. 53 sqq. Cf. Acta Clementis VI (nt. 31), Nr. 10, 20 sqq. Cf. P. L. M. Leone, Barlaam in Occidente, in: Annali dell’Universita` di Lecce. Facolta` di Lettere e Filosofia 8-10 (1977-1980), 427-446. Dass die Begegnung mit Petrarca für Barlaam, der sich vor allem als (griechischer) Theologe sah, weit weniger bedeutsam war als für den italienischen Humanisten, zeigt A. Fyrigos, Barlaam e Petrarca, in: Studi petrarcheschi, N.S. 6 (1989), 179-200.

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eigene Vormachtstellung in der Christenheit anerkannt zu sehen, auf das theologisch-dogmatische Anliegen, das Verhältnis der eigenen Lehren zu denjenigen der Ostkirchen zu bestimmen. Die Verhandlungen gestalteten sich schwierig. Da auf lateinischer Seite die Ausweitung der eigenen Einflusssphäre ebenso wie die Durchsetzung der eigenen Geltungsansprüche als wünschenswertes Ziel galten, jedoch die unmittelbaren politischen Zwänge fehlten, welche auf griechischer und armenischer Seite immer wieder Verhandlungsbereitschaft hervorgebracht hatten, blieben die Union und die Anerkennung des päpstlichen Primats zwar ein Handlungsmotiv, es bestand jedoch kein unmittelbarer Handlungsgrund, dogmatische Differenzen zurückzustellen. Vielmehr konnte es, wie ich noch zeigen werde, sogar sinnvoll erscheinen, Unterschiede möglichst trennscharf herauszupräparieren und damit eine schnelle Übereinkunft zu verhindern. Päpste und Kardinäle hatten obendrein Mühe zu durchschauen, welche Motive ihre Gesprächspartner verfolgten, da sie kaum unabhängige Informationsquellen besaßen. Fehlende sprachliche Kenntnisse erschwerten (übrigens auf allen Seiten) das Verständnis der Anderen. Als Schwierigkeit erwies sich, dass insbesondere in Bezug auf die Armenier kaum Buchwissen zur Verfügung stand, um die Berichte der Informanten zu überprüfen. Daniel von Tabriz beklagt in seiner ausführlichen Widerlegung der 117 Irrtümer beispielsweise, in Avignon nur über unzureichende Bücher zu verfügen 58, so dass er sich eher auf eigene Erfahrungen und Erinnerungen an Erlebtes und Gelesenes als auf vorhandenes Bücherwissen stützen musste. Dass mit Barlaam, Nerses und ihren Gesinnungsgenossen Informanten bereitstanden, die sehr auskunftsfreudig waren, in ihren Ansichten jedoch nicht unbedingt repräsentativ für ihre Kirchen waren, musste erst verstanden und in entsprechendes Handeln umgemünzt werden. Eine Antwort auf das Problem, dass die cultural broker zwar unverzichtbar waren, um überhaupt zu erfahren, was Griechen und Armenier heute glaubten, das vermittelte Wissen jedoch immer dasjenige einer Partei war, stellt das Bemühen dar, die Anwesenheit konkurrierender armenischer und griechischer Gelehrter in Avignon strategisch zu nutzen, um eine möglichst ausgewogene Sicht der Dinge zu entwickeln. Hatte man mit der erwähnten Liste der 117 Irrtümer der armenischen Kirche zunächst einen denkbar konfrontativen Kurs eingeschlagen, führte die Intervention mehrerer Armenier dazu, dass Daniel von Tabriz als mit Nerses konkurrierender Experte beauftragt wurde, die Irrtumsliste zu überprüfen. Entstanden ist ein umfangreicher Traktat, der mit großer Sympathie für die armenische Seite alle Zweifel an deren Rechtgläubigkeit wie guten Absichten zerstreuen sollte. Dazu setzte der Franziskaner alles daran, die Glaubwürdigkeit des Nerses zu unterminieren. Deutlich wurde so die Notwendigkeit, die offizielle Sicht der armenischen Seite einzuholen. Anders als Nerses hatte Barlaam schon bei seinem Eintreffen im Jahre 1339 für Neugier, aber auch für Unverständnis gesorgt. Mit Geleitbriefen König 58

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Philipps VI. von Frankreich und Roberts I. von Neapel ausgestattet, war er in Begleitung eines Ritters Stephan nach Avignon gekommen und hatte vor Papst und Kardinalskollegium darlegen dürfen, welche Bedingungen für eine Kirchenunion erfüllt sein müssten 59. In Avignon war man zunächst skeptisch und versuchte sich davon zu überzeugen, ob die beiden Reisenden zu derartigen Verhandlungen bevollmächtigt waren. Man bat um Briefe desjenigen, der sich als Patriarch von Konstantinopel bezeichnete, oder eines anderen Amtsträgers, damit man nicht unnötig Zeit mit Diskussionen verbringe 60. Dem päpstlichen Bericht über die Verhandlungen mit Barlaam zufolge waren Papst und Kardinäle besorgt, es könnten sich die Erfahrungen mit dem Zweiten Konzil von Lyon wiederholen. Im Juli 1274 hatten die griechischen Vertreter das Filioque ebenso akzeptiert wie die Verwendung ungesäuerter Brote 61. Tatsächlich hatte Kaiser Michael VIII. durch seine Gesandten weitgehende Zugeständnisse gemacht, da er sich von Papst Gregor X. erhoffte, Karl von Anjou von seinen Angriffen auf das byzantinische Reich abzubringen. Allerdings fand der pragmatische Kaiser weder beim Klerus noch beim Volk die notwendige Unterstützung für seinen Kurs, so dass sich die lateinischen Hoffnungen auf die Union enttäuscht sahen. Dies, so wurde Barlaam informiert, dürfe nicht noch einmal geschehen. Zwar konnten der Mönch und der Ritter die gewünschten Briefe nicht vorzeigen, gleichwohl wurde ihnen jedoch gestattet, ihre Vorschläge vorzubringen. Barlaam erklärte ausdrücklich die Kircheneinheit zum Ziel der Verhandlungen. Um dieses zu erlangen, gebe es zwei Wege: denjenigen der Gewalt oder denjenigen freiwilliger Zustimmung. Der erstgenannte sei abzulehnen; der zweite könne auf zwei Weisen beschritten werden: Entweder man bemühe sich um die Zustimmung der Weisen oder diejenige des Volkes. Mit den Weisen übereinzukommen, sei einfach: „Nam si venerint ad Vestram sanctissimam maiestatem ex nostris sapientibus triginta aut quadraginta aut quotcumque sint, bene scio, quia concordabuntur vobiscum statim facillime. Quare? Quia neque vos quaeretis, ut irrationalis appetitus 59 60 61

Cf. Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 43, 85-97. Cf. ibid., 86. Zum Konzil von Lyon cf. B. Roberg, Lyon, Konzile von. II. Konzil von 1274, in: Theologische Realenzyklopädie 21 (1991), 637-642; id., Union, kirchliche. II. Konzil von Lyon, in: Lexikon des Mittelalters 8 (1997), coll. 1240 sq.; M. Mollat du Jourdin, Das Zweite Konzil von Lyon (1274), in: B. Schimmelpfennig (ed.), Die Geschichte des Christentums, vol. 6: Die Zeit der Zerreißproben 1274-1449, Freiburg e. a. 1991, 1-13; Z. Strika, Der päpstliche Primat und die Pentarchie. Die west-östliche Debatte im Vorfeld und auf dem Zweiten Konzil von Lyon, in: Forum Katholische Theologie 24 (2008), 161-204; Boojamra, Byzantine Notion (nt. 33), 63 sqq. Zur Geschichte der Filioque-Kontroverse cf. J. Rohls, Ideengeschichte des Christentums, vol. 3/1: Gott, Trinität und Geist, Tübingen 2014, 310-317; P. Gemeinhardt, The Dynamics of Mutual Condemnations in the Filioque Controversy: From the Carolingian Era to the Late Middle Ages, in: Ephemerides theologicae Lovanienses 91 (2015), 201-222; G. Pasini, La questione del „Filioque“ nel Medioevo, in: Sacra doctrina 53 (2008), 32-53; C. Schabel, Pope, Council, and the Filioque in Western Theology, 1274-1439, in: Medieval Encounters 21 (2015), 190-213; D. Müller, Der Streit um das Filioque als Profilierungsmoment der Westlichen Kirche (789-1439), in: O. Meuffels/J. Bründl (eds.), Grenzgänge der Theologie. Professor Alexandre Glanoczy zum 75. Geburtstag (Symposion 6), Münster 2004, 37-57.

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vincat, neque illi, sed et vos et illi quaeretis, ut vincat veritas. Ergo, quoniam et ambo desideratis veritatem, credendum est, quia et cito ipsam invenietis et cito concordabimini.“ 62 Doch werde es den Weisen nicht gelingen, nach ihrer Rückkehr das Volk zur Zustimmung zu bewegen, da es die Dogmen der Väter werde bewahren wollen. Aus Neid oder Ruhmsucht würden sich außerdem einige erheben und behaupten, all dies geschehe zum Schaden des Volkes. Dagegen könnten die Weisen nichts tun. Also sei der Weg nur über eine Union mit den Weisen nicht möglich. Vielmehr sei es nötig, die Weisen und das Volk von der Union zu überzeugen. Um das Volk zu gewinnen, sei es erforderlich, ein Unionskonzil zu veranstalten, denn es habe bereits sechs allgemeine Konzilien gegeben, deren Beschlüsse allgemein akzeptiert würden. Verlange die lateinische Seite, dass die Beschlüsse von Lyon ohne ein weiteres Konzil anerkannt würden, stelle dies eine Demütigung des griechischen Volks dar, denn die damals anwesenden Griechen seien keine Abgesandten der vier Patriarchen oder des Volkes, sondern allein des Kaisers gewesen, der die Union mit Gewalt habe erzwingen wollen. Die Herzen der Griechen seien aufgrund der vielen erlittenen Kränkungen inzwischen voller Hass. Dieser müsse erst beseitigt werden, bevor es Aussicht auf erfolgreiche Verhandlungen geben werde. Also gelte es, die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem sowie weitere Abgesandte zu einem Konzil zu laden. Eine derartige Milde werde im Osten unzweifelhaft mit Wohlgefallen aufgenommen werden. Um dieses weiter zu steigern, sei es klug, den Kaiser bei der Rückeroberung von vier von den Osmanen eingenommenen Städten zu unterstützen. Weil Menschen eher bereit seien, sich Wohltätern als Gewalttätern zu unterwerfen, werde durch derartige Gunsterweise ein Klima geschaffen, das Verhandlungen zuträglich sein werde. Papst und Kardinäle zogen sich angesichts der geforderten Vorausleistungen auf den Grund der Dogmatik zurück: Es bestehe kein Zweifel, dass der Heilige Geist ewig aus Vater und Sohn wie aus einem Prinzip und einer Hauchung hervorgehe, jede gegenteilige Meinung sei verworfen und verurteilt. Unschicklich sei es, diesen Glaubensartikel in neuen Diskussionen zu widerrufen, einen Glaubensartikel, den die Griechen in alter Zeit anerkannt hätten, der von ihnen in Lyon bestätigt worden und schließlich von Patriarch Johannes Bekkos 63 und Kaiser Michael VIII. in einem feierlichen Brief an Johannes XXI. anerkannt worden sei 64. Was von der Kirche einmal festgelegt worden sei, dürfe nicht in überflüssige Disputationen und Wettkämpfe herabgezogen werden, zumal dann nicht, wenn daraus Schisma und Häresie erwüchsen. Das Ansinnen, nach einer 62

63 64

Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 43, 87: „Denn wenn zu Eurer heiligsten Majestät von unseren Weisen dreißig, vierzig oder wie viel auch immer kommen, werden diese, wie ich wohl weiß, sehr leicht und unmittelbar mit euch übereinkommen. Warum? Weil Ihr nicht verlangen werdet, dass das irrationale Streben siege, noch werden jene dies wollen, sondern Euch und jene verlangt danach, dass die Wahrheit siege. Weil Ihr also beide die Wahrheit ersehnt, ist davon auszugehen, dass Ihr sie schnell finden und rasch übereinkommen werdet.“ Zur Theologie des Johannes Bekkos cf. Kapriev, Philosophie (nt. 7), 232-236. Cf. Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 43, 91.

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Union könnten die Griechen weiter bei ihrer Ablehnung des Filioque bleiben, sei inakzeptabel, „quia in ipsa Ecclesia Catholica in qua una fides esse noscitur, sic, quoad hoc, duplicem fidem, minus veraciter, esset dare dictusque dominus noster Summus Pontifex, cum ipsa Ecclesia, huiusmodi manifesto non resistendo errori, viderentur eidem, quod avertat Dominus, consentire“ 65. Also werde es kein Konzil geben. Vielmehr habe der selbsternannte Patriarch von Konstantinopel die anderen Patriarchen, Klerus, Fürsten und die Großen des Volkes zu einem Synodalkonzil zusammenzurufen, auf welchem Abgesandte des Apostolischen Stuhls sie in den strittigen Fragen unterrichten sollten, allerdings „non per modum disputationis vel concertationis, sed instructionis quoad Graecos ipsos salutiferae“ 66. Barlaams erneutes Werben für ein Generalkonzil und seine Beteuerungen, der von Päpsten und Kardinälen entworfene Weg werde nicht zum gewünschten Erfolg führen, verhallten ungehört. In diesen vor allem für die griechische Seite unbefriedigenden Diskussionen zeigen sich zwei verschiedene Weisen, Irrtümer kommunikativ zu funktionalisieren. Barlaam wollte zunächst Verfahrensweisen etablieren, die konsensorientierte Verhandlungen ermöglichen sollten, um wechselseitig angenommene Irrtümer zu überwinden. Die demonstrative Anerkennung nicht der Geltungsansprüche, wohl aber der Interessen der weniger mächtigen durch die stärkere Seite sollte eine Diskussion erlauben, welche einer formalen Einigung den Vorzug gegenüber dem Tilgen der Irrtümer gab. Barlaam glaubte, innerhalb der wiedervereinten Kirche könne es durchaus eine Verschiedenheit von Glaubenslehren geben. Dass die Griechen weiterhin das Filioque ablehnten, der wichtigste der ihnen vom Westen vorgehaltenen dogmatischen Irrtümer, sei hinzunehmen, da er sich mit dem übergeordneten Ziel vereinbaren ließe. Meinungsverschiedenheiten begrenzter Reichweite sollten wechselseitig akzeptiert werden innerhalb einer vereinten Kirche, die ihre (kirchen-)politischen Ziele dogmatischen Differenzen überordnete. Die lateinische Seite war nicht bereit, dieser Relativierung des Irrtums zur Differenz der Meinungen zuzustimmen. Sie blieb vielmehr bei dem bereits in vorherigen Unionsverhandlungen eingeschlagenen Weg, dass die griechische Seite ihre Irrtümer einzugestehen hatte, bevor an die Union zu denken war. In den Verhandlungen mit den Armeniern stießen in gleicher Weise eine konsensual-pragmatische und eine irrtumsorientierte Kommunikationsstrategie aufeinander. Als Daniel von Tabriz und der Ritter Thoros Mikailencœ im Jahre 1341 gen Osten aufbrachen, trugen sie neben einem Brief an den Katholikos 67 ein päpstliches Schreiben an König Leo V. bei sich, in welchem Benedikt XII. 65

66

67

Ibid., 92: „weil in der katholischen Kirche, in der es bekanntlich einen Glauben gibt, so diesbezüglich ein doppelter Glauben in weniger wahrer Weise gegeben wäre und unser Papst mit der Kirche selbst einem derartigen deutlichen Irrtum nicht nur nicht entgegenzustehen, sondern ihm auch noch zuzustimmen schiene, was Gott verhindern möge.“ Ibid.: „nicht in der Weise einer Disputation oder Auseinandersetzung, sondern einer heilsamen Unterweisung“. Cf. ibid., Nr. 56, 117 sqq.

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die gewünschte Hilfe verweigerte, mit Verweis auf die krankhaften Irrtümer, in welche die Armenier gefallen seien 68. Beigefügt war die Liste der 117 Irrtümer. Beide Briefe schlugen unmissverständlich einen konfrontativen Kurs ein: Glaubwürdige Berichte hätten den Papst erreicht, dass in Armenien Irrtümer gelehrt und dogmatisiert würden „contra fidem catholicam, quam tenet, docet et praedicat sacrosancta Romana Ecclesia, mater omnium fidelium et magistra“ 69. Denjenigen, die Irrtümer verträten, könne keine Hilfe gewährt werden. Als Hirte der christlichen Herde informiere der Papst den armenischen König über die in seinem Reich herrschenden Irrlehren im Glauben, auf dass er jene verabscheue. Immerhin wurde dem König versichert, ihn selbst betrachte man nicht als Häretiker, worin man von armenischer Seite ein Zeichen päpstlichen Wohlwollens erkennen konnte. Eine derartige salvatorische Klausel fehlte dagegen im weitgehend inhaltsgleichen Schreiben an den Katholikos. Dringend sei es geboten, ein Konzil der armenischen Prälaten einzuberufen, auf welchem die Irrtümer diskutiert werden sollten, um sich von ihnen zu lösen und sie mit der Wurzel herauszureißen. Die Grundlage sollten dabei jene Bücher mit Dekreten, Dekretalen und Aussprüchen der Väter bilden, die die römische Kirche gebrauche. Dem Katholikos wurde noch einmal die Notwendigkeit eingeschärft, den römischen Primat anzuerkennen 70. Wenn das Geforderte umgesetzt worden sei, sei die römische Kirche bereit, die Armenier wie Brüder aufzunehmen. Das Resultat ihrer Beratungen sollten die Armenier rasch durch gelehrte Männer an die Kurie übermitteln lassen. Die Lateiner ließen keinen Zweifel daran, dass die dogmatischen Irrtümer der Armenier, gipfelnd in der Nichtanerkennung des Filioque, der Leugnung der zwei Naturen Christi und einem falschen Taufverständnis, unlösbar mit der Frage des Primats des Papstes verbunden waren. Diesen anzuerkennen, war unerlässlich, um sich vom Vorwurf, Irrlehren zu vertreten, wirksam befreien zu können. Allerdings genügte diese Anerkennung römischer Machtansprüche nicht: Sie hatte mit einer dogmatischen Selbstkorrektur einherzugehen. Nerses war es gelungen, den Papst und dessen Theologen davon zu überzeugen, dass die Armenier in wesentlichen Punkten von der römischen Lehre und Praxis abwichen. Die Liste der 117 Irrtümer versammelt einen bunten Strauß tatsächlicher und vermeintlicher Abweichungen der armenischen von der römischen Lehre, wobei dogmatische Differenzen und rituelle Unterschiede auf einer Ebene mit Einzelfällen angeführt werden, in denen armenische Geistliche antilateinisch gehandelt hätten. Entworfen wurde so ein Apparat inferentiell miteinander verbundener Begriffe und Konzepte, ein Begriffsschema, das eine in sich weitgehend geschlossene Abweichung von der römischen Wahrheit darstellte und unmittelbar handlungsleitend wirkte. Irriges Denken wie Handeln der Ar68 69

70

Cf. ibid., Nr. 55, 114 sqq. Ibid., 114: „gegen den katholischen Glauben, den die heilige römische Kirche, Mutter und Lehrerin aller Gläubigen, hält, lehrt und predigt.“ Cf. ibid., Nr. 56, 117 sqq.

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menier lagen aus lateinischer Sicht begründet in einer antilateinischen Einstellung, die in der in mehreren Punkten geschilderten Ablehnung eines römischen Primats gebündelt war. Wie sehr diese nicht nur von den einzelnen Geistlichen, Bischöfen oder Katholikoi getragen wurde, sondern das armenische Glaubensleben insgesamt prägte, sollten die eingeschalteten erzählenden Berichte antilateinischer Umtriebe verdeutlichen. So gilt es als ein Irrtum der Armenier, dass ein Magister, als er sah, wie ein Priester das Altarsakrament erhob, diesen verflucht und gesagt habe, das Mysterium des Glaubens müsse im Geheimen gehalten und nicht dem Volk gezeigt werden 71. Ausführlicher wird die Geschichte von drei Armeniern erzählt, die, nachdem sie zuvor nach Form der Armenier getauft worden waren, sich nun in Bologna nach lateinischer Form erneut hätten taufen lassen. Als sie nach Florenz reisten, seien sie von den dortigen Armeniern gedrängt worden, diese Taufe nach römischem Ritus zu negieren. Da sie dies verweigert hätten, seien sie so schwer misshandelt worden, dass einer von ihnen einige Tage später starb. Die beiden anderen seien eingekerkert worden, bis sie die zu Bologna empfangene Taufe negierten und sich erneut nach armenischem Ritus taufen ließen 72. Als Irrtum wird auch aufgeführt, dass ein Katholikos von Kilikien einige nach lateinischem Ritus getaufte armenische Laien ergreifen, ihnen Köpfe und Bärte rasieren, ihre Kleider zerschneiden und sie in den Kerker werfen ließ. Wer nicht das lateinische Taufsakrament zurückwies, blieb in Haft 73. Derartige Anekdoten und persönliche Verfehlungen wurden auf eine Ebene mit dogmatischen Festlegungen der armenischen Kirche gestellt, Meinungen einzelner Würdenträger mit der Lehre der gesamten armenischen Kirche gleichgesetzt, schließlich Gebräuche aus Großarmenien oder Kilikien als Verfehlungen aller Armenier aufgefasst. Die Irrtumsliste ging davon aus, dass die Armenier ihre Lehren insgesamt aufzugeben und sich der Wahrheit, die auf römischer Seite verortet wurde, zu unterwerfen hatten. Nerses selbst inszenierte sich als Übersetzer zwischen dem römischen und dem armenischen Begriffsschema, die durch unterschiedliche Geltungsansprüche und daraus erwachsende unterschiedliche Praktiken konfrontativ aufeinander bezogen wurden. In diesem Konzept konnte es nicht um Ausgleich oder eine Verständigung über einzelne Punkte gehen, sondern um die Tilgung des einen Schemas und das Aufgehen seiner Anhänger im anderen. Die Zuweisung von Irrtümern wurde als Differenzmarker eingesetzt, um die beiden Schemata gegeneinander zu profilieren und als unvereinbar zu inszenieren. Dass den Armeniern neben Unwissen obendrein unlautere, wenn nicht eindeutig böse Absichten unterstellt wurden, plausibilisierte eine römische Intervention wie eine kompromisslose Verhandlungsführung. Die Armenier erkannten die drohende Gefahr. Wenn man päpstliche Hilfe wünschte, musste man sich zu den Vorwürfen erklären. Der Katholikos versam71 72 73

Cf. ibid., 144. Cf. ibid. Cf. ibid., 146.

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melte die geistlichen Würdenträger in Sis zu einer Synode, auf welcher, wie von lateinischer Seite gewünscht, über die Irrtumsliste beraten wurde. In der so entstandenen ausführlichen Antwort an Clemens VI., den Nachfolger des inzwischen verstorbenen Benedikt, replizierte man auf jeden der 117 Artikel mit einer mehr oder weniger ausführlichen Erwiderung 74. Zum Vorbild nehmen konnte man sich dabei den Traktat des Daniel von Tabriz, der, wie erwähnt, in der gleichen Weise armenische Rechtgläubigkeit herausgestrichen und Nerses als böswilligen Lügner scharf angegriffen hatte. Der Franziskaner hatte sich bemüht, die erhobenen Irrtumsvorwürfe dadurch zu widerlegen, dass er seine eigenen langjährigen Erfahrungen mit den Armeniern und (meist pauschal aufgerufenes) Buchwissen gegen die Behauptungen des Nerses ins Feld führte. Zu den Artikeln der Irrtumsliste, die sich mit der Strafe für die Seelen mittelmäßig guter oder schlechter Menschen befassen, erklärt er unmissverständlich: „Nunquam credidi nec audivi talia, ego frater Daniel; sed in contrarium credidi et audivi, et in libris invenio, quod justi vadunt, secundum Armenos, ad vitam eternam, mali autem et pecatores ibunt ad ignem eternum.“ 75 Ebenfalls für eine Verleumdung hält Daniel von Tabriz jenen Artikel, wonach die Armenier glaubten, die von Christus aus der Hölle befreiten Seelen würden bis zum Jüngsten Gericht nicht auf sinnliche Weise gestraft. Er habe Derartiges nie geglaubt, gehört oder in den Schriften der Armenier gelesen. „Sunt verba ficta, ut michi videtur, et noviter inventa, veba vetularum et truffatoria.“ 76 Auch die Erbsünde werde von den Armeniern, anders als ihnen in der Irrtumsliste vorgehalten werde, keinesfalls geleugnet, vielmehr glaubten diese, Adams Natur sei korrumpiert gewesen und diese Verderbtheit habe er an seine Nachkommen weitergegeben 77. Obendrein bemühte er sich, Nerses begriffliche und logische Widersprüche innerhalb eines oder zwischen verschiedenen Artikeln vorzuhalten 78. Mitunter versuchte Daniel, dogmatische oder rituelle Differenzen zu verunklaren, indem er darauf verwies, selbst keine klare Kenntnis in dieser Frage zu besitzen 79. Gelegentlich nahm er Zuflucht zu dem Hinweis, dass es in dieser Frage überhaupt keine dogmatischen Festlegungen auf armenischer Seite gebe, sondern lediglich Einzelmeinungen, die von der lateinischen Sicht abwichen 80. Eine ausgebaute Theologie über den Hervorgang des Heiligen Geistes, wie sie in der lateinischen Kirche entwickelt worden sei, besäßen die Armenier beispielsweise nicht. Daher sei es möglich, dass es unter 74 75

76

77 78 79 80

Cf. Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 59, 160-231. Daniel von Tabriz, Responsio (nt. 2), 579: „Ich, Bruder Daniel, habe niemals so etwas geglaubt oder gehört; vielmehr habe ich das Gegenteil geglaubt und gehört und auch in den Büchern gefunden, dass die Gerechten laut den Armeniern ins ewige Leben eingehen, die Schlechten jedoch und die Sünder ins ewige Feuer.“ Ibid., 587: „Es handelt sich, wie mir scheint, um reine Erdichtungen und Erfindungen, um Altweibergeschwätz und Betrügerei.“ Cf. ibid., 582. Cf. ibid., 574; 607; 614; 620; 625 sq. Cf. ibid., 569 sq.; 573 sq.; 629. Cf. ibid., 579.

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ihnen solche gebe, die unwissend seien und Falsches glaubten, doch habe er selbst niemals jemanden gefunden, der sich rebellisch der lateinischen Lehre verweigert hätte 81. In anderen Punkten unterschied er zwischen demjenigen, was die mit Rom vereinten Prälaten und Weltlichen lehrten, die in allen Glaubensartikeln mit der römischen Kirche übereinstimmten, und den einfachen und unwissenden Armeniern, die etwa in der Frage der zwei Naturen Christi, wenn nicht in eine Häresie fielen, so doch einer theologisch weniger klaren Position anhingen 82. Die armenischen Könige hätten ebenso wie die Katholikoi, Erzbischöfe, Bischöfe und Fürsten seit langem die Union angestrebt, allerdings hätte es einige oppositionelle Prälaten und Weltliche gegeben, die ihre Zustimmung verweigert hätten. Diese falschen Apostel und Verwirrer der Einheit hätten versucht, das Volk aufzuhetzen. Es sei jedoch unzulässig, diese irrende Minderheit der rechtgläubigen Mehrheit anzulasten 83. In Bezug auf einige Vorwürfe gab Daniel zu, dass hier Differenzen zwischen Großarmenien, wo zeitweise die Gegner der Union mit einem eigenen Katholikos dominierten, und dem prolateinischen Kilikien bestünden. Insofern seien die vermeintlichen Irrtümer der Armenier tatsächlich diejenigen einer (groß-)armenischen Partei, die nicht als repräsentativ für die Armenier insgesamt zu gelten hätte. Dementsprechend stellte er wiederholt heraus, dass der legitime Katholikos wie auch die kilikischen Geistlichen gemäß den Unionsvereinbarungen der Lehre der römischen Kirche verpflichtet seien 84. Schließlich versah er armenische Irrtümer mit einem Zeitindex: So hätten die Armenier zwar zeitweise das Konzil von Chalkedon nicht anerkannt, weil sie fürchteten, damit in die nestorianische Häresie zu fallen, sie hätten diese Position jedoch bereits vor langer Zeit wieder aufgegeben 85. In anderen Fragen hätten sie seit der Union mit der römischen Kirche ihre Lehren geändert. So hätten sie jahrhundertelang den Namen des Fegefeuers nicht gekannt, nun erkennten sie jedoch dessen Existenz an 86. Die armenischen Geistlichen folgten in ihrer Widerlegung der 117 Artikel dem von Daniel von Tabriz gebahnten Weg: Wie dieser lehnten sie die Konstruktion zweier widerstreitender Begriffsschemata ab. Vielmehr legten sie dar, dass die armenische Kirche an der vereinbarten Union mit der römischen Kirche 81

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Cf. ibid., 562: „Respondeo quod apud Armenos non est ita clara et certa scientia de processione Spiritus Sancti, sicut est apud ecclesiam Latinam, et ideo satis est possibile quod multi sunt inter Armenos ignorantes et aliqui male sentientes; sed ego, frater Daniel, nec in Armenia Majore, nec in Minori, inveni unquam aliquem Armenum in hoc rebellem.“ Ibid., 585: „Et Armeni uniti, tam prelati quam populares, sunt conformes in omnibus articulis fidei ecclesie Romane, qui snt majores et meliores Armenorum. Post dictus, sunt alii Armeni, simplices et ignorantes, tam de clero quam de populo, et aliqui alii aliqualiter scientes, qui dicunt unam naturam, unam voluntatem et unam operationem in Christo; tamen humanitatem Christi et corpus et animam nunquam negant, nec operationes Christi dicunt ad aparentiam tantum, et non ad existenciam, sicut continetur in dictis articulis plenis blasphemiis et mendaciis.“ Cf. ibid., 584 sq. Cf. ibid., 597 sq.; 637. Cf. ibid., 565 sq. Cf. ibid., 580.

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festhielt. Anders als Nerses und die von ihm beeinflussten Theologen entwarfen sie ein gemeinsames Begriffsschema, dessen Zentrum die von der römischen Kirche definierten Lehren bildeten. In der Peripherie, etwa in Armenien, durfte es demnach Besonderheiten geben, solange diese den katholischen Wahrheiten nicht widersprachen. Den gegen sie erhobenen Irrtumsvorwürfen begegneten sie, diesem Konzept entsprechend, auf drei Weisen: Erstens versahen sie sie mit einem Zeitindex, verorteten sie in der Geschichte und beteuerten, dass sie heute nicht mehr vertreten würden. Die Ablehnung des Konzils von Chalkedon etwa erklärten sie ebenso wie zuvor Daniel von Tabriz damit, dass man in Armenien zunächst nicht korrekt über die Intention der Konzilsväter informiert gewesen sei und deren Beschlüsse als Bestätigung der Häresien des Nestorius verstanden habe. Nachdem man die Wahrheit in Erfahrung gebracht habe, habe man die Beschlüsse von Chalkedon jedoch anerkannt 87. Zweitens wurden Irrtümer als Minderheitenmeinungen innerhalb der armenischen Kirche dargestellt, die zwar bedauerlich und verurteilenswert seien, jedoch den Armeniern insgesamt nicht zur Last gelegt werden dürften. So gebe es zwar einige Magister, die sich den Griechen darin angeschlossen hätten, dass die Seelen der Gerechten bis zur allgemeinen Auferstehung nicht in den Himmel eingingen, doch die armenische Kirche insgesamt lehre, dass alle gerechten Seelen ins ewige Leben eingingen 88. Andere Vorwürfe wurden drittens als schlicht falsch zurückgewiesen: So sei das Filioque von den armenischen Geistlichen akzeptiert worden 89. Auch hingen die Armenier keineswegs der Sünde der Pelagianer oder der Coelestiner an, die leugneten, dass die Sünde, welche das erste Menschenpaar auf sich lud, als es das göttliche Gebot übertrat, als Erbsünde auf all seine Nachkommen übergegangen sei. Eine derartige Anschuldigung sei reine Erfindung 90. Noch nie habe man gehört, dass sich die Armenier aus Armenia Maior deswegen, weil sie einen Katholikos hätten, als einzige katholische und apostolische Kirche bezeichneten. Richtig sei, dass die armenische Kirche apostolisch sei, weil sie den Glauben habe, welchen die Apostel predigten; weil sie dem Glaubensbekenntnis folge, sei sie außerdem heilig und dem Evangelium entsprechend 91. Auch als universale Kirche bezeichne sich die armenische Kirche nicht. Zwar besitze sie die wahre Taufe und den einzigen Glauben an Christus, was jedoch nicht bedeute, dass andere Christen dies nicht ebenfalls besäßen. Folglich sei auch die Unterstellung unwahr, die Armenier tauften alle Getauften erneut, weil sie andere Taufen nicht anerkennten. Das Gegenteil sei richtig 92. Dass die Lateiner den Armeniern Irrtümer unterstellt hätten, basiere demzufolge zumeist auf Unkenntnis; Schuld daran seien vor allem die Mitglieder der Partei um den namentlich genannten 87 88 89 90 91 92

Cf. Cf. Cf. Cf. Cf. Cf.

Acta Benedicti XII (nt. 2), Nr. 59, 162 sq. ibid., 166 sq. ibid., 161 sq. ibid., 164 sq. ibid., 189. ibid., 190 sq.

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Nerses, die sich als falsche Informanten betätigt hätten 93. Sollte es dennoch Meinungsverschiedenheiten geben, sei man bereit, sich von den Lateinern belehren zu lassen. Davon, dass man sich schließlich in allen relevanten Fragen einigen könne, gab man sich auf armenischer Seite überzeugt. Mit ihren Erwiderungen gelang es den Armeniern tatsächlich, einige der Befürchtungen der Lateiner zu zerstreuen. In seinem Antwortschreiben lobte Clemens VI. ausdrücklich die Bereitschaft der Armenier, die ihnen zur Last gelegten Irrtümer zu verwerfen und zu verurteilen 94. Löblich sei die Ankündigung, sie wollten all jene Irrtümer in ihren Büchern, die dem Glauben und der Lehre der römischen Kirche widerstritten, aufgeben. Für gut befunden wurde schließlich der Wille, den Dekreten und Dekretalen der römischen Kirche künftig Folge leisten zu wollen 95. Doch gebe es noch mehr Irrtümer, die auszurotten seien. Daher schicke er den Franziskaner Antonio de Aribandis, Bischof von Gaeta, und Giovanni Scarlatti, den erwählten Bischof von Corone, damit die Armenier sie ausführlicher über ihren Glauben informieren könnten. Sollten sie sich wie gewünscht verhalten, stellte ihnen der Papst in Aussicht, in den Schoß der Kirche aufgenommen zu werden. Die Skepsis, die von päpstlicher Seite den Armeniern trotz deren offensichtlicher Kompromissbereitschaft entgegengebracht wurde, lässt sich als Folge jenes Bildes verstehen, das die Gelehrten in ihren Schriften gezeichnet hatten. Die Summen FitzRalphs und Terrenis vermittelten das Bild einer tiefgreifenden Distanz zwischen lateinischer und armenischer Kirche - auf theologischer wie auf kirchenpolitischer Ebene. Clemens VI. war immerhin Widmungsträger von Terrenis Werk. Eine prachtvoll illuminierte Handschrift, die sich heute in Wolfenbüttel befindet, ist nach Ansicht Irene Buenos in Avignon im Auftrag des Papstes hergestellt worden 96, ein Hinweis darauf, dass dessen Haltung von Terrenis Weltzugriff nicht unbeeinflusst war. Terreni unternahm in seinem Werk eine rigide Zweiteilung der Welt in das homogene Reich der christlichen, genauer der römischen Wahrheit und in die Vielzahl der Irrlehren, die dieses bedrohten. Als Häresie definierte er alles, was gegen den ausdrücklichen Gehalt von Bibel und kirchlichen Festsetzungen verstieß 97. Wer derartige Irrtümer lehre, könne als Häretiker im eigentlichen Sinne bezeichnet werden, wenn er getauft sei und willentlich und verstockt bei seinem Irrtum bleibe 98. Seine Widerlegung der jeweils konstatierten Irrlehren stützen sich vor allem auf die Bibel sowie auf die Schriften der Väter, denn seiner Festlegung gemäß musste er aufzeigen, inwie93 94 95

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Cf. ibid., 161; 213 sqq. Cf. Acta Clementis VI (nt. 31), Nr. 105, 165 sq. Am 10. September 1346 ließ Clemens VI. Bücher mit Dekreten und Dekretalen schicken, „quibus Romana Ecclesia utitur, ut ipsi se possent super eius conformare […]“ (ibid., Nr. 107, 171). Cf. Bueno, Terreni at Avignon (nt. 19), 184 sq.; bei der Handschrift handelt es sich um Wolfenbüttel, HAB, MS God. guelf. 5.1 Gud.lat. Cf. Terreni, Summa de haeresibus (nt. 21), lib. I, cap. 3, 4: „Est itaque haeresis falsa opinio et erronea in intellectu per quam falso` et erronee` intellectus opinatur de aliquo, contra fidei veritatem.“ Cf. ibid., cap. 3, 5 sq.

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fern abweichende Lehrmeinungen ausdrücklich und evident gegen den Gehalt der Bibel verstießen 99. So entwickelte er in seiner ,Summa‘ in Auseinandersetzung mit den äußeren Herausforderungen durch Juden und Sarazenen sowie den inneren durch die verschiedenen christlichen Häresien ein System von katholischen Lehrsätzen, die er für biblisch begründet und durch die Patristik und die apostolischen Konzilien bestätigt hielt. Die Widerlegung der Häresien erlaubte, das in der römischen Kirche institutionalisierte katholische Begriffsschema präzise herauszuarbeiten. Gegenüber Griechen und Armeniern erwies sich Terreni als eifriger Verteidiger des päpstlichen Primats, den er nicht historisch herleiten, sondern biblisch begründen wollte. Gegen die griechische Weigerung, das Filioque anzuerkennen, erklärte er, dieser Irrtum richte sich ausdrücklich gegen die Lehre des Apostolischen Stuhls und der heiligen römischen Kirche, welche in Glaubensdingen nicht irre 100. Den Armeniern wirft er vor, Schismatiker zu sein, weil sie behaupteten, ihrem Katholikos genauso Gehorsam zu schulden wie dem Papst. Doch der höchste Gehorsam müsse zweifellos dem Nachfolger Petri entgegengebracht werden, welcher von Christus an seine Stelle gesetzt worden sei 101. Immer wieder betonte er, dass diese oder jene Irrlehre eindeutig (manifeste) oder offenkundig (patenter, patet) falsch sei, es feststehe (constat), dass sie gegen die Heilige Schrift verstoße und damit häretisch sei 102. Da er überzeugt war, dass die biblische Wahrheit die römische Lehre bestätigte, verstand er jede Abweichung als willentliches Irren. Armeniern und Griechen warf er vor zu lügen, Fabeln zu lehren, auf tierische Weise und gegen die Vernunft zu sprechen 103. Meinungsverschiedenheiten in Lehrfragen innerhalb der Katholizität, wie sie insbesondere Barlaam zu akzeptieren forderte, wollte Terreni nicht hinnehmen. Bezüglich des falschen Verständnisses der Taufe und anderer Sakramente der Armenier hielt er diesen vor, das Dunkel mehr zu lieben als das Licht. Wegen ihrer Irrtümer stünden sie außerhalb der Kirche und der Gemeinschaft der Gläubigen 104. Die lateinische Lehre sah er als inferentiell ge99 100 101 102

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Cf. ibid., cap. 4, 7. Cf. ibid., De haeresibus Graecorum, cap. 1, 31. Cf. ibid., De haeresibus Armenorum, cap. 1, 48. Cf. e. g. ibid., De haeresibus Graecorum, cap. 13, 40; cap. 17, 41; cap. 21, 43; cap. 25, 45; De haeresibus Armenorum, cap. 11, 52; cap. 15, 58; cap. 23, 65. Cf. ibid., De haeresibus Graecorum, cap. 25, 45: „Igitur male` et erronee` istud asserunt Graeci, cum nulli liceat mentiri […] “; ibid., De haeresibus Armenorum, cap. 4, 50: „In his igitur mentiuntur etiam secundum philosophiam ingorantes Armeni isti “; ibid., cap. 5, 51: „In his errant Armeni aridi mente, quia absque aquaˆ sapientiae Saluatoris multa irrationabilia, falsa, et fabulosa confingunt “; ibid.: „Item Armeni multum irrationabiliter errant […] “; ibid., cap. 12, 55: „Vnde isti fatue` et bestialiter loquuntur dicentes, quod Deus secundum naturam diuinam voluit pati aut mori, sed passus est in quantum filius hominis, vt homo habens naturam humanam […] “; ibid., cap. 13, 55: „Vnde bestialiter absque ratione dicunt Armeni, Christum in natura diuina mortuum; et resurrexisse […] “; ibid., cap. 14, 57: „Igitur mentiuntur Armeni.“ Cf. ibid., cap. 21, 63: „Et in hoc Ecclesia Catholica digne` facit: tum, quia ipsum in quo est lux vera, et in quo tenebrae non sunt vllae, Christi corpus in verum sacrificium offert: tum quia quae pertinent ad tam dignum sacrificium, vere` et bene` tractat, non erronee et ma´le`, vt Armeni, qui quia male` agunt, magis diligunt tenebras quam lucem: ecclesiam claudunt, quia qui male` agit odit luce´, Ioan. 30. tum vt fidelium deuotio in diuinis laudibus crescat, dum intre Ecclesiam Deum orant: tum vt pateat, quod Armeni extra Ecclesiam, et communionem fidelium, propter suos errores, sunt exclusi.“

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schlossenes Begriffsschema, das seinen Wahrheitsanspruch biblisch legitimieren konnte und dessen Geltung weltweit vom Papsttum durchzusetzen war. Richard FitzRalph war ebenfalls davon überzeugt, dass die Wahrheit im lateinischen Westen beheimatet sei. Dass er, ähnlich wie Terreni, in seiner ,Summa‘ die armenischen und griechischen Irrtümer zusammen mit den Irrlehren der Juden sowie den altkirchlichen Häresien behandelte, verdeutlicht bereits, dass die Lehren der Ostkirchen als fundamentale Herausforderung der Katholizität verstanden wurden. Dass die ersten vier Bücher seines als Lehrdialog angelegten Werks die Messianität und Göttlichkeit Jesu und damit einer zwischen Lateinern, Griechen und Armeniern gänzlich unumstrittenen Frage gewidmet waren, legt zunächst nahe, die Lehren der Ostkirchen als konkurrierende Begriffsschemata aufzufassen, mit denen ein Ausgleich nicht auf dem Weg der Verhandlung, sondern allein vermittels von Machtwirkungen zu suchen war. Erst im sechsten Buch widmet er sich mit dem Hervorgang des Geistes einem zwischen lateinischen und östlichen Theologen umstrittenen Thema. Diese Differenz wird durch das literarische Arrangement in die Tradition fundamentaler Herausforderungen der christlichen Lehre gestellt und nicht als Konflikt innerhalb der Christianitas gesehen. Die Kritik an den armenischen und griechischen Lehrmeinungen, insofern sie von den lateinischen differieren, ist dementsprechend scharf. Dabei behandelt FitzRalph die traditionellen Themenfelder: den Primat des römischen Stuhls, das armenische Taufverständnis mit der Annahme, es sei richtig den Täufling vollständig unterzutauchen, Unterschiede in der Sakramentenlehre, bei den Orden und im Amtsverständnis, die griechische Leugnung des Fegefeuers und die von Nerses kolportierte armenische Ansicht, Gottlose würden vor dem Jüngsten Gericht nicht bestraft. Mit der Frage, inwiefern die Seligen das Wesen Gottes schauen könnten, warf er heikle Erinnerungen an jene heftigen Auseinandersetzungen um die von Johannes XXII. formulierte Lehre auf, welche Kurie und Gelehrtenwelt in den 1330er Jahren in Atem gehalten hatten 105. FitzRalph nutzte die Gelegenheit, seine in einer Predigt im Juli 1335 geäußerte Kritik an der päpstlichen Position nun in Bezug auf die Griechen zu reformulieren und auszubauen. Auffällig ist, dass in den letzten fünf der insgesamt neunzehn Bücher der ,Summa‘ der Fokus geweitet wird, wodurch die Kontroversen mit den Ostkirchen in den Hintergrund treten. Viel spricht dafür, dass FitzRalph diese fünf Bücher nachträglich Mitte der 1340er Jahre angefügt hat 106. Indem er seine Ausführungen um solche Fragen ergänzte, welche die Debatten mit Griechen und Armeniern nicht direkt betrafen, sondern sie auf einer Metaebene einholten, löste er seine Schrift aus den aktuell in Avignon geführten Debatten heraus und gab ihr eine Wendung ins Grundsätzliche, welche den Titel ,Summa‘ rechtfertigt. So schickt er im ersten Buch methodologische Überlegungen zur Exegese voraus. Im fünfzehnten Buch befasst er sich mit Autorität und Unfehlbarkeit der Schrift, woran sich im folgenden Buch eine Diskussion anschließt, 105 106

Zu FitzRalphs Rolle im Visio-Streit cf. Walsh, FitzRalph (nt. 11), 89-106. Cf. ibid., 148.

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inwiefern die biblischen Aussagen in Bezug auf futura contingentia gewiss sind. Das siebzehnte Buch erörtert Gottes Mitwirkung bei verdienstlichen Handlungen. Im folgenden Buch wird die Autorität der biblischen Bücher diskutiert, wobei sich mit den Sarazenen ein neuer Gegner bietet. Doch deren Gesetz, der Koran, bestätige gegen die Intentionen seiner Anhänger letztlich nur das evangelische Gesetz. Das abschließende Buch sichert die überlegene Autorität des neuen gegenüber dem alten Gesetz ab, wobei erneut die Differenz der Christen zu den Juden expliziert wird. Auf diese Weise entsteht eine Art Zwiebelmodell der Irrtümer: Die äußeren Bücher der ,Summa‘ sind jenen Irrtümern gewidmet, denen Nichtchristen wie Juden und Sarazenen anhängen; die darunterliegende Lage bilden die alten innerchristlichen Irrtümer der Arianer oder Manichäer, die längst überwunden sind; im Zentrum stehen schließlich die Irrtümer der Griechen und Armenier, die eine aktuelle Herausforderung darstellen. Die Bibel fungiert demgegenüber als Cantus firmus, der in allen Büchern eingesetzt wird, um die Irrtümer zu widerlegen. Die von den Dialogfiguren theoretisch hergeleitete, überragende Autorität der Bibel in Glaubensdingen, genauer des Literalsinns als der vom Autor, also Gott, intendierten Bedeutung 107, erweist sich performativ dadurch als wirksam, dass anhand der Bibel alle Abweichungen von der christlichen Wahrheit zurückgewiesen werden können. Gleichwohl fällt an Richards Vorgehen auf, dass er, anders als Terreni oder Nerses, sich kaum dafür interessierte, welche Irrlehren im Einzelnen von Griechen und Armeniern vertreten wurden. Diese werden zum Eingang jedes Buches eher grob umrissen und nur gelegentlich durch die Figur des Johannes näher ausgeführt. Wichtiger war es FitzRalph vielmehr, die Wahrheit unangreifbar herauszuarbeiten. Die Positionen der Armenier und Griechen werden daher häufig nicht als schroffe Antithesen gegen die lateinische Lehre formuliert, sondern in Frageform 108. Armenier und Griechen erscheinen dann in einer ähnlichen Stellung wie die Figur des Johannes im Dialog: Sie suchen die Wahrheit, vermögen sie jedoch nur unter der Anleitung des Theologen Richardus zu finden. Auf der von allen Christen akzeptierten biblischen Grundlage hoffte er, einen Konsens über das richtige Verständnis der christlichen Lehre herauszuarbeiten. Während Terreni und die Liste der 117 Irrtümer Begriffsschemata gegeneinanderstellten, die kommunikativ nicht übereinkommen konnten, war zwar FitzRalph nicht bereit, wie Barlaam angeregt hatte, Unterschiede in Dogmatik oder Ritus zugunsten höherer Ziele hinzunehmen, doch formulierte er ein kommunikatives Angebot, das diejenigen, die sich noch nicht der von der lateinischen Kirche mit dem Papst an der Spitze repräsentierten Wahrheit geöffnet hatten, einlud, ihre Irrtümer hinter sich zu lassen und der biblischen Lehre zu folgen. Der Diskussion der Frage der zwei Naturen Christi und des Filioque legte er ein Prinzip zugrunde, das er als konsensfähig zwischen Lateinern, Grie107 108

Cf. FitzRalph, Summa (nt. 12), lib. II, cap. 1, fol. 2r. Cf. e. g. ibid., lib. XI, cap. 1, fol. 82v: „Querunt armeni nunquid quilibet sacerdos potest absoluere a quocunque peccato sine superioris licentia.“

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chen und Armeniern betrachtete: „Supposito pro illa regula fidei quam greci et armeni negare non possunt. quod quicquid conuenit siue attribuitur deo aut vni persone conuenit consequenter et diuisim tribus personis diuinis propter identitatem simplicis essentie personarum nisi illud ratione proprietatis personalis alicui persone repugnet et econuerso quicquid conuenit aut attribuitur alicui diuine persone aut duabus communiter seu tribus conuenit deo et sibi attribuitur: quia vnaquamque persona est deus et omnes due persone sunt deus.“ 109 Dieses Prinzip sollte eine Übereinkunft ermöglichen, da aus ihm - so meinte FitzRalph - die Wahrheit der lateinischen Lehren bewiesen werden könne. Das konsensfähige Prinzip sollte als Hebel eingesetzt werden, um die Anhänger der griechischen und armenischen Irrtümer mithilfe der Bibel zur lateinischen Wahrheit führen zu können. Weniger die Widerlegung der Irrtümer wie bei Terreni oder Nerses sollte die Einheit wiederherstellen und die Irrtümer verdrängen, stattdessen wurde die apologetische Bestätigung der Lehren der lateinischen Kirche ein bevorzugtes Mittel, Irrtümer zu überwinden. Nicht die Tatsache, dass einzelne Gläubige oder größere Gruppen irrten, war für den Umgang mit diesen entscheidend. Handlungsleitend sollte vielmehr deren Bereitschaft sein, sich zu korrigieren. Wenn durchweg die Bibel als letztes Richtmaß eingesetzt wurde, um die Wahrheit (oder Falschheit) einer theologischen Position zu erweisen, hatte dies neben der fremdreferentiellen Orientierung, die Irrtümer der Armenier, Griechen, Juden und Sarazenen zu widerlegen, auch eine selbstreferentielle Funktion: FitzRalph wollte unter anderem zeigen, dass die Lateiner ihre theologischen Beweisführungen auf biblischer Grundlage durchzuführen hatten, da in weit höherem Maße der eigene Glauben zu erhellen und nach außen apologetisch zu festigen war als mit jenem Aristotelismus, aus dem sich FitzRalph in seiner ,Summa‘ zu lösen beabsichtigte. In dem mitunter (etwas unglücklich) als autobiographisches Gebet bezeichneten Abschnitt des neunzehnten Buchs beklagte er, so viel Zeit mit dem Studium des Aristoteles verschwendet zu haben, bevor er endlich in Avignon zum richtigen Verständnis der Theologie als biblischer Wissenschaft gelangt sei 110. Welche Früchte diese intellektuelle Reorientie109

110

Ibid., lib. VI, cap. 1, fol. 39r: „Was Gott oder einer Person zukommt oder zugeschrieben wird, kommt folglich auch den drei göttlichen Personen je für sich zu wegen der Identität des einfachen Wesens der Personen, solange jenes nicht aufgrund der personalen Eigentümlichkeit einer Person widerstreitet; und umgekehrt kommt das, was einer oder zwei oder gemeinsam allen drei der göttlichen Personen zukommt oder zugesprochen wird, Gott zu und wird ihm zugesprochen. Denn jede Person ist Gott und je zwei Personen sind Gott.“ Cf. Richard FitzRalph, The Autobiographical Prayer (Summa contra Armenos, lib. 19, cap. 35), in: L. L. Hammerich, The Beginning of the Strife between Richard FitzRalph and the Mendicants, Kopenhagen 1938, 18-22, hier 20,69-21,92. W. Duba hat entgegen der Selbstdarstellung FitzRalphs gezeigt, dass die ,Summa‘ ebenso wie seine späteren Schriften auf methodologischer, formaler und sprachlicher Ebene keinesfalls einen Bruch mit dem Aristotelismus der universitären Scholastik darstellen. Dies ändert jedoch nichts an der für die Argumentation dieses Aufsatzes entscheidenden Tatsache, dass FitzRalph seine Schrift als theologischen Neuansatz präsentierte - wenn auch möglicherweise zu Unrecht; cf. W. O. Duba, Conversion, Vision and Faith in the Life and Works of Richard FitzRalph, in: M. W. Dunne/S. Nolan (eds.), Richard FitzRalph. His Life, Times and Thought, Dublin 2013, 103-127, bes. 104-111.

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rung für ihn selbst wie für die lateinische Theologie insgesamt zu erbringen versprach, sollte seine ,Summa‘ performativ unter Beweis stellen. Irrtumszuweisungen konnten, so sollte dieser Durchgang durch die Auseinandersetzungen mit der armenischen und der griechischen Kirche in den ersten Jahrzehnten des Avignoneser Papsttums zeigen, zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden. Dabei stellten Wahr-falsch-Unterscheidungen eine Möglichkeit dar, anhand epistemischer Kategorien Eigenes gegenüber Anderem zu konturieren. Verbunden war damit immer die Absicht, die eigene Weltsicht zu rechtfertigen und konkurrierende Weltsichten zu delegitimieren. Das Papsttum wie die lateinischen Theologen inszenierten durch die Irrtumsunterstellungen nachdrücklich ihren Anspruch, Wächter der Orthodoxie zu sein und Entscheidungen über konkurrierende Geltungsansprüche treffen zu können. Auf diese Weise konnten sie ihr eigenes Handeln und Entscheiden zu legitimatorischen Zwecken instrumentalisieren, da ihnen eine herausgehobene Stellung innerhalb der Wirklichkeit zugeschrieben wurde, von der aus Wahres vom Irrtum zu unterscheiden war. Byzantiner und Armenier konnten, so meinten die Lateiner, von ihrem begrenzten Standpunkt aus derartig adäquate Unterscheidungen nicht vollziehen, sondern blieben in der Partikularität ihrer Begriffsschemata gefangen. Verbergen konnte sich hinter Irrtumsunterstellungen sowohl ein Kommunikationsangebot wie im Falle der ,Summa in Questionibus Armenorum‘ FitzRalphs als auch in Gestalt der ,Summa de haeresibus‘ des Guido Terreni eine scharfe Grenzziehung zwischen konkurrierenden Begriffsschemata, aus der notwendig folgte, dass das eine sich durch die Anwendung von Machtmitteln gegen das andere durchsetzen musste. Barlaams zwischenzeitlich vorgeschlagener Weg, wechselseitige Irrtumsunterstellungen aus pragmatischen Erwägungen zurückzustellen, erwies sich hingegen weder für die lateinische noch für die griechische Seite als gangbar. Dass er selbst schließlich zum Apologeten der lateinischen Lehre wurde, zeigt, dass es zwar in der politischen Logik der Zeit denkbar war, dogmatische oder rituelle Differenzen auszublenden, um gemeinsame Ziele zu erreichen, der theologisch-religiöse Diskurs dieses jedoch nicht gestattete. Für diesen war vielmehr die Annahme konstitutiv, dass es Irrtümer gebe, dass deren Existenz relevant und dass diese schließlich - entweder durch Argumente oder notfalls durch Gewalt - aus der Welt zu schaffen seien.

Die Irrtümer der christlichen Kabbala Wilhelm Schmidt-Biggemann (Berlin) I. Was ist christliche K abbala Zwischen 1450 und 1750 versuchten die christlichen Kabbalisten vor allem ein philosophisches Lehrgebäude zu errichten, das biblische Allegorese, neuplatonische, neopythagoräische und gelegentlich hermetische Topoi verband 1. Man hoffte, Schöpfungstheologie, die Lehre von den Göttlichen Namen und eine ausgeprägte Eschatologie zu einem einheitlichen spekulativen System zu verbinden. Die christlichen Kabbalisten beschäftigten sich besonders intensiv mit solchen Texten, die vorgaben, uraltes Wissen zu enthalten, selbst wenn sie nur in „ gewöhnlichem“ Griechisch oder Latein überliefert waren. Sie waren davon überzeugt, dass sie durch das Studium dieser Texte den Quellen der paradiesischen Sprache Adams näher kommen könnten; und diese adamitische Sprache galt als göttliche Offenbarung der Schöpfungssprache. Könnte man sie beherrschen, würde sie einen Zugang zum Verständnis der Natur der Dinge ermöglichen. Es ist nützlich darauf hinzuweisen, was Christliche Kabbala nicht ist: Auch wenn sie häufig mit jüdischen Quellen arbeitet und Topoi der jüdischen Tradition verwendet, ist die Christliche Kabbala kein Zweig der jüdischen Tradition. Sie hat ihre eigenen Regeln, ihre Denkmuster sind christlich und beruhen vor allem auf der Theologie der Kirchenväter. Christliche Kabbala ist nicht identisch mit Hermetik, sie ist keine Astrologie, keine Alchemie oder Magie, auch keine personale Mystik in der Tradition von Dionysius Areopagita oder Meister Eckhart, wo die individuelle Seele mit der Gottheit verschmilzt. Christliche Kabbala ist nicht identisch mit Gnosis, sofern Gnosis die in die Antike zurückreichende, häretische Tradition eines transmundanen Gottes bezeichnet, der ein Antagonist des Schöpfergottes ist. I.I Haupttopoi der christlichen K abbala 1. Erster Grund - Ungrund - En Soph Die Dialektik des Ersten Grundes ist eine Variante der neuplatonischen Dialektik des Einen. Wenn Eines bedeutet, dass keine Differenz besteht, dann kann 1

In diesem Aufsatz habe ich gelegentlich auf Stücke meiner Geschichte der Christlichen Kabbala, vol. 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 2012 zurückgegriffen.

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Eines nicht als Eines gedacht werden, sondern nur in der Differenz zur Zwei. Damit wäre aber die Bedingung, dass es Eines ist, was keine Differenz hat, aufgegeben. Schon im Denken muss man die Differenz zwischen Denkendem und Gedachten akzeptieren - und kann deshalb Eins nicht als differenzlos denken. Das indifferente Eine ist deshalb nur als Negation jeder Differenz zu verstehen. Mit dem Ersten Grund ist es ähnlich: Wenn begreifen heißt, dass man im Denken etwas umgreift, dann kann der erste Grund nicht vom Denken begriffen werden, weil sonst das Denken der Erste Grund wäre. Ein Grund ist nur im Verhältnis zur Folge denkbar, deshalb kann der erste Grund nur aus seiner Folge begriffen werden. Er kann niemals als das Erste selbst, sondern immer nur, nachdem er sich durch seine Folge als Grund offenbart hat, begriffen werden. Der hebräische Ausdruck für diesen Gedanken ist En Soph, ohne Grund, ohne Ende. Die deutsche Übersetzung hat Jakob Böhme gefunden: Ungrund. 2. Göttliche Namen. Der göttliche Name ist in der jüdischen Gotteslehre (Ex, 3, 2-8) durch das Tetragramm IHWH charakterisiert; es ist der Name, der aus der Devotion Gott gegenüber nicht ausgesprochen werden darf. Paulus hat den Namen Jesu im Philipperbrief (2,10) mit diesem göttlichen Namen verbunden: Vor dem Namen Jesu, der über allen Namen ist, beugt sich alles im Himmel, auf Erden und unter der Erde. Jesus Christus ist damit vergöttlicht, der durch IHWH benannte Gott wird zum Vater Jesu Christi. 3. Pythagoreische Christologie Im Anschluss an trinitarische Spekulationen bei Nikolaus von Kues wird die neopythagoriäische Arithmologie als Indiz der Trinitätslehre gedeutet: Weil die indifferente Eins nur durch die Differenz zur Zwei gedacht werden kann, sind Eins und Zwei im Denken untrennbar miteinander verbunden. Die Drei ist das Indiz dafür, dass das Verhältnis von Eins und Zwei nicht als unverbundene absolute Differenz verstanden werden kann, sondern dass Eins und Zwei durch ein Drittes zusammengehalten werden müssen, das beiden gemeinsam ist. Dieser Gedankengang lässt sich leicht auf das trinitarische Verhältnis von Vater, Sohn und Geist anwenden. Zugleich kann diese Spekulation logostheologisch gedeutet werden: Im Sohn denkt sich der Vater selbst. Dieses Denken ist das Selbstverhältnis der Trinität, in dem der Sohn derjenige Logos ist, als der sich der Vater selbst begreift. Dieser Selbstbezug im Denken der Trinität ist der Heilige Geist. Der innertrinitarische Logos stülpt sich nun im Schöpfungsprozess sozusagen nach außen: Gott denkt sich hier nicht mehr selbst, sondern etwas von sich Unterschiedenes: das ist die primordiale Konzeption der Welt.

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Diese vorgedachte Welt wird real durch die realisierende Befehlskraft des Wortes: Fiat! Der innertrinitarische Logos wird in diesem Prozess zum Schöpfungslogos. Es ist derselbe Logos, der nach dem Prolog des Johannesevangeliums Fleisch geworden ist und es ist auch der Logos, der im Jüngsten Gericht die Welt richten wird.

4. Mariologie Die Anwesenheit des Logos in der Welt wird mariologisch gedeutet. Maria wird mit dem biblischen Buch der Weisheit als die Braut Gottes, als Sophia, und als unbefleckte Matrix der Schöpfung verstanden. Deshalb ist sie die Schechina, der Ort Gottes in der Welt. Zugleich ist mit dieser Spekulation ihre Rolle als Gebärerin des Heilandes kosmisch überhöht. Für diese Bedeutung Mariens steht die Kabbala ihres Namens: Mar - iam: hoch - Meer, - hoch über dem Meer, Stella Maris.

5. Sephiroth: Christlich Die Lehre der Sephiroth ist das das Herzstück der jüdischen Kabbala. Hier wird die Macht Gottes in 10 Prädikaten gefasst, die einander wie in einem Baum zugeordnet sind. 1. Keter (Krone) 3. Bina (Klugheit) 5. Din ( Justiz, iudicium)

2. Chokhma (Weisheit) 4. Chesed (Gnade, pietas, clementia)

6. Tiferet (Schönheit, Pracht, Herrlichkeit) 8. Hod (Majestät)

7. Nezach (Sieg, Dauer)

9. Jesod (Fundament) 10. Malkhut (Herrschaft) Die christlichen Kabbalisten interpretieren die ersten drei Sefiroth Keter, Chokhma und Bina als Verweise auf die Trinität und deuten die übrigen sieben als Kräfte Gottes in der Schöpfung.

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6. Lingua Adamica: Schöpfungssprache und Weltvollendung. Im Anschluss an Philo von Alexandrien und an die christlichen Kirchenväter, die ihm folgen, vor allem Ambrosius und Augustinus, wird Gottes Schöpfungswort als das magische Hebräisch gedeutet, das Gott dem Adam mitteilte, als der die Tiere benannte (Gen 2. 19, 20). Diese Sprache enthielt die wesentliche Kenntnis aller geschaffenen Dinge in ihrem paradiesischen Zustand vor dem Sündenfall. Die Kenntnis dieser Sprache, die die Kabbala erlangen will, vermittelt zugleich Einsicht in die Welt, wie sie am Ende aller Zeit wiederhergestellt werden wird. II. Pico als Ketzer Giovanni Pico della Mirandola war der erste, der dieses Programm christlicher Kabbala verfolgte - er hat sicher noch nicht alle Implikationen dieser Lehre erfasst, aber er hat den Horizont für diese Spekulative Theologie eröffnet. Im Jahr 1486 veröffentlichte Pico 900 Thesen, die er aus dem gesamten Bereich der philosophisch-theologischen Wissenschaft zusammengestellt hatte. Er machte sich anheischig, diese Thesen vor einer Versammlung von Gelehrten zu verteidigen, die er zugleich für Epiphanias 1487 nach Rom einlud. Nach Epiphanias würden die Thesen diskutiert. Er erbot sich, die Reisekosten für die Disputanten zu übernehmen. Eine solche Disputation war ein großes Vorhaben für einen 23-jährigen - auch wenn er ein vermögender Graf war, sich selbst als Ausnahmegelehrter begriff und wohl den Eindruck hatte, mit seiner Wissenschaft auf dem Weg zu dem Heilswissen zu sein, das alle Einzelwissenschaften überflüssig machen sollte und das am Ende von Erlösung ununterscheidbar war. Einige Informationen zu seiner Biographie mögen an dieser Stelle hilfreich sein: Giovanni Pico Graf von Mirandola (1463-1494) studierte zunächst Jurisprudenz in Bologna, danach Philosophie in Ferrara, wo er wahrscheinlich Savonarola kennenlernte, danach in Padua, wo er seine Aristoteles- und AverroesKenntnisse erwerben konnte. 1483 schloss er ein Erbschaftsabkommen mit seinen Brüdern, er bekam ein Drittel der Einkünfte seiner Grafschaft, war aber von Administrationsaufgaben befreit 2. Damit hatte er den Status eines unabhängigen reichen Gelehrten. 1484 nahm er seinen Hauptwohnsitz in Florenz ein. Dort wurde er von Poliziano und Ficino erwartet, von Poliziano eher reserviert, von Ficino enthusiastisch 3. Im Sommer 1485 reiste Pico von Florenz nach Paris, um dort an der Sorbonne Theologie und Philosophie sowie die scholastischen Wissenschaftspraktiken zu studieren. In Paris konnte er die Kenntnisse, die er aus Ferrara und 2 3

Cf. E. Garin, Giovanni Pico della Mirandola: Vita et dottrina, Florenz 1937, 15 Cf. R. Marcel, Marsil Ficin (1463-1499), Paris 1958, 466-479; Garin, Giovanni Pico della Mirandola (nt. 2), 6 sq.

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Padua mitgebracht hatte, vertiefen. Die Idee, die gesamte Wissenschaft in Thesen zusammenzustellen und diese öffentlich diskutieren zu lassen, stammt, wie er selbst mitteilt, von dieser Reise. Als er am 8. März 1486 nach Florenz zurückkehrte, hatte er jedenfalls die Skizzen zu seinen Thesen im Gepäck. Allerdings gehörten die Sätze zur Kabbala mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht dazu. Im Frühjahr 1486 nämlich, nahm er Flavius Mithridates in seine Dienste, einen sizilianischen Juden arabischer Abkunft, der zum Christentum konvertiert war und eine außerordentliche Kenntnis hebräischer und kabbalistischer Literatur besaß, über eine reiche Sammlung Cabalistica verfügte und bereit war, diese für Pico zu übersetzen 4. Pico war davon überzeugt, es handle sich bei den Manuskripten, die ihm Mithridates anbot, um Teile der 70 geheimen Bücher Esras, in denen die Geheimnisse aufgeschrieben seien, die Gott am Sinai dem Moses mitgeteilt habe 5. In diesen Büchern vermutete Pico die geheime nämlich christologische - Auslegung des Alten Testaments, die er als Theosophie im Sinne des Dionysius Areopagita verstand 6. Nach einer Frauen-Entführungsaffäre, die ihn für kurze Zeit in Haft brachte, vollendete er in Perugia die Zusammenstellung der 900 Thesen - jetzt unter Einschluss der kabbalistischen Sätze, für die geplante Disputation in Rom und schrieb die einleitende ,Oratio‘, die später, in der Ausgabe Straßburg 1504, den Titel ,De dignitate hominis‘ bekam 7. Am 12. November 1496 berichtete er seinem Freund Girolamo Benevieni, dass die ursprünglich auf 700 geplanten Thesen auf 900 angewachsen seien - die Kabbala-Thesen waren neu - und eine ,Oratio‘ dazugekommen sei. Schon am 7. Dezember 1486 erscheinen die Thesen gedruckt in Rom ,Opera venerabilis viri Eucharii Silber alias Franck‘ 8. 4

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Zu Mithridates cf. W. Schmidt-Biggemann, Geschichte der Christlichen Kabbala (nt. 1), vol. 1, 271-280. Für die Literatur zu Mithridates cf. ibid., vol. 4, Nr. 1.5.14-29. Cf. Giovanni Pico della Mirandola, Apologia, in: Opera omnia Ioannis Pici Mirandulae, ed. Basileae (per Henricum Petri) 1557 [Nachdruck: Hildesheim 1969], 2 vols., vol. 1, 123: „[…] qui tunc superant sapientibus, afferret unusquisque in medium, quae de mysteriis legis memoriter tenebat, adhibitisque notariis, in septuaginta volumnia, tot enim fere` in synhedrio sapientes rdigerentur. […] Hi sunt libri scientiae Cabalae, in quibus merito` Esdras venam [?] intellectus, id est ineffabilem de supersubstantiali deitate theologiam, sapientiae fontem, id est, de rebus naturalis firmissimam philosophiam esse, clara in primis voce pronunciavit.“ Cf. das vierte Buch Esra und dazu W. Schmidt-Biggemann, Johannes Reuchlin und die Anfänge der christlichen Kabbala, in: id. (ed.), Christliche Kabbala (Pforzheimer Reuchlinschriften 10), Ostfildern 2003, 9-48. Cf. Giovanni Pico della Mirandola, Apologia (nt. 5), 122. Zum Begriff Theosophie cf. C. Gilly, Khunrath und das Entstehen der frühneuzeitlichen Theosophie, in: Heinrich Khunrath, Amphitheatrum sapientiae Aeternae - Schauplatz der ewigen allein wahren Weisheit, vollständiger Reprint des Erstdrucks von [Hamburg] 1595 und des zweiten und letzten Drucks Hanau 1609, mit einer Bibliographie der Drucke und Handschriften Khunraths, Namenregister und Konkordanz der beiden Ausgaben sowie der Transkription einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden deutschen Übersetzung des ,Amphitheatrum sapientiae Aeternae‘ (Clavis Pansophiae 6), edd. C. Gilly e.a., Stuttgart-Bad Cannstatt 2014, 9-22. Cf. Garin, Giovanni Pico della Mirandola (nt. 2), 29 sq. Cf. S. A. Farmer, Syncretism in the West: Pico’s 900 Theses (1486). The Evolution of Traditional Religious and Philosophical Systems (Medieval and Renaissance Texts and Studies 167), Tempe (AZ), 553; L. Valcke/R. Galibois, Le Pe´riple intellectuelle de Jean Pic de la Mirandole, Quebec 1994; A. Thumfart, Die Perspektive und die Zeichen. Hermetische Verschlüsselungen bei Gio-

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1. Die Verurteilung Picos Pico stellte seine Sicht der Kabbala so konzise wie sonst nirgendwo in seiner Einleitung in die 900 Konklusionen, in der Rede, die später ,De dignitate hominis‘ genannt worden ist, dar 9. Gleichwohl zeigt er sich davon überzeugt, dass die kabbalistischen Quellen, die er nicht im Original lesen konnte, sondern die ihm in der Übersetzung des Mithridates vorlagen, die christliche Dogmatik schon als mosaisches Geheimwissen enthielten, das auf dem Sinai offenbart und seither klandestin tradiert wurde. Er stützt diese These vor allem mit dem apokryphen 4. Buch Esra, mit Origenes 10 und Hilarius 11. In diesem Zusammenhang wird Esra sozusagen christianisiert. Es handele sich, glaubt Pico, bei den kabbalistischen Werken um 70 Bücher, die Esra vorgelegen hätten und seit dieser Zeit weitertradiert worden seien. Auch Jesus habe sie gekannt. 12 Vor allem aber stellt Pico die Theologie des Dionysius Areopagita nicht nur als Geheimlehre des Paulus, sondern als geheime, kabbalistische Offenbarung Jesu dar. Jesus selbst gehört damit in den Zusammenhang der geheimen, von Moses rezipierten kabbalistischen Theologie. „Origenes versichert uns, dass Jesus Christus, der Meister des Lebens, vieles seinen Jüngern offenbart habe, was diese nicht niederschreiben wollten, damit es nicht zum Gemeinbesitz der Menge würde. Das bestätigt besonders Dionysius Areopagita, der sagt, dass die geheimen Mysterien unserer Religion von Seele zu Seele, ohne Buchstaben, nur das Wort, übermittelt worden seien.“ 13

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vanni Pico della Mirandola, München 1996; B. P. Copenhaver, The Secret of Pico’s ‘Oration’ Cabala and Renaissance Philosophy, in: Midwest Studies in Philosophy 26 (2002), 56-81. In einer Straßburger Ausgabe von 1504, die von Jacob Wimpheling und Hieronymus Emser herausgegeben wurde.; cf. Farmer, Syncretism in the West (nt. 8), 18 sq., nt. 50. Für Origenes führt Pico in der ,Apologia‘ den Kommentar zu Röm. 3 an, wo es um die Beschneidung geht, die alleine als göttliches Geheimnis gedeutet werden könne: „Quid ergo amplius video, aut quae utilitas circumcisionis, multum per omnem modum. Primum quidem quia credita sunt illis eloquia Dei. dicit Origenes, Considerandum est, quia non dixerat literas esse creditas, sed eloquia Dei. Ex quo dicto Origenis habes, quod praeter legem aliud quid traditum fuerit Iudaeis, quod hic vocat Paulus eloquia Dei “ (Giovanni Pico della Mirandola, Apologia [nt. 5], 176). Cf. Origenes, Comentaria in Epistolam B. Pauli ad Romanos, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Graeca, vol. 14, Paris 1857, coll 8371292. Cf. W. G. Craven, Giovanni Pico della Mirandola. Symbol of his Age, Genf 1981, 61. Auf die Bedeutung des Origenes für Pico haben vor allem hingewiesen: E. Wind, The revival of Origen, in: D. Miner (ed.), Studies in Art and Literature for Belle Da Costa Greene, Princeton 1954, 412-424; G. Di Napoli, Giovanni Pico ella Mirandola e la problematica dottrinale del suo tempo (Collectio philosophica Lateranensis 8), Rom 1965, 501. Cf. auch H. De Lubac, Pic de la Mirandole. E´tudes et discussions, Paris 1974. Cf. Hilarius Pictavensis, Expositio in Psalmos, II, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 9, Paris 1844, 262 sq.; Giovanni Pico della Mirandola, Apologia (nt. 5), 176: „In expositione Psalmi secundi: quare fremuerunt gentes &c. scribit. Erat etiam iam a Moyse ante institutum, in omni synagoga 70. esse doctores; nam idem Moyses, quamuis ueteris testamenti uerba, in literis condidisse, tamen separatim quaedam ex occultis legis secretiora mysteria, 70. senioribus, qui doctores deinceps manerent, intimauerat. Cuius doctrinae etiam Dominus in Euangelijs memini dicens. Super cathedram Moysi sederunt scribae & Pharisaei.“ Cf. id., Oratio de dignitate hominis, ed. Basileae (nt. 5), 329. Cf. Pico della Mirandola, Oratio de dignitate hominis - Über die Würde des Menschen, transl. H. W. Rüssel, Zürich 1988, 57. Ibid. (transl. Rüssel [nt. 12], 57).

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Die Wahrheiten Gottes werden durch den Logos von Seele zu Seele übertragen, das ist Teil der christlichen Logos-Lehren und auch der Logos-Theologie. Christus ist damit sowohl die Wahrheit des Logos als auch der, in dem sich die christliche Wahrheit, von Moses mündlich tradiert, verkörpert. Diese mosaischchristlich-dionysische Kabbala hat eine doppelte Valenz: Sie ist einmal in ihrer Offenbartheit durch den Logos präsent - vom Nous der Seele mitgeteilt und sie ist geschichtlich real, ein auf dem Sinai offenbartes Geheimnis. Dieses Geheimnis findet Pico in der „Cabala, quod idem est apud Hebraeos quod apud nos receptio“ 14; und er ist davon überzeugt, dass es sich bei den Büchern, die er (von Mithridates) erworben hat, um Teile des Corpus der 70 Bücher handelt, die Esra für die Weisen vorgesehen hatte 15. Ihre ewigen Wahrheiten entsprechen der christlichen Dogmatik: „Hier findet man das Geheimnis der Dreieinigkeit, hier die Fleischwerdung des Wortes, hier die Gottheit des Messias, die Lehre von der Erbsünde - von ihrer Sühnung durch Christus, die Lehren über das himmlische Jerusalem, über den Fall der Dämonen, über die Ordnungen der Engel, über das Fegefeuer, über die Strafen der Unterwelt. Ich habe dort dasselbe gelesen, was wir bei Paulus und Dionysius, bei Hieronymus und Augustinus täglich lesen.“ 16

Die für die Dreikönigswoche 1487 geplante Disputation von Picos 900 Thesen, von denen die letzten 200 der Kabbala gewidmet waren, kam nicht zustande. Das lag einerseits daran, dass sie eher jugendlich leichtsinnig geplant und keine der bedeutenden gelehrten Institutionen in diese Pläne involviert war; weder die päpstlichen Behörden noch irgendwelche Orden oder Universitäten. Ein solches - institutionell in der Luft hängendes - Projekt war mindestens riskant und folglich suspekt. Die Prüfung der Thesen durch die kirchlichen Instanzen fiel dann auch entsprechend aus: Die Thesen wurden inspiziert, 13 Thesen wurden geprüft, drei für ketzerisch erklärt 17. Die Disputation war damit hinfällig geworden. Die drei Thesen, die verdammt wurden, waren: 14 15

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Ibid. (transl. Rüssel [nt. 12], 60). Cf. id., Epistolae, ed. Basileae (nt. 5), 367 sq. (an Marsilio Ficino). Chaim Wirszubski, Pico’s Encounter with Jewish Mysticism, Princeton 1989, betont: „The idea that the true interpretation of the law is descended from Mount Sinai can be picked up anywhere in Hebrew literature; and th idea that the Kabbala is the interpretation of the mysteries of the Law can be found in a variety of Kabbalistic books“ (129). Giovanni Pico della Mirandola, Oratio de dignitate hominis, ed. Basileae (nt. 5), 330: „Ibi Trinitatis mysterium, ibi verbi incarnatio, ibi Messiae divinitas, ibi de peccato originali, de illius per Christum expiatione, de caelesti Hierusalem, de casu daemonum, de ordinibus angelorum, de purgatoriis, de infernorum poenis, eadem legi apud Paulum et Dionysium, apud Hieronymum et Augustinum“ (transl. Rüssel [nt. 12], 59 und 62). Die erste sieben Thesen, die Pico der Kommission offensichtlich erfolglos erläuterte, finden sich L. Dorez/L. Thuasne, Pic de la Mirandole en France. 1485-1488, Paris 1897 [Neudruck: Genf 1976], 121-125, die folgenden sechs, zu deren Diskussion er nicht erschien, 132 sq. Craven, Giovanni Pico della Mirandola (nt. 10), 49, kommentiert diesen Sachverhalt trocken: “Modern interpreters have been more successful in finding heresies than the commission; they have found more than enough to justify Pico’s damnation.”

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„1. Christus non veraciter et quantum ad realem praesentiam descendit ad inferos, ut ponit Thomas et communis via, sed solum quoad effectum. 2. Peccato mortali finiti temporis, non debetur poena infinita secundum tempus, sed finita tantum. 3. Nulla est scientia, quae nos magis certificet de divinitate Christi, quam Magia et Cabala.“

Die päpstliche Kommission verurteilte allein die Thesen, hingegen nicht die Person Pico 18. Es scheint, als hätten die kirchlichen Behörden vornehmlich die öffentliche Diskussion der Thesen vermeiden wollen. Pico selbst war bis zu diesem Zeitpunkt an Leib und Leben jedenfalls nicht bedroht. Aber er schätzte die Situation falsch ein. In 20 Tagen und Nächten schrieb er eine ,Apologie‘ der Anklagethesen, verteidigte die Magie, die kabbalistische Interpretation der Bibel, die Libertas credendi und schließlich den umstrittenen, griechischen Kirchenvater Origenes. Im Übrigen betonte er mit großem Nachdruck, er sei kein Häretiker, denn er wolle der Kirche nicht widersprechen. Allerdings nahm er für sich das augustinische Bekenntnis in Anspruch „errare possum, haereticus esse non possum“ 19. Er widmete sein Buch, das Ende Mai 1487 im Druck erschien, Lorenzo dei Medici. Die ,Apologie‘ verschlechterte seine Position erheblich: der Papst, der Pico gegenüber ursprünglich wohlwollend gesinnt war, schwenkte um und reagierte prompt. Schon am 6. Juni stellten die päpstlichen Behörden fest, dass es sich jetzt um Ungehorsam und damit um praktische Häresie handele, „weil, wie wir annehmen, jener Johannes Picus, […] unter Missachtung unserer Vorschrift und Erklärung neue Schriften hinzufügte“ 20. Am 31. Juli unterschrieb Pico eine Unterwerfungserklärung. Trotzdem fertigte Innozenz VIII. am 5. August die ,Damnatio propositionum Ioannis Pici Comitis Concordiae‘ aus und im Dezember wurde sie veröffentlicht. Sie beinhaltet ein Druck- und Leseverbot der 900 Thesen sowie der Apologie bei Strafe der Exkommunikation. 2. Pedro Garcias Widerlegung Picos Pedro Garcia (Pietro oder Petrus Garsia) war wesentlich für die Verurteilung Picos verantwortlich. Pedro Garcia war bereits zu Beginn des Prozesses gegen Pico im Jahre 1487 einer seiner schärfsten Gegner. Er hatte als Mitglied der päpstlichen Untersuchungskommission für die Verdammung der 13 inkriminier18

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Cf. Garin, Giovanni Pico della Mirandola (nt. 2), 33. Pico scheint sich der Zensurkommission gegenüber sehr ungeschickt verhalten zu habe. Zum ersten Termin war er erschienen, war zu 7 Thesen befragt worden, aber er appellierte an das Collegium Sacrum und an den Papst. Zu zwei weiteren Terminen (6. und 8. März 1496), an denen 6 weitere Thesen geprüft werden sollten, erschien er nicht. Daraufhin ordnete der Papst an, ihn nicht weiter vorzuladen. Pico antwortete schriftlich auf die Vorwürfe; seine Antworten wurden am 12. und 13. März geprüft und für unzureichend befunden. Cf. Dorez/Thuasne, Pic de la Mirandole en France (nt. 17), 63 sqq. Giovanni Pico della Mirandola, Apologia (nt. 5), 213. Zitiert nach Garin, , Giovanni Pico della Mirandola (nt. 2), 34: „[…] cum, sicut accepimus, idem Johannes Picus […] provisione et declaratione nostra non expectata, nova scripta […] addiderit.“

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ten Thesen gestimmt. Nach der Veröffentlichung von Picos ,Apologia‘ hatte er im Auftrag des Papstes 1489 eine Widerlegung von Picos Verteidigung des Origenes geschrieben 21. Er stammte aus Ja`tiva, einem Städtchen südwestlich von Valencia, war Bischof von Ales in Sardinien und vor allem Professor der Theologie an der Sorbonne. Pedro Garcia war wesentlich mit daran beteiligt, dass schließlich alle 900 Thesen Picos mitsamt der Apologie indiziert wurden und er hatte die Zensur mit einem eigenen umfangreichen Werk gerechtfertigt, das 1489 bei Eucharius Silber erschien, demselben Drucker, der zuvor Picos 900 Thesen gedruckt hatte. Der vollständige Titel: „Petri Garsie Episcopi Ussellensis ad sanctissimum patrem et dominum Innocentium papam VIII. determinationes magistrales contra conclusiones apologales Joannis Pici Mirandulani Concordie Comitis.“ 22 Der Traktat verurteilte Picos Philosophie insgesamt und wendete sich gegen die „900 Conclusiones“ ebenso wie gegen deren ,Apologia‘ 23. Die Vorwürfe, die der spanische Theologe Garcia gegen Picos Konzept von Kabbala erhoben hatte, waren erheblich. Sie stimmten teils mit den philologischkritischen Stimmen gegen die Kabbala überein, teils zeigten sie die harte, spanische Linie gegen die jüdischen Traditionen überhaupt. Die Kritik Garcias lässt sich in 12 Thesen zusammenfassen: 1. In den „Antiquitates Iudaicae“ bei Josephus Flavius finde sich keine Erwähnung der Kabbala. 2. Der Streit zwischen Christen und Juden über die Ankunft des Messias und über die Trinität könne nicht mit der Annahme eines mystischen Sinns des Alten Testaments gelöst werden. 3. Mit dem paulinischen, geistigen Sinn der Schrift sei nicht die Kabbala gemeint. 4. Die Kabbala sei keine strenge Doctrina und habe deshalb auch keine Autorität. 21

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Cf. H. Crouzel, Une controverse sur Orige`ne a la Renaissance. Jean Pic de la Mirandole et Pierre Garcia, Paris 1977; W. Schmidt-Biggemann, Christliche Kabbala als Provokation der Theologie: Der Fall Pico della Mirandola, in: G. Krieger (ed.), Herausforderung durch Religion? Begegnungen der Philosophie mit Religionen in Mittelalter und Renaissance (Contradictio. Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte 11), Würzburg 2011, 285-298. Impressum Romae apud Eucharium Silber alias Franck natione Allemannum ab anno nostrae salutis MDCCCCLXXXIX die vero XV mensis Octobris (expl. C 187 v). Cfl. P. E. Fornaciari, L’Apologia di Arcangelo da Borgonovo in Difesa delle Conclusiones Cablisticae di Giovanni Pico della Mirandola, in: Vivens homo V/2 (1994), 574-591, hier 571, nt. 10. Arcangelo der Burghonovo, der an der Rechtfertigung der christlichen Kabbala besonderes Interesse hatte, unternahm die Widerlegung der Kabbala-Kritik Garcias, die er, gemeinsam mit seinen Erläuterungen der 72 kabbalistischen Thesen Picos secundum opinionem propriam, wohl auf Anraten seines Schülers Gerolamo da Castelbolognese, 1564 im Druck erscheinen ließ. Der Titel ist von barockem Umfang: „Archangelis de Burgonovo agri placentini Ordinis minorum pro defensione doctrinae Cabalae contra Reverendum D. Petrum Garziam episcopum Usselensem Mirandulam inpugnatem sed minime laedentem. Et conclusiones Cabalisticae LXXII secundum opinionem propriam eiusdem Mirandulae ex ipius Hebraorum sapientium fundamentis Christianem religionem declarantes.”

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5. Die mystischen Schriftauslegungen der gelehrten Hebräer seien falsch, denn sie seien mit den christlichen inkompatibel. 6. Wenn es sich bei der Kabbala um eine mündliche Überlieferung seit Moses handele, dann müsse sie im Talmud aufgezeichnet sein; dort finde sie sich aber nicht. 7. Wenn es sich um eine mündliche Überlieferung handele, dann könne diese nicht gleichzeitig anagogische oder allegorische Exegese sein. 8. Aus der anagogischen oder allegorischen Exegese könne keine sichere Lehre gegen die Juden gewonnen werden. 9. Der anagogische oder allegorische Sinn könne nicht auf jeden Passus der Schrift angewandt werden. 10. Die gelehrten Juden, die von Hieronymus, Augustin, Eusebius, Clemens und Origenes angeführt würden, seien keine Kabbalisten, sondern Talmudisten. 11. Innozenz IV. und Gregor hätten angeordnet, den Talmud zu verbrennen, weil er viele Häresien enthalte. Das solle auch für die Kabbala gelten. 12. „Qui sequuntur scientiam cabalae habendi sunt tamquam suspecti de perfidia iudaica.“ 24 Es lässt sich nicht leugnen: Die Thesen Garcias gegen Pico sind zutreffend. Die Kabbala vertritt Lehren, die sich weder mit der Exegese noch mit der christlichen Dogmatik, sofern man sie strikt auslegt, vereinbaren lassen. Die Kritik ist in allen historisch-philologischen Punkten berechtigt. Die biblische Dignität der Kabbala lässt sich nicht nachweisen. Selbst wenn Garcia die uralte Tradition der Kabbala akzeptiert - die Relevanz der Kabbala für die christliche biblische Botschaft ist nicht nachweisbar. Positiv bewertet, ist sie phantastische Erbauungsliteratur, dogmatisch streng beurteilt, ist sie Ketzerei. 3. Picos letzte Jahre Die Geschichte setzt sich für Pico auf diese Weise fort: Mit dem Verbot der 900 Thesen und der Apologie war ein weiterer Prozess gegen ihn unausweichlich. Um einer Verurteilung als Ketzer zu entgehen, floh Pico Richtung Frankreich. Die Flucht, ein weiterer Akt der Insubordination nach der Veröffentlichung der Apologie, verschlimmerte seine Situation erneut, denn seine Flucht wurde zugleich als Schuldeingeständnis der Ketzerei bewertet. Er wurde exkommuniziert und die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten aufgefordert, den flüchtigen Ketzer festzunehmen. Als Pico von seinem Haftbefehl erfuhr, verbrannte er alle Bücher, die gegen ihn verwandt werden konnten 25. Er dachte 24 25

Cf. Fornaciari, L’Apologia di Arcangelo da Borgonovo (nt. 22), 574-591, hier 584. Dorez/Thuasne, Pic de la Mirandole en France (nt. 17), 159, zitieren den Gesandtschaftsbericht aus Turin vom 26. März 1488: „Praeterea compertum habemus quod cum primum sensit se detentum ab eodem Philippo [i. e. Philipp von Savoyen, der ihn auch festnehmen ließ], combussit omnes libros, scripturas et alia ex quibus aliqua suspitio contra eum oriri potuisset; propter quod non fuit necesse facere aliam inquisitionem eorundem librorum et scripturarum […].“

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wohl, er könne zunächst nach Deutschland gehen und in der Bibliothek des Kardinals von Kues studieren 26, aber er wurde im Februar 1488 bei Lyon auf savoyardischem Boden verhaftet und eingekerkert. Auf politischen Druck des französischen Königs Karls VII. hin, der Pico als Astrologen schätzte 27, des Lorenzo dei Medici und der Gonzaga wurde er allerdings im März wieder freigelassen und ausgewiesen. In Turin erreichte ihn die Einladung Marsilio Ficinos, nach Florenz zu kommen und dort ein Leben als Gelehrter zu führen. Vom Sommer 1488 an war er dann wieder in Florenz. Seit 1490 begann sich die Situation zu verändern. Alexander VI. revozierte 1493 auf Bitten der Medici die Indizierung von Picos Kabbala-Texten. Nun konnten Picos vorher als irrig befundenen Thesen auch innerhalb des kirchlichen Rahmens vertreten werden - und sie bildeten nun den Nukleus der christlichen Kabbala. Reuchlin und alle christlichen Kabbalisten des 16. Jahrhunderts beriefen sich nun auf Pico. Picos Lebensende ist von der Theatralität, die sein gesamtes Leben kennzeichnete. Er war schon lange mit Girolamo Savonarola bekannt und überredete Lorenzo dei Medici, den Dominikaner in die Stadt zu holen 28. Pico blieb ein geachteter Partner und Ratgeber Savonarolas, obwohl der seine Philosophie nicht recht akzeptieren mochte. Umgekehrt hatte Savonarola einen großen Einfluss auf ihn 29. Am 1. September 1493 vermachte Pico seine Immobilien dem Ospdedale von Santa Maria Nuova; die beweglichen Güter, vor allem die berühmte Bibliothek 30, überließ er seinem Bruder Anton Maria. Er litt das ganze letzte Jahr unter schweren Depressionen und schlief in seinem Sarg. Am 24. September 1494 soll er Anweisung gegeben haben, sein Grab fertig zu stellen; am 17. November 1494 starb er, 31 Jahre alt, mit seiner Kirche versöhnt und durch ihre Sakramente getröstet, wie der Neffe Gianfancesco schreibt. Am selben Tag nahm Karl VIII. Florenz ein und Savonarolas apokalyptische Karriere erreichte ihre letzte, tödliche Phase. Wie sehr Savonarola an Pico hing, zeigt die Tatsache, dass er den frommen Philosophen trotz der politischen Turbulenzen, in denen die Rettung von Florenz völlig von ihm, dem Prior der Dominikaner, abhing, in einer Dominikanerkutte in seinem Kloster San Marco beerdigte. In einer 26

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Cf. Dorez/Thuasne, Pic de la Mirandole en France (nt. 17), 159: “Non erit tamen mirum si aliquem laqueum sibi [i. e. Pici] paratum; sed quia, ut nobis Placentiae dixit, cupiebat proficisci in Germaniam maxime studio videndi bibliothece olim cardinalis de Cusa, et librorum comparandorum causa, forte etiam propter hoc maluit per Germaniam iter facere.“ Cf. ibid., 169. Er kam aus Deutschland, wohin er aus dem Kirchenstaat geflohen war. Cf. G. C. Garfagnini, Savonarola tra Giovanni e Gianfracesco Pico, in: id. (ed.), Givanni Pico della Mirandola. Convegno internazionale di sui cinquecentesimo anniversario della morte (1494-1994), Mirandola 4-8. Ottobre 1994, Florenz 1997, 237-279; id., Pico tra filosofia ebraica e „quabbala“, in: P. Viti (ed.), Pico, Poliziano et l’umanesimo di fine Quattrocento, Florenz 1994, 193-223. Cf. P. Kibre, The Library of Pico della Mirandola, New York 1936. Reste dieser Bibliothek liegen in der Bayrischen Staatsbiliothek in München.

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Predigt berichtete er wenig später von einem Traum, der ihm Giovanni Pico gezeigt habe: Pico sei erst spät zum rechten Glauben zurückgekehrt, deshalb leide er noch im Fegefeuer 31.

III. Reuchlin und der Streit um die jüdischen Bücher. Im Jahre 1510 wurde Johannes Reuchlin - er war bereits 55 Jahre alt, Richter des Schwäbischen Bundes, ein gefeierter Gelehrter und Hebraist, „Miraculum trilingue“, Dichter lateinischer Theaterstücke (,Scenica Progymnasmata‘, 1498; ,Sergius‘, 1498), gefragter Übersetzer aus dem Griechischen und Verfasser einer hebräischen Grammatik (,De rudimentis hebraicis‘, 1506) - 13 Jahre nach dem Erscheinen seines kabbalistischen Erstlings ,De Verbo Mirifico‘ in die Affäre um das Verbot jüdischer Bücher hineingezogen. Der Konvertit Johannes Pfefferkorn, der seine ehemaligen Glaubensbrüder auch mit Gewalt zur Konversion bewegen wollte, hatte seit 1507 antijüdische Pamphlete veröffentlicht. In seinem Judenspiegel (lateinisch 1507, deutsch im selben Jahr) berichtete er von reichs- und kirchenfeindlichen Verschwörungen der Juden, in weiteren Pamphleten wie der ,Judenbeicht‘ (1508), dem ,Osterbüchlein‘ (1509) sowie dem ,Judenfeind‘ (1509) setzte er seine antijüdische Propaganda fort. Pfefferkorn schlug vor, den Juden ihre Bücher - ausgenommen das Alte Testament - wegzunehmen und sie zu verbrennen, um sie so ihrer Tradition zu berauben und dann leichter bekehren zu können. Er wandte sich mit diesem Plan auch an Reuchlin, der ihn aber zurückwies. Folgenschwer wurde Pfefferkorns Verbindung mit dem Kölner Dominikaner Jakob Hoogstraeten (Hochstraten, Hooghstraten u. ä.) 32, der päpstlicher Inquisitor war und ihn in seinen Plänen unterstützte. Am 19. August 1509 erwirkte Pfefferkorn ein kaiserliches Mandat, das die Einziehung der jüdischen Bücher durch Beauftragte anordnete. Pfefferkorn begann als Frankfurter Beauftragter bereits mit der Konfiskation. Der Widerstand gegen diese Anordnung war so stark, dass sie der Kaiser zurücknehmen musste. Er verfügte im Juli 1510 die Rückgabe der konfiszierten Bücher und beauftragte die Universitäten Köln, Mainz, Erfurt und Heidelberg sowie Jakob Hoogstraeten, Johannes Reuchlin und den vom Judentum konvertierten Kölner Theologieprofessor Victor von Karben, Gutachten zu erstellen. Dieser Rechtsstreit um die jüdischen Bücher

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Cf. Girolamo Savonarola, Prediche sopra Aggeo con il trattato circa il reggimento e governo della citta` di Firenze, ed. L. Firpo, Rom 1965, 104. Zu Hoogstraeten cf. U. Horst, Jacobus Hoogstraeten OP (ca. 1460-1527), in: E. Iserloh (ed.), Katholische Theologen der Reformationszeit, vol. 4, Münster 1987, 7-14; J. M. Peterse, Causa Invidiae? De strijd van Jacobus Hoogstraeten tegen Johannes Reuchlin (1510-1520), Diss., Leiden 1993; deutsche Fassung: Jacobus Hoogstraeten gegen Johannes Reuchlin. Ein Beitrag zur Geschichte des Antijudaismus im 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Abendländische Religionsgeschichte 165), Mainz 1995.

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provozierte unter anderem die Debatte um die ,Epistolae virorum obscurorum‘ (1515/17) und begleitete Reuchlin nun für den Rest seines Lebens 33. Reuchlin beendete sein Gutachten am 6. Oktober 1510. Er äußerte sich als einziger der gutachtenden Juristen zugunsten der Juden und wies das Ansinnen zurück, die jüdischen Bücher zu konfiszieren und zu verbrennen (ausgenommen die antichristlichen Pamphlete ,Nizachon‘ und ,Toledot Jeshu‘). Für die Dignität der spezifisch kabbalistischen Bücher führte er Picos ,Apologie‘ an. Dort finde sich der Kernsatz: „Es ist kain kunst, die uns mer gewiß macht von der gothait Cristi, dann Magia und Cabala.“ 34 Papst Innozenz VIII. habe auf Veranlassung des Bischofs Petrus Garcia vor 20 Jahren Picos ,Apologie‘ untersuchen lassen; sein Nachfolger Alexander VI. habe das Buch 1493 (Breve vom 18. Juni 1493) approbiert. Von der zwischenzeitlichen Indizierung durch den Heiligen Stuhl schweigt Reuchlin. In seiner ,Apologie‘ untersuche Pico die Bücher der Cabala „und sage hierzu, daz dieselben bücher, dero by den 70 mögen sein 35, nit allain des hailigen Moises gaistlichhait, sunder auch unsers christlichen glaubes grund und warhait anzaigen; und daz bapst Sixtus der vierd 36 hab befolhen, dieselben cabalischen bücher in latinsche Sprach zu transferirn und zu tolmetschen unserm glauben zu sunderm Nutz, derselben bisher allein dreü zu lateinischen Zungen kommen sind“ 37.

Von dieser These, dass die christliche Wahrheit in der Kabbala verborgen sei, ist Reuchlin sein Leben lang überzeugt geblieben. Er vertrat sie mit Bestimmtheit und sie begleitete ihn die ganze leidige Zeit des Prozesses mit den Kölner Dominikanern. In diesem Zusammenhang veröffentlichte er 1517 seine wichtigste Schrift zur christlichen Kabbala: ,De Arte Cabalistica‘. Aber bis dahin und darüber hinaus sollte ihm der Prozess noch viel Ärger bereiten. Reuchlin hatte als einziger Gutachter die Konfiskation jüdischer Bücher grundsätzlich abgelehnt. Zwar waren auch die anderen Gutachter skeptisch in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Konfiskation, aber sie hatten eine solche Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen. Pfefferkorn sah deshalb in Reuchlin den eigentlichen Schuldigen, der das Unternehmen zu Fall gebracht hatte und griff ihn mit einem Pasquill mit dem Titel ,Handspiegel‘ (Mainz 1511) heftig an. 33

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Cf. F. Lotter, Der Rechtsstatus der Juden in den Schriften Reuchlins zum Pfefferkornstreit, in: A. Herzig/J. H. Schoeps (eds.), Reuchlin und die Juden (Pforzheimer Reuchlinschriften 3), Sigmaringen 1993,65-88; W. Trusen, Die Prozesse gegen Reuchlins Augenspiegel, in: S. Rhein (ed.), Reuchlin und die politischen Kräfte seiner Zeit (Pforzheimer Reuchlinschriften 5), Sigmaringen 1998, 87-131. Die monumentale Studie von Jan Hedryk de Boer, Unerwartete Absichten - Genealogie des Reuchlin-Konflikts (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 94), Tübingen 2016 wurde mir erst nach Abschluss dieses Aufsatzes zugänglich. Johannes Reuchlin, Gutachten über das jüdische Schrifttum, ed. und transl. A. Leinz-von Dessauer (Pforzheimer Reuchlinschriften 2), Konstanz-Stuttgart 1965, 75. Das Zitat bezieht sich auf Giovanni Pico della Mirandola, Apologia (nt. 5), 166. Zu den 70 kabbalistischen Büchern cf. supra nt. 5. Innozenz VIII.: 1484-1492; Alexander VI.: 1492-1503; Sixtus IV. (Francesco della Rovere): 1471-1484. Von einer solchen Anordnung ist nichts näheres bekannt geworden- aber sie wurde noch lange kolportiert. Johannes Reuchlin, Gutachten über das jüdische Schrifttum (nt. 34),77.

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Der Angriff galt dem Gelehrten und seiner Ehre: Er verstehe kein Hebräisch und sei von den Juden bestochen worden. Eigentlich waren die kaiserlichen Gutachten nicht öffentlich zugänglich; woher Pfefferkorn die Gutachten kannte, ist nicht geklärt. Reuchlin hätte die Sache formal untersuchen lassen können, möglicherweise hätte er sich dann viel Ärger erspart. Aber er beantwortete den Angriff 1511 mit seinem ,Augenspiegel‘, in dem er sein Gutachten vollständig veröffentlichte 38. Das war unklug, denn er verstieß nun gegen juristische Gepflogenheiten: Er veröffentlichte seinerseits, wie Pfefferkorn vor ihm, vertrauliche Texte und diskreditierte damit auch diejenigen Gutachter, die anderer Meinung waren. Hoogstraeten hatte als Dominikaner und päpstlicher Inquisitor auch im Auftrag der Kölner Fakultät ein Gutachten erstellt; so machte sich Reuchlin mit seinem ,Augenspiegel‘ vor allem die Kölner Dominikaner und die Universität zu Feinden. Die theologische Fakultät nahm das Recht der Zensur des Pasquills für sich in Anspruch und stellte fest, dass Reuchlin in seinem Gutachten Texte der heiligen Schrift und der Kirchenväter verdreht habe. Vor allem sei er ein Freund des Talmud. Reuchlin wurde zum Widerruf aufgefordert. Doch statt zu widerrufen, veröffentlichte er nach erfolglosen brieflichen Vermittlungsversuchen 1512 - der Text wurde am 21. März 1512 beendet - eine Fortsetzung seiner Polemik: „Ain Clare Verstentnus in tütsch vff doctor Johannes Reüchlins ratschlag von den iuden büchern“ 39. Er wies hier die Anschuldigungen der Kölner Theologen zurück; vor allem verteidigte er erneut den Talmud. Solange dort keine Invektiven gegen das Christentum gefunden würden, dürfe er nicht eingezogen werden. Er wiederholte auch seine Vorwürfe gegen Pfefferkorn: Der habe sein, Reuchlins, Gutachten „inn sein aigen handt vnd gewalt gebracht/vnd den selben kaiserlichen rat mutwillig eroffnet/das doch inn gemainen rechten by henken verbotten ist “ 40. Mit seinem Handspiegel habe Pfefferkorn den Streit vom Zaun gebrochen und er, Reuchlin, habe sich genötigt gesehen, mit dem ,Augenspiegel‘ zu antworten, in dem er nun sein Gutachten veröffentlicht habe. Vor allem aber betont er seine Rechtgläubigkeit: Er unterwerfe seine „schrifften vnd mainungen den gaistlichen houptern vnd der christlichen kirchen“ 41. Der Zweck seines Gutachtens sei keineswegs, die jüdische Ketzerei zu unterstützen. Ihm schwebe vielmehr vor, „die blinden und verstokten iuden mit gütigkait vnnd vernunfft vß iren aigen vnuerworffen büchern zu bekeren“ 42. Indem er die Missionskarte spielte und für seine Missionsmethode mehr Kredit einforderte als für Pfefferkorns Zwangsmissionierung, versuchte Reuchlin offensichtlich den Streit mit der Kölner Fakultät auf Pfefferkorn zu lenken, aber es gelang ihm nicht. Vielmehr machte er sich durch sein Vorgehen beide, die 38

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Johannes Reuchlin, Augenspiegel (1511), in: Sämtliche Werke, ed. W.-W. Ehlers e.a., vol. IV/1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, 15-168; das Gutachten selbst: ibid.,27-64. In: ibid.,169-196. Ibid., 173. Ibid., 174. Ibid.,195.

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Fakultät und Pfefferkorn, zu unversöhnlichen Feinden: Pfefferkorn, weil er ihn persönlich als „touft iuden“ diffamierte, die Kölner Fakultät, weil er deren theologische Autorität bezweifelte. Seine Gegner bestanden aus einer ganzen Riege Kölner Professoren, denen vor allem seine Verteidigung des Talmud als inakzeptabel galt 43. Im August 1512 erschienen ,Articuli sive praepositiones de iudaico favore nimis suspecte ex libello theutonico Joannis Reuchlin legum doctoris (cui speculi ocularis titulus inscriptus)‘ des Theologen Arnold von Tongern. Die Fakultät erreichte 1513 ein kaiserliches Verkaufsverbot und eine Konfiskationsanordnung für den ,Augenspiegel‘ 44. Außerdem veröffentlichte Pfefferkorn seinen Brantspiegel mit neuen Beleidigungen gegen Reuchlin. Reuchlin antwortete 1513 mit einer umfangreichen lateinischen Streitschrift: ,Defensio Ioannis Reuchlin Phorcensis LL. Doctoris contra calumniatores suos Colonienses‘. 45 Selbst beleidigt und beschimpft, sparte auch er nicht mit Beleidigungen und Beschimpfungen. Wesentliche neue Argumente hatte er nicht. Es reicht sein eigenes Summarium, um seine Verteidigungsabsicht knapp zusammenzufassen: „Welcher schrybt oder sagt das ich obgenanter Doctor in mynem ratschlag, die iuden bücher betreffend/auß beuelch kaißerlicher maiestat gemacht / habe gehanndelt anders dann ain cristenlich frummer erbar bidermann. Der selb lügt als ain vnglaubhaftiger/lychtfertiger/eerloßer bößwicht/des erbeut ich mich zu eeren vnnd recht für zu kummen.“ 46

Das Buch selbst stellt den ganzen Streit noch einmal umfänglich aus der Sicht Reuchlins dar; für die Kölner Fakultät hat er nichts als Schmähungen übrig. Mit diesen durchaus wüsten Beschimpfungen 47 machte er sich die Kölner Fakultät insgesamt zum Feind, an ihrer Spitze den päpstlichen Inquisitor Hoogstraeten. Die Kölner Fakultät veranlasste den Rat der Stadt dazu, Reuchlin wegen Beleidigung zu verklagen. Kaiser Maximilian ließ den Verkauf der ,Defensio‘ verbieten. Die Kölner allerdings strebten einen Prozess an, der auch die Inhalte von Reuchlins Büchern inkriminierte. Hoogstraeten, als Inquisitor dazu befugt, Glaubensfragen zu beurteilen, ließ nun den ,Augenspiegel‘ auf seine Rechtgläubigkeit hin untersuchen. Reuchlin selbst konnte er nicht anklagen, da der sich dem Urteil der Kirche unterstellt hatte und deshalb der Tatbestand der Pertinacia nicht vorlag, der für einen Ketzerprozess nötig war 48. Der Prozess wurde durch alle Instanzen und von allen Parteien mit allen juristischen Tricks durchgeführt. Am Ende siegte die Kölner Fakultät und der Dominikanerorden, weil sie den 43

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Winfried Trusen (Die Prozesse gegen Reuchlins Augenspiegel [nt. 33]) nennt außer Hoogstraeten noch die Professoren Thomas Lyel, Arnold von Tongern, Hermann Busch, Gerhart de Zutphania und Ortwin Gratius. Cf. L. Geiger, Johann Reuchlin, sein Leben und seine Werke, Leipzig 1871, 269. Johannes Reuchlin, Defensio Ioannis Reuchlin Phorcensis LL. Doctoris contra calumniatores suos Colonienses (1513), in: Sämtliche Werke (nt. 38), vol. IV/1, 197-443. Ibid.,197. Zum Beispiel, schließt er, wolle er dabei helfen, wenn bei allen Völkern Arnold von Tongern so verewigt würde: „Tungarus Arnoldus Calumniator Falsarius“ (ibid., 442). Cf. Trusen, Die Prozesse gegen Reuchlins Augenspiegel (nt. 33), 93 sq.

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institutionell längeren Atem hatten und besser finanziert waren als der Privatmann Reuchlin. Der Prozess begann beim erzbischöflichen Gericht in Mainz. Die Revision fand in Speyer statt und schien zunächst zugunsten Reuchlins auszugehen Hoogstraeten (d.h. sein Orden, die Dominikaner) wurde verurteilt, 111 fl. Prozesskosten an Reuchlin zu bezahlen. Als die Tendenz zur Niederlage sich abzeichnete, strengten die Kölner Magister ein Gutachten an der Sorbonne in Paris an. Auch unter dem Druck des französischen Königs Ludwig XII., den die Kölner Fakultät an die Vernichtung der jüdischen Bücher unter seinem Vorgänger Ludwig IX. im Jahre 1240 erinnerte, verurteilte die theologische Fakultät der Sorbonne 1514 den ,Augenspiegel‘ 49. Inzwischen war der Prozess auf Betreiben Reuchlins in Rom von höchster Instanz anhängig. Trotz der Unterstützung des Kaisers und obwohl die meisten Richter, auch Papst Leo X., sich Reuchlins Position zuneigten, musste auf den Dominikanerorden insgesamt und auf das Votum des französischen Königs Rücksicht genommen werden. Darüber hinaus hatte Adrian von Utrecht, selbst Dominikaner und Erzieher des späteren Kaisers Karl V., interveniert; der Thronfolger hatte diese Intervention unterstützt. Der Papst erließ 1516 ein „mandatum de supersedendo“, das den Prozess zwar aussetzte, aber eben auch nicht beendete. Dieses Mandat bildete die entscheidende Wende zum Nachteil Reuchlins. Sein Geld ging aus - wie denn überhaupt der Prozess von seiner Seite unterfinanziert war -, seine Unterstützer starben oder zogen sich zurück. Zu allem Überfluss schädigte das Erscheinen der ,Epistolae obscurorum virorum‘ (1515/17) seinen Ruf in Rom - die Satire steigerte nur die Erbitterung seiner Gegner. Dass Reuchlin 1519 ausgerechnet Franz von Sickingen die Aufgabe übertrug, die speyerische Forderung von 111 fl., die immer noch anhängig war, gegebenenfalls mit Gewalt einzutreiben, verringerte sein Ansehen in Rom zusätzlich. Gleichwohl gab es 1520 noch einmal eine Chance zur Einigung: In einem Treffen in Frankfurt beschloss der Provinzialkonvent der Dominikaner, Hoogstraeten als Prior und Inquisitor abzusetzen und ihm Stillschweigen aufzuerlegen. Es scheint auch, als seien die 111 fl. an Sickingen, der das Geld unter Fehdeandrohung eingefordert hatte, gezahlt worden 50. Ein entsprechendes Schreiben wurde nach Rom geschickt um den Prozess zu beenden. Der Brief betont, wie sehr der Prozess dem öffentlichen Ansehen des Dominikanerordens in Deutschland geschadet habe. Durch die Beendigung des Prozesses werde auch Reuchlin rehabilitiert, der „nach dem Urteil vieler Großer durch seine Bildung, durch die Integrität seines Lebens und die Aufrichtigkeit seines Glaubens“ 51 ausgezeichnet sei. Es bestand, wie man sehen kann, durchaus eine Interessenkollision zwischen der Kölner Fakultät, die durch den Prozess ihre angeschlagene Autorität wiederherstellen wollte, und dem Dominikanerorden, der sein Ansehen in der deutschen Öffentlichkeit durch eben diesen Pro49 50 51

Cf. ibid.,112. Cf. ibid.,124. Ibid., 125.

Die Irrtümer der christlichen Kabbala

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zess geschädigt sah 52. Diese Ansicht mochten die römischen Dominikaner, die an die internationale Reputation ihres Ordens dachten, nicht teilen. Ihnen ging es um zweierlei: Zum einen war keineswegs eindeutig, dass Reuchlins Lehre dogmatisch akzeptabel war, zum anderen wirkte es grotesk, wenn sich ein Orden wie die Dominikaner von einem kleinen Reichsritter wie Sickingen durch eine Fehdedrohung unter Druck setzen ließ. Ob das Auftreten Luthers für die juristische Behandlung deutscher Querelen in Rom ungünstig wirkte, ist unklar, denn erst im Dezember 1520 verbrannte Luther die päpstliche Bannandrohungsbulle ,Exsurge Domine‘. Der Kurs, die rechte Lehre enger zu definieren und Abweichlern weniger Raum zu geben, kann vielleicht die erste römische Antwort auf die lutherische Häresie gewesen sein. Inzwischen war 1517 auch Reuchlins ,De Arte Cabalistica‘ erschienen. In der folgenden Polemik gegen das Werk spielte Hoogstraeten mit seiner ,Destructio Cabale seu Cabalistice perfidie ab Joanne Reuchlin iampridem edite‘ (1519) eine besondere Rolle. Ob die Invektive wirkte, ist ebenfalls unklar. Jedenfalls wurde Reuchlins ,Augenspiegel‘ am 23. Juni 1520 in Rom verurteilt: „Der sogenannte Augenspiegel ist skandalös, ein Angriff auf die Ohren frommer Christen und eine Unterstützung der unfrommen Juden. Deshalb ist er aus den Händen und dem Gebrauch der frommen Christen zu nehmen und sein Gebrauch ist rechtlich zu verhindern. Johannes Reuchlin wird zu dauerndem Schweigen und zur Bezahlung der Prozesskosten verurteilt.“ 53

Der ,Augenspiegel‘ wurde also verboten, Reuchlin wurde Stillschweigen auferlegt und zudem musste er die Prozesskosten tragen. Hoogstraeten wurde wenig später durch ein päpstliches Breve wieder in seine Ämter eingesetzt. Reuchlin war von dem Urteil enttäuscht, doch scheint es sein Leben - mittlerweile war er in Tübingen Professor - nicht sehr beeinflusst zu haben. Sein Ansehen war ungebrochen 54. Das Interesse an dem Bücherstreit wurde bald überlagert von dem theologischen Großereignis des 16. Jahrhunderts, der Reformation. Reuchlin starb, lange ehe sich die Gewalt der Reformation entfaltet hatte, während eines Kuraufenthaltes am 30. Juni 1522 in Bad Liebenzell. IV. Ir r tümer? Wer bestimmt, was Irrtümer sind? Offensichtlich sind theologische Lehr-Irrtümer nicht von der Art, dass sie eindeutig wie Rechenaufgaben definiert werden 52 53

54

Ich folge der Ansicht von Trusen. Zitiert nach Trusen, Die Prozesse gegen Reuchlins Augenspiegel (nt. 33), 127: „Speculum Oculare nuncupatum fuisse et scandalosum, ac piarum aurium Christi fidelium offensivum, ac non parum impiis Judaeis favorabilem, et propterea ab usu et de manibus Christi fidelium tollendum usumque eius inhibendum etc. cum impositione perpetui silentii eidem Johanni et condemnatione eiusdem in expensis huiusmodi causae.“ Cf. Geiger, Johann Reuchlin (nt. 44), 469-479; M. Brod, Reuchlin und sein Kampf. Eine historische Monographie, Stuttgart 1965, 312-331.

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könnten - es sind Irrtümer, die gleichermaßen dogmatischer wie juristischer Natur sind. So lange es sich um dogmatische Varianten handelt, ist noch nicht klar, ob die Deviationen schon Ketzerei sind. Die Denkvarianten bleiben so lange akzeptabel, wie sie nicht juristisch als falsch definiert worden sind. Ein solcher Vorgang ist prinzipiell mehr als eine theoretische Einsicht. Es ist die Feststellung einer Institution, die die Zugehörigkeit zu ihrer Lehre definiert und damit eine Entscheidung trifft. Durch diese Entscheidung wird die entscheidende Institution definiert; damit werden die bestimmt, die dazugehören und die, die durch diese Dezision ausgeschlossen werden. Die Juristen schaffen so eine institutionelle Realität. Durch Theologen, die juristisch entscheiden, können Irrtümer lebensgefährlich werden, sofern Ketzerei als Verbrechen mitdefiniert wird. Wie die Beispiele Picos und Reuchlins zeigen, sind solche Dezisionen institutionell keineswegs stabil. Sie bleiben nur solange Teil der institutionelle Lehrund damit Selbstdefinitionen, wie sie akzeptiert werden. Sie können, wie im Beispiel Picos, von derselben Institution wieder aufgehoben werden, die die Entscheidung vorher fällte. Es kann auch sein, dass die Entscheidungen, die zu lange diskutiert werden und bei denen die Interessen innerhalb der urteilenden Institutionen stark divergierten, ihre Autorität verlieren; dann verlieren sie auch ihre Dezisionskraft für die Definition der Institution. Um diese Urteile kümmert sich kaum jemand länger. Das war bei Reuchlin der Fall. In einem solchen Fall ist Ketzerei ein belangloser Irrtum, weil niemand mehr belangt wird. Diese zweite -Reuchlinsche - Variante ist, denke ich, a` la longue auch die institutionell bekömmlichere.

VII. Politische, historische, rechtliche Irrtümer

„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a) - Irrtümer mit rechtlichen Konsequenzen im babylonischen Talmud Dagmar Bˆrner-Klein (Düsseldorf) Der babylonische Talmud 1 kommentiert das Religionsgesetz der Mischna, in der unter anderem festgelegt wird, wie Fest- und Feiertage zu gestalten, wie Ehen zu schließen und zu scheiden sind und wie rituelle Reinheit einzuhalten ist. Die Mischna weist aber auch ein Schadens- und ein Strafrecht auf. Als Redaktor der Mischna gilt Jehuda ha-Nasi, der diese um das Jahr 200 unserer Zeitrechnung zusammengestellt habe. Die Mischna bildet zusammen mit der Tosefta 2, die ins 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung datiert wird, die Diskussionsgrundlage des babylonischen Talmud, der wohl im 8. Jahrhundert seine heutige Form erhielt und dann zu der halachischen 3 Autorität wurde, auf die sich die gesamte jüdische Rechtstradition stützt 4. Das hebräische Verb, das in der Mischna benutzt wird, um das Begehen eines Irrtums anzuzeigen ist hxf (sich irren), twxf bedeutet „Irrtum“ oder „Fehler“ 5. Im Folgenden geht es um den in der Mischna verhandelten Irrtum eines Kollektivs, eines rabbinischen Gerichtshofes, sowie um den Irrtum eines einzelnen rabbinischen Rechtsgelehrten und um die Kommentierung, die zu diesen Fällen im babylonischen Talmud zu finden ist.

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Alle Stellen aus dem babylonischen Talmud folgen der Ausgabe Wilna: Romm 1880-1886. Cf. A. Houtmann, Mischna und Tosefta. A Synoptic Comparison of the Tractates Berakhot and Shebiit, Tübingen 1997; J. Hauptmann, Rereading the Mishna. A New Approach to Ancient Jewish Texts, Tübingen 2005; id., Mishnah as a Response to ‘Tosefta’, in: Sh. J. D. Cohen (ed.), The Synoptic Problem in Rabbinic Literature, Providence 2000, 13-34; id., Does the Tosefta Precede the Mishna?, in: Judaism 198 (2001), 224-240. Das heißt: mit der rechtlichen Autorität. Cf. dazu G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 1887 (ed. H. Strack), 9 2011, 236 sq. Cf. M. Jastrow, A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature, London 1903, 542: „error“, „mistake“. Für den biblischen Sprachgebrauch cf. Hiob 12,16: hgçmw ggwç wl, „ihm [gehört], wer irrt und wer irreführt “; Gen 43,12: awh hgçm ylwa, „vielleicht ist es ein Irrtum“; Ez 45,20: hgç çyam, „wegen eines Menschen des Versehens“ (meint: „wer versehentlich gesündigt hat “).

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I. Kollektive Ir r tümer - der Ir r tum eines Gerichtshofes In dem Mischna-Traktat Horajot 6 (Entscheidungen) heißt es 7: „Haben [die Mitglieder] des Gerichtshofes eine Entscheidung getroffen, [die dazu führt,] dass eines der biblischen Gebote übertreten wird, und eine [Person] geht und handelt ,unreflektiert‘ (ggwç) nach ihrer Anweisung, […] so ist diese Person straffrei, weil sie von dem Gericht[sbeschluss] abhängig war 8. Hat der Gerichtshof entschieden, und [es] erkennt einer von ihnen, dass sie geirrt haben (dja xdyw wxfç μhm), oder ein Schüler, der fähig ist, [den Fall] zu entscheiden[, erkennt, dass sie sich geirrt haben], und er geht und handelt gemäß ihrem Ausspruch […], so ist er schuldig, weil er nicht in Bezug auf den Gerichtshof abhängig war (ˆyd tybb hlt alç ynpm). Dies ist die Regel: Wer von sich selbst abhängig ist (hlwth wmx[b) 9, ist schuldig 10, wer aber vom Gerichtshof abhängig ist 11, ist frei [von Schuld].“ Mischna Horajot 1,1 konstatiert als erstes, dass es bei Gericht zu falschen Entscheidungen kommen kann. Es weist zweitens darauf hin, dass eine Person straffrei ist, wenn sie einer Rechtsentscheidung des Gerichtshofes folgt, die zu einer Gebotsübertretung führt, da sie auf Anweisung der Richter gehandelt hat. Wird einem Richter aber, so fährt Mischna Horajot 1,1 fort, der Fehler nachgewiesen, ist die Person schuldig, wenn sie sich weiterhin gemäß der falschen Anweisung verhält und damit ein Verbot der Tora übertritt. Der babylonische Talmud kommentiert dies (bHorajot 2a) wie folgt: „Samuel sagte: Das Gericht ist nur dann schuldig, wenn es gesagt hat: Ihr dürft dies tun. R. Dimi aus Nehardea sagte: Nur wenn es gesagt hat: Ihr dürft dies nicht tun. Weshalb? Weil sonst die Entscheidung nicht abgeschlossen ist.“ Der babylonische Talmud unterscheidet damit zwischen einer richterlichen Entscheidung in der Theorie und in der Praxis. Erst, wenn der Gerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass seiner Anweisung zu folgen ist oder, dass eine Handlung nicht ausgeführt werden darf, macht sich derjenige schuldig, der die Anweisung des Gerichtshofes übertritt. Zum Adjektiv ggwç, das hier mit „unreflektiert “ übersetzt wurde, fragt der Talmud, warum dieses für die Argumentation notwendig sei und worauf es sich 6

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Alle rabbinischen Texte, Titel und Namen werden nach G. Stemberger, Einleitung (nt. 4), 405 und 412-416 wiedergegeben. Cf. Mischna Horajot 1,1. Textgrundlage für Mischnazitate ist jeweils die Ausgabe P. Kehati, Mischnajot mevoarot, 12 vols., Jerusalem 1977. Zu Horajot cf. auch D. Hoffmann, Mischnajot. Die sechs Ordnungen der Mischna. Hebräischer Text mit Punktation, deutscher Übersetzung und Erklärung. Teil IV: Ordnung Nesikin, Basel 31986, 366-376. Alle Übersetzungen aus Mischna und Talmud sind, sofern nicht anders vermerkt, Eigenübersetzungen. Cf. J. A. Fogel, Decisions, Decisions, Decisions. Reading Tractate Horayot of the Babylonian Talmud, Lanham 2013, 3-11. Das heißt: derjenige, der aufgrund eigener Einsicht handelt. Das heißt: wenn er sich auf Anweisung der Richter falsch verhält. Das heißt: derjenige, der auf Anweisung des irrenden Gerichtshofes handelt, weil er den Fall nicht selbst beurteilen kann.

„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a)

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bezieht. Deutlich wird, dass die Rabbinen im Talmud das Adjektiv nicht als „unreflektiert “ interpretieren, wie es im Kontext der Mischna sinnvoll wäre, sondern darunter „versehentlich“ verstehen. So heißt es (in bHorajot 2b): „Sollte er doch [nur] lehren: ‘Und sie 12 nach ihrem Ausspruch 13 gehandelt hat’, wozu heißt es [zusätzlich] ,versehentlich‘? Raba 14 sagte: Das ,Versehentlich‘ schließt den Fall ein, wenn das Gericht entschieden hat, sie 15 dürfe Talg essen und ihr Fett mit Talg vertauscht wurde und sie [das Fett] gegessen hat, [dann] ist sie frei [von Schuld].“ Hat ein Gerichtshof Talg, das Fett um die Nieren von Rind und Schaf, zu essen erlaubt, was nach Leviticus 3,14-18 verboten ist, und eine Person hat versehentlich den verbotenen Talg mit erlaubtem Fett verwechselt und dies gegessen, ist sie frei von Schuld, da sie kein Gebot der Tora übertreten hat 16. Sie ist aber auch frei von Schuld, wenn sie damit irrtümlich eine falsche Anordnung des Gerichtshofes übertreten hat. Dies impliziert, dass das Befolgen des Rechtes der Tora höher zu bewerten ist als das des rabbinischen Gerichtshofes. Der Talmud geht außerdem davon aus, dass das Versehen sich nicht auf die richterliche Entscheidung, sondern auf einen Vorgang bezieht, der auf die Entscheidung des Gerichtshofes folgt. Der Gerichtshof kann, so Mischna Horajot 1,2, eine falsche Entscheidung widerrufen, wenn die Richter erkannt haben, dass sie sich bei ihrer Entscheidung geirrt haben: „Hat ein Gerichtshof entschieden, und sie 17 haben erkannt, dass sie sich geirrt haben (w[fç), und sie widerrufen (ˆhb wrzj) […] und jemand geht (˚lh) und handelt gemäß ihrem [ersten] Ausspruch, ist derjenige 18 nach Rabbi Simeon frei [von Schuld]. Und Rabbi Eleazar sagt: [Es besteht ein] Zweifel. Worin besteht der Zweifel? Hielt derjenige sich in seinem Wohn[ort] auf (wtyb), ist er schuldig. Ging er in ein fernes Land, ist er frei [von Schuld] […], weil es dem am Wohnort Gebliebenen möglich gewesen wäre, von [dem Irrtum] zu hören.“ Wie bei Widerruf einer Entscheidung zu verfahren ist, wird unterschiedlich beurteilt. Rabbi Simeon plädiert für die Einhaltung eines status quo, Rabbi Eleazer dagegen betrachtet die Situation differenzierter. Aus seiner Sicht besteht für denjenigen, der bei Gericht um eine Entscheidung nachgefragt hat, eine allgemeine Informationspflicht. Er muss sich erkundigen, ob sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs geändert hat, insbesondere dann, wenn der Verdacht besteht, dass der Gerichtshof falsch entschieden hat. Dieser Informationspflicht nachzukommen, ist in der Ferne schwieriger als zu Hause, wo Bekannte regelmäßig Informationen austauschen. 12 13 14 15 16

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Gemeint ist: die Person. Gemeint ist: nach Anweisung des Gerichtshofs. Es handelt sich um einen Eigennamen. Gemeint ist: die Person. Der umgekehrte Fall, wie zu verfahren sei, wenn jemand den verbotenen Talg irrtümlich gegessen hat, wird anschließend diskutiert. Das heißt: die Mitglieder des Gerichtshofes. Das heißt: der nach dem Gerichtsspruch Handelnde.

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Wie bereits aus Mischna Horajot 1,4 hervorgeht 19, ist die irrtümliche Entscheidung des Gerichtshofes aufgehoben, stimmt auch nur ein Richter anders als die Mehrheit: „Hat ein Gerichtshof entschieden, und einer von ihnen hat erkannt, dass sie sich geirrt haben, und er sagte zu ihnen: Ihr irrt! (μta ˆy[wf) […], so sind sie 20 frei [von Schuld].“ Da ein irriger Gerichtsbeschluss nur einmütig gefasst gültig wäre, genügt die Aufdeckung des Irrtums durch eine Stimme, um die Entscheidung des Gerichtshofes ungültig zu machen. Dies wird aus Leviticus 4,13 und Numeri 35,24 abgeleitet. An beiden Stellen wird das Wort „Gemeinde“ (hd[) benutzt, das dort jeweils sämtliche Mitglieder einer Gruppe bezeichnet. Ebenso müssen alle Mitglieder des Gerichtshofes als „Gemeinde“ ein Urteil fällen. Nach Mischna Horajot 2,3 ist der Gerichtshof zudem nur dann schuldig, wenn er „unbewusst “ oder „unwissentlich“ falsch entschieden hat (rbd μl[h l[) 21 und dies zu versehentlich [falschem] Handeln führt (hç[mh tggç μ[) 22. Dies wird im Folgenden weiter eingeschränkt: Der Gerichtshof ist bei einem irrigen Urteil nur dann schuldig, wenn er bei einer Angelegenheit irrig entschieden hat, bei deren vorsätzlichem Zuwiderhandeln die göttliche Strafe des plötzlichen Todes (trk) zu erwarten und bei deren versehentlichem Übertreten ein Schuldopfer zu zahlen ist 23. Der Talmud setzt die Bedingung für das Zustandekommen einer irrigen richterlichen Entscheidung (in bHorajot 3b) schließlich so streng fest, dass es angesichts der Diskussionsfreudigkeit der Rabbinen - de facto unmöglich ist, dass eine solche Entscheidung getroffen wird: „Rabbi Jonatan sagte: Wenn 100 [Richter] bei einer Entscheidung gesessen haben, so sind sie nur dann schuldig, wenn sie alle die [irrige] Entscheidung getroffen haben, denn es heißt (Leviticus 4,13): ,Wenn die ganze Gemeinde Israels irren sollte.‘ Rab 24 Hona, Sohn des Rabbi Jehoschua, sagte: Dies ist ja einleuchtend. In der ganzen Tora gilt es als Regel, dass die Mehrheit als Ganzes gelte, und hier heißt es ,die ganze Gemeinde‘. Daher gilt dies nur für den Fall, dass die ganze Gemeinde [der Richter] daran beteiligt war, selbst, wenn es 100 sind.“ Diskutiert wird darüber, ob, wenn ein Mitglied des Gerichtshofes diesen auf einen Irrtum hingewiesen hat, die irrige Entscheidung ungültig wird, was dem Mehrheitsprinzip entgegenstehen würde 25. Erklärt wird: Sobald der gesamte Gerichtshof anwesend ist, ist die Entscheidung gültig, wenn aber nicht, ist sie un19 20 21

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Nach Leviticus 4,13 muss eine Gemeinschaft entscheiden. Das heißt: die Mitglieder des Gerichtshofes. Cf. M. Jastrow, Dictionary (nt. 5), 360: „(Inf. Nif. of μl[) being unknown, […] unconsciousness, forgetfulness.“ Wörtlich: „Mit [Folge] von irrtümlich [falschem] Handeln“. tafj wtggçw trk wnwdzç rbdb wrwyç d[ ˆybyj ˆyd tyb ˆya. Titel eines babylonischen Gelehrten; Rabbi ist Titel eines Gelehrten im Land Israel. Cf. bHorajot 3b: „Worauf deuten nun [die Worte] ,die ganze Gemeinde‘? […] Wenn der ganze Gerichtshof anwesend ist, so ist die [falsche] Entscheidung gültig, wenn aber nicht, ist sie nicht gültig.“

„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a)

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gültig. Der Talmud führt dies nicht weiter aus, da klar ist, dass ein rabbinischer Richter sich immer einem Gegenargument zu stellen hat. Ist das Gericht von einem Argument überzeugt, wird es seinen Beschluss revidieren oder solange darüber diskutieren, bis ein Ergebnis erzielt ist, dem alle Mitglieder des Gerichtshofes zustimmen können. II. Der Ir r tum eines einzelnen 1. Irrtum auf Grund von mangelnder Information Dass rabbinische Gelehrte sich trotz ihrer strengen Ausbildung bei ihrer Entscheidungsfindung, die sich an den Geboten der Tora und deren Auslegung nach den rabbinisch anerkannten hermeneutischen Regeln 26 zu orientieren hat, irren konnten, ist - jenseits von Traktat Horajot - sowohl in der Mischna als auch im Talmud, thematisiert, wie an zwei ausgewählten Fällen gezeigt werden soll. Im ersten Fall geht es um eine irrtümliche Entscheidung, die aufgrund mangelnder Informationen gefällt wurde. In dem zweiten Fall geht es um eine Entscheidung der Mischna, die sich erst bei näherer Betrachtung als falsche Entscheidung herausstellt und daher revidiert wird. Erst in der talmudischen Behandlung dieses Falles wird diese Entscheidung als Irrtum klassifiziert. Zu Mischna Sanhedrin 4,1, „bei Geldangelegenheiten kann [ein Urteil] widerrufen werden (ˆyryzjm)“, diskutiert der babylonische Talmud (in Sanhedrin 33a), wie zu verfahren ist, wenn ein rabbinischer Gelehrter eine falsche Entscheidung getroffen hat: „Ich will auf einen Widerspruch [dazu] 27 hinweisen: Hat [jemand] eine Entscheidung getroffen und dem Unrechthabenden Recht und dem Rechthabenden Unrecht gegeben, oder das Reine für unrein und das Unreine für rein erklärt: Was er getan hat, ist getan, und er zahle [den dadurch entstandenen Schaden] aus seiner Tasche (wtybm). Rab 28 Josef sagte: Das ist kein Widerspruch: Hier 29 [bezieht sich der Fall] auf einen anerkannten (hjmwm) 30 [Richter], und 26

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Cf. L. Bardowicz, Die Abfassungszeit der Baraita der 32 Normen für die Auslegung der heiligen Schrift. Eine Untersuchung, Berlin 1913; H. G. Enelow, The Mishnah of Rabbi Eliezer. Or the Midrash of 32 Hermeneutic Rules, New York 1933; M. Mielziner, Introduction to the Talmud: Historical and Literary Introduction, Legal Hermeneutics of the Talmud, Talmudical Terminology, Outline of Talmudical Ethics, New York 1902; E. Biberfeld, Beiträge zur Methodologie der halakhischen Pentateuchexegese, Berlin 1928; D. I. Brewer, Techniques and Assumptions in Jewish Exegesis before 70 CE, Tübingen 1992; L. Jacobs, The Talmudic Argument. A Study in Talmudic Reasoning and Methodology, Cambridge 1984; D. Patte, Early Jewish Hermeneutic in Palestine, Missoula 1975; G. Stemberger, Einleitung (nt. 4), 26-42. Das heißt: dass ein Urteil widerrufen werden kann. Es handelt sich um einen Eigennamen. Das heißt: bei dem Fall, dass, wer eine irrige Entscheidung getroffen hat, Schadensersatz zu zahlen hat. Cf. J. Cohn, Mischnajot. Die sechs Ordungen der Mischna (nt. 7): Bechorot, 253, nt. 15: „von hjm reiben, (auf dem Prüfstein) erproben“.

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dort 31 [bezieht sich der Fall] auf einen nicht Anerkannten. - Widerruft man denn bei einem anerkannten [Richter das Urteil]? Es wird ja gelehrt: Wenn er vom Gericht anerkannt ist, ist er befreit, [Schadensersatz] zu zahlen. Rab Nachman sagte: Hier [ist es der Fall], wenn ein an Weisheit und [Mitglieder-]Zahl größeres [Gericht] vorhanden ist, dort, wenn kein an Weisheit und [Mitglieder-] Zahl größeres [Gericht] vorhanden ist 32. Rab Scheschet sagte: Hier, wenn er sich in der Sache einer Lehre (hnçm) geirrt hat, dort, wenn er sich beim Abwägen der Argumente (t[dh lwqyç) 33 geirrt hat. Denn Rab Scheschet sagte im Namen von Rab Asi: Hat er sich in der Sache einer Lehre geirrt, widerruft er. Hat er sich im Abwägen der Argumente geirrt, widerruft er nicht.“ Der im ersten Abschnitt angesprochene Widerspruch bezieht sich auf den Umstand, dass der Richtspruch gültig ist, obwohl der Richter sich geirrt hat, und dass der Richter von seinem eigenen Irrtum betroffen ist, sodass er Scha31 32

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Bei Geldangelegenheiten kann [ein Urteil] widerrufen werden, dann entsteht kein Schaden. Cf. M. Cohn, Wörterbuch des jüdischen Rechts, Stichwort: Appellation, URL: *http://www. juedisches-recht.de/lex_pro_appelation.php+ (Stand: 06. 09. 2016): „Im Talmud (b. Sanh. 33a) spricht sich besonders R. Nachman für die Möglichkeit einer A[pellation] aus. Dort wird bestimmt (b. Sanh. 33a), daß ein Irrtum hinsichtlich eines Rechtsgrundsatzes das gefällte Urteil, auch das schon vollstreckte, aufhebt, nicht aber ein Irrtum hinsichtlich der Ermessensfrage. Die Überprüfung erfolgte jedoch nicht durch eine höhere Instanz, sondern durch das gleiche Gericht, welches die Entscheidung gefällt hat, oder durch ein anderes, aber nicht übergeordnetes Gericht. Die Überprüfung ist somit nur zugelassen, wenn ein klarer Rechtssatz unbeachtet blieb oder falsch angewandt wurde. Handelte es sich jedoch um die Entscheidung in einer Frage, die je nach dem Ermessen des Richters verschieden beurteilt werden konnte, so war eine Überprüfung ausgeschlossen; denn wer könnte dartun, so heißt es, daß das Ermessen eines anderen höheren Gerichtes dem des ersten vorzuziehen wäre? Die Tendenz, jedem die Möglichkeit auf Anrufung des höchsten Gerichts zu geben, kam jedoch darin zum Ausdruck, daß man ihm das Recht verlieh, im Einverständnis mit der Gegenpartei den Streit alsbald dem bet din hagadol vorzulegen; der Streit mußte jedoch, falls der Gläubiger es verlangte, vor dem Ortsgericht zum Austrag kommen, wobei er dann aber immer noch die Möglichkeit hatte, den Entscheid der unteren Instanz von der oberen überprüfen zu lassen, und zu diesem Zwecke von der unteren Instanz die genauen Motive verlangen konnte (b. Sanh. 3lb; 88b). Entsprechend kann nach der Ansicht des Maimonides (Hilchot Sanhedrin 6, 9) auch in unserer Zeit der Gläubiger vom Schuldner verlangen, daß eine Streitfrage besonders anerkannten Richtern vorgelegt wird. Das Recht der A[pellation] scheint auch schon in dem Grundsatz der Mischna (Eduj. 1, 5) zum Ausdruck zu kommen, daß ein Gericht, das an Weisheit (chochma) und Zahl (minjan) dem anderen Gericht überlegen ist, die Entscheidung des anderen Gerichts aufheben kann, wenngleich jene Mischna wohl in erster Linie behördliche und nicht richterliche Entscheidungen im Auge hatte. Außer der A[pellation] war eine Wiederaufnahme des Verfahrens jederzeit möglich, sobald neue Beweismittel vorlagen. Diese Revision wurde jedoch beim gleichen Gericht durchgeführt, das das Urteil gefällt hatte (Sanh. 3, 8). Um nun der Unsicherheit, die jedes Urteil wegen der möglichen Revision mit sich brachte, zu begegnen, pflegte man die Erklärung zu verlangen, daß alle etwaigen weiteren Beweismittel für ungültig erklärt wurden, wodurch jedes Recht auf künftige Revision des Urteils beseitigt wurde. Ferner konnte das Gericht der einen Partei eine Frist auferlegen, innerhalb der sie weitere Beweise zur Anfechtung des Urteils beibringen konnte (b. Sanh. 31a, b; Ned. 27a).“ t[dh lwqyç, nach M. Jastrow, Dictionary (nt. 5), 1567 bedeutet die Formulierung: „weighing of opinions, decision between opposing views“.

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densersatz leisten muss, wenn Schaden durch seinen Irrtum entsteht. Die Argumentation ist wie folgt aufgebaut: 1. Eine falsche Entscheidung ist gültig; wer die Entscheidung gefällt hat, muss Schadensersatz leisten. 2. Die falsche Entscheidung ist nur gültig, wenn sie ein anerkannter Richter gefällt hat. Dieser muss keinen Schadensersatz leisten. 3. Wer vom Gericht anerkannt ist, ist von Schadensersatzleistungen befreit. 4. Wenn der vom Gericht Anerkannte sich in Bezug auf die Lehre geirrt hat, muss er Schadensersatz leisten. 5. Hat man sich in Bezug auf eine Lehre geirrt, widerruft man. Offen bleibt hier die Frage des Schadensersatzes. Rab Josef grenzt die Verpflichtung, im Falle eines Irrtums Schadensersatz leisten zu müssen, auf die Richter ein, die nicht von einem Gerichtshof anerkannt sind. Damit wird eine Barriere geschaffen, außerhalb eines Kompetenzbereichs eines Gerichtshofes als Rechtsexperte zu fungieren. Nach Rab Scheschet ist die Art des Irrtums bei der Frage des Schadensersatzes relevant. Hat der Richter sich in der Anwendung einer Lehre (Mischna) geirrt, so ist er schadensersatzpflichtig, nicht aber, wenn er sich beim Abwägen der Argumente (lwqyç t[dh) geirrt hat. Dies erklärt der Talmud (in Sanhedrin 33a) wie folgt: „Was heißt ,Abwägen der Argumente‘? Rab Papa sagte: Wenn zum Beispiel zwei Tannaiten 34 oder zwei Amoräer 35 darüber streiten und die Halacha 36 weder dem einen, noch dem anderen entsprechend gelehrt wurde, und [ein Gelehrter] nach der Ansicht des einen entschieden hat, aber der Diskussionsverlauf zur anderen Ansicht tendiert, dann haben wir ein [falsches] ,Abwägen der Argumente‘.“ Der Grund für diese Lehre liegt darin, dass Entscheidungen durch ein Gesetz selbst oder von der allgemeinen Praxis 37 (aml[d ˆyygws), wie das Gesetz auszulegen ist, begründet werden müssen und nicht mit Hilfe einer theoretischen Diskussion. Es wird dann auf den Fall von Rabbi Tarfon verwiesen, der bei einer Fehlentscheidung befürchtete, schadensersatzpflichtig zu sein. Dieser Fall wird bereits in Mischna Bekhorot 4,3-4 behandelt, wo es um die Frage geht, wer erstgeborene Tiere, die nach Exodus 13,12 an den Tempel abzuführen sind, begutachten darf. Gefragt wird, ob ein gutachtender Laie ein solches Tier schlachten darf, wenn er eine Fehlbildung am Tier feststellt, da nur makellose Tiere für den sakralen Gebrauch im Tempel geeignet sind. R. Me’ir lehnt dies mit der Begründung ab, dass das Tier, das ohne die Einholung des Urteils eines bei Gericht anerkannten (hjmwm) [Richters] geschlachtet wurde, [zum Verzehr] verboten sei. Dies bestätigt Mischna Bekhorot 4,4: „Wenn ein Nicht-Fachkundiger die Erstgeburt untersucht hat und sie auf sein Urteil hin geschlachtet wurde, muss sie 34 35 36 37

Das heißt: Gelehrte aus der Mischnazeit. Das heißt: Gelehrte, die die Mischna kommentieren. Das heißt: das rabbinische Recht. Cf. M. Jastrow, Dictionary (nt. 5), 961: „the general practice (as regards that subject).“

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vergraben werden, und er [der Laie] muss den Schaden aus seiner eigenen Tasche zahlen.“ Die Entscheidung der Mischna berücksichtigt damit die Möglichkeit, dass bei der Begutachtung absichtlich ein Tier als untauglich eingestuft wird, um es nicht an den Tempel abliefern zu müssen. Muss das eigenmächtig geschlachtete Tier aber vergraben werden, ist es für alle gleichermaßen zum Schaden, für den Eigentümer und den Tempel. Dem schließt sich in Mischna Bekhorot 4,4 folgende Erklärung an: „Hat er bei der Entscheidung einer Rechtssache den Schuldigen freigesprochen und den, der Recht hatte, verurteilt, das Reine für unrein oder das Unreine für rein erklärt, und das Geschehene ist nicht mehr ungeschehen zu machen, muss er 38 es aus seiner Tasche zahlen. Wenn er 39 aber ein beim Gerichtshof anerkannter [Richter] ist, ist er befreit, [Schadensersatz] zu zahlen. Rab Hamnuna wandte gegen Rab Scheschet ein: [Es gab] den Fall einer Kuh, der die Gebärmutter entfernt worden war und Rabbi Tarfon ließ sie 40 von Hunden fressen. Als die Sache vor die Weisen in Javne kam, erlaubten sie [das Fleisch], denn Theodos, der Arzt, sagte, eine Kuh oder eine Sau dürfe nur dann aus Alexandria ausgeführt werden, wenn ihr vorher die Gebärmutter herausgeschnitten worden sei, damit sie nicht trächtig werde. Daraufhin sagte Rabbi Tarfon: Dein Esel geht fort (hklh), Tarfon! Rabbi Aqiba sagte zu ihm: Du bist frei [von der Schadensersatzpflicht], denn ein öffentlich anerkannter [Richter] (μybrl hjmwm), ist befreit, [Schadensersatz] zu zahlen.“ 41 Da Tarfon angeordnet hatte, das Fleisch der Kuh zu vernichten, war „das Geschehene nicht mehr ungeschehen zu machen“, als der Arzt Theodos die Erklärung für die fehlende Gebärmutter lieferte, nach der kein natürlicher Körperfehler des Tieres vorlag. Damit hatte Tarfon ein taugliches Tier für untauglich erklärt und war somit schadensersatzpflichtig. Aus diesem Anlass beklagte Tarfon, dass er nun seinen Esel verkaufen müsse, um den Schaden erstatten zu können 42. Aqiba erklärt ihm daraufhin, dies sei nicht nötig, da er als anerkannter Richter von der Schadensersatzpflicht befreit sei. Im Talmud (in Sanhedrin 33a) kommentiert dies ein anonymer Gelehrter wie folgt: „Wenn dem so wäre, hätte er zu ihm sagen sollen, du hast dich in der Sache einer Lehre geirrt, und wer sich in der Sache einer Lehre geirrt hat, wiederrufe [die Entscheidung]! Er sagte ihm dies und noch [ein zweites Argument] 43: Erstens hast du dich in der Sache einer Lehre geirrt, und wer sich in der Sache einer Lehre geirrt hat, widerrufe. 38 39 40 41 42

43

Das heißt: derjenige, der die Entscheidung getroffen hat. Der das Urteil gefällt hat. Die geschlachtete und begutachtete Kuh. Im Talmud Bekhorot 28b wird der Fall Tarfons diskutiert. Cf. bBekhorot 28b: „Es wird gelehrt: Wenn er Ersatz leistet, zahle er ein Viertel für ein Kleinvieh und die Hälfte für ein Großvieh“. Cf. Y. Frank, The Practical Talmud Dictionary, Jerusalem 1992, 103: „First of all - and furthermore he is stating: First of all […], and furthermore […] This formula introduces a solution of the difficulty that a tanna (or rarely an amora) has stated one reason for a halakha but has ignored the primary reason. In response, it is argued that there is no difficulty, for a tanna would have certainly endored a primary reason, if asked. He stated his reason, however, as an additional argument for his halakha.“

„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a)

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Und zweitens: Auch wenn du dich beim Abwägen der Argumente geirrt hättest, bist du ja öffentlich anerkannt. Und wer öffentlich anerkannt ist, ist befreit, [Schadensersatz] zu zahlen. - Rab Nachman bar Isaak sagte zu Raba: Was ist das für ein Einwand, den Rab Hamnuna in Bezug auf die Kuh gegen Rab Scheschet erhoben hat? Er hatte ja die Kuh von Hunden fressen lassen und es war nicht möglich, dass sie [zu ihrem Eigentümer] zurückkehre. - Er 44 hätte so zu ihm sprechen sollen: Wenn du sagst, es ist einleuchtend [für den Fall], dass jemand sich in der Sache einer Lehre geirrt hat, [und] er das Urteil nicht widerrufen kann, bleibt konsequenterweise die Entscheidung aufrecht. Wir haben [daher den Fall, dass] Rabbi Tarfon fürchtete[, Schadensersatz zahlen zu müssen]. Und [daher hatte Aqiba] zu ihm gesagt: Du bist ein, für den Gerichtshof, anerkannter [Richter] und du bist befreit, [Schadensersatz] zu zahlen. Wenn du aber sagst[, es gilt für den Fall die Vorschrift]: Wer in der Sache einer Lehre irrt, widerrufe, [dann] hätte er zu ihm sagen sollen: Wäre die Kuh noch vorhanden, so wäre deine Entscheidung keine [gültige] Entscheidung, und du hättest nichts [weiter] getan. Ebenso hast du jetzt nichts [weiter] getan.“ In der talmudischen Diskussion des Falles wird als erstes darauf verwiesen, dass es keinen Sinn hat, das Urteil Tarfons zu widerrufen, da die Kuh ja nicht mehr vorhanden ist und ein Widerruf den Schaden nicht behebt. Damit ist aber auch die allgemeine Gültigkeit des Mischnasatzes in Frage gestellt, nach dem man bei Irrtum in Bezug auf eine Lehre die Entscheidung widerrufen soll. Es wird weiter in Bezug auf Tarfons Fall festgestellt, dass, da dieser bei seiner Entscheidung irrte aber seinen Irrtum nicht widerrufen konnte, seine Entscheidung bestehen blieb, weswegen er schadensersatzpflichtig war. Dieses Argument entkräftete Aqiba, denn Tarfon sei als anerkannter Richter dennoch von der Schadensersatzpflicht befreit. Schwierig ist nun der letzte Einwand: „Wäre die Kuh noch vorhanden, so wäre deine Entscheidung keine [gültige] Entscheidung, und du hättest nichts [weiter] getan. Ebenso hast du jetzt nichts [weiter] getan.“ Mit Verweis auf den babylonischen Talmud Baba Qama 100a 45 erklärt Jacob Schachter, dies sei folgendermaßen zu verstehen: „You personally did not throw it to the dogs: it was the owner⬘s misfortune to follow your ruling.“ 46 Damit stellt sich die Frage, inwieweit eine Privatperson an die Anweisungen eines rabbi44 45

46

Das heißt: Aqiba. Cf. Der Babylonische Talmud, neu übertragen durch Lazarus Goldschmidt, 12 vols., Berlin 1929-1936, hier vol. 7: Baba Qamma/Baba Mecœ ia, Königstein im Taunus 31981, 347: Es geht um „folgende Lehre R. Meirs: Wenn [der Richter] eine Entscheidung getroffen und dem Unrechthabenden Recht und dem Rechthabenden Unrecht gegeben hat, oder das Reine als unrein und das Unreine als rein erklärt hat, so ist seine Entscheidung gültig, er aber muss aus seiner Tasche bezahlen. Aber hierzu wurde ja gelehrt: R. Ilea sagte im Namen Rabhs, dies nur dann, wenn er mit der Hand von einem genommen und dem anderen gegeben hat.“ The Babylonian Talmud. Seder Nezikin. vol. 3: Sanhedrin. Translated into English with Notes, Glossary and Indices under the Editorship of R. I. Epstein, translated by J. Shachter, London 1935, 208 sq., nt. 9. Nach Shachter führt dies zu folgender Schlussfolgerung: „Seeing therefore that R. Akiba did not argue in that matter, it can be inferred that if one errs regarding a law cited in the Mishnah, the decision may not be reversed.“

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nischen Richters gebunden ist und inwieweit sie das Recht hatte, eine Zweitmeinung einzuholen. Der Irrtum Tarfons wiederum besteht nun darin, Mischna Chulin 3,2 nicht zu kennen, wo festgehalten ist, dass das Fehlen der Gebärmutter bei einem Tier kein Kriterium dafür ist, dieses für zum Verzehr ungeeignet zu erklären 47. Da das Fleisch aber bereits von den Hunden gefressen wurde, „ist nicht mehr ungeschehen zu machen, was geschehen ist.“ Daher ist Tarfon schadensersatzpflichtig. Da er aber gleichzeitig ein vom Gericht anerkannter Richter und damit von der Schadensersatzpflicht befreit ist, stehen sich hier zwei Rechtsprinzipien gegenüber. Aus diesem Grund erklärt der oberste Gerichtshof Tarfons Entscheidung zu einem Irrtum. Der Irrtum kann aber nicht widerrufen werden, also müsste Tarfon den Schaden begleichen. Sind die Richter in den babylonischen Gemeinden vom Exilarchen anerkannt, so sind sie nicht schadensersatzpflichtig, da eine Schadensersatzpflicht von dem Exilarchen übernommen wird. Dies wird in bSanhedrin 5a am Falle von Mar Zutra erläutert: „Mar Zutra, der Sohn des Rab Nachman, urteilte und irrte sich. Er trat vor Rab Josef, und dieser sagte zu ihm: Haben sie dich [als Richter] angenommen, so zahlst du keinen [Schadensersatz]. Wenn aber nicht, so gehe und bezahle. Hieraus ist zu entnehmen, dass, die Entscheidung bei fehlender Vollmacht (twçr) ungültig ist. Schließe daraus [auf ähnliche Fälle]. Rab sagte: Will jemand richten, ohne, wenn er sich irrt, schadensersatzpflichtig zu sein, so hole er sich eine Vollmacht vom Exilarchen.“ 48 In Tarfons Fall, der sich in Lydda, südlich von Jerusalem und außerhalb des Kompetenzbereiches des Exilarchen, abspielte, müsste der Schaden von der Instanz beglichen werden, durch die Tarfon als Richter bestellt wurde, so der Einwand R. Aqibas. Ob dies aber geschah, bleibt offen. Wir wissen also nicht, ob Tarfon seinen Esel behalten konnte.

47

48

Cf. J. Cohn, Mischnajot (nt. 7), Chulin, 191 sq.: „Folgende sind beim Vieh taugliche [Körpermerkmale]: Wenn die Luftröhre durchlöchert oder gespalten ist […], wenn der Schädel einen Defekt hat, die Gehirnhaut aber nicht durchlöchert ist, wenn das Herz durchlöchert ist, aber nicht nach einer Herzkammer hin, wenn das Rückgrad gebrochen, das Rückenmark aber nicht abgerissen ist, wenn die Leber fort, aber eine Olivengröße von ihr zurückgeblieben ist, wenn Blättermagen und der kleine Netzmagen ineinander hinein durchlöchert sind, wenn die Milz fort ist, die Nieren fort sind, der Unterkiefer fort ist, die Gebärmutter fort ist.“ Die Frage, warum der Gerichtshof sich um die Ausstellung von Vollmachten bemühe, wird damit beantwortet, dass eine Qualitätskontrolle gesichert sein soll; cf. Lazarus Goldschmidt (nt. 45), vol. 8, 481: „Wozu braucht man, wenn man gelernt hat, eine Vollmacht? Wegen jenes Ereignisses: Es wird gelehrt: Einst kam Rabbi in einen Ort und beobachtete, dass die Leute ihren Teig in Unreinheit kneteten. Er sagte zu ihnen: Weshalb knetet ihr den Teig in Unreinheit? Sie sagten: Ein Schüler [der Gelehrten] kam hierher und lehrte uns, Sumpfwasser verursache keine Verunreinigungsfähigkeit. Er lehrte es aber in Bezug auf Eier, sie aber glaubten, er lehre es in Bezug auf Sumpfwasser. […] Es wird gelehrt: Damals ordneten sie an, dass ein Schüler nur dann rituelle Entscheidungen treffen dürfe, wenn er eine Vollmacht von seinem Lehrer erhalten hat.“

„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a)

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2. Urteil auf Grund eines Irrtums, der auf falschen Informationen beruht Der zweite Fall, in dem es um einen Irrtum in der Mischna selbst geht, findet sich in Mischna Jebamot 10,1: „Zu einer Frau, deren Mann in ein fernes Land gegangen war, kamen [zwei Zeugen] und sagten zu ihr: ,Dein Mann ist verstorben‘. Und [daraufhin] heiratete sie [einen anderen Mann]. Aber danach kam ihr [erster] Mann [zurück]. [In diesem Fall gilt:] Sie muss von dem einen und dem anderen [Mann] weggehen und muss von dem einen und dem anderen einen Scheidebrief bekommen. Und weder die Heiratsverschreibung 49, noch die Früchte, noch die Verpflegung, noch [der Ersatz für] Abnutzung gehört ihr von dem einen oder von dem anderen [Mann]. Wenn sie etwas von dem einen oder anderen genommen hat, muss sie [es] erstatten.“ Es ist im Folgenden zu zeigen, inwiefern es sich bei dieser Entscheidung der Mischna um einen Irrtum handelt, der auf falschen Annahmen und Informationen beruht. Interessant ist der Fall dadurch, dass zwei Zeugen den Tod des Mannes bezeugen, der Mann aber offenbar nicht tot ist. Eine Erklärung wäre, dass der für tot Erklärte verwechselt wurde. Es könnte sich um einen Zwillingsbruder handeln. In diesem Fall hätte die Frau aber zusätzliche Erkundigungen eingeholt, um sicher zu gehen, dass tatsächlich ihr Ehemann und nicht der Bruder tot gesehen wurde. Eine andere Erklärung wäre, dass die Zeugen sich geirrt oder eine falsche Aussage gemacht haben. Um die Frau bei Beendigung einer Ehe finanziell zu versorgen, schreibt das rabbinische Recht vor, eine Summe festzusetzen, die ihr ausgezahlt wird, wenn die Ehe geschieden oder durch den Tod des Mannes beendet wird. Er kann diese Auszahlung verhindern, wenn er etwa erreicht, dass er seine Frau des Ehebruchs bezichtigen kann. Heiratet die Frau nach Bezeugung des Todes ihres Mannes, und lebt dieser aber, ist sie mit zwei Männern gleichzeitig verheiratet, was dem Sachverhalt des Ehebruches gleichkommt. Die Mischna entscheidet den Fall daher zu Ungunsten der Frau, wenn der für tot Erklärte wieder in Erscheinung tritt. Die Frau muss von beiden Männern geschieden werden. Sie verliert ihren Status als Ehefrau in Bezug auf beide Männer. Und, das Gravierendste, keiner der Männer braucht ihr die Heiratsverschreibung auszuzahlen. Die Frau, die völlig unschuldig in diese Situation geraten ist, wird unschuldig durch das Gesetz gestraft. Dies hat auch ein Gelehrter der Mischnazeit gesehen. Rabbi Jose widerspricht der Mischna mit folgendem Satz, der sich in Mischna Jebamot 10,1 anschließt: „Rabbi Jose sagt: Ihre Heiratsverschreibung ist über das Vermögen ihres ersten Mannes [an sie auszuzahlen].“ Wenn der erste Mann bei seiner Rückkehr die Summe der Heiratsverschreibung auszahlen muss, verhindert dies, dass er versucht, sich durch Betrug die Heiratsverschreibung seiner Ehefrau anzueignen. Diese Entscheidung ist so ein49

Wörtlich: Ketubba.

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sichtig, dass sie in die anonyme Gesetzgebung der Mischna aufgenommen wird. Die Mischna hält zum Schluss in Jebamot 10,1 fest: „Und wenn sie verheiratet wurde, ohne [dass] die Erlaubnis des Gerichtshofes [nötig gewesen wäre], ist es ihr erlaubt, zu ihm [dem ersten Mann] zurückkehren.“ Der babylonische Talmud hinterfragt nun in Jebamot 92a, wieso das Gericht im ersten Fall zwei Zeugen zulassen konnte, auf deren Aussage hin, der Ehemann sei tot gesehen worden, die Wiederverheiratung der Frau erlaubt wurde, um, nach Auftauchen des ersten für tot erklärten Mannes, der als einzelner Zeuge vor Gericht anerkannt wird, um seine Toterklärung zu widerlegen, beide Ehen der Frau für annulliert zu erklären: „Unsere Mischna ist wegen einer im Lehrhaus vorgetragenen Lehre nicht aufrecht zu halten, denn im Lehrhaus wurde vorgetragen: ,Wenn das Gericht entschieden hat, dass die Sonne untergegangen sei und sie nachher scheint, so ist dies keine [gültige] Entscheidung, sondern ein Irrtum (twxf).‘ Und Rab Nachman sagt: Dies ist eine [gültige] Entscheidung. Rab Nachman sagte: Es ist zu beweisen, dass dies eine [gültige] Entscheidung ist: In der ganzen Tora ist ein einzelner Zeuge nicht glaubhaft, hierbei aber ist er glaubhaft. Doch wohl deshalb, weil dies eine Entscheidung ist. 50 Raba sagte: Es ist zu beweisen, dass dies ein Irrtum ist: Wenn das Gericht Fett oder Blut [zu essen] erlaubt hatte, dann einen Grund zu einem Verbot gefunden hat, und es daraufhin wieder erlaubt, so beachte man dies nicht. Hier dagegen wird, wenn ein einzelner Zeuge 51 [vor Gericht] kommt, [der Frau zu ihrem Mann zurückzukehren] erlaubt. Wenn zwei 52 kommen, ist dies verboten, und wenn wiederum ein einzelner Zeuge 53 kommt, dies abermals erlaubt, dann deshalb, weil dies 54 ein Irrtum ist. - Auch Rabbi Eliezer ist der Ansicht, dass es ein Irrtum ist, denn es wird gelehrt: Rabbi Eliezer sagt: Das Recht durchbohre den Berg, und [die Frau] bringe ein fettes Sündopfer dar. Es ist zu erklären, dass sie ein Sündopfer darbringen soll, wenn du sagst, es sei ein Irrtum. Wieso aber bringe sie ein Sündopfer dar, wenn du sagst, es sei eine [gültige] Entscheidung? Vielleicht ist Rabbi Eliezer der Ansicht, dass ein einzelner, wenn er nach einer Entscheidung des Gerichts [sündhaft] gehandelt hat, schuldig sei? Wieso heißt es dann, das Recht solle den Berg durchbohren? [Weil es in der Mischna heißt:] Wenn das Gericht entschieden hat, dass sie verheiratet werden darf.“ Der Talmud konstatiert zunächst, dass die Lehre der Mischna nicht aufrecht zu erhalten ist und dass die Frau von beiden Männern geschieden wird, ohne ihre Heiratsveschreibung zu erhalten. Im Lehrhaus wurde dies durch ein plakatives Beispiel illustriert: Hat das Gericht entschieden, die Sonne für untergegangen zu erklären, obwohl sie noch scheint, liegt ein Irrtum vor, denn die Entscheidung entspricht nicht dem tatsächlichen Sachverhalt. Rab Nachman hält 50 51 52 53 54

Ihn als einzelnen Zeugen als glaubhaft einzustufen. Das heißt: der für tot erklärte Ehemann, der wieder in Erscheinung tritt. Das heißt: die zwei Zeugen, die bezeugen, den Ehemann tot gesehen zu haben. Das heißt: eine Person, die die Identität des für tot erklärten Ehemannes bezeugt. Das heißt: das gesamte Verfahren.

„Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a)

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mit dem Argument dagegen, dass die Entscheidung des Gerichtshofes dennoch gültig sei. Eine Ausnahme von dieser Regel, dass Entscheidungen des Gerichtshofes gültig sind, gibt es nur, wenn eine Entscheidung auf Grund einer einzelnen Zeugenaussage getroffen wurde, obwohl immer zwei Zeugenaussagen in Bezug auf einen Sachverhalt vor Gericht notwendig sind. Hat sich ein Gerichtshof aber darauf geeinigt, nur eine Zeugenaussage, nämlich die des zurückgekehrten Ehemannes, gelten zu lassen, dann ist die Entscheidung des Gerichtshofes gültig. In unserem Fall liegt das Problem darin, dass der für tot erklärte Ehemann als einzelner Zeuge anerkannt wird, obwohl in einem Gerichtsverfahren Entscheidungen immer aufgrund von zwei Zeugen gefällt werden müssen. Darf der wieder aufgetauchte Ehemann als einzelner Zeuge anerkannt werden? Oder muss ein zweiter Zeuge die Identität des für tot erklärten Mannes bestätigen? Gelten beide dann als zwei Einzelzeugen oder zwei Zeugen in Bezug auf eine Angelegenheit? Raba beginnt eine neue Diskussionsrunde: Einem Gerichtshof muss nachgewiesen werden, dass er sich geirrt hat. Im Falle der für untergegangen erklärten Sonne wäre das ein Leichtes, denn die Richter bräuchten nur vor die Türe zu treten. Im Falle der zweifach verheirateten Frau ist dies schwieriger, da die beiden Zeugen durch das Auftauchen des für tot erklärten Ehemannes, der als einzelner Zeuge in seinem Fall auftritt und dessen Zeugenaussage zugelassen wird, widerlegt sind. Wurde der Frau aber aufgrund der beiden Zeugenaussagen, die sich als falsch herausgestellt haben, erlaubt, sich zu verheiraten, obwohl der erste Mann noch nicht verstorben ist, wurde sie dazu gebracht, Ehebruch zu begehen. Dies ist durch ein „fettes Opfer“ ihrerseits zu sühnen. Das Gericht ist aber mit dem Problem konfrontiert, dass es zunächst zwei falsche Zeugenaussagen zuließ. Dies geschah aufgrund der Regel, dass im Falle von zwei übereinstimmenden Zeugenaussagen diese als glaubwürdig eingestuft wurden, wohl ohne die Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen. Rabbi Eliezer vertritt daher die Meinung: „Das Recht durchbohre den Berg“! Diese Formulierung findet sich bereits in Tosefta Sanhedrin 1,4, wo Moses starrer Gerechtigkeitssinn mit dem um Ausgleich bemühten Aaron verglichen wird: „Das Recht durchbohre den Berg 55. Und so sagte es Mose: Das Recht durchbohre den Berg. Aber Aaron schloss Frieden [unter den Israeliten], zwischen 55

Zu dieser Formulierung erklärt M. Cohn in seinem Wörterbuch des jüdischen Rechts, URL: *http://www.juedisches-recht.de/lex_ein_j_recht.php+ (Stand: 12. 07. 2016): „Der Einfluß, den andere Faktoren auf das j[üdische]. Recht ausgeübt haben, zeigt sich auch in der Auffassung, daß das Beharren auf Ansprüchen gemäß dem strengen Recht der Tora (din tora) nicht als das zu erstrebende Ideal betrachtet wird, sondern daß noch höher der nachgebende Verzicht steht. Im Talmud (b. B[aba] M[etzia] 30b) wird sogar behauptet, daß die Zerstörung Jerusalems darauf zurückzuführen sei, daß man das strenge Tora-R[echt]. angewandt habe, statt Milde zu üben. Neben der Rechtslinie (schurat hadin) findet sich eine Sphäre der Billigkeit, welche ,innerhalb der Rechtslinie‘ (lifnim mischurathadin) liegt. ,Das R[echt] soll nicht den Berg durchbohren‘, sondern es soll stets unter Einhaltung der von Treu und Glauben diktierten Einschränkungen angewandt werden.“

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einer Person und einer anderen, wie es heißt: ,Er wandelte mit mir in Frieden und Aufrichtigkeit‘ (Maleachi 2,6).“ Nach Treu und Glauben müsste die Frau in unserem Fall ihre Heiratsverschreibung von ihrem ersten Mann ausgezahlt bekommen, von ihm den Scheidebrief erhalten und in Frieden bei ihrem zweiten Mann leben können. Nach dem strengen Recht, müsste nach dem Buchstaben des Gesetzes entschieden werden. Dann würde die erste Entscheidung der Mischna in Bezug auf den Fall weiterhin gelten und die Frau müsste von beiden Männern geschieden werden. Die Mischna geht mit ihrer Revision den Mittelweg, wenn sie die zweite Ehe annulliert und den ersten Mann als weiterhin verheiratet, und damit verantwortlich für das Auszahlen der Heiratsverschreibung zum Ende der Ehe erklärt. Auf diesem Wege verhindert sie einen Betrugsversuch des ersten Ehemannes. Offenbar ist die Behandlung dieses Falles in der Mischna damit aber noch nicht vollständig durchdacht, denn fünf Kapitel später kommt die Mischna (in Jebamot 15,1-2) auf ähnliche Fälle zurück, um weitere Unterscheidungen zu treffen. Sollte sich der Fall, dass der Tod eines Ehemannes bezeugt wird, so hebt die Mischna nun hervor, in einer Zeit eines Krieges abspielen, gelten andere Regeln als in Zeiten des Friedens. Zudem wird die Frage gestellt, ob die Frau den Tod ihres Mannes selbst bezeugen kann, wenn beide im Ausland waren und ihr Mann während der Reise verstirbt: „[Es handelt sich um] eine Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann in ein fernes Land gegangen war. Es war Frieden zwischen ihm und ihr, und es war Frieden in der Welt, und sie kam [allein zurück] und sagte: ,Mein Mann ist verstorben‘ - [so darf sie erneut] heiraten. […] War Frieden zwischen ihm und ihr, aber es gab Krieg in der Welt, oder es war Zwist zwischen ihm und ihr, und Frieden in der Welt, und sie kam [zurück] und sagte: ,Mein Mann ist verstorben‘ - [so] ist sie [als einzelne Zeugin] nicht glaubwürdig. Rabbi Jehuda sagt: Sie ist in keinem Fall [als Zeugin] glaubwürdig, außer sie kommt weinend und mit zerrissenen Kleidern [vor den Gerichtshof]. Sie sagten zu ihm: Ob so oder so 56 darf sie [wieder] heiraten. Die [Gelehrten aus der] Schule Schammais sagen: Sie darf [wieder] heiraten und erhält ihre Heiratsverschreibung. Die [Gelehrten aus der] Schule Hillels sagen: Sie darf [wieder] heiraten und erhält ihre Heiratsverschreibung nicht. Die [Gelehrten aus der] Schule Schammais sagten zu ihnen: Ihr habt beim [Aufdecken der] Blöße, dem Schwerwiegenderen, erleichtert, und erleichtert nicht beim Geld 57, dem Leichteren? Die [Gelehrten aus der] Schule Hillels sagten zu ihnen: Wir finden, dass die Brüder [des Ehemannes] auf ihre Aussage hin nicht die Erbschaft antreten [dürfen]. Die [Gelehrten aus der] Schule Schammais sagten zu ihnen: Lernen wir es aber nicht aus der Rolle ihrer Heiratsverschreibung, da er ihr [doch] geschrieben hat: ,Wenn du einen anderen heiratest, erhältst du, was dir verschrieben ist‘? Da kehrten [die Gelehrten aus] der Schule Hillels um, um gemäß der Schule Schammais zu entscheiden.“ 56 57

Das heißt: ob sie nun weint oder nicht. Das heißt: bei dem Auszahlen der Heiratsverschreibung.

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Die Mischna geht zunächst auf den Fall ein, dass es sich bei den Zeugenaussagen, die den Tod eines Mannes bezeugen, der in Wahrheit nicht tot ist, tatsächlich um einen Irrtum handeln kann. In Kriegszeiten, wenn Menschen schlimme Wunden erleiden, können Gesichter so entstellt werden, dass Menschen nicht mehr erkannt oder leicht verwechselt werden können. Daher sind Zeugen in Kriegszeiten nicht glaubwürdig, den Tod eines Mannes zu bezeugen, um die Wiederverheiratung der Frau als vermeintlicher Witwe zu erlauben. In Mischna Jebamot 15,1 wird dies in Bezug auf das Zeugnis der Ehefrau selbst festgestellt, dass diese in Kriegszeiten über den Tod ihres Mannes im Ausland ablegt. Wenn aber das Zeugnis der Ehefrau, die ihren Mann am besten kennt, in Kriegszeiten nicht anerkannt wird, um wie viel weniger das Zeugnis anderer, die ihn nicht so gut kannten wie seine Ehefrau. Ein weiteres Problem sieht die Mischna in Jebamot 15,1 gegeben, wenn Ehefrau und Ehemann streitend ins Ausland gingen und nur die Ehefrau zurückkehrt, die dann den Tod ihres Ehemannes bezeugt. In diesem Fall ist ihr Zeugnis nicht glaubwürdig, weil sie im Streit oder durch ihren Hass den Tod des Ehemannes verursacht haben könnte, was zu prüfen ist. Die Mischna hält aber zunächst fest, dass in Friedenszeiten, und wenn keine Zwistigkeiten zwischen den Ehepartnern bestanden, als diese ins Ausland reisten, die Aussage der Ehefrau über den Tod ihres Mannes vor Gericht als glaubwürdig eingestuft wird und die Frau daraufhin einen zweiten Mann heiraten darf. Rabbi Jehuda wendet dagegen ein, dass das Bezeugen des Todes des Ehemannes durch die Frau nur dann glaubhaft sei, wenn die Frau weinend und in zerrissenen Kleidern vor dem Gericht erscheine. Damit will Jehuda darauf hinweisen, dass ein Zeugnis der Ehefrau nur dann darin glaubwürdig ist, den Tod des Mannes zu bezeugen, wenn Trauer darüber erkennbar sei. Dies allerdings wird zu Recht von der Mehrheit der Gelehrten als nicht überzeugendes Argument abgelehnt, da Trauer vorgespielt werden kann. Nach Mischna Jebamot 15,1 ist es also vor Gericht zulässig, dass eine Frau den Tod ihres im Ausland verstorbenen Mannes bezeugt, um dann vom Gericht die Erlaubnis zu erhalten, erneut heiraten zu können. Über die Frage, ob sie aus dem Vermögen des verstorbenen Mannes ihre Heiratsverschreibung erhält, gehen die Meinungen hingegen auseinander. Nach Mischna Jebamot 15,3 bejaht dies die Schule Schammais, nicht aber die Schule Hillels, die ausschließen möchte, dass durch die Aussage der Ehefrau „die Brüder zu ihrem Erbe kommen“. Ihr die Heirat aufgrund einer Zeugenaussage zu erlauben ist möglich, nicht aber die Regelung von Erbangelegenheiten für die, nach Deuteronomium 19,15, zwei Zeugen notwendig sind. Die Schule Schammais verweist schließlich darauf, dass der Ehemann in der Heiratsverschreibung den Fall vorsorglich geregelt hat, wenn er in dieser Weise unterschreibt: „Wenn du einen anderen heiratest, so erhältst du, was dir verschrieben ist.“ Mischna Jebamot 15,4 fasst das Gesamtproblem dann noch einmal zusammen: Wenn ein Zeuge sagt, der Ehemann einer Frau sei tot, darf die Frau erneut heiraten. Kommt dann aber ein anderer, der sagt, er sei nicht gestorben, braucht die Ehe nicht geschieden zu werden. Sagt ein Zeuge, dass er gestorben ist, aber

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zwei Zeugen sagen, er sei nicht gestorben, muss die zweite Ehe geschieden werden. Sagen zwei Zeugen, er sei gestorben, und ein Zeuge sagt, er sei nicht gestorben, darf die Frau eine neue Ehe eingehen. Insgesamt ist bei der Behandlung des Falles der vermeintlichen Witwe zu erkennen, dass die anfängliche Undifferenziertheit der Mischna in der Einschätzung des Falles zu einer Revision der Gesetzgebung in der Mischna selbst führte, um eine gerechte Lösung für das Problem der wiederzuverheiratenden Frau zu finden. In der talmudischen Diskussion wird dann herausgearbeitet, dass ein Irrtum im Verfahren selbst vorlag. Ein Gericht irrt, wenn es eine Entscheidung aufgrund von zwei Zeugenaussagen trifft, um dann diese Entscheidung durch die Zeugenaussage eines einzelnen Zeugen, auch wenn dieser Zeuge der für tot erklärte Ehemann selbst ist, zu widerrufen. III. Fazit Ein Irrtum ist nach Mischna Horajot 1,1 eine falsche Entscheidung, ein versehentlich falsches Handeln, das zu einer Gebotsübertretung führt oder ein Versehen, ein Verwechseln von etwas Erlaubtem mit etwas Verbotenem. Der Gerichtshof kann, so Mischna Horajot 1,2, eine falsche Entscheidung widerrufen, wenn die Richter erkannt haben, dass sie sich bei ihrer Entscheidung geirrt haben. Im Talmud Horajot 3b ist der Irrtum eines Gerichtshofes erst dann ein Irrtum, wenn der Gerichtshof einstimmig irrt. Nach Talmud Sanhedrin 33a ist zu unterscheiden, ob sich ein Richter in der Sache einer Lehre (hnçm) geirrt hat oder beim Abwägen von Argumenten 58. Über die Erstattung von entstandenem Schaden, der aufgrund eines Irrtums geschieht, wird diskutiert. Um einen Irrtum zu beheben und Gerechtigkeit walten zu lassen, wird im diskutierten Fall des Familienrechts die Mischna revidiert, da aufgrund falscher Informationen eine ungerechte Entscheidung getroffen wurde. IV. Definition von „Ir r tum“ im Wör terbuch des jüdischen Rechts von Marcus Cohn 5 9 „Liegt beim Abschluss eines Rechtsgeschäftes ein unbeabsichtigter Willensmangel vor, d. h. stimmen Erklärung und tatsächlicher Wille nicht überein, so 58

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t[dh lwqyç ist drei Mal im babylonischen Talmud (Sanhedrin 6a und 2 Mal in Sanhedrin 33a) und einmal im Jeruschalmi (Ketubbot 9,33a) belegt, also extrem selten in der rabbinischen Literatur zu finden. Nach M. Jastrow, Dictionary (nt. 5), 1567 bedeutet die Formulierung: „weighing of opinions, decision between opposing views“. Cf. M. Cohn, Wörterbuch des jüdischen Rechts, URL: *http://www.juedisches-recht.de/lex_ all_irrtum.php+ (Stand: 06. 09. 2016).

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wird diesem I[rrtum]. im j[üdischen] 60 Recht in weitgehendem Maße Schutz gewährt. Das j[üdische] Recht fordert, dass der erzielte Rechtserfolg gewollt ist. Das Rechtsgeschäft darf für den Erklärenden keine anderen, als die von ihm beabsichtigten, Wirkungen haben. Liegt aber im Willensentschluss oder in der abgegebenen Erklärung ein Mangel vor, so muss der Irrende von den Folgen dieses I[rrtum]’s befreit werden. Das j[üdische] Recht steht somit grundsätzlich auf dem Standpunkt der Willenstheorie: Die Erklärung allein ist ohne entsprechenden Willen nicht verbindlich. Ist die Willenserklärung insofern keine freie, als sie durch Zwang (Oness) herbeigeführt wird, so ist sie im Allgemeinen rückgängig zu machen. Der I[rrtum] wird im j[üdischen]. Recht berücksichtigt, sowohl wenn er durch Täuschung, als auch wenn er durch eigenes Versehen herbeigeführt wurde. […] Es gibt auch vereinzelte Fälle, in denen es nicht einmal einer solchen Äußerung über die Motive bedarf, sondern in denen diese Beweggründe so einleuchtend erscheinen, dass sie auch als stillschweigende Bedingungen geschützt werden. […] Hört jemand z. B. vom Tode seines Sohnes, der nach überseeischen Ländern gereist war, und schenkt hierauf sein ganzes Vermögen einem Dritten, so ist diese Schenkung ungültig, wenn der totgeglaubte Sohn zurückkehrt, da das behauptete und durchaus einleuchtende Motiv seiner Handlungsweise nicht zutrifft. Ebenso wird, falls ein Schwerkranker sein ganzes Vermögen verschenkt, als offenbarer mutmaßlicher Beweggrund angenommen, dass er diese Schenkung nur im Hinblick auf seinen bevorstehenden Tod gemacht hat; stirbt er aber nicht an dieser Krankheit, so ist die Schenkung gemäß den Bestimmungen des j[üdischen] Erbrechts, welches im allgemeinen keine Testierfreiheit kennt, ungültig (B[aba] B[atra] 9, 6). Diese begründete Vermutung hat auch beim Scheingeschäft eine entscheidende Bedeutung. An vielen Stellen des Schrifttums wird, abgesehen vom rechtlichen Schutz, der dem I[rrtum] gewährt wird, bestimmt, dass die Täuschung und Herbeiführung eines I[rrtums]. beim Kontrahenten sowohl Juden wie Nichtjuden gegenüber streng untersagt ist. Sogar die Irreführung über seine wahre Gesinnung, der ,Diebstahl der guten Meinung‘ des anderen über ihn (genewat da’at) ist verboten.“

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Die im Original vorfindlichen Abkürzungen werden in eckigen Klammern zu vollständigen Wörtern ergänzt.

Der Vorwurf des error in den politischen Auseinandersetzungen des 13. Jahrhunderts (1250-1300) Ingeborg Braisch (Hamburg) Die folgende Untersuchung befasst sich mit der Frage, in welcher Form die Kurie und ihre Anhänger vor allem zwischen 1250 und 1300 die Anklage des „error “ einsetzten, um ihre politischen Feinde zu diffamieren. Sie stützt sich auf die Belege in den ,Epistolae saeculi XIII e regestis pontificum romanorum selectae‘ der Monumenta Germaniae Historica 1, auf die von Brepols unter ,Ut per litteras apostolicas‘ veröffentlichten päpstlichen Verlautbarungen von Honorius III. bis zu Bonifatius VIII. 2, auf den 1285 beendeten ,Liber gestorum regum Siciliae‘ Saba Malaspinas 3 und den Gebrauch von „error “ in den Annalen, Chroniken etc. der ,Scriptores in folio aevi Suevici‘ vols. 16-19 der Monumenta Germaniae Historica 4. Es handelt sich also nur um Teilergebnisse. Der Anspruch, eine allgemeingültige Gesamtaussage machen zu können, wird nicht erhoben. Die häufig hochgebildeten Verfasser der untersuchten Texte stützten sich sowohl auf die antike Literatur als auch auf die Schriften der Kirchenväter. Deshalb folgen zunächst einige kurze Abrisse, zuerst zu den Bedeutungen von „error “ in der Antike, dann zu den Bedeutungsnuancen, die die Kirchenväter hinzufügten, und zu den Ergänzungen in der Vulgata. I. Die Bedeutung en des Beg riffs er r or in der Antike Einer der ersten vollständigen Sätze in einem alten lateinischen Lehrbuch lautet: „Errare humanum est.“ Er basiert auf weitaus diffizileren antiken Vorbildern. Cicero äußerte in einer Rede: „Cuiusvis hominis est errare, nullius nisi insipientis in errore perseverare“ 5 („Kennzeichnend für einen jeden Menschen ist es, sich zu irren, aber nur für den Törichten ist es kennzeichnend, in seinem Irrtum zu verharren“) 6. Lange vor Cicero hatte Sophokles in seiner Tragödie ,Antigone‘ 1 2 3 4 5 6

44 Belege. 196 Belege. 21 Belege. 14 Belege. Cicero, Philippica, XII, 2, 5, ed. A. C. Clark, Oxford 1960, ohne Paginierung. Sofern nicht anders vermerkt, handelt es sich im Folgenden um von mir verfertigte Übersetzungen.

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den greisen Teiresias zu Kreon sagen lassen: „αœ νθω´ ποισι γα` ρ τοi˜w κοινο´ ν eœστι τοyœξαμαρτα´ νειν!“ 7 („Sich zu verirren, ist aller Sterblichen gemeinsam Los“). Teiresias fährt fort: „Doch irrt er auch, der bleibt nicht ohne Rat und ohne Segen, wer sich heilen lässt von seinem Übel und sich wandeln kann.“ 8 Gemeinsam ist diesen und ähnlichen Aussprüchen die Überzeugung, dass Menschen sich immer wieder irren, aber auch bereit sein sollten, ihren Irrtum einzusehen und sich eines Besseren belehren zu lassen. Doch was bedeutet „error “? Die semantische Bandbreite des Begriffs in der Antike ist erstaunlich. 1. „Error “ kennzeichnet das physische Umherirren, Irrfahrten wie die des Äneas, das ausweglose Irren in einem Labyrinth 9, aber auch das Hin- und Hertreiben der Atome 10. 2. Mit „error “ wird der psychische Zustand der Unsicherheit beschrieben, Unruhe, Ungewissheit 11, die sich bis zum Wahn steigern kann, und auch die Verblendung der Liebe 12. 3. „Error “ ist ein gedanklicher Irrtum, eine falsche Berechnung 13, ein Missverständnis, eine Täuschung 14. Dazu gehört auch die falsche Auslegung der Götter- und Orakelsprüche 15. 4. „Error “ meint das falsche Handeln, meist im moralischen Sinn, das allerdings im Gegensatz zu einem Verbrechen, einer „culpa“, verzeihlich sein kann 16. „Error “ ist demnach a) ein Geschehen, das Menschen und Dinge über sich ergehen lassen müssen, weil die Götter oder das Fatum es bestimmen oder weil die menschliche Natur zu schwach ist, sich gegen Gefühle zu wehren; b) kennzeichnet „error “ eine Handlung oder ein Verhalten, das dem Mangel an Erfahrung, Gelassenheit und Klugheit entspringt und durchaus nicht so negativ konnotiert ist wie etwa „culpa“, eine rechtsverletzende Handlung, „delictum“, ein Fehltritt aus bösem Willen, aus Dummheit oder Fahrlässigkeit oder „vitium“, ein moralisch falsches Verhalten.

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Sophokles, Antigone 1023 sq., ed. M. Griffith, Cambridge 1999, 107. Übersetzung: W. Kuchenmüller, Sophokles, Antigone. Eine Tragödie, 1023-1027, Stuttgart 1955, 47. Cf. Vergil, Aeneis, V, 592, ed. F. A. Hirtzel, Oxford 1959, ohne Paginierung: „Indeprensus et inremeabilis error.“ Cf. Lucrez, De rerum natura, II, 132, ed. J. Martin, Leipzig 1959, 48: „Scilicet hic a principiis est omnibus error.“ Cf. ibid., III, 1052, 124: „Atque animi incerto fluitans errore vagaris.“ Cf. Plautus, Mercator, I, 25, ed. W. M. Lindsay, Oxford 1959, ohne Paginierung: „Insomnia, aerumna, error, [et ] terror et fuga.“ Cf. e.g. Ovid, Fasti, I, 31 sq., ed. J. G. Frazer, Cambridge, Massachusetts 1959, 4. Cf. e.g. Catull, Carmen 22, 18-22, edd. M. Schuster/W. Eisenhut, Leipzig 1953, 16. Cf. Vergil, Aeneis, X, 109 sq., ed. Hirtzel (nt. 9): „Seu fatis […] tenentur sive errore malo Troiae monitisque sinistris.“ Cf. e.g. Ovid, Tristia, III, 1, 49-52, ed. S. G. Owen, Oxford 1963, ohne Paginierung.

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II. Der Vorwurf des „ er r or “ im fr ühen Christentum 1. „Error “ in den Aussagen der Theologen Die frühen christlichen Schriftsteller, die zumeist eine klassische Ausbildung genossen haben, kennen alle diese Bedeutungsnuancen. So bezeichnet Ambrosius das Verhalten von Petrus, der Jesus dreimal verleugnet, als „error “ 17. Zugleich aber fügen sie in Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern den bisherigen Bedeutungen neue hinzu. a) „Error “ ist der Oberbegriff für alle nichtchristlichen Religionen. Der Glaube an die griechisch-römische Götterwelt, ihre Kulte und der Glaube an alle orientalischen oder keltischen Gottheiten, die von den Römern in ihr Pantheon aufgenommen waren, werden als „error “ bezeichnet, ihre Mythen als erdichteter Aberglauben 18. b) Als „errores“ werden die Lehren der antiken Philosophie verworfen 19. c) Der Glaube der Juden wird als „error “ diffamiert. Weil die Juden nicht an den Messias glauben, sind sie nicht mehr das Volk Gottes, sondern das Volk des Irrtums, „populus erroris“ 20. d) „Error“ bezeichnet eine falsche christliche Lehre und kann Häresie sein. Häretiker ist, wer die Schrift falsch auslegt und seinen Irrtum nicht einsehen will, wer um weltlicher Vorteile willen eine neue Lehre erfindet, wer sich für längere Zeit von der Kirche trennt und - seit dem 4. Jh. - wer die von der römischen Kirche gebilligten Glaubenssätze ablehnt 21. Unter den frühchristlichen Theologen gibt es heftige Auseinandersetzungen über diese Themata: ein Bischof Cypirus soll sechs Bücher über 80 Sekten verfasst haben 22. Zum Verständnis der oft widersprüchlichen Äußerungen unter den Kirchenvätern, sollte auch daran erinnert werden, dass „secta“ „Richtung“, „Schule“, „Bahn“, „philosophische Lehre“ bedeutet und die griechische Wurzel des Wortes Häresie „Wahl“, „Denkweise“, „Gesinnung“. Augustin nimmt Stellung zum Zusammen17

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Cf. Ambrosius, Exameron, V, 24, 89, ed. C. Schenkl (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 31,1), Wien 1897, 203,3: „Flevit errorem suum Petrus et meruit ut aliorum aboleret errores.“ Cf. e.g. Minucius Felix, Octavius, 3, 1, ed. B. Kytzler, Leipzig 1982, 2. Die Behauptung, bei den Göttermythen handele es sich um „fabulas et errores“, findet sich ibid., 23, 1. Cf. Apponius, In Canticum Canticorum expositio, IV, edd. B.de Vregille/L. Neyrand (Corpus Christianorum. Series Latina 19), Turnhout 1986, 101,3326: „Philosophiae error gentilium, Chrisi doctrina splendente, abiit et recessit.“ Ambrosius, Sermo contra Auxentium = Epistulae, 75a, 28, edd. M. Zelzer/O. Faller (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 82, 3), Wien 1982, 101,340 sqq.: „Iam enim non populus Dei qui fuerat Iudaeorum quia populus erroris est factus.“ Cf. O. Hageneder, Die Häresie des Ungehorsams und das Entstehen des hierokratischen Papsttums, in: Römische Historische Mitteilungen 20 (1978), 33; L. Paolini, L’eretico, avversario politico, in: F. Cardini/M. Saltarelli (eds.): Per me reges regnant, Siena 2002, 264 hebt hervor, dass die spätantike Häresie nicht einen Bruch mit der Kirche bedeuten musste. Cf. Augustinus, De haeresibus, praef. 6, edd. R. Vander Plaetse/C. Beukers (Corpus Christianorum. Series Latina 46), Turnhout 1969, 288,81-85.

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hang zwischen error und Häresie und betont ausdrücklich: „Nicht jeder Irrtum ist eine Ketzerei.“ 23 Aber die Grenze ist sehr fließend: An vielen Stellen verbindet er wie manche seiner Vorgänger und Zeitgenossen eindeutig „error “ mit Ketzerei: „Et ille quidem serpens, id est error haereticorum.“ 24 Sehr früh verwenden diese Theologen im Kontext mit error im Sinn von Häresie immer wieder Substantive oder entsprechende Adjektive wie „nubes“ (Wolke), „nebula“ 25 (Nebel), sehr häufig „tenebrae“ 26 (Dunkelheit), „caligo“ 27 (Finsternis), „caecitas“ 28 (Blindheit), „obstinatio“ 29 (Starrsinn), „pertinacia“ 30 (Eigensinn), „superbia“ (Hochmut) 31, „venenum“ 32 (Gift), „pravitas“ 33 (Verworfenheit), „falsitas“ 34 (Falschheit), „superstitio“ 35 (Aberglauben), „zizania“ (Un23

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Augustin, De haeresibus, praef. 7, edd. R. Vander Plaetse/C. Beukers (nt. 22), 298,98-100: „Non enim omnis error haeresis est, quamvis haeresis quae in vitio ponitur nisi errore aliquo haeresis esse non possit.“ Augustinus, De Genesi contra Manichaeos, II, 26, 40, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 34, Paris 1887, 217,41 sq. Cf. Hieronymus, In Osee, II, 5, 12, edd. M. Adriaen (Corpus Christianorum. Series Latina 76), Turnhout 1969, 60,350-351: „Et haereticorum vel erroribus vel vitiis continentur.“ Cf. e.g. Lucifer Calaritanus, Moriundum esse pro dei filio, V, 1, ed. G. F. Diercks (Corpus Christianorum. Series Latina 8), Turnhout 1978, 275,95-97: „Sed te quanta caligo obsederit incredulitatis quantaque tenebrarum et errorum nubes tuum pectus obduxerit, dici non potest “; Augustinus, Epistulae, 141, 8, ed. A. Goldbacher (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 44), Wien-Leipzig 1904, 241,22-24: „Ecce et hinc victi sunt, unde vobis solent nebulas erroris offundere concitantes nobis invidiam et in odium vestrum nos adducentes.“ Zu ,tenebrae‘ cf. Lucifer Calaritanus, Moriundum , V, 1, ed. Diercks (nt. 25). Cf. e.g. Minucius Felix, Octavius, 26, 7, ed. B. Kytzler (nt. 18), 25: „Adgrediar tamen fontem ipsum erroris et pravitatis, unde omnis caligo ista manavit “; Lucifer Calaritanus, Moriundum, V, 1 (nt. 25). Cf. e.g. Lactantius, Divinae Imstitutiones, III, 29, 18, ed. S. Brandt (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 19), Wien-Leipzig 1890, 271,3: „Stultitia igitur et error et caecitas.“ Cf. e.g. Augustinus, Epistulae, 186, 8 ed. A. Goldbacher (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 57), Wien-Leipzig 1911, 68,13-15: „Quidam etiam apud vos […] tanta pro isto errore obstinatione nituntur.“ Cf. e.g. Augustinus, Quaestiones XVI in Matthaeum, 11, ed. A. Mutzenbecher (Corpus Christianorum. Series Latina 44B), Turnhout 1980, 132,175-177: „Quapropter et alligatio fasciculorum in fine futura est, ut non confuse sed pro modo perversitatis suae uniuscuiusque erroris pertinacia puniatur.“ Cf. e.g. Augustinus, Epistulae, 101, 2 , ed. A. Goldbacher (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 34, 1), Prag e. a. 1898, 541,3-5: „Absit omnino, ut istorum vanitates et insaniae mendaces, ventosae nugae ac superbus error recte liberales litterae nominentur hominum scilicet infelicium.“ Cf. e.g. Augustinus, In Iohannis evangelium tractatus, 42, 15, ed. R. Willems (Corpus Christianorum. Series Latina 36), Turnhout 1954, 372,5: „In evangelio habetis unde sanemini contra errores venenosos et nefarios haereticorum.“ Cf. e.g. Minucius Felix, Octavius, 26, 7, ed. Kytzler (nt. 18), Zitat cf. nt. 27; Cyprianus Carthaginiensis, Epistulae, 34, 1, ed. G. F. Diercks (Corpus Christianorum. Series Latina 3B), Turnhout 1994, 167,7-8: „In pravis erroribus suis frequenter deprehensi.“ Cf. e.g. Filastrius Brixiensis, Diuersarum hereseon liber, 83, ed. V. Bulhart (Corpus Christianorum. Series Latina 9), Turnhout 1957, 253,6: „Qui eorum nuper successit erroribus atque falsitati.“ Cf. e.g. Chromatius Aquileiensis, Tractatus in Mathaeum, 5, edd. R. E´taix/J. Lemarie´ (Corpus Christianorum, Series Latina 9A), Turnhout 1974, 218,66-68: „Spolia autem samariae, eosdem magos quos de errore superstitionis samariae, hoc est de cultura idolorum abstraxit.“

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Abb. 1: „Error “ und sein Wortfeld im Sinn von Häresie in den Schriften der Kirchenväter. Beispiele aus 2.1 (Zeichnung: Ingeborg Braisch) kraut), „zizaniam seminare“ 36 (Unkraut aussäen), „serpens“ 37 (Schlange), „daemon“ 38, „diabolus“ 39 (Teufel), „Satan/Satanas“ 40. Durch diese ,Nachbarn‘, die dem Schlüsselwort „error “ beigesellt werden, erhält der Begriff einen weitaus negativeren Beiklang, als wir ihn aus dem antiken Latein kennen. „Error “ ist in diesen Bedeutungsnuancen ausschließlich religiös konnotiert und der Vorwurf wird defensiv und aggressiv zugleich benutzt, um den christlichen Glauben gegen die heidnische und jüdische Umwelt abzusichern und zu verteidigen, außerdem aber innerhalb der christlichen Gemeinschaft gegen Vertreter falscher Glaubensvorstellungen vorzugehen, sie zu korrigieren oder zu exkludieren. Es gibt - anders als für das Irren und Irrtümer griechischrömischer Provenienz - keinerlei Verständnis, keine Entschuldigung, kein Ver36

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Cf. Augustinus, Quaestiones XVI in Matthaeum, 11, ed. Mutzenbecher (nt. 30), 129,109-111: „Toleranda sunt autem non solum zizania usque ad messem, quae cum diabolus aspersis pravis erroribus falsisque opinionibus superseminasset, hoc est praecedente nomine Christi hereses superiecisset, magis ipse latuit atque occultissimus factus est, hoc est enim et abiit, sed etiam palea usque ad ventilationem.“ Cf. Augustinus, De Genesi, II, 26, 40, ed. Migne (nt. 24). Cf. e.g. Gaudentius Brixiensis, Tractatus, 6, 14, ed. A. Glück (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 68), Wien-Leipzig 1936, 52,108-110: „Tunc enim saevit in dei famulos […], dum vel idolatriae superstitionem vel ceteros principales errores daemonum deus disperdit ex nobis.“ Cf. Augustinus, Quaestiones, 11, ed. Mutzenbecher (nt. 36), 129,109-111. Cf. Chromatius Aquileiensis, Tractatus, 49, edd. E´taix/Lemarie´ (nt. 35), 443,118-120: „Quique per domini misericordiam liberatus de errore satanae, relicta idolorum cultura, statim et videre coepit et loqui.“

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zeihen: Wer sich nicht belehren und überzeugen lässt, sondern in seinem Starrsinn beharrt, muss die Konsequenzen tragen, als Ketzer gebrandmarkt und aus der Gemeinde der Christen ausgestoßen zu werden.

2.2 Die Verwendung von „error“ in der Vulgata a) „Error “ bedeutet Irrtum, Versehen, aber auch Täuschung und Betrug so fürchteten die Pharisäer, dass die Jünger Jesu die Auferstehung ihres Meisters vortäuschen könnten 41. b) „Error steht in Verbindung mit Dummheit, Unwissenheit und Unklugheit („stultitia“, „insipientia“) 42. c) Im direkten religiösen Kontext ist „error “ eine unabsichtliche Verfehlung gegen das, was dem Herrn heilig ist; hier wird ein Sühneopfer verlangt 43. d) Ebenfalls religiös konnotiert ist „error “ als die Verführung und Bereitschaft, fremde Götter anzubeten 44, oder aber als der Glaube der Heiden 45. e) Im Neuen Testament werden mit „error “ die Behauptungen falscher Christen und Pseudo-Propheten bezeichnet 46. f) Auf Grund der Gesetze sind die Heirat und Freundschaft mit Nichtjuden 47 und die Homosexualität 48 als „error “ zu verurteilen. g) „Error “ wird im Kontext mit bösen Geistern und dem Satan erwähnt 49. Auch hier divergieren die Bedeutungsnuancen also oft stark voneinander.

III. Der Vorwurf des „ er r or “ im 13. Jahrhunder t In den erwähnten Quellen unterschiedlichster Herkunft der vier Bände der Monumenta Germaniae Historica, die zum Teil auch aus dem 12. und 14. Jahrhundert stammen, finden wir Beispiele zu allen oben erwähnten Bedeutungen in der, der jeweiligen Zeit entsprechend, abgewandelten Form: „error “ als Verir41

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Cf. e.g. Genesis 43,12; Iudices 9,36; Iob 15,31; secundum Matthaeum 27,64: „Iube ergo custodiri sepulchrum usque in diem tertium ne forte veniant discipuli eius et furentur eum et dicant plebi surrexit a mortuis et erit novissimus error peior priore.“ Cf. e.g. Ecclesiastes 1,17; 2,12; 7,26; 10,13; 2 Petri 3,17. Cf. e.g. Leviticus 5,15; 5,19; Numeri 15,25. Cf. e.g. Ecclesiasticus 15,13; ibid., 17,26: „execramentum erroris“ (verfluchte Abgötterei) und „error(e) impiorum“ (Irrtum der Gottlosen). Cf. e.g. Deuteronomion 4,19; 30,17; 4 Regum 17,19; Sapientia 12,24: „in erroris via“; ibid., 14,16 und 15,4; Ecclesiasticus 34,5; Isaias 45,16; Ezechiel 44,10; ad Ephesos 4,22. Cf. e.g. secundum Matthaeum 24,24. Cf. e.g. Iosue 23,12. Cf. e.g. ad Romanos 1,27. Cf. e.g. 1 ad Timotheum 4,1: „Spiritus autem manifeste dicit quia in novissimis temporibus discedent quidam a fide adtendentes spritibus erroris et doctrinis daemoniorum“; auch 2 ad Thessalonicos 2,10.

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ren im Wald 50, als Irrtum eines Schreibers oder Kopisten 51, als das Verhalten junger Männer, die nicht auf den Rat der Alten hören 52, als Chaos nach dem Tod eines Fürsten 53, als moralischen Fehltritt in Form von Prostitution 54, Ehebruch oder Betrug 55, als Sünde des Wuchers 56. Vor allem in den Chroniken der Apennin-Halbinsel wird der Terminus „error “ benutzt, um die oft blutigen Auseinandersetzungen in und zwischen Städten und Adelsfamilien zu tadeln 57. Abgesehen davon wird der Vorwurf des „error “ stark eingeengt und religiös konnotiert verwendet. Alle Glaubensvorstellungen außerhalb der katholischen Kirche gelten als „error “: die divergierenden Glaubenslehren der griechischorthodoxen Kirche 58, die der Juden 59, der Islam, der lange Zeit als eine heidnische Lehre mit vielen Göttern missverstanden wurde 60, die Kulte der unbelehrbaren Slawen, die Holzgötter anbeteten, und die der Mongolen 61. 50

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Cf. e.g. Annales Marbacenses, A. 759, ed. R. Wilmans (Monumenta Germaniae Historica 17), Hannover 1861, 9,5-8: „Karolus […] perplexione silvarum et errore viarum a sociis separatus.“ Cf. e.g. Annales Gradicenses, A. D. 912, ed. W. Wattenbach (nt. 50), 645,30: „Sed huius diversitatis error scriptoribus regnorum imputetur.“ Cf. e.g. Annales Magdeburgenses, A. 974, ed. G. H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica 16), Hannover 1859, 154,1-2: „ seniorum spernebat consilia, […] viam erroris sine magistro ductus currit.“ Cf. e.g. Continuatio Polonium chronicorum, A. 1334, edd. R. Röpell/W. Arndt (Monumenta Germaniae Historica 19), Hannover 1866, 659,44 über den Tod des Königs: „Sic magnum chaos errorum et licium reliquisset.“ Cf. e.g. Reineri Annales, A. D. 1198, ed. Pertz (nt. 52), 654,35-36: „Ipse mulieres multas officio meretricali deditas ab errore revocavit.“ Cf. e.g. Annales Cameracenses, A. 1167, ed. Pertz (nt. 52), 543, 39-41.: „Fallacia sua domno suo Alardo […] dementans, […] nec errori suo modum imponens.“ Cf. e.g. Reineri Annales, A. D. 1200, ed. Pertz (nt. 52), 655,21-22: „Multos ab errore usurarum compescuit, multos etiam a ceteris erroribus revocavit.“ Cf. e.g. Annales Ianuae: Bartholomei scribae Annales A. 1232, ed. G. H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica 18), Hannover 1863, 179,50-52: „Et sic tota civitas interius et externus posita est in maximo turbine et errore, et quidam fovebant partem imperii et quidam volebant confederationem facere cum illa societate Lonbardorum.“ Cf. e.g. Gregor IX., Lettre 004110, 17. März 1238, ed. L. Auvray, URL: *http://apps. brepolis.net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 09. 11. 2016), über den Patriarchen von Nikaia und die ihm unterstellten Geistlichen: „Diversos contra fidem orthodoxam proponentes errores et obturantes more aspidis aures suas.“ Cf. e.g. Gregor IX., Lettre 000298, 16. Mai 1229, ed. Auvray (nt. 58): „Quidam videlicet de judaice cecitatis errore ad Christum, lumen rerum et viam veritatis, adductus […] postulavit.“ Cf. e.g. Urban IV., Lettre 002706, 7. Juli 1264, ed. J. Giraud, URL: *http://apps.brepolis. net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 10. 11. 2016): „Cum igitur dilectus filius nobilis vir Petrus Alfonsus, natus quondam Saladini, soldani de Conio, de Sarracenice labis et cecitatis errore per regenerationis lavacrum redierit ad ecclesiasticam unitatem.“ Cf. e.g. Gregor IX., Epistolae, 444, 9. Juli 1231, ed. C. Rodenberg (Monumenta Germaniae Historica, Epistolae saeculi XIII e regestis pontificum Romanorum selectae 1), Berlin 1883 [Nachdruck München 2001], 358,26-27, in einem Brief an die neu getauften Christen von Pomesanien und Polozuk: „Gratias agimus gratiarum omnium largitori, qui de tenebris errorum vos eruens, […] lumen ostendit “; Innozenz IV., Lettre curiale 004682, 22. November 1248, ed. E. Berger, ULR: *http://apps.brepolis.net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 10. 11. 2016) in seiner Botschaft an den Herrscher der Tataren sowie die Fürsten und Barone

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Nach dem Beispiel der frühen Kirchenväter werden auch die Lehren und Vorstellungen der vor allem seit dem 11. Jahrhundert entstehenden Ketzerbewegungen als „errores“ bezeichnet, zumal sie zunächst als von Neuem zum Leben erwachte alte Häresien gedeutet werden; die dazugehörigen Attribute entstammen ebenfalls den Schriften der alten Theologen: „tenebrae“, „nubilum falsitatis“ 62, „cecitas“ 63, „venenata reptilia“ 64, „superbia“, „superstitio“ 65, „pravitas“, „zizania“, „malitia“, „perversitas“ 66. Die Metaphern zielen darauf ab, bei den christlichen Adressaten Unsicherheit, Angst, Ekel, Empörung zu erzeugen und - man denke an „zizania“ - in ihnen die Bereitschaft zu wecken, eine derartige Bedrohung zu beseitigen. Die des „error “ Angeklagten hingegen wirken beängstigend undurchschaubar. Allerdings hat nun der Vorwurf des „error “ im Zusammenhang mit Häresie für die Betroffenen ganz andere Konsequenzen als etwa im 4. Jh. n. Chr.: Exkommunikation, Verlust des guten Leumunds, Verlust aller Rechte, allen Besitzes, eventuelle Kerkerstrafe und Hinrichtung. Das gilt seit der Dekretale ,Vergentis in senium‘ von 1199 auch für diejenigen, die Ketzer begünstigen 67. An zwei Beispielen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts soll gezeigt werden, in welcher Form der Vorwurf des „error “, der sich gegen Ungläubige und Ketzer richtete, verwendet wurde, um Einzelne und Gruppen zu diffamie-

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des Heeeres: „ qui tamdiu in vestris noxiis […] toleravit, exspectando benigne ut errorum semitas relinquentes ad tramitem convertamini veritatis.“ Cf. e.g. Gregor IX. Appendice aux Registres de Gre´goire IX. 006812, s. a. , ed. Auvray (nt. 58): „Mundus enim […] conatur et tractat, […] ut nubat veritas nubilo falsitatis, quae palliaret erroribus tenebras in quibus multi ambulant nescientes.“ Cf. e.g. Gregor IX., Epistolae, 489, 29. Oktober 1232, ed. C. Rodenberg (nt. 61), 394,14 gibt den Befehl, gegen die Stedinger den Kreuzzug zu predigen: „In suis spurcitiis erroneas consulunt phitonissas, alia perversitatis opera perpetrantes.“ Cf. e.g. Gregor IX., lettre 000562, 4. März 1231, ed. Auvray (nt. 58): „Cum venenata reptilia, dum leduntur, eo gravius seviant quo in sui vindictam periculosius inardesunt, ne […] et […]. rei heretice pravitatis publice deprehensi, nisi caute fuerint custoditi, virus erroris infundant mentibus auditorum, eos tue custodie providimus committendos.“ Cf. e.g. Gregor IX., lettre 005141, 13. April 1240, ed. Auvray (nt. 58): „Eas, ad convincendum superbiam et superstitionem erroris ipsorum, ipsis postmodum concessisti.“ Cf. e.g. Innozenz III. Nr. 509, 5. Januar 1199, edd. O. Hageneder/A. Haidacher, Die Register Innozenz’ III. 1, 1. Pontifikatsjahr, Texte (Publikationen der Abteilung für Historische Studien des österreichischen Kulturinstituts in Rom), Graz-Köln 1964, 743, 32-35; ibid., 744,1-4: „Vergente iam in senium seculo et superexcrescente malitia temporis friget caritas et in agro evangelici patris familias zizania pullulant et polluunt messes, tritico rarescente, ac vulpes parvulae iam in aperto presumunt vineam Domini demoliri. Ecce etenim hereses suscitantur antique ac innovatis veteribus novi adinveniuntur errores et fidem catholicam pravi nituntur interpretes depravare, non se conformantes legi divine, sed in favorem proprie perversitatis doctrinam propheticam, evangelicam et apostolicam pervertentes.“ Einige Formulierungen finden sich fast wortwörtlich in der bekannten Dekretale ,Vergentis in senium‘ vom 25. 03. 1199 wieder. Cf. H. G. Walther, Innocenz III. und die Bekämpfung der Ketzer im Kirchenstaat. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte von Vergentis in senium, in: E. Bünz/S. Tebruck/H. G. Walther (eds.), Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Festschrift für Matthias Werner zum 65. Geburtstag (Veröffentlichungen der Historischen Komission für Thüringen. Kleine Reihe 24), Köln e. a. 2007, 728 sqq.

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ren, die nicht auf Grund von divergierenden Glaubensvorstellungen, sondern aus machtpolitischen Gründen mit der Kirche in Konflikt geraten waren 68, und wie dabei das in der Spätantike im Zusammenhang mit Häresievorwürfen entstandene Wortfeld instrumentalisiert wurde. 3.1 Error im ,Liber gestorum‘ Saba Malaspinas 1285 beendete Saba Malaspina, ein Skriptor der Kurie, seinen ,Liber gestorum regum Sicilie‘ 69. Es handelt sich um ein zeitgeschichtliches Werk, das sich vor allem mit dem Schicksal des Königreiches Sizilien in den dreieinhalb Jahrzehnten seit 1250 und mit Karl von Anjou, dem 1265 von der Kirche zu seinem König bestimmten Kapetingerprinzen, befasst. In diesem Buch verurteilt der Skriptor aufs schärfste die Nachkommen Kaiser Friedrichs II., also Konrad IV., dessen Halbbruder Manfred sowie Konradin, den Sohn Konrads IV. Außerdem greift er ihre Anhänger in Deutschland und in Oberitalien an, wo sich für sie der Name „Ghibellinen“ einbürgerte; zudem attackiert er auch die Anhänger im Patrimonium Petri und im süditalienisch-sizilischen Königreich. Heftige Vorwürfe richtet er außerdem gegen Peter III. von Aragon, weil dieser, mit einer Enkelin Friedrichs II. verheiratet, seit 1282 auf der Seite der aufständischen Sizilianer Karl von Anjou und dessen Sohn schwere Niederlagen zufügte und es wagte, sich in Palermo zum König krönen zu lassen. In seinem Werk benutzt Saba den Vorwurf „error “ 21-mal. Er verwendet ihn, wenngleich selten, auch in der Bedeutungsnuance der Täuschung 70 oder im Sinne der moralischen Verfehlung 71. Vor allem aber kennzeichnet er mit „error “ den fehlenden Gehorsam gegen die Kirche. Von den Baronen in Kalabrien, die sich nicht der Herrschaft des von der Kirche bestimmten Königs Karl unterwerfen wollten, heißt es: „Diesen hatte der error des Aufruhrs den Blick verhüllt, da sie […] die Schuppen der Blindheit nicht von den Augen reißen wollten und es ihnen nicht am Herzen lag, aus der Wolke des error zum Licht der Treue und zum König zurückzukehren.“ 72 Von anderen Aufständischen nach der Hinrichtung Konradins bemerkt der Autor: 68

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Zur Entwicklung der Vorstellung von Ketzerei und ihrer Einbindung in politische Vorgänge cf. Paolini, L’eretico (nt. 21), 263-273; zur Thematik in Verbindung mit dem contemptus clavium cf. Hageneder, Häresie (nt. 21) und O. Hageneder, Der Häresiebegriff bei den Juristen des 12. und 13. Jahrhunderts, in: W. Lourdaux/D. Verhelst (eds.), The Concept of Heresy in the Middle Ages (11th-13th C.) (Mediaevalia Lovaniensia 1,4), Leuven 1976, 42-103. Cf. [Saba Malaspina] Die Chronik des Saba Malaspina, edd. W. Koller/A. Nitschke (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores in folio 35), Hannover 1999. Cf. ibid., II, 6, 131,6 über einen falschen Kaiser Friedrich, der sich im Königreich von der Bevölkerung huldigen ließ: „Ignavie morbus invaluit et erroris mirabilis stupor irrepsit “; ibid., 132,21: „fraudis et erroris involucro; ibid., 133,15-16: „tanto errore detecto.“ Cf. ibid., I, 2, 94,12-13: „Qui mores ante lapsum erroris cum magnis equarat.“ Ibid., IV, 24, 216,21-22: „Quos rebellionis error obduxerat, cum […] nec squamas vellent ab oculis abicere cecitatis nec ad regie lucem fidei de sui erroris nubilo redire curarent.“

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„Sie blieben starrsinnig und freiwillig in der Blindheit des error “. 73 Pisa wird getadelt: „Die Stadt war ungehorsam geblieben und ohne Ergebenheit gegenüber der Römischen Kirche und sie hatte sich lange Zeit auf dem Irrweg der Treulosigkeit und der Blindheit des „error “ verhärtet.“ 74 Auch den Aufständischen in Sizilien, die sich 1282 nach dem Ausbruch des später als Sizilianische Vesper bezeichneten Aufruhrs weigerten, sich wieder König Karl zu unterwerfen, wirft Saba Malaspina „error “ vor 75 und ebenso Peter III. von Aragon 76. Hier „error “ mit „Irrtum“ zu übersetzen würde den eigentlichen Sinn verharmlosen und verfälschen. „Squamae cecitatis“, „nubilum“, „devium“, „contumaciter “, „malitia“ und der Begriff „infidelitas“, der nicht nur „Treulosigkeit “, sondern auch „Unglaube“ bedeuten kann, signalisieren dem zeitgenössischen Leser sofort, dass es sich hier um Vorwürfe handelt, die sich sonst gegen Ketzer richten, auch wenn diese Anklage nicht ausgesprochen wird. An anderer Stelle, wenn Saba Malaspina definitiv von Ketzerei spricht, verwendet er ebendiese Begriffe 77. Im 5. Buch berichtet er davon, wie es Karl von Anjou gelang, in der Toskana Frieden zu schaffen. Dort trieben die Ghibellinen selbst nach Konradins Hinrichtung noch immer ihr Unwesen und hatten sich in der kleinen Stadt Poggibonsi bei Siena verschanzt. Zunächst entwirft der Skriptor in beeindruckender Rhetorik ein Schreckensszenario vom Treiben der Ghibellinen: er vergleicht sie mit Mönchen ohne Abt, wirft ihnen Betrug und List vor und benutzt Krankheits- und Feuermetaphern 78. Karl belagert Poggibonsi. Seine Absicht ist es, jeglichen Widerstand der Ghibellinen zu brechen und zu verhindern, dass diese weiterhin die „errores“ ihres Irrwahns verbergen 79 und dass die Finsternis ihrer Lügen und ihres Irrwahns sich noch weiter durch „errores“ verdunkele 80. Der Leser wird durch die Metaphern darauf eingestimmt, die Ghibellinen als zügellos 73

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Ibid., IV, 24, 218,7-9: „Qui erroris in cecitate contumaciter et voluntarie persistentes corrupte mentis experiri conabantur proclivem ad peiora prioribus voluntatem.“ Cf. ibid., V, 7, 237,19-21.: „Pisana civitas, quae. […] inobediens et indevota ecclesie Romane perstiterat et in infidelitatis devio et cecitatis errore per tempora multa duraverat.“ Cf. ibid., VIII, 9, 293,2: „Universitates, quas unus error rebellionis obduxerat “; ibid., IX, 12, 321,21: „[Rex Aragonum populum] in incepte rebellionis errore defendit “; ibid., VIII, 6, 289,25: „ eodem erroris malitie excecatur.“ Cf. ibid., IX, 21, 330,5: „Nec errorem assumptum ulterioris excusationis pallio contegat.“ Cf. e.g. ibid., VIII, 1, 285,21-22: „Te ceca heresis verebatur, omnisque infidelitatis error tue potestatis dominium fugiebat.“ Cf. ibid., V, 6, 235,11-17; ibid., 236,1-2. Zur Häresie als Krankheit cf. R. I. Moore, Heresy as disease, in: Lourdaux/Verhelst (eds.), The Concept of Heresy (nt. 68), 1-11; E. Ulrich, Literarische Ausgrenzungsstrategien gegenüber Ketzern im Spätmittelalter. Versuch einer Systematisierung, in: A. Bihrer/S. Limbeck/P. G. Schmidt (eds.), Exil, Fremdheit und Ausgrenzung in Mittelalter und früher Neuzeit (Identitäten und Alteritäten 4), Würzburg 2000, 15-33, 22 sq. Cf. Saba Malaspina, Chronik V, 7, edd. Koller/Nitschke (nt. 69), 238,12: „Palliare sue superstitionis errores.“ Cf. ibid., V, 7, 238, 15-16: „ nec ficticie superstitionis caligo suis ulterius tenebrescat erroribus […], innumerabilem exercitum coacervat.“

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und als im höchsten Maße gefährlich für das Wohl der Allgemeinheit zu sehen. „Caligo“ und „tenebrescat “ sind Begriffe aus dem Wortfeld der Häresie. Hinzukommt die zweimalige Erwähnung von „errores“ und von „superstitio“, einmal verstärkt durch das Attribut „ficticius“. König Karl kämpft also nicht um die Kontrolle der Macht in der Toskana, sondern als Streiter für die Kirche und Verfechter des Glaubens 81 gegen eine Gruppe, die eigentlich zu den Ketzern zu zählen ist und unbedingt vernichtet werden muss. Handelt es sich nun bei Saba Malaspina, einem ausgesprochen eigenwilligen und kritischen Betrachter, um einen Einzelfall oder ist seine Verwendung des „error “-Begriffes in einen größeren Kontext einzuordnen? 3.2 „Error “ in päpstlichen Verlautbarungen 1248 bis 1299 In dem ausführlichen Rundschreiben Gregors IX. gegen Friedrich II. ,Ascendit de mari bestia‘ von 1239 wird der Vorwurf des „error “ nur einmal erhoben, und zwar im Kontext mit heresis 82. Das gleiche gilt für das anonyme Schreiben gegen Friedrich II. ,Aspidis ova ruperant‘ 1245 83. Als Innozenz IV. auf dem Ersten Konzil von Lyon den Kaiser für abgesetzt erklärt, spricht er zwar den Verdacht der „heresis“ aus, den Begriff „error “ erwähnt er jedoch nicht. Die spezielle Verwendung dieses Vorwurfs und seines entsprechenden Wortfeldes, um Ketzerei zu insinuieren, ohne sie beim Namen zu nennen, ist in offiziellen Verlautbarungen der Kurie vor allem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert nachzuweisen. Das soll an einigen Beispielen gezeigt werden. 1248 verspricht Innozenz IV. einem Kanoniker von Zürichberg, seine Brüder und andere Blutsverwandte von der Exkommunikation zu befreien, wenn sie aufhören, den abgesetzten Kaiser Friedrich II. zu unterstützen. Der entscheidende Satz heißt: „Wir befehlen, dass du ihnen, nachdem sie dem „error “ abgeschworen haben, dem sie gefolgt sind, und von sich aus versprochen haben, der Kirche anzuhängen, die Gnade der Absolution erweist.“ 84 Nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. 1250 und dem seines Sohnes Konrad IV. 1254 übernahm Manfred, Fürst von Tarent, der Halbbruder Konrads IV., die Regentschaft im Regnum Sicilie für den zweijährigen Konradin, Sohn Konrads IV. 1258 ließ er sich in Palermo zum König krönen weil sein Neffe angeblich ge81 82

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Cf. ibid., V, 6, 236,4-5: „Ecclesie athleta et fidei pugil.“ Cf. Gregor IX., Epistola 750, 1. Juli 1239 (nt. 61), 653,41-42.: „Hanc heresim illo errore confirmans, quod nullus nasci potuit cuius conceptum viri et mulieris coninunctio non precessit.“ Cf. M. H. Schaller (ed.), Politische Propaganda Kaiser Friedrichs II. und seiner Gegner (Historische Texte Mittelalter), Germering 1965, 54 sq.: „Temporalem penam non metuat et minus eternam, eo quod, sicut sui domestici asserunt, anima hominis perit cum corpore iuxta Saduceorum heresim […]. Set errorem talium longe faciat dominus a fideli populo Christianorum.“ Cf. Innozenz IV., Lettre 004213, 20. November 1248, ed. E. Berger (nt. 61): „Mandamus, quatinus eisdem abjurato quem sequuntur errore patenter et liberaliter promiserint adherere Ecclesie, beneficium absolutionis impendas.“

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storben war. Schon Innozenz IV. hatte versucht, den Staufern die Herrschaft über das Königreich Sizilien, das ein Lehen der Kirche war, zu entreißen. Manfred zog sich zusätzlich den Zorn der Nachfolger Innozenz’ IV. zu, weil er die ghibellinischen Städte im Norden Italiens wie Siena und Pisa tatkräftig unterstützte. Siena war wegen seiner Parteinahme bereits von Alexander IV. exkommuniziert worden. 1263 bestätigte Urban IV. diesen Bann. Die Anklage gegen die Bürgerschaft von Siena lautete: „In verdammenswerter Weise blieben sie dabei, den Frieden in Tuskien zu stören […], und bestärkten auf diese Weise Manfred in seinem Starrsinn, der verräterisch und ruchlos das Patrimonium des seligen Petrus angegriffen hatte.“ Doch wollte der Papst die Sienesen, die außerhalb der Stadt lebten und bereit waren, auf die Seite der Kirche zu treten, vom Bann lösen. Dazu bemerkte er: „Wir aber, die wir uns ganz besonders wie ein Vater über die Rückkehr der Söhne freuen, die ein error dazu gebracht hatte, von der Ergebenheit abzufallen, haben ihnen den weiten Busen väterlicher Huld und mütterlicher Milde geöffnet.“ 85 Das Schlüsselwort „error “ erhält durch die Beifügung von „pertinacia“, „perfidum“, sacrilegum“, die verweigerte „devotio“ der Kirche gegenüber und „damnabiliter “ eine Konnotation, die Ketzerei assoziiert, obwohl sie im gesamten Brief nicht erwähnt wird. Wenig später, am 4. Juni 1263, verkündete Urban IV., dass niemand einem Sienesen seine Schulden zurückzahlen solle - es handelte sich insgesamt um eine Summe von etwa 10.000 Mark Sterling - weil Siena sich weigerte, im „Irrtum der Blindheit “ das Bündnis mit Manfred aufzugeben und wieder den Befehlen der Kirche zu gehorchen. Manfred aber verfolge ganz offen die Kirche 86. Zwar wird im Brief der Ungehorsam der Stadt betont, doch Urban spricht nicht von Häresie, obwohl die Wortverbindung „error cecitatis“ darauf hinweist. Urban IV. und sein Nachfolger Clemens IV. konnten Karl von Anjou, den jüngsten Bruder Ludwigs IX. von Frankreich, dazu gewinnen, ein Heer aufzustellen, um in einem Kreuzzug Manfred vom Thron zu stoßen und das Königreich Sizilien als Lehnsmann der Kirche zu übernehmen. Der Kapetinger schlug 1266 bei Benevent Manfred, der in der Schlacht fiel. Durch Enteignungen, hohe Steuerforderungen und die Repressalien seiner Amtsträger erregte der Kapetin85

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Urban IV., Lettre 000175, 5. Januar 1263, ed. J. Guiraud (nt. 60): „In turbatione pacis Tuscie et in presumptuosa contrectatione jurium et bonorum Romani imperii dampnabiliter adheserunt, roborantes ex hoc in sua pertincia dictum Manfredum, patrimonii beati Petri perfidum et sacrilegum invasorem […]. Nos autem, qui more paterno in reditu filiorum quos error a devotione subduxerat, specialius delectamur, aperuimus eis tam paternae gratie, quam materne mansuetudinis amplum sinum.“ Hier und in Urban IV. Lettre 000252, 4. Juni 1263, ed. J. Guiraud (nt. 60) wird als Begründung erwähnt, dass die Sienesen sich nicht um die Befehle des Papstes kümmern: „Et quia caritativis monitis et asperis comminationibus invitati, redire ad ipsius ecclesie gremium non curarunt, spirituales propter hoc latas in eos sententias contempnendo.“ Cf. Urban IV., Lettre 000252, 4. Juni 1263, ed. J. Guiraud (nt. 60): „Manfredo, quondam principi Tarentino, persecutori ecclesie manifesto, adhuc patenter adherere presumunt, quasi prefatam ecclesiam Christi sponsam, cunctorum fidelium matrem, sub cecitatis errore miserabiliter abnegarint.“

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ger jedoch rasch Unmut unter den regnicolae. 1267 zog der nun 15jährige Konradin mit einem Heer von Augsburg nach Italien, um das Königreich zurückzuerobern. Papst Clemens IV. exkommunizierte ihn und seine Anhänger zweimal. In der zweiten Bannbulle schreibt er am 28. Februar 1268: „Konradin, dieser junge kleine König, der kürzlich aus dem Stamm der Schlange hervorgebrochen ist, dieser verfluchte Sprössling, der wie ein verderbenbringendes Zweiglein seine Bosheit aus der Wurzel dieses unnützen Baumes geholt hat.“ Dann fährt er, nachdem er alle Parteigänger des Staufers aufgezählt hat, fort: „Wir hielten es für gerechtfertigt, mit der Macht der apostolischen Autorität gegen sie vorzugehen, damit sie aus Furcht vor den Strafen, die ihrer Freveltaten würdig sind, von der Entgleisung in einen so großen „error “ zurückgeholt werden oder, sollten sie halsstarrig sein, ständig die Verdammnis beweinen, die sie wegen ihrer Schuld verdient haben.“ 87 Wörter und Phrasen wie „stirps colubri “, „malitia“, „tanti erroris devium“, „obstinatus“ und „damnum perpetuo deflere“, gerade das Vokabular, das für die Verurteilung der Ketzer verwendet wurde, insinuieren, dass es sich bei Konradin und seinen Anhängern um Häretiker handelt. Wenig später eröffnet Papst Clemens einen Prozess gegen Heinrich von Kastilien, den Senator von Rom und gegen die Römer, weil sie die Boten Konradins empfangen hatten, und droht ihnen mit der Exkommunikation. Über Rom klagt er: „Diese Stadt war unglückseligerweise in einem Wagen der Blindheit in den error geführt worden.“ Von Friedrich II. heißt es im selben Schreiben: „Denn jener verstorbene Friedrich, diese sich windende Schlange, aus deren giftiger Wurzel nun ja Konradin hervorgekommen ist, um das Königlein zu spielen, Friedrich, dessen Lehre dessen Helfershelfer mit listenreichen Lügen nachahmen, bemühte sich, mit Schmeicheleien, Versprechungen und einer gallenbitteren Verschlagenheit die Gläubigen zu vernichten, indem er im Acker ihres Geistes das Unkraut des Verrats säte und, geschützt durch die List des rasenden Satans, in der Stadt oft für Zwietracht sorgte.“ 88 Auch hier finden sich wieder die Schlüsselwörter aus dem Arsenal der Schriften gegen die Ketzer: „vehiculum cecitatis“, „coluber tortuosus“, „venenosa radix“, 87

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Clemens IV., Epistola 672, 28. Februar 1268, ed. C. Rodenberg (Monumenta Germaniae Historica, Epistolae saeculi XIII e regestis pontificum Romanorum selectae 3), Berlin 1894 [Nachdruck München 1999], 695,19-21: „Verumtamen de stirpe colubri nuper erumpens regulus adolsecens, Conradinus videlicet, maledictionis alumpnus, qui veluti ramusculus pestilens malitiam suam de nequam arboris radice contraxit“; ibid., 695,34-36: „Dignum duximus apostolice manum auctoritatis opponere contra eos, ut penas suis condignas reatibus pertimentes, a tanti erroris devio retrahantur, vel, si obstinati fuerint, dampnum perpetuo defleant quod suis culpis exigentibus meruerunt.“ Clemens IV., Epistola 675, 5. April 1268, ed. Rodenberg (nt. 87), 700,30: „Ducta miserabiliter in errorem sub quodam vehiculo cecitatis“; ibid., 700,37-41: „Nam ille quondam Fredericus coluber tortuosus, de cuius venenosa radice Conradinus iam prodiisse videtur in regulum cuiusque doctrinam eius ministri dolosis fictionibus imitantur, adulationibus, promissionibus et fellitis versutiis fideles evertere nitebatur, et in agro mentium illorum proditionis zizaniam seminabat; et munitus Sathane furentis astutia, sepe movebat in urbe discidium.“

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„zizaniam seminare“, „dolose fictiones“, „fellite versutie“, „Sathane furentis astutia“, ohne dass Clemens von Häresie spricht oder sie auch nur andeutet. Nach dem Ausbruch des Aufstandes 1282 in Sizilien strengt Papst Martin IV. einen Prozess gegen Peter III. von Aragon an, doch bietet er Palermo und den umliegenden Orten, die sich der Rebellion angeschlossen haben, an, von einem strengen Vorgehen gegen sie abzusehen, wenn sie zum Gehorsam gegenüber der Kirche und ihrem König zurückkehren wollten. Er begründet das mit den Worten: „Wir wünschen jedoch, dass unsere Milde und Freundlichkeit die Bürgerschaft, die Bürger und die erwähnten Orte gewinnen könne, und daher wollen wir ihnen gegenüber nicht mit Strenge vorgehen, um sie von einem derartig großen, abwegigen error zurückzuholen, sondern mit Milde und Freundlichkeit, wie sie unseren Wünschen entspricht.“ 89 Nach ausführlicher Darstellung aller Vergehen und Verbrechen Peters III., des griechischen Kaisers und aller Rebellen begründet er die Exkommunikation derjenigen, die sich der Kirche nicht fügen wollen, mit ihrem Ungehorsam 90. Die Phrase „erroris invium“ verwendet auch Honorius IV. in der Bulle, in der er, der Politik seines Vorgängers folgend, erneut die Sizilianer und, da Peter III. 1285 gestorben ist, dessen Nachfolger Jakob von Aragon exkommuniziert: „Jakob, der Sohn des verstorbenen Peter, des einstigen Königs von Aragon, der dem falschen Weg des väterlichen error folgt und dessen ruchlosen Taten nachahmt.“ 91 Auch Nikolaus IV. setzt die Aragon und Sizilien gegenüber feindliche Politik fort und droht allen ihren Helfershelfern mit dem Interdikt. Er bietet jedoch den Sündern eine Frist an, innerhalb derer sie zur Kirche zurückkehren könnten: „Nichtsdestoweniger ermahnen wir Jakob, die Sizilianer und andere oben erwähnte […] , dass sie den falschen Weg des error, auf dem sie schon allzu lange umherirren, nachdem sie diesen Schritt sorgfältig erwogen haben, verlassen und sich wieder auf den Pfad des rechten Handelns und des Heils begeben, nämlich zu unseren Befehlen und denen der Römischen Kirche […].“ 92 89

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Martin IV., Lettre curiale 000276, 18. November 1282, ed. F. Olivier-Martin, URL: *http:// apps.brepolis.net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 22. 11. 2016): „Nos tamen desiderantes quod civitatem, cives et loca predicta mansuetudo corriperet et a tanti erroris invio revocare erga eos non rigorem sed mansuetudinem votis nostris accomodam prosequentes.“ Cf. ibid.: „De novo tam in regem et alios sepefatos quam in universitates, castra, villas et loca predicta ex causis eisdem, et propter auctam eorum contumaciam in non parendo nostris monitis et preceptis et a nobis prohibita pertinaciter prosequendo diutius, similes sententias promulgantes.“ Honorius IV., Lettre curiale 000807, 18. 11. 1286, ed. M. Prou, URL: *http://apps.brepolis. net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 22. 11. 2016): „Jacobus, quondam Petri, olim regis Aragonum filius, erroris paterni prosequens invium et actus nepharios imitans.“ Später heißt es: „non sine divine majestatis offensa et Apostolice Sedis.“ Nikolaus IV., Lettre curiale 002170, 7. April 1289, ed. E, Langlois, URL: *http://apps.brepolis.net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 22. 11. 2016): „Et nichilominus prefatos Jacobum, Siculos et alios supradictos […] monemus, ut erroris invium per quod diutius oberrarunt consultis studiis deserentes, seque reducentes ad semitam rectitudinis et salutis, ad nostra et ecclesie romane mandata […] redire procurent.“

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Abb. 2: „Error “ und sein Wortfeld als Vorwurf in politischen Auseinandersetzungen im 13. Jh. Beispiele aus 3.1 und 3.2 (Zeichnung: Ingeborg Braisch) Zum Abschluss sei noch eine Äußerung von Bonifatius’ VIII. zitiert: Er begründet, weshalb er zwei Kardinäle aus der mit ihm verfeindeten Familie der Colonna habe absetzen und exkommunizieren müssen. Es geht in Wirklichkeit um Besitzstreitigkeiten, die Sizilienpolitik, einen Überfall der Colonna auf einen Schatzkonvoi des Papstes und die umstrittene Rolle, die Bonifatius VIII. bei der Absetzung Cölestins V. gespielt hatte. Aber derartige, zum Teil sehr weltliche Gründe für eine Exkommunikation kann und will der Papst offenbar nicht nennen. Die Colonna gehören nach Aussage des Papstes zu den Ghibellinen und finden unter ihnen Unterstützung: „Auch wenn die Guelfen und Ghibellinen, was wir voll Kummer berichten, in rechtswidriger Leidenschaft und im blinden error der Parteilichkeit sich gegenseitig angreifen und sich Verdruss zufügen, so dürfen dennoch weder die Ghibellinen noch die Guelfen den Feinden des Glaubens und der Einheit der Kirche, denen, die gegen uns und den Apostolischen Stuhl rebellieren, helfen, ihnen raten oder sie begünstigen und sich anmaßen, sie aufzunehmen, zumal solche, die man meiden muss so wie welche, die in Blasphemie und Schisma gefallen sind. […] Denn die erwähnten Colonna wandeln in der Finsternis und hassen das Licht und wandern unstet umher wie Flüchtige, sie

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wollen nämlich nicht in Übereinstimmung mit den Schafen des Herrn, die uns übergeben wurden, im Hause des Herrn wandeln.“ 93

Honorius und Nikolaus nehmen die alte Metapher des Abweichens vom richtigen Wege auf und kombinieren sie mit „error “. Nikolaus betont ausdrücklich, dass dem „invium erroris“ die „semita veritatis et salutis“ gegenüberstehe, und verdeutlicht damit, welche Konnotation er dem Begriff „error “ unterlegt. Bonifatius VIII. wählt die Schlagwörter „cecus“ und „tenebrae“, letztere noch verstärkt durch „odio lucem habentes“ und spricht sogar von „blasphemia“ und „schisma“. Er greift also auf den Wortschatz der Ketzerinvektiven zurück. IV. Fazit Seit etwa 1250 wenden vor allem die Kurie und ihre Anhänger den Begriff „error “, wenngleich alle antiken Konnotationen weiter bekannt sind, häufig als Vorwurf in Bezug auf bestimmte Gruppen und Personen an, die damit oft zunächst zur Umkehr aufgefordert werden, dann, wenn sie halsstarrig bleiben sollten, mit der Exklusion aus der christlichen Gemeinschaft bedroht werden. Und zwar setzen sie „error “ in einer auffallend eingeschränkten Bedeutungsnuance und mit einem Wortfeld ein, das zum großen Teil seit der Spätantike von christlichen Theologen für die Charakterisierung von Ungläubigen und Häretikern gebraucht wurde. Der direkte Vorwurf der Ketzerei wird gegen die erwähnten politischen Feinde relativ selten erhoben. In den oben im Punkt III.3 untersuchten Papstbriefen werden - sehen wir von den Anklagen gegen Friedrich II. ab - weder „heresis“, „hereticus“, „secta“ noch entsprechende Synonyme erwähnt. Eine Ausnahme bildet der Begriff „schisma“ in der Verlautbarung Bonifatius’ VIII. 94 Allerdings sollte doch das Wortfeld der mit „error “ in der Spätantike kombinierten Begriffe mit den Reizvokabeln verglichen werden, die im 13. Jahrhundert im Kontext mit „error “ vor allem von der Kurie und den Anhängern der Päpste wie Saba Malaspina verwendet werden. Viele Begriffe entsprechen sich wortwörtlich oder durch Synonyme. Neu sind jedoch Begriffe wie „indevotio“, „inobedientia“, „invium“, „devium“, „iniquae semitae“, „rebellio“, Phrasen wie „spirituales sententias in eos latas contemnendo“, „spretis paternis monitis“, „contumacia in non parendo nostris monitis“,. Sie alle fügen dem Begriff „error “ eine neue Bedeutung zu: 93

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Bonifatius VIII., Lettre curiale 003410, 9. Oktober 1299, ed. G. Digard, URL: *http://apps. brepolis.net.proxy. nationallizenzen.de/litpa/Pontificates.aspx+ (Stand: 22. 11. 2016): „Quamvis enim Guelfi et Gebellini, quod dolenter referimus, ex inordinato affectu et ceco partialitatis errore, invicem se impetant et molestent, Gibellini [sic!] tamen et Guelfi hostibus fidei et ecclesie unitatis, rebellibus nostris et Apostolice Sedis, contra nos […] non deberent prebere auxilium, consilium vel favorem, ipsosque presumere receptare, tales presertim qui vitandi sunt tanquam relapsi in blasphemiam et in schisma […]. Ambulant enim prefati Columpnenses in tenebris et odio lucem habentes, huc vel illuc profugi evagantur, nolentes cum dominicis ovibus nobis commissis ambulare in domo domini, cum consensu.“ Zum Unterschied zwischen Häresie und Schisma cf. Hageneder, Häresiebegriff (nt. 68), 52 sq.

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„Error “ ist nun auch der Ungehorsam gegenüber den Befehlen der Kirche, die fehlende „devotio“. Diese neue zusätzliche Sinngebung ist vor dem Hintergrund der umfangreichen und komplizierten Ausweitung zu verstehen, die der patristische Ketzereibegriff genommen hat. Zusammenstellungen der Vergehen, die als Häresie zu verurteilen sind, listen zu Beginn des 13. Jahrhunderts nicht mehr nur die falsche Auslegung der Bibel, die Leugnung von christlichen Glaubenswahrheiten, die Bildung einer Sekte oder die Zugehörigkeit zu ihr auf. Häretiker ist auch, wer Simonie betreibt, längere Zeit exkommuniziert ist, Zweifel am Glauben äußert, die Sakramente missachtet und das päpstliche Jurisdiktionsprimat leugnet 95. Das alles sind Vorstellungen, die schon im 12. Jahrhundert von Dekretisten konzipiert worden waren und eine lange Vorgeschichte hatten 96. Huguccio von Pisa hatte sich in seiner ,Summa‘ zum ,Decretum Gratiani‘ ausführlich zur Thematik des Ungehorsams geäußert und betont, dass derjenige, der Sentenzen und Dekretalen des Apostolischen Stuhls nicht beachte und sie verachte, ein Häretiker sei und exkommuniziert werden müsse. Ob sich der Ungehorsam nun nur auf die päpstlichen Verlautbarungen beziehen solle, in denen es um den Glauben, die guten Sitten und den allgemeinen Zustand der Kirche gehe, oder die Nichtbeachtung eines jeden päpstlichen Erlasses betreffe, darüber waren sich die Gelehrten in der Folgezeit durchaus nicht einig 97. Hostiensis übernahm in seiner ,Summa aurea‘ das Konzept des Ungehorsams gegen die Kirche, der als Häresie anzusehen sei, und war offenbar der Ansicht, dass ein Exkommunizierter, der den Spruch der Kirche missachtete und sich längere Zeit auch nicht um die Lösung vom Bann kümmerte, als Häretiker anzusehen sei. Die „pertinacia“ oder „contumacia“ der Beschuldigten galt als Hinweis auf Häresieverdacht 98. Insgesamt waren diese Überlegungen umso schwerwiegender, als sie parallel zur Kriminalisierung der Häresie liefen und in den Auseinandersetzungen zwischen Friedrich II. und seinen Nachkommen und Gregor IX. und dessen Nachfolgern eine wesentliche Rolle spielten 99. Die hier erwähnten Vorwürfe, nämlich der hartnäckige Widerstand gegenüber päpstlichen Ermahnungen und Befehlen, das Verharren im Zustand der Exkommunikation und deren Missachtung, treffen auf die Personen und Städte zu, denen sowohl im ,Liber gestorum‘ Saba Malaspinas als auch in den päpstlichen Verlautbarungen „error “ vorgeworfen wird. Demnach müssten sie als Häretiker angeklagt und verurteilt werden. Der contemptus clavium wird zwar nicht wörtlich 95 96

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Cf. ibid., 46 sq. Cf. ibid., 48-59; Hageneder, Häresie (nt. 21), 34 sqq.; H. G. Walther, Häresie und päpstliche Politik: Ketzerbegriff und Ketzergesetzgebung in der Übergangsphase von der Dekretistik zur Dekretalistik, in: Lourdaux/Verhelst (eds.), The Concept of Heresy (nt. 68), 104-143, 111 sqq.; auch Paolini, L’eretico (nt. 21), 265 sq., der besonders auf die Einflüsse der Scholastik eingeht. Cf. Hageneder, Häresiebegriff (nt. 68), 65 sqq.; Hageneder, Häresie (nt. 21), 41 sq. Hageneder, Häresiebegriff (nt. 68), 74 sq.; Walther, Häresie (nt. 96), 116 und 139 sq. Zum Vorwurf des contemptus clavium gegenüber Friedrich II. cf. Hageneder, Häresie (nt. 21), 30 sq. Cf. Paolini, L’eretico (nt. 21), 267 sqq.; Hageneder, Häresie (nt. 21), 43 sqq.

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erwähnt, doch die zitierten Formulierungen weisen recht deutlich darauf hin. Die Unterstützung von Häretikern, die Saba Malaspina den Ghibellinen vorwirft, galt zudem sowieso seit ,Vergentis in senium‘ als Ketzerei. Dennoch vermeiden, wie bereits erwähnt, die Verfasser direkte, wörtliche Hinweise auf Häresie. Heutige Historiker klagen die Päpste des 13. Jahrhunderts der „Tendenz zur Entleerung des Häresiebegriffs“, der „unverhohlene[n] Dienstbarmachung des Häresiebegriffs für eine Ausweitung der Machtstellung des Papsttums“ 100 an. Ebenso kritisch wie Walther äußert sich Paolini: „Mi pare […] che di fronte a una teoria si ricca di casi […], in cui viene accampata l’accusa o il sospetto di eresia (in realta` si tratta quasi sempre di fautoria) verso autorita` e governanti cristiani, l’abuso consista proprio nel ricorso normale a tali accuse e all’impiego normale della spedizione crociata: l’inflazione di uno istrumento. che doveva essere assolutamente eccezzionale, fa venire il sospetto che si volesse vedere l’eresia anche dove non c’era, in special modo condizionasse (se non proprio inquinasse) le relazioni politiche.“ 101 Es ist fraglich, ob den damaligen Päpsten, zumindest einigen von ihnen, der Missbrauch und die Aushöhlung der Häresieanklage bewusst war. Auffällig bleibt ihre Zurückhaltung. Auffällig ist auch in vielen der untersuchten Verlautbarungen die dringende Aufforderung, wieder zur Kirche zurückzukehren, die mit Sanftheit und Milde zur Vergebung bereit sei. Für den Fall, dass diese Anforderungen ernst zu nehmen sind, mochte dahinter der Wunsch stecken, weitere, meist kriegerische Eskalationen zu vermeiden. Doch mit dem Vorwurf des error und dem eingesetzten Begleitvokabular insinuieren die Verfasser, dass die Feinde der Kirche, die Ghibellinen, Friedrichs Söhne und Enkel, Palermo, Peter III. von Aragon oder die Colonna, mit Ketzern gleichzusetzen seien, dass es sich hier also um einen Kampf handele, der auf einer höheren, religiösen Ebene ausgefochten werde. Dass sehr materielle, und zwar machtpolitische Interessen auf dem Spiel stehen, wird nicht erwähnt; das ließe die Kirche in einem schlechten Licht dastehen. Wenn die Leser und Hörer jedoch stattdessen mit Reizvokabeln, darunter vielen Metaphern, angesprochen werden, die den Gedanken an Häresie aktivieren, dürften sie größeres Verständnis für das Handeln der Kirche aufbringen. In der Kognitionsforschung spielt die Untersuchung des Framing eine große Rolle. Es geht dabei um die Art und Weise, wie mit Hilfe von Sprache, von bestimmten Wörtern und Formulierungen, die im Gehirn des Angesprochenen Deutungsrahmen aktivieren, der Adressat beeinflusst und veranlasst werden kann, bestimmte Entscheidungen zu treffen 102. Dass Sprache die Politik bestimmen kann, wussten die Angehörigen der Kurie lange, bevor es Kognitionsforschung gab. Offensichtlich lieferte ihnen die lateinische Sprache exzellente Mög100 101 102

Walther, Häresie (nt. 96), 140 und 142. Paolini, L’eretico (nt. 21), 272. Cf. E. Wehling, Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht (edition medienpraxis 14), Köln 2016.

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lichkeiten zum politischen Framing mithilfe des Vokabulars der Ketzerverfolgung. Folgende Vermutung sei gewagt: Statt den Gegnern unerbittliche Feindschaft zu signalisieren, wie es Gregor IX. in den Auseinandersetzungen mit Friedrich II. getan hatte, zeigte der Heilige Stuhl ihnen gegenüber die Bereitschaft, Frieden zu schließen. Das wäre allerdings kaum möglich gewesen, hätte er sie eindeutig der Häresie angeklagt. Auf der anderen Seite sind seine Verlautbarungen voll von Formulierungen, die mehr oder minder versteckt durch den Vorwurf des „error “ und eines entsprechenden Wortfeldes auf Ketzerei hinweisen und mit diesem Framing sowohl als Druckmittel wie auch als Diffamierung wirken können.

Die ganze Kirchengeschichte als (korrigierbarer) historischer Irrtum? Marsilius von Padua zu den historischen Rahmenbedingungen des päpstlichen Primats (,Defensor pacis‘, Dictio II) Helmut G. Walther ( Jena) I. Die moderne Forschung ist mit ihren Gesamtbeurteilungen, Detailstudien und Kontroversen über die Intentionen und Konzepte des von seinem Autor seinerzeit durchaus programmatisch-provokativ ,Verteidiger des Friedens‘ (,Defensor pacis‘) betitelten Werkes nur noch schwer zu überblicken 1. Immerhin gründen sich die Urteile der Forschung im Regelfall auf genauer Textlektüre. Diese darf bei den zeitgenössischen kurialen Gegnern des Marsilius von Padua der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zumeist nicht vorausgesetzt werden. Angesichts der von ihnen (meist in Abhängigkeit von den Irrtumsvorwürfen der päpstlichen Kurie) vorgetragenen Einwendungen, konzentrierten sie sich in ihrer Kritik auf die zweite Dictio des ,Defensor pacis‘, deren Text ihnen aber kaum vorlag. Dafür konzentrierte sich die moderne Forschung fast ausschließlich auf die erste Dictio des Traktats, in der die Interpreten lange Zeit eine vorzeitige „moderne Politiktheorie“ vermuteten 2. 1

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Nützliche Überblicke über die ältere wie jüngere Forschungsgeschichte bieten G. de Lagarde, La naissance de l’esprit laı¨que au de´clin du moyen aˆge, Vol. III: Le Defensor Pacis, LouvainParis 1970; J. Miethke, Marsilius von Padua, die politische Theorie eines lateinischen Aristotelikers des 14. Jahrhunderts, in: H. Boockmann e. a. (eds.), Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik - Bildung - Theologie (Abhandlung der Akademie der Wissenschaft Göttingen. Philogisch-Historische Klasse, 3. Folge, 179), Göttingen 1989, 52-76; C. Dolcini, Introduzione a Marsilio da Padova (I Filosofi 63), Rom-Bari 1995; C. J. Nederman, Marsiglio of Padua Studies Today - and Tomorrow, in: G. Moreno- Rian˜o (ed.), The World of Marsilius of Padua (Disputatio 5), Turnhout 2006, 11-25; H. G. Walther, Marsilius von Padua, in: A. Cordes e. a. (eds.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Auflage, vol. III (Lief. 22), Berlin 2015, 1339-1343 . Kritische Textausgaben: C. W. Previte´ Orton (ed.), The Defensor pacis, Cambridge 1928; R. Scholz (ed.), Defensor Pacis (Monumenta Germaniae Historica: Fontes iuris germanici antiqui in usum scholarum separatim editi 7), Hannover 1932. Dt. Übersetzung: Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens (Defensor pacis), auf Grund der Übersetzung von Walter Kunzmann bearbeitet und eingeleitet von H. Kusch, 2 vol., Berlin 1958 - jetzt zu benutzen in der folgenden Ausgabe: Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens (lat./dt.), aufgrund der Edition von R. Scholz übersetzt, bearbeitet und kommentiert von H. Kusch, neu eingeleitet und herausgegeben von J. Miethke (Ausgewählte Quellen zur Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 50), Darmstadt 2017; Marsilius of Padua, The Defender of Peace, ed. and transl. von A. Brett, Cambridge 2005. Zu der durch politologische Interessen

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Rund ein Jahr nach der Fertigstellung des Werkes in Paris war es 1327 an der Avignonesischen Kurie Papst Johannes XXII. als häresieverdächtig denunziert worden. Diese kurialen Verurteilungsbestrebungen konzentrierten sich zunächst auf fünf aus der zweiten Dictio des Traktats gezogene Sätze, die sich unter dem Pontifikat des Nachfolgers Benedikt XII. dank dem Tätigwerden des erfahrenen Inquisitors Pierre Fournier (und nachmaligen Papstes Clemens VI.) bis auf über 240 vermehrten 3. Dabei eröffnet Magister Marsilius von Padua schon den ersten Teil seines Traktats mit einem sorgfältig komponierten Paukenschlag: Er nennt gleich zu Beginn seinen Lesern als Ergebnis seiner Untersuchungen, dass eine Aristoteles und der heidnischen Antike noch unbekannte opinio perversa durch ihre Nutzung in der politischen Praxis zunächst das Römische Reich, inzwischen aber auch alle übrigen civilitates et regna durch Zerstörung von Ruhe und Frieden in eine überaus schlechte Verfassung gebracht habe. Friede und Ruhe würden aber von den antiken Denkern wie auch im Neuen Testament als unabdingbare Voraussetzung des Gedeihens eines civile regimen bezeichnet 4. Den Urheber dieser nachhaltigen Störung, das Papsttum, mit seinem Anspruch auf plenitudo potestatis deutet Marsilius an dieser Stelle freilich nur an, bevor er im Schlusskapitel der ersten Dictio dann Roß und Reiter nennt. Seit der Privilegierung durch Kaiser Konstantin beanspruchten die Bischöfe von Rom als Nachfolger des Apostels Petrus nicht nur eine iurisdictio über alle anderen Bischöfe und Priester, sondern seit jüngerer Zeit auch in der von ihnen selbst sich zugesprochenen Rolle als Stellvertreter Christi eine iurisdictio coactiva universalis über alle Fürsten, politischen

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bestimmten Konzentration auf Dictio I cf. C. Nederman (nt. 1), 126-19; zuletzt dagegen vehement die mittelalterlichen Rahmenbedingungen und Argumentationen des Traktats betonend G. Garnett, Marsilius of Padua and „the truth of History“, Oxford 2006 (zentrale Stellung der Dictio II für das Werk). Cf. F. Godthardt, Marsilius von Padua und der Romzug Ludwigs des Bayer: Politische Theorie und politisches Handeln (Nova Mediaevalia: Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter 6), Göttingen 2012, 200-211; Garnett, Marsilius of Padua (nt. 2), 19-25; T. Turley, The impact of Marsilius: Papalist responses to the Defensor Pacis, in: Moreno-Rian˜o (nt. 1), 47 sqq. (in Details jedoch korrekturbedürftig); Walther, Marsilius (nt. 1), 1339 sq.; beste Zusammenfassung der kurialen Rahmenbedingungen bei J. Miethke, Politiktheorie im Mittelalter: Von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (UTB 3059), Tübingen 2008, 221-228 und id., Die „Konstantinische Schenkung“ in der mittelalterlichen Diskussion, ausgewählte Kapitel einer verschlungenen Rezeptionsgeschichte, in: A. Goltz/H. Schlangen-Schöningen (eds.), Konstantin der Große. Das Bild des Kaisers im Wandel der Zeiten (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 66), Köln-Weimar-Wien 2008, 35-108, 64-66. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 1 §§ 1-5, ed. Scholz (nt. 2), 1-7 [künftig ist stets die Scholz-Edition gemeint, wenn nicht anderes vermerkt wird]. Paolo Marongon konnte zeigen, dass die einleitenden Zitate antiker Schriftsteller zum Wert des Friedens für die politische Gemeinschaft im Kreis der Paduaner Intellektuellen; in denen Marsilius verkehrte, gängige Münze waren und sich sämtlich im ,Compendium moralium nobilium‘ des zeitgenössischen Paduaer Frühhumanisten Geremia da Montagnone nachweisen lassen; cf. P. Marongon, Marsilio tra preumanismo e cultura delle arti. Ricerca sulle fonti padovane del i discorso del ,Defensor pacis‘, in: Medioevo 3 (1977), 89-119, und nun bei Marsilius von Padua, The Defender of Peace, ed. Brett (nt. 2), 3.

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Gemeinwesen und alle Einzelpersonen, die sie als die ihnen nach göttlichem Willen zustehende plenitudo potestatis bezeichneten. Zuletzt habe die daraus gezogenen politischen Konsequenzen Papst Clemens V. mit seiner Dekretale ,Pastoralis cura‘ (1314), in der Verfügungen Kaiser Heinrichs VII. aufgehoben würden, für alle erkennbar gemacht. Doch schon dessen Vorgänger Bonifaz VIII. habe ja mit dem Schlusssatz seiner Dekretale ,Unam Sanctam‘ (1302) im Konflikt dieses Papstes mit dem französischen König Philipp dem Schönen die Konsequenzen dieses Anspruchs der Päpste auf plenitudo potestatis herausgestellt und bekräftigt 5. Dieser Anspruch der römischen Bischöfe sei zwar rechtlich unverbindlich, ja illegitim einzuschätzen, da er nur eine extimatio non recta dieser römischen Bischöfe darstelle. Marsilius macht ihn wegen seiner Auswirkungen auf die päpstliche Politik jedoch als Hauptursache für den Verlust von Ruhe und Frieden in der Christenheit verantwortlich. Aus chronologischen Gründen hätten diese päpstlichen Anmaßungen dem philosophus aus Stageira natürlich noch unbekannt bleiben müssen. Auch wenn es sich bei dem päpstlichen Anspruch nur um eine bloße perversa affectio principatus der römischen Bischöfe handle, sei er doch in der politischen Praxis wirksam geworden und für den Niedergang der Ordnung im regnum Ytalicum in der jüngeren Vergangenheit verantwortlich zu machen. Deshalb will der Autor seinen Lesern im folgenden nun Detailuntersuchungen zum Entstehungsprozess jener verderblichen Pest vorlegen. Damit soll einerseits die Haltlosigkeit dieser so gefährlichen Nichtwahrheit, die deshalb dennoch nichts anderes als eine bloße opinio bleibe 6, enthüllt; es solle damit andererseits aber auch gleich zu deren Beseitigung durch aktives politisches Handeln (exteriori opera) beigetragen werden 7. Marsilius will also mit seinem Traktat 5

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Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 19, § 10, 132 sq. Die hier von Marsilius angeführten Dekretalen wurden in die Rechtsammlungen der Clementinen wie der Extravagantes aufgenommen; erstere wurde durch Johannes XXII. promulgiert, war in ihrer Rechtskraft (zumal bei den Gegnern des Papstes, und schon gar bei Marsilius) als gültiges Kirchenrecht umstritten. Die im kanonistischen Unterricht benutzte und glossierte Sammlung der ,Extravagantes Iohannis XXII.‘ (darin als I.8.1 ,Unam Sanctam‘) wurde nicht offiziell promulgiert. Cf. J. Tarrant (ed.), Extravagantes Iohannis XXII. (Monumenta Iuris Canonici, Ser. B: Corpus Collectionum 6), Citta` del Vaticano 1983; der Text der ,Constitutiones Clementinae‘ (samt ,Glossa ordinaria‘ des Johannes Andreae) ist am bequemsten einsehbar in einem Druck des ,Corpus Iuris Canonici‘ von 1582 unter www.digital.library.ucla.edu (Stand: 09.05.2018). Zur komplexen handschriftlichen Überlieferung der verschiedenen Redaktionsstadien cf. J. Tarrant, The manuscripts oft he Constitutiones Clementinae, Part I: Admont to München, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 70 (1984), 67-133 und Part II: Napoli to Zwetti, in: ibid. 71 (1985), 76-146. Der Begriff veritas erscheint im ,Defensor pacis‘ erstmals sofort kontrastiv zum als pestis bezeichneten päpstlichen Anspruch in einem Ausspruch Christi aus dem Johannesevangelium ( Joh. 18,37): „Ipsius ergo instar, docende veritati, quas civilium regiminum iam dicta pestis cessari valeat, ab humano maxime Christicolarum genere, veritati inquam ad salutem civilis vite ducenti, ad eternam quoque proficienti non parum“ (I, 1, § 5, 6 sq.) Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 19, § 12, 135: „Hec itaque Romanorum quorundam episcoporum extimacio non recta et perversa fortassis affeccio principatus, quem sibi deberi asserunt ex eisdem, ut dicunt, per christum tradita plenitude potestatis, causa est singularis illa, quam intranquillitis seu discordie civitatis aut regni factivam diximus. […]“; ibid., § 13, 136: „Quodque perniciosa pestis hec, humane quieti atque felicitati sue omni adversans penitus, ex eiusdem vicio corrupte radicis reliqua mundi regna fidelium Christianorum maxime posset inficere, ipsam repellere omnium necessariissimum arbitror […]. Primum quidem

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keinen bloßen theoretischen Beitrag liefern, sondern strebt mit seinem ,Defensor pacis‘ Politikberatung des auch direkt als Adressaten der Abhandlung angesprochenen Ludwig des Bayern an: Er will mit ihr Handlungslegitimation wie zugleich Handlungsanweisung bieten. Es fand sich bislang kein sicheres Indiz in den überlieferten Quellen dafür, dass Marsilius (zusammen mit dem befreundeten Pariser Artistenmagister Johannes von Jandun) etwa wegen der drohenden Konsequenzen aus der Entdeckung seiner Autorschaft am ,Defensor pacis‘ Paris fluchtartig verlassen müssen hätte. Doch hat er nach Ausweis der Kolophone zweier Handschriften im Juni 1324 seinen ,Defensor pacis‘ in der französischen Hauptstadt beendet. Die jüngst dagegen gesetzte These, dass Marsilius Paris gar nicht fluchtartig verlies (und dann erst im Sommer 1326?), sondern damals bewusst seine Wirkungsstätte aus der französischen Hauptstadt an den Hof Ludwigs des Bayern verlegt habe, kann sich freilich ihrerseits nur auf geringe Indizien stützen. Immerhin ließe sich mit dem bewussten Wechsel des Wirkungsorts eine Übereinstimmung mit der Funktionsbestimmung seines Traktats durch den Autor postulieren. Damit könnte sich die vor über einem Jahrzehnt von William Courtenay noch einmal mit neuen Argumenten bekräftigte Vermutung über eine dem Weggang aus Paris vorausgehende Ablösung der geistigen Nähe des Marsilius zu (kurienkritischen) Kreisen am Hof König Philipp des Schönen zugunsten einer Zuwendung zum römischen König Ludwig während der Phase der Abschlussarbeiten am ,Defensor pacis‘ bestätigen. Ludwig stand ja schon seit Jahren im Konflikt mit Johannes XXII. Sicher ist nur, dass 1327 die erste päpstliche Verurteilungsbulle ,Quia iuxta doctrinam‘ den Paduaner aufgrund von Berichten von Gewährsmännern in die Rolle eines Propagandaredners Ludwigs auf dessen Zusammenkunft mit den italienischen Ghibellinen auf einem Hoftag in Trient erhebt. Auch in seiner auf dem anschließenden Italienzug eingenommenen Funktion als iudex clericorum et administrator archiepiscopatus Mediolani in temporalibus pro regia maiestate habe Marsilius antipäpstliche libelli verfasst und verbreitet, wie spätere lokale Quellen verlautbaren 8. Als belegt gelten können also vor seiner wohl nicht unmaßgeblichen Rolle bei der Kaiserkrönung Ludwigs in Rom immerhin mehrfach rednerische bzw. propagandistische Einwirkungsversuche des Marsilius auf die politischen Überzeugungen der weltlichen Führungspersönlichkeiten im Umkreis Ludwigs d. Bayern und auf die städtische Öffentlichkeit in Mailand. Sah er darin seinen

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opinionis iam dicte, tamquam radicis iam factorum et futurorum malorum, involucrum resereando; deinde vero ipsius patronos seu inventores ignaros aut iniustos ac defensores pertinaces exteriori opera, si oporteat, cohibendo.“ Cf. A. Cadili, Marsilio da Padova amministratore della Chiesa Ambrosiana, in: Il Pensiero Politico 3/4 (2005/06), 193-225 (Tätigkeit des Marsilius 1327 in Mailand); F. Godthardt, The Life of Marsilius of Padua, in: G. Moreno-Rian˜o/C. J. Nederman (eds.), A Companion to Marsilius of Padua, Leiden-Boston 2012, 22-27 (Abreise aus Paris), 27-31 (Trient und Mailand). Kritisch jedoch aufgrund der Quellenlage J. Miethke, Marsilius, Ockham und der Konziliarismus, in: S. Lepsius e. a. (eds.), Recht - Geschichte - Geschichtsschreibung: Rechts- und Verfassungsgeschichte im deutsch-italienischen Diskurs (Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung 95), Berlin 2014, 169-192, bes. 181 mit nt. 55.

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am Ende von Dictio I angesprochenen Pflichtbeitrag des Gelehrten auch zur politischen Praxis, also eine opera exterior 9? Auch seine zweite Dictio eröffnet der Autor mit einer rhetorisch nicht minder ausgefeilten Passage: Er stellt einleitend drei gefährliche Feinde der Wahrheit vor, die seine Darlegungen offen bekämpfen würden: erstens die päpstliche Macht, die den Autor und sein Werk gewalttätig verfolgen werde; sodann verweist er auf die Folgen, der nun schon alten Gewohnheit der Christen, seit langem nur Falsches durch Priester und Bischöfe anhören zu müssen und dies unter der Androhung ewiger Verdammnis auch zu glauben. Doch sei das gewissermaßen ein traditionelles Hindernis von neuen Erkenntnissen; habe doch schon Aristoteles betont, dass seit jeher die Gewohnheit, Falsches zu hören, in jeder Disziplin Verwirrung schaffe und erheblich von der Wahrheit wegführe 10. Dies werde also wohl auch zumindest anfänglich für die philosophisch nicht vorgebildeten und im Umgang mit der Hl. Schrift nicht bewanderten Leser bei den hier vorgelegten Ausführungen des Autors gelten; sein Publikum werde also dadurch behindert werden, die von Marsilius vorgetragenen Wahrheiten vollkommen zu erfassen. Und schließlich sei drittens stets der Neid der Konkurrenten ein gefährlicher Feind der Wahrheit. Diese könnten zwar (dank ihrer Vorbildung) die Richtigkeit des Vorgebrachten erkennen, missgönnten aber dem Autor seinen Primat bei der Artikulation der Wahrheit 11.

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Dazu cf. J. Miethke, Wirkungen politischer Theorie auf die Praxis der Politik im Römischen Reich des 14. Jahrhunderts, Gelehrte Politikberatung am Hofe Ludwigs des Bayern, in: J. Canning/O.G. Oexle (eds.), Political Thought and the Realities of Power in the Middle Ages (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 147), Göttingen 1998, 73-20, bes. 176 sqq.; id., Wissenschaftliche Politikberatung im Spätmittelalter: die Praxis der scholastischen Theorie, in: M. Kaufhold (ed.), Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters, Essays in Honour of Jürgen Miethke (Studies in Medieval and Reformation Traditions 103), LeidenBoston 2004, 337-357, bes. 353 sq.; K. Ubl, Der Gelehrte bei Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham. Zur Abgrenzung von politischer und gelehrter Autorität in der Philosophie des 14. Jahrhunderts, in: Das Mittelalter 17/2 (201), 16-33. Cf. das Urteil von A. Bretts: „The Defensor pacis does not present itself a purely theoretical text: it is itself an action, an intervention in history, and the contents of Discourse III do not summarise the work but equip its readers for their own act of intervention“ (Marsilius von Padua, The Defender of Peace, ed. Brett [nt. 2], xvii). Cf. Aristoteles, Met. II, 3. Zur zeitgenössischen Irrtumsdiskussion der Pariser Magister in Zusammenhang mit ihrer Auseinandersetzung mit dem Metaphysikkommentar des Averroes (speziell auch bei Johannes von Jandun) cf. den Beitrag von L. Bianchi in diesem Band. Zur Auffassung von Wahrheit und einer methodischen Wahrheitsfindung durch Papst Johannes XXII. am Beispiel der Auseinandersetzungen um die visio beatifica cf. J. Miethke, Papst Johannes XXII. und der Armutsstreit, in: Angelo Clareno Francescano, Atti del XXXIV Convegno internazionale, Assisi, 5-7 ottobre 2006, Spoleto 2007, 276: „Der Papst würde letzten Endes entscheiden und mit seiner Entscheidung die Wahrheit endgültig festlegen.“ Den vom Papst erzwungenen Widerruf Jean Pouillys auf der Lehrkanzel erlebte Marsilius in Paris selbst mit (cf. ibid., 278). Zum abweichenden Wahrheitsbegriff bei Ockham cf. infra nt. 44. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 1, § 1, 137 sqq.

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II. Marsilius schließt seine Darlegungen über die richtige Ordnung in civitas seu regnum in Dictio I mit einem Kurzabriss der Geschichte der Verfassung der christlichen Kirche. Er sieht die Ergebnisse seiner Erörterungen über eine richtige weil vernünftige Ordnung der politischen Gemeinwesen in deutlichem Widerspruch zum Ergebnis des historischen Prozesses seit den Zeiten der Frühzeit des Christentums bis zur Gegenwart, in dem sich die römischen Bischöfe zum Haupt der Christenheit machten und dabei Rechtsansprüche als Päpste formulierten und verwirklichen. In dieser Entwicklung sieht er die Hauptursache für die gegenwärtige Verwirrung der regna in der Christenheit. Dieser Vorgang stelle im Bereich der Erkenntnisse für die angemessene Ordnung der menschlichen Gemeinschaften in der Welt eine neuartige Erfahrung aus der jüngeren Geschichte gegenüber den Erfahrungs- und Erkenntnismöglichkeiten dar, die der Erfahrungsschatz der Wissenschaft in der Antike biete. Die Auswirkungen dieser Entwicklung bedrohten inzwischen nicht nur Italien und die Tätigkeit des römischen Kaisers 12. Um die inzwischen eingetretenen Veränderungen gegenüber einer den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Stagiriten wie der menschlichen Erfahrung entsprechenden richtigen Ordnung in einer civitas zu verdeutlichen, greift Marsilius im Folgenden auf die Ausführungen zurück, die er in Dictio I über die Rolle des Priestertums als Teil der Gemeinschaft der Gläubigen gemacht hatte. Nun ist zu beachten, dass Marsilius durchaus von der Tauglichkeit aller Teile der Bevölkerung einer civitas für deren perfektes Funktionieren ausgeht, also auch im ersten Teil seines Traktats schon das christliche Priestertum und seine heilsgeschichtlich bestimmte Funktion für die Gemeinschaften der Gläubigen von den Funktionen von heidnischen Religionen und ihrer Priesterschaften in civitates unterscheidet, d. h. also nicht allein von rein säkular ausgerichteten politischen Gemeinschaften der Menschen ausgeht 13. Durch Christi Geburt wurde damit die postlapsarische menschliche Geschichte entsprechend dem von Marsilius als universal gültiges Prinzip der Natur vorgestellten Fortschreiten zum immer Vollkommeneren durch einen göttlichen Eingriff verändert: Bezüglich des Strebens nach ewiger Seligkeit bedeutete der Übergang von der lex Mosaica zur lex gracie deshalb eine entscheidende Veränderung, freilich nur was die Normen betrifft, um die überweltlichen Ziele zu errei12

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Cf. ibid. I, 19 §§ 3-11 und § 12, 135: „Hec itaque Romanorum quorundam episcoporum extimacio non recta et perversa fortassis affeccio principatus, quem sibi debere asserunt ex eisdem, ut dicunt, per Christum tradita plenitudine potestatis, causa est singularis illa, quam intranquillitatis seu discordie civitatis aut regni factivam diximus. Ipsa enim in omnia regna serpere prona […] infesta sua accione dudum vexavit Ytalicum regnum, et a sui tranquillitate seu pace prohibuit prohibetque continuo principantis, scilicet imperatoris Romani, promocionem seu institucionem ipsiusque accionem in dicto imperio sui tota conamine prohibendo“. Cf. ibid. I, 6 (Funktionsbestimmung des christlichen Priestertums); ibid. I, 5 (heidnisches Priestertum in damaligen civitates vel regna); ibid. I, 4 (Zweck der civitas, Unterscheidung und Funktion ihrer unterschiedlichen Mitgliederteile).

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chen. Die seit der Schöpfung gültigen irdischen Ordnungsprinzipien sieht der Autor durch Christus in ihrer Gültigkeit in keiner Weise eingeschränkt oder gar aufgehoben 14. Zur Erziehung und Unterrichtung der Menschen über die Regeln des durch Christus neu erlassenen göttlichen Gesetzes für das Erreichen der Seligkeit im Jenseits und der von ihm dafür gestifteten Sakramente sei der christliche Priesterstand eingerichtet worden; er sei damit aber ausschließlich auf die Erlangung und Sicherung der ewigen Seligkeit ausgerichtet, nicht jedoch auf eine Neuordnung innerweltlicher Verhältnisse 15. Daran knüpft nun Marsilius an, wenn er die Apostel in ihrem Wirken ohne Christus nach der Himmelfahrt als die ersten Lehrer und Verwalter der neu gestifteten Sakramente für die Gläubigen vorstellt und beschreibt. Aus der von Christus in ihrem Umfang begrenzten apostolischen Tätigkeit könnten sich allein der Aufgaben und der Umfang allen christlichen Priestertums ableiten und legitimieren. Alle seither in der Praxis hinzu gekommenen weiteren Vollmachten der Priester seien jedoch menschlichen Ursprungs aus der nachfolgenden Zeit. Das lasse sich am Ablauf der Kirchengeschichte konkret nachweisen. In gleicher Weise gelte dies auch für das vom Apostel Petrus übernommene Bischofsamt und damit auch für die beanspruchten Kompetenzen seiner Nachfolger als römische Bischöfe. Insbesondere betreffe dies die Rechtsgrundlagen, die sie sich für ihre Leitungsfunktionen der Gesamtkirche zusprächen. Nicht Christus verdankten sie diese, sondern ihrer Privilegierung durch Kaiser Konstantin. Der inzwischen von den römischen Bischöfen aus dem kaiserlichen Edikt Konstantins und der Kaiserlichen Schenkung abgeleitete Anspruch auf iurisdictio coactiva orbi unversalis sei also letztlich nur das Ergebnis einer malignitas occulta, mit der die Päpste den praktischen Erwerb dieser Kompetenz in der Folgezeit ins Werk setzten 16. 14

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Cf. ibid. I, 6 § 6, 32: „Fuit autem deduccio hec divina conveniens valde, quoniam de minus perfecto ad magis, et demum ad perfectissimum convenienciam humane saluti.“ Das Vervollkommnungsprinzip der Natur gilt ihm dabei auch als das anthropologische Kennzeichen der menschlichen Entwicklungsgeschichte, indem das Entwicklungsprinzip der Natur vom Menschen imitierend übernommen wird; cf. ibid. I, 3 § 2, 13: „Nam ex minus perfectis ad perfecciora semper est nature et artis, sue imitatricis, incessus.“ Dazu cf. H. G. Walther, Ursprungsdenken und Evolutionsgedanke im Geschichtsbild der Staatstheorien in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: A. Zimmermann (ed.), Antiqui und Moderni (Miscellanea Mediaevalia 9), Berlin-New York 1974, 236-261, bes. 257 sq. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 6, §§ 8-9. Marsilius knüpft damit an die durch die Dekretale ,Unam Sanctam‘ neu angefachte Diskussion um die Rolle eines Königtums Christi und der Übertragung seiner Befugnisse auf Petrus und die Päpste; cf. J. Leclercq, L’ide´e du royaute´ du Christ au moyen aˆge (Unam Sanctam 32), Paris 1942; zuletzt A. A. K. Theng, Why did John of Paris write De potestate regia et papali? A reconsideration, in: C. Jones (ed.), John of Paris, Beyond Royal and Papal Power (Disputatio 23), Turnhout 2015, 153-187 (zu den Pariser Diskussionen). Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 19, §§ 6-11, 131 sq.: „Quod quia donum seu privilegium illud non habet hoc clare, aut quoniam ex post factis expiravit fortasse vel eciam quia validum existens ad reliquos mundi principatus, nec ad eum qui Romanorum in omnibus provinciis illius privilegii seu concessionis se virtus extendit, ideoque postmodum iurisdiccionem hanc coactivam orbi universalem sibi alio quodam omnes comprehendente titulo moderniores Romanorum assumpserunt episcopi, plenitudine potestatis videlicet, quam concessam asserunt per Christum beato Petro eiusque successoribus in Romana episcopali sede, tamquam Christi

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Für die zweiten Dictio ergibt sich damit ein doppeltes Beweisziel: Nicht nur die Legitimität des päpstlichen Anspruchs gelte es zu bestreiten, sondern den offenen Widerspruch zu den im innerweltlichen Bereich seit jeher gültigen Normen für eine möglichst vollkommene Ordnung der menschlichen communitates aufzuzeigen. Marsilius wiederholt deshalb mehrfach, dass die heilsgeschichtliche Zäsur des Kommens und Wirkens Christi keineswegs eine Neuordnung der innerweltlichen Ordnungsstrukturen angestrebt oder im Gefolge gehabt habe; vielmehr habe Christus, wie aus den Zeugnissen der Evangelien hervorgehe, bei der Stiftung der Gemeinschaft der lex gracie diese bestehenden Ordnungsstrukturen ausdrücklich anerkannt und bestätigt. Beabsichtigte Marsilius mit seinem Traktat also letztlich so etwas wie eine ideologiekritische Aufklärung avant la lettre? Auffällig ist, dass er der kurialen Gegenseite in ihren Motiven nicht nur bösen Willen und Heimtücke in ihren Bestrebungen und Handlungen zur Erlangung der plenitudo potestatis unterstellt, sondern auch ihre Argumentationsweise mit dem Terminus einer bewussten Verschleierung (involucrum) belegt, die er mit seinen Ausführungen wegreißen wolle, und die er nach den Kriterien der üblichen wissenschaftlichen Vernunftkritik mit bloßen Meinungen und Vermutungen (opiniones, extimaciones) glaubt gleichsetzen zu müssen. Sie genügten in keinem Fall der klaren Unterscheidung von wahr und falsch (discrecio veris sentenciis vice falsis). Für Marsilius steht dabei nicht in Zweifel, dass die Wahrheit von Aussagen über historische Vorgänge festgestellt werden könne. Hatte er sich in Dictio I zur Darstellung der besten Ordnung der politischen Gemeinschaft auf die Ausführungen des Aristoteles wie auf die honesta consuetudo policiarum gestützt, die auf der von der ratio gesteuerten experiencia beruhe 17, so geht es ihm nun in der zweiten Dictio um die Frage, welche konkreten Konsequenzen die Anweisungen und Anordnungen der lex divina für die Erlangung der ewigen Seligkeit auf die innerweltliche Ordnung besäßen. Auf der durch Christi Wirken erreichten vervollkommneten Stufe der Heilsgeschichte entscheide die Richtigkeit im Verständnis dieser Normen der lex divina über Seligkeit oder Verdammnis im Jenseits. Marsilius hält es deshalb für unumgänglich, die Grundlagen der Ordnung in der Urkirche zu bestimmen und die einzelnen Phasen ihrer Ausbildung genau nachzuzeichnen, um den wahrhaften Stifterwillen Christi herauszuarbeiten und zu überprüfen, ob der gewünschte Vollzug erfolgt sei 18. III. Dabei gelangt der Autor zu einer für die Verwirklichung seines Beweisziels entscheidenden methodischen Frage, nämlich wie denn die historische Wahrheit

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vicariis. Christus enim, ut aiunt et vere, fuit rex regum et dominus dominancium, universorum omnium personarum et rerum. Quamvis ex hoc minime sequatur […].“ Cf. ibid. I, 3, § 5. Cf. Walther, Ursprungsdenken (nt.14), 257. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 1 § 3-5, 140 sqq. (Programmatik von Dictio II).

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für die in der Urkirche geltenden Normen und für den Verlauf der weiteren Geschichte festzustellen sei. Wenn Marsilius den Texten der Evangelien, der Apostelgeschichte, wohl auch den Paulinen ohne weiteres einen Wahrheitsanspruch als Verlautbarungen des göttlichen Rechts zugesteht, so hält er doch bei ihrer Exegese allein den Literalsinn (sensus historicus) für argumentativ zulässig und damit für heilsgeschichtliche Aussagen über wahr und falsch für aussagekräftig 19. Denn, wie er ausdrücklich vorausschickt, will er in seinem Traktat die Rekonstruktion der historischen Verhältnisse in einem Dreischritt erreichen: - Zunächst, wie sich diese Entwicklungen tatsächlich seit ihren Ursprüngen und im Verhältnis zu diesen in der Folgezeit vollzogen hätten; - sodann, in wie weit diese Entwicklungen in der ecclesia primitiva in Übereinstimmung mit dem göttlichen und menschlichen Recht und dem richtigen Denken (recta racio) stünden und welche Alternativen bestanden hätten; - schließlich darum, die festgestellten Übereinstimmungen späterer Regelungen mit den für den Ursprung geltenden Normen und Prinzipien als historisch gerechtfertigte Entwicklungen dann anzuerkennen, sie zu billigen und damit als verpflichtend zu betrachten. Dies gelte aber nicht, wenn das in Widerspruch zu diesen ursprünglichen Normen Stehende als für die innerweltliche Ordnung und die Ruhe der Gläubigen als schädlich zu verachten und abzulehnen sei 20. Doch dafür benötigt Marsilius zuverlässige nichtbiblische Zeugnisse. Welche kann er unter den formulierten Prämissen als glaubwürdig und wahr akzeptieren, also außerhalb des Corpus der von ihm als Glaubensinhalt als historisch richtig anerkannten Bibeltexte, wenn es um eine wahrhafte Beschreibung der weiteren Geschichte des Christentums jenseits der Urgemeinde geht? Nur wenige der ihm bekannten historischen Darstellungen der Kirchengeschichte hält er für diesen Zweck brauchbar. Am Beispiel der Rolle Kaiser Konstantins und seiner Privilegierung der römischen Kirche führt er deshalb aus: „tangemus et inducemus historias, ex ipsis quidem, que legi divine ac recte racioni consona fuerint, recipientes, que vero dissona, reicientes“ 21. 19

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Cf. ibid. II, 4, § 8, 166: „Et licet re vera series evangelica patentissime contineat et demonstret propositum nostrum, amplius quam glosse sanctorum, eo quod sensum literalem, qualem dicimus, tamquam manifestum ssupponentes, ubique se magis ad allegoricum seu mysticum converterunt, eas tamen induximus ad maiorem propositi confirmationem, et ne temerarie scripturam dicamur exponere“. Cf. ibid., s. v. biblia, sensus literalis. Noch immer grundlegend B. Smalley, The study of the Bible in the Middle Ages, Oxford31983; de Lagarde, Le Defensor (nt. 1), 210-212 und zuletzt W. J. Courtenay, The Bible in medieval universities, in: R. Marsden/E.A. Matter (eds.), The new Cambridge History of the Bible, Cambridge 2012, 555-578, bes. 569-573. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 18, § 2, 376: „primum quatenus processerunt de facto et circa ipsorum origines; deinde vero quantum iuri divino et humano ac recte racioni sic facta conformiter se habuerint aut habere debuerint, que eciam hiis contrarie atque difformiter, ut demum conformia tamquam probanda et observanda, difformia velut nociva seculo et fidelium quieti ac lite detestanda et declinanda noscamus.“ Ibid. II, 18, § 6, 381.

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Chronisten und Rechtsquellen kommen für ihn als Zeugen für die historische Wahrheit also nur dann infrage, wenn sie in ihrem Grundverständnis nicht dem widersprechen, was der Paduaner zuvor als die der wahrhaften lex divina entsprechenden Ordnung für die irdische Organisation der Gemeinden der Gläubigen aus der Bibel herausgearbeitet zu haben glaubt. Als Wahrheitskriterium für die Rezeption oder Zurückweisung von solchen Zeugnissen akzeptiert er nur den sich an der aristotelischen Philosophie orientierenden richtigen Vernunftgebrauch und auch die sich ebenfalls auf ratio stützende experiencia als magistra disciplinarum 22. Wie letztere Methode praktisch als kritisches Element gegenüber angeblich historisch legitimierten rechtlichen Ansprüchen funktioniert, demonstriert er am Beispiel der Zurückweisung des von ihm als gewichtigste Fehlentwicklung angesehenen päpstlichen Anspruchs auf iurisdictio coactiva gegenüber anderen Bischöfen. Er verweist zu diesem Zweck auch auf die eigenen Erfahrungen aus der Zeit seines Rektorates an der Universität Paris: Auch wenn damals gerade die Universität in Orle´ans seinerzeit die Pariser Statuten übernommen habe, habe sie sich damit doch nicht von dieser rechtlich abhängig gemacht. Analog habe die kanonisch überlieferte Übernahme des römischen Zwölftafelgesetzes von den Griechen die Römer keineswegs in Abhängigkeit von den Griechen geführt 23. Die Anwendung dieser Kriterien auf die von ihm herangezogenen chronikalischen Berichte und Zeugnisse zum Zweck ihrer Authentisierung als historische Wahrheit lässt die recta ratio letztlich in pragmatischen erfahrungsgestützten Plausibilitätserwägungen münden, die seine Darstellung der Phasen der Urkirche (primus status ecclesiae) und der Frühkirche (ecclesia primitiva) angesichts der Unklarheit der verfügbaren Quellen prägen. Dabei spielen die zuvor aus den Evangelientexten gewonnenen Prämissen über die von Christus gewollten Ordnungsstrukturen der Christengemeinde eine entscheidende Rolle. Seine Präferenz für Plausibilitätsdeutungen leitet er von der von ihm des öfteren konstatierten Notwendigkeit von pragmatischen Entscheidungen ab, zuerst der Apostel, nachfolgend der frühen Christen. Angesichts der besonderen historischen Situation ihrer christlichen Gemeinden als religiöse Sonderform in ihrer sozialen und politischen Umwelt sei ihnen kaum eine andere Möglichkeit der Entscheidungsfin22

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Cf. ibid. II, 18, § 2, 376: „De consequentibus vero colligere possumus ex approbatis historiis, harum autem plurimum ex Ysidori codice supradicto; et demum aliqua recitare. Que disciplinarum experiencia magistra nos docuit.“ Cf. ibid. II, 18, § 6, 379 sq. Marsilius verweist zunächst auf die angebliche Übernahme des 12Tafelgesetzes von den Griechen durch die Römer. Freilich ist seine Quelle dafür nicht Gratian, Decretum, D. 7, c. 1 (so Scholz [nt. 2], 379), sondern die ,Decretum‘-Kanonessammlung des Ivo von Chartres (D. 3, c. 164, ed. J. P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 161, Paris 1889, 244), in die diese Nachricht aus Isidors von Sevilla, Etymologiae V, 1 übernommen wurde. Cf. J. Gordley (transl.), Gratian, The Treatise on Laws (Decretum DD. 1-20) (Studies in Medieval and Early Modern Canon Law 2), Washington 1993, 22 sq. Marsilius bleibt sich also treu und vertraut auch hier nicht Gratians Sammlung.

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dung geblieben. Als Minderheit, so betont Marsilius immer wieder, hätten die frühen Christen ja unter Heiden und heidnischen Herrschern leben müssen. Das marsilianische Bild der Kirchengeschichte bis zu Kaiser Konstantins Zeiten ist deshalb von der jeweiligen Ausgestaltung des Verhältnisses von zwei Faktoren bestimmt: einerseits von einer aus dem Prinzip der letztlichen Entscheidungskompetenz der Gesamtheit der Gläubigen abgeleitenden rechtlichen Norm für verbindliche Beschlüsse für alle menschlichen Gemeinschaften auf Erden, andererseits durch die in Abweichung von dieser Norm tatsächlich getroffenen pragmatischen historischen ad-hoc-Lösungen in einzelnen Christengemeinden innerhalb der primitiva ecclesia. Auf diese Weise sieht er zuerst das Bischofsamt und sodann die differenzierten Seelsorge- und kirchlichen Hierarchiestrukturen zustande gekommen 24. Ungeachtet der schlimmen politischen Konsequenzen für die weltliche Ordnung sieht Marsilius nicht wie viele hoch- und spätmittelalterliche Legisten in Kaiser Konstantins Edikt und Schenkung an Papst Silvester eine illegale Amtshandlung, sondern beurteilt sie bei Berücksichtigung der historischen Umstände letztlich als eine bloße pragmatische Anerkenntnis der inzwischen quasi subkutan unterhalb der politischen Strukturen des Imperiums gewachsenen christlichen Kirche. Marsilius kommt freilich dabei zu dem Ergebnis, dass Kaiser Konstantin nur die inzwischen von den römischen Bischöfen in der Gesamtkirche erreichte Vorrangstellung als prioritas anerkannte, nicht jedoch einen rechtlichen Primat innerhalb der Gemeinschaft seiner Amtskollegen politisch legitimieren wollte 25. 24

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Manchmal hat man bei der Lektüre der Beschreibungen des Marsilius über die Schwierigkeiten in der Entwicklung der Urkirche und bei ihrer rechtlichen Umformung den Eindruck, dass seinerzeit Rudolph Sohm von Marsilius’ Argumentation der Entwicklung der „ecclesia primitiva“ inspiriert und zu seinem Gegenentwurf angeregt wurde. Zu auffällig erscheinen doch die strukturellen Ähnlichkeiten von Sohms so einflussreicher wie umstrittener These von der erst im 12. Jahrhundert vollzogenen Ablösung des als „ius divinum“ rein sakramental ausgerichteten ursprünglichen „altkatholischen Kirchenrechts“ durch ein korporativ ausgerichtetes Kirchenrecht zu sein. Freilich unterscheidet sich dann letztlich die reichere und differenziertere Quellengrundlage des modernen Historikers vom Tableau des Marsilius. So spielen bei Sohm die Pseudoisidorischen Dekretalen in seiner Argumentation keine Rolle; für ihn bilden die Ignatius-Briefe statt des von Marsilius argumentativ mehrfach herangezogenen 1. Clemensbriefs das gewichtige frühe Schlüsseldokument. Und schließlich sieht Sohm ganz im Gegensatz zum Paduaner in Gratians ,Decretum‘ noch eine Manifestation der als Modell dienenden sakramental ausgerichteten Verfassung der römischen Kirche. Cf. R. Sohm, Das altkatholische Kirchenrecht und das Dekret Gratians, München-Leipzig 1918 [Neudruck Darmstadt 1967]. Dazu resümierend und in kritischer Auseinandersetzung P. Landau, Sakramentalität und Jurisdiktion, in: id., Europäische Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze aus den Jahren 1967 bis 2006, Badenweiler 2013, 17-50. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 22, § 16. Dazu cf. F. Bertelloni, Marsilio de Padua y la historicidad de la Donatio Constantini, in: M del Carmen Carle´ e. a. (ed.), Estudios en homenaje a Don Claudio Sanchez Albornoz en sus 90 an˜os, vol. 4, Buenos Aires-Madrid 1986, 3-24, und ausführlich Garnett, Marsilius of Padua (nt. 2), 100 sqq. Zur Behandlung der Konstantinischen Schenkung durch mittelalterliche Autoren cf. zuletzt G. Puletti, La Donazione di Costantino nei primi del’ 300 e la Monarchia di Dante, in: Medioevo e Rinascimento 7 (1993), 113-135; Miethke, Konstantinische Schenkung (nt. 3).

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Da sich die christliche Gemeinschaft in ihren Organisationsstrukturen ja notwendig innerweltlich entfalten musste, gelten hierfür nach Marsilius natürlich auch die weiterhin allgemein gültigen Prinzipien, wie er sie in Dictio I anhand einer richtigen innerweltlichen politischen Ordnung in ihren Strukturen beschrieb. Eine für ihn unumstößliche Prämisse für seine Darlegungen über den Verlauf der weiteren historischen Entwicklungen der Kirche bildet deshalb, dass Gott bei der Stiftung seiner Gemeinschaft nicht die seit dem Sündenfall gültigen innerweltlichen Ordnungsprinzipien außer Kraft setzen wollte. Für die Menschen in der Welt müssen deshalb auch weiterhin impetus naturae, ratio und experiencia als die alleinigen Normen für richtiges innerweltliches Handeln gelten. Der mit Christi Geburt eingeleitete vollkommenere Status der Heilsgeschichte sollte nach den Zeugnissen des Neuen Testaments in keiner Weise die innerweltliche, auf ratio gegründete, von den Menschen geschaffene politische Ordnung verändern. Deswegen habe Christus auch die bestehenden politischen heidnischen Strukturen seiner Zeit ausdrücklich anerkannt: „Bei dieser Untersuchung ist nicht die Frage, was Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch in dieser Welt an Gewalt und Machtvollkommenheit gehabt hat […] oder wieviel er dem seligen Petrus und den anderen Aposteln und deren Nachfolgern, Bischöfen oder Priestern hätte übertragen können […], sondern […] welche Gewalt und Machtvollkommenheit ihnen Christus in dieser Welt hat verleihen wollen.“ 26 Kern der Darlegungen in der ersten Dictio bildete die zentrale Rolle des legislator humanus als Legitimation der im politischen Gemeinwesen ausgeübten potestas coactiva. Für die christlichen Gemeinden habe natürlich gegolten, dass solange das Imperium Romanum noch von Heiden beherrscht gewesen sei, es nicht die Möglichkeit der Christen zu verbindlicher Gesetzgebung gegeben habe. So erklären sich für Marsilius die improvisierten oder pragmatischen Regeln in den Gemeinden zur Wahrung des rechten Glaubens, zur Spendung der Sakramente und die Einrichtung verschiedener priesterlicher Ämter bis zur Konstantinischen Wende 27. Seit der Zeit dieses Kaisers hätten sich nun die Christen aber öffentlich versammeln können, wie ja Konstantin das erste Allgemeine Konzil nach Nikaia einberufen habe 28. Von da an sollte und durfte die innerweltliche Ordnung der Kirche allein durch den legislator humanus fidelis superiore carens legitimiert werden. Dessen Versammlungen auf Gemeinde- oder Diözesanebene oder 26

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Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 4, § 2, 159: „Verum propter intencionem hanc evidencius explicandam oportet nos non latere, quod ex hanc inquisicione non queritur, quid Christus, qui verus Deus et verus homo fuit, habuerit et habeat in hoc seculo potestatis et auctoritatis, nec quid aut quantum horum conferre potuerit beato Petro et reliquis apostolis ac ipsorum successoribus, episcopis seu presbyteris, quoniam de hiis non dubitant Christi fideles in propositis quesitis. Sed volumus et debemus inquirere, quam potestatem auctoritatem exercendam in hoc seculo Christus eisdem conferre voluerit et de facto contulerit, et a qua ipsos excluserit et prohibuerit consilio et precepto.“ Marsilius schließt daran in §§ 3-13 die dazu gehörigen Belege aus dem Neuen Testament und von einzelnen Kirchenvätern und schließlich aus Bernhards ,De consideratione‘ an. Ausführlich dazu cf. ibid. II, 22, §§ 15-18. Cf. ibid. II, 22, § 19.

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das für die gesamte Christenheit handelnde Allgemeine Konzil hatten nunmehr allein das Recht, in Glaubensfragen zu entscheiden, Bischöfe einzusetzen oder zwingende Gewalt über Gläubige durch Gesetzgebung zu legitimieren 29. Die Allgemeinen Konzilien stellen für Marsilius die legitimen Nachfolger der Versammlungen der Apostel mit den Ältesten in der Zeit der Urkirche dar 30. Marsilius hält die Nutzung dieser Kompetenz des (christlichen) populus als legislator fidelis für das entscheidende Kriterium, ob Legitimität bei innerweltlichen Maßnahmen, die mit Zwangsgewalt über die Gläubigen ausgestattet sind, vorliegt. Nur dieser legislator fidelis darf über die Auslegung und Anwendung der Normen der lex divina befinden. Dies gilt auch für Anordnungen, Beschlüsse und Rechtstitel, die in der Vergangenheit getroffen bzw. erlangt wurden. Potestas coactiva kann in innerweltlichen Herrschaftsbereichen der Christen ohne vorhergehende Autorisierung durch die Mehrheit der christlichen Laien, auf Konzilien von ihnen auch in Glaubensangelegenheiten, nicht ausgeübt werden. Weder die Priester, die Bischöfe und schon gar nicht allein der römische Bischof seien zu solchen Entscheidungen berechtigt. Für Marsilius ist es ein deutliches Zeichen eines nun schon lange eingeschlagenen historischen Irrwegs der Kirche, dass in der Zeit nach Kaiser Konstantin die römischen Bischöfe mit ihrer als Päpste beanspruchten iurisdictio coactiva nun ihre decreta an die Stelle der Beschlüsse der Generalkonzilien setzen konnten 31. Mehrfach verweist er deshalb darauf, dass Konstantin mit seinem Edikt für die Kirche und durch die Schenkung an den römischen Bischof Silvester nur die bisher ohne Legitimität erreichte Stellung der römischen Bischöfe in der Gesamtkirche als prioritas habe anerkennen wollen 32. Allein die späteren päpstlichen Umdeutungen des kaiserlichen Privilegs in für sie dafür günstigen historischen Situationen, insbesondere indem mit Dekretalen entsprechende politische Ansprüche formuliert worden seien, hätten daraus Titel für ihnen angeblich zustehender zwingender Rechtsprechung auch in weltlichen Angelegenheiten gemacht und in der Folgezeit auch durchzusetzen versucht. Die jüngsten derartigen Dekretalen der Päpste Bonifaz VIII., Clemens V. und des jetzt regierenden Johannes XXII. bewiesen dieses methodische 29 30 31

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Cf. ibid. II, 21. Cf. ibid. II, 19 § 2. Cf. ibid. II, 20 § 8, 397 sq.: „si […] epistole sive decreta Romani ponificis equalia vel non imparia forent auctoritate his, que determinate et diffinita sunt per concilium generale, omnes seculi principatus, omnia regna et mundi provincie ac persone singulares cuiuscumque dignitatis, preeminencie vel condicionis existant, antistiti Romano primo forent coactive iurisdictione subiecti.“ Deshalb verweist Marsilius auf den Volltext des ,Constitutum Constantini‘, wie er ihn im herangezogenen Codex des Pseudoisidor fand. Scheint er in der ersten Dictio noch an der Authentizität des ,Constitutum Constantini‘ zu zweifeln (cf. Defensor pacis I, 19, § 8, 131), so polemisiert er in der 2. Dictio, dass im ,Decretum Gratiani‘ nur ein Auszug aufgenommen worden sei, zitiert jedoch selbst nicht die Passagen, die seine Interpretation vom streng begrenzten Umfang der kaiserlichen Privilegierung mit einem dominium über weltliche Güter stützen sollen (cf. ibid. II, 18, § 7, 380 sqq. und II, 22, § 10, 429 sq.). Dazu detailliert cf. Garnett, Marsilius of Padua (nt.2), 106-116; Miethke, Konstantinische Schenkung (nt.3), 64 sq. und 93.

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Vorgehen zur Genüge 33. Aber schon am Beispiel des (von Marsilius im Unterschied zum Constitutum Constantini) als gefälscht betrachteten 1. Clemensbriefes, mit dem sich angeblich schon der Nachfolger des Petrus einen Rechtsprimat zugeschrieben und eingefordert habe, zeige sich deutlich, dass den päpstlichen Dekretalen jegliche Glaubwürdigkeit abgehe 34. Diese Schriftstücke dienten seit jeher nur der Amtsanmaßung und dem illegitimen Machtgewinn der römischen Bischöfe. Deswegen verzichtet Marsilius für die Klärung der historischen Entwicklung der Kirchenverfassung auf die Nutzung sowohl der Sammlung der bei den Zeitgenossen gängigen kanonistischen Quellensammlungen, also sowohl auf Gratians Dekret für die älteren Zeiten als auch auf die nachfolgenden Rechtssammlungen der päpstlichen Dekretalen, und er versucht stattdessen auf ihm als authentisch erscheinende historische Kirchenrechtsquellen der Frühzeit des Christentums zurückzugreifen, wie er sie in der Sammlung Pseudoisidors gefunden zu haben meint 35. Die hoch- und spätmittelalterlichen Dekretalen nennt Marsilius nur herablassend ordinaciones oligarchicae, weil sie höchst eigennützig nur für die Nutznießer der päpstlichen Arrogation der plenitudo potestatis erlassen worden seien 36. Stattdessen zieht er einen von ihm in einer Pariser Bibliothek aufgefundenen Codex mit Pseudoisidors Sammlung von zum großen Teil gefälschten Texten zur Geschichte der ecclesia primitiva wie der folgenden Jahrhunderte der Kirche bis in Karolingische Zeit heran. Die Fälschungen konnte er natürlich nicht als solche erkennen. In dieser Sammlung fand er eben auch den vollständigen Text des ,Constitutum Constantini‘, so dass er sich nicht mit der für kanonistische Zwecke bearbeiteten Fassung in den zeitgenössischen Ausgaben von Gratians ,Decretum‘ begnügen musste 37. Marsilius spielt das Pseudoisidorische Quellenkonvolut gegen die späteren kanonistischen Corpora polemisch aus, weil er in diesem älteren Codex die in den hochmittelalterlichen Rechtssammlungen zu kanonistischem Gebrauch verkürzten Texte nun in ihrem Volltext lesen konnte. 33

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Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 18, § 1. Zum daraus abgeleiteten päpstlichen Anspruch auf plenitudo potestatis cf. ibid. II, 23 §§ 5-13 und 24, §§ 1-9. Cf. ibid. II, 28, § 4, 531 sq. (1. Clemensbrief). Suspekt und unakzeptabel sind ihm natürlich die Sammlungen päpstlichen Dekretalenrechts vom ,Liber extra‘ Gregors IX. (1234) bis zum ,Liber Sextus‘ Bonifaz’ VIII. (1298). Die erst von Johannes XXII. am 25. Oktober 1317 promulgierten ,Clementinen‘ mit den inserierten Viennenser Konzilsbeschlüssen sind für Marsilius erst recht nicht akzeptabel, da er Johannes XXII. inzwischen nicht mehr als legitimen Papst betrachtet. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 23, § 9 und 25, § 15. Cf. Garnett, Marsilius of Padua (nt. 2), 143-145 und 172-195 (Umgang mit kanonistischen Sammlungen). Vorgratianische Kirchenrechtssammlungen scheinen Marsilius dagegen als authentische historische Quellen zumindest teilweise nutzbar! Das zeigt seine Verwendung von Canones aus den Sammlungen ,Panormia‘ und ,Decretum‘ des französischen Bischofs Ivo von Chartres (1040-1115) als approbatae historiae. Offenbar fand er diese Kirchenrechtssammlungen in der Pariser Bibliothek, in der er auch auf den Codex mit Pseudoisidors Sammlung stieß. Bei der Ersterwähnung in Defensor pacis I, 19, § 8 hat Marsilius noch gewisse Zweifel an der Echtheit des ,Constitutum Constantini‘ (cf. supra nt. 32); in der Dictio II zählt er dann jedoch Pseudoisidor zu den verlässlichen approbatae historiae.

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Dies gilt besonders auch für den angeblichen Text der Rede Kaiser Konstantins, welcher die Rolle des Kaisers bei der Einberufung des ersten allgemeinen Konzils in Nikaia ausführlich beschrieb, zum anderen aber auch für die bei Pseudoisidor überlieferten kaiserlichen Bestätigungen der wichtigsten spätantiken Konzilsbeschlüsse. Marsilius zitiert deshalb alle diese seinen Zeitgenossen weitgehend unbekannten Texte ganz ausführlich, wenn auch nicht immer vollständig und z. T. auch sinnverstellend 38. Er sieht damit nur bestätigt, dass das Setzen päpstlicher Dekretalen an die Stelle der für legitime Entscheidungen erforderlichen Konzilsbeschlüsse unheilvolle Folgen habe und springt zumeist von der Spätantike gleich in die jüngste Vergangenheit: Das kirchliche Hochmittelalter interessiert ihn kaum. Kein Papst nach Calixt II. findet Erwähnung. Wohin die Dekretalen der römischen Bischöfe führten, zeige doch die Lehrmeisterin Erfahrung am Beispiel der Bulle ,Unam Sanctam‘ von Papst Bonifaz VIII., mit der dieser seinen Versuch der Exkommunikation gegenüber König Philipp dem Schönen von Frankreich rechtfertigen habe wollen 39. Für die Perioden der Frühkirche wie der nachkonstantinischen Zeit erschienen Marsilius die von Pseudoisidor in seiner Sammlung ja chronologisch angeordneten Papstdekretalen als notwendige Ergänzung zur von ihm als historischer Rahmen ausgiebig benutzten, aber nicht als approbata historia, da zu papstfreundlich eingestuften Universalchronik des Martin von Troppau. Als historischer Steinbruch für Zeugnisse päpstlicher Politik durch Dekretalen lieferte ihm der dominikanische Chronist jedoch für die Zwecke des Marsilius durchaus gut verwertbare historische Quellen, da die Dekratalen ja die auf eigenen Machtgewinn gegen die weltlichen Herrscher gerichteten Intentionen ihrer Verfasser deutlich verrieten. Für die gesamte Periode der konsequenten Ausdehnung päpstlicher Machtansprüche kann der Paduaner seine Quellengrundlage deswegen so kennzeichnen: „De consequentibus vero colligere possumus ex approbatis historiis, harum autem plurimum ex Ysidori codice […] et demum aliqua recitare, que disciplinarum experiencia magistra nos docuit.“ 40 38

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Cf. Garnett, Marsilius of Padua (nt. 2), 172-195 (Umgang des Marsilius mit kanonistischen Quellen). Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 11 (päpstliche Dekretalen); ibid. II, 21, §§ 4-7 (Kaiserliche Erlasse auf Konzilien); ibid. II, 21, § 9 (Bonifaz VIII. - Philipp IV.); ibid. II, 25, § 10 (Paschalis II., Calixt II.). Die Kaiserwahldekretale ,Venerabilem‘ Innocenz’ III. wird nicht direkt, sondern nur über das Zitat in ,Pastoralis cura‘ Clemens’ V. erwähnt; cf. ibid. II, 26, § 6, 496 sq. und §11 ( Johannes XXII. gegen Ludwig d. Bayern). Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 18, § 2, 376. Zur Kritik am papalistischen Geschichtsbild in Martins Chronicon cf. ibid. II 25, § 8, 475 (Kritik an seiner Darstellung von Papstwahlen unter kaiserlichem Einfluss). Auch der von Marsilius sicher gekannte (und benutzte) Traktat des Pariser Dominikaners Jean Quidort ,De regia potestate et papali‘ aus der Zeit des Konflikts zwischen Bonifaz VIII. und Philipp dem Schönen von Frankreich stützte sich für historische Basisinformationen auf das Chronicon pontificum et imperatorum‘ seines Ordensbruders Martin von Troppau (ca. 1268-1277 verfasst); cf. Martini Oppaviensis Chronicon Pontificum et Imperatorum, ed. L. Weiland (Monumenta Germaniae historica, Scriptores 22), Hannover 1872, 379-475, URL: www.geschichtsquellen.de/repOpus_03363.html (Stand: 07. 11. 2016); F. Bleienstein (ed. et transl.), Johannes Quidort von Paris, Über königliche und päpstliche Gewalt, Stuttgart 1969. Zur Benutzung Martins von Troppau durch Jean Quidort cf. C. Jones, Historical understanding and the nature of temporal power in the thought of John of Paris, in: id. (ed.),

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IV. Für die historische Rekonstruktion der Verhältnisse in origo et status primus der Kirche hatte Marsilius allein die Evangelien und die Apostelgeschichte als kanonisch akzeptiert, aber fast ausschließlich nur in ihrem Literalsinn 41. Dazu hatte er im 19. Kapitel der zweiten Dictio als Prämisse formuliert: „Wir sind gehalten, keine Schrift als unwiderruflich aus Notwendigkeit für das ewige Seelenheil als wahr zu glauben oder zu bekennen, außer den kanonisch heißenden, und zwar das, was aus diesem notwendig folgt oder aber, wenn diese einen zweifelhaften Sinn besitzen, den Interpretationen oder Entscheidungen, die von einem Generalkonzil der Gläubigen oder Katholiken getroffen werden; insbesondere, wenn ein Irrtum die ewige Verdammnis nach sich ziehen würde, wie bei den Glaubensartikeln.“ 42 Mit dieser Aussage erregte Marsilius nicht nur bei seinen kurialen Gegnern Anstoß. Der in unversöhnlicher Gegnerschaft zu Papst Johannes XXII. ihm gewiss nicht nachstehende Franziskaner Wilhelm von Ockham hatte den Text des ,Defensor pacis‘ offensichtlich erst in den 30er Jahren im gemeinsamen Münchener Exil während der Arbeit an seinem ,Dialogus‘ kennengelernt. Nun am Beginn der Arbeit am dritten Buch des dritten Teils seines ,Dialogus‘, in dem es dem Autor um hermeneutische Probleme des Bibeltextes geht, zitiert der Magister zunächst genau diese Passage des Marsilius, um sich dann im Folgenden kritisch mit ihr auseinanderzusetzen 43. Den Generalkonzilien billigt Ockham im Unterschied zu dem Paduaner keine grundsätzliche Irrtumslosigkeit zu. Die von Marsilius ausführlich angeführten Autoritäten aus Pseudoisidors Sammlung kennt er nicht im Originaltext. Ein Pseudoisidor-Codex war ihm in München nicht zugänglich. So muss er sich damit begnügen, sich in seiner Auseinandersetzung mit den Argumenten des Paduaners auf die Rechtstexte der bei diesem verpönten Kanonessammlung Gratians zu stützen 44.

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John of Paris (nt. 15), 77-118; Garnett, Marsilius of Padua (nt. 2), 123 und s. v. Martinus Polonus im Register, 217. Cf. supra nt. 19. Marsilius benutzt weitgehend bei seiner Bibelexegese die von Thomas von Aquin in Paris redigierte ,Catena aurea‘. Der Text ist nach dem Druck von 1953 am leichtesten zugänglich auf Corpus Thomisticum online, URL: www.corpus thomisticum.org/cmt00a.html (Stand: 01. 07. 2016). Marsilius von Padua, Defensor pacis II, 19, § 1, 384: „nullam scripturam irrevocabiliter veram credere vel fateri tenemur de necessitate salutis eterne, nisi eas, que canonice appellantur, vel eis que ad has ex necessitate sequuntur, aut scripturarum sacrarum sensum dubium habencium eis interpretacionibus seu determinacionibus, que per generale fidelium seu catholicorum concilium essent facere, in his presertim, in quibus error dampnacionem eternam induceret, quales sunt articuli fidei Christiane.“ Cf. Wilhelm von Ockham, De potestate papae et cleri, III. Dialogus, vol. II/Die Amtsvollmacht von Papst und Klerus, III.1 Dialogus, Band II, Lateinisch/deutsch, übersetzt und eingeleitet von J. Miethke (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 36), Freiburg im Bresgau 2015, 550-560. Ausführlich dazu cf. J. Miethke in seiner Einleitung zu vol. I, 55-69 und id., Der ,Dialogus‘ Wilhelms von Ockham als Fiktion eines Lehrgesprächs zwischen Lehrer und Schüler, in: A. Speer/Th. Jeschke (eds.), Schüler und Meister (Miscellanea Mediaevalia 39), Berlin-New York 2016, 705-720, bes. 718-720. Cf. Miethke, Einleitung (nt. 43), 52 sq. (Rolle kanonistischer Belege bei Ockham).

Die ganze Kirchengeschichte als (korrigierbarer) historischer Irrtum?

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Wie kürzlich Jürgen Miethke bei der Beurteilung dieser Kontroverse beider Autoren hervorhob, lehnt Ockham jeden Anspruch einer irdischen Instanz ab, ein unfehlbares Verständnis der Bibel vorzugeben. Er billigt der Bibel als einem von Gott inspirierten Text zwar absolute Irrtumslosigkeit zu, räumt aber jedem einzelnen Gläubigen ein direktes Verhältnis zur Wahrheit ein 45. Der englische Franziskaner kann und will auch nicht der Textexegese des Marsilius bezüglich des Petrusamtes in der Urkirche und der Ablehnung des daraus abgeleiteten Anspruchs auf päpstliche plenitudo potestatis folgen 46. Dem Rigorismus des Paduaners, den er im 4. Buch dieses Teils des ,Dialogus‘ indirekt als schreckliche und gänzlich törichte Leichtfertigkeit charakterisiert 47, setzt Ockham seinen hochdifferenzierten Wahrheitsbegriff in Glaubensangelegenheiten entgegen, wenn er den Magister resümieren lässt: „Oft ist es nötig, einem Zeugnis Glauben zu schenken, obwohl dadurch eine unfehlbare Gewissheit nicht zu erlangen ist. […] Häufig ist daher dem Zeugnis glaubwürdiger Leute Glauben zu schenken, die über jede Einwendung hinaus als überlegen gelten und nicht zurückgewiesen oder falsifiziert werden können, obwohl dadurch eine unfehlbare Gewissheit nicht zu erlangen ist. […] Manchmal können wir durch ein göttliches Wunder dessen gewiss sein, dass ein menschliches Zeugnis als unfehlbar gelten darf.“ 48 Ockham leitet daraus ab, dass man einem Zeugnis dann als richtig vertrauen könne, wenn es durch Entscheidungen der Gesamtkirche in heilsnotwendigen Angelegenheiten bestätigt werde. Habe Christus doch seiner Kirche verheißen, dass er ihr Heilsnotwendiges niemals fehlen lassen werde. Das entspricht offensichtlich nicht dem Verständnis der Geschichte als Heilsgeschichte des im Milieu des aristotelisierenden Diskursspektrums der Pariser Artistenfakultät zuletzt seit Jahren tätigen Magisters Marsilius von Padua 49. Nach den Vorstellungen des Paduaners greife Gott so selten wie möglich in den Verlauf der Geschichte ein. Marsilius übernimmt also zwar als Orientierungsrahmen für sein Geschichtsbild die inzwischen seit langem gängige Dreigliederung in die Perioden vor dem Mosaischen Gesetz, unter dem Mosaischen Gesetz und unter dem Gesetz der Gnade. Er leitet jedoch daraus ab, dass in der Heilsge45

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Cf. ibid., 51-55. Zu Ockhams Wahrheitsverständnis cf. zuletzt id., Marsilius, Ockham (nt. 8), 183 sq. und id., Der Dialogus (nt. 43), pass. Cf. Wilhelm von Ockham, De potestate papae et cleri (nt. 43), Pars III, Tr. 1, Lib. IV, c. 1, 550 sq. Cf. ibid., c. 13, 626: „Tamen horribilis et omnino stulta esset temeritas.“ Ibid., Lib. III, c. 24, 524: „quod sepe necesse est credere testimonio quamvis per ipsum infallibilis certitudo haberi non possit, saltem credulitate illa contra quam , non obstante quod dubitatione careat, debeat aut possit admitti probacio. Alioquin in nullo negocio quibuscumque testibus qui non sunt confirmati in gracia universali ecclesie esset credendum. Quare propter testimonium huiusmodi numquam esset a iudice contra aliquem ferenda sentencia. Sepe igitur testimonio fide dignorum omni excepcione maiorum, qui reprobari aut convinci de falsitate non possunt, est credendum, quamvis per ipsum certitudo infallibilis haberi non possit. In huiusmodi enim sufficit certitudo possibilis et sufficiens quamvis non sit infallibilis. […] Si enim humanum testimonium per divinum miraculum approbetur, de infallibilitate eius debemus esse certi.“ Cf. W. J. Courtenay, Marsilius of Padua at Paris, in: Moreno-Rian˜o/ Nederman (eds.), A Companion (nt. 8), 57-70.

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schichte damit das gleiche Vervollkommnungsprinzip wirksam sei, das Gott in der Natur wirken lasse und das auch die Anfänge der Menschheitsgeschichte nach dem Sündenfall bereits bestimme. Dabei fällt auf, dass Marsilius bei der Behandlung des sogenannten „Urstands“ auf eine Nennung des Naturrechts verzichtet, also keine eigene Entwicklungsphase der Menschheitsgeschichte unter der lex naturae kennt, an deren Normen sich der Mensch immer wieder orientieren und auf die er zumindest subsidiär zurückgreifen könne. Gratians Distinctio VIII über das Naturrecht, wie auch Thomas’ breite Ausführungen dazu in der ,Summa Theologiae‘ sind seiner Geschichtskonzeption wesensfremd 50. Er unterscheidet nur menschliches und göttliches Recht und legt diese Differenz seiner Theorie für die Ordnungen von politischen wie kirchlichen Gemeinschaften zugrunde. Ebenso verzichtet er darauf, den Menschen nach Aristoteles anthropologisch nicht nur als animal rationale, sondern auch als animal sociale vel politicum zu benennen. Er kennt daher auch keine inclinatio naturalis des Menschen zur Gemeinschaftsbildung. Stattdessen spricht er ihm nur einen impetus naturae zu, der im Endergebnis zur Gründung von politischen Gemeinschaften führt. Es handele sich dabei um nichts anderes als um eine Anregung, die der Mensch an und in der Natur beobachte, also um Vorbilder, jedoch keineswegs um eine bloße Triebsteuerung der Natur, die die Menschen zur Gemeinschaftsbildung veranlasse. Vielmehr erkenne der Mensch per experienciam dank seiner Ausstattung mit racio das Vervollkommnungsprinzip der Natur, imitiere es und gelange auf diese Weise zu seinen artes. Damit erfolgt die Gemeinschaftsbildung allein aufgrund rationaler Einsicht der Handelnden, die auf diese Weise ihre individuellen Defizite ausgleichen können und dank der rationalen Zuordnung ihrer Erfahrungen 51. Für Marsilius gibt es von Anfang an nur durch menschliche ratio und experiencia zustande gekommene Gesetze der Gemeinschaft, die mit Zwangsgewalt ausgestattet sind. Er sieht keine Notwendigkeit, jenseits davon auf Normen eines überhistorischen Naturrechts zurückzugreifen. Dies hat natürlich Konsequenzen für seine Argumentation, mit der er in die damals seit Jahrzehnten laufende 50

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Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 3, §§ 2-5 und 4, § 3 (Urstandslehre). Cf. Walther, Ursprungsdenken (nt. 14), 241-248 (zum naturrechtlich fundierten Geschichtsbild bei Jean Quidort und Thomas von Aquin zum Vergleich), 255 sq. (Marsilius’ Urstandslehre): Zur zeitgenössischen Naturrechtsdiskussion im Umkreis der Pariser Universität cf. B. Tierney, The Idea of Natural Rights. Studies on Natural Rights, Natural Law and Church Law 1150-1625, Atlanta, Ga. 1997 (zu Marsilius bes. c. 5, 108-118 sqq.); V. Mäkinen, Property Rights in the Late Medieval Discussion on Franciscan Poverty (Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales, Bibliotheca 3), Leuven 2001. Jüngst plädierte Annabel Brett dafür, dass Marsilius allein das positive Recht als geeignete Basis für Gesetzgebung und damit politische Ordnungen ansehe; cf. A. Brett, Politics, Right(s) and Human Freedom in Marsilius of Padua, in: V. Mäkinen/P. Korkman (eds.), Transformations in Medieval and Early-Modern Rights Discourse, Dordrecht 2006, 95116, bes. 111 sq. Cf. Marsilius von Padua, Defensor pacis I, 3, § 5. Cf. Walther, Ursprungsdenken (nt 14), pass.; id., Imperiales Königtum, Konziliarismus und Volkssouveränität. Studien zu den Grenzen des mittelalterlichen Souveränitätsgedankens, München 1976, 125-175.

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Diskussion um eine heilsnotwendige Armut der Kirche eingreift. Für die Franziskaner hatten ja nach der Mitte des 13. Jahrhunderts Johannes Peckham und Bonaventura den usus pauper ohne dominium-Rechte im Rückgriff auf eine paradiesisch-naturrechtliche Situation vor dem Sündenfall legitimiert 52. Marsilius beteiligt sich in seinem Traktat jedoch nicht am jüngsten Diskurs über Armut und Eigentumsrechte, der seit dem Prozess des dominikanischen Inquisitors gegen einen Narbonensischen Spiritualen 1321 als sog. „Theoretischer Armutsstreit “ soeben an der Avignonesischen Kurie in Gang kam. Die seit Bonaventura übliche Interpretation des usus pauper der Ordensmehrheit war zwar durch die Bulle Nikolaus III. ,Exiit qui seminat ‘ (1279) verbindlich gemacht und weiterer Diskussion entzogen worden, obwohl die Dominikaner seit Thomas von Aquin ein deutlich anderes Verständnis von dominium und der Besitzverhältnisse in der Apostelgemeinde bekundeten 53. Von einer direkten Beteiligung am aktuellen zeitgenössischen Diskurs des Armutsbegriffs hält er sich fern, da er die Überlegungen zur naturrechtlichen Begründung des angeblichen „simplex usus facti “ der Franziskanermehrheit nicht teilt 54. Marsilius orientierte sich bei seiner Argumentation vielmehr eher an der dominikanischen Variante des dominium-Begriffs und ihrem weniger radikalen Verständnis von der Armut Christi und der Apostel. Er sah aber im Verzicht auf Eigentumsrechte der Kirche eine notwendige Vorgabe Christi für seine irdische Gemeinde, einen Teil der neuen lex divina. Er 52

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Den ideengeschichtlichen Hintergrund resümierend B. Töpfer, Urzustand und Sündenfall in der mittelalterlichen Gesellschafts- und Staatstheorie (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 45), Stuttgart 1999, 387-394, 417-495. Zusammenfassend cf. R. Lambertini, Marsilius and the Poverty Controversy in Dictio II, in: Moreno-Rian˜o/ Nederman (eds.), A Companion (nt. 8), 229-263 (zu den sog. Armutskapiteln im Defensor pacis II, 11-14). Aus der überreichen (kontroversen) Forschung und den unterschiedlichen mendikantischen Armutsauffassungen cf. M. D. Lambert, Franciscan Poverty. The Doctrine of the Absolute Poverty of Christ and the Apostles in the Franciscan Order 1210-1323, London 1961; U. Horst, Evangelische Armut und Kirche, Thomas von Aquin und die Armutskontroversen des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 1), Berlin 1992; R. Lambertini, Apologia e crescita dell‘identita` francescana (1255-1279) (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, nuovi studi storici 4), Roma 1990; id., La poverta` pensata. Evoluzione storica della definizione dell’identita` minoritica da Bonaventura ad Ockham, Modena 2000. Cf. R. Lambertini, Marsilius and the Poverty (nt. 52) (exzellenter kritischer Forschungsbericht); id., Apologia (nt. 53), 43-64, 79-122; Miethke, Papst Johannes (nt. 10) (beide zum Verrechtlichungsprozess in der Interpretation der Franziskanerregel seit Gregor IX.); K. E. Spiers, Poverty Treatises by Hervaeus Natalis and Pierre Roger (Clement VI), in: Manuscripta 39 (1995), 91-109; Mäkinen, Property Rights (nt. 50), 141-190; E. M. Wittneben, Bonagratia von Bergamo, Franziskanerjurist und Wortführer seines Ordens im Streit mit Papst Johannes XXII. (Studies in Medieval and Reformation Thought 90), Leiden-Boston 2003; P. Nold, Pope John XXII and his Franciscan Cardinal Bertrand de la Tour and the Apostolic Poverty Controversy (Oxford Historical monographs), Oxford-New York 2003; J. Coleman, Using, Not Owning Duties - Not Rights: The Consequences of Some Franciscan Perspectives on Politics, in: M. F. Cusato/G. Geltner (eds.), Defenders and Critics of Franciscan Life, Essays in Honor of John V. Fleming (Medieval Franciscans Studies 5), Leiden-Boston 2009, 65-84 (franziskanische Positionen zu Beginn des Theoretischen Armutsstreits).

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knüpfte also eher an den Diskussionsstand der Kontroverse der 70er Jahre des 13. Jahrhunderts an, also an den Rechtspositionen, wie sie in Paris von Weltgeistlichen und den Dominikanern gegen die päpstlichen Dekretalen seit ,Exiit qui seminat ‘ eingenommen wurden, nicht jedoch an den neuen Auseinandersetzungen um Olivis Deutung, die dieser dem naturrechtlich begründeten usus pauper gegeben, mit deren ekklesiologischen Implikationen aber einem neuen grundlegenden Diskurs über die perfectio evangelica Nahrung geboten hatte und somit Papst Johannes XXII zur Aufhebung des Diskussionsverbots von ,Exiit ‘ unter Zugzwang setzte 55. V. Die Forschung versuchte in den letzten Jahren mehrfach unter verschiedenen Perspektiven, das Geschichtsbild des Marsilius gegen die bis weit ins 20. Jahrhundert dominierende Deutung als Säkularisierungsansatz in der Politiktheorie („premier the´oricien laı¨que d’e´tat moderne“) zu revidieren und ins Mittelalter „heimzuholen“ und seinen Traktat als letztlich heilsgeschichtlich-spirituell geprägt zu sehen. Zuletzt wurde Marsilius sogar in die Nähe franziskanischspiritualistischer Vorstellungen gerückt 56. 55

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Kontrovers dazu cf. C. Condren, Marsilius of Padua and the Poverty of Traditionalism, in: Il Pensiero Politico 11 (1972), 393-96; K. E. Spiers, Pope John XXII and Marsilius of Padua on the Universal Dominium of Christ: A Possible Common Source, in: Medioevo 5/6 (1979/80), 471-478; Lambertini, Apologia (nt. 52), 171-181 und id., Marsilius and the Poverty (nt. 52). Zu einzelnen Aspekten der dominum-Diskussion cf. M . Kriechbaum, Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts (Münchener Universitätsschriften, Abhandlungen zur Rechtswissenschaltlichen Grundlagenforschung 77), Erlenbach 1996, 40-89; A. Brett, Liberty, Right and nature, Individual rights in later scholastic thought (Ideas in Context 44), Cambridge 1997, 19; Mäkinen, Property Rights (n. 50), 95-102; Coleman, Using (nt. 54); P. Nold, Two views on John XXII as a heretical pope, in: Cusato/Geltner (eds.), Defenders (nt. 54), 139-158; W. J. Courtenay, University Masters and Political Power: The Parisian Years of Marsilius of Padua, in: Kaufhold (ed.), Politische Reflexion (nt. 9), 209-223. Zu den Beziehungen zu Jean Quidort cf. K. Ubl/L. Vinx, Kirche, Arbeit und Eigentum bei Johannes Quidort von Paris, O.P. (ó 1306), in: Ch. Egger/H. Weigel (eds.), Text - Schrift - Codex: Quellenkundliche Arbeiten aus dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsheft 35), Wien - München 2000, 304-344, hier 327-329 (zu einer ersten Fassung des Traktats in Auseinandersetzung mit Jakob von Viterbo) und K. Ubl, Debating the Emergence of an Idea: John of Paris and Conciliarism, in: Jones (ed.), John of Paris (nt. 15), 263-306. Cf. H. Segall, Der ,Defensor Pacis‘ des Marsilius von Padua, Grundfragen der Interpretation (Historische Forschungen im Auftrag der Historischen Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur 2), Wiesbaden 1959; Condren, Marsilius of Padua (n. 55); B. Bayona, Marsilio de Padua. Religion y poder - Primera teorı´a laica de lo estado?, Zaragoza 2007. Anders als Segall, der das Geschichtsbild unter franziskanischem Einfluss geformt sieht, aber nur ungenügend oder gar falsch die unterschiedlichen franziskanischen Strömungen und Gruppen zuordnet, plädierte B. Guene´e 1979 in der Einleitung zur kritischen Ed. der kleineren Schriften des Marsilius für die Bedeutung der historischen Orientierung des Marsilius an einem säkularen Geschichtsbild; cf. B. Guene´e, Marsile de Padoue et l’histoire, in: Marsile de Padoue, Œuvres mineures. Defensor minor, De translatione imperii, texte e´tabli, traduit et annote´ par C. Jeudy

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Auch für die Sicherung der ewigen Seligkeit sieht Marsilius ebenfalls innerweltliche Ordnungsstrukturen für die Gemeinschaften der Christen erforderlich, die sich nach Gottes Vorgaben an die Normen für alle innerweltlichen menschlichen Gemeinschaften zu halten hätten. Doch lässt sich kaum bestreiten, dass beim Paduaner angesichts seiner von ganz anderen Sozialisationsmilieus geprägten Biografie seine Vorstellungen vom Geschichtsverlauf bereits auf das Beweisziel der Dictio I des ,Defensor pacis‘ vom bestmöglichen politischen Gemeinwesen durchschlägt 57. Dieses ist wie die gesamte menschliche Geschichte von der Abfolge der menschlichen Entscheidungen aufgrund von ratio und sciencia und experiencia und artes geprägt. Auf dieser Basis müssten sich alle ihrem Seinszweck gerecht werdenden weltlichen Gemeinschaften und Institutionen entwickeln, hätten deswegen populus, legislator humanus, pars valencior, pars principans weitgehend die politischen Ordnungen der civilitas zu gestalten und damit zum Erreichen der felicitas mundana beizutragen 58. Die weitere Ausgestaltung der menschlichen civitates vel regna im Verlauf der Geschichte erscheint bei Marsilius als durchgängiger historischer Prozess der Vervollkommnung. Wie der Paduaner gerade am Verlauf der Kirchengeschichte zeigen will, verlief der Prozess im Verlauf der bisherigen Geschichte offenkundig nicht stets und überall irrtumsfrei, obwohl doch sciencia und experiencia ihr Bestes tun, um durch eine richtige und dem Endzweck angemessene irdische Gesetzgebung durch den legislator humanus und seine valentior pars zu sichern. Marsilius will in seinem Traktat gerade zeigen, dass die richtige innerweltliche Ordnung außer Kontrolle gerät, wenn der Teil der Gesellschaft, der als Priesterschaft für die Gewinnung der überirdischen Seligkeit der gläubigen cives sorgen soll, sich in der irdischen Ordnung disfunktional erweist, das System sogar dominiert oder zu dominieren versucht und damit letztlich zerstört. Für innerweltliche Entscheidungen dürfen nur ratio und experiencia als Grundlagen dienen; nur dann ist Irrtumsfreiheit garantiert. Aber diese Grundlagen ermöglichen es immerhin, Irrtümer zu erkennen und zu korrigieren. Die Normen für die dafür erforderlichen Entscheidungen gibt dem populus Christianus die lex divina vor. Präzisierungen sind vom legislator humanus fidelis, oft mit

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et J. Quillet, Paris 1979, 1-14 [Wiederabdruck in: B. Guene´e, Politique et histoire au Moyen´ ge (Publications de la Sorbonne), Paris 1981, 327-340]; jüngst dezidiert Garnett, Marsilius of Padua (nt. 2), sogar mit Zuschreibung eines apokalyptischen, spiritualistisch eingefärbten Geschichtsbilds bei Marsilius. Deutliche Kritik bei Lambertini, Marsilius and the Poverty (nt. 52), besonders an der Ungenauigkeit bei der Analyse der franziskanischen Strömungen, 230 (Segall), 231 sq. (Quillet), 241 sq. (Nederman und Coleman). Dazu cf. (noch immer unentbehrlich) C. Pincin, Marsilio (Pubblicazioni dell’Istituto di Scienze Politiche dell’Universita` di Torino 17), Torino 1967. Für die geistigen Rahmenbedingungen cf. G. Piaia, Marsilio e dintorni. Contributi alla storia delle idee (Miscellanea erudita 6), Padova 1999, ergänzt durch Courtenay, Marsilius of Padua at Paris (nt. 49). Cf. C. J. Nederman, Community and Consent, The Secular political Theory of Marsiglio of Padua’s Defensor pacis, Lanham, MD-London 1994; V. Syros, Die Rezeption der aristotelischen politischen Philosophie bei Marsilius von Padua, Eine Untersuchung zur Ersten Diktion des Defensor Pacis (Studies in Medieval and Reformation Traditions 134), Leiden-Boston 2008.

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Beschlüssen seines Generalkonzils zu treffen. Marsilius hält auf diese Weise die Irrtumsfähigkeit für möglichst gering. Als die Kirchengeschichte einen bis zur Gefährdung der irdischen Ordnung reichenden Irrweg einschlug, zeigt sich für Marsilius, dass dies auf der Abweichung von der rechten politischen Praxis, dass die Entscheidungskompetenz allein beim legislator humanus fidelis liege, zugunsten der Ansprüche eines einzelnen Amtsträgers auf plenitudo potestatis beruhte. Dieser Irrweg kann aber (noch) korrigiert werden. Nicht die gesamte Kirchengeschichte erweist sich bei genauer Analyse jedoch als ein Irrtum. Gerade am Ablauf der Frühgeschichte der Kirche zeigt sich nach Marsilius, dass das Vertrauen in die Vernünftigkeit der menschlichen Entscheidungen und in das Vervollkommnungsprinzip berechtigt ist. Nicht die Urkirche der Apostel und Ältesten, die ecclesia primitiva, ist deshalb wie bei den Franziskanerspiritualen sein Ideal, nicht ein Bestehen auf einem simplex usus facti nach dem Vorbild des Naturrechts wie bei der die dominiumLehre der päpstlichen Kurie bekämpfenden Gruppe um den Franziskanergeneral Michael von Cesena, sondern er sympathisiert offen mit der pragmatischvernünftig entstandenen Kirche der Konstantinszeit am Ende der Periode der ecclesia primitiva, einschließlich ihrer inzwischen von Bischöfen geleiteten Gemeinden und der kaiserlich anerkannten prioritas-Rolle für den römischen Bischof, die sich durchaus vernünftig begründen lasse, aber vor allem auch mit den allein in Glaubensfragen entscheidenden Generalkonzilien. Konstantins Entscheidungen ermöglichten zwar der Kirche in der Folgezeit den Weg in den Irrtum. Einsicht in diese Entwicklung als Irrweg, nutzbar gemacht dem zur Entscheidung aufgerufenen populus Christianus der Gegenwart in Form von experiencia, also mit Hilfe der Vernunft analysierten historischen Erfahrungen, erleichtern jedoch dem legislator humanus fidelis superiore carens und seiner pars principans eine aus innerweltlichen Ordnungsgründen wie heilsgeschichtlichen Notwendigkeiten erforderliche Beseitigung des Irrtums.

Sorbona mater errorum Martin Luthers Irrtumsvorwurf an die Pariser Universität Ueli Zahnd (Basel) I. Einleitung Martin Luther war - neben vielem anderen - auch ein begnadeter Polemiker. Nicht immer ganz jugendfrei und oft mit einer wunderbaren Prise Boshaftigkeit vermochte er seine Gegner in Grund und Boden zu schimpfen, und wo es nützlich war, scheute er auch die notwendige Inszenierung nicht, um seiner Sache Gehör zu verschaffen. Besonders kernig pflegte es bei Tisch zu werden. Als in den späten 1530er Jahren das Gespräch einmal mehr auf die Universitäten kam und insbesondere auf jene, die als die am besten frequentierte galt, die Pariser Sorbonne nämlich, gab Luther die noch verhältnismäßig gesittete Bemerkung von sich, der Name der Sorbonne komme von den „Sorba“, einer schon bei Flavius Josephus unter dem Namen des Sodomsapfels verbürgten Sorte von Früchten, die man am Toten Meer finde 1: Äußerlich seien sie höchst erfreulich anzusehen, innerlich aber seien sie voller Asche. So, fuhr Luther fort, sei auch die Pariser Universität: Sie finde zwar scharenweise Zulauf, doch sei sie trotzdem die Mutter vieler Irrtümer 2. Diese Rede von der Sorbonne als mater errorum war Luther nicht in die Wiege gelegt. Vielmehr pflegte er noch in den ersten Jahren nach seiner reformatorischen Wende durchaus positiv von der Pariser Universität zu sprechen 3, um dann aber 1520 in umso heftigere Seitenhiebe umzuschlagen gegen die hochge1

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Flavius Josephus, De bello Judaico, IV, 8, 4, edd. O. Michel/O. Bauernfeind, München 1963, II.484 sq.; cf. O. Keel/M. Küchler (eds.), Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studien-Reiseführer zum Heiligen Land, vol 2: Der Süden, Zürich 1982, 252. Datiert auf den 12. Dezember 1538: „Ego arbitror dictam a sorbis, pomis illis iuxta mare mortuum, quae sunt specie externa iucundissima, intus vero cinis. Talis est universitas Parisiensis, frequentissima, quae tamen mater est multorum errorum“ (Martin Luther, Tischreden, Nr. 4183, ed. O. Brenner e. a., in: Martin Luther, Tischreden 1531-1546, 6 vols., Weimar 1912-1921 [im weiteren abgekürzt als WA.TR], vol. 4: Tischreden aus den Jahren 1538-1540, 185); cf. ibid., Nr. 4033, 91 mit der deutschen Übertragung: „Vielleicht, dafur ichs halte, von den Sorbis genannt, Aepfeln, so am todten Meer wachsen, die von außen sehr hübsch anzusehen, inwendig aber, wenn man sie aufthut, sind sie voll Aschen. Also ist auch Universität zu Paris, da wol ein großer Haufe ist, aber eine Mutter vieler Irrthume“. Dieselbe „Etymologie“ bringt Luther auch in einer Anmerkung zu seiner Übersetzung von Melanchthons Schutzrede wider die Pariser; cf. dazu infra, 468-470 sowie nt. 55 für die Aufnahme des Sprachbildes bei Melanchthon. Cf. dazu infra, 460-463.

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lehrten, närrischen, groben Esel zu Paris, dem neuen Sodom und Gomorrha, der Quelle aller Ketzerei, der größten Hurkammer des Papstes 4. In seiner Schrift vom Missbrauch der Messe von 1521 schrieb Luther: „Nie hat es zu irgendeiner Zeit irgendwelche Häretiker gegeben, die den Parisern und Papisten verglichen werden könnten. Keine haben nämlich das ganze Evangelium, den ganzen Glauben, den ganzen Christus, das gesamte Gesetz Mose verneint, verurteilt, Gegenteiliges gelehrt, außer diese Pariser oder Papisten; aber die tun dies unter Anschein und Namen Christi. Von daher kommt es, dass vorausgesagt ist, aller Ketzer Gräuel würden wie in einer ganz neuen Kloake unter dem Antichristen zusammenfließen. Und dass sie der Schlund für diese Kloake ist, beweist diese erquickende theologische Fakultät der Akademie zu Paris gleich selbst, sie und ihre Schwestern Ohola und Oholiba.“ 5

Selbst wenn man alle rhetorische Patina und Inszenierung von solchen Aussagen wegnimmt, bleibt diese plötzliche Wut gegen die Pariser theologische Fakultät, bleibt der geballte Vorwurf, dass dort der Hort jeglichen Fehlers, Irrtums, jeglicher Ketzerei sei, erstaunlich. Denn biographisch gesehen verbindet Luther mit den Pariser Theologen herzlich wenig. Er war selbst nie in Paris, und selbst wenn es 1521 nach Exkommunikation, Reichsacht und zahlreichen anderen Verurteilungen schließlich auch aus Paris eine Determinatio gegen Luther gab, auf die zurückzukommen ist, führten gerade in dieser Frühzeit die persönlichen Auseinandersetzungen mit Lehrern und Verteidigern des traditionellen Glaubens zu Begegnungen mit Repräsentanten des Papstes, die deutschen oder auch norditalienischen, nicht aber der Pariser Universität angehörten 6 - die großen Disputationen, in denen Luther seine Lehre vor öffentlichem akademischem Publikum zu verteidigen suchte, fanden denn auch auf deutschem Boden statt 7. So allerdings, wie Luthers Vorwürfe gegen die Sorbonne daherkommen, scheint für ihn die Pariser Universität zum ersten und bisweilen einzigen Repräsentanten all 4

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Die folgenden Angaben beziehen sich auf D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Weimar 1883-2009 (im weiteren abgekürzt als WA). Zum närrischen, groben Esel cf. WA 8, 290 sq.; WA 11, 296; WA 15, 125; WA 44, 778; zu Sodom und Gomorrha cf. WA 8, 413, 501 und 538; zur Quelle aller Ketzerei cf. WA 8, 542 und 547 sq.; zur Hurkammer des Papsts cf. WA 8, 292. Martin Luther, De abroganda missa privata, WA 8 (nt. 4), 465: „Neque enim ulli unquam haeretici fuerunt, qui possint Parrhisiensibus et Papistis comparari. Nulli enim totum Euangleium, totam fidem, totum Christum, totam legem Mosi negaverunt, damnaverunt, contraria docuerunt, nisi isti Parrhisienses seu Papistae, sed sub specie et nomine Christi: ideo omnium haereticorum abominationes praedictae sunt confluxurae ceu in sentinam quandam novissimam sub Antichristo. Et huius sentinae lacunas esse probant iam se ipsas almae istae facultates Theologiae Parrhisiensis Academiae et suae sorores Odollae et Olibamae“; cf. ibid. 548. Zu Ohola und Oholiba, den beiden wohl „aktivsten“ Prostitutierten des Alten Testaments, cf. Ez 23,4. Zu letzteren zählen insbesondere Silvestro da Prieria und Tommaso de Vio, der Kardinal Cajetan; unter den Deutschen wären Hieronymus Dungersheim zu nennen und eine Person, auf die noch genauer zurückzukommen ist, der Ingolstädter Theologe Johannes Eck. Zu diesen Auseinandersetzungen cf. C. Spehr, Luther und das Konzil. Zur Entwicklung eines zentralen Themas in der Reformationszeit (Beiträge zur historischen Theologie 153), Tübingen 2010. 1518 in Heidelberg und 1519 in Leipzig (zu letzterer cf. infra 463 sq.).

Sorbona mater errorum. Martin Luthers Irrtumsvorwurf an die Pariser Universität

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der Fehler geworden zu sein, die er dem traditionellen Glauben anlastet: Parrhisienses seu Papistae - das scheint für ihn austauschbar 8. Bekanntlich ist nun aber die universitäre Landschaft des ausgehenden Mittelalters alles andere als eine einheitliche, durch eine einzige Institution repräsentierbare; und Luther war sich dessen eigentlich sehr wohl bewusst, da er als ehemaliger Augustinermönch selbst im spätmittelalterlichen Erfurt studiert hatte und zumindest von seiner akademischen Herkunft her durch die Mühlen einer ganz spezifischen universitären Richtung ging, nämlich jener des Erfurter Nominalismus 9. Eine der ersten scholastischen Schriften, an der er sich intensiv abarbeitete, war denn auch der Sentenzenkommentar von Gabriel Biel 10, und im Wissen um die unterschiedlichen Schulrichtungen des Spätmittelalters sprach Luther von der „ockhamistischen“ und „modernen“ Richtung als „seiner“ Schule, die er völlig aufgesaugt habe 11. Noch in den späten 1530er Jahren nannte er in Abgrenzung von anderen Scholastikern Wilhelm von Ockham magister meus, seinen Lehrer, der von ihm als vorzüglichster aller Doktoren angesehen wurde 12. Wenn es im Folgenden darum gehen soll, dem Irrtumsvorwurf Luthers gegen die Sorbonne nachzugehen, dann ist daher nicht nur klären, woher dieser Fokus auf Paris bei Luther kommt, sondern es soll auch darum gehen zu untersuchen, ob sich aus diesem Vorwurf Genaueres über seine Verflechtung in die spätmittelalterliche Denkwelt sagen lässt, die er selbst so deutlich in einem „ockhamistischen“ Milieu verortet. Im Sinne einer spätscholastischen clarificatio terminorum sei vorerst aber noch anzumerken, dass im Folgenden ziemlich unscharf von der Sorbonne, von der Pariser theologischen Fakultät oder von der Pariser Universität schlechthin die Rede sein wird. Einem tendenziell polemischen Sprach8

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Cf. neben dem oben zitierten Beispiel auch etwa noch Martin Luther, Von den Konziliis und Kirchen, WA 50 (nt. 4), 515; dazu auch Spehr, Luther und das Konzil (nt. 6), 506 sqq. Cf. dazu insbesondere G. White, Luther as Nominalist. A Study of the Logical Methods used in Martin Luther’s Disputations in the Light of their Medieval Background (Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft 30), Helsinki 1994. Eine Auseinandersetzung vor allem mit älterer Literatur hierzu bietet P. Büttgen, Luther et la philosophie. E´tudes d’histoire, Paris 2011, 193225. Seine Randbemerkungen zu Biels Sentenzenwerk sind ediert in WA 59 (nt. 4), 29-53. Neben dem Klassiker von P. Vignaux, Luther, Commentateur des sentences: livre I, distinction 17 (E´tudes de philosophie me´die´vale 21), Paris 1935, cf. auch J. Wieneke, Luther und Petrus Lombardus. Martin Luthers Notizen anlässlich seiner Vorlesung über die Sentenzen des Petrus Lombardus Erfurt 1509/11, St. Ottilien 1995, sowie P. Rosemann, The Story of a Great Medieval Book. Peter Lombard’s Sentences (Rethinking the Middle Ages 2), Peterborough 2007, 171183, und die infra nt. 26 zitierte Literatur. So etwa in der Responsio ad condemnationem doctrinalem per Lovanienses et Colonienses factam, WA 6 (nt. 4), 195: „Alioqui, cur et meae sectae resisterem, scilicet Occanicae seu Modernorum, quam penitus imbibitam teneo?“ Cf. auch id., Adversus execrabilem Antichristi bullam, ibid., 600: „sum enim Occanicae factionis.“ Cf. etwa die Zweite Disputation gegen die Antinomer vom 12. 1. 1538, WA 39/I (nt. 4), 420: „Magister meus Occam, qui a nobis praecipuus doctorum est habitus“; oder eine Tischrede vom März 1532, WA.TR (nt. 2), vol. 2: Tischreden aus den dreißiger Jahren, Nr. 2544a, 516: „Occam, magister meus, summus fuit dialecticus, sed gratiam non habuit loquendi, Hunc Parrhisii ita damnaverunt, ut in centum annis nemo audiret illum vel nominare; nunc autem totus regnat ibidem.“

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gebrauch seiner Zeit folgend 13, nutzt Luther den Begriff der Sorbonne und der Sorbonnistae als pars pro toto, meint also stets zumindest sämtliche Pariser Theologen und nicht nur Repräsentanten jenes ganz spezifischen Colle`ges der Universität, das Robert de Sorbon im 13. Jahrhundert gegründet hatte. Diese Redensart dürfte schlicht daher stammen, dass in den Räumlichkeiten des Colle`ge de Sorbonne, in der „Salle des Actes“ dank deren Größe insbesondere in den 1520er Jahren die Sitzungen und Versammlungen der theologischen Fakultät stattfanden 14, so wie sich die Philosophen gewöhnlich bei den Trinitariern, im Couvent des Mathurins trafen. Eine ganze Reihe der Verurteilungen und Irrtumslisten, welche die Pariser Theologen erließen, wurden „in“ der Sorbonne verabschiedet, woraus dann offensichtlich der Sprachgebrauch erwuchs, dies sei „von“ der Sorbonne beschlossen worden 15. II. Die fr ühe Hochachtung einer möglichen Gleichg esinnten Wenn man sich nun Luthers Äußerungen zur Pariser Universität über seinen Lebensweg hinweg ansieht, dann wird schnell einmal deutlich, dass seine Aversion gegen die Sorbonne nicht einfach als Teil einer humanistisch geprägten Scholastik-Kritik abgetan werden kann, die die Pariser Universität als berüchtigtsten Hort dieser Scholastik gesehen hätte 16. Denn es zeigt sich überraschen13

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So etwa fast durchgehend in der Korrespondenz des Erasmus, cf. B. Flower/E. Rosenbaum, Indices (Opus epistolarum Desiderii Erasmi Roterodami 12), Oxford 1958, 150 s. v. „Paris University - Faculty of Theology (Sorbonne)“. Cf. aber auch den gänzlich unpolemischen Gebrauch bei John Mair in der nächsten Fußnote. Cf. J. Farge, Orthodoxy and Reform in Early Reformation France. The Faculty of Theology of Paris, 1500-1543 (Studies in Medieval and Reformation Thought 32), Leiden 1985, 3 sq. und 38 betont zwar, dass die Versammlungen auch an anderen Orten stattfanden, was aber kein prinzipielles Argument gegen den historisch verbürgten Namensgebrauch der Sorbonne für die gesamte theologische Fakultät sein kann. Selbst ein Pariser Theologe wie John Mair sprach über die Universität Paris als „nostra Academia Sorbonica“ (so in einem Brief vom 1.8.1530 an Johannes Eck: John Mair, In primum Sententiarum, Epistola dedicatoria, ed. I. Badius, Paris 1530, fol. A1v). So bereits J. Bonnerot, La Sorbonne. Sa vie, son roˆle, son oeuvre a` travers les sie`cles, Paris 1935, 17 sq. Ein weiteres gesamtfakultäres Ereignis, das seit dem frühen 14. Jahrhundert am Colle`ge de Sorbon stattfand und entsprechend auf die Namensübertragung gewirkt haben könnte, waren die im Sommer stattfindenden disputationes sorbonicae; cf. J. Verger, La Sorbonne me´die´vale, in: J.-R. Pitte (ed.), La Sorbonne au service des humanite´s. 750 ans de cre´ation et de transmission du savoir, Paris 2007, 3-19, hier 15. Unter den Reformatoren sollte erst Calvin scholastische Theologie und die Theologie der Sorbonne für austauschbare Begriffe halten; cf. etwa seine Institutio Christianae Religionis, VI, die in der lateinischen Fassung ed. V. Rihelinum, Straßburg 1539, 187 und 202 (und an vielen weiteren Stellen) stets von den scholastici spricht, in der französischen Fassung (ursprünglich 1541), ed. O. Millet, Genf 2008, 828 und 874 aber von den „the´ologiens sorboniques“ oder den „Sorbonistes“. Cf. dazu R. Muller, Scholasticism in Calvin: A Question of Relation and Disjunction, in: id. (ed.), The Unaccommodated Calvin. Studies in the Foundation of a Theological Tradition, Oxford 2000, 39-61, hier 51 mit der etwas fragwürdigen Folgerung, Calvin habe daher gar nicht die gesamte scholastische Theologie angreifen wollen.

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derweise, dass die allerersten Erwähnungen von Paris bei Luther noch höchst positiv waren - und dies zu einem Zeitpunkt, als er längst mit Repräsentanten der Papstkirche und mit eingefleischten Scholastikern die Klingen kreuzte und sich von der traditionellen Scholastik losgesagt hatte 17. Dies wird insbesondere aus den Akten des Augsburger Reichstags deutlich, wie sie Luther im Nachgang selbst veröffentlichte 18. Im Oktober 1518, der Reichstag war schon fast zu Ende, sollte sich der Wittenberger Mönch vor dem großen Kardinallegaten Cajetan verantworten 19 für die 95 Ablassthesen, die er im Vorjahr in Wittenberg publiziert hatte; doch ging es während des dreitägigen Verhörs schon sehr bald einmal nicht mehr um Ablassfragen, sondern um die Frage des päpstlichen Primats. Luther stellte nämlich die Autorität einer von Cajetan zitierten päpstlichen Bulle in Frage, weil diese den Sinn der Heiligen Schrift verdrehe, deren Autorität ihm aber wesentlich höher stehe 20. Darauf habe Cajetan begonnen, die päpstliche Macht zu verfechten, die über einem Konzil, über der Schrift, über allem zur Kirche Gehörigen stehe, und um dies zu plausibilisieren, habe er auf die Zurückweisung und Aufhebung des Basler Konzils verwiesen und festgehalten, dass ohnehin sämtliche Gersonisten zusammen mit Jean Gerson, immerhin dem früheren Kanzler der Pariser Universität, zu verurteilen seien 21. Luther hielt dagegen, dass doch auch die Pariser Universität eben erst an ein Konzil appelliert habe 22; doch führte er, weil die Diskussion damit ins Leere lief, erst am nächsten Tag aus, warum dieser Pariser Appell für Cajetan von Belang hätte sein sollen. Am nächsten Morgen las Luther nämlich als erstes eine schriftliche Erklärung vor, in der er beteuerte, sich nicht bewusst zu sein, irgendetwas gegen die Heilige Schrift, die Kirchenväter, das Kirchenrecht oder den gesunden Menschenverstand gesagt zu haben, doch sei er bereit, um Cajetan entgegenzukommen, öffentlich oder schriftlich Rechenschaft abzulegen und dar17

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Wie es etwa in seinem Brief an Johann Lang vom 8. Februar 1517 deutlich wird: Martin Luther, Briefwechsel, 18 vols., Weimar 1930-1985, vol. 1, Nr. 34, 88. Zu dieser frühen Scholastikkritik cf. T. Dieter, Der junge Luther und Aristoteles. Eine historisch-systematische Untersuchung zum Verhältnis von Theologie und Philosophie (Theologische Bibliothek Töpelmann 105), BerlinNew York 2001, 29 sq.; cf. zudem infra nt. 25. Cf. Martin Luther, Acta Augustana, WA 2 (nt. 4), 6-22. Man muss sich vor Augen halten, dass Luther in den Jahren, von denen hier hauptsächlich die Rede ist, noch ein unbedeutender Mönch an einer eben erst gegründeten Provinz-Universität war; cf. B. Moeller, Das Berühmtwerden Luthers, in: Zeitschrift für historische Forschung 15 (1988), 65-92; und entsprechend nun auch D. Fink, John Mair’s Doctrine of Justification, in: J. Slotemaker/J. Witt (eds.), A Companion to the Theology of John Mair, Leiden-Boston 2015, 223-240, hier 239. Cf. Martin Luther, Acta Augustana (nt. 18), 8: „Respondi tunc […] non habuisse eam apud me satis authoritatis, cum aliis multis tum ea maxime causa, quod scripturis sanctis abutitur et verba (si modo sensus usitatus subsistere debet) audacius torquet in alienum sensum, quem suo loco non habent, immo contrarium habent.“ Cf. Ibid.: „Tunc cepit adversus me potestatem Papae commendare, quoniam supra Concilium, supra scripturam, supra omnia Ecclesiae sit, et ut id persuaderet, reprobationem et abrogationem Concilii Basiliensis recitavit, ac Gersonistas quoque una cum Gersone damnandos censuit.“ Cf. Ibid.: „Deinde et universitatis Parrhisiensis appellationem commendavi “; zu diesem Appell cf. infra nt. 25.

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über das Urteil der Reichsuniversitäten Basel, Freiburg und Löwen einzuholen, und wenn dies nicht genug sei, dann auch noch „ jenes der Pariser, der Mutter aller Lehreinrichtungen und von alters her stets allerchristlichsten und in der Theologie angesehensten Universität “ 23. Bereits hier betrachtete Luther daher die Pariser Universität als eine elterliche Ursprungsinstanz, jedoch noch nicht von Irrtümern, sondern als Urform der Universitäten und insofern noch als Hort der Verteidigung des rechten Christentums. Diese Autorität war es auch, weshalb sich Luther vom seinem Verweis auf den Pariser Konzils-Appell argumentatorischen Rückhalt erhoffte - denn wenn die renommierteste abendländische theologische Institution ein Konzil einforderte, wurde offensichtlich selbst dort der Primat des Papstes nicht akzeptiert 24. Tatsächlich hatte die Pariser Universität ein halbes Jahr vor dem Augsburger Reichstag, am 27. März 1518, einen solchen Appell erlassen, um eigentlich ein gallikanisches Anliegen zur Diskussion zu bringen 25; doch brauchte Luther der Inhalt dieses Appells nicht zu kümmern: Ihm genügte, in der Universität Paris eine Verbündete in der Hinterfragung des päpstlichen Primats vermuten zu können, und zwar nicht nur irgendeine Verbündete, sondern eben die parens studiorum. Wie bereits erwähnt hatte Luther zu diesem Zeitpunkt längst gegen einzelne Scholastiker anzukämpfen begonnen, die damit zumindest indirekt dieser Urmutter aller Universitäten entsprungen waren, doch hatte er dabei noch stets auf die Exponenten gezielt und nicht auf die Institution. In der berühmten, aber erst später so genannten Disputation wider die scholastische Theologie von 1517 sind es insbesondere Gabriel Biel und Pierre d’Ailly, die von ihm angegangen werden 26, und es finden sich auch einige Thesen contra scholasticos schlechthin 27; aber die Pariser Universität wird in dem Kontext nicht erwähnt. Vielmehr wiederholt Luther in den Monaten nach dem Augsburger Reichstag mehrmals, 23

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Ibid., 9: „Quodsi hoc non placet Reverendissimo domini etc., paratus sum […] super illis audire iudicium et sentenciam doctorum insignium universitatum imperialium Basiliensis, Friburgensis, Lovoniensis, aut, si nec id satis est, etiam Parrhisiensis, studiorum parentis et ab antiquo semper christianissime ac in theologia florentissimae universitatis.“ Cf. Spehr, Luther und das Konzil (nt. 6), 73 sq., 84 sq., 96 sq.; grundlegend auch bereits ` propos du quatrie`me centenaire de la mort L. Cristiani, Luther et la Faculte´ de the´ologie de Paris. A de Luther, in: Revue d’histoire de l’E´glise de France 32, Nr. 120 (1946), 53-83, 54 sq. Cf. Appellatio Universitatis Parisiensis, ed. I. Badius, Paris 1518; dazu cf. P. Dupuy, Preuves des libertez de l’e´glise gallicane. Troisie`me e´dition, vol. 2, 13, 19, Paris 1731, 56-59, wo die Appellatio fälschlicherweise auf 1517 datiert wird. Cf. dazu bereits L. Grane, Contra Gabrielem. Luthers Auseinandersetzung mit Gabriel Biel in der Disputatio contra Scholasticam Theologiam 1517 (Acta Theologica Danica 4), Gyldendal 1962 und nun auch T. Dieter, Martin Luthers kritische Wahrnehmung „der“ Scholastik in seiner so genannten Disputatio contra scholasticam theologiam, in: G. Frank/V. Leppin (eds.), Die Reformation und ihr Mittelalter (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten 14), Stuttgart-Bad Cannstatt 2016, 153-188. So die Thesen 41 („Tota fere Aristotelis Ethica pessima est gratiae inimica“) und 50 („Breviter, Totus Aristoteles ad theologiam est tenebrae ad lucem“): Martin Luther, Disputatio contra scholasticam theologiam, W 1 (nt. 4), 226.

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dass ja auch Paris an ein Konzil appelliert habe 28, und noch im September 1519 lobt er in einer Streitschrift „die allerchristlichste Universität Paris, die mehr um den Fürsten der Wahrheit von allem und um das Wort, das in der Kirche herrscht, Sorge trägt als um die dienende Macht, die durch das Wort eingesetzt worden ist; sie widersteht Leo X, oder vielmehr den im Namen Leos X wütenden Speichelleckern mit einem Appell, und zwar in aller Öffentlichkeit wie einst Paulus dem Petrus“ 29. Luther setzte so große Hoffnungen auf diese allerchristlichste Universität, auf diesen neuen Paulus, der sich wie einst der alte gemäß Gal 2,11 nun auch dem neuen Petrus entgegenstellen könnte, dass sogar der Plan entworfen wurde, er möge nach Paris fliehen, wenn es für ihn auf deutschem Boden zu heiß werde, weil er im dortigen, mutmaßlich Papst unabhängigen Milieu besser aufgehoben wäre 30.

III. Die Leipzig er Disputation von 1519 Es war in diesem Jahr 1519, dass Luther sich aber mehr und mehr bewusst wurde, dass er mit seiner Einschätzung, an der Pariser Universität grundsätzlich Gleichgesinnte zu finden, wohl falsch lag. Dies begann sich im Rahmen einer weiteren öffentlichen Disputation abzuzeichnen. Einer der frühen Weggefährten Luthers, Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, war mit dem bereits erwähnten Ingolstädter Theologen Johannes Eck über die Willensfreiheit in Streit geraten, und es wurde nach einigem Hin und Her beschlossen, den Streit öffentlich in einer Disputation in Leipzig auszutragen, zu der schließlich auch Luther erscheinen sollte 31. Karlstadt und Eck hatten ausgemacht, dass das Protokoll der Disputation der Universität Erfurt vorgelegt werden sollte, die als neutrale Instanz 28

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So in der Appellatio a Caietano ad Papam, WA 2 (nt. 4), 32, und in der Appellatio ad Concilium, ibid., 39. Martin Luther, Ad aegocerotem Emserianum additio, WA 2 (nt. 4), 676 sq.: „Potestas Papae servitus est, non dominium. Hinc multis nominibus commendanda est universitas Christianissima Parrhisiensis, quae plus principis omnium veritatis et dominantis in Ecclesia verbi quam servientis potestatis per verbum constitutae cura sollicita Leoni | decimo vel potius sub nomine Leonis x. adulatoribus furentibus appellatione interposita resistit coram omnibus, scicut Paulus Petro Gal. 2.“ So offensichtlich bereits im Nachgang zum Augsburger Reichstag Johannes Staupitz und Wenceslas Link gemäß dem Zeugnis von Christoph Scheurl, Geschichtbuch der Christenheit von 1511 bis 1521, ed. J. K. F. Knaake, Jahrbücher des deutschen Reichs und der deutschen Kirche im Zeitalter der Reformation, vol. 1, Leipzig 1872, 1-179, 125; cf. Cristiani, Luther et la Faculte´ de the´ologie de Paris (nt. 24), 56. Allgemein zur Leipziger Disputation cf. die ausführliche Darstellung bei A. Schubert, Libtertas Disputandi. Luther und die Leipziger Disputation als akademisches Streitgespräch, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 105 (2008), 411-442. Zu den Akten cf. F. T. Bos (ed.), Disputatio inter Ioannem Eccium et Martinum Lutherum. 1519, WA 59 (nt. 4), 427-605, mit ebenfalls hilfreicher Einleitung.

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eine Determinatio zu erlassen und den Sieger zu ermitteln habe 32; als Luther dazu kam, wurde auch noch Paris als Entscheidungsinstanz mit aufgenommen mit der Einschränkung, dass weder Dominikaner, die in Luthers Augen ohnehin Eck unterstützt haben würden, noch Augustiner, die Ordensbrüder von Luther, in den Entscheidungsgremien vertreten sein durften 33. Offensichtlich wurde die Disputation von Beteiligten beider Seiten noch völlig im Lichte der spätmittelalterlichen Schultraditionen gesehen, und offensichtlich versprach sich Luther zu dem Zeitpunkt noch, an der Pariser Universität eine Mehrheit von Gleichgesinnten vorzufinden 34. Einmal mehr drehte sich die Disputation dann allerdings nicht so sehr um das Problem des freien Willens, sondern vorwiegend um die Frage des päpstlichen Primats, obwohl der eigentlich nur in einer von 13 zu disputierenden Thesen thematisiert worden war 35. An genau dieser Schwerpunkt-Verschiebung dürfte es allerdings liegen, dass sich nach Ende der Disputation die beiden vorgesehenen Universitäten schwer damit taten, eine Determinatio auch tatsächlich zu erlassen. Noch im Dezember 1519 erklärte Erfurt, wegen eines Verfahrensproblems kein Urteil fällen zu können 36, so dass die Sache nur noch bei Paris lag; doch blieb auch dort ein Urteil vorerst aus. Das scheint schlicht damit zusammenzuhängen, dass es in Paris im Gefolge von damaligen intellektuellen Größen wie Jacques Almain und insbesondere John Mair, einem der Scholastik verpflichteten Reformtheologen, tatsächlich eine starke konziliaristische Fraktion gab 37, dass aber Luther in anderen Fragen eine inzwischen so heikle Person 32

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Zur konstitutiven Rolle der Leipziger Disputation in der Etablierung neuer Entscheidungsinstanzen cf. J.-H. de Boer, Aus Konflikten lernen. Der Verlauf gelehrter Kontroversen im Spätmittelalter und ihr Nutzen für die Reformation, in: Frank/Leppin (eds.), Die Reformation und ihr Mittelalter (nt. 26), 209-250, hier 239 sqq. Cf. Cristiani, Luther et la Faculte´ de the´ologie de Paris (nt. 24), 59; cf. auch F. T. Bos, Luther in het oordeel van de Sorbonne. Een onderzoek naar ontstaan, inhoud en werking van de Determinatio (1521) en naar haar verhouding to de vroegere veroordelingen van Luther, Amsterdam 1974, 27 sq. Und dies mehr noch bei den Philosophen als den Theologen, weshalb Luther eigentlich gewollt hätte, dass die ganze Universität über die Disputation befinde - Johannes Eck setzte dann aber durch, dass nur die Theologen und Kirchenrechtler involviert wurden; cf. neben Cristiani, Luther et la Faculte´ de the´ologie de Paris (nt. 24), 59 auch D. Hempsall, Martin Luther and the Sorbonne, 1519-1521, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 46, Nr. 113 (1973), 28-40, 29 sq. Dennoch sind in Paris erst einmal alle Fakultäten in die Untersuchung mit einbezogen worden; cf. bereits N. Weiss, Martin Luther, Jean Eck et l’Universite´ de Paris d’apre`s une lettre ine´dite. 11 septembre 1519, in: Bulletin de la Socie´te´ de l’Histoire du Protestantisme Francœ ais 66 (1917), 35-50, 43; dazu auch Farge, Orthodoxy and Reform (nt. 14), 126. Die Thesen der Disputation finden sich als Disputatio et excusatio F. Martini Luther adversus incriminationes D. Iohannis Eccii, WA 2 (nt. 4), 160 sq.; cf. auch die Positiones quas Eckius defendit in studio Lipsensi contra novam doctrinam, WA 9 (nt. 4), 208-210. Was nicht zuletzt auch an Einschüchterungsversuchen Luthers gegen seine Heimuniversität gelegen haben dürfte; cf. de Boer, Aus Konflikten lernen (nt. 32), 246. Cf. Spehr, Luther und das Konzil (nt. 6), 334; Büttgen, Luther et la philosophie (nt. 9), 159 sq. Zu den genannten Pariser Konziliaristen cf. F. Oakley, Almain and Major. Conciliar Theory on the Eve of the Reformation, in: The American Historical Review 70 (1965), 673-690, und dann auch J. K. Cameron, The Conciliarism of John Mair. A Note on a Disputation on the Authority of a Council,

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war, dass man sich in der Kritik des päpstlichen Primats nicht mehr offen hinter ihn stellen konnte, ohne nicht auch als sein Unterstützer in den übrigen Punkten zu gelten. Weil bereits 1518 bei Froben in Basel ein Bändchen mit ersten gesammelten Schriften von Luther erschienen war, das Europa weit abgesetzt wurde, reagierten daher andere Universitäten, die eher papst-freundlich gesinnt waren, die Pariser Unschlüssigkeit daher nicht teilten und entsprechend zu einem dezidiert ablehnenden Urteil kamen. Ende August 1519 verurteilte zuerst die Universität zu Köln, im November desselben Jahres dann die Universität Löwen die bei Froben publizierte Sammlung, empfahl sie zu verbrennen und Luther zum Widerruf zu bewegen 38. Der allerdings veröffentlichte lieber eine ausführliche Replik auf die beiden Verurteilungen; und wohl aus der Enttäuschung heraus, dass man in Paris sich nicht schnell und dezidiert für ihn eingesetzt hatte, begann Luther in dieser Replik, sich auch kritisch über die Pariser Universität zu äußern. Was er an ihrem Beispiel in Frage zu stellen begann, war der Geltungsbereich universitärer Verurteilungen, wie er am Beispiel des „hervorragendsten und geistreichsten“ Ockham ausführte: „Wurde nicht Wilhelm von Ockham, der unter den scholastischen Lehrern zweifelsohne der hervorragendste und geistreichste ist, wurde er nicht abgelehnt, verurteilt, exkommuniziert, aus aller Gemeinschaft ausgeschlossen, insbesondere aus jener der Pariser, und zum unwürdigsten im Urteil der Päpste ebenso wie der meisten Theologen, wie man lesen kann? Doch welche Unbeständigkeit, dass sie den Verurteilten heute in Paris und den besseren Universitäten regieren lassen? Oder warum sprechen die doktrinären Verurteiler diesen dem Feuer nicht anheim? Warum gefällt die Falschheit, die einst missfallen hat? Ob es wohl daran liegt, dass unsere Lehrer nicht sich durch ewige Wahrheit bilden lassen, sondern sich erdreisten, selbst zeitbedingte Wahrheit zu bilden, wie einst die Römer sich ein Urteil darüber anmaßten, welche Götter zu verehren seien?“ 39

Zwei Dinge stechen hier besonders hervor: Einerseits wird einmal mehr deutlich, dass Luther große Sympathien für Ockham hegt, und es zeigt sich, dass er offensichtlich der Meinung ist, auch Paris würde in Ockhams Tradition stehen, sei also mit ihm gleichsam ideologisch verwandt 40. Auch wenn sein Ton schon

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in: D. Wood (ed.), Church and Sovereignty c. 590-1918. Essays in Honour of Michael Wilks (Studies in Church History. Subsidia 9), Oxford 1991, 429-435. Cf. dazu jüngst de Boer, Aus Konflikten lernen (nt. 32), 216 sqq.; zudem L. Grane, Martinus noster. Luther in the German Reform Movement, 1518-1521 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte 155), Mainz 1984, 190 sqq. Martin Luther, Responsio ad condemnationem (nt. 11), 183: „Nonne Vuilhelmus Occam, Scholasticorum doctorum sine dubio princeps et ingeniosissimus, reprobatus, damnatus, excommunicatus, extra omnes synagogas, praesertim Parrhisiensem, factus, indignissimus erat tum pontificum tum Theologorum plurimorum iudicio qui legeretur? At quae inconstantia, ut damnatum hodie sinant Parrhisiis et in melioribus scholis regnare? Aut quare hunc non adiudicant igni damnatores doctrinales? cur placet falsitas, quae olim displicuit? An Magistri nostri sese non fieri a veritate aeterna, sed facere veritatem pro tempore forte praesumunt, sicut olim Romani deorum colendorum arbitrium sibi arrogaverunt?“ Cf. die auch in den 1530er Jahren noch ganz ähnlich gelagerte Feststellung in der oben, nt. 12 zitierten Tischrede; cf. auch Grane, Martinus noster (nt. 38), 194.

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wesentlich zurückhaltender ist, scheint für ihn Paris immer noch zu den besseren Universitäten zu zählen, und zwar gerade, weil er dort Ockham in Geltung sieht. Was er andererseits der Pariser Universität nun allerdings zu unterstellen beginnt, ist Anmaßung. Es ist die Anmaßung, einen absoluten Anspruch auf die Definition von Wahrheiten zu haben, welche sie ganz offensichtlich selbst erdichtet hat. Denn das zeigt sich an der Tatsache, dass deren Geltung offensichtlich selbst in Paris zeitlich bedingt ist und dass die Universität sogar eigene Bestimmungen wieder zurückgenommen hat. Mit Verweis auf die große Verurteilung von 1277 und ihre Zurücknahme von 1325, sofern sie die Lehren von Thomas von Aquin betrifft, fährt Luther fort: „Wie viele Artikel hat die Pariser Universität zudem verurteilt, welche sie dann zurücknahm und als die allerwahrsten verteidigte? Oder wer weiß nicht, zu welchem Geschwätz die Pariser Artikel verkamen, als die Engländer sagten: ‘die überqueren das Meer nicht’ 41, und die Italiener sagten: ‘auch die Berge überqueren sie nicht’, die Deutschen: ‘auch den Rhein nicht’; so wie auch die Autorität des heiligen Thomas aus den Klostermauern der Dominikaner nicht heraustrat und nicht einmal innerhalb von ihnen völlig gesichert ist? Wer also wird nicht höhnen, dass diese Artikel der Verurteilung der Löwener und Kölner, die früher so oft geirrt haben, ebenfalls nackt und kraftlos die Elbe überqueren?“ 42

Es ist fast schon ironischerweise zuerst einmal Unbeständigkeit, Unzuverlässigkeit, was Luther den Parisern im Umgang mit ihren Verurteilungen anlastet, doch scheint das ganz offensichtlich vor dem Hintergrund seiner eigenen Enttäuschung zu stehen, dass Paris, das doch gerade noch den Primat des Papsts in Frage gestellt hatte, ihn jetzt mit seinem gleichen Ansinnen nicht offensiv unterstützte. Doch mit diesem Vorwurf der Unbeständigkeit kam nun eben auch der Vorwurf der Anmaßung, des eigenmächtigen Umgangs mit Wahrheit ins Spiel, und das sollte sich massiv verschärfen, als im Frühjahr 1521 die Pariser Universität sich endlich doch noch dazu durchringen konnte, eine Determinatio zur causa Luther zu veröffentlichen 43. 41

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I. e., die gelten in England nicht. Damit versuchten frühe Verteidiger des Thomas von Aquin, dessen Lehre in England auch in solchen Punkten weiter vertreten zu können, die von der Verurteilung von 1277 betroffen waren - was umgekehrt bei Kritikern von Thomas zu einer Verteidigung der universalen Gültigkeit der Verurteilung von 1277 führte. Cf. neben L. Bianchi, Il vescovo e i filosofi. La condanna parigina del 1277 e l’evoluzione dell’aristotelismo scolastico, Bergamo 1990, 35-40, insbesondere auch E. P. Mahoney, Reverberations of the Condemnation of 1277 in Later Medieval and Renaissance Philosophy, in: J.A. Aertsen e. a. (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New Yok 2001, 902-930. Martin Luther, Responsio ad condemnationem (nt. 11), 183: „Deinde quot articulos schola Parrhisiensis damnavit, quos denua revocavit et pro verissimis defendit! Aut quis nescit, in quam fabulam abierint articuli Parrhisienses, dicentibus Anglis ‘non transeunt mare’, Italis ‘nec montes’, Germanis ‘nec Rhenum’, sicut beati Thomae autoritatem non exire septa monastica praedicatorum nec in illis ipsis satis tutam? Quis ergo Articulos hos damnationis Lovaniensium et Coloniensium toties antehac errantium non rideat nudos inermesque etiam Albim transire?“ Cf. Theologische Fakultät zu Paris, Determinatio super doctrina Lutheriana hactenus per eam visa, ed. I. Badius, Paris 1521; cf. C. E. du Boulay, Historia Universitatis Parisiensis, vol. 6: ab anno 1500 ad annum 1600, Paris 1673, 116-127.

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IV. Die Pariser Deter minatio von 1521: Illusions perdues Die vergleichbar späte Reaktion der Pariser Universität dürfte damit zusammenhängen, dass im Juni 1520 Papst Leo X eine Bannandrohungsbulle gegen Luther erlassen hatte mit 41 vom Vatikan zusammengestellten Thesen, die Luther widerrufen sollte; doch weil Luther, der große Inszenator, statt zu widerrufen nach Ablauf der gesetzten Frist vielmehr seinerseits die Bannandrohungsbulle verbrannte und damit den performativen Akt der Exkommunikation des Papstes vollzog, wurde er seinerseits von Seiten des Papsts exkommuniziert. 44 Damit hätte es nicht nur einen enormen Eklat bedeutet, wenn sich Paris jetzt noch auf Luthers Seite gestellt hätte (entsprechende Gerüchte waren 1521 noch im Umlauf) 45, vielmehr dürfte sich durch die vatikanische Irrtumsliste die Pariser Universität in ihrer Rolle als primärer abendländischer Lehrinstanz übergangen gefühlt haben 46. Sie veröffentlichte daher in Form einer Determinatio eine viel längere Liste von insgesamt 104 Irrtümern Luthers, die thematisch ganz unterschiedliche theologische Bereiche betraf, welche insbesondere aus Luthers inzwischen erschienenem Werk „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ stammten, die dem ursprünglichen Anlass zum Trotz aber bezeichnenderweise über die Leipziger Disputation kein Wort mehr verlor und insbesondere die ursprüngliche Problematik des päpstlichen Primats völlig ausblendete 47. Offensichtlich wollte man sich zu dieser Frage im vorliegenden Kontext nicht äußern, und es drängt sich die Vermutung auf, dass man sich in Paris über den päpstlichen Primat nur in einer Weise hätte äußern mögen, die schnell einmal als Unterstützung für Luther wäre verstanden worden. Immerhin rechtfertigten sich die Pariser Verfasser in einer Vorrede für ihr Vorgehen und vor allem für die Kürze ihrer Stellungnahmen, da sie jeweils einem problematischen Satz Luthers nur eine ganz knappe Zensur folgen ließen 48. Doch hielten sie solche Kürze nicht weiter für problematisch, da sie der Sitte ihrer Väter entspreche und auch von der Vorgehensweise der Apostel nicht abweiche, die gemäß Kapitel 15 der Apostelgeschichte in ihrem Brief zur Frage 44 45

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Cf. Grane, Martinus noster (nt. 38), 267-276. Cf. Cristiani, Luther et la Faculte´ de the´ologie de Paris (nt. 24), 65 sq. Zu etwas früheren entsprechenden Gerüchten cf. Büttgen, Luther et la philosophie (nt. 9), 161. So zumindest die wohl nicht ganz unpolemische Einschätzung einiger Zeitgenossen; cf. Büttgen, Luther et la philosophie (nt. 9), 161 sq. Diese Darstellung wurde oft unhinterfragt übernommen; cf. etwa Hempsall, Luther and the Sorbonne (nt. 34), 37; kritisch allerdings Farge, Orthodoxy and Reform (nt. 14), 127 sq. (aber auch ibid., 228 sq.). Darüber beklagte sich nicht nur Luther in seiner Nachrede - cf. dazu infra, 470 sq., sowie Hempsall, Luther and the Sorbonne (nt. 34), 35 sqq. -, vielmehr missfiel es auch papalistischen Theologen, die sich eine deutlichere Unterstützung durch Paris erhofft hatten - cf. Spehr, Luther und das Konzil (nt. 6), 334 - ebenso wie auch Johannes Eck, der sich gerne durch Paris zum Sieger der Disputation gekürt gesehen hätte; cf. bereits L. Manschreck, Melanchthon. The Quiet Reformer, New York 1958, 66 sq. Cf. die Darstellung im Kontext anderer Pariser Zensuren aus derselben Zeit bei Farge, Orthodoxy and Reform (nt. 14), 165-169.

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nach der Gültigkeit des Gesetzes ja auch nur angaben, was sie für richtig befanden, ohne groß Gründe anzuführen, warum sie so befanden 49. Dieser Vergleich mit den Aposteln sollte allerdings gleich zu einem Knackpunkt der weiteren Debatte werden, denn er bestätigte in Luthers Kreisen, was jener der Pariser Universität schon 1519 zu unterstellen begonnen hatte: dass sie sich nämlich anmaßte, eigenmächtig zu definieren, was wahr sei. Die Pariser Determinatio erschien Mitte April 1521 und fiel damit fast auf den Tag mit einer nächsten offiziellen Anhörung Luthers zusammen, dieses Mal vor dem Wormser Reichstag, an dem über den bereits päpstlich Exkommunizierten nun auch noch die Reichsacht ausgesprochen wurde 50. Luther entging dabei bekanntlich einer offiziellen Verhaftung, weil ihn sein Landesherr, der Kurfürst Friedrich von Sachsen, entführen und auf die Wartburg in Schutzhaft bringen ließ. Die Pariser Determinatio hätte angesichts dieser Ereignisse völlig in den Hintergrund treten können, doch hegte man offensichtlich in Luthers Kreisen bis zuletzt die Hoffnung, dass er zumindest teilweise aus Paris würde Unterstützung finden - entsprechend groß war in diesen Kreisen das Interesse und dann auch die Enttäuschung über das Dokument. Philipp Melanchthon, der in Wittenberg die Leitung der lutherischen Bewegung übernahm, ließ die Determinatio daselbst bereits im Juni zusammen mit einer ausführlichen Apologie für Luthers Thesen nachdrucken, um dem dortigen Publikum zu zeigen, wie es um Paris stand 51; Luther selbst übersetzte die Determinatio samt Melanchthons Schutzrede und mit einem eigenen Vor- und Nachwort versehen noch im selben Sommer ins Deutsche, um ein noch breiteres Publikum über die Pariser Entscheidung in Kenntnis zu setzen 52; und im Herbst desselben Jahres erschien ebenfalls in Wittenberg aus unbekannter Feder das wohl witzigste Dokument aus dieser ganzen Debatte, ein lateinischer Text, der sich als Determinatio secunda der Pariser Universität ausgab, der aber die reinste Parodie auf das ursprüngliche Pariser Dokument war 53. 49

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Cf. Theologische Fakultät zu Paris, Determinatio (nt. 43), fol. a5r: „Ut autem id clarius cunctis innotescat, aliquot ex praefatis scriptis excerptas propositiones ordine quodam digessimus, et nostram cuique adiecimus censuram patrum nostrorum morem imitati, qui alienus utique non est ab observata per apostolos lege definiendi. Proposito namque de legalium observatione dubio, quid sentirent, ipsi paucis explicuerunt, rationibus (cur ita definirent) nullis scripto mandatis; quem modum quoque decernendi sacra consueverunt tenere concilia.“ Die ganze Determinatio ist transkribiert bei Bos, Het oordeel van de Sorbonne (nt. 33), 63-102 (hier 68 sq.) Cf. dazu W. Zager, Verwirklichte Freiheit. Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms, in: id. (ed.), Martin Luther und die Freiheit, Darmstadt 2010, 9-24. Cf. Philipp Melanchthon, Adversus theologorum Parisinorum decretum pro Luthero apologia, ed. C. G. Bretschneider (Corpus Reformatorum 1), Halle 1834, 398-416. Cf. Martin Luther, Eyn Urteyl der Theologen tzu Pariß uber die lere Doctor Luthers. Eyn gegen Urteyl Doctor Luthers. Schuczrede Philippi Melanchthon widder das selb Parisisch urteyl fur D. Luther, WA 8 (nt. 4), 267-312. Cf. Anonymus, Determinatio secunda almae facultatis theologiae Parisiensis super apologiam Philippi Melanchthonis pro Luthero Scriptam. 1521, ed. J. Schilling, in: G. Hammer/K.-H. zur Mühlen (eds.), Lutheriana. Zum 500. Geburtstag Martin Luthers von den Mitarbeitern der Weimarer Ausgabe (Archiv zur Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers. Text und Untersuchungen 5), Köln-Wien 1984, 351-375. Cf. dazu auch Bos, Het oordeel van de Sorbonne (nt. 33), 262 sq. Dass es sich um eine Satire handelt, ist nicht immer wahrgenommen worden; cf. etwa B. Kobler,

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Die drei in Wittenberg gedruckten Dokumente - Melanchthons Schutzrede, Luthers Übersetzung und Zusätze und die Determinatio secunda - sprechen damit für die große Erwartung, die man in Luthers Umfeld offensichtlich in Paris gesteckt hatte und die nun in umso größeren Verdruss umschlug. Denn eine päpstliche Bannbulle hatten, wie das Beispiel Ockhams zeigt, schon andere überstanden; hätte man aber Paris hinter sich gewusst und diesen erhofften Paulus gegen Petrus gewinnen können, dann wäre eine grundlegende Reformation der gesamten abendländischen Kirche im Bereich des Möglichen gelegen. Noch nach der Veröffentlichung der Pariser Determinatio malte sich Luther weiter aus, was deren Schweigen zur Konzilsfrage eigentlich bedeuten müsste: „Fällt Paris in dem Artikel dem Mönch [i. e. Luther] zu, so sind der Papst, Köln, Löwen und alle Papisten zu schwach.“ 54 Mit der Veröffentlichung der Determinatio war diese Hoffnung allerdings verflogen. Die schöne Frucht, der Apfel, den man zu gewinnen erhofft hatte, war in Asche und Staub zerfallen. Aus heutiger Perspektive ist klar, dass diese Hoffnung in die Pariser Universität von Anfang an eine Illusion war, die wohl nur entstehen konnte, gerade weil Luther von Paris nicht allzu viel wusste. Die Universität verfolgte zunehmend gallikanische Interessen und hinterfragte deswegen den päpstlichen Primat 55, und ein konziliaristischer Vordenker wie John Mair sah es - bei allem kritischen Bewusstsein für die Schwächen des zeitgenössischen akademischen Betriebs - als eine seiner Hauptaufgaben, mit einer allenfalls revidierten Form von Scholastik die Autorität der Universität gegen Humanisten und Biblizisten zu bewahren 56. In Wittenberg wurde die vormals noch allerchristlichste Universität daher zum Sinnbild enttäuschter Hoffnung, und diese Enttäuschung machte sich nunmehr in den bereits vorgespurten Bahnen Luft: Melanchthon erinnerte am Beginn seiner Schutzrede, dass Paris doch eigentlich so große Gestalten wie Jean Gerson gekannt hätte, der nun aber, wäre er wieder lebendig, nur den Fall dieser Universität und der ganzen Christenheit beweinen könnte 57; doch entsann sich Melanchthon dann eines noch besseren und schrieb:

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Die Entstehung des negativen Melanchthonbildes. Protestantische Melanchthonkritik bis 1560 (Beiträge zur historischen Theologie 171), Tübingen 2012, 16 sq. Martin Luther, Eyn Urteyl (nt. 52), 292: „fellt Pariß tzu dem Munich ynn dem artickel, ßo ist Bapst, Collen, Loven und alle Papisten zu schwach“; cf. ibid., 293 die Rede von den Pariser Theologen als „Schyrmleut “, die Luther dem Papst gerne gönne - was nichts anderes heißt, als dass sie grundsätzlich auch ihn hätten schirmen können. Cf. dazu bereits Hempsall, Luther and the Sorbonne (nt. 34), 40. Entsprechend abfällig spricht Melanchthon von der „Gallica ista Sorba“: Apologia (nt. 51), 415. Cf. U. Zahnd, Terms, Signs, Sacraments. The Correlation between Logic and Theology and the Philosophical Context of Book IV of Mair‘s Sentences Commentary, in: Slotemaker/Witt (eds.), A Companion to John Mair (nt. 19), 241-287, 264. Cf. Philipp Melanchthon, Apologia (nt. 51), 399: „Neque negari potest, inde prodiisse olim gravissimos homines, adeoque proximo seculo Gersonem illum, plenum, ut adparet, Christiani spiritus. […] Atque illi, si nunc reviviscerent hos iudices, quicunque sunt, degenerem posteritatem, putas agnoscerent? Nequaquam, sed deplorarent tum scholae, tum totius reipub. Christianae sortem, in qua pro Theologis Sophistas, pro Christianis doctoribus calumniatores regnare viderent.“ Cf. dazu auch Bos, Het oordeel van de Sorbonne (nt. 33), 253 sqq.

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„Allein, wenn ich die Sache näher besehe, scheint es, dass Paris jetzt nicht zum ersten Mal sündigt, sondern bereits früher Unsinn faselte, als es - die kirchliche Lehre mit menschlichen Anfechtungen verpestend - zu philosophieren begann. Denn es steht fest, dass in Paris jene profane Scholastik entstanden ist, welche sie Theologie nennen möchten, bei deren Annahme aber nichts heil übriggeblieben ist in der Kirche. Das Evangelium wurde verdunkelt, der Glaube ausgelöscht, die Lehre von den Werken eingeführt, und anstelle eines Christenvolks sind wir nicht mehr Volk eines Testaments, sondern der Ethik des Aristoteles.“ 58

Im Weiteren verwies Melanchthon dann auch explizit auf John Mair und die plaustra nugarum, die Wagenladungen von Unsinn, die sich in seinen Schriften fänden 59, so dass die humanistische Kritik an der Scholastik, die damals längst schon ins Repertoire auch von Luther eingegangen war, hier nun, im Sinne des Bildes von Paris als der Mutter der Universitäten, zu einer spezifisch in Paris entstandenen und von dort aus in die Christenheit verbreiteten Angelegenheit wurde. Luther, wie es seine Art war, brachte dies viel drastischer auf den Punkt. In seiner Nachrede zur Deutschen Übersetzung der Pariser Determinatio hielt auch er sich über die Pariser Anmaßung auf, unter Berufung auf die Vorgehensweise der Apostel Dinge einfach zu behaupten, statt zu begründen. Doch drehte er einmal mehr schlicht den Spieß um: „Nun, ich will dieses neue apostolische Modell und Pariser Recht auch anwenden, und als erstes gerade an diesen neuen Aposteln und Lehrern ausprobieren, will auch ein Urteil über sie aufstellen, wie mich dünkt, ohne Begründung und Ursache. Und das soll sein: Die Hohe Schule zu Paris an ihrem obersten Teil, der da heißt die Fakultät Theologie, ist von der Scheitel bis zu den Fersen eitel schneeweißer Aussatz der rechten, letzten, endchristlichen Hauptketzerei, eine Mutter aller Irrtümer in der Christenheit, die größte Geisthure, die von der Sonne beschienen ist, und das rechte Hintertor der Hölle.“ 60 58

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Ibid., 399 sq.: „Quanquam, ubi rem propius considero, videtur Lutetia non peccare nunc primum, sed iam olim ineptire, cum ecclesiastica doctrina, humanis disputationibus viciata, philosophari coepit. Constat enim, natam esse Lutetiae prophanam illa scholasticen, quam theologiam vocari volunt, qua admissa, nihil salvi reliquum est ecclesiae. Evangelium obscruatum est, fides extincta, recepta operum doctrina, et pro Christiano populo ne legis quidem, sed moralium Aristotelis populus sumus, et ex Christianismo contra omnem sensum spiritus facta est quaedam philosophica vivendi ratio.“ Ibid., 400: „Vidi Iohannis Maioris commentarios (de moribus hominis non iudico) in setentias Longobardicas, quem nunc inter Lutetiae Theologos regnare aiunt. Bone deus, quae plaustra nugarum? Quot paginis disputat, utrum ad equitandum requiratur equus? num salsum mare a deo conditum sit? Ut interim praeteream, quam multa impie scripserit de voluntatis libertate, nam eo loco non modo a scriptura, sed et ab omnibus pariter scholasticis variat.“ Martin Luther, Eyn Urteyl (nt. 52), 291 sq.: „Nu ich wil des newen Apostolischen Exempels unnd Parisischen rechts auch brauchen und zum ersten eben an den selben newen Aposteln und lerernn vorsuchen, wil auch eyn urteyll ubir sie stellen, wie mich dunckt, on grund und ursach, und soll das seyn: Die Hohen schule tzu Pariß an yhrem ubirsten teyl, das do heyst die facultet Theolgie, ist von der scheyttel an biß auff die verßen eyttel schnee weyß außsatz der rechten, letzte Endchristischen hewbt ketzerey, Eyne mutter aller yrthum ynn der Christenheyt, die grossist geysthure, die von der sonnen beschynen ist, und das rechte hynder thoer an der hellen.“

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Der Tonfall war damit gesetzt. Von nun an waren Paris, die Sorbonne und die Sorbonnistae jener Ursprung allen Übels, wie das einleitend zitiert worden ist, und so sehr sich diese Seitenhiebe inhaltlich auf ganz unterschiedliche Themen zu verteilen begannen, die über die nachfolgenden Jahre hinweg in der Auseinandersetzung mit den Altgläubigen zur Debatte standen, blieb der Grundtenor doch, dass in Paris die Anmaßung ihren Ursprung gefunden habe, eigenmächtig, selbstgerecht und auf menschlichen Fundamenten basierend Wahrheiten definieren zu dürfen 61. V. T heologie vs. Philosophie: ein spätmittelalterliches Erbe? Für das deutlichste Symptom der in Paris eingeführten Anmaßung und Eigenmächtigkeit hielt nunmehr auch Luther ganz im Sinne von Melanchthons Schutzrede das Vertrauen auf die menschliche Vernunft und den Einbezug aristotelischer Philosophie 62. Ein letztes, spätes Beispiel illustriert dies besonders deutlich. Es handelt sich um eine Disputation über Johannes 1,14 „Das Wort ward Fleisch“, die 1539 unter Luthers Leitung an der Wittenberger Universität stattfand - Luther stellte nicht weniger als 42 von ihm formulierte Thesen zur Debatte. 63 Das Johanneszitat war dabei bloß Ausgangspunkt für die grundsätzliche Frage, ob theologische Wahrheit und das, was in der Philosophie wahr scheine, übereinstimmten, und entsprechend wurden die Disputationsthesen unter dem Titel ,An haec propositio sit vera in Philosophia: Verbum caro factum est‘ gedruckt 64. Luther verneinte die Frage selbstverständlich, und so hat diese Disputation in der Lutherforschung bis heute zu langwierigen Plädoyers geführt, weil man fürchtete, Luther könnte sich damit allzu sehr in die anrüchige Ecke der Vertreter einer doppelten Wahrheit begeben haben 65. Das Problem der doppelten Wahrheit braucht hier nicht diskutiert zu werden; bedeutsam ist für die vorliegende Problematik vielmehr, dass Luther in seiner Thesenreihe ganz klar zu verstehen gibt, wo umgekehrt die Behauptung eines einheitlichen Wahrheitsbegriffs herstamme, wie er in Thesen vier bis acht darlegte: 61

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Wie wenig Luthers Vorwürfe an die Sorbonne meist mit konkreten inhaltlichen Fragen zu tun haben, unterstreicht auch White, Luther as Nominalist (nt. 9), 368. Einige der Themen hat dennoch S. Streiff zusammengestellt, Novis linguis loqui. Martin Luthers Disputation über Joh 1,14 verbum caro factum est aus dem Jahr 1539, Göttingen 1993, 86 sq. Cf. die ausführliche Studie von M. Mattes, Luther’s Use of Philosophy, in: Lutherjahrbuch 80 (2013), 110-141. Cf. Martin Luther, Die Disputation de sententia Verbum caro factum est ( Joh 1,14), 11. Januar 1539, WA 39.II (nt. 4), 3-33; cf. auch Streiff, Novis linquis loqui (nt. 61), 18-24. Cf. die Einführung in WA 39.II (nt. 4), 2 sq. Cf. dazu bereits L. Bianchi, Pour une histoire de la “double ve´rite´” (Confe´rences Pierre Abe´lard), Paris 2008, 26; cf. nun auch U. Zahnd, Protestantische Debatten um die Einheit der Wahrheit, I. Luther, Melanchthon und Zwingli, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 64 (2017), 58-71.

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„4. Die Sorbonne, die Mutter aller Irrtümer, legte schlechtest möglich fest, dass einund dasselbe in Philosophie und Theologie wahr sei. 5. Und gottlos verdammte sie jene, die für das Gegenteil stritten. 6. Denn mit diesem abscheulichen Satz lehrte sie, die Glaubensartikel unter das Urteil des menschlichen Verstands zu packen. 7. Das war nichts anderes, als Himmel und Erde in seinem Mittelpunkt oder einem Hirsekorn einzuschließen. 8. Obgleich Paulus dagegen lehrte, dass jegliche Vernunft (zweifelsohne auch die Philosophie) unter den Gehorsam Christi zu packen sei.“ 66

Noch 20 Jahre nach der Pariser Determinatio verlaufen Luthers Vorwürfe gegen Paris in gleichen Bahnen: Dass die Sorbonne Mutter aller Irrtümer sei, hat inzwischen schon fast den Charakter eines festen Beinamens; einmal mehr steht eine Pariser Verurteilung am Ursprung und Ausgangspunkt großer Folgeverwirrungen (denn Thesen 4 und 5 sind nichts anderes als eine Referenz auf Etienne Tempiers Vorrede zur Verurteilung von 1277) 67; und einmal mehr ergreift Luther zumindest indirekt Partei für jene mittelalterlichen Scholastiker, die durch die Pariser Artikel verurteilt worden sind. Stärker als um 1520 wird zudem der damals auch schon präsente Wahrheitsbegriff thematisiert und auf die Problematik des Geltungsbereichs der Philosophie zugespitzt. In einer der letzten Thesen hält Luther dazu programmatisch fest: „Wir täten gut daran, wenn wir Logik oder Philosophie in ihrer Sphäre beließen und lernten, im Bereich des Glaubens mit neuen Zungen außerhalb jeder Sphäre zu sprechen.“ 68 Es ist dieses extra omnem sphaeram, das die Lutherforschung zum Anlass genommen hat, Luther nicht als Vertreter der doppelten Wahrheit, sondern als Inkommensurabilisten darzustellen und ihn damit auch von jeglichen spätmittelalterlichen Traditionen abzuheben 69. Im Lichte von Luthers Verhältnis zu Paris zeigt sich nun aber, dass hier sehr wohl Verbindungslinien zum späten Mittelalter vorhanden sind. Es ist dies nicht einfach „der“ spätmittelalterliche Nominalis66

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Martin Luther, Disputation zu Joh 1,14 (nt. 63), 3 sq.: „4 Sorbona, mater errorum, pessime difinivit, idem esse verum in philosophia et theologia. 5 Impieque damnavit eos, qui contrarium disputaverunt. 6 Nam hac sententia abominabili docuit captivare articulos fidei sub iudicium rationis humanae. 7 Hoc erat aliud nihil, quam coelum et terram includere in suo centro aut grano milii. 8 Cum contra Paulus doceat, captivandum esse omnem intellectum (haud dubie et philosophiam) in obsequium Christi.“ Dort wird bekanntlich das Schreckgespenst der Vertreter einer doppelten Wahrheit entworfen: „Dicunt enim ea esse vera secundum philosophiam, sed non secundum fidem catholicam, quasi sint due contrarie veritates, et quasi contra veritatem sacre scripture sit veritas in dictis gentilium dampnatorum“: Etienne Tempier, Epistola, ed. D. Piche´, La condamnation parisienne de 1277. Texte latin, traduction et commentaire (Sic et Non), Paris 1999, 72-79, 74. Zugleich klingt bei Luther in weiteren Thesen auch die Oxforder Verurteilung von 1277 nach; cf. dazu bereits White, Luther as Nominalist (nt. 9), 374 sq. und nun auch Bianchi, Pour une histoire de la double ve´rite´ (nt. 65), 29 sq. Martin Luther, Disputation zu Joh 1,14 (nt. 63), 5: „40 Rectius ergo fecerimus, si dialectica seu philosophia in sua sphaera relictis discamus loqui novis linguis in regno fidei extra omnem sphaeram.“ So grundlegend K. Heim, Zur Geschichte des Satzes von der doppelten Wahrheit, in: F. Traub (ed.), Studien zur systematischen Theologie, Tübingen 1918, 1-16; cf. dann vor allem B. Hägglund, Theologie und Philosophie bei Luther und in der occamistischen Tradition. Luthers Stellung zur Theorie von der doppelten Wahrheit, Lund 1955, 94-98; zudem nun Streiff, Novis linquis loqui (nt. 61), 98-114; differenzierter ist Mattes, Luther’s Use of Philosophy (nt. 62), 133 sqq.

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mus, in dessen Einzugsgebiet sich Luther selbst stellte, dem die Forschung ihn aber immer wieder zu entziehen versucht, weil Luther sich ja kritisch zu nominalistischen Exponenten wie Pierre d’Ailly oder Gabriel Biel geäußert habe 70. Vielmehr ist ja auch der spätmittelalterliche Nominalismus eine höchst vielschichtige Strömung, und es sind zwei andere Namen, die im vorliegenden Kontext mehrfach begegnet sind: jener nämlich von Jean Gerson, den bereits Cajetan verbieten wollte, und jener von John Mair. Die gehörten allerdings einem wesentlich bedachteren Nominalismus an als etwa Pierre d’Ailly oder Gabriel Biel 71: Beide entwarfen sie ein Reformprogramm für die Scholastik ihrer Zeit, beide sprachen sich für eine Eingrenzung von philosophischen Überlegungen innerhalb der Theologie aus; beide dachten gar eine klare Trennung der Disziplinen an 72; beide waren überzeugte Konziliaristen, und: beide waren zu ihrer Zeit prägende Gestalten an der Pariser Universität 73. Dass sich Luther von dort Unterstützung erhoffte - und nicht etwa von den realistischen Hochburgen Löwen und Köln - mag tatsächlich an einer ähnlichen Gesinnungslage, an einer vergleichbaren spätmittelalterlichen Herkunft liegen. Nur übersah Luther, dass sowohl Gerson als auch Mair bei allem Reformwillen großes Gewicht auf die Autorität ihrer eigenen Institution legten, die große Universität von Paris. Auch wenn John Mair in den entscheidenden Jahren, als die Determinatio erarbeitet wurde, gar nicht in Paris war, zögerte er nach seiner Rückkehr nicht im Geringsten, das Luthertum, das diese Autorität in Frage zu stellen wagte, zu verurteilen 74. Die Gemeinsamkeiten und Verbindungslinien mussten angesichts der rhetorisch aufgeheizten Polemik verblassen und drohen daher bis heute übersehen zu werden - so sehr sich Luther noch 1539 in eine spätmittelalterliche Tradition einfügte, scheute doch gerade er die große, polemische Inszenierung nicht: Weil Paris nicht den Paulus gegen den Petrus spielen wollte, weil die Pariser Universität ihre eigene Autorität so hoch schätzte und sich anmaßte, ihn zu verurteilen, verurteilte er die Pariser Universität; und wenn Paris ihm Irrtümer anlasten wollte, dann sorgte er dafür, dass die Welt unterrichtet war, wer die eigentliche Mutter aller Irrtümer sei. 70 71

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Cf. die supra nt. 10 und 26 zitierte Literatur. Cf. dazu U. Zahnd, Wirksame Zeichen? Sakramentenlehre und Semiotik in der Scholastik des ausgehenden Mittelaters (Spätmittelalter - Humanismus - Reformation 80), Tübingen 2014, 552. Für Gerson cf. ibid., 19 sq.; Mair entwirft im Prolog seines Kommentars zum vierten Buch von Lombards Sentenzen die zwei Modelle einer scholastischen und einer positiven Theologie; cf. John Mair, Quartus Sententiarum, ed. J. Granion, Paris 1509, fol. 1vb. Zu Gerson cf. B. P. McGuire, Jean Gerson and the Last Medieval Reformation, Pennsylvania 2009; zu Mairs Einfluss cf. einerseits J. Farge, Biographical Register of Paris Doctors of Theology. 15001536 (Subsidia Mediaevalia 10), Toronto 1980, 304-311, andererseits A. Broadie, A History of Scottish Philosophy, Edinburgh 2009, 47-84. Mair wirkte 1517-1526 an den Universitäten von Glasgow und St. Andrews, kehrte danach aber noch einmal für rund fünf Jahre nach Paris zurück. Zu seinem zwiespältigen Verhältnis zum Luthertum cf. J. E. McGoldrick, Luther’s Scottish Connection, London-Toronto 1989, 31 sq., sowie J. Farge, John Mair: an Historical Introduction, in: Slotemaker/Witt (eds.), A Companion to John Mair (nt. 19), 13-22, hier 20 sq. und Fink, Doctrine of Justification (nt. 19), 239 sq.

VIII. Korrigierbare Irrtümer?

Die Falsche geheiratet? Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner und ihre Rezeption in Sentenzenkommentaren des 13. und frühen 14. Jahrhunderts Pavel Blazˇ ek (Prag/Köln) Eine nicht unbedeutende Facette der mittelalterlichen intellektuellen Beschäftigung mit Irrtum bietet die in der damaligen Kanonistik und Theologie intensiv geführte Diskussion um das Problem des Irrtums über den Heiratspartner und dessen Auswirkungen auf die Gültigkeit einer Ehe. Der Extremfall eines solchen Irrtums - die irrtümliche Eheschließung mit einer anderen Person als der beabsichtigten -, gilt bis heute im katholischen Eherecht als Ehenichtigkeitsgrund. So besagt der Kanon 1097 des geltenden ,Codex iuris canonici‘, dass ein error in persona eine Ehe ungültig mache. Zugleich schränkt derselbe Kanon ein, dass dies (von einem weiter unten zu besprechenden Sonderfall abgesehen) eben nur bei einem Irrtum in der Person des Heiratspartners als solcher gelte, nicht aber bei einem bloßen Irrtum in einer Eigenschaft dieser Person („error in qualitate personae“) 1. I. Die vier Ar ten von Ir r tum über den Heiratspar tner bei Gratian und Petr us Lombardus 1. Gratian Die genannte Regelung des modernen ,Codex iuris canonici‘ hat ihren Ursprung im mittelalterlichen Kirchenrecht und dessen Reflexion und Fortentwicklung in der mittelalterlichen Kanonistik und Theologie (das römische Eherecht kannte eine derartige Regelung nicht). In ihrer Substanz geht sie auf das ,Decretum Gratiani‘ zurück, wo sich die Rechtsfigur des Irrtums über den Heiratspartner historisch erstmals zu einer systematischen Lehre ausformuliert findet. In der Forschung ist Gratians Lehre bereits mehrfach untersucht worden. Da für sie bislang keine direkten Vorlagen gefunden worden sind, ist davon auszugehen, dass es sich um eine Neuerung bei Gratian handelt. Ihr Ursprung und ihre 1

Codex Iuris Canonici Auctoritate Ioannis Pauli PP. II Promulgatus, lib. IV, pars 1, can. 1097, in: Acta Apostolicae Sedis 75 (1983), 1-317, hier 193.

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Genese sind umstritten. Nach Jean Gaudemet ist sie das Ergebnis eines zweifachen Rezeptionsprozesses: Sie stelle zum einen eine Ausfächerung und Fortentwicklung frühmittelalterlicher rechtlicher Bestimmungen hinsichtlich irrtümlicher Eheschließungen von Freien mit Unfreien dar; zum anderen sei sie das Resultat der Rezeption der Vertragslehre des römischen Juristen Ulpian und deren Anwendung auf die (ebenfalls als ein Vertragsverhältnis gedachte) Ehe. Nach Anders Winroth dagegen lasse sich in ihr kein explizit römisch-rechtlicher Einfluss nachweisen und die vermeintlichen Anklänge an Ulpian seien bloße Parallelen 2. Gratian entwickelt seine Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner in der Causa 29 des ,Decretum‘. Sie findet sich nahezu wortgleich sowohl in der vor einigen Jahren von Winroth identifizierten Erstfassung des Dekrets (ca. 11201150), die Gratian selbst zuzuschreiben ist, als auch in ihrer anonymen Überarbeitung und Erweiterung (um 1150), die den mittelalterlichen textus receptus des ,Decretum‘ darstellt 3. In dieser Causa wird der Fall einer adeligen Frau erörtert, die in den Heiratsantrag eines gewissen Adelssohnes eingewilligt hatte, stattdessen aber irrtüm2

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` propos de l’erreur sur la personne en Cf. J. Gaudemet, Droit canonique et droit romain. A matie`re de mariage (C. XXIX, qu. I), in: id., Socie´te´s et mariage, Strasbourg 1980, 320-337 (Ersterscheinung in: Studia Gratiana 9 [1966], 47-64); A. Winroth, Neither slave nor free. Theology and Law in Gratian’s Thoughts on the Definition of Marriage and Unfree Persons, in: W. Müller/M. E. Sommar/K. Pennington (eds.), Medieval Church Law and the Origins of the Western Legal Tradition, Washington 2012, 97-109; weitere Darstellungen und Untersuchungen von Gratians Lehre bei A. Esmein, Le mariage en droit canonique, vol. 1, Paris 1891, 311-314 und 330; F. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung der Lehre vom Error qualitatis redundans in personam und vom Error conditionis, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Classe 142 (1900), 2. Abhandlung, 1-4; S. Zvolensky´, „Error qualitatis dans causam“ e „error qualitatis directe et principaliter intentae“. Studio storico della distinzione (Tesi Gregoriana. Serie Diritto Canonico 25), Roma 1998, 45-50; M. J. Schermaier, Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB (Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte 29), Wien e.a. 2000, 55-59; M. Madero, De la femme noble qui voulait e´pouser un homme noble et e´pousa un esclave. L’erreur dans le mariage selon les de´cre´tistes, in: D. Boisseuil (ed.), E´critures de l’espace social. Me´langes d’histoire me´die´vale offerts a` Monique Bourin (Histoire ancienne et me´die´vale 101), Paris 2010, 653-671, bes. 655-658; F. Franchetto, „Error in persona“ (can. 1097 § 1). Il dibattito sul concetto di persona nella trattazione dell’error facti. Analisi della dottrina e della giurisprudenza, Roma 2011, 13-18. Zu den zwei Redaktionen des ,Decretum‘ cf. grundlegend A. Winroth, The making of Gratian’s Decretum, Cambridge 2000, 122-145, 175-196 und 222. Von der bislang unedierten ersten Redaktion hat jetzt J. Werckmeister den hier interessierenden Ehetraktat ediert: De´cret de Gratien, Causes 27 a` 36: Le mariage, e´dition, traduction, introduction et notes par J. Werckmeister, Paris 2011; die zweite Redaktion liegt dagegen der bis heute maßgeblichen Edition des ,Decretum‘ von E. Friedberg zugrunde: Decretum magistri Gratiani, ed. E. Friedberg (Corpus iuris canonici 1), Leipzig 1879; zur noch nicht abgeschlossenen Forschungsdiskussion zur Genese, Verfasserfrage und Entstehungszeit des ,Decretum‘ (samt der hier nicht zu erörternden Hypothese einer ältesten, dritten Fassung) cf. Werckmeister (wie oben) 11-45 sowie P. D. Clarke, Canon law, in: R. N. Swanson (ed.), The Roudlege History of Medieval Christianity 1050-1500, London-New York 2015, 77-89, bes. 82 sq.

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licherweise einen Unfreien heiratete, der sich vor ihr als der gewünschte Adelssohn ausgab (geschehen konnte dies deshalb, weil sie ihn nicht persönlich kannte und sein Heiratsantrag ihr nur durch Gesandte übermittelt worden war) 4. Zwei Probleme sind es, die in diesem Casus angesprochen werden: Das Problem einer irrtümlichen Eheschließung eines Freien mit einem Unfreien sowie das allgemeinere Problem einer irrtümlichen Eheschließung mit einer anderen Person als der beabsichtigten 5. Letzteres scheint eher dem Bereich gelehrter Kasuistik anzugehören. Dass jemand irrtümlicherweise eine andere Person heiratet, als er zu heiraten glaubt, ist recht unwahrscheinlich. Jedenfalls scheint aus dem Mittelalter kein solcher Fall bekannt zu sein. Dagegen stellt das erste angesprochene Problem - die irrtümlich und unwillkürlich geschlossene Ehe eines Freien mit einem Unfreien - ein durchaus reales Problem des Mittelalters dar. Genau dieses Problem bildet den eigentlichen „Sitz im Leben“ der mittelalterlichen gelehrten Beschäftigung mit dem Irrtum über den Heiratspartner. Anders als in der Antike, galten spätestens seit der Karolingerzeit Ehen zwischen Freien und Unfreien als grundsätzlich erlaubt und gültig. Nichtsdestotrotz haftete ihnen das Stigma einer Mesalliance an. Vor allem aber konnte eine solche Verbindung rechtliche Nachteile für den Nachwuchs nach sich ziehen. Nach manchen Gewohnheitsrechten bedeutete sie für den Freien sogar den Verlust seines Status als Freier 6. War man als Freier unter diesen Umständen bereit, eine solche Ehe einzugehen, so musste dies in Kenntnis des unfreien Standes des Heiratspartners geschehen. War diese bei der Eheschließung nicht gegeben - d. h. hatte der Freie den Unfreien in der irrtümlichen Annahme geheiratet, es handle sich um einen gleichfalls Freien -, so stand es diesem zu, sich von seinem unfreien Ehepartner zu trennen und jemand anderen zu heiraten. Genau dies hatten bereits im 8. Jahrhundert die karolingischen Synoden von Verberie (756) und Compie`gne (757) verfügt; dieselbe Auffassung vertrat nach anfänglichem Zögern auch Gratians Vorläufer, der Kanonist und Theologe Ivo von Chartres (ó 1115); später wurde sie in differenzierterer Form in zwei Dekretalen Alexanders III. (1166/ 4

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Da für die mittelalterliche Rezeption erst die zweite Redaktion des ,Decretum‘ maßgeblich geworden ist, zitieren wir nach Friedbergs Ausgabe der zweiten Redaktion und verweisen nur auf die Parallelstellen in Werckmeisters Edition der ersten Redaktion; cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „Cuidam nobili mulieri nunciatum est, quod a filio cuiusdam nobilis petebatur in coniugem; prebuit illa assensum. Alius uero quidam ignobilis atque seruilis condicionis nomine illius se ipsum obtulit, atque eam in coniugem accepit.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 252. Nach sky´, „Error qualitatis (nt. 2), 46 sq., spricht Gratian in diesem Casus implizit noch ein drittes Problem an: das einer irrtümlichen unstandesgemäßen Eheschließung einer Adeligen mit einem Nicht-Adeligen. Da dieses Problem, welches in der Diskussion der Folgezeit eine Rolle spielen wird, im weiteren Verlauf der Quaestio nirgends explizit diskutiert wird, erscheint diese Interpretation als unwahrscheinlich. Cf. J. Gaudemet, Le mariage en Occident. Les mœurs et le droit, Paris 1987, 66 sq., 99 sq., 113 sq., 130 sq. und 215-218.

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1167), und Innozenz’ III. (1201) wiederholt, die damit auf konkrete Fälle derartiger irrtümlicher Mesalliancen eines Freien mit einem Unfreien reagierten 7. Gratian erörtert den vorgebrachten Casus in zwei Quästionen, von denen für seine Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner insbesondere die erste relevant ist. Er fragt hier, ob zwischen der irregeführten Adeligen und dem servus eine rechtsgültige Ehe bestehe 8. Seine Antwort, die aus einem einzigen langen dictum Gratians besteht, fällt erwartungsgemäß aus: Zwischen den beiden besteht keine rechtsgültige Ehe und die Betroffene ist auch weiterhin als unverheiratet zu betrachten 9. Gratian begründet dies folgendermaßen: Eine Ehe kann nur durch beidseitigen, Übereinstimmung bedeutenden Konsens der Heiratspartner zustande kommen. Zu diesem könne es allerdings nicht kommen, wenn sich eine der Parteien in der anderen irrt. Anders ausgedrückt: Eine auf Irrtum über die andere Partei beruhende Konsensbekundung ist in Wirklichkeit keine solche - und ist damit für das Zustandekommen einer Ehe wirkungslos 10. Die Antwort Gratians beruht auf einer Auffassung, die sich im Laufe des 12. Jahrhunderts endgültig gegen ihre mögliche Alternative durchgesetzt hat und die - entgegen verbreiteter Meinung - in abgeschwächter Form Gratian selbst vertritt: die Lehre, dass im Prozess der Eheschließung das eigentliche ehestiftende Moment der beidseitige Konsens der Heiratspartner bilde und nicht erst der Ehevollzug. Nach Gratian vollendet dieser nur die bereits durch den ehelichen Konsens eingegangene Ehe und macht diese unauflösbar 11. Im Folgenden geht Gratian zu einer allgemeinen Erörterung des Irrtums über den Heiratspartner über. Insgesamt lassen sich, erläutert er, vier mögliche Formen von Irrtum über eine andere Person unterscheiden - die angeführten Beispiele stammen aus dem Decretum selbst: 7

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Cf. Gaudemet, Droit canonique (nt. 2), 324 sqq.; id., Le mariage (nt. 6), 114, 130 sq. und 217 sq.; ferner: Esmein, Le mariage (nt. 2), 325-331; A. Sahaydachny Bocarius, The Marriage of Unfree Persons: Twelfth Century Decretals and Letters, in: P. Landau/M. Petzold (eds.), De iure canonico medii aevi. Festschrift für Rudolf Weigand (Studia Gratiana 27), Rom 1996, 481-506, bes. 495-503. Einen Fall von Irrtum über den (angeblich) unfreien Stand des Ehepartners behandelt auch eine Dekretale Papst Urbans III.; cf. ibid., 500 sqq. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „Hic primum queritur, an sit coniugium inter eos.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 252. Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „[…] sic ista errans nulli est copulata coniugio, immo adhuc est copulanda.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 254. Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „Item consensus utriusque matrimonium facit … Consensus est duorum uel plurium sensus in idem. Qui autem errat non sentit, non ergo consentit, id est simul cum aliis sentit. Hec autem errauit; non ergo consensit: non itaque coniux est appellanda, quia non fuit ibi consensus utriusque, sine quo nullum matrimonium esse potest.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 252 sq. Zur Konsens- vs. Kopulatheorie im 12. Jahrhundert und zu Gratians eigener Auffassung cf. Ph. Reynolds, The Regional Origins of Theories about Marital Consent and Consummation during the Twelfth Century, in: M. Korpiola (ed.), Regional Variations in Matrimonial Law and Custom in Europe, 1150-1600 (Medieval Law and its Practice 12), Leiden-Boston 2011, 43-75. Reynolds beschreibt Gratians Position als „consumated consent theory“; cf. hierzu auch die Analyse von Werckmeister: De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 53-60.

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1) Error personae - ein Irrtum über die Person als solche: wenn jemand glaubt, vor ihm stehe Vergil, aber in Wirklichkeit ist es Platon; 2) Error fortunae - ein Irrtum über die materiellen Verhältnisse der Person: wenn jemand von einem Armen meint, er sei reich und umgekehrt; 3) Error conditionis - ein Irrtum über den unfreien Stand der Person: wenn jemand einen Unfreien (seruus) für einen Freien hält; 4) Error qualitatis - ein Irrtum über eine Eigenschaft einer Person: wenn ein schlechter Mensch für gut gehalten wird 12. Wie Gratian erläutert, schließt bei der Eheschließung nicht jeder dieser vier Irrtümer den Ehekonsens aus. Dies geschehe nur beim error personae und beim error conditionis. Bei einem error fortunae oder einem error qualitatis bleibe dieser dagegen - und damit auch die so geschlossene Ehe - unbeeinträchtigt 13. Weshalb dem so sei, versucht er im Folgenden anhand von verschiedenen Analogien aus anderen Lebensbereichen zu begründen. Dass der error personae den Ehekonsens (und damit das Zustandekommen der Ehe) ausschließe, erklärt er anhand zweier - nach Jean Gaudemet offenkundig durch römisches Recht beeinflusster - Vergleiche mit Kaufverträgen. Gratian versteht diese - analog zur Ehe - als das Resultat beidseitigen Konsenses der Handelspartner. Dieser sei allerdings nicht mehr gegeben, wenn es zu einer betrügerischen Vertauschung des Käufers komme, d. h. wenn sich eine andere Person als diejenige ausgibt, mit der das Kaufgeschäft ursprünglich vereinbart wurde. Ebenfalls bleibe der Kaufkonsens unverwirklicht, wenn der Käufer einen anderen Gegenstand als den vereinbarten erhalte, etwa Messing statt Gold. Genauso verhalte es sich nach Gratian bei der Eheschließung, wenn sich herausstelle, dass der Heiratspartner ein anderer ist, als derjenige, auf den sich der Ehekonsens bezieht 14. Wenn aber, fragt Gratian hierzu anschließend in einer Art Exkurs, der error personae die Ehe ungültig mache, wie sei dann die Ehe Jakobs mit Lea zu bewerten? Gratian spricht hier den berühmten Fall der „irrtümlichen“ ersten Ehe des 12

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Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „[…] error alius est personae, alius fortunae, alius condicionis, alius qualitatis. Error personae est, quando hic putatur esse Virgilius, et ipse est Plato. Error fortunae, quando putatur esse diues qui pauper est, uel e conuerso. Error condicionis, quando putatur esse liber qui seruus est. Error qualitatis, quando putatur esse bonus qui malus est.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 254. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „Error fortunae et qualitatis coniugii consensum non excludit. Error uero personae et condicionis coniugii consensum non admittit.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 254 sqq. Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091: „Si quis enim pacisceretur, se uenditurum agrum Marcello, et postea ueniret Paulus dicens se esse Marcellum, et emeret agrum ab illo, numquid cum Paulo conuenit iste de precio, aut dicendus est agrum sibi uendidisse? Item si quis promitteret, se uenditurum michi aurum, et pro auro offerret michi auricalcum, et ita me deciperet, numquid dicerer consensisse in auricalcum? Numquam uolui emere auricalcum, nec ergo aliquando in illud consensi, quia consensus non nisi uoluntatis est. Sicut ergo hic error materiae excludit consensum, sic et in coniugio error personae. Non enim consensit in hunc, sed in eum, quem hunc putabat esse.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 254. Zum Einfluß der römischen Vertragslehre in dieser Passage cf. Gaudemet, Droit canonique (nt. 2), 327-332.

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biblischen Patriarchen Jakob an (Gen 29,16-26), dem sein Onkel Laban statt der ihm zur Frau versprochenen Rachel in der Hochzeitsnacht ihre ältere Schwester Lea untergeschoben und sie so wider Jakobs Willen und Wissen zu seiner Frau gemacht hatte. Müsse man nicht sagen, so Gratians Einwand, dass diese Ehe ungültig gewesen sei, da sich Jakobs Ehewille auf Rachel und nicht auf Lea bezogen hatte 15? Seine Antwort auf diese Frage stellt den zweifachen Versuch dar, den alttestamentlichen Casus seiner Lehre vom error personae anzupassen und dabei zugleich die moralische Integrität des biblischen Paares zu retten: Man müsse, so Gratian, zwischen einem vorangehenden und einem nachfolgenden Ehekonsens unterscheiden. Im ersten Fall willigten beide Heiratspartner in die Ehe noch vor dem Ehevollzug ein, dagegen folge im zweiten Fall diese Einwilligung erst nach dem - dann freilich unzüchtigen - Beischlaf. Jakob und Lea hätten ihre Ehe auf die zweite Weise geschlossen; zugleich hätten sie sich aber durch ihren damit vorehelichen coitus in diesem Fall nicht der Unzucht schuldig gemacht, da sie miteinander in „ehelicher Gesinnung“ verkehrten 16. Warum dagegen, anders als der error personae, der error fortunae und der error qualitatis den Ehekonsens nicht ausschließe, versucht Gratian mit folgenden zwei Vergleichen zu erklären: So, wie jemand nicht im Nachhinein eine bereits angenommene Pfründe ablehnen dürfe, nur weil sie sich als ärmer herausstelle, als er gedacht hatte, so könne auch beim error fortunae eine Frau nicht ihre Ehe mit einem armen Mann rückgängig machen, den sie irrtümlicherweise für reich gehalten hatte. Dasselbe gelte für den error qualitatis: So wie niemand den Kauf eines Weinstocks zurücknehmen könne, nur weil sich dieser als weniger fruchtbar als angenommen erweise, so könne auch kein Mann seine für keusch und für eine Jungfrau gehaltene Frau entlassen und eine andere heiraten, nur weil sich herausstelle, dass sie in Wirklichkeit eine Deflorata oder gar eine Dirne sei 17. 15

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Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1091sq: „Sed obicitur: Iacob non consenserat in Liam, sed in Rachel septem quidem annis pro Rachel seruierat. Cum ergo eo ignorante Lia esset sibi subposita, non fuit coniugium inter eos, si error personae consensum excludit, quia, ut dictum est, non in eam consenserat, sed in Rachel.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 256. Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1092: „His ita respondetur: Consensus est alius precedens, alius subsequens. Precedit consensus, quando ante carnalem copulam in indiuiduam uitae consuetudinem uterque consentit; subsequitur, quando post concubinalem siue fornicarium coitum consentiunt in idem. Iacob ergo et Liam non fecit coniuges precedens consensus, sed subsequens; nec tamen ex primo concubitu fornicarii iudicantur, cum ille maritali affectu eam cognouerit, et illa uxorio affectu sibi debitum persoluerit, putans lege primogenitarum et paternis inperiis se sibi iure copulatam.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 256 sqq. Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1092: „Error fortunae et qualitatis non excludit consensum, ueluti si quis consentiret in prelaturam alicuius ecclesiae, quam putaret esse diuitem, et illa esset minus copiosa, quamuis hic deciperetur errore fortunae, non tamen posset renunciare prelaturae acceptae. Similiter, que nubit pauperi, putans illum esse diuitem, non potest renunciare priori condicioni, quamuis errauerit. Error qualitatis similiter non excludit consensum; utpote si quis emerit agrum uel uineam, quam putaret esse uberrimam, quamuis iste erraret qualitate rerum, rem minus fertilem emendo, non potest tamen uenditionem rescindere. Similiter, qui ducit meretricem in uxorem uel corruptam, quam putat esse castam uel uirginem, non potest eam dimittere et aliam ducere.“ Cf. De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 260. In der Erstfassung fehlen die letzten drei Worte „et aliam ducere“.

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Weshalb schließlich der letzte der vier Irrtümer, der error conditionis die Ehe wiederum nichtig mache, begründet Gratian in dieser Quaestio nicht, jedenfalls nicht explizit 18. Er zitiert hierzu in der folgenden Quaestio lediglich die bereits erwähnten Synodenbeschlüsse von Verberie und Compie`gne 19. 2. Petrus Lombardus Gratians Lehre wurde bald nach ihrer Entstehung von Petrus Lombardus rezipiert. Dieser übernahm sie nahezu wortgleich in den Distinktionen 30 und 36 des vierten Buches seiner zwischen 1155 und 1158 entstandenen Sentenzen, wobei er allerdings einige Kürzungen und Modifizierungen seiner Vorlage durchführte 20. Im Hinblick auf die weitere Rezeptionsgeschichte verdient vor allem folgende Modifizierung Erwähnung: Petrus Lombardus ersetzte Gratians erste Analogie für den error personae - die betrügerische Vertauschung des Kaufpartners - mit einem eigenen Beispiel: Ein error personae, so Petrus, liege etwa dann vor, wenn ein Mann eine Ehe mit einer Adeligen anstrebe (petat), stattdessen aber wider eigenen Wissens eine andere, nicht-Adelige (alia ignobilis) zur Frau bekomme; sein Ehekonsens beziehe sich in diesem Fall nämlich nicht auf diese Frau (istam), sondern eine andere (aliam). Was in diesem Beispiel uneindeutig bleibt, ist die Frage, worin genau nach Petrus der error personae dieses Mannes besteht: Darin, irrtümlicherweise eine andere Frau zu bekommen, als die Adelige, auf die sich eigentlich seine Konsensbekundung richtet, oder bereits darin, anstatt der von ihm angestrebten Adeligen eine Frau zu heiraten, der das von ihm erwünschte blaue Blut fehlt 21. 18

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Es ist möglich, dass der zweite Vergleich zum error personae (Kauf von Messing statt Gold) gleichzeitig implizit auf den error conditionis abzielt. Darauf deutet jedenfalls hin, dass es in dem Vergleich nicht nur um den irrtümlichen Kauf eines anderen Gegenstandes, sondern zugleich eines Gegenstandes substantiell minderer Qualität (als Analogie zum error conditionis) geht. Trifft diese Interpretation zu, ließe sich mutmaßen, dass er - da er beide errores mit einem Vergleich illustriert - den error conditionis für eine einfache Spielart des error personae betrachtet; cf. hierzu Franchetto, Error in persona (nt. 2), 16 sq. Cf. Decretum Gratiani, C. XXIX, q. 1, ed. Friedberg (nt. 3), 1092-1095; De´cret de Gratien, ed. Werckmeister (nt. 3), 262-271, bes. 266. Gratian übernimmt diese Verweise wahrscheinlich aus der Panormia Ivos von Chartres; cf. hierzu Winroth, Neither slave (nt. 2). Während die erste quaestio der Causa 29 in beiden Fassungen des ,Decretum‘ nahezu identisch ist, finden sich in der zweiten quaestio in der zweiten Redaktion mehrere Hinzufügungen. Die Passagen, die den error conditionis als Ehenichtigkeitsgrund betreffen, sind allerdings (bis auf einen hinzugefügten Kanon: C.29.2.2) in beiden Fassungen gleich. Cf. Petrus Lombardus, Sententiae in quatuor libris distinctae, lib. IV, dist. 30, c. 1 und dist. 36, c. 1, ed. I. Brady, 2 vols. (Spicilegium Bonaventurarium 4-5), Quaracchi 1971-1981, vol. 2, 437-439, 473 sq.; zur Datierung cf. M. Colish, Peter Lombard, vol. 1, Leiden e. a. 1994, 25. Cf. Petrus Lombardus, Sententiae, lib. IV, dist. 30, c. 1, n. 1 (nt. 20), 438: „Error quoque personae consensum coniugalem non admittit: ut si quis feminam nobilem in coniugium petat, et pro ea alia ignobilis tradatur ei, non est inter eos coniugium, quia non consensit vir in istam, sed in aliam.“ Cf. hierzu Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 4 sq.; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 50-54; Madero, De la femme noble (nt. 2), 671; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 18 sqq.

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II. Die Reze ption von Gratians Lehre in Sentenzenkommentaren des 13. und fr ühen 14. Jahrhunder ts Wie bekannt, avancierten Gratians Dekret und die Sentenzen des Petrus Lombardus zu Basistexten der mittelalterlichen Kanonistik einerseits und der mittelalterlichen Theologie andererseits und wurden immer wieder kommentiert. Dies führte dazu, dass die in ihnen formulierte Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner sowohl von Kanonisten als auch von Theologen immer wieder neu aufgegriffen und erörtert wurde. (Die Kanonistik erhielt zudem einen zusätzlichen Impuls für die Beschäftigung mit diesem Thema mit der Entstehung des ,Liber Extra‘ (1234), in den auch die oben genannten Dekretalen Alexanders III. und Innocenz’ III. Eingang fanden.) Während die Rezeption von Gratians Lehre in der mittelalterlichen Kanonistik bereits mehrfach untersucht worden ist 22, so bleibt ihr Pendant in der mittelalterlichen Theologie noch weitgehend unerforscht (eine Ausnahme bildet lediglich die Lehre vom sog. error nobilitatis). Ziel des folgenden zweiten Teils dieser Studie ist es, dieses Forschungsdesiderat mindestens teilweise zu beheben. Es sollen hierzu die Ausführungen zu Gratians, über Petrus Lombardus vermittelter Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner in Sentenzenkommentaren (zu den Distinktionen 30 und 36 des IV. Buches) folgender zehn namhafter Theologen des 13. und frühen 14. Jahrhunderts untersucht werden: Wilhelm von Auxerre (,Summa aurea‘, ca. 12151220) 23, Alexander von Hales (1223-1227), Hugo von Saint-Cher (um 1232), Albertus Magnus (IV. Buch: 1249), Bonaventura (1248-1255), Thomas von Aquin (1253-1257), Petrus von Tarentaise (ca. 1256-1259), Richardus von Mediavilla (1295), Johannes Quidort (1292-1296), sowie die - in diesem Fall nur zwei Redaktionen 24 des Sentenzenkommentars von Durandus von SaintPourcœ ain (Red. A/B: 1303-1310; Red. C: 1318-1327) 25. 22

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Cf. Esmein, Le mariage (nt. 2), 314-317 und 330-335; Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 6-20 und 34 sq.; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 54-109; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 20-37; Madero, De la femme noble (nt. 2), 658-670. Wilhelms ,Summa aurea‘ stellt zwar noch keinen Sentenzenkommentar im engen Sinne des Wortes dar, sie ist allerdings eindeutig am Sentenzenzenwerk des Petrus Lombardus orientiert. Im Falle der hier interessierenden Quästionen zu Buch IV, dist. 30 und 36 der ,Sentenzen‘ haben die von der Forschung als Redaktion A (1303-1309) und Redaktion B (1309-1310) bezeichneten Bearbeitungsstufen von Durandus’ Sentenzenkommentar denselben Text und bilden somit eine einzige Fassung, die wir hier behelfsmäßig als Red. A/B bezeichnen. Von dieser unterscheidet sich, wenngleich in unserem Fall nur geringfügig, die als Redaktion C (13181327) bekannte letzte Bearbeitungsstufe; hierzu immer noch grundlegend cf. J. Koch, Durandus de S. Porciano O.P. Forschungen zum Streit um Thomas von Aquin zu Beginn des 14. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 26), Münster 1927; zur Datierung der Redaktionen A und B cf. jetzt W. Courtenay, Durand in His Educational and Intellectual Context, in: A. Speer e.a. (eds.), Durand of Saint-Pourcœ ain and His Sentences Commentary (Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales: Bibliotheca 9), Leuven e. a. 2014, 13-34. Die Untersuchung stützt sich auf folgende Editionen bzw. Handschriften: Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, ed. J. Ribaillier, 5 vols. (Spicilegium Bonaventurianum 16-20), vol. 4, ParisGrottaferrata 1985; Alexander von Hales, Glossa in quatuor libros Sententiarum Petri Lombardi,

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Alle zehn Autoren rezipieren Gratians Unterscheidung von vier Irrtümern über den Heiratspartner sowie seine Lehre, dass nur der error personae und der error conditionis eine Eheschließung ungültig machen, nicht aber der error qualitatis und der error fortunae. Ihre Kommentierung verfolgt vor allem das dreifache Ziel 1) die unterschiedliche Wirkung dieser vier Irrtümer auf die Gültigkeit der Ehe rational zu begründen, 2) ihre Geltungsbedingungen und ihren Geltungsbereich auszuloten und 3) sie von anderen, vermeintlich analogen, sich aber in ihrer jeweiligen Wirkung anders verhaltenden Fällen von Irrtum abzugrenzen. Dabei entwickeln sie zum Teil eigenständige Interpretationen, zum Teil wiederholen sie bereits existierende Interpretamente aus der Kanonistik. Im Folgenden sollen ihre wichtigsten und interessanten Rezeptionsbeiträge zu den vier gratianischen errores herausgearbeitet und vorgestellt werden. Zugleich sollen diese mit Hilfe der bereits existierenden Forschungsliteratur in Bezug zur Rezeption von Gratians Lehre in der zeitgenössischen Kanonistik gesetzt werden. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf dem error personae als dem paradigmatischsten und von Gratian und Petrus Lombardus am ausführlichsten diskutierten Irrtum über den Heiratspartner sowie auf dem sog. error nobilitatis, als einer mit dem error personae zusammenhängenden Sonderform liegen. Da sich die Kommentare in ihren Argumenten oft wiederholen - auf die Frage ihrer Abhängigkeitsverhältnisse kann hier jedoch nicht eingegangen werden -, werden wir zumeist nur auf die Ersterwähnung eines bestimmten Rezeptionsbeitrags näher eingehen; seine Wiederholungen in späteren Kommentaren sollen dagegen nur dann vorgestellt werden, wenn sie diesen inhaltlich weiterentwickeln bzw. substantiell reformulieren. 1. Error personae Alle zehn Kommentatoren rezipieren Gratians und Petrus Lombardus’ rechtsphilosophische Begründung, weshalb der error personae die Ehe ungültig ed. Collegium S. Bonaventurae, 4 vols. (Bibliotheca franciscana scholastica medii aevi 12-15), vol. 4, Quaracchi 1957; Hugo von Saint-Cher, In Sententias I-IV, Ms. Roma, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 1098; Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. XXIIL, ed. A. Borgnet, in: Alberti Magni Opera omnia, vol. 30, Paris 1894; Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, ed. Collegium S. Bonaventurae, in: Doctoris seraphici S. Bonaventurae Opera omnia, vol. 4, Quaracchi 1889; Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum magistri Petri Lombardi, in: Sancti Thomae Aquinatis Doctoris Angelici Ordinis Praedicatorum Opera omnia, vol. 7, Parma 1858; Petrus von Tarentaise (Innozenz V.), In IV libros Sententiarum commentaria, edd. T. Turci/J.-B. de Marinis, vol. 4, Toulouse 1652; Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum theologicarum Petri Lombardi […] opus preclarissimum, Lyon 1512; Jean Quidort, In Sententias I-IV, Ms. Paris, Bibliothe`que Mazarine 889; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum, Ms. Venezia, Biblioteca nazionale Marciana, lat. Z 104 (= 2004), 76ra-196va [= Red. A/B]; id., In Petri Lombardi Sententias theologicas libri IV, vol. 2, Venedig 1572 [Neudruck Ridgewood 1964] [= Red. C]. Die angeführten Angaben zur Entstehungszeit der Sentenzenkommentare stützen sich hauptsächlich auf die elektronische Forschungsdatenbank „ALCUIN. Infothek der Scholastik“, URL: *http://www. alcuin.de+ (Stand: 22. 09. 2017).

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mache: weil er den ehelichen Konsens, verstanden als beidseitige willentliche Übereinkunft und Vertragsschluss der Heiratspartner, und damit das eigentliche Ehekonstitutiv ausschließt 26. Der error personae betreffe nämlich, wie Albert erklärend hinzufügt, das worauf sich der Ehekonsens als dessen eigentlicher Gegenstand (materia) bezieht: die Person des Heiratspartners selbst 27. Damit aber tangiert er, wie beginnend mit Albert und Thomas mehrere Autoren lehren, ein Wesenselement (essentia, substantia) der Ehe 28. Die Autoren machen mit dieser Erklärung explizit und reformulieren in philosophischen Begriffen das, was Gratian mit seinem Vergleich des error personae bei der Eheschließung mit einem Irrtum in der Person des Kaufpartners und im Kaufgegenstand bei Kaufverträgen ausgedrückt hatte. Neben dieser rechtsphilosophischen Begründung, die in den untersuchten Kommentaren die Standarderklärung für die ehehindernde Wirkung des error personae bildet, versucht als einziger Wilhelm von Auxerre diese Wirkung zusätzlich sakramentaltheologisch zu begründen. Seine Argumentation mag etwas konstruiert wirken, sie stellt allerdings einen interessanten Versuch dar, Gratians Lehre vom error personae auf eine genuin theologische Grundlage zu stellen: Die „fleischliche Ehe“, so Wilhelm, sei ein sakramentales Abbild der „ geistigen Ehe“ Christi mit der gläubigen Seele. Der Konsens auf dem diese geistige Ehe beruht, müsse aber ein vorbehaltloser (consensus absolutus) sein. Es genüge nicht, dass der Mensch seinen Glauben an Christus an den Vorbehalt knüpfe, es müsse zuerst nachgewiesen werden, dass es sich tatsächlich um Christus handelt. Genauso müsse auch in der fleischlichen Ehe der Ehekonsens ein vorbehaltloser sein. Genau diese Vorbehaltlosigkeit sei aber bei einer irrtümlichen Eheschließung mit einer anderen Person nicht gegeben 29. Der irrende Partner willige 26

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Cf. Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, lib. IV, tract. 17, c. 5, q. 2, art. 1, ed. Ribaillier (nt. 25), 433-435; Alexander von Hales, Glossa, lib. IV, dist. 30 (nt. 25), 483; Hugo von Saint-Cher, In Sententias, lib. IV, dist. 30, fol. 177rb; Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 2-4, ed. Borgnet (nt. 25), 212-215; Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1 (nt. 25), 707; Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), 946 sq.; Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1, ed. de Marinis (nt. 25), 312; Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), fol. 181rb-va; Jean Quidort, In Sententias, lib. IV, dist. 30, q. un. (nt. 25), fol. 92vb; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 40va; id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 372va-vb. Cf. Albertus Magnus, In quartum Sententiarum, dist. 30, art. 4, ed. Borgnet (nt. 25), 215: „Dicendum, quod nullus error evacuat consensum matrimonii, nisi ille qui est circa rem illam super quam cadit consensus, sicut super materiam; quia illam debet scire si consentit, sicut patet in exemplis in Littera inductis. Et hoc patet expresse in errore personae.“ Dieselbe Spezifizierung auch bei Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 und art. 2 (nt. 25), fol. 181rb-va. Die Präzisierung, dass der error personae gegen die essentia, bzw. die substantia matrimonii verstoße, findet sich bei Albert, Thomas von Aquin, Petrus de Tarantasia, Richardus von Mediavilla, Jean Quidort sowie bei Durandus von Saint-Pourcœ ain. Zu den jeweiligen Belegstellen cf. supra nt. 26. Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, lib. IV, tract. 17, c. 5, q. 2, art. 1, ed. Ribaillier (nt. 25), 435: „Matrimonium enim carnale sacramentum est matrimonii spiritualis, scilicet coniunctio Christi et fidelis anime. Sed in matrimonio spirituali dicitur esse consensus absolutus. Hic enim non est matrimonium spirituale: Consentio vel credo in istum, si est Christus, quocumque demonstrato. Sed oportet absolute consentire in istum.

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nämlich nicht vorbehaltlos in die Ehe mit seinem (falschen) Gegenüber ein, sondern mit Vorbehalt - in der (freilich irrtümlichen) Annahme, sein Heiratspartner sei in Wirklichkeit ein anderer 30. Ein solcher bedingter Ehekonsens entspricht aber nicht dem vorbehaltslosen Konsens zwischen Christus und der Seele und ist daher für das Zustandekommen der Ehe wirkungslos. Als erster Kommentator der Sentenzen spezifiziert Alexander von Hales eine Voraussetzung, die gegeben sein müsse, damit bei einer Eheschließung ein Irrtum über den Heiratspartner tatsächlich als error personae gelten könne. Er greift damit eine bereits im 12. Jahrhundert in der Kanonistik formulierte Lehre (Huguccio et al.) auf 31: Die irrende Partei, so Alexander, müsse wenigstens eine minimale Vorkenntnis von der Person besitzen, mit der sie irrtümlicherweise glaubt eine Ehe einzugehen - und sei es nur aufgrund von Sehen oder Hörensagen. Der Sinn dieser Bedingung ist einleuchtend: Wenn jemand in völliger Unkenntnis darüber ist, wer die Person ist, die er eigentlich zu heiraten beabsichtigt, kann er sie streng genommen auch nicht mit einer anderen verwechseln. Ist eine solche Vorkenntnis nicht vorhanden, erklärt Alexander weiter, und fällt der Heiratende bei der Eheschließung einem Irrtum anheim - er nennt das Beispiel einer Adeligen, die einen „ gewöhnlichen“ Engländer heiratete, weil dieser behauptete königlichen Geschlechts zu sein -, so handele es sich um keinen error personae, sondern um einen einfachen error qualitatis. Es gehe in diesem Fall nicht um eine Eheschließung mit einer anderen Person als der eigentlich intendierten (eine solche ist dem Heiratenden unbekannt), sondern lediglich um eine Täuschung hinsichtlich einer Eigenschaft der Person, mit der die Ehe geschlossen wird; im genannten Beispiel ist es die Zugehörigkeit des Heiratspartners zur englischen Königsfamilie 32. Hugo von Saint-Cher formuliert als erster der hier untersuchten Sentenzenkommentatoren die Lehre, dass die eheannulierende Wirkung des error personae unter das Naturrecht falle und keine bloße Satzung des positiven Rechts sei.

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Unde in matrimonio carnali debet esse consensus absolutus; et quia in errore persone non est absolutus consensus in aliqua, propter hoc non est ibi consensus matrimonialis.“ Cf. ibid.: „[…] ille consensus non est absolutus ab extranea conditione; quamvis enim non sit conditio in verbis, tamen est in anima viri, qui non consentit in istam, nisi quia credit esse aliam.“ Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 8 und 15 sq.; Esmein, Le mariage (nt. 2), 314; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 61 sq.; Schermeier, Bestimmung (nt. 2), 59; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 21 sqq.; Madero, De la femme noble (nt. 2), 659. Alexander von Hales, Glossa, lib. IV, dist. 30 (nt. 25), 483: „Nota, ad hoc quod error personae dirimat matrimonium, quis sit error. Necessarium est quod aliquam notitiam habeat personae illius absentis, per visum vel per auditum vel per famam, quam credit esse istam praesentem. Unde, cum consentit in illam absentem, quam putat praesentem, non consentit in praesentem et sic non est matrimonium, quia in persona erratur. Persona autem est hic principalis circumstantia quam debet non ignorare. - Si vero mulier non habet notitiam de persona absente, non errat in ea, sed decipitur. Ut si aliquis Anglicus, veniens ad aliquam nobilem, dicat se esse de regio sanguine; si contrahit illa cum illo, non impeditur matrimonium. Decipitur enim in qualitate, non autem errat in persona.“ Die Notwendigkeit einer cognitio praevia als Voraussetzung eines error personae erwähnen auch Hugo von Saint-Cher, In Sententias, lib. IV, dist. 30 (nt. 25), fol. 177rb und Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 1 (nt. 25), 211 sq.

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Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Interpretation, die bereits früher in der Kanonistik bezeugt ist. Man begegnet ihr etwa bei Huguccio, Bernhard von Pavia sowie später bei Raimund von Penyafort 33. Grund sei, wie Hugo erklärt, dass dieser Irrtum ipso facto dem Ehekonsens als ehekonstituierendes Moment zuwiderläuft 34. Er möchte damit sagen: Wo sich die als Vertragspartner verstandenen Heiratspartner in der Person ihres Gegenübers irren, kann es gar nicht zu einer willentlichen Übereinkunft unter ihnen kommen, weil diese die beidseitige Kenntnis ihrer wahren Identität voraussetzt; dies aber ist keine Frage einer Satzung, sondern in der Natur des Vertragsverhältnisses selbst begründet. Gleich mehrere erwähnenswerte neue Rezeptionsbeiträge zum error personae enthält der Sentenzenkommentar Alberts des Großen, dem somit in der Rezeptionsgeschichte dieses gratianischen Irrtums in Sentenzenkommentaren eine herausragende Rolle zukommt. Bereits erwähnt wurde seine philosophische Erklärung, weshalb der Personenirrtum den Ehekonsens ausschließe: weil er sich auf den eigentlichen Gegenstand (materia) des Ehekonsenses beziehe und das Wesen der Ehe betreffe. Darüber hinaus behandelt Albert zwei interessante Spezialfragen, deren Sinn es ist, Gratians Lehre vom Personenirrtum weiter auszuloten und ihren exakten Geltungsbereich abzustecken. So erörtert er, erstens, die Frage, ob eine irrtümliche Ehe mit dem falschen Partner im Laufe der Zeit Gültigkeit erlangen könne; mit anderen Worten: ob der error personae als Ehenichtigkeitsgrund verjähren könne. Er führt dazu folgendes Beispiel an: Eine Frau lebt seit Jahren mit dem falschen Mann zusammen und hat sogar Kinder mit ihm. Erst dann erfährt sie von ihrem Irrtum und möchte zu jenem Partner übergehen, dem sie eigentlich ihren Ehekonsens erteilt hatte. Wäre es, fragt Albert, unter diesen Umständen nicht ein Übel sich von ihrem jetzigen, „faktischen“ Partner zu trennen? Anders gefragt: Wäre es nicht besser, ihre irrtümliche „Ehe“ würde in diesem Fall weiter bestehen 35? Alberts Antwort auf diesen Einwand ist eindeutig und unterstreicht noch einmal die Bedeutung, die er dem Ehekonsens als einziges ehekonstituierendes Moment beimisst: Falls die Eheschließung mit dem ersten Mann aufgrund einer tatsächlichen Konsensbekundung per verba de praesenti erfolgt ist, müsse sie sich von ihrem jetzigen Mann trennen, selbst 33

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Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 18; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 60; Franchetto, Error in persona“ (nt. 2), 22. Cf. Hugo von Saint-Cher, In Sententias, lib. IV, dist. 30 (nt. 25), fol. 177rb: „[…] et primo de errore persone qui ex sui natura, non ex institutione … matrimonialem (cod. naturalem) consensum excludit, quoniam qui errat non consentit. Unde si mulier aut uir errant in matrimonio contrahendo, nullus est consensus, qui solus facit nuptias.“ Zur Auffassung, dass der error personae die Ehe ex natura ausschließe cf. auch Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 2 (nt. 25), 212 sq. und Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), 946. Cf. Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 3 (nt. 25), 213: [Gegenargument] „Item, ponamus, quod illa quae erravit in persona, multis annis sederit cum eo, et post filiorum partus primo sciat, et poscat eum in quem consensit: videtur quod tunc grave sit recedere ab isto: ergo videtur, quod non semper error personae excludat consensum matrimonii.“

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wenn sie mit ihm mittlerweile Kinder habe, und mit dem ersten zusammengeführt werden 36. Alberts zweite Spezialfrage lotet Gratians und Petrus Lombardus’ Vergleich des error personae mit einem Irrtum im Kaufgegenstand weiter aus: Wie gesehen, hatte Gratian den error personae am Beispiel einer irrtümlichen Eheschließung einer Adeligen mit einem Unfreien - also mit einer Person niedrigeren gesellschaftlichen Ranges - exemplifiziert. Dabei hatte er die Ungültigkeit einer solchen irrtümlichen Mesalliance per analogiam mit dem gleichfalls ungültigen, irrtümlichen Erwerb von Messing - also eines Gegenstands minderer Qualität anstatt des vereinbarten Goldes begründet. Gratians Analogie aufgreifend wirft Albert die interessante Frage auf, ob eine irrtümliche Eheschließung mit einem zwar anderen, aber gleichrangigen Ehepartner gleichermaßen als ungültig zu betrachten sei. Schließlich könne, analog dazu, jemand, der anstatt eines bestimmten Goldstücks (aurum aliquod), ein anderes, gleichwertiges Goldstück erhalte (aliud aurum aequivalens), nicht behaupten, betrogen worden zu sein 37. Während bei Kaufgeschäften, so seine Antwort, eine Abfindung mit einem gleichwertigen Gegenstand (recompensatio equivalens) zulässig sei, sei im Falle der Ehe eine derartige „Entschädigung“ durch einen anderen, gleichrangigen Ehepartner nicht möglich. Albert versucht dies etwas vage mit dem Pauluswort „Eine Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt “ (I Kor. 7, 39; Röm. 7,2) zu begründen. Er will damit per Schriftbeweis belegt wissen, dass jemand zeitlebens nur an einen bestimmten Partner ehelich gebunden sein könne (denjenigen eben, auf den sich sein Ehekonsens bezogen hat) und dass eine Kompensation durch einen gleichwertigen „Ersatzpartner“ daher unzulässig sei 38. Erwähnt sei schließlich noch Alberts Neuinterpretation des von Gratian und Petrus Lombardus erörterten biblischen Musterbeispiels eines error personae: der irrtümlichen Ehe Leas und Jakobs. Diese wird in mehreren der Kommentare 36

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Cf. ibid.: [Antwort] „[…] dicendum, quod si consensit cum primo per verba de praesenti, secundus non potest esse vir eius, etiamsi liberos habeat per ipsum … et ideo debet separari ab eo, et reddi primo.“ (Die Antwort bezieht sich sowohl auf diese, als auch auf das angeführte, als auch auf das nächste Gegenargument, auf das hier allerdings nicht eingegangen werden soll.) Cf. ibid.: [Gegenargument] „Item, si aurum intendam emere aliquod, et alius exhibeat mihi aliud aurum aequivalens illi, non possum me dicere deceptum: ergo si mulier consentit in alicuius dignitatis et conditionis virum, et exhibeatur ei vir aeque bonae conditionis, videtur quod non potest dicere se esse deceptam: ergo nec matrimonium quod contraxit, impeditur.“ Cf. ibid., 214: [Antwort] „Ad aliud dicendum […] quod non est simile, quia in contractu emptionis et venditionis potest esse recompensatio per aequivalens: et hoc non potest esse in matrimonio: non enim aequivalentem pro suo recipere potest, quia illius alligata est legi, quanto tempore vir eius vivit, ut dicit Apostolus, I ad Corinth, VII, 39.“ Die Möglichkeit einer „Entschädigung“ durch einen gleichwertigen Ersatzpartner behandeln mit abweichender Beweisführung, aber demselben negativen Resultat auch Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 (nt. 25), 947 sowie Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 40vb und id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 372va. Nach Thomas und Durandus ist der Vergleich zwischen gleichwertigem Gold und einem gleichwertigen Partner ungültig, da dieses nur ein Zahlungsmittel, nicht aber der eigentliche Kaufgegenstand sei.

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behandelt, wobei die meisten Gratians oben vorgestellte Begründung variieren, weshalb sich trotz offenkundigen Personenirrtums und folglich ungültiger Ehe das biblische Paar in der Hochzeitsnacht nicht der Unzucht schuldig gemacht habe 39. Albert bietet dagegen einen alternativen Rechtfertigungsversuch Leas moralischer Integrität (auf Jakob geht er nicht ein, vermutlich weil ihm - genauso wie vor ihm bereits Wilhelm von Auxerre - sein auf Unwissenheit beruhendes Handeln moralisch unproblematisch erscheint): Obwohl, so Albert, Lea sehr wohl gewusst habe, dass es zu keinem Konsensaustausch zwischen ihr und Jakob gekommen sei und sie folglich nicht seine Ehefrau sei, habe sie persönlich nicht gesündigt, als sie mit Jakob ins Bett ging. Um diese eigentlich im Widerspruch zur Konsenslehre stehende Behauptung zu begründen, beruft sich Albert auf die Möglichkeit, die eigene Konsensbekundung durch einen Vermittler auszudrücken; dabei interpretiert er allerdings stillschweigend den Akt der Vermittlung der Konsensbekundung durch einen Dritten als deren Delegation an einen Dritten um. So kann er zu dem Schluss gelangen, dass Lea ihren für die Eheschließung erforderlichen Ehekonsens auf ihren Vater als Vermittler delegiert habe, weshalb allein ihm, und nicht ihr, die moralische Schuld für den Ehebetrug und ihren somit außerehelichen Geschlechtsverkehr zukomme 40. Einen besonders bemerkenswerten Rezeptionsbeitrag zur Lehre vom error personae enthält der Sentenzenkommentar Bonaventuras. Als einziger hier untersuchter Theologe beschreibt er näher, was bei einer irrtümlichen Eheschließung mit einer anderen Person eigentlich passiert - also eine Art „Phänomenologie“ des Personenirrtums: Bei einer Eheschließung mit einer falschen Person versuche der irrende Heiratspartner seinen Ehekonsens mit einer anderen Person auszutauschen, als mit der, die tatsächlich vor ihm steht. Damit komme es zu einer Divergenz zwischen der innerlich intendierten Person des Heiratspartners und der Person, die realiter vor ihm steht. Das eigentliche Problem bestehe darin, dass es dabei zu keinem beidseitigen Konsensaustausch kommen könne, der, wie gesehen, das eigentliche ehestiftende Moment bildet 41. Grund ist frei39

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Cf. Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, lib. IV, tract. 17, c. 5, q. 2, art. 1, ed. Ribaillier (nt. 25), 436; Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1 (nt. 25), 707 sq.; Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), 946; Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), 313; Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), fol. 181rb-va. Cf. Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 5 (nt. 25), 216: [Gegenargument] „Adhuc, sine consensu puellae non potest fieri matrimonium … et hoc bene scivit Lia, quod ipsa non fecerit: ergo scivit se non esse conjugem: ergo peccavit mortaliter se Jacob conjungendo“; ibid.: [Antwort ] „Ad hoc dicendum, quod Laban peccavit mortaliter, sed non Lia: quia consensus matrimonii non tantum fit per se, sed per alium mediatorem existentem, et ita per patrem ut mediatorem consentit Lia.“ Cf. Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1 (nt. 25), 707: „Si sit error circa personam, talis consensum tollit et matrimonium impedit. Quae enim consentit in aliquem, credens ipsum esse alium, secundum veritatem affectus eius coniungitur ei, de quo credit, et in eum consentit; et ideo non est ibi matrimonium, pro eo quod non est consensus mutuus. Ad hoc autem, quod sit error personae, necesse est, quod duplex persona occurat: una in aspectu interiori, altera in exteriori; et talis error facit consensum et voluntatem diverti ab eo qui exterius apparet, pro eo quod consensus omnis et voluntas aliquam sequitur cognitionem.“

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lich, dass dem irrenden Heiratspartner die von ihm innerlich intendierte Person seine Konsensbekundung nicht erwidern kann. Thomas von Aquin versucht den error personae bei der Ehe argumentativ von einem scheinbar analogen, anderen Personenirrtum abzugrenzen: den error personae bei der Taufe. Sein Ziel ist es, zu erklären, weshalb ersterer die Ehe ungültig mache, letzterer die Taufe dagegen nicht. Glaubt jemand, so sein Beispiel, Petrus zu taufen und tauft stattdessen Johannes, so bleibe diese Taufspendung nichtsdestotrotz gültig. Bei der Taufe sei es nämlich nicht direkt die Intention des Taufenden, die die Taufe bewirke, sondern das dabei verwendete materielle Element (elementum materiale), d. h. das Taufwasser. Durch die Intention des Taufenden werde dieses, die Taufe eigentlich bewirkende Element lediglich zur Wirkung gebracht. Dies sei der Grund, weshalb selbst eine irrtümliche Taufspendung einer anderen Person als der intendierten ihre Gültigkeit behalte. Dagegen werde das Eheband direkt durch den Ehekonsens (als intentionaler Akt) konstituiert. Ein Fehlen dieses Ehekonsenses, wie es beim Personenirrtum der Fall ist, lasse folglich die Ehe gar nicht erst entstehen 42. Auch Thomas erörtert die bereits von Albert diskutierte Frage nach einer möglichen Verjährung des Personenirrtums, wobei er Alberts Antwort um einen neuen Aspekt ergänzt: Genauso wie dieser, ist auch Thomas der Auffassung, dass ein error personae als Ehenichtigkeitsgrund nicht verjähren könne und dass eine auf einem solchen Irrtum beruhende Lebensgemeinschaft keine legitime Ehe sei. Allerdings könne dieser, wie er ergänzend zu Albert sagt, durch eine nachträgliche Konsensbekundung korrigiert werden und die uneheliche Lebensgemeinschaft dadurch in eine gültige Ehe umgewandelt werden 43. Am Ende des 13. Jahrhunderts greift die Frage nach der Korrigierbarkeit des Personenirrtums noch einmal Jean Quidort auf. Er fragt, ob der Papst eine irrtümlich geschlossene Ehe nachträglich durch einen Dispens legitimieren könne. Genau diese Meinung hätten, wie er behauptet, die Kanonisten Johannes 42

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Cf. Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), 946: [Gegenargument] „Praeterea, sicut consensus requiritur ad matrimonium, ita intentio requiritur ad Baptismum. Sed si aliquis baptizat Joannem, et credit baptizare Petrum, nihilominus Joannes vere baptizatus est. Ergo error non excludit matrimonium“; ibid.: [Antwort] „[…] dicendum, quod character baptismalis non causatur ex intentione baptizantis directe, sed ex elemento materiali exterius adhibito. Intentio autem operatur solum ut dirigens elementum materiale ad effectum proprium. Sed vinculum conjugale ex ipso consensu causatur directe; et ideo non est simile.“ Dasselbe Argument auch bei Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), 312 und Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1., art. 1 (nt. 25), fol. 181rb. Obwohl es Thomas hier nicht explizit sagt, setzt die nachträgliche Korrektur des Personenirrtums freilich voraus, dass die Heiratspartner - anders als in dem von Albert konstruierten Fall - nicht bereits durch eine vorangehende, auf beidseitigem Konsens beruhende Ehe mit einem anderen Partner gebunden sind; cf. Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 (nt. 25), 946: [Gegenargument] „Praeterea, potest contingere quod per multos annos isto errore detineantur, et filios et filias generent simul. Sed grave esset dicere, quod tunc essent dividendi “; ibid., 947: [Antwort] „[…] dicendum, quod quantumcumque fuerit cum ea, nisi de novo consentire velit, non est matrimonium.“

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Teutonicus und Bartholomaeus von Brescia vertreten. Nach Quidort ist dies nicht möglich und zwischen den irrtümlich Verheirateten bedürfe es auf jeden Fall einer neuen Konsensbekundung. Dafür sei aber ein päpstlicher Dispens nicht notwendig 44. Erwähnt sei schließlich noch ein Rezeptionsbeitrag zum error personae im Sentenzenkommentar des Durandus von Saint-Pourcœ ain. Dieser findet sich wortgleich sowohl in der sog. A- und B-Redaktion des Kommentars, die im Falle der uns hier interessierenden Quaestio ohnehin identisch sind, als auch in der sog. C-Redaktion. Durandus kehrt darin zu Thomas von Aquins Erklärung des Unterschieds zwischen einem Personenirrtum bei der Taufe und bei der Ehe zurück, wobei er diese auf interessante Weise reformuliert und vertieft: Ein Personenirrtum bei der Taufe, so Durandus, mache diese nicht ungültig, weil die Taufe ex opere operato, d. h. durch die Taufhandlung als solche, wirksam werde. Deshalb genüge zu ihrer Gültigkeit die alleinige Intention des Sakramentspenders sowie des Sakramentempfängers die Taufe zu spenden, bzw. sie zu empfangen. Ob sie sich dabei in der persönlichen Identität ihres Gegenübers irren, ist für die Wirksamkeit des Sakraments letztlich unerheblich, solange sie beide in ihrer Taufabsicht übereinstimmen. Dagegen sei die Ehe eine Form freiwilliger (gegenseitiger) Verpflichtung (obligatio) der Kontrahenten, die durch die beidseitige Einwilligung dazu wirksam werde. Daher genüge es zur Gültigkeit der Ehe nicht, dass die Heiratspartner nur in ihrer Absicht einen Ehevertrag zu schließen übereinstimmen. Da sie diesen Vertrag miteinander schließen, könne sich ihr beidseitiger Heiratswille nicht nur auf den Ehevertrag als solchen beziehen, sondern müsse auch die konkrete Person, mit der er geschlossen wird, umfassen 45. 2. Error qualitatis und error fortunae Eine Reihe erwähnenswerter Rezeptionsbeiträge findet sich in den untersuchten Sentenzenkommentaren auch in Bezug auf die zwei weiteren gratianischen Irrtümer über den Heiratspartner, den error qualitatis und den error fortunae. Wie gesehen, machen nach Gratian diese zwei Irrtümer die Ehe nicht ungültig eine Lehre, die er allerdings nicht rational begründet, sondern lediglich anhand von Analogien veranschaulicht. Petrus Lombardus, der Gratians Text in gekürz44

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Cf. Jean Quidort, In Sententias IV, dist. 30, q. un. (nt. 25), fol. 92vb: „Tamen Bartholomaeus et Johannes volunt quod papa potest dispensare in tali matrimonio, sed non credo nisi interueniat nouus consensus qui etiam sine papa faceret matrimonium.“ Cf. Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 40va: „Dicendum quod non est simile de baptismo et de matrimonio, quia baptismus habet efficaciam suam ex opere operato, propter quod sufficit ut baptizandus intendat baptizari, vel baptizans baptizare, set matrimonium est quedam obligatio uoluntaria contrahentium habens efficaciam ex consensu eorum, et ideo oportet quod consensus cadat super contrahentes in inuicem non solum super contractum ipsum.“ Dasselbe Argument in id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 372va.

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ter Form übernimmt, verzichtet sogar auf diese Analogien. Genau um diese rationale Begründung bemühen sich die Kommentatoren. Die Standardbegründung findet sich erstmals bei Albertus Magnus. Albert zufolge stellen der error qualitatis und der error fortunae keine Ehenichtigkeitsgründe dar, weil sie, anders als der error personae, den die Ehe begründenden Ehekonsens nicht in Bezug auf die Person als solche - und damit den eigentlichen Gegenstand der Konsensbekundung - ausschließen, sondern lediglich in Bezug auf eine akzidentelle und veränderbare Eigenschaft dieser Person wie etwa ihren Charakter oder ihre Vermögensverhältnisse 46. So sehr auch beispielsweise Armut die Ehe aufgrund ihrer hohen Kosten und der einzubringenden Mitgift beinträchtigen möge, so tangiere sie diese eben nicht wesenhaft. Sie betreffe nur, wie Albert formuliert, das bene esse der Ehe, nicht aber ihr esse 47. Petrus von Tarentaise wird in seinem Sentezenkommentar (1256-1259) dieselbe Begründung später prägnanter reformulieren: Der error fortunae und der error qualitatis haben deshalb keine ehehindernde Wirkung, weil sie nur Akzidenzien, nicht die Substanz der Ehe betreffen 48. Am Ende des 13. Jahrhunderts wird Jean Quidort diesen Unterschied mit einem einprägsamen Beispiel veranschaulichen: Beim error personae verhält es sich, wie wenn jemand einen Sack Gold kauft, und darin Silber findet; ein solcher Vertrag ist ungültig, weil es zu einer Änderung der Substanz des Vertragsgegenstandes gekommen ist. Dagegen verhält es sich beim error qualitatis und beim error fortune, wie wenn jemand einen Sack mit Gold kauft und darin zwar Gold, aber minderer Qualität findet. Ein solcher Vertrag ist gültig, da der Gegenstand des Vertrags - Gold - derselbe geblieben ist 49. 46

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Cf. Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 4 (nt. 25), 215: „[…] nullus error evacuat consensum matrimonii, nisi ille qui est circa rem illam super quam cadit consensus, sicut super materiam […] Et hoc patet expresse in errore personae. Sed […] non omnis error evacuat consensum matrimonii, nec facit consensum involuntarium de persona, sed de aliquo quod creditur in persona per accidens et mobiliter, sicut divitiae, bonitas et hujusmodi: et ideo cum non directe facit involuntarium consensum, non excludit matrimonium.“ Cf. ibid., 214: [Gegenargument] „Videtur quod etiam error fortunae consensum evacuet: quia multa sunt onera matrimonii, propter quod indiget dote et paraferrna: sed pauper haec onera sublevare non potest […]“; ibid., 215: [Antwort] „[…] dicendum quod illa [= fortuna] mobilis est circa personam, et ideo non excludit. Ad id autem quod contra obicitur, dicendum quod hoc fit ad bene esse matrimonii, et non ad esse.“ Cf. Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 (nt. 25), 313: „[…] in contractibus et sacramentis quaedam sunt substantialia, quaedam non. Defectus in substantialibus facit deficere contractum et sacramentum. Defectus in accidentalibus, non. Substantialia vero in sacramento matrimonii sunt duo, materia, scilicet personae contrahentes, et forma, scilicet coniunctio indiuisibilis contrahentium. Fortuna vero siue qualitas personarum contrahentium, accidentalia sunt […]“. Variationen derselben Begründung auch bei Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 (nt. 25), 947; Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 1 (nt. 25), fol. 181va; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 40va; id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 372vavb. Cf. Jean Quidort, In Sententias, lib. IV, dist. 30, q. un. (nt. 25), fol. 92vb: „[…] impediunt matrimonium […] Et hoc est quia consensus fit in personam, non in proprietatem fortune uel qualitatis, sicut si emerem aurum quod est in sacco et non esset ita bonum sicut credebam.

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3. Error nobilitatis Mehrere der hier untersuchten Kommentatoren diskutieren eine Sonderform eines Irrtums über den Heiratspartner, den sogenannten error nobilitatis bzw. error dignitatis. Gemeint ist der Irrtum eines Heiratspartners in Bezug auf die erwünschte bzw. angenommene, in Wirklichkeit aber fehlende Zugehörigkeit des anderen Heiratspartners zum Adelsstand, oder sogar zur Königsfamilie. Die Gewichtigkeit eines solchen Irrtums erschließt sich aus der Bedeutung der Standeszugehörigkeit und der Standesgrenzen in der hierarchisch strukturierten Gesellschaft des Mittelalters. Nach geteilter Auffassung der Autoren kann sich ein solcher Irrtum umstandsbedingt entweder wie ein einfacher error qualitatis, ohne Auswirkungen auf die Gültigkeit der Ehe, oder wie ein error personae, mit eheauflösender Wirkung, verhalten. Dabei entwickeln die Autoren unterschiedliche Antworten, wann welcher der beiden Fälle eintritt. Ihre diesbezüglichen Ausführungen bilden somit einen Rezeptionsbeitrag zu beiden gratianischen Irrtumsformen. Aufgrund ihrer Nachwirkung bis in das moderne Kirchenrecht, stellen sie den bislang einzigen näher untersuchten Aspekt der Rezeption von Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner in mittelalterlichen Sentenzenkommentaren dar. Dies gilt insbesondere für die Lehre vom error nobilitatis bei Thomas von Aquin, über deren Interpretation sich die Forschung bis heute nicht einig ist 50. Den Ausgangspunkt ihrer Erörterungen zum error nobilitatis bilden die Sentenzen des Petrus Lombardus selbst, wo dieser Irrtum freilich noch nicht als solcher bezeichnet wird. Dieser hatte, wie gesehen, die Lehre vom error personae mit dem etwas uneindeutigen Beispiel eines Mannes illustriert, der eine Ehe mit einer Adeligen angestrebt hatte, stattdessen aber irrtümlicherweise eine andere, nichtadelige Frau heiratete. Dabei hatte er allerdings nicht hinreichend klargemacht, worin genau der Personenirrtum dieses Mannes bestanden habe: darin, irrtümlicherweise eine andere Frau als die beabsichtigte Adelige geheiratet zu haben, oder bereits darin, anstatt der gewünschten Adeligen eine Nicht-Adelige bekommen zu haben. Mit ihren Ausführungen zum error nobilitatis knüpfen die Sentenzenkommentatoren an bereits ältere Diskussionen in der Kanonistik an. Noch ohne den Begriff error nobilitatis zu verwenden, hatten bereits im 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert mehrere Kanonisten im Rahmen ihrer Erörterungen

50

Tamen ex quo aurum inuenio, tenet emptio. Sed si invenirem argentum, non teneret, quia facta erit mutatio circa rei substantiam.“ Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 18 sqq.; L. Wolf, Der Irrtum über eine Eigenschaft der Person als Ehenichtigkeitsgrund, Ein Beitrag zur Interpretation von c. 1097 § 2 des CIC, St. Ottilien 1990, 5 sqq.; U. Navarrete, Error in persona, in: Id. (ed.), Errore e simulazione nel matrimonio canonico (= Periodica 87 [1998]), Roma 1999, 169-219, bes. 193-196 und 216; M. Hilbert, Error in qualitate personae (C. 1097 § 2), in: ibid., 221-260, bes. 232236; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 65-75; Schermeier, Bestimmung (nt. 2), 61-65; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 24-29.

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des error personae den Fall einer Frau diskutiert, die irrtümlicherweise einen Mann heiratete, der sich vor ihr fälschlicherweise als der - zumeist englische Königssohn ausgab. Variationen dieses Beispiel findet man etwa bei Stephan von Tournai, Huguccio, Bernhard von Pavia, Raimund von Penyafort sowie bei Hostiensis 51. Von den hier untersuchten Sentenzenkommentatoren gehen zwar auf das Problem des error nobilitatis sowie auf die Frage, wann sich dieser wie ein error personae und wann dagegen wie ein einfacher error qualitatis verhalte, bereits Alexander von Hales und Hugo von Saint-Cher ein. Allerdings tun sie es nur beiläufig - in Form eines exemplum im Rahmen ihrer oben vorgestellten Erörterung der Voraussetzungen des error personae - und ohne die Bezeichnung error nobilitatis zu gebrauchen. Der erste Kommentator der ,Sentenzen‘, der das Problem des error nobilitatis explizit und gezielt erörtert, ist Bonaventura. Er greift dabei auf die schon von Alexander und Hugo erarbeitete Lösung zurück 52, die sich ihrerseits bereits früher bei den Kanonisten Huguccio und Bernhard von Pavia sowie später bei Raimund von Penyafort und Hostiensis findet 53. Nach Bonaventura bildet das Unterscheidungskriterium, wann sich ein error nobilitatis wie ein error personae und wann dagegen wie ein einfacher error qualitatis verhält, das Vorhandensein, bzw. die Abwesenheit einer Vorkenntnis des eigentlich gewünschten Heiratspartners. Bonaventura erläutert den Unterschied am Beispiel einer Frau, die irrtümlicherweise glaubt, der vor ihr stehende Heiratspartner sei der Sohn des englischen Königs. Wenn sie den englischen Königsohn als Person kennt - etwa weil sie ihn gesehen oder von ihm gehört hat -, so hat ihr Irrtum bei der Eheschließung den Charakter eines error personae, weil sie dabei ihren Ehekonsens einer anderen Person, als derjenigen, die gerade vor ihr steht erteilt, eben dem englischen Königssohn. Wenn sie dagegen bei der Eheschließung den englischen Königssohn als Person nicht kennt, sondern dabei lediglich an die Königswürde denkt und diese Eigenschaft irrtümlicherweise der vor ihr stehenden Person zuschreibt, dann handelt es sich um einen einfachen Eigenschaftsirrtum und die Ehe steht (Bonaventura verwendet statt dem üblichen error qualitatis den Ausdruck error proprietatis) 54. In diesem Fall richtet sich ihr Ehekonsens nicht 51

52 53

54

Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 6-18; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 56-65 und 75-78; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 20-23, Madero, De la femme noble (nt. 2), 658-666. Cf. supra nt. 32. Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 11 und 15; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 62 und 77; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 21 sqq. Cf. Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1 (nt. 25), 708: [Gegenargument] „Iuxta hoc quaeritur […] utrum error nobilitatis impediat matrimonium. Videtur enim quod non, cum sit error qualitatis; oppositum autem dicit Magister in littera.“, ibid.: [Antwort] „Quod vero quaeritur de nobilitate, dicendum, quod circa nobilitatem contingit errare dupliciter, ut patet per exemplum. Mulier enim, quae credit, hunc quem videt, esse filium regis Angliae, dupliciter potest errare: aut enim cognoscit personam filii regis Angliae visu, vel auditu; et tunc in veritate consentit in illum, quia de illo cogitat; et tunc est error personae, et non est matrimonium. Aut personam eius non cognoscit, sed solum cogitat dignitatem et credit, hunc quem videt, habere illam dignitatem et nobilitatem; et tunc non consentit nisi in hunc, et est error proprietatis, non

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auf eine andere Person, sondern sie erteilt ihren Konsens der vor ihr stehenden Person, wobei sie ihr nur irrtümlich eine ihr fehlende Eigenschaft („Sohn des englischen Königs“) zuschreibt. Auch Thomas von Aquin übernimmt die Auffassung, dass sich der error nobilitatis entweder wie ein error personae, oder wie ein error qualitatis verhalten könne, präzisiert sie aber näher: der Irrtum über die (fehlende) Adelszugehörigkeit bzw. gesellschaftliche Würdestellung des Heiratspartners (error nobilitatis vel dignitatis) verhalte sich „an sich“ (inquantum huiusmodi) „ genauso wie“ (eadem ratione) ein error qualitatis, er könne aber in einen error personae, so wörtlich, „umschlagen“ (redundat in errorem personae). Wann ein solcher Fall eintritt, erklärt Thomas folgendermaßen: Richte sich der Ehekonsens des irrenden Partners direkt (directe) auf die Person (in istam personam), die er irrtümlicherweise für adelig hält, so mache dieser Irrtum die Eheschließung nicht ungültig; in diesem Fall handelt es sich um einen einfachen error qualitatis. Beabsichtige dagegen eine Frau directe ihren Ehekonsens einem Königssohn zu erteilen, wer auch immer dieser sein mag (directe intendit consentire in filium regis, quicumque sit ille), und werde ihr dann ein anderer als der Königssohn zugeführt (alius praesentetur ei quam filius regis), handle es sich um einen error personae und die Ehe ist hinfällig 55. Die Passage ist in ihrer Formulierung nicht ganz eindeutig und kann, wie in der jüngeren Forschung mehrfach betont worden ist, auf zweifache Weise interpretiert werden. Ihre Interpretation hängt vor allem davon ab, wie man den Satz „intendit consentire in filium regis“ versteht: als Absicht einen bestimmten Königssohn zu heiraten, oder einfach „einen“ Königssohn 56. Nach der ersten Interpretation hat die Frau, die in Thomas’ Beispiel einen filius regis heiraten möchte, einen bestimmten, „individualisierten“ Königssohn im Blick. Sie kennt ihn allerdings noch nicht persönlich und ihre Heiratsabsicht richtet sich folglich auf ihn nur in seiner Eigenschaft als filius regis. Heiratet sie anschließend irrtümlicherweise jemanden, der nicht dieser gewünschte Königssohn ist, so hat ihr Irrtum den Charakter eines error personae. Grund ist, dass sie in diesem Fall ihren Ehekonsens einer anderen physischen Person erteilt, als der eigentlich beabsichtigten. Richtet sich dagegen ihr Ehekonsens auf eine ihr bereits bekannte Person, die sie irrtümlicherweise für einen Königssohn hält (d. h. der sie irrtümlicherweise die Eigenschaft „Königssohn“ zuschreibt, ohne aber an einen

55

56

substantiae.“ Zu Bonaventuras Lehre cf. Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 72 sq.; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 26 sq. Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 (nt. 25), 947: „[…] error nobilitatis, inquantum hujusmodi, non evacuat matrimonium eadem ratione qua nec error qualitatis. Sed si error nobilitatis vel dignitatis redundat in errorem personae, tunc impedit matrimonium; unde si consensus mulieris feratur in istam personam directe, error de nobilitate ipsius non impedit matrimonium. Si autem directe intendit consentire in filium regis, quicumque sit ille, tunc si alius praesentetur ei quam filius regis, est error personae, et impedietur matrimonium.“ Cf. Wolf, Irrtum (nt. 50), 6 sq.; Navarrete, Error in persona (nt. 49), 193 sq.; Hilbert, Error in qualitate personae (nt. 50), 417 sq.; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 67 sq.; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 25.

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anderen, bestimmten Königssohn zu denken), so hat ihr error nobilitatis lediglich den Charakter eines einfachen error qualitatis. Sie irrt sich in diesem Fall nämlich nicht in der Person des Heiratspartners als solcher, sondern nur in einer ihrer Eigenschaften („Königssohn“). Dagegen hat nach der zweiten möglichen Interpretation die in Thomas’ Beispiel genannte Frau keinen konkreten (individualisierten) Königssohn im Sinn, sondern möchte allgemein „einen“ Königssohn heiraten. Das Kriterium, ob ihr error nobilitatis in einen error personae umschlägt, liegt bei dieser Thomas-Interpretation in der Intensität und Vorrangigkeit, mit der sie die Eigenschaft „Königssohn“ bei ihrem Heiratspartner anstrebt. Ist ihr Wille so sehr darauf ausgerichtet, einen Königssohn zu heiraten, dass für sie diese Eigenschaft zum beherrschenden Definitionsmerkmal ihres Heiratspartners wird und mit ihm als Person gewissermaßen ineinsfällt, so wird, wenn sie irrtümlicherweise keinen Königssohn heiratet, ihr error nobilitatis zu einem error personae. Sie heiratet nämlich in diesem Fall de facto eine andere Person, als die, auf die sich ihr Heiratswille und ihr Heiratskonsens bezogen haben. Diese Interpretation fußt vor allem auf der Formulierung des Aquinaten „si directe intendit consentire in filium regis quicumque sit ille“, die hier im Sinne einer vorrangigen Ausrichtung des Willens auf die Ehe mit „irgendeinem“ Königssohn verstanden wird. Richtet sich dagegen der Heiratswille der Frau, die irrtümlicherweise einen Königssohn zu heiraten glaubt, auf die Person qua Person und nicht nur qua Königssohn, so hat ihr Irrtum den Charakter eines einfachen error qualitatis. Historisch hat die erste mögliche Interpretation von Thomas’ Lehre ihren einflussreichsten Vertreter in Thomas Sanche´z gefunden (ó 1610), der dadurch maßgeblich das Kirchenrecht bis ins 20. Jahrhundert beeinflusst hat. Dagegen hat die zweite mögliche Deutung ihren wichtigsten Gewährsmann in Alfons von Liguori (ó 1787) 57. Von den meisten modernen Autoren wird diese entweder vorbehaltlos, oder zumindest tendenziell bevorzugt 58. Obwohl beide Interpretationen Anhaltspunkte in Thomas’ Text haben, erscheint die erste als plausibler. Thomas’ Lehre vom error nobilitatis ist nämlich am ehesten auf dem Hintergrund der Praxis mittelalterlicher dynastischer Heiraten zu verstehen. Diese erfolgten üblicherweise so, dass eine Tochter einer bestimmten Königs-, bzw. Adelsfamilie zur Heirat mit einem Sohn einer anderen Adels-, bzw. Königsfamilie bestimmt wurde - ein dynastisches Heiratsprojekt, dem sie sich mehr oder weniger freiwillig zu fügen hatte. Dabei kannte sie, aufgrund geographischer Entfernungen, ihren künftigen Ehemann bis zur Hochzeit oftmals nicht persönlich, sondern wusste meistens nur, sie würde die57

58

Zur Rezeption Thomas von Aquins Lehre im Spätmittelalter und in der Neuzeit bis zum CIC 1917 cf. vor allem Wolf, Irrtum (nt. 50), 7-27; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 73-177, Franchetto, Error in persona (nt. 2), 28-63. Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 18 sq.; Wolf, Irrtum (nt. 50), 7; Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 56-71, 173; Navarrete, Error in Persona (nt. 50), 216; Schermeier, Bestimmung (nt. 2), 62 sq.

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sen oder jenen Sohn einer bestimmten Königsfamilie heiraten. 59 Es ist klar, dass sich in dieser Situation ihre Heiratsabsicht nicht auf diesen Königssohn qua konkrete und bekannte Person beziehen konnte, sondern sich auf ihn nur in seiner Eigenschaft als Königssohn bezog. (Als konkrete, physische Person kannte sie den zu heiratenden Königssohn noch gar nicht.) Gerade diese Situation scheint Thomas vor Augen zu haben, wenn er vom Heiratswillen der Frau (intendit consentire) spricht, der sich nicht direkt (directe) auf die Person, sondern auf den Königssohn bezieht. Wäre ihr dann ein anderer Mann als dieser Königssohn geschickt worden und hätte sie mit ihm eine Ehe geschlossen in der irrtümlichen Annahme, es handle sich um den von ihr erwarteten Königssohn, so wäre eine solche Eheschließung gemäß der Lehre vom error personae ungültig gewesen. Genau diesen - freilich eher hypothetischen als jemals realen - Fall scheint Thomas anzusprechen, wenn er sagt: „si alius presentetur ei quam filius regis, est error personae et impedietur matrimonium“. Das Ausschlaggebende, was in diesem Fall den error nobilitatis dieser Frau zu einem, ihre Eheschließung ungültig machenden error personae gemacht hätte, wäre dabei nicht die besondere Intensität und Vorrangigkeit ihrer Absicht gewesen, „einen“ Königssohn zu heiraten. Vielmehr wäre es das einfache Faktum gewesen, dass sie anstatt des Königssohnes, der für sie bestimmt worden war und dem eigentlich ihr Ehekonsens gegolten hatte, einen anderen Mann bekommen hatte 60. So verstanden, stellt Thomas’ Lehre vom error nobilitatis eigentlich nichts anderes als eine Variante der oben vorgestellten Lehre Bonaventuras dar. So wie bei Bonaventura der error nobilitatis dann einen error personae bildet, wenn sich der Ehekonsens des irrenden Partners auf eine andere physische Person (Sohn des englischen Königs) als auf die vor ihm stehende richtet (wozu es freilich wenigstens einer minimalen Kenntnis dieser anderen Person bedarf), so schlägt bei Thomas der error nobilitatis dann in einen error personae um, wenn sich der Ehekonsens der irrenden Partei auf die Person eines - wie auch immer vage bekannten - Königssohns richtet und ihr stattdessen eine andere unterschoben 59

60

Zur dynastischen Heiratspraxis im lateinischen Mittelalter cf. e.g. J. Bumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, München 81997, 534-540; oder zusammenfassend W. Prevenier/Th. de Hemptinne, Art. Ehe. Ehe in der Gesellschaft des Mittelalters, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 3, Stuttgart-Weimar 1999, coll. 1635-1640, bes. 1636 sq. Die Gültigkeit dieser Interpretation hängt freilich davon ab, wie man Thomas’ Formulierung „si directe intendit consentire in filium regis quicumque sit ille“ liest. Wie bereits erwähnt, neigt die moderne Forschung dazu, diese Formulierung im Sinne eines vorrangigen Strebens nach der Eheschließung mit „irgendeinem“ Königssohn zu lesen und damit als Hauptbeleg für die oben vorgestellte zweite Interpretation von Thomas’ Lehre. In Wirklichkeit scheint Thomas mit dieser Formulierung nicht eine vorrangig-primäre Intention der Frau „irgendeinen“ Königssohn zu heiraten zu meinen, sondern einfach das Objekt zu benennen, auf das sich der Heiratswille dieser Frau directe - hier nicht im Sinne von „vorrangig“, sondern einfach im Sinne von „unmittelbar“ - bezieht: ein bislang persönlich zwar unbekannter, dennoch bestimmter Königssohn. Dieser Interpretation entspricht auch der im vorangehenden Satz erwähnte erste Fall, bei dem sich nach Thomas der Ehekonsens dagegen directe auf die Person als solche bezieht. Auch hier scheint Thomas nur sagen zu wollen, dass sich der Ehekonsens der Frau „unmittelbar“ (nicht „vorrangig“ oder „besonders intensiv“) auf diese Person richtet.

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wird. In beiden Fällen ist es die Divergenz zwischen der eigentlich im Ehekonsens intendierten Person des Königssohns und der anderen Person, die irrtümlicherweise für diesen gehalten wird, die den error nobilitatis zu einem error personae werden lässt. Dieser Interpretation der thomasischen Lehre vom error nobilitatis entspricht übrigens auch die Konstruktion dieses Irrtums im - von Thomas eindeutig abhängigen - Sentenzenkommentar des Petrus von Tarentaise. Um zu erklären, wann sich ein error nobilitatis wie ein error personae und wann wie ein error qualitatis verhält, verwendet Petrus folgendes, einprägsames Wortspiel: Zu einem error nobilitatis, so Petrus, könne es auf zweifache Weise kommen: Entweder beziehe sich der Irrtum auf den Träger oder das Subjekt der Adeligkeit (subiectum nobilitatis); in diesem Fall handle es sich um einen error personae und die Ehe ist ungültig. Ein solcher Fall trete beispielsweise dann ein, wenn jemandem eine ihm persönlich unbekannte Königstochter (filia regis) zur Frau versprochen wurde und ihm stattdessen eine einfache Bauerntochter (filia rustici) unterschoben wird. Oder beziehe sich der Irrtum auf die Adeligkeit des Subjekts (nobilitas subiecti). Dies trete dann ein, wenn jemand seinen Ehekonsens einer ihm bereits persönlich bekannten Person erteilt, die er irrtümlicherweise für adelig hält. In diesem Fall handelt es sich um einen error qualitatis und die Ehe steht 61. Zu Thomas’ Lehre vom error nobilitatis sei abschließend noch folgendes angemerkt: In der modernen Forschung wird stillschweigend davon ausgegangen, dass sich nach Thomas jeder error qualitatis wie ein error nobilitatis verhalten könne, d. h., dass er unter bestimmten Umständen in einen error personae umschlagen könne. Deshalb wird Thomas’ Lehre vom error nobilitatis in der Forschung zumeist als Lehre vom error qualitatis redundans bezeichnet. In Wirklichkeit scheint Thomas den error nobilitatis als eine spezifische, mit dem error qualitatis zwar verwandte, aber nicht gleichzusetzende Sonderform eines Irrtums über den Heiratspartner betrachtet zu haben - eine Sonderform, deren Relevanz und Berechtigung sich, wie bereits erwähnt, aus der Bedeutung der Standeszugehörigkeit und der Standesgrenzen in der mittelalterlichen Gesellschaft ergeben. Er sagt zwar, dass sich der error nobilitatis „an sich“ (inquantum huiusmodi) „ genauso wie“ (eadem ratione) ein error qualitatis verhalte, nicht aber, dass er mit diesem identisch sei. Die Gleichsetzung von Thomas’ error nobilitatis samt seiner spezifischen Fähigkeit in einen Personenirrtum umzuschlagen mit einem error qualitatis scheint in Wirklichkeit erst eine spätere Entwicklung zu sein, die sich bei Thomas selbst so noch nicht findet 62. 61

62

Cf. Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 (nt. 25), 313: „Error nobilitatis dupliciter potest contingere, aut quia erratur circa subiectum nobilitatis, et hic est error personae et impedit matrimonium, ut si cui promittatur filia Regis, quam non cognoscit, et supponatur filia rustici, aut quia erratur circa nobilitatem subiecti, et hic est error qualitatis, nec impedit matrimonium, ut si quis consentiat in personam sibi notam, quia credit eam nobilem, cum sit ignobilis.“ Dieselbe Unterscheidung zwischen einem error circa subiectum nobilitatis und einem error circa nobilitatem subiecti auch bei Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1., art. 2 (nt. 25), fol. 181va-vb. Zu Richardus’ Lehre cf. Zvolensky´, Error qualitatis (nt. 2), 73 sqq.; Franchetto, Error in persona (nt. 2), 28 sq. Als zusätzliches Ex-silentio-Argument lässt sich anführen, dass Thomas nirgends die Möglichkeit erwägt, dass sich auch andere Eigenschaftsirrtümer, wie etwa der error fortunae, oder ein Irrtum hinsichtlich der Schönheit des Heiratspartners in einen error personae verwandeln könnten.

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4. Error conditionis Auf die Rezeption des letzten der vier gratianischen Irrtümer über den Heiratspartner, den error conditionis, d. h. die irrtümliche Eheschließung eines Freien mit einem Unfreien, kann hier aus Platzgründen nur noch summarisch eingegangen werden. Nach Gratian und Petrus Lombardus stellt auch dieser Irrtum einen Ehenichtigkeitsgrund dar, genauso wie der error personae, wofür sie allerdings keinen Grund anführen, sondern sich lediglich auf zwei Synodenentscheidungen der Karolingerzeit berufen. Genau diese fehlende Begründung versuchen die untersuchten Theologen nachzuliefern. Sie stehen dabei vor einer zweifachen Herausforderung: Die erste besteht darin, plausibel zu machen, dass sich der error conditionis grundsätzlich vom error qualitatis und error fortunae unterscheidet - die ja die Ehe nicht ungültig machen. Dies ist umso schwieriger, als für sie die eheauflösende Wirkung des error conditionis im Unterschied zum error personae nicht unter das Naturrecht fällt, sondern nur eine - wiewohl naturrechtskonforme - Satzung des positiven Rechts darstellt - eine Lehre, die sie mit den Kanonisten teilen 63. Nach den meisten Autoren stellt der error conditionis deshalb einen Ehenichtigkeitsgrund dar, weil er die volle Übertragung der Verfügungsgewalt über den eigenen Körper an den Ehepartner ausschließt. Damit aber tangiert er, wie Thomas, Petrus von Tarentaise, Richardus von Mediavilla und Durandus eigens hervorheben, ein weiteres Wesenselement der Ehe. Das, worauf die Autoren hier rekurrieren, ist die Lehre vom sogenannten ius in corpus. Nach dieser Lehre erteilen sich die Heiratspartner durch die Eheschließung gegenseitig ein Verfügungsrecht über ihre Körper. Dieses besteht darin, vom Ehepartner die ,Ehepflicht ‘ einfordern zu können und umfasst zugleich die Verpflichtung ihm diese auf Verlangen leisten zu müssen. Gerade dieses Verfügungsrecht sei aber, so das von den Kommentatoren in verschiedenen Variationen vorgebrachte Argument, bei der irrtümlichen Eheschließung mit einem unfreien Partner nicht gewährleistet. Der Körper des Unfreien unterliege nämlich nicht seiner eigenen Verfügungsgewalt, sondern der seines Herrn. Der servus könne diese also dem Freien

63

Zum error conditionis als (naturrechtskonforme) Satzung des positiven Rechts cf. Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, lib. IV, tract. 17, c. 5, q. 2, art. 2 (nt. 25), 436-442; Hugo von SaintCher, In Sententias, lib. IV, dist. 36, fol. 184vb; Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 36, art. 2-3 (nt. 25), 370 sqq.; Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 36, q. 1, art. 1 (nt. 25), 995; Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 36, q. 1, a. 1 (nt. 25), 352; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 36, q. 1 (nt. 25), fol. 148ra; id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 36, q. 1, fol. 381rb. Bei Petrus von Tarentaise und Durandus findet sich der Gedanke, dass der error conditionis eine naturrechtskonforme Satzung des positiven Rechts darstellt, nur implizit ausgedrückt, in der Formulierung „ex naturali equitate provisum est ut error conditionis impediat matrimonium“; zu dieser Lehre in der Kanonistik cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 34; Zvolensky´, Error qualitatis dans causam (nt. 2), 60.

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nicht übertragen und ihm seinen Körper nicht uneingeschränkt zu Verfügung stellen, weil ihm dieser gar nicht gehört 64. Andere Autoren versuchen dagegen den eheannulierenden Charakter des error conditionis mit der augustinischen Lehre von den drei Ehegütern (bona matrimonii) - fides (Treue), proles (Nachwuchs), sacramentum (hier: Unauflösbarkeit der Ehe) - zu begründen. Durch die Heirat mit einem Unfreien werde, so ihr Argument, die Verwirklichung dieser drei Ehegüter behindert. Erstmals von Bonaventura und Petrus von Tarentaise verwendet, findet sich dieses Argument am ausführlichsten bei Richardus von Mediavilla und Durandus ausformuliert: Nach Richardus beinträchtige die Ehe mit einer unfreien Frau das Gut der Treue (fides), weil diese ihrem freien Mann nicht immer auf sein Verlangen hin die Ehepflicht leisten könne, da sie möglicherweise in dieser Zeit ihrem Herrn dienen müsse (was zu Untreue seitens des Mannes führen könne). Ebenso behindere eine solche Ehe die Verwirklichung des bonum prolis, weil der aus einer solchen Ehe hervorgegangene Nachwuchs nicht ihm, dem Vater, sondern dem Herrn der Unfreien unterstehen werde (eam non habebit in sua potestate). Schließlich behindere der error conditionis das Gut der Unauflösbarkeit der Ehe (sacramentum), weil der Herr die unfreie Frau (irgendwohin) verkaufen könne (wodurch die Ehe de facto aufgelöst werde) 65. 64

65

Cf. Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, lib. IV, tract. 17, c. 5, q. 2, art. 2 (nt. 25), 438; Hugo von Saint-Cher, In Sententias, lib. IV, dist. 36, fol. 184vb; Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, art. 2 und dist. 36, a. 1 (nt. 25), 947 und 994; Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 30, q. 1, a. 2 und dist. 36, q. 1, art. 1 (nt. 25), 313 und 352 (nach Petrus tangiert der error conditionis das Wesen der Ehe dadurch, dass er die Unauflösbarkeit der Ehe beeinträchtigt. Grund sei, dass der Herr den Sklaven in ein anderes Land verkaufen könne, was - und hier kommt das ius in corpus ins Spiel - dazu führe, dass der verkaufte Sklave seinem freien Partner die Ehepflicht nicht leisten könne); Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 30, q. 1., art. 2 (nt. 25), fol. 181vb; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. f. 40va-vb; id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 372va-vb. Eine Sonderlehre vertritt Albert, der den error conditionis als eine Spielart des error personae darzustellen versucht. Nach Albert bildet der gesellschaftliche Stand (conditio) einen „unbeweglichen“ (immobilis) Bestandteil der Person, weshalb ein error conditionis zugleich ein error personae sei; cf. Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 30, art. 4 (nt. 25), 215: „[…] quia conditio immobilis est circa personam, ideo impossibile est ut idem ingenuus sit et servus: et ideo quando consentitur in ingenuum, et exhibetur servus, non est tantum error conditionis, sed etiam personae: et ideo isti duo errores evacuant matrimonium“; ibid.: „[…] Dicendum quod error conditionis implicat errorem personae […].“ Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 36, art. 1, q. 1. (nt. 25), fol. 201ra: „[…] tali errore leditur contrahens lesione nimis enormi in bonis matrimonii. Leditur enim in bono prolis in hoc quod eam non habebit in sua potestate, in bono fidei quia mulier non poterit ei debitum reddere libere quia forte illo tempore quo vir vellet ab ea debitum petere, dominus suus posset eam in aliquo negocio occupare, et in bono sacramenti, idest in cohabitationis inseparabilitate quia dominus ancille posset eam vendere […].“ Cf. Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, dist. 36, art. 1, q. 2 (nt. 25), 793; Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 36, q. 1, art. 1 (nt. 25), 352; Jean Quidort, In Sententias, lib. IV, dist. 30, q. un. (nt. 25), fol. 92vb; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 36, q. 1 (nt. 25), fol. 148ra; id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 36, q. 1 (nt. 25), fol. 381rb.

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Die zweite Herausforderung besteht für die Autoren darin, zu erklären, weshalb nur eine irrtümliche Eheschließung mit einem Unfreien die Ehe ungültig mache, nicht aber eine freiwillige - eine solche galt ja, wie gesehen, als möglich und gültig. Die meisten Sentenzenkommentatoren variieren hierzu ein Argument, welches sich in knapper Form auch schon früher bei einigen Kanonisten findet (Huguccio, Raimund von Penyafort) 66: Heiratet ein Freier bewusst eine Unfreie, nimmt er die vorgenannten negativen Auswirkungen freiwillig in Kauf. Die Kirche habe deshalb den error conditionis zu einem Ehenichtigkeitsgrund erhoben, weil damit verhindert werden solle, dass dem Freien ohne eigenes Verschulden Schaden zugefügt werde. Damit habe sie, wie einige präzisieren, nur die naturrechtliche Maxime auf die Ehe angewendet, der zufolge niemand unbegründet bestraft werden dürfe 67. Genau dies, der Schutz des freien Partners vor gesellschaftlichem Schaden, ist auch der Grund, weshalb nach mehreren Sentenzenkommentatoren der error conditionis nur dann die Nichtigkeit der Ehe bewirkt, wenn der Irrtum auf der Seite des Freien liegt - auch dies eine Lehre, die ihre Vorläufer in der Kanonistik hat. Ist es dagegen der Unfreie, der irrtümlicherweise einen Freien heiratet (oder einen anderen Unfreien, in der Annahme es sei ein Freier), ist die Ehe gültig 68. Abschließend sei noch ein letzter Rezeptionsbeitrag zum error conditionis erwähnt: Während alle älteren Kommentatoren der Sentenzen im Zusammenhang mit diesem Irrtum undifferenziert von einer irrtümlichen Eheschließung eines Freien mit einer „Unfreien“ - servus, serva - sprechen, präzisiert als einziger von ihnen Durandus von Saint-Pourcœ ain, welche Form von servitus vorliegen müsse, um den Tatbestand error conditionis zu erfüllen. Seine Lehre, die sich nur in der letzten Fassung seines Kommentars (C-Redaktion) findet, ist freilich nicht schlechthin neu, sondern rekurriert auf eine Unterscheidung die bereits im 12. Jahrhundert in der Kanonistik, etwa bei Bernhard von Pavia und Huguccio auftaucht 69. Nach Durandus müsse zwischen zwei Kategorien von Unfreien 66

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Cf. Thaner, Die literar-geschichtliche Entwicklung (nt. 2), 34; Zvolensky´, Error qualitatis dans causam (nt. 2), 60. Cf. Wilhelm von Auxerre, Summa Aurea, lib. IV, tract. 17, c. 5, q. 2 (nt. 25), 441; Hugo von Saint-Cher, In Sententias, lib. IV, dist. 36 (nt. 25), fol. 184vb; Albertus Magnus, Commentarii in IV. Sententiarum, dist. 36, art. 2 (nt. 25), 370; Bonaventura, In quartum librum Sententiarum, dist. 36, art. 1, q. 2 (nt. 25), 793 sq.; Thomas von Aquin, Commentum in quartum librum Sententiarum, dist. 36, q. 1, art. 1 (nt. 25), 994 sq.; Petrus von Tarentaise, In IV. librum Sententiarum, dist. 36, q. 1, art. 1 (nt. 25), 352; Durandus von Saint-Pourcœ ain, In quartum Sententiarum [Red. A/B], dist. 36, q. 1 (nt. 25), fol. 148ra; id., In Petri Lombardi Sententias [Red. C], d. 36, q. 1 (nt. 25), fol. 381ra-rb. Cf. Alexander von Hales, Glossa, lib. IV, dist. 30 (nt. 25), 484; Hugo von Saint-Cher, In Sententias, lib. IV, dist. 30, fol. 177rb-va; Richardus von Mediavilla, In quartum Sententiarum, dist. 36, art. 1, q. 1 (nt. 25), fol. 101ra; Jean Quidort, In Sententias, lib. IV, dist. 30 (nt. 25), fol. 92vb. Cf. auch Albertus Magnus, Bonaventura, Thomas von Aquin, Petrus von Tarentaise, Durandus von Saint-Pourcœ ain (jeweilige Belegstellen wie nt. 67); zu dieser Lehre in der Kanonistik cf. Esmein, Le mariage (nt. 2), 332 sq. Cf. Esmein, Le mariage (nt. 2), 334.

Die Falsche geheiratet? Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner

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unterschieden werden, den sog. servi simpliciter - was dem modernen Begriff „Sklave“ am nächsten kommen dürfte - und den sog. homines de corpore - was sich als Leibeigene übersetzen lässt. Nur die ersten seien wirklich ein Eigentum ihres Herrn, der sie als ein solches - wörtlich - „bis ans Ende der Welt schicken, und dort verkaufen könne“. Dagegen seien die zweiten keine servi im eigentlichen Sinne des Wortes, obwohl auch sie gewissen rechtlichen Einschränkungen für Unfreie unterlägen: so könnten sie ohne die Erlaubnis ihres Herren keine Kleriker oder Mönche werden und ihr Besitz könne diesem nach ihrem Tod verfallen. Wie Durandus betont, sei nur eine irrtümliche Eheschließung eines Freien mit einem servus simpliciter ungültig, eben weil sie potentiell den freien Partner auf Dauer oder langfristig um die Geschlechtsgemeinschaft (societas thori) mit seinem unfreien Gegenüber berauben könne. Dagegen bleibe im Falle einer irrtümlichen Eheschließung eines Freien mit einem einfachen homo de corpore die Ehe bestehen 70. III. Schluss Die Falsche geheiratet? Im 12. Jahrhundert hatte Gratian in seinem ,Decretum‘ die Lehre vom vierfachen Irrtum über den Heiratspartner formuliert: error personae, error conditionis, error qualitatis, error fortunae. Den Ausgangspunkt und historischen Hintergrund dieser Lehre hatte das im Früh- und Hochmittelalter gesellschaftlich sowie rechtlich brisante Problem der Gültigkeit irrtümlicher und unwillkürlicher Eheschließungen von Freien mit Unfreien gebildet. Wie er mit Zuhilfenahme römischen Vertragsrechts und in Rückgriff auf karolingische Gesetzgebung darzulegen versuchte, machten nur die zwei erstgenannten Irrtümer den Ehekonsens unwirksam und somit die Eheschließung ungültig, die anderen zwei dagegen nicht. Petrus Lombardus übernahm diese Lehre bald nach ihrer Entstehung nahezu wörtlich in seinem einflussreichen Sentenzenbuch, womit er sie in die damalige Theologie einbrachte. Dabei ergänzte er sie, wenn auch nur andeutungsweise, um eine weitere, im Kontext der vormodernen Ständegesellschaft besonders gewichtige Form eines Irrtums über den Heiratspartner, den Irrtum hinsichtlich seiner (fehlenden) Adelszugehörigkeit. 70

Durandus von Saint-Pourcœ ain, In Petri Lombardi Sententias [Red. C], dist. 30, q. 1 (nt. 25), fol. 372vb: „[…] hoc autem intelligendum est de illis qui sunt simpliciter serui uel serue, sicut sunt emptitii, uel uernaculi (id est in seruitute nati) tales enim sunt res domini sui, nec acquirunt aliquid sibi, sed domino. Et domini possunt eos uendere tamquam res suas: talis enim seruitus ignorata ab alio coniuge libero nimis est in lesionem iuris quod habere deberet unus coniugum in alterum ratione matrimonii. Potest enim dominus talem seruum mittere ad extremas partes mundi et ibi eum uendere, et sic coniunx libera frustraretur societate thori simpliciter uel ad maximum tempus. Sunt autem alii qui non sunt simpliciter serui, quamuis (quasi uis ed.) habeant aliquas conditiones seruiles, uidelicet quod non possunt recipere tonsuram clericalem, uel ordines sine licentia domini sui: et quando moriuntur, domini habent bona eorum mobilia et immobilia in toto uel in determinata parte, et tales uocantur homines de corpore, et debent potius dici conditionati quam serui, et ignorantia talis conditionis non impedit matrimonium contrahendum, nec dirimit contractum.“

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Ziel der vorliegenden Studie war es, anhand von zehn ausgewählten Sentenzenkommentaren des 13. und frühen 14. Jahrhunderts die bislang weitgehend unerforschte Rezeption von Gratians Lehre in der mittelalterlichen Theologie aufzuarbeiten. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Rezeption des error personae als dem paradigmatischsten der vier gratianischen Irrtümer sowie auf dem sogenannten error nobilitatis als einer auf Petrus Lombardus zurückgehenden Sonderform zwischen einem Eigenschafts- und einem Personenirrtum. Wie gezeigt werden konnte, umfasste die Rezeption der gratianischen Lehre in den untersuchten Sentenzekommentaren mehrere Elemente. So galt das Bemühen der Kommentatoren insbesondere dem Versuch einer tieferen rationalen Begründung, weshalb von den vier gratianischen Irrtümern nur der error personae und der error conditionis den freiwilligen Ehekonsens ausschließe - eine Auffassung, die Gratian und Petrus Lombardus selbst nur unzureichend begründet hatten. Beginnend mit Albert und Thomas versuchten die meisten Autoren diesen Sachverhalt mit dem Argument zu begründen, dass der error personae und der error conditionis zwei Wesenselemente des Ehevertrags tangiere: die Personen der Heiratspartner selbst sowie ihr beidseitiges Recht auf Geschlechtsgemeinschaft miteinander; dagegen berührten der error qualitatis und der error fortunae nur Akzidenzien der Ehe. Als einziger der Autoren unternahm Wilhelm von Auxerre den zusätzlichen Versuch, Gratians Lehre von der eheauflösenden Wirkung des error personae vom Sakramentscharakter der Ehe abzuleiten und sie so auf eine genuin theologische Grundlage zu stellen. Ein weiteres Bemühen der Sentenzenkommentatoren war es, Gratians Lehre weiter auszuloten, ihren genauen Geltungsbereich und Geltungsbedingungen zu bestimmen und sie von anderen, vermeintlich analogen Irrtümern argumentativ abzugrenzen. So spezifizierten einige von ihnen im Rückgriff auf ältere kanonistische Lehre, dass es für das Zustandekommen eines error personae einer wenigstens minimalen Vorkenntnis des eigentlich gewünschten Heiratspartners bedürfe. Beginnend mit Albertus Magnus erörterten andere die Möglichkeit einer Verjährung und Korrigierbarkeit des error personae, ja sogar die Möglichkeit seiner Dispensierbarkeit vonseiten des Papstes ( Jean Quidort). Gratians Vergleich von Ehe- mit Kaufverträgen weiterdenkend ging Albert der Frage nach, ob bei Gleichwertigkeit des irrtümlich geheirateten Partners mit dem eigentlich Beabsichtigten, die irrtümlich geschlossene Ehe nicht als gültig betrachtet werden sollte, eine Position, die er kategorisch verneinte. Bonaventura versuchte zu erläutern, was bei einer Eheschließung mit dem falschen Partner passiert und so den Mechanismus des error personae zu erklären. Thomas von Aquin, Durandus von Saint-Pourcœ ain und andere gingen auf den Unterschied zwischen einem error personae bei der Ehe und dem vermeintlich analogen Personenirrtum bei der Taufe ein und versuchten zu erklären, weshalb ersterer die Ehe ungültig mache, letzterer die Taufe nicht. Auf ältere kanonistische Lehre rekurrierend präzisierte Durandus von Saint-Pourcœ ain, dass sich der error conditionis nur auf „Sklaven“, servi simpliciter, nicht aber auf einfache „Leibeigene“, homines de corpore, beziehe.

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Mehrere der Autoren befassten sich außerdem mit einer Sonderform eines Irrtums über den Heiratspartner, den sogenannten error nobilititatis - also den auch in der damaligen Kanonistik diskutierten Irrtum über die (fehlende) Zugehörigkeit des Heiratspartners zu einer Adels- bzw. Königsfamilie. Sie vertraten dabei alle dieselbe Ansicht, dass sich dieser Irrtum je nach Umständen entweder wie error qualitatis ohne ehehindernde Wirkung, oder wie ein error personae mit eheauflösender Wirkung verhalten könne. Dabei lieferten sie allerdings jeweils unterschiedliche Erklärungen, wann welcher der beiden Fälle eintrete. Entgegen einer in der modernen Forschung tendenziell bevorzugten, auf Alfons von Liguori zurückgehenden Deutung scheint für Thomas von Aquin das Kriterium, wann ein error nobilitatis in einen error personae umschlägt, nicht in der Intensität und Vorrangigkeit gelegen zu haben, mit der eine Frau bei ihrem Heiratspartner die erwünschte, aber fehlende Eigenschaft „Königssohn“ angestrebt hatte. Vielmehr lag für ihn dieses Kriterium einfach darin, ob sich der Ehekonsens dieser Frau auf dieselbe oder auf eine andere physische Person (den persönlich unbekannten Königssohn) bezogen hatte. Jedenfalls scheint diese traditionelle Interpretation von Thomas’ Lehre besser der damaligen Praxis dynastischer Hochzeiten zu entsprechen und ist so auch von ihrem unmittelbaren Rezipienten Petrus von Tarentaise verstanden und rezipiert worden. Gratian und seine mittelalterlichen Rezipienten haben mit ihrer Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner eine Figur geschaffen, die bis heute im Kirchenrecht nachwirkt. So enthält der bereits eingangs erwähnte Kanon 1097 des geltenden Codex iuris canonici von 1983 folgenden Bestimmung, deren Grundlage in der Lehre Gratians und seiner mittelalterlichen Interpreten unverkennbar ist: § 1: Der Irrtum in der Person macht die Ehe ungültig. § 2: Der Irrtum über eine Eigenschaft der Person, selbst wenn sie die Ursache des Ehevertrags darstellt, macht die Ehe nicht ungültig, außer diese Eigenschaft wird unmittelbar und vorrangig (directe et principaliter) angestrebt 71. Letzterer Nebensatz hat seinen Ursprung in der Lehre des Thomas von Aquin vom error nobilitatis, genauer gesagt: in ihrer, auf Alfons von Liguori zurückgehenden, spezifischen Interpretation. Der alte Codex von 1917 kannte zusätzlich noch den error conditionis als Ehenichtigkeitsgrund, und zwar mit der von Durandus sowie von einigen Kanonisten eingeführten Einschränkung, dass dies nur bei Sklaverei im wahren Sinne des Wortes gelte (servitus proprie dicta) 72. Dieser wurde allerdings bei der Kodexreform von 1983 ausgelassen. Paradoxer71

72

Codex Iuris Canonici, lib. IV, pars 1, can. 1097 (nt. 1), 193: „§ 1. Error in persona invalidum reddit matrimonium, § 2. Error in qualitate personae, etsi det causam contractui, matrimonium irritum non reddit, nisi haec qualitas directe et principaliter intendatur.“ Codex Iuris Canonici 1917, lib. III, tit. VII, cap. 4, can. 1083, URL: *http://www.codex-iuriscanonici.de/index_cic17_lat.htm+ (Stand: 21. 09. 2017): „§ 1. Error circa personam invalidum reddit matrimonium. § 2. Error circa qualitatem personae, etsi det causam contractui, matrimonium irritat tantum: 1∞ Si error qualitatis redundet in error personae, 2∞ Si persona libera matrimonium contrahat cum persona quam liberam putat, cum contra sit serva, servitute proprie dicta.“

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weise verschwand damit genau jene Form von Irrtum über den Heiratspartner aus dem Kirchenrecht, die den ursprünglichen „Sitz im Leben“ und die eigentliche causa efficiens von Gratians Lehre gebildet hatte.

“Ex instructione manualium […] ex vera ratione.” Correction of Liturgical Errors in the Late Middle Ages Andrew J. M. Irving (Groningen) “Many priests, even if they had taught [or, learnt] the office of the mass in one way, would go about celebrating it in another.” 1 So begins rather abruptly Henry of Langenstein’s late-fourteenth-century treatise, the ‘Tractatus de modo procedendi in missa’, commonly entitled the ‘Secreta sacerdotum’. Henry continues, “Their ignorance should not, therefore, be imputed to them, since they have learned hardly anything from their manuals. For this reason, I shall write down in order certain ways of celebrating the mass that I have seen that I do not like […] so that of the two paths the reader of this document might walk along the one more pleasing to 1

München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 18552a, foll. 197r-205r (hereafter, M), at fol. 197r: “Sacerdotes plures circa officium misse aliter procederent etsi aliter docuissent.” Two manuscripts of the text were consulted: M (fifteenth-century; provenance: Tegernsee), and Praha, Na´rodnı´ knihovna Cˇeske´ republiky, XX.A.16 (formerly, Admont, Stiftsbibliothek, Cod. 335), URL: *http://v2.manuscriptorium.com/apps/main/en/index.php?request=show_tei_digidoc&docId =set04052430+ (last access on December 31, 2016), foll. 16v-22v. Early printed editions all derive from the fifteenth-century edition of Michael Lochmair, who appears to have altered little of Langenstein’s text; printed editions consulted: ed. Johann Froschauer, Augsburg 1497 (GW 12248), URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0003/bsb00039424/images/+ (last access on December 31, 2016); and ed. Hieronymus Höltzel, Nuremberg 1507 (VD16 H 2138), URL *http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00010071/image_1+ (last access on December 31, 2016). In registers of Langenstein’s works, the incipit is recorded slightly differently: “Sacerdotes plures circa officium missae aliter procederent si aliter didicissent ”; cf. T. Hohmann, Initienregister der Werke Heinrichs von Langenstein, in: Traditio 32 (1976), 399-426, at 417 (nr. 207); K. J. Heilig, Kritische Studien zum Schrifttum der beiden Heinriche von Hessen, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 11 (1932), 105176, at 153 sq. Adolph Franz, referring to the work, concludes the incipit in accord with the manuscript tradition: “et si aliter docuissent”, but appends “[für didicissent ]”: id., Die Messe im deutschen Mittelalter: Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens, Freiburg i. Br. 1902, 520, nt 4. This variant appears, however, in none of the versions I have consulted. While the meaning “they had learnt” would seem to make more sense here than “they had taught” (whom did many priests teach about the celebration of the mass?), emendation of the textual tradition may not, in fact, be necessary since in late medieval Latin docere can be employed to mean “to learn”; cf. B. Löfstedt, Notizen eines Latinisten zu Luthers Predigten, ˚ rsbok of Vetenskaps-Societeten i Lund (1985), 24-42, at 31; P. Stotz, Handbuch zur in: A lateinischen Sprache des Mittelalters, vol. 2: Bedeutungswandel und Wortbildung (Handbuch der Altertumswissenschaft II/5,2), München 2005, 146 (§ 74, 5); H. Antony (ed.), Mittellateinische Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert, vol. 3: D-E, München 2007, col. 912.

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him; some base their ways on the teaching of manuals, but the rest (and this is more commendable) base them on true reason” 2

This essay shall explore exactly what the university theologian and administrator Henry of Langenstein (1327-1397) might have had in mind when he referred to these two paths 3. This is not quite as neat a dichotomy as truth and falsehood. Error is not named as such by the author, and at the outset Henry seems at least somewhat reticent to criticize overtly the liturgical practices of priests whom he has observed. Nevertheless, the implication of ritual error holds: we are left to understand that it is because priests hardly learn anything at all from their manuals that they celebrate the mass in a way that surely they would not choose if only they knew better, and Henry is only too willing, of course, to show them another path. Deficit on the one hand and benefit on the other are quietly but firmly implied when Henry wryly suggests that the choice between the two paths is entirely that of his reader. But Henry’s irenic (or perhaps ironic) tone can hardly mask three questions that underlie the complicated matter of manifold ritual practices and the methods, means, and execution of ritual training for late medieval priests: What is it that priests are doing wrong? What is wrong with the manuals? And how are these questions to be adjudicated? In the first section of this paper, we shall consider some examples of the sort of thing that Henry may have had in mind when he used of the term “manuale”, and the methods with which these texts sought to furnish priests who were anxious to avoid, correct, or adequately and appropriately cope with errors in the celebration of Eucharist. In the second section, we shall turn to Henry’s own concerns and methods as they are articulated in his short treatise, the ‘Secreta sacerdotum’. I. When attempting to understand what Henry might have meant by the term “manuale”, it would seem, at first, obvious to turn to the liturgical handbooks that styled themselves manualia as such. As least early as the twelfth century, this 2

3

M, fol. 197r: “ideo non est eis imputandum quod nesciunt, quia a suis manualibus minime didicerunt. Unde per ordinem scribam quosdam modos quos vidi mihi displicentes […] ut visis duabus viis hanc que magis placet lectori huius cartule gradiatur. Habent enim quidam ex instructione manualium, ceteri vero, quod laudabilius est, ex vera ratione.” For Henry’s life, cf. G. Kreuzer, Heinrich von Langenstein: Studien zur Biographie und zu den Schismatraktaten unter besonderer Berücksichtigung der Epistola pacis und der Epistola concilii pacis, Paderborn 1987, 47-149; T. Hohmann/G. Kreuzer, Heinrich von Langenstein, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon, vol. 3, Berlin-New York 21981, 763-773; F. Vandenbroucke, Henri de Langenstein, in: Dictionnaire de spiritualite´ asce´tique et mystique, vol. 7/1, Paris 1969, 215-219; O. Hartwig, Henricus de Langenstein dictus de Hassia: Zwei Untersuchungen über das Leben und die Schriften Heinrichs von Langenstein, Marburg 1857.

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term was employed to refer to, among other things, a book that could be held in the hand of the celebrant or his attendant during the celebration of a number of liturgical rituals 4. The manuals contained in varying orders the rubrics, prayer texts, and chants for catechetical rites, baptisms, nuptial blessings, the visitation and anointing of the sick and dying, burials, and various other blessings and pastoral liturgies. The content of the manuale was not limited to occasional rites, however. The fourteenth-fifteenth century ‘Manuale ad usum sacerdotis hebdomedarii’, formerly belonging to the Carthusian community of St. Michael near Mainz 5, contains, for example, antiphons, short readings, and prayers for use in the regular cycle of weekly liturgical celebrations throughout the year. Not infrequently, such handbooks included material relating to the celebration of the mass, including votive mass propers, prefaces, and the Eucharistic Canon (though not, usually, the full cycle of propers). Indeed, a comment on the word “manuale” by the anonymous glossator to Eberhard of Be´thune’s grammatical poem Graecismus suggests that for this fifteenth-century commentator at least the term was even primarily associated with Eucharistic celebrations: “inde ‘manuale’ idem est quod ‘missale’ quia in manuale omnia que sunt necessaria ad missam celebrandam ad manum et promptitudinem habentur.” 6 The growth of this genre in the fourteenth and fifteenth centuries does not imply a single source, nor anything like textual uniformity. While such manuals often reflected in some wise the custom of the cathedral church of the diocese for which they were produced 7, even within a diocese they were highly variable 4

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6

7

Cf. C. Du Fresne Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis, edd. P. Carpentier/J. C. Adelung/G. A. L. Henschel, Paris 21883-1887, at 237. For an early use of the term “manuale” to describe a book held during ritual performance, cf. the twelfth-century Liber ordinis Sancti Victoris Parisiensis, 67 (De unctione infirmorum), edd. L. Jocque´/L. Milis (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 61), Turnhout 1984, 258: “Post haec abbas, exutus cappa, suscipiet stolam ab armario et ipse armarius tenet manuale”; and 68 (De fratre moriente), 262 and 264: “Sacrista uero abbati deferat stolam et manuale […] Finito tamen psalmo quem inceperant, tunc abbas resumat stolam et, aspergens corpus aqua benedicta et turificans, dicat pro eo, quod manuale docet.” A similar reference is preserved in the thirteenth-century Benedictine Eynsham Customary: The Customary of the Benedictine Abbey of Eynsham in Oxfordshire, ed. A. Grandsen (Corpus Consuetudinum Monasticarum 2), Siegburg 1963, 176,12. A number of English diocesan statutes from the second half of the thirteenth century make it a duty of parishioners to furnish their churches with a manual: cf. A. J. Collins, Manuale ad usum percelebris ecclesie sarisburiensis (Henry Bradshaw Society 91), Chichester 1960, viii, nt 10. Mainz, Wissenschaftliche Stadtbibliothek, Hs I 123; cf. G. List/G. Powitz, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz, vol. 1, Wiesbaden 1990, 218 sqq., URL: *http://www.manuscriptamediaevalia.de/dokumente/html/hsk0088+ (last access on December 31, 2016). Glosa super ‘Graecismum’ Eberhardi Bethuniensis, 2 (de vitis), 2.9 (Acrylogia), ed. A. Grondeux (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 225), Turnhout 2010, 162. Cf. for example: Manuale secundum usum Rothomagensem [Rouen] preserved in Rouen, Bibliothe`que Jacques Villon, Ms. 380 (s. XIV); Manuale secundum usum Ebroicensem ordinatum [E´vreux], Rouen, Bibliothe`que Jacques Villon, Ms. 381 (s. XV); Manuale secundum usum Andegavensem [Angers] preserved in Angers, Bibliothe`que municipale, Ms. 83 (s. XV), URL: *http://bvmm.irht.cnrs.fr/consult/consult.php?COMPOSITION_ID=3196&corpus=manuscrit+ (last accessed on December 31, 2016).

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in their organization, scope, and in the selection or, at times, versions of texts they contained. For this very reason, the manuscript tradition of manualia has proven difficult to edit. Incunable and early printed editions do, however, supply some insight into the kind of instruction that such a manual might be supposed to have offered a parish priest. We may take as a widely disseminated and wellknown example of the genre, the ‘Manuale ad usum percelebris ecclesie sarisburiensis’, the ‘Sarum Manual’ 8. It must be conceded at the outset that if this is the kind of text that Henry had in mind, the celebrant of the mass would indeed learn “minime” about what displeasing methods he should avoid in the celebration of the mass. Rubrical material that would guide the celebrant in the way in which to celebrate the Eucharist comprises only the slenderest section of the work, and in these few pages beyond the provision of texts necessary for the execution of the rite, instruction is limited to succinct, and rather matter-of-fact rubrics: when to make inclinations and signs of the cross, when to raise the host and the chalice, how to hold one’s hands and fingers, ritual kissings, the fraction, the peace, the communion, and the ablutions. The rubrics are, for the most part, positive: that is, they instruct the celebrant what to do, and do not countenance that in practice these instructions may not, for some reason (whether deliberately, negligently, or otherwise), be in fact carried out. In three instances, however, rubrics of the ‘Sarum Manual’ do supply evidence of variant practices, which are mentioned only in order to be sharply condemned. The first concerns the way in which the priest is to elevate the host at the words “Qui pridie” shortly before the consecration 9. The rubric specifies that the priest should elevate the as-yet unconsecrated host “a little” (parumper), for the reason that if he should raise it to such a height that the people standing behind him could see it, as some “silly” (fatui ) priests do, the people would commit idolatry by adoring a simple piece of bread as though it were the Body of Christ: “et in hoc peccant”. The wording of the explanatory rubric seems to derive from William of Pagula’s Oculus Sacerdotis, a compendious handbook for parish priests composed in England sometime between 1320 and 1328 10, and thus it constitutes a useful example of the excerption and recycling of pastoral literature in the body of rubrics copied into ritual handbooks for liturgical performance. The theological thrust of the interjection is almost a commonplace however: in the context of a silently recited Canon, the potential for this incorrectly performed liturgical gesture to be misunderstood and thereby to induce 8

9 10

Cf. the comparative edition of A. J. Collins, Manuale ad usum percelebris ecclesie sarisburiensis (nt. 4) [= Manuale sarum], 81-97. Manuale sarum (nt. 4), 85. Cf. L. E. Boyle, The ‘Oculus Sacerdotis’ and Some other Works of William of Pagula: The Alexander Prize Essay, in: Transactions of the Royal Historical Society, 5th series, 5 (1955), 81110. The text as a whole lacks an edition; the passage in question is reproduced from London, British Library, Royal MS 6 E I, fol. 58r in: J. Wickham Legg, Tracts on the Mass (Henry Bradshaw Society 27), London 1904, 270.

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the grave sin of idolatry in unsuspecting congregants is a matter of enduring and serious concern in nearly all of the texts we shall treat in this essay. A second rubric 11, also seemingly edited from the ‘Oculus Sacerdotis’, provides a rather more detailed instruction about something that should not be done by priests in the celebration of the mass. Apparently, certain “silly” men were touching the host in the manner of breaking it (modo fractionis) before saying the consecratory formula “Hoc est enim corpus meum”. They did so in order to replicate, so they maintained, the order of the narrative itself, in which Christ first breaks the bread before handing it to his disciples saying, “This is my Body”. The rubric goes on to say that, according to these priests, the Church herself seems to err in failing to maintain the ritual order of the Gospel narrative: “aliter facit ecclesia quam christus fecit: et sic ecclesia videtur errare et per consequens delinquit.” To such an exceptionally detailed explanation both of what not to do, and, to the reasons priests give as a kind of objection, for doing it, is provided a peremptory scholastic response in the midst of the Canon: “Solutio. Dicendum est quod ecclesia non delinquit.” Although the word order may seem different in the gospel narrative, the text goes on to explain, in fact Christ broke the bread after the consecration and blessing: end of discussion. The ritual correction to the Church’s purported error is resolved by the demonstration that the would-be correctors have themselves made an error by misunderstanding the meaning (if not the word order) of the text. The third negative admonition appears between the priest’s private prayers of adoration of the consecrated host and the priest’s communion 12. It warns the celebrant to keep from dragging out the celebration at this point (“a nimia prolixitate tractandi ”), on account of certain people’s “whirling” thoughts. It is not clear whether it is the celebrant’s or the congregation’s lack of concentration that is the cause for concern; in any case, the priest should meditate on the Christological mysteries (the incarnation, nativity, passion, and death of Jesus Christ) and on the power of the sacrament, and forthwith receive the consecrated elements. The three brief allusions to ritual behaviors to be avoided are each errors in the proper execution of the Eucharistic rite, and, more precisely, errors of commission. But each differ in the reason why they are to be avoided: in the first instance, the problem is a potentially harmful misunderstanding on the part of observers of the ritual gesture; in the second, a misunderstanding on the part of the ritual celebrant; and in the third, the human potential for wandering thoughts. While examples of this sort of liturgical manuale entitled as such survive from England, Flanders, Germany, and northern France, where Henry received his

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Manuale Sarum (nt. 4), 86. Manuale Sarum (nt. 4), 93.

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academic training and began his teaching and administrative career 13, the term seems to be less commonly employed for this kind of book in the German speaking regions where Henry concluded his ministry 14. This should give us some pause in assuming that it is to this type of liturgical book that the author of the ‘Secreta sacerdotum’ is referring. We might be closer to the mark in turning to the handbooks that also styled themselves “manuale”, but whose contents suggest an understanding of that term that drew more on the venerable tradition of enchiridia that aim to guide the general comportment of their readers’ lives than on those that cater for the exigencies of liturgical performance. Guidance concerning proper (and improper) behavior during the celebration of the mass, would naturally comprise a useful component of these increasingly popular little volumes intended as useful compendia of counsel for the day-today and occasional duties of the late-medieval parish priest 15. Rich material in this regard is found in the wildly popular ‘Manuale parochialium sacerdotum’, which received no fewer than eighteen printed editions before the turn of the sixteenth century 16. This anonymous treatise begins rather 13

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A relatively early record of a manual in Flanders is found in in the treasure inventory of OnzeLieve-Vrouwekerk in Bruges prepared in 1115 under the auspices of Provost Reinfried: “Manuales [sic] I” is listed; edition: Mittelalterliche Schatzverzeichnisse, vol. 1, ed. Zentralinstitut für Kunstgeschichte in collaboration with B. Bischoff (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München 4), München 1967, 25,11. In a survey of the volumes of edited surviving medieval book catalogues and treasure inventories from Austria and Germany and Switzerland the term “manuale” in this liturgical sense scarcely turns up at all. For useful introductions to this genre cf. L.E. Boyle, The Fourth Lateran Council and Manuals of Popular Theology, in: T. J. Heffernan (ed.), The Popular Literature of Medieval England (Tennessee Studies in Literature 28), Knoxville 1985, 30-43; P. A. Dykema, Handbooks for Pastors: Late Medieval Manuals for Parish Priests and Conrad Porta’s Pastorale Lutheri (1582), in: R. J. Bast/A. C. Gow (eds.), Continuity and Change: The Harvest of Late Medieval and Reformation History. Essays Presented to Heiko A. Oberman on this 70th Birthday, LeidenBoston-Köln 2000, 143-162, at esp. 144-147; and P. A. Dykema, Conflicting Expectations: Parish Priests in Late Medieval Germany, PhD Dissertation, University of Arizona 1998, URL: *http://hdl.handle.net/10150/282607+ (last accessed, December 31, 2016), 142-167, 224246. The most extensive discussion of the work, which has largely escaped the attention of scholarship, is found in Dykema, Conflicting Expectations (nt. 15), 197-223. The precise date and origin of the treatise as a whole is yet to be determined, but on the basis of internal evidence, Peter Dykema has posited that it “could have been written as early as the mid-thirteenth century”; cf. Dykema, Handbooks for Pastors (nt. 15), 147, nt. 15, and id., Conflicting Expectations (nt. 15), 200, nt. 7. Later printings suggest a concentration in the ecclesiastical province of Mainz, but whether the text was originally composed in Germany remains unclear; cf. id., Conflicting Expectations (nt. 15), 199, nt. 6. For a complete list of editions (1485-1499), cf. the Gesamtkatalog der Wiegendrucke, URL: *http://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/ MANUALE.htm+ (last accessed on December 31, 2016). A manuscript copy of the work dated 1499 is preserved in Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 4758. The edition consulted for this essay is that printed in Strasbourg c. 1485 (GW number: M20703; ISTC number: im00217000). For digital images of this edition from the copy preserved in the Bayerische Staatsbibliothek (BSB-Ink M-136), cf. URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0007/ bsb00070928/images/+ (last accessed on December 31, 2016).

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forebodingly with an excerpt without attribution from certain mandata sinodalia found elsewhere at least as early as the mid-fourteenth century 17. “Since, on account of the ignorance of certain simple priests sometimes there are things that can incline to the harm of their own and others souls, we draw their attention to the following in brief […] so that they may be informed in a straightforward way about what they must do.” 18

As Peter Dykema has succinctly put it, “the one major point” of the work is “to convey to the priest: Do it this way!” 19 The fourth chapter of the short work, treating the celebration of the Eucharist (“De sacramento altaris”), expresses a familiar concern about premature elevation of the host 20, but, as might be expected, the chapter includes a good deal more besides. Some time is spent discussing what the celebrant should do if he discovered that the chalice has been incorrectly prepared: if there is wine, but the celebrant forgot to add the water as required by the rite; or there is only water in the chalice, but no wine; or if there is neither wine nor water in the chalice. These are errors all of preparation and of omission. The problem of what to do if the properly prepared wine was found not to be in the chalice during the course of the celebration of the Eucharist exercised a great deal of priestly manualist writing and was occasioned perhaps by the custom of someone other than the priest celebrant preparing the chalice before the beginning of the celebration of the mass itself, or at some other point earlier in the celebration than offertory rituals 21. Detailed solutions are provided for the celebrant concerning where precisely to recommence the ritual text, and when to add the elements according to the moment that the priest discovers the problem, because this moment entails significant sacramental implications for what precisely one is dealing with. Unforeseen mishaps are also taken into account in the work. If, in the middle of reciting the Eucharistic Canon, the celebrant should suffer a nosebleed, he should mark the passage he was in the course of reciting with wax, stop the flow of blood with his hands, wash them in silence, and return precisely to the 17

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Cf. e.g. Paris, Bibliothe`que nationale de France, Latin 995, fol. 90r; catalogue URL: *http://ccfr.bnf.fr/portailccfr/jsp/index_view_direct_anonymous.jsp?record=eadbam:EADC: NE0059387_FRBNFEAD00006256349060+ (last accessed on 31 December, 2016). Manuale sacerdotum parochalium, [prologue]: “Quoniam ex quorundam simplicium ignorantia sacerdotum, aliquando quedam sunt que vergere possunt in suarum et aliorum periculum animarum, hoc eis sub brevitate notavimus … ut his que agere debent simpliciter informentur”, URL: *http://daten.digitalesammlungen.de/bsb00070928/image_7+ (last accessed on 31 December, 2016). Dykema, Conflicting Expectations (nt. 15), 198 sq. Cf. Manuale sacerdotum parochalium, 4: “Qui postquam hostiam super altare acceperit eam in altum non eleuet donec dixerit. ‘Hoc est enim corpus meum’ ”, URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/ bsb00070928/image_12+ (last accessed on December 31, 2016). Cf. H. B. Meyer, Luther und die Messe: Eine liturgiewissenschaftliche Untersuchung über das Verhältnis Luthers zum Meßwesen des späten Mittelalters (Konfessionskundliche und Kontroverstheologische Studien 11), Paderborn 1965, 136.

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marked place in the Canon - unless, that is, blood has spattered on his vestments or the altar linens, in which case they must be changed. If all of this takes too long, then another priest can take over at the carefully marked spot 22. If a spider or fly should fall into the chalice the consumption of which might cause vomiting or physical harm, the priest should consume the wine and then, as part of the ablutions, wash the creature with wine and drink the washings 23. Afterwards, the creature should be extracted and burnt in the sacrarium. If the consecrated Blood should fall on the altar linens or vestments (an error of commission), the priest should suck the part of the cloth that has been stained (sugenda est), wash the linens, and drink both the first and the second washings. Another option, noted by the manual, is that the portion of the cloth stained by the Blood of Christ be torn out, and reserved with the relics with an appropriate label proclaiming “super pannum istum cecidit sanguis christi ” 24. If the Blood should fall on the ground, wood, or stone, it should be licked up, the material scraped and thoroughly wiped, and the cloth employed should be reserved in a sacred place 25. This widely circulated instruction for how to cope with what was apparently a not-uncommon problem appears with almost identical wording at least as early as the mid-thirteenth-century statues of Walter de Kirkham, Bishop of Durham 26. Lastly, the manual counsels that priestly vestments and altar linens (especially corporals and palls) not be washed only once a year, but whenever is convenient in a specially appointed vessel and, if possible, by some upstanding virgin, widow, or matron (except for corporals which are to be washed by priests only) 27. Closely related to these instructions are a series of ‘Cautelae Missae’, sometimes entitled the ‘De defectibus missae’, the precise origins of which await scholarly clarification 28. The ‘Cautelae’ enjoyed wide circulation, in part because of their inclusion within many missals, being copied or printed either following the liturgical calendar, or, more commonly, before the Ordo Missae, or after the 22

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Cf. Manuale parochialium sacerdotum, 4, URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/ bsb00070928/image_11+ (last accessed on December 31, 2016). Cf. ibid.: “et vino superfuso illud quod cecidit abluatur, et ablutio a sacerdote vel ab alio bonam conscientiam habente sumatur”, URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00070928/image_12+ (last accessed on December 31, 2016). Ibid. Cf. ibid.: “Si vero in terram vel lignum: vel lapidem ceciderit: lingendus, radendus et extergendus est locus ille et pannus in aliquo sacro loco abscondito reponendus”, URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/ bsb00070928/image_13+ (last accessed on December 31, 2016). Cf. D. Wilkins, Concilia magnae britanniae et hiberniae a synodo Verolamiensi A.D. 446 ad Londinensem A.D. 1717, ed. Londini 1737, vol. 1, 707. Cf. Manuale parochialium sacerdotum 4, URL: *http://daten.digitale-sammlungen.de/ bsb00070928/image_14+ (last accessed on December 31, 2016) The Cautelae Missae are edited in: W. Maskell, The Ancient Liturgy of the Church of England according to the Uses of Sarum, York, Hereford, and Bangor, and the Roman Liturgy, Oxford 3 1882, 238-247; Maskell’s prefatory comments on the origins of the cautelae on pages 234237 in the same volume remain useful.

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Canon. The text is divided into two sections: seven numbered cautelae are followed by a longer series of briefer unnumbered cautelae in a less clearly-discernible order. Each of the seven numbered cautelae present a primary instruction, which serves as a kind of organizing principal to discuss both what to do and what errors to avoid. The opening cautela instructs the reader that the priest about to celebrate the mass “should prepare his conscience very well through a pure confession” 29: this is an occasion to instruct the priest to avoid both inner dispositional problems (he cannot credibly love God, who appears at the altar “irreligiosus, indevotus, impudicus, distractus, vagus, aut desidiosus” 30), and their outward manifestations (he should not lean on the altar, his crosses should be too high so as to avoid knocking over the chalice, and they should be made clearly and not look like circles). The admonition “not just to think but to be certain that he has the required matter” 31, provides an occasion to treat formal questions of sacramental theology (vinegar is not proper matter; if there is more water than wine, the matter cannot be considered wine) and to offer practical hints (have a server taste the wine in advance to check whether it is suitable). The cautela concerning the consecratory form instructs the priest to say the words rather slowly and gives precise instructions on when to breathe. It does not seem “rationabile”, the text stipulates, to introduce breaks between the words of the consecratory formula, because in that way the sense is lost 32. To cite two final examples: the priest should never consume the entire chalice in one gulp (uno hausta) lest this cause him to cough 33, and the priest should not wash his mouth or teeth before mass lest he swallow some water along with this saliva and thereby break his fast 34. In the second section of the ‘Cautelae’ appear a number of concerns that are closely related to the problem-solving of errors arising in the celebration we have already seen. Much instruction is given, for example, regarding what to do if the priest should faint or die during the Canon 35: here again, a certain application of sacramental theology is at work in determining when and how an assistant priest should resume the prayer. We also see a new element: what to do in 29

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Cautelae Missae, ed. Maskell (nt. 28), 238: “Prima cautela est: ut sacerdos missam celebraturus, conscientiam suam per puram confessionem optime praeparet […].” Ibid. Ibid., 239: “ut non putet sed certo sciat se debitas materias habere.” Cf. Cautelae Missae, ed. Maskell (nt. 28), 239 sq.: “cum dixerit ‘Accipite et manducate ex hoc omnes’ respiret; et uno spiritu tractim dicat ‘Hoc est enim corpus meum’. Sic non immiscet se alia cogitatio. Non enim videtur esse rationabile discontinuare formam tam brevem, tam arduam, tam efficacem, cujus tota virtus dependet ab ultimo verbo, scilicet, meum, quod in persona Christi dicitur […].” Cf. ibid., 240: “Quinta est, ut dum sumat, nunquam uno haustu calicem sumat […].” Cf. ibid., 241: “Septima est, ut ante missam non os vel dentes lavet […].” Cf. ibid., 242 sq.. The precise distinctions are: fainting before the Canon; fainting during the Canon, but before the consecration and transubstantiation; fainting “in actu consecrationis”; fainting during consecration and part of the formula is incomplete; fainting after the consecration of the Body, but before the consecration of the Blood.

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cases of doubt when the celebrant is not sure whether he has made an error of omission or not 36. The text instructs the priest not to trouble himself if he does not remember whether he said some of the prayers, unless it was part of the form of consecration, in which case he should resume the consecration, for without the correct form there is no consecration. If he is not sure whether he left out some of the consecratory formula, he should in no wise undertake a conditional consecration; rather, “sine temeraria assertione”, he should resume the entire formula over the proper matter with the specific intention that if the consecration had taken place, he does not wish to consecrate, but if it had not taken place, he does wish to consecrate 37. In addition, we see in this text instructions about various penances to be performed: if the celebrant should spill the wine, if he should vomit up the Eucharist because of gluttony, if he does not keep the sacrament from mice or other animals, if he loses and is not able to find some of the sacrament. The precise prescription of variable degrees of penance recalls not only the distant ancestry of the ‘Cautelae’ in early-medieval penitential literature, statutes, and constitutions 38, but also points to the transmission and reception of such legislation in books that late medieval parish priests had daily to hand to guide them in liturgical celebrations. Perhaps, it should not surprise us then to find in the ‘Cautelae’ references by name to three learned thirteenth-century commentaries on canon law: the ‘Apparatus’ of Innocent IV (Sinbaldo dei Fieschi) (c. 1245) 39, the ‘Summa aurea’ (c. 1253) 40, and the ‘Commentary on the Decretals’ of Henricus de Segusio (Hostiensis). 41 These highly specialized works are more invoked than rehearsed in the ‘Cautelae’. Innocent supplies, on two occasions, an alternative remedy for a problem during the recitation of the Canon 42. The reader is 36 37 38 39

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Cf. ibid., 244: “Si sacerdos non recolit se dixisse aliquid horum que debuit dicere […].” Ibid. Cf. Maskell, Ancient Liturgy (nt. 28), 235 sqq. Cf. Innocentii Quarti Pontificis Maximi Super libros quinque Decretalium cum indice peculiari nunc recens collecto, novisque insuper Summariis additis, et Margarita Baldi de Ubaldis Perusini [= Apparatus], ed. Francofurti 1570. The Frankfurt edition is available in full online, URL: *https://works.bepress.com/david_freidenreich/46/+ (last accessed on December 31, 2016). Cf. Summa domini Henrici cardinalis Hostiensis [= Summa aurea], ed. Lugduni 1537 [Reprint: Aalen 1962]. Cf. Henrici de Segusio cardinalis Hostiensis Decretalium commentaria, 6 vols., ed. Venetiis 1581 [Reprint: Torino 1965 in 2 vols.], vol. 2, foll. 160v-166v (In Tertio Decretalium librum commentaria, De celebratione missarum). Cf. Cautelae Missae, ed. Maskell (nt. 28), 242: “Si autem sacerdos in actu consecrationis deficiat, verbis aliquibus iam prolatis, sed in toto non completis, secundum Innocentium, alius sacerdos debet incipere ab illo loco, ‘Qui pridie’”; cf. Innocent IV, Apparatus, I, 16, 3, ed. Francoforti 1570, fol. 106v. When the author advises what the celebrant should do if he realizes that there is no wine in the chalice only after receiving the consecrated Body (Cautelae Missale, 243), he observes that, according to the “doctores”, the priest should recommence from the beginning of the Institution Narrative (“Qui pridie”). This is not the only option however: “Innocentius tamen dicit quod si ex prolongatione sacerdos timet scandalum, quo sufficiunt tantum illa verba per quæ consecratur sanguis, scilicit ‘Simili modo’, et sic sumere sanguinem”; cf. Innocent IV, Apparatus, III, 41, 6, fol. 452v.

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referred to Hostiensis’s ‘Summa aurea’ for what to do with a mouthful of water if the celebrant discovers only at the moment of consumption that water is all that is in the chalice 43, and at the conclusion of the ‘Cautelae’ a reference is made to both the Summa and the ‘Commentary on the Decretals’ (Lectura) of Hostiensis for cases where the reader does not find the ‘Cautelae’ to be sufficiently complete 44. In these brief but learned citations, the ‘Cautelae’ served to guide the priest celebrant in a focused way to sophisticated scholastic treatments of law and theology and applied them to day-to-day errors of commission and omission in the celebration of the parochial Eucharist 45. Perhaps the most outstanding example of this impulse to transmit up-to-date theological and canonical scholarship to parish priests is Guido of Monte Rochon’s ‘Manipulus curatorum’ 46. Although little is known of the author save that he was a teacher and ecclesiastical administrator working in the Valencian town of Teruel in the early 1330s, the work enjoyed rapid and significant popularity: over 250 manuscripts and over 120 incunable editions survive 47. The work is explicitly intended as a practical guide for priests, especially young curates: the author styles it an “opusculum de instructione neophitorum curatorum” 48. It is purposefully written in a plain but serviceable style, and it is sufficiently brief to be able to be readily and easily consulted on the spot if indeed it was carried about in the hands of working priests, as Guido himself wrote that his title was intended to suggest 49. Guido devotes the first part of the ‘Manipulus’ to the theology and administration of each of the sacraments with the exception of penance, which receives a more detailed treatment in a section of its own. Much of the treatment of the 43

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Cf. Cautelae Missae, ed. Maskell (nt. 28), 243: “Require in summa Hostiensis in titulo de celebratione missae.” Cf. Summa aurea (nt. 40), fol. 185v; I do not find, however, a discussion of this problem in this section of the ‘Summa aurea’. Cf. Cautelae Missae, ed. Maskell (nt. 28), 247: “Item si qua hic desunt, requirantur in summa et lectura Hostiensis, in titulo de celebratione missarum.” Cf. Th. Izbicki, The Eucharist in Medieval Canon Law, Cambridge 2015, for an important recent contribution to the study of the decretists’ contributions to late medieval Eucharistic theology. Cf. Guido of Monte Rochen, Manipulus curatorum; cf. M. W. Bloomfield, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices, 1100-1500 A.D. (The Mediaeval Academy of America Publication 88), Cambridge (Mass.) 1979, nr. 5019. The Latin text has not received a critical edition. Digital reproductions of a copy of the 1489 Venice edition preserved in Barcelona, Biblioteca de Catalunya, Inc. 95-8o can be consulted online at URL: *http://www.europeana.eu/portal/ en/record/91910/FD318D6CB8BFB66C5AE7D990BE557168BD625636.html+ (last accessed December 31, 2016); citations and folio references are from this edition and copy. The text has recently been translated into English; cf. Guido of Monte Rochen, Handbook for Curates: A Late Medieval Manual on Pastoral Ministry, transl. by A. T. Thayer (Medieval Texts in Translation), Washington (DC) 2012. Cf. Handbook for Curates, transl. Thayer (nt. 46), xiii. Guido of Monte Rochen, Manipulus curatorum, dedicatory letter, ed. Venetiis 1489 (nt. 46), fol. [5r] (transl. by Thayer [nt. 43], 3 sq.). Cf. ibid., prologus, ed. 1489, fol. [5v]: “volui manipulum curatorum vocari ex eo quod sacerdotes potissime curati debent istum libellum portare in manibus” (transl. by Thayer, 6 sq.). The 1489 Venice edition contains 168 folios, and measures only 220mm in height (the size of a contemporary paperback).

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Eucharist, in the Fourth Tractate of this first section, digests scholastic theological debate concerning the minister (ch. 2), matter (ch. 3), form (ch. 4), and effects (ch. 4) of the sacrament, and contains succinct references to Aristotle and to eminent contemporary scholars (Duns Scotus, Henry of Ghent, Bernard of Auvergne, Berengar of Ladorra). The chapters dedicated to vestments (ch. 8) and to the rite of the mass itself (ch. 10) provide not practical guidance, but traditional liturgical commentary on the significance of the ritual clothing and gestures of the kind seen in William Durandus and John Beleth, the latter being cited by name. These sections would seem to be less useful to have in hand to guide ritual performance or solve performance-related dilemmas than to serve as a tool of catechetical instruction. Embedded in this series treating more theological matters are a number of chapters that reveal a like attention to practical questions arising from ritual performance. The place (ch. 5), time (ch. 6), and frequency (ch. 7) of the celebration of mass, and who may receive the sacrament (ch. 9), each receive careful treatment supported by highly succinct references to Gratian’s ‘Decretum’. In the eleventh and concluding chapter of the tractate 50, Guido turns to defects in the mass, and it is here that he offers his most detailed performance-related counsel. Much of this chapter concerns familiar problems in Eucharistic celebration: what should be done if the right matter is lacking in the chalice 51, if dangerous foreign matter enter the chalice 52, in the event of spillage 53, vomiting 54, inadvertent omission of part of the consecratory formula 55, or the death or incapacitation of the celebrant during the Canon 56. As elsewhere in the work, however, the author also provides insight into his own particular interests. Given the amount of space dedicated to the sacrament of penance in the work as whole, it is perhaps unsurprising that Guido is particularly concerned to explore what should be done if the celebrant, having vested and proceeded with the celebration of the mass, remembers that he has committed a mortal sin that he has not confessed. Guido disagrees with the opinions of “some” (quidam) who argue that the priest “ought not to say the words of consecration, but ought to receive a simple host” (effectively deceiving the congregation), on the grounds that this would both constitute irreverence towards the sacrament and cause idolatry amongst the congregants. If he cannot delay the celebration, it will suffice, Guido argues, that he be contrite for his tardy repentance and intends to confess as soon as possible. If, however, he remembers that he has been excommunicated and has not yet proceeded with the consecration, he should create some (false) excuse, even feigning illness or 50 51 52 53 54 55 56

Cf. Cf. Cf. Cf. Cf. Cf. Cf.

ibid., ibid., ibid., ibid., ibid., ibid., ibid.,

I, 4, 11, foll. [32v]-[34v] (transl. Thayer, 102-108). foll. [32v]-[33r] (transl. by Thayer, 102 sq.). fol. [33r] (transl. by Thayer, 103). fol. [33v] (transl. by Thayer, 104 sq.). fol. [33v] (transl. by Thayer, 105). fol. [34r] (transl. by Thayer, 106). fol. [34r] (transl. by Thayer, 107).

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some other need, in order to avoid continuing with the celebration. If he cannot delay, he should be sorry, and purpose to obtain absolution. The author is careful to observe, however, that while 57 he believes that if the excommunicate celebrant acts in this way he will be absolved by the High Priest (Christ) “quantum ad culpam”, he will not in this section determine whether he is absolved “quantum ad penam irregularitatis” 58. A more prosaic practical hint is offered when Guido provides a trick for coping with celebrating the mass in frigid temperatures, the very specificity of which bears the marks of personal experience. If the Blood should freeze in the chalice (presumably having been prepared before the mass), Guido recommends wrapping hot bread around the chalice, which in his opinion is a safer method of unfreezing the contents than breathing on it. If the hot bread is insufficient, the chalice should be placed in boiling water, care being taken, of course, not to let any water splash into the sacred vessel and thereby dilute its contents 59. The treatise with which I shall conclude this section of my paper, the ‘Speculum manuale sacerdotum’ of the Augustinian hermit Hermannus de Scildis, is yet another example of a desire and a capacity to condense, transmit, and apply the learning of the university to problems and errors in the quotidian celebrations of the parish priest 60. Hermannus was born perhaps in Schildesche in Bielefeld, trained in Paris, and taught as professor of theology in Würzburg, before dying in 1357 shortly before Henry was to commence his own studies in Paris 61. He divides his treatment of the “speculanda circa sacramentum eucharistiae” into three sections: matter, form, and the intention of the priest. Each of these “species”, as he terms them, are further subdivided into a series of admonitions of what should be done (tenenda) and a longer series of things that should be either improved (emenda) or avoided (cavenda). Whereas Guido displays considerable facility in the application of contemporary scholarship to the problems confronted by novice priests, school training seems to have lent Hermannus a marked hesitancy in making definitions on matters regarding which he cannot be sure of the opinion of the “doctors”. 57 58 59 60

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Cf. ibid., fol. [33v] (transl. by Thayer, 105). Ibid., fol. [34r] (transl. by Thayer, 106). Cf. ibid., fol. [34r] (transl. by Thayer, 107). Edition consulted: Hermannus de Scildis, Speculum manuale sacerdotum, ed. Treviris 1481; from digital reproductions of the copy preserved in München, Bayerische Staatsbibliothek, Inc.c.a. 194, URL: *http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb: 12-bsb11303337-2+ (last accessed December 31, 2016). The work lacks chapter numbers, and neither the edition nor the copy has been foliated; the reader is referred to scan numbers 2637 on this website. For Hermannus’s life and works, cf. A. Zumkeller, Hermann von Schildesche, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), 651, URL: *http://www.deutsche-biographie.de/pnd118907263. html+ (last accessed December 31, 2016), and id., Schrifttum und Lehre des Hermann von Schildesche O.E.S.A. (ó 1357) (Cassiacum 15), Würzburg 1959. The work has not received a critical edition. The incunable edition consulted is Hermannus de Scildis, Speculum manuale sacerdotum (nt. 60).

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What is striking about his manual, however, is, on the one hand, the introduction of more or less quodlibetal problems that one senses have their origins in his own experience both as a university professor and as a religious administrator, and his cautious attempts to apply his learning to their resolution on the other. He refuses, for example, to pass judgment on whether brandy (vinum sublimatum) can be used as matter for the sacrament because the doctores have not mentioned this 62. While he dares not define whether the consecratory form uttered in German or Hungarian confects the sacrament, he is aware that Armenians use a different ritual language and therefore wonders “unde forte potest confici per verba alterius lingue a tribus prefatis (sc. Latin, Greek, and Hebrew)” 63. In addition, he can be bracingly frank: in his treatment of the intention of the celebrant, he stipulates just how long a priest should abstain from celebration after a nocturnal emission, after “voluntary pollution”, after engaging in sexual intercourse (and repenting), and after being awake all night up to no good 64. (If he has spent the night studying, he may celebrate the mass, provided that he is not “perturbatus in capite” 65.) Hermannus concludes his treatment of the Eucharist with the series of “remedia generalia contra omnes defectus et negligentias contra sacramentum” 66. These we have seen elsewhere entitled ‘Cautelae’, albeit here Hermannus makes some realistic additions (what to do if you realize you are not wearing your stole or maniple when you are in the middle of mass, or that the candles are not lit 67), complete with references to Hostiensis.

II. In what wise does Henry of Langenstein’s brief treatise differ from this substantial, albeit varied body of literature which would seem to proffer comprehensive instruction on the avoidance of and remedies for priestly liturgical error? The work ‘Secreta sacerdotum’, which awaits edition, seems, both by its content and its manuscript distribution, to have been composed by Henry sometime after 1384 when he was called, together with numerous other former professors of the University of Paris, to the University of Vienna by Herzog Al62

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Hermannus de Scildis, Speculum manuale sacerdotum (nt. 60), [scan 27], URL: *http:// reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11303337_00027.html+ (last accessed December 31, 2016). Ibid., [scan 29], URL: *http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb 11303337_00029.html+ (last accessed December 31, 2016). Ibid., [scan 31], URL: *http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb 11303337_00031.html+ (last accessed December 31, 2016). Ibid. Ibid., [scan 32]-[scan 37], URL: *http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/ display/bsb11303337_00032.html+ (last accessed December 31, 2016). Ibid., [scan 37], URL: *http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb 11303337_00037.html+ (last accessed December 31, 2016).

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brecht III of Austria 68. His experience in Paris as procurator of the Natio Anglicana in 1363, and as vice-chancellor under Johannes de Calore (1371-1381), no doubt shaped his noted capacity as a university administrator in Vienna at a moment of critical restructuring and consolidation in the recently founded institution, first as Dean of the Faculty of Theology (1388) and then as Rector (1393-1394). While the number of surviving manuscript copies of the work appears to be modest 69, numerous incunable and early printed editions survive of the text, all deriving from the redaction by Henry’s fifteenth-century successor in Vienna, Michael Lochmair (Dean of Theology: 1487; Rector: 1474, 1483 70), who seems to have altered the text little, save for the addition of tituli 71. Although the provenance of extant manuscripts reveals an early circulation of the text among male, predominantly Benedictine communities, in the absence of an explicit letter of dedication it is difficult to determine whether Henry intended to ad68

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For biographical references, cf. supra nt. 3. Henry held a neutral position in the conflict between Urban VI and Clement VII at the outset of the Great Schism (1378). Because he refused to swear obedience to Clement VII, he was constrained to leave the University of Paris, probably by the end of 1382. Between this date and his arrival in Vienna, Henry resided in the Cistercian Abbey of Eberbach and in Worms. Preliminary research has identified eight fifteenth-century manuscripts, the earliest of which seems to be München, Bayerische Staatsbibliothek, clm. 18552A, foll. 197r-205v (= M). This manuscript is of Tegernsee provenance and was dated by Heilig to 1425: Heilig, Kritische Studien (nt. 1), 153. The connection between the University of Vienna and Tegernsee has been well documented; cf. D. D. Martin, Fifteenth-Century Carthusian Reform: The World of Nicholas Kempf (Studies in the History of Christian Thought 49), Leiden-New York 1992, 104, nt. 94. Adolph Franz has documented the use of Henry’s text by the reform-minded prior of Tegernsee, Bernhard of Waging, in his Ordinarium misse practicum (1461-1462); cf. A. Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter: Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens, Freiburg i. Br. 1902, 522 and 575. Other manuscripts of the Secreta sacerdotum, all of Austrian origin, include: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. qu. 271, foll. 6r-12v (1465-1470, Austria); Graz, Universitätsbibliothek, Ms. 248, foll. 137r-140r (Benediktinerstift St. Lambrecht, 1453); Graz, Universitätsbibliothek, Ms. 312, foll. 16r-21r (s. XV, Chorherrenstift Seckau); Graz, Universitätsbibliothek, Ms. 731, foll. 253r261v ([14]71); Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 207, foll. 160v-166v (s. XV m, Lower Austria); Praha, Na´rodnı´ knihovna Cˇeske´ republiky, XX.A.16, foll. 16v-22v (= P; 1442; formerly Admont, Benediktinerstift, Cod. 335); Seitenstetten, Benediktinerstift, Stiftsbibliothek, Cod. 133, foll. 204r-208r (s. XV). For Michael Lochmair (Lochmayr, Lochmayer, Lochmaier), cf. Verfasser Lexikon (nt. 3), vol. 5, 891 sqq. After his second rectorship in 1483, Lochmair worked increasingly in Passau where he had been appointed a Domherr as early as 1473, and where he succeeded the celebrated Domprediger Paulus Wann (ó 1489). The Universal Short Title Catalogue (USTC) lists twelve surviving incunable editions, the earliest dated 1491 (Passau; USTC reference nr: 745618); cf. also R. Schönberger (ed.), Repertorium edierter Texte des Mittelatlers aus dem Bereich der Philosophie und angrenzender Gebiete, Berlin 2011, 1853 (Henricus de Langenstein), and 2839 (Michael Lochmaier). An earlier 1489 Heidelberg edition of the ‘Secreta sacerdotum’ is listed in Hain (L. Hain, Repertorium bibliographicum, vol. 2/1, Stuttgart 1831, nr. 8375-8388 [Hassia, Henricus de] at nr. 8379), but this edition cannot be verified; cf. Gesamtkatalog der Wiegendrucke, URL: *http:// gesamtkatalogderweigendruck.de/docs/GWX658A.htm+ (last accessed, December 31, 2016).

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dress a particular group of priests and, if so, whom. The incipit of the text which appears to refer to teaching and learning (“aliter procederent etsi aliter docuissent” 72), together with the brief apostrophe “O piissimi domini et fratres” toward the end of the text may hint, however, at an academic priestly audience 73. While Henry proceeds “per ordinem” following the order of ritual actions and texts in the celebration of the mass like both the ‘Manuale sacerdotum parochalium’ and the first section of the ‘Cautelae missae’, his treatise differs significantly from these works and indeed the other manuals we have considered in this essay in its basis, scope, and detail. First, whereas much of the manual literature cautions the implied reader about possible performance errors by recourse to widely received principals and texts of contemporary sacramental theology and canon law, and uses these to structure material, resolve questions, and serve as references for further consideration, for the most part, Henry eschews allusions to external written authorities. He refers instead repeatedly and primarily to his own experience, i. e., to what he has personally seen: “quosdam modos quos vidi ”. He has seen celebrants unnecessarily leaving the altar area while another priest is giving the sermon 74; priests whose recitation of the Canon is so slow that it agitates the congregants 75; celebrants who make the sign of the cross with the whole hand instead of with the index and middle fingers 76. He recounts the cautionary story of a certain priest who gazed up at the host for so long during the elevation that, because he was light-headed after a sermon and a long fast, he began to lose his balance, as though he was about to collapse 77. He has seen a priest who, during the commemoration of the dead in the Canon, would repeatedly incline his head toward the altar for each person commemorated, a practice which reminds Henry unfavorably of the Jewish custom of swaying during prayer 78. He recounts with some sympathy the story of a priest who, before receiving communion, would say his prayers bowed toward the sacrament standing with one foot placed upon the other. When asked the cause for this posture, the priest would reply: “quia dominum ihesum sic stetisse in cruce recordetur”. A dog, easily agitated by congregants, caused that priest to topple over 79. He has seen even high-ranking clerics sign congregants with relics and offer them to be kissed at 72 73

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Cf. supra nt. 1. Critical of priests who neglect to say prayers after celebrating the mass, Henry exclaims not without some sympathy; cf. M, fol. 203v: “O piissimi domini et fratres scio quia illud ex malitia non facitis, sed ex eo solo quod ordinem rei non pensatis.” Cf. M, fol. 198r: “vidi consuetudinem ut de altari ad sacristiam uel ad dotem transierunt quod forte reprehensibile est.” Cf. ibid., fol. 199r: “Vidi tardos in canonem devotionem circumstantium in animi commotionem provocare.” Cf. ibid.: “paucos enim inteligentes vidi manu integra conferre.” Cf. ibid., fol. 200v: “Dum autem more solito in eleuatione sua erecta facie hostiam diutius inspiceret quasi vertiginem sensit in capite et incepit facillare quasi velit cadere.” Cf. ibid., fol. 201v: “tanquam iudeus”; the reference is apparently to the Jewish practice of swaying during prayer. Ibid., f. 202r.

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the end of mass, and he has heard them attach indulgences to this practice, despite the fact that charters documenting the relics’ authenticity were lacking 80. It is true that, unlike the allusions to canon law and sacramental theology in the manuals, these accounts serve to advise celebrants not what to do, but as examples of customs that Henry for the most part thinks are best avoided, or at least for which he proposes an alternative practice. Nonetheless, eye-witness anecdotes establish a different kind of credibility and authority in the text than that seen in the manuals. The author carefully presents himself as knowing intimately the liturgical practice of which he writes and the potential problems and various kinds of errors, or mistaken pieties, in its execution. He employs this experience to forge a bond with his readers with readily recognizable examples of performance behavior. This he augments with tips and warnings of the kind seen to a limited degree in Guido and in the ‘Manuale sacerdotum parochalium’, but here employed much more extensively. He discusses, for example, the danger of knocking over the chalice with one’s sleeve if one makes signs of the cross that are too long 81 and the usefulness of placing the host on the corporal precisely four fingers from the foot of the chalice, so that the celebrant will not be forever worrying about tipping the chalice over or about touching the host with his chasuble or the sleeve of his alb 82. He counsels the use in winter of hand-warmers after the Sanctus to avoid the numbness of fingers that might cause the excessively ascetic celebrant to drop the sacrament 83. Again, Henry’s provision of concrete suggestions, the import of which only other practitioners would fully understand, serves to lend the text an internal, experiencedbased authority. Secondly, with respect to the scope, the manual literature we have discussed above is concerned almost exclusively with the consecration and subsequent handling of the Body and Blood themselves; other parts of the mass liturgy or its preparation are primarily of concern only insofar as they prepare for, impede, or lead to errors in the proper execution of the consecration or reception of 80

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Cf. ibid., fol. 203r-v: “Etiam tacere nequeo quia vidi quosdam sacerdotes etiam magnatos in solemnitatibus homines offerentes cum reliquiis signare et ad oscula prebere. Audiui etiam magnas indulgentias de eisdem pronuntiare pro quibus numquam viderunt nec audiuerunt aliquam cartulam pape uel diocesani dicunt esse reliquias alicuius sancti et forte est os alicuius dampnati.” The custom of blessing the congregants with relics after the conclusion of the mass was widespread, and while it may take its origin from the means of honoring of relics of a saint on her or his feast day at least as early as the early eleventh century, it soon became common to use relics for the concluding blessing after any solemn celebration of the Eucharist. Cf. G. J. C. Snoek, Medieval Piety from Relics to the Eucharist: A Process of Mutual Interaction (Studies in the History of Christian Thought 63), Leiden-New York 1995, 295-299; P. Browe, Die Eucharistie im Mittelalter: Liturgiehistorische Foschungen in kulturwissenschaftlicher Absicht (Vergessene Theologen 1), Berlin 22007, 223. Cf. ibid., fol. 199v: “Quidam etiam longa signa faciunt. Hec quamuis sint bona quia manifesta non sunt tamen secura quia per brachii extensionem dependens albe manica faciliter pararet calicis euersionem.” Cf. ibid., fol. 201r: “[H]ostia locanda est ante calicem circa spatium quattuor digitorum […].” Cf. ibid., fol. 198v: “[P]ost sanctus et lotionem digitorum utile est ut tempore pruinali manus officiantes bene calefaciant ut sacramentum sine negligentia tractare valeant.”

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the sacrament. In contrast, Henry’s work, while indeed weighted toward a treatment of the Eucharistic Canon, treats the entirety of the rite, from before the mass begins until after it has concluded. The treatise opens with a consideration of the custom among certain priests to say before the mass a collecta pro peccatis while kneeling before the altar, with the intention of encouraging the devotion of the congregants. It would perhaps be better, Henry comments, for these priests to take the time actually to prepare themselves and their congregants for worship. To the imagined objection of the reader that he does not have the time for this, Henry replies laconically: “Verum est quandoque non vacat longum, vacabit autem correptum.” 84 The treatise concludes with an admonition to priests to devote some time to prayer after they have left the altar at the conclusion of the mass and with an exemplum and prayers that encourage and support this practice. The scope of Henry’s treatment reveals a different motivation from that of the manuals. Much of the instruction of the manuals, cautelae, and treatises regarding “defectus missae” suggest a nearly exclusive concern with avoiding potential infractions of principals of sacramental theology or of the canon law intended to safeguard the integrity of the sacrament. Henry’s work has in view the fitting celebration of the Eucharistic liturgy as a whole, each of its parts being worthy of consideration independently of their relationship to the consecration and reception of the Eucharistic elements. Thirdly, at a length of just seventeen pages copied in heavily abbreviated cursiva in what is perhaps the earliest manuscript copy, the work could hardly be considered voluminous 85. Nevertheless, its treatment of small facets of personally observed detail is unmatched in the manual literature on this subject. To select but one example: more than an entire page is devoted to the subject of whether priests should chat with people bringing offerings during the mass 86. Henry considers the practice “illicitum” and contrary to a truly expectant belief that the Lord will come to be present in the host. Even if the priest does not possess a devout heart, he argues, at least his behavior should be devout. He goes on, however, to commend as “non […] prava sed bona” the objection of some priests that to make a semblance of devotion when one’s heart is not devout is to adopt the behavior of the Pharisee: “dicunt nolo simulare velut phariseus.” 87 Henry responds that an edifying act of pretence is better than destructive openness, and that many are scandalized by the behavior of priests and grumble “multa nobis dicunt que nulla faciunt” 88. He concludes with a deft reversal of the objection, by demonstrating that what seems to be an argument against the 84 85

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Ibid., fol. 197r. This is the length of the treatise in M (cf. nt 1); the work is printed on nineteen two-column pages in the 1497 Augsburg edition. Cf. M (nt. 1), foll. 197r-198r. Ibid, fol. 197v. Ibid.

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performance of certain ritual behaviors without concordant inner feelings is in fact a justification for them, since these actions make possible, stimulate, and safeguard interior dispositions. It should be recalled that Henry’s criticism at the beginning of the treatise was not so much the failure of the content of the manualia, such that the provision of a more extensive and more detailed treatise might have some hope of curing the problem. The trouble, as Henry sees it, is less that priests do know not what to do than that they do otherwise: “aliter procederent etsi aliter docuissent”. In short, there is a gap between instruction based on manuals and performative practice. Confronted by the writerly cul-de-sac of how to write in a way that will overcome an apparent problem in the capacity of writing-based teaching, Henry attempts to lay out positively the reason, or reasons, for performing the rite in the certain way: “ex vera ratio.” What does Henry mean by this phrase? Although there is no discrete treatment of ratio within the treatise, we can examine at least in a preliminary fashion the way that the author proceeds in his recommendations. Like his examples of methods of celebrating to avoid, Henry’s argument in favor of certain modes of ritual performance are drawn not from external authority nor from the venerable traditions of liturgical exegesis or sacramental theology. Instead, they derive from something that amounts to what we might call the practitioner’s common sense. Henry’s comments regarding the salutation before the collect at the opening of the mass may serve as an example: “Many men say ‘Dominus vobiscum’ as they are turning to the people, but once they are turned around, they do not wait until they have finished their words [before turning back to the altar]. Perhaps they are embarrassed. I do not praise those who do this, for one who wants to greet others should not turn away his face until he has completed his word of greeting.” 89

Henry’s argument against such a whirl from altar to people and back again shows a pastoral instinct for what might cause a celebrant to act in this way, namely performance anxiety. At the same time, it reasserts the purpose of the rubric (greeting) over its dutiful execution and unfolds the implication of this purpose for the manner of performance (‘Slow down!’). If the priest, like the stage-performer, suffers anxiety about meeting the gaze of the congregants when he turns to face them, he should, Henry counsels, look upon the Savior within. At times, Henry’s reasoning rests entirely on pragmatic grounds. Commenting on the apparently novel practice of certain priests who even when they are not “out of their mind with the heat” were fanning themselves with the paten (instead of simply signing their faces with it at the Peace), Henry observes dryly 89

Ibid., fol. 198r: “[M]ulti dicentes dominus vobiscum vertentes se ad populum non expectant versi donec compleant verba. Hoc forte verecundantur. Qui faciunt hoc non laudo quia qui vult alios salutare non debet auertere faciem donec salutis compleuit sermonem.”

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that this is not a careful thing to do “because the priest could throw it in his own face, since the paten is thin” 90. When he expresses concern about what he calls an “ancient custom” of waving the corporal toward the eyes of congregants at the conclusion of the mass (“ventilatio post missam cum corporali ad oculos circumstantium”), his argument is again practical: good corporals are being destroyed by this custom, and a commotion is created, with people at the back growing impatient, jostling those standing ahead of them, shouting, knocking people over, hurting them, and causing others to laugh 91. Practical concern for the (unintended) consequences of ritual gestures is not limited, however, to those actions which may cause physical harm or material damage. Henry’s criticism of certain priests’ practice of anointing and sprinkling the mouths and eyes of young boys and old women with the ablutions after the celebrant’s communion, rests on carefully thinking through what the ablution is intended to do, viz., in part, to remove any residual particles of the Body which may have adhered to the celebrant’s fingers. Since it would hardly be desirable inadvertently to sprinkle particles of the Body of Christ onto the eyes and mouths of the congregants, Henry recommends instead that the priest satisfy the demand for the custom by wetting his middle finger with wine freshly poured from the cruet and use this to anoint and sprinkle 92. Likewise, Henry deems it praiseworthy if the custom “aput plures” of laying the corporal on the faces of rich congregants can be avoided. Here, his concern is neither about potential damage to the corporal nor about commotion in the church, but that poor congregants observing the ritual are scandalized, and that the poor are mistakenly deemed unworthy of such treatment 93. Finally, Henry employs the term “unnecessary” (non necessarium) as a means to argue that certain methods of celebrating, while not prohibited nor dangerous nor defective, are nonetheless ill-advised. The term succinctly expresses a not uncommon note of caution in the text about what Henry considers excessive 90

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Ibid., fol. 202r: “Novissime quidam etiam cum patena versus faciem sunt ventilantes quamuis ex calore non sunt amentes. Hoc etiam non est cautum facere quia posset seipisum presbiter in faciem iacere, quia labile est patena.” Ibid., fol. 203r. The custom of blessing with the corporal, cross, or with the paten is evidenced at least as early as the thirteenth century in France; by the fifteenth century the custom is witnessed elsewhere in Western Europe; cf. Browe, Die Eucharistie im Mittelalter (nt. 80), 234 sq.; Snoek, Medieval Piety (nt. 80), 299. The custom appears to have arisen specifically for use by priests at the conclusion of the mass, in distinction to the episcopal benediction which was given by the hand. Cf. ibid., fol. 202v: “[A]ccepta ablutione quidam ad oculos puerorum uel vetularum stantium liniunt et spargunt. Hoc non laudo, nam species sacramenti quantumcumque modica ex casu digitis adherens posset oculis misceri. Ut autem eorum desiderio prespiter satisfaciat madefacto medio digito in vino currente de ampulla liniant et aspergantur.” Cf. ibid.: “[C]onsuetudo est aput plures ut diuitibus astantibus finita missa super faciem corporale ponant. Hoc quamuis non noceat, tamen astantes pauperes scandalisat. Vbi autem competenter vitari posset laudabile esset, quia est scriptum ‘Coram ceco non ponas offendiculum’ [Lev. 19,14]. Ipsi autem pauperes supsicantur quasi non digni huius exhibitionis vel consimilis. Si autem sapienter pensari posset quia quos mundus despicit hos dominus oculis misericordie respicit.”

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ritual display: he describes, for example, the actions of some priests who, after the ablutions, lick their fingers and wipe their ears and eyes as “ostentationes pueriles - quamuis viderim eas facere sapientes” 94. However, the notion of the “unnecessary” also affords the author room to go beyond rubric, canon, and principal of sacramental theology, beyond counsel for the avoidance of danger and the provision of practical tips, to consider possible and legitimate variants in ritual practice, without requiring the author to enumerate the reasons for his conservatism or to critique directly his fellow priests, whose Eucharistic piety he shares, though he may disagree with its expression. Counsels not to look behind one’s back while at the altar 95 or chat with those bringing offerings 96 or leave the altar area while another priest is giving the sermon “sine necessitate” 97, allow the priestly reader some room for discernment regarding alternative courses of action in particular circumstances. Furthermore, the distinction Henry underlines between what is prohibited, on the one hand, and what is unnecessary, on the other 98, grants the author himself some leeway even when dealing with that most central of late-medieval Eucharistic gestures, the elevation of the consecrated Body and Blood. When considering the practice of some priests of turning the thin host this way and that so that not only the people standing behind the altar, but also those who are standing at the sides are able to see it, Henry argues that since people are so eager to see the sacrament, they often do not leave church without doing so 99. For this very reason, he concludes, somewhat tongue in cheek it seems, it might be better not to show the host to them so extensively for then they would be detained for longer in the church, and not go off to the pub! It is not, Henry insists, that he is suggesting that the host should be hidden: but these long and superfluous elevations and turnings of the host this way and that should not be done “quantum mea concepit ratio” 100. III. By way of conclusion, we may observe that Henry’s exploration of a kind of interior impulse to right performance and the avoidance of error is a clever instrument to solve the problem of how to write in order to overcome the problem of the inefficacy of performance-related writing, evidenced by the man94 95 96 97 98

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Ibid. Cf. ibid., fol. 197r. Cf. ibid., foll. 197r-v. Ibid., fol. 198r. When Henry describes the dangers of gazing upward too long at the host, he insists (fol. 200v): “Nolo autem credas me velle dicere quia eleuantem sursum respicere sit prohibitum. Set dico quia non est necessarium.” Cf. M (nt. 1), foll. 200v-201r. Ibid., fol. 201r.

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uals themselves. In place of series of instructions which digest written authorities, Henry invokes practitioners’ shared experience in order to propose a kind of work-a-day authority in the common sense of the ritual performer, who no longer needs to refer to manuals and cautelae or their attendant source documents. In so doing, to borrow a notion of Michel de Certeau, in place of the strategies of the rubrics and manuals, Henry provides tactics of a practitioner well-versed in the art-de-faire of the mass 101. The emphasis on the interior knowledge of the celebrant and the estimation of the incapacity of the written text to treat errors in sacred ritual adequately and effectively is consistent with Henry’s spiritual writing, which is thought to have been undertaken during his stay at the Abbey of Eberbach, between his departure from Paris and his call to the University of Vienna 102. It seems appropriate to conclude this preliminary study by noting that Henry concludes the ‘Secreta sacerdotum’ with an exemplum of a priest he knew in his youth who, before leaving the church after mass one Pentecost, had knelt down and made a little payer, whereupon he fell into an ecstatic state with the gift of tears. When the priest came to, he attempted to use words to describe what had happened. He retained many things in his heart, Henry writes, which words could not explain: “tantum autem sufficit cognouisse ut humilitas orationis recipit quod leuitas mentis inuenire non valuit.” 103

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Cf. M. de Certeau, The Practice of Everyday Life, transl. S. F. Rendall, Berkeley-Los AngelesLondon 1984, xviii-xx. The three principal works of the period are: Tractus de discretione spirituum, ed. T. Hohmann, in: id., Heinrichs von Langestein ‘Unterscheidung der Geister’ lateinisch und deutsch: Texte und Untersuchungen zu Übersetzungsliteratur aus der Wiener Schule (Münchener Texte und Untersuchungen zu deutschen Literatur des Mittelalters 63), München 1977; Speculum animae, ed. H. Watrigant, La ‘me´ditation fondamentale’ avant saint Ignace, Einghien 1907, at 116-138; Epistola de contemptu mundi (addressed to the abbot of Eberbach, Jacobus of Eberbach, during Henry’s sojourn in Worms in 1383), ed. G. Sommerfeldt, Des Magisters Heinrich von Langenstein Traktate ‘De contemptu mundi’, in: Zeitschrift für katholische Theologie 29 (1905), 404-412, at 406-412. M (nt. 1), fol. 204r.

Some Developments in the Medieval Christian Practice of Fraternal Correction Jeffrey Hause (Omaha) I. Introduction We can find in the ancient Greek philosophical tradition some accounts of whether and how we should correct other people when they commit moral errors. Seneca, for instance, notes that for reasons of both retribution and deterrence, the wise person will admonish and punish childish adults who have committed offenses 1. Epicureans also practiced correction, but within their own communities. Evidently, the Epicureans’ loose admissions requirements meant that some members of the community were less thoughtful about, or less committed to, the Epicurean ideal than others. Hence, they established a culture of correction to help those who were less advanced to make more effective progress by living more explicitly in keeping with Epicurean philosophy 2. It should be no surprise, then, that Jewish, Christian, and Islamic philosophers of the Middle Ages, heirs of the Greek tradition, likewise address the issue of correction. However, in the Christian tradition, the topic receives special attention because of what Jesus says in the Gospel of Matthew (18,15-17). In that text, Jesus says: “If your brother offends against you, go, and rebuke him between the two of you alone. If he hears you, you have gained your brother. And if he will not hear you, take with you one or two more, that in the mouth of two or three witnesses every word may stand. And if he will not hear them, tell the Church. And if he will not hear the Church, let him be to you as the heathen and the publican.” 3

Because Jesus says that we are to correct our brother, the practice under discussion came to be known as “fraternal correction”. It was widely discussed and debated by patristic authors, throughout the Middle Ages, and among theologians into the Modern Period. However, the biblical passage leaves a great deal unclear and even more unsaid. Who is my brother? What counts as an offense against me? Does anyone 1 2

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Cf. Seneca, De constantia sapientis, 12, 13. On Epicurean practices of correction, cf. C. Glad, Paul and Philodemus: Adaptability in Epicurean and Early Christian Psychagogy (Novum testamentum. Supplements 81), Leiden-New York-Köln 1995, 161-184. I quote from the Douay translation.

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have the standing or the responsibility to correct anyone else? What is the purpose of this practice, and how should it be carried out? Different thinkers, appealing to the moral and political thought and the dominant concerns of their era, answered these questions differently. For instance, in the 12th century and into the early 13th, the practice of fraternal correction was seen as a means of giving a voice to subordinates to correct their superiors. Correction was not the unique duty or privilege of nobles and prelates. Similarly, in the very late 13th and first part of the 14th century, there was a renewal of interest in using fraternal correction to admonish superiors. This included the Pope who, while he had no superior but God, was, as a human being, brother to every other human being and thus subject to fraternal correction 4. These two periods are touted as high points for thought about fraternal correction, periods in which the practice was put into the service of populism and egalitarianism. In between, in the longest stretch of the 13th century, things were different. In this period, those taking up the topic of fraternal correction grew cautious about correcting superiors, focused more on personal morality rather than empowering subordinates, and added multiple restrictions concerning who could correct others and the conditions under which correction was allowed. According to one line of interpretation, this refocusing of attention amounted to missed opportunities. Buc sees in this change, expressed early on in Hugh of Saint-Cher’s commentary on Matthew, an opposition to the egalitarianism of Peter Cantor. That is not just because we are cautioned against correcting superiors, but because the restrictions on undertaking correction of any sort are multiplied 5. Others see worse: Despite those restrictions on correction, the obligation to correct is stressed as the most important of all obligations to our neighbor-more important than supplying food or housing, comforting the afflicted, or forgiving offenders. In this requirement to correct our neighbor, especially as Aquinas expresses it, Takashi Shogimen finds the danger of a sort of vigilante inquisition, opposed to freedom of thought and openness to correcting superiors. In his view, we must wait for the later 13th and 14th centuries for the likes of John of Paris and William Ockham to give us new and less repressive accounts of fraternal correction 6. I do not want to dismiss these readings, which correctly point out a shift in emphasis in the understanding of fraternal correction in the 13th century. How4

5 6

For an excellent discussion of fraternal correction in the political thought of the late 12th and early 13th centuries, cf. P. Buc, L’Ambiguı¨te´ du Livre: prince, pouvoir, et peuple dans les commentaires de la Bible au Moyen Age (Theologie historique 95), Paris 1994, and in particular chapter VI, Summa rerum gerendarum: le pouvoir et le peuple. For treatments of fraternal correction directed at superiors, including king and pope, cf. T. Shogimen, Ockham and Political Discourse in the Late Middle Ages, Cambridge 2007, as well as G. Moule, Corporate Jurisdiction, Academic Heresy, and Fraternal Correction at the University of Paris, 1200-1400 (Education and Society in the Middle Ages and the Renaissance 51), Leiden-Boston 2016. Buc, P. Buc, L’Ambiguı¨te´ du Livre (nt. 4), 385. T. Shogimen, Ockham and Political Discourse (nt. 4), 108-117.

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ever, I believe that we need to balance them with a different perspective on the 13th century, a perspective that I wish to offer here. The 13th-century thinkers who treated fraternal correction in detail were chiefly mendicants, and in particular Dominicans. Their intellectual interest in discussing the practice was naturally tied to their chief concerns as an order: that is, with preaching reform of life, hearing confessions, and offering spiritual direction. It is only natural, then, that they would have seen in fraternal correction a practice allied with their own goals, a practice that could help return others to the path of righteousness by getting them to acknowledge their faults, seek atonement, and reform their lives. Buc is correct in his observation that, in the early 13th century, there emerged a more restrictive attitude toward correcting those in power than in the more populist writings of the 12th century. However, as 13th-century thinkers began to develop theoretically richer accounts of fraternal correction, those very theoretical considerations gave impetus to recover the view that correcting our superiors was permitted or even required. Likewise, Shogimen is correct that the practice of fraternal correction could easily degenerate into a vigilante inquisition, with neighbors spying on neighbors, seeking to establish their own moral superiority, or nosing into other people’s affairs. However, as I will try to establish, 13th-century thinkers were well aware of this danger and worked precisely to avoid it, again through developing theoretically informed accounts of fraternal correction. It is these worries about the abuses of fraternal correction that inspired the multiple restrictions on its use, not (or at least not primarily) a growing reaction against egalitarianism. In order to forestall these dangers and still carry out the corrections licensed or mandated by the Bible, 13th-century thinkers developed accounts of fraternal correction that integrated the practice into their larger ethics of charity and virtue. It was this integration that afforded them an increasingly clearer vision of what the practice was as well as increasing caution about how the practice could be carried out. In this article, I will explore this development in the work of four thinkers: Alexander of Hales, Hugh of Saint-Cher, Albert the Great, and Thomas Aquinas. Exploring the work of these philosopher-theologians will enable us to see how increasing conceptual clarity and better integration with the developing ethics of charity and virtue dictated the evolution of the account of fraternal correction. However, as the conception of fraternal correction grows clearer and better integrated with systematic ethics, we can also begin to see some tensions in the practice that threaten to render it internally inconsistent.

II. Alexander of Hales It was Alexander of Hales who offered the first clear and succinct account of the distinction between fraternal correction and correction by an authority. He explains in his ‘Disputed Questions’:

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“Be aware that there are two sorts of admonition. The first sort is fraternal correction, and it stems from charity and brotherly love. All people are bound at the relevant place and time to engage in this sort of correction. There is a second sort that only prelates are bound to engage in, and it stems from the solemn promise which they have made and from the nature of their office. As Proverbs 6,1 says, “My son, you have become surety for your friend” etc. Therefore, when the scripture says “If your brother has sinned against you” etc., that sort of admonition pertains to all people, since it consists in a discreet word. The second sort, which consists in inflicting penalties, pertains to prelates. And in every case the objections should be sorted out along these lines.” 7

Both prelates and neighbors have the obligation to correct, but these obligations are distinct on multiple grounds. A prelate’s obligation stems from the nature of his office (as shepherd of the sheep) as well as from the oath he swears upon taking office. Furthermore, the prelate acts out of justice in correcting, since he has the right and duty to levy penalties. By contrast, when a neighbor corrects, the sole motivation is charity, that is, a will for the neighbor’s good as another child of God. There are differences, then, in the source of obligation, the range of people bound by the obligation, the sort of activity that fulfills the obligation, the process by which one fulfills the obligation, and the goals of the practice. The chief difference between correction by a superior and fraternal correction, in Alexander’s treatment, is that fraternal correction is motivated by love of neighbor. The superior judges on the basis of justice with regard for the good of the community. One neighbor must of course be just to another and correct only those for whom correction is due. But love manifests itself in the way that correction takes place, namely, through pity. When we take our neighbor aside in private, this is a sort of spiritual almsgiving, the expression of our love and concern for our neighbor’s well-being. If our neighbor does not hear us, we take witnesses who are likewise motivated by love, who might thereby induce (presumably by their numbers) the sinner to reform out of shame. If our neighbor still does not respond, we tell the Church, that is, a prelate, in the hope that through fear of the Lord our neighbor will reform. Alexander does not say explicitly that correctors at this stage must likewise be motivated by love, but this would be a reasonable interpretation. After all, this stage too is just another strategy, albeit a costly one, to induce reform in our neighbor for his own welfare. Afterwards, if he refuses all correction, we are to tell the 7

Alexander de Hales, Quaestiones disputatae ‘antequam esset frater’, 28, 1, ed. PP. Collegium S. Bonaventurae (Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi 19), Quaracchi 1960, 499 sq.: “Nota quod duplex est correptio. Una est fraterna, et haec est ex caritate et amore fraternitatis; ad hanc omnes obligantur pro loco et tempore. Alia est ad quam soli praelati ex sponsione quam fecerunt et ratione officii tenentur; 6 Prov., 1: Fili, spopondisti pro amico tuo etc. Illa ergo correptio, ubi dicitur: Si peccaverit in te frater etc., pertinet ad omnes: illa enim consistit in verbo discreto; alia, quae est in inflictione poenae, est praelatorum. Et sic semper distinguendae sunt obiectiones.”

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multitude, so that the sinner might be motivated by disgrace. If none of these strategies work, there is no more to do and the sinner will be ostracized. Alexander does not treat ostracism as part of the corrective strategy. III. Hugh of Saint-Cher Recent scholarship has criticized 13th-century thinkers both for creating an inquisitorial spirit among the people and for restricting the use of their correction so as to rob them of an important power 8. Alexander’s treatment is so brief that he does not address in detail the restrictions on correction, nor does he say much to halt abuses of correction apart from insisting that it be motivated by neighborly love and pity. In the Dominican ‘Postilla on the Bible’, planned and directed by Hugh of Saint-Cher, we find these concerns spelled out more fully than they are in Alexander 9. Hugh, who penned the commentary on Matthew, explains that fraternal rebuke is a precept, that is, a duty and not simply advice for leading a more perfect life. Nevertheless, it does not bind us always and under all circumstances, but rather “pro loco et tempore”, that is, in keeping with the circumstances. The commentary elaborates on that phrase by saying that we are obligated to correct when we meet three conditions: (a) when we are free (“vacat”), (b) when it is permissible, and (c) when one believes that the correction would be useful. As the commentary makes clear, these are not needless restrictions; they are meant to integrate the practice of fraternal correction into the larger scheme of the ethics of virtue. As the commentary explains the first condition, it means that we are obligated when we are not already engaged in or intent on fulfilling a different obligation. If I am heading to an appointment, I do not have to miss the appointment in order to rebuke someone I see along the way. This is a standard principle of morality that has always been widely accepted. In detailing condition (b), the commentary notes that it is not permissible to correct another if there is a jurisdictional conflict, for instance, if the sinner’s wrongdoing is known to his prelate. Presumably, the idea is that I am not to interfere in the prelate’s intentions for correction, which take precedence over mine. In addition, it explains, I should not correct if, due to lack of evidence, the offender would be obligated to retaliate and I would be subject to prosecution and penalties. As for the third condition, the commentary offers two examples in which correction would be pointless. The first is if the offender is incorrigible. The second is if the offender is the multitude or the ruling power. In this latter case, 8 9

See above the Introduction to this essay. Cf. Hugo de Sancto Charo, In Evangelium secundum Matthaeum (Postillae in Vetus et Novum Testamentum 6), ed. Venetiis 1703, fol. 62r-v.

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however, it is presumably not the first stage of correction that is forbidden but the later stages, in particular the third stage, where the sin is revealed to the whole church. What is pointless is not private rebuke, but bringing the matter to the whole church when it is a multitude in the church that is at fault. The process will not make the multitude feel the necessary shame for reform, as it would for a single individual. Hence the effort would be pointless. Worse, it could also set off a dispute that could destabilize the community. Those are the conditions under which we are obligated to correct our neighbor. But even if we are obligated, our correction may still be sinful. In order to correct well, we must be mindful of three further considerations: (a) We must not correct rashly or indiscreetly, as when we cannot substantiate what we say or when we are guilty of the same offense we want to correct in someone else. (b) We must aim at correcting gently; we correct badly if we employ excessive harshness. Finally, (c) we must correct out of charity and compassion, not out of malice or mockery. Is there evidence here of an unegalitarian attitude contrary to the more egalitarian attitude of the 12th century? Yes, in the assertion that we may not bring the ruling power to correction at the risk of doing more harm than good, but not in the multiplication of conditions necessary for undertaking correction. Those conditions mark the beginning of a theory of fraternal correction. The ‘Postilla’ does not merely list these conditions but groups them into three general classes that offer a start at linking them to more general principles of morality. It is reflection on the aims and motives of fraternal correction - on the logic internal to the practice itself - that gives rise to these conditions. However, the ‘Postilla’ stops short of articulating the moral principles that underlie the practice, and it does not do anything to demonstrate that fraternal correction is a single practice grounded in a unifying principle rather than a collection of loosely related practices governed by loosely related principles. IV. Alber t the Great Albert draws heavily on Hugh’s ‘Postilla’ as well as on Augustine’s writings on fraternal correction, and the many echoes of those works make it easy to assume that what he has to say does not advance the topic. However, Albert’s chief contribution lies not in any particular claim he makes about fraternal correction, but rather in the theoretical sophistication he brings to the discussion in his many treatments of the topic, in particular in his ‘Commentary on the Gospel of Luke’ 10. There, Albert supplies what is lacking in Alexander and 10

Albertus Magnus, Enarrationes in Secundam Partem Evangelii Lucae, ed. S. Borgnet, in: Alberti Magni Opera Omnia, vol. 23, Paris 1895, 460 sqq. His ‘Commentary on Matthew’ 18 offers a somewhat different and less sophisticated account. Cf. also his commentary on the fourth book of the ‘Sentences’ (dist. 19, art. 17-22).

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Hugh: a clear grounding of the practice in a moral principle, namely the principle that one should love one’s friend as oneself. Our friends in this case are those linked by bonds of community, and the relevant community for this practice is the Christian community. That is because what is at stake in this practice is eternal happiness itself, the perfect good for human beings; and this good, in Albert’s view, is available only to fellow Christians. Albert explains the importance of fraternal correction by appeal to the Book of Exodus, which commands us to put our enemy’s cow on the right path if we see it wander off; yet someone’s soul is tremendously more valuable than his cow. Hence, we must, so to speak, return even our enemy’s soul to the right path. It is the most important work of charity we can perform for our fellow human beings, so the obligation to perform it is very strong. We must, however, understand just what this strength consists in. To say that a moral principle is strong is not to say that it binds us always and everywhere, so that we can expect members of a Christian community to be constantly correcting each other. To say that a moral principle is strong is rather to say that it has a particularly noble end, one that we should value above other ends. By itself, it says nothing about the frequency or regularity with which correction will take place. Like Hugh, Albert also lists conditions - six of them - under which we should not undertake fraternal correction. These are: (1) if it is publicly known that we are guilty of a similar or greater sin, since correction would then be an expression of hypocrisy; (2) if in making the correction we make public a private offense (presumably because this destroys a reputation); (3) if there is no point in doing so because the offender is obstinate; (4) if the correction stems from indignation rather than charity; (5) if the correction stems from derision rather than charity; (6) if it is disordered because it is like an accusation and indictment (since this is not charitable). The point of the first two conditions is fairly obvious. Some of the others raise concerns over the corrector’s motive: The corrector must be motivated by a concern for the sinner’s good and not resentment or derision, which seeks to preserve one’s own honor in the face of offenses or to elevate oneself by lowering the object of one’s correction. The third likewise shows a lack of charity, since if one cannot do one’s neighbor any good, one must, of course, be motivated by something other than charity, which seeks the good for neighbor. The last appears to echo the Alexandrian concern not to confuse fraternal correction with judicial correction, which likewise does not stem from a concern for one’s neighbor’s good but with seeing one’s neighbor brought to justice. On the one hand, these restrictions are not meant to muzzle the people from correcting those who should be corrected, even if they are superiors. On the other, it is easy to see that these restrictions are meant in part precisely to restrain inquisitorial behavior of neighbor against neighbor. What is particularly interesting is that Albert does not generate these restrictions piecemeal; these restrictions are generated from the very principle that gives rise to the practice itself, and so Albert finds an elegant way of offering principled and not merely pragmatic restrictions to the practice of fraternal correction.

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V. T homas Aquinas Like Alexander, Hugh, and Albert, Aquinas also thinks that fraternal correction is a duty. He likewise asserts that fraternal correction is an act of charity that we must perform if we can achieve the good of our neighbor. We should not prefer our own goods, or even our own safety, to the spiritual good of our neighbor, which we have a duty to pursue. This is the aspect of Aquinas’s treatment that Eleonore Stump focuses on in her study of Aquinas. But not only is it not original with Aquinas 11, it is not his emphasis. Aquinas gives equal if not more attention to the conditions under which one should not engage in fraternal correction. Nor is Aquinas’s treatment inquisitorial in spirit. Aquinas explains: “[…] a positive precept commands an act of virtue. Many circumstances must coincide for this act to be right, since goodness arises from a unified and integral cause, as Dionysius says in ‘On the Divine Names’ 4,30. Therefore, something that is included under a positive precept does not have to be performed at all times and observed in every way, but only when suitable conditions obtain with respect to persons, places, times, and motives. For instance, we do not have to honor our parents in every way and in every time and place, but only given the appropriate circumstances. The same is the case for fraternal correction: The precept bears on it in keeping with the appropriate circumstances, insofar as it is an act of virtue. These circumstances cannot be put down in words, since judging them depends on the particulars of the case. This is the task of prudence, whether the sort acquired through experience and time, or the sort that is infused, according to 1 John 2,27: ‘His anointing will teach you all things’.” 12

Aquinas warns us that many circumstances must coincide for this act to be right. He goes on to note some circumstances that would make such an act wrong. He points out that 1. Correction could incite hatred rather than reform in the sinner. 2. Correction should not scandalize the sinner or onlookers. 3. Correction must be sensitive to social differences between rebuker and sinner (ad 18). 4. Correction must be sensitive to the effect on any onlookers or other participants (ad 10), who might for instance be frightened away from the community of faith. 5. Correction must be sensitive to the effect on the corrector’s own good name. 6. Only a person well suited for and well situated for the correction should perform it, not someone guilty of similar offenses or someone less likely than another to be successful. 11

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Augustine, in particular, stresses the duty of correction (cf., for instance, De civitate dei 1, 9 and De correptione et gratia 3, 5-5, 8), and most medieval thinkers follow him in asserting the duty to correct. Thomas Aquinas, On Fraternal Correction, 1, in: Disputed Questions on Virtue, transl. by J. Hause/C. E. Murphy, Indianapolis 2010, 187.

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7. One may not correct someone whose faults one has discovered by being a spy or a busybody. 8. Correction must be motivated by charity. Aquinas, in short, is more concerned about abuses of the practice than his predecessors were. While he wants to encourage fraternal correction where it will be effective, he seems dubious that it will often be effective, and therefore he wants to discourage the many who would destroy the charitable practice by their bungling 13. Like Albert, Aquinas also thinks one may correct one’s superiors because, as human beings, we are all brothers and sisters to each other. As he writes in the ‘Summa theologiae’: “But fraternal correction, which is an act of charity, pertains to anyone with respect to any person toward whom one ought to have charity, if something that can be corrected is found in him.” 14 Since we ought to have charity even toward our superiors, therefore we should correct our superiors if it will help them. If one corrects a superior, however, one must do so meekly and with reverence. Some commentators have thought this a sign of inegalitarianism in Aquinas that runs counter to the spirit of genuinely fraternal correction, but this view strikes me as false. The idea that one should approach one’s superior with reverence is based on the dignity of the superior’s office, which commands respect. But under charity, all are brothers and sisters and equally deserving of constructive criticism, and so Aquinas’s view is in fact profoundly egalitarian. VI. Concluding Obser vations On the version of the story I have told, the unfolding understanding of fraternal correction in the 13th century is neither anti-egalitarian nor dangerously inquisitorial. It is the story of a practice, based in a precept of love, expressing one neighbor’s genuine concern for the happiness of another. The understanding of how that practice is integrated into the larger ethics of charity and moral virtue grows richer as thinkers reflect more about both the practice and ethics, and the restrictions and conditions on the practice themselves grow out of that richer understanding and further reflection. 13

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In this judgment, I agree with Prosper-Honore´ Corbie`re, Guide de la conscience, Paris, 1845, 89: “Comme il est assez rare que toutes les conditions dont nous venons de faire l’e´nume´rations se trouvent re´unies, il est e´galement rare que les particuliers pe`chent, du moins mortellement, lorsqu’ils ne´gligent le devoir de la correction fraternelle.” Although Corbie`re is presenting his own account of fraternal correction and not a study of Aquinas, his study relies heavily on Aquinas. Thomas Aquinas, Summa theologiae, II-II, art. 33, q. 4, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 8, Rome 1895, 266: “Sed correctio fraterna, quae est actus caritatis, pertinet ad unumquemque respectu cuiuslibet personae ad quam caritatem debet habere, si in eo aliquid corrigibile inveniatur.”

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Nevertheless, tensions remain that 13th-century thinkers did not adequately address. These tensions concern not the initial stage of fraternal correction, but those later stages that operate by inducing shame and fear into the sinner to be corrected. The precise stage at which those further motives are employed varies from thinker to thinker. According to Hugh, the point of the third stage of correction is to induce a sinner who will not reform out of love to reform out of fear. For Albert, fear is the motive of reform at the second stage: We bring one or two others to confront the sinner in order to induce fear of conviction, while the point of the third stage is to induce the sinner to feel shame in order to motivate correction. While Aquinas does not speak of fear at any stage of correction, in the ‘Summa theologiae’ he echoes Albert in holding that the third stage of correction is designed to motivate reform by inducing shame in the sinner 15. I will limit my final observations to Aquinas, whose views on the further stages of correction are akin to, but slightly more moderate than, those of Hugh and Albert. Aquinas states that in the final stage of correction, we attempt to help someone reform through harm and violence. The harm is a serious one: harm to the sinner’s good name, which is the greatest good one person can bestow on another. The violence lies in exposing the sinner’s sin against his will, as well as in working to compel the sinner to give up the sin he wants to commit 16. These are both forms of force or coercion. The question that remains unanswered is this: What justifies this imposition of force? Aquinas explains that the government has the standing to use fear of punishment in order to compel good behavior and reform 17. But, in effect, that is what a private citizen is doing in fraternal correction: If you do not reform after the kind, friendly advice I give you, then beware, because I will expose your sin to the entire population and you may be ostracized. The later stages of fraternal correction, then, make the entire practice coercive. What would give a private citizen the standing to exercise this force, this coercive power? One answer found in Aquinas and very commonly embraced in our own time is this: When someone offends me or others, I may summon my anger and indignation in order to preserve my or their reputation. This is what we now call “second-personal blame”: I hold you responsible and exert a certain force on you in defense of the reputation of myself or others. However, this sort of blame, which Aquinas treats under the heading of anger 18, is very far from 15

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Cf. Thomas Aquinas, Summa theologiae, II-II, art. 33, q. 7, ed. Commissio Leonina (nt. 14), 269 sq. Cf. Thomas Aquinas, Quaestio disputata de correctione fraternal, 2, ed. E. Odetto, in: S. Thomae Aquinatis Quaestiones disputatae, vol. 2, Turin-Rome, 1965, 797-802; and id., Summa theologiae, II-II, 33, 7, ed. Commissio Leonina (nt. 14), 269 sq.. Cf., for instance, Thomas Aquinas, Summa theologiae, I-II, 95, 1, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 7, Rome 1892, 174 sq. Cf. Summa theologiae, I-II, qq. 46-48, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 6, Rome 1892, 292-308.

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fraternal correction, which is not second-personal in this way: It is not meant as a defense of others but as an act of mercy for the sinner. Hence, the justification for the use of force in blame is not available for the use of force in fraternal correction. Let us suppose, for the sake of argument, that this worry has been resolved and there is no internal inconsistency in a private citizen’s exertion of this force to correct another. A further worry is whether this procedure is ever likely to produce the desired results. The fear and shame induced by the practice might induce the sinner to stop, to feel what is sometimes called “attrition”, but not to repent, that is, find contrition. The practice might also cause hatred and resentment in the sinner and create an atmosphere of anxiety and distrust in the community. These results would likewise be contrary to the goals of fraternal correction and would render it very unlikely that one could consistently engage in the further stages of correction. These are compelling reasons for thinking that the full practice of fraternal correction - correction in all its stages - is really a mixture of fraternal correction and judicial correction and that later stages should be carried out only by the proper authority, not by one’s neighbor. It is, of course, unclear just how often those who supported fraternal correction in all its stages would have endorsed the practice of it all the way through to its final stage. The thinkers I have discussed here all agreed that it was our duty to correct our neighbor when appropriate, not something supererogatory. However, if we look at the increasing number of restrictions placed on the practice between the time of Alexander and that of Aquinas, we must wonder just how often even starting the practice would have been appropriate, and how much less often it would have been appropriate to carry it through to later stages. The practice of correction can either advance the end of charity or thwart it, and it became clear to the scholastics that to judge between the two cases would take considerable familiarity with the sinner and considerable practical wisdom in the corrector.

IX. Gewissensirrtum und Meinungsfreiheit

Error as Acting against Conscience in Bernard of Clairvaux’s ‘De gratia et libero arbitrio’ Marcia L. Colish (New Haven) Moral error, doing what we know is wrong, is a major theme in Bernard of Clairvaux’s ‘Liber de gratia et libero arbitrio’ (ca. 1128). Commentators have rarely noted that his robust defense of human free will in this work is connected to his notion of error. The only general survey of error in the Middle Ages ignores ‘De gratia’ 1. Studies of Bernard on conscience or ethical decision-making treat this work in passing or omit it altogether 2. Many treatments of Bernard’s psychology see him primarily as a mystic, “the last of the fathers”, or an Augustine redivivus for whom the will, crippled by our fall into a regio dissimilitudinis, can choose the good only when liberated by grace 3. Some scholars depict 1

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Cf. G. R. Evans, Getting It Wrong. The Medieval Epistemology of Error (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 63), Leiden 1998. This work is also weakened by a topical organization that makes it difficult to chart historical developments or to contextualize the passages cited. Omitting ‘De gratia’ altogether is P. Delhaye, La conscience morale dans la doctrine de S. Bernard, in: Saint Bernard the´ologien. Actes du Congre`s de Dijon, 15-19 septembre 1953 (Analecta Sacri Ordinis Cisterciencis 9), Roma 1954, 209-222; id., Le proble`me de la conscience morale chez S. Bernard, e´tudie´ dans ses oeuvres et dans ses sources (Analecta mediaevalia namurcensia 9), Namur 1957; mentioning this work only once in passing is F. Dingjan, Discretio. Les origines patristiques et monastiques de la doctrine de la prudence chez saint Thomas d’Aquin, Assen 1967, 133-145. Cf. E´. Gilson, The Mystical Theology of Saint Bernard, translated by A.C.H. Downes, London 1955, 34-58, 70-71; O. Lottin, Libre arbitre et liberte´ depuis saint Anselme jusqu’a` la fin du XIIIe sie`cle, in: id., Psychologie et morale aux XIIe et XIIe sie`cles, vol. 1, Gembloux 1957, 11389, at 19-20, 218; R. Javelet, Image et ressemblance au douzie`me sie`cle de saint Anselme a` Alain de Lille, vol. 1, Chambe´ry 1967, 175-176, 189-198; his findings are reprised briefly in id., La re´introduction de la liberte´ dans les notions d’image et de ressemblance concœ ue comme dynamisme, in: Albert Zimmerman (ed.), Der Begriff Repraesentatio im Mittelalter. Stellvertretung, Symbol, Zeichen (Miscellanea Mediaevalia 8), Berlin 1971, 1-34; P. Courcelle, Connaistoi toi-meˆme de Socrate a` saint Bernard, Paris 1974-75, vol. 1, 258-272, 279-281; vol. 3, 720-721. Cf., more recently, B. McGinn, Freedom, Formation, and Reformation: The Anthropological Roots of Saint Bernard’s Spiritual Teaching, in: Analecta Cisterciensia 46 (1990), 91112; R. D. Di Lorenzo, Dante’s Saint Bernard and the Theology of Liberty in the Commedia, in: J. R. Sommerfeldt (ed.), Bernardus Magister (Cistercian Studies 135), Spencer, MA 1992, 497513, at 504-509; F. Callerot, Introduction to her translation of Bernard de Clairvaux, La graˆce et le libre arbitre (Sources chre´tiennes 393), Paris 1993, 169-206; M. Corbin, La graˆce et la liberte´ chez saint Bernard de Clairvaux, Paris 2002, 50-54, 61-93; D. Boquet, Le libre arbitre comme image de Dieu. L’anthropologie voluntariste de Bernard de Clairvaux, in: Collectanea

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Marcia L. Colish

Bernard as expressly opposed to philosophy, drawing on biblical and patristic sources alone 4. But others place his work in a philosophical context, be it Platonism and Neoplatonism or the Aristotelian doctrine of akrasia, the latter called incontinentia by the scholastics and weakness of will by the moderns 5, although that doctrine was not available in Latin until the 1230s 6. Still others see Bernard as the godfather of late medieval voluntarism, or even of proponents of the will

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cisterciensia 6 (2003), 179-192, at 185-191; Auge Rydstrøm-Poulsen, The Augustinian Bernard of Clairvaux: A Reading of De gratia et libero arbitrio, in: M. L. Dutton/D. M. La Corte/ P. Lockley (eds.), Truth As Gift. Studies in Medieval Cistercian History in Honor of John R. Sommerfeldt (Cistercian Studies Series 204), Kalamazoo 2004, 301-319; J. Müller, Willensschwäche im Antike und Mittelalter. Eine Problemgeschichte von Sokrates bis Duns Scotus (Ancient and Medieval Philosophy 40), Leuven, 2009, 449-495, 708-709; M. Casey, Reading Saint Bernard and M. B. Pranger, Bernard the Writer, both in: B. P. McGuire (ed.), A Companion to Bernard of Clairvaux (Brill’s Companions to the Christian Tradition 25), Leiden-Boston 2011, 62-102, at 84-97 and 220-248, at 220-226 respectively; J. Leclercq, Liberte´ et destine´e de l’homme selon Bernard de Clairvaux, in: Cıˆteaux 63 (2012), 135-145; C. Trottmann, Bernard de Clairvaux et l’infle´xion du socratisme chre´tien, in: ibid., 45-61. Thus, O. Rousseau, S. Bernard, le ‘dernier des pe`res’, in: Saint Bernard the´ologien (nt. 2), 300-308; Gilson, Mystical Theology (nt. 3), 34-58, 70-71 (despite Bernard’s “Christian Socratism”); B. McGinn, Introduction to Bernard of Clairvaux, On Grace and Free Choice, translated by D. O’Donovan (The Works of Bernard of Clairvaux 7), Kalamazoo 1977, 5, 912; Callerot, Introduction (nt. 3), 169-171, 213-219; Corbin, La graˆce et la liberte´ (nt. 3), 2025 and passim; Boquet, Le libre arbitre (nt. 3), 181 sq.; Pranger, Bernard the Writer (nt. 3), 220248. Cf. J.-M. Dechanet, Aux sources de la pense´e philosophique de S. Bernard, in: Saint Bernard the´ologien (nt. 2), 56-77; Javelet, Image et ressemblance (nt. 3), 175 sq., 189-198; and Courcelle, Connais-toi toi-meˆme (nt. 3), vol. 1, 258-272, 279 sqq., 291; vol. 3, 720 sq. track Platonic and Neoplatonic themes in Bernard, presented in the form of motif research. More recent scholarship seeks to positon Bernard vis-a`-vis Aristotle’s akrasia, as with C. Trottmann, Bernard de Clairvaux sur la faiblesse de la volonte´ et la duperie de soi, in: T. Hoffmann/J. Müller/ M. Perkams (eds.), Das Problem der Willensschwäche in der mittelalterlichen Philosophie (Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales: Bibliotheca 8), Leuven 2006, 147-172. Without exhausting recent treatments of the scholastics on akrasia, cf. other contributions to the volume just cited and to T. Hoffmann (ed.), Weakness of Will from Plato to the Present, Washington (DC) 2008; Müller, Willensschwäche (nt. 3), 497-698; M. L. Colish, Acting against Conscience: Dante and the Aristotelian, Stoic, and Christian Traditions, in: J. M. Ziolkowski (ed.), Dante and the Greeks, Washington (DC) 2014, 83-104, at 92 sqq.. Another form of anachronism is found in scholars treating Bernard on free will as a Thomist avant la lettre, as with G. Venuta, Libero arbitrio e liberta` della grazia nel pensiero di S. Bernardo, Roma 1953; U. Faust, Bernhard’s ‘Liber de gratia et libero arbitrio’. Bedeutung, Quellen und Einfluss, in: Analecta Monastica, 6th ser. (Studia Anselmiana 50), Roma 1962, 35-51; and Dingjan, Discretio (nt. 2), 133-145. On aspects of Aristotelianism known in Bernard’s day cf. C. J. Nederman, Aristotelian Ethics before the Nicomachean Ethics: Sources of Aristotle’s Concept of Virtue in the Twelfth Century, in: Parergon, n. s. 7 (1989), 55-75; id., Nature, Ethics, and the Doctrine of Habitus: Aristotelian Moral Psychology in the Twelfth Century, in: Traditio 45 (1989-1990), 87-110 [reprinted in: id., Medieval Aristotelianism and Its Limits. Classical Traditions in Medieval Moral and Political Philosophy, London 1997, ch. 1 and ch. 6 respectively]; id., The Meaning of ‘Aristotelianism’ in Medieval Moral and Political Thought, in: Journal of the History of Ideas 57 (1996), 563-585.

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as the basic determinant of the self in thinkers as recent as Descartes and Nietzsche 7. Dismissing efforts to place Bernard in movements of which he was, perforce, unaware, a different approach flags parallels with classical sources well within his reach, whether directly or via the church fathers or florilegia. While we lack information on the curriculum of the school at Saint-Vorles in Chaˆtillon-surSeine that equipped the young Bernard with an excellent Latin style, his knowledge of Cicero is recognized even by scholars stressing the anti-philosophical Bernard; heading the list are Cicero on friendship, the honestum and the utile, benevolence, the ennobling effects of virtue, and the notion that a new love replaces an old one as one nail drives out another 8. Also noted are traces of Seneca, second only to Cicero in his medieval popularity, including the coinherence of the virtues, the constancy of the Stoic sage, the rejection of irrational passions and cultivation of those compatible with reason, and the daily practice of praemeditatio futurorum malorum and examination of conscience 9. 7

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Cf. e.g. C. McClusky, Bernard of Clairvaux on the Nature of Human Agency, in: Revista portuguesa de filosofia 64 (2008), 297-317; C. Trottmann, Le libre arbitre selon Bernard de Clairvaux et Descartes, in: J. Biard/R. Rashed (eds.), Descartes et le moyen aˆge (E´tudes de philosophie me´die´vale 75), Paris 1997, 455-463; id., Bernard de Clairvaux, Aelred de Rievaulx et Isaac de l’E´toile, philosophes cisterciens du XIIe sie`cle, in: A.-M. Ponnou-Delaffon (ed.), Lumie`res me´die´vales. Saint Bernard, Averroe`s, saint Thomas d’Aquin, Duns Scot (Cours, Colloques, Confe´rences des Bernardins 10), Paris 2010, 27-54, at 36; id., Volunte´ et infinie liberte´ dans une perspective eschatologique. Bernard de Clairvaux ou la faiblesse des puissants, in: L. Parisoli (ed.), Il soggetto e la sua identita`. Mente e norme, medioevo e modernita` (Bilioteca dell’Officina di Studi Medievali 12), Palermo 2010, 29-53 at 29; Müller, Willensschwäche (nt. 3), 453 sqq.; Matthias Perkams, Bernhard von Clairvaux, Robert von Melun und die Anfänge des mittelalterlichen Voluntarismus, in: Vivarium 50 (2012), 1-32. The most extreme statement of this position is that of J.-L. Marion, L’image de la liberte´, in: R. Brague (ed.), Saint Bernard et la philosophie, Paris 1993, 49-72, at 52-60, who traces Bernard’s putative influence up through Nietzsche and who thinks that, for Bernard, our ability to reject divine grace renders grace ineffectual. Cf. e.g. Gilson, Mystical Theology (nt. 3), 8-13; Delhaye, La conscience morale (nt. 2), 215 sq.; id., Le proble`me de la conscience morale (nt. 2), 35-38; Callerot, Introduction (nt. 3), 192; M. L. Colish, Abelard and Theology, in: S. Hayes-Healy (ed.), Medieval Paradigms. Essays in Honor of Jeremy duQuesnay Adams, vol. 1, New York 2005, 3-12, at 9 and at 12, nt. 23-24 [reprinted in ead., Studies in Scholasticism, Aldershot 2006, ch. 7]; C. J. Mews, Cicero and the Boundaries of Friendship in the Twelfth Century, In: Viator 38 (2007), 369-384. Cf. e.g. K.-D. Nothdurft, Studien zum Einfluss Senecas auf die Philosophie des zwölften Jahrhunderts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 10), Leiden-Köln 1963, 82, 86, 121, 137 nt. 4, 138, 144; L. D. Reynolds, The Medieval Tradition of Seneca’s Letters, Oxford 1965, ch. 6 and ch. 9; id., The Medieval Tradition of Seneca’s Dialogues, in: Classical Quarterly, n. s. 18 (1968), 353-373; M. Lapidge, The Stoic Inheritance, in: P. Dronke (ed.), A History of Twelfth-Century Western Philosophy, Cambridge 1988, 81-112; P. Smiraglia, Presenza di Seneca nella cultura del XII secolo, in: Aevum Antiquum 13 (2000), 265-282; D. Carron, Se´ne`que, exemplarite´ et ambiguı¨te´ exemplaire, IV-XIV sie`cle, in: T. Ricklin e.a. (eds.), Exempla docent. Les exemples des philosophes de l’Antiquite´ a` la Renaissance (E´tudes de philosophie me´die´vale 92), Paris 2006, 307-333; Trottmann, Bernard de Clairvaux et l’infle´xion cistercienne du socratisme (nt. 3), 47-50. New evidence about Seneca MSS. that traveled between England and northern France in the early twelfth century is presented by P. A. Hayward, The Earls of Leicester,

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Seneca offers still more food for thought in connection with the De gratia 10. He presents the three-stage Stoic model of moral decision-making: passio, in which we experience an unbidden physical or emotional reaction; propassio, in which we judge whether or not this reaction is compatible with reason; and consensus, in which our will accepts or rejects that judgment, thus making our intentions and actions virtuous or vicious. Whichever choice it makes, the will is free and operates at full strength. Circumstances beyond our control may provoke our initial reactions. But it lies within our power to evaluate them rationally and to respond to them voluntarily and appropriately. We all possess the correct moral norms enabling us to do so. For his part, the sage always wills and acts in conformity with reason and has a consistently good conscience. But non-sages, while they are well aware of what is right, deliberately make vicious choices. They thereby acquire a bad conscience. Seneca’s rhetoric is two-fold. He offers rational therapy, painting an inviting picture of good conscience. He also offers aversion therapy, aimed at making bad conscience so repugnant that readers will avoid it. Seneca anatomizes the worry, shame, insecurity, and fear of being found out which those with bad conscience inflict on themselves. That a bad will can coexist with a good will is an observable fact; as Seneca says, “Men both love and hate their own vices at the same time” (Ep. 112,4: “Homines vitia sua et amant simul et oderunt ”). He explains this possibility with the metaphor of a runner who cannot come to an abrupt stop at the end of his course precisely when he wants to stop, since “the momentum of his body propels him forward, carrying him farther than he wills” (Ep. 40,7: “corporis pondervi servi ac longius quam voluit ”). At the same time, while the errors of judgment prompting our bad habits can impede or delay our correct moral responses, they cannot annul our conscience or the freedom of our will to act in its light. Seneca’s runner does, eventually, stop. If Seneca has much to offer as a figure worth thinking with as we read Bernard’s ‘De gratia’, there was also a non-Stoic approach to moral choice available to Bernard in Jerome’s commentary on Ezekiel, repeated verbatim in the Ezekiel commentary of Rabanus Maurus and by the exegete responsible for Ezekiel in the ‘Glossa ordinaria’ 11. Equating Plato’s intellect, passion, and spirit

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Sygerius Lucanus, and the Death of Seneca. Some Neglected Evidence for the Cultural Agency of the Norman Aristocracy, in: Speculum 91 (2016), 328-355. For a more extended discussion, textual loci, and bibliography, cf. M. L. Colish, Seneca on Acting against Conscience, in: J. Wildberger/M. L. Colish (eds.), Seneca Philosophus, Berlin, 2014, 95110. On the three-stage process of moral decision-making, cf. D. H. Kaufman, Seneca on the Analysis and Therapy of Occurrent Emotions, in: ibid., 111-133, at 119-126; M. Garver, Stoicism and Emotion, Chicago 2007, 93-101; for the medieval transmission of this position described by both Seneca and Aulus Gellius, cf. S. Knuuttila, The Emergence of the Logic of the Will in Medieval Thought, in: G. B. Matthews (ed.), The Augustinian Tradition, Berkeley 1999, 206-221, at 208-213. Jerome, Commentariorum in Hezekielem libri XIV, I, 1, 6-8a, ed. F. Glorie (Corpus Christianorum. Series Latina 75), Turnhout 1967. Jerome’s own source has been identified as Origen, on which cf. G. Madec, Ambroise et la philosophie, Paris 1974, 125-127 and D. Kries, Origen, Plato, and Conscience (Synderesis) in Jerome’s Ezekiel Commentary, in: Traditio 57 (2002),

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with Aristotle’s intellectual, irascible, and concupiscible faculties, Jerome assigns them to the man, the lion, and the ox in the prophet’s vision. The eagle, the fourth creature in the vision, stands for synderesis and conscience, two distinct concepts in classical thought which Jerome conflates. He calls this amalgam the spark of reason (scintilla rationis) that is not extinguished in Cain. Soaring above the other three faculties, it points us toward the good, judging and reproving us when we stray. Among the problems passed on to the scholastics when Peter Lombard put this passage on their agenda is Jerome’s observation that, despite their unquenchable scintilla rationis, we meet people every day who display no compunction whatever for their misdeeds. Unlike the Cain of Genesis, they display no remorse or repentance. How this can be Jerome does not explain. Another tradition in the Christian mainstream accessible to Bernard and not typically applied to the ‘De gratia’ is canon law. Given his high-profile public life, Bernard may well have been more conversant with canon law than most contemporary abbots. There was a debate among canonists on the culpability of actions performed against the agent’s moral principles and against his will 12. Such unwilled actions might be occasioned by fear or force; the force might be coactio absoluta or coactio conditionaliter. The canonists inherited from Roman law the ideal of the constant man. Whether clothed in the equanimity of the Stoic sage or the toga of the steadfast patrician, the constant man adheres to his values, even in the face of torture and death. Not everyone is a constant man. Is someone whose constancy fails culpable of sin? Some canonists are lenient. In their view, we can remain innocent and guiltless in God’s sight even if forced to act against our will. Other canonists are harsh. They maintain that it is better to suffer evil than to commit it, whatever the circumstances. For them, some degree of culpability attaches to any departure from our values and moral commitments, even if our compliance is extorted under compulsion. If Seneca, Jerome, and the canonists have not been given their due by readers of ‘De gratia’, Anselm of Canterbury, reopening the debate on grace and free will 13, has been seen as Bernard’s most immediate precursor. Anselm deals with this topic in his ‘De libertate arbitrii’, his ‘De casu diaboli’, and his ‘De concordia’. The most comprehensive recent study of Anselm sees him as deeply influenced by Augustine on this topic but as holding the line against the antiManichean and anti-Pelagian Augustine alike 14.

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67-83. For the transmission of this notion up through Peter Lombard, cf. M. L. Colish, Peter Lombard, vol. 1, Leiden 1994, 383 and ead., Synderesis and Conscience: Stoicism and its Medieval Transformations, in: E.A. Matter/L. Smith (eds.), From Knowledge to Beatitude. St. Victor, Twelfth-Century Scholars, and Beyond. Essays in Honor of Grover A. Zinn, Jr., Notre Dame 2013, 229-246; C. Trottmann, Synde´re`se: Hereuse faute?, in: In˜igo Atucha e.a. (eds.), Mots me´die´vales offerts a` Ruedi Imbach (Textes et E´tudes du Moyen´ ge 54), Porto 2011, 717-727. The classic study remains S. Kuttner, Kanonistische Schuldlehre von Gratian bis auf die Dekretalen Gregors IX (Studi e testi 64), Citta` del Vaticano 1935, 299 sq. Cf. Müller, Willensschwäche (nt. 3), 381. For what follows on Anselm, cf. E. C. Sweeney, Anselm of Canterbury and the Desire for the Word, Washington (DC) 2012, 196-239, 346-367. Other useful accounts include Sofia Vanni Rovighi, Liberta` e libero arbitrio in S. Anselmo d’Aosta, in: F. Bossier a. e. (eds.), Images of

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Considering the semantic as well as the moral sense of posse peccare et non peccare and of non posse peccare, Anselm holds that moral agents are more free when unable to sin than when they can sin. Freedom of choice has limits for fallen humanity. But our will is less damaged, for Anselm, than for the late Augustine. While we can will to do, or to accept, something we do not want to do, we cannot will against our own will. The fact that we face difficulties, temptations, and obstacles does not cancel our freedom of choice. That said, Anselm is more interested in the choices for rectitude, or for convenience, that we make when aided by grace. If we persist in these good choices, we will gain merit and eventual beatitude. Grace, for Anselm, is not irresistible. This fact, reflected in the fall of Adam and of the devil, is visible in our own waywardness. While God foreknows how we will respond to his grace and he preordains and accomplishes what he wills, God does not will to compel us, or to prevent us from exercising our free choice. The merits we accrue thereby belong to us and we can take them with us into his kingdom. These positions find their echoes in Bernard’s ‘De gratia’. Still, there is no scholarly consensus on its relation to Anselm. Some commentators see Bernard as more Augustinian than Anselm 15, others as less Augustinian than Anselm 16. For some, Bernard’s innovation lies in his focus on the beginnings of moral choice, not its ends 17; for others, his achievement is simply an analysis more detailed than Anselm’s, especially in his famous and influential distinction among freedom from necessity, freedom from sin, and freedom from misery 18. That Bernard rings changes both on Anselm and his other possible sources is visible in his literary strategy no less than in the substance of his argument. While many of Anselm’s works are dialogues in which both disciple and master make substantial contributions, ‘De gratia’ opens with a brief conversation between Bernard and an unspecified interlocutor (unus ex circumstantibus), who then disappears. It is this putative interlocutor who raises the question of where human choice and human merit fit in, if our salvation is completely God’s work. Responding briefly, after which ‘De gratia’ shifts from dialogue to treatise,

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Man in Ancient and Medieval Thought. Studia Gerardo Verbeke ab amicis et collegis dicata, Leuven 1976, 271-285; Müller, Willensschwäche (nt. 3), 381-413, superseding Lottin, Libre arbitre, in: Psychologie et morale (nt. 3), 12 sqq., 217. Cf. e.g. Lottin, Libre arbitre (nt. 14), 19 sq., 218. Cf. e.g. Venuta, Libero arbitrio (nt. 4), 17 sq., 21-25, 27 sq., 160-164; Sofia Vanni Rovighi, Notes sur l’influence de saint Anselme au XIIe sie`cle, in: Cahiers de civilisation me´die´vale 8 (1965), 43-58, at 55 sq.; ead., Liberta` e libero arbitrio (nt. 14), 281-285; Faust, Bernhards ‘Liber de gratia’ (nt. 4), 36 sqq., 42 sq., 48-51; Manlio Simonetti, Introduzione to his translation of Liber de gratia et libero arbitrio, in: Ferruccio Gastaldelli (ed.), Opere di San Bernardo, vol. 1, Milano 1984, 335, 349; Trottmann, Bernard de Clairvaux, Aelred de Reivaulx (nt. 7), 36; id., Volunte´ et infinie liberte´ (nt. 7), 29-35, 44 sq. Cf. e.g. Faust, Bernhards ‘Liber de gratia’ (nt. 4), 42 sq. Best developed by Simonetti, Introduzione (nt. 16), 349-356; less specific and useful are Javelet, Image et ressemblance (nt. 3), 175-176, 189-198; Callerot, Introduction (nt. 3), 219; Corbin, La graˆce et la liberte´ (nt. 3), 17-21, 28.

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Bernard here forecasts the message he amplifies in the body of the text: Our salvation requires grace and free will acting “together, not individually, simultaneously, not one by one. It is not as if grace does part and free choice does part; rather, they work together in a single operation, each making its own contribution” 19. Our focus in this study is Bernard on the freedom from necessity deemed essential in that process. He begins by distinguishing the will, which is free, from attributes, some shared with sub-human beings, which operate under their own necessities. These include sense-perception, appetite, memory, and natural talent (ingenium) 20. Bernard’s inclusion of memory on this list suggests a departure from Augustine’s view of the coequal and coactive trio of memory, intellect, and will as an analogy of the Trinity 21. An even more striking departure from the late Augustine is Bernard’s bracketing of original sin as irrelevant to the psychogenesis of ethical decision-making in ‘De gratia’. As Bernard asserts, “Where there is no freedom, therefore, there is neither merit nor blame, apart from original sin, which is clearly a different matter” 22. He makes no further reference to original sin in this work. Its treatment of reason and will in the analysis of freedom from necessity that follows does not present either of these mental functions as corrupted by the Fall. Anselm calls the will its own efficient cause and does not investigate its relations with our other mental operations. For Bernard, the will is liber sui, “a spontaneous and intrinsically free attribute of the mind” 23, with whose other 19

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Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 1, 1-2, 358 sqq.; 1, 2, 358 for the phrase describing this putative interlocutor; for the larger conclusion, ibid., 14, 47, 416: “ut mixtim, non singillatim, simul, non vicissim, per singulos operentur. Non partim gratia, partim liberum arbitrium, sed totum singula opere individuo peragunt […]”; Gastaldelli’s edition (nt. 16) will be cited below; translations are mine. Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 2, 5, 364: “vita, sensus, appetitus, memoria, ingenium, et si qua talia sunt, eo ipso subiacent necessitati, quo non plene sunt subdita voluntati.” Cf. also ibid., 1, 2, 360; 2, 3, 362; 2, 4, 364 for more on sensation and appetite. Augustine, De trinitate, X, 11, 17-18, edd. W.J. Mountain/F. Glorie (Corpus Christianorum. Series Latina 16/1-2), Turnhout 1968. Noted by Boquet, Le libre arbitre (nt. 3), 191. Cf. the unconvincing efforts to read this doctrine into the Liber de gratia by Venuta, Libero arbitrio (nt. 4), 44-48 and Müller, Willensschwäche (nt. 3), 451. Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 2, 5, 364: “ubi libertas non est, nec meritum, ac per hoc nec iudicium, excepto sane per omnia originali peccato, quod aliam constat habere rationem.” Bernard insists on the post-lapsarian perdurance of this freedom, at ibid., 8, 24, 388: “Manet ergo, etiam post peccatum, liberum arbitrium, etsi miserum, tamen integrum” and without lessening, at ibid., 8, 25, 390: “sine sui diminuatione perduret […]”. This essential point has been recognized by Faust, Bernhards ‘Liber de gratia’ (nt. 4), 38-42 and Corbin, La graˆce et la liberte´ (nt. 3), 220. Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 1, 2-2, 3, 362: “Est enim habitus animi, liber sui […] Verum consensus, nutus est voluntatis spontaneus, […] habitus animi, liber sui.” It has been widely recognized that this habitus in Bernard is simply a basic attribute of the human soul without the acceptation of any specific school of philosophy; cf. e.g. McGinn, Introduction (nt. 4), 15 sq. For Anselm on the will as its own efficient cause, cf. his De casu diaboli, 27, in: F. S. Schmitt (ed.), Anselm of Canterbury, Opera omnia, vol. 1, Edinburgh 1940 [reprinted Stuttgart 1968], 275: “Nam haec voluntas nullam aliam habuit causam qua impelleretur aliquatenus aut attraheretur, sed ipsa sibi efficiens causa fuit, si dici potest, et effectum.”

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mental functions it interacts. “The will”, says Bernard, “is a motus rationis governing sensation and appetition. Whichever way it turns, it always has reason as its comitem et quodammodo pedissequam. It does not always act ex ratione but sometimes absque ratione. So, it may do many things by reason that oppose it (ita ut multa faciat per ipsam contra ipsam), contrary to its advice and judgment (contra consilium sive iudicium).” Indeed, wisdom and prudence, on the one side, and evil, on the other, “cannot exist in a creature except by means of reason” 24. Many of the debates on freedom from necessity in De gratia turn on how scholars interpret the key terms comes and pedissequa. As a base line, in classical Latin a comes can be a companion or associate, or a tutor or pedagogue. In support of the latter reading, Bernard says that the role of reason is to teach the will, not to undermine it: “Et ratio data voluntati ut instruat illam, non destruat.” 25 To impose any necessity on the will is to destroy it. Bernard is aware that pupils cannot be forced to second the views of their teachers. In classical Latin, a pedissequa is a handmaiden; in medieval terms she would resemble a lady-inwaiting more than a ladies’ maid. Even if her advice is not deemed impertinent, her mistress is in no sense obliged to follow it. In a sampler of modern translations of these terms, Francophone scholars give us “compagnon ou servante” or “suivante.” Italophones prefer “compagna e socia”. Anglophones offer “mate and follower” or “attendant and handmaiden”, while Germanophones choose “Begleiter” or “Richter” 26. Even ignoring the qualifier quodammodo, English “follower” and German “Richter” are the most problematic of these translations. “Follower” can mean suitor or hanger-on or flunky, or it can mean disciple or successor. “Richter” can mean a judge, who determines a person’s guilt or innocence, after the fact, but who plays no role in advising the choices that have brought him to court. While the pedagogical sense of Bernard’s comes tends to get lost in most scholarly discussions, the safest conclusion we can draw is that, whether he sees reason as the will’s superior, equal, or inferior, its advice, while 24

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Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 2, 3, 362: “Porro voluntas est motus rationalis, et sensui praesidens et appetitui. Habet sane, quocumque se volverit, ratione semper comitem et quodammodo pedissequam: non quod semper ex ratione, sed quod numquam absque ratione moveatur, ita ut multa faciat per ipsam contra ipsam, hoc est per eius quasi ministerium, contra eius consilium sive iudicium. […] Neque enim prudentia seu sapientia inesse creaturae potest, vel in malo, nisi utique per rationem.” Ibid., 2, 4, 362. Cf. e.g. among scholars cited in this paper, Lottin, Libre arbitre, in: Psychologie et morale (nt. 3), 19 sq. and Boquet, Le libre arbitre (nt. 3), 182 sq. (compagnon); Callerot, Introduction (nt. 3), 185 (servante ou de suivante); Trottmann, Bernard de Clairvaux, Aelred de Rievaulx (nt. 7), 35 (suivante); Perkams, Bernhard von Clairvaux (nt. 7), 4 (Begleiter); Müller, Willensschwäche (nt. 3), 451 (Richter); Di Lorenzo, Dante’s Saint Bernard (nt. 3), 508 (attendant and handmaiden); O’Donovan, translation of On Grace and Free Choice (nt. 4), 58 (its mate, one might even say its follower); Ventura, Libero arbitrio (nt. 4), 48 (compagna e socia); Simonetti’s transl. of ‘De gratia’ (nt. 16), 363 (ad accompagnarla e in qualche modo seguirla) avoids using nouns altogether. Without offering a translation of his own, McGinn, Introduction (nt. 4), 16-23, regards Bernard’s terminology as confusing but proposes as reason’s role the judging of the will’s choices after, as much as before, the fact.

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always present in our moral choices, does not bind the freedom of the will. For, as Bernard states repeatedly in ‘De gratia’, no condition or impediment of any kind, external or internal, destroys the free choice of the will 27. In any case, for Bernard, moral decisions involve three mental activities. Without invoking the language of conscience, synderesis, and will or of passio, propassio, and consensus, the process he charts includes reason, counsel, and will. Our reason possesses basic moral norms - and Bernard does not explain how we acquire them - that give us correct knowledge of what is morally right and wrong. Counsel’s job is to apply these norms to concrete cases. Counsel’s applications of them may be accurate and appropriate, or erroneous and inappropriate. Whether or not the advice counsel conveys to the will is correct and consistent with reason, the will is free to accept or reject it 28. The freedom from necessity inhering in the will has some exceptions. As Bernard notes, “with regard to the insane, children, and the comatose, nothing they may do, good or bad, is imputed to them; since they are mentally incompetent, they cannot exercise their own will or judgment” 29. Nor does Bernard impute merit or blame to the mentally competent when they act inadvertently. Acts performed when we are tired, distracted, confused, upset, in a hurry, or forgetful, since they are done without deliberation and conscious choice, are morally neutral 30. This conception of moral neutrality is Bernard’s own. As for the rest of us, absent these conditions, we are entirely responsible for our choices, since our freedom from necessity is innate, universal, and irrevocable. It inheres “in all rational creatures, good and bad, equally and in the same way” 31. Efforts to excuse ourselves for our own moral error and failure are as transparent as they are fruitless. There is an echo of Seneca’s aversion therapy in Bernard’s depiction of the man who protests that he really wants to exercise a good will but, alas, he has not done so because of the difficulties. In Bernard’s 27

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Cf. Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 1, 2; 2, 4; 2, 5; 3, 6; 3, 7; 4, 9; 4, 10, 362, 364, 366, 368, 372. Cf. ibid., 4, 9; 4, 11; 5, 14; 5, 15; 6, 17, 370, 372-374, 375, 376, 378, 380. Bernard usually describes good counsel as advising what is right (rectum), but also at ibid., 4, 11 as what is licit (372: “quod liceat vel non liceat”); at ibid., 6, 17 he cites counsel as a natural aptitude proposing what the true fear and love of God require (380: “A Deo igitur velle, quomodo et timere, quomodo et amare accepimus in conditione naturae”). Ibid., 2, 5, 366: “Hinc est quod insanis, infantibus, itemque dormientibus, nihil quod faciant, vel bonum, vel malum, imputatur, quia nimirum sicut suae non sunt compotes rationis, sic nec usum retinent propriae voluntatis, ac per hoc nec iudicium libertatis.” Bernard’s dormientes resemble the comatose persons whose capacity to receive valid sacraments is discussed by canonists and scholastic theologians rather than the sleepers beset by suggestive dreams or nocturnal emissions of concern to some monastic thinkers. Cf. ibid., 2, 5, 366: “Cum igitur voluntas nil liberum habeat nisi se, merito non iudicatur nisi ex se. Siquidem nec tardum ingenium, nec labilis memoria, nec inquietus appetitus, nec sensus obtusus, nec vita languens, rerum per se statuunt hominem, sicut nec contraria innocentem, et hoc non ob aliud, nisi quia haec necessarie ac praeter voluntatem posse provenire probantur.” Ibid., 4, 9, 370: “Verum libertas a necessitate aeque et indifferenter Deo universaeque, tam malae quam bonae, rationali convenit creaturae.” Cf. also ibid., 5, 5, 378.

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eyes, this man knows perfectly well what a good will requires and he has the capacity to choose it. His prevarication fools no one. His situation does not reflect a suspension of judgment or the inability to make a choice at all, but erroneous counsel that has led to a bad choice, which in turn provokes his own discomfort. His bad choice was freely willed. But he is free to abandon it and to substitute a different and better choice 32. While no previous scholar has suggested that Bernard is channeling Seneca’s idea that a bad will can occupy the same psychic space as a good will, some commentators see in his psychology a retread of the Augustinian divided self or of the Pauline tension between flesh and spirit. None of these conditions describe his position on freedom from necessity in ‘De gratia’. In agreement with Anselm, Bernard asserts, “It is impossible for the will to disobey itself. No one can either not will what he wills, or will what he does not will. And it is thus impossible for him to be deprived of his freedom” 33. Bernard recognizes that we can be forced to do something against our will. But when we resist internally, the act is not voluntary. Neither virtue nor vice is imputed to us, “for where there is necessity there is no will”, and hence no merit or demerit 34. We possess a single will. It is often confronted by options and alternatives. It decides which one to choose and can shift its choice from one to another, since the will is a free motion of the mind whichever way it turns: “The will can indeed be changed, but only into another will, so that freedom is not lost.” 35 Bernard draws a distinction between what he calls passive and active compulsion. Passive compulsion occurs when we are compelled, when we are forced to do or to suffer something against our will and against our moral values. Since we do not assent, no merit or blame applies. On this point, Bernard would agree with the lenient canonists on culpability. On the other hand, under the heading of active compulsion - a not entirely happy label - if we choose to do something we know is wrong under pressure, our act “is not excusable, since it is voluntary” 36. On that point, Bernard would agree with the harsh canonists on culpability. Even as God does not save us against our will, so also, “however much we are beset by internal or external temptations, the will always remains free with respect to choice” 37. Thus, Bernard holds us morally responsible for the choices we make under active compulsion. 32 33

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Cf. ibid., 4, 10, 370 sqq. Ibid., 2, 4, 364. Cf. the claims for a two-will or divided-will psychology in Bernard made by Venuta, Libero arbitrio (nt. 4), 74-80; and Trottmann, Bernard de Clairvaux et l’infle´xion du socratisme chre´tien (nt. 3), 60 sq.; id., Volonte´ et liberte´ (nt. 7), 33 sqq., 44; id., Bernard de Clairvaux, Aelred de Rievaulx (nt. 7), 36 sqq. Ibid., 2, 5, 364: “Ipsam vero, quia impossibile est de seipsa sibi non oboedire, - nemo quippe aut non vult quod vult, aut vult quod non vult -, etiam impossibile est sua privari libertate.” Ibid., 366: “Potest quidem mutari voluntas, sed non nisi in aliam voluntatem, ut numquam amittat libertatem.” Ibid., 12, 40, 406: “Est ergo compulsio quaedam etiam activa; sed non habet excusationem, cum sit voluntaria.” Ibid., 11, 36-37, 402: “Nemo quippe salvatur invitus […]. At vero quantislibet quis intus forisve tentationibus urgeatur, libera profecto semper, quantum ad arbitrium spectat, voluntas erit.”

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The test case illustrating this doctrine is St. Peter’s denial. Bernard’s Peter did not suffer from weakness of will or from self-delusion. Nor did he have two wills. Bernard raises and specifically rejects this possibility 38. Like everyone else, Peter had a single will, informed by his reason and counsel, which he applied to the options he faced. When he made his choice, Peter was in command of his will. He was fully aware of what he was doing and that it was wrong. When he was asked if he was one of Christ’s disciples, one option was to tell the truth. The other option, which he chose, was to lie. It was not Christ’s theological claims that Peter denied but his own identity and adherence to them. Bernard’s account of Peter’s denial resonates with Augustine’s definition of lying and stigmatization of all lies as intrinsically sinful, whatever the provocation. Peter told an objective untruth with the intention to deceive his hearers, the high priest’s servants. The fact that he did so out of fear for his own safety was no excuse 39. The threat to his own self-preservation was the occasion, but not the cause, of his voluntary decision to lie. As Bernard concludes, Peter “was not compelled, but consented, not to an external force but to his own will” 40. It is at this point in the ‘De gratia’ that most commentators end their discussion of Bernard on freedom from necessity. But Bernard’s own conclusion, and ours, needs to take Peter’s story a few steps farther. To be sure, Bernard’s Peter committed a grave and heinous sin. But, as soon as the cock crowed for the third time, he acknowledged his guilt and was filled with remorse. As Bernard notes, Peter wept and repented. He rejected the erroneous judgment prompting his sinful choice and now willed to regain his prior moral state. And Christ forgave him, and did not dismiss Peter as his chief apostle. Thanks to the full and integral interaction of Peter’s freely repentant will and divine grace, the larger theme of ‘De gratia’, Peter was healed and made a fresh start 41. 38

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Cf. ibid., 6, 16, 378: “Non dico velle bonum aut velle malum, sed velle tantum. Velle etenim bonum, profectus est. Velle malum, defectus. Velle vero simpliciter, ipsum est quod vel proficit, vel deficit.” Cf. also ibid., 12, 38, 404. As applied to Peter, cf., in addition to the references to Trottmann cited in nt. 33 above, Trottmann, Bernard de Clairvaux et la faiblesse de la volonte´ (nt. 4), 147-172; Müller, Willensschwäche (nt. 3), 468. The best commentaries to date on Bernard’s treatment of Peter’s denial are Faust, Bernhards ‘Liber de gratia’ (nt. 4), 47; Simonetti, Introduzione (nt. 16), 345 sqq.; Corbin, La graˆce et la liberte´ (nt. 3), 217-238; Boquet, Le libre arbitre (nt. 3), 183; and Müller, Willensschwäche (nt. 3), 449, 463 sq. For Augustine on lying, cf. his De mendacio and Contra mendacium, ed. I. Zycha (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 41), Wien 1900; for medieval responses to it, cf. M. L. Colish, Rethinking Lying in the Twelfth Century, in: I. P. Bejczy/R. G Newhauser (eds.), Virtue and Ethics in the Twelfth Century (Brill’s Studies in Intellectual History 130), Leiden-Boston 2005, 155-63 [reprinted in ead., The Fathers and Beyond. Church Fathers between Ancient and Medieval Thought, Aldershot, 2008, ch. 15]. Bernard of Clairvaux, Liber de gratia et libero arbitrio, 12, 39, 406: “immo non compulsus est, sed consensit, et non alienae potentiae, sed propriae voluntati […].” Cf. ibid., 12, 40, 408: “Sane infirmitas eius a seipsa est, sanitas non a se, sed a Domini Spiritu. Sanatur autem, cum renovatur.” The importance of Peter’s repentance to Bernard’s argument has also been noted by Simonetti, Introduzione (nt. 16), 345 sqq.; Corbin, La graˆce et la liberte´ (nt. 3), 317338.

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As everyone in Bernard’s audience knew, this episode was a learning experience, one from which Peter profited. He did not make the same error again. At the end of his career, Peter was faced with a similar choice: Deny your apostolic calling, or die in agony. This time, as everyone knew, he chose martyrdom. In addition to its other literary goals, Bernard’s ‘De gratia’ is also a hortatory work, aimed at his monastic brethren beyond William of Saint-Thierry, its dedicatee. The Peter Bernard finally offers is less the eventual martyr than the forgiven penitent. This is the Peter familiar to everyone in the Cistercian observance. Every day at Lauds, they chanted the Ambrosian hymn ‘Aeterne rerum conditor’, in which the cock-crow signals not Peter’s denial but the dawn of a new day in which the sins of all the repentant, like Peter’s, can be forgiven, the certitude and hope of ever-present spiritual renewal 42. This conviction, and rightly willed action based on it, is what Bernard wants to motivate, by accenting the will’s freedom from necessity and its ability to turn from moral error to truth and goodness, and thus to collaborate with grace in gaining for us the merits rewarded by freedom from sin and from misery in the life to come.

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Cf. Ambrose, Aeterne rerum conditor, lines 13-24, ed. and transl. by J. Fontaine in: Ambroise de Milan, Hymnes, Paris, 1992, 148 sq.: “hoc ipse petra ecclesiae/ canente culpam diluit./ Surgamus ergo strenue;/ gallus iacentes excitat/ et somnolentos increpat;/ gallus negantes arguit./ Gallo canente, spes redit,/ aegris salus refunditur,/ mucro latronis conditur,/ lapsis fides reuertitur.” For this hymn’s symbolism of daybreak associated with Peter’s forgiveness, cf. M. B. Pranger, Time and the Integrity of Poetry. Ambrose and Augustine and Jan den Boeft, Cantor ad delectionem. Ambrose’s Lyric Poetry, both in: W. Otten/K. Pollmann (eds.), The Encounter between Classical and Christian Strategies of Interpretation (Supplements to Vigiliae Christianae 87), Leiden 2007, 49-62 at 52 sqq. and 8097, at 96 respectively. On this hymn in the Cistercian liturgy, cf. C. Waddell, The TwelfthCentury Cistercian Hymnal, vol. 1, Trappist (KY) 1984, 7 sq. I thank Margot Fassler for this reference. On the weeping repentant Peter, cf. also Ambrose, Expositio Evangelii secondum Lucam, 10, 86-93, ed. M. Andriaen (Corpus Christianorum. Series Latina 14), Turnhout 1957, 370 sqq. As Fontaine notes at 162 sqq., Peter gains pardon thanks to his tears, and this depiction of the weeping Peter repentant before Christ is a theme in early Christian iconography. This iconography is not mentioned in her passing references to Peter’s tears by P. Nagy, Le don des larmes au Moyen´ ge, Paris 2000, 52, 130, 150, 415. For the later career of Peter in the medieval imaginaire, cf. The Golden Legend, translated by W. G. Ryan, vol. 1, Princeton 1993, 340-350.

Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung in der lateinischen Tradition bis 1679 Sven K. Knebel (Berlin) Die Sicherheit, mit welcher von der Aufklärung die Quelle des Irrtums in die „Intervention des Willens“ 1 verlegt wird, stützt sich auf eine dogmatische Entscheidung ihres Widersachers, der römischen Kirche. Seit 1679 ist es ein Irrtum, dies zu behaupten: „Der Wille kann nicht machen, dass die Glaubenszustimmung in sich fester ausfällt, als es das Gewicht der Gründe verdient, auf welchen diese Zustimmung beruht.“ 2 Die folgenden Ausführungen widmen sich dem scholastischen Hintergrund dieser Lehrentscheidung. Schon in der zeitgenössischen Kommentarliteratur hat nicht nur ihre aktuelle Veranlassung interessiert, sondern ist ihr eine so große Tragweite bescheinigt worden, dass am Horizont Aristoteles auftaucht. Tatsächlich ist der Disput, welcher die Inquisition auf den Plan gerufen hat, rezeptionsgeschichtlich durch das Nadelöhr einer Aristotelesstelle einzufädeln. I. Aristoteles, ,De anima‘ III, 3, 427b 20 In dem, wegen seiner vermögenspsychologischen Einteilungen wichtigen, dritten Kapitel des dritten 3 Buchs von ,De anima‘ ist die Notwendigkeit einer Erklärung für die Möglichkeit des Irrtums das große Argument für den Ansatz einer generischen Verschiedenheit von Denken und sinnlicher Vorstellung: Der Sensualismus scheitert als philosophische Position daran, dass er von der Ursache der Täuschung (causa deceptionis 4) keine Rechenschaft zu geben weiß. In den 1

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W. E. Hartpole Lecky, History of the Rise and Influence of the Spirit of Rationalism in Europe, London 1865, vol. 1, 440 [Deutsch (1868) unter dem Titel „Geschichte des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in Europa“]: „Mere sophisms or imperfect reasoning have a very small place in the history of human error; the intervention of the will has always been the chief cause of delusion.“ Propositiones LXV damnatae in Decreto S. Officii 2. Mart. 1679, no. 19, in: H. Denzinger/ A. Schönmetzer (edd.), Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum § 2119, Freiburg e.a. 321963, 459: „Voluntas non potest efficere, ut assensus fidei in se ipso sit magis firmus, quam mereatur pondus rationum ad assensum impellentium.“ Man beachte, dass in der lateinischen Tradition die Zuordnung dieses Kapitels zwischen dem zweiten und dem dritten Buch schwankt. Cf. Thomas von Aquin, Sentencia libri de anima II, 28, ed. R. A. Gauthier, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 45/1, Roma-Paris 1984, 189b,139.

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Schranken der sinnlichen Vorstellung gibt es keine Täuschung, während für das Denken die Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch grundlegend ist. Vermögenspsychologisch für die weitere Differenzierung sorgt eine zusätzliche Unterscheidung: die zwischen solchen Vorstellungen, welche beliebig hervorgerufen sein können, und solchen, für welche diese Möglichkeit nicht besteht. Dass es möglich ist, Vorstellungen auch willkürlich hervorzubringen, ist, erläutert Aristoteles, ein Merkmal der Phantasievorstellungen. Diese sind von den sinnlichen Vorstellungen zwar auch verschieden, aber nicht generisch verschieden. Die Phantasie ermöglicht uns, uns sinnlicher Vorstellungen, etwa in mnemotechnischer Absicht, beliebig zu bedienen. Im Gegensatz dazu gilt für das Denken ( y«πο´ ληcιw ): „Das Meinen ( δοξα´ ζειν ) steht nicht bei uns ( eœφ’ h«μi˜ν ), denn notwendig ist es wahr oder falsch“ (,De anima‘ III, 3, 427b 20). Aristoteles verbindet das Denken im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch mit dem Merkmal, nicht in unserer Macht zu stehen. Dieses negative Merkmal ist aus dem Kontrast zur Phantasievorstellung gewonnen, also rein psychologisch. Sein deskriptiver Wert wird anschließend durch die Beobachtung erhärtet, dass Entsetzliches auf uns auch emotional eine ganz verschiedene Wirkung übt, je nachdem, ob es in der Phantasie ,nur‘ vorgestellt oder ob sein Eintreten befürchtet wird. Inwiefern ist das eine der Grund für das andere, inwiefern ist die logische Zweiwertigkeit der Grund dafür, dass das Denken nicht in unserer Macht steht? Das bleibt unerläutert. Die Lücke ist naturgemäß von den Kommentatoren gefüllt worden, allerdings nicht so, dass neben dem Interpretationsspielraum, der spätestens in der Renaissance als solcher bemerkt worden ist 5, nicht Raum für einen Streit in der Sache geblieben wäre. „Passio phantasiae in nobis est, cum volumus; opinari autem non in nobis est: necesse est enim falsum aut verum dicere.“ Nach ein paar Hinweisen zur Interpretationsgeschichte des vielzitierten, doch auch in der Scholastik nicht eigentlich geflügelten Wortes 6 möchte ich auf diesen interessanten Streit eingehen und eine Vermutung wagen, wer, bezogen auf den scholastischen Aristotelismus, in dieser Hinsicht als der rigoroseste aller Aristoteliker dasteht. II. Die g riechischen Kommentatoren Sofern die Dunkelheit des Abschnitts nicht seiner Kürze, sondern dem Wortlaut geschuldet ist, liegt sie an der von Aristoteles gewählten Begrifflichkeit. Wie 5 6

Cf. Girolamo Dandini (ó 1634), De corpore animato libri VII, ed. Parisiis 1610, 1676A. Immerhin: „[…] communis Philosophi sententia […]“ Francesco de Pitigianis (ó 1616), Summa theologiae speculativae et moralis in Tertium librum Sententiarum 25, 2, 1, ed. Venetiis 16131615, vol. 2, 121a. Auch bei Teofilo da Cremona (fl. XV. saec.), Propositiones copiosissime ac fidissime ex omnibus Aristotelis libris collectae, in: Propositiones ex omnibus Aristotelis libris philosophiae […] diligentissime excerptae et ad certa rerum capita pulcherrimo ordine per tabellam additam redactae, ed. Venetiis 1493, fol. 95r. Ganz unerwähnt dagegen im nichtscholastischen Aristotelismus der psychologistischen Logik, e.g. H. Maier, Psychologie des emotionalen Denkens, Tübingen 1908.

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die zentrale These, die Nichtidentität von Phantasievorstellung und Denken, vorgetragen ist, ist jedes der beiden Glieder etwas undeutlich bezeichnet, jenes mit νο´ ησιw , dieses mit y«πο´ ληcιw (427b 17). Was νο´ ησιw betrifft, muss es hier genügen, dass die antike Philologie, obwohl schon für sie diese lectio difficilior besser bezeugt war als φαντασι´α , νο´ ησιw übereinstimmend mit φαντασι´α erklärt hat 7. Schwierig bleibt y«πο´ ληcιw. Es ist nicht sicher, was Aristoteles damit genau gemeint hat, wenn er der Phantasievorstellung die y«πο´ ληcιw gegenüberstellt. Ein Teil der Kommentatoren ist der Ansicht, dass y«πο´ ληcιw neutral als Oberbegriff zu eœπιστη´ μη , δο´ ξα , φρο´ νησιw fungiert, für erkenntnistheoretisch unterschiedliche Habitus. Seit Alexander von Aphrodisias erscheint das stoische συγκατα´ θεσιw , Urteilsakt, als Synonym für y«πο´ ληcιw 8. Der lateinische Averroismus setzt dafür existimatio 9, woraus dann im Englischen belief wird 10. So verstanden wäre Aristoteles’ Bemerkung also auf den psychologischen Aspekt des logischen Unterschieds zwischen einfacher Vorstellung und prädikativer Aussage zu beziehen: auf das Behauptungsmoment, das jener fehlt 11. Ein anderer Teil der Kommentatoren schließt daraus, dass gleich anschließend von δοξα´ ζειν die Rede ist, y«πο´ ληcιw sei hier entsprechend enger zu verstehen, denn δο´ ξα ist (428a 19), im Gegensatz zu eœπιστη´ μη , das Ergebnis des speziell fehlbaren Fürwahrhaltens. Damit würde der Fall ausscheiden, dass etwas eviden7

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Cf. Ioannes Philoponus, In Aristotelis De anima libros commentaria, ed. M. Hayduck (Commentaria in Aristotelem Graeca 15), Berlin 1897, 492,24; Simplicius, In libros Aristotelis De anima commentaria, ed. M. Hayduck (Commentaria in Aristotelem Graeca 11), Berlin 1882, 206,5-6. Cf. Francisco Toledo (ó 1596), Commentaria una cum quaestionibus in tres libros Aristotelis de anima, ed. Coloniae Agrippinae 1615, fol. 123va; Girolamo Dandini, De corpore animato (nt. 5), 1675B. Cf. Alexander Aphrodisiensis, De anima liber cum mantissa, in Scripta minora P.I, ed. I. Bruns, Berlin 1887, 67,12-20; Simplicius, In De anima (nt. 7), 206,32. Cf. Averroes, Commentarium magnum in Aristotelis De anima libros, ed. F. Stuart Crawford, Cambridge (Mass.) 1953, 363,34-35. - Francisco Toledo, In De anima (nt. 7), fol. 123va: „[…] per ,existimationem‘ intelligit [sc. Aristoteles] iudicium intellectus, sive cum discursu, sive sine illo, sive verum, sive falsum.“ Cf. Antonio Polo, Novum veritatis lumen in tres libros Aristotelis de anima, ed. Venetiis 1578, 194; Polo Loredano (ó 1599), In tres libros Aristotelis de anima commentaria, ed. Venetiis 1594, fol. 222va-b; Girolamo Dandini, De corpore animato libri VII (nt. 5), 1674C; Pedro Hurtado de Mendoza (ó 1641), Scholasticae et morales disputationes de tribus virtutibus theologicis: De fide 45, 20, ed. Salmantinae 1631, vol. 1 [auf dem Titelblatt irreführend „volumen secundum“], 417b; Martı´n de Esparza (ó 1689), Appendix ad quaestionem de usu licito opinionis probabilis, § 108, ed. Romae 1669, 103. Cf. David Hume (ó 1776), A Treatise of Human Nature, ed. L. A. Selby-Bigge, Oxford 1888, 624. Cf. John Laird, Knowledge, Belief and Opinion 1, 5, 5, 11930 [Neudruck Hamden, 1972], 147. Antonio Coronel, In Posteriora Aristotelis Commentaria, 1, 4, 2, ed. Parisiis 1510, fol. 15ra: „Quod est dicere, in potestate nostra est formare mentalem propositionem, sed non est in potestate nostra, ei assentire“; Gilles Coninck (ó 1633), De moralitate, natura et effectibus actuum supernaturalium in genere et fide, spe ac caritate speciatim 13, 26, ed. Lugduni 1623, 188b: „[…] ubi videtur [sc. Aristoteles] docere, esse quidem in nostra potestate per imaginationem nobis aliquod obiectum repraesentare, tamen non esse in nostra potestate obiecto intellectui proposito assentiri aut non assentiri.“ Der Autor teilt diese Interpretation nicht.

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terweise für wahr bzw. falsch gehalten wird. Das lateinische Äquivalent für δο´ ξα ist opinio. Gegen Ps.-Philoponos, den Urheber dieser Interpretation 12, wendet ein Jesuit, der seinerseits Simplikios folgt, ein, dass es nicht einzusehen ist, warum der Wechsel von y«πο´ ληcιw zu δοξα´ ζειν sich nicht schlicht durch pars pro toto erklären soll 13. Der Kommentar des Simplikios hat den Vorzug, dass er die übergeordnete Beweisabsicht im Auge behält. Man muss wissen, dass Simplikios in seinem Epiktetkommentar y«πο´ ληcιw und δο´ ξα genau in entgegengesetzter Absicht eingeführt hat: als Musterbeispiele für das, was bei uns steht ( eœφ’ h«μi˜ν ). Es gibt nichts, was so sehr bei uns steht wie unser Urteil. Wir können urteilen oder uns des Urteils enthalten 14. Der Aristoteleskommentator Simplikios hätte sich zu dem Epiktetkommentator flagrant in Widerspruch gesetzt, würde von ihm nicht ein Aspekt an dem Urteil aufgezeigt, unter dem es nun allerdings nicht bei uns steht. Das ist die Zweiwertigkeit der Aussage. Die συγκατα´ θεσιw ist auf die Unterscheidung von Wahr und Falsch angelegt 15. Durch den Wahrheitsanspruch, welchen es erhebt, und der es von der Phantasievorstellung trennt, ist das Denken gegenstandsbestimmt. Indem wir urteilen, orientieren wir uns an etwas, das gerade nicht bei uns steht 16. Darum berufen sich auch, weiß Simplikios 17, die stoischen Gegner der Willensfreiheit auf das Wesen des Urteils. Was dabei herauskommt, wenn dem Urteil in exegetischer Absicht das Merkmal eœφ’ h«μi˜ν jedoch unbedingt abgesprochen wird, davor war Simplikios durch den Kommentar des Themistios bereits gewarnt. Dieser Kommentar steht für eine dritte griechische Interpretation 18. Dafür, dass wir „nicht Herr unserer inneren Zustimmungen und Ablehnungen“ seien - nämlich im Unterschied zu unserer äußeren Rede -, schweben Themistios zwei Fallbeispiele vor, 2 ¥ 2 = 4 und 2 ¥ 2 = 5. Unter der Voraussetzung, dass die in einem Urteil verwendeten Begriffe überhaupt verstanden werden, folgert er daraus, dass unser Urteilsverhalten einer „zwingenden Evidenz“ ge12

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Daher (d. h. nicht nur gestützt auf Thomas von Aquin) Miguel de Palacios, In tres libros Aristotelis de anima commentarii una cum quaestionibus, ed. Salmantinae 1557, fol. 219ra. Cf. Girolamo Dandini, De corpore animato (nt. 5), 1674C. Cf. Simplicius, In De anima (nt. 7), 206,30-31. Cf. Simplicius, Commentarius in Epicteti Enchiridion 1, 7c, ed. J. Schweighäuser, Leipzig 1800, 16. Simplicius, In De anima (nt. 7), 206,33-34. Ibid. 206,34-35. - Cf. Andrea Bianchi (Pseud. Candidus Philalethus ó 1657), De opinionum praxi disputatio, ed. Cremonae 1646, 25: „Ita etiam […] explicavit Simplicius rationem Aristotelis […]: quia scilicet verum vel falsum consistit in consonantia vel dissonantia, sed haec pendet totaliter ab obiecto, quod non est in nostra potestate; sed, cum opinamur, semper dicimus verum, vel falsum: ergo opinari non est in nostra potestate.“ Cf. Veit Amerbach (ó 1557), De anima libri IV, ed. Lugduni 1555, 359; Miguel de Palacios, In De anima (nt. 12), fol. 219ra; Girolamo Dandini, De corpore animato (nt. 5), 1676A; Miguel de Elizalde (Pseud. Antonius Celladei ó 1678), De recta doctrina morum, ed. Friburgi 2 1684, vol. 1, 250b. Cf. Simplicius, In Epicteti Enchiridion, 1, 18a-b (nt. 14), 33. Cf. Themistius, Paraphrasis in Aristotelis libros de anima, ed. R. Heinze (Commentaria in Aristotelem Graeca 5/3), Berlin 1899, 88,38-89,10.

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horcht. Ohne eine solche bleibt für Themistios nur skeptisch Urteilsenthaltung. So ausdrücklich wird das allerdings erst in der Renaissance gesagt 19. Indem sich diese Interpretation exegetisch bei den sog. propositiones per se notae aus ,Analytica posteriora‘ I, 4 bedient, ist das offensichtlich arbiträr. Der Text bietet dafür nicht die geringste Veranlassung. So abwegig Themistios‘ forcierte Interpretation auch ist, hat es im Renaissancearistotelismus an Beifall für sie doch nicht gefehlt 20. Ihr Hauptwert liegt in der Einsicht, zu der sie verhilft, dass Ps.-Philoponos‘ entgegengesetzte Interpretation nicht minder einseitig ist. III. Die lateinischen Kommentatoren Mit dem Zwingenden der Evidenzerfahrung, auch ihm natürlich geläufig, hat der lateinische Aristotelismus zwar die Prinzipienregion und die euklidische Wissenschaft charakterisiert 21. An der vorliegenden Stelle hat er aber seine Aufgabe im allgemeinen dahingehend aufgefasst, zur Erläuterung von Aristoteles’ Unterscheidung zwischen Phantasievorstellung und Denkvorstellung den Sonderfall Evidenz nur so weit mit in Anschlag zu bringen, als evident Falsches kein möglicher Gegenstand der Denkvorstellung ist 22. Thomas von Aquin hat sich, abweichend von Themistios, auf den Standpunkt gestellt, dass es das Fürwahrhalten in dem technischen Sinn von opinio sei, von welchem an der Stelle die Rede ist. Die Denkvorstellung war damit das gerade Gegenteil einer propositio per se nota. Eine opinio ist grundsätzlich bezweifelbar, da keiner der beiden Termini, auch nicht indirekt, den anderen einschließt. Dieses Merkmal hat sie mit den Tatsachenwahrheiten gemein. Eine Meinung zu haben heißt, etwas für wahr zu halten. Insofern hat das Meinen es, anders als die Phantasie, mit der „Wirklichkeit “ 23 zu tun. Wegen 19

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Cf. Tiberio Baccilieri (ó 1511?), Lectura in tres libros de anima et Parva naturalia, ed. Paviae 1508, fol. 45va. Cf. Arnold Geulincx (ó 1669), Logica restituta 4, 2, 10, 3, ed. J. P. N. Land, in: Opera philosophica, vol. 1, Den Haag 1891-1893, 439. Cf. Agostino Nifo (ó 1538), Expositio subtilissima in III libros Aristotelis de anima, ed. Venetiis 1559, 544; Marcantonio Genova de Passeriis (ó 1563), In tres libros Aristotelis De anima exactissimi commentarii, ed. Venetiis 1576, fol. 119rb; Francisco Pisa (ó 1616), Commentarius in libros tres Aristotelis de anima una cum quaestionibus, ed. Matriti 1576, fol. 172r; Girolamo Dandini, De corpore animato (nt. 5), 1676A-C. Cf. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I-II, q. 17, art. 6, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 6, Roma 1891, 122b: „[…] assensus talium [sc. quibus naturaliter intellectus assentiat, sicut prima principia], vel dissensus non est in potestate nostra […].“ Cf. Antonio Perez (ó 1649), Tractatus de iustitia et iure, ed. Lugduni 1668, 98b-99a: „[…] iuxta Aristotelem 3∞ De anima in hoc differt imaginatio ab opinione, quod imaginatio est in nostra potestate, at opinio non est plene in nostra potestate. Quod non solum est accipiendum pro casu evidentiae, sed etiam pro casu non-evidentiae. […] locus Aristotelis citatus posset solvi dicendo, recte Aristotelem constituisse discrimen inter opinionem et imaginationem, quia ,imaginari‘ possumus evidenter falsum, cum tamen evidenter falsa non possumus ,opinari‘.“ Cf. Agostino Faba (ó 1567), In tres Aristotelis libros De anima praeclarissima commentaria, ed. Augustae Taurinorum 1597, 639: „[…] opinio semper est de rebus, quae revera sunt.“

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der nicht ausgeräumten Irrtumsmöglichkeit ergibt sich die Differenz zwischen Meinung und Phantasie trotzdem gerade nicht unter dem Aspekt einer Gegenstandsverschiedenheit nach Sein und Schein. Auch für den lateinischen Aristotelismus war der aus Aristoteles’ Handlungstheorie 24 geläufige Ausdruck eœφ’ h«μi˜ν der Schlüssel zum Verständnis des Textes. Phantasie und Meinung sind zweierlei, denn das Phantasieren steht in unserer Macht, das Meinen nicht 25. Wieso nicht? Vermögenspsychologisch fest dem Verstand zugeordnet, wie es das Meinen in der lateinischen Tradition gewesen ist, hätte zwischen Verstandes- und Willensakten im Licht des eœφ’ h«μi˜ν unterschieden 26 und gesagt werden können, dass das Meinen kein Willensakt ist. Die Begründung lautete indessen anders. Die Möglichkeit, zu einer Sache eine Meinung zu haben, ist, für uns, an eine Bedingung geknüpft: daran, dass wir dafür einen Grund (ratio) haben. Haben wir keinen, dann haben wir zu etwas auch keine Meinung 27. Über den Gebrauch der grammatischen ersten Person bei Aristoteles wurde also nicht hinweggelesen. Die Differenz zwischen Meinung und Phantasie wurde in eine Verschiedenheit gesetzt, welche sich unter dem Aspekt ergibt, wie w i r dazu kommen, das eine bzw. das andere zu ,haben‘. Mit dem „wir“ ist kein Kollektiv, sondern ist jeder einzelne gemeint. Es war eine Reflexion auf das Bewußtsein angestellt. Unter dieser Voraussetzung wurde die von Aristoteles hinterlassene Begründungslücke folgendermaßen geschlossen: Es ist unmöglich, ohne Grund eine Meinung zu haben, denn nur aus einem Grund kann etwas für wahr oder falsch gehalten werden 28. Diesen Grund habe ich nun nicht immer 29. Ihn zu haben,

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Aristoteles, Ethica ad Nicomachum, III, 2, 1111b 30. Cf. Aegidius Romanus (ó 1316), Expositio librorum de anima Aristotelis, ed. Venetiis 1496, fol. 63ra: „[…] opinari autem non est ,in nobis‘, id est, in potestate nostra.“ Cf. (in einem anderen Kontext) C. Stroick, Heinrich von Friemar. Leben, Werke, philosophischtheologische Stellung in der Scholastik, Freiburg i. Br. 1954, 251. Cf. Albertus Magnus, De anima III, 1, 6, ed. P. Jammy, in: Alberti Magni Opera omnia, vol. 3, ed. Lugduni 1651, 127a: „[…] sed non est in nobis opinari vel intelligere: quia oportet habere rationem, quae faciat credere, et hanc a re et a natura, et non alibi, oportet accipere“; Thomas von Aquin, Sentencia libri de anima, II, 29 (nt. 4), 195a,172: „[…] quicunque habet opinionem, habet rationem.“ Cf. Thomas von Aquin, Sentencia libri de anima, II, 28 (nt. 4), 191a,258-260: „[…] Sed ,opinari non‘ est in potestate nostra; quia ,necesse‘ est, quod opinans habeat rationem, per quam opinetur vel ,verum‘ vel ,falsum‘: ergo opinio non est idem quod phantasia“; Aegidius Romanus, In De anima (nt. 25), fol. 63ra: „[…] ,necesse est, falsum aut verum dicere‘, id est, necesse est habere rationem falsum aut verum dicentem, si debeamus aliquid opinari “; Gaetanus de Thienis (ó 1465), Super libros de anima, ed. Venetiis 1514, fol. 65ra: „[…] quia necesse est, opinantem, id est, illum, qui debet opinari, habere rationem dicentem verum vel falsum“; Gilles Coninck, De actibus supernaturalibus 13, 43 (nt. 11), 191a: „[…] Aristotelem ibi solum docere, nos sine ulla ratione aut apparentia veritatis posse pro libitu quasvis res nobis tamquam veras imaginatione praesentes sistere, non tamen posse simili modo credere, eas esse veras: quia ad hoc requiritur aliqua ratio, quae probet, eas esse tales.“ Cf. Ioannes Versor (fl. XV. saec.), Quaestiones in libros de anima, ed. Metis 1501, fol. y4v: „[…] quia per opinionem nos credimus, aliquid esse verum vel falsum: quod non potest fieri nisi per aliquam rationem, quae inducit nos ad hoc opinandum. Talem autem rationem non semper habemus.“

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steht nicht in meiner Macht - leider 30. Nicht darauf kommt es an, ob dieser Grund Vernunftgrund oder Zeugnis ist 31. Auch nicht darauf, dass es ein sachlich zutreffender Grund ist 32, denn Irrtum soll ja möglich bleiben 33. Nur der Zweck muss erfüllt sein und der Grund als etwas Festes, etwas Positives, etwas der Beliebigkeit Entzogenes imponieren 34. Der Grund ist nicht Gottes Wort denn der Glaube (fides) unterscheidet sich durch seine Unfehlbarkeit von der Meinung -, aber doch etwas, in dessen Fluchtlinie dieser Idealfall liegt. Die auf Thomas fußende Kommentatorengeneration identifizierte das, wovon hier die Rede ist, als das probabile der topischen Tradition 35. Das probabile führt normalerweise zu einer bestimmten Meinung, zugleich folgt aber aus der ihm eigenen Beschränktheit, dass es zu etwas verschiedene Ansichten gibt 36. Um den möglichen Gegenstand einer Meinung abzugeben, muss etwas also ,plausibel‘ sein. Ob etwas plausibel ist, genau das hängt nicht von mir ab 37. 30

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Cf. Aegidius Romanus, In De anima (nt. 25), fol. 63ra: „[…] quia non est in potestate nostra semper habere talem rationem, non est in potestate nostra opinari, cum volumus“; Gabriele Gualdo (Pseudonym: Nicolaus Peguleti ó 1743), Tractatus Probabilitatis, 4, 39, ed. Lovanii 1707, 47a: „Ecce per Philosophum ad opinionem requiritur ratio […]: ergo, cum semper ratio non reperiatur, quando volumus (o utinam reperire semper nobis illam liceret) non semper opinari possumus, quando volumus.“ Cf. Lambertus de Monte Domini (ó 1499), Expositio saluberrima circa tres libros De anima Aristotelis, ed. Coloniae Agrippinae 1498, fol. 54vb: „[…] Sed opinio in aliquo generatur per rationem vel authoritatem.“ Cf. Aegidius Romanus, In De anima (nt. 25), fol. 63ra: „[…] ratio, quae facit nos opinari, licet possit esse vera et falsa, tamen semper oportet, quod credatur esse vera.“ Wiederholt von Gaetanus de Thienis, In De anima (nt. 28), fol. 65rb. Cf. Girolamo Dandini, De corpore animato (nt. 5), 1676A: „[…] si falsa interdum opinamur, […] propterea opinamur, quod vera esse putemus.“ Cf. Martı´n de Esparza, Appendix § 108 (nt. 9), 104: „Necesse est, opinantem verum dicere, aut falsum, affirmare, aut negare, neque fieri potest, ut quisquam opinetur, quin verum, aut falsum, dicat, affirmet, aut neget, et necesse rursus est adesse aliquam rationem ad dicendum, tum verum, tum falsum, tum ad affirmandum, tum ad negandum; neque liberum est, verum dicere, aut falsum, affirmare, aut negare, sicut est liberum quidvis imaginari absque ulla ad id ratione.“ Cf. Lambertus de Monte Domini, In De anima (nt. 31), fol. 54vb: „[…] sed talis ratio non habetur ad placitum: ergo non possumus opinari, quando volumus.“ Cf. Paulus Venetus (ó 1429), In libros De anima explanatio, ed. Venetiis 1504, fol. 121vb: „[…] nam ad hoc, quod sit opinio, requiritur, quod sit propositio probabilis: quae non est in potestate nostra“; Georgius Bruxellensis (ó 1510), Cursus super philosophiam Aristotelis secundum viam Modernorum, ed. Lugduni 1486, fol. 116vb: „[…] in opinione indigemus ratione probabili: modo saepe non est in potestate nostra talem rationem invenire“; Miguel de Palacios, In De anima (nt. 12), fol. 218va: „[…] opinari autem non possumus, ut volumus, sed opinio ingeneratur secundum qualitatem topici argumenti, quod affertur ad opinionem producendam“; Niccolo Tignosio, In libros Aristotelis De anima commentarii, ed. Florentiae 1551, 317: „[…] opus est, ut de opinione rationem reddamus. Nam probabile non est in nostra potestate. Patet igitur, phantasiam non esse opinionem.“ Cf. Sebastia´n Perez (ó 1593), Aristoteles de Anima latina interpretatione, commentariis et disputationibus illustratus, ed. Salmantinae 1564, fol. 222v. Cf. Petrus de Alliaco (ó 1420), Quaestiones super Primum, Tertium et Quartum Sententiarum: In I Sent., q. 1, art. 1, ed. Parisiis s. a., fol. 41va: „[…] dato, quod sit solum probabile, quis poterit opinari oppositum.“ Cf. Francesco Bordoni (ó 1671), Propugnaculum opinionis probabilis in concursu probabilioris, ed. Lugduni 1669, 293a.

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Ciceronianer haben der ratio hier denn auch gleich eine diskursive Note („ratiocinatio“) gegeben 38. Es wäre jedoch voreilig, den lateinischen Interpretationsansatz unter der topischen Tradition zu verbuchen, die ja viel weiter zurückreicht. In der Phantasie, so lautet ein aus der Nachbemerkung des Aristoteles geschöpfter Wink, kann ich mir Lebenslagen beliebig ausmalen, aber selbst dafür, um mir mit Hoffnungen schmeicheln oder mich für unglücklich halten zu können, brauche ich einen Grund 39. Dafür, dass die Bedingung erfüllt ist und ich einen habe, soll es nicht einmal auf die Intersubjektivität des Grundes ankommen. Das erklärt die Duldsamkeit der aristotelisch geschulten Beichtväter 40. Außerdem haben auch diejenigen lateinischen Erklärer der Stelle, die - mit Simplikios - ein weniger enges Verständnis von hypo´lepsis zugrundelegten, die Interpretation geteilt, nur mit der Einschränkung, dass sie den Grund nicht rhetorisch als ein Ausstattungsmerkmal der opinio auffassten, sondern psychologisch als die unerläßliche Bedingung der Urteilsstellungnahme 41. Für den Interpretationsvergleich ist es daher ratsam, die topische Terminologie einzuklammern. Was die lateinische Kommentierung der hypo´lepsis als Merkmal beigelegt hat, das nennen wir heute Rationalität 42. Weil und insofern sie eine rationale Vorstellung ist, steht die denkend hervorgebrachte Vorstellung nicht so bei uns, wie die Phantasievorstellung dies tut. Wie ist es zu dieser breiten Übereinstimmung innerhalb der lateinischen Kommentierung gekommen? Die Erklärung koinzidiert mit derjenigen dafür, warum das Ausmaß dieser Übereinstimmung nicht mit Ciceros langem Schatten verwechselt werden darf: Hier waren die christlichen Interessen im Spiel. Das Interpretament Rationalität hat sich dem lateinischen Aristotelismus nicht so sehr wegen des dadurch erreichten Anschlusses an die topische Tradition empfohlen als vielmehr durch den Umstand, dass seine Kehrseite die Möglichkeit war, den Anteil der Willensaktivität gebührend hervorzukehren. IV. Doxastischer Voluntarismus Unsere Stelle war dem Theologen an sich ja unbequem. In mindestens einem Fall ist eine Distanzierung von ihr aktenkundig. Bei Heinrich von Gent zeugt 38 39

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Cf. Antonio Bernardi della Mirandola (ó 1565), Disputationes, 26, 1, ed. Basileae 1562, 449. Cf. Miguel de Palacios, In De anima (nt. 12), fol. 218va: „Nullus est enim, qui nullo motus argumento opinetur, se esse canonicum aut episcopum futurum”; Silvestro Mauro (ó 1687), Aristotelis Opera quae extant brevi paraphrasi illustrata: De anima, 2, 21, 2, ed. Romae 1668, vol. 4, 299a: „[…] sed non possumus opinari, cum voluerimus: neque enm possum opinari me esse felicem vel miserum, nisi cum mihi proponuntur motiva sufficientia ad sic opinandum.“ Cf. Sforza Pallavicino (ó 1667), Assertiones theologicae, 3, 50, ed. Romae 1649, vol. 2, 72 sq. Cf. Paolo Comitoli (ó 1626), Responsa moralia 5, 16, 2, ed. Lugduni 1609, 655a. Cf. Gaspar Hurtado (ó 1646), Tractatus de fide, spe et charitate 4, 7, ed. Matriti 1632, 80: „Respondemus, Aristotelem tantum velle, nos non posse, seu non esse in nostra potestate, iudicare absque sufficiente aliquo motivo aut absque connexione aliqua praedicati cum subiecto saltem apparente.“ Cf. e.g. W. Vossenkuhl, Rationale Überzeugungen, in: Ratio 29 (1987), 170-182, bes. 178 sqq.

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sie gegen die Möglichkeit, dass man auch einem Satz, dessen Gegenteil einem vernünftigerweise wahr zu sein scheint, seine Zustimmung geben kann. Diese Möglichkeit, wird dagegengehalten, müsse aber zugestanden sein, denn sonst könnten wir „nie“ den christlichen Glaubensartikeln zustimmen 43. Da die Theologie daran interessiert sein musste, dass der Glaubensbereitschaft nicht philosophisch der Boden entzogen wird, fällt es auf, dass sie es in diesem Punkt, anders als bei anderen sensiblen Themen (Ewigkeit der Welt usw.), auf einen Konflikt mit Aristoteles nicht hat ankommen lassen. Das Spätmittelalter hat sich anscheinend mit Aristoteles arrangiert gehabt 44. Dass namentlich auch Heinrich sich hütet, Aristoteles direkt zu widersprechen, liegt allerdings daran, dass er aus bestimmten - hier uninteressanten - Gründen sich zugleich von Thomas von Aquin distanziert 45. Bei der Kontrolle über seine Stellungnahmen, welche die christliche Kultur dem Subjekt beilegt, ist die Aufteilung des Glaubensaktes auf die beiden Bestandteile des freien Willens (liberum arbitrium) zu beachten. Der Glaubensakt ist formaliter im Verstand, causaliter jedoch im Willen angesiedelt 46. Der katholische Theologe hat das Dogma 47 von der Willentlichkeit der Glaubenszustimmung συγκατα´ θεσιw 48 - zu verteidigen gehabt. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Glaubensakt im emphatischen Sinn „frei “ 49 oder ist, anders gesagt, die 43

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Cf. Heinrich von Gent, Quodlibeta, X, 11, ed. Venetiis (apud Marcum Claserium) 1608, vol. 2, fol. 172va-b. Cf. Giovanni Pico della Mirandola (ó 1494), Apologia adversus eos, qui aliquot propositiones theologicas carpebant, Q. 8 (De libertate credendi disputatio), in: Opera omnia, ed. Basileae 1557 [Nachdruck: Hildesheim 1969], vol. 1, 225: „Et haec Aristotelis sententia non solum non est reprobata, sed imo ab omnibus nostris Theologis unanimiter approbata.“ Cf. Heinrich von Gent, Quodlibeta, V, 21 (nt. 43), vol. 1, fol. 296ra-b. Cf. Matthaeus ab Aquasparta (ó 1302), Quaestiones disputatae selectae, vol. 1: Quaestiones de fide et de cognitione, q. 8, ed. PP. Collegium S. Bonaventurae (Bibliotheca Franciscana Scholastica Medii Aevi 1), Quaracchi 1903, 211. Womit der Einsatz dieser Distinktion in der Verortung der Freiheit bei Bernardus de Gannato (de Alvernia) OP. (fl. 1300) zu vergleichen ist (zustimmend zitiert bei Ioannes Capreolus [ó 1444], Defensiones Theologiae D. Thomae Aquinatis: In II Sent., dist. 24, q. 1, art. 3, § 2, edd. C. Paban/Th. Pe`gues, Tours 1900-1907, vol. 4, 217b). Cf. Diego Granado (ó 1632), In Secundam Secundae S. Thomae commentarii 1, 9, 2, 17, ed. Hispali 1629, 133a: „Voluntas vult, ut intellectus credat.“ Cf. M. J. Scheeben, Handbuch der katholischen Dogmatik, I, §§ 808-819, ed. M. Grabmann, Freiburg i. Br. 1948, vol. 1, 360-366. Die posttridentinische Theologie ( Jan Malderen [ó 1633], De virtutibus theologicis commentaria, 1, 5, 4, 3, ed. Antverpiae 1616, 14b; Diego Granado, In Secundam Secundae, 1, 9, 2, 2 [nt. 46], 129b) spricht von einem „certissimum dogma Fidei “. Der Protestantismus hat eine verbindliche Aussage zur vermögenspsychologischen Systematisierung des Glaubensakts vermieden; cf. Robert Baron, Philosophia theologiae ancillans, 3, 19, 8, ed. Amstelodami 1649, 173: „[…] doctrinam de facultate seu potentia animae, in qua sita est fiducia, non esse dogma fidei.“ Cf. Ioannes Damascenus, De fide orthodoxa, 4, 11, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Graeca, vol. 94, Paris 1864, 1128D. Cf. Ioannes Maior (ó 1550), Editio super Tertium Sententiarum, dist. 23, q. 11, ed. Parisiis 1517, fol. 56rb: „[…] actus fidei est liber“. Cf. Domingo Soto (ó 1560), In Epistolam D. Pauli ad Romanos commentarii, 3, 22, ed. Antverpiae 1550, 106b-107a; Francisco Sua´rez (ó 1617), Opus de triplici virtute theologica: De fide, 6, 6, 5, in: Opera omnia, ed. Parisiis 1856-1878, vol. 12, 184a. - Der Calvinismus hat zwar manchmal opponiert, war in diesem Punkt aber

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Zustimmung zu einem falschen Satz und die Verwerfung eines wahren Satzes, ist also der Irrtum (error) 50 kriminalisierbar. Wo der Wille, in übernatürlichen Belangen, dem Heiligen Geist zum Hebel dient, ist es mit der Kontrolle begreiflicherweise nicht weit her. Der Antipelagianismus war jedoch nicht das hauptsächliche, geschweige denn das einzige Motiv, um es für möglich zu halten, dass in das Verstandesregime von außen einzugreifen ist. Wie Thomas die Sache darlegt, ist der Glaubensakt zwar ein Verstandesakt - nicht, wie der lutherische Fiduzialglaube, eine Sache des Herzens -, aber einer, welcher sich nicht eigener Einsicht verdankt, sondern ein Kraftakt, weil das, was den Glaubenswahrheiten an innerer Evidenz gebricht, durch die Autorität dessen, der sie offenbart hat, ersetzt und folglich durch den Willen kompensiert werden muß, sich dieser Autorität intellektuell zu unterwerfen 51. Das ist die berühmte Heteronomie der Vernunft. Der Wille schaltet sich ein, um dem Verstand die Richtung zu weisen. Das kann er aber nur, weil und insofern Evidenz ausfällt. Der Wille stößt in ein Evidenzvakuum. Der christliche Glaubensakt ist nun nicht der einzige Fall, in dem dies für möglich gehalten worden ist. Es hat nahegelegen, die Meinung (opinio) durch die Verallgemeinerung des psychologischen Fundaments des Glaubens diesem zu assimilieren 52. Dazu musste man nur bereit sein, die christlichen Tatsachenbehauptungen mit den profanen erkenntnistheoretisch auf eine Stufe zu stellen 53. Wo es an Evidenz fehlt, da kann dafür der Wille einspringen und dem Verstand Gewissheit verschaffen - der christliche Glaubensakt - oder der Urteilsbereitschaft nachhelfen und den Verstand zu einer Meinung bestimmen: das rationale und dem Irrtum ausgesetzte Fürwahrhalten. Es gehört zu den frühneuzeitlichen Triumphen des Thomismus, dass das konfessionsübergreifend die herrschende Lehre geworden ist 54. Große Teile der Scholastik haben sich -

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doch unoriginell. Cf. Louis Le Blanc (ó 1675), Theses theologicae de subiecto fidei, sive, de facultate cui fides inhaeret, in: id., Theses theologicae, variis temporibus in Academia Sedanensi editae, ed. Londini 1675, 235-242. Cf. Petrus de Alliaco, In I Sent., q. 1, art. 1 (nt. 36), fol. 38vb: „Omnis error est assensus vel dissensus.“ Thomas von Aquin, Commentaria in Tertium librum Sententiarum, dist. 23, q. 2, art. 2, qcla. 1, ed. Ioannes Nicolai, in: Opera Omnia, vol. 9, Paris 1660, 249b. Cf. id., Summa theologiae, I-II, q. 17, art. 6 (nt. 22), 122b. Cf. Domingo Soto, In Dialecticam Aristotelis commentarii: Anal. Post., q. 8, ed. Salmantinae 1554, fol. 127vb: „[…] ne quis credat, doctrinam eius [sc. S. Thomae] esse, ad solum actum fidei requiri imperium voluntatis, cum requiratur etiam ad opinionem.“ Von dieser Bemerkung Sotos inspiriert ist die Thomasinterpretation bei A. Gardeil, La ,Certitude probable‘, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 5 (1911), 237-266, 441-85, bes. 456 sqq. Zu Thomas cf. auch E. Byrne, Probability and Opinion, Den Haag 1968. Kritisch angemerkt von Rodrigo de Arriaga (ó 1667), Disputationes theologicae in Secundam Secundae D. Thomae, 17, 11-12, ed. Antverpiae 1649, 247a. Honore´ Fabri (ó 1688), Dialogus VIII. de opinione probabili, in: Id. (ed.), Apologeticus doctrinae moralis Societatis Iesu, ed. Lugduni 1670, vol. 1, 181a: „Sed velint, nolint, voluntas intellectum determinat in iis, quae non sunt evidentia, sive ad actum certum, obscurum licet, qualis est actus fidei, sive ad assensum probabilem atque prudentem, quando proponuntur intellectui motiva gravia et rationabilia.“ Cf. id., Summula theologica, 5, 2, 7, ed. Lugduni 1669, 333a-34b. Auf derselben Linie cf. Antonio

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gewiss nicht im rechtlichen, aber im psychologischen Sinn - emphatisch zur ,Meinungsfreiheit‘ bekannt, zur libertas opinandi ad utramlibet partem contradictionis ex imperio voluntatis. Der doxastische Voluntarismus hat kein speziell christliches Motiv. Vor dem „Anything goes“ hat inzwischen selbst die Wissenschaftstheorie kapituliert 55. In der Scholastik hat der Voluntarismus auf der Einsicht beruht, dass im Bereich der Nichtevidenz das Dafürhalten interessenbedingt und veränderlich ist: „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.“ 56 Er hat die Erfahrung verarbeitet, dass es über die Vergangenheit nicht nur darum kein sicheres Wissen gibt, weil jedes menschliche Zeugnis grundsätzlich anzweifelbar ist, sondern auch darum, weil die Kritik an historischen Darstellungen häufig zu keinem definitiven Ergebnis führt - teils aus Parteilichkeit, teils aus Skepsis 57. Obwohl die, dem katholischen Christen zugemutete, profane Glaubwürdigkeitsprüfung (iudicium credibilitatis) von historischen Beweisen und damit von einer in sich voraussetzungsreichen Informationskultur abhing, ist sich der Theologe dessen sehr bewusst geblieben, dass weder die hier erreichbare Gewißheit 58 noch also auch die Quellen der evidentia credibilitatis der Glaubensartikel es deswegen zu Evidenz bringen 59. Selbst wenn es den großen Konsens gäbe - wenn alle Menschen sich z. B. darin einig wären, dass die Welt nicht von ewigkeither existiert -, fehlte mir die

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Ruvio (ó 1615), Commentaria in universam Aristotelis Dialecticam: De habitibus intellectualibus, 5, 9, ed. Compluti 1603, vol. 2, *183; Liberte´ Froidmont (Fromondus ó 1653), Philosophia christiana de anima, 4, 5, 2, ed. Lovanii 1649, 880; Pierre Jurieu (ó 1713), Traitte´ de la Nature et de la Grace, ed. Utrecht 1688, 225; Jean Leclerc (Clericus ó 1736), Opera philosophica: Ontologia, 13, 20, ed. Amstelodami 41710, vol. 1, 347; ibid., Pneumatologia, 1, 3, 24, vol. 2, 23. Ein Jesuit, ein Jansenist, ein Calvinist, ein Arminianer. Die Parallele zwischen der naturwissenschaftlichen Hypothesenwahl und der pia affectio ist schon über hundert Jahre vor Feyerabend, 1853, gezogen worden; cf. J. H. Newman, The Theological Papers on Faith and Certainty, ed. J. D. Holmes, Oxford 1976, 38. Giuseppe Polizzi (ó 1691), Philosophicae disputationes: De anima, 35, 93, ed. Panormi 1675, vol. 3, 474b-475a. Freimütig (Beispiel: die Besetzung von Stiftungsprofessuren) Anthony Terill (ó 1676), Fundamentum totius Theologiae Moralis seu Tractatus de conscientia probabili, 10, 7-9, ed. Leodii 1669, 151a-52a. Cf. R. Schüßler, Der Wille zur Meinung: Ignacio Camargo und Antonius Terillus zur Macht des Willens über das Fürwahrhalten, in: C. Spoerhase/D. Werle/ M. Wild (eds.), Unsicheres Wissen. Skeptizismus und Wahrscheinlichkeit 1550-1850, BerlinNew York 2009, 339-364, hier 359 sqq. Über Terill entrüstet sich Francisco Palanco (ó 1720), Tractatus de conscientia humana, 26, 51-54, ed. Salmantinae 1694, 221a-22a. Cf. Ioannes Maior, In Primum Magistri Sententiarum disputationes et decisiones nuper repositae, Prol., q. 1, ed. Parisiis 31530, fol. 2vb; cf. id., In III Sent., dist. 23, q. 11 (nt. 49), fol. 57ra. Cf. Petrus Tataretus (ó 1522), Lucidissima commentaria sive (ut vocant) Reportata: In III. Sent., dist 23, q. 1, ed. Venetiis 1583, 160a: „[…] nescio evidenter, si Adam fuit vel Caesar et huiusmodi, quia sunt contingentes, et contingens non potest demonstrari “; Domingo de Soto, Apologia, qua R.P. Ambrosio Catharino de certitudine gratiae respondet, in: id., De natura et gratia, ed. Parisiis 1549, fol. 264v: „[Tanta certitudo] quantam habeo, quod extat Roma, […] non est nisi intensissima opinio“ (cf. ibid. 3, 11, fol. 248v-49r). Dazu cf. A. Lang, Die Wege der Glaubensbegründung bei den Scholastikern des 14. Jahrhunderts, Münster 1937; F. Schlagenhaufen, Die Glaubensgewißheit und ihre Begründung in der Neuscholastik, in: Zeitschrift für katholische Theologie 56 (1932), 313-374. 530-595.

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Evidenz 60. Auch die bestverbürgten Tatsachen sind nur darum über jeden Zweifel erhaben, weil in solchen Fällen („Es gibt Rom“, „Cäsar hat gelebt “ usw.) der Zweifel die Präsumtion gegen sich hat. Verschwörungstheorien tragen nun einmal die Beweislast 61. Deswegen oder, andersherum, weil es eine Sache der Höflichkeit ist, Tatsachenbehauptungen so gelten zu lassen („el creer es cortesia“ 62), führt die Analyse unseres Bildungswissens immer auf eine Willensbeteiligung, wie niedrig bemessen und unmerklich diese auch ist 63. Der klassische Protest gegen die den Wundern beigelegte Beweiskraft argumentiert nicht anders: „Ein vergangenes Faktum glaub’ ich, wenn ich es glauben m a g.“ 64 Wenn für die bis heute anhaltende Identifikationsbereitschaft mit den Positionen der aufgeklärten Religionskritik ins Feld geführt wird, dass „die Abwegigkeit eines voluntaristischen Verständnisses des Fürwahrhaltens zu den Selbstverständlichkeiten der Erkenntnistheorie gehört “ 65, deckt sich dieser Gemeinplatz also nicht unbedingt mit authentischen Positionen der Religionskritik. Nichtsdestoweniger ist der doxastische Voluntarismus ein Produkt des okzidentalen, augustinischen Christentums. Gegen die Heteronomie der Vernunft haben sich nicht erst die Aufklärer aufgelehnt, auch innerscholastisch ist die Anerkennung der Möglichkeit, dass ein, im Licht übergeordneter Wertentscheidungen, parteilicher Wille „interveniert “ 66, eine Zumutung gewesen, und dies nicht nur darum, weil der Köhlerglaube, so gesehen, christlich allemal im Vorteil ist 67. Die Anerkennung dieser Möglichkeit bricht nämlich mit einer in der Scholastik sonst immer eingeschärften handlungsmetaphysischen Regel 68: dass der 60

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Cf. Ioannes Maior, In I Sent., Prol., q. 1 (nt. 57), fol. 2vb: „Si omnes de creatione mundi convenirent contradicente nemine: cum origo eius non sit sensata, adhuc in me non generabitur evidentia.“ Cf. Antonio Ruvio, De habitibus intellectualibus, 5, 13-14 (nt. 54), vol. 2, *184 sq.; Pedro Hurtado de Mendoza, Universa philosophia: De anima, 8, 3, 24, ed. Lugduni 1624, 570a. Domingo Ba´n˜ez (ó 1604), Scholastica commentaria in Secundam Secundae Angelici Doctoris partem, q. 1, art. 4, dub. 2, concl. 2, ed. Salmantinae 1586, 53A. Cf. ibid. 53A-B; Sylvestro Mauro, Opus theologicum, 2, 135, 14, Romae 1687, vol. 2, 433b34a. Die Absage an den Voluntarismus in diesem Kontext ist die vergleichsweise weniger reflektierte Position, es sei denn, es wird argumentiert ( Juan Martı´nez de Ripalda [ó 1648], Tractatus theologici et scholastici de virtutibus fide, spe, et charitate, 16, 19, ed. Lugduni 1652, 218b19a), dass im Bereich der Nichtevidenz eine Willensbeteiligung sich in solchen Fällen erübrigt, wo wir keine Gründe für die Annahme des Gegenteils haben. L. Feuerbach, Pierre Bayle (11838), Berlin 1989, 156 sq. (Feuerbachs Hervorhebung). Ähnlich schon Rousseau und Lessing. W. Schröder, Athen und Jerusalem. Die philosophische Kritik am Christentum in Antike und Neuzeit, Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, 222. Francisco Sua´rez, De fide, 6, 6, 8 (nt. 49), 185b. Cf. Jacques Almain (ó 1515), Dictata super Sententias Magistri Roberti Holcot, ed. Parisiis 1526, fol. 2v: „[…] stat, vetulam habere imperium voluntatis multo plus intensum quam habeat Theologus.“ Cf. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I-II, q. 9, art. 1, ad 3 (nt. 21), 75; id., Quaestiones disputatae de malo, q. 6, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 23, Roma-Paris 1982, 149a. Daher cf. Aegidius Romanus, Defensorium seu Correctorium librorum Doctoris Angelici S. Thomae Aquinatis: In Primam Secundae, art. 2 [= q. 3 art. 5], ed. Coloniae Agrippinae 1624, 310; Petrus de Palude (ó 1342), Scriptum super Tertium Sententiarum, dist. 23, q. 1, ed. Parisiis 1517, fol. 116vb; Domingo Ba´n˜ez, In Secundam Secundae, q. 1, art. 4, dub. 2 (nt. 62), 54A; Gabriel Va´zquez (ó 1604), Commentarii ac Disputationes

Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung

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Wille im Verhältnis zu dem Verstand dort für das Aktereignis aufkommt, nicht für den Akttyp; bei dem Verstand im Verhältnis zu dem Willen ist es umgekehrt. Um erkenntnistheoretisch die Willensbeteiligung zu akzentuieren, hätte diese Regel an sich ausgereicht. In ihrem Licht stellt sich das Aktleben vollumfänglich willensgesteuert dar. Auch hinter der Verstandesaktivität tickt der Wille 69. Es gilt: „Ich denke, weil ich (denken) will.“ 70 Der Wille zwingt den Verstand zum Denken, der Verstand hingegen nicht den Willen zum Wollen. Wenn der Wille will, dass der Verstand über etwas nachdenkt, dann denkt der Verstand darüber nach 71. Genauso wie einer spazieren gehen ,will‘, ,will‘ er studieren 72. Gewollterweise setzt das Denken ein und hört es auf 73. Unter dieser Voraussetzung hätte sich die Theologie nun auf die Tatsache zurückziehen können, dass im Gegensatz zur Mathematik, bei der die Evidenz ihrer Beweisführungen darum nicht weniger zwingend ist, weil sie studiert sein will 74, im Bereich der Nichtevidenz Gründe gegen einen widerstrebenden Willen nie etwas ausrichten werden 75. Die Theologie hat sich mit dem Herr-im-Haus-Standpunkt, den sie psychologisch bezog, indessen nicht zufriedengegeben. Im konfessionellen Zeitalter behauptete sie, dass der Wille ausnahmsweise 76 auch direkt für den Akttyp auf-

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in Primam Secundae Sancti Thomae, 41, 9, ed. Lugduni 1620, vol. 1, 195b; J. Malderen, In Primam Secundae D. Thomae commentaria, q. 9, art. 1, ed. Antverpiae 1623, 87b. Zur Diskussion um den Geltungsumfang dieses Grundsatzes der Probabilist Vicente Mascarell (ó 1730), Tractatus theologicus, dogmaticus, et canonicus de libertate actus divinae fidei, 11, 1-6, ed. Salmantinae 1719, 39a-43a. Cf. Ioannes Maior, In I Sent., dist. 1, q. 4, ed. Parisiis 1510, fol. 21rb: „[…] intellectus quantum ad exercitium actus subiicitur imperio voluntatis.“ Thomas von Aquin, De malo, q. 6 (nt. 68), 149a,351: „Intelligo […], quia volo.“ Cf. id., Summa contra gentiles, III, c. 26, ad 5, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 14, Roma 1926, 73a-b. Cf. Aegidius Romanus, Super secundo Sententiarum opus, dist. 24-25, ed. Venetiis 1482, fol. xx2ra; Paulus Soncinas (ó 1494), Quaestiones metaphysicales, 9, 18, ed. Lugduni 1579, 223b. Cf. Thomas von Aquin, Commentum in II Sent., dist. 38, q. 1, art. 3, ad 4, edd. E. Frette´/P. Mare´, in: Opera Omnia, vol. 8, Paris 1873, 509b-10a: „[…] sicut […] homo ,vult‘ ambulare vel aliquid huiusmodi facere, ita etiam ,vult‘ considerare et veritatem quaestionis alicuius invenire“; Aegidius Romanus, Super II Sent., dist. 24-25 (nt. 71), fol. ss7vb: „[…] nihil potest intellectus intelligere vel saltem non potest stare et perseverare in intellectu alicuius rei vel movere se ad aliquam rem intelligendam nisi secundum beneplacitum voluntatis.“ Ähnlich: Augustinus de Ancona (ó 1328), Opusculum perutile de cognitione animae et eius potentiis, 2, 7, ed. Bononiae 1503, fol. d6r-v; Franciscus Lychetus (ó 1517), In I Sent., dist. 27, in: Ioannes Duns Scotus, Opera omnia, ed. Lugduni 1639, vol. 5, 1148a. Cf. Ioannes Duns Scotus, II Ord., dist. 42, § 5, in: Opera omnia (nt. 72), vol. 6, 1047 sq. Cf. Thomas Argentinas (ó 1357), Commentaria in IV libros Sententiarum: In IV. Sent., dist. 49, q. 3 art. 2, ed. Venetiis 1564, fol. 194vb; Petrus de Alliaco, Quaestiones Posterioristicae, ed. Parisiis 1506, fol. l1rb; Petrus Tataretus, In Scoti Quodl., q. 16 (nt. 58), 96b. Cf. Pedro Hurtado de Mendoza, De fide, 45, 2 und 16 (nt. 9), 413b und 416b. Cf. Paulus Scriptor (ó 1505), Lectura declarando subtilissimas Doctoris Subtilis sententias circa Magistrum in Primo libro, [ed. Tubingae] 1498, fols. 19vb-20ra: „Nulla est tam fortis persuasio potens intellectum inducere ad assentiendum, quae diu duret contra voluntatem vel eius imperium: quia voluntas potest intellectum avertere a consideratione […]. Voluntas non potest […] contra evidentiam, tamen imperium voluntatis potest contra omnem opinionem et suspicionem.“ Cf. Augustin Gibbon de Burgo (ó 1676), Theologia scholastica: De tribus virtutibus theologicis, 1, 5, 3, 19, ed. Erffurti 1669-1675, vol. 5, 170a-b.

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kommt: Der Glaubensakt sei in jeder Beziehung frei, d. h. nicht nur im Hinblick auf die Möglichkeit, ihn zu unterlassen, sondern ebenso im Hinblick auf die Wahl zwischen Orthodoxie und Ketzerei. Er sei frei nicht nur - um die scholastische Distinktion zu zitieren 77 - quoad exercitium, sondern auch quoad specificationem. So lehrten übereinstimmend Jesuiten 78, Dominikaner 79, Karmeliter 80, Augustiner 81 und ein Teil der Franziskaner 82. Auch diesen Jargon hat die Analyse des profanen Meinens sich zueigen gemacht 83. Von dem Willen wurde, 77

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Cf. Francisco Sua´rez, Tractatus de gratia Dei, I, Prol., 1, 2, 7, in: Opera omnia (nt. 49) vol. 7, 7a; Collegium Conimbricense SJ., In universam Dialecticam Aristotelis: Anal. Post., lib. 1, c. 1, q. 3, art. 4, ed. Lugduni 1607, vol. 2, 423 (vulgaris et recepta doctrina). Die Wichtigkeit dieser Unterscheidung unterstreicht Schüßler, Der Wille zur Meinung (nt. 56), 346. Cf. Francisco Sua´rez, De fide, 6, 6, 5 (nt. 49), 184a: „[…] dico, actum Fidei esse liberum non solum quoad exercitium, sed etiam quoad specificationem“; Gregorio de Valencia (ó 1603), Commentaria theologica: In Secundam Secundae D. Thomae, 1, 1, 4, 1, ed. Lugduni 1619 (11595), vol. 3, 62: „[…] assensus vero fidei pendet a libera motione voluntatis etiam quoad specificationem, id est, libera motio voluntatis non solum necessaria est, ut actus circa obiectum fidei eliciatur, sed ut actus talis speciei circa id obiectum eliciatur, qui nimirum sit assensus et non dissensus.“ Genauso: Antonio Ruvio, In Dialecticam: In lib. I Posteriorum, cap. 1, § 108 (nt. 54), vol. 2, 338; Francesco Albertini (ó 1619), Corollaria seu Quaestiones theologicae, quae deducuntur ex principiis philosophicis complexis, 3, 5, 3, ed. Lugduni 1610, 256a; Luis de Torres (Turrianus ó 1655), Disputationes in Secundam Secundae D. Thomae, 29, 1, ed. Lugduni 1617, 370A (communis sententia); Gilles Coninck, De actibus supernaturalibus, 13, 36 (nt. 11), 190a; Francisco de Oviedo (ó 1652), Tractatus theologici, scholastici et morales de virtutibus fide, spe, et charitate, 1, 5, 51, ed. Lugduni 1651, 82b; Thomas Compton-Carleton (ó 1666), Cursus theologicus, 2, 14, 2, 1, ed. Leodii 1659-1664, vol. 2, 82b; Martı´n de Esparza, Cursus theologicus, 6, 27, ed. Lugduni 1666, vol. 1, 543b; Sylvestro Mauro, Opus theologicum, 2, 135, 23 (nt. 63), 434b. Cf. Domingo Ba´n˜ez, In Secundam Secundae, q. 1, art. 4, dub. 2 (nt. 62), 52E und 54D; Ioannes a S. Thoma (ó 1644), In Secundam Secundae D. Thomae: De fide, 3, 1, 3, ed. Lugduni 1663, 43a; Jean Baptiste Gonet (ó 1681), Clypeus Theologiae Thomisticae, 10, 6, 4, ed. Coloniae Agrippinae 1671, vol. 4, 299b. Das sei die authentische Thomasinterpretation: Vincent Baron (ó 1674), Ethices christianae septemdecim loci, 17, 31, ed. Parisiis 1673, vol. 2, 142; Luigi Vincenzo Mamiani della Rovere (ó 1730), Concordia doctrinae Probabilistarum cum doctrina Probabilioristarum, 3, 73-75, ed. Romae 1708, 413 sqq. Cf. Pedro Cornejo (ó 1618), Theologia scholastica, 5, 8, 17, ed. Bambergae 21671, vol. 1, 394b; Juan Bautista de Lezana (ó 1659), Summa theologiae sacrae: De fide, 5, 1, ed. Romae 16511657, vol. 3, 58b; Collegium Salmanticense O.C.D. ( J. Llanez ó 1701), Cursus theologicus, 17, 5, 1, ed. Parisiis-Bruxellis 1878-1879, vol. 11, 285b-293a. Cf. Augustin Gibbon de Burgo, De virtutibus theologicis, 1, 5, 3, 6 (nt. 76), 166b. Cf. Franciscus Sylvius (ó 1649), Commentarius in totam Secundam Secundae S. Thomae Aquinatis, q. 2, art. 9, ed. Duaci 1628, 29b. Zustimmend: Luis de Caspe (ó 1647), Cursus theologicus, 15, 3, 3, ed. Lugduni 1641-1643, vol. 2, 39b; John Punch (Poncius) (ó 1660), Integer Theologiae Cursus ad mentem Scoti, 28, 19, ed. Parisiis 1652, 344a; Bartolomeo Mastri (ó 1673), Disputationes theologicae in Tertium librum Sententiarum, 6, 239, ed. Venetiis 1661, 462a. Ablehnend: Francisco del Castillo Velasco, De tribus virtutibus theologicis fidei, spei, et charitatis: De fide, 6, 4, 7-12, ed. Antverpiae 1641, 144b-146a; Francisco Pichon Merinero (ó 1668), Opuscula de virtutibus supernaturalibus fidei, spei et charitatis: De fide, 2, 2-29, ed. Toleti 1662, 106a-117a; Claude Frassen (ó 1711), Scotus Academicus: De tribus virtutibus theologicis, 1, 3, 4, 7-9, ed. Parisiis 1672-1676, vol. 3, 751b-752a. Cf. Antonio Ruvio, De habitibus intellectualibus, 5, 55-56 (nt. 54), vol. 2, *200 sq.; Paolo Vallio (ó 1622), Logica: Ars Nova, 4, 5, 6, 7, ed. Lugduni 1622, vol. 2, 684b; Gaspar Hurtado, De fide,

Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung

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bezogen auf die ganze Breite des Nichtevidenten, gelehrt, dass ohne seine Intervention der Verstand zu keinem Dafürhalten käme. Die Rede ist nicht von dem Verhältnis zum Nichtevidenten, welches eine Stufe tiefer stattfindet, innerhalb der Schranken der einfachen Vorstellung, denn erzählende Literatur wird unkritisch konsumiert 84. Die Rede ist von demjenigen, wo der Wahrheitsgehalt interessiert. Da nun beschränke sich die Intervention des Willens eben nicht darauf, dass die Forschung an einem gewissen Punkt eingestellt wird 85. Der Wille soll den Verstand direkt dazu bestimmen können, die eine Seite für wahr zu halten 86. Wie das 87? In der These, es sei möglich, dass der Wille den Verstand ex parte obiecti bestimmt 88, liegt die wohl schroffste Zumutung der christlichen Position. Diese These hat immer auch zu Widerspruch gereizt, bis in die Zunft der Thomaskommentatoren 89. Dass eine, übrigens lesenswerte, Studie zum Spätstadium dieses Disputs vermutet, die Scholastik habe dem Willen „lediglich einen mittel-

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4, 7, (nt. 41) 79; Collegium Salmanticense OCD., Cursus theologicus, 17, 5, 1, 12 (nt. 80), 290b; Anthony Terill, Regula morum, sive Tractatus bipartitus de sufficienti ad conscientiam rite formandam regula, 33, 2-19, ed. Leodii 1678, 291a-295a; Vicente Ferre (ó 1682), Tractatus theologici in Primam Secundae D. Thomae, 6, 178, ed. Salmantinae 1679-1690, vol. 2, 140b; Juan de Ferreras (ó 1735), De fide theologica disputationes scholasticae, 6, 126, ed. Compluti 1692, 530. Daher auch im Calvinismus: Marcus Friedrich Wendelin (ó 1652), Philosophia moralis, 1, 4, 76, ed. Hardervici 21654, 201. Ein Kritiker des Probabilismus (Ignacio Camargo [ó 1722], Regula honestatis moralis, seu Tractatus theologicus de regula moraliter agendi, 1, 5, 139, ed. Neapoli 1702, 74b) meint, es sei eine Hauptthese desselben. Dieses Beispiel zur Erläuterung des Begriffs pura apprehensio bei dem kunsttheoretisch interessierten Sforza Pallavicino, Philosophia moralis, seu De bono, 3, 49, 3, ed. Coloniae Agrippinae 1646, 242. So nämlich Gottfried von Fontaines (ó 1306/09), Quodlibeta, VI, 11, edd. M. de Wulf/J. Hoffmans, in: Les Philosophes Belges, vol. 3, Louvain 1914, 222-228; Gottfried Wilhelm Leibniz (ó 1716), Nouveaux Essais sur l’Entendement, 4, 20, 12, in: id., Die philosophischen Schriften, ed. C. I. Gerhardt, Berlin 1875-1890 [Neudruck: Hildesheim 1965], vol. 5, 499. Cf. Francisco Sua´rez, Disputationes metaphysicae, 19, 5, 14-15, in: Opera omnia (nt. 49), vol. 25, 715b-716a. Cf. Granado, In Secundam Secundae, 1, 9, 2, 6 (nt. 46), 130b; Tomas de Lemos (ó 1629), Panoplia Gratiae, 3, 2, 11, ed. Leodii 1676, vol. 3, 115b. Cf. Luis de Torres, In Secundam Secundae, 29, 1 (nt. 78), 372A: „Hoc est argumentum maxime difficile in hac materia, si serio consideretur.“ Skeptisch: Francisco Palanco, Tractatus de fide theologica, 9, 56-65, ed. Matriti 1701, 531a-34b; Domingo Perez (ó 1724), Tractatus de fide iuxta D. Thomae mentem, q. 6, ed. Matriti 1734, 130a-167b, bes. 162 sqq. Cf. Ioannes a S. Thoma, De fide, 3, 1, 3-4 (nt. 79), 43a; Gabriele Gualdo, Tractatus probabilitatis, 4, 23 (nt. 30), 43a. Cf. Pedro de Lorca (ó 1612), Commentaria et disputationes in Secundam Secundae D. Thomae: De fide, 12, 11, ed. Matriti 1614, 58b: „[…] voluntas […] non movet quoad specificationem ex parte obiecti, sed ex parte potentiae. Quod ut intelligas, recole, specificationem et substantiam actus non solum ab obiecto, sed etiam a potentia pendere […], et ideo, licet voluntas non moveat intellectum ad speciem actus ex parte obiecti, movere potest ex parte potentiae.“ Cf. Marco Serra (ó 1647), Summa commentariorum in Secundam Secundae S. Thomae: De fide, spe, et charitate, 1, 4, 2 ad 3, ed. Romae 1654, 60; Raffaele Aversa (ó 1657), De fide, spe et charitate tractatus theologici, 2, 9, ed. Venetiis 1660, 117b; Maurus Oberascher (ó 1697), Disputatio theologica de virtutibus theologicis, 1, 2, ed. Salisburgi 1665, 15-16; Francisco Palanco, De fide, 9, 61 (nt. 87), 532b; Eusebio Garcia de los Rios, Tractatus theologicus de libertate, 1, 1, 2, 41-42, ed. Compluti 1703, 38b.

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baren Einfluß auf das Fürwahrhalten“ zugestanden, und den „anti-evidentialistischen Voluntarismus des Fürwahrhaltens“ habe, wenn überhaupt, „nur eine sehr kleine Minderheit “ vertreten 90, ist trotzdem ein Irrtum. V. Voluntaristischer Aristotelismus Angefangen von Thomas - der überragenden Autorität in der einen wie in der anderen Beziehung 91 - beweist die scholastische Interpretationsgeschichte unserer Aristotelesstelle, dass der doxastische Voluntarismus sich durch die dargelegte Auffassung von derselben durchaus nicht hat aus dem Konzept bringen lassen 92. Etwa seit Pierre d’Ailly (ó 1420), dem dabei doch eine Systematisierung des Evidenzbegriffs zu verdanken ist 93, haben die der Stelle gewidmeten Erläuterungen darauf abgezielt, durch die nähere Angabe von dessen Art und Weise - in einer Umständlichkeit bisweilen, die beachtlich ist - die Möglichkeit eines Willensdiktats ausdrücklich darzutun. Um mit Aristoteles’ These fertigzuwerden, dass es nicht in unserer Macht steht, zu meinen, hatte der doxastische Voluntarismus zwei Möglichkeiten. Er konnte sich auf Themistios’ Standpunkt stellen und sagen, als Gegenargument erledige sich die These dadurch, dass sie sich nur auf Fälle von Evidenz bezieht. Aber so leicht hat es sich die Scholastik selten gemacht 94. Auf dem Standpunkt des Thomas von Aquin, auf dem diese Lösung ausschied, wurde die These, gerade umgekehrt, als auf ihr Repoussoir auf den Fall bezogen, dass sich im Zweifel befunden wird. Unter dieser Voraussetzung sei es ein Unterschied, unter welchen Umständen gezweifelt wird. Entweder nämlich, weil es weder für die Annahme von B noch für die von nicht-B Gründe gibt - der negative Zweifel: der Fall des Nichtwissens - oder, weil es für jede der beiden Seiten Gründe gibt. Seit Ailly, der, in einem anderen Zusammenhang, an diese klassische Unter90

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Schüßler, Der Wille zur Meinung (nt. 56), 340 und 363. Diese Einschätzung ist die Folge einerseits der Ausklammerung der Theologie, andererseits einer Konfusion, welche der nichtscholastische Begriff ,evidentialistisch‘ anrichtet. Bezeichnenderweise haben sowohl Kritiker als auch Verteidiger des doxastischen Voluntarismus Thomas’ Kommentar zu der Aristotelesstelle für sich reklamiert; cf. Ignacio Camargo, Regula honestatis moralis, 1, 5, 107 (nt. 83), 66b; Jose´ de Ribas, Relectiones Complutenses de fide, spe, et charitate, 1, 3, 3, 20, ed. Compluti 1743, 86a. Die, soweit ich sehe, einzige Ausnahme davon (Domingo Ba´n˜ez, In Secundam Secundae, q. 1, art. 4, dub. 2, concl. 4 [nt. 62], 53C-D) rührt von einem anderen Traditionseinschlag her (Holkot). Cf. A. Maier, Das Problem der Evidenz in der Philosophie des 14. Jahrhunderts, in: Scholastik 38 (1963), 183-225, hier 214 sqq. Cf. Juan de Ferreras, De fide, 6, 126 (nt. 83), 530: „Quando autem Aristoteles ait, quod non possumus opinari, cum volumus, non loquitur de assensu opinativo formaliter ut tali, sed de assensu evidenti, qui laxiori vocabulo ,opinio‘ dicitur “; Pedro Hurtado de Mendoza, De fide, 45, 20 (nt. 9), 417b: „Quod si hoc [sc. Aristotelis] argumentum aliquid efficeret, concluderet quidem, nullam esse opinionem probabilem, sed omnes actus intellectus esse evidentes.“

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scheidung auch erinnert 95, war Aristoteles mit seiner These auf die Situation des negativen Zweifels festgelegt 96. Dass der Wille sich dem Verstand gegenüber selbstherrlich aufspielt, sei allerdings unmöglich 97. Wo weder die Annahme von B noch die von nicht-B plausibel erscheint, kann man sich nicht entschlossen aus dem Zweifel reißen. Da kann nur abgewartet werden, ob sich nicht in Zukunft neue Entscheidungsgründe ergeben 98. Beim positiven Zweifel liege die Sache anders. Zwar lasse er das an dieser Stelle unerörtert 99, aber Aristoteles denke gar nicht daran, die Möglichkeit in Abrede zu stellen, dass der Verstand vom Willen quoad specificationem zum Fürwahrhalten bestimmt wird 100. Es müsse nur gewährleistet sein, dass der Verstand dabei nicht zu kurz kommt 101. 95

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Cf. Alliaco, Quaestiones Posterioristicae (nt. 73), fol. K3rb. Cf. Thomas von Aquin, In III Sent., dist. 23, q. 2, art. 2, qcla. 1 (nt. 51), 249b. Cf. Francesco Bardi (ó 1661), Disceptationes morales de Conscientia in communi, recta, erronea, probabili, dubia, et scrupulosa, 4, 10, 1, 6, ed. Panormi 1650, 67b: „[…] dictum Aristotelicum intelligi debet, quando nullum se offert motivum, vi cuius intellectus elicere valeat assensum.“ Cf. Martı´nez de Ripalda, De fide, 16, 10 (nt. 63), 217a; Leonardo Pen˜afiel (ó 1657), Disputationes scholasticae et morales de virtute fidei divinae, 6, 188-189, ed. Lugduni 1678, 144a; Eusebio Garcia de los Rios, De libertate, 1, 1, 1, 41 (nt. 89), 12b. Cf. Tomas Muniesa (ó 1696), Disputationes scholasticae de fide divina, 2, 91, ed. Caesaraugustae 1700, 345b: „[…] Hoc enim esset irrationabile […].“ Cf. Alliaco, In I Sent., q. 1, art. 1-2 (nt. 36), foll. 39raA und 44raA: „[…] ex imperio […] voluntatis praecise, sine quacunque apparentia aut motivo aliquo, non contingit credere alicui complexo. Patet, quia aliter possem opinari libere […] de quolibet […] mihi ignoto. […] solum imperium [sc. voluntatis] […] per se non potest generare opinionem. […] patet per experientiam, et ad idem Commentator 2∞ De anima commento [1]53, ubi dicitur, quod opinari non possumus, cum volumus“; Pico della Mirandola, De libertate credendi (nt. 44), 226: „Non est in libera potestate hominis opinari, sic vel sic esse, cum vult […]. Antecedens est expressum ab Aristotele in 2∞ De anima textu commenti 153, et patet per experientiam, quia quilibet in se experitur, quod oblata ei propositione dubia, si est ei mere dubia, ad neutram partem opinandam per assensum inclinatur, donec ei nova supervenerit apparentia vel per syllogisticam rationem, vel per intuitivam notitiam, vel per testimonium multorum, vel per authoritatem dicentis, vel aliud simile.“ Cf. J. Maior, In I Sent., Prol., q. 1 (nt. 69), fol. 1va; id., In III Sent., dist. 23, q. 11 (nt. 49), fol. 56va; Coronel, In Anal. Post., 1, 4, 2 (nt. 11), 15ra; Liberte´ Froidmont, De anima, 4, 5, 1 (nt. 54), 878. Cf. Domingo Soto, In Anal. Post. (nt. 52), fol. 127vb: „Aristoteles non negasset, ad fidem et opinionem requiri motum voluntatis, sed tamen ipse non tractavit nisi de principiis habituum, quae sunt in intellectu.“ Daher auch Gardeil, La ,Certitude probable‘ (nt. 52), 455, nt. 1. Unsere Aristotelesstelle wird von ihm mehrfach (cf. ibid., 445 und 457) erwähnt. Cf. Francesco Bardi, De Conscientia, 4, 10, 1, 6 (nt. 96), 67b. Cf. Miguel de Palacios, In De anima (nt. 12), fol. 218vb: „Bene ergo et consulte dixit Aristoteles, opinionem non esse voluntatis, id est: solius, intellige. Alioqui plurimam vim opinando voluntatis imperium habet, quae saepe imperat et determinat intellectum, ut asserat A potius quam B.“ Cf. Pedro de Arago´n (ó 1592), Commentaria in Secundam Secundae D. Thomae de fide, spe et charitate, q. 1, art. 4, ed. Venetiis 21625, 17b: „[Aristoteles] non negat, ad opinionem esse necessarium actum voluntatis, sed tantum docet, illum praecise non sufficere sine aliqua ratione ex parte rei credendae“; Juan de Lugo (ó 1660), Disputationes scholasticae et morales: De virtute fidei divinae, 10, 10, ed. Parisiis 18681869, vol. 1, 338b: „Respondeo, Aristotelem non negare voluntati vim determinandi intellectum ad assensum, quando aliunde motiva sufficientia proponuntur; solum negat, voluntatem habere tale dominium despoticum, nullo posito motivo ad credendum.“ Unterschrieben von Bartolomeo Mastri, In III Sent., 6, 252 [nt. 82], 465b. Cf. Luis de Torres, In Secundam Secundae, 29, 1 (nt. 78), 371C: „[…] cum illa [sc. ratione] tamen multum iuvat affectus voluntatis.“ Weitläufig auch Nicolas Ysambert (ó 1642), Disputationes de tribus virtutibus theologicis, 1, 23, 4, ed. Lutetiae Parisiorum 1648, 157a-158b.

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In der Trennung von der Skepsis divergierten nun, auch exegetisch, zwei Auffassungen von der Sache. Nach der einen würde der jeweils größeren Plausibilität durch den Ruck, den man sich gibt, lediglich nachgeholfen sein können 102. Niemand zögert doch, meinte Bellarmin (ó 1621), in seinem Urteilsverhalten dem stärkeren Argument stattzugeben 103. Nach der anderen wäre die überlegene Plausibilität nur bedingt maßgeblich, weil im Widerstreit der Gründe der Wille souverän interveniert. 104 Sonst entzögen sich, was sie aber doch nicht tun, Meinungen prinzipiell der Kritik 105. Für den sog. Probabilismus war der Wille eine Art Vergrößerungsglas 106. Von Aristoteles bestritten werde nur die Freiheit, eine Ansicht beliebig für wahr oder falsch 107, plausibel oder unplausibel zu halten 108, nicht aber die Freiheit, Gründe zu gewichten. „Es ist mitnichten so“, zog Vicente Mascarell (ó 1730) zum Schluß einer jahrhundertelangen exegetischen Anstrengung das Fazit, „dass unser Verstand nicht auch die gleich oder sogar weniger probable Seite für wahr halten kann. Das Probable, auch wenn es das in einem minderen Grad ist, stützt sich immerhin auf einen Grund und zwar von einigem Gewicht. Darauf wird der Verstand meinenderweise hingelenkt sein können. Aristoteles verlangt zum Dafürhalten ja nicht, dass der betreffende Grund in einem höheren Grad probabel oder nötigend sei, sondern präzise eben einen Grund“ 109. 102

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Cf. Vincent Contenson (ó 1674), Theologia mentis et cordis, 7, 2, 2, 1, ed. Coloniae Agrippinae 1687 (11673), vol. 1, 542b: „[…] voluit Aristoteles citatus: […] argumentorum concentu quoad specificationem movetur intellectus […], et tunc voluntas efficaciae obiecti defectum supplet disponendo et inclinando intellectum ad assensum“; Henricus a S. Ignatio (ó 1719), Ethica amoris, sive Theologia Sanctorum circa morum doctrinam adversus novitias opiniones strenue propugnata, 1, 11, 112 und 203, ed. Venetiis 1771 (11709), vol. 1, 387a und 395b. Cf. Roberto Bellarmino, Disputationes de controversiis christianae fidei, 3, 1, 3, 8, ed. Lugduni 1593, vol. 3, 524. Zustimmend: Ignacio Camargo, Regula honestatis moralis, 1, 5, 43, (nt. 83), 51a. Kritisch: Juan de Salas (ó 1612), Disputationes in Primam Secundae D. Thomae, 3, 1, 127, ed. Barcinone 1607-1611, vol. 1, 684a-b; Antonio Bernaldo de Quiro´s (ó 1668), Opus philosophicum, 35, 8, ed. Lugduni 1666, 223b-224a. Cf. Agostino Nifo, In De anima (nt. 20), 544: „In omnibus propositionibus contingentibus oportet dare unam primam per se notam in eo ordine, ut haec: ,Voluntas vult‘ […]“; Antonio de Co´rdova (ó 1578), Quaestionarium theologicum, 3, 2, ed. Venetiis 1569, vol. 2, 156a: „[…] opinari non possumus, quando volumus, scilicet sine motivo: cum illo autem possumus ut volumus.“ Cf. Juan de Salas, In Primam Secundae, 3, 1, 127 (nt. 103), 684b; Luis de Torres, In Secundam Secundae, 29, 1 (nt. 78), 371D; Juan de Lugo, De fide, 10, 13 (nt. 101), 339b. Cf. Luigi Vincenzo Mamiani della Rovere, Concordia, 3, 85 (nt. 79), 420. Cf. Ioannes Maior, Quartus Sententiarum, Prol., ed. Parisiis 1509, foll. 4vb-5ra: „Voluntas non potest imperare intellectui, ut assentiat alicui complexo sine motivo, potest tamen imperare intellectui, ut inter duo motiva aequalia unum plus reliquo ponderet “; Francesco Bordoni, Propugnaculum opinionis probabilis (nt. 37), 46b-47a: „Aristoteles ergo tollit opinandi libertatem sibi fingendi obiecta vera, vel falsa, […] non vero tollit eidem libertatem iudicandi hanc, vel illam opinionem esse magis, vel minus probabilem […] ex imperio voluntatis“ (,intellectus‘ in ,voluntatis‘ korrigiert). Cf. Pedro da Fonseca (ó 1596), Commentaria in Metaphysicorum Aristotelis Stagiritae libros, 9, 2-3, ed. Coloniae 1615 [Neudruck: Hildesheim 1964], vol. 3, 565aA und 569bC-D. Zitiert bei Juan de Salas, In Primam Secundae, 3, 1, 129 (nt. 103), 685b. Vicente Mascarell, De libertate actus divinae fidei, 60, 5 (nt. 68), 255a: „[…] minime fit, intellectum nostrum opinari non posse aeque aut minus probabilia, quoniam probabile etsi minus tale, ratione aliqua et non exigui momenti fulcitur: poterit ergo in illud opinativo sensu ferri intellectus, quia Philosophus ad opinandum

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VI. Neustoischer Aristotelismus Niemand hat der probabilistischen Aneignung der Aristotelesstelle energischer widersprochen als der Genueser Jesuit Andrea Bianchi (1587-1657) in seinem 1642 pseudonym veröffentlichten Traktat De opinionum praxi disputatio. Die Veröffentlichungsumstände dieses Klassikers der antiprobabilistischen Literatur 110 sind undurchsichtig. Das Pseudonym hat zu Spekulationen über eine damit bezweckte - also: anscheinend nötige - Umgehung der Ordenszensur Anlass gegeben 111. Auf der anderen Seite sind diese Spekulationen auch nicht unwidersprochen geblieben 112. Obwohl nicht umfangreich, ist Bianchis Buch ein streng scholastischer Traktat. Zum Grundstock der akademisch geführten Kontroverse über den moraltheologischen Probabilismus hat es von Anfang an gehört 113. Zu Lebzeiten des Autors ist ihm Beifall versagt geblieben 114, dafür hat es noch vor Pascals Auftreten vier Auflagen erlebt. In Bianchis Traktat ist das zweite von insgesamt acht Kapiteln überschrieben: Ist das Meinen frei oder notwendig? Können wir nach Belieben meinen, oder

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non exigit rationem magis probabilem nec urgentiorem, sed praecise rationem aliquam.“ Cf. Diego de Salablanca y Balboa (Didacus a Iesu ó 1621), Commentarii cum disputationibus et quaestionibus in universam Aristotelis Logicam, 18, 3, ed. Matriti 1608, fol. 343rb-vb. Eines der frühesten Zeugnisse des Probabilismus außerhalb der Thomaskommentierung. Cf. Prospero Fagnani (ó 1678), De opinione probabili tractatus, § 354, ed. Romae 1665, 333 sq. (ein Auszug aus seinem vier Jahre früher erschienenen Dekretalenkommentar); (Charles Maison [ Jacobus a S. Dominico O.P. ó 1704],) Eclaircissemens apologetiques de la Morale chre´tienne touchant le choix des opinions, Paris 1680, 303-306; Jean Gisbert S.J. (ó 1710), Antiprobabilismus, ed. Parisiis 1703, 184 sq. Cf. Martı´n de Esparza, Appendix, § 235 (nt. 9), 249; (Mathieu Petitdidier O.S.B. [ó 1728],) Apologie des Lettres Provinciales de Louis de Montalte [= Pascal] contre la dernie`re reponse des PP. Jesuites, Rouen 1697-1698, vol. 1, 196 sq. Cf. I. von Döllinger/F.H. Reusch, Geschichte der Moralstreitigkeiten in der römisch-katholischen Kirche seit dem sechzehnten Jahrhundert, Nördlingen 1889, vol. 1, 32 sq. Cf. Alphonse Huylenbroucq S.J. (ó 1722), Vindicationes adversus famosum libellum appellatum Tubam alteram, ficto nomine editam anno 1714, ed. Bruxellis 1715, 123 sq. Sachlich, wenn auch unvollständig, informiert Nathanael Sotvellus (Southwell) S.J., Bibliotheca Scriptorum Societatis Iesu, ed. Romae 1676, 47b. Cf. Gianangelo Bossi C.R.S.P., Moralia varia, ed. Lugduni 1649, 601a-629b (Probabilist); Francesco Bardi S.J., De conscientia (nt. 96), 60a-73a (Probabilist); B. Mastri da Meldola O.F.M., Disputationes theologicae in Secundum librum Sententiarum, 5, 63, ed. Venetiis 1731 (11659), 226b (Probabilist); Prospero Fagnani, De opinione probabili, § 135 (nt. 110), 96 sq. (Antiprobabilist); Francesco Bordoni O.F.M., Propugnaculum opinionis probabilis (nt. 37), 46b-47a (Probabilist); Giuseppe Gibalini S.J. (ó 1671), Scientia canonica et hieropolitica, ed. Lugduni 1670, vol. 1, 320b-324a (Probabilist); Juan Caramuel y Lobkowitz O.Cist. (ó 1682), Theologiae moralis fundamentalis liber quartus, qui est Dialexis de non-certitudine, ed. Lugduni 1675, 339b340b (Probabilist); Mateo de Moya S.J. (ó 1684), Selectae quaestiones [ex praecipuis Theologiae Moralis tractatibus], ed. Matriti 1670-1678, vol. 2, 54b-56a (Probabilist); Carlo Antonio Casnedi S.J. (ó 1725), Crisis theologica, ed. Ulissypone 1711-19, vol. 1, 315a-322b (Probabilist). Das wird von beiden Lagern übereinstimmend konstatiert. Cf. Vincent Baron O.P. (ó 1674), Manuductio ad Moralem Theologiam, ed. Venetiis 1667, vol. 2, 323 (Antiprobabilist); Christoph Haunold S.J. (ó 1689), Theologia Speculativa, ed. Ingolstadii 1678 (11670), 191a (Probabilist).

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ist unsere Stellungnahme durch die Sache, d. h. durch die sachlichen, unabängig von unserem Willen bestehenden Gründe, determiniert 115? Die These ist, dass es Meinungsfreiheit nicht gibt. Diese These bezieht sich, wird sofort hinzugefügt, ausschließlich auf die Freiheit quoad specificationem, nicht auf die quoad exercitium 116. Die Distinktion wird gehörig auseinandergesetzt. Meinungsfreiheit haben wir nicht, weil und insofern der Verstand zum Ja, zum Nein oder zur Urteilsenthaltung ausnahmslos durch die Informationslage bestimmt ist 117. Ob es nichtsdestoweniger möglich ist, in praktischer Absicht das Urteil, zu welchem man gelangt ist, einzuklammern, ist eine andere Frage. Die bejahende Antwort wird von Bianchi zwar mißbilligt 118, aber er legt Wert darauf, die beiden Fragen getrennt zu halten. Das Thema Meinungsfreiheit abstrahiert von allen Zugeständnissen, welche der Praxis möglicherweise zu machen wären. Bianchis Buch versteht sich als ein einziger Kommentar zu unserer Aristotelesstelle 119. Sie wird, um nur bei dem Aufbau der Beweisführung in der zweiten Frage zu bleiben, nicht weniger als viermal aufgerufen. In dem Vorgeplänkel ist sie die Autorität, die so ganz allein, d. h. wie sonst im klassischen Aufbau der scholastischen Quästio das Bibel- oder Augustinzitat, die Gegenposition zu den Argumenten zugunsten der Meinungsfreiheit vertritt 120. In dem nach Traditionsbeweis und Vernunftbeweis unterteilten Beweis für die aufgestellte These ist sie ferner sowohl das Hauptbeweismittel aus der philosophischen Tradition 121 als auch der erste der insgesamt zehn Vernunftbeweise 122. Schließlich knüpft an sie auch noch das Fazit der ganzen Beweisführung an: „Daher bleibt es dabei, daß […] nach erfolgter Abwägung das Meinen nicht freisteht. Durch alles ist, wie ich glaube, sowohl unsere eigene als auch die These des Aristoteles auf der von ihm selber entwickelten Linie hinreichend klar bewiesen: daß wir zwar phantasieren können, wann immer wir wollen, nicht aber meinen; denn Phantasieren bedeutet, daß der Verstand willkürlich fingiert und nach dem Willensdiktat etwas zusammensetzt, während Meinen bedeutet, nicht willkürlich zu fingieren, sondern eine Prüfung anzustellen und den Gründen (momenta rationum) Folge zu 115

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Cf. Andrea Bianchi, De opinionum praxi (nt. 16), 17: „[…] quaerimus hic, utrum liberum sit opinari, vel necessarium: nimirum, utrum possit quis opinari, quod vult, an vero necessitetur quisque ab obiecto seu motivis, quae sunt in re, seu quae sunt independentia a voluntate.“ Ibid., 19: „Dicendum, opinari esse liberum quoad exercitium actus, non autem quoad specificationem.“ Wiederholt von Mario Diana, Idea iurium interioris fori, § 740, ed. Panormi 1705, 204a-b. Dem widerspricht Carlo Antonio Casnedi, Crisis theologica, 8, 265 (nt. 113), 318b-19a. Der Dominikaner Diana ist nicht mit seinem Namensvetter, dem Theatiner und berühmten Probabilisten, zu verwechseln. Cf. Andrea Bianchi, De opinionum praxi (nt. 16), 44. Cf. ibid., 36 sq. Cf. ibid., 167: „Ratio unica Aristotelis firmat omnes fere nostras supra positas assertiones: illa scilicet, quam supra citavimus 2∞ De anima textu 153 ,Opinari non est in nobis: necesse enim est falsum, aut verum dicere.‘“ Cf. ibid., 18. Cf. ibid., 19. Cf. ibid., 23.

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leisten, von welchen der Verstand bestimmt wird, dieses oder jenes zu meinen, so daß das also nicht der Willensentscheidung überlassen ist.“ 123 Philosophiegeschichtlich ist die Stelle für Bianchi darum die Hauptstütze, weil es sich bei den außerdem angeführten Zeugnissen ausschließlich um Kommentare zu dieser Stelle handelt. Es sind die von Averroes, Simplikios, Themistios und Ps.-Philoponos. Der Epiktetkommentar des Simplikios, im 17. Jahrhundert eine Quelle des doxastischen Voluntarismus 124, bleibt unberücksichtigt. Die wenigen lateinischen Aristoteleskommentatoren, die Bianchi berücksichtigt - nur Thomas und Cajetan -, sind zum theologischen Traditionsbeweis gestellt. Außer auf einige Stellen aus der ,Summa Theologica’ referiert dieser namentlich auf Richard of Middleton, Heinrich von Gent, Robert Holkot (ó 1349) und John Mair (ó 1550). So weit zum Bildungshorizont 125. Wir können für unsere Überzeugungen nichts, denn wir haben sie nicht in unserer Gewalt. John Locke (ó 1704), dem eine des Lateinischen unkundige Geistesgeschichtsschreibung an dieser These Urheberrechte zuschreibt 126, hat sie, bei derselben Stoßrichtung gegen den Probabilismus, lediglich popularisiert. Im Unterschied zu dem Apostel der Toleranz, der 1689 Aristoteles nicht mehr erwähnt, ergibt sich bei Bianchi die konsequent stoische Tendenz seiner Interpretation 127 aus dem Nachdruck, der bei ihm auf dem αœ να´ γκη des Aristoteles liegt und der den Probabilisten dermaßen gegen den Strich ging 128. Bianchi hat für den Bereich unterhalb der Evidenzschwelle ein mechanistisches Modell der Informationsverarbeitung durch den Verstand. Es zu entwickeln ist die Angelegenheit seines fünften, sechsten und achten Beweises. Eine Waage, argumentiert der fünfte, ist durch die Gewichtsverteilung in ihrem Neigungsverhalten determiniert. Nun wird der Verstand in seinem Urteilsverhalten von dem Gewicht der Gründe, ob nun intrinsischer oder extrinsischer

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Ibid., 36. Cf. Louis de la Forge (ó 1666), Traite´ de l’Esprit de l’homme suivant les Principes de Mr. Descartes, chap. 11, Gene`ve 1725, 164 sq.; Christoph Wittich (ó 1690), Theologia pacifica, § 48, Lugd. Batavorum 1671, 36. Als das einzige antike Zeugnis fand die Gegenseite das allerdings etwas kümmerlich. Cf. Peter von Maastricht (ó 1706), Novitatum Cartesianarum gangraena, seu Theologia Cartesiana detecta, 2, 27, 6, ed. Amstelodami 1677, 450. Ein akkurates Referat bei Carlo Antonio Casnedi, Crisis theologica, 8, 245-46 (nt. 113), 315a-b. Cf. H. G. van Leeuwen, The Problem of Certainty in English Thought 1630-1690, Den Haag 1970, 134 sq.; N. Jolley, Locke. His Philosophical Thought, Oxford 1999, 192 sq. Die entscheidende Stelle: John Locke, An Essay concerning Human Understanding, 4, 20, 16, ed. P. H. Nidditch, Oxford 1975, 717 sq. Zustimmend: Gottfried Wilhelm Leibniz, Nouveaux Essais, 4, 20, 17 (nt. 85), 502: „[…] les sentimens sont involontaires en eux meˆmes.“ Cf. Andrea Bianchi, De opinionum praxi (nt. 16), 26: „[…] assensus intellectus quoad specificationem causatur tantum a motivis seu argumentis rei, cui debet conformari; sed haec necessario causant seu independenter a libertate: ergo etc.“ Cf. Juan Marı´n (ó 1725), Tractatus de fide divina, 4, 16, ed. Compluti 1708, vol. 1, 344: „Dum Aristoteles dicit 2∞ De anima, ,nos non posse opinari cum volumus; secus imaginari‘, solum voluit, ad opinionem requiri grave fundamentum; non vero intendit, grave fundamentum necessitare intellectum.“

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(d. h. zeugnisbasierter), genauso bestimmt wie die Waage von den Gewichten 129. Das liegt daran, dass der Verstand sich, indem er urteilt, nach den Sachen richtet: Je nachdem, ob es sich in der Sache so verhält oder nicht, ist eine Aussage wahr oder falsch. Wie sie den Verstand bewegen, sind die Sachen nicht weniger willensunabhängig als die Gewichte auf den Waagschalen. Sie haben, wie diese, ihr bestimmtes Gewicht. Die Probabilismuskritik im sechsten Beweis baut auf dieser Vorstellungsweise auf. Es ist unzulässig, so der Grundgedanke, den Determinismus auf einen bestimmten Bereich, den oberhalb der Evidenzschwelle, zu beschränken und den Gründen daher nicht durchgängig eine nötigende Kraft zuzuerkennen. Sowohl bei der Waage als auch beim Verstand fällt vielmehr jegliches, wie schwach auch immer, auf seine Weise ins Gewicht und wirkt daher mit Notwendigkeit. Ein Hineinspielen des Willens wäre nicht anders zu bewerten als eine Manipulation an der Waagschale 130. Der achte Beweis bringt noch eine Ergänzung: Die beiden Situationen des negativen Zweifels und die des positiven Zweifels bei Gleichwahrscheinlichkeit unterscheiden sich praktisch nicht. Gründe zu haben, welche auf entgegengesetzten Seiten gleichstark ins Gewicht fallen, zeitigt bezogen auf das Urteilsverhalten das gleiche Ergebnis wie ein Fehlen aller Gründe 131. Durch diese These ist dem doxastischen Voluntarismus die Grundlage entzogen. Das Modell der zwei Waagschalen, in denen ohne Ansehen der Parteien die Beweismittel fair gegeneinander abgewogen werden, ist aus den Allegorien der Justiz geläufig. Seine Übernahme in die aristotelische Vermögenspsychologie ist dennoch alles andere als trivial. Was den Willen betrifft, waren sich zumindest die Anhänger der Freiheit der Indifferenz (libertas indifferentiae) darin einig, dass es unstatthaft wäre, dieser Indifferenz die Gleichgewichtsvorstellung unterzuschieben. Buridans Esel ist nun mal der Esel. Der freie Wille steht für eine ,aktive‘, nicht für eine ,passive‘ Indifferenz 132. Für jeden Jesuiten, auch für Bianchi, war es eine Selbstverständlichkeit, die Willensfreiheit über ein mögliches Gleichgewicht der Willensmotive erhaben zu denken. Ist passive Indifferenz deswegen das Merkmal des Verstandes? Für Bianchi unbedingt. Das Modell der Waage für den urteilenden Verstand und die συγκατα´ 129

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Cf. Andrea Bianchi, De opinionum praxi (nt. 16), 28: „[…] non minus intellectus in iudicando determinatur seu inclinatur a momentis rationum seu argumentorum, sive intrinsecorum, sive extrinsecorum (nempe ab auctoritate), quam statera a ponderibus.“ Cf. ibid., 30: „[…] si secundum quid in iudicando moveretur seu inclinaretur intellectus a voluntate, secundum illud fingeret et non opinaretur: sicuti statera, si paulisper a manu moveretur, non aestimaret seu ponderaret res, ut sunt, neque diceret verum, sed fingeret.“ Cf. ibid., 33: „[…] duae rationes moventes aeque in partem oppositam non plus movent, ac si nulla moveret: ut patet in duobus aeque moventibus aliquod pondus. Ergo tam est opinari tunc unam partem, ut libet, in dubio sine ulla ratione tollente dubium, quam in eo dubio, in quo nulla est ratio.“ Cf. Miguel de Elizalde, De recta doctrina morum (nt. 16), 249b. Francisco Sua´rez, Varia opuscula theologica: De concursu et efficaci auxilio Dei 1, 3, 1, in: Opera omnia (nt. 49), vol. 11, 14a.

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θεσιw hat er nicht erfunden 133, aber erst seit ihm wirkt dieses Modell polarisie-

rend. Die Kritiker des Probabilismus haben sich geschlossen für dieses Modell erklärt 134, dessen Verteidiger es ebenso geschlossen verworfen: Die Analogie mit der Waage hinke in mehr als einer Beziehung. Über die Eindimensionalität der Gewichtsvorstellung, die ihr zugrundeliegt, werde die Mehrdimensionalität des geistigen Abwägens verkannt 135. Der Streit über den Probabilismus, ein weites Feld, interessiert uns hier ausschließlich insofern, als der Probabilismus eine Konsequenz des doxastischen Voluntarismus ist. Wir müssen uns ja über die Voraussetzungen und Grenzen dieses Systems verständigen. VII. Das Mehrheitsvotum Der doxastische Voluntarismus war, wie gesagt, die scholastische Hilfshypothese für den Fall, dass die Evidenz ausfällt. Der spröde Begriff der Evidenz 136 ist unbedingt festzuhalten. Soweit sich die erkannte Wahrheit in die Evidenz auflöst, mit der etwas nicht A und zugleich nicht-A ist, funktioniert der Verstand autonom, ohne jede Einmischung des Willensregimes 137. Das war der stipulierte Normalfall. 133

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Cf. Cicero, Academica, I, 2, 12, 38. Daher cf. e.g. Ioannes Maior, In I Sent. Prol. q. 1 (nt. 69), fol. 2rb. Cf. Giulio Mercoro (ó 1669), Basis totius Moralis Theologiae, 2, 3, ed. Mantuae 1658, 61a62b; Prospero Fagnani, De opinione probabili, § 257 (nt. 110), 196 sq.; John Irwin (ó 1670), Philosophia universa, § 104, ed. Friburgi 1668, 213 sq.; Miguel de Elizalde, De recta doctrina morum (nt. 16), 249b; Tirso Gonza´lez de Santalla (ó 1705), Fundamentum Theologiae Moralis 7, 12, ed. Venetiis 1694, 99a; T. Muniesa, Stimulus conscientiae, 7, 17, ed. Caesaraugustae 1696, 214; Francisco Palanco, De conscientia, 26, 11-15 (nt. 56), 211b-213a; Mario Diana, Idea iurium interioris fori, § 654 (nt. 116), 181a; Henricus a S. Ignatio, Ethica amoris, 1, 11, 414 (nt. 102), 413b. Cf. Francesco Bordoni, Propugnaculum opinionis probabilis (nt. 37), 293a; Martı´n de Esparza, Appendix, § 132 (nt. 9), 135; Vicente Ferre, In Primam Secundae, 6, 176-177, (nt. 83) 138b39a; Rafael de San Juan (ó 1703), Regula morum cum crisi de probabilitate, §§ 140 und 148, ed. Matriti 1697, 91 und 98 sq.; Carlo Antonio Casnedi, Crisis theologica, 8, 278 (nt. 113), 321ab; Christoph Rassler (ó 1723), Norma Recti, 3, 167-68, ed. Ingolstadii 1713, 412a-b; Vicente Mascarell, De libertate actus divinae fidei, 69, 14-28 (nt. 68), 298b-301b. Cf. Schüßler, Der Wille zur Meinung (nt. 56), 349-355 (zu Terill). Die manchmal im Hinblick auf das Merkmal Unfehlbarkeit vorgenommene Abstufung im Begriff der Evidenz, d. h. die vielerörterte Frage (Maier, Problem der Evidenz [nt. 93]), ob ausschließlich die deduktive oder auch die induktive Gewißheit für die Scholastik den Charakter der Evidenz gehabt hat, bleibt hier außer Betracht. Nur ausnahmsweise (Beispiel: Guillermo de Rubio [fl. 1330], Disputata et decisa super Tertium librum Sententiarum, dist. 24, q. 1, art. 3, ed. Parisiis 1518, fol. 66ra-vb) hat die Evidenz in der Scholastik nicht Unfehlbarkeit konnotiert. Cf. Ioannes de Bassolis (ó ca. 1340), Opera in IV Sententiarum libros: I Sent., Prol., q. 1, art. 1, ed. Parisiis 1516-1517, vol. 1, fol. 3ra: „[…] notitia evidens ex obiecto est illa, cui intellectus assentit ex vi obiecti et vi sua naturali, ad quem assensum nihil facit imperium voluntatis“; Gabriel Biel (ó 1495),

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Sua´rez (ó 1617) hat die Stipulation klar benannt: Immanent ist das Verstandesregime weder quoad exercitium noch quoad specificationem frei - weder in Bezug auf den Aktvollzug noch in Bezug auf den Aktinhalt: folglich gar nicht 138. Nicht in Bezug auf den Aktinhalt frei: das bedeutet, das Urteilsverhalten ist durch die Logik determiniert. Nicht in Bezug auf den Aktvollzug frei: das bedeutet, psychologisch ist es, wie jede andere natürliche Wirkung auch, kausaldeterminiert 139. Dies schloss Gottes Verstand ausdrücklich mit ein, wobei die Betonung darauf lag, dass so computermäßig keineswegs nur der Verstand des Allwissenden funktioniert 140. Dieser These lag der durch die Koordination von Verstand und Willen bedingte vermögenspsychologische Dualismus zugrunde. Frei ist einzig der Wille. „Sola voluntas est potentia libera“, lautet der seit dem 14. Jahrhundert eingeschärfte Grundsatz 141. Nur für den Willen, nicht für den Verstand, gilt, dass er sowohl ex parte obiecti als auch ex parte subiecti indifferent ist 142. Auf den Verstand bezogen ist Indifferenz ein mögliches Gegenstandsmerkmal, aber kein Verhaltensmerkmal 143. Das Erkenntnisvermögen kann seine Indifferenz nicht selber aufheben, es ist von außen bestimmt, d. h. durch den Gegenstand 144. Und zwar bestimmt entweder präzise im Umfang der ersten Verstandeshandlung - die Theorie der

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Collectorium in IV libros Sententiarum Guillelmi Occam: III Sent., dist. 23, q. 1, art. 3, dub. 4, ed. Tubingae 1501, fol. NN2ra: „[…] actus assentiendi vero evidenti et dissentiendi falso evidenti non subsunt voluntatis imperio. […] stante consideratione veri evidentis non potest intellectus non assentire. Secus de vero non evidenti.“ Francisco Sua´rez, Disputationes metaphysicae, 19, 5, 13 (nt. 86), 715b: „[…] intellectus secundum se neque est liber quoad specificationem sui actus neque quoad exercitium: ergo nullo modo est liber “ (zustimmend zitiert von Juan de Salas, In Primam Secundae, 3, 1, 128 [nt. 103], 685a; Tomas de Lemos, Panoplia Gratiae, 3, 2, 11 [nt. 86], 115b). Cf. Roberto Bellarmino, De controversiis, 3, 1, 3, 8 (nt. 103), 523; Pedro da Fonseca, In Metaphysicam, 9, 2, 2, 3 (nt. 108), 564bD-565aC. Im Protestantismus zustimmend: Paul Slevogt (ó 1655), De indifferentia voluntatis humanae in ordine ad actiones morales 1, 26-29, in: Disputationes academicae, Jenae 1656, 568 sqq.; Philip van Limborch (ó 1712), Theologia Christiana, 2, 23, 8, ed. Amstelodami 1686, 132a. Cf. Maarten van der Beeck (Becanus) (ó 1624), Tractatus scholasticus de libero arbitrio, ed. Moguntiae 1613, 16 sqq.; Francisco de Oviedo, Integer cursus philosophicus: Logica, 9, 4, 13, ed. Lugduni 1640, vol. 1, 148b-149a. Cf. Francisco Sua´rez, Disputationes metaphysicae, 30, 16, 49 (nt. 86), vol. 26, 200a-b; Diego Ruiz de Montoya (ó 1632), Commentaria ac Disputationes in Primam partem S. Thomae, de Voluntate Dei, et propriis actibus eius, 7, 6, 12, ed. Lugduni 1630, 57b. Cf. e.g. Thomas von Strassburg (ó 1357), Commentaria in IV libros Sententiarum: II Sent., dist. 38, q. 1, art. 1, ed. Venetiis 1564, vol. 1, foll. 192vb-93rb; Gabriel Biel, In II Sent., dist. 25, q. 1, art. 1 (nt. 137), fol. n6vb. Cf. Ioannes Capreolus, In II Sent., dist. 24, q. 1, art. 3, § 2 (nt. 46), vol. 4, 219b. Cf. Domingo Ba´n˜ez, Scholastica commentaria in Primam partem Angelici Doctoris D. Thomae Aquinatis, q. 19, art. 10, dub. 1, ed. Salmantinae-Venetiis 1585-1591, vol. 1, 651B: „[…] indifferentiam collocamus in ipso obiecto iudicato, non autem opus est, ut in ipso intellectu vel in actu ipsius indifferentiam esse intelligamus.“ Genauso: Francisco Sua´rez, Disputationes metaphysicae, 19, 5 (nt. 86), 707a und 718a. Cf. Roberto Bellarmino, De controversiis, 3, 1, 3, 8 (nt. 103), 526.

Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung

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Cartesianer 145 - oder unter Einschluß der zweiten Verstandeshandlung: die Theorie der Suarezianer 146. Zur Theorie von der Determiniertheit des Verstandes war der doxastische Voluntarismus das etwas weniger häufig vertretene Korollar: Wenn mit der Evidenz die Voraussetzung dafür entfällt, dass das Ergebnis des Verstandeshandelns durch den Gegenstand bestimmt ist 147, kann die Aufhebung der Unentschiedenheit nur willentlich erfolgen 148. Das lieferte die psychologische Begründung sowohl für den Probabilismus 149 als auch für den nichtdiskriminierenden Unterscheidungsbegriff der ,subjektiven‘ Gewißheit 150. An sich waren alle drei, aus dem Antwortschema der Meinungsforschung geläufigen, Optionen 151 auf dieser Basis möglich: Ja, Nein, Unentschieden. 152 Kritik an intellektualistischen Theorien der zweiten Verstandeshandlung kennen wir im 17. Jahrhundert keineswegs nur von Descartes 153. Anscheinend hat die thomistische 145

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Cf. Lambert Velthuysen (ó 1685), De initiis primae philosophiae iuxta fundamenta Clarissimi Cartesii, ed. Trajecti ad Rhenum 1662, 11 und 271 sqq.; Louis de la Forge, De l’Esprit, chap. 21 (nt. 124), 336; Christoph Wittich, Theologia pacifica, § 130 (nt. 124), 100; Pierre Jurieu, De la Nature et de la Grace (nt. 54), 223 sqq. Ebenso Malebranche. Cf. Francesco Amico (ó 1651), Cursus theologicus: In Primam Secundae D. Thomae, 6, 48, ed. Antverpiae 31650, vol. 3, 120a-b; Jean Martinon (ó 1662), Disputationes theologicae: In Primam Secundae D. Thomae, 8, 75, ed. Parisiis e.a. 1644-1663, vol. 2, 101b; Slevogt, De indifferentia 1, 29 (nt. 138), 569. Cf. Pedro Hurtado de Mendoza, De fide, 45, 26 (nt. 9), 418b: „[…] ex parte obiecti nihil determinat intellectum nisi evidentia.“ Ausführlich zum Evidenzbegriff cf. id., De anima, 8, 1-26 (nt. 61), 567a-70b. Der Text in dieser Redaktion stammt (570a) aus der Zeit nach der Abfassung des Glaubenstraktats. Cf. Fulgencio Castiglione (ó 1693), Cursus philosophicus: De anima, 7, 2, 4, ed. Venetiis 1690, 595a: „[…] indifferentia [sc. intellectus] auferenda est vel per obiectum, vel per imperium voluntatis.“ Cf. Luis de Torres, In Secundam Secundae, 29, 1 (nt. 78), 371A; Pedro Hurtado de Mendoza, De fide, 45, 24 (nt. 9), 418b; Francisco de Oviedo, De anima, 12, 3, 12 (nt. 139), vol. 2, 205a; Juan de Lugo, De fide, 10, 11 (nt. 101), 339a; Ildefonso Pen˜afiel (ó 1657), Cursus integer philosophicus: De anima, 21, 2, 10, ed. Lugduni 1653-1655, vol. 3, 682b-683a. Cf. Juan de Salas, In Primam Secundae, 3, 1, 127. 129 (nt. 103), 684b-85b: „Ubi ergo non est evidentia, subiectus est intellectus voluntati, nec ullo modo potest ei resistere.“ Cf. Nicolas Ysambert, Disputationes in Primam Secundae S. Thomae: De libero arbitrio, 11, 2, ed. Lutetiae Parisiorum 1648, 58a-b; Francisco de Oviedo, Tractatus theologici respondentes Primae Secundae D. Thomae, 2, 5, 31, ed. Lugduni 1646, 218b-19a; Vicente Ferre, In Primam Secundae, § 728 (nt. 83), vol. 1, 383a-b. Cf. S. K. Knebel, Subjekt/Objekt; subjektiv/objektiv I. Mittelalter und frühe Neuzeit, in: J. Ritter/K. Gründer/G. Gabriel (eds.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel 19712004, vol. 10, 401-407. Cf. Gerhard von Siena (ó 1336), In Primum librum Sententiarum, Prol. 3, 3, ed. Patavii 1598, 37b: „Nam intellectus non potest uti aliqua ratione, quin se habeat ad eam altero trium modorum, puta vel quia assentit, vel quia dissentit, vel se habeat indifferenter ad utrumque.“ Cf. Antonio Ruvio, De habitibus intellectualibus, 5, 55 (nt. 54), vol. 2, *200; Juan Marı´n, De fide, 4, 11 (nt. 128), 340; Antonio Gutierrez de la Sal (ó 1715), Tractatus scholasticus de fide, 12, 2, ed. Matriti 1728, 245b. Zu Descartes cf. G. Nuchelmans, Judgment and Proposition. From Descartes to Kant, Amsterdam e.a. 1983, 43-50. Kein Cartesianer ist z. B. der Jesuit Gianbattista Benedetti; cf. J. B. de Benedictis (ó 1706), Philosophia peripatetica: Logica, 3, 2, 1, ed. Neapoli 1687-1692, vol. 1, 538 und 540: „[…] actus […] elicitus ab intellectu iudicante non est cognoscitivus seu expressivus obiecti

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Glaubenstheorie konfessionsübergreifend Spekulationen in dieser Richtung angeregt 154. Daraus folgt, dass der doxastische Voluntarismus von entgegengesetzten Seiten angreifbar gewesen ist. Auf der einen Seite hat sich bestreiten lassen, dass es intellektuell Spielräume nur unter der Voraussetzung gibt, dass der Wille intervenieren kann. Dann lautete die Gegenthese: intellectum in rebus probabilibus seipsum determinare. Auf der anderen Seite hat sich bestreiten lassen, dass es solche Spielräume überhaupt gibt. Die Gegenthese dann: opinari esse liberum quoad exercitium actus, non autem quoad specificationem. Beide Gegenthesen sind vertreten worden. VIII. Die Minderheitsvoten Innertheologisch zerfällt die Opposition gegen den doxastischen Voluntarismus in zwei Minderheitsvoten, deren eines für das Studium der Wirkungsgeschichte unserer Aristotelesstelle unmittelbar einschlägig ist. Hinter dem einen wie auch dem anderen Votum steckt ein Dominikaner, der in diesem Punkt von der Ordensdoktrin abgewichen ist: Durand de St. Pourcœ ain (ó 1334) bzw. Robert Holkot. Über die Jahrhunderte darf man geradezu von der Bildung zweier Fraktionen sprechen. Eine zahlenmäßig kleine Ordensschule, die der spanischen Merzedarier - sonst gilt sie für thomistisch 155 -, hat sich um 1600 ihrem philosophischen Profil nach von der Konkurrenz z. B. der Karmeliter dadurch abgesetzt, dass sie es zuließ, dass in ihr die beiden Fraktionen sogar um die Vorherrschaft stritten. Merzedarier der Holkotfraktion haben zu den ersten Kritikern des Probabilismus gehört 156. Für die Durandisten ist das Verstandesregime mitnichten vollumfänglich determiniert, weder quoad exercitium noch quoad specificationem 157. Durch nichts sei

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[…]. Suppono, non omnem actum potentiae cognoscitivae debere esse cognitionem, et in hoc maxime falsi sunt adversarii […].“ Cf. Roberto Bellarmino, De controversiis, 3, 2, 1, 7 (nt. 103), 729; Jean Sperlette (ó 1724), Logica nova, 3, 6, ed. Berolini 1696, 116 sq. Cf. A. Pe´rez Goyena, La Teologı´a entre los mercedarios espan˜oles, in: Razo´n y Fe 53 (1919), 62-74, hier 64. Cf. Pedro de On˜a (ó 1626), Commentaria una cum quaestionibus super universam Aristotelis Logicam magnam: In Anal. Post., I, cap. 26, 2, 4, ed. Compluti 1588, fol. 284va-b; Pedro de la Serna (ó 1642), Commentaria in Logicam Aristotelis, 4, 3, 2, 2, ed. Hispali 1624, foll. 522vb524ra. Francisco Zumel (ó 1607), Opuscula: Variae disputationes ad Primam Secundae S. Thomae, 5, 7, ed. Salmantinae 1608, vol. 3, 310b: „Intellectus est potentia ita natura sua indifferens, ut se ipsam determinare possit ad assentiendum vel dissentiendum […].“ Cf. Durandus a S. Porciano, In Sententias Petri Lombardi commentaria: In II Sent., dist. 24, q. 3, § 15, ed. Lugduni 1563, fol. 148ra; id., In IV Sent., dist. 49, q. 4, § 17, fol. 359rb. Ob das auch auf die diskursiven Funktionen zutrifft, blieb in der durandistischen Fraktion kontrovers. Manche (cf. e.g. Richard Lynch [Lynceus ó 1676], Universa philosophia scholastica: Metaphysica, 7, 4, 82-88, ed. Lugduni 1654, vol. 3, 349a-350a) behaupteten dies; andere (cf. Rodrigo de Arriaga, Cursus philosophicus: Logica, 16, 67-70, ed. Lugduni 1669, 259a) bestritten es. Dieser Disput wird durch den Umstand kompliziert, dass Lynch sich an anderer Stelle (ibid., 7, 9, 48, vol. 3, 417b) der Zensur gefügt und gegen die Freiheit des Verstandes erklärt hat.

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bewiesen, dass die Verstandesimmanenz so strikt evidenzgebunden ist, dass, sowie die Evidenz aufhört, nur der Rekurs auf den Willen bleibt. Auch unterhalb der Evidenz könne sich der Verstand in seinem Urteilsverhalten selbst bestimmen 158. „Qua experientia efficaci ostendetur, intellectum in rebus probabilibus seipsum non determinare, sed id fieri de facto per actum voluntatis?“ 159 Der Verstand sei gar nicht das bloße Vorstellungsvermögen 160. Arriaga (ó 1667) konzipiert die ,subjektive‘ Gewissheit nicht als einen Willenseffekt, sondern als die Funktion von Wahrscheinlichkeiten 161. Es ist heute nicht mehr präsent 162, wie empfindlich die Scholastik auf Durands Extravaganz 163 reagiert hat 164. Schon Ockham hat alle Beweise für eine irgendwie geartete Eigenaktivität des Verstandes zerpflückt 165. In der Gesellschaft Jesu ist Arriagas Denkbarkeit eines Verstandes, der im Bereich des Nichtevidenten sich selbst, ohne Willensdiktat, zum Ja oder Nein bestimmte, und der „folglich frei “ wäre, 1651 der Zensur verfallen 166. 158

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Cf. Francisco Zumel, In Primam Secundae, 5, 7 (nt. 157), 315a:„Intellectus in quolibet obiecto particulari potest habere sufficiens motivum infallibiliter alliciens et determinans ad agendum sine eo, quod moveatur a voluntate“; Rodrigo de Arriaga, Cursus philosophicus: De anima, 8, 2, ed. Antverpiae 11632, 770b: „Ego arbitror, non apparere sufficientem repugnantiam in eo, quod possibilis sit aliquis intellectus, qui et in obiectis obscure propositis possit independenter ab actu voluntatis se determinare vel ad assensum vel ad dissensum, et consequenter: qui sit liber.“ Zustimmend: Sebastia´n Izquierdo (ó 1681), Opus theologicum iuxta atque philosophicum de Deo uno, 30, 61, ed. Romae 1664-1670, vol. 2, 208a; Peter Arcedeckne, Cursus philosophicus: Appendiculus Logicae disputatricis: Thesis 36, ed. Pragae 1732, 124. Rodrigo de Arriaga, Disputationes theologicae in Primam Secundae D. Thomae, 5, 14, ed. Antverpiae 1644-1647, vol. 1, 37b. Cf. Johann Schmid (ó 1731), Dissertatio anti-cartesiana de iudicio ad intellectum, non voluntatem, pertinente, § 27, ed. Lipsiae 1703, C3r. Cf. Richard Lynch, Metaphysica, 7, 4, 98 (nt. 157), 352a; Miguel de Elizalde, De recta doctrina morum (nt. 16), 263a-264a (aus einer Darlegung der natura opinionis). Cf. Rodrigo de Arriaga, In Secundam Secundae, 3, 76-105 (nt. 53), 58a-65b. Nichts darüber bei G. Gasparri, Notes on the Legacy of Durand in the Early Modern Era, in: A. Speer e.a. (eds.), Durand of Saint-Pourcœ ain and His Sentences Commentary, Leuven e.a. 2014, 385-422. Cf. Ioannes Maior, Editio secunda in Secundum librum Sententiarum, dist. 25, q. 1, ed. Parisiis 1519, fol. 115rb: „[…] conclusio extranea […].“ Cf. Ildefonso Pen˜afiel, Logica, 10, 5, 29 (nt. 148), vol. 1, 441b: „Intellectus nullam habet libertatem contrarietatis et contradictionis formalem, ut contra Durandum demonstrant omnes authores“; Rodrigo de Arriaga, De anima, 8, 2 (nt. 158), 769a: „P. Suarez […] negat, ullam potentiam intellectivam ut talem esse capacem libertatis: eum sequuntur recentiores communiter.“ Speziell gegen Arriaga cf. Bernaldo de Quiro´s, Opus philosophicum, 88, 5 (nt. 103), 579a; Francisco Palanco, De fide, 8, 42 (nt. 87), 509a. Speziell gegen Lynch cf. dessen Namensvetter Dominic Lynch (Linze) O.P. (ó 1697), Summa Philosophiae speculativae, 2, 4, 1, 2, 3-6, ed. Parisiis 1666-1670, vol. 3, 599a-b; Jose´ de Villanueva, Cursus philosophicus: Logica, 3, 81-88, ed. Valentiae 1677, vol. 2, 307a-309b. Cf. Guillelmus de Ockham, In II Sent., q. 25, ed. Lugduni 1495, foll. H8va-I3rb. Cf. Francesco Piccolomini S.J., Propositiones aliquot, quae in scholis Societatis non sunt docendae, no 58, in: Ordinatio pro studiis superioribus (1651), in: Ratio Studiorum et Institutiones Scholasticae Societatis Jesu, ed. G. M. Pachtler, Berlin 1887-1894 [Neudruck: Aalen 1968], vol. 3, 94. Exakt der Wortlaut von Arriagas (nt. 158) These von 1632. Cf. Honore´ Fabri, Ad P. Ignatium Gastonem Pardesium S.J. epistolae tres de sua hypothesi philosophica, ed. Moguntiae 1674, 154 sq.: „[…] nihil unquam absurdius dici vel excogitari potuit.“

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Während die Durandisten die Determiniertheit des Verstandes bezweifelt haben und der doxastische Voluntarismus sie dahingehend relativiert hat, dass der Verstand durch seine Empfänglichkeit für ein Willensdiktat trotzdem - qua ,extrinsischer Denomination‘ 167 - an Freiheit und Kontingenz partizipiert 168, hat nun das andere Minderheitsvotum bestritten, dass der Verstand daran irgendwie partizipiert. Ansatzweise ist diese zweite Fraktion auch schon von der scholastischen Doxographie identifiziert worden. Der Name Holkot fällt häufig im Zusammenhang mit unserer Aristotelesstelle. Für eine seiner umstrittensten Thesen, seinen Angriff auf den Fideismus 169, habe sich Holkot auf diese Stelle gestützt 170. Holkot hatte Aristoteles entnommen, dass, um zu etwas eine Meinung zu haben, es unerläßlich ist, dass diese einem auch wahr zu sein scheint. Wo der Verstand im Zweifel ist, reißt kein Willensdiktat ihn daraus 171. Holkots Bekenntnis zu Aristoteles hatte nicht brav in einem ,De anima‘-Kommentar gestanden, sondern in der Einleitung zu einem Sentenzenkommentar. Traditionell wird Holkot eine ,rationalistische‘ Überstrapazierung der in der christlichen Apologetik kultivierten Beweisgründe nachgesagt. Sofern das Christentum Dogma und nicht überhaupt nur eine Sache der Praxis ist 172, habe sich für ihn eine Willensbeteiligung am christlichen Glauben erübrigt 173. Holkot habe dem Glauben die Freiheit genommen 174, vielleicht nicht die quoad exercitium, aber die quoad specificationem 175. Der prominenteste Parteigänger des „subtilissimus Doctor ordinis Praedicatorum“ 176 war Giovanni Pico della Mirandola (ó 1494). Niemand hat gegen den 167

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Cf. Jacques Almain, Super Sententias Roberti Holcot (nt. 67), fol. 2v; Francisco Sua´rez, De fide, 6, 7, 9 (nt. 49), 188b; Sylvestro Mauro, Opus theologicum, 2, 135, 4 (nt. 63), 433a. Cf. Bartolomeo Mastri da Meldola/Bonaventura Belluto, Cursus philosophicus: De anima, 2, 51, ed. Venetiis 1727, vol. 3, 207b: „De facto certum est, intellectum nullam prorsus habere libertatem independenter a voluntate“; Anthony Terill, De conscientia probabili, 8, 21 (nt. 56), 118a: „Intellectus […], prout subditur voluntati, ea potest praestare, quae praestare posset, si esset immediate liber.“ Cf. Coronel, In Anal. Post., 1, 4, 4 (nt. 11), 12va; Cajetan Felix Verani (ó 1713), Theologia universa speculativa: De virtutibus theologicis, 7, 4, 5, ed. Monachii 1700, vol. 6, 153a: „[…] cum Roberto Holkot […]: haec pia voluntatis affectio, quae imperet actum fidei, est omnino fictitia.“ Cf. Petrus Crockaert (ó 1514), Quaestiones physicales: De anima, 3, 1, 3, ed. Parisiis 1510, fol. y2va; Gilles Coninck, De actibus supernaturalibus, 13, 26 (nt. 11), 188b. Cf. Robert Holkot, Opus quaestionum super libros Sententiarum: I Sent., q. 1, ed. Lugduni 1497, fol. a2va: „[…] Sed opinari non possumus, cum volumus, quia opinio non est nisi illius, quod apparet nobis verum. Ergo opinio non est imaginatio […]. Patet ex hac ratione plane, quod apud Aristotelem […] non est in libera potestate hominis opinari, quando vult.“ Cf. Pedro Hurtado de Mendoza, De fide, 45, 13 (nt. 9), 416a. Cf. Domingo Ba´n˜ez, In Secundam Secundae, q. 1, art. 4, dub. 2 (nt. 62), 51 sq.; Gregorio de Valencia, In Secundam Secundae, 1, 1, 4, 1 (nt. 78), 58; Collegium Salmanticense O.C.D., Cursus theologicus, 17, 5, 1, 9 (nt. 80), 289a. Cf. Ioannes Maior, In I Sent. (nt. 57), fol. 1rb; Andrea de Vega (ó 1560), De iustificatione doctrina universa, 6, 14, ed. Coloniae Agrippinae 1572, 91a. Cf. Juan de Lugo, De fide, 10, 2 (nt. 101), 337a; Garcia de los Rios, De libertate, 1, 1, 1, 4 (nt. 89), 2b; Marcus Maria Struggl (ó 1760), Theologia universa, 7, 3, 1, 3, 1, ed. Venetiis 17441745, vol. 2, 120b. Pico della Mirandola, De libertate credendi (nt. 44), 228. Holkot und Pico finden sich häufig zusammengestellt; cf. Pedro de Arago´n, In Secundam Secundae, q. 1, art. 4 (nt. 101), 16b; Au-

Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung

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Voluntarismus so schneidig vom Leder gezogen wie Pico in seinem Duell mit Cajetan 177. Cajetan (ó 1534) seinerseits hat die Meinungsfreiheit auf die Spitze getrieben, bis zum Fanatismus, worin ihm kaum jemand gefolgt ist 178. Sonst wurde sich in der Holkotfraktion darauf beschränkt, Wasser in das übliche Freiheitspathos zu gießen: Die Freiheit sei ein empirisches, kein strukturelles, Merkmal des katholischen Glaubensakts 179. Der Gebrauch, welchen Holkot in theologischer Absicht von Aristoteles gemacht hatte, ist als eine scholastische Option nicht mehr verloren gegangen 180. Diese Option ist, historisch und systematisch, in Bianchi kulminiert. IX. Roma locuta, causa finita Genau diese Option hat sich durch die römische Lehrentscheidung von 1679 katholisch erledigt. „Der Wille kann nicht machen, dass die Glaubenszustimmung in sich fester ausfällt, als es das Gewicht der Gründe verdient, auf welchen diese Zustimmung beruht.“ Weil es darauf reflektiert, dass dieser Satz von der Inquisition aufgespießt worden ist, hat Lockes berühmtes Kriterium der Wahrheitsliebe (love of truth) 181 eine in der Lockeliteratur gar nicht bemerkte polemische Spitze. In der Form stammt der Satz zwar von einem Anhänger Arriagas 182,

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gustin Gibbon de Burgo, De virtutibus theologicis, 1, 5, 3, 2 (nt. 76), 165b; Collegium Salmanticense O.C.D., Cursus theologicus, 17, 5, 1, 9 (nt. 80), 289a. Cf. Pico della Mirandola, De libertate credendi (nt. 44), 227: „[…] si causa praecisa, quare ego crederem, ille non crederet, esset praecise, quia ego vellem, ille non vellet, uterque esset actus tyrannicus voluntatis, et in neutro appareret maior vel minor rationabilitas, imo et in neutro rationabilitas, sed mera potestas et imperium tyrannicum voluntatis.“ Cajetan gab nichts auf Gründe. Cf. Antonio Perez, De iustitia et iure (nt. 22), 99a: „[…] non videtur penitus improbabilis opinio Caietani concedentis hanc libertatem opinandi, licet Picus Mirandulanus et alii acerrime impugnaverint opinionem Caietani.“ Cf. Manuel Sanz (ó 1719), Tractatus theologicus de fide, 3, 8, 2, 2, ed. Venetiis 1715, 398: „[…] denominatio ,liberi‘ vel ,necessarii‘ est illi assensui [sc. fidei ] omnino extrinseca atque accidentalis, licet prima sit frequentior ac magis connaturalis, secunda vero nonnisi raro contingens.“ Ähnlich: Joseph Kleutgen (ó 1883), Zur Lehre vom Glauben, in: id., Beilagen zu den Werken über die Theologie und Philosophie der Vorzeit, Münster 1875, vol. 3, 49-208, bes. 56 sqq. Der historischen Einordnung von Kleutgens Streit mit Scheeben (nt. 47) bei K. Eschweiler, Die zwei Wege der neueren Theologie, Augsburg 1926, 148, fehlt es daher an Sicherheit, sowohl in bezug auf diesen als auch in bezug auf jenen. Cf. Pico della Mirandola, De libertate credendi (nt. 44), 226; Bernardi della Mirandola, Disputationes, 26, 1 (nt. 38), 449; Domingo Ba´n˜ez, In Secundam Secundae, q. 1, art. 4, dub. 2, concl. 4 (nt. 62), 53C-D; Roberto Bellarmino, De controversiis, 3, 1, 3, 8 (nt. 103), 524; Andrea Bianchi, De opinionum praxi (nt. 16), 22; Sforza Pallavicino, Disputationes in Primam Secundae D. Thomae. 8, 6, 4, 3, ed. Lugduni 1653, 246a; Henricus a S. Ignatio, Ethica amoris, 1, 11, 111 (nt. 102), 387a. John Locke, Essay concerning Human Understanding, 4, 19, 1 (nt. 126), 697. Cf. A. Sohier, La foi probable. L’acte de foi d’apre`s Gilles Estrix, in: Gregorianum 28 (1947), 511-554; S. K. Knebel, Rodrigo de Arriaga (1592-1667) und die fallibilistische Theorie der katholischen Glaubensgewissheit, in: Unsicheres Wissen (nt. 56), 317-37, bes. 324.

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und in der zeitgenössischen Kommentierung der Verurteilung wurde von den Jesuiten nach Kräften vertuscht, dass einer der Ihren der aktuell Hauptbetroffene war 183. In der Sache war man sich aber einig: Damit war die Verurteilung von Holkots Position nachgeholt 184. Die Probabilisten triumphierten: Der Wille sei also sehr wohl vermögend, mehr als nur äußerlich auf das Verstandesregime einzuwirken 185. Sie hatten damit Recht behalten, zwischen der Determiniertheit des Verstandes, die sie bejahten, und der Anwendbarkeit des Waagenmodells, die sie verneinten, zu unterscheiden. Es blieb, logisch wie psychologisch, bei der Unvergleichbarkeit von deduktiver Evidenz und der Wirkung einer Kumulation von Gründen 186. Die zeitgenössische Kommentierung der Entscheidung von 1679 war fair genug, die Möglichkeit einzuräumen, dass Aristoteles von ihr mitbetroffen war 187. Der Philologe wird indessen die Gründlichkeit würdigen, mit der von den Probabilisten Bianchis Umfunktionierung unserer Aristotelesstelle als eine Legende kritisiert worden ist 188. Gewiss, die Gegenseite murrte über die „sinistre“ Exegese, 189 und dem historischen Aristoteles hatte ja tatsächlich nichts ferner gelegen, als im Hinblick auf die y«πο´ ληcιw den Willen zu ermächtigen. Der von Bianchi angemeldete Korrekturbedarf übersah jedoch, dass es sich dabei um eine Folgelast der ganzen lateinischen Exegese handelte. Erst durch das Interpretament Rationalität und die dadurch entfesselte Dialektik der Gründe war die Stelle in fast so etwas wie den locus classicus der ,Rationalisierung‘ umgekippt. Diese Verkehrung durch einen Aristotelismus a` la Holkot korrigieren zu wollen, war der vollzogene Bruch mit dem mittelalterlichen Aristotelismus. 183

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Richtig: [Henricus a S. Ignatio,] Artes Iesuiticae in sustinendis pertinaciter novitatibus laxitatibusque sociorum, 6, 411, ed. Argentorati 21710, 71. Estrix (ó 1694) war seit 1687 sogar Spitzenfunktionär, der zweite Mann in der Ordenshierarchie. Die Verschleierungstaktik bestand darin (cf. Diego de la Fuente Hurtado [ó 1688], Theologia reformata, 11, 1, ed. Hispali 1689, 281a; Domenico Viva [ó 1726], Damnatae Theses ab Alexandro VII., Innocentio XI. et Alexandro VIII., ed. Patavii 1756, 226a), die verurteilte These einem Antwerpener Franziskaner in die Schuhe zu schieben. Der hatte sie aber erst zwei Jahre nach Estrix, 1674, verteidigt. Cf. Manuel de Filguera, Lucerna decretalis, ed. Matriti 1680, 88 sq.; Juan de Cardenas (ó 1684), Crisis theologica, 13, 7, ed. Coloniae Agrippinae 1690, 321b; Antonio Gutierrez de la Sal, De fide, 12, 3 (nt. 152), 246a. Cf. Felipe Aranda (ó 1695), In Primam Secundae S. Thomae, 10, 147, ed. Caesaraugustae 1694, 544a; Luigi Vincenzo Mamiani della Rovere, Concordia, 3, 94 (nt. 79), 426 sq.; Vicente Mascarell, De libertate actus divinae fidei, 69, 14 (nt. 68), 298b. Cf. Claude Lacroix (ó 1714), R.P. Hermanni Busembaum Theologia moralis aucta, 1, 399, ed. Lugduni 1729, vol. 1, 55b: „Nec obstat, quod intellectus sit potentia necessaria, nam, licet in evidentibus necessario procedat, non tamen in illis, quae sunt inevidentia“ (die Aristotelesstelle: ibid., 1, 404, 56b). Cf. Felipe Aranda, In Primam Secundae, 10, 151 (nt. 185), 545b (die Aristotelesstelle: ibid., 10, 152-153, 545b-546a). Cf. Bartolomeo Riccio, LXV Propositionum a SS. D.N. Innocentio Papa XI proscriptarum confutation, 16, 1, ed. Neapoli 1687, 178. Cf. Martı´n de Esparza, Appendix, § 108 (nt. 9), 102 sqq.; Carlo Antonio Casnedi, Crisis theologica, 8, 265 (nt. 113), 318b-319a. Cf. Ignacio Camargo, Regula honestatis moralis, 1, 5, 44 (nt. 83), 51b.

Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung

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Das hat Mascarell ganz richtig gesehen 190. Mehr noch: Bei Bianchis mechanistischem Modell für das Interpretament Rationalität blieb die Skepsis gegenüber dem Unbedingtheitsanspruch der Gründe auf der Strecke - so dringend nötig sie gewesen wäre, sowohl in exegetischer als auch in praktischer Hinsicht. „Raisonner est l‘emploi de toute ma maison, Et le raisonnement en bannit la raison.“ (Molie`re, Les Femmes savantes, II, 7, 597-598) „Alles, was in der Welt verdorben worden ist, das ist aus guten Gründen verdorben worden.“ (Hegel, Enzyklopädie, I, 121 [Zusatz])

Wer, wie Locke, der andere Gewinner der Entscheidung von 1679, Aristoteles und die Scholastik links liegen ließ, mag sich in einer weniger angreifbaren Stellung befunden haben. Deswegen darf aber nicht übersehen werden, dass damals die Legende von Aristoteles als einem Eideshelfer gegen den Probabilismus kursiert hat 191. Während eine auf den Fall Galilei fixierte Wissenschaftsgeschichtsschreibung in der frühneuzeitlichen Kritik am aristotelischen Schulbetrieb einen Überzeugungsernst findet, der fast zur Pose erstarrt, ist auf diesen von Benjamin Nelson zu einer Neuzeitthese ausgebauten Hinweis 192 die richtige Antwort bisher ausgeblieben: dass in bestimmten seiner Vertreter von dem scholastischen Aristotelismus selber, und zwar mit größerem Nachdruck als in den antischolastischen Deklamationen der Zeit, der vermeintlich fehlende Überzeugungsernst bekämpft worden ist. Das Verlaufsprofil der Kontroverse um unsere Aristotelesstelle lässt innerhalb des Aristotelismus ein stoisches Minderheitsvotum hervortreten, wonach es für Pluralismus und Meinungsfreiheit systematisch keinen Ort gibt. Eher lässt sich behaupten, dass der scholastische Aristotelismus im 17. Jahrhundert auf eine mechanistische Theorie des Geistes zugesteuert ist, als dass ihm die Schuld an einer Einstellung zu geben wäre, vor welcher die ,Märtyrer der Wissenschaft‘ so tragisch posieren. Die ,Politisierung‘ unserer Aristotelesstelle ist die Ursache dafür, dass sich im Laufe des 17. Jahrhunderts die Diskussion über sie aus der Philosophie in die Theologie verlagert hat. Diese Beobachtung enthält im Hinblick auf die Periodisierung der Philosophiegeschichte eine nicht überflüssige Warnung. Wenn die Erforschung der Wirkungsgeschichte des ‚Corpus Aristotelicum‘ ein Hauptzweck der philosophischen Mediävistik ist, ab wann soll sie die Akten schließen 190

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Cf. Vicente Mascarell, De libertate actus divinae fidei, 60, 13 (nt. 68), 258a (unter Hinweis auf Nifos Disput mit Pico della Mirandola). Abhängig von Bianchi: Prospero Fagnani, De opinione probabili, § 257 (nt. 110), 196 sq.; Agostino di Angelis (ó 1681), De recto usu opinionis probabilis lect. 2, ed. Romae 1667, 22-27; Vincent Baron, Ethica christiana, 17, 25-26 (nt. 79), 138; ibid., 17, 78 (nt. 79), 186; Francisco Palanco, De conscientia humana, 26, 4 (nt. 56), 209b. Cf. B. Nelson, Der Ursprung der Moderne, aus dem Amerikanischen von M. Bischoff, Frankfurt a. M. 31984, bes. der Beitrag Die Anfänge der modernen Revolution in Wissenschaft und Philosophie. Fiktionalismus, Probabilismus, Fideismus und katholisches ,Prophetentum‘.

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dürfen? Seit der bahnbrechenden Arbeit von Charles Lohr hält sie sich viel darauf zugute, dass sie die Grenze ihres Gegenstandsbereichs auf 1650 hinaufgerückt hat. Auch die neue Konvention dient indessen bloß der Erleichterung des Pensums. Die Theologie wird so weiterhin ignoriert: zu Unrecht, denn die Thomaskommentatoren hatten deswegen ja nicht aufgehört, Aristoteliker zu sein. Dank Google Books ist diese Quellengattung jetzt endlich wieder, wie zu ihrer Entstehungszeit, synoptisch studierbar.

X. Unterscheidung der Geister

Meister Eckhart und der Irrtum Freimut Lˆser (Augsburg) Kein Irrtum ist sicherlich die Wahrnehmung, dass das Thema „Meister Eckhart und der Irrtum“ vom Irrtumsvorwurf gegen Eckhart selbst dominiert wird. Wenn man sich mit dem Thema „Meister Eckhart und der Irrtum“ befasst, wird man also als erstes die Bulle Johannes’ XXII. ,In agro dominico‘ vom 27. März 1329 nennen müssen. In dieser Bulle zeigt sich der Papst in Avignon darum bemüht, den Acker des Herrn reinzuhalten und „die Dornen der Irrtümer“ herauszureißen. Meister Eckhart wird als „irregeleiteter Mensch“ bezeichnet, der „zahlreiche Lehrsätze vorgetragen“ habe, „die den wahren Glauben in vieler Herzen vernebeln“. Diese Sätze würden „sowohl ihrem Wortlaut nach wie nach dem Zusammenhang ihrer Gedanken Irrtum oder das Mahl der Häresie enthalten“. Am Ende der Bulle heißt es, Eckhart habe alles widerrufen und verworfen, „das in den Gemütern der Gläubigen einen häretischen oder irrtümlichen und dem wahren Glauben feindlichen Sinn erzeugen könnte, soweit es diesen [irrtümlichen] Sinn betrifft “ 1. Wenn man sich also dem Thema „Meister Eckhart und der Irrtum“ nähert, wird man zuerst an den Vorwurf des Irrtums denken, der Meister Eckhart selbst in Köln und in Avignon gemacht wurde. In diesem Beitrag soll deshalb zum einen kurz der Frage nachgegangen werden, wie Eckhart sich gegenüber einem solchem Irrtumsvorwurf verhalten hat; zum zweiten soll aber vor allem die Themenstellung von der anderen Seite der Medaille her betrachtet werden, nämlich wie Eckhart selbst mit vermeintlichen Irrtümern anderer umgeht. Hier wird also erstens der Abwehr des Irrtumsvorwurfs nachgegangen, zweitens werden Eckharts Irrtumsvorhaltungen gegen andere betrachtet. Dabei wird auch der Gebrauch von Begriffen wie „Ketzer“, „irren“, „Falschheit “ und „Torheit “ diskutiert.

I. Zum ersten: Schon im Kölner Prozess gegen Eckhart spielt bekanntlich der Irrtumsvorwurf eine wichtige Rolle. In den Prozessunterlagen ist von den einzel1

In agro dominico, zit. nach der Übersetzung bei J. Quint (ed.), Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate, München 1963 [Neuausgabe: Zürich 1979], 449, 454 und 455.

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nen aus seinen Werken und Schriften entnommenen Sätzen auf folgende Weise die Rede: „articulis extractis ex libris et dictis magistri Ekardi et de sermonibus qui ascribuntur eidem et videntur erronei quibusdam et, quod peius est, haeresim sapere.“ 2

Wie geht Eckhart im Prozess mit diesem Vorwurf des Irrtums und des Geruchs der Häresie um? Dazu kann man schon in der ersten nach den Forschungen Loris Sturleses wahrscheinlich von Eckhart selbst schriftlich niedergelegten Entwurfsfassung einer Antwort verschiedene Strategien erkennen 3. Hier werden die bekannten Stellen nicht in extenso kommentiert, sondern kurz zusammengefasst werden. Zum einen: Eckhart beruft sich a) auf die Privilegien des Ordens und b) auf die eigene, immer korrekte und irrtumsfreie Lebensführung: „Primo protestor coram vobis commissariis magistro Renhero Frisone, doctore theologiae, et fratre Petro de Estate, nuper custode ordinis fratrum Minorum, quod iuxta libertatem et privilegia ordinis nostri coram vobis non teneor comparere nec obiectis respondere, praesertim cum non sim de haeresi notatus aut unquam fuerim infamatus teste omni vita mea et doctrina, acclamante opinione fratrum totius ordinis et populi utriusque sexus totius regni omnis nationis.“ 4

Wer selbst fehlerfrei ist, so die Verteidigungsstrategie, der kann sich von anderen abheben. Eckhart bestreitet die Rechtmäßigkeit des Vorgehens und die Rechtmäßigkeit der Anklage und er hebt darauf ab, dass er verleumdet worden und zu Unrecht angeklagt worden sei; er betont seinen eigenen untadeligen Ruf. Der Angeklagte wendet sich gegen die Denunzianten („Nicht ich irre, diese irren. Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen“): „Ex quo patet secundo quod commissio vobis facta a venerabili patre domino Coloniensi archiepiscopo, cuius vitam deus conservet, nullius est vigoris, utpote ex falsi suggestione, radice et arbore mala, procedens. Quin immo si minoris essem famae in populo et minoris zeli iustitiae, certus sum quod contra me non essent talia ab aemulis attemptata.“ 5

Man kann zudem die eigene Fehlerfreiheit noch stärker herausstellen, wenn man sich in die Reihe Fehlerfreier stellt, die schon früher fälschlich bezichtigt wurden. Dies wirkt umso besser, wenn die Bezichtigten über jeden Zweifel erhaben sind. Demgemäß gibt Eckhart ein Beispiel einer ungerechten und unrichtigen Verurteilung in der Vergangenheit, indem er Vorgänger nennt, die ebenfalls fälschlich angeklagt wurden, wenn er sagt, sogar Albertus Magnus oder gar dem Heiligen Thomas habe man errores unterstellt: 2

3 4 5

Meister Eckhart, Proc. Col. I, n. 75, in: LW, vol. V, 275,7-9. Eckharts Texte werden zitiert nach: Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. i.A. der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die deutschen Werke: [DW], vols. I-III: Predigten [Pr.] und V: Traktate [Tr.], ed. J. Quint, Stuttgart 1957-1976; vols. IV/1 und IV/2: Predigten, ed. G. Steer, unter Mitarbeit von W. Klimanek/F. Löser/H. Vogl, Stuttgart 2003-; Die lateinischen Werke [LW], vol. V (Acta Eckhardiana), ed. und kommentiert L. Sturlese, Stuttgart 2007. Cf. die Angabe in: LW V. Meister Eckhart, Proc. Col. I, n. 76, in: LW, vol. V, 275,11-16. Ibid., n. 77, 275,17-21.

Meister Eckhart und der Irrtum

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„Maxime cum iam pridem magistri theologiae Parisius nostris temporibus mandatum habuerint superioris de examinandis libris praeclarissimorum virorum sancti Thomae de Aquino et domini fratris Alberti tamquam suspectis et erroneis. Et contra ipsum sanctum Thomam frequenter a multis scriptum est, dictum et publice praedicatum quod errores et haereses scripserit et docuerit. Sed favente domino tam Parisius quam per ipsum summum pontificem et Romanam curiam ipsius vita et doctrina pariter sunt approbata.“ 6

Grundsätzlich kann man sich weiter von den Belegen, die einem vorgehalten werden, distanzieren oder sich dazu quellenkritisch verhalten, indem man bestreitet, dass die Sätze, die vorgelegt wurden, korrekt exzerpiert wurden, oder indem man bestreitet, diese Sätze überhaupt gesagt zu haben, was sich etwa hier andeutet: „Quarto ponuntur articuli sedecim extracti de sermonibus, qui mihi ascribuntur.“ 7

Festzuhalten bleibt freilich: Eckhart deutet zu den ihm vorgehaltenen, ins Lateinische übersetzten Exzerpten aus seinen deutschen Predigten nur im Einzelfall Distanz an, bestreitet aber nicht grundsätzlich, diese Predigten gehalten zu haben. Es ist wohl generell festzustellen, dass Eckhart die Rechtmäßigkeit der Zuschreibung seiner Predigten nie bestritten hat. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist der bekannte Fall der sogenannten Bürgleinpredigt, wo er dem Schreiber vorhält: „In hoc sermone, multa sunt obscura et dubia, et que nunquam dixi, und - noch schärfer: in sermone illo jam dudum michi oblato, multa inveni que nunquam dixi. Multa enim ibidem scripta sunt absque intellectu, obscura et confusa et quasi sompnia.“ 8

Soweit also distanziert Eckhart sich vom Wortlaut des Schreibers; dagegen aber fährt er gleich fort: „Verum est tamen, sicut ibidem dicitur, […].” 9 Er erkennt also selbst hier in diesem Fall an, dass die entstellte Predigt an sich von ihm stammt und verteidigt ihre Grundaussage als wahr. Hier ist also schon die nächste Strategie feststellbar, nämlich die Sache im Grunde für wahr zu erklären und zu verteidigen, dabei aber den Anklägern Missverständnisse zu unterstellen bzw. die Aussage als schwierig und leicht misszuverstehen zu bezeichnen: „[S ]icut ex declaratione apparebit, omnia esse vera, quamvis rara sint plurima et subtilia.“ 10 Gerade vor dem Horizont von rara, subtilia und nova (und so führt Eckhart seine Werke generell auch im Vorwort zu seinem ,Opus Tripartium‘ ein) scheint ein Irrtumsvorwurf leicht möglich. Die wohl wichtigste Strategie in einem derar6 7 8

9 10

Ibid., n. 77, 276,2-8. Ibid., n. 78, 276,19-20. Zitat aus Eckharts sogenannter Rechtfertigungsschrift nach F. Löser, Maria im Mittelpunkt. Eine Zweitfassung von Meister Eckharts ,Bürglein‘-Predigt (DW I Nr. 2), in: C. Brinker-von der Heyde/N. Largier (eds.), Homo Medietas. Aufsätze zu Religiosität, Literatur und Denkformen des Menschen vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Festschrift für A. M. Haas, Bern u. a. 1999, 241-274, hier 243; zu dieser Predigt selbst und Eckharts Strategie der Verteidigung; cf. ibid. Ibid., S. 245. Meister Eckhart, Proc. Col. I, n. 79, 276,22-23.

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Freimut Löser

tigen Prozess ist es (nicht nur aus diesem Grund), den eigenen möglichen Irrtum zu konzedieren, sofern man eines Besseren belehrt werde: „Si quid tamen in praemissis aut in aliis dictis meis aut scriptis falsum esset, quod ego non video, semper paratus sum sensui cedere meliori.“ 11

Schließlich stellt Eckhart noch fest, dass er (bei fehlender pertinancia) kein Häretiker sein könne, dass er aber irren könne: „Errare enim possum, haereticus esse non possum. Nam primum ad intellectum pertinet, secundum ad voluntatem.“ 12

Soweit also Eckharts Einlassung zum Kölner Prozess. Die Frage, die sich mir hier stellt, ist die, ob sich hier nur jemand klug und geschickt in einem Prozess zur Wehr setzt, ob hinter diesen Äußerungen also nur eine Verteidigungsstrategie steckt, ob gewissermaßen bekannte und eingeübte Verteidigungssprachmuster und -folien verfolgt werden oder ob dahinter auch Meinungen Eckharts über den Irrtum als solchen (seine eigene Haltung zu Irrtümern) erkennbar sind. Ich meine nämlich, hier folgende Denkstruktur erkennen zu können: Irrtum ist immer möglich und denkbar. Irrtum wurde sogar bei Größen wie Thomas und Albert für möglich gehalten. Grundsätzlich könnte jeder (also auch der Sprecher selbst) irren. Man sollte also bei der eigenen Verurteilung von Irrtümern vorsichtig vorgehen. Irrtum ist kein Grund für Polemik und Angriff, allenfalls bei der Abwehr des Irrtums-Vorwurfs kann ein leicht polemischer Ton ins Spiel kommen. Denkt Eckhart wirklich so über den Irrtum? Um dieser Frage etwas mehr auf den Grund zu gehen, wechsle ich jetzt die Strategie und untersuche nicht, wie ich dies gerade zusammengefasst habe, wie er selbst mit Irrtumsvorwürfen umgeht oder sie abwehrt, sondern frage mich, wie er vorgeht, wenn er selbst vom Irrtum spricht oder anderen Irrtümer vorhält. Ich benutze dafür bewusst nicht die lateinische Verteidigung oder andere lateinische Texte, sondern Eckharts deutsche Werke. II. In der Predigt Nr. 68, die Franz Pfeiffer als Eckhart-Predigt herausgebracht hat, wird die irrunge des geistes mit der houbetsünde in Verbindung gebracht: „Augustıˆnus sprichet: wan houbetsünde ist ein gebreste der naˆtuˆre, ein sterben der seˆle, ein unruowe des herzen, ein krankheit der krefte, ein blindekeit der sinne, ein truˆrikeit des gemüetes, ein toˆt aller gnaˆden, ein toˆt aller tugende, ein toˆt aller guoten werke, ein ir r unge des geistes, ein geselleschaft des tiuvels, ein ban der kristenheit, ein kerker der helle, ein spıˆse der helle, ein ˆewikeit der helle. Tuost duˆ denne eine toetlıˆche sünde, soˆ wirst duˆ an der naˆtuˆre gebrechlich, an der seˆle toetlich, an dem 11 12

Ibid., n. 80, 277,1-2. Ibid., 277,4-5.

Meister Eckhart und der Irrtum

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herzen unruowic, an den kreften kranc, an den sinnen blint, an dem gemüete truˆric, an allen gnaˆden toˆt und an allen tugenden und allen werken, an dem geiste verir r et, duˆ kumest in die geselleschaft des tiuvels, duˆ vellest in den ban der kristenheit, duˆ geˆst in den kerker der helle, duˆ wirdest ein spıˆse der helle, duˆ blıˆbest in der ˆewikeit der helle.“ 13

Das ist als ein Augustinus-Zitat inszeniert. Eine derartige Darstellung und Verbindung von Irrtum mit Sünde entspricht tatsächlich einer verbreiteten Auffassung, wie sie sich etwa auch in mittelalterlichen Wörterbüchern wie dem ,Liber ordinis rerum‘ äußert, wo irrunge und das Wort irric mit superbia in Verbindung gebracht werden und wo die Lemmata irrunge, errig, irregengic überhaupt im Kapitel „De vitiis et consecutivis eorum“ (Kap. 164) aufgelistet werden 14. Überhaupt ist ein Blick auf mittelalterliche Wörterbücher von Interesse, wenn man zum Beispiel sieht, mit welchen anderen Lastern Irrtum in ihnen in Verbindung gebracht wird. Für unseren Zusammenhang ist dies insofern interessant, als die irrunge des geistes eben auch in der gerade zitierten Predigt mit Sünde verbunden wird. Allerdings fällt schon an dem zitierten Stück auf, dass die Wortwahl nicht besonders eckhartisch erscheint und dass eine solche Rede von Irrtum und Teufel, vom Kerker der Hölle, von der Speise der Hölle und der Ewigkeit der Hölle für Eckhart alles andere als typisch ist. In dem Material aus allen deutschen Werken Eckharts (auch den ihm früher zugeschriebenen), das ich gesammelt habe und betrachte, sind solche Formulierungen einzigartig. In der Tat handelt es sich bei der Predigt um die Predigt Pfeiffer Nr. 68, die bisher alles andere als für Eckhart gesichert ist und di in der kritischen Edition (DW) eben nicht in Eckharts‘ Predigten aufgenommen ist. Ich glaube sagen zu können, dass eine solche krasse Verbindung von irrunge des geistes mit der Höllenstrafe, wie sie sich hier andeutet, geradezu für Eckhart ausgeschlossen werden kann. Was nämlich Eckhart grundsätzlich auszeichnet, wenn er selbst das Wort „Irrtum“ oder gar „Ketzer“ in den Mund nimmt, scheint einer solch eindeutigen Verurteilung geradezu entgegengesetzt zu sein. Das lässt sich zunächst am Lemma „Ketzer“ zeigen: Während die eingangs zitierte Bulle und andere Anklageschriften mit einer gewissen Leichtigkeit oder mindestens mit ruhiger Selbstverständlichkeit von 13

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F. Pfeiffer (ed.), Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, vol. 2: Meister Eckhart, Leipzig 1857 [Neudruck: Aalen 1962], Pr. LXVIII, 216,1-217,2; meine Übersetzung: „Augustinus sagt: ,Hauptsünde ist ein Gebrechen der Natur, ein Sterben der Seele, eine Unruhe des Herzens, eine Schwachheit der Kräfte, eine Blindheit der Sinne, eine Traurigkeit des Gemütes, ein Tod aller Gnaden, ein Tod aller Tugenden, ein Tod aller guten Werke, eine Verirrung des Geistes, eine Gemeinschaft mit dem Teufel, ein Bann der Christenheit, ein Kerker der Hölle, eine Speise der Hölle, eine Ewigkeit der Hölle.‘ Begehst du also eine Todsünde, so wirst du gebrechlich an der Natur, sterblich an der Seele, unruhig im Herzen, schwach in den Kräften, blind in den Sinnen, im Gemüt voll Trauer, tot an allen Gnaden und an allen Tugenden und allen Werken, im Geist verirrt; du kommst in die Gesellschaft des Teufels, du fällst in den Bann der Christenheit, du gehst in den Kerker der Hölle, du wirst eine Speise der Hölle, du bleibst in der Ewigkeit der Hölle.“ P. Schmitt (ed.), Liber ordinis rerum (Esse-Essencia-Glossar), vol. 1 (Texte und Textgeschichte 5/1), Tübingen 1983, 519 (Kap. 164), 521-527 (Kap. 165), hier besonders 526.

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Häresie und Häretikern sprechen, ist Eckhart dabei ausgesprochen zurückhaltend. Das Wort „Ketzerei “ kommt, wenn Eckhart selbst in die Anklagehaltung tritt, nur einmal vor 15. „Die daˆ iht bitent wan gotes oder umbe got, die bitent unrehte; swenne ich nihtes enbite, soˆ bite ich rehte, und daz gebet ist reht und ist kreftic. Swer ihtes iht anders bitet, der betet einen abgot ane, und man möhte sprechen, ez wære ein luˆter ketz erıˆ e. Ich enbite niemer soˆ wol, wan soˆ ich nihtes niht enbite und vür nieman enbite, noch vür Heinrich noch vür Kuonraˆt.“ 16

Eckhart ist hier bei einer Kern-Aussage seiner Gebetslehre: Man darf Gott um nichts Anderes als um Gott bitten, weil man ihn sonst „verzwecken“ würde. Bekannt ist ja Eckharts starke Formulierung: Wer Gott um einen Schuh bittet, erniedrigt ihn zum Schuh 17. Eine solche Bitte wäre in seinen Augen Ketzerei. Den ,Clou‘ seiner Aussage gewinnt Eckhart dadurch, dass er das Bittgebet (wenn es etwas Anderes als Gott selbst erbittet) gewissermaßen in Ketzereiverdacht stellt. Auffällig ist dabei freilich, dass das Wort „Ketzer“ in den Konjunktiv und in eine Art indirekte Rede gesetzt wird, die ebenfalls im Konjunktiv steht. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine zweimalige Abschwächung des Begriffes. Eckhart sagt nicht, anklagend: „Das ist Ketzerei “, sondern: „Es könnte heißen, es wäre Ketzerei.“ Also wirft Eckhart nicht jemandem, der so betet, Ketzerei vor, sondern er äußert sich ausgesprochen vorsichtig und zurückhaltend; er nimmt das Wort nur sehr selten, zögerlich und zurückhaltend in den Mund. Wie ist es beim „Irrtum“? Zunächst ist die Semantik des Wortes „irren“ zu bedenken, das im Mittelhochdeutschen Eckharts auch transitiv verwendet werden und einfach auch „hindern“, „stören“ oder Ähnliches bedeuten kann: „Diu gemeinschaft des lıˆbes ir r et, daz diu seˆle niht als luˆter verstaˆn mac als der engel; aber, als vil als man bekennet aˆne materielıˆchiu dinc, als vil ist man engelisch. Diu seˆle erkennet von uˆzen,

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Davon zu unterscheiden ist folgender Fall: „Daˆ von spriche ich, daz heilige nie enwart noch niemer erkriegen enmac, pıˆne entuo im weˆ und liep entuo im wol. Daz beschihet etwenne von liebe und minne und von gnaˆde: der kæme und spræche, er wære ein ketzer oder wie man wölte, soˆ der mensche mit der gnaˆde übergozzen wære, soˆ stüende er wol glıˆch in liebe und in leide“ (Meister Eckhart, Pr. 86, in: DW, vol. III, 490,1619) = „Daher sage ich, dass es noch nie einen Heiligen gegeben hat noch dass es je einer erreichen kann, dass ihm Pein nicht weh täte und Liebes nicht wohl. Wohl kommt es hie und da vor, bewirkt durch die Liebe und Zuneigung und Gnade, dass, wenn einer daher käme und zu einem sagte, er sei ein Ketzer oder sonst etwas, wie’s ihm beliebte, und wenn dann der Mensch mit Gnade übergossen wäre, er ganz gleichmütig in Lieb und Leid stünde“ (Übersetzung nach ibid., 597 sq.). Hier handelt Eckhart davon, wie man im Zustand göttlicher Gnade sogar auf den Ketzereivorwurf gleichmütig reagieren kann. Meister Eckhart, Pr. 67, in: DW, vol. III, 131,1-132,1 = „Die da um irgend etwas als um Gott oder um Gottes willen bitten, die bitten unrecht; wenn ich um nichts bitte, dann bitte ich recht, und ein solches Gebet ist recht und ist kraftvoll. Wer immer um irgend etwas anderes bittet, der betet einen Abgott an, und man könnte sagen, es sei die reinste Ketzerei. Ich bitte niemals so recht, wie wenn ich um nichts bitte und für niemanden bitte, weder für Heinrich noch für Konrad“ (Übersetzung nach ibid., 528 sq.). Cf. id., Pr. 26, in: DW, vol. II, 25.

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got verstaˆt in im selben durch sich selber, wan er ist ein ursprunc aller dinge, und ze disem ursprunge ˆ men.“ 18 helfe uns ˆewiclıˆchen got. A

Die Körperlichkeit des Menschen, seine physische Verfasstheit, die eingeschränkte menschliche Erkenntnismöglichkeit, die nur von einem Punkt außerhalb des Ursprungs aus gegeben ist, irret (= stört und verhindert) die reine Erkenntnis. Die Möglichkeit der Überwindung dieser Hindernisse zeigt sich in einer Stelle, in der es darum geht, dass die äußeren Dinge den recht demütigen Menschen freilich letzten Endes nicht an Gottes Nähe hindern können, denn er flieht alles, was ihn an Gottes Nähe hindern würde. Das heißt dann aber gleichzeitig auch, dass die Dinge, die den Menschen nicht hindern können, ihn auch nicht in Irrtum führen können: „Jch sprach ze paris in der schuol, das aellu` ding sond volbracht werden in dem reht demuetigen mentschen, vnd darumb sprich ich, das dem reht demuetigen mentschen enkain ding geschaden mag noch geir r en mag. wan es ist enhain ding, es flihe das, das es ze niht moehte gemachen. das fliehen aellu` geschaffnen ding, wa`n su` sind nihtes niht an in selber. vnd darumb so flu`het der demuetig mentsch alles, das in gottes geierren mag.“ 19

Die Semantik von geirren ist vielfältig: Nichts kann den demütigen Menschen hindern, nichts stören, nichts von Gott fernhalten. Josef Quint, dessen Übersetzungen aus heutiger Sicht längst nicht immer unproblematisch sind, übersetzt hier aber genauso treffend, dass ihm nichts schaden noch ihn beirren noch an Gott irre machen kann. Eine zweite semantische Bedeutung von „irren“ ist „irre gehen“ oder „verirren“ 20; und auch hier lässt sich bei Eckhart eine ähnliche Struktur erkennen: Ein Mensch kann in seinen Augen nicht in die Irre gehen oder sich verirren, es sei denn, er ist von dem Grund weggegangen, der sein eigentlicher Ursprung ist: „Und dar umbe enverir r ete nie kein mensche an keinen dingen dan aleine umbe daz, daz er disem [grunt] von ˆerste entgangen was und sich uˆzwendic ze vil behelfen wolte.“ 21 18

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Id., Pr. 23, in: DW, vol. I, 408,1-409,3 = „Die Gemeinschaft mit dem Leibe stört, so dass die Seele nicht so rein zu erkennen vermag wie der Engel; soviel man aber ohne stoffliche Dinge erkennt, so viel ist man engelhaft. Die Seele erkennt von außen her, Gott erkennt in sich selbst durch sich selbst, denn er ist ein Ursprung aller Dinge, und zu diesem Ursprung verhelfe uns Gott ewiglich. Amen“ (Übersetzung nach ibid., 523). Quints Übersetzung „stört, so dass […] nicht […]“ könnte ebenso als „verhindert, dass […]“ gefasst werden. Id., Pr. 15, in: DW, vol. I, 247,4-248,5 = „Ich sagte zu Paris in der Schule , dass alle Dinge vollendet werden würden im recht demütigen Menschen. Und darum sage ich, dass dem recht demütigen Menschen nichts schaden noch ihn beirren kann, denn es gibt kein Ding, das nicht das flieht, was es zunichte machen könnte: dies fliehen alle geschaffenen Dinge, denn sie sind nichts in sich selbst. Und darum flieht der demütige Mensch alles, was ihn an Gott irre machen kann“ (Übersetzung nach ibid., 489); cf. auch Pfeiffer (ed.), Deutsche Mystiker, vol. 2 (nt. 13), Pr. LXX, 224,23-28. Cf. die Beiträge von M. Schausten, U. Schöning, G. Hon/A. Langer und I. Braisch in diesem Band. Meister Eckhart, Pr. 102, in: DW, vol. IV/1, 414,1-3 = „Deshalb ging niemals irgendein Mensch in irgendwelchen Dingen in die Irre, außer allein aus dem Grund, dass er zuvor aus diesem Grund hinausgegangen war und sich zu viel mit dem dort draußen behelfen wollte“ (meine Übersetzung).

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Erst der, der dem Grund entläuft und sich nach außen wendet, der verirrt sich. Demgemäß ergibt sich bei Eckhart eine klare Struktur, in der Irrtum überhaupt erst möglich ist. Sicherheit vor Irrtum umgekehrt ergibt sich bei Eckhart nicht im Glauben oder in der Dogmatik, sondern in Gott selbst. Ist man nämlich in der Gnade Gottes, so kann nichts und niemand den Menschen an Gott hindern, nichts und niemand kann ihn in Irrtum führen: „Diu dritte fruht zündet die gnaˆde gotes alsoˆ an, daz in ir nieman ir r en mac. Sie machent ouch die seˆle lebende unde gebent guote gedanken unde fürsätze und gebent der seˆle kraft.“ 22

Das aber bedeutet, dass in Gottes Gnade die Wahrheit erfassbar und erfahrbar ist und dass somit Irrtum nicht möglich ist, wenn man in Gott steht. Irrtumsfreiheit wird gewissermaßen durch göttliche Offenbarung gewährleistet: „Ze dem andern maˆle offenbaˆret sich Jeˆsus in der seˆle mit einer unmæzigen wıˆsheit, diu er selber ist, in der wıˆsheit sich der vater selbe bekennet mit aller sıˆner veterlıˆchen heˆrschaft und daz selbe wort, daz ouch diu wıˆsheit selber ist, und allez daz dar inne ist, alsoˆ als daz selbe ein ist. Swenne disiu wıˆsheit mit der seˆle vereinet wirt, soˆ ist ir aller zwıˆvel und alliu ir r unge und alliu dünsternisse alzemaˆle abe genomen und ist gesetzet in ein luˆter klaˆrez lieht, daz selber got ist, als der propheˆte sprichet: ,herre, in dıˆnem liehte sol man daz lieht bekennen‘.“ 23

Das heißt, verkürzt gesagt: Die Wahrheit Christi nimmt jeden Zweifel. Letztlich geht es Eckhart auch hier um sein zentrales Thema: die Einheit. Vereinigung mit Gott, der hier als der Sohn und die Weisheit benannt wird, befreit von jedem Irrtum. Man kann dies verifizieren, wenn man zusätzlich zu Eckharts Auffassung von der Wahrheit in Gott den Blick auf ihr Gegenteil, nämlich auf die Falschheit, lenkt. Wahrheit ist für Eckhart in Gott, und in Gott allein, Falschheit ist allein im Kreatürlichen 24: „Sant Augustıˆnus sprichet: » herre, ich enwolte dich niht verliesen, ich wolte aber mit dir besitzen die creˆatuˆren von mıˆner gıˆticheit; und dar umbe verloˆs ich dich, wan dir ist unmære, daz man mit dir, der waˆrheit, valscheit und trüge der creˆatuˆren besitze «.“ 25 22

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Pfeiffer (ed.), Deutsche Mystiker, vol. 2 (nt. 13), Pr. CX, 366,39-367,5 = „Die dritte Frucht zündet die Gnade Gottes so an, dass in ihr niemand irren kann. Sie [die genannten Früchte] machen auch die Seele lebendig und geben gute Gedanken und Vorsätze und geben der Seele Kraft “ (meine Übersetzung). Meister Eckhart, Pr. 1, in: DW, vol. I, 18,1-8 = „Zu dem andern Male offenbart sich Jesus in der Seele mit einer unermesslichen Weisheit, die er selbst ist, in welcher Weisheit sich der Vater selbst mit seiner ganzen väterlichen Herrscherkraft sowie jenes nämliche Wort erkennt, das ja auch die Weisheit selbst ist, und alles, was darin ist, so, wie es Eins ist. Wenn diese Weisheit mit der Seele vereint wird, so ist ihr aller Zweifel und alle Irrung und alle Finsternis ganz und gar abgenommen, und sie ist versetzt in ein lauteres, klares Licht, das Gott selbst ist, wie der Prophet spricht: ,Herr, in deinem Lichte wird man das Licht erkennen‘“ (Übersetzung nach ibid., 432). Cf. id., Pr. 102, in: DW, vol. IV/1, 412,38-413,45: „Dar umbe sprichet er: ‘die vinsternisse enenpfiengen noch enbegriffen niht daz lieht’. Daz ist des schult, wan die wege, daˆ daz lieht ˆın solte gaˆn, bekümbert und versperret sint mit valscheit und mit vinsternisse, wan lieht und vinsternisse enmügen niht mit einander bestaˆn, noch got und creˆatuˆre. Sol got ˆıngaˆn, soˆ muoz überein diu creˆatuˆre uˆz. Dises liehtes wirt der mensche wol gewar.“ Id., Tr. I, 1, in: DW, vol. V, 17,15-18,10; „Sankt Augustinus sagt: Herr, ich wollte dich nicht verlieren, ich wollte aber in meiner Gier mit dir zugleich die Kreaturen besitzen; und drum

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Vor dem Horizont dieser Grunderkenntnis muss freilich auch jedes Sprechen über Gott problematisch werden. Gott ist die Wahrheit; aber jede Aussage über ihn ist immer eine Aussage in einer Sprache, die aus dem Kreatürlichen geboren und damit der göttlichen Wahrheit, der Wahrheit in Gott und der Wahrheit Gottes letzten Endes nicht angemessen ist 26: „Diu stat [Gottes] ist ungenant, und nieman enkan ein eigen wort von ir gesprechen. Allez daz wort, daz wir von ir gesprechen mügen, daz ist meˆ ein lougen, waz got niht enist, dan ez sıˆ ein verjehen, waz er sıˆ. Daz sach ein groˆz meister und beduˆhte in des, swaz er gesprechen möhte mit worten von gote, daz er niht eigenlıˆche möhte gesprechen, daˆ enlæge inne iemer etwaz valsches. Dar umbe sweic er und enwolte niemer dehein wort gesprechen, und wart doch seˆre von andern meistern verspottet. Dar umbe ist ez vil meˆ: swıˆgen von gote dan sprechen.“ 27

Vor diesem Hintergrund ergibt sich: Die Unaussprechlichkeit Gottes bedingt eine prinzipielle Fehlerhaftigkeit des Sprechers, die jede Rede von Irrtum oder Ketzerei weit übersteigt; denn hier kann nicht nur diese oder jene Einzelaussage falsch sein, sondern grundsätzlich jede Aussage ist es. Ich kann ein kurzes Zwischenfazit ziehen: Eckhart reflektiert in den deutschen Werken zwar an keiner Stelle explizit und grundsätzlich und theoretisch über den „Irrtum“ - die Stellen, an denen er sich über „Wahrheit “ äußert, sind dagegen Legion (und wären einmal eine eigene große Untersuchung wert). Wenn er von „Irrtum“ spricht oder das Wort verwendet, erkennt man aber eine klare und eindeutige Struktur: In Gott ist kein Irrtum, Irrtum liegt alleine im Kreatürlichen. In der göttlichen Offenbarung zu stehen, heißt, dass Irrtum ausgeschlossen werden kann. Wenn aber von dieser Struktur ausgehend die menschliche Irrtumsmöglichkeit grundsätzlich gegeben ist, mehr noch, wenn die menschliche Sprache per se die Sprache des Irrtums ist, dann muss dies ebenfalls immer und ganz grundsätzlich bedacht werden. Daraus ergibt sich nun - das wird jetzt zu zeigen sein - ein vorsichtiger Umgang mit dem Irrtumsvorwurf gegen andere.

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verlor ich dich, denn dir widerstrebt es, dass man mit dir, als der Wahrheit, die Falschheit und den Trug der Kreaturen besitze“ (Übersetzung nach ibid., 475). Cf. auch id., Pr. 50, in: DW, vol. II, 454,9-12: „Das erste: das gv˚t, das si bekanten vnd sahen in gotte, das was so gros vnd so verborgen, das es sich nicht erbilden mochte in irme verstantnisse; want alles, das sich erbilden mochte, das was dem als vngelich, das si sahen in gotte, vnd was so valsch wider der warheit, das si swigen vnd wolten nicht liegen“ = „Zum ersten: Das Gut, dass sie in Gott erkannten und schauten, das war so groß und so verborgen, dass es sich in ihrem Erkennen nicht abzubilden vermochte, denn alles, was sich darin abzubilden vermochte, das war dem, was sie in Gott schauten, ganz ungleich und war so falsch gegenüber der Wahrheit, dass sie schwiegen und nicht lügen wollten“ (Übersetzung nach ibid., 721). Id., Pr. 36b, in: DW, vol. II, 203,11-204,5 = „Diese Statt ist ungenannt, und niemand kann ein eigentliches Wort über sie aussagen. Jedes Wort, das wir über sie auszusagen vermögen, das ist mehr ein Verneinen dessen, was Gott nicht ist, als dass es eine Aussage darüber sei, was er ist. Das erkannte ein großer Meister, und es bedünkte ihn, dass, was er auch in Worten über Gott auszusagen vermochte, er nichts im eigentlichen Sinne auszusagen vermöchte, worin nicht jeweils etwas Falsches steckte. Darum schwieg er und wollte nie irgendein Wort aussprechen, und doch ward er sehr von anderen Meistern verspottet. Darum bedeutet es viel mehr, über Gott zu schweigen, als zu reden“ (Übersetzung nach ibid., 674).

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Eckhart hält anderen, so selbstbewusst er wirken mag, insgesamt doch an sehr wenigen Stellen Irrtümer vor. Dabei kritisiert er nie die Ungebildeten. Dass dagegen große Meister sich irren, sagt er an einigen Stellen: „Etlıˆche meister wolten, daz diu seˆle aleine in dem herzen wære. Des enist niht, und daˆ haˆnt groˆze meister an geir r et. Diu seˆle ist ganz und ungeteilet alzemaˆle in dem vuoze und alzemaˆle in dem ougen und in ieglıˆchem glide.“ 28

Derart von seiner Wahrheit überzeugt, kann sich Eckhart sogar gegen alle gelehrten Zeitgenossen wenden: A Ich haˆn gesprochen in einer predige, daz ich wolte leˆren den menschen, der guotiu werk hete getaˆn, die wıˆle er in toˆtsünden was, wie diu lebende wider uˆf mügen staˆn mit der zıˆt, in der sie wurden getaˆn. Und daz wil ich nuˆ bewıˆsen, als ez in er waˆrheit ist, wan ich bin gebeten, daz ich den sin erliuhte. Und daz wil ich tuon, und doch ist ez wider alle die meister, die nuˆ lebent.

B Ich haˆn gesprochen in einer predige, daz ich welle leˆren den menschen, der guotiu werk hete getaˆn, die wıˆle er in toˆtsünden was, wie daz diu lebende möhten wider uˆfstaˆn mit der zıˆt, in der sie wurden getaˆn. Und daz wil ich bewıˆsen, als ez in er waˆrheit ist, wan ich bin gebeten, daz ich den sin ver rihte. Und daz wil ich tuon, und doch ist ez wider alle die meister, die nuˆ lebent.

A Sie sprechent aber meˆ: alliu diu werk, diu der mensche tete, die wıˆle er in toˆtsünden was, diu sint alliu verlorn ˆewiclıˆche und ouch diu zıˆt, in der sie geschaˆhen. Diz widerspriche ich zemaˆle und spriche alsoˆ: alliu diu guoten werk, diu der mensche getaˆn haˆt die wıˆle er in toˆtsünden was, der enist keinez verlorn noch ouch diu zıˆt, in der sie geschaˆhen, ob er gnaˆde wider enpfæhet. 29

B Sie sprechent aber: diu werk, diu der mensche tete, die wıˆle er in toˆtsünden was, diu sint verlorn: werk und zıˆt mit einander ˆewiclıˆche. Und daz widerspriche ich, meister Eckhart, alzemaˆle und spriche alsoˆ: alliu diu guoten werk, diu der mensche tuot, die wıˆle er in toˆtsünden ist, der enist alzemaˆle keinez verlorn noch ouch diu zıˆt, in der ez geschach, ob er gnaˆde wider enpfæhet.

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Id., Pr. 9, in: DW, vol. I, 143,5-7 = „Etliche Meister meinten, dass die Seele nur im Herzen sei. Dem ist nicht so, und darin haben große Meister geirrt. Die Seele ist ganz und ungeteilt vollständig im Fuße und vollständig im Auge und in jedem Gliede“ (Übersetzung nach ibid., 462). Id., Pr. 105, in: DW, vol. IV/1, 633,1-634,10 (meine Hervorhebungen) = (A): „Ich habe in einer Predigt gesagt, dass ich den Menschen, der gute Werke getan hat als er im Zustand der Todsünde war, lehren wollte, wie diese guten Werke gemeinsam mit der Zeit, in der sie getan wurden, wieder auferstehen können. Und das werde ich jetzt beweisen, so wie es in der Wahrheit ist, denn ich bin gebeten worden, dass ich den Sinn [des Gesagten] erkläre. Und das werde ich tun, selbst wenn es gegen alle die Gelehrten ist, die jetzt leben“ (meine Übersetzung); ibid., 636,3-638,2 = (A): „Sie sagen aber noch weiter: alle Werke, die der Mensch wirkte in der Zeit, als er in Todsünde war, sind alle für alle Ewigkeit verloren, und zwar gemeinsam mit der Zeit, in der sie geschahen. Dem widerspreche ich ganz und gar und behaupte dies: Alle die guten Werke, die der Mensch getan hat in der Zeit, in der er in Todsünde war, von denen ist keines verloren, ebenso wenig wie die Zeit, in der sie geschahen, wenn er wieder Gnade empfängt “ (meine Übersetzung; zit. nach F. Löser, Werkkonzepte und ,Individualisierung‘ bei Eckhart, Tauler und Seuse, in: id./D. Mieth [eds.], Religiöse Individualisierung in der Mystik. Eckhart Tauler - Seuse [Meister-Eckhart-Jahrbuch 8], Stuttgart 2014, 145-180, hier 157 sq.).

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Die Stelle ist bekannt geworden. Man hat hier von einem deutlichen Selbstbewusstsein Meister Eckharts gesprochen, weil er seiner eigenen Aussage zufolge gegen alle anderen zeitgenössischen Gelehrten auftritt. Dabei fällt freilich auf, dass Meister Eckhart den Meistern, die irren, nun nicht irgendwelche Konsequenzen ihres Irrtums ankreidet oder androht, sondern dass er bei dieser Feststellung des Irrtums ruhig bleibt und das Stehen in der eigenen Wahrheit stärker thematisiert als den Irrtum der anderen. Eine derartige Haltung scheint generell zu gelten, etwa wenn er einmal von verirrten Menschen unter seinem Publikum spricht. Die Rede ist von der bekannten sogenannten „Opferstockpredigt “, an deren Ende Eckhart sich gegen arme, verirrte Leute wendet: „Swer dise predige haˆt verstanden, dem gan ich ir wol. Enwære hie nieman gewesen, ich müeste sie disem stocke geprediget haˆn. Ez sint etlıˆche arme liute, die keˆrent wider heim und sprechent: Ich wil sitzen uˆf ein stat und ezzen mıˆn broˆt und dienen gote. Ich spriche bıˆ der ˆewigen waˆrheit, daz diu liute müezen verir r et sıˆn und blıˆben, wan sie enmügen niemer ervolgen noch erkriegen, daz die ervolgent oder erkriegent, die gote naˆchvolgent in armuot und in ellendicheit.“ 30

Vergleichbar ist, soweit ich sehe, nur die Stelle aus der bekannten Armutspredigt, in der Eckhart stärker polemisiert, und jene „Leute“, die im Irrtum befangen sind, „Esel“ nennt: „Ze dem ˆersten sprechen wir, daz der sıˆ ein arm mensche, der niht enwil. Disen sin enverstaˆnt etlıˆche liute niht wol; daz sint die liute, die sich behaltent mit eigenschaft in penitencie und uˆzwendiger üebunge, daz die liute vür groˆz ahtent. Des erbarme got, daz die liute alsoˆ kleine bekennent der götlıˆchen waˆrheit! Dise menschen heizent heilic von den uˆzwendigen bilden; aber von innen sint sie esel, wan sie enverstaˆnt niht den underscheit götlıˆcher waˆrheit. Dise menschen sprechent, daz sıˆ ein arm mensche, der niht enwil. Daz bewıˆsent sie alsoˆ: daz der mensche alsoˆ sül leben, daz er sıˆnen willen niemermeˆ ervülle an deheinen dingen, meˆr: daz er dar naˆch staˆn sol. daz er ervülle den allerliebesten willen gotes. Dise menschen sint wol dar ane, wan ir meinunge ist guot; her umbe wellen wir sie loben. Got der sol in geben daz himelrıˆche von sıˆner barmherzicheit. Aber ich spriche, daz sie sint esel, die niht enverstaˆnt götlıˆcher waˆrheit. Von ir guoter meinunge mügen sie haben daz himelrıˆche; aber von dirre armuot, von der wir nuˆ wellen sprechen, daˆ enwizzen sie nihtes von.“ 31 30

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Meister Eckhart, Pr. 109, in: DW, vol. IV/2, 774,69-74 = „Wer diese Predigt verstanden hat, dem widme ich sie gern. Wäre niemand hier gewesen, dann hätte ich sie diesem Opferstock predigen müssen. Es gibt einige arme Leute, die gehen wieder heim und sagen: Ich will mich an meinen Platz setzen und mein Brot essen und Gott dienen. Ich sage aber bei der ewigen Wahrheit, dass diese Leute im Irrtum sind und bleiben werden, denn sie können niemals das erreichen und für sich erstreiten, was diejenigen erreichen und für sich erstreiten, die Gott in Armut und Mühsal nachfolgen“ (meine Übersetzung; zit. Nach Löser, Werkkonzepte [nt. 29], 159). Id., Pr. 52, in: DW, vol. II, 489,2-491,2 = „Zum ersten sagen wir, dass der ein armer Mensch sei, der nichts will. Diesen Sinn verstehen manche Leute nicht richtig; es sind jene Leute, die in Bußübung und äußerlicher Übung, was diese Leute für groß erachten, an ihrem selbstischen Ich festhalten. Erbarm’s Gott, dass solche Leute so wenig von der göttlichen Wahrheit erkennen! Diese Menschen heißen heilig auf Grund des äußeren Anscheins; aber von innen sind sie Esel, denn sie erfassen nicht den eigentlichen Sinn göttlicher Warheit. Diese Menschen sagen zwar , das sei ein armer Mensch, der nichts will. Sie deuten das aber so: dass der Mensch so leben müsse, dass er seinen Willen nimmermehr in irgend etwas erfülle, dass er danach trachten solle, den allerliebsten Willen Gottes zu erfüllen. Diese Menschen sind recht daran, denn ihre Meinung ist gut; darum wollen wir sie loben, Gott möge

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Eckhart mag dabei auf den ersten Blick „polemisch“ wirken. Aber wenn man das mit zeittypischen Invektiven oder mit der Predigt vor Eckhart, beispielsweise Bertholds von Regensburg, vergleicht, wird deutlich, dass Eckhart eher zurückhaltend ist. Was sich zeigt ist nämlich, dass bei Eckhart „Irrtum“ „kein Verbrechen“ ist, sondern menschlicher Denkweise entspringt. Selbst die „Verirrten“ der Opferstock-Predigt werden ins Schlussgebet eingeschlossen: „Dass wir (alle) dahin kommen, dazu helfe uns Gott.“ Selbst den „Eseln“ der Armutspredigt wird ein Weg der Hoffnung gegeben: Wegen ihrer guten Absichten mögen sie das Himmelreich erlangen, und Gott möge ihnen aus seiner Barmherzigkeit heraus das Himmelreich schenken. Irrtum ist kein Grund der Verzweiflung, kein Grund der Anklage, sondern ein Grund für Apelle des Predigers, er ist „heilbar“, denn er ist menschlich. Eckhart hat ein Wort für diesen „heilbaren“ Irrtum: toˆrheit, toˆreht. Er verwendet es, wenn er von Menschen spricht, die glauben, mit Gott handeln zu können: „Diz sint harte toˆ r ehte liute, die alsoˆ koufen wellent mit unserm herren; sie bekennent der waˆrheit kleine oder niht.“ 32

Er verwendet es gerade im Bereich seiner eigenen, für die meisten Zeitgenossen ungewöhnlichen Lehre, etwa was die Schöpfung betrifft, die Eckharts Auffassung zufolge im steten Jetzt der Gegenwart geschieht: „Spræchen wir, daz got die werlt schepfete gester oder morne, soˆ giengen wir mit einer toˆ rheit umbe. Got schepfet die werlt und alliu dinc in einem gegenwertigen nuˆ; und diu zıˆt, diu daˆ vergangen ist vor tuˆsent jaˆren, diu ist gote iezuo als gegenwertic und als naˆhe als diu zıˆt, diu iezuo ist.“ 33

In Eckharts Augen sind diejenigen „töricht “, die nicht seiner charakteristischen Gebetslehre folgen und - im Bittgebet um etwas anderes als nur um Gott selbst bittend - indem sie beispielsweise um einen Schuh bitten, Gott zum Schuh erniedrigen: „Nuˆ sprichet er: ,die betent ane den vater‘. Ach, wie vil der ist, die anebetent einen schuoch oder eine kuo oder eine ander creˆatuˆre und sich daˆ mite bekümbernt, und daz sint gar toˆ r ehte liute.“ 34

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ihnen in seiner Barmherzigkeit das Himmelreich schenken. Ich aber sage bei der göttlichen Wahrheit, dass diese Menschen keine armen Menschen sind noch armen Menschen ähnlich. Sie werden als groß angesehen in den Augen der Leute, die nichts Besseres wissen. Doch ich sage, dass sie Esel sind, die nichts von göttlicher Wahrheit verstehen. Wegen ihrer guten Absichten mögen sie das Himmelreich erlangen; aber von der Armut, von der wir jetzt sprechen wollen, davon wissen sie nichts“ (Übersetzung nach ibid., 727 sq.). Id., Pr. 1, in: DW, vol. I, 8,5-8 = „Dies sind sehr törichte Leute, die so markten wollen mit unserm Herrn; sie erkennen von der Wahrheit wenig oder nichts“ (Übersetzung nach ibid., 430). Id., Pr. 10, in: DW, vol. I, 171,4-7 = „Würden wir sagen, dass Gott die Welt gestern oder morgen erschüfe, so würden wir uns töricht verhalten. Gott erschafft die Welt und alle Dinge in einem gegenwärtigen Nun, und die Zeit, die da vergangen ist vor tausend Jahren, die ist Gott jetzt ebenso gegenwärtig und ebenso nahe wie die Zeit, die jetzt ist “ (Übersetzung nach ibid., 470). Id., Pr. 26, in: DW, vol. II, 25,4-6 = „Nun spricht er: ,die werden den Vater anbeten‘. Ach, wie viele gibt es derer, die einen Schuh oder eine Kuh oder eine andere Kreatur anbeten und sich damit bekümmern, und das sind gar törichte Leute“ (Übersetzung nach ibid., 642).

Meister Eckhart und der Irrtum

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Auch wer seiner Auffassung zur Werkgerechtigkeit nicht folgt und Fasten, Beten und große Werke und Isolation und Rückzug aus der Welt für den, womöglich alleinigen, Weg zur Seligkeit hält, ist in Eckharts Augen der Torheit verfallen: „Ez ist ein groˆz toˆ rheit, daz manic mensche vil vastet und betet und groˆziu werk tuot und alle zıˆt aleine ist, daz er niht enbezzert sıˆne site und ist ungeruowic und zornic.“ 35

Auch diejenigen, die den Primat des Willens über die Erkenntnis postulieren, sind für Eckhart töricht: „Der wille ist vrıˆ, er ennimet niht von materie. An dem einen ist er vrıˆer dan bekantnisse, und dar ane stoˆzent etlıˆche toˆ r ehte liute und wellent, daz er sıˆ über bekantnisse.“ 36

Insgesamt erklärt Eckhart immer wieder gerade das Verhalten, das seiner eigenen, vor dem allgemeinen Horizont durchaus ungewöhnlichen, neuartigen und nicht allgemein vertrauten Auffassungen widerspricht, für „töricht “. Damit werden eingefahrene Ansichten und Verhaltensweisen bewusst „dekonstruiert “ und mit unerwarteten Wahrheiten konfrontiert. Grundsätzlich aber entspringt menschliche Torheit der Differenz zwischen Mensch und Gott: „Alle engel und alle heiligen und allez, daz ie geborn wart, daz muoz swıˆgen, soˆ diu wıˆsheit des vaters sprichet; wan alliu wıˆsheit der engel und aller creˆatuˆren, daz ist ein luˆter toˆ rheit vor der gruntloˆsen wıˆsheit gotes.“ 37

Quint übersetzt hier luˆter toˆrheit als „reines Nichts“. Es ist aber wichtig festzuhalten, dass vor der göttlichen Weisheit alle Weisheit der Engel und der Menschen eben das Gegenteil dieser Weisheit ist: reine Torheit. Also gibt es zwei Wege aus dieser Torheit heraus. Da ist von göttlicher Seite aus gesehen die Erlösungstat Christi, der im letzten Gericht als Anwalt der Weisheit und als Mensch gewordene Weisheit unsere Torheit überwinden und „wieder gut machen“ wird: „Wan sant Paulus sprichet: der sun ist uns gegeben ze einem vorsprechen, der ein wıˆsheit ist des vaters, der sol wıˆslıˆche rede geben vür alle unser toˆ rheit und missetaˆ t.“ 38 35

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Id., Pr. 33, in: DW, vol. II, 154,6-155,1 = „Es ist eine große Torheit, dass mancher Mensch viel fastet und betet und große Werke verrichtet und sich allzeit allein hält, wenn er nicht seinen Lebenswandel bessert und unruhig und zornig ist “ (Übersetzung nach ibid., 664 sq.). Id., Pr. 36a, in: DW, vol. II, 191,6-8 = „Der Wille ist frei, er bezieht nichts von der Materie. In diesem Einen ist er freier als die Erkenntnis, und daran nehmen gewisse törichte Leute Anstoß und meinen, er sei der Erkenntnis überlegen“ (Übersetzung nach ibid., 672). Id., Pr. 52, in: DW, vol. II, 486,3-7 = „Alle Engel und alle Heiligen und alles, was je geboren ward, das muss schweigen, wenn die Weisheit des Vaters spricht; denn alle Weisheit der Engel und aller Kreaturen, das ist ein reines Nichts vor der grundlosen Weisheit Gottes“ (Übersetzung nach ibid., 727). Id., Pr. 87, in: DW, vol. IV71, 23,29-30 = „Denn Sankt Paul sagt, dass uns der Sohn als ein Fürsprecher [=Anwalt vor Gericht] gegeben ist; der eine Weisheit des Vaters ist, der wird auf weise Art Rede und Antwort stehen für alle unsere Torheit und Missetaten“ (Übersetzung nach F. Löser, Predigt 87 ,Ecce dies veniunt, dicit dominus‘, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi, vol. IV, Stuttgart 2017, 123-169, hier 129).

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Freimut Löser

Von menschlicher Seite aus gesehen geht es demnach um das Streben nach (göttlicher) Weisheit durch das Ablassen vom Kreatürlichen und das Übersteigen alles Weltlichen: „Nuˆ sprichet ein meister, daz kein mensche enist soˆ toˆ r eht, er enbeger wıˆsheit. War umbe enwerden wir denne niht wıˆs? Daˆ gehœret vil dar zuo. Diu meiste sache ist, daz der mensche muoz durchgaˆn und übergaˆn alliu dinc und aller dinge ursache, und dis beginnet den menschen verdriezen. Daˆ von blıˆbet der mensche in sıˆner kleinheit.“ 39

Ich fasse zusammen: Eckharts Haltung ist nicht die der bedingungslosen Irrtumstoleranz. Irrtum ist Irrtum und wird als solcher benannt. Gerade im Blick auf seine eigenen, durchaus ungewöhnlichen Lehren ist sich Eckhart des Stehens in der (göttlichen) Wahrheit sicher. Wer ihm hier nicht folgt, den erklärt er in einigen wenigen Fällen für im Irrtum befangen und eselhaft, in der Regel für „töricht “. Der größte (und letztlich der einzige, wirkliche) Irrtum aber liegt in der Gottesferne und im Haften am Kreatürlichen. Dieser Irrtum wird bekämpft (durch Apelle in der Predigt). Die beiden polemischen Stellen gegen die „Esel“ und die „Verirrten“ in den beiden bekannten deutschen Predigten sind gleichzeitig Appelle an das Publikum (oder an dessen ,vernünftigen‘ Teil); sie sind Versuche, „Torheit “ zu korrigieren. „Töricht “ ist in Eckharts Texten gerade der, der der herkömmlichen Meinung folgt, nicht Eckharts eigener Lehre. Diese „Torheit “ will er kurieren; sie ist „heilbar“. Und was diese Torheit betrifft, geht Eckhart nicht von der Starrköpfigkeit des Menschen aus, sondern von seiner Verbesserungsfähigkeit. Er sieht die „Torheit “ und blickt auf die „Esel“ vielleicht spöttisch lächelnd, aber er verdammt sie nicht als „Ketzerei “ und „Ketzer“.

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Id., Pr. 10, in: DW, vol. I, 164,15-19 = „Nun spricht ein Meister, dass es keinen noch so törichten Menschen gibt, der nicht nach Weisheit begehre. Warum aber werden wir denn nicht weise? Da gehört viel dazu. Das Wichtigste ist, dass der Mensch durch alle Dinge hindurchund über alle Dinge und aller Dinge Ursache hinausgehen muss, und das fängt dann an, den Menschen zu verdrießen. Infolgedessen bleibt der Mensch in seiner Beschränktheit “ (Übersetzung nach ibid., 468).

„So werdent doch vil menschen dar inn betrogen.“ Die Irrtumsproblematik in spätmittelalterlichen Traktaten zur ,Unterscheidung der Geister‘ (discretio spirituum) Lydia Wegener (Berlin) I. Einleitung „Prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind!“ Diese ebenso knappe wie nachdrückliche Forderung findet sich im ersten Johannesbrief zu Beginn des vierten Kapitels 1. Und im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther wird die berühmte Warnung formuliert: „Er selbst, der Sathan, verstellt sich als Engel des Lichts.“ 2 Innerhalb der spätantiken und mittelalterlichen christlichen Literatur erhalten diese Zitate eine spezifische Signalfunktion. Sie verweisen auf den Diskurs der ,Unterscheidung der Geister‘ (discretio spirituum), der mit der Spiritualität der Wüstenväter seinen Anfang nimmt, von den Kirchenvätern aufgegriffen wird und im Mittelalter vor allem seit dem zwölften Jahrhundert eine neue Konjunktur erlebt 3. Zur Breite des Unterscheidungsdiskurses vermerkt Thomas Hohmann: „Die Spannweite des Themas der ,Unterscheidung der Geister‘ reichte von Fragen des Dämonen-, Hexen- und Aberglaubens über Träume und Visionen bis zum Problem der Privatoffenbarung, der Seelenführung und allgemein der Askese und Frömmigkeit.“ 4

Innerhalb dieses Spektrums zeichnen sich seit den Anfängen des Unterscheidungsdiskurses ein weites und ein enges Verständnis ab: In einem umfassenden Sinne bezeichnet die ,Unterscheidung der Geister‘ die Tugend der discretio, also die Klugheit oder Umsicht, der es gelingt, zwischen zwei Extremen das richtige Maß zu finden. Die ,Geister‘ treten bei dieser weiten Auslegung vollkommen in den Hintergrund, bezieht sie sich doch auf die Kontrolle und Beherrschung der 1 2 3

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1 Joh 4,1. 2 Kor 11,14. Cf. dazu die umfassende Studie von W. L. Anderson, The Discernment of Spirits. Assessing Visions and Visionaries in the Late Middle Ages, Tübingen 2011. Einen sehr knappen Überblick zur discretio spirituum bietet Chr. Burger, Unterscheidung der Geister, in: P. Dinzelbacher (ed.), Wörterbuch der Mystik (Kröners Taschenausgabe 456), Stuttgart 1989, 506 sq. Th. Hohmann, Heinrichs von Langenstein ,Unterscheidung der Geister‘ lateinisch und deutsch. Texte und Untersuchungen zur Übersetzungsliteratur aus der Wiener Schule (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 63), München 1977, 1 sq.

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verschiedenen Seelenregungen, nicht auf die Bewertung externer Einflüsse auf die Seele 5. Eng gefasst meint die discretio spirituum dagegen die Fähigkeit, zwischen guten und bösen ,Geistern‘ zu unterscheiden, die als eigenständige Mächte auf das Seelenleben des Menschen einwirken. In dieser spezifischen Auslegung ist die discretio spirituum stets auf die Heilsperspektive des Einzelnen bezogen. Sie dient also nicht - oder nur in zweiter Linie - innerweltlichen Belangen. Die folgenden Ausführungen werden sich nur mit der ,Unterscheidung der Geister‘ im eigentlichen Sinne befassen. Deren Grundzüge - die in den einzelnen Schriften eine jeweils individuelle Ausformung erfahren - seien zunächst in gebotener Kürze dargelegt. Als die vier ,klassischen‘ Geister dürfen spätestens seit der ersten systematischen discretio-Schrift des Erfurter Augustinereremiten Heinrich von Friemar der göttliche, der englische, der teuflische und der natürliche Geist gelten 6. Unter diesen vier Geistern nimmt der natürliche Geist insofern eine Sonderstellung ein, als er durch Ambiguität gekennzeichnet ist: Denn einerseits steht er aufgrund seiner Gottebenbildlichkeit den beiden , guten‘ Geistern nahe, andererseits weist er aufgrund seiner Sündenverfallenheit eine enge Affinität zum ,bösen‘ Geist auf 7. Dieser Doppelbestimmung entsprechend ist der natürliche Geist anders als die übernatürlichen Geister sowohl erlösungsfähig als auch erlösungsbedürftig 8. Die ethische Ambivalenz des natürlichen Geistes stellt ihn in das Zentrum des Unterscheidungsdiskurses, denn die gesamte Aktivität der drei anderen Geister richtet sich auf ihn aus. Ohne sich jemals gegenseitig zu beeinflussen, konkurrieren sie darum, den natürlichen Geist durch kontinuierliche Einwirkung zu einem , guten‘ oder ,bösen‘ Geist zu transformieren und ihn dadurch zu seinem jenseitigen Endziel hinzuführen beziehungsweise ihn davon zu separieren. Dieser ununterbrochenen Aktivität der drei supranaturalen Geister steht einerseits die Passivität des natürlichen Geistes entgegen, auf den die externen Impulse 5

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Dennoch gehören discretio spirituum und discretio zumindest in ihren Ursprüngen demselben diskursiven Feld an. Auch in späterer Zeit bleibt die Konnotation von discretio und ,Unterscheidung‘ erhalten. Cf. dazu Anderson, The Discernment (nt. 3), 35-37. In den Unterscheidungsschriften im engeren Sinne stellt sich diese Verbindung von discretio und discretio spirituum dergestalt dar, dass Erstere zur Entlarvung des teuflischen Geistes eingesetzt wird, z. B. wenn dieser zu übermäßiger Askese rät. Cf. R. G. Warnock/A. Zumkeller, Der Traktat Heinrichs von Friemar über die Unterscheidung der Geister. Lateinisch-mittelhochdeutsche Textausgabe mit Untersuchungen (Cassiciacum 32), Würzburg 1977. Zu Heinrichs Traktat als erster systematischer Unterscheidungsschrift cf. ibid., 34. Der Oberbegriff ,Geist‘ wird in den lateinischen discretio-Schriften u. a. mit spiritus, instinctus oder impulsus wiedergegeben. Die deutschen Schriften sprechen z. B. von geist, ˆınspruch oder ˆıngeistung. Die Begriffe , gut‘ und ,böse‘ bezeichnen hier entsprechend der pastoraltheologischen Ausrichtung der Unterscheidungstraktate die intentionale Ausrichtung der vier Geister auf Sicherung oder Zerstörung des individuellen Seelenheiles. Anzumerken ist, dass dem teuflischen Geist ebenso wie den drei anderen Geistern innerhalb des Unterscheidungsdiskurses ontologische Realität zuerkannt wird. Er tritt stets als eigenständig wirksame externe Macht auf. Der göttliche und englische Geist sind nicht erlösungsbedürftig, der teuflische Geist ist nicht erlösungsfähig.

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unaufhörlich einwirken. Andererseits tritt hier erneut die Ambiguität des instinctus naturalis zutage. Denn auch er wird in den discretio-Schriften als äußerst aktiv dargestellt, und zwar in dreifacher Hinsicht: zum Ersten, insofern er die Funktion einer Unterscheidungsinstanz innehat. Er muss die drei übernatürlichen Geister anhand ihrer Auswirkungen auf seine eigene moralische Disposition erkennen und deren Konsequenzen für sein Seelenheil bewerten. Zum Zweiten ist er aufgrund seiner - von den Schriften vorausgesetzten - Grundausrichtung auf das Gute dazu aufgefordert, die auf ihn einwirkenden Geister entweder abzuwehren oder zuzulassen 9. Und zum Dritten muss er seine Unterscheidungsfähigkeit auf sich selbst anwenden. Denn auch der natürliche Geist bringt Impulse verschiedenster Art hervor, die er von den Einwirkungen der anderen Geister unterscheiden und als , gut‘ oder ,schlecht‘ beurteilen muss. Die kontinuierliche selbstreferentielle Tätigkeit des ,natürlichen‘ Geistes, der sich selbst als Denkender, Wollender und Empfindender ununterbrochen beobachten muss, ist das Spielfeld des Irrtums. Dieser steht damit im Zentrum des Unterscheidungsdiskurses. Der irrende Mensch ist hier in erster Linie bestimmt als jener, der bei der discretio spirituum versagt 10. Dieses Versagen aber hat stets Konsequenzen für sein Seelenheil. Die Gefahr des Irrtums erhöht sich dadurch, dass sowohl der teuflische Geist als auch der natürliche Geist - dessen destruktives Potential die Unterscheidungsschriften deutlich herausarbeiten 11 - dazu befähigt sind, den göttlichen und englischen Geist perfekt zu imitieren. Zum Leitzitat wird in diesem Zusammenhang die weiter oben bereits zitierte Warnung des zweiten Korintherbriefs vor dem als Engel des Lichts verkleideten Satan. Diese visuell eindrückliche Bibelstelle verstehen die Unterscheidungsschriften nicht ausschließlich im metaphorischen Sinne. Vielmehr lassen sich innerhalb der engen Auslegung der discretio spirituum zwei Ausformungen feststellen. Zum einen geht es um die Eruierung des Ursprungs jener innerseelischen Impulse, die täglich auf den Menschen einwirken und sein Denken, Wollen, Empfinden und Tun bestimmen. Zum anderen aber steht die Herkunft außeralltäglicher Erfahrungen zur Debatte, die subjektiv als Gnadenerlebnisse wahrgenommen werden. Dazu zählen Visionen und Auditionen sowie das ,Schmecken‘ der göttlichen Süße in der Andacht. Hier - im Bereich der sinnlich erfahrbaren Begegnung mit dem Göttlichen - wird dem Teufel die Fähigkeit zuerkannt, in der Gestalt Christi, der Heiligen, eines Engels oder der Gottesmutter zu erscheinen. Diese Betrugsmöglichkeit kommt dem natürlichen Geist zwar nicht zu. Wie 9

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Alle Unterscheidungsschriften - auch solche, welche die Sündenverfallenheit des natürlichen Geistes betonen - müssen zumindest implizit davon ausgehen, dass der instinctus naturalis trotz seiner Irrtumsanfälligkeit grundsätzlich zur ,Unterscheidung der Geister‘ befähigt ist. Diese Befähigung erwächst aus seiner naturhaften Ausrichtung auf Gott. Der Unterscheidungsdiskurs lässt teilweise auch Irrtümer zu, die außerhalb der ,Unterscheidung der Geister‘ liegen und deswegen nicht das Seelenheil gefährden. Cf. dazu die Ausführungen zum Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘ weiter infra. Cf. dazu die Ausführungen zur ,Probate spiritus‘-Kompilation weiter infra.

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noch ausführlich zu zeigen sein wird, kann jedoch auch er die Präsenz des Göttlichen simulieren und dadurch eine Selbsttäuschung provozieren 12. Im Folgenden sollen drei volkssprachliche Unterscheidungstraktate aus dem späten 15. Jahrhundert vorgestellt werden: die ,Probate spiritus‘-Kompilation, der Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘ und der Traktat ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘. Hinsichtlich der ersten beiden Traktate wird die leitende Fragestellung lauten: Welche Lösungsmöglichkeit schlagen sie zur Bewältigung der Irrtumsproblematik vor? Es wird sich zeigen, dass beide Schriften vollkommen unterschiedliche Strategien entwickeln, ohne die grundlegende Schwierigkeit des discretio-Diskurses - die Absenz einer absolut unfehlbaren Unterscheidungsinstanz - kompensieren zu können 13. Einer ausführlichen Analyse wird anschließend der dritte Traktat mit dem Titel ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘ unterzogen. Sie wird vor allem herausarbeiten, wie die Argumentation des Traktats beständig durch die ihm inhärente Spannung zwischen Verwerfung und Hochschätzung der sogenannten ,empfindlichen‘ oder ,süßen‘ Andacht unterlaufen wird. Letzten Endes führt die ,Unterscheidung der Geister‘ - die sich in diesem Traktat ganz auf die Verwechslung von Natur und Gnade konzentriert - hier also in die Aporie. Allen drei Traktaten gemeinsam ist, dass sie dem Kontext der monastischen Observanzbewegungen des 15. Jahrhunderts entstammen. Auch wenn ihre Verfasser anonym bleiben, lässt die handschriftliche Überlieferung darauf schließen, dass sie innerhalb der benediktinischen Klosterreform - genauer gesagt: der Melker Reform - verankert sind 14. Diese süddeutsche Reformbewegung nahm 1417 im Zuge der auf dem Konstanzer Konzil gefassten Beschlüsse zur grundlegenden Erneuerung des monastischen Lebens ihren Anfang und wurde in den folgenden Jahrzehnten gerade auch aufgrund ihrer engen Verbindung mit der Wiener Universität zu einem treibenden intellektuellen und kulturellen Faktor 15. Die mit den Reformanstrengungen einhergehende ,Bildungsoffensive‘ umfasste auch das volkssprachliche Schrifttum 16. Die deutschen Texte zur ,Unterschei12

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Cf. dazu die Ausführungen zur ,Probate spiritus‘-Kompilation, 611 sq., sowie zum Traktat ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘. Der göttliche Geist ist zwar als solcher unfehlbar, entzieht sich als ,objektive‘ Unterscheidungsinstanz jedoch dem Menschen. Da dieser dem göttlichen Geist stets nur vermittelt begegnet, muss er auch ihn der ,Unterscheidung der Geister‘ unterziehen. Zur handschriftlichen Überlieferung der Traktate cf. nt. 18, 47, 66 und 67. Zur Melker Reform cf. z.B. J. Angerer, Die Refom von Melk, in: Germania Benedictina. Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum, vol. 1. Bearbeitet von U. Faust und F. Quarthal, München 1999, 271-313; Chr. Glaßner, Stift Melk und die Melker Reform im 15. Jahrhundert, in: Fr. X. Bischof/M. Thurner (eds.), Die benediktinische Klosterreform im 15. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie 56), Berlin 2013, 75-91. Cf. W. Williams-Krapp, Konturen einer religiösen Bildungsoffensive. Zur literarischen Laienpastoration im 15. und frühen 16. Jahrhundert, in: Andreas Meyer (ed.), Kirchlicher und religiöser Alltag im Spätmittelalter. Akten der internationalen Tagung in Weingarten, 4.-7. Oktober 2007 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 69), Ostfildern 2010, 77-88.

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dung der Geister‘ fügen sich in die Programmatik der Reformtheologen ein, Laien durch geeignete Schriften zur Selbstpastoration zu befähigen. Zugleich lassen sie darauf schließen, dass auch einem akademisch nicht versierten Publikum die Auseinandersetzung mit komplexen und teilweise widersprüchlichen Sachverhalten zugemutet und zugetraut worden ist. II. Die Ir r tumsproblematik in drei volkssprachlichen Unterscheidungstraktaten 1. ,Probate spiritus‘-Kompilation Bei der ,Probate spiritus‘-Kompilation handelt es sich um eine volkssprachliche Bearbeitung des überaus populären Traktats ,De quattuor instinctibus‘ Heinrichs von Friemar 17. Überliefert ist sie in drei Handschriften aus der Mitte bzw. aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, von denen zwei nachweislich aus dem Kontext der Melker Reform stammen 18. Im Vergleich zum lateinischen Text weist sie sowohl eine Reihe von Kürzungen als auch zahlreiche Einschübe auf 19. Zudem schließen sich an die deutsche Version der Friemar-Schrift zwei eigenständige Traktate an, die in der Forschung die Titel ,Fünf Arzneien gegen die Anfechtungen des Teufels‘ und ,Von zweierlei Gewissen‘ erhalten haben 20. Beide Traktate werden bereits im Prolog der ,Probate spiritus‘-Kompilation angekündigt, so dass sie von vornherein zum Textbestand gehört haben dürften und keine nachträgliche Interpolation darstellen 21. Ebenso wie Heinrich behandelt die ,Probate spiritus‘-Kompilation alle vier Geister. Allerdings nimmt sie in der Reihenfolge eine leichte Veränderung vor. Während ,De quattuor instinctibus‘ nacheinander die Zeichen des göttlichen, englischen, teuflischen und natürlichen Geistes darlegt, teilt der deutsche Text die signa des bösen Geistes auf. Vier seiner Zeichen nämlich richten sich gegen den göttlichen Geist und werden daher zwischen die Ausführungen zum instinctus divinus und zum instinctus angelicus eingeschoben. Die anderen vier Zeichen, 17

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Knappe Ausführungen zu Überlieferung und Inhalt der ,Probate spiritus‘-Kompilation finden sich in Warnock/Zumkeller, Der Traktat (nt. 6), 91-97. Es handelt sich um folgende Handschriften: München, BSB, Cgm 830, fol. 1r-40v (Augsburg, Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra); München, BSB, Cgm 784, fol. 95r-125v (Benediktinerkloster Scheyern); Graz, UB, Ms. 1035, fol. 288v-320v (Herkunft unbekannt). Weggelassen werden u. a. solche Textpassagen, die zwar Heinrichs gelehrt-akademischen Hintergrund durchscheinen lassen, aber kein relevantes Wissen zur eigentlichen Unterscheidungsthematik - und damit zur Sicherung des Seelenheiles - beinhalten. Zu den Hinzufügungen gehört u. a. ein langer Exkurs zu den achtzehn Namen des Heiligen Geistes, der in das vierte Zeichen des göttlichen Geistes inseriert wird (München, BSB, Cgm 830, fol. 6r-15v). Cf. Warnock/Zumkeller, Der Traktat (nt. 6), 91. Cf. ibid., 92. Im Prolog werden die Friemar-Übersetzung und die beiden anderen Traktate als drei Teile (dreu stuck) eines zusammenhängenden Textes ausgewiesen. Cf. München, BSB, Cgm 830, fol. 2r.

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die sich gegen den englischen Geist richten, bleiben dagegen an ihrem ursprünglichen Ort. Dieser formale Eingriff sichert nicht nur den unmittelbaren Bezug zwischen den beiden guten Geistern und ihrem diabolischen Widerpart. Er lässt den teuflischen Geist für den Leser oder die Leserin auch stärker präsent werden, zumal die überproportional langen Ausführungen des lateinischen Texts zum natürlichen Geist zugleich eine starke Kürzung erfahren 22. Diese Umgewichtung steht im Einklang mit der gegenüber Heinrichs Traktat veränderten Anthropologie der ,Probate spiritus‘-Kompilation. Für den Augustinereremiten gilt der natürliche Geist als besonders gefährlich: „Quartus instinctus dicitur naturalis. Qui summopere est vitandus, quia nimis periculose impugnat hominem spiritualiter proficere cupientem.“ 23 Die Fokussierung des Traktats auf den instinctus naturalis kündigt sich bereits im Prolog an. Signifikant ist hier vor allem die Einbindung des Leitzitats 2 Kor 11,14: „Et horum 24 differentiam non est facile comprehendere, quia frequenter angelus Satanae ,se transfigurat in angelum lucis‘, et multotiens creditur esse gratiae, quod est naturae.“ 25 Die Verstellungskunst Satans wird also unmittelbar auf die Verwechslung von Natur und Gnade bezogen, der Heinrich auch den Rest des Prologs widmet. Der natürliche Geist imitiert den göttlichen Geist, indem er etwa zur Gottesliebe aufruft 26, ist aber zu einer sicheren Erkenntnis dieses Selbstbetrugs nicht befähigt. Heinrich bekräftigt die daraus resultierende Unsicherheit des Menschen über den eigenen Heilsstatus mit Ecclesiastes 9,1: „Propter quod recte scribitur Ecclesiastis 9: ,Nemo scit, an amore vel odio dignus sit‘, hoc est: an actus, quem elicit, procedat a lumine gratuito vel a lumine naturali.“ 27 Demgegenüber nimmt die ,Probate spiritus‘-Kompilation Heinrichs Schärfe bei der negativen Beurteilung des natürlichen Geistes zurück, ohne indessen seine Gefährlichkeit zu leugnen: „Der vierd gayst wirt benamet der natürlich oder menschlich, der gar vil zuo fliechen ist.“ 28 Anders als im lateinischen Traktat gilt der instinctus naturalis in der volkssprachlichen Bearbeitung nicht als per se schlecht, sondern als durch den Teufel verführt. Dieser Umakzentuierung entsprechend beginnt die ,Probate spiritus‘-Kompilation mit einem eigenständigen Prolog. 22

23 24 25 26 27 28

In ,De quattuor instinctibus‘ nehmen die Ausführungen zum natürlichen Geist etwa die Hälfte des Textes in Anspruch. Zu dieser Dominanz des instinctus naturalis cf. auch Anderson, The Discernment (nt. 3), 82-89, bes. 87. In der ,Probate spiritus‘-Kompilation dagegen umfassen die Darlegungen zum natürlichen Geist nur etwa ein Fünftel des Gesamttraktats. Warnock/Zumkeller, Der Traktat (nt. 6), 194, 3 sq. Gemeint sind die vier Einflüsse. Warnock/Zumkeller, Der Traktat (nt. 6), 152, 13-15. Cf. ibid., 152, 20-154, 22. Ibid., 154, 26-28. München, BSB, Cgm 830, fol. 24r. Alle Zitate aus der ,Probate spiritus‘-Kompilation sind dieser Handschrift entnommen. Für dieses und alle weiteren Zitate aus den frühneuhochdeutschen Texten gelten folgende Normalisierungsmaßnahmen: u/v-Ausgleich, i/j-Ausgleich, Auflösung von Abbreviaturen, Regulation von Groß- und Kleinschreibung (Erstere nur bei Namen und Satzanfängen), Einführung einer modernen Interpunktion. Schrägtrema wird zudem als normales Trema wiedergegeben.

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Auch hier findet sich das Leitzitat 2 Kor 11,14, das jedoch, wie es seinem Inhalt eigentlich gemäß ist, auf das betrügerische Wirken des teuflischen Geistes bezogen wird: „Und also werdent wir vil betrogen und abgefürt durch den Sathan, unsern widersacher, der sich oft verwandlet in ainen engel des liechtes, yeczund in mitleiden, yeczunt in trost, yeczund in überiger und grosser vorcht. Für ainen yedlichen berayt er sein waffen, nach dem und der mensch genaigt ist.“ 29

Der bedrohliche Tenor von Ecclesiastes 9,1 entfällt in der ,Probate spiritus‘Kompilation. Stattdessen enthält der Prolog die Zusicherung, dass Gott einen demütigen Menschen nicht verlassen werde 30. Gleichwohl bleibt der instinctus naturalis wie in der lateinischen Vorlage ein Gefährder des Seelenheiles. Gezeichnet ist er jedoch nicht als grundsätzlich verdorben, sondern als ausgesprochen irrtumsanfällig. Ihr Fundament hat diese Irrtumsanfälligkeit darin, dass der natürliche Geist seine eigene Ambiguität verkennt. Zwar begreift er sich als Ebenbild Gottes, aber er ignoriert die Schwächung seiner intellektuellen und voluntativen Fähigkeiten durch den Sündenfall 31. Diese Fehlbewertung seiner selbst lässt ihn einerseits zum Betrogenen werden, insofern er nämlich bei der ,Unterscheidung der Geister‘ versagt: „Nach der sünd der ungehorsamen Adam ist menschlich vernunfft dunckel und also vinster worden, daz die gar hart erkennen kan underschaydenlich allen gayst und rat, zuo welchem end sy stürend.“ 32 Andererseits wird er zum Betrüger, der unter dem Einfluss des teuflischen Geistes in der Maske des Guten auftritt und dadurch eine für das Seelenheil zerstörerische Wirkung entfaltet. Dies sei anhand eines Beispiels illustriert. In den Ausführungen zum natürlichen Geist als Gefährder der innerlichen Gnadengaben findet sich folgende Passage: „Und wann die sel also sich gibt zuo betrachten nüczlich, durch den gayst der genaden vermant, so zuotregt und fürwürft der natürlich gayst ain ander gaystlich materii, dar inn sy hatt wolgevallen und enpfint fräud und trost oder layd und reü, dar durch die frucht der ersten betrachtung, die von gott eingeben ward, gar underzogen und erstört wirt. Und die sel verhengt dem naturlichen liecht und scheczt, es sey gar haylig von sollicher entpfintlichait wegen; und also wirt sy dar durch betrogen.“ 33

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33

Ibid., fol. 1r. Cf. ibid., 1v. Ibid., fol. 24r/v: „Wann menschlichs natürlichs liecht ist geformiert nach dem bild und liecht gotz, und des vertröst sich die sel ze vil. Und sollichs erkennt der tüffel, der zuo stüret und gibt auch seinen rat. Und wil doch die sele nicht erkennen, das unser vernunfft durch die sünd Adam ist verplendett worden; und wirt geleicht zuo dem ewigen liecht als das liecht der nachteylen gegen dem liecht des tags.“ Der ursprünglich aus der aristotelischen Metaphysik stammende Vergleich zwischen Vernunft und ,Nachteule‘ (ursprünglich handelt es sich um eine Fledermaus; cf. Aristoteles, Metaphysica II, 993b 9-11) ist auch in der volkssprachlichen Literatur geläufig. Zur philosophischen Diskussion der Aristoteles-Stelle cf. C. Steel, Der Adler und die Nachteule. Thomas und Albert über die Möglichkeit der Metaphysik (Lectio Albertina 4), Münster 2001. Ibid., fol. 1r. Der durch Blattverlust fehlende Satzbeginn wurde nach Graz, UB, Ms. 1035 ergänzt. Ibid., fol. 30r.

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Der natürliche Geist unterbricht also die vom göttlichen Geist eingegebene Versenkung der Seele in einen Betrachtungsgegenstand, indem er ihr ein anderes, vermeintlich noch fruchtbringenderes Thema zur Meditation vorschlägt. Der Grund für diese Verführung durch den natürlichen Geist liegt in der ,Verkrümmung‘ der natürlichen Liebe durch den Sündenfall, so dass sie statt zu Gott hin von Gott wegstrebt. Diese verkehrte Ausrichtung steht unter der Schirmherrschaft des bösen Geistes, der sie erkennt und unterstützt. Die Folge ist die Ausdörrung der Seele 34, da diese nicht dazu in der Lage ist, sich durch das Verharren in einem gottgegebenen Betrachtungsgegenstand mit Gott zu vereinen: „Und sollichs verainen mag die natürlich lieb, die gekrümmet ist worden durch Adam, nit geleiden, und fürwürfft anders zuo gedenken, dar durch die sel abgezogen und gerüfft wirt von dem ersten betrachten und andacht. Dar zuo vil steüret der bösz gayst mit seinem ratt, wann er erkentt die naigung naturlichs liechts und hilfft ir bedencken, dar zuo sy begird hatt; und also wirt die sel lab und kalt an inprünstiger göttlicher lieb und wirt dürr an veichtigkait der edlen süssen andacht.“ 35

Versagen bei der ,Unterscheidung der Geister‘, Irrtum und Sünde fallen in der ,Probate spriritus‘-Kompilation stets zusammen. Harmlose oder zumindest für das Seelenheil irrelevante Irrtümer gibt es hier nicht. Wie aber kann sich der Mensch aus dieser misslichen Lage befreien? Gibt es eine dem ,natürlichen Geist‘ eingeprägte irrtumsfreie Instanz, die einen inneren Maßstab bereithält, um seelische Impulse richtig einzuordnen? Eine Antwort auf diese Frage gibt der Traktat ,Von zweierlei Gewissen‘ 36. Er ist in zwei Teile untergliedert: Im ersten - hier relevanten - Teil werden ein irrtumsfreies und ein irrendes Gewissen unterschieden; im zweiten Teil wird das Problem der perplexio diskutiert, also die Frage, was zu tun ist, wenn der Mensch sich in einem moralischen Dilemma befindet 37. Vom irrtumsfreien Gewissen wird explizit gesagt, dass es gegenüber dem teuflischen Einfluss immun ist. Daher ist ihm immer Folge zu leisten, will der 34

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Gemeint ist die geistliche Trockenheit, die ariditas spiritualis. Das Ausdörren der Seele als Zeichen eines tatsächlichen oder vermeintlichen Gnadenmangels gehört zu den intensiv behandelten Themen spätmittelalterlicher Reformtheologen. Zu Jean Gerson, dessen Einfluss sich in zahlreichen volkssprachlichen Unterscheidungsschriften - auch den hier behandelten - bemerkbar macht, cf. S. Grosse, Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter. Studien zu Johannes Gerson und Gattungen der Frömmigkeitstheologie seiner Zeit (Beiträge zur Historischen Theologie 85), 14 sq. Cf. auch weiter infra die Ausführungen zum Traktat ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘, 618, 621. München, BSB, Cgm 830, fol. 30r/v. Cf. supra 609. Auch der Gewissensbegriff wurde von den spätmittelalterlichen Reformtheologen intensiv diskutiert und weitläufig differenziert. Cf. Grosse, Heilsungewißheit (nt. 34), 10 sq. Zu den Voraussetzungen für die Verwendung des Gewissensbegriffs in der deutschsprachigen Literatur und zu den Interrelationen zwischen akademischen und volkssprachlichen Diskussionen des Gewissens im Hoch- und Spätmittelalter cf. die grundlegende Studie von U. Störmer-Caysa, Gewissen und Buch (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 14 [248]), Berlin 1998. Cf. dazu Störmer-Caysa, Gewissen (nt. 36), 54 sq.; Grosse, Heilsungewißheit (nt. 34), 13.

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Mensch keine tödliche oder zumindest lässliche Sünde begehen 38. Dieses irrtumsfreie Gewissen sichert die richtige Grundausrichtung des Menschen auf das Gute, denn es strebt ununterbrochen danach, dem Willen Gottes gleichförmig zu sein 39. Keineswegs aber handelt es sich um eine Instanz, welche unverrückbar die sittlichen Grundsätze bewahrt und dadurch eine untrügliche innere Richtschnur für das menschliche Denken, Reden und Handeln bietet. Der Unterschied zwischen dem irrtumsfreien und dem irrenden Gewissen besteht vielmehr darin, dass Ersteres erst dann eine Entscheidung trifft, wenn es absolut sicher ist, dass diese mit dem göttlichen Willen übereinstimmt. Den Maßstab für diese Kongruenz trägt es jedoch nicht in sich selbst. Es ist vielmehr auf schriftlich fixierte Normen oder geistliche Beratung angewiesen 40. Steht beides nicht zur Verfügung, ist das irrtumsfreie Gewissen zur Handlungsunfähigkeit verurteilt: „Also halt die gewissen sich auffgezogen und urtaylt nichtz, bis sy ratt pfligt ir obern, das ist ir beychtvätter oder ander gelerten, und sunderlich der wolgenieten gottforchtigen menschen. Nach dem selben rat und nit nach irem plinten gewissen urtaylt sy.“ 41

Als Unterscheidungsinstanz ist das irrtumsfreie Gewissen damit weitgehend depotenziert. Damit bestätigt der Traktat ,Von zweierlei Gewissen‘ die Grundtendenz der ,Probate spiritus‘-Kompilation, zwar die richtige Strebensrichtung des ,natürlichen Geistes‘ anzuerkennen, seine Unterscheidungskompetenz jedoch in Zweifel zu ziehen. In seiner Selbstbeobachtung bleibt er stets der Irrtumsgefahr ausgesetzt. Als Lösung für dieses Problem schlägt der Traktat zwei Strategien vor: Zum einen präsentiert er im Anschluss an Heinrich von Friemar eine Fülle von Kriterien, die sich auf den inneren wie äußeren Menschen beziehen und in ihrer Gesamtheit eine erfolgreiche Geisterunterscheidung wahrscheinlich machen sollen 42. Er stellt also eine Art heuristisches Instrumentarium 38 39

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Cf. München, BSB, Cgm 830, fol. 37v. Cf. ibid., fol 38r. In seiner Irrtumsfreiheit und seiner konsequenten Ausrichtung auf das Gute erinnert das irrtumsfreie Gewissen an die synderesis der akademischen Theologie. Allerdings beruht seine Irrtumsfreiheit nicht auf ihm innewohnenden allgemeinen Prinzipien. Der Text gibt auch keinen Hinweis darauf, dass das irrtumsfreie Gewissen dem irrenden Gewissen übergeordnet ist. Zudem bleibt es terminologisch unbestimmt. Zur synderesis bei Gerson cf. Grosse, Heilsungewißheit (nt. 34), 60 sq. München, BSB, Cgm 830, fol. 37v: „Der selben ist allzeit zuo volgen, wann sy in allen dingen gott geleich ist und nichtz erwelt auffzenemen oder zuo lassen, sy sey dann gewisz und versichert durch geschrifft göttlicher warhayt oder durch gehorsam und gottförchtigen rat, daz das selb sey der will gottes oder nit wider gottes willen.“ Ibid., fol. 38v. Diese Kriterien sind keineswegs singulär in der geistlichen Literatur des Spätmittelalters. Es handelt sich vielmehr um konventionelle Merkmale des gottzugewandten und des gottfernen Menschen, die den vier Geistern zugeordnet werden. So entsteht zwar eine gewisse Systematik, die jedoch durch die Vielzahl von sich wiederholenden Aspekten kontinuierlich unterlaufen wird. So sind z. B. Güte und Demut als zweites Zeichen des göttlichen Geistes ausgewiesen (ibid., fol. 2v-3v). Beide Aspekte sind jedoch derartig allgemeine Tugenden, dass sie als spezifisches Signum nur geringe Aussagekraft besitzen. Dementsprechend tauchen sie im weiteren Textverlauf auch bei den Ausführungen zu anderen Zeichen immer wieder auf.

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für die discretio spirituum bereit. Zum anderen empfiehlt er anders als Friemar, aber im Anschluss an zeitgenössische Frömmigkeitstheologen wie den auch im deutschsprachigen Raum überaus einflussreichen Jean Gerson immer wieder 43, sich nie auf das eigene Urteil zu verlassen, sondern in Demut dem Rat eines erprobten gottesfürchtigen Menschen Folge zu leisten 44. Die Gefahr eines Scheiterns der ,Unterscheidung der Geister‘ kann durch diese Strategien allerdings nur minimiert, nicht endgültig gebannt werden. 2. ,Von Unterscheidung der Geister‘ Eine andere Möglichkeit, die Irrtumsproblematik zu beherrschen, entwickelt der Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘. Er stellt eine vom sogenannten ,Tegernseer Anonymus‘ angefertigte Teilübersetzung des ,Decaperotision‘ dar 45, einer 1447 verfassten Schrift des Tegernseer Benediktiners Johannes Keck 46. Überliefert wird er in vier Handschriften aus der Mitte bzw. aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die alle im Kontext der Melker Reformbewegung zu verorten sind 47. 43

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Gerson, Kanzler der Pariser Universität, war die dominante Gestalt der Reformtheologie des 15. Jahrhunderts, für die sich in der Forschung die Bezeichnung ,Frömmigkeitstheologie‘ etabliert hat. Cf. Williams-Krapp, Konturen (nt. 16), 80. In Gersons Schriften spielt die ,Unterscheidung der Geister‘ eine wichtige Rolle; mehrere Traktate hat er exklusiv zu diesem Thema verfasst. Zur ,Frömmigkeitstheologie‘ cf. auch weiter supra, 626 sq., mit nt. 108. Zur deutschsprachigen Gerson-Rezeption im 15. Jahrhundert cf. H. Kraume, Die Gerson-Übersetzungen Geilers von Kaysersberg. Studien zur deutschsprachigen Gerson-Rezeption (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 71), München 1980; Y. Mazour-Matusevich, Gerson’s Legacy, in: B. P. McGuire (ed.), A Companion to Jean Gerson (Brill’s Companions to the Christian Tradition 3), Leiden-Boston 2006, 357-399, bes. 360-371. Die Aporie, dass ja auch diese Wahl dem Irrtum unterliegen kann bzw. dass der gewählte Mensch selbst irrtumsanfällig ist, wird aus den Ausführungen ausgeklammert. Zur stellvertretenden Gewissensentscheidung der Ordensoberen bei Gerson cf. Grosse, Heilsungewißheit (nt. 34), 51, 83 sq. Zum Schaffen des ,Tegernseer Anonymus‘ cf. W. Höver, Theologia Mystica in altbairischer Übertragung. Bernhard von Clairvaux, Bonaventura, Hugo von Balma, Jean Gerson, Bernhard von Waging und andere. Studien zum Übersetzungswerk eines Tegernseer Anonymus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 36), München 1971. Zur Entstehung des ,Decaperotision‘ cf. H. Roßmann, Der Tegernseer Benediktiner Johannes Keck über die mystische Theologie, in: M. Bodewig e. a. (eds.), Das Menschenbild des Nikolaus von Kues und der christliche Humanismus. Die Referate des Symposions in Trier vom 6.8. Oktober 1977 und weitere Beiträge. Festgabe für Rudolf Haubst zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden, Mitarbeitern und Schülern (Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 13), Mainz 1978, 330-352, hier 341; U. Treusch, Bernhard von Waging (ó 1472), ein Theologe der Melker Reformbewegung. Monastische Theologie im 15. Jahrhundert?, Tübingen 2011, 42. Es handelt sich um folgende Handschriften: München, BSB, Cgm 813, fol. 261r-273v (Benediktinerkloster Tegernsee; Vorbesitz: Anna Aychstöckin); Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. b VI 15, fol. 281r-288v (Salzburg, Benediktinerabtei St. Peter); München, BSB, Cgm 778,

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Anders als die ,Probate spiritus‘-Kompilation, die Irrtum ausschließlich als moralisches Irregehen und damit als Sünde fasst, bemüht sich der Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘ in dieser Hinsicht um eine Entlastung des natürlichen Geistes. Er erkennt ihm Freiräume des Agierens zu, in denen er zwar dem Irrtum unterliegen kann, ohne dass dieser jedoch für das Seelenheil relevant wäre. Unterschieden werden drei Grade der Gewissheit: die purgerleich oder sitleich Gewissheit (certitudo civilis), die natürleich Gewissheit (certitudo naturalis) und die übernatürleich Gewissheit (certitudo supernaturalis) 48. Diese drei Gewissheiten sind wiederum doppelt strukturiert, indem sie zum einen als Gewissheit der Begierde in Ausrichtung auf das Gute und zum anderen als Gewissheit der Vernunft in Ausrichtung auf das Wahre ausgelegt werden. Es ergibt sich also ein System von sechs Gewissheiten 49. In Bezug auf die ,Unterscheidung der Geister‘ ist wichtig, dass der Traktat zwar ebenso wie die ,Probate spiritus‘-Kompilation davon ausgeht, dass die menschliche Seele kontinuierlich den Einflüssen der diversen Geister ausgesetzt ist 50. Allerdings wird der natürliche Geist nicht dadurch gelähmt, dass er diese Einflüsse ständig auf ihre Herkunft überprüfen muss und sich damit - sofern er keinen äußeren Rat einholen will oder kann - der Gefahr des sündhaften Irregehens aussetzt. Der Traktat zieht vielmehr eine Trennlinie zwischen , gewöhnlichen‘ und ,ungewöhnlichen‘ seelischen Ereignissen, und allein Letztere müssen der ,Unterscheidung der Geister‘ im eigentlichen Sinne unterzogen werden. Auf den Ebenen der bürgerlichen oder sittlichen und der natürlichen Gewissheit reicht die Alltagserfahrung des Menschen aus, um zu beurteilen, ob eine Seelenregung gut oder schlecht ist. Denn sie haben es allein mit , gewöhnlichen‘ Impulsen zu tun, die keiner akribischen Überprüfung ihres Ursprungs bedürfen: „Erscheynung, gesicht und sentiment, dy da gewonleich sind und geübten tugentlichen personen geschehen, denselben gunst geben, verhengen und sy aufnemmen allain zu purgerleicher gewishait oder natürleicher, dy auch nicht offenwar ist, ist nicht schedleich noch unrecht getan; mer, es gehört zu der tugent genannt dy lerleichayt.“ 51

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fol. 92v-98r (Benediktinerkloster Tegernsee); Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. b II 10, fol. 93r-109r (Salzburg, Frauenkonvent zu St. Peter). Zur Unterscheidung der drei Gewissheiten cf. München, BSB, Cgm 813, fol. 262r/v. Wie bereits Höver, Theologia Mystica (nt. 45) festgestellt hat, steht hier Gerson im Hintergrund. Höver verweist auf die teilweise wörtlichen Übereinstimmungen mit Gersons Schrift ,De consolatione theologiae‘. Cf. ibid., 145 sq. Das von Johannes Keck verfasste ,Decaperotision‘ als Vorlage des deutschen Traktats kannte Höver noch nicht. Zur Identifikation dieser Quelle cf. K. Schneider, Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Cgm 691-867 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V, 5), Wiesbaden 1984, 315. Cf. München, BSB, Cgm 813, fol. 262r/v. Ibid., fol. 261r/v: „Nucz und gar fruchtper ist gotes oder des engell geyst yn uns redent mügen erckennen und schayden von eynlassung durch pöz geyst oder von aygem geyst des fleysch, auch vom geyst dieser werltt, wann dye geyst all gewonleich zükhümen.“ Dieses und alle folgenden Zitate aus dem Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘ sind der Handschrift München, BSB, Cgm 813 entnommen. Ibid., fol. 267v.

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Der Hinweis auf die Tugend der lerleichayt - der docilitas oder Gelehrigkeit lässt bereits darauf schließen, dass hier, im Bereich der , gewöhnlichen‘ Seelenregungen, auch der Irrtum seinen anerkannten Platz hat. An anderer Stelle bezieht der Traktat dazu explizit Stellung. Wenn der Mensch von der moralischen Qualität eines inneren Impulses überzeugt ist und diesem folgt, sich dies im Nachhinein aber als fehlerhafte Einschätzung herausstellt, ist dieser Irrtum nicht heilsrelevant. Er trägt vielmehr zum Erkenntnisfortschritt bei: „Yedoch yn der matery, dy da nicht bedorff eines höhern übernatürleichen liechtes gewishayt - wann sy ist nicht unterligen dem glauben noch der hoffnung noch der lieb noch einem andern, daz disen zügehöret -, wird der mensch entschuldiget yn aufnemung eines nicht waren oder pözen und yn verschmähung eines güten, so es doch allain war oder güt erscheynet, und so des menschen gemüt nicht üppig und eyttl gefunden werde und aygenn synnen ze vil anhenge; auch so er beraytt, dise volendung und behalttung ze verlassen und hynlegen, ob ym zükhümet ein ebengeleiche oder ein krefftigere von dem widersacz.“ 52

Als Faustregel gilt: Wenn eine , gewöhnliche‘ innere Regung subjektiv als , gut‘ beurteilt wird, dann muss sie zunächst einmal als solche akzeptiert werden. Als Beispiel nennt der Traktat das innere Verlangen nach einer Andachtsübung. Dieses Verlangen darf nicht von vornherein unter Verdacht gestellt werden: „Enpfindestu glüsst nach vernufft ym werck der tugent und yn übung der andacht, so sol dicz sentiment nicht übel verdacht werden, auch nicht mit merer denn mit natürleicher offenwarheit erforschet und bewäret werden.“ 53

Damit unterscheidet sich der Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘ eklatant von der ,Probate spiritus‘-Kompilation, die auf einer Ermittlung des Ursprungs aller inneren Impulse besteht, und der ein solches Grundvertrauen auf die eigene Bewertungskompetenz im Bereich der , gewöhnlichen‘ Seelenregungen als Anmaßung und damit bereits als sündhaft gilt. Den angemessenen Ort für die discretio spirituum sieht der Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘ im Bereich der ,ungewöhnlichen‘ „Erscheinungen, Empfindungen und Inspirationen“. Sie sind als möglicher Betrug des Teufels zu Recht mit Argwohn zu betrachten und müssen daher einer detaillierten Überprüfung unterzogen werden 54. Diese Evaluation fällt zunächst in den Bereich der bürgerlichen bzw. der natürlichen Gewissheit. Für ihre Durchführung stellt der Traktat im Rückgriff auf die Unterscheidungsschrift ,De probatione spirituum‘ Jean Gersons ein differenziertes Befragungsraster zur Verfügung 55, das sich auf den äußeren Lebenswandel und die moralische Disposition der betroffenen Per52 53 54

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Ibid., fol. 266r/v. Ibid., fol. 267v-268r. Ibid., fol. 268r: „All ungewönleich erscheynung, sentiment und eyngeystung süllen verdacht werden allz einlassung durch dy pözen engell.“ Cf. Höver, Theologia Mystica (nt. 45), 146 sq. Die unmittelbare Vorlage des Traktats ,Von Unterscheidung der Geister‘ ist allerdings keine Gerson-Schrift, sondern Johannes Kecks ,Decaperotision‘, das auf Gerson zurückgreift. Cf. auch nt. 48.

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son, den Inhalt der durch den Geist vermittelten Lehre, die Gestalt seines Auftretens und seinen Ursprung bezieht 56. Wenn die Anwendung dieses umfangreichen Katalogs versagt, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder muss eine übernatürliche Gewissheit etwa eine prophetische Erleuchtung - die Wahrhaftigkeit des Geistes bestätigen 57 oder er muss auf jeden Fall abgewiesen werden: „Eyn yegleicher geyst, der da erscheynet mit allzo höher bewegung, daz zü seinem gericht nicht genügsam ist noch sich ausstrecken mag purgerleich oder naturleich gewishayt noch gelaub, hoffnung oder lieb, söllicher geyst sol übel verdacht werden […] und sol auch nicht aufgenommen werden allz lang, piz darczüe khöm ein offenwarung, dy da stet ym lyecht prophetleiches einstremen oder ym lyecht der glory.“ 58

Die Bewältigung des Irrtums in diesem Traktat geschieht also dadurch, dass er anders als die ,Probate spiritus‘-Kompilation zwischen Irrtum und Sünde differenziert. Solange der Mensch im Alltagsleben von der moralischen Rechtmäßigkeit seines Denkens und Tuns überzeugt ist und die Bereitschaft hat, eventuelle Irrtümer bei besserer Einsicht zu korrigieren, macht er sich keines heilsrelevanten Vergehens schuldig. Deshalb ist hier die ,Unterscheidung der Geister‘ als akribische Seelenprüfung überflüssig. Erhalten bleibt die Irrtumsproblematik in ihrer Schärfe auf der Ebene der ,ungewöhnlichen‘ seelischen Phänomene. Zwar bietet das Befragungsraster eine Möglichkeit, sie zumindest einzuschränken, letzte Gewissheit über den himmlischen oder teuflischen Ursprung eines auftretenden Geistes lässt sich jedoch nicht gewinnen. 3. ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘ Die 1463/64 verfasste Schrift ,De spiritualibus sentimentis‘ des Tegernseer Benediktiners Bernhard von Waging handelt „vom Schmecken und Sehen Gottes im mystischen Erleben“ 59. Die Fokussierung des Traktats insbesondere auf den gustus spiritualis tritt vor allem in seinem ersten Teil deutlich zutage. So handelt etwa das vierte Kapitel im Rückgriff auf verschiedene kirchliche Autori56

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Cf. München, BSB, Cgm 813, fol. 269r-270v. Insgesamt werden sechs ,Umstände‘ des Auftretens erfragt. Als Beispiel sei hier der vierte ,Umstand‘ zitiert, der sich - ähnlich wie der erste auf die betroffene Person bezieht: „Zum vierden mal ist ze mercken, wyeleich [= welich] dy person sey: ob sy sey höfleich, üppig, fürnemmisch und begirig zö sollichen gesichten, auch glängig nach neuen wunderleichen und übernatürleichen sentimenten; ob sy sey hochmütig, gröz gespräch, vil reden und in grozzen wunderleichen wandeln ob ir selbs etc.“ Da die ,Unterscheidung der Geister‘ hier nur auf den Spezialfall der ,ungewöhnlichen‘ seelischen Ereignisse bezogen wird, ist sie nicht als Selbstbefragung angelegt, sondern als externe Evaluation durch einen ,Unterscheidungsexperten‘. Offen bleibt, wie die Wahrhaftigkeit einer solchen übernatürlichen Bestätigung festzustellen ist. Derartige Aporien sind typisch für den Unterscheidungsdiskurs. Cf. supra, nt. 44 sowie die Ausführungen zum Traktat ,Von wahrer und falscher Andacht‘, 628. Ibid., fol. 270v. Treusch, Bernhard von Waging (nt. 46), 189.

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täten von der Kostbarkeit jener ,Süße‘, die das geistliche Schmecken des Göttlichen kennzeichnet 60. Um genau diese Süße, deren Wertschätzung fest im geistlichen Schrifttum des Spätmittelalters verankert ist 61, wird es in den folgenden Ausführungen gehen. Denn parallel zur Anerkennung des sinnlich-affektiven Empfindens, das als Ausweis der Präsenz des Göttlichen gilt, findet seine Problematisierung statt. Vielgelesene Frömmigkeitstheologen wie Jean Gerson weisen nachdrücklich auf die mit der geistlichen Süßigkeit verbundenen Gefahren hin: Zum einen kann ihr Versiegen zu der falschen Annahme führen, nicht mehr in der Gnade Gottes zu stehen 62. Zum anderen bleibt die tatsächliche Herkunft des Süßigkeitsempfindens stets im Unklaren 63. Beide Aspekte können zur scrupulositas und damit zu einer existentiellen Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Heilsstandes führen. Die Artikulation der Zweifel am göttlichen Ursprung des gustus spiritualis ist genuiner Bestandteil des Unterscheidungsdiskurses. Dieser thematisiert jedoch nicht nur die , geistliche Süßigkeit‘ als solche. Um ein adäquates Instrumentarium der discretio spirituum ausbilden zu können, analysiert er sorgfältig die Voraussetzungen und Umstände ihres Auftretens. Denn auch wenn der gustus spiritualis die inneren Sinne plötzlich und unerwartet affizieren kann, so gewinnt er seine Attraktivität für die Gläubigen doch gerade dadurch, dass er sich durch bestimmte Praktiken provozieren lässt. Diese Praktiken - im Mittelhochdeutschen als üebunge bezeichnet - gehören in den Bereich der devotio oder andaˆht. Abweichend vom modernen Sprachgebrauch ist unter ,Andacht‘ also nicht allein die religiöse Versenkung zu verstehen, sondern ein umfassendes, Körper und Geist einbeziehendes Geschehen 64. Diese performative Dimension tritt zutage in asketischen Übungen sowie gestischen und mimischen Ausdrucksformen, welche die devotio vorbereiten, begleiten und die Intensität des inneren Erlebens schließlich - im Jubilus - nach außen tragen. Um diesen emotionalen Ausnahmezustand als authentische Gotteserfahrung deklarieren zu können, bedarf es aller60

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München, BSB, Clm 18598, fol. 11r: „De gustus spiritualis dulcedinis pretiositate, excellentia et utilitate ex dictis et experientia patrum sanctorum. Capitulum quartum.“ Cf. auch die Überschriften zum elften und sechzehnten Kapitel des ersten Teiles: „De his, per quae ad gustum suavitatis internae homo disponitur habilisque et idoneus efficitur. Capitulum undecimum“ (ibid., fol. 32r); „Utrum in hac vita mortali sit possibile deum ab homine devoto in contemplatione videri et mente per gustum suavitatis attingi “ (ibid., fol. 50r). Die leicht normalisierte Kapitelschreibung folgt hier derjenigen von S. Kaup. Cf. ead., Bernhard von Waging - sein literarisches Werk als Spiegel zentraler Themen der benediktinischen Klosterreform, in: Bischof/Thurner (eds.), Die benediktinische Klosterreform (nt. 15), 11-53, hier 43 sq. Der Beitrag führt auf den Seiten 43-47 alle Kapitelüberschriften von Bernhards Schrift auf. Cf. dazu die ausführliche Studie von F. Ohly, Süße Nägel der Passion. Ein Beitrag zur theologischen Semantik (Saecula Spiritalia 21), Baden-Baden 1989. Cf. Grosse, Heilsungewißheit (nt. 34), 15. Cf. ibid., 26, 91-93. Cf. dazu J. Thali, andacht und betrachtung. Zur Semantik zweier Leitvokabeln der spätmittelalterlichen Frömmigkeitskultur, in: B. Hasebrink e. a. (eds.), Semantik der Gelassenheit. Generierung, Etablierung, Transformation (Historische Semantik 17), Göttingen 2012, 226-267, bes. 243.

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dings der Erfüllung einer entscheidenden Voraussetzung: Gott selbst muss die intensive Fokussierung des Menschen auf ihn honorieren, indem er sich der Seele mitteilt. Nur dann ist das Schmecken der , geistlichen Süßigkeit‘ als subjektive Erfahrung zugleich Ausdruck einer objektiven, wenngleich transzendenten Realität. Hier aber liegt das Einfallstor für den Irrtum: Denn die Qualität des sinnlichen Empfindens ist unabhängig davon, ob sie tatsächlich von der Gottespräsenz bewirkt wird oder ausschließlich das Resultat jener artifiziellen Stimulation des Begehrens ist, die den Andachtspraktiken eignet 65. Daher zielt die ,Unterscheidung der Geister‘ darauf, den jeweiligen Kontext zu durchleuchten, in den die devotio eingebunden ist, um auf dieser Basis Anhaltspunkte für die Bewertung der inneren Erfahrung des Göttlichen als ,echt‘ oder ,unecht‘ zu ermitteln. Dabei geht es allerdings nicht darum, die zur Hervorrufung und Intensivierung der andaˆht notwendigen Übungen generell zu diskreditieren oder das Schmecken der suavitas dei grundsätzlich als selbstinduzierte Täuschung zu verwerfen. Vielmehr begleitet der Unterscheidungsdiskurs die zur devotio anleitenden oder diese beschreibenden Texte als Korrektiv, ohne ihren Wahrheitsanspruch außer Kraft zu setzen. Dieses spannungsreiche Mit- und Gegeneinander entfaltet sich in exemplarischer Weise im Traktat ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘. Überliefert ist dieser Text in sechs Handschriften aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, von denen drei benediktinischer Provenienz sind 66. Auch die beiden weiteren Codices, deren Herkunft nachweisbar ist, stammen aus dem Kontext der monastischen Observanzbewegungen 67. Inhaltlich schließt der Traktat an die ,Probate spiritus‘-Kompilation an, indem er eines ihrer großen Themen - die Verwechslung von Natur und Gnade - aufnimmt. Allerdings konzentriert er sich mit seinen Ausführungen zu den Gefahren der sinnlichaffektiven Andacht auf einen wichtigen Aspekt, der in der ,Probate spiritus‘Kompilation weitgehend ausgeklammert wird 68. Diesen inneren Zusammenhang beider Traktate spiegelt auch die Überlieferung wider: In allen drei Handschriften, welche die ,Probate spiritus‘-Kompilation tradieren, schließt ,Von Unter65

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Cf. dazu auch N. Largier, Die Kunst des Begehrens. Dekadenz, Sinnlichkeit und Askese, München 2007, 10. München, BSB, Cgm 830, fol. 48v-60v (Augsburg, Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra); München, BSB, Cgm 784, fol. 125v-134r (Benediktinerkloster Scheyern); Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. b II 10, fol. 1r-21r (Salzburg, Frauenkonvent zu St. Peter). München, BSB, Cgm 96, fol. 104r-118r (Püttrich-Regelhaus München); München, BSB, Cgm 457, fol. 233r-247v (Augustinerchorherrenstift Indersdorf). Nicht bekannt ist die Herkunft der Grazer Handschrift (Graz, UB, Ms. 1035, fol. 320v-330v). Die ,Probate spiritus‘-Kompilation behandelt zwar die Zerstörung der „edlen süssen andacht “ durch den natürlichen Geist und warnt in diesem Zusammenhang vor dessen Täuschungsfähigkeit, da er eine ebenso intensive Sinnesempfindung wie der göttliche Geist hervorzubringen vermag. Cf. supra 611 sq. Zum eigentlichen Thema wird die ,falsche‘ Andacht in der ,Probate spiritus‘-Kompilation jedoch nicht.

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scheidung wahrer und falscher Andacht‘ entweder unmittelbar an diese an 69 oder folgt ihr mit geringem Abstand 70. ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘ gliedert sich in drei Teile, die in je unterschiedlicher Weise die mit der sinnlichen Dimension der Andacht verknüpfte Irrtumsproblematik behandeln. Der zweite und dritte Teil stellen inhaltliche Ausgestaltungen des ersten Teiles dar, indem sie das dort behauptete Gefährdungspotenzial der sogenannten ,empfindlichen‘ Andacht ausdifferenzieren. Die folgende Analyse der drei Teile möchte - wie bereits angekündigt nicht nur herausarbeiten, mittels welcher Unterscheidungskriterien der Traktat die Gefahr einer verfehlten Andacht zu bannen versucht, sondern vor allem aufzeigen, wie sein ambivalentes Verhältnis zur geistlichen ,Süße‘ seine Argumentation unterläuft. Damit aber ist die discretio spirituum vom Scheitern bedroht. Wenden wir uns also dem ersten Teil des Traktats zu. Gleich zu Beginn setzt er ein starkes Signal, indem er die Andachtsdefinition des ,hochwürdigen Lehrers‘ Thomas von Aquin zitiert: „Andacht ist nit anderst dann ain beraytter guotter will zuo allem dem, das sich gebürt zuo göttlichem dienst, den zuo volbringen nach seinem vermügen.“ 71 Mit dieser Bestimmung von ,Andacht‘ als einer konsequenten Ausrichtung des Willens auf Gott bezieht die Schrift Position gegen ein Andachtsverständnis, das auf eine Stimulation der inneren Sinne zugunsten einer vom Alltagserleben abgehobenen Empfindung der Gottespräsenz zielt 72. Dass diese Definition vor dem Hintergrund devotionaler Praktiken als Provokation erscheinen muss, wird durch jene hypothetische Frage bestätigt, die direkt im Anschluss dem impliziten Adressaten des Textes in den Mund gelegt wird: „Nun möchtestu fragen: ,Wie kompt es, das ich dick in mir enpfind ainen sollichen beraytten willen und doch nit lust oder süssikayt?‘“ 73 Die hier implizierte Kritik an einer Andachtsdefinition, die den gustus spiritualis ausklammert, wird im Folgenden aufgegriffen und zu einer grundsätzlichen Unterscheidung ausgearbeitet, welche zwar nicht zur einer Verwerfung, aber doch zu einer entschiedenen Abwertung des geistlichen Genusses führt. 69 70

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So in München, BSB, Cgm 784 und in Graz, UB, Ms. 1035. So in München, BSB, Cgm 830. Hier steht zwischen den beiden deutschen Traktaten ein mehrseitiger lateinischer ,Cursus pro peccatis‘. München, BSB, Cgm 830, fol. 48v. Cf. Thomas von Aquin, S. th. II-II, q. 82, a. 1, c: „Unde devotio nihil aliud esse videtur quam voluntas quaedam prompte tradendi se ad ea quae pertinent ad Dei famulatum.“ Hier und im Folgenden sind die Zitate aus ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘ Cgm 830 entnommen. Cf. dazu Largier, Die Kunst (nt. 65), bes. 34-42. Cf. auch id., Inner Senses - Outer Senses. The Practice of Emotions in Medieval Mysticism, in: C. St. Jaeger/I. Kasten (eds.), Codierungen von Emotionen im Mittelalter/Emotions and Sensibilities in the Middle Ages (Trends in Medieval Philology 1), Berlin-New York 2003, 3-15; id., Die Phänomenologie rhetorischer Effekte und die Kontrolle religiöser Kommunikation, in: P. Strohschneider (ed.), Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, DFG-Symposion 2006, Berlin-New York 2009, 953-968. München, BSB, Cgm 830, fol. 49r.

„So werdent doch vil menschen dar inn betrogen.“

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Der Traktat differenziert zwischen zwei zwar nicht voneinander separierten, aber doch qualitativ ungleichwertigen Andachtsarten. Die erste entspricht der thomasischen Definition und wird gemäß ihrer Sinnlichkeitsferne als ,vernünftige‘, ,unempfindliche‘ bzw. ,unschmackhaftige‘ Andacht bezeichnet 74. Die zweite dagegen befriedigt das Verlangen nach geistlicher Lustempfindung und wird terminologisch als ,empfindliche‘ oder ,schmackhaftige süße‘ Andacht alternativ auch als ,empfindliche Süßigkeit‘ - gefasst 75. Die Argumentation des Traktats zielt nun zunächst darauf, die ,unempfindliche‘ Andacht als die ,eigentliche‘ Andacht zu erweisen, indem er die ,empfindliche‘ Andacht zu ihrem Derivat erklärt. Sie entstehe, wenn das Begehren des auf Gott ausgerichteten, vernunftgeleiteten Willens derartig überhandnehme, dass es sich den niederen Seelenkräften mitteilen müsse 76. Diese Affizierung der Sinnlichkeit sei jedoch weder notwendig noch wünschenswert. Denn zum einen bleibe sie für die ,wahre‘ Andacht unbedeutend 77, zum anderen bestehe stets die Gefahr, dass sie den Menschen in die Irre führe: „So werdent doch vil menschen dar in betrogen.“ 78 Das Insistieren des Traktats auf der alleinigen Geltung der ,unempfindlichen‘ Andacht dürfte vor dem Hintergrund der bereits erwähnten zeitgenössischen Auseinandersetzung mit der scrupulositas zu sehen sein. Denn als vernunftgeleitete Ausrichtung auf den göttlichen Willen ist die ,unschmackhaftige‘ Andacht ganz in die Verfügungsgewalt des Menschen gegeben 79. Damit bleibt sie vor der Anfechtungserfahrung eines plötzlichen Versiegens ebenso geschützt wie vor der Verwechslung gottgeschenkter Gnadenerlebnisse mit einer selbstinduzierten Erregung der inneren Sinne. Die ,eigentliche‘ Andacht ist im Kontext des Traktats daher irrtumsfrei 80. Hinsichtlich der Frage einer regelmäßigen Erreichbarkeit der ,empfindlichen Süßigkeit‘ gesteht der Traktat zwar jenen Menschen, deren innere Wohlverfasst74 75 76

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Cf. ibid., fol. 49r. Cf. ibid., fol. 49r, 52r, 52v. Ibid., fol. 49r: „Wann als lang die andacht und der berait will allain ist in den obersten kreften der sel, das ist in der vernunft, und im doch die guotten werck nit schmackhaftig sind, so wirt es gehayssen ain vernünftig andacht oder ain unschmackhaftige andacht. Aber wenn sein begird gemert wirt und zuonimpt und sich ertaylt in die andern kreft, so enpfindet der mensch enpfintlichen lust in derselben begird oder guotten werken.“ Ibid., fol. 50r/v: „Du solt zuomal aygenlichen wissen und behalten, das zuo volkommer warer andacht nit nott tuot enpfintliche sussikayt; wen der mensch aller mayst ist andechtig, des will mit guotter vernunft aller berayttest und gesterkett ist in göttlichem dienst nach der ordnung gottes oder seiner obern, die an gotz statt auff dem ertrich über in geseczt sind.“ Ibid., fol. 50r. Als vernünftiges Streben lässt sie sich auch gegen den Widerstand der Sinnlichkeit durchsetzen. Daher kann selbst derjenige im Vollsinne ,andächtig‘ sein, der seine bösen Neigungen nur mit Mühe im Zaum hält. Cf. dazu die Ausführungen ibid., fol. 50v. Die falschen Formen der ,süßen‘ Andacht werden zwar auch vom Menschen selbst bewirkt. Da sich die übermäßige Erregung der inneren Sinne jedoch der Kontrolle durch die Vernunft entzieht, kommt ihm keine Verfügungsgewalt über diese Erfahrungen zu. Deshalb erscheinen sie ihm als göttliches Gnadengeschenk. Dass der vernünftige Wille in seinem Begehren auf Gott ausgerichtet ist und hier keine Verwechslungsgefahr besteht, setzt der Traktat stillschweigend voraus.

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heit sich habituell verfestigt hat, einen leichteren Zugang zu ihr zu 81; zugleich aber macht er deutlich, dass ein derartiges Schmecken der suavitas dei auch im ganz auf Gott ausgerichteten Menschen niemals Konstanz gewinnt 82. Daher lautet sein Fazit: „Darumb, wenn dir innwendig enpfintliche süssikait oder andacht eingossen wirt, so solt du dich der also gebruchen, das du dester diemütiger werdest und dich der nit in türstikayt überhebest, wann sy wirt dir gar bald wider enzogen.“ 83 Kontinuität kommt allein der ,vernünftigen‘ Andacht zu. Die Gefahr einer Verwechslung von Natur und Gnade als eigentliches Thema der ,Unterscheidung der Geister‘ klingt im ersten Teil des Traktats zunächst nur an. Mit der deutlichen Abwertung der ,empfindlichen Süßigkeit‘ zu einem Akzidens der ,wahren‘ Andacht und der Warnung vor ihrem trügerischen Potential bereitet er die ausführlichen Erläuterungen des zweiten und dritten Teils zu verwerflichen Andachtsarten jedoch vor. Allerdings macht der Traktat in seinem ersten Teil auch deutlich, dass er keine Ablehnung des gustus spiritualis intendiert, bleibt dieser doch „ain guott zaychen warer andacht “ 84. Die dem Frömmigkeitsdiskurs des 15. Jahrhunderts eigene Spannung zwischen Wertschätzung und Problematisierung der ,schmackhaftigen‘ Andacht ist dem Traktat damit eingeschrieben. Nirgends zeigt sich das deutlicher als darin, dass der erste Teil des Traktats zwar den abgeleiteten Charakter der ,süßen‘ Andacht hervorhebt, ihre unterschiedlichen Intensitätsstufen jedoch mittels einer traditionellen Aufstiegsterminologie zum Ausdruck bringt: „Die erst ist genant begirlich, die ander geyttig, die trytt trunken oder unsinnig.“ 85 Während die erste Stufe nur durch die Unterwerfung der Sinnlichkeit unter die Vernunft gekennzeichnet ist 86, dringt der Überschwang des inneren Empfindens auf der zweiten Stufe im Jubilus nach außen: „Und der göttlich trost und süssikayt treipt denn aussz dem herczen allen weltlichen und leiplichen trost und alle süntliche begird; und in sollicher überschwenklicher süssikait so werdent dise menschen ettwen bewegt zuo lachen, ettwen zuo wainen, ettwan zuo singen und des geleichen.“ 87

Die geistliche Trunkenheit der dritten Stufe kann schließlich in den raptus münden: „Und die selben menschen werdent ettwen enzuckt und in grosse haymlichayt gefürt von got.“ 88 81

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Durch die konsequente Unterdrückung ihrer bösen Neigungen und ihrer Sinnlichkeit, die ein Hindernis bei der kontinuierlichen Ausrichtung des Willens auf Gott darstellen. Cf. ibid., fol. 51r. Als Gründe für den Entzug der geistlichen Süßigkeit durch Gott nennt der Traktat den Schutz vor geistlicher Hoffart, die Bewahrung vor einer zu starken Fokussierung auf derartige Gnadenerlebnisse und eigene Versäumnisse des Menschen. Cf. ibid., fol. 51r-52v. Ibid., fol. 52v. Ibid., fol. 50r. Ibid., fol. 49v. Ibid., fol. 49v: „In der ersten bistu, wenn du enpfindest, das alle dein sinnlichayt berayt ist und underworffen der vernunft zuo allen guotten werken aun alles widersprechen und widerbellen, und doch nit mit grosser innenwerung enpfintlicher süssikayt; und das beschicht gar vil guoten gaystlichen menschen.“ Ibid., fol. 49v-50r. Ibid., fol. 50r.

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Das Votum für die Irrelevanz der ,süßen‘ Andacht wird im ersten Teil des Traktats also modifiziert durch eine gegenläufige Struktur, welche die Stärke des inneren Empfindens zum Gradmesser für die Gottesnähe nimmt. Diesem Festhalten am Konzept der ,süßen‘ Andacht entspricht es, dass diese ungeachtet ihres Gefährdungspotenzials nie mit Negativausdrücken belegt wird. Allein für ihre verwerflichen Formen steht eine Sonderterminologie zur Verfügung, die jedoch erst im zweiten und dritten Teil Verwendung findet. Diesen Formen gemeinsam ist, dass sie die verschiedenen Grade der wahrhaftigen ,süßen‘ Andacht perfekt imitieren. Entlarven lassen sie sich daher nur durch eine sorgfältige Prüfung ihrer Entstehungsumstände. Der zweite Teil des Traktats befasst sich mit der „aygenschefftige[n] und hoffertige[n]“ Andacht 89, einer Abart der devotio, die an die unterste Stufe der wahrhaften ,süßen‘ Andacht gemahnt. Denn in ihrer Grundausrichtung ist sie weder durch den affektiven Überschwang des Jubilus noch durch den Überstieg aller Seelenkräfte im raptus gekennzeichnet. Vielmehr besteht sie in einer tiefen Seelenruhe, die sich als absolute Unterwerfung der Sinnlichkeit zugunsten einer vollkommenen Ausrichtung auf Gott missverstehen lässt 90. Erst die Aufdeckung ihrer Entstehungsumstände - wie sie der Traktat vornimmt - führt zu der Erkenntnis, dass dieser innere Frieden trügerisch ist, da er nicht aus der Basistugend der Demut hervorgeht. Vielmehr erwächst er aus selbstgewählten asketischen Praktiken, die der Text als narzisstisch, gemeinschaftsfeindlich und dem monastischen Gehorsamsgebot zuwiderlaufend diffamiert. Der observanten Programmatik entsprechend versteht er das Kloster nicht als Rückzugsort für einen individuell geübten Gottesbezug, sondern als religiöses Kollektiv, in dem sich Einzelinteressen den gemeinschaftlichen Gewohnheiten unterzuordnen haben. ,Demut‘ bedeutet in diesem Kontext daher nicht nur die Unterwerfung unter den Willen Gottes, sondern auch unter die Gebote der Konventsoberen: „Wann so vil andächtiger wirt der mensch gehayssen, so vil er mer seinen aigen freyen willen genczlich undertänig macht got und seinen obersten an gottes statt.“ 91 Der Traktat gibt nun keine explizite Anleitung zur ,Unterscheidung der Geister‘ - etwa in Form eines Fragerasters, wie dies Jean Gerson in ,De probatione spirituum‘ tut - 92, sondern führt drei Arten geistlicher Menschen vor, die der ,eigenschäftigen und hoffärtigen‘ Andacht anheimfallen. Ihnen gemeinsam ist der Irrtum, dass Andacht stets an devotionale Praktiken gekoppelt sein müsse. 89 90

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Ibid., fol. 53r. Schon Bernhard von Clairvaux verbindet ,heitere Ruhe‘ (mira serenitas) und ,volle Süßigkeit‘ (plena suavitas), wenn er über die Seelenruhe spricht. Cf. S. Plotke, Semantiken der Seelenruhe: tranquillitas, serenitas und impassibilitas in der paganen Antike, bei den Kirchenvätern und im lateinischen Mittelalter, in: B. Hasebrink e. a. (eds.), Semantik der Gelassenheit (nt. 64), 80-112, hier 106. München, BSB, Cgm 830, fol. 55v. Die Gehorsamsthematik spielt auch in der ,Probate spiritus‘Kompilation eine wichtige Rolle. Cf. dazu supra 616 sq. Cf. dazu auch supra die Ausführungen zum Traktat ,Von Unterscheidung der Geister‘, Gf. dazu supra 616 sq.

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Darüber hinaus missdeuten sie die Seelenruhe, die aus der regelmäßigen Durchführung dieser Übungen erwächst, als Indiz für ihre Gottbezogenheit, anstatt sie als hartnäckige Manifestation ihres ,Ich‘ zu erkennen. Die erste Gruppe besteht aus jenen, die bereits vor ihrem Eintritt ins Kloster eine bestimmte Praxis asketischer Übungen habitualisiert haben und diese auch im geistlichen Stand beibehalten, ohne sich um die Erlaubnis ihrer Vorgesetzten zu bemühen. Sie bezeichnet der Traktat als die „aygenwilligen andächtigen“ 93. Bei der nächsten Gruppe handelt es sich um jene, die durch das monastische Gehorsamsgebot in Verbindung mit der Arbeitsverpflichtung an ihrer individuellen Gebetspraxis gehindert werden und daher meinen, von der wahren Andacht ausgeschlossen zu sein 94. Größtes Missfallen innerhalb des zweiten Teils erregt jedoch die dritte Gruppe. Ihr gehören all jene geistlichen Menschen an, die sich nicht nur durch selbstgewählte Andachtsübungen von der Gemeinschaft separieren, sondern zudem auf asketische Virtuosität bedacht sind: „Und wenn sy also erfüllend iren aygen willen in sollicher übung, die doch nun allain ainen schein habent guotter werk, als da ist ungeordnet bet, salter lesen etc., wachen, so die andern schlaffen, und vasten, so die andern essend, und ettwann vasten mit wasser und brot, danne so vindent sy sich zuomal rüwig und gewinent ain wolgevallen an in selb und lassend sich dunken, es sey andacht, das sy ain sollich ding für die andern getan hand oder noch tuond.“ 95

In Entsprechung zur wahrhaften ,süßen‘ Andacht kann sich ihre heitere Seelenruhe zu einer affektiven Erregung steigern, die allerdings kein Ausdruck der Begierde ihres Willens nach Gott ist, welche sich den niederen Seelenkräften mitteilt. Das Stimulans ihrer inneren Bewegtheit ist vielmehr das vermeintliche oder tatsächliche Publikum ihrer asketischen Höchstleistungen: „Also die menschen bedunckt, das andre menschen das an in römend und sy darumb gaystlich schäczend, so tuond sy solliche werck mer und grosser und komment zuo sollicher beweglichayt irs herczen, das sy wainent von rechter andacht, als sy mainent.“ 96

Unverkennbar ist die Analogie zum Jubilus auf der zweiten Stufe der ,süßen‘ Andacht. Tatsächlich besteht der Irrtum nicht in einer Fehldeutung des subjektiven Empfindens - als ob ein ,künstliches‘ mit einem ,echten‘ Gefühl verwechselt würde - 97, sondern in der Verkennung seines Auslösers. So weit geht die Selbsttäuschung, dass die Betroffenen sich in ihren verbalen Äußerungen exakt 93 94

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Cf. ibid., fol. 53r/v. Zitat: fol. 53v. Ibid., fol. 53v-54r: „Also so sy geren in dem kor oder kirchen werend, so müssend sy sein in der kuchin oder in dem keler; so sy woltend betten, so müssend sy wäschen oder schuoch salben oder ander arbayt des geleichen tuon. So vallend sy dann in ungedult, in murmlung, und mainent, sy habent all ir andacht verschütt und verloren und klagent in in selbs und sprechent: ,Ach herre gott, wol was mein ding so richtig, e dann ich in den orden kam. Ich tet und liesz, was ich wolt und vand mich alle zeitt rüwig und andechtig.‘ “ Ibid., fol. 54v. Ibid., fol. 55r. Zwar handelt es sich um ein künstlich erzeugtes, jedoch nicht um ein künstliches Gefühl. Cf. A. Stephan, Zur Natur künstlicher Gefühle, in: id./Henrik Walter (eds.), Natur und Theorie der Emotion, 2. Aufl., Paderborn 2004, 309-324, bes. 315.

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so verhalten, wie es der konventionellen Vorstellung wahrer Gottesnähe entspricht. Sie bekennen nämlich ihre Unwürdigkeit: „Und so man sy römpt, so sprechent sy von innigem herczen: ,Ach, her got, ich tuo laider nücz guotz. Ich verlür mein zeit torlich.‘“ 98 Diese topische Demutsbekundung - mit der ungewollt die Wahrheit ausgesprochen wird - ist keine bewusste Irreführung der Bewunderer, sondern raffiniertes Vexierspiel des ,natürlichen Geistes‘. Zur Entlarvung dieser verfehlten Andachtsform schlägt der Traktat, wenn auch nur hypothetisch, zwei gegenläufige Taktiken vor: Entweder müssten die Konventsoberen die selbst auferlegten Übungen verbieten oder sie müssten die Betroffenen autoritativ auf ihre extravaganten Praktiken verpflichten. Beide Maßnahmen würden als Kränkung des Eigenwillens zu erbittertem Widerstand führen und damit den Selbst- wie Fremdbetrug aufdecken 99. Zusammenfassend lässt sich die ,eigenschäftige und hoffärtige‘ Andacht folgendermaßen bestimmen: Angeregt durch die habituelle Anwendung monastischer Praktiken übersteigt der ,natürliche Geist‘ gewissermaßen sich selbst. Aufgrund des egoistischen Charakters der Übungen trifft er in diesem Überstieg jedoch nicht auf Gott, der seinem Begehren antwortet, sondern begegnet sich selbst als einem nur vermeintlich Anderen. Der dadurch produzierte , gehobene‘ Seelenzustand äußert sich als tief empfundene, gleichwohl volatile Seelenruhe 100, die durch eine öffentlichkeitswirksame Intensivierung der Andachtspraktiken zu einer affektiven Erregung gesteigert werden kann. Der dritte Teil des Traktats gilt der ,eitlen und hoffärtigen‘ Andacht, eine Bezeichnung, die möglicherweise von Jean Gerson übernommen worden ist 101. Hier geht es nicht um die asketische Praxis, sondern um das Auseinanderbrechen der Einheit von adäquater Tugendübung, angemessenem Vernunftgebrauch und richtiger Willensausrichtung. Unterschieden werden drei Gruppen von Menschen, die zur Befriedigung ihres egoistischen Dranges nach ,süßer‘ Andacht jeweils einen dieser Aspekte im Übermaß erfüllen, während die Regulation durch die anderen beiden entfällt. Zunächst nennt der Traktat jene Menschen, die sich auf das Verüben , guter Werke‘ konzentrieren. Ihre Wahl fällt dabei jedoch exklusiv auf solche Tugendübungen, die jenen „enpfintlichen lust “ produzieren, der ihnen irrtümlich als Ausweis ihrer Andacht gilt. Ihr handlungsbestimmendes Motiv ist damit ausschließlich die Befriedigung ihrer - ganz auf die inneren Sinne verlagerten - Genusssucht. Ebenfalls zu dieser ersten Gruppe gehören jene, die aus ebenso verstiegenen wie unverständlichen metaphysischen Spekulationen Lustgewinn ziehen 102, 98 99 100 101

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Ibid., fol. 55r. Cf. ibid., fol. 55r/v. Bereits diese Anfälligkeit erweist sie als ,verkehrt‘. Dieser verwendet den Ausdruck im zweiten Brief an Barthe´lemier Clantier. Cf. Jean Gerson, Œuvres comple`tes, ed. P. Glorieux, vol. 2: L’œuvre e´pistolaire, Paris e. a. 1960, 99. München, BSB, Cgm 830, fol. 56v: „Es sind auch ettlich ausser in, die fleyssend sich ze reden von gaystlichen dingen mit hochen, vernünftigen und verborgen worten, als ob sy die hochen gotthayt und die hayligen dryvaltikayt durchgrunden wöllen, und in den selben worten habend sy grossen lust.“ Diese ,Lust‘ wird im Folgenden als „gaystlich enpfintliche süssikayt “ bezeichnet (fol. 57r).

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ohne dass sich diese intellektuelle Brillanz günstig auf ihre moralische Disposition und damit auf ihre Lebenspraxis auswirkt 103. Ähnlich narzisstisch verhalten sich die Angehörigen der zweiten Gruppe. Sie zeichnen sich zwar durch eine konstante Disposition ihres Willens zum Guten aus, allerdings ohne diese jemals in die Tat umzusetzen. Ihnen genügt zur Erzeugung jener affektiven Intensität, die für die ,süße‘ Andacht charakteristisch ist, das Bewusstsein ihrer vermeintlichen moralischen Vollkommenheit 104. Unklar erscheint zunächst, inwiefern sich „die dritten menschen, die da irrend in sollicher üppiger betrogner andacht “ 105, von den intellektuell ambitionierten Angehörigen der ersten Gruppe unterscheiden. Denn auch ihnen geht es um das möglichst tiefe Eindringen in die göttlichen Geheimnisse, und zwar mittels des „klaren Lichtes ihrer natürlichen Vernunft “ 106. Erneut zielt die Kritik des Traktates auf die uneingeschränkte Regentschaft des spiritus naturalis, der Selbstverwirklichung anstrebt, anstatt sich den im Kontext des Traktats anerkannten Regulativen zu unterwerfen: den Lehren der Heiligen Schrift und den Geboten des christlichen Tugendsystems 107. Damit schließt sich ,Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht‘ der frömmigkeitstheologischen Programmatik an, die vor allem das im Rahmen der spätmittelalterlichen Observanzbewegungen entstehende volkssprachliche Schrifttum dominiert 108. Die Leitwerte dieser Theologie und Frömmigkeit miteinander verbindenden, gezielt die Laienbildung propagierenden religiösen Richtung aber sind aedificatio, fructus und utilitas 109 - Grundkonstituenten eines tugendhaften, dem Gemeinschaftsleben ebenso wie dem 103 104

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Cf. ibid., fol. 57r. Ibid., fol. 57r/v: „[…] wann sy sich in der warhayt aygentlichen überhörnd, so vindent sy in in selbs ainen guotten vesten willen und fürsacz, ir leben zuo bessern und ir sitten genczlichen in rechter gelassenhayt und gehorsamme, in williger absterbung und armuot des gaystes, in ganzer lutterkayt leibs und gemüttes, und vindent sich auch berayt in dem willen zuo gedult in aller widerwärtikayt. Und so wechst in innen ain grosz gaystlich trost und fräde, also das sy nider vallent in dieff danckberkayt göttlicher genaden, von der sy gar reylich begabt sind, und gar bald dar nach velt in zuo, wie sy volkommen seyen, und mainent, das sy nun die obersten staffelen der tugent erlanget habend, so sy doch des in der warhayt durch übung sollicher tugentlicher werk an in selbs nie befunden haben.“ Ibid., fol. 58r. Cf. das Zitat in nt. 114. Cf. München, BSB, Cgm 830, fol. 58r. Cf. dort auch die Ausführungen zur ersten Gruppe, fol. 56v/57r. Der Begriff ,Frömmigkeitstheologie‘ wurde von Berndt Hamm in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt. Er beschreibt eine spezifische Art spätmittelalterlicher Reformtheologie, die in Abkehr von ,fruchtlosen‘ und ,spitzfindigen‘ akademischen Diskussionen und von abstrakten mystischen Spekulationen allein darauf zielt, dem Seelenheil des Menschen durch konkrete Anweisungen zu einem tugendhaften, gottgefälligen Dasein förderlich zu sein. Cf. dazu u. a. B. Hamm, Was ist Frömmigkeitstheologie? Überlegungen zum 14. bis 16. Jahrhundert, in: id. (ed.), Religiosität im späten Mittelalter (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 54), Tübingen 2011, 116-153. Cf. Chr. Burger, Aedificatio, Fructus, Utilitas. Johannes Gerson als Professor der Theologie und Kanzler der Universität Paris (Beiträge zur Historischen Theologie 70), Tübingen 1986. Gerson gilt als Leitfigur spätmittelalterlicher Frömmigkeitstheologie. Cf. auch supra 614 mit nt. 43.

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Seelenheil zuträglichen Daseins unter Ausschluss irrtumsanfälliger intellektueller Höhenflüge. Im Traktat führt das metaphysische Erkenntnisstreben in beiden Fällen zur Verwechslung von Natur und Gnade, insofern die Anstrengung des ,natürlichen Geistes‘ einen Erregungszustand verursacht, der in der Erfahrung innerer ,Süßigkeit‘ kulminiert. Die Herstellung dieser Intensität unterscheidet sich allerdings. Bei den Angehörigen der ersten Gruppe resultiert sie nicht unmittelbar aus der Ergründung göttlicher Geheimnisse, sondern aus dem ebenso abgehobenen wie geltungssüchtigen Reden darüber 110. Offen lässt der Traktat hier, inwieweit er bereits das Eindringen der Vernunft in die Sphäre des Göttlichen als übergriffig und damit als irrtumsbehaftet ansieht. Jedenfalls stellt er den Zugang zum Bereich der Transzendenz zumindest sprachlich unter Vorbehalt 111. Bei der dritten Gruppe dagegen ist die Stärke des inneren Lustempfindens direkter Ausdruck einer vermeintlichen Gotteserfahrung. Um diese terminologisch zu fassen, verwendet der Traktat zweimal das Signalwort betrachtung, dessen Bedeutung er durch das Epitheton tief zudem noch steigert. Im volkssprachlichen religiösen Schrifttum des Spätmittelalters verengt sich das zunächst weite semantische Spektrum von betrachten und betrachtung zunehmend auf die Herstellung göttlicher Präsenz durch die Meditation und Imagination von Ereignissen der Heilsgeschichte 112. Genau dies scheint auch hier gemeint zu sein 113. Die Affizierung der inneren Sinne hat ihren Höhepunkt im raptus, so dass die dritte Stufe der wahrhaften ,süßen‘ Andacht in Vollendung imitiert wird 114. Allein das Instrumentarium der ,Unterscheidung der Geister‘ kann diese falsche Andachtsform - die auch den heidnischen Philosophen zugänglich war 115 - demaskieren, und zwar durch die Beobachtung des äußeren Verhaltens der scheinbar 110

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Auf fol. 57r (Cgm 830) heißt es über sie, dass sie „iren fleisz dar auff legend, wie sy durch hoch gedenk oder verborgnu abgeschaidenn wort gaystlich enpfintliche süssikayt endlichen überkomend und sich mit sollichen hochen verborgen worten, von der gotthayt zuo reden, vor andern lütten beweisend, als ob sy ettwas seyent […]“. Indem er einen irrealen Vergleichssatz verwendet: „[…] als ob sy die hochen gotthayt und die heiligen dryvaltikayt durchgrunden wöllen […].“ Zum Kontext des Zitats cf. supra, nt. 102. Cf. Thali, andacht (nt. 64), 237 sq., 245-253, 265-267. Cf. das Zitat in der folgenden Anmerkung. München, BSB, Cgm 830, fol. 58r: „Die dritten menschen […] habend doch gar ain klar liecht naturlicher vernunft, also das sy durch dieff betrachtung hocher und verborgner wunderwerk gottes - als von seiner almechtigen göschöpfte aller creaturen und genadenreicher erlösung menschlicher natur, unauszsprechenlicher fröd ewiger sälikayt und des geleichen - in sollicher tieffen betrachtung zerfliessend sy in in selbs, das sy sich selbs verliesend in enpfintlicher süssikayt, die genant wirt extasis, das ist ain verzuckung des gaystes.“ Als ihr Paradigma gilt Sokrates. Cf. ibid., fol. 58v. Die Befürchtung, dass der Mensch mittels seiner Naturausstattung , gnadenhafte‘ Zustände erreichen kann, steht in einer längeren Tradition. Sie findet sich bereits bei mystischen Autoren des 14. Jahrhunderts. Cf. etwa Die Predigten Taulers, ed. Ferdinand Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Dublin-Zürich 1968 [Nachdruck der Ausgabe Berlin 1910], Pr. 19, 78, 16-23: „Das vierde gevengnisse ist suessekeit des geistes; do ane ist manig ewig mensche verirret […], do behalt die nature daz ire und wurt do lust genommen do man wenet Got nemen. Und daz sol men do ane pruefen, obe es Got oder nature gewesen si, obe der mensche sich vindet ungeruewig und in bandekeit, so ime die suessekeit enpfellet und enget […].“

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Begnadeten. Sie entlarven sich durch den Bruch des Demutsgebotes und die damit einhergehende negative Bewertung ihrer Mitmenschen: „Und wannen sich die selben umb das volkomen seczent und die andern urtaylend und vernichtent, so ist es nit ain werk des hayligen gaystes, sunder ain werk des naturlichen liechtes oder vernunft.“ 116 Daneben macht der Traktat für diejenigen Menschen, die der ,eitlen und hoffärtigen‘ Andacht anheimgefallen sind 117, noch ein weiteres - ihre körperlichen Ausdrucksformen betreffendes - Unterscheidungskriterium geltend: „Und noch so habend die selben gebrestenhäftigen menschen so grosz wolgevallen in sollichen iren ungeordneten werken, das sy in sollicher betrogner süssikayt oder entpfintlicher unnüczer andacht ain weile wainent, die andern lachent, dann so singent sy, dann so redent sy mit in selbs und vallent nider auff die erden und wüschent dann wider auff und treibend dann solliche ungebärde, die nit kompt von rechter andacht.“ 118

Ein derartig auffälliges Verhalten sei grundsätzlich Zeichen für eine Fehlform der Andacht: „Du solt fürwar wissen, das der haylig gaist nit würkt torliche geberd, sunder sein werk ist, das er seine kinder bewegt zuo stillikayt und senftmüttikayt.“ 119 Mit dieser Aussage ist nun jener Punkt erreicht, an dem die ,Unterscheidung der Geister‘ aufgrund der Ambiguität ihrer Kriterien endgültig zu scheitern droht. Denn Weinen, Lachen und Singen sind auch die Kennzeichen des Jubilus auf der zweiten Stufe der wahrhaftigen ,süßen‘ Andacht 120. Indem der Traktat dessen physische Signale hier apodiktisch zur ,Ungebärde‘ erklärt, gerät er in einen schwer auflösbaren Selbstwiderspruch hinein. Gerade diese Aporie macht jedoch deutlich, wie spannungsreich der spätmittelalterliche Frömmigkeitsdiskurs gewesen ist. Im Mit- und Gegeneinander differierender Andachtskonzeptionen und konfligierender Kriterien der ,Unterscheidung der Geister‘ offenbart er eine Vitalität, die im Begriff der ,Frömmigkeitstheologie‘ zunächst noch nicht miterfasst ist und verstärkter Aufmerksamkeit bedarf.

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München, BSB, Cgm 830, fol. 58v. Bereits mystische Autoren des 14. Jahrhunderts etablieren den Hang zum Verurteilen anderer Menschen als Negativkriterium, um Pseudo-Religiosität aufzudecken. Cf. z. B. Die Predigten Taulers, ed. Vetter (nt. 115), Pr. 10, 47, 35-48. Unklar ist, ob er seine Ausführungen zu diesem Punkt auf alle drei Gruppen oder nur auf die dritte bezieht. München, BSB, Cgm 830, fol. 59r/v. Ibid., fol. 59v. Cf. dazu supra 622.

Irrtum und Wahrheit - Die Auseinandersetzung Johannes Gersons mit wahren und falschen Visionen und Lehren. Versuch einer Kriteriologie Cornelius Roth (Fulda) Woran kann man erkennen, ob eine Offenbarung wahr oder falsch ist, ob eine Person, die Visionen hat, tatsächlich inspiriert ist oder eher krankhafte Züge trägt, ob eine Lehre wirklich der Wahrheit des Evangeliums entspricht oder irrig bzw. häretisch ist? Johannes Gerson (1363-1429), Kanzler der Universität Paris und geistliche Autorität im ausgehenden Mittelalter, hat sich ein Leben lang mit diesen Fragen beschäftigt. Er lebte in einer Zeit, in der nicht nur in der offiziellen Kirche durch das abendländische Schisma (1378-1417) die Frage nach wahr und falsch, nach rechtmäßigem oder unrechtmäßigem Papst, die Menschen bewegte, sondern auch im Bereich der Frömmigkeitsgeschichte die Fülle von Privatoffenbarungen in Klöstern und Gemeinschaften die Notwendigkeit mit sich brachte, Kriterien für die Unterscheidung der Geister zu entwickeln. Dazu kam in einer Zeit, die von einer permanenten Angst und Heilsungewissheit geprägt war, auch die Frage, nach welchen Eingebungen man sich selbst als gläubiger Mensch richten muss, um nicht verloren zu gehen. Aus der Perspektive des Irrtums, auf die ja bei dieser Tagung ein besonderes Gewicht gelegt wird, waren es also verschiedene „Irritationen“, die Gerson zu einer Kriteriologie der Unterscheidung der Geister geführt haben: das Schisma, die hohe Anzahl an Privatoffenbarungen und der geistliche Kampf des Menschen. Bei der Kriteriologie lassen sich in den Schriften Gersons objektive und subjektive Kriterien unterscheiden. Zu den objektiven Kriterien gehört v. a. das göttliche Gesetz, das auch „Gesetz des Herrn“ genannt wird 1, und sich unter anderem in der Hl. Schrift - besonders im Evangelium -, in der Tradition und in Jesus Christus selbst zeigt. Zu den subjektiven Kriterien zählt Gerson nach dem Traktat ,De distinctione verarum visionum a falsis‘ die Demut, die discretio, die Geduld, die Wahrhaftigkeit und die Liebe, während als negative Kriterien die sieben Hauptsünden - allen voran der Stolz - immer wieder auftauchen. 1

Die Werke Gersons werden zitiert nach der - allerdings nicht kritischen und damit weiterhin problematischen - Ausgabe von P. Glorieux (ed.), Jean Gerson. Oeuvres comple`tes, 10 vols., Paris 1960-1973. Eine ältere Ausgabe seiner Werke stammt von L. Ellies du Pin, 4 vols., Anvers 1706. Desweiteren gibt es kritische Ausgaben einzelner Traktate von A. Combes, S. E. Ozment e.a. Zum obigen Zitat cf. Jean Gerson, Centilogium de impulsibus, ed. Glorieux, vol. 7, 148: „ Haec est vera discretio spirituum, lex Domini “.

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Es begegnet aber auch das später in den geistlichen Übungen des Ignatius so wichtig gewordene Kriterium von Trost und Trostlosigkeit oder Freude und Traurigkeit, das als Erfahrungsweg (modus experimentalis) und kontemplativer Weg (modus contemplativus) auch bei der Prüfung der Geister eine Rolle spielt 2. Im Folgenden soll die Anwendung dieser Kriterien anhand der Haupttätigkeitsfelder Gersons - der Beurteilung von Privatoffenbarungen, der Beilegung des Schismas und der geistlichen Beratung von Menschen verschiedenster Herkunft dargestellt werden. I. Überspannte Frömmigkeit, Hochmut und Gier nach Zeichen als Gr und für Offenbar ung en Mit seinem Traktat ,De probatione spirituum‘, der auf dem Konzil von Konstanz aus Anlass der Beurteilung der Visionen Birgittas von Schweden veröffentlicht wurde, hat Gerson sich einen Namen als Lehrer der Unterscheidung der Geister gemacht. Sein ganzes Leben hat ihn das Thema der Prüfung von Visionen und Offenbarungen beschäftigt - sowohl vor als auch nach Konstanz -, nirgendwo hat er aber so systematisch über dieses Thema geschrieben. Es geht hier nicht darum, den Traktat als solchen vorzustellen 3, sondern im Sinn des Tagungsthemas auf die Irrtümer bzw. Einseitigkeiten in der Frömmigkeit der Zeit hinzuweisen, die Gerson dazu veranlassten, einen solchen Traktat zu verfassen. Gerson lebte zu einer Zeit, in der Visionen und Privatoffenbarungen Hochkonjunktur hatten. Das ausgehende Mittelalter war geprägt durch apokalyptische Ängste - die große Pest 1348-1350 konnte als eines von vielen Indizien für die Strafe Gottes und den Untergang der Welt gelten - und zum Teil durch übertriebene Frömmigkeitspraktiken, die nicht nur in Klöstern betrieben wurden. Denn es kam immer mehr zu einer „Demokratisierung“ und „Säkularisierung“ mystischer Erfahrungen 4. In einer solchen Situation hielt es der Kanzler 2

3

4

Es sind dies der zweite und vierte Weg in ,De probatione spirituum‘; cf. ed. Glorieux, vol. 9, 178 sqq. Cf. C. Roth, Discretio spirituum. Kriterien geistlicher Unterscheidung bei Johannes Gerson, Würzburg 2001, 163-179. Seither sind zwei weitere große Monographien zu Gerson erschienen: B. P. McGuire, Jean Gerson and the last Medieval Reformation, University Park (PA) 2005; M. Vial, Jean Gerson. The´oricien de la the´ologie mystique (E´tudes de philosophie me´die´vale 90), Paris 2006. Ich schließe mich hier den Definitionen von B. McGinn, Mystik im Abendland, vol. 3: Die Blüte, Freiburg 1999, 37 sq. an, der die Begriffe auf die „neue Mystik“ ab dem 13. Jahrhundert anwendet: „Mit ,Demokratisierung‘ meine ich in unserem Fall die Überzeugung, es sei nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch für alle Christen möglich, in den Genuß des unmittelbaren Bewußtseins der Gegenwart Gottes zu kommen. Mit ,Säkularisierung‘ meine ich hier, daß die Flucht aus der Welt nicht mehr als notwendige Vorbedingung galt, dieses Geschenk der göttlichen Gnade zu erlangen; vielmehr war man nun überzeugt, Gott könne im weltlichen Milieu und mitten in der Alltagserfahrung gefunden werden.“

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von Paris für notwendig, etwas Klarheit zu schaffen. In ,De probatione spirituum‘ tut er dies, indem er einerseits verschiedene Arten der Unterscheidung der Geister aufführt, eine lehrmäßige, an die Hl. Schrift gebundene Art (modus doctrinalis), eine aus der Erfahrung gewonnene Art (modus experimentalis), eine amtliche, das heißt an Amt und Charisma gebundene Art (modus officialis) und eine Mischform aus Lehre und geistlicher Erfahrung (modus contemplativus). Mit der Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister aus geistlicher Erfahrung heraus verbindet er das Charisma der discretio spirituum. Es handelt sich dabei um eine innere Inspiration, einen „inneren Geschmack“ oder das „Kosten“ einer göttlichen Süße, aus der heraus man den Unterschied zwischen wahren Offenbarungen und trügerischen Einbildungen erkennt 5. Interessanter ist aber in unserem Zusammenhang der Blick auf das Objekt der Unterscheidung, mithin auf Person, Inhalt, Motivation, Art und Weise sowie Herkunft von Visionen 6. Dabei sind die beiden ersten Punkte - Person und Inhalt - von besonderer Bedeutung. Was die Person betrifft, kann vieles schon im Vorfeld geklärt werden, wenn man weiß, ob ein Mensch gebildet oder ungebildet, alt oder jung, erfahren im Glauben oder neubekehrt ist. Auch der Unterschied zwischen einem gesunden und kranken Menschen wird immer wieder aufgeführt. Außerdem ist für Gerson von nicht unerheblicher Bedeutung, ob es sich um einen Visionär oder eine Visionärin handelt. Es ist nicht zu übersehen, dass er insbesondere Frauen mit Skepsis begegnet und ihnen am liebsten gestützt auf apostolische Autorität (Paulus) - jegliches öffentliches Lehren verbieten würde 7. Tatsächlich hängt die Inflation der Visionen im Spätmittelalter mit dem weiblichen Geschlecht zusammen 8 und es mag in Frauenklöstern dazu gekommen sein, „Visionen über Visionen täglich aneinanderzureihen“ 9. Doch liegt der 5

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Cf. Jean Gerson, De probatione spirituum, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 9, 178 und id., De distinctione verarum visionum a falsis, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 3, 47. Cf. Jean Gerson, De probatione spirituum, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 9, 180: „ Tu quis, quid, quare, cui, qualiter, unde require.“ Zum Thema der Unterscheidung der Geister - mit besonderem Blick auf die „Frauenfrage“ cf. W. L. Anderson, The Discernment of Spirits. Assessing Visions and Visionaries in the Late Middle Ages (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 63), Tübingen 2011; ead., „Varied and Strange Teachings“. Jean Gerson on Women, in: B. P. McGuire (ed.), A companion to Jean Gerson (Brill’s Companions tot he Christian Tradition 3), Leiden 2006, 293-317; Y. MazourMatusevich, La position de Jean Gerson (1363-1429) envers les femmes, in: Le Moyen Age 112 (2006), 337-353; D. Elliott, Seeing Double: John Gerson, the Discernment of Spirits, and Joan of Arc, in: American Historical Review 107 (2002), 26-54. P. Dinzelbacher, Vision und Visionsliteratur, Stuttgart 1981, 223-228, sieht einen Wechsel in den Trägern der Visionen im 13. Jahrhundert: „In der Zeit vom 6. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts ist die Vision fast reine Männersache. […] Im 14. Jahrhundert dominiert das weibliche Element bereits auch zahlenmäßig, nicht nur durch die vielen Visionärinnen der ,mystischen Klöster‘ wie Unterlinden, Töß, Weiler usf., sondern auch durch Persönlichkeiten, die Geschichte gemacht haben, wie Birgitta oder Katharina von Siena“ (ibid., 226). Mit Birgitta hat sich Gerson an einigen Stellen auseinandergesetzt. Cf. Roth, Discretio spirituum (nt. 3), 189-195. Jean Gerson, De examinatione doctrinarum, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 9, 467.

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Grund für die distanzierte Haltung Gersons gegenüber Visionärinnen wohl weniger in einer grundsätzlichen Ablehnung weiblicher Spiritualität - so schätzte er Jeanne d’Arcs Visionen und förderte das geistliche Leben seiner leiblichen Schwestern -, als vielmehr darin, dass er besonders bei Frauen und jungen Menschen zwei Gefahren sah, die für ihn häufig die Ursache einer falschen Vision sind: die Unerfahrenheit im geistlichen Leben und die Hinneigung zu Melancholie und Phantasterei, die zum Teil krankhafte Züge annehmen konnte. Bezüglich der Schwierigkeiten, die sich aus den allzu glühenden, teils überspannten Begeisterungsstürmen für Gott ergeben, schreibt Gerson: „Es sollte daher gefragt werden, ob eine Person neu im Eifer für Gott ist, weil eine neue Glut schnell getäuscht wird, wenn ihr die Führung fehlt; besonders bei jungen Leuten und Frauen, deren Brennen allzu groß, gierig, flatterhaft, zügellos und von daher suspekt ist.“ 10

Außerdem beobachtet der Kanzler bei einigen Anfängern im geistlichen Leben einen inneren, geistigen Hochmut, der besonders darin zum Ausdruck kommt, dass diese sich nicht dem Urteil eines anderen, erfahrenen Menschen unterwerfen wollen. Er zeigt sich aber auch in der Meditation: Wer diese am Anfang nicht klug (discrete) betreibt, wird aufgrund von Arroganz und Hochmut bald nur noch um sich selbst kreisen oder den Einbildungen und Versuchungen des Teufels zum Opfer fallen. Hinsichtlich des Inhalts und der Qualität von Visionen betont Gerson häufig, dass Offenbarungen, die nur das wiedergeben, was Gott in der Hl. Schrift schon gesagt hat, unnütz und von daher bedenklich sind 11. Ganz allgemein dürfen sie weder der Offenbarung der Hl. Schrift noch dem Gesetz der Vernunft widersprechen. Von daher kritisiert der Kanzler Visionen, die mit einem göttlichen Anspruch auftreten und sich anschicken, in manchen Kreisen an die Stelle der Hl. Schrift zu treten. Letztlich ist für ihn die Inflation der privaten Offenbarungen, aber auch der vielen Heiligsprechungen seiner Zeit - die mehr vom Volk als von der Kurie ausgingen - mit dem mangelnden Studium der heiligen Schriften verbunden. Es gilt die Regel: Je mehr Bibelstudium, umso weniger Visionen; und je geringer die Kenntnis der Hl. Schrift, umso größer die Bereitschaft für den Empfang neuer Offenbarungen. Ein weiterer Grund für das Aufkommen neuer Offenbarungen ist zudem die Neugierde und die im Spätmittelalter weit verbreitete Gier nach Zeichen. Viele Christen, die zum Teil auch von abergläubischen Praktiken „infiziert “ wurden, verhielten sich wie Ungläubige, die nur Zeichen suchen und dabei vergessen, dass ihnen die wesentlichen Zeichen - in Form der Sakramente der Hl. Schrift und dem Leben der anerkannten Heiligen - schon gegeben sind. Man sollte also mehr dem Evangelium glauben als den Erzählungen über vermeintlich hei10 11

Cf. id., De probatione spirituum, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 9, 180. Cf. ibid., 181; id., De distinctione verarum visionum a falsis, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 3, 55; id., De examinatione doctrinarum, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 9, 474.

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lige Personen. Positiv gewendet geht es ihm damit beim Inhalt von Visionen um die Bindung an die in der Kirche etablierten Formen der Offenbarung und bei ihrer Qualität um die Seltenheit und Außergewöhnlichkeit einer Erscheinung. II. Har tnäckig e Beratungsresistenz als Fehler der schismatischen Päpste Ein zweites Feld geistlicher Auseinandersetzung ist für Gerson die Papstfrage. Im Zusammenhang mit den Päpsten, die auf dem Konzil von Konstanz abgesetzt wurden 12, macht Gerson deutlich, dass die lex divina, näherhin die lex evangelica, das entscheidende Kriterium für die Beurteilung eines echten Stellvertreters Christi darstellt. Dabei geht es ihm weniger um allgemeine Gebote des Evangeliums, sondern ganz konkret um die Einheit der Kirche, die im Glaubensbekenntnis festgehalten ist und wogegen sich sowohl Johannes XXIII. als auch Benedikt XIII. durch ihr hartnäckiges Festhalten an der eigenen Macht schuldig gemacht haben. Sie haben damit beide nicht zum Aufbau, sondern zur Zerstörung der Kirche beigetragen. Zum anderen stellt Gerson gegen Benedikt besonders pointiert das Gebot der correctio fraterna als Gesetz des Evangeliums heraus. Der „Irrtum“ der Päpste liegt daher für Gerson nicht in irgendeiner Form der Häresie (wie es bei früheren Päpsten der Fall war 13), sondern in deren mangelnden Bereitschaft zu Frieden, Einheit und Versöhnung, welche in Zeiten des Schismas als Gebot des Evangeliums für Gerson zu einer autoritativen Norm geworden sind. Es sind also weniger Glaubensfragen im engeren Sinn, um die es ihm geht. Vielmehr treibt ihn in einer für die Kirche äußerst kritischen Situation die Umsetzung der Gebote und des Geistes des Evangeliums um. Die Sturheit und Hartnäckigkeit der nicht zum Abdanken bereiten Päpste hat Gerson dazu geführt, Prinzipien aus dem Evangelium und der Hl. Schrift herauszustellen, die in dieser Situation besonders wichtig sind, wie etwa die Bereitschaft zur Korrektur (Mt 18,17) oder der Wille zum Aufbau der Kirche (vgl. 2 Kor 10,8). Aber auch die subjektiven Kriterien sind bei der Bestimmung eines echten vicarius Christi von Bedeutung. Demut als Unterordnung unter das Gesamtwohl der Kirche und discretio im Sinn der Annahme eines guten Rates sind für einen Papst von entscheidender Wichtigkeit. Auch die Verpflichtung zur imitatio Christi wird hervorgehoben. Hier spielen Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft, der persönliche Ruf und der Aufbau der Kirche eine entscheidende Rolle. Letzteres ist aber nur möglich in der Kraft des Hl. Geistes, weswegen es darauf 12 13

Cf. Roth, Discretio spirituum (nt. 3), 267-295. Klassische Fälle eines papa haereticus sind Papst Honorius, dessen Zustimmung zum Monotheletismus durch das III. Konzil von Konstantinopel 681 verurteilt wurde (DH 550-552), und das Gerson noch präsentere Beispiel Johannes’ XXII., der seine als häretisch eingestuften Ansichten zur visio beatifica allerdings auf dem Sterbebett widerrief.

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ankommt, dass der Papst selbst ein spiritueller Mensch ist. Als eine weitere notwendige päpstliche Tugend wird die Liebe genannt. Die objektiven Kriterien, an denen ein rechtmäßiger Papst gemessen wird, stehen und fallen dabei für Gerson mit den subjektiven Kriterien der Demut, der discretio und der Liebe. Anders ausgedrückt: Selbst ein Papst, der eventuell häretisch geworden ist, kann noch ein echter Papst sein, wenn er die beschriebenen positiven Tugenden besitzt, wenn er sich also demütig - wie einst Petrus von Paulus - zurechtweisen lässt, wenn er klug mit der ihm anvertrauten Macht umgeht und in Liebe alles sucht, was zum Frieden und der Einheit der Kirche beiträgt. Das Ziel aller kirchlichen Vollmacht sind nämlich Liebe, Frieden und Einheit. Vor allem der bedingungslose Einsatz für den Frieden macht nach Gerson die Echtheit eines Papstes aus. Jeder Papst muss sich daran messen lassen, ob er ehrlich und in vernünftiger, sinnvoller und aussichtsreicher Weise nach der Lösung des Schismas und nach dem Frieden in der Kirche sucht. Diese Suche kann so weit gehen, dass er bereit ist, zum Wohl der Kirche abzudanken. Die Charakteristik eines unwürdigen bzw. „falschen“ Papstes kann Gerson auch anhand der sieben Hauptsünden aufzeigen, denn das Grundübel der Verweigerung der correctio fraterna ist nichts anderes als eine Form von Hochmut. Daneben ist im Zusammenhang mit der Simonieanklage gegen Johannes XXIII. auch auf die Habsucht zu verweisen sowie auf alle Sünden, die der bona fama des Papstes schaden. Gerson beurteilt also mit den Kriterien der Unterscheidung der Geister nicht nur Visionäre und Charismatikerinnen, sondern auch den Papst. Stehen bei den ersteren mehr der Charakter der Person und ihre Offenbarungen auf dem Prüfstand, so geht es beim Papst vor allem um sein Verhalten im Schisma. Obwohl die Situationen also völlig verschieden sind - hier private Offenbarung, dort öffentliche Verantwortung -, sind die objektiven und subjektiven Kriterien zur Bestimmung von „wahr“ und „falsch“ doch auffallend ähnlich. In beiden Fällen ist die demütige Unterwerfung unter das göttliche Gesetz als wahrer discretio spirituum Zeichen eines guten Geistes, die hochmütige Behauptung aber, sich selbst Gesetz zu sein, Zeichen eines schlechten. Letzteres kann bei überzeugten Charismatikerinnen ebenso auftreten wie bei hartnäckigen, beratungsresistenten Päpsten. Desweiteren ist bei Charismatikern wie bei Päpsten die Bereitschaft, auf den Rat und das Urteil einer anderen Instanz zu hören, Zeichen eines guten Geistes, ob diese Instanz nun der Beichtvater oder geistliche Begleiter ist oder das Konzil als Repräsentant der Universalkirche. Zeichen eines schlechten Geistes ist hingegen die Verweigerung der correctio fraterna. III. Angst und Heilsung ewissheit als Problem der einfachen Gläubig en Ging es bei der Beurteilung von Visionen und Offenbarungen und dem Verhalten der Päpste um die Unterscheidung der Geister bei anderen, so steht für

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Gerson in zahlreichen Traktaten auch die eigene Person im Mittelpunkt des Interesses. Wie kann der einzelne Christ, der sich hier auf Erden auf dem Pilgerweg befindet (und deshalb von Gerson gerne viator genannt wird), bei sich selbst die Geister unterscheiden? Ausgangspunkt ist dabei die Situation der Anfechtung im geistlichen Kampf, in dem der viator ein Leben lang steht. Wie schon erwähnt, haben Angst und Heilsungewissheit den spätmittelalterlichen Menschen geprägt 14. Gerson möchte hier mit psychologischen Kriterien der Unterscheidung der Geister Hilfen an die Hand geben, wie man die verschiedenen Versuchungen des Feindes erkennt und sie von guten Antrieben unterscheiden kann. Ausgerichtet ist der Prozess auf die Entscheidung für das Gute. Der angefochtene Christ soll lernen, sich im Leben wie im Sterben für Gott und das Gute zu entscheiden. Hier werden Linien sichtbar, die bis zu den Regeln der Unterscheidung der Geister bei Ignatius von Loyola (1491-1556) führen 15. Damit wird ein Feld eröffnet, das in der Gerson-Forschung meines Erachtens immer noch unterbelichtet ist. Gerne wird der Kanzler von Paris als jemand betrachtet, der den einfachen Menschen durch seine Predigten und Traktate eine katechetische Grundlage vermitteln wollte, an die sie sich im Leben, vor allem in der Anfechtung, halten können. In diesem Bereich hat er tatsächlich viel geleistet, wenn man an all die Schriften denkt, in denen er die Glaubensinhalte in Form der zehn Gebote, sieben Hauptsünden, die christlichen Tugenden, wichtigsten Gebete etc. systematisch darstellt, aber auch konkrete Ratschläge zum geistlichen Leben, wie zur Beichte oder zum Verhalten in Krankheit und Sterben, gibt 16. Hier versteht er sich als Lehrer und Erzieher der einfachen Christen, der klare Weisungen aufzustellen hat, damit diese nicht vom Weg des Glaubens abirren. Allerdings erschöpft sich die Intention Gersons nicht darin, die Kontrolle über die Seelen der Gläubigen zu erlangen. Vielmehr möchte er den Menschen seiner Zeit - seine leiblichen Schwestern waren hier für ihn paradigmatisch 17 objektive und subjektive Kriterien an die Hand geben, die es ihnen erleichtern, selbständig die Geister in den vielfältigen Meinungen der Welt zu unterscheiden. 14

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Cf. S. Grosse, Heilsungewißheit und Scrupulositas im späten Mittelalter. Studien zu Johannes Gerson und Gattungen der Frömmigkeitstheologie seiner Zeit (Beiträge zur historischen Theologie 85), Tübingen 1994. Cf. Roth, Discretio spirituum (nt. 3), 339-378. Paradigmatisch für die unzähligen Traktate auf diesem Gebiet steht das ,Opus tripartitum‘, bestehend aus dem ,Miroir de l’aˆme‘ (ed. Glorieux [nt. 1], vol. 7/1, 193-206), dem ,Examen des consciences selon les sept pe´che´s mortels‘ (ed. Glorieux [nt. 1], vol. 7/1, 393-400) und der eine Gattung mitbegründenden ,Science de bien mourir‘ (ed. Glorieux [nt. 1], vol. 7/1, 404-407). Etliche für die psychologische Unterscheidung der Geister maßgeblichen Traktate sind an die Schwestern gerichtet; cf. e.g. Jean Gerson, La montaigne de contemplation, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 7/1, 1-21; id., Traite´ des diverses tentations de l’ennemi, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 7/1, 343-360; id., Dialogue spirituel, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 7/1, 158-193; id., Neuf conside´rations, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 7/1, 1 sqq.; id., Onze ordonnances, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 7/1, 55 sqq.

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Das Evangelium, die Gebote Gottes, das Leben Jesu und der Heiligen sollen dem Pilger nicht nur Objekte der Verehrung sein, sondern auch Leitfaden für das eigene geistliche Leben. Ähnlich ist es mit solchen Tugenden wie der Demut und discretio, die Gerson nicht abstrakt behandelt, sondern an schlichten und einfachen Menschen wie Maria und Joseph exemplifiziert und damit zur Nachahmung empfiehlt. Zur Anschaulichkeit seiner Darstellung dienen ihm dabei auch die zahlreichen Bilder und Allegorien, die er besonders in den volkssprachlichen (altfranzösischen) Traktaten und Predigten benutzt. Die Befähigung zur persönlichen geistlichen Unterscheidung in Situationen der Angst und der Anfechtung ist daher ein Anliegen Gersons, das nicht vergessen werden darf. Er erweist sich hier als geistlicher Lehrer, der stark von der Spiritualität der Wüstenväter beeinflusst ist und dieses Wissen einfachen Menschen vermitteln will. Ohne Zweifel liegt darin ein neuer Anstoß für die Geschichte der Spiritualität. Während Bernhard von Clairvaux (1090-1153) im Hochmittelalter noch exklusiv für kontemplativ lebende Mönche schreibt, kann Gerson am Ende des Mittelalters sagen: „Ich habe, wie es mir scheint, klar gezeigt, dass es keine verlorene oder ungehörige Angelegenheit ist, zu einfachen Menschen über das kontemplative Leben zu sprechen, um sie darin einzuführen, wie man Gott lieben, verkosten und schmecken kann durch heilige und süße Gefühle. (…) Wenn das so ist, dann erkennt ein einfacher Mensch Gott besser, denn indem er liebt empfängt er Werke in seiner Seele (…), die kein Kleriker oder Philosoph aufgrund äußerer Werke oder vernünftiger Überlegungen empfangen kann. Hier kann wirklich das Wort Jesu herangezogen werden, der seinem Vater dankt, dass er die hohen Geheimnisse den Kleinen offenbart, den Weisen dieser Welt aber verborgen hat “ 18.

IV. Fazit: Geistliche und theologische Probleme als Anstoß zur Unterscheidung der Geister Es sind im allgemeinen keine Irrtümer im Sinn von Häresien, die Gerson zur Entwicklung seiner Kriterien zur Unterscheidung der Geister geführt haben. Vielmehr muss man seine Einlassungen auf diesem Gebiet wohl als geistliche Antwort auf bestimmte „Irritationen“ seiner Zeit verstehen. Die Schwierigkeiten, mit denen die Kirche im ausgehenden Mittelalter zu tun hatte, sind für Gerson zum Anlass geworden, konsequent geistliche Kriterien, die er aus der Tradition - von den Wüstenvätern bis zu Bonaventura - gewonnen hat, auf die konkrete Situation anzuwenden. Was bedeuten die Ausrichtung am Evangelium, am Gesetz Gottes und an Jesus Christus oder auch an Demut, Klugheit (discretio) und Liebe ganz konkret für die Päpste im Schisma, für die Frauen, die Visionen empfingen, und die einfachen Leute, die ihren Weg als Pilger auf dieser 18

Cf. id., La Montaigne de contemplation, ed. Glorieux (nt. 1), vol. 7/1, 20 sq.

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Erde gehen? Gerson bemüht sich ein Leben lang darauf Antworten zu geben und ist so ein Reformer ganz eigener Couleur. Es sind nicht neue Methoden, die er entwickelt oder neue Erkenntnisse, die er gewonnen hat und von einem „Erfolg“ seines Wirkens kann auch nur begrenzt gesprochen werden (auch wenn das Schisma auf dem Konzil von Konstanz beendet wurde). Vielmehr liegt seine „Leistung“ darin, Regeln und Kriterien zur Prüfung der Geister konsequent auf die Probleme seiner Zeit angewendet zu haben. So konnte er in die Diskussionen seiner Tage eingreifen und immer wieder den geistlichen Gesichtspunkt einbringen - sowohl in Fragen der Privatoffenbarungen als auch in den großen theologischen und politischen Fragen des Schismas. Zudem hat er vielen angefochtenen Seelen Trost spenden können (was ihm den Ehrennamen doctor consolatorius einbrachte). Produktiv ist der Irrtum bei Gerson insofern, als er durch die Schwierigkeiten seiner Zeit den Motivationsschub bekam, die Lehre der Unterscheidung der Geister, wie sie durch die monastische Tradition auf uns gekommen ist, neu ins Gedächtnis zu rufen und zu aktualisieren. Daher kann er auch für die heutige Zeit als Anwalt dafür gelten, in theologischen und pastoralen Fragen (etwa der Kirchenentwicklung) stets die geistliche Dimension mit zu bedenken. Ignatius von Loyola und die Jesuiten werden mit ihren geistlichen Übungen - ähnlich wie die Benediktsregel - gerne als mahnende und klärende Stimme in die Diskussion unserer Tage eingebracht. Ihre Weisungen scheinen zeitlos zu sein. Wer sich mit Gerson beschäftigt - vor allem mit seinen geistlichen Traktaten -, wird eine weitere Fülle von Anregungen finden, die auch heute noch nützlich und aktuell sind.

XI. Irrtum vernakular

Irr- und Umwege zur Wahrheit. Zu diegetischen, textgraphischen und buchkonzeptuellen Labyrinthen von der Antike bis zur frühen Neuzeit Ulrich Ernst (Wuppertal) Die Vorstellung vom Labyrinth als Irr- und Umweg zu einer die menschliche Fassungskraft übersteigenden Wahrheit mit ihren verschiedenen Dimensionen von Kunstwissen, Weltwissen und Heilswissen bewegt sich im Laufe ihrer Geschichte in einem Spannungsfeld zwischen Mythographie und Philosophie, Theologie, Ästhetik und Architektur. Telos der folgenden Ausführungen ist es vor allem, das Labyrinth als Imaginationsfigur 1 mit der diskursiven Thematik des error in Verbindung zu bringen und seine Literarisierung als Erzählstruktur der Epik 2, als Arrangement Visueller Poesie 3 und als Konfiguration der Buchästhetik 4 in ihren symbolischen Facetten 5 anhand verschiedener Paradigmata von der Antike bis zur Frühen Neuzeit zu verfolgen. I. Dieg etische Labyrinthe Im ersten Teil prädominiert die Intention, eine typologische Tradition des diegetischen Labyrinths in der antiken und mittelalterlichen Erzählliteratur zu 1

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Cf. H. Kern, Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen. 5000 Jahre Gegenwart eines Urbilds, München 1982. Cf. P. Reed Doob, The Idea of the Labyrinth from Classical Antiquity through the Middle Ages, Ithaca-London; B. Burrichter, Erzählte Labyrinthe und labyrinthisches Erzählen. Romanische Literatur des Mittelalters und der Renaissance (Pictura et Poesis 18), Köln-Weimar-Wien 2003. Zu den modernen Erzählformen cf. M. Schmeling, Der labyrinthische Diskurs. Vom Mythos zum Erzählmodell, Frankfurt a. M. 1987; K. Röttgers/M. Schmitz-Emans (eds.), Labyrinthe. Philosophische und literarische Modelle, Essen 2000. Cf. U. Ernst, Labyrinthe aus Lettern. Visuelle Poesie als Konstante europäischer Literatur, in: W. Harms (ed.), Text und Bild, Bild und Text, Stuttgart 1990, 197-215; id., Carmen figuratum. Geschichte des Figurengedichts von den antiken Ursprüngen bis zum Ausgang des Mittelalters (Pictura et Poesis 1), Köln-Weimar-Wien 1991, 388-428; id., Textwürfel - Würfeltexte. Zu Kreuzwortlabyrinthen in der lateinischen und deutschen Gelegenheitsdichtung des Barock, in: Comparatio 1 (2009), 243-275. Cf. W. Haubrichs, Error Inextricabilis. Form und Funktion der Labyrinthabbildung in mittelalterlichen Handschriften, in: C. Meier/U. Ruberg (eds.), Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980, 63-174. S. Gramatzki, Labyrinth, in: Metzler Lexikon literarischer Symbole, eds. G. Butzer/J. Jacob, Stuttgart-Weimar, 2008, 22012, 238 sq.

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rekonstruieren, wobei die Analyse exemplarisch auf vier Autoren konzentriert wird. Als erster erzählender Dichter sei Homer präsentiert, der in seiner ,Ilias‘ im Kontext der Darstellungen auf dem Schild des Achill einen Labyrinthtanz beschreibt, der, wie das gesamte bilderreiche Artefakt, auf den Gott Hephaistos als Schöpfer zurückgeführt wird: „eœν δε´ xορo`ν ποι´àιλλε περιàλυτο` w αœ μφιγυη´ ειw τì˜ iàελον, οi√ο´ ν ποτÅ eœνι` Kνωσì˜ εyœρει´ñ Dαι´δαλοw hÕοàησεν àαλλιπλοàα´ μì ÅAρια´ δνñ. eνJα με`ν hœ´ιJεοι àαι` παρJε´νοι αœ λφεσι´βοιαι vœρxευ˜ ντœ , αœ λλη´ λων eœπι` àαρπì˜ xε˜iραw exοντεw. τv˜ ν δœ α«i με`ν λεπτα` w oœJο´ ναw exον, ο«i δε` xιτv˜ ναw εÕiατœ eœυννη´ τουw, hÓàα στι´λβονταw eœλαι´ì· àαι´ rœ« α«i με`ν àαλα` w στεφα´ ναw exον, ο«i δε` μαxαι´ραw ´ νων. εiÓxον xρυσει´αw eœξ αœ ργυρε´ων τελαμω ο«i δœ o«τε` με`ν Jρε´ξασàον eœπισταμε´νοισι πο´ δεσσι r«ε˜iα μα´ λœ , v«w oÕτε τιw τροxο` ν aρμενον eœν παλα´ μñσιν e«ζο´ μενοw àεραμευ` w πειρη´ σεται, αi àε Jε´ñσιν· aλλοτε δœ αyÓ Jρε´ξασàον eœπι` στι´xαw αœ λλη´ λοισι. πολλο` w δœ «iμερο´ εντα xορο` ν περιι´σταJœ oÕμιλοw τερπο´ μενοι· μετα` δε´ σφιν eœμε´λπετο Jε˜iοw αœ οιδο` w ` δε` àυβιστητη˜ ρε àατ’ αyœτου` w φορμι´ζων· δοιω μολπη˜ w eœξα´ ρxοντοw eœδι´νευον àατα` με´σσουw. eœν δœ eœτι´Jει ποταμο˜iο με´γα σJε´νοwœ Vàεανο˜iο aντυγα πα` ρ πυμα´ την σα´ àεοw πυ´ àα ποιητοi˜ο.“ 6

Bei dieser Passage handelt es sich um eine komprimierte Poetik homerischen Dichtens, in der verschiedene Konfigurationen des Künstlertums auf einer Meta-Ebene ausdifferenziert werden: a. Da der Abschnitt Teil eines längeren ekphrastischen Exkurses ist, rückt der Erzähler bzw. Dichter selbst in die Rolle eines poeta pictor, der quasi mit Worten malt.

6

Homer, Ilias, XVIII, 590-608, ed. H. Rupe´, München 1946, 91989, 652-655; Übersetzung, ibid.: „Ferner schuf er darauf einen Reigen, der rühmliche Künstler,/Jenem ähnlich den einstens in Knosos, der weiten Feste,/Daidalos hatte gefügt für die lockige Maid Ariadne./Blühende Jünglinge dort und reichbegüterte Mädchen/Tanzten den Reigen und hielten einander gefaßt bei den Händen./Duftige Schleier trugen die Mädchen und Hemden die Knaben,/Schöngewebt und sanft erglänzend von schimmerndem Öle,/Zierliche Kränze trugen die einen, den anderen hingen/Goldene Dolche herab an silbernen Riemengehängen./Kreisend liefen sie bald mit wohlbemessenen Tritten/Leicht umher, so wie wenn ein Töpfer die passende Scheibe/Sitzend mit prüfenden Händen erprobt, wie schnell sie sich drehe;/Bald auch tanzten sie wieder in Reihen einander entgegen./Dicht aber stand das Volk um den reizenden Reigen versammelt,/ Froh sich ergötzend; und unter der Menge ein göttlicher Sänger/Rührte die Saiten und sang, indes zwei springende Gaukler/Räder schlugen, sobald er zu singen begann, in der Mitte./ Endlich schuf er darauf die Gewalt des Okeanosstromes/Rings um den äußersten Rand des festgebildeten Schildes.“

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b. Am Anfang der Beschreibung steht Hephaistos, der Gott der Schmiede, der nicht nur als ausführender Künstler, sondern auch als Concepteur des mit bildlichen Darstellungen verzierten Schilds firmiert. c. Dann wird Dädalus fokussiert, der hier aber nicht als Architekt eines baulichen Labyrinths, sondern als Choreograph eines Labyrinthtanzes fungiert, den er für Ariadne komponiert hat. d. Als ausführende Künstler treten Tänzer und Tänzerinnen auf, deren genderspezifische Kleidung beschrieben wird - hier eine Mikroekphrase im Rahmen einer Makroekphrase - und deren Tanzfiguren, in kreisender Bewegung oder in Reihen einander entgegen, eine Mobilisierung labyrinthischer Formen suggerieren. e. Es folgt, zur Illustrierung der performativen Kreisbewegung, der Vergleich mit einem Töpfer, der seine Scheibe im Zustand der Rotation erprobt. f. In dem Volk, das um den Reigen herumsteht, befindet sich ein göttlicher Rhapsode, der nicht nur singt, sondern auch ein Saiteninstrument spielt, während zwei Gaukler in der Mitte Räder schlagen. Signifikant ist in diesem Kontext, neben der Vielzahl der Künstler-imagines auf engstem sprachlichem Raum, die interartistische Verbindung ästhetischer Strukturen von Kinetik und Statik, Reliefkunst und Choreographie, Webkunst und Töpferkunst, Reigentanz und Akrobatik und nicht zuletzt von Dichtung, Gesang und Instrumentalbegleitung. Besonders ausgeprägt für die hier in Umrissen greifbare Labyrinthpoetik sind die Vorstellungen des tänzerischen Mit- und Gegeneinanders sowie des Kreises und Kreisens und deren materiellen Korrelaten, des Rundschildes und der Töpferscheibe. Dabei ist im Hinblick auf die Gesamttektonik der ,Ilias‘ nicht zu vergessen, dass der Erzähler mit seiner ausladenden Schildekphrase, narratologisch betrachtet, einen Umweg einschlägt - so handelt es sich ja um eine Digression, in die, über die Dichotomie von Rahmenund Binnennarration hinaus, weitere Deskriptionen eingeschachtelt sind - und durch diese Erzählschleife dädalisches, d. i. labyrinthisches Erzählen vorexerziert wird. Ansätze zu einer Poetik des Labyrinthischen lassen sich unschwer auch für die ,Odyssee‘ festmachen. Bereits im Proömion, nach dem Topos der pronuntiatio tractandarum rerum, wird das Thema der Irrfahrt als zentraler Gegenstand des Epos explizit angesprochen: „ÔAνδρα μοι eννεπε, Mου˜ σα, πολυ´ τροπον, oÀw μα´ λα πολλα` πλα´ γxθη, eœπει` Tροι´ηw i«ερο` ν πτολι´εθρον eπερσε∑ πολλv˜ ν δœ αœ νθρω´ πων iδεν aστεα […].“ 7

Für ein labyrinthisches Erzählen, auch in der ,Odyssee‘, spricht bereits die Mehrsträngigkeit der Handlung mit ihren entsprechenden Verschachtelungen. 7

Homer, Odyssee, I, 1-3, ed. A. Weiher, München 1990, 9. Auflage, 176 sq.; Übersetzung, ibid.: „Muse! Erzähl mir vom wendigen Mann, der die heilige Feste/Trojas zerstörte! Er sah dann auf mannigfaltiger Irrfahrt/Vieler Menschen Städte […].“

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Vor allem spricht aber der, hier in Diskrepanz zur konventionellen zeitlichen Reihenfolge praktizierte, ordo artificialis 8 dafür, erfährt doch der Leser erst nach den Ereignissen, durch die analeptische Erzählung des Odysseus bei den Phäaken, von der Zerstörung Trojas und von den Stationen seiner Irrfahrt (Kikonen, Lotophagen, Kyklopen, Polyphemos, Aiolos, Laistrygonen, Kirke, Sirenen, Scylla und Charybdis, Helios, Ogygia; IX-XII). Schon Aristoteles spricht in seiner ,Poetik‘ von der „kunstvoll verschlungenen Komposition“ der ,Odyssee‘ (Kap. 10), während Horaz in seiner ,Ars poetica‘ grundsätzlich zwischen einem Beginn ab ovo und einem Beginn in medias res differenziert, wobei Homer in der ,Ilias‘ nach dem letzteren Modell verfahre. Mehr noch als die ,Ilias‘ gilt die ,Odyssee‘ als Muster für den ordo artificialis, wie noch Macrobius in seinen ,Saturnalia‘ am Ende der Antike bekräftigt. Hier heißt es über Homer: „[…] ille enim vitans in poemate historicorum similitudinem, quibus lex est incipere ab initio rerum et continuam narrationem ad finem usque perducere, ipse poetica disciplina a rerum medio coepit et ad initium post reversus est. Ergo Vlixis errorem non incipit a Troiano littore describere, sed facit eum primo navigantem de insula Calypsonis, et ex persona sua perducit ad Phaeacas […].“ 9

Während die Ekphrase des Labyrinthtanzes in der ,Ilias‘ als eine immanente Poetik des Labyrinthischen mit Zügen von Künstlerästhetik, Werkartistik, Autorreferentialität und Mise en abıˆme zu deuten ist, zeigen sich in der ,Odyssee‘, passend zum labyrinthischem Erzählen, komplexe Formen wie Anachronie, Verschachtelung von Rahmen- und Binnenerzählung und Wechsel von einem extradiegetischen zu einem intradiegetischen Erzähler, sei es nun der Rhapsode Demodokos oder sei es der Protagonist Odysseus, dessen Erzählungen von seinen Irrfahrten als metadiegetisch zu klassifizieren sind 10. Das nächste Beispiel für labyrinthisches Erzählen bietet der römische Autor Vergil. Im V. Buch seiner ,Aeneis‘ berichtet er bei den Leichenfeiern anlässlich des Todes von Anchises, des Vaters von Aeneas, auf Sizilien, von einem Formationsreiten in labyrinthischen Figuren, das als sepulkrales Ritual troischer Provenienz den Namen Lusus Troiae trägt: „olli discurrere pares atque agmina terni diductis solvere choris rursusque vocati convertere vias infestaque tela tulere. 8

9

10

Cf. U. Ernst, Die natürliche und die künstliche Ordnung des Erzählens. Grundzüge einer historischen Narratologie, in: R. Zymner (ed.), Erzählte Welt - Welt des Erzählens. Festschrift für Dietrich Weber, Köln 2000, 179-199. Macrobius, Saturnalia, V, 2, 9-10, ed. I. Willis, Leipzig 1970, 245; Übersetzung: Ernst, Die natürliche und die künstliche Ordnung des Erzählens (nt. 8), 184: „Jener nämlich, der in seiner Dichtung die Ähnlichkeit mit den Historikern vermieden hat, deren Gesetz es ist, am Anfang der Begebenheiten zu beginnen und die Erzählung kontinuierlich bis zum Ende zu führen, begann selbst mit poetischer Kunst in der Mitte und kehrte später zum Anfang zurück. Also begann er die Irrfahrt des Odysseus nicht vom trojanischen Gestade an zu beschreiben, sondern schilderte zuerst seine Fahrt von der Insel der Kalypso und führte ihn dann zu den Phäaken.“ Cf. M. Martinez/M. Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie, München 2000, 75 sq.

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inde alios ineunt cursus aliosque recursus adversi spatiis, alternosque orbibus orbes inpediunt, pugnaeque cient simulacra sub armis; et nunc terga fuga nudant, nunc spicula vertunt infensi, facta pariter nunc pace feruntur. ut quondam Creta fertur labyrinthus in alta parietibus textum caecis iter ancipitemque mille viis habuisse dolum, qua signa sequendi frangeret indeprensus et inremeabilis error: haud alio Teucrum nati vestigia cursu inpediunt texuntque fugas et proelia ludo, delphinum similes qui per maria umida nando Carpathium Libycumque secant [luduntque per undas].“ 11

Eine weitere Thematisierung des Labyrinths begegnet uns im VI. Buch, in dem geschildert wird, wie Dädalus, nach seiner Flucht aus Kreta, in Cumae als Architekt einen Tempel zu Ehren Apollos erbaut, auf dessen Portal er als Skulpteur die Labyrinthgeschichte in Reliefform abgebildet hat. Aus der Ekphrase Vergils seien nur wenige Verse über das Inselreich Kreta zitiert: „hic crudelis amor tauri suppostaque furto Pasiphae¨ mixtumque genus prolesque biformis Minotaurus inest, Veneris monimenta nefandae, hic labor ille domus et inextricabilis error; magnum reginae sed enim miseratus amorem Daedalus ipse dolos tecti ambagesque resolvit, caeca regens filo vestigia.“ 12

Hier wird von der Taurophilie der Pasiphae¨, dem Monster des Minotaurus und dem Labyrinth als unentwirrbarem Irrgang berichtet und schließlich auch vom Mitleid des Dädalus mit Ariadne, der er mit dem Faden die Möglichkeit zum Verlassen des Labyrinths verschafft. 11

12

Vergil, Aeneis, V, 580-595, ed. J. Götte, Darmstadt 1983, 204-207; Übersetzung, ibid.: „Gleich stark sprengen nach rechts und links auseinander die Truppen der/drei Schwadronen und teilen sich so; zurück dann gerufen,/machen sie kehrt und greifen sich an mit feindlichen Waffen./ Andere Wendungen beginnen sie dann und Wendungen dagegen,/widereinandergewandt, und wechselnd schlingen sie Kreis durch/Kreis im Geflecht und führen ein Scheingefecht unter Waffen./Bald geben flüchtend den Rücken sie bloß, bald wenden die Lanzen/feindlich sie um, bald schließen sie Frieden und reiten im Gleichmaß./Wie das Labyrinth auf Kretas Höhen vor Zeiten/Wegegespinst aus Wanden voll Nacht und täuschenden Trug mit/tausend von Gängen der Sage nach bot, wo weisenden Zeichen/Wirkung raubte der Wirrwarr des rückkehrweigernden Irrgangs,/also flechten die Söhne der Teukrer die Spuren im Reigen/täuschend in eins und verweben Flucht und Gefechte beim Spielen/gleich Delphinen, welche beim Schwimmen durch Meeresgewässer/libysches Meer und karpathisches [flink im Spiel] durchschneiden.“ Ibid., VI, 24-30, 222 sq.; Übersetzung, ibid.: „Grausige Brunst zum Stier, die sich verstohlen/ ihm unterschob, und das Zwittergeschlecht halb Tier und halb Mensch, der/Minotaurus ist hier, ein Mahnmal ruchloser Wollust./Hier jene Mühsal des Hauses, der unentwirrbare Irrgang;/ Doch der Königstochter ergreifende Liebe bedauernd,/löste Daedalus selbst des Hauses tückischen Wirrwarr,/wies blindtastende Spuren am Faden.“

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Wie in der ,Odyssee‘ von den Irrfahrten des Odysseus nach der Zerstörung von Troja die Rede ist, so in Vergils ,Aeneis‘ parallel von den Irrfahrten des Aeneas, der im VI. Buch, in seinem Gespräch mit der Sibylle, selbst die Terminologie des ,error‘ benutzt: „tuque, o sanctissima vates, praescia venturi, da - non indebita posco regna meis fatis - Latio considere Teucros errantisque deos agitataque numina Troiae.“ 13

Vergil hat dabei seine ,Aeneis‘ nicht nur als Synthese aus der ,Odyssee‘, der die Bücher I-VI der ,Aeneis‘ entsprechen, und der ,Ilias‘, der die Bücher VIIXII der ,Aeneis‘ korrespondieren, konstruiert, sondern er hat durch seinen neuen ordo narrandi auch die chronologische Folge umgestellt, bilden doch Irrfahrten in dem römischen Epos den ersten, Kämpfe und Landnahme den zweiten Teil. Dieser neuen Makrostruktur korreliert bei Vergil der ordo artificialis der ,Aeneis‘, den die Kommentatoren früh bemerkt haben und der sich schon am Anfang darin zeigt, dass der Schiffbruch des Aeneas eher als der zeitlich vorangehende Untergang Trojas erzählt wird, der durch einen retrospektiven intradiegetischen Bericht des Protagonisten beim Gastmahl der Dido nachgeholt wird. Der nächste Autor, der unter dem Aspekt der labyrinthischen Narration ins Visier genommen wird, ist Otfrid von Weißenburg, Schüler des Hrabanus Maurus und erster namentlich bekannter deutscher Dichter. Sein zwischen 863 und 871 entstandenes Bibelepos besteht aus 14208 Reimversen in der Volkssprache, die zu 7104 Langzeilen (Reimpaare) gebündelt sind. Es umfasst auf höherer Ebene 140 Kapitel und ist zudem in fünf Bücher eingeteilt, von denen das erste die Geburt Christi bis zur Taufe, das zweite die Berufung der Jünger und den Beginn der Lehrtätigkeit, das dritte Wunder und Gleichnisse, das vierte die Passion und das fünfte die Auferstehung und das Jüngste Gericht darstellt. Für das Formkonzept, den Stoff der vier Evangelien in fünf Büchern zu organisieren, hat er in Anlehnung an die von Origenes begründete Lehre von den geistlichen Sinnen eine eigene zahlensymbolische Erklärung formuliert. In Differenz zum ,Tatian‘ und zum ,Heliand‘ ist Otfrids Werk keine Evangelienharmonie stricto sensu, sondern stellt sich durch die explizite Anknüpfung an Autoren wie Juvencus, Arator und Prudentius in die Tradition der spätantiken Bibelepik. Auch beschränkt sich Otfrid nicht auf eine poetische Nacherzählung der Evangelien, sondern kommentiert in etlichen Abschnitten, die mit Spiritaliter, Mystice und Moraliter überschrieben sind, die biblischen Berichte nach dem Modell des mehrfachen Schriftsinns. Dies geschieht vornehmlich im Rückgriff auf den ,Johannes-Kommentar‘ des Alkuin, den ,Lukas-Kommentar‘ des Beda Vene13

Ibid., VI, 65-68, 224 sq.; Übersetzung, ibid.: „Und du o hocherhabene Prophetin,/kundig der Zukunft, verleih - geschuldet ist meinem Schicksal/längst dies Reich - ,dass hier in Latium wohnen die Teukrer,/wohnen nach Irrfahrten und Flucht die waltenden Götter von Troja.“

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rabilis und den ,Matthäus-Kommentar‘ des Hrabanus Maurus, aber auch im Wissen um die patristischen Basiquellen (Augustinus, Gregor der Große). In seinem Approbationsgesuch an Erzbischof Liutbert von Mainz hat sich Otfrid detailliert zum Aufbau seines Bibelepos geäußert und dabei auf die rhetorische Ordo-Theorie Bezug genommen: „Scripsi itaque in primis et in ultimis huius libri partibus inter quatuor evangelistas incedens medius, ut modo quid iste quidve alius caeterique scriberent, inter alios ordinatim, prout potui, penitus pene dictavi. In medio vero, ne graviter forte pro superfluitate verborum ferrent legentes, multa et parabularum Christi et miraculorum eiusque doctrinae, quamvis iam fessus (hoc enim novissme edidi), ob necessitatem tamen praedictam pretermisi invitus et non jam ordinatim, ut caeperam, procuravi dictare, sed qualiter meae parvae occurrerunt memoriae (Ad Liutb. 30-37).“ 14

Somit verbindet Otfrid in seinem Werk ordo naturalis und ordo artificialis, sofern er auf der Basis der vier Evangelien in den Anfangs- und Schlussteilen des Werkes ordinatim, d. i. im Sinne einer vollständigen und chronologisch richtigen Wiedergabe der Ereignisse verfahren ist, während er in dem später entstandenen Mittelteil non ordinatim erzählt hat: „Ni scrı´bu ich nu in alawa´r/so sih ther o´rdo dregit tha´r,// su´nter so thie da´ti/mir que´ment in githa´ti “ (III, 1,7 sq.). Er rechtfertigt die lückenhafte und somit auch chronologisch von der faktischen Ereignisreihe abweichende Darstellung im Mittelteil mit drei Argumenten: 1. er habe den Leser nicht durch zu große Stofffülle überfordern wollen; 2. er sei zu diesem Zeitpunkt der Textproduktion bereits erschöpft gewesen; 3. er habe sich nicht mehr streng an seine Quellen gehalten, sondern aus dem Gedächtnis heraus berichtet. Diese einlässliche Begründung für den ordo artificialis, in der sich sowohl Fastidiumtopik als auch affektierte Bescheidenheit (fessus; parva memoria) verbinden, erklärt sich aus der besonderen Gattungskonzeption der Bibelepik, die sich nicht an Maßstäben der Fiktionalität, sondern am Ideal der veritas historiae orientiert. Was nun den ordo narrandi von Otfrids ,Evangelienbuch‘ angeht, so wird der lineare Erzählverlauf auch durch die zahlreichen Digressionen in Gestalt spiritueller Allegoresen unterbrochen, zu denen noch „Binnenprologe“ und „Binnenepiloge“ jeweils zu Anfang und zu Ende der fünf Bücher kommen. Anhand solcher ,Erzählschleifen‘ bzw. ,Erzählumwege‘ wird flagrant eine Annäherung an den Typus des Erzähllabyrinths erreicht. 14

Otfrid von Weißenburg, Evangelienbuch, Auswahl, ed. (aus dem Althochdeutschen) G. Vollmann-Profe, Stuttgart 1987, 19: „Beim Abfassen der ersten und letzten Teile dieses Werkes bin ich, keinem der vier Evangelisten ausschließlich folgend, so verfahren, daß ich in geordneter Reihenfolge, soweit möglich, und fast lückenlos bald den Text des einen, bald den eines anderen und der übrigen wiedergab. In der Mitte aber habe ich vieles von den Parabeln, den Wundern und der Lehre Christi übergangen, damit die Leser nicht etwa wegen des allzu großen Textumfangs ungehalten würden. Obwohl schon ermüdet - besagter Teil wurde nämlich als letzter gedichtet -, habe ich dies dennoch ungern, nur unter Zwang der erwähnten Umstände, getan. Ferner habe ich mich (in diesem Mittelteil) nicht mehr, wie anfangs, bemüht, die Dinge in chronologischer Ordnung zu erzählen, sondern habe sie so berichtet, wie sie sich mir mit meinen geringen geistigen Fähigkeiten darboten.“

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Abb. 1: Otfrid von Weißenburg: Evangelienbuch, Vorsatzblatt (Labyrinth); Wien, ÖNB, Cod. Vind. 2687, fol. 1r.

Instruktiv ist in diesem Konnex, dass sich das erste Buch an der lukanischen Kindheitsgeschichte orientiert, der Dichter aber mit Beginn des zweiten Buches, zu Johannes wechselnd, auf die Präexistenz des Logos zurückspringt (II,1: „In principio erat verbum“). Wenn danach die Ereignisse der Kindheit Christi unter dem Aspekt der Zeugnistheologie rekapituliert werden (II,3: „Recapitulatio signorum in nativitate Christi “), beginnt die Erzählung, anders als in der konventionellen Evangelienharmonie, in einem zweiten Anlauf von Neuem, was mit Otfrids zahlensymbolischen Reflexionen über die Spannung zwischen der vollkommenen Vierzahl der Evangelien und der Fünfzahl der Bücher seiner Evangeliendichtung zusammenhängen dürfte. Überliefert ist das ,Evangelienbuch‘, das in den althochdeutschen versifizierten Widmungsschriften mit Akrotelesticha geschmückt ist, somit neben horizontalen auch vertikale Textstrukturen aufweist, in einem Autograph, nämlich dem Cod. Vind. 2687 (ÖNB Wien), der vom Autor korrigiert wurde und vier ganzseitige und mehrfarbige Bilder enthält: ein Labyrinth als pikturales Werkportal auf einem Vorsatzblatt (Abb. 1), den Einzug Christi in Jerusalem und das Abendmahl vor den Capitula zum IV. und die Kreuzigung nach den Capitula zum V. Buch. Das Labyrinth ist im ,Evangelienbuch‘ als Symbol des mundus peccati imaginiert (Abb. 1), zumal es elf Windungen hat - die Zahl 11 ist im Mittelalter ein Signum der Sünde - und in enger Relation zur Miniatur der Kreuzigung am Beginn des V. Buches steht. Danach lässt sich die Bildkonstellation als doppeltes pikturales

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Argumentum (= Inhaltsangabe) interpretieren: 1. als Hinweis auf Christi Lebensweg durch das irdische Labyrinth der Sünde, der am Ende in sein Leidenswerk (Passio) einmündet; 2. als Vorausdeutung auf die Kreuzigung als Symbol des Erlösungswerks für die mit Schuld beladene Menschheit. Da sich die Bibel, nach Hieronymus, aufgrund ihrer sprachlichen Komplexität und ihrer unauslotbaren Sinntiefe als Labyrinth erweist, in dem sich Übersetzer und Exegeten nur allzu leicht verirren können, wenn sie nicht vom Ariadnefaden Christi geleitet werden 15, ist die Figur des Labyrinths im Exordium von Otfrids Bibeldichtung mit ihren allegorischen Sinnebenen auch ein tiefgründiges Symbol für das heilsgeschichtlich ausgerichtete Evangelienwerk selbst, allerdings nicht nur für seine theologische Semantik, sondern auch für seine Narrativik und Tektonik. Zum Schluss sei noch Wolfram von Eschenbach konsultiert, dessen ,Parzival‘ hochkomplex ist und ebenfalls als Erzähllabyrinth gedeutet werden kann. Der Dichter selbst verweist mit dem Bild des schellec hase (1,18 sq.) und mit der Metapher des parriert maere auf den mäandrierenden Verlauf seiner Narrativik und auf die Kombinatorik seiner Konstruktion von Geschichten (281,21 sq.) 16. Der höfische Roman besitzt zwei Protagonisten, Parzival und Gawan, deren Aventiuren durch Isochronie miteinander verbunden sind und um deren Charaktere sich eine Rahmenerzählung legt, in deren Mittelpunkt am Anfang Parzivals Vater Gahmuret und am Ende Parzivals Halbbruder Feirefiz steht. Zu der Mehrsträngigkeit und Verschachtelung und zu der Konstruktion von Rahmen- und Binnenerzählung kommen eine forciert auktoriale Erzählhaltung mit zahlreichen Erzählereinschüben, die Verwendung eines dunklen Stils sowie Formen analytischen Erzählens 17. Schließlich spielt der Autor im Prolog, zur Erklärung seines ordo narrandi, auf die Schilderung des Lusus Troiae in Vergils ,Aeneis‘ an, wodurch die Deutung des ,Parzival‘ als ein den Leser extrem forderndes Erzähllabyrinth untermauert wird: „Ouch erkante ich nie soˆ wıˆsen man, ern möhte gerne künde haˆn, welher stiure disiu maere gernt und waz si guoter leˆre wernt. dar an si nimmer des verzagent, beidiu si vliehent unde jagent, si entwıˆchent unde keˆrent, 15

16

17

Hieronymus, Commentaria in Zachariam, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 25, Paris 1884, Sp. 1414-1542; Prolog zum zweiten Buch, Sp. 1453. Cf. Burrichter, Erzählte Labyrinthe (nt. 2), 33. Cf. J. Bumke, Wolfram von Eschenbach (Sammlung Metzler 36), 8., vollständig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2004, 42, 210. Cf. D. Weber, Theorie der analytischen Erzählung, München 1975; U. Ernst, Formen analytischen Erzählens im ,Parzival‘ Wolframs von Eschenbach. Marginalien zu einem narrativen System des Hohen Mittelalters, in: F. Wolfzettel (ed.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999, 165-198.

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si lasternt unde ˆerent. swer mit disen schanzen allen kann, an dem haˆt witze wol getaˆn, der sich niht versitzet noch vergeˆt und sich anders wol versteˆt.“ 18

Die Konzeption des höfischen Romans als Erzähllabyrinth reißt auch nach dem Hochmittelalter nicht ab, was sich an Paradigmata wie der ,Queste del Saint Graal‘ und dem ,Orlando Furioso‘ des Ariosto mit seiner EntrelacementTechnik demonstrieren lässt 19. Darüber hinaus lassen sich Elemente labyrinthischer Narrativik auch in anderen Dichtungen wie Boccaccios ,De amorosa visione‘ und Francesco Colonnas ,Hypnerotomachia Poliphili‘ nachweisen. Hier finden sich auch komplizierte steganographische Intexte, die sich jeweils durch das ganze Werk ziehen und Umschwünge von Leserichtungen und Verschränkungen von Textebenen signalisieren. 20 II. Textg raphische und buchkonze ptuelle Labyrinthe Das Labyrinth als imaginative Figur und Architektur mythischer Provenienz manifestiert sich im Altertum nicht nur in diegetischen Strukturen, sondern wird auch in Zeugnissen visueller Poesie greifbar, selbst wenn die labyrinthische Organisation nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. In der älteren LabyrinthForschung wurde z. B. die Auffassung vertreten, dass der Begriff „Labyrinth“ auf „Labrys“ (= Doppelaxt) zurückgeht, welcher in Kreta eine kultische Bedeutung zukam. Obwohl diese Deutung heute als obsolet gilt, bietet sich der Rekurs auf ein Figurengedicht an, das Simias von Rhodos, der dem koischen Dichterkreis angehörte, um 300 v. Chr. komponiert hat (Abb. 2 und 3). Als Beil mit zwei Schneiden ist es dem homerischen Helden Epeios gewidmet, von dem in der ,Odyssee‘ berichtet wird, er habe mit Hilfe der Göttin Athene das trojanische Pferd gezimmert, durch das das mächtige Troja zerstört wurde. Analysiert man das graphische Arrangement des Gedichts, so erkennt man, dass die gewundenen zwölf Verse, die in choriambischem Metrum strukturiert sind, auf die gekrümmten Schneiden einer Doppelaxt (Bipennis) distribuiert sind. 18

19 20

Wolfram von Eschenbach, Parzival, nach der Ausgabe K. Lachmanns revidiert und kommentiert von E. Nellmann, übertragen von D. Kühn (Bibliothek deutscher Klassiker 110; Bibliothek des Mittelalters 8/1-2), 2 vols., Frankfurt a. M. 1994; Übersetzung von U. Ernst: „Nun habe ich noch keinen klugen Mann kennengelernt, der nicht gern erfahren hätte, welche Steuerung diese Geschichte verlangt, um ihre Botschaft zu vermitteln. Sie wird in diesem Punkt nicht müde, mal weicht sie aus, mal setzt sie nach, zieht sich zurück, greift wieder an; mal spricht sie Tadel, mal Lob aus. Wer all diesen Wendungen folgt, der ist mit Verstand begabt. Er sitzt nicht fest und geht nicht fehl und findet sich auch sonst gut zurecht.“ Cf. B. Burrichter, Erzählte Labyrinthe (nt. 2), 71-124, 226-258. U. Ernst, Kryptographie und Steganographie. Zwei Grundformen der Verschlüsselung in literarästhetischen Kontexten, in: G. M. Rösch (ed.), Codes, Geheimtext und Verschlüsselung. Geschichte und Gegenwart einer Kulturpraxis, Tübingen 2005, 155-178.

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Abb. 2: Simias von Rhodos: Beil; Cod. A 155 sup., fol. 220r; Biblioteca Ambrosiana, Mailand.

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Abb. 3: Rekonstruktion von G. Wojaczek: Daphnis. Untersuchungen zur griechischen Bukolik, Meisenheim am Glan 1969, 46.

Auf jede der beiden Schneiden kommt axialsymmetrisch eine Hexade von Versen (1, 3, 5, 7, 9, 11; 12, 10, 8, 6, 4, 2) zu stehen, die vom Hexameter bis zum Monometer jeweils um einen Versfuß abnehmen. Will man sich in diesem Textlabyrinth nicht hoffnungslos verirren, muss man zentripetal, also von außen nach innen lesen, indem man nach jedem Vers jeweils das Textbild um 180∞ dreht, sind doch zwei aufeinanderfolgende Verse jeweils auf verschiedenen Schneiden platziert. Eine andere Kompositionsform präsentiert das Altargedicht des Dosiadas von Kreta, wie Simias ebenfalls Mitglied des koischen Dichterbunds, das man nicht nur in konventioneller Weise von links nach rechts lesen kann, sondern das auch einen versteckten Intext enthält, den man entdeckt, wenn man seinen Leseweg ändert und die Anfangsbuchstaben der Verse vertikal von oben nach unten entschlüsselt. Zu der gegenstandsmimetischen Architektur des Texts, der als Musenaltar konzipiert ist, kommt somit als weiteres artistisches Formelement der Gebrauch des Akrostichons in Form eines Appells an die eigene Schaffenskraft: „OLYMPIE POLLOIS ETESI UYSEIAS “ („Olympier, opfere noch viele Jahre lang“), das nicht nur an der Visualiserungsstrategie des Gedichts partizipiert, sondern diesem auch einen kryptopoetischen Charakter verleiht (Abb. 4).

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Abb. 4: Dosiadas von Kreta (Zuweisung an Besantinos ist falsch): Altargedicht mit Akrostichon; Hermann Beckby (ed.): Die griechischen Bukoliker, Meisenheim am Glan 1975, 342.

Den Einfluss sowohl der homerischen Labyrinthkonzeption wie auch des Genus der labyrinthischen Technopägnien dokumentieren bei den Römern die sog. Tabulae iliacae, bruchstückhaft erhaltene, kleinformatige Steintafeln mit Illustrationen zur homerischen ,Ilias‘, speziell zur Beschreibung des Schilds von Achill, die wahrscheinlich zu Anfang der Kaiserzeit in Rom angefertigt wurden. Verschiedene Tafeln enthalten auf der Rückseite Inschriften, die, schachbrettartig geschrieben, als sehr frühe Denkmäler für die virtuose Aufbereitung eines minimalen Textes in einer kaum mehr berechenbaren, labyrinthisch anmutenden Vielfalt von Leserichtungen zu gelten haben (Abb. 5). Bei dem auf vier Tafeln labyrinthisch verschlüsselten Namen Theodoros denkt man an jenen, von Plinius erwähnten, Theodoros, der das Labyrinth von Samos (Heraion) erbaut hat und in der Antike auch als Meister der Kleinkunst galt 21. 21

Cf. Plinius Secundus d. Ä., XXXIV, 83, Naturkunde, ed. (aus dem Lateinischen) R. König, München 1989, 62 sq. Cf. P. Rypson, The Labyrinth Poem, in: Visible Language 20/1 (1986), 65-95.

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Abb. 5: Tabula iliaca, Kreuzwortlabyrinth, C, Cabinet des Medailles, 3318v; Paris, Bibliothe`que Nationale.

Da den von Hephaistos angefertigten Schild nach Homers Ekphrasis ein Bild des Labyrinthtanzes schmückt, der wieder in einem Konnex mit dem sog. Kranichtanz zu sehen ist, den Theseus angeblich auf Delos gestiftet hat, erweist sich die Beziehung zwischen illustrativer Darstellung auf der Schauseite und labyrinthischem Text auf der Rückseite der jeweiligen Tabulae iliacae nicht als kontingent, sondern als konzeptionell und ästhetisch sinnvoll. In welcher Weise mit Formen der Homer-Adaptionen bei den Römern experimentiert wird, zeigt neben der Illustration auf Stein auch der berühmte ,Homer in der Nuss‘, eine Ausgabe auf Pergament als ,Künstlerbuch‘ im Miniaturformat, von der Plinius unter Berufung auf Cicero berichtet: „in nuce inclusam Iliadem Homeri carmen in membrana scriptum tradit Ciciero.“ 22 Besonders signifikant ist eine Tabula iliaca (Abb. 6) mit der Signatur N (Rom, Museo Capitolino, Sala delle Colombe 83 A), auf deren Rückseite sich die schematische Graphik eines Altars mit zwei Stufen befindet, in denen derselbe Hexameter, der auf die homerische Darstellung von Achills Schild auf der Vorderseite Bezug nimmt, in verschiedenste Richtungen gelesen werden kann: „ÅAσπι´w ´ ρ[ηοw καJ’Oμηρον “. Unter dem labyrinthischen Textcorpus ist ÅAx´ιλληοw Uεοδω eine Inschrift in Form eines Palindroms: „’ιερε˜iα ’ιερε˜i “, ein weiteres Paradigma für die Mehrfachlesung eines Texts, das den artifiziellen Charakter des Textgebil-

22

Plinius (nt. 21) Naturkunde, VII, 85.

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Abb. 6: Tabula iliaca; N; Museo Capitolino, Sala delle Colombe 83 A, Rom, Kreuzwortlabyrinth in Altarform; Rekonstruktion von M. Squire: The Iliad in a Nutshell. Visualizing Epic on the Tabulae Iliacae, London 2011, 207.

des unterstreicht und die Affinität der visuellen Poesie zu ludisch-manierierten Poesieformen dokumentiert. Gattungspoetologisch aufschlussreich ist die Einbeschreibung des hexametrischen Cubus in die Graphik eines Altars, die zeitlich eine Brücke bildet zwischen dem strukturgleichen Technopägnion des griechischen Dichters Dosiadas von Kreta (cf. supra Abb. 4) und dem lateinischen Carmen figuratum des spätrömischen, am Hof Konstantin des Großen wirkenden Autors Optatianus Porfyrius (cf. Abb. 7). Frappierend sind die differenten Buchstabenordnungen und Lesestrukturen der Kreuzwortlabyrinthe auf den Tabulae iliacae: Während der eine Cubus von der unteren Ecke links aus in alle Richtungen zu lesen ist - ein exorbitanter Startpunkt, der in der späteren Gattungsgeschichte seine Parallelen sucht -, sind andere Buchstabenlabyrinthe vom Zentrum aus zu entziffern. Eine christliche Rezeption des Kreuzwortlabyrinths manifestiert sich in zwei spätantiken Kreuzwortlabyrinthen (Abb. 8, 9), die in der nicht mehr erhaltenen fünfschiffigen Reparatusbasilika von Orle´ansville (El Asnam; heute Algier) entdeckt wurden.

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Abb. 7: Optatianus Porfyrius: Altar (Carmen XXVI); P. Velserus, Publilii Optatiani Panegyricus, Augustae Vindelicorum 1599; Wolfenbüttel, HAB, Li 4∞ 512; nach U. Ernst, Carmen figuratum (nt. 3), 100.

Das erste Kreuzwortlabyrinth fand sich auf dem Paviment der Kirche inmitten des ältesten römischen Labyrinth-Mosaiks, das den Stempel christlichen Symbolverständnisses trägt. Es handelt sich um eine quadratische Labyrinthfigur, die in vier Sektoren eingeteilt ist und durch die sich vom Eingang in der Mitte unten ein Ariadnefaden bis zur ersten Biegung schlängelt. Das Zentrum der Konstruktion bildet statt der usuellen Minotauromachie des mythischen Darstellungstypus ein Kreuzwortlabyrinth in quadratischer Form mit einer Seitenlänge von 13 Buchstaben (Abb. 8). Das Versalienlabyrinth, das bei konventioneller Lesung, beginnend links mit der ersten Zeile, in die Irre führt, ist zur Entschlüsselung vom zentralen Buchstaben aus (7. Zeile von oben und unten, 7. Buchstabe von links und rechts) in alle Richtungen zu erwandern - diese Leseform ist in den Tabulae iliacae präformiert - und bietet jedesmal konstant den Text: „SANCTA ECLESIA“. Der Weg durch die äußere Labyrintharchitektur zum Zentrum symbolisiert vermutlich den Durchgang durch die heidnischen errores - gemeint ist wohl die seit 312 n. Chr. in Nordafrika verbreitete, vom Kaiser Konstantin I. bekämpfte Häresie der Donatisten - zur Mater ecclesia.

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Abb. 8: Römisches Labyrinth-Mosaik aus der Reparatusbasilika von Orle´ansville (El Asnam); 324 n. Chr.; Ariadnefaden; im Zentrum das Kreuzwortlabyrinth SANCTA ECLESIA.

Abb. 9: Transkription des Cubus SANCTA ECLESIA.

Abb. 10: Zweites, ebenfalls zentriertes Buchstabenlabyrinth in der Reparatusbasilika: MARINUS SACERDOS.

Auf ein zweites, strukturell gleich konstruiertes Buchstabenlabyrinth, Vorläufer der Namenlabyrinthe des Mittelalters, stieß man im Chor der Basilika, das den Text: „MARINUS SACERDOS“ - gemeint ist vielleicht Marinus von Arles, der 314 n. Chr. auf einer von Konstantin einberufenen Synode den Donatismus verdammte - in einer Fülle von Leserichtungen ausbreitet (Abb. 10).

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Abb. 11: Optatianus Porfyrius: Carmen X; München, Bayrische Staatsbibliothek, Clm 706a, fol. 11r (unten: Kommentar mit Auflösung der Versus intexti).

Wie stark Kaiser Konstantin persönlich in die Entwicklung des christlichen Figurengedichts der Spätantike involviert war, demonstrieren die an ihn gerichteten Gittergedichte des Hofdichters Optatianus Porfyrius mit ihren komplizierten akrostichischen Labyrinthstrukturen 23: Ein dichtes Netzwerk von Intexten, das sich als Crux decussata mit geschachtelten Winkelfiguren deuten lässt, überzieht gleichmäßig die gesamte Textfläche des Carmen X (Abb. 11).

23

Cf. Pvblilius Optatianus Porfyrius, Carmina, ed. I. Polara, vol. 1, Torino 1973.

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Nur mit Hilfe der linearen Einfassungen und der Kommentare, die vom Autor als ,Ariadnefaden‘ den artistischen Gedichten beigegeben wurden, lässt sich die komplizierte Intextformation, auf deren labyrinthische Strukturierung durch Begriffe wie „amfractus“ und „flexuosus“ andernorts explizit hingewiesen wird, exakt und komplett dechiffrieren 24. Mit der neuen quadratischen bzw. rechteckigen Form des Codex korrespondiert die innovative verräumlichte Gedichtform des Carmen quadratum, bei der sich nicht nur Buchformat und Gedichtformat ineinander spiegeln, sondern die paginale Struktur gleichzeitig auch ein Bildformat erzeugt, das bei visuellen Texten wie den Carmina des Porfyrius den Codex zur Bildergalerie werden lässt. Dass die Deutung der hellenistischen Technopägnien und porfyrianischen Carmina cancellata als Textlabyrinthe nicht auf Sand gegründet ist, bestätigt der Befund des von deutschen Eltern abstammenden Jesuitenpaters Juan Eusebio Nieremberg in seinem 1645 in spanischer Sprache veröffentlichten Werk ,Oculta Filosofia‘: „Plotino Ilamo´ el mundo poesia de Dios. Yo an˜ado, que este poema es como un laberinto, que per todas partes se lee, y haze sentido, y dicta a su Autor. Entre los artificios poeticos de la antiguedad fueron celebrados la fistula de Theocrito, el huevo, y las alas, y la hacha de Simias Rhodio. Pero sobre todo es ingeniosissimo, y sin igual el Panegirico que hizo Porphyrio Poeta al Emperador Constantino. […] consta de diez y siete laberintos artificiosissimos, juntando, y eslavonando un verso con otro de diversas maneras, celebrando las alabanc¸as del Cesar por todas partes, por los principios, por los medios, por los fines de los versos, y al trave´s, desde la primera letra del primero hasta la ultima del ultimo, atraversando per las demas de los de enmedio, la segunda del segundo, tercera del tercero con otras mil ocurrencias de sentida en loores del Cesar. Asi imagino yo el mundo ser un Panegirico de Dios. El mundo es un laberinto poetico. Tratase de los laberintos de Porphyrio poeta.“ 25

Die von Porfyrius zu komplizierten labyrinthischen, aber auch religiös-politischen Figuren (z. B. Monogramm Christi) weiterentwickelte Form des Intexts bezeugt schon früh in den Versen der erythräischen Sibylle das berühmte 24 25

Dazu detailliert cf. U. Ernst, Carmen figuratum (nt. 3), 115 sqq. Juan Eusebio Nieremberg, Oculta Filosofia de la Sympatia, y Antipatia de las cosas, artificio de la naturaleza, y noticia natural del mundo, y segunda parte de la Curiosa Filosofia, cap. XI, Barcelona 1645, 106; Übersetzung von Achim Hölter, Wuppertal: „Plotin nannte die Welt ,Poesie Gottes‘. Ich füge hinzu, dass dieses Gedicht wie ein Labyrinth ist, das in allen Richtungen zu lesen ist, Sinn ergibt und auf seinen Schöpfer hinweist. Unter den poetischen Kunststücken der Antike waren die Syrinx des Theokrit sowie Ei, Flügel und Beil des Simias berühmt. Besonders geistreich aber und ohnegleichen ist der Panegyrikus, den der Dichter Porphyrius für den Kaiser Konstantin schrieb […]. Das gesamte Lobgedicht besteht aus 17 unerhört künstlichen Labyrinthen, indem auf verschiedene Weise ein Vers mit einem anderen verbunden und verkettet wird. Dabei wird das Lob des Kaisers an allen Stellen gesungen, an den Anfängen, in der Mitte und an den Enden der Verse, auch quer, vom ersten Buchstaben des ersten bis zum letzten Buchstaben des letzten Verses, wobei die übrigen Buchstaben der Binnenverse gekreuzt werden, der zweite des zweiten, der dritte des dritten Verses mit weiteren tausend sinnvollen Lesemöglichkeiten zum Lob des Kaisers. So beschaffen stelle ich mir die Welt als Lobgedicht vor.“ Cf. Mario Praz, Studi sul Concettisimo, Florenz 1946, 12 f.; Gustav Rene´ Hocke, Manierismus in der Literatur, Reinbek bei Hamburg 1959, 21 sqq.; Giovanni Pozzi, La parola dipinta, Mailand 1981, 312 sq.

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Abb. 12: Eusebios von Kaisareia: Kanontafeln der Evangelien, Kanon II Ende, Kanon III; Wien, ÖNB, Cod. 847, fol. 3v.

Akrostichon „IHSOYS XREISTOS UEOY YIOS SVTHR STAYROS “ 26, das Konstantin selbst, der Adressat der porfyrianischen Carmina cancellata, in seiner Karfreitagsrede an die Versammlung der Heiligen von 314 in toto zitiert 27. Noch ein weiteres Labyrinth und wahrlich kein geringes, und nicht nur ein text-, sondern auch ein buchkonzeptuelles Labyrinth, dazu noch ein Zahlenlabyrinth, ist mit dem Namen des Kaisers Konstantin verbunden: die vier Evangelien in Buchform als Evangeliar. Das zeigen die Kanontafeln des Eusebius von Caesarea, deren Anfänge auf Ammonios von Alexandria zurückgehen. Grundlage für diese Tafeln, einer Art von synoptischen Tabellen für die Evangelien, ist die Gliederung der vier Textcorpora der Evangelien in 1165 Abschnitte, sog. Sektionen, davon 355 für Matthäus, 235 für Markus, 343 für Lukas und 232 für Johannes. Die Kanontafeln befinden sich im Preacorpus der als Bucharchitektur konzipierten Evangeliare. Sie sind figurativ in mehreren Kolumnen angeordnet, von Säulen flankiert und mit Rundbögen überdacht (Abb. 12). 26

27

Oracula Sibyllina, 8, 217 ff., Sybillinische Weissagungen, Urtext und Übersetzung, ed. A. Kurfess, München 1951. Konstantin, Rede an die Versammlung der Heiligen (Fontes Christiani 55), ed. K. M. Girardet, Freiburg i. B. 2013, 196-201.

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Die idealtypische Einteilung in zehn Canones visualisiert in der Sequenz der Diagramme, in wie vielen und in welchen Evangelien eine bestimmte Sektion zu finden ist: So präsentiert Canon I die Sektionen, die in allen 4 Evangelien nachzuweisen sind; Canon II bis IV die Sektionen, in denen drei Evangelisten übereinstimmen; Canon V bis IX die Sektionen, die nur in zwei Evangelien überliefert sind, und Canon X enthält das Eigengut (Propria) der einzelnen Evangelisten. In diesem Kontext sind auch im Buchcorpus die Zahlen und Kürzel am Rand des Fließtexts der Evangelien wichtig. Dafür sei ein Beispiel aus dem im 11. Jahrhundert entstandenen Evangeliar von Echternach gegeben (Abb. 13). Auf fol. 24v beginnt in der ersten Textspalte der erste Abschnitt oben links mit den Worten „et circumibat Iesus totam Galileam“ (nach heutiger Bibelzählung: Mt 4,23). Links daneben befindet sich die Sigle des Matthäusevangeliums (nach damaliger Zählung: MT XXIII). Die kleine rote römische I darunter besagt, dass die Bibelstelle dem ,Canon I‘ zugehört und dass es sich somit um einen Abschnitt handelt, der in allen vier Evangelien Entsprechungen hat. Die parallelen Sektionen in den anderen drei Evangelien sind deshalb wie folgt darunter aufgeführt: „MR XXVII, LC XVII, IO XLVI“. Über den marginalen Angaben schwebt eine große rubrizierte VII mit Paragraphenzeichen, die auf eine Gliederungsebene über der Ebene der Sektionen verweist, nämlich auf die Kapitelgliederung, ist doch jedem Evangelium ein beziffertes Inhaltsverzeichnis mit Tituli (griech. Kephalaia) vorgeschaltet 28. Betrachtet man noch einmal die Kanontafeln, so sind folgende Befunde festzuhalten: Der Bibeltext erlaubt nicht nur einen vertikalen, sondern auch zahllose horizontale Lesewege, nicht nur ein lineares und kontinuierendes Lesen, sondern auch ein saltatives und kollationierendes Lesen 29. Die Evangelien sind ein permutatives und konnektives Textsystem ähnlich wie die kontemporären Proteusverse des Optatianus Porfyrius, nur dass es sich hier nicht um lyrische, sondern um narrative Texte handelt. Aber auch für letztere existiert neben der Evangelienharmonie des Tatian, die puzzleartig aus Textbausteinen aller vier Evangelien generiert ist, ein episches Muster: der aus Vergilversen kombinierte und als Bibelepos generisch profilierte Cento der Faltonia Betitia Proba aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. Aus der Sicht des gegenwärtigen digitalen Zeitalters sind die Evangelien ein verlinkter Text, ein Hypertext, und, mit Blick auf den literarischen Hintergrund der Spätantike, ein Kombinationslabyrinth. Da für sie das sowohl haptisch als auch lektional aktive Ritual des Blätterns 30 Voraussetzung ist, durch die das Textkontinuum zäsuriert und segmentiert wird, setzen die Evangelien ähnlich wie die porfyrianischen Gedichte eine Medienrevolution voraus, an der sie mit 28

29 30

Cf. G. Goswell, Early Readers of the Gospels: The Kephalaia and Titloi of Codex Alexandrinus, in: Journal of Greco-Roman Christianity and Judaism 6 (2009), 134-174. Cf. M. Wallraff, Kodex und Kanon. Das Buch im frühen Christentum, Berlin-Boston 2013, 32. Cf. C.B. Schulz, Poetiken des Blätterns (Literatur-Wissen-Poetik 4), Hildesheim-Zürich-New York 2015, 32-43.

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Abb. 13: Echternacher Evangeliar, 11. Jh., Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Hs. 156. 142, fol. 24v; rechts: vergrößerter Ausschnitt (Randkonkordanzen); URL: *https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Codex_aureus_Epternacensis_folio_24_verso.jpg+ (Stand: 01. 12. 2016).

beteiligt sind: den Medienumbruch von der Rolle zum Codex. Das junge Christentum zieht aus dem Medienwandel einen ähnlichen publizistischen Nutzen wie später die Reformation aus der Umstellung von der ,Culture of Manuscript‘ zur Kunst des Buchdrucks. Das Zahlensystem der Kanontafeln eröffnet in der christlichen Spätantike nicht nur den Zugang zu einem multivialen Textlabyrinth, sondern ist zugleich auch ein Textsicherungssystem, das für die Kanonbildung unter Konstantin von großer Bedeutung ist. Zum Schluss sei noch auf zwei buchkonzeptuelle Beispiele aus dem frühen Mittelalter verwiesen: ein textuelles und ein ikonisches. Ein Evangeliar aus dem frühen 8. Jahrhundert (Maihingen, Cod. I. 2,4∞, fol. 2r; Fürstlich Öttigen-Wallenstein’sche Bibliothek; Schloss Harburg; Universitätsbibliothek Augsburg) präsentiert als Eingangsminiatur ein mehrfarbiges Buchstabenlabyrinth mit den vom Zentrum aus in alle Richtungen zu lesenden Wörtern „EUANGELIA UERITATIS“ in Capitalis - der Schlusskonsonant S ist außerhalb in den vier Ecken des gelben Rahmens platziert -, und darüber ist eine antikisierende Darstellung eines Vogelpaares mit floralen Elementen lokalisiert (Abb. 14). Das Kreuzwortlabyrinth besitzt auffällige Strukturmerkmale wie die Markierung des Leseanfangs in der Mitte durch eine vergrößerte Initiale, die Rubrizie-

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Abb. 14: Kreuzwortlabyrinth; EUANGELIA UERITATIS; Schloss Harburg, UB Augsburg, Cod. I.2.4∞, fol. 2r.

rung von einzelnen Textzonen (zentrale Raute, vier Triangel an den Ecken des Quadrats) und eine dynamische, auf ständige Drehung der Textvorlage angelegte Lesestruktur: Der Text visualisiert bei konventionellem Lesebeginn mit Verlauf von links nach rechts und von oben nach unten im symbolischen Verständnis ausschließlich Irrwege, bei der Ortung des richtigen Startpunkts in der Mitte des Textquadrats aber zahllose richtige Wege zu den ,Evangelien der Wahrheit‘ 31. Nach der merowingischen Buchkultur verdient unter dem Aspekt labyrinthischer Konfigurationen auch die angloirische Handschriftenüberlieferung ein besonderes Interesse, wenn man z. B. die Evangelistenbilder im Evangeliar des hl. Willibrord in den Fokus rückt (Abb. 15), das vom Schreiber , gut hieronymisch‘ Per cola et commata geschrieben wurde 32. Das von der Vorlage kopierte Kolophon auf fol. 222v besagt, dass der Text im Jahr 558 nach einer Handschrift aus dem Besitz des Hl. Hieronymus korrigiert wurde. Der Löwe, Signum des Evangelisten Markus, erscheint als Eingangsbild vor dem Text des Markusevangeliums: springend in einer Aufstiegsbewegung und mit Schriftzeichen hinter dem Hals als selbstreferentiellem Titulus „IMAGO LEONIS“, wobei das labyrinthartige Gitterwerk den Bezug zum un31 32

Cf. U. Ernst, Carmen figuratum (nt. 3), 403 und 405. Cf. C. Nordenfalk, Insulare Buchmalerei. Illuminierte Handschriften der Britischen Inseln 600800, München 1977, 48 sq.

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Abb. 15: Evangelist Markus, Löwensymbol; Evangeliar des hl. Willibrord; 690 n. Chr., Bibliothe`que Nationale, Paris, lat. 9389, fol. 75v; nach C. Nordenfalk, Insulare Buchmalerei, Abb. 10.

ergründlichen Geheimnis des heiligen Textes herstellt. Eine Deutung im Hinblick auf das Verständnis der Bibel als Labyrinth bietet sich hier auch deshalb an, weil Hieronymus die mythische Vorstellung vom Labyrinth als einem höchst komplexen und intrikaten Gebilde mit der Gefahr des Irrens und Fehlgehens explizit zur Charakterisierung der hl. Schrift und ihrer Geheimnisse aufgegriffen hat, sofern er im Prolog zum XIV. Buch seines Ezechiel-Kommentars expliziert: ,,Ita et ego istarum Scripturarum ingressus Oceanum, et mysteriorum Dei, ut sic loquar, labyrinthum.“ 33 Während bislang die, jeweils im Praecorpus biblischer Texte situierten, sog. Teppichseiten in der angloirischen Handschriftenkultur als Formen ornamentaler Buchkunst gedeutet wurden, sei hier eine Interpretation im Kontext mit dem hieronymischen Labyrinthgedanken favorisiert. Die Verbindung von labyrinthischen Mustern mit einer Kreuzfigur, hier mit dem Patriarchalkreuz als Titelseite im ,Book of Durrow‘ (um 680 n. Chr.), unterstützt den Ansatz einer nicht nur ornamentalen, sondern auch christlich-soteriologischen Deutung im Sinne der Erlösung der Menschheit aus dem Labyrinth der Sünde durch das Kreuz Christi (Abb. 16). Als weiteres Exempel sei auf eine Seite verwiesen, die dem Anfang 33

Hieronymus, Commentaria in Ezechielem, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 25, Paris 1884, Sp. 448: ,,Ich bin am Eingang des Ozeans der Schrift und des Mysteriums Gottes, oder, wie man sagt, des Labyrinths“; Übersetzung und weitere Labyrinthbelege für die Heilige Schrift bei B. Burrichter: Erzählte Labyrinthe (nt. 2), 32 sq.; zahlreiche Testimonien in der Studie von I. Tiemann, Die Deutung des Minotauros von den ältesten Quellen bis zum frühen Mittelalter, Diss., Utrecht 1992.

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Abb. 16: Book of Durrow: Evangelienbuch, Eingangsseite, Dublin Trinity College, 57, fol. 1v.

Abb. 17: Book of Durrow: initial postierte Seite vor dem Markusevangelium, 125v.

des Lukasevangeliums gegenüber steht und die, durch ihre labyrinthischen Mäandrierungen und durch verschlungene Strukturen mit polychromen Verflechtungen, Verknotungen und tetragonalen Gittermustern, auf die Komplexität und Vernetzung des biblischen Textes vorausweist (Abb. 17). Auf die Implantierung von Kreuzwortlabyrinthen in ,heiligen Büchern‘ stößt man auch in der spanischen Buchmalerei, insbesondere in den Prachthandschriften des ,Apokalypsenkommentars‘ von Beatus von Lie´bana (Abb. 18) 34. Im sog. Fanlo-Beatus, der auf die Kopie einer Beatus-Handschrift aus dem 11. Jahrhundert zurückgeht, stößt man nicht nur auf Akrostichon-Verse des Schreibers Sancius (Sancho): „Sancius notarios presbiter mementote“, sondern auch auf einen vom Zentrum aus aufzuschlüsselnden Cubus: „Pantio abba librum“, in dem Pantio (bzw. Banci oder Banzo), Abt des avignonesischen Klosters San Andre´s de Faulo, als Auftraggeber des Codex genannt wird. 34

Zu den mittelalterlichen Letternlabyrinthen cf. U. Ernst, Carmen figuratum (nt. 3), 406-420; instruktiv der Beitrag von Kristin Böse, Die Lesbarkeit des Unlesbaren. Ornamentalität in mittelalterlichen Buchstabenlabyrinthen. In: V. Beyer/C. Spies (eds.), Ornament: Motiv - Modus Bild, München 2012, 287-316.

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Abb. 18: Beatus von Lie´bana: Apokalypsenkommentar, Fanlo-Beatus, New York, Pierpont Morgan Library, M. 1079, fol. 11r; 17. Jh.; Kreuzwortlabyrinth, vom Zentrum aus in alle Richtungen zu lesen: Pantio abba librum; nach: Beatus von Lie´bana (Buchmalerei) URL: *https://commons.wikimedia.org/wiki/File: FanloBeatusFacsimileFolio11rAcrosticPage.jpg+ (Stand: 01. 12. 2016).

Der Typus des Kreuzwortlabyrinths lebt wirkmächtig in der frühen Neuzeit wieder auf, findet Eingang in die Poetiken und wird im Rahmen einer boomenden Kasuallyrik prävalent für Epithalamien und Epicedien funktionalisiert. So ist einem als Flugblatt publizierten, zentrierten Cubus aus dem Jahr 1633 (Stadtarchiv Lübeck, L XIII, 382), der den anlässlich einer Hochzeit formulierten Glückwunsch „Sic vestro radiet sanus amor thalamo“ („So möge euerm Ehebund heilsame Liebe erstrahlen“) als Puzzle präsentiert, programmatisch der Titel ,Labyrinthus Poeticus‘ vorangestellt (Abb. 19). Sodann wird in einer Funeralschrift auf Dorothea Antonia von Buwinghausen und Walmerode aus dem Jahr 1681 ein Epicedium in linear-progressiver Cubusform vom Verfasser, Johann Adolph Reichenbach aus Altburg, als Labyrintische Grab-Schrift ausgewiesen (Abb. 20). Ein lateinisches Kreuzwortlabyrinth, das anlässlich eines akademischen Festakts im Jahr 1628 als Diptychon, Distichon und Palindrom gestaltet wurde, trägt den Titel ,Votum. Flexvs Labyrinthævs cancrincvs‘ (Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Cm 136/8). Der Begriff Flexus aus dem Wortfeld des Labyrinths deutet auf eine Textfiguration hin, die sich, da zudem durch das Adjektiv „labyrinthisch“ näher gekennzeichnet, mit „Biegung“, „Windung“ oder „Umweg“ wiedergeben lässt.

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Abb. 19: Einblattdruck aus dem Jahr 1633, Stadtarchiv Lübeck, L XIII, 382, mit einem Buchstabenlabyrinth.

Abb. 20: Deutsches Begräbnisgedicht aus dem Jahr 1681. Württembergisches Epithalamium, Landesbibliothek Stuttgart, Fam. Pr. Fol. 62, 40.

Abgesehen von dem Typus des Kreuzwortlabyrinths stößt man in der frühen Neuzeit auf vielfältige Formen des nichtkombinatorischen, univialen Labyrinths, die sich einerseits einer heilsgeschichtlich-christlichen Thematik verschreiben oder andererseits Zwecke profaner Gelegenheitsgedichte verfolgen. Ein Labyrinthgedicht kirchlicher Provenienz stammt z. B. von dem Mainzer Vikar Michael Ritter und wurde zwischen 1588 und 1594 als großformatiger (32,7 ¥ 31 cm) Einblattdruck unter dem Titel ,Labyrinthus‘ (Abb. 21) publiziert. Ritter hat das religiöse Labyrinth mit einem Kreuzbild in Form einer Imago clipeata, das als Sinnbild der in Sünde verfangenen und durch Christus erlösten Welt figuriert, fünf hierarchisch und heraldisch differenzierten Würdenträgern des Mainzer Domkapitels gewidmet, nämlich dem Propst Georg von Schöneberg (ó 1595), dem Dekan Philipp Cratz von Scharfenstein (ó 1604), dem Kustos Antonius von Wiltberg (ó 1594), dem Scholastikus Johannes Schweikart von Kronberg (seit 1600 Erzbischof) und dem Kantor Philipp von Trohe (ó 1596) 35. 35

Cf. zu diesem Einblattdruck den Kommentar von U. Ernst/P. Höpgen, in: Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, Teil 3: Theologica. Quodlibetica, edd. von W. Harms/M. Schilling, Tübingen 1989, 10 sqq., 48 sqq., 334 sq., 400 sq.

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Abb. 21: Michael Ritter: Labyrintvs Poeticvs, Mainz, zwischen 1588 und 1594, 32,7 ¥ 31 cm; Einblattdruck; univiales Labyrinth, Carmen figuratum (Umrissgedicht), Wolfenbüttel, HAB: 51 Poet. 72.

Von der prosperierenden Kasualdichtung im Barock profitiert auch das säkulare Carmen figuratum in den Umrissen eines Labyrinths, wie ein als ,Irrgarten‘ betiteltes Flugblatt (Abb. 22) anlässlich einer Hochzeit im Jahr 1652 dokumentiert. Da die eheliche Verbindung in Buchdruckerkreisen vonstattengeht, erweist sich dies als Einblattdruck mit artistischer Figurierung des Drucks konzipierte Textlabyrinth auch als Reflex auf den Medienwandel der Frühen Neuzeit. Dass sich die Tradition des optischen Labyrinthgedichtes sogar noch bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts durchhält, zeigt ein bilingualer, deutschfranzösischer, geistlicher Irr-Garten von Albrecht Wagner aus Bern vom Jahr 1769. Dieser ist als Sektorenlabyrinth gestaltet, dessen vier Gnadenbrunnen durch zahlreiche Nennungen biblischer Stellen symbolisch auf die vier Gnadenströme verweisen, durch die Gott die korrumpierte menschliche Natur nach

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Abb. 22: Irrgarten, figuriertes Hochzeitsgedicht für einen Buchdrucker zu seiner Vermählung am 23. 11. 1652 von einem Berufskollegen; HAB Wolfenbüttel, Einbl. Xb 2∞, 80.1.

dem Sündenfall wieder in Gnaden an sich zieht 36. Die komplizierte labyrinthische Lesestruktur mit Beginn und Ende in der Mitte oben samt Hinweis auf Alpha und Omega wird in dem Kommentar der linken Schrifttafel allegorisch als Sinnbild des menschlichen Lebenslaufs kommentiert: „Durch das verkehrte Lesen wird angedeutet die vielen Mühseligkeiten, welchen der Mensch in seinem Leben unterworfen ist nach dem Sünden-Fall. […] Dass sich dieser Irr-Garten bey seinem Anfang endiget, will anzeigen, wie der menschliche Leib am Anfang von Gott aus Erden gemacht, also auch wiederum zu derselbigen, durch die Verwesung, als zu seiner Mutter eilet.“ (Abb. 23) Um ein Fazit aus den vorangegangenen Ausführungen zu ziehen, sollen einige wenige Stichpunkte noch einmal herausgehoben werden: - Betrachtet man die diegetischen, textgraphischen und buchkonzeptionellen Labyrinthdarstellungen unter produktionsästhetischen Aspekten, so erscheint als Positivum die nicht zu bestreitende Artifizialität der literarischen Krea36

Cf. H. Kern, Labyrinthe (nt. 1), 317 (Abb. 397).

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Abb. 23: Albrecht Wagner: Geistlicher-Irrgarten, Zürich Zentralbibliothek, Einblattdrucke 1758, Bern II, 1; nach H. Kern, Labyrinthe, 317.

tion, die man als Ausdruck einer dädalischen Poetik interpretieren kann, zumal wenn explizite Hinweise auf den kretischen Mythos vorliegen. Sich von oralen Formen entfernend, zeigt sich schon in homerischer Zeit ein Paradigmenwechsel hin zu experimentellen Strukturen avancierter Skripturalität. - Durch den tektonischen Aufwand und das kompositorische Anspruchsniveau im werkspezifischen Bereich wird der Adressat in besonderer Weise rezeptionsästhetisch dazu stimuliert, im Prozess des Lesens und Betrachtens Umwege oder gar Irrwege einzuschlagen, um sich der erstrebten poetischen Wahrheit zu nähern: Der error wird ein Mittel zur Findung der veritas. - Durch Verfahren der Kombinatorik, seien sie nun lese- oder auch textpermutativ, partizipiert der Rezipient selbst aktiv an der Sinnstiftung des labyrinthischen Textes, die in Dimensionen des Infiniten extrapoliert werden kann.

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Die Entautomatisierung und Retardierung der Lektüre dient einerseits der Meditation, während der sich vervielfältigende Text den Leser andererseits zu Spiel und Experiment animiert. - Während für die diegetischen Labyrinthe die Komplexität der Narration konstitutiv ist, spielen bei den textgraphischen und buchkonzeptuellen Formen Visualisierungsstrategien eine zentrale Rolle, die vom Adressaten ein intensives Eindringen in die Interaktion von Architektur und Ikonizität, Textualität und Buchästhetik erfordern. - Wenngleich die Labyrinthvorstellung wie schon ansatzweise im Mythos auch im christlichen Kontext häufig negativ im Sinne der Sünde und Häresie konnotiert ist, so erscheint der error in seinen literarischen Adaptionen keineswegs als Ausdruck einer Poetik des Scheiterns. Auch im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ist der Gang durch das Labyrinth für den Homo viator letztlich ein Weg zur Erlösung, und die artistische Ausformung der Labyrinthidee ist zugleich ein ehrgeiziger Versuch, an die Grenzen einer interagierenden Wort- und Bild-Kunst zu gelangen.

Frogs’ Fairy Tales and Dante’s Errors: Cecco d’Ascoli on the Florentine Poet and the Issue of the Relationship between Poetry and Truth Ercole Erculei (Bonn/Coburg) I. Introduction If the modern reader were asked to give a judgment on the merits of a poetic composition, the latest results of scientific research in fields such as physics, astronomy, geography, or even such disciplines as history or theology would most likely play no role as criteria for the formulation and explanation of her assessment. Instead, she would likely draw on aesthetic criteria based on culturally-interiorized or, in some cases, philosophically-mediated principles. Similarly, no serious modern scientist would condemn a poet or artist as a useless or degenerate squawking frog 1 on account of certain scientific errors in his poetic production, as if an artistic, fictional composition were required to explain or propagate scientific knowledge and consequently required peer review by an academic expert. To offer a few representative examples of this approach, which clearly distinguishes between the fictional, artistic world and the real world as well as between aesthetic insight, on the one hand, and scientific observation on the other, let us offer the example of Frank Raymond Leavis, an important literary critic of the past century, who had no difficulty praising Shakespeare’s ‘The Winter’s Tale’ as a “masterpiece” and “a great work of art” 2, despite the presence of such a gross error as the protagonists’ impossible landing on the nonexistent seacoast of Bohemia 3. Furthermore, Mario Piazza, a contemporary researcher in the field of philosophy of mathematics, argues that a significant characteristic of a fictional work, such as a romance or a poem, is the fact that its assertions cannot be emendated or corrected by the reader, unlike what happens with mathematical or, more generally, scientific texts 4. Any reader is allowed to check and draw attention to errors within a scientific paper, while no one is permitted to rectify Shakespeare’s composition, as if it were the exam paper of a young student. 1 2

3 4

Cf. infra § III. Cf. F. R. Leavis, The Criticism of Shakespeare’s Late Plays. A Caveat, in: Scrutiny 13 (1942), 339-345, here esp. 340 and 344. Cf. W. Shakespeare, The Winter’s Tale, act. III, scene 3, ll. 1437 sqq. Cf. M. Piazza, Intorno ai numeri. Oggetti, proprieta`, finzioni utili, Milano 2000, 222-225.

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It is clear that this presupposition about poetic literature often encountered among modern readers has had a long and multivalent historical development and indeed has gone through several topical alterations in the history of Western thought. My paper deals with one of the lesser known, often forgotten stages in this history: the sharp criticisms that Cecco d’Ascoli, a rarely studied medieval Italian astrologer and teacher at the University of Bologna 5, levied against Dante Alighieri on account of his alleged scientific errors in the context of the more general controversy over the Florentine which arose in the 14th century. In addition to some astronomical works in Latin related to his profession 6, Cecco also composed a sort of anti-‘Commedia’ in Italian, the encyclopedic poem ‘L’Acerba’ 7, with the express aim of disseminating a scientifically reliable description of the world by means of poetry expressed in the vernacular. Here, he also indefatigably reproaches several scientific falsities, such as the explanation of storms, the intellectual capacity of women, the number of celestial spheres, and the evaluation of the Averroistic philosophy, among others, which were widespread in Dante’s works. 8 Among them, I will focus on two main reproaches, which are useful not only for an initial overview of Cecco’s thought but are also emblematic of his ‘aesthetics’, if I may use such a modern terminology: 1) his criticism of Dante’s description of Fortune in ‘Inferno’ VII, and 2) his accusation that Dante was nothing more than a squawking frog and an author of worthless fairy tales. 5

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Among the few, and praiseworthy exceptions I like to mention here: S. B. Fabian, Cecco vs. Dante: Correcting the Comedy with Applied Astrology, New York, Columbia University 2014 (doctoral dissertation - manuscript); T. Barolini, Contemporaries who Found Heterodoxy in Dante featuring (but not Exclusively) Cecco d’Ascoli, in: M. L. Ardizzone (ed.), Dante and Heterodoxy: The Temptations of 13th Century Radical Thought, Newcastle-upon-Tyne 2014, 259-275; Ead., ‘Sotto benda’: The Women of Dante’s Canzone ‘Doglia Mi Reca’ in the Light of Cecco d’Ascoli, in: Dante Studies, with the Annual Report of the Dante Society, 123 (2005), 83-88; L. Thorndike, Cecco d’Ascoli, chap. LXXI, in: Id., A History of Magic and Experimental Science, vol. II, New York 1923, 948-968. Furthermore, cf. the studies collected in: A. Rigon (ed.), Cecco d’Ascoli. Cultura, scienza e politica nell’Italia del trecento. Atti del convegno di studio svoltosi in occasione della XVII edizione del Premio internazionale Istituto Superiore di Studi Medievali “Cecco d’Ascoli” (Ascoli Piceno, Palazzo dei Capitani, 2-3 dicembre 2005), Roma, 183-199. Lastly, cf. also E. Erculei, Ceccos d’Ascoli Kritik an Dantes’ Konzeption der Fortuna, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 2011 (Masterarbeit - manuscript). The present paper sums up and deepens some of the theses I sketched there. Cf. Cecchus Asculanus (= Francesco Stabili/Cecco d’Ascoli), Cicchi Esculani Viri Clarissimi in ‘Spheram Mundi’ Enarratio, in: L. Thorndike (ed.), The ‘Sphere’ of Sacrobosco and Its Commentators, Chicago 1949, 343-411; id., Il commento inedito di Cecco d’Ascoli all’ Alcabizzo (Scriptum super librum ‘De Principiis astrologiae’ Alcabitii), ed. G. Boffito, in: La Bibliofilia 5 (1903-1904), 333-350 and La Bibliofilia 6 (1904-1905), 1-7, 53-67, 283-291; id., De eccentricis et epicyclis, ed. G. Federici Vescovini, in: Il ‘Lucidator dubitabilium astronomiae’ di Pietro d’Abano. Opere scientifiche inedite, Padova 1988, 367-394. Cecchus Asculanus, L’Acerba, ed. M. Albertazzi, Trento 2002. For an overview of Cecco’s criticisms against Dante cf. Barolini, Contemporaries who Found Heterodoxy in Dante (nt. 5), 267-274; Fabian, Cecco vs. Dante (nt. 5), 65 sq. et passim; cf. also Erculei, Ceccos d’Ascoli Kritik (nt. 5), chap. III-IV.

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II. Cecco versus Dante 1. Cecco versus Dante on Fortune (Part I ): A Further Celestial Intelligence? Cecco devotes the first chapter of the second book of his ‘L’Acerba’ to a long, multilayered yet firm refutation of the deterministic cosmology which Vergil depicts in Dante’s ‘Inferno’ VII in answer to the ontological question: “What is she [sc. Fortune]?” 9 The Florentine poet collocates Fortune among the separated, immaterial intelligences which govern and rule over the revolutions of the celestial spheres and, alongside them, all stars. Fortune is described as the “general minister and guide” of that particular sphere under which the earthly, temporal, in reality worthless but deeply beloved ‘goods’ such as richness, political power, physical beauty, innate intelligence, etc. are arrayed. Consequently, the mutations and revolutions in the distribution of these (pseudo-)goods within the history of a single person or a family or a people are not impromptu or accidental events caused by a blind, unjust and irrational force such as the pagan deity Fortuna, but are rather the concrete effects of a celestial administrator who rules over her sphere on behalf of God and always looks to Him. This is the reason underlying her sovereign indifference towards the requests, lamentations and vituperations of human beings, who can neither see nor comprehend the providential rationality of her decrees. As an irresistible, invincible and mysterious force she overwhelms instead our desires and with necessity carries out her godly sentences 10. What is wrong with such a portrait of Fortune? What errors must be condemned and amended in Dante’s description of such a well-ordered, perfectly administrated cosmos, ruled by God and His several ministers - among them, Fortune? According to Cecco, there are several errors with this portrait, all of them highly dangerous for ethics and religion. First, Dante completely misses what Fortune actually is and, as a consequence, is mistaken about the exact number of celestial intelligences. There is absolutely no need to add a further intelligence to those which move the celestial spheres and, through them, the stars and planets. The various distributions of temporal (pseudo-)goods among different 9 10

Dante, Inferno, VII, v. 69: “[…] che `e, che i ben del mondo ha sı` tra branche?” Cf. Dante, Inferno, VII, vv. 67-96: “‘Maestro mio’, diss’io, ‘or mi dı` anche:/questa fortuna di che tu mi tocche,/che `e, che i ben del mondo ha sı` tra branche?’./E quelli a me: ‘Oh creature sciocche,/quanta ignoranza `e quella che v’offende!/Or vo’ che tu mia sentenza ne ’mbocche./Colui lo cui saver tutto trascende,/ fece li cieli e die` lor chi conduce/sı`, ch’ogne parte ad ogne parte splende,/distribuendo igualmente la luce./ Similemente a li splendor mondani/ordino` general ministra e duce/che permutasse a tempo li ben vani/di gente in gente e d’uno in altro sangue,/oltre la difension d’i senni umani;/per ch’una gente impera e l’altra langue,/ seguendo lo giudicio di costei,/che `e occulto come in erba l’angue./Vostro saver non ha contasto a lei:/questa provede, giudica, e persegue/suo regno come il loro li altri de`i./Le sue permutazion non hanno triegue:/necessita` la fa esser veloce;/sı` spesso vien chi vicenda consegue./Quest’e` colei ch’e` tanto posta in croce/pur da color che le dovrien dar lode,/dandole biasmo a torto e mala voce;/ma ella s’e` beata e cio` non ode:/con l’altre prime creature lieta/volve sua spera e beata si gode’.”

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human beings and cities as well as their changes are nothing else than the predictable and computable set of astral influences upon earthly material bodies. An adept of the stars, of their movements and junctions - i. e. an academic astrologer like Cecco - can explain without any modification of the traditional cosmology the chain of causes behind the single episodes of ‘fortune’ or ‘misfortune’ on this earth. It is not misfortune, if Steve is born with a handicap. It is not misfortune if Frank is born with a terribly irascible and violent character, which urges him to commit violent and criminal acts. Nor is it fortune that John was born with a gentle character as well as a brilliant mind, so that he could successfully dedicate his life to virtue and science. Either at the moment of their conception, during their development in the womb, or sometime within their childhood, each of these people were exposed to the particular influences of certain stars and planets and not others, precisely because each of them was born and grew up at a certain place on earth, in a certain city (with its individual destiny) and under a certain firmament 11. To offer a specific example: too strong of an exposure to Mars, according to Cecco, generates violent temperaments, while the combination of Mercury and the Sun brings about intelligence and generosity. The astrologer is able to scientifically reconstruct all these influences, even concerning the biological dispositions of the parents as well as the innate dispositions of the inhabitants of the city where one was born and grew up. He is able to calculate the present, the past and the future positions in the sky of different stars and planets, their junctions, and the combinations of their influences and consequently is able to explain what the ignorant man simply call ‘luck’. Given this background, one can also understood why the teaching of astrology was so relevant for students of medicine at the University of Bologna: innate deformation, genetic handicaps, diseases and epidemics, amputations and therapies were all believed to have been causally influenced by the stars and their position in the sky. Stars and planets rule over the sublunary elements and their combinations in even more complex forms, so that the knowledge of how their complex interactions worked was indispensable for understanding the nature of each patient’s particular body, organs, spiritus, humores, etc. in order to induce a successful therapy 12. I cannot elaborate every detail of Cecco’s astrological ‘science’ here. Let me simply stress again my main point, which also represents his first major accusation against Dante: Fortuna is not a further intelligence alongside the traditional movers of the celestial spheres. Rather, she is nothing else but the explainable and even predictable effects of astral movements upon particular material bodies. 11

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For the contents of this and the next paragraphs cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), II, capp. I-II, [709-892], s.p. For a more detailed overview of Cecco’s astrology cf. Cecchus Asculanus, In Sphera Mundi, ed. Thorndike (nt. 6), passim; id., Alcabizzo, ed. Boffito (nt. 6), passim. Cf. also Thorndike, Cecco d’Ascoli (nt. 5); Fabian, Cecco vs Dante (nt. 5); Erculei, Ceccos d’Ascoli Kritik (nt. 5), chap. III. Cf. Cecchus Asculanus, In Sphera Mundi, ed. Thorndike (nt. 6), 344-348.

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2. Cecco versus Dante on Fortune (Part II ): An Irresistible Force? Is not such a correction actually worse than the error? In other words: does not Ceccos’ scientific explanation of what Fortune actually is simply an extreme form of astral determinism, and therefore worse than Dante’s depiction of Fortune as a godly minister? The astrologer of Ascoli does not believe this to be the case. On the contrary, he claims that his astrological clarification of Fortune’s real nature makes it possible to better defend the freedom of the will and in this way the fundamentals of ethics and religion. Unlike what Dante claims, Fortune is not an invincible force and she imposes nothing of absolute necessity upon humans, unless one desires to be her slave. As we seen, in Cecco’s interpretation Fortune is nothing more than the effects of astral influences upon the sublunary material world. Hence, she rules at most over the material aspect of a human being, over its complexio, i.e. the composition and balance of its material elements, spiritus, humores, etc., but has no power over its soul, which is immaterial and directly originates from God (rather than matter). Cecco insists that the particular individual soul is the “forma substanciale”, as Thomas Aquinas maintained against the Averroists, of every single human being, and as such is directly created by God who instills it “in us” 13. The rational soul does not lose its ontological independence from matter, its direct divine origin, its freedom in the moment of its union with a certain material substrate whose qualities have been shaped by the influences of the stars 14. Matter, humores, complexio, i. e. the stars and their influences, certainly incline a particular human being to act in a certain direction rather than another; nevertheless, they can never force it. Because the soul is ontologically independent from matter, freedom and rationality are always the decisive factors through which a particular human being decides to act in one way and not another. The soul - or more precisely its free agency - can decide to follow certain bodily predispositions and inclinations which are bad and incline toward sin. It is capable, however, of deciding otherwise: to contrast, to fight and to besiege these material inclinations 15. Even among natural objects, one can find emblematic examples of a 13

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Cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), V, cap. I, 43 sq., 55 sq. [4737 sq., 4749 sq.]: “L’alma intellectiva `e forma nostra/substanciale che da` l’essere a noi […] Questa creando, Deo in noi la spira/et onne humano per se´ a` l’alma soa”. Cf. ibid., II, cap. I, 29-33 [737-741]. Cf. Anonymus [?Cecchus Asculanus?], Commento latino a L’ Acerba, edd. Albertazzi/Sanelli, in: Cecchus Asculanus, Acerba, (ed.) Albertazzi (nt. 7), II, 1, f.: “[…] anima rationalis non potest ex necessitate informari a celo vel a fortuna, et dicit sic: nulla intelectualis substancia a corporeo potest pati; si anima intellectiva est incorporalis, ergo non potest a celo pati, quod est corpus.” For the question of the authorship (perhaps Cecco d’Ascoli himself?) of the very useful, actually anonymous Latin Commentary on L’Acerba cf. the section “Nota al testo” by the editor M. Albertazzi, in: Cecchus Asculanus, Acerba, (ed.) Albertazzi (nt. 7), s.p. Cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), II, cap. I, 13-42 [721-750]: “Non fa necessita` ciaschum movendo,/ma ben dispone creatura humana/per quallita`, qual l’anima seguendo/l’arbitrio abandona e fa`ssi vile:/serva e ladra, de vertut’estrana,/da se´ dispoglia l’abito gentile./In cio` pecchasti, fiorentin poeta,/ponendo che li ben[i] de la fortuna/necessitati sieno con lor me`ta./Non `e fortuna che ragion

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successful fight of reason against such natural inclinations. Cecco notes, for example, that a magnet loses its natural capability to attract iron if it has been soaked in oil 16. The absence of any natural-astrological determinism as well as the primacy of human rationality and will over any natural disposition is also evident in those cases which the superficial observer might define as typical examples of good luck, or even of simple natural automatism. No one becomes a good physician or an eminent jurist merely on the basis of an innately intelligent and talented nature: long study and training, high diligence, and hard work are also necessary, and are even more important than natural talent. In a similar way, no fruit tree produces excellent, juicy and tasty fruits automatically, without continuous maintenance and oversight of a diligent farmer 17. Hence, the achievement of a good and excellent life is dependent not on nature, but in reality on freedom and rationality. Astrology and its calculations of those stellar influences which a material being has received in the past or will receive in the future is certainly helpful, even invaluable in order to understand that person’s intrinsic nature and innate dispositions and inclinations. The question of how to deal with these traits, however, remains the decision of a free and rational soul. If this were not true, determinism would rule the sublunary world and Christian eschatology would be senseless. III. Fabulae and squawking frogs Before I examine in the next section the question of whether such an elaborate criticism of Dante’s description of Fortune in ‘Inferno’ VII is actually fit-

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non ve´ncha !/Or pensa, Dante, se pruova nessuna/si puo` piu` fare che questa se ve´ncha./Fortuna non `e altro ch’a` disposto/ciel[o], che dispone cosa animata,/qual disponendo, si truova l’opposto./Non vien[e] necessitato il ben fellice./Essendo in liberta` l’anima creata,/fortuna in lei non puo` se contradice/Substancia senza corpo non ric[i ]eva/da questi cieli:/pero` l’intellecto/mai a fortuna subiacer[e] non deve./S’io fui disposto e fui fellice nato,/e conseguir[e] dovea il grande effecto,/io posso non vollere, e star da lato./Che´ ’n sua balı`a a` l’alma el suo volere:/l’arbitrio lı` acquista lo suo merto; non puo` necessitate in lei chadere. Or, se fortuna l’alma cossı` spoglia, gia` seria` Idio iniusto scoverto,/se per altro [non] poter mi mena a doglia.” Cf. Anonymus [?Cecchus Asculanus?], Commento latino, edd. Albertazzi/Sanelli (nt. 14), II, 1, b.: “[…] quamvis isti celi gubernent et regulent spiritus universi - non ex necessitate agunt super individuo rationis sed disponunt per qualitatem, id est per complexionem, quia si anima rationalis ipsorum insequitur ut puta mallivolam complexionem, id est colericam (que hominem disponit ad luxuriam et ad iram et ad subitaneos motus ex quibus homicida insequuntur) tunc anima expoliat se habitu, id est habitu rationis.” Cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), II, cap. I, 58-66 [766-774]: “Rompesi quallita` per accidente,/non che ’l subiecto de l’esser si scarne:/de l’onta chalamitta terai mente/che non trahe ferro fin che non `e siucta/la humidita` che sua virtu` riserra./Cosı` fa l’alma quando `e donna tu,c‘ta: distruge qualitate viciosa/sı` che nel male l’uomo non diserra, e trahe nel bene la vita dampnosa.” Cf. ibid., II, cap. I, 43-54 [751-762]: “Non val ventura a chi non si faticha,/perfetto bene non s’a` senza pena,/fassi fellice chi vertu` investı`cha. Ma chi aspetta la necessitate/del bene che al fortuna secho mena,/ pigricia lo comanda a povertate./Fortuna per ragione se augumenta,/e piu` felice se fanno li effecti/quando il vollere natura argumenta./Nasce ogni pianta per natural moto:/non coltivando, mai frutti perfetti/non fa nel tempo (cio` si mostra noto).”

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ting, let me add here the second criticism I wished to consider in this paper: Cecco’s accusation that Dante was nothing else but a squawking frog. In the 13th chapter of the fourth book of ‘L’Acerba’, the astrologer explicitly asserts the goodness and the superiority of his approach to poetry over Dante as well as all other poets who, like “squawking frogs”, merely sing futile and fictional stories instead of disclosing and clarifying the Truth. Unlike them, Cecco declares himself an earnest enemy of fairy tales and emphasizes that in his poem the true nature of the world shines and illuminates the mind of the reader. The verses where Cecco makes these claims are the most famous in his otherwise largely-forgotten work and they deserve to be directly quoted: Qui non se canta al modo de le rane qui non se canta al modo del poeta, chi finge, imaginando, cose vane: ma qui resplende e luce onne natura che a chi intende fa la mente lieta; qui non se sogna per la selva obscura. Qui non vego Paulo ne´ Francescha, de li Manfredi non vego Alberigho, […] Lasso le ¸canc¸e e torno su nel vero: le fabulle me foˆn sempre inimiche. 18

Despite this passage’s relative fame, I am under the impression that many interpreters have overlooked the historical background of Cecco’s attack against the squawking frogs, and have thus missed a fundamental key in order to best understand his polemic against Dante. As rightly noted by Manfred Bambeck one of the few exceptions who considered this point - the polemical identification between the vainly singing poets and the squawking frogs has a long tradition prior to Cecco which was widespread among biblical exegetes ever since the early centuries of the Christian era. When interpreted allegorically, the frogs of the second plague of Egypt are often paralleled with pagan poets and their magniloquent compositions. In terms of content, such writings are nothing more than vain and dangerous fabulae, which do not spread truth and morality, but falsity, impiety, and vice 19. 18 19

Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), V, cap. XIII, 1-18 [4669-4686]. Cf. M. Bambeck, Zur Polemik des Cecco d’Ascoli gegen Dante oder von der Allgegenwart der Allegorese, in: Romanistisches Jahrbuch 31 (1980), 73-77. Cf. e.g. Origenes, Homiliae in Exodum (latine Rufino interprete), IV, 6, ed. M. Borret, (Sources Chre´tiennes 321), Paris 1985, 134,43-46: “Per secundam uero plagam, in qua ranae producuntur, indicari figuraliter arbitror carmina poe¨tarum qui, inani quadam et inflate modulation uelut ranarum sonis et cantibus, mundo huic deceptionis fabulas intulerunt”; Caesarius Arelatensis, Sermones Caesarii uel ex aliis fontibus hausti, sermo 99, cap. 2, ed. G. Morin, (Corpus Christianorum. Series Latina 103), Turnhout 1953, 404,5-9: “Secunda vero plaga, in qua inducuntur ranae, indicari figuraliter arbitror carmina poetarum, qui inani quadam et inflata modulatione velut ranarum sonis et cantibus mundo huic deceptionis fabulas intulerunt: ad nihil enim animal illud utile est, nisi quod sonum vocis inprobis et inportunis clamoribus reddit”; Rupertus Tuitiensis, In Exodum Commentariorum, lib. I, cap. XXXII, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 167, Paris 1854, 599D-600A: “Et tertium legis est mandatum: ‘Non assumes nomen Domini tui in vanum

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In this prior tradition as well as in Cecco’s case, it is not the poetical art itself that is under attack: that would be really self-contradictory for the author of a poem of almost 5000 verses as well as for every Christian who reads and reflects on the several poetic compositions within the Bible (e.g. the Song of Songs or the Psalms). Rather, the vain compositions of the squawking frogs are poetic works which do not fulfill the aim of disseminating the truth even among nonspecialists: that truth, which is spread by the faith and whose individual components are the objects of the rational investigations of various scientific disciplines. If a poetic composition presents blatant scientific errors such as false cosmological claims, incorrect physical or metaphysical theses (with the attendant danger of catastrophic ethical consequences), it must be recognized as bad poetry even if formally excellent and aesthetically beautiful. Indeed, Cecco has no problems recognizing Dante’s technical greatness 20; nevertheless, he firmly reproaches the errors he finds in Dante in the same way a teacher would with a bad student, and contrasts the Florentine’s fairy tales with his own truthful poem. Poetry has no special right to ignore questions of truth and falsity; on the contrary, they are the fundamental criteria by which poetic compositions ought to be evaluated. IV. On the Legitimacy of Cecco’ s Re proaches of Dante’ s Er rors With such an ‘aesthetics’ on the background, our discussion can now move back to the specific issue of the nature of fortune and explicitly ask the question of whether Cecco’s criticism is actually justified or not. By way of introduction, we must remember that there is an immense secular tradition on the part of Dante’s defenders and eulogizers which has attributed Cecco’s remarks (about this particular issue as well as in general) to the malignant, poisonous words of a resentful man who burned with envy against Dante’s greatness as a poet and thinker. To give a specific example, let me name one of the most influential Florentine humanists, Coluccio Salutati, who, in his work ‘De Fato et Fortuna’, vehemently defends Dante’s claims about fortune against Cecco and depicts him as a terribly bad poet, so blinded by the envy that he deserved the name “Cecus” (blind) instead of “Cecco”. In his mediocrity and resentment, Cecco

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(Exod. XX ).’ Hujus mandati praevaricatoribus foeditatis opprobrium in ranis praefiguratum est. Quinam sunt vaniloqui isti, qui nomen Dei in vanum assumunt, nisi maxime loquaces poetae, non solum in fluviis Aegyptiorum, sed in caeterarum fabulantes atque coaxantes paludibus gentium? Vel qui justius comparantur foeditati ranarum, quam poetae perstrepentes in theatris ridicula figmenta fabularum? Hi plane assumunt nomen Dei in vanum, verbi gratia cum adultero Jovi, et meretriculae Veneri, nomen divinitatis ascribunt. Et illae quidem ranae permolestae fuerunt, ascendentes et ingredientes domum regis, et cubiculum lectuli ejus, et super stratum ejus, et in domos servorum ejus, et in populum ejus, et in furnos ejus, et in reliquias ciborum ejus, istae autem ranae, id est fabulosi poetae corporaliter aures lectitando, et oculos gesticulando delectaverunt, sed animis exitiales exstiterunt.” Cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), I, cap. II, 66 [152].

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could not understand the deep nature of the truth Dante had laid out in his work - truly, the Florentines were wise to burn such a man at the stake, a blind lover of falsity and, even worse, of heresy 21. However, envy is not an adequate category for any serious philosophicalhistorical analysis of a thesis - not only due to the difficulty (or even the impossibility) of any objective verification of the personal grounds underlying a certain action (in this case, criticizing another author), but also due to the simple fact that it is the contents, i. e., the consistence, plausibility, and rationality, of a certain thesis claimed by a particular author that is philosophically interesting. If another writer, such as Cecco, points out weak points or inconsistencies in that thesis, we ought to thankfully welcome such remarks as an important contribution to the discussion, even if they are perhaps animated by envy or some other feeling. The rationality of the thesis, not the morality of particular human being, is the relevant issue in philosophy as well in the history of philosophy. In the case of Cecco, let me briefly stress that the idea of envy as a motivating factor is not really supported by the texts we have. On the contrary, Cecco praises the poetic excellence of Dante’s verses - as already noted - and he likes to inform us about the existence of an epistolary correspondence with Dante concerning scientific questions 22. Furthermore - and at this point the specious terrain of every discussion ad personam can be left behind - Cecco’s criticisms are directed at the same weak points within Dante’s thought that many contemporary interpreters of the Florentine also noticed. ‘Inferno’ VII and its description of an irresistible Fortune which imposes her will on us by necessity was seen as a problematic passage by all early commentators of Dante, from Graziano Bambaglioli to Giovanni Boccaccio, from Jacopo della Lana to the author of the so called ‘Ottimo Commento’, even by Salutati himself. A detailed analysis of their interpretations is beyond the scope of this paper 23. Nevertheless, we may note that these authors took very different, even contrary approaches in order to ‘save’ Dante’s incriminating passages from their apparent determinism. On the one hand, commentators like Bambaglioli or Boccaccio attempted to read ‘Inferno’ VII as the portrait of a Fortune which implies nothing more than astral influences on the material plane of the sublunary world. Thus they can claim that Dante never negates human freedom, since the immateriality of the soul guarantees its independence from astral dispositions: The sky therefore influences at most inclinations, but does not make irresistible, necessary determinations. Such a position is expressed by Dante 21 22 23

Cf. Coluccio Salutati, De fato et fortuna, III, 11-12, ed. C. Bianca, Firenze 1995, 191-206. Cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), II, cap. XII, 31-48 [1439-1456]. Helpful informations can be found in: E. Meyer-Landrut, Fortuna in Dantes ‘Divina Commedia’ aus der Sicht der frühen Kommentatoren, Rheinfeld 1987. Cf. also: Fabian, Cecco vs. Dante (nt. 5); Barolini, Contemporaries who Found Heterodoxy in Dante (nt. 5), 267-274; Erculei, Ceccos d’Ascoli Kritik (nt. 5), chap. IV.

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himself in other passages of the Comedy, especially through the words of Marco Lombardo in ‘Purgatorio’ XVI 24. Such a defensive interpretation - whose contents Cecco would agree with is, however, not really respectful of the littera of Dante’s words in ‘Inferno’ VII: ultimately, it turns him into an unprecise, unclear and even contradictory thinker. So it is not surprising than other commentators took an opposite approach: rather than attempting to negate or to ignore the evident deterministic tone of some Dante’s expressions in ‘Inferno’ VII, they seek to negate its direct connection to Fortune herself. Necessary, irresistible and incomprehensible, they argue, is not Fortune, but godly Providence. Dante actually intended to teach with these verses that Fortune is recognizable and even identified as God’s will, the irresistibleness and incomprehensibleness of which no one would deny 25. However, this second defensive approach is problematic as well: on the metaphysical level, it causes any difference between the causa prima and the causae secundae to disappear, among whom Dante includes the Fortune as one of God’s ministers. That God’s will and providence are irresistible and necessary is a trivial observation that was never at stake. What Cecco attacks is rather the idea that such necessity and irresistibility may be ever attributed to a causa secunda. If it were so, the world would be dominated by the strongest determinism, since every possible cause in the universe would act necessarily. Even the accusation of being nothing more than a squawking frog reflects an actual contemporary argument concerning how Dante’s Comedy ought to be interpreted, one which, moreover, is not limited to his medieval interpreters. It could be summarized through the following question: had the Florentine written the Comedy with the “allegory of the poets” or the allegory of the theologians” 26 ? In other words: how should the literal meaning of the several stories he narrates and his detailed descriptions of the three realms in the other world be understood? Are they merely fictions, inventions and fables which are products of poetic phantasy and yet nevertheless represent the integumenta and velamina of important moral and religious truths? Or, are they rather eyewitness reports, realistic descriptions of actual occurrences, objective renditions of prophetic visions which really occurred? In this second case, Dante would be more than a mere poet: he would be a sort of new Paul, a divinely inspired prophet who had the ability to penetrate the mysteries of the Afterworld while yet in this life in order to proclaim to humanity the truths he has seen. It is almost superfluous to remark that from the perspective of a 14th century reader, Dante would emerge in this second case as a flagrant and rather arrogant heretic. 24

25

26

Cf. G. Bambaglioli, Commento all’«Inferno» di Dante, VII, ed. C. Rossi, Pisa 1998, 58-67; G. Boccaccio, Esposizioni sopra la Comedia, ed. G. Padoan, Milano 1965, 397-401; Dante, Purgatorio, XVI, vv. 52-96. Cf. C. Salutati, De fato et fortuna, ed. Bianca (nt. 21), 198-205, esp. 200. Cf. Anonymus, L’Ottimo Commento della Divina Commedia, Testo inedito d’ un contemporaneo di Dante, ed. A. Torri, 3 vols., Pisa 1827-1829 [Repr.: Bologna 1995], vol. I, 118. Cf. Dante, Convivio, II. I, 4-5.

Frogs’ Fairy Tales and Dante’s Errors: Cecco d’Ascoli on the Florentine Poet

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Hence, it is not surprising that his earliest commentators and defenders tried to avoid such an interpretation of the Comedy, despite the fact that some remarks of Dante himself really do seem to imply such an interpretation 27. His son Pietro asks, for example, at the beginning of his commentary: “Nam quis sani intellectus crederet ipsum ita discendisse, et talia vidisse, nisi cum distinctione dictorum modorum loquendi ad figuram? Nam non est ipse literalis sensus ipsa figura, sed id quod est figuratum.” 28

It is not without reason, therefore, that another commentator, Guido de Pisa, warns against the dangers of taking literally those passages in which Dante seems to contradict the truth of the Catholic Faith (in particular, his depictions of infernal punishment): “[…] prudens lector animadvertat quod hic et in quibusdam aliis locis tanquam simplex poeta ad cuius officium spectat animas transformare recipiendus est autor iste. Et nichilominus, secundum aliquam demonstrationem possumus a hanc pertingere veritatem, inquantum non heretice sed poetice penas talium poetizat.” 29

At this point, we can return to Cecco. While we may grant that Dante was not a pretentious heretic and that he had actually composed the Comedy using an “allegory of the poets” approach, a 14th century reader could still legitimately remark that he was nevertheless a bad poet. If checked by an expert, his fabulae turn out to be not the integumenta and velamina of truth, but are rather full of falsities which imply serious ethical dangers (as, for example, his depiction of Fortune in ‘Inferno’ VII). Even if Dante were a pious Christian - and Cecco has doubts on this point, pungently remarking that he never returned from the hell he had descended to on account of his little faith 30 - his fairy tales do not achieve the aim of a good poetic composition: to spread truth. As already seen in the above reference to the traditional interpretation of the second plague of Egypt, the astrologer of Ascoli is not alone in taking such an approach to poetry. Indeed, as an important authority as Lactantius had clearly defined the officium of a poet as well as the limits of her poetic license:

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Cf. Dante, Paradiso, XXIII, v. 63; XXV, v. 1; id., Inferno, XXV, vv. 46 sqq.; vv. 97-102; id. (dub.), Epist. XIII, 24. On the topic cf. M. Picchio Simonelli: L’Inquisizione e Dante: alcune osservazioni, in: Dante Studies, with the Annual Report of the Dante Society 118 (2000), 303321. B. Guthmüller, ‘Transformatio moralis’ e ‘transformatio supernaturalis’ nella Commedia di Dante, in: A. Ghisalberti (ed.), Il pensiero filosofico e teologico di Dante Alighieri, Milano 2001, 59-77. Pietro Alighieri, Petri Allegherii super Dantis ipsius Genitoris Comoediam Commentarium, ed. V. Nannucci, Firenze 1845, 8. Guido da Pisa, Expositiones et Glose super Comediam Dantis, ed. V. Cioffari, Albany (NY) 1974, 251. Cf. Cecchus Asculanus, Acerba, ed. Albertazzi (nt. 7), I, cap. II, 61-64 [147-150]: “Ne li altri regni ove ando` col Duca/fondando li suo’ pie’ nel basso centro,/la` lo condusse la sua fede pocha;/e suo camin non fece mai ritorno.”

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Ercole Erculei

“[…] officium poetae in eo sit, ut ea quae uere gesta sunt in alias species obliquis figurationibus cum decore aliquo conuersa traducat. totum autem quod referas fingere, id est ineptum esse et mendacem potius quam poetam.” 31

In the end, who is best equipped to assess whether a poet has actually feigned too much, missed the truth and become a propagandist of error, if not an academic specialist? This is exactly what Cecco does with Dante. V. A Few Remarks in Conclusion At the conclusion of my paper, let me briefly point out the desirableness of deeper academic engagement, at both a quantitative and qualitative level, with the figure of Cecco. As my sketch in this paper of only two issues in his dispute with Dante implies, the astrologer of Ascoli may represent an excellent point of intersection across several disciplines and research lines. For the history of Dante’s reception, the history of aesthetics, Italian studies, the history of science (especially of astronomy and biology), the history of the inquisition, or even the history of philosophy, Cecco offers a considerable number of trajectories for further enquiry into medieval culture, in particular that of Italy during that crucial and colorful time which was the 14th century. Furthermore, an extensive critical monograph encompassing the whole intellectual profile of Cecco, his sources, his many-sided and often contradictory Wirkungsgeschichte, his professional activity as an astrology teacher as well as his poetic activity in competition with Dante would surely be worth pursuing. Some first important stones on this way have already been laid 32. The aim of his paper has been to add another to them, in the hope that it will promote the realization of the above-mentioned greater tasks.

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Lactantius, Diuinae Institutiones, I, cap. 11, par. 24-26, ed. S. Brandt (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 19), Wien-Leipzig-Prag 1890, 40,16-20. Cf. Isidorus Hispalensis, Etymologiarum siue Originum libri XX, VIII, cap. 7, par. 10,17-19, ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911, vol. I, s.p. Cf. supra nt. 5.

,Irrtum‘ und ,(sich) irren‘ im Altfranzösischen Lexikalische und literaturgeschichtliche Anmerkungen Udo Schˆning (Göttingen) Konsultiert man für die Wörter ,Irrtum‘, error und erreur die einschlägigen Wörterbücher, so findet man durchaus unterschiedliche Definitionen, deren Schnittmenge darin besteht, dass der Irrende denkend oder handelnd einen (vermeidbaren) Fehler begeht, indem er gegen die Norm des Wahren oder Richtigen verstößt. Die altfranzösische Sprache und ihre Literatur weisen allerdings unter dem Aspekt des so verstandenen Irrtums einige Besonderheiten auf, denen im Folgenden nachgegangen werden soll. Beginnen möchte ich mit einer kurzen etymologisch-lexikalischen Betrachtung der thematisch relevanten altfranzösischen Wörter: dem Nomen error und den beiden homophonen Verben errer sowie zum jeweils zugehörigen semantischen Feld. Folgen sollen literarhistorische Anmerkungen zu einigen prominenten altfranzösischen Texten verschiedener Gattungen, in denen Irrtümer durchaus unterschiedlich narrativ virulent werden und die, was mein Thema betrifft, dennoch partiell in erklärender motivgeschichtlicher Beziehung zueinander stehen. So wird zunächst ein Blick auf den ersten integral überlieferten Text der französischen Literatur geworfen: das ,Alexiuslied‘ - eine Heiligenlegende (ca. 1050). Danach wird die bekannteste Chanson de geste betrachtet: das ,Rolandslied‘ (ca. 1195). Anschließend werden zwei der Antikenromane, der ,Roman de The`bes‘ (ca. 1150) sowie der ,Roman d’Ene´as‘ (ca. 1160) berücksichtigt, um dann zu dem berühmtesten Romancier der französischen Literatur des Mittelalters überzuleiten: Chre´tien de Troyes (Werke ca. 1170-1182), was einen kurzen Seitenblick auf den Tristanstoff mit einschließt. Am Schluss wird sehr knapp der ,Rosenroman‘ (ca. 1235 und 1275) erwähnt. I. Etymologisch-lexikalische Bemerkung en Das aus dem Lateinischen übernommene altfranzösische Nomen error und das zum Lexemverband gehörende und auf lateinisch errare zurückgehende altfranzösische Verb errer sind nach dem lexikographischen Befund semantisch eigentümlich unspezifisch und weisen deshalb Bedeutungsüberschneidungen mit anderen Wörtern wie beispielsweise folie, felonie, tort, faille, mesprison oder forfaire und mesfaire sowie Wörtern aus dem jeweils dazugehörenden Lexemverband auf. So führt Tobler-Lommatzsch etwa für error Übersetzungen an, die von ,Irrtum‘,

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,Irrglaube‘, ,Fehler‘ über ,Sünde‘ bis ,Grausamkeit‘, ,Ungewissheit‘ oder ,Besorgnis‘ reichen. Daneben existiert ein zweites altfranzösisches Verb errer, das auf ein durch Umbildung des klassisch-lateinischen itinerari hervorgegangenes iterare zurückgeht 1, wofür man bei Tobler-Lommatzsch Übersetzungen von ,reisen‘, ,herumschweifen‘, ,fahren‘, , gehen‘ bis ,verfahren‘, ,vorgehen‘, ,handeln‘, ,sich verhalten‘, ,etwas erreichen‘ findet und wozu es etliche stammverwandte Wörter wie auch das Nomen error in den Bedeutungen von ,Reise‘, ,Fahrt‘, ,Weg‘, ,Richtung‘, ,Verhalten‘ gibt 2. Diese Übersetzungsvorschläge oder Interpretamente werden je nach Wahl in nachfolgenden Wörterbüchern sowie zahlreichen Übersetzungen in moderne Sprachen berücksichtigt. Doch scheint mir, dass dadurch zuweilen eine Eindeutigkeit erzeugt wird, die im Altfranzösischen nicht gegeben ist. Auch das FEW übernimmt Übersetzungen aus Tobler-Lommatzsch; doch wird darauf hingewiesen, dass die beiden Verben errer lautlich und semantisch einander so nahe standen, dass sie „verschmelzen mussten. Ausdrücke wie Juif Errant werden heute vom sprachbewusstsein zu errer ,irren‘ gezogen, das in gewissen verwendungen durch aufsaugen von errer < ITERARE seine bed. etwas anders gefärbt oder gewisse bed. stärker betont hat, etwa im sinne des d. umherirren. Fuchs RF 38, 335; Lbl 1920, 190“ 3. Zu berücksichtigen wäre darüber hinaus, dass schon im Lateinischen error und errare das räumliche wie das intellektuelle (Herum-)Irren meinen können, was im Übrigen mindestens ein indoeuropäisches Phänomen zu sein scheint 4. 1

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Anders: A. Rey (ed.), Le Robert - Dictionnaire historique de la langue francX aise, Paris 1992, s. v., der auch hier als Etymon lat. errare angibt. Cf. Tobler-Lommatzsch, Altfranzösisches Wörterbuch. Adolf Toblers nachgelassene Materialien, bearb. u. hrsg. von E. Lommatzsch, weitergeführt von H. H. Christmann, Wiesbaden 19251995 und F. Godefroy, Dictionnaire de l’ancienne langue francX aise et tous ses dialectes du IXe au XV e sie`cle, Paris 1898-1902; elektronische Ausgabe von P. Blumenthal/A. Stein, Stuttgart 2002, s. v. W. von Wartburg, Französisches Etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes, vol. 4, Basel 1950, 825, URL: *https://apps.atilf.fr/lecteurFEW/ index.php/site/index+ (Stand: 26. 09. 2016). K. E. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, […] ausgearbeitet von K. Ernst Georges. Unveränderter Nachdruck der achten verbesserten und vermehrten Auflage von H. Georges, Darmstadt 1995, s. v. ,errare‘, ,error‘, führt die räumliche vor der intellektuellen Bedeutung an. Cf. im Griechischen das Verb πλανα´ ομαι (Substantiv: πλα´ νη), das primär räumliches Umherirren meint, aber auch metaphorisch für geistiges Irren verwendet werden kann: W. Pape, Handwörterbuch der griechischen Sprache: griechisch-deutsches Handwörterbuch, vol. 2, 3. Aufl., 6. Abdr., Braunschweig 1914, s. v., URL: *http://www.zeno.org/Pape-1880/K/ Pape-1880----02-0624+ (Stand: 26. 09. 2016); cf. das Grimmsche Wörterbuch, s. v. ,irren‘ und ,Irrthum‘, URL: *http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&hitlist =&patternlist=&lemid=GI00690#XGI00690+ und *http://woerterbuchnetz.de/DWB/ ?sigle=DWB&mode=Vernetzung&hitlist=&patternlist=&lemid=GI00786#XGI 00786+ (Stand: 26. 09. 2016); C. Darling Buck, A Dictionary of Selected Synonyms in the Principal Indo-European Languages: A Contribution to the History of Ideas, Chicago 1949 (mehrfach nachgedruckt), s. v. ,error‘. Cf. darüber hinaus hebräisch chatha, dazu: F. Rienecker (ed.), Lexikon zur Bibel, 2. Sonderauflage, Wuppertal-Zürich 1991, s. v. ,Sünde‘.

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Im Mittellateinischen aber ist error zumeist religiös konnotiert, und es wird Unglaube oder falscher Glaube darunter subsumiert: Heiden und Häretiker irren 5. Es versteht sich von selbst, dass das gesamte altfranzösische Wortfeld semantisch aufs Engste mit einem mittelalterlichen Menschen- und Weltbild zusammenhängt und damit ein mentalitätsgeschichtliches und theologisches Problem berührt. Wie das in den Texten aussieht und was das für Konsequenzen hat, soll im Folgenden herausgearbeitet werden. II. Zu den literarischen Beispielen 1. Zum , Alexiuslied‘ Das Lied erzählt die Geschichte des römischen Grafensohnes Alexius, der als langersehnter Stammhalter geboren wird, standesgemäß aufgezogen wird und ebenso verheiratet werden soll. Die Hochzeit findet statt, die Ehe wird aber nicht vollzogen, weil der vor der Erbsünde fliehende Alexius die ihm angetraute Braut in der Hochzeitsnacht verlässt. „Dunc vint errant dreitement al mer - Dann kam er ziellos gehend direkt zum Meer“ (V. 76) 6, wo das Schiff auf ihn wartet, das er nehmen soll und das ihn dorthin bringt, wo Gott es will. (V. 76 sq.) Er schifft sich ein und wird mit unbestimmtem Ziel fortgetragen. Diener, die ihn suchen sollen, finden ihn, erkennen ihn aber nicht. 17 Jahre lebt er in der fernen Fremde gottergeben von Almosen. Als er verehrt zu werden droht, nimmt er erneut ein Schiff, das ihn ungewollt nach Rom zurückbringt. Weitere 17 Jahre lebt er von allen unerkannt im Elternhaus unter einer Treppe. Nach seinem Tod enthüllt ein Schriftstück in der Hand des Toten dessen Identität und Lebensgeschichte. Der vielfach Verkannte wird schließlich als Heiliger erkannt und verehrt. Wir stoßen auf eine Serie von Irrtümern: Der Vater irrt, indem er seinen Sohn verheiratet, nicht ahnend, dass dieser „ ganz allein nach Gott strebte“ (V. 50), genauso hatte er ihn sich allerdings im Gebet gewünscht (V. 25). Die Diener, die den entschwundenen Sohn suchen sollen, irren sich, indem sie ihn für einen unbekannten Bettler halten (V. 111 sqq.). Als Alexius, vor der Verehrung fliehend, entgegen seiner Hoffnung nach Rom und in sein Vaterhaus zurückgekehrt ist, häufen sich dort die Irrtümer: Niemand - weder die Eltern noch die Braut oder die Diener - erkennt ihn wieder. Die Diener verspotten 5

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Cf. etwa Augustinus Hipponensis, De agone christiano, XIII, 14, ed. J. P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 40, Paris 1857, 299. Cf. Lexicon mediae latinitatis, s. v. ,error‘, ,erroneus‘, ,erratus‘, URL: *http://linguaeterna.com/medlat/+ (Stand: 26. 09. 2016). Sankt Alexius - Altfranzösische Legendendichtung des 11. Jahrhunderts, ed. G. Rohlfs (Sammlung romanischer Übungstexte 15), Tübingen 31958. Ich kehre mit dieser Übersetzung zurück zu dem Vorschlag von Ph. Fuchs, Das altfranzösische Verbum Errer mit seinen Stammverwandten und das Aussterben dieses Wortes, Erlangen 1919 (München, Phil. Diss. 1919), 12; denn der Kontrast von „ziellos gehend“ und „direkt “ unterstreicht sowohl die für Alexius typische Passivität als auch das Moment der Prädestination.

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ihn sogar, indem sie Abwaschwasser über ihn ausgießen. Nachdem Alexius gestorben ist und der Brief seine Identität verraten hat, beklagen die Angehörigen den Verlust des Sohnes beziehungsweise des Ehemannes. Der Papst korrigiert den Irrtum der Klagenden, indem er auf den Gewinn hinweist, den der Heilige bringt (V. 501 sqq.). Wenn man das ,Alexiuslied‘ unter dem Aspekt des Irrtums betrachtet, stellt man fest, dass sich mit Ausnahme des Alexius und des Papstes eigentlich alle irren. Der Papst ist, ganz der Ideologie des Liedes folgend, qua Amt herausgehoben, und Alexius ist es, weil er ein Auserwählter ist. „Beatus alesis, puer electus“ ist auf der Eingangsminiatur des Textes im Albani-Psalter zu lesen 7. Kennzeichnend für Alexius ist sein Gehorsam. Ohne Zögern nimmt er das ihm bestimmte Schicksal an, obwohl es ihm nicht bekannt ist. Völlig passiv fügt er sich dem, was für ihn vorgesehen ist, und handelt unwissend richtig. Das entspricht der mittelalterlichen conditio humana und ist grundsätzlich für das Verständnis mittelalterlicher Texte wichtig: Es gibt eine göttliche Providenz, doch sie ist dem Menschen verschlossen. Es bleibt nichts anderes, als sie anzunehmen. In diesem Sinn gilt für alle Menschen, was der Epilog sagt: „Las! malfeüz! cum esmes avoglez , Quer ¸co veduns que tuit sumes desfez. De nos pech[i ]ez sumes si ancumbrez , La dreite vide nus funt tresoblier. Par cest saint home doüssum ralumer Elende, Unglückliche! Wie sind wir verblendet, denn wir sehen doch, dass wir alle den Verstand verloren haben. Mit unseren Sünden sind wir so beladen, das rechte Leben lassen sie uns ganz und gar vergessen. Durch diesen heiligen Mann sollten wir wieder sehend werden“ (V. 616 sqq.). Hier deutet sich der didaktische oder propagandistische Zweck des Liedes an: Es irren im Lied nämlich nicht nur diejenigen, die den Heiligen verkennen, vielmehr irren sich auch in der Welt diejenigen, die meinen, ihr Wohl außerhalb der Kirche zu finden oder ihn direkt imitieren zu müssen, obwohl sie nicht dazu auserwählt sind, und die damit gegen den von der Kirche verfochtenen ordo-Gedanken verstoßen 8. 2. Zum ,Rolandslied‘ Das ,Rolandslied‘ ist weitaus komplexer, als man für gewöhnlich denkt. Ich spitze die Erinnerung an den Inhalt daher auf den Hauptirrtum des Liedes zu: Nach sieben Jahren Kampf haben Karls Franken ganz Spanien bis auf Zaragoza, wo König Marsilie ausharrt, für die Christenheit zurückerobert. Marsilie schickt ein Kapitulationsangebot nach Co´rdoba. Dort beraten es die Franken. Roland will den Kampf fortsetzen, kann sich aber damit nicht durchsetzen. Doch wird 7

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La Chanson de saint Alexis. Fac-simile´ en couleurs du ms. de Hildesheim publie´ avec introduction et bibliographie, ed. U. Mölk (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse, Jahrgang 1997, Nr. 2), Göttingen 1977, 9. Cf. U. Schöning, ,Electio‘ oder ,imitatio‘? Bemerkungen zum Alexiuslied (Hs. L), in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 92/3 (1982), 233-242.

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sein Vorschlag angenommen, dass sein Stiefvater Ganelon Marsilie die Annahme der Kapitulation überbringen soll. Ganelon rächt sich für den gefährlichen Auftrag, indem er Marsilie dazu anstiftet, die von Roland geführte Nachhut in den Pyrenäen am Pass von Roncesvalles zu überfallen. So geschieht es, und die fränkische Nachhut wird völlig aufgerieben. Roland selbst stirbt nicht durch die Hand der Heiden, sondern an geplatzten Schläfenadern, weil er zwar zu spät, aber dann doch so gewaltig in sein Horn geblasen hat. Der dadurch zurückgerufene Karl vollzieht die Rache an den Heiden, und Ganelon wird der Prozess gemacht. Ausschlaggebend für die Katastrophe in Roncesvalles ist Rolands irrtümliche und wohl auch irrsinnige Entscheidung, nicht sofort beim Herannahen der Heiden um Hilfe gerufen zu haben. Sein ihm mit seiner Weisheit gegenübergestellter Gefährte Oliver benennt klar Rolands Fehlverhalten und dessen Folgen: „Cumpainz, vos le feı¨stes, Kar vasselage par sens nen est folie: Mielz valt mesure que ne fait estultie. Franceis sunt morz par votre legerie - Gefährte, das habt Ihr angerichtet; denn vernünftiges Rittertum ist etwas anderes als Wahnsinn; rechtes Maß ist mehr wert als Waghalsigkeit. Durch Euren Leichtsinn sind die Franken gefallen“ (V. 1723 sqq.) 9. Rolands Irrtum liegt eine Fehleinschätzung der Lage zugrunde, was durch die zum Irrsinn neigenden Züge seines Charakters gefördert wird, den Oliver als „mult pesmes et fiers - sehr schlecht und stolz“ (V. 256) bezeichnet 10. Möglicherweise erklärt sich dieser Charakter Rolands mit dem Makel seiner Geburt. U. Mölk geht mit anderen davon aus, dass der Dichter des ,Rolandsliedes‘ das Motiv der inzestuösen Geburt Rolands als Sohn Karls des Großen und seiner Schwester ins Spiel bringt 11. Explizit gestützt wird der Zusammenhang von schlechtem Charakter und inzestuöser Geburt und damit Mölks Interpretation durch den etwa fünfzig Jahre später entstandenen ,Thebenroman‘. 3. Zum ,Thebenroman‘ „Pour le pechie´ dont sunt crı¨´e felons furent et enragie´ - Auf Grund der Sünde, aus der sie hervorgegangen sind, waren sie bösartig und wahnsinnig“ 9 10 11

La Chanson de Roland, ed. C. Segre (Documenti di Filologia 16), Milano-Napoli 1971. Dieselben Züge werden übrigens Karl von dem Heiden Blancandrin unterstellt (V. 56). Cf. U. Mölk, Der hl. Roland: Französisches Rolandslied und lateinischer Pseudo-Turpin im Vergleich, in: K. Herbers (ed.), Jakobus und Karl der Große. Von Einhards Karlsvita zum Pseudo-Turpin ( Jakobus-Studien 14), Tübingen 2003, 79-88, hier 87 sq. D. Kullmann, Verwandtschaft in epischer Dichtung. Untersuchungen zu den französischen Chansons de geste und Romanen des 12. Jahrhunderts (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 242), Tübingen 1992, 63, hält diese Argumentation nach intensiver Prüfung zwar für „in sich stimmig und nicht zu widerlegen“, jedoch nicht für notwendig; sie verweist zudem in einer Fußnote auf Parallelen im ,Thebenroman‘, allerdings ohne sie argumentativ zu nutzen. Zum Inzestmotiv cf. O. Rank, Das Inzest-Motiv in Sage und Dichtung. Grundzüge einer Psychologie des dichterischen Schaffens, unveränderter reprographischer Nachdruck der 2., wesentlich vermehrten und verbesserten Auflage, Leipzig-Wien 1926, Darmstadt 1974.

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(V. 27 sq.) 12, heißt es im Thebenroman von den inzestuös geborenen Brüdern Eteokles und Polyneikes 13. Deren Geschichte sowie die ihrer Eltern und die der Stadt Theben erzählt der altfranzösische Roman im Wesentlichen so, wie sie Statius zu entnehmen war. Ich konzentriere mich hier auf die die Katastrophe auslösenden Irrtümer im Roman. Laios, der König von Theben, irrt sich, als er meint, den Göttern trotzen und dem Orakelspruch entkommen zu können, indem er die Ermordung seines neugeborenen Sohnes befiehlt. Die damit beauftragten Diener aber hängen das Kind nur mit den Füßen an einen Baum, wo es gefunden wird. Der herangewachsene Jüngling Ödipus, bemüht seine Herkunft zu klären, missversteht in Delphi den zweideutigen Orakelspruch 14, demzufolge er bald einem Mann begegnen, ihn töten und auf diese Weise seinen Vater kennenlernen werde. So kommt es, aber der getötete Mann war sein Vater Laios, den Ödipus nicht erkannte. Er setzt die Suche fort, begegnet Pyn, das ist Sphinx, ein Teufel - wie verdeutlicht wird -, dessen Rätsel Ödipus löst und den er enthauptet. Iokaste begeht einen moralischen Fehler, als sie wissentlich, und zwar beglückt und erfreut (V. 460), den Mörder ihres Mannes heiratet, und sie begeht einen Irrtum, indem sie so ihren Sohn zum Mann nimmt. Es dauert erstaunliche zwanzig Jahre, in denen vier Kinder geboren werden, bis Iokaste beim badenden Ödipus die Narben an seinen Füßen bemerkt. Sie erkennt ihren Irrtum, und das Unheil nimmt seinen Lauf: Ödipus blendet sich; die Söhne treten auf seinen Augen herum; der Vater verflucht die Söhne. Der um das Erbe ausbrechende Bruderzwist führt zu Krieg und Untergang. Die letzten Verse machen noch einmal den Inzest und die „felonie“ der feindlichen Brüder dafür verantwortlich und enden mit einer allgemeinen Warnung davor (V. 10544 sqq.). Sowohl im ,Rolandslied‘ als auch im ,Thebenroman‘ ist das Inzestmotiv in typischer Weise mit dem Motiv des Untergangs verknüpft 15. Roland stirbt, aber er wird wie auch seine Mitkämpfer heilig, da er als miles christianus stirbt, dem zuvor die Absolution erteilt wurde. Und wenn wir Mölk folgen, so wird sogar der Inzestfrevel gesühnt, indem Roland einen Märtyrertod stirbt. In der heidnischen Welt des ,Thebenromans‘, der das antike Geschehen dämonologisch deutet, ist das nicht möglich 16.

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ˆ ge 94 u. Le Roman de The`bes, ed. G. Raynaud de Lage (Les classiques francX ais du Moyen A 96), 2 vols., Paris 1968 u. 1971. Diese Begründung beruht auf einer Sicht des französischen Dichters im Rahmen der interpretatio christiana, die einhergeht mit seiner weitgehenden Entmythologisierung. Zur Problematik cf. D. Blume, Motivierungstechnik im ,Roman de The`bes‘ und im ,Roman d’Ene´as‘. Eine Studie vor dem Hintergrund ihrer antiken Vorlagen, Frankfurt am Main e. a. 1996. Dazu der Dichter: „Pour ce sachiez tres bien de voir/que pour cest siecle decevoir est la parole du deable/ double touz jors et decevable“ (V. 193 sq.). Cf. Rank, Inzest-Motiv (nt. 11). Cf. U. Schöning, Thebenroman - Eneasroman - Trojaroman. Studien zur Rezeption der Antike in der französischen Literatur des 12. Jahrhunderts (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 235), Tübingen 1991, 202 sq. u. 318 sq.

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4. Zum ,Eneasroman‘ Ein anderes Deutungsmuster eines antiken Textes liegt dagegen im ,Eneasroman‘ vor. Der altfranzösische Roman erzählt nach Vergil die Geschichte des Eneas, der einer derjenigen ist, die aus dem untergehenden Troja fliehen konnten. Einem Götterspruch gehorchend, macht Eneas sich auf die Suche nach dem Land, aus dem seine Vorfahren ursprünglich gekommen sind. Was folgt, ist die queste, d. h. die Suche nach einem unbekannten Ziel. Man liest, unter welchen Umständen Eneas Troja verlässt, wie er nach siebenjähriger, peinigender Seefahrt nach Karthago kommt und dort die mächtige Herrscherin Dido kennenlernt, die aufgrund eines fehlgeleiteten Zaubers in fataler Liebe zu ihm entbrennt. Eneas droht seinerseits den Versuchungen des Luxus und der Lust zu erliegen. Doch ein Götterbefehl lässt ihn weiterziehen auf der Suche nach dem Land seiner Ahnen. Die wegen seiner Abreise verzweifelte Dido hat nicht nur ihren Liebhaber, sondern als Folge ihrer Leidenschaft auch ihre politische Macht verloren und nimmt sich das Leben. Eneas landet in Italien, wo er in die Unterwelt hinabsteigt, um seinen Vater zu treffen, der dem Sohn letzte Aufklärung über dessen weiteres Schicksal gibt. Eneas erfährt, dass er als Stammvater eines neuen Geschlechts ein neues Reich gründen wird. Er gelangt in das ihm versprochene Land. Dort folgt auf die queste (Suche) die conqueste (Eroberung): Der nach langer Reise, die als Sühne und Bewährung zu verstehen ist, geläuterte und gereifte Eneas bewährt sich ein letztes Mal, indem er sich in Konkurrenz mit Turnus sowohl die ihm in jeder Beziehung ebenbürtige Königstochter Lavinia als auch ein Reich erkämpft. Es ist die Keimzelle des Römischen Reiches. Im Roman irren sich hauptsächlich diejenigen, die meinen, sich Eneas und dem Willen der Götter entgegenstellen zu können, vor allem Dido, Lavinias Mutter sowie Turnus und die Seinen. Eneas aber, obschon auch er nicht frei von Fehlverhalten und Irrtümern ist (V. 1608 sqq.), geht letztlich doch suchend seinen Weg - ein Weg, der ihm offensichtlich vorbestimmt ist. Um was für eine Vorbestimmung es sich handelt, macht der altfranzösische Dichter anhand von vier Motiven deutlich: 1. das Motiv der queste, 2. das der Landnahme an dem Ort, den einst ein Vorfahre verlassen hat, 3. das des wegweisenden Sterns, 4. das Motiv der bereitstehenden Boote. Die ersten drei Motive sind bei Vergil vorgegeben, aber sie sind auch biblisch oder zumindest christlich-religiös konnotiert. Das vierte nicht. Es ist uns allerdings bereits aus dem ,Alexiuslied‘ bekannt, und seine Funktion ist hier, dem gesamten Motivkomplex und damit dem ganzen Roman eine interpretatio christiana zu geben 17. Wie ein zweiter Alexius in der heidnisch-antiken Welt folgt Eneas dem Willen der Götter. Der Wille der Götter ist indessen in der allegorischen Deutung des Textes durch den altfranzö17

Cf. U. Schöning, Reise als Sühne und Bewährung? Der altfranzösische Eneasroman, in: L. Rimpau/P. Ihring (eds.), Raumerfahrung - Raumerfindung. Erzählte Welten des Mittelalters zwischen Orient und Okzident, Berlin 2005, 87-98, hier 94 sq.

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sischen Dichter als Wille Gottes zu verstehen, und es irrt demzufolge, wer sich dem göttlichen Willen widersetzt. III. Zu den ar turischen Romanen Chre´ tiens de Troyes 1. ,Erec und Enide‘ Mit dem ,Eneasroman‘ hat Chre´tiens mutmaßlich erster Roman, ,Erec und Enide‘, offensichtlich einige Gemeinsamkeiten: Die Doppelstruktur, die Motive der Ebenbürtigkeit der Liebenden und des ,Verliegens‘ (recreantise), das der Läuterung und Reifung durch die Reise wie auch das des harmonischen Ausgleichs am Schluss. Da Chre´tien überdies zwei Mal explizit auf den ,Eneasroman‘ hinweist (V. 5291 sq., 5841) 18, dürfte das mehr als ein Zufall sein. Zentral für den chre´tienschen Roman ist, dass Erec denselben Fehler wie Eneas in Karthago begeht: Er ,verliegt‘ sich. In ungehemmter Praxis erlebt Erec Liebe und Ehe nur unter individuellem, speziell sexuellem Aspekt. Das aber ist sowohl ein persönlicher Irrtum als auch ein gesellschaftlicher Fehler, weil die exzessiv gelebte Sexualität das Paar sozial isoliert. Doch auch darin sind sich die Liebenden im Grunde ebenbürtig. Die überwiegend sexuelle Natur der Beziehung von Erec und Enide wird durch die Sperber-Symbolik schon im Stadium der Anbahnung ihrer Beziehung angedeutet, und erst das Gerede am Hof macht Enide unglücklich. Indem sie Erec davon in Kenntnis setzt, kommt es durch die gemeinsame Abenteuerfahrt - im Text explizit als beider „penitance - Buße“ bezeichnet (V. 5204) - zu der notwendigen Läuterung und Reifung des Paares, die dazu führt, dass die Wiedereingliederung in die Gesellschaft stattfindet und es zu einem Ausgleich zwischen Individuum und Gesellschaft kommt. Der Irrtum ist ein Abweichen vom rechten Weg, auf den man durch büßende Suche zurückgeführt werden kann. Es herrscht ein Harmonieideal: Harmonie zwischen den Liebenden und Harmonie zwischen dem Paar und der Gesellschaft. Besonders bemerkenswert ist allerdings, dass der zentrale Irrtum in ,Erec und Enide‘ weniger religiöser Natur ist als sozialer; denn in Anbetracht der Tatsache, dass das Mittelalter tendenziell ebenso sexual- wie frauenfeindlich war, bezieht Chre´tien hier einen erstaunlich gewagten Standpunkt, wie man auch daran erkennt, dass am Ende nicht nur die Krönung des Herrscherpaares, sondern auch eine fröhliche Wiederaufnahme des ehelichen Liebeslebens stattfindet (V. 5200 sqq.). Vor der in der Forschung immer wieder betonten „joie de la cort - Freude des Hofes“ (V. 5417) gibt es die „ joie“ Enides in der Vereinigung mit Erec (V. 5199). Eine solche harmonische Lösung der inhaltlich und formal konsequent aufeinander abgestimmten Erzählung, von Chre´tien selbst als „mout bele conjointure“ (V. 14) bezeichnet, findet sich jedoch in seinen folgenden Romanen nicht mehr. 18

Les Romans de Chre´tien de Troyes, e´dite´s d’apre`s la copie de Guiot (Bibl. nat., fr. 794), vol. I: ˆ ge 80), Paris 1963. Erec et Enide, ed. M. Roques (Les classiques francX ais du Moyen A

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Vielmehr scheint es so, als würde sie problematisiert. Überdies lässt sich dort die motivische Verknüpfung von Irrtum mit Läuterung und Reifung nicht mehr in gleicher Prägnanz beobachten. Zwar gibt es noch Irrtümer, aber sie sind nicht mehr in vergleichbarer Weise für die Handlung wichtig, und sie sind eher märchenhaft-wunderbarer Natur, oder der Irrtum ist Resultat von Täuschung und List. 2. ,Clige`s‘ mit einem Seitenblick auf den Tristanstoff ,Clige`s‘ ist ein irritierend intrikater Roman, der - wie im Übrigen ebenso der ,Perceval‘ - in einem auch für mittelalterliche Verhältnisse ungewöhnlichen Maß mehr Fragen aufwirft, als die Forschung bisher beantworten konnte. Im Prolog nennt sich Chre´tien nicht nur als Autor von ,Erec und Enide‘, sondern auch von weiteren Werken, darunter eine Bearbeitung des Tristanstoffes, die jedoch nicht erhalten ist, und von der man nichts weiter weiß. Das ist insofern besonders bedauerlich, als man im ,Clige`s‘ mit seinem Herausgeber Wendelin Foerster einen Anti-Tristan sehen kann oder sogar muss, der möglicherweise überdies nicht frei von Ironie ist, wenn er nicht zumindest partiell sogar parodistisch zu verstehen ist 19. Das könnte auch das Motiv des Irrtums betreffen. Auf jeden Fall ist es in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, dass Chre´tien de Troyes sich in der vierten Strophe der Kanzone ,D’amors qui ma tolu a moi‘ deutlich von der Tristanliebe distanziert und ihr eine Liebesauffassung gegenüberstellt, die auf einem edlen Herzen und einem aufrichtigen Willen beruht. Für den Tristanstoff, so wie wir ihn aus den verschiedenen Überlieferungen kennen, sind folgende Irrtümer besonders handlungsrelevant: Damit die Ehe von Marc und Isolde zu einem dauerhaften Liebesbund wird, hat Isoldes Mutter einen Liebestrank zubereitet, den das Paar am Tag der Hochzeit trinken soll. Aber auf dem Schiff, das Tristan und Isolde von Irland zu Marc nach Cornwall bringen soll, verabreicht Isoldes Dienerin versehentlich ihrer Herrin und Tristan den Zaubertrank. Der wirkt tatsächlich - allein beim falschen Paar. Die Hochzeit von Marc und Isolde findet trotzdem statt, aber im Brautbett nimmt die Dienerin deren Platz ein. Marc bemerkt seinen Irrtum nicht. Isolde trifft sich stattdessen lieber mit Tristan. Sie werden verraten, und die zum Tode verurteilten Ehebrecher fliehen in den Wald, wo sie eines Tages König Marc findet schlafend. Zwischen ihnen liegt ein Schwert. Marc, einigermaßen gutgläubig, 19

Cf. etwa E. Köhler, Ideal und Wirklichkeit der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, 2., ergänzte Auflage (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 97), Tübingen 1970, 148; id., Vorlesungen zur Geschichte der französischen Literatur: Mittelalter I, ed. H. Krauß, Stuttgart e. a. 1985, 133 sq.; Chre´tien de Troyes, Clige`s. Auf der Grundlage des Textes von Wendelin Foerster übersetzt und kommentiert von I. Kasten, Berlin e. a. 2006, 5 sqq. u. 10 sq.; Chre´tien de Troyes, Clige`s. E´dition bilingue. Publication, traduction, pre´sentation et notes par L. Harf-Lancner, Paris 2006, 18 sq. u. 23; P. Haidu, Aethetic Distance in Chre´tien de Troyes: Irony and Comedy in ,Clige`s‘ and ,Perceval‘, Gene`ve 1968; id., Au de´but du roman, l’ironie, in: Poe´tique. Revue de the´orie et d’analyse litte´raire 36 (1978), 443-466.

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sieht darin ein Zeichen der Unschuld - ein Irrtum. Isolde kehrt an Marcs Hof zurück, wo sie sich für ihr Verhalten rechtfertigen muss. Mit Tristan vereinbart sie, dass dieser sie, als Leprakranker verkleidet, am Tage des Urteilsspruchs über ein Sumpfloch oder eine Pfütze tragen soll. So ist es ihr möglich zu schwören, dass ihr außer ihrem Mann und dem Leprösen nie jemand so nah gekommen sei - eine listige Täuschung, die alle in die Irre führt. Tristan heiratet eine andere Isolde, vollzieht die Ehe aber nicht. Weitere Verwicklungen folgen, bis Tristan eines Tages schließlich schwer verletzt einen Boten zu der ersten Isolde schickt, die er immer noch liebt und die allein ihn heilen könnte. Auf dem Schiff soll ein weißes Segel gehisst werden, wenn es mit der geliebten Isolde an Bord zurückkehrt. Diese Isolde willigt sofort ein, aber die ungeliebte Ehefrau Isolde sagt dem Schwerkranken, dass das einlaufende Boot schwarze Segel gesetzt habe. Tristan glaubt das irrigerweise und stirbt daraufhin, seine Geliebte folgt ihm in den Tod. Im ,Clige`s‘ - der Roman spielt übrigens in Konstantinopel, England und Deutschland - finden sich nicht nur explizite Bezugnahmen auf den Tristanstoff, sondern auch mehrere offenkundige Handlungsparallelen, die den, wie Ingrid Kasten formuliert, „Themenkomplex Illusionen, Täuschungen, Verstellungen und Lügen“ betreffen 20. Zwei kleinere Beispiele: Wenn Clige`s die Rüstung eines besiegten Gegners anlegt, täuscht er die Feinde, die sich in ihm irren, aber auch die eigenen Leute, die glauben, er sei tot. Ähnlich verhält es sich, wenn er unerkannt an einem Turnier teilnimmt. Handlungsrelevanter sind dagegen folgende Fälle: Die Behauptung, dass Alexander, der ältere Sohn des Kaisers von Konstantinopel und Vater des Clige`s, auf der Rückreise aus England ertrunken sei, ist eine Lüge, die dazu führt, dass dessen jüngerer Bruder Alis irrtümlich zum Kaiser gekrönt wird. Der schwört, niemals zu heiraten, damit Clige`s seine Nachfolge antreten könne. Alis will dieses Versprechen jedoch nicht einhalten. Nach dem Tod der Eltern des Clige`s kehrt dieser nach Griechenland zurück und begleitet seinen wortbrüchigen Onkel zur Brautwerbung nach Köln. Clige`s aber verliebt sich selbst in die auch noch von einem sächsischen Herzog umworbene Fenice, und diese verliebt sich auch in ihn. Weil die geplante Hochzeit trotzdem stattfindet, lieben sich ganz wie im Tristanstoff Tante und Neffe. Fenice, die nicht das Schicksal Isoldes teilen will, die Marc und Tristan zugleich gehörte, entzieht sich dem ihr angetrauten Alis mit Hilfe eines Zaubertranks, der dem sich irrenden Ehemann den Vollzug der Ehe vorgaukelt, übrigens in einem Bett, das vorher viele Bischöfe und Äbte gesegnet haben (V. 3330 sq.). Später nimmt Fenice einen weiteren Zaubertrank, der bewirkt, dass sie erkrankt und sogar als scheintot begraben wird - ein weiterer Irrtum. Tatsächlich flieht Clige`s mit ihr, und sie verbringen eine glückliche Zeit in einem unterirdischen Palast. Entdeckt, flüchten sie zu König Artus. Der Tod des über dieses Geschehen gestorbenen Alis ermöglicht schließlich die Rückkehr, die Heirat und die Thronbesteigung. 20

Chre´tien de Troyes, Clige`s, ed. Kasten (nt. 19), 9.

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In gravierendem Unterschied zum ,Eneasroman‘ und ,Erec und Enide‘ fehlt den Irrtümern im ,Clige`s‘, indem sie aus Täuschungen, Verstellungen und Lügen resultieren, jede transzendentale oder ideologische Sinnhaftigkeit. Sie sind weder gesellschaftlich noch religiös von Bedeutung, mit andern Worten: Sie stehen außerhalb des höfischen Konzepts, spielen nur im zwischenmenschlichen Bereich eine Rolle und lassen sich höchstens moralisch beurteilen. Möglicherweise aber noch nicht einmal dies; denn man kann sich durchaus fragen, ob auf Grund der ironisch-parodistischen Funktion dieser Textelemente ihnen nicht auch die für eine wirkliche moralische Beurteilung notwendige Ernsthaftigkeit fehlt. Auf jeden Fall führen die Irrtümer nicht zu einer Läuterung und Reinigung, sondern schlimmstenfalls zum Tod wie im Tristanstoff und bestenfalls zur Wiederherstellung eines gerechten Zustandes wie im ,Clige`s‘. Während sich im ,Erec‘ aber die harmonische Lösung im Einklang mit dem höfischen Ideal wie von selbst aus der Handlung ergab, muss Chre´tien im ,Clige`s‘ auf Zufall und Wunder zurückgreifen, um überhaupt zu einer Lösung zu kommen, die sich in etwa mit dem höfischen Ideal verträgt. Was immer die Absicht des Autors oder die Intention des Textes sein mag, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Chre´tien mit dem Stoff Schwierigkeiten hatte, die in der rätselhaften Spannung zwischen der Vergangenheit des Erzählten und der Gegenwart des Erzählens, zwischen Ernst und Ironie, Realitätsbezug und dem Rückgriff auf wunderbare Elemente konkret werden. 3. ,Lancelot‘ und ,Yvain‘ Ähnliche Schwierigkeiten zeigen auch die folgenden Romane, für die man jedoch offenbar keine parodistische Intention geltend machen kann, die aber ebenfalls nicht ohne märchenhaft-wunderbare Elemente auskommen: ,Der Karrenritter‘ oder ,Lancelot‘ sowie ,Der Löwenritter‘ oder ,Yvain‘. Im Prolog zum ,Lancelot‘ heißt es, der Roman sei auf Geheiß der Herrin von Champagne - es ist Marie de Champagne - verfasst worden, die auch „matiere et san“ gestiftet habe, Chre´tien selbst habe nur seine Arbeit und seinen Fleiß beigesteuert (V. 1 sq., 26) 21. Man kann darin eine Distanzierung vom Werk sehen, die möglicherweise auch hier auf die Ehebruchsthematik zurückzuführen ist. Fest steht, dass Chre´tien es nicht vollendet hat. Im ,Yvain‘ haben wir zwar eine Umkehrung des recreantise-Motivs, insofern als Yvain seine ehelichen Pflichten zugunsten der ritterlichen Taten vernachlässigt, auch weist der Roman dieselbe binäre Struktur mit einer Versöhnung des Ehepaares am Ende auf, die allerdings nur durch eine List ermöglicht wird. Und abermals sind es die märchenhaft-wunderbaren Elemente, die die Handlung 21

Les Romans de Chre´tien de Troyes, e´dite´s d’apre`s la copie de Guiot (Bibl. nat., fr. 794), vol. III: ˆ ge 86), Paris Le Chevalier de la charrete, ed. M. Roques (Les classiques francX ais du Moyen A 1958.

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tragen. Wir können daher mit Andre´ Jolles von einer „Ethik des Geschehens“ sprechen 22 und feststellen, dass, wo diese überwiegt, dem Irrtum kein den vorangehenden Fällen entsprechender handlungsrelevanter Platz mehr zukommt. 4. ,Perceval‘ Wir gelangen zu Chre´tiens letztem Roman: ,Perceval li Gallois ou Li contes del Graal‘ - ,Perceval der Waliser oder die Erzählung vom Graal‘. Mehr als Chre´tiens andere Romane hat dieser die Phantasie der Literaturwissenschaftler in Gang gesetzt und zuweilen wohl auch überborden lassen. Obwohl die erhaltenen 9234 Verse den bislang bei dem Autor üblichen Rahmen sprengen, ist auch dieser Roman nicht vollendet, möglicherweise weil Chre´tien zuvor gestorben ist. Wie dem auch sei, es handelt sich erneut um eine nicht abgeschlossene Auftragsarbeit. Darin finden wir allerdings wieder Handlungselemente, die sich als Irrtum bezeichnen lassen und die für den Roman von entscheidender Bedeutung sind. So wird Perceval in der Abgeschiedenheit eines Waldes von seiner Mutter erzogen, die, selbst Witwe eines Ritters, ihn vor den Gefahren des Rittertums bewahren will, da sie dadurch schon ihren Mann und zwei Söhne verloren hat. Dass diese Schutzmaßnahme gelingen könnte, erweist sich als Irrtum an dem Tag, als Perceval einer Gruppe von Artusrittern begegnet, die er erst für Teufel, dann für Engel und ihren Anführer sogar für Gott hält - auch ein Irrtum, und zwar ein für ihn typischer. Die Begegnung weckt in Perceval den Wunsch, ebenfalls Ritter werden zu wollen. Als er deshalb die Mutter verlässt, sinkt diese zu Boden. Perceval zieht ungerührt weiter. Der mütterliche Irrtum besteht darin, gegen die nature (Anlage) und die Prädestination Vorkehrungen treffen zu können; Percevals Irrtum charakterisiert ihn als einfältiges Kind. Beide Irrtümer stehen am Anfang einer langen Kette von Verhaltensfehlern, die Perceval zum Schaden anderer begehen wird, indem er empfangene Lehren als Folge seiner norreture (Sozialisation) auf ebenso irrige wie törichte Weise umsetzt. So, wenn er völlig unbedarft ein widerstrebendes Fräulein küsst, ihr einen Ring entwendet, sich an ihrem Tisch labt und dann zufrieden weiterzieht. Den Schaden hat das Fräulein, das von seinem Freund der Untreue verdächtigt wird. So, wenn er sich Blancheflor gegenüber zunächst reichlich stur verhält und dann für seine Hilfe in ihrer Notlage in unverblümter Direktheit sexuelles Entgegenkommen - „drue¨rie“ (V. 2104) 23 - fordert. Und schließlich ebenso auf der Burg des Fischerkönigs, wo Perceval es unterlässt, auch nur eine der sich aufdrängenden Fragen zu stellen, und dadurch die Leiden des Gralskönigs verlängert. 22

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A. Jolles, Einfache Formen. Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz, Studienausgabe der 5., unveränderten Auflage, Tübingen 1974, 240 sq. Chre´tien de Troyes, Le Roman de Perceval ou le Conte du Graal, ed. W. Roach (Textes litte´raires francX ais 71), Gene`ve-Paris 21959.

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Als er schließlich die Artusgesellschaft wiedergefunden hat und ein großes Fest für ihn gegeben wird, erscheint die hässliche Gralsbotin, um ihn zu verfluchen und die Runde aufzufordern, auf aventure-Fahrt zu gehen. Nach fünfjährigem gottfernen Dasein wird Perceval an einem Karfreitag endlich von einem Eremiten über sein Fehlverhalten wie auch über die ungeahnten familiären Verhältnisse aufgeklärt, und er beichtet sein sündiges Leben. Damit bricht die Percevalhandlung endgültig ab. Der Rest besteht aus dem Gauvain-Teil. Es stellt sich der - allerdings nicht zu beweisende - Verdacht ein, dass Chre´tien vorgehabt hat, das binäre Schema und die Abfolge von Irrtum, Läuterung und Reifung zu wiederholen, jedoch in völlig anderer Weise; denn: 1. Der Held wird erstmalig im höfischen Roman als Kind eingeführt, was ermöglicht, die Problematik der ,schuldlosen Schuld‘ vorzuführen 24. Perceval ist niche (lat. nescius); er ist ein Tor (V. 681 pass.). 2. Die Handlung setzt im Wald ein, der antipodisch zum Hof zu sehen ist, und es ist durchaus fraglich, ob der Roman am Artushof enden sollte. Wahrscheinlicher ist, dass er auf der Gralsburg enden sollte, so haben es jedenfalls Chre´tiens Fortsetzer gehalten. 3. Die höfische Liebe ist keine Erziehungsmacht mehr, und sie spielt für Percevals Schicksal keine Rolle. Bereits im Prolog klingt die religiöse Thematik an, und ihr entsprechend ist die christliche Spiritualität der höfischen Ideologie übergeordnet, so wie die heilsgeschichtliche Bedeutung der Abenteuer der psychologischen und moralischen Bedeutung übergeordnet ist. Offensichtlich ist es Chre´tien nach dem ,Erec‘ immer schwerer gefallen, das individuelle mit dem gesellschaftlichen Interesse in einem höfischen Ideal so zusammenzuführen, dass am Ende ein harmonischer Ausgleich steht. Wenn in seinem ersten Roman das deviante Verhalten in einer unhöfischen Praxis von Ehe und Liebe beruhte und demzufolge mit einer zum Höfischen zurückführenden Läuterung und Reifung verbunden werden konnte, ergibt sich der Irrtum danach zumeist aus Täuschung durch andere, wodurch sich keine Läuterung oder Reifung einstellen kann. Im ,Perceval‘ ist die Idee des Höfischen dann überhaupt nicht mehr verbindlich und hat einem religiösen Ideal Platz gemacht. 5. Zum ,Rosenroman‘ Abschließend noch ein ganz anderer Fall: der allegorische, zweiteilige ,Rosenroman‘. Hier sei lediglich daran erinnert, dass dieser wohl bedeutendste Roman des 13. Jahrhunderts seine sinnstiftende Struktur aus dem Zusammenhang von Irrtum und Korrektur bezieht. Jean de Meun als Verfasser des zweiten Teils erkennt offensichtlich in dem ungehemmt ostentativen Hedonismus des unvollendeten ersten Teils von Guillaume de Lorris einen Irrtum, der ihn dermaßen provoziert, dass er ihn mit seiner mehr als fünf Mal so langen Fortsetzung 24

Cf. W. Kellermann, Aufbaustil und Weltbild Chrestiens von Troyes im Percevalroman, 2., unveränderte Auflage, Darmstadt 1967, 99 sqq.; Köhler, Ideal, (nt. 19), 188 sqq.

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korrigiert, um eine christliche Ethik wiederherzustellen. In der Tat: Frei von jeglicher Transzendenz spielt bei Guillaume weder das Höfische noch das Christliche eine Rolle; alles dreht sich bei ihm um das individuelle und irdische Glück, insbesondere das erotische, und Guillaumes Irrtum besteht für Jean darin, Liebesglück mit Lebenslust und Lebenslust mit Lebenssinn zu verwechseln und diese Verwechslung obendrein als paradiesische Glückseligkeit zu preisen 25. Das musste Jean korrigieren; er tat es, indem er die Allegorie formal fortsetzte, sie aber inhaltlich mit dem geballten Wissen des Klerikers zu einer literarischen Widerlegung umgestaltete. IV. Zusammenfassung und Fazit Alexius ist ein Auserwählter, der frei von Irrtum ist, aber providenziell geleitet durch die mediterrane Welt irrt. In dem nach ihm benannten Lied ist Roland unbeherrscht und in seinem Handeln unkontrolliert. Seine Hybris und die irrigirrsinnige siegesgewisse Weigerung, Hilfe herbeizuholen, führen zum Untergang der Nachhut. Im ,Thebenroman‘ sind alle dem Verderben geweiht, da am Anfang der aus Irrtümern resultierende Inzest von Ödipus und Iokaste steht. Möglicherweise existiert eine motivgeschichtliche Beziehung zum ,Rolandslied‘. Der aus Troja fliehende Eneas muss Irrtümer und Irrfahrten überwinden, bevor er in Italien Gründer eines neuen Reiches werden kann. Motivgeschichtliche Bezüge zum ,Alexiuslied‘ machen klar, warum das so sein konnte. Das aus dem ,Eneasroman‘ bekannte Motiv des Irrens, verbunden mit dem der Sühne und Bewährung durch Herumirren, wird von Chre´tien wieder aufgenommen. Außerdem begeht der sich ,verliegende‘ Erec den gleichen Irrtum wie Eneas in Karthago, worauf ein zweiter Cursus folgen kann. Dieses höfische Lösungsmuster wird jedoch bei Chre´tien immer problematischer, solange bis es schließlich im ,Perceval‘, dessen Held ein Tor ist, das heißt einer, der sich beständig irrt, nicht mehr vorhanden ist. Für den ,Rosenroman‘ schließlich ist das Verhältnis von Irrtum und Korrektur strukturbildend und sinnstiftend. Es gibt also den Irrtum als Fehlverhalten. Im ,Alexiuslied‘ ist es den Nebenfiguren vorbehalten und Folge ihrer Verblendung, bei Roland handelt es sich um ein charakterliches Defizit, das möglicherweise Folge seiner inzestuösen Geburt ist. Mit Sicherheit gilt dies für die charakterlichen Defizite der Brüder im ,Thebenroman‘, wo überdies Iokaste als schnell getröstete Witwe falsch handelt und irrtümlicherweise ihren Sohn heiratet. Während der ,Thebenroman‘ das Geschehen dämonologisch deutet, wird die ,Aeneis‘ in der französischen Übertragung christlich-allegorisch interpretiert. Eneas ist ein Sühnender und Auserwählter; indes irren sich alle, die sich seinem Schicksal entgegenstellen, auch Dido, die 25

Cf. U. Schöning, Guillaume de Lorris und Jean de Meun, Der Rosenroman, in: U. Mölk (ed.), Mittelalter (Französische Literatur 13), Tübingen 2008, 261-286, gestützt auf die Arbeiten von K. A. Ott, insbesondere Der Rosenroman (Erträge der Forschung 145), Darmstadt 1980.

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ihn in Versuchung führt. In ,Erec und Enide‘ ist das deviante Verhalten abermals durch die Sexualität bedingt, aber hier wie auch sonst in der christlichen Perspektive gibt es die Möglichkeit der Sühne und Bewährung. In den übrigen, kontrastiv herangezogenen Romanen Chre´tiens ist dieses Muster von deviantem Verhalten, Läuterung und gesellschaftlicher Reintegration nicht in gleicher Weise erkennbar; denn Devianz setzt eine Norm voraus. Im ,Erec‘ war es das höfische Ideal. In den nachfolgenden Romanen ist dieses zu brüchig geworden, um normstiftend zu wirken. Im ,Perceval‘ schließlich sollte hingegen sehr wahrscheinlich ein christliches Ideal mit der Möglichkeit einer Erlösung wirksam werden. Mit Bezug auf den ersten Teil des ,Rosenromans‘ kann in mittelalterlicher Perspektive von einem Fehlverhalten gesprochen werden, in dem der grundgelehrte Autor des zweiten Teils einen intellektuellen Irrtum erkennt, den er implizit in Form einer literarisch korrigierenden Fortsetzung entlarvt. Erkennt man, dass das deviante Verhalten zumeist irgendwie mit der Sexualität zusammenhängt, fällt umso mehr auf, dass Alexius die Erbsünde vermeidet, indem er die Ehe nicht vollzieht und flieht. Er ist zum Heiligen auserwählt. Alle anderen teilen das Schicksal der nachparadiesischen conditio humana. Irrtümer sind also entweder Resultat einer Täuschung durch andere oder Resultat einer Selbsttäuschung. Die Selbsttäuschung ist indessen weniger Folge eines vermeidbaren intellektuellen Versagens, sondern eher durch charakterliche Defizite oder unvermeidliche mangelnde Einsicht des Irrenden veranlasst, und sie ist häufig mit dem Motivkomplex von Buße, Läuterung und Reifung verbunden. Es überwiegen die Erzählprinzipien der ernsthaften Stilisierung und der Wahrscheinlichkeit im Rahmen providenzieller Gegebenheiten. Ist dagegen der Irrtum mit dem Motivkomplex von Täuschung, List oder Lüge verbunden, finden wir möglicherweise komische Stilisierung, stets aber weniger Realitätsanspruch wie auch ein Liebesgeschehen, das mehr oder weniger als Dysfunktion des höfischen Ideals erscheint. Unsere Beobachtungen erlauben vielleicht einige allgemeine Bemerkungen oder Rückschlüsse. Zunächst müssen wir den literaturgeschichtlichen Entwicklungsstand berücksichtigen. Die frühen altfranzösischen Texte weisen einen demonstrierenden, anschaulich machenden und mehr auf externer Fokalisierung beruhenden Erzählstil auf. Erst mit dem Roman erfolgt allmählich eine Berücksichtigung der internen Fokalisierung und damit eine literarische Entdeckung der kognitiven Fähigkeiten des Menschen. Damit dürfte das folgende Problem zusammenhängen: Wenngleich wir in den Texten eine Reihe von mehr oder weniger unterschiedlichen Irrtümern finden, auf die unsere eingangs formulierte summarische Definition zutrifft, ist doch ebenfalls festzustellen, dass in diesen Fällen die Wörter error und errer nicht verwendet werden. Dem korrespondiert die in den Lexika festgestellte semantische Breite dieser Wörter. Offensichtlich ist der so verstandene Irrtum in der mittelalterlichen Narrativik kein Begriff, und man kann vermuten, dass dies so ist, weil er in der dieser zugrundeliegenden Anthropologie kein Begriff ist.

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Bei der Klärung dieses Befundes haben wir es nicht nur mit dem Zusammenhang von Wort- und Begriffsgeschichte zu tun, sondern auch mit einem hermeneutischen Problem. Wir können die konstatierten Selbsttäuschungen als Irrtum bezeichnen, müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass unser Begriff des Irrtums, mit dem wir die Texte analysiert haben, im Mittelalter so nicht existierte 26; denn er setzt eine moralische und intellektuelle Autonomie des Individuums voraus (wahrscheinlich eine Chimäre der Aufklärung 27), von der im Mittelalter keine Rede sein kann. Er kann zwar für die Analyse herangezogen werden, darf aber für die Interpretation nicht maßgebend sein. Vielmehr haben wir zu berücksichtigen, dass in einer Welt, in der alles vorbestimmt ist, es im Grunde die Möglichkeit eines so verstandenen Irrtums gar nicht gibt. Vielmehr ist die Beurteilung menschlichen Verhaltens und Fehlverhaltens im mittelalterlich-theologischen Rahmen zu sehen 28. Die von uns in den ausgewählten Texten diagnostizierten Irrtümer bestehen in einem devianten Verhalten und beruhen auf unvermeidlich mangelnder Einsicht in die göttliche Providenz. Der vermittelte Sinn liegt in der Erkenntnis, dass das (Herum-)Irren einerseits wesentlich für die nachparadiesische conditio humana ist und andererseits der Irrtum dennoch eine Möglichkeit ist, die gesühnt werden kann, wenn es so vorgesehen ist. Das Leben gleicht der Suche nach einem unbekannten Ziel und der Mensch muss annehmen, was auf ihn zukommt. In der Literatur bringen Motive wie das der queste sowie das der aventure (zu lat. advenire) diese Grundzüge der mittelalterlichen Anthropologie zum Ausdruck. Typus dieser Auffassung ist der chevalier errant, der ja nicht nur ein fahrender Ritter ist, wie es im Deutschen traditionell heißt, sondern vor allem ein suchender Ritter: „Je sui uns cevaliers errans ki cascun jour vois aventures querant et le sens du monde et point n’en puis trouver, ne point n’em puis a mon oes retenir - Ich bin ein umherirrender Ritter, der täglich auf die Suche nach Abenteuern und dem Sinn der Welt geht, und ich kann keine finden und davon nichts für meinen Zweck zurückbehalten“ 29. 26 27

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Entsprechendes gilt folglich für die Differenzierung von Irrtum und Fehler. Irrtümer in der neueren Literatur setzen dementsprechend ein solchermaßen reflektierendes Individuum voraus. Ein besonders interessanter Fall ist Julien Sorel in Stendhals ,Le rouge et le noir‘, der sich kühl kalkulierend gründlich irrt und damit zugleich literarisch die theoretische Position seines durch die Ideologen geprägten Autors als irrig erweist. So wie etwa auch der Begriff der a«μαρτι´α im griechisch-antiken Kontext zu verstehen ist, und man denke an die einschlägigen Diskussionen in der Klassischen Philologie. Zitiert nach S. Mula, Dinadan Abroad: Tradition and Innovation for a Counter-Hero, in: B. Besamusca/F. Brandsma (eds.), The European Dimensions of Arthurian Literature (K. Busby (ed.), Arthurian Literature 24 (2007), 50-64, hier 50 sq., URL: *https://books.google.de/ books?id=dSQEDMLcs8AC&pg=PR2&lpg=PR2&dq=Arthurian+Literature+XXIV&source =bl&ots=NCS6vlPIdl&sig=Tpr3e7BpSbzfLALju_DJRjBJzxg&hl=de&sa=X&ved=0ahUKE wi92YOKmJnZAhWGh7QKHRvqCOsQ6AEITzAF#v=onepage&q=Arthurian%20Literature %20XXIV&f=false+ (Stand: 12. 11. 2016); cf. P. Me´nard, Le chevalier errant dans la litte´rature arthurienne. Recherches sur les raisons du de´part et de l’errance, in: Voyage, queˆte, pe`lerinage dans la litte´rature et civilisation me´die´vales, ed. Presses universitaires de Provence (Senefiance 2), Paris 1976, 289-311, URL: *books.openedition.org/pup/4338+ (Stand: 12. 11. 2016).

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Wir haben es also auch bei unserem Thema mit der Problematik von Prädestination und freiem Willen zu tun, einem seit Augustinus schwelenden und immer wieder Flammen schlagenden theologischen Thema 30, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann, wenngleich es die Grundlage für das Verständnis der Texte bildet. Für das Mittelalter hat Boethius im vierten und fünften Buch der ,Consolatio Philosophiae‘ Maßgebliches dazu gesagt: Es herrscht eine Ordnung aus Vorsehung und Schicksal, die der menschlichen Erkenntnis verschlossen ist. So gibt es innerhalb mittelalterlicher Vorstellungen im Grunde nur einen Irrtum: die Leugnung der göttlichen Ordnung, wie sie für Heiden und Häretiker charakteristisch ist und für die im Mittellateinischen der Begriff error verwendet wird. Mit diesen Feststellungen zur Kontingenz des Begriffs tut sich allerdings ein grundsätzliches hermeneutisches Problem bei der Beschäftigung mit Fremdem und der Erarbeitung von Fremdheit auf: Wenn wir fremdkulturelle Sachverhalte erfassen und bezeichnen oder fremdsprachliche Wörter übertragen wollen, müssen wir die Wörter unserer Sprache benutzen, also Wörter, die sich auf unsere Welt beziehen, um einen fremden Begriffsinhalt wiederzugeben. D. h. das von uns mit Bezug auf eine andere Welt benutzte Wort meint eigentlich etwas anderes, als es sonst bedeutet. Diese Formulierung erinnert nicht zufällig an H. Weinrichs Definition der Metapher 31. Der umrissene Zusammenhang wird besonders evident im Fall der Übersetzung; denn die Wörter in einer Übersetzung, wie die Übersetzung überhaupt, haben ja einen relational-repräsentativen Status und vielleicht sogar einen metaphorischen Status. Am Schluss soll daher der Gedanke stehen, dass der Irrtum überhaupt offensichtlich allgemein nicht absolut, sondern historisch relativ existiert. Und das ist so, weil Irrtümer in der Literatur abhängig sind von einem Menschen- und Weltbild, das wandelbar ist und auf das die Literatur rekurriert, indem sie es in narrativen Kausalnexus anwendet, und das sie stabilisiert, indem sie es anwendet. Literaturwissenschaftlich haben wir es mit dem Problem der Plausibilisierung zu tun. In Anlehnung an Karlheinz Stierle 32 formuliert: Wie wird aus Geschehen Geschichte oder eine Geschichte? Antwort: Indem klar wird, warum etwas in der Vergangenheit geschehen ist oder in einer Erzählung geschieht. Und so sind auch die Möglichkeiten der Plausibilisierung historisch relativ, und nicht alles, was uns heute nicht mehr überzeugt, so wie alles, was uns heute überzeugt, muss richtig sein. Das zu glauben wäre wohl ein Irrtum, und Literaturgeschichte ist auch interessant, weil sie uns von solchen Irrtümern befreien kann.

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Cf. P. Schulthess/R. Imbach, Die Philosophie im lateinischen Mittelalter. Ein Handbuch mit einem bio-bibliographischen Repertorium, Düsseldorf-Zürich 1996, 86 sq.; J. Höfer/K. Rahner (eds.), Lexikon für Theologie und Kirche, 2., völlig neu bearbeitete Auflage, vol. 8, Freiburg i. Br. 1963, s. v. ,Prädestination‘, 664 sq. Cf. H. Weinrich, Semantik der kühnen Metapher, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 37 (1963), 325-345, hier 340. Cf. K. Stierle, Geschehen, Geschichte, Text der Geschichte, in: id., Text als Handlung. Perspektiven einer systematischen Literaturwissenschaft, München 1975, 49-55.

Zwischen Wissen, Neugierde und Glauben: Von der produktiven Kraft des (Ver)Irrens in Hartmanns von Aue ,Der arme Heinrich‘ Monika Schausten (Köln) Dem Andenken Jürgen Kühnels gewidmet. „Nur wenn wir Umwege einschlagen, können wir existieren.“ 1 Hans Blumenberg

I. Verir ren und Ir ren, Weg und Erzählung Befragt man das grimmsche Wörterbuch hinsichtlich der in der Sprachgeschichte des Deutschen vorfindlichen Semantiken des Begriffsfelds von Irrtum, lässt sich erkennen, dass die Terminologie des Irrens nicht zuletzt der Kennzeichnung einer spezifischen menschlichen Bewegung im Raum dient 2. Die geläufigen Bestimmungen des Irrtums als ein Abweichen „vom rechten und wahren in einem denkprocesse“ 3, wie es bei Jacob und Wilhelm Grimm heißt, sowie als Abweichung in „ glaubenssachen“, als „aberglaube“ und „ketzerei “ 4, erweisen sich mit Blick auf die Wortgeschichte als Ergebnis von Übertragungsoperationen, als deren Grundlage die bereits im althochdeutschen irrituom beziehungsweise irratuom sowie im Verbum irran aufgehobene Semantik des Umherschweifens gelten muss. Die im Wortfeld des Irrtums verfügbare Terminologie für die Beschreibung mentaler Dispositionen des Menschen, die im Horizont des Wahrheitsparadigmas deviante Formen seines Erkenntnisvermögens und seiner Glaubensbereitschaft zu bezeichnen vermag, steht mithin im begriffsgeschicht1 2

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H. Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluss, Frankfurt/M. 1987, 137. Die etymologische Wurzel des Begriffsfelds liegt im lateinischen errare: irren. Cf. dazu F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch in deutscher Sprache, bearbeitet von E. Seebold, Berlin-New York 23 1999, 406. J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, 33 vols., München 1991 [Nachdruck der Erstausgabe: Leipzig 1854-1960], vol. 10, 2176. Diese Bedeutungen sind für den mittelhochdeutschen Gebrauch des Begriffsfeldes wohl zentral. Cf. M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Stuttgart 1992 [Nachdruck der Erstausgabe: Leipzig 1878-1878], 1453.

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lichen Umfeld von Phänomenen des „umherschweifen(s)“, der „irrfahrt “ oder des „abweichen(s) vom rechten Wege“ 5. Im Wortfeld des Irrens sind also nicht allein anthropologisch fundierte Dispositionen des erkennenden, intellektuellen und gläubigen Menschen sprachlich repräsentiert. Es wird auch da produktiv, wo im Rahmen einer Metaphorisierung menschlichen Lebens als Weg, dieser Weg zum hermeneutischen Gegenstand wird, dort, wo das Leben selbst mit Blick auf seinen Sinn hin befragt und reflektiert wird 6. Solche Imaginationen und Reflexionen erfolgen bekanntlich sehr prononciert im Rahmen derjenigen literarischen Formen, die das christliche Mittelalter in der Volkssprache generiert beziehungsweise adaptiert. Dies gilt sicherlich in besonderer Weise für die sich ausdifferenzierenden Schreibweisen der geistlichen Literatur 7, allen voran für die Legende, die das je eigene Leben ihrer Protagonisten im Horizont der imitatio Christi im Rekurs auf Viten- und Wegeschemata organisiert 8. Das gilt aber auch für die zunehmend an solchen Schreibweisen sich orientierenden Gattungen des höfischen Romans sowie für die sich seit dem 13. Jahrhundert mehr und mehr ausdifferenzierenden kurzepischen Genres 9. Das besonders für die romanhafte Schreibweise bestimmende Aventiureschema, welches dem Erzählen das Riskante und Unerwartete im Horizont des „ gelenkten Zufalls“ 10 auf der Basis eines häufig ungerichteten Wegschemas als zu bewältigende Aufgabe der jeweiligen Protagonisten verfügbar macht 11, interferiert mit den Vitenschemata der geistlichen Literatur. Dabei geht 5 6

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Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch (nt. 3), 2176. Zur grundlegenden Funktion einer ausdifferenzierten Wegmetaphorik für die literarische Reflexion menschlichen Lebens als „Lebens-Weg“ cf. grundlegend P. Michel (ed.), Symbolik von Weg und Reise (Schriften zur Symbolforschung 8), Bern e.a. 1992, hier einführend bes. ix-xv. Zur Funktionalisierung des Weges im Kontext mystischen Schreibens cf. e.g. N. Largier, Aufstieg und Abstieg. Zur Metapher des Weges bei Rudolf von Biberach, Meister Eckart und Johannes Tauler, in: Michel (ed.), Symbolik (nt. 6), 41-55. Zur Bedeutung von Wegeschemata für legendarisches Erzählen cf. zuletzt C. Dörrich, Konfigurationen des Weges in der Christophorus-Legende, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 132 (2014), 353-382. Cf. F. Wolfzettel, Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik I, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 83 (1973), 317-348, hier 317 sq. und 346. Wolfzettel bringt die im 12. Jahrhundert einsetzende Tendenz zur Biographisierung in Heldenepik und höfischem Roman in einen Zusammenhang mit einer Rekurrenz auf die Heiligenvita. A. Schulz, Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive, edd. M. Braun/A. Dunkel/J.-D. Müller, Berlin-Boston 2012, hier 127. Zur Etymologie des Aventiurebegriffs, der sich vom Lateinischen adventus herleitet, cf. ibid.: Der Begriff bezeichnet das, „was auf einen zukommt “. Das als Rechtsbruch oder Ordnungsstörung konkretisierte Riskante und Unerwartete siedelten die Erzählungen stets an der Peripherie der höfischen Welt an. Damit erfordert die Bewältigung des Abenteuers durch den Protagonisten die Zurücklegung eines Weges zu seinem Ort. Zur Etymologie und Begriffsgeschichte cf. zusammenfassend auch P. Strohschneider, ,aˆventiure‘-Erzählen und ,aˆventiure‘-Handeln. Eine Modellskizze, in: G. Dicke/M. Eickelmann/Burkhard Hasebrink (eds.), Im Wortfeld des Textes. Worthistorische Beiträge zu den Bezeichnungen von Rede und Schrift (Trends in Medieval Philology 10), Berlin-New York, 377-383. Zum Aventiureschema als Narrativ cf. zuletzt J. Eming/R. Schlechtweg-Jahn, Einleitung: Das Abenteuer als Narrativ, in: ead./id. (eds.), Aventiure und Eskapade. Narrative des Abenteuerli-

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das zunehmend bestimmende Inserat biographischer Schreibweisen, wie es sich vor allem im Blick auf die Artus- und Tristanromane des Mittelalters seit dem 12. Jahrhundert beobachten lässt 12, mit einer Komplexitätssteigerung der erzählten Wegstrukturen einher, die die Bewegungen der entsprechenden Protagonisten im Raum organisieren. Den auf den Prinzipien der variierenden Wiederholung (Artusromane) 13 beziehungsweise der episodischen Strukturierung (Tristanromane) 14 des erzählten Geschehens aufsetzenden Wegstrukturen der einzelnen Texte eignet dabei ein Focus auf Um- und Abwegigem, auf Phänomenen des Ungerichteten oder Fehlgeleiteten, die den Lebensweg der erzählten Figuren in den imaginierten Raum- und Sozialordnungen ausmachen. Gegenüber der für die französische Heldenepik charakteristischen zyklischen Struktur der Enfance-Erzählungen, auf die der höfische Roman in seiner vermehrten Aufmerksamkeit für die Jugendgeschichten seiner Protagonisten ganz auffallend rekurriere, wiesen besonders, so eine im Kontext der germanistischen Forschung nach wie vor zu wenig beachtete These Friedrich Wolfzettels, die Tristan- und Parzivaltexte des französischen und deutschen Mittelalters eine auffallende Öffnung des imaginierten Lebensweges ihrer Protagonisten auf. Anders eben als die in die väterliche Position mündenden Wege der Helden in der französischen Heldenepik führe das Romangeschehen seine Protagonisten an einen Ort, der den ihrer Väter transzendiere 15. Gemeinsam ist den Wegmodellen epischen und romanhaften Erzählens ein Focus auf den Irrwegen, den Um- und Abwegen, die eben nicht allein als strukturierende Marker der erzählten Lebensläufe und damit auch der literarischen Formen selbst fungieren (e.g. die Doppelwegstruktur des Artusromans), sondern die in besonderer Art und Weise Reflexionen über die je eigene Bedeutung der erzählten Leben im Rahmen der in den genannten Genres stets verhandelten höfischen und/oder geistlichen Normhorizonte evozieren. Solche Momente, in denen den Figuren räumliche Desorientierung oder falsche Richtungsentscheidungen attribuiert sind, markieren in den Narrativen stets eine grundlegende Fragwürdigkeit, ja gerade eine Fehleranfällig-

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chen vom Mittelalter zur Moderne (Transatlantische Studien zu Mittelalter und Früher Neuzeit 7), Göttingen 2017, 7-33, hier 10. Cf. M. Schausten, „ich bin, alse ich haˆn vernomen, ze wunderlıˆchen maeren komen“. Zur Funktion biographischer und autobiographischer Figurenrede für die narrative Konstitution von Identität in Gottfrieds von Straßburg ,Tristan‘, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 123 (2001), 24-48, hier 26. Zur Doppelwegstruktur des Artusromans cf. bes. W. Haug, Literaturtheorie im deutschen Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Darmstadt 21992. Cf. W. Haug, Aventiure in Gottfrieds ,Tristan‘, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 94 (1972), Sonderheft: H. Backes (ed.), Festschrift für H. Eggers zum 65. Geburtstag, 88-125. Haug weist hier nach, dass der im ,Tristan‘ konstant als Zufall semantisierte aˆventiureBegriff stets die Initiation der einzelnen Stationen des erzählten Lebensweges im Rahmen der für die Tristantexte typischen episodischen Strukturierung des Geschehens als willkürlich profiliert. Cf. dazu grundlegend Wolfzettel, Enfances I (nt. 8); id., Zur Stellung und Bedeutung der Enfances in der altfranzösischen Epik II, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 84 (1974), 1-32 sowie id., Doppelweg und Biographie, in: id. (ed.), Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, Tübingen 1999, 119-141, hier 121.

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keit und damit eine Korrekturbedürftigkeit erzählter Lebensverläufe. Nichts deutet mehr darauf, als der mittelhochdeutsche Begriff für Makel, der missewende lautet. Dieser weist eine deutliche Nähe zur Terminologie von Irrtum und Irren und zu deren räumlichen Implikationen auf: Es ist eine unvorteilhafte Kehre, eben eine verunglückte Wende, die im Wort pars pro toto für den Makel eines Menschen stehen kann 16. Dass in den mittelalterlichen Erzählgattungen die imaginierten Lebenswege vor allem im Blick auf das ihnen eignende Abwegige oder Umwegige dargeboten werden, ist, so ließe es sich aus einer literarästhetischen Perspektive formulieren, geradezu ein Spezifikum des Narrativen selbst. Denn nur im Akzentuieren des Devianten, des von sozialen, religiösen oder moralischen Normierungen Abweichenden, kann sich vormodernes Erzählen recht eigentlich allererst realisieren. Sujethaftigkeit, eine Gebundenheit der Narration an das, was Jurij M. Lotman aus einer struktural-semiotischen Perspektive ,Ereignis‘ genannt hat 17, prägt die gattungstypologisch ausdifferenzierten, epischen Schreibweisen der mittelalterlichen Literatur. Dabei wird die Ereignisgebundenheit des Erzählens über ein Verfahren der Konfiguration von Raum und Figur erzeugt. Die durch Grenzmarkierungen generierte topologische Ordnung der erzählten Welt ist für einzelne Figuren als Herausforderung angelegt. Grenzüberschreitungen der Figuren im Rahmen der imaginierten Weltordnung sind Signen einer Übertretung der durch die räumliche Ordnung stets indizierten Normordnung 18. Den umwegigen und komplizierten Wegmodellen muss in diesem Rahmen also ein nicht geringes Potential für mögliche Semantisierungen der im Erzählen entworfenen Lebensentwürfe attestiert werden. Ebenso wenig nämlich, wie ein makelloser, in der Terminologie Lotmans „(u)nbewegliche(r)“ 19 Held als Figur von Erzählhandlungen taugt, kann der „kürzeste […] Weg“ 20, wie Hans Blumenberg schreibt, allein schon ein narratives Ereignis konstituieren. II. Lebensweg e im ,Ar men Heinrich‘ Fast könnte man meinen, dass Hartmann von Aue in seiner enigmatischen Erzählung vom ,Armen Heinrich‘, um die es im Folgenden gehen soll, auf diese 16

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Cf. den Eintrag missewende in: Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch (nt. 4), 2174. Folgendes Bedeutungsspektrum wird dem Substantiv zugewiesen: „unrechte wendung, das abweichen vom bessern zum schlechtern, […] tadel, makel, schande.“ Zum gegenwärtigen Stand der literaturtheoretischen Diskussion des Ereigniskonzepts cf. zuletzt A. Häusler/M. Schneider (eds.), Ereignis Erzählen (Sonderheft zum Band 135 der Zeitschrift für deutsche Philologie), Berlin 2016, hier bes. 3 sqq. Zum Ereigniskonzept Lotmans cf. bes. K. N. Renner, Grenze und Ereignis. Weiterführende Überlegungen zum Ereigniskonzept von J. M. Lotman, in: G. Frank/W. Lukas (eds.), Norm - Grenze - Abweichung. Kultursemiotische Studien zu Literatur, Medien und Wirtschaft (M. Titzmann zum 60. Geburtstag), Passau 2004, 357-381. Cf. J. M. Lotman, Die Struktur literarischer Texte, übers. von R.-D. Keil, München 1972, 332 sqq. Ibid., 338: „Die Unbeweglichen sind der Struktur des allgemeinen sujetlosen Typs unterworfen. […] Eine bewegliche Figur ist eine, die das Recht hat, die Grenze zu überschreiten.“ Blumenberg, Die Sorge (nt. 1), 137.

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Grundbedingung erzählender Literatur habe deuten wollen. Darauf, dass eine narrative Profilierung von Lebensverläufen im Horizont adelig-christlicher Normhorizonte eben nur funktionieren kann, wenn den poetisierten Lebenswegen eine markante Störung, eine Irritation zugeschrieben wird: Prononciert führt der Text zunächst im Rekurs auf ein höfisches Register seinen Protagonisten Heinrich als einen in jedweder Hinsicht vollkommenen Herrscher in Schwaben ein, dessen „leben“ und „eˆre“ 21, wie es heißt, „aˆne alle missewende […] stuont “ 22, nur um im Anschluss - nun einen christlichen Horizont einspielend - eine einschneidende Wende dieses bis dato makellosen Lebens in Gestalt einer plötzlichen Aussatzerkrankung mit einer entsprechenden Fallhöhe versehen zu können, die wiederum recht eigentlich erst als Initiation von Irr- und Umwegen des Heinrich im Rahmen der imaginierten Weltordnung taugt. Es ist die Krankheit als Signum einer lebensgeschichtlich markanten Verkehrung 23, wie es nahezu wörtlich heißt, die als Voraussetzung für den Lebensweg der Figur gesetzt ist. Die „miselsuht “ 24 markiert jene entscheidende Schnittstelle, die die auf Stabilität und Beständigkeit ausgerichtete Existenz der als Landesherrn profilierten Figur von der Erfahrung einer grundständigen Verunsicherung im Blick auf ihr zukünftiges Leben trennt. Die Krankheit ist als Dreh- und Angelpunkt der erzählten Biographie des Protagonisten ausgewiesen. Von ihr aus ist das erzählte Leben des Heinrich im Spannungsbogen eines Vorher und Nachher, eines geordneten und chaotischen, eines stabilen und unsicher-umherschweifenden organisiert. Im Folgenden möchte ich versuchen, den Poetisierungen des Ab- und Umwegigen, die im Erzählen als topographische Realisierungsformen des Irrtums und des Irrens in Hartmanns ,Armem Heinrich‘ angelegt sind, nachzugehen. Meine Vermutung ist, dass die der Heinrichfigur attribuierte umwegige Wegstruktur das erzählte Leben im diskursiven Horizont von Wissen, Neugierde und Glauben auf die Reflexion alternativer Formen ihres Verlaufs hin zu öffnen vermag. So gesehen gilt es zu überlegen, inwiefern der kleine Text Hartmanns als Teil einer kulturellen Praxis beschreibbar ist, die sich besonders, folgt man den Ausführungen Hans Blumenbergs, „in der Auffindung und Anlage, der Beschreibung und Empfehlung, der Aufwertung und Prämiierung der Umwege“ 25 realisiert. Mein Beitrag gilt dabei einer Erzählung, die in mehrerer Hinsicht einen Sonderfall im literarischen Feld höfischer Literatur des 12. Jahrhunderts darstellt: Weder ist sie im Kontext eines novellistischen Erzählens zu verorten, das im deutschsprachigen Raum erst im 13. Jahrhundert recht eigentlich einsetzt, noch 21

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Ich zitiere Hartmanns Erzählung nach folgender Ausgabe: Hartmann von Aue, ,Der arme Heinrich‘, ed. H. Paul, 16., neu bearbeitete Aufl. besorgt durch K. Gärtner (Altdeutsche Textbibliothek 3), Tübingen 1996. Das Zitat supra V. 55. Ibid., Vv. 54 sq. Cf. ibid., Vv. 82 sq.: „sıˆn hoˆchmuot wart verkeˆret/in ein leben gar geneiget.“ Ibid., V. 119. Blumenberg, Die Sorge (nt. 1), 137.

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verfügt die variantenreich in drei vollständigen und drei fragmentarischen Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts auf uns gekommene Geschichte über eine verifizierbare Vorlage; auch wenn der implizite Autor im Rekurs auf Verfahren einer bereits konventionalisierten Exordialtopik eine solche im Prolog der Erzählung namhaft zu machen sucht 26. Der Text erzählt in zwei - besonders in der Gestaltung der Schlusspartie - deutlich voneinander abweichenden Versionen (A und B) 27 die Aussatzheilung des in Schwaben ansässigen Adeligen Heinrich als Folge einer Bekehrung, die durch die Opferbereitschaft einer jungen Meierstochter ausgelöst wird. Dabei initiiert der Blick des Protagonisten auf den bereits gefesselten, nackten Mädchenkörper den entscheidenden Umschwung: Denn der Anblick des angebundenen Körpers hält Heinrich davon ab, das jungfräuliche Blutopfer anzunehmen, und es ist gerade dieser Verzicht, der seine Heilung bewirkt. Die Forschungsdebatte um den kleinen Text suchte dessen Konstruktionsprinzipien in Ermangelung einer stofflichen Vorlage vor allem im Verweis auf eine Kompilationstechnik unterschiedlicher gattungsgebundener Schreibweisen zu erläutern. Mit verwandten kleineren Erzählformen, so resümieren bereits Christoph Cormeau und Wilhelm Störmer diese Bemühungen, teile der Text eine gerafft erzählende Darstellung sowie einen partiell lehrhaften Impetus. Mit der Legende, das Moment der wunderbaren Heilung, welches allerdings in der A-Version des Textes nicht in eine Bekehrung des Protagonisten münde; mit dem Erlösungsmärchen schließlich das Motiv der Heldin, die dem Geliebten trotz seiner Missgestalt zugetan ist und ihn aufgrund dieser Liebe erlösen kann 28. Für die hier geleistete Rekonstruktion eines Erzählens, das sich wohl der „Hybridisierung profaner und legendarischer Erzählmuster“ 29 verdankt, von 26

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,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 16 sq.: „nu beginnet er iu diuten/ein rede die er geschriben vant.“ Zu Entstehung und quellenhistorischer Verortung des ,Armen Heinrich‘ cf. C. Cormeau, Hartmann von Aue, in: K. Ruh e.a. (eds.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, BerlinNew York 22010, vol. 3, 500-520, hier 502 und 513. Zur Überlieferung cf. genauer K. Gärtner, Einleitung, in: Der arme Heinrich (nt. 21), IX-XXXVI. Zur Textgeschichte des ,Armen Heinrich‘ cf. bes. K. Gärtner, Überlieferung und textus receptus. Zur Neuausgabe des ,Armen Heinrich‘, in: editio 17 (2003), 89-99; zur Überlieferungsvarianz und den unterschiedlichen Semantisierungen des Plots in A und B am Beispiel der Figurenkonstruktion cf. H.-J. Schiewer, Acht oder Zwölf. Die Rolle der Meierstochter im ,Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue, in: M. Meyer/H.-J. Schiewer (eds.), Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters (Festschrift für V. Mertens zum 65. Geburtstag), Tübingen 2002, 649-667. So C. Cormeau/W. Störmer, Hartmann von Aue. Epoche - Werk - Wirkung, München 21985, 145. Zu den Allusionen auf das Märchen cf. bes. D. Blamires, Fairytale Analogues to ,Der arme Heinrich‘, in: T. McFarland/S. Ranawake (eds.): Hartmann von Aue, Changing Perspectives. London Hartmann Sypmposium 1985 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 486), Göppingen 1988, 187-198. A. Schulz, Morolfs Ende. Zur Dekonstruktion des feudalen Brautwerbungsschemas in der sogenannten ,Spielmannsepik‘, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 124 (2002), 233-249, hier 235. Zur spezifischen Hybridität des ,Armen Heinrich‘, die neben Referenzen auf die legendarischen Intertexte auch Allusionen auf den arthurischen Roman einschließe, cf. bes. J. Dewhurst, Generic Hybridity in Hartmann von Aue’s ,Der arme Heinrich‘, in: Arthurian Literature XX (2003), 43-83, hier 46 sowie ähnlich M. Meyer, Warum Gattungs-

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der Armin Schulz in einem anderen Zusammenhang gesprochen hat, ist ein älterer Beitrag Kurt Ruhs aus meiner Sicht nach wie vor zentral. Seine die Forschungsdiskussion seit langem bestimmende literarästhetische Positionsbestimmung der ungewöhnlichen Erzählung verdankt sich der überzeugenden Rekonstruktion vor allem zweier legendarischer Intertexte, die, so Ruhs These, ihre besondere narrative Konzeption bestimmen 30. Beide repräsentierten jenen Typus der mittelalterlichen Aussatzlegende, in dem die „Heilung vom Aussatz durch das Blut unschuldiger Kinder oder reiner Jungfrauen“ 31 thematisch werde. Da wäre zum einen die Silvesterlegende, die davon erzählt, wie Kaiser Konstantin durch die Einwirkung Gottes vom Aussatz befallen wird, von einer Krankheit, die laut Auskunft eines Arztes nur durch das Blut unschuldiger Kinder, durch ein heidnisch-magisches Blutopfer also, geheilt werden kann. Doch der Verzicht des Kaisers auf dieses grausame, da unfreiwillige Opfer bewirkt seine Heilung als Gnadenakt Gottes 32. Und zum anderen adaptiere Hartmann die Geschichte von ,Amicus und Amelius‘. In ihr wird die Opfertat thematisch. Die Heilung des vom Aussatz heimgesuchten Amicus erfolgt durch ein Opfer seines Freundes Amelius, der für ihn seine beiden Kinder tötet. Die Genesung gelingt, und überdies erweckt Gott auch die geopferten Knaben wieder zum Leben 33. Ruh sieht nun die wesentlichen Konstituenten beider Versionen der Aussatzlegende, nämlich Opferannahme seitens des Kranken (,Amicus und Amelius‘Typus) einerseits, und Verzicht auf das Opfer (Silvestertypus) andererseits, im ,Armen Heinrich‘ zu einem eigenen Erzählschema kompiliert. Im Rekurs auf beide nämlich, konstruiere der Autor seine Geschichte, die eben die Heilsgeschichte des Protagonisten mit der des opferwilligen Pächtermädchens zusammenführe 34. Der neuralgische Punkt der Erzählung ergebe sich mithin aus dieser

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mischung scheitert. Oder: Warum finden manche Geschichten kein adäquates Ende, in: F. Kragl/C. Schneider (eds.), Erzähllogiken in der Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Akten der Heidelberger Tagung vom 17. bis 19. Februar 2011, Heidelberg 2013, 241-259, hier 253. Cf. K. Ruh, Hartmanns ,Armer Heinrich‘. Erzählmodell und theologische Implikationen, in: id., Kleine Schriften, vol. 1, ed. V. Mertens, Berlin-New York 1994, 23-37, hier 24 sqq. Als dritte Ausprägung derjenigen mittelalterlichen Aussatzlegenden, die er als konstitutiv für Hartmanns Erzählung nachweist, identifiziert Ruh eine Episode aus der ,Queste del Saint Graal‘ aus der Lancelot-Gral-Trilogie (ibid., 27). Diese Episode berichte von der „lautere(n) Caritas“, die die Schwester Percevals auszeichne. Diese gebe für eine vom Aussatz befallene Schlossherrin ihr Leben hin, ohne mit dieser persönlich verbunden zu sein. Anders als in den legendarischen Intertexten muss hier auch die Opferbereite ihr Leben lassen; doch wird die Burg der Schlossherrin „von einem himmlischen Blitzstrahl getroffen und eingeäschert “. Ibid., 24. Zur Silvesterlegende cf. ibid., 26. Eine Aufstellung der deutschsprachigen Versionen der Legende cf. ibid., 25. Zur Erzählung von ,Amicus und Amelius‘ cf. ibid., 26 sq. Angaben zu den volkssprachigen Versionen des Plots: ibid., 25. Cf. ibid., 29: „Der AH darf nicht, wie zumeist geschehen, einseitig als Geschichte des Edelfreien Heinrich verstanden werden. Hartmanns gemischter Typus als solcher sagt aus, daß die Krankheits- und Heilsgeschichte Heinrichs die Erzählung von einem opferwilligen Mädchen mit umfaßt.“

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Montage. Es sei jener, an dem Hartmann die beiden Modelle miteinander verknüpfe, mithin der erzählte Umschwung des Protagonisten von anfänglicher Opferannahme zu späterem Opferverzicht. Den Sinneswandel Heinrichs motiviere der Autor in der Episode, in der dieser den nackten Mädchenkörper ansehe und mit seinem eigenen hässlichen Körper vergleiche 35. Gerade in der Gestaltung dieser Episode dürfe man, so Ruh, die schöpferische Eigenleistung Hartmanns erkennen, eine Leistung, die aber - wie gesagt - nur im Hinweis auf die hier miteinander verbundenen Erzählschemata und ihrer Konstituenten wirklich begründbar sei 36. Im Anschluss an die von Ruh herausgearbeitete Kompilation der beiden Legendentypen als die Geschichte fundierendes Erzählschema lässt sich, so meine ich, noch grundsätzlicher als Ruh dies vorgeschlagen hat, die besondere literarästhetische Qualität der kleinen Geschichte beschreiben. Aus meiner Sicht fungiert die Intertextualität der Erzählung nicht allein als Plausibilisierungsstrategem eines Sinneswandels der Heinrichfigur 37. Gerade die markierten und nicht markierten Bezugnahmen auf legendarische Schreibweisen ermöglichen zudem eine komplexe Poetisierung der in die Erzählung eingespielten Diskurshorzionte von Wissen, Glauben und Neugierde. Im Blick auf die von Ruh herausgehobenen Typen der Opferlegende lässt sich nämlich über seine Argumentation hinausgehend zeigen, dass ihre Kontamination im ,Armen Heinrich‘ die Einführung von Fallgeschichten ermöglicht, also den Entwurf alternativer Lebensverläufe. Es ist eine spezifische Indienstnahme beider Legendenversionen im Kontext eines höfischen und geistlichen Registers, die auf die narrative Diversifikation gleich zweier in der Erzählung entfalteter Lebensverläufe ausgerichtet ist, die zudem in ein Spannungsverhältnis zueinander gesetzt sind. Die Differenzen zwischen dem Lebensweg des Heinrich und dem des Mädchens werden eben nicht zuletzt in der von Ruh herausgehobenen neuralgischen Episode der Erzählung explizit. Deren Potential liegt aus meiner Sicht gerade darin, im expliziten und impliziten Rekurs auf Sujets legendarischen Erzählens, Lebensverläufe nicht allein aus ihrer Bezogenheit auf die sich im Wunder realisierende göttliche Begnadung menschlichen Lebens im Rahmen einer conversio, einer Umkehr, zuzuspitzen. Hartmann bringt über die Kontamination der oben entfalteten Konkretionen der Aussatzlegende alternative Verlaufsformen der erzählten Leben ins Spiel, die in der Narration als Ergebnis einer den Figuren attribuierten Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Lebensentwurfs gerade jenseits der über die legendarischen Schreibweisen eingespielten imitatio Christi als Orientierungspunkt dieses Verlaufs manifest werden.

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Cf. ibid., 33. Cf. ibid. Cf. ibid.

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III. Lebensweg e im inter textuellen und diskursiven Referenzrahmen Die in der Erzählung obwaltende Vervielfältigung tatsächlich geschilderter Lebensverläufe und optional imaginierter Lebensentwürfe ergibt sich zunächst ganz unmittelbar aus der Umakzentuierung der Entscheidungen, die die beiden Legendentypen ihren Protagonisten zuweisen. Im Rahmen der Legende nämlich, die, so jüngst Andreas Hammer, „an die Darstellung des Heiligenlebens als Geschehensverlauf gebunden“ 38 und von daher selbst, wie Andre´ Jolles schreibt, „ein imitabile sein“ 39 muss, können Opferannahme und Opferverzicht gleichermaßen als Voraussetzung einer göttlichen Begnadung in Form eines Wunders gesetzt sein. Die Hartmannsche Erzählung hingegen organisiert Opferannahme und Opferverzicht als deutlich different zu bewertende Verhaltensoptionen der Heinrichfigur auf der zeitlichen und räumlichen Achse eines zum Teil gemeinsam mit dem Mädchen eingeschlagenen Weges: Die Entscheidung für den Opferverzicht ist aus der Sicht der Heinrichfigur als Ergebnis der gemeinsamen Fahrt nach Salerno gestaltet, als dessen Fluchtpunkt sie als die richtige Entscheidung gesetzt ist: Heinrichs Weg zur Opferung erweist sich im Raum des Geschehens selbst als Weg zum Opferverzicht. Zudem aber führt der Autor - das hat auch Ruh schon erläutert - die Figur der Meierstochter und damit die Opferwillige als eigenständig Handelnde ein 40, so dass diese Entscheidung in ihrer Relevanz für zwei Lebensverläufe unterschiedlich akzentuiert werden kann. Der gemeinsame Weg nach Salerno führt Heinrich zur Wahl der richtigen Alternative, die dann auch durch die Begnadung Gottes im Blick auf seine Spontangenesung eine für alle sichtbare Bestätigung erfährt. Für das Mädchen aber entpuppt er sich als Irrtum, denn die sich mit ihm aus ihrer Sicht verbindende Verheißung auf ein ewiges Leben in Gott erfüllt sich nicht. Die Akzentuierung der beiden Lebenswege, deren Differenz im Erzählen durch ihre Ausrichtung an höfischen Lebensformen einerseits, an geistlichen andererseits begründet ist, problematisiert mithin die Vorstellung eines gemeinsamen Lebensweges im Blick auf die beiden aufeinander bezogenen Figuren. Die Erzählung erhält gerade in Bezug auf den verhandelten Diskurs adelig-höfischen Lebens im Kontext göttlicher Begnadung eine ganz eigene Signatur und dies besonders in ihrer intertextuellen Bezogenheit auf die Legende. Medizinisches Wissen, theologisches Wissen und Glauben als die markanten Referenzpunkte für die Lebens- und Richtungsentscheidungen der Figuren werden reflektiert und evozieren so die Frage nach einer Verhältnisbestimmung christlicher Heilsgewissheit im Glauben und 38

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A. Hammer, Erzählen vom Heiligen. Narrative Inszenierungsformen von Heiligkeit im ,Passional‘ (Literatur - Theorie - Geschichte 10), Berlin-Boston 2015, 6. A. Jolles, Einfache Formen. Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz, Tübingen 41972, 39. Cf. Ruh, Hartmanns ,Armer Heinrich‘ (nt. 30), 29: „Die Schwergewichte der Erzählung gelten dem Mädchen zu gleichen Teilen wie dem Armen Heinrich.“

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menschlichen Wissens für den Verlauf der schließlich miteinander in Beziehung gesetzten Lebensentwürfe. Ist die Legende als Form beschreibbar, in der sich Heiligenleben narrativ realisieren, lässt sich die ,Arme Heinrich‘-Erzählung in ihren Bezugnahmen auf die Legendentypen als Forum einer Disputation divergierender Lebensentwürfe im Horizont adelig-höfischen Lebens kennzeichnen. Die Ausdifferenzierung des Hartmannschen Erzählens vom Leben erfolgt nun im Einzelnen zunächst auf der Basis konkurrierender Wegeschemata, die schließlich erst in den bereits angesprochenen, gemeinsamen Weg münden. Die Differenz der Lebensverläufe sowie die Phasen ihrer Bezogenheit aufeinander erhalten dabei auf der Grundlage der den beiden Figuren in der Erzählung attribuierten beziehungsweise auch verweigerten Wege Plastizität. Zunächst entfaltet der auktoriale Erzähler im Horizont des Umwegigen sehr ausführlich den Lebensverlauf der Heinrichfigur, der erst nach der Erkrankung überhaupt als Lebensweg realisiert ist. Dabei wird die Krankheit als Ausgangspunkt eines Weges markiert, der sich messen lassen muss an alternativen Modellen des Umgangs mit ihr. Im Rahmen des über die Erzählerstimme eingespielten Rekurses auf biblische Figuren erfolgt eine dezidierte Unterscheidung 41, die die Auswirkung der Krankheit auf den von Heinrich eingeschlagenen Weg im Horizont eines prominenten Vergleichsfalls profiliert. Der Erzählerkommentar akzentuiert das Verhalten der Heinrichfigur, indem er dieses in eine explizite Differenz zu dem Verhalten Hiobs erläutert 42. Dessen geduldiges Ertragen des eigenen Leids wird mit der Reaktion des Protagonisten verglichen: Heinrichs bitteres Leid, so wörtlich, „schiet in […]/von Joˆbes geduldikeit “ 43. Und mehr noch bewertet die Erzählerstimme Heinrichs Verhalten als Ausdruck einer Devianz von der Norm, die in Hiobs konstantem Lob Gottes angesichts des eigenen, selbst nicht verschuldeten Leidens hervorgehoben wird 44: „leider “ 45, so heißt es da, verhielt 41

42

43 44

45

Die Referenzfiguren, die der Erzählerkommentar explizit aufführt, sind Absalom und Hiob. Cf. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), V. 85 und V. 138. Zu den die gesamte Erzählung durchsetzenden Allusionen auf biblische Texte und Motive cf. bes. S. Penth, „Dar uˆf er si vil vaste bant “. Biblische Motive im ,Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue, in: P. Thorau/S. Penth/R. Fuchs (eds.), Regionen Europas - Europa der Regionen. Festschrift für K.-U. Jäschke zum 65. Geburtstag, Köln e. a. 2003, 65-74. Zum typologischen Erzählverfahren Hartmanns am Beispiel der Hiobreferenzen cf. bes. und ausführlich J. Theisen, Typologie und Individualität. Zur Rezeption des Buches Ijob im ,Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue, in: H. Colberg/D. Petersen (eds.), Spuren. Festschrift für Theo Schumacher (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 184), Stuttgart 1986, 81-106. Zur Geschichte der literarischen Adaptationen der biblischen Hiob-Erzählung cf. bes. C. Heydenreich, Revisionen des Mythos. Hiob als Denkfigur der Kontingenzbewältigung in der deutschen Literatur (Hermaea 135), Berlin-Boston 2015. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 137 sq. Cf. Heydenreich, Revisionen des Mythos (nt. 42), 9, fasst das Hiobbuch in seiner Funktion als „Arbeit am Mythos“: „Den Widerspruch zwischen der Prämisse eines allmächtigen und gerechten Gottes und dem empirischen Leiden des gerechten Menschen diskutiert der Text vielstimmig, schöpft alle Varianten logischen Schließens aus, die geeignet scheinen, ihn zu überbrücken, und läuft doch auf die Kapitulation menschlichen Sinnstiftungswillens vor der Unauslotbarkeit Gottes hinaus.“ ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), V. 147.

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sich Heinrich überhaupt nicht so 46. Dem statischen Ausharren im Lob Gottes, wie es Hartmanns Erzähler dem im Glauben fest verharrenden Hiob als Ideal menschlichen Verhaltens attestiert 47, wird Heinrichs Hoffnung auf medizinisches Wissen gegenübergestellt, dem Verharren der Vorbildfigur in einer gottgefälligen Leidensakzeptanz eine nach außen gerichtete Bewegung des Protagonisten entgegengesetzt. Im Horizont also einer vorbildlichen, auf die göttliche Gnade vertrauenden Unbeweglichkeit ist Heinrichs Reise nach Montpellier und Salerno auf der reflektierenden Ebene der Erzählung deutlich als dem Protagonisten nicht zuträglicher Umweg, damit als Verirrung, im Modus eines Hin und Her markiert. Der Weg indiziert eine deutliche Devianz zu einem Habitus der Duldung, an der es der Figur mangelt. Der eingeschlagene Weg führt in eine Sackgasse, die Hoffnung auf Heilung erfüllt die Reise nicht. Erscheint die Fahrt des Heinrich, sein Entschluss zur Bewegung, im Kontext der Hiob-Referenz als eine falsche Richtungsentscheidung, wird sie auf der Ebene des erzählten Geschehens zugleich als einzig plausible Reaktion des Protagonisten auf seine Erkrankung markiert. Im Kontext des höfisch-weltlichen Registers, in dessen Rahmen die Heinrich-Figur konsequent eingeführt wird, ist der Weg in die Zentren der zeitgenössischen Medizin als durchaus richtiger Weg ausgewiesen 48. Angespornt durch die kursierende soziale Rede über die mögliche Heilbarkeit seiner Krankheit 49, wählt der Protagonist den direkten Weg: „er gedaˆhte daz er waere vil lıˆhte genisbaere, und vuor alsoˆ draˆte naˆch der arzaˆte raˆte gegen Munpasiliere.“ 50

Besonders im Adverbium „draˆte“ ist die Verheißung indiziert, die Krise könne rasch bewältigt werden, der eingeschlagene Weg könne sich als der kürzeste erweisen. Auf der Ebene des erzählten Geschehens wird - und dies zunächst im 46

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Theisen (nt. 42), 84, hat detailliert beschrieben, dass die Erzählung die Heinrichfigur auf der Grundlage des biblischen Intertextes im Rahmen eines typologischen Verfahrens profiliert, das auf die Ausstellung einer grundlegenden Differenz der Heinrichfigur und Hiobs gerichtet ist. Dabei zeigt er, dass die der Hiobfigur zum Beispiel attribuierten Dipositionen ,Lob‘ und ,Freude‘ angesichts Gottes im Blick auf Heinrich umcodiert werden, insofern über diese Begriffe gerade dessen Verhältnis zur Welt profiliert werde: „Es gilt, was die Beziehung Ijobs zu Gott prägt, ebenso für die Beziehung der Welt zu Heinrich.“ Cf. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 139-145: „wan ez leit Joˆb der guote/mit geduldigem muote,/do ez im ze lıˆdenne geschach,/durch der seˆle gemach/den siechtuom und die swacheit/die er von der werlte leit;/ des lobete er got und vreute sich.“ Zur Verhandlung der medizinischen und ethischen Implikationen der Krankheit im ,Armen Heinrich‘ sowie zu den Referenzen auf die Zentren der mittelalterlichen Medizin, Montpellier und Salerno, cf. e. g. M. Weiss Adamson, Illness and Cure in Hartmann von Aue’s ,Arme Heinrich‘ and ,Iwein‘, in: F. G. Gentry (ed.), A Companion to the works of Hartmann von Aue, Rochester (NY) 2005, 126-140. Cf. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 163-168. Ibid., Vv. 171-175.

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Gegensatz zu der auf der reflektierenden Ebene im Kontext der Hiob-Referenz propagierten vorbildlichen Verharrung - die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen der Verfügbarkeit über das eigene Leben thematisiert. Die Möglichkeit menschlicher Einflussnahme auf den eigenen Lebensverlauf wird im Rahmen des durch die Heinrichfigur eingeschlagenen Weges am für die soziale Kommunikation entscheidenden Parameter der Reziprozität manifest. Die Dialoge zwischen Heinrich und den Ärzten offenbaren indes wiederum die oben dargelegten konträren Perspektiven auf den Umgang mit der Krankheit: Auf der einen Seite die Heinrichs, der im Rahmen des von ihm abgerufenen Erfahrungswissens um eine Behandlung nachsucht, die auf der Grundlage ökonomischer Regularien dem Arzt Reichtum und ihm Heilung bringen könne 51, auf der anderen Seite die des Arztes, der ein solches Geschäft zurückweist und stattdessen auf der Unverfügbarkeit göttlicher Gnade durch den Menschen insistiert: „,und waere der arzenıˆe alsoˆ daz man si veile vunde ode daz man si kunde mit deheinem liste erwerben, ich enlieze iuch niht verderben. nu enmac des leider niht sıˆn; daˆ von muoz iu diu helfe mıˆn durch alle noˆt sıˆn versaget.‘“ 52

Als Heinrich von seinem Gegenüber erfährt, dass nur die Tötung einer zum Opfer aus freien Stücken bereiten Jungfrau seine Genesung bewirken könne 53, fährt er „heim“ 54, ist also auf den Ausgangspunkt seiner Ausfahrt verwiesen, die in einer Verlaufsform des Hin- und Her und damit jetzt als Umweg hervortritt. Im Horizont der die Konzeption der Erzählung tragenden Alternative von Verharrung und Bewegung erweist sich die Hoffnung auf den kürzesten Weg einerseits als verfehlt. Andererseits wird sich der Umweg im weiteren Verlauf der Erzählung als ein wichtiger Schritt im Blick auf die finale Bewältigung der Krise erweisen. Erfährt Heinrich doch allein durch seine Reise ins Zentrum der zeitgenössischen Medizin, dass nur die Opferbereitschaft einer Jungfrau seine Genesung bewirken kann. Freilich richtet er sein Verhalten zunächst an der Gewissheit seiner Unheilbarkeit aus, die er auf der Fahrt gewonnenen hat, und doch bleibt er zugleich in Bewegung. Der Protagonist verschenkt sein Erbland und seine bewegliche Habe, zeigt sich überdies als mildtätig gegenüber den Armen. Diese Freigebigkeit markiert das Figurenhandeln auch an diesem Punkt noch als an ökonomischen und heilsökonomischen Paradigmen orientiert, erhofft Heinrich sich doch, dass „sich got erbarmen/geruochte über der seˆle heil “ 55. Sodann 51 52 53

54 55

Cf. Ibid., Vv. 188-193. Ibid., Vv. 216-223. Cf. ibid., Vv. 200-204: „,nu enist‘“, so der Arzt in Salerno, „,aber nieman soˆ rıˆch/ noch von so starken sinnen,/der si müge gewinnen./des sıˆt ir iemer ungenesen, /got enwelle der arzaˆt wesen.‘“ Ibid., V. 246. Ibid., Vv. 254 sq.

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führt den Protagonisten ein neu eingeschlagener Weg bekanntlich auf den Hof eines freien Bauern, auf dem dieser dann genau jener Jungfrau in Gestalt von dessen Tochter begegnet, die sich schließlich bereit erklärt, ihr Leben für Heinrich zu opfern. Die Strategie, mit der die Tochter wiederum ihren Entschluss zur Selbstopferung bei den Eltern durchsetzt, ist eine rhetorisch persuasive, die auf theologisches Wissen und eine unbedingte Glaubensbereitschaft baut. Doch auch die Meierstochter argumentiert im Kontext heilsökonomischer Vorstellungen, sodass auch ihrem Verhalten ein Bewusstsein für die Verfügbarkeit über das eigene Leben attribuiert ist. Das Mädchen verspricht sich vom eigenen Tod das „eˆwige leben“ 56 und die Existenzerhaltung der Eltern durch die Rettung ihres Herrn, Heinrich. Das alles hat die Forschung detailliert beschrieben 57. Worauf es mir hier ankommt, ist die Ausdifferenzierung beider Lebensläufe über die Semantisierung der sie prägenden Wege im imaginierten Raum der Erzählung: Zum einen insinuiert der im Bewegungsmodus eines Hin und Her angelegte Lebensweg des Heinrich, der diesen von Schwaben über Montpellier und Salerno wieder zurück nach Schwaben führt, wo sich ja auch der Hof des Meiers befindet, seine Umwegigkeit. Die auf pragmatischem Erfahrungswissen gründenden Bemühungen des Protagonisten um Heilung werden mit Blick auf diese Wegstruktur im Horizont der über die biblischen Beispielfiguren eingespielten Gottergebenheit einerseits als Irrtum ausgewiesen. Zum anderen aber sind es gerade die von Heinrich eingeschlagenen Um-Wege, ist es das durch sie gewonnene Wissen, das ihn zu dem Mädchen führt, das seine Rettung zu verheißen vermag. Umweg bedeutet also zum einen Irrtum, zum anderen aber erweist er sich im Syntagma der Erzählung schließlich als Königsweg zur Heilung. Im Referenzrahmen der legendarischen Intertexte und der biblischen Exempelfiguren wird die dem höfischen Protagonisten attribuierte Umwegigkeit zum Signum einer paradox anmutenden Biographie: Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit des erzählten Lebensweges werden im Horizont christlicher Heilsgewissheit reflektiert. Im Gegensatz zur Legende aber, die das Heilige als unverfügbar, als Einfall der Transzendenz in die Immanenz, setzt, sind es die Wege und Umwege des Protagonisten, die im ,Armen Heinrich‘ gerade die partielle Verfügbarkeit des auch göttlich legitimierten Heils durch die Figuren vor Augen stellen. Das Hinund Her Heinrichs steht so gesehen einerseits für den Irrtum, für die Devianz vom vorbildlichen heiligmäßigen Leben, erweist sich aber andererseits zugleich als entscheidendes Mittel im Blick auf die angestrebte Bewältigung der geschilderten Lebensumstände durch die handelnde Figur selbst. Unverfügbarkeit des Göttlichen und Verfügbarkeit des Göttlichen werden im lizensierten Raum der 56 57

Ibid., V. 1154. Zur Figurenkonstruktion der Meierstochter im Kontext christlicher humanitas cf. e.g. H. Freytag, Ständisches, Theologisches, Poetologisches. Zu Hartmanns Konzeption des ,Armen Heinrich‘, in: Euphorion 81 (1987), 240-261, hier 246 sowie M. H. Jones, Changing Perspectives on the Maiden in ,Der arme Heinrich‘, in: T. McFarland/S. Ranawake (eds.), Hartmann von Aue (nt. 28), 211-231 sowie C. Kottmann, Amor und Caritas. Zur Rolle des Mädchens im ,Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue, in: Leuvense Bijdragen 88 (1999), 305-322.

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Erzählung nicht zuletzt auch im Blick auf zwei, schließlich miteinander konfligierende Lebensentwürfe in eine Spannung zueinander gesetzt. Die Konstruktion einer ab- und umwegigen Wegstruktur erzählten Lebens gibt gerade im Abgleich mit den möglichen direkten oder kürzest möglichen Wegen zur Krisenbewältigung den Blick frei auf ein für beide dargestellten Lebensverläufe möglicherweise auch produktives Sich-Irren und Sich-Verirren.

IV. Zur Raumordnung der Entscheidung Diesem Potential des Umwegigen, das in der Erzählung das dargelegte Geschehen mit einer irritierenden Wirkung im Blick auf seine Bewertung belegt, fügt sich nun eine kompliziert arrangierte Raumsemantik, die die eingangs beschriebene neuralgische Episode des ,Armen Heinrich‘ bestimmt. Der Sinneswandel Heinrichs von der Opferannahme zum Opferverzicht lässt sich nicht allein durch die in die Episode eingespielten Motive von Schönheit, Hässlichkeit und Nacktheit erörtern 58, wie Ruh dies versucht hat. Vielmehr lässt das sorgfältig erläuterte räumliche Arrangement der Episode eine narrative Umständlichkeit erkennen, die - so scheint mir - der zuvor systematisch konstruierten Umwegigkeit des heldischen Lebensverlaufs nicht zufällig just an dem Punkt des erzählten Geschehens an die Seite gestellt ist, der die entscheidende Wende zum Guten markiert. Die conversio des Heinrich ist über die Raumsemantik so dargelegt, dass auch sie eine paradoxale Konstellation entwirft. Denn die Episode plausibilisiert eben nicht allein den Verzicht des Protagonisten auf das Opfer. Vielmehr vermag sie es auch, den geradlinig auf die eigene Erlösung im Opfertod angelegten Lebensentwurf der Meierstochter, und damit den von dieser angestrebten kurzen Weg kritisch zu akzentuieren. An den Ort, an dem Heinrich mit dem Wissen um die Unheilbarkeit seiner Krankheit und mit dem Wissen um seine Heilbarkeit zugleich konfrontiert worden war, kulminiert das weitere Geschehen: beim Arzt in Salerno. Der Ort ist Endpunkt eines zweimaligen Weges, den die Heinrichfigur zwischen Schwaben und Salerno beschritten hat. Für die Meierstochter indes ist Salerno der Zielpunkt eines über eine einmalige Richtungsentscheidung verfügbaren direkten Wegs, der aus ihrer Sicht die Erlangung des göttlichen Heils verheißt. Es ist die räumliche Trennung der zu Opfernden vom Nutznießer des Opfers durch eine Wand, die der Arzt in Salerno in ihrem Vorfeld verfügt, die die Umständlichkeit ihrer Erzählung ermöglicht. Der Arzt sucht Heinrich räumlich vom Vollzug der Opferung auszugrenzen, die Wand indiziert die Unverfügbarkeit des Opfers:

58

Cf. Ruh, Hartmanns ,Armer Heinrich‘ (nt. 30), 33.

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„hin vuorte er si anderstunt in sıˆn heimlich gemach, daˆ ez ir herre niene sach, und besloˆz im vor die tür und warf einen rigel vür; er enwolde in niht sehen laˆn wie ir ende solde ergaˆn.“ 59

Das hier beschriebene räumliche Arrangement korreliert das Gelingen des Blutopfers mit einem Sichtverbot an den Protagonisten. Es verweist darauf, dass die Transgression, die dem paganen Menschenopfer selbst als Mittel der Heilung eigen ist, wiederum nur durch einen Akt der Überschreitung aufgehoben werden kann. Die Raumordnung der Szene markiert den über den Augenschein sich vollziehenden Opferverzicht des Protagonisten als Normübertretung im Horizont des mittelalterlichen Wissensdiskurses. Im Kontext eines paradigmatischen Erzählmodus ist die Heinrichfigur auch hier wieder über ihre Ausrichtung auf Erfahrungswissen gekennzeichnet. Dort die Hoffnung auf die Medizinkunst berühmter Ärzte, hier nun die Ausrichtung der Figur auf den Augensinn. Diese Ausrichtung wird besonders durch das Einspielen akustischer Eindrücke hervorgehoben: Das Wetzen des Messers jedenfalls, das Heinrich mitanhören kann 60, löst zwar - wie der Erzähler berichtet - dessen Erbarmen mit der Meierstochter aus 61. Doch das Gehörte allein - das in der Silvesterlegende Konstantin zum Abbruch der Opferung bewegt 62 - führt im ,Armen Heinrich‘ nicht zu ihrem direkten Abbruch. Durch den Erzähler bereits als derjenige ausgewiesen, ,,der ir vreude storte“ 63, der also das Glück der Meierstochter verhinderte, sucht die Figur des Heinrich nach einer Gelegenheit, das Mädchen sehen zu können: „nu begunde er suochen unde spehen, unz daz er durch die want ein loch gaˆnde vant, und ersach si durch die schrunden nacket und gebunden.“ 64

Prononciert folgt erst auf die räumliche Überschreitung, die der Blick auf die Meierstochter darstellt, der Umschwung in Heinrichs Haltung, den Ruh beschrieben hat: ,,nuˆ sach er si an unde sich“ 65 heißt es da, und dieses Hinsehen generiert seinen ,,niuwen muot “ 66, eine Verkehrung seiner alten Haltung in eine 59 60

61 62 63 64 65 66

,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 1180-1186. Cf. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 1217-1223: „Nuˆ lac daˆ bıˆ im ein/harte guot wetzestein. /da begunde erz ane strıˆchen/harte unmüezeclıˆchen,/daˆ bıˆ wetzen. daz erhoˆrte/[…]/der arme Heinrich“. Cf. ibid., V. 1225. Cf. dazu noch einmal Ruh, Hartmanns ,Armer Heinrich‘ (nt. 30), 26. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), V. 1222. Ibid., Vv. 1228-1232. Ibid., V. 1234. Ibid., V. 1235.

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neu gewonnene Güte (,,niuwe güete“ 67). Damit lässt die Erzählung keinen Zweifel daran, dass erst die räumliche Transgression, die der Blick Heinrichs bedeutet, den Protagonisten seine Krankheit als von Gott gegebene Prüfung (eben als „gotes zuht “ 68) akzeptieren lässt. In der Erzählung ist dieser sich final realisierende Glaube der Figur an die Allmacht Gottes, die sich in ihrem Sinneswandel dokumentierende Heiligung im Kontext der anzitierten Heiligenleben nun allerdings aus der Sicht der Meierstochter zugleich als unzulässige Einmischung in die Angelegenheiten des Mädchens gekennzeichnet. Die erotisierende Aura, mit der die Erzählerstimme die Szene versieht, indem sie den „minneclıˆch(en) lıˆp“ 69 und die „schoene“ 70 des jungen Mädchens betont, konkretisiert den Blick des Heinrich, so sehr er auch als Anlass seiner Selbsterkenntnis fungieren mag 71, zugleich als Augenlust, als „concupiscentia oculorum“ 72. Damit rückt das Geschehen erkennbar in den Kontext des mittelalterlichen curiositas-Diskurses 73, der schon in den Worten des Augustinus den menschlichen Wissenshunger als „appetitu noscendi “ 74 im Lichte einer nur Gott zukommenden absoluten Erkenntnis kritisch akzentuiert. Die Ambiguisierung des Blicks ergibt sich aus der Konfrontation der divergierenden Lebensentwürfe Heinrichs und der Meierstochter an diesem Punkt: Markiert, wie bereits ausgeführt, Heinrichs Verzicht den eingeschlagenen Weg als Wendepunkt zur finalen Glaubensbereitschaft des Helden, so stört er zugleich den Lebensentwurf der Meierstochter. Gegenüber dem Hinund Her, das den Weg Heinrichs in seiner wiederholten Rückwendung zum 67 68 69 70 71

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Ibid., V. 1240. Ibid., V. 120. Ibid., V. 1233. Ibid., V. 1241. So zuletzt C. Witthöft, Schlüssel(loch)szenen. Von der Theatralität räumlicher Perspektiven in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: M. Kern (ed.), Imaginative Theatralität. Szenische Verfahren und kulturelle Potenziale in mittelalterlicher Dichtung, Kunst und Historiographie, Heidelberg 2013, 275-295, hier 276. Witthöft vermutet im Blick auf einen Vergleich entsprechender Episoden in Erzähltexten des Mittelalters und der frühen Neuzeit, dass die Funktion der Schlüssellochszene über die Darlegung des sich mit ihr in der Literatur stets verbindenden Voyeurismus hinausgeht, insofern sie zudem „zur Bewusstseinsdarstellung der Figuren“ eingesetzt sei. Die Funktion der Szene geht aus meiner Sicht über die Ermöglichung einer Selbstreflexion seitens des Protagonisten hinaus, insofern eben der „Voyeurismus“ des Heinrich aus Sicht des Mädchens als curiositas identifiziert wird, die ihre Selbstopferung, nicht aber die erotische Wirkung ihres nackten Körpers betrifft. Die Bezeichnung findet sich prominent schon im ersten Brief des Johannes, 2,16: „Nolite diligere mundum quoniam omnia quae in mundo sunt, concupiscentia carnis est, et concupiscentia oculorum, et ambitio saeculi.“ Zum christlichen curiositas-Diskurs cf. bes. G. Bös, Curiositas. Die Rezeption eines antiken Begriffes durch christliche Autoren bis Thomas von Aquin (Münchener Universitäts-Schriften. Katholisch-Theologische Fakultät. Veröffentlichungen des Grabmann-Instituts. Neue Folge 39), Paderborn e.a. 1995. Cf. dazu auch M. Schausten, Suche nach Identität. Das ,Eigene‘ und das ,Andere‘ in Romanen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (Kölner Germanistische Studien 7), Köln e.a. 2006, 181-190. Augustinus, Confessiones/Bekenntnisse. Lateinisch/Deutsch, edd. K. Flasch/B. Mojsisch, Stuttgart 2009, X, 54, 538.

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Ausgangspunkt des Geschehens nicht zuletzt als Weg in die Gott anerkennende Leidensbereitschaft markiert, ist der Weg der Meierstochter nach Salerno als zielorientierter und kürzester Weg zum Heil ausgewiesen. Die Opferung ist aus ihrer Sicht Garant eines direkten Weges zum eigenen ewigen Heil, für den ihr Weg nach Salerno steht. Und so indiziert die Erzählung aus der Perspektive des Mädchens eine Verletzung im Sinne einer über die Augenlust sich realisierenden curiositas. In der direkten Figurenrede wird dies unmissverständlich dargelegt: Die Meierstochter brandmarkt Heinrichs Gebaren als unzulässige Einmischung in ein intimes Geschehen, von dem die Wand ihn explizit auszuschließen suchte: „,here, von welhen schulden erschraˆket ir doˆ man mich bant? ez was doch ein dickiu want enzwischen iu under mir. herre mıˆn, geturret ir einen vremeden toˆt niht vertragen?‘“ 75

Neben dem auktorialen Erzähler weist auch die direkte Figurenrede Heinrichs mit Blick auf die Opferung als unzulässige Überschreitung, als unzulässige Einmischung in ihre ureigensten Angelegenheiten aus. Die Abschottung des Opfergeschehens durch die Wand, der Blick des Heinrich über die markierte Grenze hinweg wird aus der Perspektive der Meierstochter gar als Übertretung jener Norm lesbar, die im Rahmen des curiositas-Diskurses das Einmischen in die Angelegenheiten anderer untersagt. Indem das Mädchen Heinrich gegenüber den eigenen Tod als „vremeden tot “ ausweist, insistiert die Opferwillige auf der Verfügbarkeit über ihr eigenes Ende 76. Die Rede deutet damit einmal mehr auf die deutliche Diskrepanz der beiden die Erzählung tragenden Lebensentwürfe 77. V. Von der Produktivität des (Ver)Ir rens Konfligierend angelegte sowie paradoxal semantisierte Wegstrukturen und die komplex codierte Raumordnung der Opferung erweisen sich als aufeinander bezogene Darstellungsmittel, die in der Erzählung Hartmanns im Rekurs auf die mittelalterlichen Glaubens-, Wissens- und Curiositasdiskurse kalkuliert eine Polyvalenz erzählter Lebensläufe und -entwürfe generieren. Die das Figurenhan75 76

77

,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), Vv. 1324-1329. Ähnlich auch B. A. Jensen, Transgressing the Body: Leper and Girl in Hartmann von Aue’s ,Armer Heinrich‘, in: Amsterdamer Beiträge zur Älteren Germanistik 61 (2006), 103-126, hier 105, über die Zuschreibung autonomen Handelns an die Figur der Meierstochter: „As the child appropriates the text of the oblation for her own salvational vision, she envisions her body as a means towards autonomy, short-lived though this attempt may be.“ Auch H. Freytag, Zur Paradiesesdarstellung im ,Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue, in: M. Nagy/L. Jo´na´csik (eds.): „swer sıˆnen vriunt behaltet, daz ist lobelıˆch“. Festschrift für A. Vizkelety zum 70. Geburtstag, Piliscsaba-Budapest 2001, 77-86, hier 77, spricht vom „unlösbaren Konflikt “ der beiden Protagonisten.

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deln generell bestimmenden Handlungsmaximen von Reziprozität und Heilsökonomie geraten in eine Spannung zu der über die Legende, vor allem aber über die Hiobsreferenz eingespielten Demut, die letztlich ein Verharren in Gott voraussetzt. Die narrativ erzeugte Umständlichkeit, die die Wegstruktur und Raumordnung der Erzählung auszeichnet, evoziert dabei eine Irritation über die Bewertung der miteinander in Beziehung gesetzten Lebensentwürfe. Dies muss besonders für die Konkretion des Schlusses in der Fassung A gelten. Denn vor dem Hintergrund der in ihr berichteten Eheschließung zwischen Heinrich und dem Mädchen, durch die beide - so zumindest der Erzähler - ihr langes und zufriedenes Leben 78 - in einer weltlich-höfischen Existenz finden, werden beide Wegentwürfe im Horizont des Irrtums in ein zweifelhaftes Licht gerückt. Besonders die finale Bemerkung des Erzählers, erst „naˆch süezem lanclıˆbe“ 79 besäßen nun beide das „ewige rıˆche“ 80, versieht den höfischen Märchenschluss der Hochzeit mit einer feinen Ironie 81: Denn weder erweist sich der Weg des Heinrich an den Ausgangsort des Geschehens als Indiz einer final erreichten, christlichen Demut, noch erweisen sich das von der Meierstochter angestrebte Ziel einer vorzeitigen Erlösung von allen Fährnissen des Weltlebens und der direkte Weg zu Gott als durch menschliches Entscheiden verfügbar. Im Horizont der Legende, die das Heiligenleben über Wunder perspektiviert und die den letztlich allein der göttlichen Gnade verfügbaren Weg des Menschen als normierenden Bezugspunkt der Lektüre setzt, semantisiert die kleine Erzählung Hartmanns in A die Umwegigkeit menschlicher Lebenswege und -entwürfe auf diese Weise nicht zuletzt auch als Ausdruck einer möglichen Selbstbehauptung des Menschen. Im Kontext einer biblisch präfigurierten Wegsymbolik, die den rechten Weg als „schmalen, mühsamen und steil aufwärts führenden […] Pfad zum ewigen Leben“ 82 empfiehlt, versieht der Schluss der A-Fassung den an dieser Vorstellung durchaus partizipierenden Weg des Protagonisten mit einem die Figur individuierenden Akzent. An ihrem Ende weist die Erzählung den Umweg dezidiert als Heinrichs Weg aus, insofern dieser ihn in just jene höfisch-adelige Existenz zurückzuführen vermag, von der er ausgegangen ist. Den Lebensentwurf des Mädchens indes, dessen Grundlage die Vorstellung vom direkten Weg zum göttlichen Heil ist, weist dieses Ende der Geschichte als unverfügbar ab: Die Heirat mit Heinrich lässt sich aus der hier entfalteten Perspektive als derje78 79 80 81

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Cf. ,Der arme Heinrich‘ (nt. 21), V. 1514. Ibid., V. 1514. Ibid., V. 1516. Zur Varianz des Schlusses cf. ibid., Vv. 1513-1521 der B-Fassung: Die B-Version erzählt davon, dass die Ehe zwar geschlossen wird, sich beide aber gegen ein weltliches Leben entscheiden. Ein Klostereintritt verbürgt hier in den Worten des auktorialen Erzählers beiden das Himmelreich. Das monastische Leben wird als ,Gottesdienst‘ im wahrsten Sinne des Wortes gewürdigt: „da verdienten si beide geliche/daz vrone himelriche“ (Vv. 1515 sq. in B). Zur christlichen Wegsymbolik cf. Eva Schlotheuber, Der Mensch am Scheideweg. Personenkonzeptionen des Mittelalters, in: G. Jahnke/C. Ulbrich (eds.), Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographieforschung und Selbstzeugnisforschung (Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung 10), Berlin 2005, 71-96, hier 71.

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nige Umweg kennzeichnen, mit dem die Erzählung den Lebenslauf der Meierstochter versieht. Zwar wird der Figur der direkte Weg zu Gott verweigert, doch stabilisiert auch in diesem Fall der Umweg das erzählte Leben in einer Heirat nach oben 83. Damit aber lässt sich die beiden erzählten Lebensläufen besonders in A auszeichnende Umwegigkeit, so meine ich, von hier aus durchaus als Ausweis für jene humanisierende Funktion von Kultur fassen, von der Hans Blumenberg gesprochen hat 84. Diese humanisierende Funktion ergibt sich - folgt man seinen Ausführungen - besonders aus der ästhetischen Formen eignenden, produktiven Umwegigkeit und damit - so ließe sich für den vorliegenden Fall ergänzen - aus einer sich gerade im Erzählen realisierenden produktiven Kraft des Irrtums.

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84

Zu den sozialen Implikationen der Heirat cf. e.g. Freytag, Ständisches, Theologisches, Poetologisches (nt. 57), 247. Cf. Blumenberg, Die Sorge (nt. 1), 137: „Daher hat die Kultur einerseits den Anschein mangelnder Rationalität; denn im strengsten Sinne erhält nur der kürzeste Weg das Gütesiegel der Vernunft, und alles rechts und links daran entlang und vorbei ist das der Stringenz nach Überflüssige, das sich der Frage nach seiner Existenzberechtigung so schwer zu stellen vermag. Die Umwege sind es aber, die der Kultur die Funktion der Humanisierung des Lebens geben. Die vermeintliche ,Lebenskunst‘ der kürzesten Wege ist in der Konsequenz ihrer Ausschlüsse Barbarei.“

Von Bauern, Katzen und Eseln. Inszenierungen von Ignoranz in der volkssprachigen Literatur des späten Mittelalters Albrecht Drˆse (Dresden) I. Einleitung: Ir r tum und Ignoranz Die traditionelle Definition des Irrtums lautet, er sei eine falsche Meinung, die für wahr gehalten werde 1. Der Irrtum impliziert also immer auch seine Korrektur: „Das Gesetz des Irrtums ist eben, daß er sich aufhebt, sobald er als solcher erkannt wird.“ 2 Freilich stellt sich dabei die viel schwierigere Frage, wie er denn zu erkennen sei (per definitionem nur von einem externen Standpunkt); und, sofern erkannt, wie er zu bearbeiten ist: Je nach Form und Niveau des Irrtums kann der dezente Hinweis, die autoritative Belehrung, die Disputation oder der ,Diskurs‘ angemessen sein, um Irrtümer zur Darstellung zu bringen und damit aufzulösen. Allerdings kann die Korrektur auch fehlschlagen. Das verwundert nicht, ist der Irrtum doch auf Bedingungen zurückzuführen, die so beschaffen sein können, dass er sich fortsetzt, ja sich unter Umständen verschlimmert. Der Irrende kann - was im Einzelfall nicht immer leicht zu unterscheiden ist - nicht fähig oder nicht willens sein, sein falsches Urteil aufzugeben. Was aber tun, wenn die gängigen Prozeduren der Irrtumsbewältigung nicht mehr greifen? Was tun, wenn sich das Gegenüber als belehrungsresistent erweist, sich Begründungspflichten entzieht, sich den Tatsachen verweigert, auf seiner selektiven oder verzerrten Wahrnehmung beharrt? Das Interesse dieses Beitrags gilt historischen Erscheinungsformen und Diskursivierungen von Irrtum und Ignoranz in der mittelalterlichen Kultur, konkret in der volkssprachigen Literatur des späten Mittelalters. Dabei erscheint es mir signifikant, dass nicht nur das Wissen, sondern auch die Unwissenheit - in ihren Varianten als Nicht-Wissen, als Ignoranz im engeren Sinne, aber auch als Häresie - in der mittelalterlichen Philosophie und Theologie thematisiert worden ist 3. Das Verhältnis von Wissen, Unwissenheit und Irrtum erweist sich als 1

2

3

Cf. B. Schwarz, Irrtum, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 4, Darmstadt 1976, 589-606, 589. N. Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1992, 202 nach G. Bachelard, La Philosophie du non: Essai d’une Philosophie du nouvel esprit scientifique, Paris 31940, 13 sq. Zum folgenden cf. S. Meier-Oeser, Unwissenheit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 11, Darmstadt 2001, 341-348.

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komplex: Zwar ist, wer falsche Aussagen für wahr hält, unwissend; jedoch folgt aus der Unwissenheit nicht notwendig ein falsches Urteil in dieser oder jener Frage. Die sokratische Reflexion auf die je eigenen Grenzen des Wissens gilt sogar als eine Voraussetzung für Weisheit, die eine belehrte Unwissenheit (docta ignorantia), welche sich ihrer Grenzen immer neu versichert, als Prinzip des Wissens denkbar macht 4. Allerdings können Irrtum und Ignoranz auch den Charakter einer moralischen Verfehlung tragen, weil der Ignorante anders als der sokratische Weise um seine Unwissenheit eben nicht weiß - oder sogar nichts davon wissen will. Ausschlaggebend für eine solche moralische Bewertung der Ignoranz ist die voluntative Komponente. Petrus Lombardus etwa trifft eine dreifache Unterscheidung nach diesem Kriterium, wenn er die Ignoranz jener, die nicht wissen wollen, obgleich sie es könnten, von der Unwissenheit derer abhebt, die wissen wollen, es aber nicht können, und schließlich eine dritte Gruppe all jener ausmacht, die einfach nur unwissend sind, ohne eine Willenstendenz zum Wissen oder Nichtwissen aufzuweisen 5. Thomas von Aquin hat diese Unterscheidungen weiter präzisiert. Er unterscheidet zunächst zwischen einer unvermeidlichen ignorantia invincibilis einerseits (z. B. des Heiden, der noch nie von Christus gehört hat) und der ignorantia vincibilis bzw. culpabilis andererseits 6. Die ignorantia culpabilis umfasst jene Formen der Unwissenheit in Bezug darauf, was gewusst werden kann und vor allem gewusst werden sollte: So ist jedermann verpflichtet, die Dekrete des Papstes zu kennen; hier schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. In den ,Quaestiones disputatae de malo‘ entwirft Thomas dann eine Skala der Unwissenheit mit vier Stufen: vom schlichten Nichtwissen über die Ignoranz, den Irrtum bis hin zur Häresie 7. Ignoranz wird bestimmt als 4

5

6 7

Cf. Meier-Oeser, Unwissenheit (nt. 3), 343; M. Brösch/W. Euler/A. Geissler/V. Ranff (eds.), Handbuch Nikolaus von Kues: Leben und Werk, Darmstadt 2014, 144-151. Cf. Petrus Lombardus, Libri IV Sententiarum, II, dist. 22, cap. 5, ed. PP. Collegii S. Bonaventurae, vol. 1, Ad Claras Aquas (Quaracchi) 1916, 415: „Est autem ignorantia triplex: et eorum scilicet qui scire nolunt cum possint […]; et eorum qui volunt, sed non possunt […]; et eorum qui quasi simpliciter nesciunt, non renuentes vel proponentes scire“. Cf. Meier-Oeser, Unwissenheit (nt. 3), 342. Cf. Meier-Oeser, Unwissenheit (nt. 3), 342. Die folgenden Ausführungen referieren auf Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae de malo, 8, art. 1, ad 7, ed. Commissio Leonina, in: Sancti Thomae de Aquino, Opera Omnia, vol. 23, Roma-Paris 1982, 195 sq.: „Ad septimum dicendum, quod quatuor uidentur ad defectum cognitionis pertinere; scilicet nescientia, ignorantia, error et heresis. Inter quae nescientia est communius, quia importat simplicem carentiam scientie: unde et in Angelis Dionisius quamdam nescientiam ponit, ut patet in VI cap. ecclesiasticae Hierar. Ignorantia vero est quaedam nescientia, eorum scilicet quae homo natus est scire et debet. Error vero supra ignorantiam addit applicationem mentis ad contrarium veritatis, ad errorem enim pertinet approbare falsa pro veris. Sed haeresis supra errorem addit aliquid et ex parte materiae, quia est error eorum quae ad fidem pertinent, et ex parte errantis, quia importat pertinaciam, quae sola facit haereticum; quae quidem pertinacia ex superbia oritur; magna enim superbia est ut homo sensum suum praeferat veritati divinitus revelatae. Haeresis ergo ex simplici ignorantia proveniens, si sit peccatum, ex aliquo praedictorum vitiorum exoritur. Imputatur enim homini ad peccatum, si non curat addiscere ea quae scire tenetur. Videtur autem hoc ex accidia provenire, ad quam pertinet refugere spirituale bonum, in quantum est impeditivum boni corporalis.“

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Unwissenheit in Bezug darauf, was der Mensch von Natur aus wissen kann und was er wissen soll (quae homo natus scire est et debet). Diese zunächst etwas irritierende Zusammenführung von „objektiver Notwendigkeit “ und „subjektiver Verpflichtung“ klärt sich an anderer Stelle, an welcher Thomas einen Mangel an Wissen in Bezug darauf, was vom Menschen von Natur aus erwartbar wäre, von einer prinzipiell falschen Haltung unterscheidet, nämlich von einer korrupten Disposition, die dem Wissen entgegensteht und die zum Irrtum als ausdrückliche Zustimmung zu einer falschen Sicht der Dinge führt 8. Häresie bezeichnet schließlich jene Form des Irrtums, die Fragen des Glaubens betrifft und mit einer verstockten Verweigerung gegenüber der Wahrheit verbunden ist. Der Begriff der Ignoranz markiert daher bei Thomas eine Grauzone: Unwissenheit kann einerseits harmlos, ja in epistemologischer ebenso wie in pragmatischer Hinsicht unvermeidlich sein, schon deshalb, weil nun einmal dem menschlichen Wissen generell Grenzen gesetzt sind (und sogar die Engel wissen nicht alles), aber auch, weil auch nicht jeder alles wissen kann und muss 9: Was kümmert etwa den Bauern die Winkelsumme des Dreiecks 10? Andererseits kann und sollte man manche Dinge wissen und ein starres Festhalten an ungültigen Sätzen führt zum Irrtum und in Glaubensfragen sogar zur Ketzerei. Dabei besteht eine Affinität des Irrtums zur Falschheit (was schon der altgriechische Begriff für Irrtum, pseudos nahelegt), es verbinden sich mit der Ignoranz also auch die Aspekte des Betruges, der Täuschung und der Verblendung 11. Insofern Unwissenheit jedoch als Gegenbegriff zu Wissen definiert und damit immer auf kontingente historische Formationen des Wissens bezogen ist, erweist sich auch die Zuschreibung von Irrtum und der Ignoranz als historisch bedingt 12. Der normative Code von Irrtum und Wahrheit passt sich damit in eine komplexere Konstellation, in einen kommunikativen Zusammenhang ein: 8

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11 12

Diesen Komplex diskutiert ausführlich J. Hruschka, Conscientia erronea und ignorantia bei Thomas von Aquin, in: G. Stratenwerth e. a. (eds.), Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, Berlin-New York 1974, 115-150, hier 132. Cf. Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae de malo, 3, art. 7, resp., ed. Commissio Leonina (nt. 7), 80 sq.: „[…] puta, cum quis habet habitum falsorum principiorum et falsarum opinionum, ex quibus impeditur a scientia veritatis.“ Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae de malo, 8, art. 1, resp., ed. Commissio Leonina (nt. 7), 80 sq. Wie hoch Thomas die Bedeutung des Wissens einschätzt, wird auch daran deutlich, dass diese Unwissenheit der Engel (und nicht etwa ein abstrakter böser Wille) zum Grund des Irrtums und Abfalls von Gott werden kann. „Was ein Engel weiß, weiß er fehlerlos. Dennoch weiß kein Engel alles, auch die guten Engel nicht. Im Bereich des Nicht-Wissens liegt die Sünde“ (W. Hoye, Sünde und Gottesliebe nach Thomas von Aquin, in: Albert Zimmermann (ed.), Die Mächte des Guten und des Bösen, Vorstellungen im XII. und XIII. Jahrhundert über ihr Wirken in der Heilsgeschichte [Miscellanea Medievalia 11], 206-234, 221 f.). Cf. Thomas von Aquin, Analytica Expositio Posteriorum, I, cap. 16, lectio 27, ed. Commissio Leonina, in: Sancti Thomae de Aquino, Opera Omnia, vol. 1, Roma 1882, 246 sq.: „Ignorantia quidem secundum negationem est quando homo omnino nihil scit de re. Et haec est ignorantia in non attingendo, ut philosophus dicit in IX Metaph.; sicut patet de rustico, qui omnino nihil scit de triangulo, an habeat tres angulos aequales duobus rectis.“ Cf. Schwarz, Irrtum (nt. 1), 589. Cf. Meier-Oeser, Unwissenheit (nt. 3), 348.

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Wer kennzeichnet wen weshalb als ignorant? Und auf welche Weise mit welchen Effekten? In welcher Form wird Ignoranz als Habitus überhaupt zur Darstellung gebracht, d. h. für meinen Untersuchungszusammenhang, wie wird Ignoranz literarisch inszeniert 13? Das ist in der mediävistischen Literaturwissenschaft keine ganz unvertraute Fragestellung, wie die umfangreiche Forschung zur Narrensatire beweist 14. Angeregt durch die Problematik des Irrtums soll hier aber noch einmal genauer der Frage nachgegangen werden, welche Formen für die Zuschreibung bzw. das Verdikt von Ignoranz konstitutiv sind und welche Funktionen damit verbunden sein könnten. Aus Platzgründen beschränke ich mich auf einige exemplarische Fallskizzen, deren etwas kursorische Ausführung hoffentlich durch die Möglichkeit des Vergleichs kompensiert wird. II. Der Nar r : insipiens/stultus Die prominenteste Inszenierungsform von Irrtum und Ignoranz in der spätmittelalterlichen Kultur und Literatur ist der Narr: Das bis heute vertraute Erscheinungsbild des „Standardnarren“ mit seinen charakteristischen Attributen von Narrenkappe, Schellen, Marotte usw. verdeckt allerdings die Historizität und Komplexität des Narrendiskurses. Allgemein lässt sich Narrheit zwar als Abweichung von der göttlichen Ordnung definieren 15, konzeptionell ist der Narr dennoch nicht auf ein Modell festzulegen, denn die Frage ist ja, in welcher Hinsicht die Abweichung erfolgt und wie sie zustandekommt. Idealtypisch kann man die Narrheit im theologischen Sinn (insipientia), d. h. die „Ignoranz gegenüber der christlichen Heilslehre“, von der Torheit (stultitia) als ,natürlicher Narrheit‘, d. h. geistiger Insuffizienz abgrenzen 16. Damit verbinden sich zwei Bewertungen der Ignoranz: Während die mentale Schwäche des stultus verzeihlich ist, verkörpert der insipiens den Irrtum im theologischen Sinn. Dessen biblische 13

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Diese theatrale Metapher der Inszenierung soll den Umstand zur Geltung bringen, dass die Ignoranz nicht nur abstrakt thematisiert, sondern literarisch ,zur Erscheinung gebracht‘ bzw. rhetorisch ,vor Augen geführt‘ wird. Pars pro toto: cf. U. Gaier, Satire. Studien zu Neidhart, Wittenwiler, Brant und zur satirischen Schreibart, Tübingen 1967; B. Könneker, Satire im 16. Jahrhundert: Epoche - Werke - Wirkung, München 1991. Cf. W. Mezger, Narr, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 6, München-Zürich, 1023-1026. Des Weiteren, auch zum Folgenden, cf. W. Mezger/I. Götz (eds.), Narren, Schellen und Marotten. Elf Beiträge zur Narrenidee (Kulturgeschichtliche Forschungen 3), Remscheid 1984; B. Könneker, Der verkehrte Mensch: Narren, „dörper“, Schwankhelden in mittelalterlichen Texten, in: Martina Neumeyer (ed.), Mittelalterliche Menschenbilder, Regensburg 2000, 147-184; sowie die Beiträge in J. Schillinger (ed.), Der Narr in der deutschen Literatur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Kolloquium in Nancy 13.-14. März 2008 ( Jahrbuch für Internationale Germanistik A 96), Bern 2009. D. Moser, Narrenliteratur, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, vol. 6, Tübingen 2003, 106-115, 108. Dazu cf. Thomas’ oben referierte Differenzierung der Ignoranz in Quaestiones disputatae de malo, 3, art. 7 (nt. 8). Zur ,natürlichen Narrheit‘ cf. R. von Bernuth, Wunder, Spott und Prophetie. Natürliche Narrheit in den ,Historien von Claus Narren‘, Tübingen 2009.

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Grundlage findet sich in Psalm 52,1: „Dixit insipiens in corde suo: Non est deus.“ Diese Verse sind in den spätmittelalterlichen Psalmhandschriften des hohen und späten Mittelalters mit Narrenfigurationen illustriert worden. In der mittelalterlichen Exegese wurde dieser insipiens anagogisch, als Präfiguration des Antichristen verstanden 17. In einer tropologischen Auslegung indes bezeichnet dieser insipiens nicht nur den erklärten Gottesleugner, sondern auch den leichtfertigen Sünder, der das göttliche Wort in seinem Herzen (in corde suo) nicht beachtet 18. Allerdings kann ein solcher Narr, Einsicht und Buße vorausgesetzt, auch wieder der Gnade teilhaftig werden. Auf der anderen Seite sind in den Bereich der stultitia nicht nur geistige, sondern auch körperliche Gebrechen einbezogen, wobei beide als Deformationen der Gottesebenbildlichkeit auch in die Nähe des Diabolischen gerückt worden sind 19. Diese Ambivalenzen zeigen, dass die Kategorien stultus und insipiens nicht zu trennen sind, sondern vielmehr ein Spannungsfeld markieren, auf dem unterschiedliche Synthesen von Narrheit möglich sind. Dabei sind die sogenannten ,natürlichen Narren‘ schon begrifflich mit den ,künstlichen‘ Narren zusammenzudenken, d. h. mit der Narrheit als einer sozialen Rolle, die sich wiederum bestimmter Attribute bedient und die auch Narrheit im religiösen Sinn symbolisiert. Diese Rolle kann durch Schalksnarren bzw. Possenreißer im Rahmen von Aufführungen, oder gemeinschaftlich und zeitlich begrenzt durch Fastnachtsnarren, oder dauerhaft im Amt des Hofnarren ausgefüllt werden; ein Amt, das aber wiederum auch und sogar bevorzugt von den ,natürlichen‘ Narren ausgeübt worden ist 20. Für das Spätmittelalter ist eine eigentümliche „Hochkonjunktur“ des Narren zu konstatieren 21; offenbar war diese Figur besonders geeignet, kulturelle Spannungen und Diskrepanzen zur Darstellung zu bringen. Dafür steht insbesondere das ,Narrenschiff‘ (1494) des Sebastian Brant 22. Brant steht inhaltlich in der Tradition der spätmittelalterlichen Didaktik und Moralsatire; seine Innovation 17

18 19

20

21 22

Cf. J. Küster, Narr als Gottesleugner. Zur Bedeutung der Psalmenkommentare für die Beurteilung der Narrenfigur im Fastnachtsbrauch des späten Mittelalters, in: Mezger/Götz (eds.) Narren (nt. 15), 102 sqq. Cf. Moser, Narrenliteratur (nt. 16), 108. Cf. W. Mezger, Narren, Schellen und Marotten. Grundzüge einer Ideengeschichte des Narrentums, in: Mezger/Götz, Narren (nt. 15), 5 sq. Zum Narren im weltlichen Spiel cf. H. Velten, Narren im weltlichen Spiel in Deutschland und in den Niederlanden (1400-1600), in: A. Lehmann-Benz/U. Zellmann/U. Küsters (eds.), Schnittpunkte. Deutsch-Niederländische Literaturbeziehungen im späten Mittelalter, Münster 2003, 331-352; zum ,natürlichen Narren‘ als Hofnarr cf. die Studie zu Claus Narr von Bernuth, Wunder (nt. 16), 65 sqq. Mezger, Narren (nt. 19), 10. Text nach der Ausgabe Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Studienausgabe. Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494, ed. Joachim Knape, Stuttgart 2005. Für die umfangreiche Forschung zum ,Narrenschiff‘ cf. das Literaturverzeichnis ibid., 91 sqq.; die ältere Forschung ist zusammengefasst bei K. Manger, Das Narrenschiff. Entstehung, Wirkung und Deutung, Darmstadt 1983.

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besteht darin, Narrheit als „satirischen Schlüsselbegriff “ einzusetzen und auf diese Weise das Begriffsfeld neu zu organisieren 23. Brants Entwurf verbindet nicht nur unterschiedliche Konzepte des Narrendiskurses zu einer produktiven Synthese, sondern operiert darüber hinaus mit einer intermedialen Verschränkung von Text und Bild (in Form der größtenteils von Albrecht Dürer produzierten Holzschnitte), die dieser Synthese eine suggestive Evidenz verleiht 24. Narrheit bestimmt sich bei Brant über ihre Entgegengesetztheit zur Weisheit, ein Begriff, der ebenfalls unterschiedliche, d. h. sowohl ethische als auch dianoetische Aspekte integriert: Der Anfang der Weisheit ist die Gottesfurcht, aber auch die Erfüllung von gesellschaftlichen Normen gilt als weise; ist das ,Narrenschiff‘ doch zu allgemeinem „nutz und heylsamer ler “ verfasst. Weise ist aber auch, die eigenen Interessen nicht hintanzustellen 25. Weisheit ist letztlich nur über ihr Gegenteil erkennbar. Aufschluss gibt u. a. das 75. Kapitel über die bosen schutzen: Die Schützen verfehlen das Ziel, weil sie ihre Armbrust zu hoch oder zu niedrig halten, weil das Gerät defekt ist oder weil sie es nicht bedienen können: „Der Narr, das soll dieses Bild besagen, handelt falsch nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissenheit.“ 26 Mit dieser Inszenierung von Ignoranz wird die moralische Differenz von Gut und Böse durch die pragmatische Alternative von Erfolg und Mißerfolg gewissermaßen überschrieben: Narr ist derjenige, der sich letzten Endes (vor allem im Hinblick auf die ,letzten Dinge‘) selbst schadet. Die Leute denken einfach nicht nach. So wird Narrheit bei Brant zu einem Gesichtspunkt, unter dem alle nur erdenklichen Formen des Fehlverhaltens dargestellt werden können, schwere Sünden und kleine Verfehlungen gleichermaßen: Es gibt unendlich viele Narren. - „Stultorum infinitus est numerus.“ (Koh 1,15) Narrheit wird konzeptionell entgrenzt, aber auch einer Korrektur zugänglich gemacht, denn Weisheit ergibt sich aus der Reflexion der eigenen Narrheit: „Dann wer sich für ein narren acht/Der ist bald zu eym wisen gmacht.“ (Prolog, 4). Narrheit, d. h. der ignorante Habitus kann durch Selbstreflexion aufgebrochen werden, jedoch ist Narrheit durch ihre Selbstgefälligkeit gekennzeichnet: „Stultitia sibi placet.“ Die Funktionsweise des ,Narrenschiffs‘ beruht darauf, im Verfahren der Negativdidaxe diese Narren vorzustellen und den Lesern damit einen Spiegel vorzuhalten: 23 24

25

26

Könneker, Satire (nt. 14), S. 57 sq. Cf. J. Knape, Einleitung zur Ausgabe (nt. 22), 31: „Brants Narr ist eine literarische Figur, in der sich alle kritischen Überlegungen zum törichten und fragwürdigen Verhalten imaginativ bündeln lassen.“ Zu diesen Zusammenhängen cf. e. g. I. Kasten, ,Narrheit‘ und ,Wahnsinn‘. Michel Foucaults Rezeption von Sebastian Brants ,Narrenschiff‘, in: J. Janota/P. Sappler/F. Schanze (eds.), Festschrift Walter Haug und Burghart Wachinger, Tübingen 1992, 233-254, 251 sq.; J. Theisen, Sebastian Brant, Dr. Griff und Petrarca auf dem Mont Ventoux. Das Titelblatt als Verständnisvorgabe des Narrenschiffs, in: Euphorion 90 (1996), 62-75, 72 sq.; S. Fuchs-Jolie, „… und netzen das bapyren schyff “. Schiffsmetapher, Buchmetapher und Autordiskurs im ,Narrenschiff‘ des Sebastian Brant, in: Neophilologus 82/1 (1998), 83-95, 90. Könneker, Satire (nt. 14), 59.

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„Den narren spiegel ich diß nenn Jn dem ein yeder narr sich kenn Wer yeder sy wurt er bericht Wer recht in narren spiegel sicht Wer sich recht spiegelt/der lert wol Das er nit wis sich achten sol Nit vff sich haltten/das nit ist/ Dan nyeman ist dem nütz gebrist Oder der worlich sprechen tar Das er sy wis/vnd nit ein narr.“ 27

Der Mensch muss also nicht zum Narren werden bzw. ein solcher Narr bleiben. Weisheit jedoch, ist das Ergebnis beständiger Selbstreflexion und Selbstkontrolle und bedeutet, den rechten Weg zu wählen, den Weg der wisheit 28. Diese Forderung formuliert das Schlüsselkapitel 107, das in einer für Brant charakteristischen Weise das antike Motiv von Herkules am Scheideweg mit der biblischen Forderung des schmalen Pfads verbindet (Matth. 7,13-14): Statt des leichten, breiten Weges der Narren gilt es, den engen und mühevollen Weg der Weisheit zu beschreiten 29. Dabei handelt es sich nicht um eine einmalige Entscheidung, sondern um eine fortwährende Anstrengung: „Lediglich Gottes Macht und seine eigene vernünftige Einsicht können ihn [den Menschen, A. D.] vor der ständigen Anfälligkeit für den Irrtum schützen.“ 30 Angesichts dieser Voraussetzungen ist das kein Weg für alle und jeden: Brant adressiert ausdrücklich die gebildeten Leser. Schon die Fülle gelehrter Anspielungen macht deutlich, dass das ,Narrenschiff‘ nicht als Volkspädagogik zu verstehen ist. Trotz der eingängigen Verse ist das Werk, wie Brant in der Einleitung zur lateinischen Version ausführt, für „verständige Menschen geschrieben; für Menschen, die einsichtsfähig und einsichtswillig, kurz: in seiner Sicht philosophiefähig sind“ 31. Brants Inszenierung der Narren ist daher zwiespältig. Sie soll einerseits die Selbstreflexion des verständigen Lesers anstoßen, andererseits impliziert sie eine Abgrenzung der Weisen (oder jener, die sich auf dem Weg der Weisheit befin27

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Brant, Narrenschiff, Vorrede, 31-42, ed. Knape (nt. 22), 108. Meine Übersetzung: „Ich nenne dies einen Narrenspiegel, in dem ein jeder Narr sich erkennt. Was für ein Narr er ist, wird ihm erklärt. Wer sich auf richtige Weise in diesem Narrenspiegel betrachtet, der erkennt, dass er sich nicht für weise halten soll; nicht für etwas, was er nicht ist, denn es gibt niemanden, dem das nichts nützen wird und der es wagen könnte zu behaupten, dass er weise sei und kein Narr.“ Cf. Könneker, Satire (nt. 14), 61; Knape, Einleitung zur Ausgabe (nt. 22), 69. Diesen Zusammenhang untersucht insbesondere K. Haberkamm: „vff rechtem weg“ oder „doren weg“? Eine Fallstudie zum Narrenbegriff in Sebastian Brants Narrenschiff, in: Schillinger (ed.), Der Narr (nt. 15), 78: „Bei aller Sündhaftigkeit braucht der Mensch nicht ohne Weiteres zum schuldigen Narren zu werden, Narr zu bleiben oder gar von Anfang an nichts als Narr zu sein.“ Cf. Haberkamm, weg (nt. 28), 78. Matth 7,13-14: „Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!“ Haberkamm, weg (nt. 28), 80. Knape, Einleitung zur Ausgabe (nt. 22), 76.

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den) von den Narren. Vielfach begnügt sich Brant damit, die Narren im autoritativen Gestus darzustellen: Der etwa ist ein Narr, der Kosten falsch veranschlagt (Kap. 15), der den Reichtum überschätzt (Kap. 17), als ein Kranker dem Rat des Arztes nicht folgt (Kap. 38), auf Quacksalberei vertraut (Kap. 55) etc. Manchmal greift Brant aber auch zur rhetorischen Technik der Ethopoiie, d. h. der rhetorischen Selbstentlarvung, so wie im Falle gleich des ersten, des BücherNarren. Der Büchernarr kauft und hortet massenhaft Bücher, die er aber weder liest noch versteht, denn dazu ist er zu faul und vor allem ist sein Latein dafür zu schlecht. Ihm geht es lediglich um das Prestige, das mit einer großen Bibliothek verbunden ist. Das kann man als topischen Selbsteinbezug des Satirikers lesen (wofür u. a. spricht, dass sich Brant hier ausnahmsweise der Ethopoiie bedient), was die schwierige Frage aufwirft, inwieweit dieser Narrenspiegel auch auf den Autor selbst zu beziehen ist, der sich selbst ja nicht einfach aus dem Reigen der Narren ausnehmen kann 32. Zweitens kann das erste Kapitel als eine Medienreflexion gelesen werden, insofern der durch den Buchdruck erzeugten „materialen Vielheit der Bücher“ keineswegs auch eine „Vielheit des Wissens“ entspricht 33. Drittens, und das ist meines Erachtens nach zentral, handelt es sich um die Bloßstellung eines bestimmten Typus von Intellektuellen, als dessen Antipode sich der humanistisch gebildete Dr. Brant versteht: Der Büchernarr stellt sich vor als ein Dozent, der andere dafür bezahlt, für ihn zu lehren, der seine Regale mit Büchern vollstellt, aber die durch den Buchdruck neu erschlossenen Wissensinhalte selbst gar nicht zur Kenntnis nimmt, und das schon deswegen, weil ihm die basale Latinität abgeht: „Des tütschen orden bin ich fro Dann jch gar wenig kann latin Jch weyß das vinum heysset win Gucklus ein gouch/stultus eyn dor Vnd das ich heyß domne doctor.“ 34

Der Büchernarr ist im elementaren Sinne ein Ignorant, der sich dem Wissen deswegen verweigert, weil Wissen Mühe kostet. Zugleich verbirgt er diesen igno32

33

34

In diese Richtung argumentiert J. Suchomski, Der satirische Autor als Narr unter Narren. Zur Rezeption des ersten Kapitels von Sebastian Brants ,Narrenschiff‘, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 52 (1978), 400-429. Dabei geht es natürlich nicht um eine schlichte Identifikation, sondern um die Selbstverortung und die „Teilhabe des Autors an ständisch definierten Defekten“ (ibid., 425 sq.). Dabei spielt die Überschrift auch auf die Figuration des Dr. Griff als einer Verkörperung des närrischen Juristen. Dazu näher cf. Theisen, Brant (nt. 25). Zur Frage, inwieweit der Autor sich selbst als Narr zu begreifen hat, cf. Jolie, schyff (nt. 25), 89. L. Scholz, Die Industria des Buchdrucks, in: A. Kümmel/L. Scholz/E. Schumacher (eds.), Einführung in die Geschichte der Medien, Paderborn 2004, 11 mit Verweis auf Senecas Diktum: Multum, non multa. Brant, Narrenschiff, 1, 28-32, ed. Knape (nt. 22), 114. Meine Übersetzung: „Ich bin begnüge mich gern mit dem Deutschen, denn ich kann kaum Latein, ich weiß, dass vinum Wein heißt, gucklus ein Kuckuck [eine weitere Narrenbezeichnung], stultus Tor, und dass ich Herr Doktor heiße.“

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Abb. 1: Der Büchernarr (Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Basel 1494); SLUB Dresden, Ink. 394.4.

ranten Habitus unter einer Gelehrtenkappe: „Die oren sint verborgen mir/ man säh sonst bald des mullers tier.“ Der Esel als Verkörperung der Unbelehrbarkeit gehört sicherlich zum gängigen Bildrepertoire der Narreninszenierung; schon in den Psalmillustrationen wird der insipiens verschiedentlich mit Eselsohren versehen. Auch Dürers Holzschnitte zeigen die Narren mit der charakteristischen zweizipfligen Eselsohrenkappe 35. Brants expliziter Hinweis auf die Eselsohren dürfte indes auf König Midas anspielen, dem ignoranten Kunstrichter, der im Sängerwettstreit von Apoll und Pan für Pan votierte, wofür ihm zur Strafe von Apoll die Ohren zu Eselsohren langgezogen wurden. Die Darstellung des Büchernnarren ruft eine also polemische Konstellation auf: „Virtuti semper adversatur ignorantia.“ Dieser Kampf der Tugend gegen die überkommene und verfestigte Unwissenheit hat für die neue intellektuelle Elite des späten Mittelalters eine ebenso persönliche wie gesellschaftliche Dimension. In einer Zeichnung von Andrea Mantegna, dessen Motto hier zitiert ist, wird die Menschheit durch eine Figur mit Midasohren in den Abgrund geführt 36. Ebenso hat es für Brant mit dem 35

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Cf. J. Leibbrand, Eselskopf und Hahnenkamm. Die Tierattribute des Standard-Narren in allegorischer Deutung, in: W. Mezger, Narren (nt. 15), 235-276. Andrea Mantegna, Allegorie der Ignoranz (Virtus combusta), 1490-1506, URL: *http:// www.nga.gov/content/ngaweb/Collection/art-object-page.579.html+ (Stand: 31. 03. 2017). „Quoniam virtuti semper adversatur ignorantia“, findet sich in zwei Briefen Mantegnas an Marchese Francesco Gonzaga, (31. 01. 1489 und 28. 11. 1491); zitiert nach P. Kristeller, Andrea Mantegna, Berlin-Leipzig 1902, 545, 550.

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Bücher-Narren, der ja seinen Platz vorne im Schiff innehat, einen „sundren gryff“, eine besondere Bewandtnis: Er repräsentiert eine gelehrte Elite, deren Aufgabe es ist, die anderen zu belehren und zu leiten, die sich aber mit der selbstgefälligen Simulation des Wissens begnügt. Damit verkörpert der Bücher-Narr den Antityp zur humanistischen Intelligenz, die sich durch perfekte Latinität und profunde Kenntnis der alten und neuen Literatur auszeichnet. Eine solche Kennzeichnung von Ignoranz impliziert die Notwendigkeit ihrer Überwindung. III. Der Bauer : r usticus/dör per Die Brantschen Narren sind urbane Figuren, wie etwa der Büchernarr seine Bücher nur in der Stadt zusammenkaufen kann. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich wesentlich von einer anderen, älteren Inszenierungsform der Ignoranz: dem Bauern als dem gesellschaftlichen Platzhalter der Unwissenheit. Besonders die spätmittelalterlichen Schwankromane und Fastnachtsspiele werden von plumpen, triebhaften und dummen Bauernfiguren bevölkert. Hier manifestiert sich ein Mechanismus soziokultureller Abwertung, der sich über eine Reihe von asymmetrischen Codierungen herstellt: von Herrschaft und Dienst, von Stadt und Land, von Zentrum und Peripherie, die sich kurzerhand in die Opposition von Zivilisation und Ignoranz übersetzen lassen 37. Für die Konstitution des Bauernstereotyps scheint mir darüber hinaus noch ein anderer Aspekt wesentlich zu sein: Der Vergleich der Bauern mit Tieren in der Vormoderne ist eine gebräuchliche Form, ihren sozialen Status sowohl zu beschreiben als auch zu rechtfertigen. Einem höfischen Beobachter des 17. Jahrhunderts erschienen die Bauern geradezu als „wilde Tiere“ (animaux farouches) - dunkel, sonnenverbrannt, dem Boden, den sie mit eigensinniger Hartnäckigkeit durchwühlen, verhaftet -, auch wenn sie dennoch so etwas wie Sprache zu besitzen scheinen 38. Diese Analogie verweist auf eine „entscheidende Schnittstelle“ auch der mittelalterlichen Kultur: die ,anthropologische Differenz‘ 39. Als animal rationale unterscheidet sich der Mensch einerseits vom Tier (animal irrationale bzw. brutum) durch seine Disposition zur Vernunft, vom zeitenthobenen göttlichen intellectus andererseits trennt ihn sein Status als Sinnenwesen. Genau dieser Status bedingt 37

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Cf. P. Freedman, Images of the Medieval Peasant, Stanford 1999, 137 sq. mit dem Hinweis auf spätantike Wurzeln: „For Saint Augustine rusticus, as opposed to urbanus, had the connotation of ignorant versus civilized, but for Martin of Braga “rustics” clearly meant the literal country dwellers who also engage in pagan practices. Throughout the late antique period and beyond, rusticus rather more consistently denoted someone engaged in agriculture, with a connotation of ignorance and susceptibility to paganism.“ J. La Bruye`re, Les Caracte`res, ed. E. Flammarion, Paris 1880, 251. Diese bekannte Passage wird eingangs zitiert bei Freedman, Images (nt. 37), 1. Eine Fülle mittelalterlicher Belege ibid., 53 sqq. U. Friedrich, Menschentier und Tiermensch. Diskurse der Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Mittelalter, Göttingen 2009, 40. Zu diesem Zusammenhang aus philosophiegeschichtlicher Sicht cf. T. Davids, Anthropologische Differenz und animalische Konvenienz. Tierphilosophie bei Thomas von Aquin, Leiden-Boston 2017.

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ja auch seine Irrtumsanfälligkeit, die sich aus der unvermeidlichen „Verflechtung“ menschlicher „Erkenntnis mit der Sinneswahrnehmung“ ergibt 40. Die sinnlich-rationale Doppelnatur des Menschen (als des Mikrokosmos) erweitert sich nach beiden Seiten hin in die makrokosmische Hierarchie von Seinsweisen und Erkenntnisformen, wonach „der Mensch mit den Engeln die Vernunft teile, mit den Tieren die Sinnlichkeit, mit den Pflanzen das Wachstum und mit den unbelebten Dingen den stofflichen Körper.“ 41 In der hierarchischen Anordnung der Seelenvermögen spiegelt sich nicht nur ein ontologisches, sondern auch ein gesellschaftliches Verhältnis; die Vernunft ist entsprechend der Position innerhalb der sozialen Hierarchie verteilt, d. h. ungleich. Wie der Mensch über die Tiere herrscht, und wie der Mensch sich selbst durch die Vernunft leiten soll, so ist auch die Gesellschaft durch das Verhältnis von Freien und Unfreien (servi) konstituiert 42. Das Bauernstereotyp wiederholt also gewissermaßen die asymmetrische Unterscheidung von Sinnlichkeit (sensus) und Vernunft (ratio) als soziokulturelle Grenzziehung innerhalb der menschlichen Welt. Wohlgemerkt gilt der Bauer zwar als unwissend, aber nicht per se als ignorant: Im Gegenteil, wenn der Bauer sich um seine Angelegenheiten kümmert, d. h. die materielle Reproduktion der Gesellschaft sichert, vollbringt er ein gottwohlgefälliges Werk. Dass ihm dabei die Frage nach der Winkelsumme des Dreiecks gleichgültig ist, ist ja nicht nur verzeihlich, sondern sozial erwünscht. Der gebildete Diskurs über die Bauern ist daher von einer gewissen Ambivalenz 43. In den einschlägigen Ständelehren wird der arbeitsame Bauer häufig sogar positiv gegen die beiden anderen, pflichtvergessenen Stände abgehoben - was aufgrund der didaktischen Adressierung an dieselben auch nicht verwundert. Problematisch aber ist eine Transgression der Ordnung sowohl der Kognitionsvermögen als auch der gesellschaftlichen Positionen. Eine solche Transgression präsentiert das Korpus Neidharts, eines bairischösterreichischen Minnesängers vom Beginn des 13. Jahrhunderts. Die höfische Kunstübung des Minnesangs wird in ein dörfliches Setting transponiert. Der Sänger stilisiert sich selbst als Krautjunker, der in der Umgebung seines Landguts Riuwental (,Jammertal‘) um die Dorfschönheiten wirbt 44. Neidharts Lieder 40 41

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Schwarz, Irrtum (nt. 1), 598. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I, q. 96, art. 2; hier zitiert nach Friedrich, Menschentier (nt. 39), 41. Dazu cf. T. W. Köhler, Homo animal nobilissimum. Konturen des spezifisch Menschlichen in der naturphilosophischen Aristoteleskommentierung des dreizehnten Jahrhunderts, LeidenBoston 2012, 709 sqq. Cf. D. Rippmann, Bilder von Bauern im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: D. Münkel/ F. Uekötter (eds.) Das Bild des Bauern. Selbst- und Fremdwahrnehmungen im Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, Göttingen 2012, 21-60, 25. Zur Neidhart-Forschung cf. G. Schweikle, Neidhart (Sammlung Metzler 235), Stuttgart 1990; M. Titzmann, Die Umstrukturierung des Minnesang-Sprachsystems zum ,offenen System‘ bei Neidhart, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 45 (1971), 481-514; J.-D. Müller, Strukturen gegenhöfischer Welt: Höfisches und nichthöfisches Sprechen bei Neidhart, in: G. Kaiser/J.-D. Müller (eds.), Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200. Kolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld 3. bis 5. Nov. 1983 (Studia humaniora 6), Düsseldorf 1986, 409-453;

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Abb. 2: Neidhart; Universitätsbibliothek Heidelberg, cpg 848, fol. 273r.

differenzieren sich nach ihren Natureingängen: In den Sommerliedern, unter freiem Himmel, ist der Sänger erotisch erfolgreich, in den Winterliedern hingegen, wenn in der Stube getanzt wird, gerät er gegenüber den rivalisierenden Dorfburschen, den dörpern oder getelingen, meist ins Hintertreffen. Diese dörper adaptieren höfische Verhaltensweisen und höfische Attribute (Kleidung, Haartracht, Rüstung), lassen aber den höfischen Habitus vermissen: Sie sind anmaßend, aggressiv, aufdringlich 45. Damit sind sie einerseits paradoxe, also lächerliche Figuren, andererseits repräsentieren sie eine „feindliche Gegenwelt “, mit der sich das Sänger-Ich auseinandersetzen muss 46. Im Winterlied 4 etwa schildert der Sänger auf Veranlassung seiner aktuellen Herzensdame („Sing los, goldenes Huhn, ich gebe dir Weizen!“) ein dörfliches

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U. Peters, Neidharts Dörperwelt. Mittelalter-Philologie zwischen Gesellschaftsgeschichte und Kulturanthropologie, in: M. Huber/G. Lauer (eds.), Nach der Sozialgeschichte. Konzepte für eine Literaturwissenschaft zwischen Historischer Anthropologie, Kulturgeschichte und Medientheorie, Tübingen 2000, 445-460. Cf. C. Ortmann/H. Ragotzky/C. Rischer, Literarisches Handeln als Medium kultureller Selbstdeutung am Beispiel von Neidharts Liedern, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 1 (1976), 1-29, 14: „Die Figuren des dörper-Milieus adaptieren höfisches Rollenverhalten, ohne dazu fähig zu sein.“ Schulze, Dörperwelt (nt. 44), 449.

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hovetänzel und geht dabei polemisch die Reihe der dörper durch (daz was geiler getelinge wünne, II,8) 47. Insbesondere ein gewisser Ruoze, ein „tumber geiler Holingaere“, fällt ihm unangenehm auf: „Saˆht ir ie gebuˆren soˆ gemeiten, als er ist? wizze krist! er ist al ze vorderst anme reien. einen vezzel zweier hende breiten haˆt sıˆn swert. harte wert dünket er sich sıˆner niuwen treien: diust von kleinen vier und zweinzec tuochen, di ermel geˆnt im uˆf die hant: sıˆn gewant sol man an eim oeden kragen suochen.“ 48

Ruozes Schwertgurt ist zwei Hände breit, sein Wams aus 24 verschiedenen Flicken zusammengesetzt, woraus er seinen vornehmen Status (wert) ableitet. Aber „dörperlıˆch staˆt allez sıˆn gerüste/daz er treit “. - „Den Bauernnarren verrät sein ganzer Putz.“ (WL 4, VI, 1) Missvergnügt muss der Sänger allerdings feststellen, dass dieser ,dörperliche‘ Laffe gerade bei seiner Ava, um die er sich ebenfalls bemüht, mehr Erfolg hat als er: „disen sumer haˆt er sıˆ gekouwen gar vür broˆt. schameroˆt wart ich, doˆ si bıˆ ein ander saˆzen.“ 49

Ruozes Kuß wird hyperbolisch als gefräßige Einverleibung beschrieben, die Fremdscham des höfischen Sängers markiert die Transgression der höfischen Norm. Was die dörper kennzeichnet, ist ihr genereller Mangel an höfischer Selbstkontrolle (zuht, maze). Die dörperlıˆche Aggressivität führt bei nichtigen Anlässen zu Ausbrüchen von Gewalt: „zwein vil oeden ganzen giengen si gelich/gein ein ander al den tac.“ - „Wie zwei dumme Gänse gingen sie den ganzen Tag aufeinander los.“ (WL 3, VI, 7). Beim Tanz erweist sich, wie lächerlich die dörperlichen Konkurrenten sind: 47

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Die Texte werden zitiert nach: Die Lieder Neidharts, ed. E. Wießner/H. Fischer (ATB 44), Tübingen 1984. Die Übersetzung folgt der Auswahl von H. Lomnitzer (ed.), Neidhart von Reuental, Lieder, Stuttgart 1984, 43 sq.: „Habt ihr je einen Bauern so keck gesehen, wie er ist? Weiß Gott! Er ist beim Reigen stets der erste. Einen neuen Gurt, zwei Hände breit, hat sein Schwert. Überaus vornehm dünket er sich wegen seines neuen Wamses. Das ist aus vierundzwanzigerlei Flicken zusammengemustert. Die Ärmel reichen ihm bis auf die Hand. Solch Gewand findet am gewöhnlich an Tölpels Halse.“ Neidhart, Lieder, ed. Lomnitzer (nt. 48), 44: „Diesen Sommer hat er sie geradezu gekaut ganz wie Brot. Schamrot wurde ich, wenn sie beisammen saßen.“

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„Er spranc winsterthalben an ir wıˆzen hant: houbet unde hals gie im vil vaste entwer, dem gelıˆche, als der des lıˆbes niht gewalten mac. doˆ wart mir der oede krage alrest bekant.“ 50

„Der höfische Tanz ist nicht ein regelloser Freudentanz, sondern er ist wie das Bogenschießen und wie die Musik auf Treffsicherheit, auf virtuose Körperbeherrschung und exaktes Einhalten der Spielregeln angelegt “ 51; im Mangel an rationaler Körperkontrolle manifestiert sich hingegen der animalische Charakter der dörper, da „die Natur der unvernünftigen Tiere durch keine rationale Urteilskraft beherrscht wird und ihre Bewegungen nur nach den Eindrücken der Sinne richtet “ 52. Die dörper sind dominiert von ihrem sinnlichen Strebevermögen (appetitus sensitivus): sowohl im Sinne der ,konkupisziblen‘ (wie bei Ruozes Kuß) als auch der ,irasziblen‘ Affekte, wenn sie wie streitsüchtige Gänse aufeinander losgehen 53. Da die Erkenntnisfähigkeiten der dörper auf die sinnliche Ebene beschränkt sind, ist auch ihre Selbstwahrnehmung irrig. Sie halten sich für etwas, was sie gar nicht sind: es „dünkent sich die dörper wıˆse gar “ (WL 18, V, 8). Ihre Selbstwahrnehmung wird wesentlich durch die äußeren, materiellen Attribute der Adelskultur geleitet, die zum Teil grotesk übersteigert werden. Ruoze etwa leitet aus seinem Wams nicht nur einen vornehmen Status ab, sondern er und die anderen dörper halten sich auch in erotischer Hinsicht für unwiderstehlich. Diese Prätention nennt der Sänger üppikeit, d. h. Eitelkeit oder Hybris: „ir üppikeit diust /soˆ groˆz, daz ir die wıˆsen spottent über al.“ (WL 14, VI, 5) Wer aber sind die dörper? Eine plane Identifikation mit den zeitgenössischen Bauern verkennt den fiktionalen Charakter der Figuren 54. Bemerkenswert ist schon, dass die Konkurrenten des Sängers den sonstigen gesellschaftlichen Zwängen des Bauernstandes gänzlich enthoben sind; man sieht sie nur feiern, nie arbeiten. Schweikle hat darauf aufmerksam gemacht, dass der niederdeutsche Ausdruck dörperheit schon vor Neidhart in der mittelhochdeutschen Literatur 50

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WL 34,VII. Neidhart, Lieder, ed. Lomnitzer (nt. 48), 91: „Er sprang links an ihrer weißen Hand. Kopf und Hals gingen ihm tüchtig hin und her, wie wenn einer die Herrschaft über seinen Körper verloren hat. Da lernte ich den Widerling zuerst kennen.“ C. Dietl, Tanz und Teufel in der Neidharttradition: ,Neidhart Fuchs‘ und ,Grosses Neidhartspiel‘, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 125/3 (2006), 390-415, hier 396. Hugo von St. Viktor, Didascalicon. De studio legendi, I, 4; zitiert nach Friedrich, Menschentier (nt. 39), 41. Terminologie und Konzeption folgen hier Thomas von Aquin; cf. dazu zusammenfassend D. Perler, Transformationen der Gefühle. Philosophische Emotionstheorien 1270-1670, Frankfurt a. M. 2011, 43-119, hier 55. Einschlägig ist etwa der Versuch von H.-J. Behr, Ich gevriesch bıˆ mıˆnen jaˆren alsoˆ veile … Neidharts ,Dörper‘-Feindlichkeit und das Problem sozialen Aufstiegs im Rahmen des Territorialisierungsprozesses in Bayern und Österreich, in: H. Birkhan (ed.), Neidhart von Reuental. Aspekte einer Neubewertung (Philologica Germanica 5), Wien 1983, 1-16. Kritisch dazu cf. G. Schweikle, dörper oder Bauer? Zum lyrischen Personal im Werk Neidharts, in: id. (ed.), Minnesang in neuer Sicht, Stuttgart 1994, 417-439.

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auftritt und Fehlverhalten innerhalb der höfischen Sphäre beschreibt 55. Er bezieht sich auf einen Verhaltenstyp, nicht auf den Stand (oberdt. buˆren). Die dörper sind als „Exempelfiguren für die Überschreitung höfischer Normbereiche“ konstruiert 56. Zu vermuten ist allerdings, dass bei Neidhart dörperheit mit dem im Oberdeutschen geläufigen, abwertenden Ausdruck dörpel (,Schwachkopf‘, aber auch ,Tier‘) zusammengeführt worden ist 57. Die dörper sind Figurationen der Ignoranz, die sich aus einer Entgrenzung des Geltungsbereichs des Bauernstereotyps ergeben. Wenn Neidharts Lyrik den höfischen Minnesang in die dörfliche Peripherie transferiert, ergibt sich daraus keine Zivilisierung, sondern eine durch den sensus geleitete Verkehrung höfischer Codes und Kommunikationsformen 58. Dabei sind die einzelnen Normverletzungen weniger interessant als der „ambiguose Raum“ des geu, der dabei erzeugt wird; eine groteske, instabile und bedrohliche Zwischenwelt, in der sich höfische und gegenhöfische Strukturen paradox durchdringen 59. Die Pointe einer solchen Inszenierung besteht darin, dass der höfische Sänger in seinem Jammertal in die Konkurrenz der dörper einbezogen ist. Sein eigenes Begehren richtet sich (zumindest im WL 4) auf die Dorfschönheit Ava, deren „Körper einem Grafen geziemt “ (WL 4, VII, 8). Die Angebetete aber tituliert ihn als „ goldenes Huhn“, das Eier legen soll (WL 4, I, 1), und der prahlerische Ruoze verdrängt ihn. Die Winterlieder inszenieren nicht zuletzt auch das Dilemma und das Versagen aristokratischer Männlichkeit im geu; entweder hält der Sänger an den dysfunktionalen Regeln höfischer Werbung fest oder er beteiligt sich an der dörperlichen Konkurrenz; entweder lamentiert er folgenlos oder er verletzt selbst die höfischen Normen - wie es denn auch verschiedentlich geschieht. So entfaltet sich in Neidharts Lyrik eine komplexere Konfiguration des Irrtums, die sich aus der Applikation höfischer Kulturmuster auf einen „falschen Gegenstand und den falschen gesellschaftlichen Rahmen“ ergibt 60. Es liegt nahe, dass damit weniger die bäuerliche Unwissenheit, als vielmehr die Diskrepanzen innerhalb der höfischen Gesellschaft thematisiert werden 61. Dennoch sind Neidharts Winterlieder genau deshalb ständei55

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G. Schweikle, dörper (nt. 54), 419 sq. mit Belegen. Der Ausdruck dörperheit ist vermutlich über das Flämische als Entsprechung des französischen vilainie entlehnt worden. Cf. Schweikle, Neidhart (nt. 44), 124. Cf. H.-G. Maak, Mhd. Dörper - nhd. Tölpel. Zur Frage des Fortlebens der höfisch-ritterlichen Lehnbildung im Neuhochdeutschen, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 105 (1976), 318333, 327; Belege ibid., 326 sqq. Cf. U. Gaier, Wozu braucht der Mensch Dichtung? Anthropologie und Poetik von Platon bis Musil, Stuttgart 2017, 142 sq.: „Den Anstoß für diese Perversion gibt offensichtlich der Ritter, der sein höfisches Auftreten, das Zeremoniell des Minnedienstes und Minnesangs samt dem dazugehörigen Vokabular in ein fremdkulturelles Gebiet trägt, um bei den jungen Frauen Eindruck und leichte Eroberungen zu machen. Das gelingt; sie [die dörper, AD] beginnen seine Sprache zu sprechen und kommen sich vornehm vor, verfallen dann aber unversehens in Zank und gar Schlägerei.“ Schweikle, dörper (nt. 54), 417. Cf. auch Müller, Strukturen (nt. 44), 442 sqq.; Gaier, Mensch (nt. 58), 142. G. Hübner, Minnesang im 13. Jahrhundert: Eine Einführung, Tübingen 2008, S. 54. Cf. Schweikle, Neidhart (nt. 44), S. 128.

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deologisch konnotiert, denn ihre Funktionsweise beruht ja darauf, die kulturelle Abwertung, wie verfremdet auch immer, zu zitieren und damit innerhalb der adligen Sphäre die Grenze zwischen ,dörperlich‘ und höfisch einzuziehen. Die Ambivalenz bestimmt auch die Neidhart-Rezeption, die zwar die semantische Differenz zwischen Stand (buˆren) und Verhaltenstyp (dörper) nicht gänzlich aufgibt, aber beides dennoch vielfach überblendet. Neidharts Korpus bildet den Ausgangspunkt einer populären Tradition, die die zwiespältige Konkurrenzsituation zu einem ständischen Konflikt vereindeutigt und den „Typus des Winterlieds in ein Schwankmodell verwandelt 62“. Das ambivalente lyrische Ich der Lieder objektiviert sich in der brutalen Figur Neidharts des Bauernfeinds (,Neidhart Fuchs‘). Ein anderes Medium ist das Fastnachtsspiel, worin der Bauer zur dominierenden Verkörperung von „Diesseitigkeit “, „Triebhaftigkeit “ und „Geschlechtlichkeit “ avanciert 63. Beide Literaturgattungen operieren nicht mehr im höfischen, sondern in einem städtischen Rezeptionskontext und bedienen städtische Distinktionsbedürfnisse, denn „für die Stadtbürger der Zeit galten die Bauern weithin […] als ungebührlich sich über ihren Stand erhebende, dabei dumme Leute, die nachdrücklich in ihre Schranken gewiesen gehören“ 64. Zugleich fungieren die Bauern als Gegenbilder städtischer Wertvorstellungen und Rationalität, mithin als Medium kultureller Selbstreflexion 65. Besonders deutlich wird das in Hans Sachs’ Fastnachtsspiel „Kälberbrüten“ (1551) 66: Ein ebenso dummer wie fauler Bauer übernimmt die Haushaltung, während die Frau zum Markt geht. Aber das Mittagessen verdirbt, die Katze stiehlt das Fleisch und wird erschlagen, und schließlich stürzt das Kalb in den Brunnen. Der Bauer, voller Angst vor seiner Frau, kommt auf den Gedanken, aus einem alten, madenzerfressenen Käse ein neues Kalb auszubrüten. Als die Frau nach Hause kommt, findet sie ihren Mann daher auf dem Käse sitzen, der als monströse Bruthenne ihre Vorhaltungen fauchend und zischend abwehrt. Die Frau holt den Pfarrer, der den Bauern für besessen erklärt. In einem burlesken Exzorzismus wird der Bauer dann vom Käse bzw. von seinen Kälberküken geholt. Am Schluß vertrinkt das Ehepaar gemeinsam das ,Marktgeld‘. Das Stück erweist sich damit als Insze62

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Cf. K. Ruh, Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: H. Brunner (ed.), Neidhart (Wege der Forschung 556), Darmstadt 1986, 251-273, 272. H. Ragotzky, Der Bauer in der Narrenrolle. Zur Funktion der ,verkehrten Welt‘ im frühen Nürnberger Fastnachtspiel, in: H. Wenzel (ed.), Typus und Individualität im Mittelalter, München 1983, 77-101, 77. H. Brunner, Tradition und Innovation im Bereich der Liedtypen. Beschreibung und Versuch der Erklärung, in: id. (ed.), Annäherungen. Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Philologische Studien und Quellen 210), Berlin 2008, 246-263, 252. Das zeigt etwa W. Röcke, Text und Ritual. Spielformen des Performativen in der Fastnachtkultur des späten Mittelalters, in: Das Mittelalter 5 (2000), 83-100. Cf. Hans Sachs, Das Kälberbrüten. Faßnachtspiel mit 3 Personen, in: D. Wuttke (ed.), Fastnachtspiele des 15. und 16. Jahrhunderts, Stuttgart 1989, 131-147. Sachs hat diese Geschichte mehrfach bearbeitet, u. a. in einem Meisterlied, die gute Überlieferungslage spricht für ihre Beliebtheit. Es ist wahrscheinlich, dass hier eine ältere Schwank- bzw. Märenfassung des Stoffes vorliegt. Nachweisbar ist der Stoff erstmals in der Fazetiensammlung von Heinrich Bebel (1514).

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nierung eines aus stadtbürgerlicher Perspektive in mehrfacher Hinsicht grundlegend falschen Habitus: Schon der Umstand, dass der Bauer das Haus hütet, während seine Frau die Geschäfte führt, indiziert eine problematische Verkehrung des Geschlechterverhältnisses. Des Weiteren verhält sich der Mangel an Planung und Organisation gegenbildlich zur urbanen Rationalität und Disziplin. Schließlich manifestiert sich in der absurden Schlussfolgerung, aus Käse könnte ein Kalb entstehen, eine ins Groteske gesteigerte Ignoranz, zumal dem Bauern die elementaren reproduktiven Zusammenhänge der eigenen Wirtschaftsform unverständlich sind: Konsequenterweise mündet das in seiner Animalisierung, der Bauer wird letztlich zum Tier. IV. Neucodier ung en der Unwissenheit in der Refor mationspublizistik: Der ,K arsthans‘ Mein letztes Beispiel, der Dialog ,Karsthans‘ (1521), entstammt dem Kontext der frühreformatorischen Polemik 67. Der Ausdruck ,Karsthans‘ - abgeleitet von ,Karst‘, der Feldhacke - ist im Alemannischen ein Spottname für den Bauern und in etwa gleichbedeutend mit ,Bauernklotz‘ 68. Es treten auf: Karsthans, sein Sohn, der an der Universität Köln studiert, und ein gewisser Mercurius, der Begleiter des Studens, der das Gespräch lateinisch kommentiert. Die drei hören zu Beginn einen seltsamen Lärm auf dem Dach ihres Hauses: „murmaw, murmaw, murner, murmaw.“ Sie vermuten eine Katze und der Studens referiert: „ain katz (als die natürlichen Meister sagen) hat einen glatten balg, lind dapen, mangerlay farb, geneigt sich an die lüdt zuo strichen vnd gern vmb den hals den herren vnd frauwen kriechen, licht gern den frauwen uff den schossen.“ 69

Karsthans ergänzt die Ausführungen seines Sohnes mit dem Hinweis auf den betrügerischen Charakter katzenhafter Schmeichelei: „nemlich hat ain katz lang scharff negel vnder den linden dapen verborgen.“ Das zentrale Merkmal der Katzen sei ihre schalckhafftikäit: „Ouch leckt sy mit der zungen, vnd mit den hindrn fuossen so kratzen sy.“ 70 Mercurius fasst bündig zusammen: „periculosus catus.“ - „Gefährliche Katze.“ 67

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Der Text wird zitiert nach der Ausgabe von T. Neukirchen (ed.), Karsthans. Thomas Murners „Hans Karst “ und seine Wirkung in sechs Texten der Reformationszeit, Heidelberg 2011. Cf. B. Könneker, Die deutsche Literatur der Reformationszeit. Kommentar zu einer Epoche, München 1975, 100; Neukirchen, Nachwort zur Ausgabe (nt. 67), 286 sq. Karsthans, ed. Neukirchen (nt. 67), 14 sq.: „Eine Katze, wie die Naturkundigen sagen, hat eine glatte Haut und weiche Pfoten in mancherlei Farben, sie pflegt sich an die Menschen zu schmiegen und gern den Herren und Frauen um den Hals zu schleichen, liegt gerne den Frauen auf dem Schoß.“ Ibid., 14 sq.: „Eine Katze hat lange scharfe Krallen unter den weichen Pfoten verborgen, wenn sie kratzt, […] sie hat auch Augen gleich denen der Wölfe, jedoch Augen der Hinterlist, insofern als sie bei Tag nicht leuchten, in der Nacht aber sieht man sie. Auch leckt sie mit der Zunge, und mit den hinteren Pfoten kratzen sie.“

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Abb. 3: Titelholzschnitt des ,Karsthans’ (Straßburg 1521); SLUB Dresden, Hist.eccl.E.376,26.

Zum Erstaunen der Anwesenden beginnt sich die Katze zu verwandeln, was Karsthans zunächst nach seinem Dreschflegel rufen lässt, um das Monstrum („vngehüren seltzamen thier “) zu bekämpfen. Es entpuppt sich jedoch als Geistlicher, nämlich als der Franziskaner Thomas Murner. Murner war im frühen 16. Jahrhundert ein vielseitiger und streitbarer Schriftsteller, seit 1505 poeta laureatus, der sich im Gefolge Brants u. a. als Autor von Narrensatiren profilierte. Anders als Brant versuchte der Franziskaner der Narrheit nicht über Appelle zur Selbstreflexion beizukommen, sondern mit Mitteln sprachlicher Überwältigung bzw. einer rhetorischen Taktik des Hinterhalts 71. Zu Beginn des reformatorischen Konflikts stellte sich Murner gegen Luther und war dabei einer der ersten, der die mediale Unterlegenheit der altgläubigen Partei reflektierte. Zum Ende des Jahres 1520 eröffnete er eine Art Flugschriftenkampagne mit dem Ziel, die lutherische Publizistik zu konterkarieren. Murner blieb dabei zunächst anonym, um als moderater „Sprecher der Allgemeinheit “ die reformatorischen Forderungen zu widerlegen und ihre ordnungsgefährdende Tendenz aufzuzeigen 72. In der Schrift ,Von dem bapstentum‘ vom Dezember 1520 hatte Murner Luther vorgeworfen, mit seinen Flugschriften die Sachen des Glaubens vor „hanß Karsten“ und der „uffrierigen gemein“ zu verhandeln, wobei die Gefahr ent71

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Dazu eingehend Könneker, Satire (nt. 14), 68-86. Zu diesen Taktiken zählt die erwähnte Ethopoiie. Murners Narrenkonzeption wäre gesondert zu diskutieren, was hier leider unterbleiben muss. Die Vorgeschichte des Textes ist neuerlich aufgearbeitet bei T. Kaufmann, Der Anfang der Reformation. Studien zur Kontextualität der Theologie, Publizistik und Inszenierung Luthers und der reformatorischen Bewegung, Tübingen 2012, 376-400. Zum literarischen Hintergrund cf. N. Jörgensen, Bauer, Narr und Pfaffe. Prototypische Figuren und ihre Funktion in der Reformationsliteratur, Leiden-New York 1988.

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stünde, dass die aufgehetzte Menge dann mit dem Karst dreinschlagen werde eine kalkulierte Anspielung auf zeitgenössische bäuerliche Unruhen 73. Der Witz des Dialogs besteht darin, Murner mit dem personifizierten Karsthans zu konfrontieren, und dabei nicht nur den Autor der anonymen Kampagne zu entlarven, sondern Murner auch als publizistischen Störfaktor auszuschalten. Studens: „O vatter es ist ein grosser man/ich hab sein titel gelesen/er ist ein poet / der mit einem lorbonen krantz gekrönt ist/vnd ist doctor in beiden rechten, vnd ist doctor in der heiligen schrifft. Vber das ist er ein gefreiter ordens man heist Thomas murner von Straszburg.“ Karsthans: „Hab ich recht verstanden/so ist er ein planet mitt lorbonen vnd ein doctor im rechten/vnd ein meister im stift (Mercurius: Equidem)/Wie ist er ein gefryter ordens man/daz er den orden nit helt oder wie?“ 74

Der Text oszilliert fortwährend zwischen der Volkssprache und dem bildungssprachlichen Latein und generiert auf diese Weise seine ebenso komischen wie bloßstellenden Effekte. Der ungelehrte Karsthans ,übersetzt‘ die lateinischen Diskurse der Gebildeten mit volkssprachigen Homophonen. Die Missverständnisse, die sich daraus ergeben, haben hier die positive Funktion, die Murnerkatze mit ihren angeblichen erotischen Eskapaden, ihrer Aggressivität, ihrer Geldgier und Hinterlist, vor allem ihrer Borniertheit zu entlarven. Dabei gerät er das eine oder andere Mal mit Murner aneinander: Murner: „Du bist ein gouch! “ Karsthans: „und du ouch! “ Mercurius: „bona mercamina.“ Studens: „Vatter verred dich nit, wann er ist ein Jurist.“ Karsthans: „mag woll sin eyn kalter Christ oder ist er ein kist?“ Mercurius: „vere cista nequicie.“ 75

Der ,Karsthans‘-Dialog setzt auf eine doppelte Inszenierung von Ignoranz, in der Karsthans und Murner gegeneinander profiliert werden. Im Hinblick auf ihre Unwissenheit scheinen beide Figuren gleichermaßen lächerlich. Ihre Auseinandersetzung gipfelt ja auch in einer wechselseitigen Zuschreibung von Narrheit. Allerdings sind die Formen der Ignoranz unterschiedlich konstituiert. Murner wird schon in der Vorrede als „unwissendt gemalt theologus“ apostrophiert, 73

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Thomas Murner, Von dem bapstentum, in: Thomas Murner, Deutsche Schriften, vol. 7, ed. W. Pfeiffer-Belli, Berlin 1928, 1-55. Karsthans, ed. Neukirchen (nt. 67), 16 sq.: Student: „O Vater, es ist ein großer Mann. ich habe seine Titel gelesen. Er ist ein Poet, der mit dem Lorbeerkranz gekrönt worden ist und er ist Doktor in beiden Rechten und in der Theologie. Überdies ist er ein privilegierter Ordensmann. er heißt Thomas Mumer aus Straßburg.“ - Karsthans: „Hab’ ich recht verstanden, so ist er ein Planet mit Lorbeeren und ein Doktor im Zanken und ein Meister der Spitze - Merkur: [Eben] - wieso ist er ein privilegierter Ordensmann. hält er nicht die Ordensregeln ein, oder was?“ Ibid., 18 sq.: Murner: „Du bist ein Narr!“ Karsthans: „Und du auch.“ Student: Vater, red Dich nicht um Kopf und Kragen, denn er ist ein Jurist.“ Merkur: „Ein guter Handel!“ Karsthans: „Er mag wohl ein kalter Christ sein, oder ist er eine Kiste?“ Merkur: „Wahrlich eine Ramschkiste.“

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der Luther nur deshalb deutsch geantwortet habe, um seine geringen Bibelkenntnisse nicht zu offenbaren. Zu dieser Unwissenheit tritt aber noch seine Falschheit hinzu. Murner lasse „in gestalt eins schaffs wölfisch dück“ erkennen, wenn er unter dem Deckmantel einer „brüderlichen Ermahnung“ (so der Untertitel von Murners Schrift ,Von dem bapstentum‘) Luther verächtlich mache. Hinterhältig sei das nicht zuletzt gegenüber dem deutschen Publikum, weil er unter dem Vorwand einer vernünftigen Prüfung „ausländische“ (d. h. römische) Irrlehren verbreite, um die päpstliche Obrigkeit zu beschützen - deren Interessen er aber aufgrund seiner eklatanten Unwissenheit faktisch unterlaufe 76. Diese Darstellung übersetzt sich im Dialog in die diffamierende Inszenierung Murners als Katze: In den Straßburger Humanistenkreisen war Murner seit einer literarischen Fehde mit Jakob Wimpfeling nicht gerade wohlgelitten und deshalb schon als ,Murr-Narr‘ verspottet worden; zugleich eine onomatopoetische Bezeichnung für einen Kater, womit auch der sprichwörtlich buhlerische Klosterkater nicht mehr fernliegt. Der ,Karsthans‘ verknüpft diese Elemente in der Inszenierung einer Metamorphose 77. Die Murnerkatze ist durch ihre tierischen, d. h. konkupisziblen und irasziblen Affekte gekennzeichnet: Sie ist ignorant, von ihren sinnlichen Begierden beherrscht, bösartig, schmeichlerisch und tückisch. Sie kann in mehrfacher Hinsicht als monströse Inszenierung des Irrtums gelten: hinsichtlich ihrer Pseudo-Gelehrtheit, ihrer hinterhältigen Falschheit und ihrer ebenso irrigen wie irreführenden Absichten. Diese offenzulegen, ist Anliegen des Dialogs: Wenn Murner darauf beharrt, dass die Geheimnisse der Geistlichen (secreta) nicht dem einfachen Volk mitzuteilen sind, persifliert dies seine Warnung davor, die Mysterien des Glaubens vor dem einfachen Volk zu verhandeln: Diese Geheimnisse des murnscherschen Glaubens sind aber nur seine eigenen schmutzigen Geheimnisse, die hier an den Tag gelegt werden. Der Karsthans konstatiert daher: „Ja wahrlich jr stincken von secret.“ 78 Die apotropäische Geste gegen das unreine und bösartige Vieh markiert symbolisch den Ausschluß Murners aus dem Diskurszusammenhang. Gegenläufig zum Ausschluss Murners vollzieht der Text die Inklusion des Karsthans in die reformatorische Öffentlichkeit. Speziell den deutschen Humanisten erschien das Bauernstereotyp durchaus anschlussfähig, mussten sie sich doch im „Wettstreit der Nationen“ ihrerseits mit der Zuschreibung kulturell bedingter, nordalpiner rusticitas auseinandersetzen und betrieben daher erhebli76

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Ibid., 12 sq.: „vszlendig dorecht leren geben/in beschirmung bapstlicher oberkeit.“ Murners Ignoranz wird in der knappen Vorrede allein dreimal hervorgehoben; cf. Kaufmann, Anfang (nt. 72), 381. Bereits Anfang Januar 1521 war in Straßburg die lateinische, gegen die hiesigen Luthergegner gerichtete Invektive ,Murnarus Leviathan‘ erschienen, die Murner als reptilisiertes Katzenmonstrum präsentierte. Karsthans, ed. Neukirchen (nt. 67), 18 sqq.: Murner: „[…] Jterum vitium est indignis secreta vulgare. distinc. xliij. ca. fi. (Ebenso ist es Sünde, Unwürdigen Geheimnisse mitzuteilen)“ Karsthans: „Ja, wahrlich, Ihr stinkt vom Sekret, ich will glauben, daß Ihr durch viele Scheißhäuser gelaufen seid, als Ihr noch eine Katze wart.“

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chen semantischen Aufwand, ihre Ebenbürtigkeit, d. h. die der deutschen Nation, aufzuweisen 79. Die Karsthans-Figur wird dabei spiegelbildlich zu Murner profiliert und umcodiert. Die animalischen Qualitäten der Bauern, insbesondere der ,konkupiszible‘ Aspekt werden auf Murner übertragen, es bleibt allenfalls eine gewisse Bereitschaft zum Zorn, die sich aber darüber legitimiert, dass man den „gemeinen man über das seil “ werfe, d. h. über den allgemeinen Betrug, der hier durch Murner personifiziert wird. In der Opposition des naiv-aufrichtigen Karsthans und des falschen, pseudogelehrten Murner verfolgt der Text eine gewissermaßen ,populistische‘ Strategie, die über die persönliche Invektive hinausgeht. Der Dialog verweist mit einer Fülle von Anspielungen auf die Leipziger Disputation, auf die Reuchlinaffäre, und natürlich auf die Kölner Dominikaner um Jakob van Hoogstraten, und konstruiert auf diese Weise einen umfassenden Verblendungszusammenhang. Der Karsthans übernimmt dabei die Funktionsstelle der docta rusticitas germanorum, d. h. der schlichten Wahrnehmung der Dinge, wie sie eben sind bzw. wie sie sein sollen; der Evidenz also, die durch die Selbstbezogenheit des gelehrten Disputs verdeckt wird. Mehr noch: Im Beharren auf dieser Evidenz wird der Bauer „witzig“, also fähig, zwischen „Wahrheitsaposteln und Lügenpredigern“ zu unterscheiden 80. Damit wird der Karsthans für Murner noch der worst case einer unspezifischen reformatorischen Öffentlichkeit - bewusst zum Modellrezipienten der lutherischen Schriften deklariert. Rusticitas ist aber auch hier nicht einfach Eigenart eines Standes, sondern umschreibt Funktionsweise und Resonanzraum der druckgestützten, volkssprachigen und damit ständeübergreifenden reformatorischen Öffentlichkeit 81. Der Dialog verdeutlicht dies durch die Ankunft Luthers, der, anstatt sich auf fremden Dächern herumzutreiben, höflich an Karsthans’ Tür klopft und damit die Murnerkatze vertreibt. Die Begegnung zwischen Karsthans und dem Reformator ist relativ kurz: Luther weist den Vorwurf der Häresie zurück und tut ansonsten nicht viel mehr, als seine Schriften zur Lektüre zu empfehlen und eindringlich vor Gewaltanwendung zu warnen. Das erscheint wenig, doch manifestiert sich darin die Pathosformel der frühen Reformation, die lediglich die Wahrheit an den Tag zu bringen verspricht: Sie „ist selbs luther genug“. 82 Diese Begegnung motiviert den Wandel der Karsthans-Figur, die, wie sich herausstellt, doch etliche Luther-Schriften hat „hören lesen“ und Anteil am reformatorischen Diskurs nimmt: Gemeinsam mit dem Studens, der nicht nur den Text verliest, sondern auch als Anwalt Murners auftritt, diskutiert der Karsthans Murners Schrift ,Von 79

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Dazu eingehend cf. C. Hirschi, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 2005. N. Jörgensen, Bauer (nt. 72), 40. Der „Pawr wirt witzig“ ist der Schlußsatz des 6. ,Bundesgenossen‘, einer Flugschrift Johann Eberlins von Günzburg. Begriff nach R. Wohlfeil, Reformatorische Öffentlichkeit, in: L. Grenzmann/K. Stackmann (eds.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Stuttgart 1984, 41-52. Karsthans, ed. Neukirchen (nt. 67), 30: „Was offen zutage liegt, braucht niemand mit einer Kerze zu erleuchten. Es ist selbst lauter genug.“

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dem Bapstentum‘, womit der Dialog genau das inszeniert, was Murner perhorreszierte: Dass die Geheimnisse des Glaubens nicht nur vor, sondern sogar durch die unverstendig gmein diskutiert werden - allerdings mit der ironischen Wendung, dass es sich hier um den fragwürdigen Glauben Thomas Murners handelt. Der zweite Teil des Dialogs besteht im Nachweis, dass es sich bei den Murnerschen Ausführungen, die immerhin die altkirchliche Lehre vom Papstamt zusammenfassen, um Irrtümer handelt. Dabei kommen die Disputanden aber über die Vorrede nicht hinaus. Danach verliert der Karsthans die Lust und attestiert Murner, er sei ein bloßer „Gauchmacher“, ein Doktor in narrogia. Wer seiner irreführenden Schein-Argumentation folgt, der werde zum Narren gehalten. Dass der Bauer hier das Verdikt der Ignoranz gegen einen Vertreter der gebildeten Elite ausspricht, ist zweifellos signifikant. Kaum zufällig wurde diese ,populistische‘ Konstellation in diversen Reformationsdialogen durchgespielt: weniger um sachliche Irrtümer zu klären, als vielmehr um die Destruktion des alten Klerus vorzuführen. Die Neukonstruktion des evangelischen Bauern korrespondiert mit der reformatorischen Theologie (allgemeines Priestertum) ebenso wie mit den neuen medialen Bedingungen. Dass sie für sich nicht stabil war, zeigte sich spätestens im Bauernkrieg, als Luther den Bauern, die sich nun tatsächlich aktiv am reformatorischen Diskurs beteiligten und soziale Konsequenzen forderten, vorwarf, dass sie die evangelische Freiheit ganz „fleischlich“ verstünden. Der evangelische Bauer symbolisierte eine Umbesetzung der Eliten, nicht der gesellschaftlichen Positionen. V. Fazit Der Beitrag hatte zum Ziel, einige Inszenierungsmodalitäten und Funktionen der Zuschreibung von Ignoranz herauszuarbeiten. Grundsätzlich definiert sich Ignoranz über den Gegensatz zur Weisheit und zum Wissen. Narrenfigur, Bauernstereotyp oder Tiermetaphorik sind konkrete Formen der Gegenbildlichkeit, die je spezifische Aspekte von Ignoranz in den Fokus rücken. Die Texte begnügen sich aber nicht damit, die traditionellen Schemata und Topoi zu reproduzieren, sondern kombinieren und transformieren diese auf unterschiedliche Weise. So wird die Figur des Narren von Brant verallgemeinert und zugleich in ein dynamisches Verhältnis zum Weisen gesetzt, wonach die Narren durch Reflexion zum Weisen werden sollen. Demgegenüber fungiert das Bauernstereotyp als Mechanismus sozialer Abwertung, die sich über mangelnde Teilhabe an kulturellen Ressourcen plausibilisiert. Die Tiermetaphorik, d. h. die Darstellung als Gans, Katze oder Esel kennzeichnet (zumindest in den hier diskutierten Fällen) problematische Aspekte der Unbelehrbarkeit, die sich der Bearbeitung entziehen und zudem eine bedrohliche Dynamik entfalten können. Die unterschiedlichen Darstellungsweisen der Ignoranz ergeben sich aus spezifischen historischen Konstellationen: Ignoranz wird aus einer bestimmten Per-

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spektive konstruiert und für ein bestimmtes Publikum inszeniert. Dabei geht es nicht nur darum, gewisse Mängel im Hinblick darauf, was je gewusst werden sollte, satirisch, d. h. zum Zweck der Besserung zu kennzeichnen, sondern die Texte bringen das, was gewusst werden muss, suggestiv zur Geltung und führen dabei spezifische Ausschlüsse und Herabsetzungen vor, fungieren also als Invektiven. Die literarische Inszenierung von Ignoranz erweist sich somit als ein Darstellungsmodus kultureller Konflikte, sie indiziert Verschiebungen innerhalb von Wissensordnungen bzw. Umbesetzungen innerhalb der Eliten, die über Kippfiguren und Ambivalenzen sichtbar gemacht werden: So verbindet sich in Brants Narrenkonzept etwa die generelle Abgrenzung von den Narren mit einer konkreten Herabsetzung der alten scholastischen Eliten. Neidharts dörper wiederum zitieren und verkehren die höfischen Normen und markieren auf diese Weise Widersprüche innerhalb des höfischen Raums. Der ,Karsthans‘ schließlich entwirft eine neue, scheinbar paradoxe Konstellation von einem ignoranten Kleriker und dem schlichten, aber gewitzigten Bauern, die die traditionelle Abwertung des Bauern polemisch umkehrt. In sämtlichen Texten erweist sich Unwissenheit als produktiver Gesichtspunkt, insofern er nicht nur die Irrtümer der Narren, sondern immer auch die Ignoranz der Weisen zu problematisieren erlaubt: „Stulti aliquando sapientes.“ 83

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Dieses Motto entstammt einer Umschrift von Spottmünzen aus der Mitte des 16. Jh. gegen das Konzil zu Trient: auf der Vorderseite der Kopf eines Kardinals, auf der Rückseite der eines Narren. Die Pointe liegt darin, dass der Satz vorwärts und rückwärts gelesen werden kann: Die Einfältigen sind zuweilen weise; die Weisen sind zuweilen einfältig.

Milton’s Thomistic Distinction: On the Usefulness of the Distinction Between Mistake and Error in ‘Samson Agonistes’ Ayelet C. Langer and Giora Hon (Haifa) There is no general theory of error, and there will never be one. Indeed, the task of theorizing error is insurmountable. The author of the entry, “Erreur”, in the ‘Encyclope´die’ of Diderot and d’Alembert had already cautioned in the mid-eighteenth century that, although several philosophers detailed the errors of the senses, the imagination, and the passions, their imperfect theories are illsuited to cast light on practical decisions. And, he continued, the imagination and passions are enfolded in so many ways and depend so strongly on temperaments, times, and circumstances, that it is impossible to uncover all the hidden forces that the imagination and passions activate. A century later, the English logician de Morgan concurred: “There is no such thing as a classification of the ways in which men may arrive at an error; it is much to be doubted whether there ever can be.” The study of error cannot commence with a successful stroke of disambiguation upon which a coherent and all-embracing theory could be founded. Historically and etymologically “error” may be traced to the Latin root “errare”, which originally had two contrasting meanings: first, “to go this way and that, to walk at random”; and second, “to go off the track, to go astray”.

Fig. 1: Antoine Coypel, The Error; Muse´e du Louvre, Paris.

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So right at the origin of the term, there is a tension between aimless wandering and straying from some definite path. Either way, the metaphor is spatial, expressing the unknown features of terra incognita vs. the informative map of terra firma 1. The figure of “The Error” in Coypel’s allegorical painting, “Truth Unveiled by Time”, produced around 1702, offers a vivid illustration of the epistemic predicament of error. The painting depicts a blindfolded man standing alone, curious, anxious to see and to touch, his hands restless, groping under a veil of darkness. In his ‘Memoirs of the Blind’, Derrida commented on Coypel’s allegory of Error, the searching blindfolded man: “Naturally his eyes would be able to see. But they are blindfolded (by a handkerchief, scarf, cloth, or veil, a textile, in any case, that one fits over the eyes and ties behind the head). Erect and blindfolded, not naturally but by the hand of the other, or by his own hand, obeying a law that is not natural or physical since the knot behind the head remains within a hand’s reach of the subject who could undo it: it is as if the subject of the error had consented to having got it up, over his eyes, … as if he chose it, at the risk of a fall.” 2

The allegory questions the origin of the predicament of error: Whose hand blindfolded the wanderer and for what reason? According to Derrida it is not Nature’s hand. I. On the Distinction between Mistake and Er ror According to St. Augustine, one cannot go wrong except through ignorance 3. Ignorance, however, can be either avoidable or unavoidable: one may misinterpret a text because one’s knowledge of its language is faulty, but it can also be misinterpreted because certain circumstances about it were not known to its interpreter 4. We seek to sustain a distinction between two ways of going wrong which we call, respectively, the way of mistake and the way of error. We associate mistake with avoidable ignorance. A mistake can be avoided since checking procedures are known and available. By contrast, error is associated with unavoidable ignorance, when one applies techniques to novel phenomena, when one does not have the security of a well-studied agreed standard procedure 1

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M. Boumans/G. Hon, Introduction, in: M. Boumans/G. Hon/A. Petersen (eds.), Error and Uncertainty in Scientific Practice, London 2013, 1-12, at 1. J. Derrida, Memoirs of the Blind: The Self-Portrait and Other Ruins, Chicago-London 1993, 12 sq., italics in the original. Cf. Augustine, Enchiridion ad Laurentium, de fide et spe et caritate, V, 17, ed. E. Evans (Corpus Christianorum. Series Latina 46), Turnhout 1969, 57,21: “[…] nec nisi rerum ignorantia possit errari.” Cf. Augustine, Faith, Hope and Charity, in: R. J. Deferrari e.a. (eds.), The Fathers of the Church, vol. 2, Washington (DC) 1966, 381. Cf. A. Momigliano, Historicism Revisited, in: id., Essays in Ancient and Modern Historiography, Oxford 1977, 368.

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when one gropes, so to speak, in the dark. Metaphorically, a mistake occurs when one goes wrong on terra firma, but going astray in one’s exploration of terra incognita amounts to an error 5. Clearly, the use we make here of the words “mistake” and “error” is stipulative; this is not an exposition of the actual use of these words in English. Still, an attempt is made to adhere to the old idea: “by mistake you take the wrong one [whereas] in error you stray.” 6 In order to maintain the distinction between the true and the false - a distinction which is essential for both mistake and error to be of any significance - there must be a certain criterion which allows one to uphold this difference. In other words, to use Dummett’s formulation, “for any statement which has a definite sense, there must be something in virtue of which either it or its negation is true” 7. The fact that one can assign the truth-value “true” to a statement shows that there is something in virtue of which the statement is true. As Dummett further explains, the meaning of the claim, “there is something in virtue of which the statement is true,” amounts to this: “there is something such that if we knew of it we should regard it as a criterion (or at least as a ground) for asserting the statement.” It is the existence of such a criterion, such a ground, which allows one to assign either the truth-value “true” or “false” to a statement that creates the condition for making mistakes, for falling into errors. It is the possible different characterizations of this criterion, or the ground, which makes mistake and error distinguishable. We observe here a two-tier system: a proposition which has been assigned the truth-value “true” and is found eventually to be “not-true”, reveals a criterion at a deeper level which has been misused. The various reasons for such misapplication, for such failure, are of no interest for us here, though they can be of great importance for other types of distinction 8. What is of interest here is to observe how the realization of the processes involved in making a mistake or falling into an error can shed light on the way we acquire knowledge by bringing the concealed misused criterion into the fore, by throwing it into relief. We may shed light on the concept of beauty by studying its many opposites 9. Similarly, we may shed light on knowledge by studying the nature of false propositions and the reasons for their occurrences. Contrariorum eadem est scientia - we never really 5

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The Latin erro stands for “A. In general, to wander or stray about, to wander up and down, to rove […]. B. In particular, to miss the right way, to lose one’s self, go astray […]”. Hence the word “erratic”. Cf. C. T. Lewis/C. Short, A Latin Dictionary, Oxford 1966, 657. J. L. Austin, A Plea for Excuses (1956), in: J. O. Urmson/G. J. Warnock (eds.), Austin’s Philosophical Papers, Oxford 31979, 201 sq. It is noteworthy that vocabularies of many languages lend themselves to this distinction (e.g., der Fehler vs. der Irrtum, haygç vs. tw[f). M. Dummett, Wittgenstein’s Philosophy of Mathematics, in: G. Pitcher (ed.), Wittgenstein: The Philosophical Investigations, Macmillan 1970, 433. Cf. e.g. Austin, A Plea for Excuses (nt. 6), where a distinction is drawn between justification and excuse. Cf. R. Lorand, Beauty and Its Opposites, in: The Journal of Aesthetics and Art Criticism 52 (1994), 399-406.

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know what a thing is unless we are also able to give a sufficient account of its opposite 10. The view that there exists something in virtue of which a statement may be assigned a truth-value represents, in a nut-shell, the doctrine of realism 11. We therefore call the criterion, or the ground, which allows for determining a statement either true or false, an element of reality. Notice, however, that no ontological commitment is required here; ontological questions simply do not arise visa`-vis these elements: the concrete or abstract existence of these elements is of no importance for the proposed distinction. They are referred to as elements of reality since in this two-tier system they constitute the criterion, the ground the first level - for asserting a certain proposition on the second level. Following up the distinction between mistake and error, we observe that in the case of mistake, elements of reality amount to rules - be they regulative or constitutive 12. The existence of a rule, in particular a rule of computation or a rule that governs the use of a symbol or a word, rests ultimately upon the fact that there is an agreement in practice over its application 13. A rule may be misapplied for a variety of reasons but, as we have remarked, these reasons, whatever they may be, are of no importance for the present analysis. The crucial feature is rather the fact that, in so far as we can agree in assigning the truthvalue “true” to a proposition which is governed by a rule, we can detect a misapplication, that is, a mistake, in every procedure which does not, under the same circumstances, produce the same proposition. Arithmetical miscalculations and incorrect spellings constitute straightforward examples. This is not the case with error. No immediate and rigorous agreed methods of detection, let alone of correction, are available for error; such methods may be even unknown. Indeed, it is precisely because one is lacking knowledge of those elements of reality, which could have allowed one to render a statement erroneous, that error is epistemologically more interesting than mistake. The search for these unknown elements of reality has the potential of revealing new knowledge. By contrast, the detection of a mistake - the misapplication of a certain rule - does not necessarily point to new knowledge; typically, it throws light on the psychological make-up of the individual who made the mistake 14. 10

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Cf. J. S. Mill, A System of Logic, Book V: On Fallacies, London-New York-Toronto 1949, 481. Cf. also G. Hon, A Critical Note on J. S. Mill’s Classification of Fallacies, in: The British Journal for the Philosophy of Science 42 (1991), 263-268. “As so often”, Austin observed (A Plea for Excuses [nt. 6], 180), “the abnormal will throw light on the normal, will help us to penetrate the blinding veil of ease and obviousness that hides the mechanisms of the natural successful act.” We do for knowledge what Austin does for action. Cf. Dummett, Wittgenstein’s Philosophy of Mathematics (nt. 7), 433. Cf. J. R. Searle, Speech Acts, Cambridge 1969, 33-42. Cf. M. Dummett, Wittgenstein on Mathematics, in: Encounter 50 (1978), 63-68, at 65. In his study of mistakes and slips, Freud transformed these phenomena into a psychoanalytical tool of great power. He did not, however, draw a distinction between mistake and error. Cf. S. Freud, Parapraxes, in: J. Strachey (ed. et transl.), The Standard Edition of the Complete Psychological Works of Sigmund Freud, vol. 15: Introductory Lectures on Psycho-Analysis (1915-

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In sum, there exist, on the operative level, publicly agreed standard procedures by which a mistake can be, in principle, always identified and rectified. By contrast, the procedures for detecting and countering an error are left entirely to the ingenuity of the individual critic. We are therefore culpable when we make a mistake, though we can come up with justifications and excuses. In the case of a mistake, ignorance could have been in principle avoided and we may be blamed for not applying the known agreed rule correctly. But it may be that ignorance could not have been avoided; it is in such cases that we fall into error 15. We submit that Milton appealed to this distinction between mistake and error in his representation of Samson’s evolving conception of his act of disobedience. Whereas a conception of this act as mistake leads to epistemic failure, the understanding of his disobedience as an error opens the way to moral regeneration. II. Milton’ s closet drama ‘ Samson Ag onistes’ (1671) Based on the biblical story of Samson in Judges 13-16, Milton’s closet drama ‘Samson Agonistes’ (1671) delineates the last day in the life of its protagonist, Samson. The drama opens at dawn with a description of the suffering Samson, once a person separated to God, slaving like a beast at the mill in Gaza, shamed and dishonoured, with both his eyes put out. It ends at noon, when Samson pulls the pillars of the Philistine temple on the heads of its celebrants, himself included. As Samuel Johnson rightly complained, the drama seems to lack a middle: not much external action is described between the poem’s opening and its ending 16. Exempted from work on the Philistine holiday, Samson is visited by his friends, his father, Dalila and, finally, the Philistine officer and the giant Harapha. Even if, as many scholars maintain, in and through the exchanges between Samson and his visitors Milton delineates the development of Samson’s inner rather than external movement, the text, as Stanley Fish argues, does not seem to support any linear progression from Samson’s despair to his regeneration. Samson’s development in the drama may be sensed, says Fish, but it is certainly not explained, and questions of causality are left unanswered 17.

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1916), London 1971, 15-79. For further studies of the psychology of error, cf. J. Reason, Human Error, Cambridge 1990, especially chapter 2 and its rich bibliography. For an extensive account of this distinction, cf. G. Hon, Going Wrong: To Make a Mistake, to Fall into an Error, in: The Review of Metaphysics 49 (1995), 3-20. Cf. S. Johnson, Milton, in: J. Thorpe (ed.), Milton Criticism: Selections from Four Centuries, London 1951, 65-88, at 85. For interpretations of ‘Samson Agonistes’ as delineating Samson’s internal spiritual growth, cf. e.g. J. Steadman, Milton and the Renaissance Hero, Oxford 1967, 34; J. S. Hill, Vocation and Spiritual Renovation in Samson Agonistes, in: Milton Studies 2 (1970), 149-174, at 149; J. Shawcross, The Uncertain World of Samson Agonistes, Cambridge 2001. For Fish’s argument, cf. S. Fish, Question and Answer in Samson Agonistes, in: Critical Quarterly 11 (1969), 237264, at 248. For a discussion of Fish’s argument within the context of the two contrasting

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We apply the distinction between mistake and error (as expounded above) to this drama and propose that in ‘Samson Agonistes’ Milton represents the inner development of his protagonist in and through Samson’s developing understanding of his disobedience, which is conditioned on his evolving conception of time. For Milton, we claim, Samson’s movement towards regeneration is causal, concrete, and explicable, yet it consists of two stages rather than one. The first, from accusation of God to acceptance of responsibility, is, as Fish observes, a movement downward, ending in total despair. At this stage, Milton represents Samson’s first attempt to understand his relationship to God as a closed system of rules, the breaching of one of which - Samson’s mistake leads to Samson’s fall. The second, from responsibility to a reaffirmation of faith, is a movement upward, which concludes in Samson’s becoming a free moral agent who is capable of one last heroic act. By the end of the second stage, Samson understands his disobedience as an error, which results in his perception of the same relationship as an open system. This two-staged movement allows the reader to participate in a continuing process; at the same time, it may also reveal what Fish calls the hidden mechanics of this process. The importance of this movement cannot be overstated. Milton might have represented Samson’s initial understanding of his relationship to God as the closed system of the Hebrew Law. Having been ended, as we will show, in an epistemic failure, the old, closed system evolves into the open system of Christianity. Within the new system, the spirit of God discloses to Samson the possibility of everlasting - indeed, eternal - life of the faithful Christian. The most striking difference between the two systems within which Samson understands his relationship to God is that, in contrast to the first, closed system, constrained by the past and the present, the second system is open, that is, it is open to the future. Milton, we propose, may have borrowed his emphasis on the future as the key distinctive feature between the two systems from Aquinas’s commentary on the Book of Job. In his line-by-line literal exposition, Aquinas makes, as we shall see, a clear distinction between two systems -the mistaken view that Job’s friends have on providence, which is finite, and the view that Job develops on his relationship to God, which is open-ended. In what follows we will argue that Aquinas’s implicit distinction between mistake and error may well have been Milton’s model for representing the same distinction as the basis for his delineation of Samson’s growth of mind. We will first trace Aquinas’s distinction between mistake and error in his ‘Literal Exposition on Job’, with an emphasis on his exposition of the mistaken traditions that developed in reaction to Dr. Johnson’s commentary on the action of ‘Samson Agonistes’ (“traditionalists” and “revisionists”), cf. E. Liebert, Samson Agonistes and Spiritual Autobiography, in: Parergon 22 (2005), 131-157, at 131-141. Taking into account both the traditionalist and the revisionist view, Liebert offers an analysis of ‘Samson Agonistes’ as a drama of spiritual growth.

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view of Eliphaz. Then, we will show that Milton’s two-staged representation of Samson’s movement towards regeneration may have been modelled on Aquinas’s temporal understanding of the distinction between mistake and error. III. Aquinas’ s Distinction between Mistake and Er ror The Latin root “errare”, to err, occurs in Aquinas’s ‘Literal Exposition on Job’ eleven times, both in the sense of wrongdoing and false belief 18. Aquinas focuses attention on both the wrong view - the error - of Job’s friends and that of his wife, but also on the partial understanding of Job himself. Yet, never in his discussion does Aquinas lose sight of the system within which the errors he discusses were made. It is the human understanding of the workings of providence in human life - in other words, the knowledge of truth - which is St. Thomas’s constant and unwavering concern in his interpretation of the Book of Job. As Aquinas states in the Prologue to his ‘Exposition’, similar to things that are generated naturally, the knowledge of truth is achieved by a “gradual development from imperfect to perfect state” 19. For Aquinas, the Book of Job is one of the means by which truth may be achieved. It is the first of the books of the Hagiographa - wisdom literature - which were written in the spirit of God for the instruction of humanity 20. On Aquinas’s account, Job’s friends err when they suppose that the manGod relationship is a closed system of rules, in which adversities befall the sinful, and earthly prosperity the virtuous. First and foremost, for Job’s friends, the man-God relationship is a straightforward system of reward and punishment. As Aquinas describes it: “[ Job’s friends] thought that a man is rewarded by God with earthly prosperity for the good things which he does and that he is punished by God with temporal adversity for the evil things which he does, as if temporal goods are the rewards of virtue and temporal evil are the proper punishments for sin.” 21

As Aquinas emphasises in this passage, this system of reward and punishment is strictly limited to earthly life: the good things man does are rewarded with 18

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21

Cf. Thomas Aquinas, Expositio super Iob ad Litteram, ed. Commissio Leonina, in: Thomae Aquinatis doctoris angelici Opera omnia, vol. 26, Rome 1965. Thomas Aquinas, The Literal Exposition on Job: A Scriptural Commentary Concerning Providence, in: M. D. Yaffe, Interpretive Essay and Notes, Atlanta 1989, 67. All subsequent quotations from Aquinas’s Literal Exposition on Job are taken from this translation. For a discussion of Aquinas’s approach to the Book of Job, cf. E. Stump, The Suffering of Job, in: id. (ed.), Reasoned Faith: Essays in Philosophical Theology in Honor of Norman Kretzmann, Ithaca-London 1993, 328-357. For a discussion of Aquinas’s ‘Literal Exposition on Job’, cf. J. P. Yocum, Aquinas’ Literal Exposition on Job, in: T. G. Weinandy/D. A. Keating/J. P. Yocum (eds.), Aquinas on Scripture: An Introduction to his Biblical Commentaries, London-New York 2005, 21-42. Thomas Aquinas, Literal Exposition on Job, transl. Yaffe (nt. 19), 96.

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“earthly prosperity” and “temporal goods”, whereas the evil things that one does are punished by God with “temporal adversity”. By contrast, on Aquinas’s interpretation, Job believes that “the good works of men are ordered toward a future spiritual reward after this life and, similarly, that sins are to be punished by future punishments” 22. One of the fundamental differences between the way in which Job’s friends perceive human-divine relationship and the way in which Job understands his relationship to God is therefore the scope of the system. On Aquinas’s interpretation, Job’s friends view their relationship to God as a closed, finite system, which is restricted to this life. By contrast, Job understands his relationship to God as an open system, which stretches far beyond this life and consists of spiritual rewards or punishments that are not material in nature. The discrepancy between Job’s view of human-divine relationship and that of his friends can most clearly be seen in Aquinas’s interpretation of Eliphaz the Themanite’s speech, the first of Job’s friends to comfort Job. About half way into his first speech ( Job 5,17) Eliphaz argues that God indeed wounds but He also heals: “Blessed is the man who is corrected by the Lord”, says Eliphaz to Job, “Do not reprove the rebuke of the Lord, then, because He Himself both wounds and heals.” 23 Eliphaz does not explicitly specify that God would heal Job in this life, yet on Aquinas’s reading of these two verses and those that follow ( Job 5,19-26), similar to God’s wounding, God’s healing is to be understood as taking place in this life. “Eliphaz”, says Aquinas, “did not claim that he who is corrected by the Lord is blessed because of a future life, in which he did not believe, but because of the present one, in which, after correction, man obtained from God immunity from evils and an abundance of goods.” 24

When Aquinas interprets Job’s reply to Eliphaz’s first speech, he focuses attention on the difference in scope within the context of which each of the debaters understands the ultimate end of man. Aquinas argues that Eliphaz seems to follow the opinion that “man is rewarded in this life by God for good deeds and punished for bad” 25. Eliphaz’s understanding of his relationship to God is then that of a closed, finite system. On Aquinas’s account, in contrast to his comforters, Job perceives his relationship to God as an open system, whose ultimate end must be achieved in the afterlife. In his interpretation of Job’s reply to Eliphaz, Aquinas maintains that Job argues that man’s ultimate goal is not to be achieved in this life. “For it is manifest”, says Aquinas, “that anything whatsoever rests once its ultimate end has been achieved; hence, it is necessary that, when the human will has achieved its ultimate end, it rest in it and not 22 23 24 25

Ibid., italics added. Job 5,17-18; quoted in Thomas Aquinas, Literal Exposition on Job, transl. Yaffe (nt. 19), 134. Ibid. Ibid., 144.

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be moved further to desire other things. But we experience the opposite of this situation in the present life, for man always desires the future as if he is not content with the present; hence, it is manifest that the ultimate end is not in this life but that this life is ordered toward another end, as the campaign is ordered toward victory and the hireling’s day is ordered toward the wage.” 26

Aquinas explains that, in his reply to Eliphaz’s first speech, Job constantly emphasises his conviction that man always stretches into the future through desire. This stretching into the future is characteristic of all human beings, but, on Aquinas’s account, those who are affected by sorrows feel it more intensely. For those who are in sadness desire the future more. As we shall see in the next section, at the basis of Milton’s distinction between mistake and error is precisely this Thomistic distinction, which is conditioned on the believer’s understanding of his relationship to God as everlasting, as continuing endlessly into the future. But before we begin to explore the way in which Milton represents the future as the distinct feature between Samson’s two consecutive systems of beliefs, it might be helpful to look at Samson’s initial conception of time, which precedes the drama’s representation of Samson’s two-staged movement from despair to regeneration. This, we believe, will allow us to appreciate the way in which Milton builds Samson’s development towards regeneration in and through his protagonist’s development of his conception of time. IV. Milton’ s T homistic Distinction ‘Samson Agonistes’ opens with a description of the lowest point in its protagonist’s life. As Milton summarizes the opening scene in the preliminary Argument, Samson is “made captive, blind, and now in the prison at Gaza, there to labour as in a common workhouse” 27. It is a festive day, and the Philistines grant Samson a cessation from labor. After having come forth to the open air, Samson, to cite Milton’s Argument again, “[bemoans] his condition” 28. An analysis of the time structure of Samson’s first monologue reveals that, following his act of disobedience, Samson has lost his capacity of experiencing the passage of time. Instead, the fallen Samson experiences time at two detached levels, past and present. Milton represents this detachment by introducing the formula “once-now”, which Samson uses, with variations, again and again to lament his fallen condition 29. Thus, for example, Samson places his past and present conditions within the context of the “once-now” formula: 26 27

28 29

Ibid., 146. J. Milton, Samson Agonistes, in: J. Carey (ed.), John Milton - Complete Shorter Poems, London-New York 1997, 357. Ibid. Cf. e.g. ibid., ll. 22, 38-40, 73, 195. For a similar use of the time markers “once” and “now” to describe a fallen perception of time in Milton’s ‘Paradise Lost’, cf. A. C. Langer, ‘Pardon may be Found in Time Besought:’ Two Time Structures of the Mind in Paradise Lost and McTaggart’s Theory of Time, in: Milton Studies 52 (2011), 169-183.

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I seek This unfrequented place to find some ease, Ease to the body some, none to the mind From restless thoughts, that like a deadly swarm Of hornets armed, no sooner found alone, But rush upon me thronging, and present Times past, what once I was, and what am now. (SA, 16-22; italics added) 30

Instead of describing the continuity between events past and present, Samson focuses attention on the discrepancy between the two time levels. In Samson’s fallen experience, time is static: there exists no causal relationship whatsoever between Samson’s former glory and his present misery. Significantly, the first movement toward Samson’s regeneration is initiated when Samson acknowledges his act of disobedience. Samson’s acknowledgement, which is important for the drama’s establishment of the hero’s moral development, is made in and through the time structure of the poem. Samson places his act of disobedience between the two events, which only a few lines earlier were seen as discontinuous: what if all foretold Had been fulfilled but through mine own default, Whom have I to complain of but myself ? (SA, 44-45; italics added)

Clearly, in this passage, the word default is used as the disruptive element that prevented God’s promise, namely that Samson would deliver Israel from “Philistian yoke” (SA, 39), from being fulfilled. Yet, at the same time, by placing his act of disobedience between God’s promise and “this great deliverer”, (SA, 40) now blind and slaving at the mill in Gaza, Samson makes a causal link between the unfulfilled promise and his present wretchedness. Samson’s failure of duty serves as the causal link between Samson’s past glory and his present wretchedness. By linking what were heretofore two discontinuous time levels, Samson forms a closed, finite continuum, which consists of a two-level system of time. Within this system, Samson conceives of his past condition as the “glory of Israel” and his present condition as a blind slave laboring at the mill in Gaza as causally linked by his act of disobedience. Though Samson does not pronounce it explicitly, his use of his act of disobedience as a causal link points to his understanding of his act of disobedience as a mistake. As we have seen, it is within the context of a finite, closed system that one can make a mistake. In an open system, one performs, as we shall see, an error. The system formed by Samson’s acknowledgement of what he now thinks of as his mistake is thus three-fold: (1) Samson is God’s favorite; (2) by revealing his secret to his wife, Dalila, (3) Samson loses his special status. This is clearly 30

All quotations from ‘Samson Agonistes’ are from Milton, Samson Agonistes (nt. 27); in the following abbreviated as SA.

Milton’s Thomistic Distinction

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a system of reward and punishment, which is restricted to Samson’s earthly life. Samson’s act of disobedience, i. e., his disclosure of his secret to Dalila, is thus the breached rule that closes the system, yet, at the same time, destroys it, for it leads to Samson’s desertion in the hands of the Philistines. Modeled on Aquinas’s interpretation of the view of providence held by Job’s friends, Samson’s initial view of his relationship to God is clearly mistaken. Instead of leading to reconciliation with God, it leads him to despair. “Blind, disheartened, shamed, dishonoured, quelled” (SA, 563), Samson is now prepared to endure his punishment until death ends all his pains: So much I feel my genial spirits droop, My hopes all flat, nature within me seems In all her functions weary of herself; My race of glory run, and race of shame, And I shall shortly be with them that rest. (SA, 594-598)

An explicit death wish, which is clearly bound with what Samson calls a “sense of Heaven’s desertion”, is expressed a few lines later: Sleep hath forsook and given me o’er To death’s benumbing opium as my only cure. Thence faintings, swoonings of despair, And sense of Heaven’s desertion. (SA, 629-632)

Samson’s first attempt at understanding his relationship to God fails, and it implies that in ‘Samson Agonistes’ causality is an insufficient condition for regeneration. It is not until Samson has internalized the two-tier system and opened it up to the possibility of the future that he achieves reconciliation with God. Following the epistemic failure of Samson’s first attempt to understand his relationship to God, the second movement is initiated by Samson’s gradual internalization of what heretofore he considered to be an external, closed system. In his encounter with Dalila, Samson admits that by disclosing his secret to his wife he was false not to God but rather to himself: I gave, thou say’st, the example, I led the way; bitter reproach, but true, I to my self was false ere thou to me […]. (SA, 822-824, italics added)

In striking contrast to his earlier understanding of his transgression as a breach of an external law, at this point of his movement towards regeneration, Samson conceives of his transgression as an act against his own free, active faith. By internalizing the law, that is, obeying his self-constituted authority, Samson achieves moral freedom. Here, as elsewhere in his work, Milton represents true faith as an internalization of the spirit of God rather than an adherence to an external, closed system of laws. It is only after Samson has achieved moral freedom that he is capable of opening up to the possibility of eternity. In his encounter with Harapha, Samson

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conceives of his relationship to God as an open system. Even as he acknowledges that God inflicted him justly, Samson “[despairs] not of [God’s] final pardon” (SA, 1170-1171), which he is now capable of situating beyond the scope of this earthly life. In contrast to his experience of despair with the failure of his first attempt, Samson is now capable of seeing the possibility of repentance within the context of what he now views as an enlarged scope of his relationship to God. In this new system, which stretches beyond mortality, God’s “ear is ever open; and his eye/Gracious to readmit the suppliant” (SA, 1172-1173). Though Milton’s representation of Samson’s opening up to the future is very similar to Aquinas’s, Milton goes beyond Aquinas when he represents the now open system as determined by the possibility of an endless series of errors. Commanded by the officer to perform at the celebrations for Dagon, Samson contemplates the possibility of him “prostituting holy things to idols” (SA, 1358): Shall I abuse this consecrated gift Of strength, again returning with my hair After my great transgression, so requite Favour renewed, and add a greater sin By prostituting holy things to idols; A Nazarite in place abominable Vaunting my strength in honour to their Dagon? (SA, 1354-1360; italics added)

To his already committed transgression, Samson now adds the possibility of another, “greater sin” (SA, 1357). It is only in an open system that a series of transgressions, instead of just one single offence, may be committed. For Milton, then, it is only by imagining the possibility of recurrent transgressions that the individual is capable of gradually reaching - paradoxically, perhaps, by way of committing more errors - an understanding of the mystery of the divine. As we have shown earlier, one’s search for the unknown elements of reality - here, the mystery of the divine - is potential of revealing new knowledge by way of performing errors, not mistakes. That Samson has fully internalized the spirit of God is evident from his last words to the chorus: I begin to feel Some rousing motions in me which dispose To something extraordinary my thoughts. I with this messenger will go along, Nothing to do, be sure, that may dishonour Our Law, or stain my vow of Nazarite. If there be aught of presage in the mind, This day will be remarkable in my life By some great act, or of my days the last. (SA, 1381-1389; italics added)

Though his conception of his relationship to God within a closed system of laws was concluded in epistemic failure, Samson’s “rousing motions”, by which

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Milton represents the inner workings of the spirit of God, are perfectly compatible with his commitment to the Law. His last action stems directly from his inner faith, and he reassures his friends that he will do nothing that may “dishonour/Our Law, or stain [his] vow of Nazarite” (SA, 1385-1386). Samson’s epistemic failure to understand his relationship to God is indispensable for his achievement of a new understanding of this system as an internal, freely constituted faith. When Samson pulls down the massive pillars of the Philistine temple, he has already achieved an understanding that the suffering inflicted on him was punishment for his mistaken view of his relationship to God. Like Job’s friends, Samson initially views this relationship as a closed, finite system, within the context of which one’s mistake leads directly to the system’s destruction. As we have shown, Samson’s initial view of providence relies on a partial understanding of time as consisting of a past-present relation only. It is only after he has internalized the Thomistic idea that man-God relationship persists into the future that he realizes that his transgression, his sin, is indispensable for his reconciliation with God. Samson’s sin is, in other words, an error. It is not a mistake. Rather than destroying the relationship, it allows the performance of further errors, which continually open the relationship up to a better understanding of the mystery of the divine. V. Conclusion We submit that by opening up the possibility of moral choice, Samson’s error may be considered not only indispensable for his regeneration, but also fortunate. The Exultet of the Easter Vigil considers Adam’s sin felix culpa, that is, the fortunate Fall, because it allowed Adam the possibility of leading a moral life. Samson’s act of disobedience may be equally termed, we propose, felix erratum: Samson’s act of disobedience has opened for him the possibility of becoming a free, moral agent, who truthfully obeys the spirit of God he has internalized throughout his agonizing process of transforming his mistake into an error 31.

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Cf. Hon, A Critical Note (nt. 10), 264.

XII. Irrtum und Historiographie

Scholastica sive pseudophilosophia. Heumann, Brucker und die historiographische Konstruktion der Scholastik in der Frühaufklärung Mario Meliado` (Freiburg i. Br.) In einem bekannten Passus der ,Introductio ad philosophiam aulicam‘, die in der deutschen Frühaufklärung als programmatisches Manifest einer eklektischen Reform galt, merkte der Philosoph und Jurist Christian Thomasius (1655-1728) ironisch an, dass „es für eine Ehre zu halten sei, die albernen Subtilitäten der Scholastiker nicht zu kennen“ 1. Diese Polemik, die die aristotelische Syllogistik als unnütze und sophistische Disputierkunst disqualifizierte, zielte in Abgrenzung von den zeitgenössischen Schulrichtungen auf eine antispekulative, praktische Neuorientierung des akademischen Wissens ab 2. Gleichwohl ging der Bruch mit der Tradition und die Ablehnung ihrer Autorität bei Thomasius mit einer dezidierten Aufwertung der Philosophiehistorie als eines kritischen Befreiungsinstrumentes einher. Thomasius forderte nicht nur eine Aufnahme dieser Disziplin in den Studienplan der deutschen Universität, sondern leitete eine methodische Revision an, die sich in der historiographischen Arbeit der folgenden *

1

2

Der vorliegende Beitrag ist im Kontext des Forschungsprojektes ERC-2013-CoG 615045 MEMOPHI (Medieval Philosophy in Modern History of Philosophy) entstanden. Christian Thomasius, Introductio ad philosophiam aulicam, seu lineae primae libri de prudentia cogitandi et ratiocinandi, ubi ostenditur media inter praejudicia Cartesianorum, & ineptias Peripateticorum, veritatem inveniendi via, c. 15, §17, Leipzig 1688 [Nachdruck: Hildesheim e.a. 1993], 236: „ Cum potius honori reputandum sit, ignorare stultas Scholasticorum subtilitates.“ Thomasius’ Anfeindung richtete sich in erster Linie auf den zeitgenössischen akademischen Aristotelismus, seine polemische Position hatte aber eine direkte Auswirkung auf sein historisches Verständnis der mittelalterlichen Scholastik. Der Philosophiehistoriker Christoph Heumann griff einige Jahre später auf diese Aussage von Thomasius zurück, um seine Ausklammerung der Scholastik aus dem eigentlichen Bereich der wahren Philosophie zu untermauern; cf. Christoph August Heumann, Von denen Kennzeichen der falschen und unächten Philosophie, in: Acta philosophorum, das ist Gru¨ndl. Nachrichten aus der Historia Philosophica, vol. 1, Stück 2, Halle 1715, 179236, hier 185 sq.: „Ich meines Orts halte vielmehr mit dem Herrn Thomasio davor/quod honori reputandum sit, ignorare stultas Scholasticorum subtilitates.“ Zur wissenschaftlichen Reformbestrebung des Thomasius cf. W. Schmidt-Biggemann, Topica universalis. Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft (Paradeigmata 1), Hamburg 1983, 272-292; W. Schneiders, Aufklärung und Vorurteilskritik. Studien zur Geschichte der Vorurteilstheorie (Forschungen und Materialien zur deutschen Aufklärung 2), Stuttgart-Bad Cannstatt 1983; M. Wundt, Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, Tübingen 1945, bes. 19-61.

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Gelehrtengeneration gänzlich vollzog und Früchte trug 3. Thomasius konzipierte die Philosophiehistorie nicht als Akkumulationspraktik, sondern als eine ideale Pädagogik, insofern die Erforschung der Geschichte einen Erfahrungsbereich enthülle, in dem die Vernunft durch die Irrtümer der Vergangenheit lernt, eigenständig zu urteilen und ihre Grenzen auszumessen. Die Delegitimierung der Scholastik als eines abwegigen und definitiv überholten Wissensmodells, die Thomasius provokativ zum Ausdruck brachte, konstituierte zugleich die Scholastik als einen extrem ambivalenten Gegenstand der Historiographie: Zum einen wurde ihr jede philosophische Würde und jedes theoretische Interesse aberkannt; zum anderen stellte sie sich dadurch als die Grundfigur eines historischen Irrweges heraus, über die die aufgeklärte Vernunft nicht versäumen durfte, ihr Urteil zu formulieren 4. Als der lutheranische Pfarrer und Philosophiehistoriker Jacob Brucker (1696-1770) in Anlehnung an das eklektische Ideal des Thomasius seine monumentale und wirkmächtige Universalgeschichte der philosophischen Vernunft erarbeitete, traf er die bewusst innovative und keineswegs selbstverständliche Entscheidung, die erste moderne Gesamterschließung der Scholastik darin einzubinden. Das Werk Bruckers markierte das imposante Auftreten des Mittelalters auf der Bühne der Philosophiegeschichtsschreibung: Der 5. Band der ,Kurtzen Fragen aus der Philosophischen Historie‘ schlug 1734 auf etwa 1500 Seiten eine detaillierte Darstellung des mittelalterlichen Denkens vor, welcher 1743 im 3. Band der ,Historia critica philosophiae‘ eine bearbeitete Fassung auf Latein folgte 5. Diese Eingliederung brach mit einer gängigen Marginalisierung der Scholastik im Horizont der philosophischen Historiographie 6. Die doxogra3

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Zu Christian Thomasius als Philosophiehistoriker und Traditionskritiker cf. M. Longo, Christian Thomasius (1655-1728), in: G. Piaia/G. Santinello (eds.), Models of the History of Philosophy, vol. 2: From the Cartesian Age to Brucker (International Archives of the History of Ideas 204), Dordrecht e.a. 2011, 315-323; S. Lehmann-Brauns, Weisheit in der Weltgeschichte. Philosophiegeschichte zwischen Barock und Aufklärung (Frühe Neuzeit 99), Tübingen 2004, 308-354; H. Jaumann, Frühe Aufklärung als historische Kritik: Pierre Bayle und Christian Thomasius, in: S. Neumeister (ed.), Frühaufklärung (Romanistisches Kolloquium 6), München 1994, 149-170. Die ,Introductio ad philosophiam aulicam‘ sieht eine kurze historische Ausführung de philosophorum sectis vor, in der Thomasius seine Auffassung der Scholastik schildert. Cf. Thomasius, Introductio (nt. 1), c. 1, §§ 61-67, 30 sqq. Wie Lehmann-Brauns triftig anmerkt, galten jedoch die philosophischen Bemühungen des Thomasius nicht „der extensiven Aufarbeitung der historischen Wissensbestände“, sondern blieben - wenn man von den Neueditionen des historiographischen Werkes seines Vaters Jacob absieht - vornehmlich der Profilierung seiner praxisorientierten Philosophiereform verpflichtet. Diese philosophiegeschichtliche Aufgabe wurde später von seinen Mitstreitern und Schülern übernommen. Cf. Lehmann-Brauns, Weisheit (nt. 3), 315. Cf. Jacob Brucker, Kurtze Fragen aus der Philosophischen Historie, 8 vols., Ulm 1731-1737; id., Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta, 5 vols., Leipzig 1742-1744, 21766-1767. Im Folgenden wird die ,Historia critica‘ in der zweiten Edition herangezogen. Dass eine historiographische Aneignung der Scholastik noch zu leisten war, galt am Anfang des 18. Jahrhunderts als eine gängige Feststellung, die Philosophiehistoriker wie Heumann und Buddeus wiederholt äußern. Brucker war sich des bahnbrechenden Wertes seiner Scholastikgeschichte bewusst; cf. Brucker, Kurtze Fragen (nt. 5), vol. 5, Ulm 1734, 879; id., Historia critica (nt. 5), vol. 3, Leipzig 1766, 709. Eine zeitgenössische anonyme Rezension des 5. Bandes der

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phische Literatur des 17. Jahrhunderts hatte nämlich eine fast unmittelbare translatio der philosophischen Weisheit von der Antike zur Moderne nachgezeichnet 7. Die Abwertung des Mittelalters beruhte primär auf einem Interpretationsschema, das der humanistischen Scholastikkritik und der konfessionellen, antikatholischen Apologetik entliehen wurde 8. Zur Systematisierung der polemischen Stereotype, die die streitsüchtige Eitelkeit der Lehrmeinungen hervorhoben und den Servilismus vor Aristoteles ebenso wie vor dem Papst denunzierten, hatte im Jahre 1665 das viel rezipierte Pamphlet ,De doctoribus scholasticis‘ des Kieler Professors für Kirchengeschichte Adam Tribbechow (1641-1687) entscheidend beigetragen 9. Der Historiographie wurde durch diese Invektive ein fester Lasterkatalog vorgesetzt, der die Herabwürdigung der Scholastik in der Geschichtsschreibung festigte. Die universitären Kompendien der Philosophiehistorie aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie die von Franz Johann Buddeus (1667-1729) oder Friedrich Gentzken (1679-1757), spiegeln noch dieses nega-

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,Kurtzen Fragen‘ erkennt Brückers bewusste Pioniersarbeit an; cf. Ad Nova Acta Eruditorum Supplementa 1 (1735), 319-324, hier 322: „ Nunc demum pag. 777 historiam Noster aggreditur Philosophiæ Scholasticorum, cujus accuratam perfectamque historiam nondum a quoquam compositam esse, dolet.“ Der Autor dieser Rezension ist mit Heumann zu identifizieren, cf. Georg Andreas Cassius, Ausführliche Lebensbeschreibung des um die Gelehrtenwelt hochverdienten D. Christoph August Heumanns, Cassel 1678, cap. 23, 278. Während Thomas Stanley (1625-1678) sich bekanntlich nur mit den Philosophen und Sekten der Antike befasste, ließ Georg Horn (1620-1670) der Scholastik eine bündige Darstellung angedeihen, die jene als ein mittelalterliches Intermezzo zwischen dem antiken und modernen Verlauf der Philosophiegeschichte abbildet; cf. Thomas Stanley, History of Philosophy: Containing the Lives, Opinions, Actions and Discourses of the Philosophers of every Sect, 4 vols., London 1655-1662; Georg Horn, Historiae philosophicae libri septem, quibus de origine, successione, sectis et vita Philosophorum ab orbe condito ad nostram aetatem agitur, VI, 1, Leiden 1655, 295-303. Der polyhistorischen Enzyklopädie von Daniel Georg Morhof (1639-1691) ist eine vergleichsweise geduldigere Auseinandersetzung mit der Scholastik zu verdanken; cf. Daniel Georg Morhof, Polyhistor, in tres tomos, literarium, philosophicum et practicum, divisus, vol. 2, lib. 1, Lu¨beck 31708 (11688-1692), 73-109. Zur Konstruktion eines Scholastikkonzeptes und -bildes durch die humanistische und protestantische Polemik cf. R. Quinto, Scholastica. Storia di un concetto (Subsidia mediaevalia Patavina 2), Padova 2001, bes. 129-166 und 205-296; sowie E. Garin, Alle origini rinascimentali del concetto di filosofia scolastica, in: id., La cultura filosofica del rinascimento italiano. Ricerche e documenti, Firenze 1979, 466-479. Zur Rezeption der Topoi der konfessionellen, antikatholischen Kritik in der früheren Historiographie cf. B. Roling, Saeculum barbaricum. Fru¨hneuzeitliche Stereotypen in der Philosophiegeschichtsschreibung des Mittelalters, in: Frühmittelalterliche Studien 49/1 (2015), 275-297; G. Piaia, Vestigia philosophorum. Il medioevo e la storiografia filosofica (Studi di filosofia e di storia della filosofia 6), Rimini 1983; und I. Quiles, Contribucio´n a la historiographı´a de la escola´stica medieval de los siglos XVII y XVIII, in: L’Homme et son destin d’apre`s les penseurs du moyen aˆge (Actes du Congre`s international de philosophie me´die´vale 1), Louvain-Paris 1960, 729-741. Cf. G. Micheli, Adam Tribbechow (1641-1687): De doctoribus scholasticis, in: G. Santinello (ed.), Models of the History of Philosophy, vol. 1, From Its Origins in the Renaissance to the ,Historia Philosophica‘ (International Archives of the History of Ideas 135), Dordrecht 1993, 398-409; E. Garin, Aneddoti di storia della storiografia. La polemica contro la scolastica, I: Adamo Tribechovio, in: id., Dal Rinascimento all’Illuminismo. Studi e ricerche, Pisa 1970, 195205; sowie Roling, Saeculum barbaricum (nt. 8), 280-283.

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tive Scholastikbild wider und behandeln die Scholastik flüchtig als nebensächliche, verfehlte Erscheinung der Denkgeschichte 10. Bruckers Unternehmen erweist sich nun vor diesem Hintergrund als höchst paradoxal, weil es keine Rehabilitierung der Scholastik intendierte, sondern die Grundlinien ihrer stilisierten Verurteilung replizierte 11. Welche Prinzipien regeln also den Übergang vom Marginalisierungs- zum Inklusionsmodell Bruckers? Die Aneignung der Scholastik lässt sich weder allein anhand eines gelehrten Anspruchs auf Vollständigkeit erklären, noch als eine bloß quantitative Erweiterung des inventarisierten Quellenbestandes erfassen. Es gilt vielmehr eine neue historiographische Funktion zu eruieren, die Brucker der Scholastik trotz der Bewahrung der pejorativen Motive zuwies. Dieser Beitrag beabsichtigt zu zeigen, dass die Konstruktion der Scholastik als philosophischer Epoche in das Spannungsfeld einer frühaufklärerischen Neubestimmung der Philosophiegeschichte als Disziplin einzubetten ist, die die Kategorien von Irrtum und „falscher Philosophie“ als Erklärungsinstanzen der Vergangenheit der menschlichen Vernunft hinterfragte. Zu dieser Neubestimmung trug der Philosophie- und spätere Theologieprofessor an der Universität Göttingen, Christoph August Heumann (1681-1764), dezisiv bei, dessen Arbeit den wissenschaftlichen Status und die Zwecke eines Forschungsfeldes festlegte, mit dem Brucker kurz danach die eigene Aufgabe als Philosophiehistoriker völlig identifizierte 12. Die eklektische Verwerfung der Scholastik bediente sich dabei einer revidierten, begrifflichen Ausrüstung, die zugleich das Bedürfnis und die Bedingungen einer ersten philosophiegeschichtlichen Konzeptualisierung des Mittelalters schaffte. I. Heumann und die Philosophieg eschichte als Topik der Ir r tümer Das eklektische Reformprogramm des Thomasius bahnte eine Reflexion über die Methodik und den Gegenstand der Philosophiegeschichte an, die eine Ab10

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Cf. Iohannes Franciscus Buddeus, Compendium historiae philosophicae, observationibus illustratum, ed. I. G. Walchus, Halle 1731, bes. 325-363; und Friedrich Gentzken, Historia philosophiae, in qua philosophorum celebrium vitae eorumque hypotheses notabiliores, ac sectarum fata a longa rerum memoria ad nostra usque tempora succincte et ordine sistuntur, Hamburg 1724, bes. 138-150. Buddeus’ Kompendium erschien erstmalig als einführender Teil der ,Elementa philosophiae instrumentalis‘ (Halle 1703) und erfuhr unzählige Neuausgaben im Laufe der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Für eine kurze Analyse des Mittelalterbildes bei Brucker cf. K. Flasch, Jacob Brucker und die Philosophie des Mittelalters, in: W. Schmidt-Biggemann/T. Stammen (eds.), Jacob Brucker (1696-1770). Philosoph und Historiker der europäischen Aufklärung (Colloquia Augustana 7), Berlin 1998, 187-197; und C. König-Pralong, Me´die´visme philosophique et raison moderne. De Pierre Bayle a` Ernest Renan (Confe´rences Pierre Abe´lard), Paris 2016, bes. 20-25. Cf. M. Longo, Christoph August Heumann (1681-1764), in: Piaia/Santinello (eds.), Models (nt. 3), 399-432.

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grenzung von der doxographischen und polyhistorischen Praxis des 17. Jahrhunderts erstrebte und das philosophische Selbstverständnis der Disziplin akzentuierte. An diesem Prozess beteiligte sich in erster Linie der Philosophiehistoriker Christoph August Heumann, der 1715 die erste deutsche philosophiehistorische Zeitschrift, die ,Acta Philosophorum‘, gründete. Heumann zielte durch eine umfangreiche literarische Produktion, die sowohl methodisch-theoretische Abhandlungen als auch Einzelstudien, Rezensionen und bibliographische Kataloge umfasste, darauf ab, eine neue epistemologische Grundlage der Philosophiehistorie zu liefern. Eklektik bezeichnet bei ihm, wie bei Thomasius, keinen synkretistischen Umgang mit der Tradition, der aus allen Sekten das Wahre destilliert und vereinigt 13. Es handelt sich vielmehr um das Ideal eines autonomen Denkens, das in der Geschichte den Raum für die Ausübung und die Vergewisserung der eigenen Urteilsfreiheit auffindet. Heumann bemühte sich um die philosophische Konturierung dieses geschichtlichen Erfahrungsraums und sah hierfür eine präzise Revisionsstrategie der Überlieferung vor. In der ,Einleitung zur Historia philosophica‘, die sukzessive in mehreren Heftnummern der ,Acta‘ publiziert wurde, fundierte Heumann den wissenschaftlichen Status der Disziplin und hielt fest, dass die Rolle des Philosophiehistorikers sich nicht auf eine philologische Dokumentierung der Vitae und der Meinungen beschränken sollte. Über die Zuverlässigkeit der Erzählungen hinaus gelte es vornehmlich, die innere Artikulation und die Prinzipien der Lehrsätze zu ermitteln und zu überprüfen; denn nur die doktrinäre Kritik sichere die philosophische Lesbarkeit und Relevanz des historischen Materials 14. 13

14

Zur Eklektik-Auffassung des Thomasius cf. M. Albrecht, Thomasius - kein Eklektiker?, in: W. Schneiders (ed.), Christian Thomasius 1655-1728. Interpretationen zu Werk und Wirkung (Studien zum achtzehnten Jahrhundert 11), Hamburg 1989, 73-94. Zur Wirkung des Thomasius auf das intellektuelle Projekt von Heumann cf. G. Mühlpfordt, Ein kryptoradikaler Thomasianer: C. A. Heumann, der Thomasius von Göttingen, in: Schneiders (ed.), Christian Thomasius (nt. 13), 305-334. Zu den Wandlungen des Eklektik-Begriffes cf. M. Albrecht, Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte (Quaestiones), Stuttgart-Bad Cannstatt 1994; und H. Dreitzel, Zur Entwicklung und Eigenart der ,eklektischen Philosophie‘, in: Zeitschrift für historische Forschung 18 (1991), 281-343. Cf. Christoph August Heumann, Einleitung zur Historia Philosophica. Erstes Capitel von dem Nutzen derselben, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 1, 1-63, hier 34-35. Heumann hebt die Notwendigkeit hervor, dass der Philosophiehistoriker zugleich Philosoph sein muss, indem er die Gründe der Lehrmeinung untersucht. Die vorherige Geschichtsschreibung (Vossius, Horn, Stanley) wird dementsprechend wegen eines philosophischen Mangels und eines ausschliesslich philologischen Ansatzes kritisiert. Cf. auch id., Diogenes Laertius, de Vitis Philosophorum, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 2, Halle 1715, 321-367, hier 343344: „Denn das heisset Historia philosophica, eine Historie/die recht philosophisch gemacht ist/das ist/in welcher nicht nur die Wahrheit der Erzehlungen gründlich untersuchet/und die Fabeln ausgemertzet werden/sondern darinnen man auch der Leute Thun und Meynungen philosophice untersuchet/so daß man bey jenem die eigentlichen Absichten nebst denen angewandten Mitteln genau entdecket/bey diesen aber die origines errorum, wie auch die consequentien einer jeden Meynung/deduciret.“ Heumann nimmt sich vor, einen Übergang von einer historia philosophiae zu einer historia philosophica philosophiae zu vollziehen und dadurch das Spezifikum der Disziplin im Bereich der Literärgeschichte klarzustellen; cf. M. Longo, Historia philosophiae

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Durch die systematische Diagnostizierung der origines errorum, die aus den textuellen Zeugnissen der vergangenen Denkanstrengungen hervorgehen, offenbart die Philosophiehistorie ihren spezifischen, formativen Nutzen. Sie reinigt zunächst von der Autoritätshörigkeit (præjudicium auctoritatis), insofern sie die Fehlbarkeit aller Philosophen aufzeigt und zu einer unabhängigen Erwägung der einzelnen Positionen anhält 15. Das Aufweisen einer universellen Fehlbarkeit, wie sie die Philosophiegeschichte inszeniert, legt einen nicht-sektiererischen philosophischen Habitus nahe, der die Unterordnung unter einen einzigen Lehrmeister oder eine Tradition zu vermeiden und zugleich die Begrenzung des eigenen Verstandesgebrauchs anzuerkennen lehrt. Die Aufdeckung der falschen Meinungen entfaltet in dieser Hinsicht eine edukative Topik derjenigen Irrtümer, die die menschliche Vernunft begangen hat und immer noch begehen kann. Diese Phänomenologie der Fehlversuche erweist sich nach Heumann als eine fundamentale Propädeutik des (eklektischen) Philosophierens. „Es mag also der andere Nutzen der Historiae Philosophicae dieser seyn/daß man aus denselben lernet/welches die rechte methode in dem studio Philosophiae sey. Felix, quem faciunt aliorum peccata cautum. Wenn wir finden/wo die Philosophi vor uns angestossen haben/so sehen wir schon/wo und wie wir uns in acht nehmen müssen.“ 16

Die philosophiehistorische Praxis rechtfertigt daher ihre Autonomie durch eine kritische Transformation des überlieferten Wissens, die eine exemplarische Erklärung und Beseitigung der Irrtümer anvisiert. Diese Transformation geht jedoch mit einer Kartographierung des Tradierten einher, die den Kompetenzbereich der Philosophiehistorie von jenem der übrigen Literargeschichte deutlich abgrenzt 17. Heumann beansprucht eine neue Vermessung des Forschungsfeldes am Maßstab eines normativen, aufgeklärten Philosophiebegriffes. Ohne ein festes Auswahlkriterium, das das Philosophische vom Nichtphilosophischen (oder vom Pseudophilosophischen) unterscheidet, sei der Philosophiehistoriker nicht

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16 17

philosophica. Teorie e metodi della storia della filosofia tra Seicento e Settecento (Ricerche di filosofia e di storia della filosofia), Milano 1986, bes. 67-90. Heumann, Von dem Nutzen (nt. 14), 19-20: „Allhier setzen wir nun billig denjenigen Nutzen oben an/den uns die Historia Philosophica geben kan in Ausbesserung des mit falschen Meinungen und Vorurtheilen besessenen Verstandes. Da nun das praejudicium auctoritatis die Menschen am meisten blendet/und von Erkänntniß der Wahrheit abhält/so wird dasselbe durch Excolirung dieser Historie gewaltig geschwächet/wo nicht gar gehoben. […] Also lernen wir aus der Historia Philosophica, daß alle Philosophi Menschen sind/und irren können/und daß es also eine Thorheit sey/einem eintzigen Philosopho seinen Glauben unterthänig zu machen/und seinen Verstand unter dessen Gehorsam gefangen zu nehmen.“ Ibid., 29. Ich verwende den Terminus „Literärgeschichte“ im engeren Sinne der frühneuzeitlichen Disziplin; cf. M. Gierl, Bestandsaufnahme im gelehrten Bereich. Zur Entwicklung der Historia literaria im 18. Jahrhundert, in: Denkhorizonte und Handlungsspielräume. Historische Studien für Rudolf Vierhaus zum 70. Geburtstag, Göttingen 1992, 53-80; und neuerdings den Sammelband F. Grunert/F. Vollhardt (eds.), Historia literaria. Neuordnungen des Wissens im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 2007.

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in der Lage, die spezifische Einheit und den Nutzen der Disziplin zu garantieren 18. Gemäß den Anforderungen der thomasianischen Eklektik formuliert Heumann eine Definition der Philosophie als prinzipienbegründeter und praxisorientierter Untersuchung 19. Er legt dabei den Akzent auf die argumentative, vernunftbasierte Herangehensweise der philosophischen Erkenntnis, um dies von der offenbarungs- oder traditionsbezogenen Weisheit zu unterscheiden; auf der anderen Seite betont er die ethisch-praktische Dimension der Philosophie, damit sie nicht mit einer rein spekulativen oder etwa pedantischen Beschäftigung verwechselt werde. Diese regulative Wesensbestimmung der Philosophie dient dazu, die philosophische Zugehörigkeit der Quellenbestände zu erproben und ungeeignete Wissensformen vom eigentlichen Umfang der Disziplin abzugrenzen. Die historisch-philologische Analyse des Terminus „Philosophie“ und seiner Verwendung erweist sich nämlich zu diesem Zweck als unbrauchbar 20. Heumann konstatiert eine Äquivozität der Bedeutungen, anhand derer die Bezeichnung des Philosophen in der Vergangenheit sowie im historiographischen Diskurs zugeteilt wurde, und erklärt sich nicht bereit, jene Denker, Strömungen oder Kulturen naiv in die Philosophiegeschichte aufzunehmen, die das philosophische Prädikat nicht verdienen 21. Dies sei oft bei Propheten, Dichtern, Rednern, Mönchen oder sogar Professoren einer philosophischen Fakultät der Fall gewesen. Als Korollarium seiner verbindlichen Philosophiedefinition schlägt Heumann außerdem eine detaillierte Symptomatik der „falschen Philosophie“ vor, die das Urteil des Historikers orientieren und darüber unterrichten soll, wie die historischen Manifestationen einer unechten Philosophie zu identifizieren bzw. zu ent18

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Cf. Christoph August Heumann, Von dem Wesen und Begriff der Philosophie, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 1, Halle 1715, 93-103, bes. 94: „Kurtz/wir wollen zeigen/worinnen das Wesen und der gantze Begriff der Philosophie bestehe. Denn wenn wir hierinnen den rechten Grund gelegt haben/so werden wir leichtlich von denen vorgegebenen Philosophis ein gesundes Urtheil fällen können: Dahingegen wenn wir keinen rechten Begriff von der Philosophie haben/so ist nicht möglich/weder die Historiam Philosophicam sich recht zu Nutze zu machen/noch dieselbe gehöriger massen in eine Verfassung zu bringen.“ Cf. Heumann, Wesen (nt. 18), 95: „Dieses nun heisset eigentlich die Philosophie, welche ich folglich also beschreiben muß/daß sie sey eine Untersuchung und Erforschung nützlicher Wahrheiten aus festen Gründen und principiis.“ Dazu ausführlich Lehmann-Brauns, Weisheit (nt. 3), 371-375. Im Rahmen der ,Einleitung zur Historia philosophica‘ legt Heumann eine ausführliche Studie über die Semantik des Philosophiebegriffes vor; cf. Christoph August Heumann, Dissertatio de homonymia vocum σοφο` w & σοφι´α, Philosophus et Philosophia itemque Sophista, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 1, Halle 1715, 65-92. Heumann beendet die dissertatio, die ausnahmsweise wegen des gelehrten Inhaltes auf Latein veröffentlicht wird, mit einem „Beschluß“ auf Deutsch, in dem er als Ergebnis eine Verbannung derjenigen aus der Philosophiegeschichte bestätigt, die nur dem Namen nach als Philosophen bezeichnet wurden; cf. ibid., 90: „so gehören alle diese in unsere Historiam Philosophicam nicht; Ohne daß wir von etlichen/die schon vorlängst in dieselbe sind recipiret worden/deßwegen handeln müssen/damit offenbahr werde/daß sie hierher nicht gehören/und also ihnen andere Qvartiere anzuweisen sind.“

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tarnen sind 22. Dieses zusätzliche Kontrolldispositiv nimmt einen Grenzbereich der Überlieferung ins Visier, in dem zwar philosophica behandelt wurden, allerdings nicht philosophice, d. h. nicht gemäß den Kriterien, die die eklektische Philosophieauffassung vorschreibt. Genau dieser Zusammenhang ist es, in dem sich bei Heumann der historiographische Ort der Scholastik profiliert. II. Heumann und der historiog raphische Ausschluss der Scholastik Ein ganzer Artikel der ,Acta philosophorum‘ wird gezielt der Erörterung von Merkmalen gewidmet, die eine falsche Philosophie charakterisieren 23. Heumann bespricht ausführlich sechs Kennzeichen, anhand derer die Unechtheit ermittelt und demaskiert werden soll: die Nutzlosigkeit (i); die blinde Abhängigkeit von einer Autorität (ii) oder von einer Tradition (iii); der Aberglaube (iv); die symbolische Lehrart (v) und schließlich die moralische Lasterhaftigkeit ihrer Vertreter (vi) 24. Die Anwendung dieses konzeptuellen Instrumentariums hat erhebliche Auswirkungen auf die Einteilung der Philosophiegeschichte und zeigt sich zum Beispiel darin, dass die ältere, biblische und orientalische Weisheit ausgeräumt und der Anfang der Philosophie entschieden nach Griechenland verlegt wird 25. Was die Scholastik angeht, bekräftigt Heumann deren Ausschluss in Anbetracht dreier Merkmale: die Eitelkeit der logischen und metaphysischen Speku22 23

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Cf. Heumann, Kennzeichen (nt. 1). Die Annahme fester Identifizierungskriterien der falschen Philosophie gilt bei Heumann als eine nötige Propädeutik des Philosophierens und der Geschichtsschreibung; cf. Heumann, Kennzeichen (nt. 1), 182: „Der grosse und prächtige Titel eines Philosophi ist eine schöne und ansehnliche Flagge/mit welcher sich aber auch ein Affter-Philosophus schmücken kan. Lässe sich nun iemand durch diesen Schein betrügen/der geräth einem rechten Räuber in die Hände/der ihm raubet (1) die edle Zeit/die wahre Weißheit zu studiren. Die Zeit aber ist ein Gut/dessen Verlust nicht wieder kan ersetzet werden. (2) Die Weißheit/indem er ihn mit lauter Thorheit anfüllet. (3) Die wahre Glückseligkeit/deren ohne die Weißheit niemand kan theilhafftig werden. […] Es ist also hochnötig/daß wir die Kennzeichen eines falschen und unächten Philosophi wissen/ um den Vogel gleich an seinen Federn zu erkennen: Damit wir in der Lehre zur Weißheit/im Leben aber zur Tugend mögen erbauet/und als zu wahren Philosophis gemachet werden.“ Cf. ibid., 183: „so haben wir sechs Kennzeichen der falschen und unächten Philosophorum. Das erste ist/wenn eine Philosophische Schule uns nichts anders/als einen Kram unnützer speculationen/vorleget/es mögen nun dieselben einen Grund haben oder nicht: Das andere/ wenn eine Philosophie sich bloß auf menschliche auctorität gründet: Das dritte/wenn die Philosophie auf den Sand der Tradition erbauet: Das vierdte/wenn die Philosophie mit dem Aberglauben und falschen Religion in vollkommener Freundschafft und Harmonie steht: Das fünffte/wenn die Philosophie sich in dunckele Rätzel oder Symbola verhüllet: Und endlich das sechste/wenn eines Philosophi Lehre die Tugend nicht zur Gefährtin hat/sondern eine boßhafftige Seele vor einem Gefäß der wahren Weißheit angesehen seyn will.“ Dazu cf. H. Zedelmaier, Der Anfang der Geschichte. Studien zur Ursprungsdebatte im 18. Jahrhundert (Studien zum achtzehnten Jahrhundert 27), Hamburg 2003, 96-132; H. Malev, A Philosophy of the Patriarchs? The Agenda behind Christoph August Heumann’s ,Acta Philosophorum‘, in: Journal of the History of Ideas 76 (2015), 517-539.

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lation (= i) 26, die sektiererische Aristotelesverehrung (= ii) 27 und der abergläubische Gehorsam gegenüber dem Papst und der Kirche (= iv) 28. Diese Stilisierung ist wohlbekannt; innovativ ist allerdings ihre Aneignung: Während die früheren Philosophiehistorien (bis Thomasius, Budde und Gentzken) vor diesem Hintergrund den narrativen Raum für die Scholastik auf vorurteilshafte Weise minimierten, theoretisiert Heumann die Tilgung der Scholastik aus einem nun methodisch fundierten Kanon der Philosophie. Das Ziel Heumanns besteht jedoch nicht darin, die historischen Zeugnisse der falschen Philosophie außer Betracht zu lassen. Heumann ist sich im Übrigen vollkommen dessen bewusst, dass die Ansprüche seines regulativen Philosophiebegriffes das Forschungsfeld der Philosophiehistorie äußerst reduzieren würden. Nicht zufällig fühlt er sich verpflichtet zuzugeben, „dass die meisten so genannten Philosophi des rechten Weges verfehlet haben/und daß wir so wenige Socrates in der Historia philosophica antreffen“ 29. Die Philosophiehistorie blendet deswegen nicht die Vorformen oder die Verfälschungen der Philosophie aus; vielmehr bestehe eine wichtige Aufgabe genau darin, die Schwelle zwischen der Philosophie und ihren Entstellungen im Verlauf der Geschichte sichtbar zu machen. Der Philosophiehistoriker muss den vorgegebenen Rahmen seines Philosophieideals sprengen und „das Reich“ 30 der falschen Philosophie erschließen, damit die Grenzlinie zwischen Echtem und Unechtem durch die Geschichte hindurch gezogen und gerechtfertigt werden kann. Die Periodisierung der Philosophiegeschichte, die Heumann in einem weiteren Aufsatz der ,Acta‘ schildert, spiegelt dieses Spannungsfeld zwischen Ein26

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29 30

Cf. Heumann, Kennzeichen (nt. 1), 184-186: „Die Scholastische Metaphysic heisset Recht Regina Scientiarum, nemlich vanarum et inutilium. […] Was aber die Mataphysic [sic] der Scholasticorum anlanget/so ist in derselben so vieles unnützes Zeug von distinctionibus und regulis philosophicis enthalten/daß gar wenig gute Perlen unter diesem Miste anzutreffen sind: wie Verulamius und andere schon vorlängst angemercket haben. […] Eben so ist es auch mit der Scholastischen Logic beschaffen/in welcher die blosse Syllogismus-Kunst mit so schweren und intricaten subtilitäten verdunckelt ist/daß/was man gar wohl innerbalb einer Stunde lernen könte/kaum in einem Jahre völlig zu fassen vermögend ist. Es ist freylich fast alles wahr/was in der Scholastischen Logic stehet/und kan mathematice demonstriert werden: Allein es sind gantz unnütze Lehren und unfruchtbare speculationes.“ Die letzte Aussage macht deutlich, dass die Diskreditierung der Scholastik als einer falschen Philosophie nicht primär auf einer Infragestellung ihrer doktrinellen Wahrheit beruht. Cf. ibid., 192 sq. Heumann koppelt unter diesem Gesichtspunkt die Scholastik mit der „barbarischen Philosophie“. Beide pseudophilosophischen Denkformen missbrauchen den philosophischen Titel, insofern sie eine abergläubische Unterordnung unter die religiöse Macht aufweisen. Cf. ibid., 222: „Denn die Closter-Philosophie führet diesen Nahmen nur abusive, und heisset eben so viel/ als virgo deflorata. Denn gleichwie die Philosophi barbarici ihren Verstand nur brauchen/die Abgötterey im Flor zu erhalten; also war auch die Philosophie der Münche zu nichts anders abgesehen/als das greuliche Pabstthum bey Ehren zu erhalten/und demselben eine Stütze nach der anderen unterzusetzen.“ Heumann, Wesen (nt. 18), 102. Ibid., 101.

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und Ausschließung wider 31. Heumann entwirft ein zweiteiliges Schema, in dem die christliche Offenbarung als konventionelle zeitliche Zäsur der Philosophiegeschichte fungiert 32. Für jede Periode inszeniert er auf makroskopischer Ebene jeweils einen Herausbildungsprozess der eklektischen Rationalität, die sich von vorphilosophischen und pseudophilosophischen Denkströmungen absondert: die Entstehung der Eklektik im antiken Griechenland (deren Helden Heraklitos, Sokrates und Aristoteles seien) und ihre Wiederherstellung im nachreformatorischen Europa (von Petrus Ramus bis zu Christian Thomasius). Heumann betrachtet die Philosophie gemäß ihrer wissenschaftlichen Form als eine griechische Errungenschaft, die einer allmählichen Emanzipation von der Superstition und der paganen Religion entsprang und eng mit der politischen Freiheit der griechischen Städte verknüpft war 33. Mit der zweiten Periode begann für das philosophische Denken eine Zeit der Gefangenschaft unter den Religionen, die erst durch die Reformation endete 34. Heumann lässt in seiner Gliederung weder das Mittelalter als eigenständige Epoche noch die mittelalterliche Scholastik als historische Gestalt auftreten. Die Zwischenzeit, die sich von der Geburt Christi bis zu Luthers Wirken erstreckt, erhält keine intrinsische Charakterisierung. Sie strukturiert sich vielmehr statisch nach einem zweifachen Ordnungskriterium, das sich an der Religionszugehörigkeit und an der Rezeption der antiken Schulen orientiert.

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Cf. Christoph August Heumann, Eintheilung der Historiae Philosophicae, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 3, 462-472. Zur Periodisierung bei Heumann (und besonders im Vergleich zu Brucker) cf. W. SchmidtBiggemann, Jacob Bruckers philosophiegeschichtliches Konzept, in: Schmidt-Biggemann/Stammen (eds.), Jacob Brucker (nt. 11), 113-134; und L. Braun, Histoire de l’histoire de la philosophie, Paris 1973, 127-133. Heumann rekonstruiert den Entstehungsprozess der Philosophie in Griechenland in einer unabhängigen Abhandlung. Hier klammert er die vorgriechische Tradition - sowohl die „barbarische“ Weisheit als auch die „einfache“ Lebensphilosophie der hebräischen Patriarchen, zwar mit unterschiedlichen Argumenten und einer differenzierenden Bewertung - als marginale Vorgeschichte des philosophischen Denkens aus; cf. Christoph August Heumann, Von dem Ursprung und Wachstum der Philosophie, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 2, 246-314, hier 289-290: „Die Philosophia Barbarorum ist philosophia falsi nominis […] Die Griechen aber haben zu allererst a religione publica abstrahiret/und sich auf die Untersuchung der Wahrheit ernstlich geleget. […] Bei denen alten Hebräern finden wir den Ursprung/(zwar nicht der Philosophie/aber doch) der schlechten und einfältigen Weißheit. In Chaldæa und Egypten/ sonderlich aber in dieser letzten Landschafft/sind nicht nur allerhand Künste/sonder auch das Studieren/(aber nicht das studium philosophicum,) ausgeübet und cultiviret worden. Die Griechen haben zu erst die Flügel ihres Verstandes in die Höhe geschwungen/und zu philosophiren angefangen.“ Dazu cf. Zedelmaier, Anfang (nt. 25) und Lehmann-Brauns, Weisheit (nt. 3), bes. 375-389. Cf. Christoph August Heumann, Eintheilung (nt. 31), 469: „Als endlich im XVIten Saeculo das Licht der Reformation einbrach/so muste auch die Philosophie eine reforme leiden/und nebst der neuen natürlichen Welt/welche Columbus und Americus Vesputius entdecket/und bekandt gemacht hatten/entstund auch recht eine neue Philosophische Welt.“

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Scholastica sive pseudophilosophia Partitio Historiae Philosophicae philosophia postchristiana ante reformatam religionem Ethnicorum

Christianorum

Epicureorum

Platonicorum

Cynicorum

Aristotelicorum

Muhammedanorum

Aristotelicorum

Judaeorum

Aristotelicorum

Stoicorum Aristotelicorum Platonicorum

Abb. 1: Heumanns Gliederung der Philosophiegeschichte von der Geburt Christi bis Luthers Wirken.

Die mittelalterliche Scholastik taucht zwar implizit unter dem Etikett der „christlichen Aristoteliker“ auf, sie bezeichnet jedoch nur eine der Überlebensbzw. Gefangenschaftsformen der antiken Philosophie unter der Bevormundung durch die Religionen. Der geschichtliche Verlauf der (wahren) Philosophie (und die Rückkehr der Eklektik) begann Heumann zufolge nach wieder mit der neueren Epoche. Die Philosophiegeschichte stellt im Spektrum der philosophischen Bemühungen die diachrone Entwicklung der Philosophie und ihrer Verdrehungen kritisch differenzierend nebeneinander. Der Philosophiehistoriker befasst sich in dieser Hinsicht mit der Scholastik als einer Alteritätsform, um die Gründe ihrer Abweichung vom Philosophieideal offenzulegen und ihre Ausgrenzung vom historischen Umfang der echten Philosophie konzeptuell zu verteidigen. Es ist bedeutsam, dass Heumanns wichtigster Beitrag zur Scholastikforschung im Jahre 1719 eine neue Ausgabe des ,De doctoribus scholasticis‘ von Adam Tribbechow war, die er mit einer praefatio versah. Der eloquente Titel seines Vorworts lautet ,De origine, appellatione, natura atque αœ σοφι´α Theologiæ ac Philosophiæ Scholasticæ‘, wobei der Terminus αœ σοφι´α den Anspruch signalisiert, den genauen historiographischen Status der Scholastik zu klären. Der Ursprung der Scholastik ist nach Heumann eng mit dem Theologie- und Philosophieunterricht in den Klöstern verbunden. Diese anfängliche Verortung sei das Symptom ihrer kirchlichen Subordination. Die Scholastik zeichnet sich nämlich durch einen päpstlichen Aberglauben aus, der sich der aristotelischen Dialektik als eines religiösen Herrschaftsmittels bediente 35. Heumann diagnosti35

Cf. Christoph August Heumann, Præfatio qua de origine, appellatione, natura atque αœ σοφι´á Theologiæ ac Philosophiæ Scholasticæ disputatur, in: Adamus Tribbechovius, De doctoribus scholasticis et corrupta per eos divinarum humanarumque rerum scientia liber singularis, Ienae 1719, xxii: „ Ex his discimus, philosophiam scholasticam accuratius describi non posse, quam si dicas, eam esse philosophiam in servitutem theologiæ Papæ redactam: а πρv˜ τον cευ˜ δοw Scholasticorum fuisse illam opinio-

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ziert das πρv˜ τον cευ˜ δοw der Scholastik gerade darin, dass sich die Philosophie der Theologie unterordnete. Dieser Urfehler, der dem Autonomieprinzip der Vernunft widerspricht, begründet nach Heumann die philosophische Unzulänglichkeit der Scholastik. Zwei Anmerkungen pointieren diese Position und lassen einen interpretativen Bruch mit der früheren, auch eklektischen Historiographie sichtbar werden. Die Kritik an der theologischen Appropriation der aristotelischen Lehre impliziert erstens keine Verwerfung des Aristoteles. Heumann wehrt sich gegen eine undifferenzierte Ablehnung des Stagiriten zusammen mit dem scholastischen Aristotelismus, die die Schuld der schlechten Interpreten auf den griechischen Philosophen projiziert 36. Aristoteles wird im Gegenteil als derjenige geschätzt, der die antike Eklektik bis zur wissenschaftlichen, demonstrativen Form perfektioniert habe. Daraus wird des Weiteren die These einer verhältnismäßigen Überlegenheit der Scholastiker über die platonisch geprägte Lehre der Kirchenväter abgeleitet, die auf der Ansicht basiert, dass Erstere im Rahmen eines mit Letzteren gemeinsamen, sektiererischen Irrtums zumindest einen besseren Lehrmeister ausgewählt hätten 37. Diese Stellungnahme distanzierte sich vom historiographischen Standpunkt des Christian Thomasius 38.

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nem, qua statuerunt, theologiam rectricem philosophiæ constituendam esse, a cuius nutu & imperio pendere debeant philosophi; philosophiam contra esse debere ancillam theologiæ.“ In einer Rezension der Studie von Jean de Launoy (1603-1678) über die Wirkungsgeschichte des Aristoteles an der Universität Paris (1656) hebt Heumann beispielsweise diesen kritischen Punkt hervor; cf. Christoph August Heumann, De varia Aristotelis fortuna in Academia Parisiensi liber Auctore Joanne de Launoy, Constantiensi, Theologo Parisiensi, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 1, Stück 4, 690-720, hier 711: „Denn was gehet denn diß den Aristotelem an? Oder was kann denn seine Philosophie darzu/daß die Scholastici so wunderliche und närrische Fragen in die Theologie gebracht haben? […] Man siehet als mehr als zu deutlich daß Launoius gegen die Aristotelische Philosophie einen recht grimmigen Affect hat/wodurch er sich bewegen lässet/den Aristotelem wider sein Wissen und Willen mit ins Spiel zu mengen/und ihn verhaßt zu machen.“ Cf. Christoph August Heumann, Kennzeichen (nt. 1), 195 sq.: „Unterdessen sind diejenigen sectarii noch glücklich/welche sich einen Philosophum verum zum Heerführer erwehlet haben. Denn diese gelangen doch zu vielen Wahrheiten/welche die Irrthümer an Menge weit übertreffen. Und dieses ist die Ursach/warum ich die Scholasticos noch glücklicher schätze/als die Patres Ecclesiæ. Denn diese hatten sich dem Platoni unterworffen/einem mit geringem judicio aber grossem Aberglauben/begabten Manne. […] Jene im Gegentheil/nemlich die Scholastici, waren unter das Joch des Aristotelis gerathen/eines allerdings judiciösen und Grund-gelehrten Mannes.“ Das gilt in zweifacher Hinsicht: in Bezug sowohl auf die Wertschätzung für Aristoteles vor Platon als auch auf die Präferenz für die Scholastiker vor den Kirchenvätern. Thomasius betrachtete zwar die Lehre der Kirchenväter als eine Abweichung vom apostolischen Modell eines frommen, philosophiefreien Christentums und kritisierte sie wegen der Vermischung der Offenbarungsinhalte mit der heidnischen Philosophie. Dennoch räumte Thomasius den Kirchenvätern einen eklektischen Umgang mit der Tradition ein, insofern sie sich trotz einer platonisierenden Vorliebe an keine Sekte der antiken Philosophie angliederten. Cf. Christian Thomasius, Introductio (nt. 1), c. 1, § 54, 26: „ Ex istis autem quatuor sectis Stoica & Platonica præ Aristotelica, tanquam contempta, & Epicurea, tanquam Stoicis & Platonicis maxime exosa, sibi conciliavit Patres Ecclesiæ, potissimum vero Platonica. Cui tamen sic dederunt operam, ut & ex aliis Philosophis verum excerperent, ut ita non

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In expliziter Abgrenzung zu Tribbechow präzisiert Heumann zweitens, dass der Urfehler der Scholastik nicht tout court in der Verwendung der Philosophie innerhalb des theologischen Diskurses bestand. Diese Aneignung war nur insofern verdreht, als dass sich eine „falsche Philosophie“ - falsch, weil unfrei und auf ein sophistisches Unterdrückungskonstrukt reduziert - dem theologischen Diktat des Papstes unterwarf 39. Die Scholastik habe jedoch nicht in der Überzeugung geirrt, dass man sich der Philosophie bedienen soll, um die Offenbarungsinhalte zu erläutern. Heumann verteidigt die These einer nötigen aktiven Allianz zwischen Philosophie und christlicher Theologie, die ihn zu einer nuancierten Verurteilung der Scholastik führt 40. Die fortdauernde Kritik am scholastischen Aristotelismus von Tribbechow bis zu Heumann versteckt hierbei eine signifikante Änderung im historiographischen Urteilsprinzip: Der Akzent liegt nicht mehr auf der scholastischen Verfälschung der Offenbarung durch die pagane Philosophie, wie bei Tribbechow, sondern auf der pseudophilosophischen Verwandlung der scholastischen Philosophie infolge ihrer theologischen Knechtschaft 41.

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mirari debeas, si videas asseri, plerosque Patrum fuisse Eclecticos.“ Dazu cf. Lehmann-Brauns, Weisheit (nt. 3), bes. 326-329. Cf. Christoph August Heumann, Præfatio (nt. 35), xxv-xxvi: „ Hæc nobiscum reputare diligenter debemus, ne nobis accidat, quod compluribus (nec Tribbechouius noster procul ab hac Scylla abfuit,) accidisse videtur, vt vna cum turpi illa Scholasticorum philosophia, quæ theologiam pessime contaminauit, augustoque illo & Sanctissimo philosophiæ nomine prorsus indigna est, simpliciter damnemus philosophiam, ac propemodum omni philosophiæ studio theologiæ cultoribus interdicamus: quæ quidem certe proxima est & compendiaria ad instaurandum Papismum via. Nequaquam igitur probo, quod nonnulli coniunctionem (quam inuidioso vocabulo mixturam vocant,) philosophiæ cum theologia simpliciter vitio vertunt Scholasticis.“ In Bezug auf Heumanns Auffassung der Theologie und seine dogmatischen Positionen als lutheranischer Theologe cf. W. Sparn, Philosophische Historie und dogmatische Heterodoxie. Der Fall des Exegeten Christoph August Heumann, in: H. G. Reventlow/W. Sparn/J. Woodbridge (eds.), Historische Kritik und biblischer Kanon der deutschen Aufklärung (Wolfenbütteler Forschungen 41), Wiesbaden 1988, 71-92; und I. Mager, Die theologische Lehrfreiheit in Göttingen und ihre Grenzen. Der Abendmahlskonflikt um Christoph August Heumann, in: B. Moeller (ed.), Theologie in Göttingen. Eine Vorlesungsreihe (Göttinger Universitätsschriften A/1), Göttingen 1987, 41-57. Heumanns Interpretation der Scholastik weicht in dieser Hinsicht vom Leitprinzip der historiographischen Rekonstruktionen ab, die über Tribbechow hinaus Christian Thomasius und früher vor allem dessen Vater Jacob verteidigt hatten. Denn jene diagnostizierten die Verdorbenheit der Scholastik primär anhand des Versuches, die pagane Philosophie mit der christlichen Offenbarung zu vereinbaren. In einem bibliographischen Bericht über die Biographie von Abaelard wiederholt Heumann explizit diese Distanzierung von der früheren Historiographie; cf. Christoph August Heumann, Lebens-Beschreibung Petri Abaelardi, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 3, Stück 16, 529-586, hier 578 sq.: „Mich wundert, daß etliche gelehrte Leute unserer Zeit dieses ungeschickte Urtheil ihres blinden Beyfalls gewürdiget haben, z. B. Iacobus Thomasius, Launoius, Georgius Hornius. Wie? kann denn die Philosophie nicht bey der Theologie bestehen? Ja vielmehr, kann wohl einer das studium Theologicum rechtmäßig tractiren, wenn er nicht in der Philosophie einen guten Grund geleget hat? Doch ich habe hiervon schon zur Gnüge geredet in obgedachter Vorrede an den Tribbechouium, und halte mich auch deswegen ietzt nicht herbey auf, weil heut zu Tage die Secte dererjenigen, welche die Philosophie und die Theologie vor unversöhnliche Feindinnen halten, ihr Ansehen verloren hat.“ - Zur Auffassung der Scholastik, die Jacob Thomasius (1622-1684) herausgearbeitet hatte, cf. G. Santinello, Jakob

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III. Br ucker und die Geschichte der falschen Philosophie(n) Heumann lieferte die methodischen Prolegomena eines historiographischen Unternehmens, das er nur stückweise durch einzelne, gezielte Studien voranbrachte. Jacob Brucker bekannte sich zur philosophiegeschichtlichen Konzeption Heumanns, bettete jedoch bei der Realisierung einer vollständigen, allumfassenden Philosophiegeschichte vom Weltanfang bis zur neueren Zeit diese Konzeption in eine modifizierte Erzählstruktur ein 42. In der ,Dissertatio praeliminaris‘, die den epistemologischen Ausgangspunkt der ,Historia critica philosophiae‘ offenlegt, übernimmt Brucker zwar fast wortwörtlich Heumanns Charakterisierungen der wahren und falschen Philosophie 43, gleichwohl lässt er sie eine andere Funktion in der Gesamtökonomie seines Vorhabens ausüben. Heumann projizierte nämlich diese Unterscheidung auf den geschichtlichen Prozess, um die historische Entwicklung der Philosophie von jener ihrer Entstellungen zu differenzieren. Es handelte sich dabei um eine Polarität, die der Geschichte immanent war. Eine aussagekräftige Analogie, die Heumann selbst einführt, exemplifiziert dieses geschichtliche Nebeneinanderbestehen: Die Pseudophilosophen tauchen als Gestalten der Philosophiehistorie auf wie die Häretiker in der Kirchengeschichte 44; sie gehören dieser Geschichte an, obgleich ihr Spezifi-

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Thomasius e il Medioevo, in: Medioevo. Rivista di storia della filosofia medievale 4 (1978), 173216. Cf. M. Longo, A ‘Critical’ History of Philosophy and the Early Enlightenment: Johann Jacob Brucker, in: Piaia/Santinello (eds.), Models (nt. 3), 477-577. Für eine Analyse der Dissertatio cf. auch G. Santinello, Il problema metodologico nella storia critica della filosofia di Jakob Brucker, in: id., Metafisica e critica in Kant (Collana di saggi e ricerche 3), Bologna 1965, 293-315. Zu den Quellen der philosophiegeschichtlichen Konzeption Bruckers cf. M. Longo, Geistige Anregungen und Quellen der Bruckerschen Historiographie, in: Schmidt-Biggemann/Stammen (eds.), Jacob Brucker (nt. 11), 159-186. Cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 5), vol. 1, Leipzig 1766, Dissertatio praeliminaris, § 15, 30 sq.: „ Etsi vero de characteribus falsae philosophiae dicendi locus hic non est; patebit tamen sine praeiudiciis acta philosophorum et veterum et recentiorum legenti, sectae studium, et quod secum trahit auctoritatis praeiudicium, superstitionem religioni naturali et reuelatae aduersum, occultandi veritatem studium, amorem speculationem inutilium, nihilque ad felicitatem hominis facientium, superbiam et contemtum aliorum, ex ipsis philosophorum principiis fluentem, erepta libere cogitandi et subtracta media, quaeque his similia sunt, philosophiam plerumque prodere falsam, et in eodem systemate, cui hi characteres applicari possunt, magnos et perniciosos errores deprehendi.“ In meiner Analyse der Auffassung Bruckers werde ich mich vornehmlich auf die ,Historia critica philosophiae‘ beziehen. Obwohl die ,Historia critica philosophiae‘ das Material der früheren ,Kurtzen Fragen aus der Philosophischen Historie‘ übernimmt und bearbeitet, lässt die lateinische Philosophiegeschichte Bruckers eine größere Selbständigkeit gegenüber Heumanns Vorgaben deutlich werden. Cf. Christoph August Heumann, Nachricht von einem neuen Spinozisten Henrico Wirmarsion, in: Acta philosophorum (nt. 1), vol. 2, Stück 7, 115 sq.: „Gleichwie in die Kirchen-Historie auch die Ketzer gehören […] also gehöret auch in die Historiam philosophicam die Nachricht von Enthusiastischen/Scholastischen/etc. ja gar von Atheistischen Philosophis. Denn obgleich diese Arten der Philosophorum diesen theuren Nahmen zur Ungebühr führen/so müssen sie doch mitgenommen werden/weil sie sich dem studio philosophico ergeben/und also von der Philosophie Profession gemachet haben. Denn nimmet man die Ketzer-Historie in der Historia ecclesiastica deswegen mit/weilen sie des rechten Weges in der Theologie verfehlet haben […]; so müssen in gleicher Absicht auch in der Historia philosophica die Pseudo-Philosophi mit vor

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kum durch eine Abweichung vom historisch immanenten Gang der wahren Philosophie bzw. der wahren Kirche definiert wird. Anders bei Brucker: Die regulative Idee einer wahren Philosophie umgrenzt nicht mehr den historischen Lauf der Philosophie, sondern weist auf den Zielpunkt hin. Brucker akzentuiert die teleologische Perspektive, indem die wahre Philosophie auf das Ende der Geschichte als genuine Eroberung der Moderne projiziert wird. Die falsche Philosophie profiliert sich infolgedessen nicht mehr als innerhistorische Antagonistin, die in Konkurrenz zur echten Philosophie steht, sondern als eigentliche Trägerin der gesamten vormodernen Etappe der Geschichte. „Cum enim veritas vna sit, error vero multiplex, in tot sectas discissa philosophia et tot enatis inter philosophos sententiarum divortiis infinita falsae philosophiae exempla extare necesse est.“ 45

Dieser Passus der dissertatio verrät die implizite Radikalisierung der Position Heumanns. Die Irrtümer substantiieren nach Brucker die historische Vielfalt der Philosophie, sodass die Beispiele der falschen Philosophie als nötige, primäre Akteure der historia erscheinen. Die Aufteilung in Sekten und überhaupt jede Meinungsverschiedenheit unter den Philosophen entspricht der synchronen Darstellung einer Pluralität, die wesentlich von Irrtümern geformt wird. Der Begriff der wahren Philosophie markiert dabei einen ideellen Brennpunkt, den der Philosophiehistoriker voraussetzt, um die diversen Verkörperungen der falschen Philosophie zu gruppieren und zu beurteilen. Die Distanzierung von Heumann resultiert noch deutlicher daraus, dass Brukker die Akteure seiner Erzählung zugleich in einem diachronen Horizont anordnet, der von der postulierten Teleologie regiert wird. Denn die exempla der falschen Philosophie entpuppen sich auf dem Terrain der Geschichte als Figuren eines Fortschrittes, der in die wahre Philosophie mündet 46. Die Philosophiegeschichte als Topik der Irrtümer wird bei Brucker zur dynamischen Repräsentation eines Fortganges von der Finsternis zum Licht (tenebris ereptus, veritatis luce collustratus), den die menschliche Vernunft als einheitliches Subjekt dieses Prozesses (historia intellectus humani ) über Irrwege vollzieht. Der eigentliche Gegenstand der Philosophiegeschichte sind daher die Manifestationen der falschen Philosophien, die aber, obgleich falsch, zusammen die Etappen einer Wahrheitsannährung bilden 47. Wenn man die oben erwähnte Analogie Heumanns auf das Narra-

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Augen gestellt/und deren Sophismata, oder/mit Bechers stylo zureden/ihre närrische Weißheit/ angezeiget werden.“ Ich verdanke Zornitsa Radeva dieses Heumann-Zitat. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 43), § 15, 30. Cf. ibid., § 7, 21: „ Est enim haec fatorum sapientiae humanae enarratio reuera historia intellectus humani, quae, quid ille valeat, qua ratione tenebris ereptus, et veritatis luce collustratus per varios casus, per tot discrimina rerum ad cognoscendam veritatem et felicitatem peruenerit, per quos anfractus aberrauerit, qua ratione reuocatus in regiam viam ad metam contenderit, quibusque mediis ita felicitati animi ministrauerit, luculenter edisserit, et ita expositis ingenii humani fatis, quae via supersit, quae syrtes vitandae, quis portus anhelandus, verbo, quid ab intellectu humano adhuc expectandum sit, exponit.“ Das bedeutet jedoch auf keinen Fall, dass nach Brucker die Wahrheit in der Moderne endgültig erreicht wurde. Die Philosophiegeschichte bleibt hingegen konstitutiv offen und weist anhand der Rekonstruktion vergangener Irrwege und Errungenschaften auf den Erwartungshorizont der Vernunft hin (quid ab intellectu humano expectandum adhuc sit ). Zur Fortschrittsidee in der Historiographie Bruckers cf. Longo, Historia philosophiae (nt. 14), bes. 113-115.

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tiv Bruckers übertragen möchte, sollte man sich die Kirchenhistorie überhaupt als eine Ketzergeschichte vorstellen, in der die wahre Kirche das Telos der Erzählung darstellt und sich erst am Ende der Geschichte realisiert. Als Korollarium dieses Erklärungsmodelles gilt die Identifizierung der wahren Philosophie mit der Eklektik, die Brucker im Unterschied zu Heumann als spezifische Auszeichnung der Moderne konzipiert 48. Diese Umdeutung der Theorie schafft offensichtlich einen neuen Raum und eine neue Relevanz für alle historischen Erscheinungen der Philosophie, die Heumann als falsch abgestempelt hatte - nicht zuletzt für die Scholastik. IV. Die scholastische Pseudophilosophie als Wider par t der Eklektik Die ,Historia critica philosophiae‘ erhebt den Anspruch, das innere System und die Irrtümer der falschen Philosophien der Vergangenheit herauszufinden, um deren jeweiligen Abstand von der Wahrheit zu messen 49. Insofern die wahre Philosophie als einheitliche Instanz am Schluss der Geschichte platziert wird, definiert sie das Vernunftideal, an dem Brucker die Systeme der Vergangenheit bemisst und in den historischen Verlauf einreiht. Diese Prämisse scheint an 48

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Der letzte Teil der Philosophiegeschichte gilt bei Brucker ausdrücklich als historia philosophiae eclecticae und zeichnet sich durch die Verwerfung des Sektiererischen und die Behauptung des freien Philosophierens aus. Das 17. Jahrhundert allein markiere laut Brucker sogar einen bedeutsameren Fortschritt in der Philosophie als alle vorausgehenden Jahrhunderte seit Anfang der Weltgeschichte; cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 5), vol. 4/2, praefatio (s.n.): „ Pandit enim [hoc ultimum volumen] historiam philosophiae eclecticae, quae abiecto inepto, quod tot secula philosophantium ingenia fascinauit, sectae studio, iusta animi libertate in ipsam rerum philosophicarum naturam inquirendo, ex domesticis principiis veritates praestantissimas detexit, sparsasque per innumeras sectas veritates aptis omnes locis atque articulus colligauit. […] Certe, ipsa veritate historiae concinente, licet affermare, vnius fere seculi spatio plus luminis, elegantiae et nitoris philosophiae succreuisse, quam tot seculorum decursu, quibus a mundi incunabulis ad seculum post orbem redemptum septimum decimum, vidit humana societas.“ Diese Auffassung des Eklektik-Begriffes als eines exklusiven Prädikats der Moderne koexistiert bei Brucker mit zwei anderen, in gewisser Weise korrelierten Verwendungen des Terminus. Wie Ulrich Schneider klargestellt hat, charakterisiert Brucker einerseits den Synchretismus des spätantiken Neuplatonismus als eklektisch (im pejorativen Sinne); andererseits „ gibt es bei Brucker gelegentlich den Hinweis, daß im Grunde alle Philosophen Eklektiker waren, insofern sie etwas Neues angefangen haben“; cf. U. J. Schneider, Das Eklektizismus-Problem der Philosophiegeschichte, in: Schmidt-Biggemann/Stammen (eds.), Jacob Brucker (nt. 11), 135-158, hier 136. Für eine Einordnung der Eklektik-Konzeption bei Brucker in die frühneuzeitliche Geschichte des Begriffes cf. M. Albrecht, Jakob Brucker und die Eklektik, in: Mitteilungen. Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg 15 (2005), 31-46. Die Rekonstruktion des Systems und dessen philosophische Überprüfung bilden bei Brucker zwei untrennbare Momente der historiographischen Praxis; dazu cf. L. Catana, The Historiographical Concept ,System of Philosophy‘. Its Origin, Nature, Influence and Legitimacy (Brill’s Studies in Intellectual History 165), Leiden-Boston 2008; and id., The Concept ,System of Philosophy‘: The Case of Jacob Brucker’s Historiography of Philosophy, in: History and Theory 44 (2005), 72-90.

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sich den uneingeschränkten Eintritt der Scholastik in die Philosophiehistorie zu rechtfertigen. Jedoch wäre es inexakt anzunehmen, dass Brucker die Scholastik bloß als „eine“ der vielen verfehlten Bemühungen konzeptualisierte, die in der Geschichte aufeinander folgten. Die Gründe für ihren historiographischen Einschluss liegen noch tiefer. Die Scholastik stellt sich nämlich als eine Anomalie heraus: Sie entspricht nicht einfach einer Gestalt unter den falschen Philosophien, sondern verkörpert die symmetrische Verkehrung und das Gegenbild der wahren philosophischen Vernunft. Hierin erblickt Brucker die unausweichliche Dringlichkeit der Scholastik als eines historiographischen Forschungsobjektes. Diese extreme Auffassung lässt sich daran veranschaulichen, dass sie zwei auffällige Ausnahmen von den Prinzipien nach sich zieht, die den Aufbau der Philosophiehistorie Bruckers regieren. Die erste Ausnahme betrifft die dynamische Einbeziehung der Scholastik in den Fortgang der Geschichte, die zweite die statische Konstruktion des scholastischen Denkgebäudes. 1. Eine negative Teleologie Das sichtbare Zeichen einer substantiellen Integration der Scholastik ist die Periodisierung der Philosophiegeschichte, die Brucker vornimmt. Er verlässt Heumanns zweiteiliges Schema und bevorzugt eine dreifache Gliederung, die der sperrigen Präsenz und der konzeptuellen Eigenständigkeit der zweiten Periode entspringt 50. Die mittlere Zeit leitet aber in ihrer Gesamtheit eine paradoxale Gegenerzählung ein, die den linearen und progressiven Fortgang der Vernunft von der Antike zur Moderne aufhebt und sogar invertiert. Auf makrohistorischer Ebene bedeutet dies nicht nur, dass das Mittelalter eine rückschreitende Auflösung der Errungenschaften der älteren Philosophie bewirkt, sondern auch dass die Moderne, deren Entwicklung auf der Antike aufbaut, zunächst einmal die Antike wiederherstellen muss, bevor sie tatsächlich beginnen kann. Es ist kein Zufall, dass die dritte Periode nach Brucker mit der vollständigen Wiederholung aller griechischen Sekten anfängt 51. Die Moderne gliedert sich 50

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Dazu cf. W. Schmidt-Biggemann, Jacob Bruckers philosophiegeschichtliches Konzept, in: Schmidt-Biggemann/Stammen (eds.), Jacob Brucker (nt. 10), 113-134, bes. 132 sqq. Bruckers Periodisierung der Philosophiegeschichte wird in der ,Dissertatio praeliminaris‘ geschildert; cf. Brucker, Historia critica (nt. 43), §§ 17-19, 38-45. Der Anbruch der dritten Periode wird als Wiederaufleben des vergrabenen Wissens der Antike (omnis eruditio sepulta) und Wiederherstellung der griechischen Philosophie (restituta philosophia veteris) beschrieben; cf. ibid., § 19, 44-45. Die Darstellungsweise der ersten Phase der dritten Periode wird strikt von der Klassifizierung der antiken Sekten abgeleitet; cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 5), vol. 4/1, lib. 2: De novis laboribus veterem philosophiam revocantium, 77-535. Zur Repräsentation der frühneuzeitlichen philosophischen Sekten und insbesondere der Peripatetiker bei Brucker cf. Z. Radeva, „Quo pacto ex philosophis interpretes Aristotelis facti sunt“. Die genuinen Peripatetiker der Frühen Neuzeit in Jacob Bruckers ,Historia critica philosophiae‘, in: U. Zahnd (ed.), Language and Method. Historical and Historiographical Reflections on Medieval Thought (Paradeigmata 41), Freiburg i. Br.-Berlin-Wien 2017, 281-307.

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daher in zwei Phasen: Vor dem eigentlichem Anbruch der Eklektik entdeckt die Renaissance (renatae litterae) jenes antike Wissen wieder, das die zweite Periode allmählich abgebaut hatte 52. Partitio Historiae Philosophicae tertia periodus

nova philosophia eclectica prima periodus

restauratio veteris philosophiae

secunda periodus

Abb. 2: Bruckers Entwicklungsschema der drei Phasen der Philosophiegeschichte.

Die Scholastikgeschichte spielt sich dementsprechend nach einem regressiven Dekadenzprinzip ab. Hierbei besteht die Neuerung Bruckers jedoch nicht darin, die innere Ausfaltung der Scholastik diachron als einen graduellen Verfall zu repräsentieren, denn in diesem Zusammenhang schöpfte er aus der verbreiteten Lehre der drei aetates, die sich seit 1580 mit dem Sentenzenkommentar von Lambert Daneau durchsetzte und noch von Adam Tribbechow repliziert wurde 53. Das Spezifikum Bruckers zeigt sich vielmehr in der Einbindung der zweiten Periode in eine negative Teleologie, die in der Scholastik kulminiert. Brucker identifiziert zwar weder die gesamte zweite Periode mit dem Mittelalter, noch das Mittelalter mit der Scholastik, denn die lateinische Scholastik ist ihm zufolge streng genommen ein kulturelles Phänomen, das sich vom 11. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts hinzog. Die Genese der Scholastik belegt allerdings einen polyzentrischen Prozess, der über die lateinische Welt und über das Mittelalter deutlich hinausgeht. 52

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Das Schema bildet cum grano salis das Fortschrittsmodell Bruckers ab. Es sei angemerkt, dass die graphische Exemplifizierung nur das makroskopische Verhältnis zwischen den drei Epochen veranschaulicht und nicht suggerieren soll, dass jedes einzelne System der Philosophiegeschichte bei Brucker konsequent als ein Voranschreiten gegenüber der Vergangenheit aufgefasst wird. Cf. T. Ricklin, Die aetas triplex der Scholastik. Zur philosophiehistorischen Genese einer verfemten Epoche, in: E. Angehrn/B. Baertsch (eds.), Philosophie und Philosophiegeschichte. La philosophie et son histoire (Studia Philosophica 61), Bern u. a. 2002, 153-175.

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Die Untersuchung über die Entstehung der Scholastik führt zu einer Ursprungserzählung zurück, die sich einerseits schon seit dem 5. Jahrhundert mit Augustinus’ Aneignung der paganen Dialektik anbahnt. Andererseits ist an der Perfektionierung der Scholastik auch jene Philosophie beteiligt, die seit dem 9. Jahrhundert in der islamischen Welt erarbeitet wurde 54. Brucker betont mit besonderem Nachdruck die Stufenartigkeit, die die Herausbildung der Scholastik charakterisiert. Die Scholastik bedeutet nämlich einen langen Untergangsprozess des philosophischen Wissens und ist nicht wie die meisten Sekten der Antike an den Namen eines Begründers gebunden 55. Die Frage nach dem punktuellen Aufkommen der Scholastik oder nach dem ersten scholastischen Philosophen, worüber die frühere Historiographie eingehend debattiert hatte, muss deshalb laut Brucker beiseitegelassen werden, weil sie die Eigentümlichkeit der Scholastik nicht begreift. Er plädiert vielmehr für ein „biologisches“ Entwicklungsmodell, das von der Empfängnis im 5. bis zur plena virilitas im 13. Jahrhundert mehrere Verfallsstadien unterscheidet 56. Die conceptio der Scholastik wird im einflussreichen Bestreben des Augustinus verortet, die platonische und stoische Philosophie bei der Auslegung der theologischen Dogmen anzuwenden 57. Die Schwangerschaft erstreckt sich bis zum 10. Jahrhundert und ist mit dem klösterlichen Monopol auf die Philosophie, welches religiösen oder kirchenpolitischen Zielen diente, verknüpft. Die eigentliche Geburt der Scholastik diagnostiziert Brucker im 11. Jahrhundert (saeculum totum dialecticum) anhand der Ausbreitung der Disputationen zwischen Nominalisten und Realisten, die die Dialektik nicht mehr als Mittel der Glaubenserklärung sondern als Selbstzweck einer zanksüchtigen Philosophie einsetzten. Von Abaelard bis Petrus Lombardus erlangte die Scholastik im 12. Jahrhundert die Kräfte der Jugend, sie etablierte sich an der Universität und lieferte die ersten Systematisierungen der theologischen Tradition auf philosophisch-dialektischer Grundlage. Das 13. Jahrhundert markiert schließlich das Erwachsenenalter 58: Durch die Allianz der aristotelischen Logik, die in der 54

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Zur Frage nach den Ursprüngen der Scholastik cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 6), 714735; und id., Kurtze Fragen (nt. 5), vol. 5, 897-931. Cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 6), 730: „ A certo doctore et tempore philosophiam Scholasticam deriuari non posse, vt Aristotelica philosophia ab Aristotele, Platonica a Platone, reliquaeque sectae Grecae a suis conditoribus deriuari solent. Non enim ab vno homine inuenta et producta, sed vt solent vitia et corruptiones sensim enata et propagata, et tandem obstetricante hominum auaritia et habendi cupiditate, ob insignem eam in rem vsum ad masculum robur perducta est.“ Diesbezüglich cf. auch ibid., 714 sq. Cf. ibid., 730: „ Ex hac breui vero conceptae nascentisque et adolescentis philosophiae Scholasticae historia […] manifestum est, de eius originibus ita statuendum esse, vt dicatur, a seculo V ad seculum VIII eam fuisse conceptam, seculo IX et X in vtero gestatam et formatam, seculo XI natam, seculo XII pueritiam et iuuentutem egressam, seculo vero XIII ad plenam virilitatem euectam, et tum spuriis plurimis ridicularum sectarum Formalium, Realium, Conceptualium, Nominalium, Scotistarum, Thomistarum, Occamistarum, Auerroistarum totum orbem philosophicum repleuisse.“ Cf. ibid., 722 sq. Über die historiographische Interpretation des Augustinus bei Brucker cf. G. Piaia, ,Philosophia Augustini qualis sit‘. Alle origini dell’immagine storico-filosofica di s. Agostino, in: Rivista di storia della filosofia 67 (2012), 759-773. Cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 6), 729: „ Maximas tamen vires recepit philosophia et theologia Scholastica, cum Aristotelis scripta quoque metaphysica per versiones confectas innotescerent, sicque sensim totus orbis Christianus fieret Aristotelicus.“

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vorherigen Zeit schon durch die Übersetzungen des Boethius rezipiert worden war, mit der nun wiederentdeckten aristotelischen Metaphysik, erlag die Christenheit einer vollständigen Aristotelisierung und perfektionierte eine spitzfindige Art der Lehre, die zur kompletten Ununterscheidbarkeit philosophischer und theologischer Prinzipien führte. Zu dieser verkehrten Vervollkommnung trug aber nach Brucker das allmähliche Durchdringen der arabisch-islamischen Philosophie ins Abendland entscheidend bei; diese sei dafür verantwortlich gewesen, der lateinischen Kultur ihren missverstandenen, angebeteten Aristoteles und eine Anwendungsmethode desselben auf die Theologie vermittelt zu haben 59. Der interpretative Vorschlag Bruckers ist in dieser Hinsicht vielsagend: er bestreitet zwar die These einer direkten Abstammung der Scholastik von der Kultur der Saraceni 60, indem er (ausgehend vom Platonismus des Augustinus) eine autonome Genese in der lateinischen Welt eruierte; er stellt dennoch eine so enge Verwandtschaft fest, dass er die Araber vorbehaltlos als Vorläufer der Scholastiker bezeichnet 61. Im Reifealter der lateinischen Scholastik fließen somit verschiedene Vorbereitungswege zusammen, die unabhängig voneinander die gleiche Denkart produzierten. Durch dieses historiographische Konstrukt gelangt Brucker zu zwei konzeptuellen Ergebnissen: zu einer artikulierten Scholastizierung des Mittelalters, die den Rahmen der Scholastikgeschichte im engeren Sinne sprengt; und einem Scholastikverständnis, das sich nicht uneingeschränkt auf die arabisch-aristotelische Wirkung im christlichen Abendland zurückführen lässt. Die Verschiebung von Heumann zu Brucker ist hier besonders markant: Was bei Heumann eine statische Kartographierung der Philosophien vor der Reformation war, die das Tradierte nach Religionen und Aufnahme der antiken Sekten rubrizierte, wird bei Brucker zur dynamischen, polyzentrischen Inszenierung einer scholastischen Genealogie. 2. Das fehlende System und die Scholastik als Methode Brucker beklagt die gravierende Lücke in der Geschichtsschreibung, welch letztere vor ihm keine angemessene historia philosophiae scholasticae vorgelegt hatte. 59 60

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Cf. ibid., 729 sq. und 887. Diese These schreibt Brucker ausdrücklich sowohl Tribbechow als auch seinem Lehrer Buddeus zu; cf. ibid. 687 und 717. Cf. ibid., 59. Auf ähnliche Weise drückte sich Brucker in den „Kurtzen Fragen aus der Philosophischen Historie“ aus: „Man ersieht hieraus, daß diese Arabischen Philosophi nichts anders als die Vorläuffer und Vor-Eltern der Scholastischen Philosophorum gewesen; wie dann auch die scholastische Theologie und Philosophie ihnen nicht nur sogleich siehet, als ein Ey dem andern, sondern auch diese schädliche Art zu philosophieren würcklich von den Spanischen Saracenen unter die Christen gekommen […] ist “ (Brucker, Kurtze Fragen [nt. 6], 130). Zur historiographischen Konstruktion der arabischen Philosophie bei Brucker und deren Verwandschaft mit der lateinischen Scholastik cf. König-Pralong, Me´die´visme philosophique (nt. 11), 47-56.

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Dabei fordert er nicht nur die historiographische Legitimität einer philosophischen Scholastikgeschichte ein, sondern unterstreicht auch deren erhebliche Bedeutung 62. Bruckers Behandlung gliedert sich in drei Teile: Anhand einer akribischen Quellenforschung dokumentiert er zunächst die Übertragung des scholastischen Wissens von den Kloster- und Kathedralschulen zu den Universitäten, wobei er parallel dazu die Phasen der Aristoteles-Rezeption untersucht. In einem zweiten Schritt bietet Brucker eine reiche Galerie von intellektuellen Biographien der Scholastiker, die mit Wilhelm von Champeaux eröffnet wird und bei Gabriel Biel aufhört. Im dritten Teil nimmt sich Brucker vor, die Natur und das Lehrgebäude der scholastischen Philosophie zu bestimmen. Hier offenbart sich aber die zweite prägnante Anomalie, die die historiographische Konstruktion der Scholastik charakterisiert. Brucker weicht zum ersten Mal von einer Herangehensweise ab, die den Duktus seiner ganzen Philosophiegeschichte geleitet hatte (more hactenus observato). Er verzichtet bei der Analyse der Scholastik explizit auf die Ermittlung eines doktrinellen Systems. „Quae [scil. ipsa scripta Scholasticorum] qui nunquam inspexit, nulla ratione comprehendet, quam profunda philosophia omnis labe correpta sit, et quam marcidi eius vultus compareant, quae spectra lemuresque in hos veritatis campos irrepserint, quantumque inde vera philosophandi ratio damnum passa sit. Quae quoque ratio est, cur systematis philosophiae Scholasticae delineationem, more hactenus obseruato, afferre nobis non liceat.“ 63

Laut Brucker kann letztendlich nur eine direkte Lektüre der Schriften den Verfallszustand der Scholastik veranschaulichen. Das Gesicht der Philosophie erweise sich als so entstellt, dass es fast unmöglich sei, sich über eine solch zerstreuende und frustrierende Leseerfahrung zu erheben und die Inhalte der Texte entlang ihrer systematischen Verbindung zu rekonstruieren. Damit nimmt Brucker zwar die angebliche Ungewissheit und Nutzlosigkeit der scholastischen Argumente ins Visier und bedauert zudem die Schwierigkeit, sich in der Menge der Quästionen und im Labyrinth der Meinungen zu orientieren 64. Diese Anmerkung ist jedoch nicht einfach polemisch oder abwertend, sondern lässt die Sonderrolle erkennbar werden, die der Scholastik im philosophiegeschichtlichen 62

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Cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 6), 709: „ Non ignobilem enim philosophiae medii aevi partem constituit historia philosophiae scholasticae. Dolendum autem neminem hactenus fuisse, qui iustae mensurae et conditionis historiam philosophiae Scholasticae scripserit, cum innumera sint, quae de ea observari mereantur, et quae sciri omnino literarum, praecipue sacrarum et philosophicarum, interest.“ Ibid., 870. Brucker verweilt mehrmals bei dieser Unmöglichkeit einer systematischen Rekonstruktion: „ Impossibile enim id esse, ipsa incertissima disputandi ratio, quaestionum ingens moles, distinctionum cateruae, opinionum diuersitas, immo ipsa, quae vna in Scholasticis laudari potest modestia; quae pauca definiuit, et per ambiguae disceptationis labyrinthos incerta decurrere maluit, demonstrant. Haec enim circumstantiae non patiuntur Scholasticorum doctrinam compendioso systematis nexu depictam in hoc theatro collocari “ (ibid., 891). In den ,Kurtzen Fragen‘ betont Brucker interessanterweise sogar die Unübersetzbarkeit der scholastischen Sprache ins Deutsche: „Man kann auch ihre notiones vagas & terminos nihili unmöglich Teutsch geben und vorstellig machen, wie wir bißher mit andern Systematibus gethan haben, wir müßten dann die Ubersetzung aus der Satyrischen Ubernatur-Lehre entlehnen, wozu wir weder Raum noch Zeit haben“ ( Jacob Brucker, Kurtze Fragen [nt. 6], 1290).

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Narrativ zugeschrieben wird. Die methodische Ausnahme enthüllt hier ein zentrales Merkmal der Interpretation. Ohne ein System als Prüfstein fehlen nämlich die Voraussetzungen für die kritische Evaluation der Scholastik; aus der Feststellung der intrinsischen Unmöglichkeit, einen Referenzpunkt für die beurteilende Messung zu fixieren, folgert der Philosophiehistoriker die erhebliche Entfernung der Scholastik vom wahren Philosophieideal (ab ipsa philosophia longissime differe) 65. Das Paradox der Scholastik als eines historiographischen Gegenstandes besteht aber gerade in ihrer vollen Einschließung in die ,Historia critica philosophiae‘, obwohl die Grundbedingung für ihre philosophische Lesbarkeit nicht gegeben ist 66. Die radikale Verschiedenartigkeit der Scholastik von der wahren Philosophie impliziert keine Disqualifizierung der Ersteren als unphilosophischer Kulturform, wie es für einen antiken Mythos oder eine Dichtung der Fall sein könnte. Die Scholastik ist vielmehr „pseudophilosophisch“ in einer gesteigerten Bedeutung, die gleichwohl die Scholastik aus den vergangenen Manifestationen der falschen Philosophie herausragen lässt 67. Die ratio philosophandi, die sich nach Brucker primär in der Ausarbeitung eines Systems zeige, findet in der Scholastik ihre historische Umkehrung, ihre Negation. Das bedeutet nicht, dass Brucker der Scholastik grundsätzlich jede Lehraussage aberkennt; ihre dok65

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Cf. ibid., 720-721: „ Et historia testetur, eam philosophiae, et praecipue dialecticae atque metaphysicae commixtionem cum sacris dogmatibus, quae theologiae Scholasticae nomine venire solet, ipsamque, quae in scholis Ecclesiasticis obtinuit, philosophandi et disputandi rationem, de qua heic loci proprie quaeritur, ab ipsa philosophia longissime differre, nec inter se ista commutanda esse. Vt autem proprius ad rem ipsam accedamus […] praemonendum esse existimamus, esse nobis sermonem de pseudo-philosophia illa medii aevii sectaria, […] quae confusis inter se rationis et reuelationis principiis, et adhibito auctoritatis praeiudicio maleque consarcinatis doctorum opinionibus, ipsa veri omnis principia euertit […] et dialecticis armis omnem veram philosophiam prostrauit, erroresque induxit quam plurimos.“ Wie oben erwähnt (cf. nt. 49), bildet bei Brucker die Reduzierbarkeit auf ein System die Voraussetzung für die philosophische Durchdringung einer jeden vergangenen Denkbemühung. Anhand des Systems ist der Philosophiehistoriker in der Lage, sein kritisches Urteil abzugeben und den Wahrheitswert einer philosophischen Lehre zu bestimmen. Diese Voraussetzung hängt wiederum mit einer Philosophieauffassung zusammen, nach der das System den eigentlichen Ausdruck, wenn nicht das officium, der philosophischen Vernunft darstellt. Das Vorhandensein eines Systems ist deswegen (unabhängig von den Fehlern, die in ihm diagnostiziert werden können), das Zeichen einer vernunftbasierten Denkanstrengung. Im Endeffekt liefert die systematische Übertragung bei Brucker einen indirekten Beweis dafür, dass der Philosophiegeschichte ein einheitliches, ideales Subjekt (intellectus humanus) zugrundeliegt. Aussagekräftig ist in dieser Hinsicht eine methodische cautela, die in der „Dissertatio praeliminaris“ dem Gesamtwerk vorausgeschickt wird; cf. Jacob Brucker, Historia critica (nt. 43), § 6, 15: „Vt itaque de sententia philosophorum sanum rectumque iudicium ferri queat, totum ex eorum scriptis systema ita eruendum est, vt ante omnia principia generalia, quae fundamenti loco toti doctrinarum aedificio subiiciuntur, eruantur, et his demum illae superstruantur conclusiones, quae ex istis fontibus sponte sua fluunt. Quemadmodum enim hoc praecipue philosophi officium, vt ex positis quibusdam principiis generalibus, specialia dogmata iusto nexu deriuet, ita eam interpretationem merito alteri praetuleris, quae cum toto systematis habitu et connexione conuenit apteque inter se cohaeret, etsi prima facie aliud dicere videatur. Quod vbi neglexeris, mira sententiarum confusione deceptus, nunquam ad veram philosophorum mentem rite cognoscendam peruenies.“ Es sei angemerkt, dass die falschen Philosophien der Vergangenheit, die Brucker in der Philosophiehistorie berücksichtigt, einschließlich der arabischen Philosophie auf der Grundlage einer systematisierenden Darstellung überprüft werden.

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trinellen Ausführungen erläutern allerdings weder die Natur der Scholastik, noch ihre eigentlichen Fehler 68. Die Abwesenheit eines scholastischen Systems signalisiert die Verlegung des Irrtums auf eine höhere Ebene, die der systematischen Formulierung wesentlich vorangeht und diese zugleich ausschließt. Kurzum: Brucker reduziert die Scholastik auf eine Methode, wobei sich die inhaltliche Aufstellung eines Fehlerkatalogs für die Schilderung dieser Denkweise als akzidentell herauskristallisiert 69. Die Scholastik, insofern sie mit dem Maßstab der wahren Philosophie gar nicht verglichen werden kann, löst sich in eine Methode auf, die den entferntesten Punkt vom Telos der modernen Eklektik repräsentiert. Aus der näheren Beschreibung der scholastischen Methode resultiert in aller Deutlichkeit, dass Brucker das Gegenbild dessen umreißt, was seit Christian Thomasius das eklektische Vernunftideal ausmacht: sie ist als Machtinstrument der kirchlichen Hierarchie autoritätshörig und unfrei; sie strebt keine nützliche und glücksrelevante Lehre an, sondern ist sophistisch, streitsüchtig und auf subtilitates gerichtet; sie vermischt die Prinzipien der Philosophie und der Offenbarung, und verdirbt beide. Die Dialektik verliert in den Händen der Scholastik ihre Ausrichtung auf die Wahrheit und erstarrt zu einer selbstbezogenen ratio disputandi, für die ein System entweder unmöglich ist oder sich als ein akzidenteller, vorläufiger Standpunkt im Dienste eines Streitgesprächs entlarvt. Das fehlende System und die Neutralisierung der Scholastik als reine Methode bilden nichts anderes als eine Übertragung jener negativen Teleologie, die die Scholastik als komplette Inversion des historischen Fortschrittsganges inszenierte, auf die Ebene der theoretischen Darstellung. Diese zwei Grundzüge schärfen die Konturen einer Interpretation, die die Scholastik als den Widerpart ausmalen, gegen den sich die moderne Eklektik definiert. Und gerade diese antithetische Natur macht sie nun zu einer unersetzbaren Gestalt der Philosophiegeschichte. V. Fazit Die Historiographie der Frühaufklärung rezipierte durchaus die Stereotypen der antischolastischen Polemik des Humanismus und der Reformation, und sie reproduzierte die Vorurteile der Geschichtsschreibung aus dem 17. Jahrhundert über das Mittelalter. Nicht minder wurde diese Scholastikkritik im Rahmen einer 68

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Brucker präzisiert, dass die philosophischen Inhalte der Scholastik, wenn überhaupt, einem falsch verstandenen Aristoteles entnommen wurden, und verweist den Leser diesbezüglich an seine Behandlung des Stagiriten; cf. ibid., 892. Getreu der typischen Vorgehensweise der ,Historia critica‘ wird dennoch im Folgenden der Zustand der einzelnen philosophischen Disziplinen (gemäß einem standardisierten Schema: Logik, Physik, Metaphysik, natürliche Theologie, Ethik, Recht und Politik) in der Scholastik kurz beschrieben. Cf. ibid., 870 sqq., bes. 871: „ Ex dictis vero constat, animam philosophiae Scholasticae et verum, ex quo conflata est, elementum fuisse dialecticam. Quae vero cum arte rationali confundenda non est, a qua vt scoriae ab auro, differt.“

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Mario Meliado`

neukonzipierten Disziplin aufgegriffen, die ihr Untersuchungsfeld anhand der Kriterien von Wahrheit und Irrtum festzulegen vorgab und einen starken judikativen Anspruch auf den Traditionsbestand erhob. Die philosophiehistorische Praxis löste sich von einer bloß archivarischen Inventarisierung der Vergangenheit und bestimmte die wissenschaftlichen Prämissen einer Aufgabe, die die Vergangenheit zum Gegenstand einer philosophischen Aufarbeitung zu erheben suchte. Die eklektische Revision der Disziplin forderte hierbei eine Begründung des stereotypen Scholastikbildes und modellierte daraus ein neues, artikuliertes Forschungsobjekt. Der Philosophiehistoriker übernahm bei Heumann und Brucker die Rolle eines Richters und kam fast zwangsläufig dazu, bei der Auslotung des Tradierten den Überlegenheitszustand jenes Philosophieideals zu rechtfertigen, mit dem er sich identifiziert. Die Philosophiegeschichte konstituierte sich als eine Sammlung von Urteilssprüchen über vergangene Lehrmeinungen, die die Ordnung des gegenwärtigen Denkmodells zu legitimieren suchte. Die rückblickende Erschließung der philosophischen Überlieferung fing an, durch eine Besinnung auf die vorherigen Irrwege, eine Dramaturgie des Fortschritts des modernen Denkens herauszuarbeiten. Der kritische und selektive Umgang mit der Tradition, der von der Eklektik beansprucht wurde, befreite die Scholastik langsam von der Marginalität, in die sie die frühere Geschichtsschreibung gerückt hatte. Paradoxerweise schaffte gerade der abwertende Mythos über den scholastischen Verfall, den zwei Jahrhunderte konfessioneller Kontroverse befestigt hatten, die inhaltlichen Voraussetzungen für die Umgrenzung eines historiographischen Ortes, an dem die Moderne das negative Spiegelbild ihrer Selbstbehauptung auffinden konnte. Diese Appropriation führte zu unterschiedlichen Ergebnissen. Heumann fasste die Scholastik als eine Verfälschung der Philosophie auf und erarbeitete ihre methodisch reflektierte Ausschließung aus dem historischen Lauf der wahren Philosophie. Dadurch definierte er zugleich erstmals die historiographische Legitimität der Scholastik mittels der Figur einer geschichtlichen Schwelle, an der die Abweichung der Philosophie von ihrer regulativen Natur exemplifiziert werden konnte (und musste). Brucker trat hingegen für die volle Einbindung der Scholastik in den Entwicklungsgang der Philosophiegeschichte ein. Diese interpretative Haltung ging zwar nicht mit einer Rehabilitierung des Mittelalters einher, doch mit der Theoretisierung ihrer einschneidenden Relevanz und Eigenständigkeit als Etappe der menschlichen Vernunft. Je radikaler sich die Verurteilung der Scholastik bei Brucker zeigt, desto klarer etabliert sich deren Funktion als Wendepunkt der Philosophiehistorie. Brucker stilisiert nämlich das Mittelalter zu einer Kontrastgeschichte, aus der die eklektische Vernunft hervorgeht, und konzeptualisiert nicht zuletzt die moderne Epoche als Emanzipation von der Scholastik.

„qui prius philosophati sunt de veritate …“ Mittelalterhistoriographie im Wandel Andreas Speer (Köln) I. Geschichtlichkeit des Denkens Es gibt Probleme mit der Philosophiegeschichtsschreibung im allgemeinen, und mit derjenigen des Mittelalters im besonderen. Das ist kein neues Phänomen. Wenn man nämlich die Geschichtlichkeit des philosophischen Denkens nicht grundsätzlich leugnet oder für peripher hält - ich lasse diese Position unberücksichtigt, da ich davon ausgehen kann, dass sie unter den Lesern dieses Artikels keine größere Anhängerschaft findet -, dann stellt sich immer noch die Frage, was die Geschichtlichkeit für den epistemischen Status philosophischer Argumente bedeutet. Vor allem aber bleibt offen, wie man die Geschichte jenes Diskurses, den wir Philosophie nennen, konzipieren und schreiben soll. Bei aller Unterschiedlichkeit philosophiegeschichtlicher Unternehmungen lassen sich gleichwohl Muster erkennen, die sich fast durchgängig wiederfinden. So liegt der Fokus im allgemeinen auf den großen Themen, Problemen und Ideen im Verein mit den vermeintlich bedeutendsten und einflussreichsten Personen, die diese Themen entscheidend geprägt, die Probleme vorangetrieben oder gar - zumindest aus einer bestimmten Perspektive - gelöst und einer Idee zum Durchbruch verholfen haben. Mitunter wird in diesem Zusammenhang noch auf Institutionen abgehoben, sofern sie einen Beitrag zum Fortbestand oder zur Etablierung einer philosophischen Thematik geleistet haben. Diese Muster weisen zumindest implizit, oftmals aber auch explizit eine teleologische Erzählrichtung auf. Gerade Philosophie- und Wissenschaftsgeschichten sind geprägt von einem am Fortschritt orientierten Erzählmuster, oftmals verbunden mit Aussagen, dass man hinter eine bestimmte Erkenntnis oder Position nicht mehr zurückfallen könne. Dahinter steht die Überzeugung einer selbstevaluativen Kraft der wissenschaftlichen Vernunft, gleich ob man diesen Prozess im Popperschen Sinne intrinsisch als der Logik der Forschung inhärent begreift oder im Kuhnschen Sinne die Entstehung des Neuen oder gar die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen unter Rekurs auf die Kontextbedingungen und Akteure zu rekonstruieren sucht 1. 1

Cf. K. Popper, Logik der Forschung, Wien 1935, 11. Aufl., Tübingen 2005; T. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt a. M. 1973 [engl. Übersetzung: The Struc-

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Das Bewusstsein um die Geschichtlichkeit des Denkens ist der Philosophie im übrigen von Anfang an inhärent, wie uns ein archäologischer Blick vor Augen führt. Er bestimmt bereits die erste Philosophiegeschichte, in der Philosophie und Wissenschaft synonym gebraucht sind - eine Gleichsetzung, die für sehr lange Zeit maßgeblich geblieben ist. Die Rede ist von keinem geringeren als Aristoteles, der im ersten Buch seiner ,Metaphysik‘ just dann von der Notwendigkeit spricht, sich auf diejenigen zu beziehen, „die vor uns das Seiende erforscht und über die Wahrheit philosophiert haben“ 2, wenn es um die entscheidende Frage nach der Natur der gesuchten Wissenschaft geht, die Gegenstand und Thema der genannten Schrift ist. Denn auch diese hätten von gewissen Prinzipien und Ursachen gesprochen, die für die eigene Erörterung von Nutzen seien, sei es dass eine andere Art von Ursachen gefunden oder die bereits genannten bestätigt würden 3. Denn jene absolute Annahmen (absolute presuppositions), die - so Robin George Collingwood - der Metaphysiker zu erfassen und einzuordnen versucht, sind Voraussetzungen für Fragen, wie sie von den Wissenschaften gestellt werden, aber keineswegs Antworten auf diese Fragen. Sie können daher selbst nicht ohne die historisch aufzuklärenden Fragen verstanden werden, auf die sie eine Antwort formulieren 4. Die Einbeziehung auch der Metaphysik in geschichtliche Entwicklungsprozesse ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, sich in einer gegebenen Situation für einen bestimmten Zugang entscheiden zu müssen, ohne dass wir sicher sein könnten, von diesem Zugang aus die aufgeworfene Frage vollständig beantworten zu können. Somit gewinnt Aristoteles seine Antwort zunächst im Rekurs auf die Theorien vornehmlich der Ionischen Naturphilosophen, die er vorfindet und die er zum Teil ausführlich darstellt und diskutiert, um zu zeigen, wie ein jeder seiner Vorgänger, „wie gesagt, von der Wahrheit selbst genötigt , das nächstfolgende Prinzip zu suchen“ 5, wenn die bisherige Antwort sich als unzureichend erwies. Mit Recht müsse man daher, so formuliert dann auch Aristoteles seine hermeneutische Leitvorstellung, „nicht bloß gegenüber denjenigen dankbar sein, deren Ansichten man zustimmt, sondern auch gegenüber denen, die ihre Lehren mehr an der Oberfläche gehalten haben. Denn auch sie trugen dadurch etwas bei, daß sie unsere Fähigkeiten übten und vorbildeten“ 6. Als

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ture of Scientific Revolutions, Chicago 1962, 21970]; id., Die Entstehung des Neuen. Studien zur Struktur der Wissenschaftsgeschichte, ed. L. Krüger, Frankfurt a. M. 31988. Aristoteles, Met., I [A], c. 3, 983b 1-3: „oÕμω δε` παραλα´ βωμεν και` του`  προ´ τερον h«μω˜ ν εiÕ eœπι´οκεψιν τv˜ ν oντων eœλθο´ ντα και` φιλοσοφη´ σαντε περι` τη˜  αœ ληθει´α.“ F. ibid., 983b 3-6. Cf. R. G. Collingwood, An Essay on Metaphysics, revised ed. by R. Martin, Oxford 1998, 34-57. Aristoteles, Met., I [A], c. 3, 984b 9-11: „πα´ λιν y«π« αyœτη˜  τη˜  αœ ληθει´α, vÕσπερ εiÕπομεν, αœ ναγκαζο´ μενοι τη` ν eœχομε´ νμν eœζη´ τησαν αœ ρχη´ ν.“ Ibid., II [a], c. 1, 993b 11-14: „οy« μο´ νον δε` χα´ ριν eχειν δι´καιον του´ τοι v˜œ ν α ν τι κοινω´ σαιτο ται˜ δο´ ξαι, αœ λλα` και` τοι˜ eœπιπολαιοτε´ ρω αœ ποφηναμε´ νοι· και` γα` ρ οyÕτοι ουνεβα´ λοντο τι· τη` ν γα´ eÕξιν προη´ σκησαν h«μω˜ ν.“

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ein praeambulum der wissenschaftlichen Untersuchung bezeichnet auch Thomas von Aquin die Berücksichtigung früherer Meinungen 7. Doch dieses historische Bewusstsein hat einen wirkmächtigen Subtext. Es ist eng verbunden mit einem Bewusstsein von Irrtum und Fortschritt. Hierbei sind die Rollen klar verteilt: Es sind stets die Nachfolgenden, die gegenüber ihren Vorgängern in der Erkenntnis der Wahrheit voranschreiten, während diese bestenfalls einen Beitrag zur Ausbildung jener heuristischen Fähigkeiten beitrugen, die für die kollektive Arbeit am wissenschaftlichen Fortschritt die Voraussetzung bilden. Dass die Arbeit am wissenschaftlichen Fortschritt eine kollektive Arbeit ist, leitet Thomas von Aquin in seinem Kommentar zu dieser Passage aus Aristoteles Metaphysik aus der Beschränkung seitens unserer Vernunft („propter defectum intellectus nostri “) ab 8. Daraus folgt die Notwendigkeit, dass die Menschen einander bei der Erkenntnis der Wahrheit unterstützen, denn niemand sei hierzu allein in der Lage 9. Daher gebe es eine historische Sukzession derer, die sich auf diese Suche begeben haben 10. Auch Averroes betont in einem Exkurs zu dieser Passage in seinem großen Kommentar zur ,Metaphysik‘ des Aristoteles die Dankbarkeit und Ehrerbietung der Neueren gegenüber den Vorgängern und stimmt Aristoteles zu, dass sich die Dankbarkeit nicht nur auf die beschränkt, die uns wahre Ansichten gelehrt haben und deren Ansichten den unseren gleichen, sondern auch denjenigen gegenüber, „deren Ansicht nicht die unsere ist, denn auch sie haben durch das, was sie über die Untersuchungen der Dinge gesagt haben, unsere Intellekte gefördert und uns dadurch ein Vermögen verschafft, die Wahrheit zu erfassen“ 11. Das Vorbild in dieser Haltung ist Aristoteles selbst, „der trotz der Geringfügigkeit dessen, was seine Vorgänger an Erkenntnis der Wahrheit besaßen, 7

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Cf. Thomas von Aquin, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis expositio, I, lect. 4, n. 72, edd. M.-R. Cathala/R. M. Spiazzi, Turin-Rom 1950, 23: „Dicit ergo, quod quamvis de causis tractatum sit in Physicis, tamen nunc accipiendum est opiniones philosophorum, qui prius venerunt ad perscrutandum naturam entium, qui prius philosophati sunt de veritate quam Aristoteles; quia et ipsi causas et principium ponunt. Nobis igitur, qui eis supervenimus, considerare eorum opiniones, erit aliquid “prius”, idest aliquod praeambulum, “methodo”, idest in arte, quae nunc a nobis quaeritur.“ Ibid., II, lect. 1, n. 282, 82: „Unde manifestum est, quod difficultas accidit in cognitione veritatis, maxime propter defectum intellectus nostri.“ Cf. ibid., n. 287, 82: „Ostendit quomodo se homines adinvicem iuvant ad considerandum veritatem. Adiuvatur enim unus ab altero ad considerationem veritatis dupliciter.“ Cf. ibid., n. 288, 82: „Est autem iustum ut his, quibus adiuti sumus in tanto bono, scilicet cognitione veritatis, gratias agamus […], non solum his, quos quis existimat veritatem invenisse, quorum opinionibus aliquis communicat sequendo eas; sed etiam illis, qui superficialiter locuti sunt ad veritatem investigandam, licet eorum opiniones non sequamur; quia isti etiam aliquid conferunt nobis. Praestiterunt enim nobis quoddam exercitium circa inquisitionem veritatis.“ Ibn Rusˇd, Tafsı¯r ma¯ bad atø-tøabı¯a (= Großer Kommentar zur Metaphysik des Aristoteles, grieschich-arabische Übersetzung), ed. M. Bouyges (Bibliotheca Arabica scholasticorum, Se´rie arabe 5-7), Beirut 1938-1948, 9.6-10.16; zitiert nach D. Wirmer, Das ,spezielle Religionsgesetz der Weisen‘. Ibn Rusds (Averroes’) Auffassung von Philosophie und ihre Kontexte, in: H. Eichner/ M. Perkams/C. Schäfer (eds.), Kleines Handbuch der islamischen Philosophie, Darmstadt 2013, 314-339, hier 315.

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und der Größe dessen, was er nach ihnen an Wahrheit gebracht hat und was er allein besitzt “, sich zu dieser Dankbarkeit gegenüber den Vorgängern verpflichtet fühlte. Die ihm - Aristoteles - gemäße Dankbarkeit - so schließt Averroes - bestehe nun darin, seine Darlegungen sorgfältig zu studieren, zu kommentieren und allen Menschen zu erläutern. Dies fordere im übrigen auch das Religionsgesetz, da die wahre Philosophie zur wahrheitsgemäßen Erkenntnis des Wesens des Schöpfers führe 12. Die wahre Philosophie besteht also in der möglichst genauen und präzisen Auslegung der Philosophie des Aristoteles. Indem Averroes auf diese Weise Aristoteles aus der Geschichte herausnimmt und in die Struktur menschlicher Erkenntnis einschreibt, sichert er sich selbst als Interpret und Philosoph einen unmittelbaren Zugang zur Wahrheit. Damit verschränken sich, so David Wirmer, eine historische und eine ontologische Perspektive, d. h. die Einsicht in die konkreten geschichtlichen Voraussetzungen jeder Erkenntnis und die deshalb erforderliche Kooperation über einen langen Zeitraum hinweg vor dem Hintergrund der Voraussetzung eines vollkommenen Erkenntnisprinzips, das in der Philosophie des Aristoteles besteht 13. II. antiqui und moder ni Es gibt noch ein weiteres historiographisches Motiv, welches das Verhältnis von alt und neu, von „antiquus“ und „modernus“ auf prominente Weise artikuliert: das Motiv des auf den Schultern des Riesen sitzenden Zwerges, der allein auf diese Weise weiter als der Riese zu sehen vermag. Dieses Bild findet sich im dritten Buch des ,Metalogicon‘ des Johannes von Salisbury, in dem er am Beispiel der Aristotelesschrift ,Perihermeneias‘ den Nutzen des Lernens am Vorbild der Alten behandelt und darüber hinaus die Frage nach dem Verhältnis von „moderni “ und „veteres“ stellt. „Unser Zeitalter“, so führt Johannes aus, „ genießt nämlich die Begünstigung des voraufgehenden Zeitalters, und oftmals weiß derjenige mehr, der nicht durch seine Erfindungsgabe vorangeht, sondern sich auf fremde Kräfte stützt und auf die reiche Lehre der Väter“ 14. Daher gebührt der alten Zeit stets die größere Achtung, auch wenn der Sinn der Alten und der Neuen derselbe ist 15. In diesem Zusammenhang greift Johannes das Wort Bernhards von Chartres auf, „wir seien gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen säßen, damit wir mehr und weiter als diese sehen könnten, nicht durch die Schärfe des eigenen Sehvermögens oder die herausragende Gestalt des eige12 13 14

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Ibid. Cf. D. Wirmer, Das ,spezielle Religionsgesetz der Weisen‘ (nt. 11), 322 sq. Johannes von salisbury, Metalogicon, III, 4, ed. J. B. Hall (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 98), Turnhout 1991, 116,44-46: „Fruitur tamen aetas nostra beneficio praecedentis, et saepe plura nouit non suo quidem praecedens ingenio, sed innitens uiribus alienis, et opulenta doctrina patrum.“ Cf. ibid., 116,33-34: „Licet itaque modernorum et ueterum sit sensus idem, uenerabilior est uetustas.“

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nen Körpers, sondern weil wir durch die Größe der Riesen in die Höhe hinaufgeführt und emporgehoben werden“ 16. Nach der angeführten Begründung verschiebt sich offensichtlich die Perspektive zugunsten des Zwerges. Denn es bleibt nicht bei der schier erdrückenden Übermacht der Tradition, an die man bestenfalls heranzureichen vermag, um ihr dann doch wiederum den Vortritt lassen zu müssen. Der Zwerg verharrt mithin auch nicht ehrfurchtsvoll vor der übermächtigen Tradition, sondern klettert keck auf die Schultern des Riesen, weil er mehr und weiter als dieser sehen will. In diesem „plura et remotiora videre“ erblickt Walter Haug eine neue Nuance gegenüber der antiquus-modernus-Diskussion um die Mitte des 12. Jahrhunderts 17. Zum Vergleich verweist Haug auf Wilhelm von Conches, der sich in seinen Priscian-Glossen etwa dreißig Jahre vor Johannes von Salisbury gleichfalls auf den Zwerg-Riese-Vergleich beruft. Die moderni seien zwar bisweilen scharfsichtiger (perspicaciores) als die antiqui, da sie die ganze Tradition überblickten - so wie die Zwerge auf den Schultern der Riesen -, die diese erst hätten schaffen müssen; aber, so betont Wilhelm, die Jüngeren seien nicht weiser (sapientiores) als die Älteren 18. Ja, wenn die Jüngeren überhaupt mehr sähen als die Älteren, dann nur unter dem Vorbehalt, weil „unsere Schriften klein und ihren großen Werken hinzugefügt sind“. Aber selbst dann erweist sich unser Erfindungsgeist (ingenium) und unsere eigene Leistung (labor) weit eher als das Verdienst jener Alten 19. Denn „wir sind Berichterstatter und Ausleger des Alten, nicht Erfinder von Neuem“ 20. Demgegenüber klingt in der Auslegung des Zwerg-Riese-Bildes bei Johannes von Salisbury die Überzeugung durch, dass die Jüngeren den Alten nicht nur gleichkommen können, dass ihr möglicher Vorsprung nicht allein in 16

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Ibid., 116,46-50: „Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora uidere, non utique proprii uisus acumine aut eminentia corporis, sed quia in altum subuehimur et extollimur magnitudine gigantea.“ W. Haug, Die Zwerge auf den Schultern der Riesen. Epochales und typologisches Geschichtsdenken und das Problem der Interferenzen, in: R. Herzog/R. Koselleck (eds.), Epochenschwelle und Epochenbewußtsein (Poetik und Hermeneutik 12), München 1987, 167-194, hier 169 sqq. Textauszüge aus den noch unedierten, in zwei Redaktionen überlieferten ,Priscian-Glossen‘ finden sich bei E´. Jeauneau, Deux re´dactions des gloses du Guillaume de Conches sur Priscien, in: id., „Lectio Philosophorum“. Recherches sur l’E´cole de Chartres, Amsterdam 1973, 335370, 358 [zuerst erschienen in: Recherches de the´ologie ancienne et me´die´vale 27 (1960), 214247]: „Bene dicit quia moderni perspi*caciores+ sunt quam antiqui, sed non sapientiores. Antiqui non habuerunt scripta nisi ea que ipsi composuerunt. Nos autem habemus omnia eorum scripta et omnia insuper que ab initio usque ad nostrum tempus fuerunt composita. Et ita plura perspicimus il(lis sed) non plu(ra sapi)mus.“ Cf. W. Haug, Die Zwerge auf den Schultern der Riesen (nt. 17), 170. Priscian-Glossen, ed. Jeauneau (nt. 18), 358: „Similiter et nos plura videmus antiquis, quia scripta nostra parva et magnis eorum operibus superaddita, sed non ex ingenio et labore nostro, immo illorum […].“ Ibid., 357: „Vel dicamus quod sumus relatores et expositores veterum, non inventores novorum.“ E´. Jeauneau, Nains et ge´ants, in: M. de Gandillac/id. (eds.), Entretiens sur la Renaissance du 12e sie`cle, Paris 1968, 21-38, 25, erblickt in diesem Satz eine „re´flexion d’un bon artisan de la du 12e sie`cle“. Gegen diese Interpretation wie auch gegen Jeauneaus Auslegung des Zwerg-Riese-Bildes im Sinne eines epochalen Fortschrittsbewußtseins - und zwar im allgemeinen, aber auch mit Bezug auf Wilhelms ,Priscian-Glossen‘ - hat W. Haug, Die Zwerge auf den Schultern der Riesen (nt. 17), 169 sqq., mit Recht Vorbehalte angemeldet.

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einem besseren Überblick besteht, der eher als Privileg des später Geborenen denn als eigenes Verdienst aufzufassen ist, sondern dass die moderni sogar mehr und vor allem weiter zu sehen vermögen als die veteres - auch wenn dieser Fortschritt auf die Tradition angewiesen bleibt. Denn erst diese verleiht die notwendige Sehschärfe (uisus acumen) und ermöglicht durch ihre Größe, dass wir „in die Höhe hinaufgeführt und emporgehoben werden“ 21. Damit wird das Motiv bei Bernhard, Wilhelm und Johannes zum Ausdruck jenes neuen Aufbruchs zu einer scientia naturalis, einem „eveil me´taphysique“, der Hinwendung zu Logik und wissenschaftlicher Methode - kurz zum Ausdruck dessen, was Wolfgang Kluxen als einen Prozess der Rationalisierung und Verwissenschaftlichung bezeichnet hat, die der Rezeption und Übersetzung des ganzen Corpus Aristotelicum und seiner arabischen Kommentatoren den Boden bereitet und den unvergleichlichen Siegeszug des aristotelischen Wissenschaftsmodells und der aristotelischen Philosophie vorbereitet hat 22. Diese trifft auf eine andere Fortschrittsgeschichte, die jedoch schon ihre Vollendung erreicht zu haben schien. Ich spreche von Augustinus, der etwa in seiner Schrift ,De vera religione‘ oder im achten, aber auch im neunten und zehnten Buch von ,De civitate Dei‘ die Geschichte der antiken Philosophie in der Absicht erzählt, dass sie in der vera philosophia kulminiert, die nichts anderes ist als das Christentum. Dieses historiographische Modell des Augustinus basiert gleichfalls auf einem Bewusstsein von Fortschritt und Irrtum, doch steht es - anders als das generative Wissensmodell des Aristoteles - in der Linie des platonischen Narrativs einer Entdeckungsgeschichte der immer schon anwesenden, nur gegenwärtig teilweise oder gänzlich verdeckten ursprünglichen Präsenz zeitübergreifender, ewiger Ideen. Irrtum und Fortschritt bemessen sich mithin klarerweise daran, inwiefern man diesen Ideen nahekommt oder diese verfehlt. III. For tschrittsnar rative Beide Modelle, das wissensgenerative Fortschrittsmodell des Aristoteles und das ebenfalls auf einem Bewusstsein von Fortschritt und Irrtum basierende Mo21

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Cf. erneut Johannes von Salisbury, Metalogicon, III, 4, ed. Hall (nt. 14), 116,46-50: „Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora uidere, non utique proprii uisus acumine aut eminentia corporis, sed quia in altum subuehimur et extollimur magnitudine gigantea.“ Hierzu cf. A. Speer, The Scientific View, in: R. Hofmeister-Pich e.a. (eds.), Homo - Natura Mundus: Human Beings and their Relationships (Proceedings of the XIVth International Congress of the SIEPM - Porto Alegre, Brazil, July 24-28, 2017) [in Vorbereitung für den Druck]. Cf. auch W. Kluxen, Der Begriff der Wissenschaft, in: P. Weimar (ed.), Die Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, Zürich-München 1981, 273-293 [Wiederabdruck in: W. Kluxen, Aspekte und Stationen der mittelalterlichen Philosophie, ed. L. Honnefelder/H. Möhle, Paderborn 2012, 381-398]; ferner G. Wieland, Rationalisierung und Verinnerlichung. Aspekte der geistigen Physiognomie des 12. Jahrhunderts, in: J. P. Beckmann e.a. (eds.), Philosophie im Mittelalter. Entwicklungslinien und Paradigmen, Hamburg 1987, 61-79.

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dell einer auf das Christentum zulaufenden vera philosophia, haben einen großen Einfluss auf das Selbstverständnis der lateinischen Denker. Sie bilden den Subtext zu manchen der Auseinandersetzungen, denen in den letzten Jahrzehnten eine große Aufmerksamkeit entgegengebracht worden ist. So wendet sich etwa Bischof E´tienne Tempier in seinem Brief, den er den 219 Thesen des ,Symbolum Parisinum‘ voranstellt, gegen die Vorstellung einer wahren und einer falschen Weisheit 23. Eine solche Behauptung nämlich liefe gemäß der wirkungsvollen rhetorischen Zuspitzung des Pariser Bischofs auf die Annahme zweier gegensätzlicher Wahrheiten (duae contrariae veritates) hinaus, von denen nur eine im eigentlichen Sinne gelten könne 24. Eine der Wahrheit der Schrift widersprechende Wahrheit daher sei eine falsche Weisheit (falsa sapientia), die von der wahren Weisheit (vera sapientia) vernichtet würde, getreu dem biblischen Diktum „perdam sapientiam sapientium“ ( Jes 29,14; 1 Kor 1,19-20), das Bischof Tempier ebenso wie Petrus Johannis Olivi zu Beginn seines Traktates ,De perlegendis philosophorum libris‘ zu seinem Leitspruch erhebt 25. In historiographischer Hinsicht führt der genannte Gegensatz zwischen den beiden Fortschrittsnarrativen zur „Erfindung“ des Mittelalters durch Petrarca und seine Humanistenfreunde. Dieser gestaltet seine dem eigenen Bekunden nach auf einer Bootsreise auf dem Po konzipierte Invektive ,De sui ipsius et multorum ignorantia‘ als Auseinandersetzung mit den Anhängern des Aristoteles, die diesen, obgleich sie ihn nicht verstehen, anbeteten, während sie Christus verlachten und die Anhänger des Glaubens (fidei sectatores) angriffen. „Jede Ansicht “ - so Petrarca -, „die von der ihren abweicht, gilt bei ihnen als Unwissenheit, während es doch die höchste Weisheit ist, mit denen, die irren, nicht einer Meinung zu sein“ 26. Petrarcas Humanismus ist demnach keine Rückkehr 23

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Epistola scripta a Stephano episcopo Parisiensis anno 1277, ed. D. Piche´, in: id., La condamnation parisienne de 1277. Nouvelle e´dition du texte latin, traduction, introduction et commentaire, Paris 1999, 74: „Dicunt enim ea esse uera secundum philosophiam, sed non secundum fidem catholicam, quasi sint due contrarie ueritates, et quasi contra ueritatem sacre scripture sit ueritas in dictis gentilium dampnatorum, de quibus scriptum est: “Perdam sapientiam sapientium”, quia uera sapientia perdit falsam sapientiam.“ Ibid. Hierzu cf. R. Hissette, Enqueˆte sur le 219 articles condamne´s a` Paris le mars 1277 (Philosophes Me´die´vaux 22), Louvain-Paris 1977, 18 sqq. Zu Boethius von Dacien cf. R. A. Gauthier, Notes sur Siger de Brabant, II: Siger en 1272-1275, Aubry de reims et la scission des Normands, in: Revue des sciences philosophiques et the´ologiques 68 (1984), 3-49, bes. 18 sq. mit nt. 30. Diese Frage ist in der Forschung zur These von der „doppelten Wahrheit “ geworden; hierzu cf. D. Piche´, La condamnation parisienne de 1277 (nt. 23), 20-215. Mit Recht hat F. Van Steenberghen grundsätzliche Bedenken angemeldet; cf. F. Van Steenberghen, Une le´gende tenace: la the´orie de la double ve´rite´, in: id., Introduction a` l’e´tude de la philosophie me´die´vale (Philosophes Me´die´vaux 17), Louvain-Paris 1974, 555-570. Cf. Petrus Iohannis Olivi, De perlegendis philosophorum libris, ed. F. M. Delorme, in: Antonianum 16 (1941), 31-44, hier 37. Cf. Epistola scripta a Stephano episcopo Parisiensis anno 1277, ed. D. Piche´ (nt. 23), 74. Francesco Petrarca, De sui ipsius et multorum ignorantia, ed. A. Bufano, in: Opere latine di Francesco Petrarca, 2 vols., Turin 1975, vol. 2, 1025-1151; zitiert nach der von A. Buck herausgegebenen und eingeleiteten lat.-dt. Ausgabe ,Über seine und vieler anderer Unwissenheit‘ (übers. von K. Kubusch), Hamburg 1993, 86 sq.: „Quo cessante, submotisque arbitris, oppugnant veritatem et pietatem, clanculum in angulis irridentes Cristum, atque Aristotilem, quem non intelligunt, adorantes, […]; omnisque dissensio apud illos ignorantia est, cum ab errantibus dissentire summa sit sapientia.“ Cf.

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zu einer paganen Antike, sondern zu einer „wahren Philosophie“ im Geiste Augustins, den Petrarca zu seinem Kronzeugen erhebt und dessen ,Confessiones‘ ihm auf dem Gipfel des Mont Ventoux zum Seelenführer werden 27. Das humanistische Schema vom mittelalterlichen Kulturleben, das nach dem sechsten Buch der ,Elegantiae‘ des Humanisten Laurentius Valla eine einzige Geschichte des Niedergangs ist, wird um die Mitte des 15. Jahrhunderts ergänzt durch den Topos einer Kulturzäsur, die sich vor allem aus dem Bewusstsein speist, den Abstand zur Antike allmählich verringert und die einstige Höhe wiedererlangt zu haben 28. Zugleich aber wurde die auf die Antike folgende Ära in Dunkelheit getaucht. Damit ist jenes Schlagwort vom „finsteren Mittelalter“ geschaffen, das - ungeachtet aller Widerlegungen durch die historische Forschung - bis heute unser Geschichtsbild nachhaltig prägt 29. Gemeinhin gilt der Hallenser Historiograph Christoph Cellarius dann als derjenige, der mit seiner dreiteiligen ,Historia antiqua‘ von 1685, ,Historia medii aevi‘ von 1688 und ,Historia nova‘ von 1696 die bis heute maßgebliche Einteilung der Universalgeschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit terminologisch festgeschrieben hat, der bis in die Gegenwart auch die Philosophiegeschichtsschreibung folgt 30.

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Augustinus, Contra Iulianum, IV, 14, 72, ed. J.-P. Migne, in: Patrologia Latina, vol. 44, Paris 1841, 774: „Obsecro te, non sit honestior philosophia gentium, quam nostra christiana, quae una est uera philosophia, quandoquidem studium uel amor sapientiae significatur hoc nomine.“ Cf. Francesco Petrarca, Le Familiari, IV, 1, § 26, ed. V. Rossi, vol. 1 (Editione nazionale delle opera di Francesco Petrarca, vol. 10), Firenze 1933 [Nachdruck: 1968], 158 sq.: „Que dum mirarer singular et nunc terrenum aliquid saperem, nunc exemplo corporis animum ad altiora subveherem, visum est michi Confessionum Augustini libum, caritatis tue munus, inspicere; […] Aperio, lecturus quidquid occurreret; quid enim nisi pium et devotum posset occurrere.“ Zufällig, so Petrarca, bietet sich ihm dann das zehnte Buch der Confessiones dar, das ihn betäubt („obstipui, fateor “) und zornig gegen sich werden lässt, da er jetzt noch Irdisches bewunderte, während er doch selbst von den Philosophen der Heiden hätte lernen müssen, dass nichts bewundernswert ist außer der Seele: „nichil preter animum esse mirabile, cui magno nichil est magnum“ (ibid., § 27-28, 159). Cf. Laurentius Valla, Elegantiae, lib. VI, ed. Lugduni 1561, 12; cf. L. Varga, Das Schlagwort vom „finsteren Mittelalter“, Baden e.a. 1932, 52 sq. Cf. T. E. Mommsen, Der Begriff des „finsteren Mittelalters“ bei Petrarca, in: A. Buck (ed.), Zu Begriff und Problem der Renaissance, Darmstadt 1969, 151-179, hier 154 sqq.; K. Schreiner, „Diversitas temporum“. Zeiterfahrung und Epochengliederung im späten Mittelalter, in: Herzog/Koselleck (eds.), Epochenschwelle und Epochenbewußtsein (nt. 17), 382-428, bes. 410 sqq. Zur Entstehung und Bedeutung des deutschen Begriffs „Mittelalter“ cf. K. Arnold, Das „finstere“ Mittelalter. Zur Genese und Phänomenologie eines Fehlurteils, in: Saeculum 32 (1981), 287-301, hier 289-293 und 296 sq. Eine treffliche Charakteristik dieses Geschichtsbildes sowie ein Aufweis der darin enthaltenen Widersprüche findet sich bei Heinz Heimsoeth, Die sechs großen Themen der abendländischen Metaphysik und der Ausgang des Mittelalters, Berlin 1922, Darmstadt 71981, 4-9. Hierzu cf. U. Neddermeyer, Das Mittelalter vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Geschichtsgliederung und Epochenverständnis in der frühen Neuzeit (Kölner historische Abhandlungen 34), Köln-Wien 1988. Cf. auch den Beitrag von Mario Meliado´, „Scholastica sive pseudophilosophica. Heumann, Brucker und die historiographische Konstruktion der Scholastik in der Frühaufklärung“ in diesem Band, 759-782.

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IV. Paradoxien des Mittelalter nar rativs So arbeiten wir uns an diesem historiographischen Narrativ bis heute ab. Hierbei scheint mir eine Gemeinsamkeit auffällig: alle Verteidigungsstrategien unterwerfen sich dem Fortschrittsnarrativ, das sich an der Gestalt der Philosophie in der Moderne bemisst. Die damit verbundenen Probleme sind offenkundig: sie betreffen das Verständnis des Gegenstandes (nämlich das Verständnis von Philosophie) ebenso wie die eurozentrische bzw. westliche Perspektive (die ich in gewisser Hinsicht auch selbst eingenommen habe; zur Rechtfertigung sei an dieser Stelle nur gesagt, dass der Begriff „Mittelalter“ nur aus abendländischer Sicht überhaupt Sinn macht). Was die Verteidigungsrichtung angeht, so ist allerdings ein Strategiewechsel festzustellen: An die Stelle einer latent oder explizit antimodernistischen Stilisierung der mittelalterlichen Philosophie als der wahren Philosophie gegenüber dem späteren Verlust der idealen Synthese - hierbei geht es zumeist um das Verhältnis von Glaube und Vernunft mit Thomas von Aquin als Ideal und Referenzpunkt (exemplarisch E´tienne Gilson 31) - treten nun Versuche, die Ursprünge der Moderne im Denken des Mittelalters festzumachen (exemplarisch Ludger Honnefelder 32 und Theo Kobusch 33) oder aber nach solchen Theoriestücken zu suchen, die mit Blick auf die zeitgenössische Philosophie als relevant und anknüpfungsfähig gelten können (so wie Eleonore Stump 34 und viele andere Versuche im direkten Anschluss an Thomas von Aquin 35). Hingegen spiegeln die beiden Auflagen der ,Cambridge History of Later Medieval Philosophy‘ auch die Entwicklung in der anglosächsischen analytischen Philosophie, in der sie ihren primären Gesprächspartner sehen, wider: 31

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33

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35

Cf. hierzu E´. Gilson, L’esprit de la philosophie me´die´vale (Gifford lectures), Paris 1932, 21998; id., Christianisme et philosophie, Paris 1936; id., L’Eˆtre et l’essence, Pairs 1948, 31994; zugespitzt in der englischen Edition: Being and Some Philosopher, Toronto 21952; ferner id., Le Thomisme. Introduction a` la philosophie de Saint Thomas d’Aquin (E´tudes de philosophie me´die´vale 1), Paris 1919, 61966. Siehe hierzu in seiner instruktiven Enleitung J. A. Aertsen, Medieval Philosophie and the Transcendentals. The Case of Thomas Aquinas (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 52), Leiden-New York-Köln 1996, 3-10. Cf. L. Honnefelder, Woher kommen wir? Ursprünge der Moderne im Denken des Mittelalters, Berlin 2008; id., Das Mittelalter als ,zweiter Anfang‘ der Philosophie. Die Aristoteles-Rezeption als Leitfaden der Geschichte der Philosophie im Mittelalter, in: id., Was ist Wirklichkeit? Zur Grundfrage der Metaphysik im Mittelalter, edd. I. Mandrella/H. Möhle, Paderborn 2016, 195216. Cf. T. Kobusch, Die Entdeckung der Person. Metaphysik der Freiheit und modernes Menschenbild, Darmstadt 21997; id., Christliche Philosophie. Die Entdeckung der Subjektivität, Darmstadt 2006; id., Selbstwerdung und Personalität. Spätantike Philosophie und ihr Einfluß auf die Moderne (Tria Corda 9), Tübingen 2018. Cf. exemplarisch E. Stump, Aquinas, New York 2003, 2005. Charakteristisch für dieses Buch ist, dass jedes Thema seine Ausgangspunkt und somit auch die Artikulation der Fragestellung von zeitgenössischen Diskussionen in den angelsächsischen zumeist analytischen Philosophiedebatten hat. Exemplarisch verwiesen sei auf viele Beiträge in den folgenden Fachzeitschriften: The Thomist, The New Scholasticsm, The American Catholic Philosophical Quaterly.

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von einem ursprünglich auf Logik und Sprachphilosophie fokussierten Philosophieverständnis hin zu einer thematisch breiten Konzeption, die sich auf beinahe alle Themenfelder der Philosophie erstreckt, allerdings in einer spezifischen diskursiven Zuspitzung des Philosophiestils und der Themenstellung 36. Diesen Strategien ist die Ausrichtung auf ein Verständnis von Philosophie inhärent, das im Wesentlichen den Gang der westlichen Philosophiegeschichte genommen hat. Das hat gleich mehrere Implikationen. Auf einige möchte ich im Folgenden hinweisen: 1. Das Mittelalternarrativ ist auch Ausdruck einer hegemonialen Perspektive, beschränkt sich seine Geltung im Grunde doch allein auf den lateinischen Kulturkreis - und auch das nur höchst eingeschränkt, wenn wir uns vor Augen halten, dass zur selben Zeit, als Petrarca seine Streitschrift schrieb, die Universität als die wohl nachhaltigste Bildungsinstitution, die uns mit dem Mittelalter verbindet, ihren Siegeszug durch ganz Europa allererst antritt und damit auch ein Modell von Wissenschaft, das Petrarca heftig kritisiert 37. Für die übrigen großen Kultur- und Sprachkreise - auch in Europa - ist die Rede vom Mittelalter als historische Kategorie ohne Bedeutung - es sei denn als der Versuch, den byzantinischen, hebräischen und arabischen Kulturkreis in dasselbe westliche historiographische Narrativ einzuordnen. Denn aus der Perspektive von Byzanz gibt es ebenso wenig ein Mittelalter in den Epochengrenzen, die im Gefolge Petrarcas unter Berücksichtigung der üblichen historiographischen Grenzstreitigkeiten für das lateinische Abendland gezogen werden, wie man von einem jüdischen oder arabischen bzw. islamischen Mittelalter sprechen kann - wenn nicht aus der Sicht der abendländischen Geschichte und in strikter Hinordnung auf deren Teleologie. Die Konsequenzen einer solchen synchronisierenden Lektüre liegen auf der Hand. Sie spiegeln sich - im Guten wie im Schlechten in der Abhängigkeit unserer Wahrnehmung anderer Kulturen und Geschichtsverläufe von der abendländischen Meistererzählung wider. Auch wenn es inzwischen ein wachsendes Interesse an den philosophischen Entwicklungen in den diversen Sprach- und Kulturräumen des „Mittelalters“ gibt, so scheinen sich insbesondere die diversen philosophischen Compendia gleichwohl an einem Philosophiemodell zu orientieren, das seinen historischen Gang im westlichen 36

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Cf. N. Kretzmann/A. Kenny/J. Pinborg (eds.), The Cambridge History of Later Medieval Philosophy, Cambridge 1982; R. Pasnau/C. van Dyke (eds.), The Cambridge History of Medieval Philosophy, 2 vols., Cambridge 2010. Cf. hierzu auch die Anmerkungen von Theo Kobusch in seiner Einleitung zu: Die Philosophie des Hoch- und Spätmittelalters (Geschichte der Philosophie 5), München 2011, 18 sqq. In diesem Sinne kann man auch nicht von einer eurozentrischen Perspektive im eigentlichen Sinne sprechen, wie dies etwa Kathleen Davis und Nadia Altschul tun. Die Problemkonstellation ist noch differenzierter und bezieht sich nicht nur auf die koloniale bzw. postkoloniale Wahrnehmung der Welt aus mittelalterlicher europäischer Perspektive, sondern auch auf die Wahrnehmung des europäischen Kulturraums selbst. Cf. hier die Einleitung von K. Davis und N. Altschul zu dem von ihnen herausgegebenen Sammelband Medievalisms in the Postcolonial World. The Idea of ,the Middle Ages‘ Outside Europe, Baltimore 2009, 1-24, bes. 7-10.

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Abendland genommen und von dort aus auch seine universale Geltung behauptet hat. 2. In aller Regel wird - zumeist aus pragmatischen Gründen - die westliche Standard-Periodisierung beibehalten. Dies führt nicht nur zu zahllosen Anachronismen, auf die ich bereits hingewiesen habe: das gilt insbesondere für die bevorzugte diachrone Fortschrittserzählung, die den Blick für die bestehenden Gleichzeitigkeiten etwa von Neuplatonismus und Aristotelismus, von Renaissancehumanismus und Universitätsscholastik, etc. versperrt. Auf diese Weise besitzt diese Periodisierung selbst eine normative Kraft: zum einen für den westlichen Philosophiediskurs selbst, zum anderen für die nicht-westlichen Philosophiediskurse. Dies gilt im übrigen nicht nur für den Begriff des Mittelalters, sondern auch für den ebenso schillernden Begriff der Moderne. Hinzu kommt ein weiteres Problem, das sich aus den sehr unterschiedlichen Usancen in den verschiedenen mediävistischen Disziplinen und ihren Traditionen sowie aus dem divergierenden Sprachgebrauch in den relevanten Wissenschaftssprachen ergibt 38. 3. Der Philosophiebegriff und das Philosophieverständnis orientieren sich häufig an unseren zeitgenössischen Konzeptionen und Interessen. Dabei wird die Vielfalt, der Wandel und die Differenzierung der Philosophiebegriffe und der Konzeptionen von Philosophie in aller Regel unterschätzt 39. So wurde etwa von der Antike bis in die Neuzeit hinein philosophia und episteme, Philosophie und Wissenschaft synonym gebraucht wurden. Eine gelungene hermeneutische Einstellung ist aber nicht nur am eigenen Verständnis interessiert, sondern erfordert auch ein Verständnis des anderen und Andersartigen in seiner Andersheit. Auf die Problematik, heutige Phänomenbeschreibungen und begriffliche Differenzierungen sowie heutige methodische Postulate als verbindlich anzusehen und frühere Diskussionen lediglich als positive oder negative Hintergrundfolie zu betrachten, hat Dominik Perler hingewiesen. Nicht nur die Antizipation heutiger Ansichten, sondern gerade auch ihre Andersartigkeit eröffnen allererst den Raum, in dem man den eigenen Fragehorizont aus kritischer Distanz betrachten und nicht einfach als gegebenen Theorieraum annehmen kann. Darin liege der epistemische Mehrwert historischer Analysen auch für die Philosophie 40. 4. Schließlich sei auf das definitorische Dilemma hingewiesen, das nicht selten zu einem definitorischen Exklusivismus führt. Denn den Philosophiegeschichten des Mittelalters liegt zumeist ein definitorisches Kriterium zugrunde, von dem die Verfasser in ihren Einleitungen Rechenschaft geben. Was ist mittel38

39

40

Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die nach wie vor allem in den Geschichtswissenschaften gepflegte Einteilung in ein Früh-, Hoch- und Spätmittelalter, die sich nicht deckt mit den Einteilungen in „The Early Middle Ages“ und „The Late Middle Ages“ oder in „Le haut ˆ ge“ und „Le Moyen A ˆ ge tardif “. Moyen A Einen Überblick bietet der Artikel „Philosophie“ in: J. Ritter/K. Gründer (eds.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 7, Basel 1989, 572-879. Cf. D. Perler, Transformationen der Gefühle. Philosophische Emotionstheorien 1270-1670, Frankfurt a. M. 2011, 20-34, bes. 23.

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alterliche Philosophie? Oder sollte man besser sagen: Was ist Philosophie im Mittelalter? Ja, gibt es überhaupt eine mittelalterliche Philosophie? Diesen Debatten wohnt die Suche nach einem definitorischen Kriterium inne, das dann als spezifische Differenz nur zu leicht zum Einschluss- und Ausschlusskriterium für das wird, was als Philosophie gelten soll. Der Mechanismus einer solchen Suche nach Kriterien produziert seine Effekte, gleich ob man von einer christlichen Philosophie oder einer Laienphilosophie spricht, von Wissenschaft oder Lebensform, von arabischer oder islamischer Philosophie, von Mystik oder Scholastik. Nur aus der Perspektive solcher spezifischen Differenzbildungen lässt sich auch die normative Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines Projektes der mittelalterlichen Philosophie stellen. Doch führt uns dieser Kampfplatz um die Einschluss- und Ausschlusskriterium und die damit verbundenen Fragen weiter? Diese Debatten wurden vor nunmehr zwei Jahrzehnten nicht zuletzt durch den französischen Philosophiehistoriker Pierre Hadot befeuert, der sich in seinem einflussreichen Buch ,Qu’est-ce-que la philosophie antique?‘ nicht nur auf die Suche nach dem wahren Geist der antiken Philosophie machte, der sich, so Hadot, vor allem darin zeige, dass diese nicht so sehr als ein theoretischer Diskurs, sondern vor allem und zunächst als „eine Methode der Menschenformung“ verstanden werden müsse, „die auf eine neue Lebensweise und ein neues Weltverständnis abzielt “ 41. Die beklagte theoretische Verengung der Philosophie bestimmte Hadot zudem als ein mittelalterliches, von der Neuzeit übernommenes und weitergetragenes Erbe, sachlich als Verlust an praktischer Kompetenz in der Folge des Aufgehens der Philosophie im Christentum, das gerade zu Beginn, im Übergang zur Spätantike, selbst als „wahre Philosophie“ ganz im antiken Sinne der weisheitlichen Doppelkompetenz für die großen theoretischen und praktischen Fragen auftrat und auch die traditionelle Praxis der geistigen Übungen für sich reklamierte. In diesem Modell einer christlichen Weisheit - idealtypisch verkörpert in der monastischen Lebensform - blieb der Philosophie letztlich nur der Platz einer theoretischen Propädeutik, die ihres lebensweltlichen Bezuges entkleidet vorwiegend in theologischen Kontroversen Verwendung fand: gewissermaßen als Magd der Theologie 42. Die Antwort des 10. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale (SIEPM) in Erfurt war plu41

42

P. Hadot, Philosophie als Lebensform. Geistige Übungen in der Antike, Berlin 1991, 45 [frz.: Exercices spirituels et philosophie antique, Paris 1981, 21987]. Cf. id., Qu’est-de que la philosophie antique?, Paris 1995, insbesondere den dritten Teil „Rupture et continuite´. Le moyen aˆge et les temps modernes“, 355-424. Cf. Hadot, Qu’est-de que la philosophie antique? (nt. 41), 381-387. Zu einer ausführlichen kritischen Auseinandersetzung mit Hadots These cf. meinen Beitrag Philosophie als Lebensform? Zum Verhältnis von Philosophie und Weisheit im Mittelalter, in: Tijdschrift voor Filosofie 62 (2000), 3-25.

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ralistisch 43. Die Was-Frage wurde nicht definitorisch und normativ, sondern deskriptiv beantwortet. Das war bezeichnend und wegweisend für neue Forschungsperspektiven, die die Fesseln des Mittelalterbegriffs und der Mittelalterhistoriographie gesprengt haben. Einige solcher Perspektiven sollen im Folgenden zur Sprache kommen.

V. Chronologien und Topog raphien Die Frage bleibt akut, wie sich der skizzierte historiographische Zirkel durchbrechen lässt. Wir nutzen Epochenbegriffe und ihre Erzählungen als Orientierungen im großen Fluss der Geschichte. Das tun wir, wenn wir etwa von der „Philosophie des Mittelalters“ sprechen. Doch wie können wir die immer gleichen Pfadabhängigkeiten vermeiden? Ein Schlüssel könnte in unserem Umgang mit Chronologien und Topogaphien liegen. Die 36. Kölner Mediaevistentagung hat ein historiographisches Experiment gewagt, indem sie ein Jahr zum Thema machte: das Jahr 1308 44. Eine solche „objektive“, d. h. an einem messbaren Datum orientierte Chronologie macht zugleich deutlich, wie arbiträr und mitunter kontrafaktisch unsere gängigen Epocheneinteilungen sind. Synchrone Ereignisse werden in eine diachrone Ordnung gebracht. Ein Beispiel hierfür ist, wie bereits erwähnt, die Renaissance, die auf das Mittelalter folgte und dieses abgelöst habe, während doch Renaissance und Scholastik - wenn man darunter die an den Universitäten betriebene Form der Lehre und der wissenschaftlichen Diskussion versteht - in Wahrheit gleichzeitige Phänomene sind. Denn zeitgleich mit der Gründung der Akademien treten die Universitäten ihren Siegeszug in Europa an. Dieselbe Gleichzeitigkeit von Ereignissen und Entwicklungen findet sich in unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen. Wie aber können wir eine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven gleichzeitig erzählen, ohne eine Perspektive normativ zu setzen? Das ist zum Beispiel im Fall der mittelalterlichen Philosophie die westliche StandardPeriodisierung. Unsere Chronologie folgt - nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen - für gewöhnlich dem eingebürgerten gregorianischen Kalender, der sich einer Reform des julianischen Kalenders am Ende des 16. Jahrhunderts verdankt und 1582 durch die päpstliche Bulle ,Inter gravissimas‘ verkündet wurde. Doch ungeachtet der Umstellung auf den gregorianischen Kalender bleiben vor allem mit Blick auf die religiösen Festtage viele andere Kalendermodelle bis heute in Kraft. 43

44

Cf. J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale vom 25. bis 30. August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998. Diese Mediaevistentagung ist dokumentiert in: A. Speer/D. Wirmer (eds.), 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit (Miscellanea Mediaevalia 35), Berlin-New York 2010.

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So bestehen zu Beginn des 14. Jahrhunderts simultan nicht nur die unterschiedlichen Zeitrechnungen der drei großen Buchreligionen: Judentum, Christentum und Islam, mit ihrem jeweiligen geschichtstheologischen Überbau, es finden sich Jahreskennzeichnungen nach Herrscherjahren, Indiktionen und Ären. Aber selbst wenn wir uns auf den Boden der christlichen Zeitrechnung begeben, so finden sich auch dort mehrere Modelle der Jahreseingrenzung. Das wird insbesondere für die Bestimmung eines Tagesdatums zu einem Problem, wenn auch noch Abweichungen hinsichtlich der consuetudo hinzutreten. Hierbei handelt es sich nicht nur um ein statistisches Problem, das mit einer exakten Umrechnung auf den heutigen Normkalender behoben werden kann. Mit den verschiedenen Kalendern verbinden sich Konzepte der Zeit- und Geschichtswahrnehmung. Zeitzählungen, Kalender und Epochen sind zudem Versuche, die Ereignisstruktur der Geschichte in ihren unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Rhythmen, Konjunkturen und Dauern abzubilden. Sie sind ein wesentlicher Teil reflexiver Vergewisserung im Hinblick darauf, was ein historischer Moment mit Bezug auf die mittel- und längerfristigen Ereignisfolgen ist 45. Was für Chronologien und Kalender gesagt wurde, gilt auch für Topographien und Karten. Es gibt viele Weisen, Karten zu machen: Summenkarten, Ökumenekarten, Weltkarten, Portulankarten 46. Karten bilden nicht einfach ab, sie entwerfen eine Welt. Das gilt auch für die Karte, die wir für unser langes Jahrtausend zugrundelegen. Diese reicht vom äußersten Norden und Westen Europas bis hinunter nach Nordafrika, hinüber nach Osten über das byzantinische Reich nach Bagdad, hinunter auf die arabische Halbinsel und wieder hinauf über Persien entlang der Seidenstraße bis nach Buhara. Zum bevorzugten Ort der interkulturellen Austauschbeziehungen wird das Mittelmeer 47. Somit erhält die Topographie weit über die unmittelbare Ordnungsfunktion hinaus Modellcharakter für die Erschließung der Wirklichkeit im Modus der verstehenden Rekonstruktion und Aneignung. Es gibt räumliche, narrative und sachliche Verzweigungen, Verbindungen ebenso wie Unterbrechungen, Wendepunkte, Teleologien und Brüche, Ausschnitte und Verkürzungen, Fokussierungen und Knotenpunkte. „Eine Karte“, so schreiben Gilles Deleuze und Fe´lix 45

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47

Siehe aus dem genannten Band 35 der ,Miscellanea Mediaevalia‘ Beiträge von A.-D. von den Brincken, Weltbild und Weltkenntnis in der Kartographie um 1308. Die Ebstorfer Weltkarte und die Rundkarte im Portulan-Atlas des Pietro Vesconte (ibid., 3-13); M. Groten, Köln 1308. Erinnerung, Quellen, Konstruktionen (ibid., 461-474); H. J. Mierau, Zur Diversität bei der Wahrnehmung von Ereignissen: Die Berichte zum Jahr 1308 in den Papst-Kaiser-Chroniken des Spätmittelalters (ibid., 557-584); und A. Akasoy, 6 Ragˇab 707-17 Ragˇab 708. Das Jahr 1308 aus islamischer Perspektive (ibid., 923-935). Hierzu nochmals mit weiterführenden Verweisen der Beitrag von A.-D. von den Brincken, Weltbild und Weltkenntnis (nt. 45), 6-9. Dies verdeutlicht auf eine sehr anschauliche Weise eine philosophische Weltkarte der „Philosophie im westlichen Teil der ,Alten Welt‘ und im ,Mittelalter‘ 5. bis 15. Jahrhundert, die Elmar Holenstein in seinem ,Philosophie-Atlas‘ (Zürich 2004, 90 sq.) entwirft. Cf. auch P. Horden/ N. Purcell, The Corrupting Sea. A Study of Mediterranean History, Malden-Oxford-Carlton 2000.

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Guattari in ,Mille plateaux‘, „hat viele Zugangsmöglichkeiten, im Gegensatz zu einer Kopie, die immer nur ,auf das Gleiche‘ hinausläuft. Bei einer Karte geht es um Performanz, während die Kopie immer auf eine angebliche ,Kompetenz‘ verweist “ 48. Karte machen heißt daher nach neuen Zugängen, Zusammenhängen und Verknüpfungen zu suchen und nicht etablierte Verstehensmuster zu kopieren. Das Prinzip der Kartographie stellt somit ein zentrales Merkmal für ein rhizomatisches Denken dar, das gegen die strikte Zuordnung der Mannigfaltigkeit zu einer zentralen Hauptwurzel die vielfältigen Möglichkeiten von Verzweigungen und Überschneidungen ohne den Zwang dichotomer Zuordnungen und die Reproduktion verbindlicher Flucht- und Umrisslinien offenhält 49. Die Karte ist mithin der Kopie entgegengesetzt, ist ihr Gegenteil, „weil sie ganz und gar auf ein Experimentieren als Eingriff in die Wirklichkeit orientiert ist. Die Karte reproduziert kein in sich geschlossenes Unbewusstes, sondern konstruiert es“ 50. Deleuze und Guattari haben sicher nicht nur den Pionier im Auge, der einen Küstenstreifen oder ein unwegsames Gelände kartographiert, von dem es noch kein Kartenmaterial gibt. „Karte machen“ wird vielmehr zum Synonym für einen ergebnisoffenen Erkenntnisprozess, der Entdeckungen zulässt und nicht nur Kopien von bereits Bekanntem erzeugt. Denn eine Karte „ist offen, sie kann in allen ihren Dimensionen verbunden, zerlegt und umgekehrt werden, sie kann ständig neue Veränderungen aufnehmen. Man kann sie zerreißen und umkehren; sie kann sich Montagen aller Art anpassen; sie kann von einem Individuum, einer Gruppe oder gesellschaftlichen Formation angelegt werden“ 51.

VI. Wissen über Grenzen „Wissen über Grenzen“ war der Obertitel der 34. Kölner Mediaevistentagung, die sich mit dem Verhältnis von arabischem Wissen und lateinischem Mittelalter befasste 52. Noch 1991 konnte Alain de Libera mit Bezug auf die unterschätzte Bedeutung des arabischen Beitrages zur Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte des Mittelalters von einem „vergessenen Erbe“ sprechen 53. Gleiches gilt für Byzanz und damit für den Osten Europas. Wie kein anderer der mittelmeerischen Kulturkreise steht Byzanz für die Kontinuität mit der antiken und der spätantiken griechischen Kultur und wird zu einem Knotenpunkt für die 48

49 50 51 52

53

G. Deleuze/F. Guattari, Tausend Plateaus (transl. G. Ricke/R. Voullie´), Berlin 1997, 24 [frz.: Mille plateaux, Paris 1980]. Ibid., 14-16 und 35-37 Ibid., 23 sq. Ibid., 24. Diese Mediaevistentagung ist dokumentiert in: A. Speer/L. Wegener (eds.), Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 33), Berlin-New York 2006. ˆ ge (Chemins de pense´e), Paris 1991, 98-142. Cf. A. de Libera, Penser au Moyen A

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mannigfachen Austauschbeziehungen zwischen den Kulturkreisen 54. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet der Literatur und auf dem weitgespannten Feld der unter dem Oberbegriff der Philosophie gefassten Wissenschaften. Auch wenn in Byzanz - im Unterschied zum lateinischen, arabischen und hebräischen Kulturraum - die Notwendigkeit einer Übersetzung im eigentlichen Wortsinn entfällt - man spricht und liest weiterhin Griechisch -, so stellt sich nicht zuletzt unter dem Einfluss des Christentums gleichwohl die Frage einer translatio studiorum, einer Weitergabe und Übersetzung des Wissens in einen veränderten Kontext. Diese Weitergabe spätantiker Bildung verweist zugleich auf die vielfältigen Austauschbeziehungen mit den Syrisch, Lateinisch, Hebräisch und Arabisch sprechenden Kulturkreisen. In diesem Austausch begegnet Byzanz auch den Spuren, welche die griechische Kultur auf vielfältige Weise bei ihren eifrigen Nachahmern hinterlassen hat - man denke nur an den Hellenismus in seinen vielfältigen Gestalten. Umgekehrt wird Byzanz für die frühe islamische Kultur zu einem wichtigen Referenzpunkt. Und für das lateinische Abendland stellt der kulturelle Austausch mit Byzanz noch vor der Begegnung mit der islamischen Welt die wichtigste Brücke zu den teilweise abgerissenen antiken Wissenstraditionen dar. Ein gutes Beispiel ist das sogenannte Corpus Dionysiacum eines anonymen Autors aus dem 6. Jahrhundert, der unter dem Namen jenes Apostelschülers des Paulus schreibt, der - folgt man der Apostelgeschichte (Apg 17,22-34) - als einziger nach der Areopagrede des Paulus nicht weggegangen war. Im 9. Jahrhundert gelangt der erste Codex mit den dem Dionysius Areopagita zugeschriebenen Schriften als Geschenk des byzantinischen Kaisers an den französischen Königshof und von dort an den Kultort des „dreifach heiligen Dionysius“ in der fränkischen Königsabtei Saint-Denis im Norden von Paris und findet von dort sogleich seinen Weg in den lateinischen gelehrten Wissensdiskurs 55. Das Corpus Dionysiacum ist das vielleicht prominenteste und nachhaltigste, keinesfalls aber das einzige Beispiel für eine frühe Verbindung mit dem spätantiken Neuplatonismus und gilt fortan als ein Schlüsselwerk jener Tradition, die nach einer der in diesem Corpus enthalten Schriften „Mystik“ heißt 56. 54

55

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Cf. hierzu A. Speer/P. Steinkrüger (eds.), Knotenpunkt Byzanz. Wissensformen und kulturelle Wechselbeziehungen (Miscellanea Mediaevalia 36), Berlin-Boston 2012. Zu den netzwerkanalytischen Implikationen cf. meine Einleitung in: ibid., XV-XXII, bes. XVIII sq. sowie G. Kapriev, Philosophie in Byzanz, Würzburg 2005. Diese Formel verweist auf die von Abt Hilduin kompilierte Dionysiuslegende, derzufolge der in Saint-Denis bestattete Dionysius, der von Papst Clemens I. nach Gallien gesandte erste Pariser Märtyrerbischof, mit dem Paulusschüler vom Athener Areopag identisch sein sollte. Cf. A. Patschovsky/G. Binding/H. Meinhardt, Art. Dionysius, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 3, München-Zürich 1986, 1076-1083. Sie ist zweimal bezeugt in den Schriften des Abtes Suger von Saint-Denis (Ordinatio 4, 14 und De administratione 191, 859), in: Abt Suger von SaintDenis, Ausgewählte Schriften: Ordinatio, De consecratione, De administratione, edd. A. Speer/ G. Binding, Darmstadt 32008, 174 und 330. Cf. T. Boiadjiev/G. Kapriev/A. Speer (eds.), Die Dionysius-Rezeption im Mittelalter (Rencontres de Philosophie Me´die´vale 9), Louvain-la-Neuve-Turnhout 2000; Y. de Andia (ed.), Denys l’Are´opagite et sa poste´rite´ en Orient et en Occident (E´tudes Augustiniennes. Se´rie Antiquite´ 151), Paris 1997.

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Zuvor hatte bereits Karl der Große im Jahre 798 eine Delegation nach Bagdad an den Hof Harun al-Raschids gesandt. Im Vergleich mit der damaligen Aachener Pfalzanlage muss Bagdad - das gerade zu dieser Zeit von den Abbasidenherrschern zur neuen Residenzstadt ausgebaut wurde, in deren Mittelpunkt sich die Große Moschee und die Palastanlage befanden - bei den Gesandten Karls einen überwältigenden Eindruck hinterlassen haben. Berühmt wird diese Delegation durch ein ungewöhnliches Geschenk des Kalifen Harun al-Raschid an den inzwischen zum Kaiser gekrönten Karl: einen weißen indischen Elefanten mit Namen Abul Abbas 57. Gerne wird in diesem Zusammenhang der Vergleich zwischen Aachen und Bagdad für die kulturelle Überlegenheit des Abbasidenreiches bemüht, dem gegenüber Karl nur dem Namen nach an den Glanz des römischen Imperiums anknüpfen konnte. Gleichsam aus der Barbarei sei Europa gekommen, so hat Re´mi Brague denn auch die Identität des lateinischen Abendlandes zu bestimmen versucht. Doch gerade aus diesem Minderwertigkeitsgefühl resultiere die Dynamik der zunächst auf der Kunst der Aneignung basierenden Kulturleistung Europas 58. In diesem Zusammenhang kommt dem arabisch-islamischen Kulturraum eine besondere Bedeutung zu, vor allem in Hinblick auf die Vermittlung jener antiken Wissensbestände, die zunächst nur unvollständig oder gar nicht an der Überlieferung des Wissens (translatio studiorum) teilhaben. Ein Wissen über Grenzen jedoch braucht Vermittler: vor allem Übersetzer, aber auch Leser und Mäzene an Fürstenhöfen und Kathedralschulen, Klöstern und Universitäten. Hierbei werden vielfältige Grenzen überschritten. Zum einen zeitliche Grenzen, denn wir bewegen uns in einem Feld mehrfach verschränkter Chronologien. Das gilt für die Zeitzählung ebenso wie für die Epochengrenzen und ihre Überschreitung. Sodann räumliche Grenzen, die durch mannigfache Faktoren konstituiert werden: durch konkrete geographische Zusammenhänge, durch sich ändernde kulturelle Topographien, durch regionale Erfahrungsräume. Ferner Verstehensgrenzen, derer wir uns immer dann bewusst werden, wenn wir nach den Bedingungen für dieses Verstehen fragen. Dies betrifft nicht nur die epistemischen Bedingungen, sondern auch die kulturellen, religiösen und institutionellen Determinanten des Verstehens. Damit eng zusammen hängt die Frage der Vermittlungsgrenzen sprachlicher, institutioneller, konzeptioneller und weltanschaulicher Art. Schließlich stellt sich die Frage nach dem Grenzbewusstsein: Wie steht es um das Bewusstsein von Grenzen und Grenzüberschreitungen und damit um die Wahrnehmung von kulturellen Leitbildern und Polemiken in ihren jeweiligen historischen, gesellschaftlichen und theoretischen Kontexten? 57

58

Cf. W. Dreßen, Ex Oriente. Isaak und der weiße Elefant. Bagdad - Jerusalem - Aachen. Eine Reise durch drei Kulturen um 800 und heute (Katalogbuch in drei Bänden zur Ausstellung in Rathaus, Dom und Domschatzkammer Aachen vom 30. Juni bis 28. September 2003), Mainz 2003. Cf. hierzu R. Brague, Europe, la voie romaine, Paris 21993 [dt. Übersetzung: Europa, eine exzentrische Identität, Frankfurt a. M. 1993].

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Ein Beispiel für ein solches Grenzbewusstsein am Beginn des 12. Jahrhunderts, das - auch begünstigt durch das sogenannte mittelalterliche Klimaoptimum - von einer besonderen kulturellen und intellektuellen Mobilität geprägt ist, nimmt seinen Ausgang in England, genauer in Bath, von wo aus sich ein gewisser Adelard auf eine große Bildungsreise begibt: zunächst zu den berühmten Kathedralschulen auf dem europäischen Festland, um dann eine große Reise in die mittelmeerische Region anzutreten, die ihn nach Magna Graecia im äußersten Süden Italiens und vielleicht sogar bis nach Jerusalem führt. In den nach seiner Rückkehr verfassten ,Quaestiones naturales‘ reflektiert Adelard vor allem in der dialogischen Rahmenhandlung auf subtile Weise das Spannungsverhältnis zwischen den traditionellen Lehren und den neuen Arabica studia 59. Dem unübersehbaren Stolz auf Seiten des weitgereisten Onkels, in dem uns Adelard selbst entgegentritt, entspricht auf Seiten des daheimgebliebenen Neffen - seines Dialogpartners - ein Schwanken zwischen Neugier und gesunder Skepsis gegenüber den „Lehren der Sarazenen“ (sententiae Saracenorum) und den „Autoritäten deiner Araber“ (Arabum tuorum auctoritates), die allein dem Richtmaß der Vernunft unterworfen werden sollen 60. Der programmatischen Ankündigung folgt eine ungewöhnlich rege Übersetzertätigkeit Adelards aus dem Arabischen, die so zentrale Texte wie die erstmalige Übersetzung von Euklids ,Elementa‘, der ,Astronomischen Tafeln (Zı¯j)‘ des al-Khwa¯rizmı¯ sowie des ,Centiloquium Ptolemei‘ umfasst, die zum damaligen Kanon der Naturphilosophie bzw. Naturwissenschaften gehören 61. Vieles ist an dieser Geschichte bemerkenswert. Sie zeigt ein hohes Maß an Reflektiertheit mit Bezug auf einen Rezeptionsvorgang an der Schwelle zur sogenannten Aristotelesrezeption: einem arabisch-griechisch-lateinischen Gemeinschaftsunternehmen mit enormen Auswirkungen vor allem auf den lateinischen Westen, auf seine Motive und Motivationen sowie auf die wechselseitigen Voraussetzungen in individueller und institutioneller Hinsicht 62. Auffällig ist das durchweg positive Image der Arabica studia und ihre Identifizierung mit jener wissenschaftlichen Rationalität, in der nicht nur die westlich-technische Zivilisation ihre Wurzeln sieht, sondern auf die sich auch die Aufklärung beruft, wenn 59

60 61

62

Cf. Adelard von Bath, Quaestiones naturales, ed. und transl. C. Burnett, in: Adelard of Bath. Conversations with His Nephew: On the Same and the Different, Questions on Natural Science, and On Birds, Cambridge 1998. Hierzu cf. A. Speer, Ratione duce. Die naturphilosophischen Dialoge des Adelard von Bath und Wilhelm von Conches, in: K. Jacobi (ed.), Gespräche lesen. Philosophische Dialoge im Mittelalter (ScriptOralia 115), Tübingen 1999, 199-229, bes. 199215. Cf. Adelard von Bath, Quaestiones naturales, ed. Burnett (nt. 60), 82, 90 und 104. Cf. hierzu den Werkkatalog sowie die entsprechenden Artikel in C. Burnett (ed.), Adelard of Bath. An English Scientist and Arabist of the Early Twelfth Century (Warburg Institute Surveys and Studies 14), London 1987; ferner A. Speer, Die entdeckte Natur. Untersuchungen zu Begründungsversuchen einer scientia naturalis im 12. Jahrhundert (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 45), Leiden-New York-Köln 1995, 47-52. Cf. C. Burnett, The Introduction of Arabic Learning into England (The Panizzi Lectures 1996), London 1997, 25-29.

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sie gegen „das Halfter der Autorität “ - so Adelard - und der Unmündigkeit antritt 63. Das 12. und das 13. Jahrhundert bieten mithin viele Beispiele dafür, wie das Wissen Grenzen überschreitet: Sprachgrenzen, Verstehensgrenzen, Disziplingrenzen. Philosophie im Mittelalter ist vielsprachig, vielgestaltig, interdisziplinär, interkulturell und international. Ein Doktorat an der Pariser Sorbonne berechtigt etwa, an allen europäischen Universitäten zu lehren. Der arabische Gelehrte Ibn Rusˇd (Averroes), von Hause aus Jurist und Arzt, gilt über alle Sprachgrenzen hinweg als der Kommentator des Philosophen, nämlich Aristoteles. Zu diesem Grenzen überschreitenden Wissen trugen nicht zuletzt Übersetzer wie Jehuda Ibn Tibbon bei, der 1120 in Granada geboren in dem kleinen okzitanischen Ort Lunel unweit von Montpellier eine ebenso berühmte wie einflussreiche jüdische Übersetzerdynastie begründete, die in vier Generationen über das gesamte 13. Jahrhundert hinweg wichtige Übersetzungen für die Lateinisch sprechenden jüdischen Gemeinden aus dem Arabischen und Hebräischen schuf, die auch von den christlichen Gelehrten gelesen und rezipiert wurden 64. Zugleich erobert der philosophische Wissensdiskurs die Volkssprachen. Man denke nur an Meister Eckhart, Raimundus Lullus und Dante. Diese mittelalterliche Welt, die rund um das Mittelmeer ihre Austauschbeziehungen pflegt, scheint um die Mitte des 15. Jahrhunderts auseinanderzubrechen. Ein erster tiefer Einschnitt stellt die Eroberung Konstantinopels am 29. Mai 1453 dar. Byzanz ist fortan nicht länger durch seine Lage und seine Geschichte privilegierter Knotenpunkt für die vielfältigen Austauschbeziehungen, durch welche die Sprach- und Kulturkreise rund um das Mittelmeer und weit darüber hinaus über mehr als ein Jahrtausend nachhaltig geprägt worden sind. Hierbei stellt sich aus byzantinischer Perspektive die „antike“ und „mittelalterliche“ Welt als ein in wesentlichen Zügen kontinuierlicher Kulturraum dar, der mit dem Fall Konstantinopels eine irreversible Zäsur erfährt. Diese findet vier Jahrzehnte später in der Eroberung Granadas am 2. Januar 1492 ein gleichfalls epochemachendes Pendant. Denn nur einen Tag später bricht Kolumbus, der als Admiral der spanischen Flotte an der Eroberung Granadas teilnehmen musste, zu seiner 63

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Adelard von Bath, Quaestiones naturales, VI, ed. Burnett (nt. 60), 102: „Ego enim aliud a magistris Arabicis ratione duce didici; tu vero aliud, auctoritatis pictura captus, capistrum sequeris.“ - Hierzu cf. Speer, Die entdeckte Natur (nt. 61), 36-43. Cf. M. Schloessinger/I. Broyde´/R. Gottheil, Art. Ibn Tibbon, in: I. Singer e.a. (eds.), The Jewish Encyclopia, vol. 6, New York 1906, 544-550; M. Steinschneider, Die hebraeischen Übersetzungen des Mittelalters und die Juden als Dolmetscher, Berlin 1893 [Nachdruck: Graz 1956]; G. Freudenthal, The Aim and Structure of Steinschneider’s Die Hebraeischen Ubersetzungen des Mittelalters. The Historiographic Underpinnings of a Masterpiece and Their Untoward Consequences, in: id./R. Leicht (eds.), Studies on Steinschneider: Moritz Steinschneider and the Emergence of the Science of Judaism in Nineteenth-Century Germany (Studies in Jewish history and culture 33), Leiden-Boston 2012, 191-212; C. H. Manekin/Y. T. Langermann/H. H. Biesterfeldt (eds.), Moritz Steinschneider. The Hebrew Translations of the Middle Ages and the Jews as Transmitters, vol. 1: Preface. General Remarks. Jewish Philosophers (Amsterdam Studies in Jewish Philosophy 16), Dordrecht 2014.

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ersten Amerikareise auf. Damit wendet sich die Blickrichtung des westlichen Abendlandes vom mittelmeerischen Raum den neu entdeckten Welten zu. - So könnte man die Geschichte erzählen und damit die Erfindung der historiographischen Kategorie „Mittelalter“ am Beginn der Renaissance bestätigen. Doch gerade das 15. und 16. Jahrhundert belegen zugleich das Gegenteil. Das byzantinische Erbe lebt fort in den Werken eines Pico della Mirandola, Marsilio Ficino und Niklaus von Kues. Zu keiner Zeit wurden die Werke arabischer Philosophen und Wissenschaftler häufiger gedruckt und intensiver gelesen. Und auch der Humanismus hat seinen Ursprung in einem antiken Bildungsideal, das - entgegen den gängigen historiographischen Narrativen - nicht erst wiederentdeckt werden musste, sondern über die Jahrhunderte als ein alternatives Bildungsideal der studia humanitatis Bestand hatte 65. VII. Die Philosophie und die Wissenschaften Philosophie ist heute in den Universitäten eine Wissenschaft neben und unter vielen anderen. Dies aber ist eine Entwicklung, deren Ursprünge zwar bereits in den Debatten und Auseinandersetzungen an den mittelalterlichen Universitäten liegen, die jedoch erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einem immer deutlicheren Auseinandertreten von Philosophie und den übrigen Wissenschaften führte, die lange unter dem Dach der Philosophie als deren Teildisziplinen betrieben worden waren 66. Dieses antike Modell der Philosophie, das diese als Wissenschaft (episteme) begreift, wird vor allem von Aristoteles und der peripatetischen Tradition repräsentiert. Der Schlüsselbegriff eines solchen Philosophieverständnisses ist „Wissen“: Wissen in der ganzen Bedeutungsbreite von „Episteme“. Anders als Information besteht Wissen nicht in einer bloßen Akkumulation von Daten, sondern in deren Verknüpfung und Zuordnung. Verknüpfung und Zuordnung aber setzen auf irgendeine Weise bereits Gewusstes voraus, ein gewisses Maß an Orientierung und an Ordnung. Denn Wissen wird erzeugt über Sprach-, Kultur- und Epochengrenzen hinweg. Hierbei hängt die Überschreitung von Erfahrungsgrenzen offensichtlich mit der Gewinnung eines methodischen Standpunktes zusammen, von dem aus sich unsere Erfahrung gewichten und beurteilen lässt: vor allem durch Verknüpfen und Schlussfolgern. Diese Idee von Wissenschaft lässt sich als ein Wissen aus Gründen charakterisieren, die in einer allgemein akzeptierten und gültigen Form für alle an diesem 65

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Auf diese Kontinuität verweist P. O. Kristeller, Humanismus und Renaissance, ed. E. Keßler, vol. 1, München 1974; siehe insbesondere die folgenden Beiträge: Die Humanistische Bewegung (ibid., 11-29); Humanismus und Scholastik in der italienischen Renaissance (ibid., 87-111) und Renaissance-Philosophie und die mittelalterliche Tradition (ibid., 112-144). Cf. hierzu J. Mittelstrass, Leben mit der Natur. Über die Geschichte der Natur in der Geschichte der Philosophie und über die Verantwortung des Menschen gegenüber der Natur, in: O. Schwemmer (ed.), Über Natur. Philosophische Beiträge zum Naturverständnis, Frankfurt a. M. 2 1991, 37-62.

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Diskurs Teilhabenden gelten und einen spezifischen Wissensmodus begründen, der streng argumentativ verfährt. Hierbei setzt Wissenschaft stets die Idee der Kommunikation in Form eines Arguments voraus. Nach diesem - im Kern aristotelischen - Modell sind unsere Wissenschaften bis heute organisiert und zwar sowohl in begründungstheoretischer als auch in pragmatischer Hinsicht, etwa wenn wir auf die gegenwärtig immer weiter fortschreitende Ausdifferenzierung der Wissenschaften schauen. Dieses Modell - das wird oft übersehen - prägt in besonderer Weise die arabische Wissenschaftskultur seit al-Kindı¯ und al-Fa¯ra¯bı¯. Es ist aber auch im lateinischen Westen nicht zuletzt durch Boethius durchaus in nuce präsent und bildet somit eine wichtige Voraussetzung für die vielfältigen Weisen der Rezeption und Integration von Wissenstatbeständen aller Art, von Methoden und Techniken. Dieses Modell, das auf der Idee der Universalität der Vernunft beruht, wird schließlich im Zuge der sogenannten Aristotelesrezeption - die neben den aristotelischen Schriften auch die Kommentare und Schriften der arabischen Peripatetiker, allen voran des Averroes und Avicennas, umfasst - seit dem 13. Jahrhundert in den wissenschaftstheoretischen Debatten an den neu gegründeten Universitäten zum wissenschaftstheoretischen Leitmodell, das in der Folge eine zunehmende Dynamik entfaltet und schließlich universale Geltung erlangt 67. Wir sind es gewohnt, diese Geschichte als Ereignis- und als Fortschrittsgeschichte zu erzählen: als Ereignisgeschichte mit Blick auf die vermeintlichen Umbrüche und Innovationen. Doch jede Fortschrittserzählung neigt zu Einseitigkeiten. Was nicht in diese Geschichte passt, wird ausgeschlossen. Und nicht immer ist das am fortschrittlichsten, was sich am Ende durchsetzt - mitunter auch aufgrund durchaus kontingenter historischer Umstände. Auch die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte ist voll von alternativen Ideen und konzeptuellen Brüchen, die oftmals nebeneinander bestehen. Vor allem finden sich die Innovationen nicht immer dort, wo wir sie vermuten: nämlich in jenen Wissenschaften, die wir heute als Leitwissenschaften betrachten, während wir andere aus nachgelagerter Perspektive eher als Pseudo-Wissenschaften aus einer seriösen wissenschaftlichen Betrachtung ausschließen. Dies gilt - für den Zeitraum dieses Bandes - durchaus zu Unrecht - etwa für Astronomie und Astrologie, für Alchemie, Mineralogie und Medizin. Denn mit Blick auf die Wissenschaftsgeschichte sollte man den Vergleich nicht in den wandelbaren und oft von vielen 67

Einen guten Überblick vermitteln die folgenden beiden Sammelbände: L. Honnefelder (ed.), Albertus Magnus und der Ursprung der Universitätsidee. Die Begegnung der Wissenschaftskulturen im 13. Jahrhundert und die Entdeckung des Konzepts der Bildung durch Wissenschaft, Berlin 2011; I. Craemer-Ruegenberg/A. Speer (eds.) Scientia und ars im Hoch- und Spätmittelalter, 1. Halbband (Miscellanea Mediaevalia 22/1), Berlin-New York 1994 [zugleich Festschrift für Albert Zimmermann zum 65. Geburtstag]. Zur systematischen Konzeption cf. A. Zimmermann, Ontologie oder Metaphysik? Die Diskussion über den Gegenstand der Metaphysik im 13. Und 14. Jahrhundert. Texte und Untersuchungen, 2., erweiterte Auflage, Leuven 1999 (Recherches de the´ologie et philosophie me´die´vales. Bibliotheca 1), 119-155.

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Zufällen abhängigen positiven wissenschaftlichen Kenntnissen, sondern in den Fragestellungen und vor allem in den Intentionen der Forscher suchen 68. Diese wissenschaftliche Einstellung zur Welt bildet - anderes als dies oftmals behauptet wird - keinen Gegensatz zu einem existentiellen Verständnis der Philosophie. Sie ist selbst eine existentielle Einstellung. Der Philosoph als Wissenschaftler wird zu einer kulturübergreifenden Figur: in Klöstern und an Kathedralschulen, in Rechtsschulen und an Höfen sowie in privaten Zirkeln, und schließlich an den Universitäten. Diese werden - so hat es Jacques Le Goff formuliert - zum Geburtsort einer neuen sozialen Klasse: die Intellektuellen, die inspiriert durch das zehnte Buch der ,Nikomachischen Ethik‘ des Aristoteles einem ethisch-intellektuellen Ideal des Menschen folgten 69. Zugleich wird die Philosophie professionell. Hierbei wirken Studenten und Professoren als gemeinsame Teilhaber an einer Wissenschaft oder Kunst. Nicht selten antworten die Magister auf die Fragen ihrer Schüler und entwickeln ihre Antworten und Theorien im disputativen Wechselspiel mit diesen. Die Universität als universitas magistrorum et scholarium hat hier ihren Ursprung. Gerade im universitären Kontext sind es zudem oftmals die Schüler, die als Reportatoren, die eine Vorlesung schriftlich dokumentieren, einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung der Lehrmeinung eines Magisters leisten und damit zugleich als Bearbeiter dieser Werke Fragen hinsichtlich der Autorschaft aufwerfen.

VIII. Philosophie und T heologie Zu diesen Intellektuellen gehören selbstverständlich auch die Theologen ja sogar in einem ausgezeichneten Sinn. Das gilt für das Christentum, das Judentum und für den Islam und den von diesen Religionen bestimmten Kulturkreis gleichermaßen. Denn da die Theologen über die vorzüglichsten Gegenstände nachdenken, die die menschliche Vernunft zu erfassen vermag, kommt der Theologie eine besondere, nämlich die höchste Stellung unter den Wissenschaften zu. Es macht daher wenig Sinn, die Philosophie in jenem Millennium, das wir betrachten, im Gegensatz zur Theologie zu definieren und die theologischen Diskurse als unphilosophisch auszublenden. In der seit Aristoteles kanonischen Einteilung der theoretischen Wissenschaften ist die Theologie als „ göttliche Wissenschaft “ die höchste der drei theoretischen Wissenschaften Physik, Mathematik und Theologie 70. Ihr Gegenstand sind - in den Worten des Boethius - die von der materiellen Welt abtrennbaren und unwandelbaren Sub-

68 69

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Cf. Speer, Die entdeckte Natur (nt. 61), 2-17, bes. 12 sqq. ˆ ge Cf. J. Le Goff, Les Intellectuels au Moyen´ ge, Paris 1957; A. de Libera, Penser au Moyen A (nt. 53), ch. V: „Philosophes et intellectuels“, 143-180. Aristoteles, Metaphysik, VI [E], c. 1.

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stanzen 71. Diese Bestimmung der Theologie als erster Philosophie wird in der Spätantike und auch später zu einem wichtigen intellektuellen Begegnungsort zwischen den Religionen und der Philosophie. Dennoch ist es bemerkenswert, dass sich das junge Christentum gerade die Theologie für die Begegnung mit der damals prägenden hellenistischen Kultur wählt. Damit wird angezeigt, auf welcher Ebene der Diskurs um den Geltungsanspruch der Offenbarungswahrheit geführt werden soll. Dies können wir bei den sogenannten griechischen und lateinischen Kirchenvätern sehen, etwa bei Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz und Augustinus, die exemplarisch für das Modell eines Christentums stehen, das sich affirmativ auf die hellenistische philosophische Tradition bezieht, deren Verheißungspotential auf ein gutes und glückseliges Leben aber nur die „wahre Religion“ einzulösen vermag, die zum Maßstab einer „wahren Philosophie“ wird 72. Dieses Konzept einer natürlichen Theologie, der zufolge die Glaubenswahrheiten als Vernunftwahrheiten aussagbar sind, wird nicht unbestritten bleiben, übt jedoch auch auf den Islam und das Judentum eine große Anziehungskraft aus 73. Denn auch diese Religionen knüpfen ähnlich wie das Christentum beinahe nahtlos an die hellenistische Bildungstradition an. Gleichwohl steht dieses Modell einer Harmonie von Religion und Philosophie im Spannungsfeld von Offenbarung und Vernunft immer wieder in der Kritik derjenigen, die dieser Harmonie misstrauen, sei es vonseiten der Religion, sofern diese die Grenzen der vernünftigen Erfassung der Glaubenswahrheiten betont, sei es vonseiten einer paganen Wissenschaft, die einem theologischen Primat skeptisch gegenübersteht. Eine besondere Herausforderung stellt im lateinischen Westen die um die Mitte des 12. Jahrhunderts einsetzende Aristotelesrezeption dar, die insbesondere an den Universitäten zu einer neuen und umfassenden Selbstverständigung darüber führt, was Philosophie, aber auch, was Theologie ist. Für die christliche Theologie bedeutet dies, sich als Wissenschaft nach den Prinzipien der aristotelischen Wissenschaftslehre in den Kanon der universitären Wissenschaften einzufügen - oder eben der Universität fernzubleiben. Dies ist eine keineswegs selbstverständliche Entwicklung, wie bereits die Debatten der damaligen Zeit zeigen. 71

72

73

Cf. Boethius, De Sancta Trinitate, 2, ed. C. Moreschini, in: Boethius, De Consolatione Philosophiae. Opuscula theologica (Bibliotheca Teubneriana), München-Leipzig 2000, 169,81-83: “potius ipsam inspicere formam, quae vere forma neque imago est et quae esse ipsum est et ex qua esse est.” Cf. A. Speer, The Division of Metaphysical Discourses: Boethius, Thomas Aquinas and Meister Eckhart, in: R. Friedman/K. Emery Jr./A. Speer (eds.), Philosophy and Theology in the Long Middle Ages. A Tribute to Stephen F. Brown (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 105), Leiden-Boston 2011, 91-116, bes. 92-96. Cf. T. Kobusch, Christliche Philosophie (nt. 33), 26-57 und 72-89.; A. Speer, ,Sapientia christiana‘ - Augustinus und die ,longue dure´e‘ einer christlichen Weisheit, in: C. Mayer/C. Müller (eds.), Augustinus. Bildung - Wissen - Weisheit (Res et Signa. Augustinus-Studien 8), Würzburg 2011, 69-90. Cf. A. Speer, Glaube, Vernunft und Theologie - zur Archäologie einer aktuellen Problemstellung, in: M. Khordchide/K. Von Stosch (eds.), Herausforderung an die Islamische Theologie in Europa - Challenges for Islamic Theology in Europe, Freiburg i. Br. 2012, 137-150.

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Doch insbesondere die jungen Mendikantenorden, allen voran die Dominikaner mit ihren Leitfiguren Albertus Magnus und Thomas von Aquin, aber auch die Franziskaner wie Bonaventura und Johannes Duns Scotus haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Theologie diese Herausforderung annahm und sich dem Gespräch mit den neuen Wissenschaften stellte 74. Zugleich liegt in den Debatten an der Universität - einschließlich der zwischenzeitlichen Verurteilungen und wechselseitigen Irrtumslisten - ein Ausgangspunkt für den Prozess der Freisetzung der Wissenschaften gegenüber einem umfassenden theologischen Deutungsanspruch, der sich in einigen Streitfeldern etwa zur Psychologie, zur Kosmologie und zur Ethik zeigt, institutionell hingegen in der klaren Trennung zwischen der philosophischen Artisten-Fakultät und der theologischen Fakultät niederschlägt. Gleichwohl besitzt aber gerade eine als Wissenschaft auftretende Theologie eine besondere Bedeutung, denn sie vermittelt in der kritischen Reflexion auf die epistemischen Geltungsansprüche der Theologie zwischen theologischen und wissenschaftlichen Diskursen auch über Religionsgrenzen hinweg, die heute oftmals als inkommensurabel gelten 75. IX. Ein lang es Jahr tausend im Spieg el der Kölner Mediaevistentagung en Im Verlauf dieses Beitrages habe ich schon einige Male auf Themen und Bände der ,Miscellanea Mediaevalia‘ Bezug genommen, in denen die Ergebnisse der Kölner Mediaevistentagungen dokumentiert und weitergedacht werden. Ich erlaube mir zum Abschluss einen kurzen Rückblick auf die vierzig Kölner Mediaevistentagungen, die seit 1950 zunächst jährlich, dann als Biennale stattgefunden haben. Die Kölner Mediaevistentagungen waren von Anfang an - gewissermaßen avant la lettre - interdisziplinär, lange bevor Interdisziplinarität zum methodischen und forschungspolitischen Schlagwort wurde. Dieses Selbstverständnis bringt der Gründer des Thomas-Instituts und Begründer der Kölner Mediaevistentagungen Joseph Koch in seinem Rechenschaftsbericht für die Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 1955 zum Ausdruck. „Wir denken“, so schreibt Koch, „an die Philosophen und Theolo74

75

Noch immer aktuelle cf. M.-D. Chenu, La the´ologie comme science au XIIIe sie`cle (Bibliothe`que thomiste 33), 3., erweiterte Auflage, Paris 1957; und hierzu A. Speer, Theologie als Wissenschaft: Vergessenes Erbe und Herausforderung. Hinführung zu Chenus ,Theologie als Wissenschaft im 13. Jahrhundert‘, in: M.-D. Chenu, Die Theologie als Wissenschaft im 13. Jahrhundert (Collection Chenu 4), Ostfildern 2008, 7-32. Hierzu cf. A. Speer, Theologische Vermittlungen. Ein mittelalterlicher Blick auf das Verhältnis von Philosophie und Religion, in: C. Bickmann/M. Wirtz/H.-J. Scheidgen (eds.), Religion und Philosophie im Widerstreit? (Studien zur Interkulturellen Philosophie 18), Nordhausen 2008, 103-120; id., The Double Truth Question and the Epistemological Status of Theology in Late 13th Century Debates at Paris, in: The Modern Schoolman LXXXIX/3-4 (2012), 189-207.

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gen, die Rechts- und Gesellschaftshistoriker, die Germanisten und Romanisten, Kunst- und Musikwissenschaftler“, denn „alle bemühen sich um das Verständnis des mittelalterlichen Menschen und Lebens, und so können und müssen alle voneinander lernen“ 76. Die Beiträge und Referate sollten sich daher „auf literargeschichtliche und quellenkritische, philosophische und theologische Probleme, auf Fragen, welche religiöse (und insbesondere mystische) und sektiererische Bewegungen oder den Zusammenhang von Scholastik und Mystik, Kunst und Politik betreffen“ beziehen. Koch hatte somit - ganz im Sinne seines Straßburger Lehrers Clemens Baeumker - bereits von Anfang an im Blick, was später nicht ohne Pathos eingefordert wurde: nämlich die historischen Bedingungen der mittelalterlichen Philosophie im Kontext einer Problem- und Ideengeschichte auf angemessene Weise zu berücksichtigen. Die Kölner Mediaevistentagungen wurden und sind ein Experimentierfeld für Themen und Methoden. Das zeigt ein Blick auf die Themen der vierzig Tagungen, die ganz unterschiedliche Konzeptionen und Themen verfolgt haben: einzelne Jahrhunderte, Ideen- und Sozialgeschichte, Personen, Themen und Schlüsselbegriffe, Institutionen, Methoden, Kultur- und Sprachräume, inter- und transkulturelle Austauschbeziehungen, Historiographie sowie Raum- und Zeitkonzepte. Ein besonderes Bemühen galt den Versuchen einer Integration der multiplen Sprach- und Kulturräume in die thematische Arbeit. Wie schwierig ein solcher gleichzeitiger Blick aus verschiedenen Blickwinkeln ist, zeigen die Forschungsdiskussionen, die sich in den Tagungen und Tagungsbänden widerspiegeln. Und obgleich die Kölner Mediaevistentagungen den Epochennamen in ihrem Titel tragen, so tritt im Verlauf der Jahre die Hinzufügung „im Mittelalter“ allmählich zurück oder fällt in dem Maße fort, in dem die Perspektiven der Annäherung an das dadurch bezeichnete Jahrtausend breiter und vielfältiger werden. Gefragt ist eine Geschichte ohne normative Periodisierung. Das neue Bild des langen Jahrtausends, das sich selbst niemals in Distanz zu seinen Wurzeln in der spätantiken Kultur gesehen hat und weit in die frühe Neuzeit ausgreift, ist wesentlich geprägt von den Wechselbeziehungen über Sprach-, Kultur- und Religionsgrenzen hinweg. Damit liegt der Verzicht auf eine Epochenkategorie nahe, die zudem eine nachträgliche Erfindung darstellt und vorrangig dem Ziel diente, das medium aevum in das Dunkel des Vergessens zu tauchen, aus dem nur wenige „lichte“ Monumente herausragen. An die Stelle der einen, linearen Perspektive muss eine Geschichte ohne große Meistererzählung und ohne ein normatives Fortschrittsnarrativ treten. Das be76

J. Koch, Das Thomas-Institut. Forschungsstelle für besondere philosophische Aufgaben an der Universität Köln, in: Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 4 ( Juli 1955), 8-14, hier 12. Zur Geschichte der Kölner Mediaevistentagungen cf. A. Speer, 50 Jahre Kölner Mediaevistentagungen: ein Überblick, in: J. A. Aertsen/ M. Pickave´ (eds.), Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 29), Berlin-New York 2002, 36-47.

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deutet, mit multiplen Temporalitäten umzugehen, einen definitorischen Exklusivismus zu vermeiden, Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen und, anstatt bestehende Karten zu kopieren, selbst Karten zu machen und auf diese Weise Pfadabhängigkeiten zu vermeiden. Ein Jahrtausend ist zu komplex und vielfältig, um es aus einer Perspektive zu erzählen, es als einen glatten, homogenen Raum darzustellen. Dem glatten Raum muss vielmehr der gekerbte Raum gegenübergestellt werden. Doch auch dieser einfache Gegensatz, so Deleuze und Guattari, wird mitunter durch eine viel komplexere Differenz überholt, „die bewirkt, dass die einander folgenden Terme der betrachteten Gegensätze nicht deckungsgleich sind“, dass „die beiden Räume nur wegen ihrer wechselseitigen Vermischung existieren“ und unaufhörlich wechselseitig ineinander verwandelt werden können 77. Damit stellt sich für die Narrative, die wir entwerfen, indem wir uns mit den Ansichten derer auseinandersetzen, „die vor uns das Seiende erforscht und über die Wahrheit philosophiert haben“ 78, eine ganze Reihe von Fragen gleichzeitig: nach dem Verhältnis von einfachen Gegensätzen und komplexen Unterschieden, von faktischen Vermischungen und Übergängen von einem zum anderen, und nach den Gründen einer solchen Vermischung, „die keineswegs symmetrisch sind und bewirken, dass man aufgrund von völlig unterschiedlichen Bewegungen mal vom glatten zum gekerbten und mal vom gekerbten zum glatten Raum übergeht “ 79. - Dazu gehört, die Möglichkeit zuzulassen sich zu irren wie umgekehrt die Möglichkeit zu eröffnen, Irrtümer korrigieren zu können. Hierzu wollen die Kölner Mediaevistentagungen auch künftig ihren Beitrag leisten. Anhang: Ein Überblick über 40 Kölner Mediaevistentagungen 40: 39: 38: 37: 36: 35: 34: 33: 32: 77 78 79

Irrtum - Error - Erreur (2016) Schüler und Meister (2014) Das Gesetz - The Law - La Loi (2012) Knotenpunkt Byzanz. Wissensformen und kulturelle Wechselbeziehungen (2010) »1308« - Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit (2008) Das Sein der Dauer (2006) Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter (2004) Herbst des Mittelalters? Fragen zur Bewertung des 14. und 15. Jahrhunderts (2002) Ende der Vollendung (2000) Deleuze/Guattari, Tausend Plateaus (nt. 48), 658. Aristoteles, Met., I [A], c. 3, 983b 1-3 (cf. supra nt. 2). Deleuze/Guattari, Tausend Plateaus (nt. 48), 658.

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31: 30: 29: 28: 27: 26: 25: 24: 23: 22: 21: 20: 19: 18: 17: 16: 15: 14: 13: 12: 11: 10: 9: 8: 7: 6: 5: 4: 3: 2: 1:

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Geistesleben im 13. Jahrhundert (1998) Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter (1996) Individuum und Individualität im Mittelalter (1994) Scientia und ars im Hoch- und Spätmittelalter (1992) Mensch und Natur im Mittelalter (1990) Die Kölner Universität im Mittelalter: Vorgeschichte - Gründungsphase Folgezeit (1988) Thomas von Aquin - sein Leben, sein Werk und seine Zeit in der neusten Forschung (1986) Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter (1984) Mensura. Maß, Messen, Maßverhältnisse im Mittelalter (1982) Albert des Große, seine Zeit, sein Werk, seine Wirkung (1980) Kategorien zur Erfassung sozialer Strukturen (1978) Die Mächte des Guten und Bösen. Vorstellungen im 12. und 13. Jahrhunderts über Wirken in der Heilsgeschichte (1976) Die Auseinandersetzung an der Pariser Universität im 13. Jahrhundert (1974) Antiqui und Moderni. Traditionsbewußtsein und Fortschrittsbewutßsein im späten Mittelalter (1972) Der Begriff der repraesentatio im Mittelalter. Stellvertretung, Symbol, Bild, Zeichen (1970) Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters (1968) Lex und sacramentum im Mittelalter (1966) Universalismus und Partikularismus im Mittelalter (1965) Judentum im Mittelalter (1963) Berufsbewußtsein und Selbstverständnis des spätmittelalterlichen Menschen (1962) Das Selbstverständnis des Berufs im 13. Jahrhundert (1960) Fides und auctoritas im 13. Jahrhundert (1959) Die Welt des 14. Jahrhunderts (1958) Orient und Okzident im Mittelalter (1957) Die Antike aus der Sicht des Mittelalters (1956) Die Artes liberales in der Kultur des Mittelalter (1955) Augustinus im Mittelalter (1954) Die geistige Welt des 12. Jahrhunderts (1953) Nikolaus von Kues (1952) Der mittelalterliche Symbolismus (1951) Erste Kölner Mediavistentagung (1950)

Summaries I. Unwissen und Nichtwissen Charles Bolyard (Harrisonburg) Augustine on Error and Knowing That One Does Not Know In this paper, I examine Augustine’s response to two Socratic statements: his exhortation for us to know ourselves, and his claim that he knows only that he knows nothing. Augustine addresses these statements in many works, but I focus in particular on his discussion of error in ‘Contra Academicos’, and his account of self-knowing (and not-knowing) in ‘De Trinitate’. For Augustine, error can occur in at least four distinct ways, and one of his main purposes in ‘Contra Academicos’ is to show that having an overly narrow view of error, focused on only one of those ways - namely, approving a falsehood as a truth - too easily leads to skepticism. He argues instead that erring can be a sin both of commission and of omission, and that failing to assent when one should assent is just as problematic as assenting when one should not. In both ‘Contra Academicos’ and ‘De Trinitate’, Augustine extends his position by exploring the ways in which one can achieve epistemic certainty. But in doing this, he also offers scattered remarks about how one recognizes that one has not yet achieved certain knowledge, and thus about how one can know that one does not know. It is here that Augustine’s views are the most muddled, since he simultaneously claims that we (as humans in this life) are ignorant in many fundamental ways, that knowledge of something requires knowledge of that thing as a whole, and that nevertheless we can know ourselves, which obviously involves knowing that we do not know. It is to this puzzling group of claims that the remainder of the paper is addressed. Eileen C. Sweeney (Boston) When Is It Wrong? Models of Argument and Interpretation from the 12th to the 13th Century This paper considers 12th and 13th c. thinkers in the Latin West grappling with and redefining the nature of error in light of Aristotle’s definition of science. This is a moment when a new epistemological pattern, that of Aristotelian science, challenges the existing one developed out of Augustine’s ‘De doctrina christiana’ and enshrined in 12th-century schools and monasteries. The paper argues, first, that these models contain two different notions of error and how to avoid or remedy it; one is the product of a model of knowledge as interpretation in which error is essentially relative and a matter of degree. The other,

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attributed to Aristotelian science by Grosseteste, Roger Bacon, William of Auvergne and the Summa fratris alexandri, is a harsher and more unforgiving notion of error, one that is in a more complete binary opposition with getting things right. Second, the paper considers three major thinkers in the next wave of interpretation and assimilation of Aristotle on science: Albert the Great, Thomas Aquinas and Bonaventure. These thinkers find ways to reduce the opposition between these two models of knowledge, finding within the Aristotelian picture a place for this earlier hermeneutic notion of truth and error, making possible, in different ways and different degrees, the co-existence of multiple modes of knowing and methods of coming to truth and avoiding error. This flexibility and openness (albeit within limits and with continued battles about how flexible and open to be) contributed to the development of the sciences, in its own way helping pave the way for modernity. Christophe Grellard (Paris) ´ ge L’erreur invincible et le proble`me sceptique a` la fin du Moyen A Invincible Error and the Skeptical Problem in the Late Middle Ages The aim of this paper is to examine the epistemological use of a theological concept, the concept of invincible ignorance. This concept, whose origin is epistemological when coined in the twelfth century (in the school of Peter Abelard), is turned into a key concept of moral theology. It is used in the thirteenth century in the context of an analysis of the sin and its excuse. At the beginning of the fourteenth century, Walter Chatton imports the concept into the field of epistemology and links it to the new question of divine deception. Invincible ignorance becomes a way of conceptualizing the reliabilist conception of skepticism. On the other hand, a theologian as Robert Holcot draws all the consequences of this epistemological import of an ethical concept. God may, de facto, modify the realm of nature, and no part of our knowledge is entirely secured. As a consequence, only a blind trust in God allows to act in a contingent world. II. Ir r tum und For tschritt in den Wissenschaften Olaf Pluta (Bochum) Abicienda est penitus ista sententia, tamquam error pessimus. Alexander of Aphrodisias on the Human Soul: The Philosophical Debate on Alexander’s Error (error Alexandri) from Albert the Great to Pietro Pomponazzi In his treatise ‘On the Soul’, Alexander of Aphrodisias developed what we would today call a theory of emergence: the soul, in his view, is a power and form that supervenes on the particular mixture of its underlying body, which is blended and joined together in a specific way. Alexander thus outlined a non-reductive materialism that holds that even though the human soul is exhaustively consti-

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tuted of material elements, and hence dies together with the body, its complex behavior cannot be explained as being caused by physical properties. When Alexander’s theory became known in the Latin West during the thirteenth century, it was met with immediate resistance by Church officials. William of Auvergne, the Bishop of Paris, demanded in his treatise ‘On the Soul’ (‘De anima’), completed by around 1240, that Alexander’s error (error Alexandri), which denies any future life, must be wiped out “as a radical and most pestilential plague”. Albert the Great took up this challenge in his own treatise ‘On the Soul’ (‘De anima’), written in the years 1254-1257, in which he equally requested: “abicienda est penitus ista sententia, tamquam error pessimus” (this position must be utterly abandoned as the worst error). After the decline of the University of Paris, many new universities were founded throughout Europe during the fifteenth century. At several of these universities, John Buridan was required reading, and Alexander’s position was considered “true according to the principles of nature” (“vera secundum principia naturae”), as Nicholas of Amsterdam taught at Rostock University. The worst error (error pessimus) had been turned into a philosophical truth. This paper aims at retracing the key philosophical arguments which led to the amazing paradigm shift that turned the worst error (error pessimus) into a philosophical truth and an integral part of the university curriculum. Nicolas Weill-Parot (Paris) Explaining the Errors of Nature without Any Error? Some Rational Models in Several Latin Medieval Commentators on the ‘Physics’ The article aims at giving an overview on how medieval discussions on nature’s mistakes, i. e. anomalies and monsters, took place within a larger framework including human mistakes and explanations of phenomena such as nature’s abhorrence of a vacuum. Examples are provided of Latin translations and commentaries on Aristotle’s comparison between nature’s failures and the grammarian’s or the physician’s mistakes (‘Physics’, II, 8). The question was: How can the idea of nature as a perfect instrument of God and the existence of nature’s mistakes be saved at the same time? The Latin medieval discussions were strongly influenced by Avicenna’s and Averroes’s explanations. Roger Bacon’s use of the Avicennian concept of universal nature is highlighted as well. In the fourteenth century, the explanation given by John Buridan and Albert of Saxony, based on the logical concept of “appellatio rationis”, offered new ways to solve the problem. Nature’s error is always subsumed under a higher frame in which it is no longer an error. But while Roger Bacon thought that the universal nature produced an anomaly - e.g. a sixth finger - as a last resort, Albert of Saxony asserted that the universal nature produced monsters as a part of the beauty of the higher general frame and compared the respective work of the painter and his apprentice with the respective operation of the universal nature and the particular nature. The deficient craftsman gave way to the brilliant artist.

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Elisa Rubino (Lecce) Irrtum in geomantischen Wissenschaften. Die ,Geomantia‘ des Wilhelm von Moerbeke Error in Geomantic Sciences. The ‘Geomantia’ of William of Moerbeke The error, its identification and elimination play an essential role in the scientific process. Especially with regard to the issue scientific error, Wilhelm von Moerbeke’s Treatise on Geomancy (Geomantia) is an important source. The author does not just compile the information available at his time, or provide a (more or less) detailed list of dogmatic predefined predictions; he rather enriches his geomantic doctrine with reflections on error and tries herewith to contribute to the consolidation and the scientification of geomancy. Although Wilhelm’s text does present innovative elements in relation to the “science of geomancy” (scientia geomantiae), the limits of this science should not be disregarded. Also in this light, Wilhelm’s treatise proves to be an invaluable witness. While retaining and adopting the traditional basic rules for creating geomantic figures, this text shows a strong casuistic hypertrophy and an extraordinary astrological complexity. It is within this complexity that the geomant primarily moves with his intuition and empathy, grounding his predictive judgements on a degree of approximation that is virtually uncontrollable, and thus moving away from what we would understand as a true experimental check. G¸nther Mensching (Hannover) Die Kritik des Irrtums und die Idee des universalen Fortschritts nach Roger Bacon The Criticism of Error and the Idea of Universal Progress According to Roger Bacon Roger Bacon’s criticism of teaching in contemporary universities is based on an analysis of a set of errors and types of ignorance which he reproaches even when it comes to well-renowned scholars. His purpose is an entire renovation of education, including a thorough study of languages such as Greek, Hebrew and Arabic and good teaching in the natural sciences. These new elements of education at the universities are combined in Bacon’s idea of an encyclopedia of secular knowledge which has, however, its top in theology. This very orientation is the consequence of his very traditional neoplatonic orientation. This article deals with Bacon’s idea of a universal science and puts it into context with his imagination of the coming empire of the antichrist and with the idea of secular and spiritual progress. III. Medizinische Ir r tümer Evelina Miteva (Cologne) “Iam ergo patet veritas eius quod dixit Aristoteles, et causa deceptionis Galieni.” Philosophers vs. Medics in Albertus Magnus’ Account on Conception The present article focuses on the medieval debate on the role of the mother in the conception of the human embryo in Albertus Magnus. Albert reverberates

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the controversy between the Aristotelian position, claiming that the mother had only a passive role, and the medical position, which acknowledges a certain, even if limited, activity to the “female seed”. The article follows through the arguments pro and contra that Albert developed throughout his works. I conclude that, given the limited empirical knowledge on the topic, Albert takes the standpoint of a natural philosopher. He adheres to the Aristotelian framework, attempting to incorporate Galenic material into it, while, at the same time, refuting the Galenic position in general. The article looks into this precarious balance of Albert’s position and its possible grounds. Iolanda Ventura (Bologna) Wie beherrscht man die Kenntnis der medicamina? Fehler und Normierung in der universitären Pharmakologie How Can One Acquire Knowledge of the medicamina? Errors and Norms of University Pharmacology My paper focuses on the notions of “error”, “mistake”, and “uncertainty” (or “uncertain knowledge”) in pharmacological writings produced in the Late Medieval University milieu. More specifically, I shall examine the presence of those notions in the discussion of the process of data acquisition concerning the nature and properties of simple remedies per ratiocinationem, that is, the process leading to an identification of the nature and substance of natural objects employed as medicines through the examination of their smell, flavors, and colors, as well as of their capacity of dissolving themselves in the human body and turning into medical substances. In particular, I shall analyze how “errors”, “mistakes”, and “uncertain knowledge” play a role when physicians attempt to define nature, complexio, and the intensity of effect, and how they can affect the act of acquiring knowledge through experience or simple reasoning or deduction. As a basis for my discussion, I will use Avicenna, ‘Liber canonis’, II , 1, 3-4, and the commentary devoted to those chapters by Dino del Garbo. Danielle Jacquart (Paris) Iudicium difficile: la faillibilite´ du jugement me´dical dans les commentaires au premier aphorisme d’Hippocrate (XIII e-XV e s.) Iudicium difficile: The Fallibility of Medical Judgment in the Commentaries on Hippocrates’ First Aphorism (13th -15th Centuries) Hippocrates’ first aphorism states that “judgment is difficult”. Commenting on this statement, medieval university masters had to deal with possible errors in diagnosis, prognosis and, first of all, in prescription. In this article, some practical strategies are presented that Salernitan masters, Italian university teachers and Arnald of Villanova in Montpellier have put forward in order to avoid errors or, more often than not, to limit its effects when prescribing.

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IV. Ir ren und Sinnestäuschung Cornelia Selent (Berlin) Der error sensuum im frühen 12. Jahrhundert: Wie irrtumsanfällig sind olfaktorische, gustatorische und taktile Wahrnehmungen? Zwei Miniaturen The error sensuum in the Early 12th Century: How Error-Prone Are Olfactory, Gustatory and Tactile Perceptions? Two Microstudies When medieval philosophers discuss the error sensuum, they mostly refer to the error of sight. The chosen examples emphasizes this even more. Despite the overwhelming dominance of the error visus it should be kept in mind that sight is not to be considered identical with the falsity of perception in general. Smell, taste and touch have different parameters regarding their possible errores. The distance between perceiver and sensibile, for example, rules out touch and taste as sources of misjudged sensible impressions. Although there are clear differences between the five modi of perception, medieval authors discuss these very rarely. In the early 12th century, we can find two texts which take a closer look at the problem. One of them, the first Latin translation of Nemesios of Emesas ‘De natura hominis’ by Alfanus of Salerno, may be considered a witness of the knowledge and supply of detailed discussions that were available around 1100. The second text is the genuine medieval poem ‘De eodem et diverso’ by Adelard of Bath. It is an entanglement of anthropology and satire with the remarkable result that smell, taste and touch are differentiated when it comes to their failures. The article aims to scrutinize, especially for the three mentioned perceptions, the considerations and arguments for a distinction among the five sensus brought forth by both authors. Anselm Oelze (Berlin) Können Tiere irren? Philosophische Antworten aus dem 13. und 14. Jahrhundert Can Animals Err? Philosophical Answers from the 13th and 14th Centuries According to an ancient philosophical proverb, to err is human. Yet, does this mean that nonhuman animals do not err? On the one hand, it seems implausible to claim that animals are always right because there are many situations in which they seem to fall prey to sensory illusions or seem to be mistaken about something. On the other hand, the question is whether erring requires certain cognitive capacities that nonhuman animals might lack, such as the ability to form judgments (if an error is defined as an erroneous judgment or belief). This question was particularly challenging for medieval philosophers because they usually adopted Aristotle’s denial of intellect (intellectus) and reason (ratio) to nonhuman animals. Consequently, they could not simply explain the misapprehensions of animals by referring to erroneous intellectual judgments. The present paper discusses how thinkers such as Albertus Magnus, Adam Wodeham, and Gregory of Rimini dealt with various cases of erroneous nonhuman animal

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behaviour instead. As it shows, they developed very different explanations, most of which centre on the role of the inner senses. And even though we do no longer share many of their psychological and metaphysical premises, their theories nicely illustrate that there are several ways of answering the question whether it is human to err. V. Göttliche oder teuf lische List? Dominik Perler (Berlin) Was Adam Prone to Error? A Medieval Thought Experiment All medieval thinkers subscribed to the thesis that Adam was in an ideal state before he committed the original sin: he was a perfect human being with perfect cognition of all things. But in what sense was he perfect? Was he immune to error? Why then did he not realize that it was wrong to eat the fruit from the forbidden tree? Should a perfect human being not have avoided the original sin? This paper discusses these questions, paying particular attention to medieval theories of Adam’s cognitive achievements in the prelapsarian state. It first looks at Aquinas’s and Sua´rez’s analysis of Adam’s intellectual activities. It then examines their account of his volitional activities and points out that they attempted to localize the origin of Adam’s sin in his use of free will, not in any cognitive error. Finally, the paper approaches the entire debate about Adam from a methodological point of view. It argues that it had the function of a thought experiment: it enabled medieval philosophers to assess the cognitive achievements of normal human beings against the background of a scenario presenting an ideal human being. Guy Guldentops (Cologne) Giles of Rome on Erring and Devilish Delusions Giles of Rome regards human beings as liars, defines ‘error’ as a kind of ignorance whereby one asserts an untruth, and holds that demons are able to produce different sorts of deceptions in human souls. These elements of his theological anthropology and demonology, which accord with his rather dark views on the intellectual incapacity of non-Christians, suggest that, without divine illumination, it is extremely difficult to know and speak the truth (even the Pope is not necessarily infallible). Still, Giles avoids what has been called ‘demon skepticism’, not only owing to his realist epistemology, but also to his optimist metaphysics of light. Vale´ rie Cordonier (Paris) Giles of Rome on the Reduction of Fortune to Divine Benevolence: The Creative Error of a Parisian Theologian in the 1270s Among the significant figures in Late Medieval intellectual history, Giles of Rome (ó 1316) holds a rather specific position, as a large part of his contribution

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has to do with errors - be they the “errors of the philosophers” forming the subject of the work sometimes ascribed to him (‘Errores philosophorum’), or the errors he was thought to have made, which led to his being involved in a disagreement with Henry of Ghent (ó 1293) and in the Condemnation issued by Tempier in March 1277. In addition to the errors which have traditionally been considered in scholarship on Giles, it is necessary to pay attention to an “error” which led to intense criticism from Henry and which had a profound influence on his thinking, namely the views held by Giles concerning the ‘Liber de bona fortuna’, a treatise that was part of the Latin Aristotelian corpus from the 1260s. In this essay, I examine Giles’ supposed error on good fortune from the viewpoint of its construction and its doctrinal fruitfulness. This will entail showing precisely how the way in which Giles commented on the ‘Liber’ led Henry to consider the commentary unacceptable, and also led him to look for an alternative interpretation of Aristotle’s doctrine of good fortune and divine government. To do so, I focus on a passage from Giles’ ‘Sententia de bona fortuna’ that proves crucial in this respect, namely a lemma corresponding to the description of “enthusiasts” in ‘Magna moralia’ 1207b 3-5 which is devoted, according to Giles’ reading, to the discussion of the reduction of fortune to God’s benevolence. VI. Ir r tum und Religion Hans-Werner Goetz (Hamburg) Irrtum als Kennzeichen anderer Religionen in der christlichen Wahrnehmung des frühen und hohen Mittelalters Error as a Distinguishing Mark of Other Religions in the Christian Perception of the Early and High Middle Ages While investigating the Christian perception of other religions (as has been done in an ERC project), it is conspicuous how often all other religions are classified as being in error or erroneous: predominantly pagans and heretics, but also Muslims (Saracens), Jews and Greek-Orthodox Christians. Error virtually becomes a collective feature of all non-Christians, whose ‘faith’ intrinsically virtually is ‘error’, and a synonym for unbelief, although substantiated in different modes respectively. Thus, error adopts a religious connotation by which the others are not only distinguished from Christianity as the only true religion due to their ‘error’, but the evidence also reveals parts of the medieval comprehension of error itself: error is always pejorative and, in addition, creates an immoral life. It is always false and mendacious and thus stands in complete and incompatible contrast to truth: while there is imperfect knowledge, half-truth or halferror seem to be impossible. Likewise, error may be caused by deception; thus Christian authors are able to differentiate between unwitting error (pagans) and deliberate error (heretics); nevertheless, both remain equally false and untrue. Consequently, learning from errors is not possible except by the recognition of

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having erred and correcting this error by conversion to Christianity (as truth per se). Religious error may be only one variation of errors. However, as an antipole to faith, truth, salvation and Christian behaviour, for medieval authors it is the central category of error par excellence. Matthias M. Tischler (Barcelona) Religiöse Alterität und scholastische Irrtumsbekämpfung. Neue Umgangsformen der hochmittelalterlichen Bildungselite mit dem Islam Religious Alterity and the Scholastic Combat against Error. New Attitudes of the High Medieval Cultural Elite towards Islam Without doubt, finding and preserving the truth are of paramount importance for any religious community. Therefore, every little mistake within as well as outside of its tradition flow has to be recognized, combatted and eliminated. Since Late Antiquity, Christianity, now even a recognized religious community (‘religion’), gained experience in dealing with Judaism and paganism, and applied and developed it gradually in the new medieval clashes with heretics, Jews and Muslims. So far, we have no systematic overview of the application of the new scholastic methods of identifying and discussing religious error and truth for a classification of the Islam in the religious world order of the High Middle Ages between paganism, Judaism and heresy. On the basis of some key authors of the twelfth and thirteenth centuries, various persons, institutions and their early and high scholastic text genres and modes of philosophical and theological debate with Islam seen as a ‘religious error’ are presented and contrasted with each other. This paper shows that with the increasing knowledge of this religious alterity the modes and criteria of the assessment and qualification of it changed, but that neither scholastic dialogue nor disputation in literary and practical forms were used in this field of encounter until the later thirteenth century. Luca Bianchi (Milan) Nulla lex est vera, licet possit esse utilis. Averroes’ “Errors” and the Emergence of Subversive Ideas about Religion in the Latin West It is well known that the portrait of Averroes as a freethinker who despised all religions, largely diffused from the Renaissance onwards, goes back to the treatise on the ‘Errors of the philosophers’, probably written around 1270 and generally attributed to Giles of Rome. Reading a few passages of the Latin translations of Averroes’ commentaries on Aristotle’s ‘Metaphysics’ and ‘Physics’ in a very selective and distorting way, Giles of Rome ascribed to Averroes an extremely dangerous “error”: “that no law is true, although it can be useful”. After drawing attention to the long influence of this image of Averroes, which was further spread by another well-received text, namely Nicolaus Eymericus’ ‘Directorium inquisitorum’, this paper will show that both Giles and Eymericus misunderstood several key terms used by the Averroes latinus in passages devoted

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to the discussion of Aristotle’s ideas on the negative role that “custom” may play in the search for truth. This paper also examines how Aristotle’s and Averroes’ views on this issue were interpreted by major figures of the so-called Latin Averroism. In particular, Siger of Brabant very prudently expounded the passage of the ‘Metaphysics’ (II, c. 3, 994b 3-995a 5) in which Aristotle calls attention to the mythical and childish elements of the “laws”. Far from endorsing anything like “error” 174 (“that there are fables and falsehoods in the Christian law just as in others”), which was censured by bishop Tempier on March 7, 1277, Siger repeatedly made clear that his remarks concerned only “human laws”. A few decades later, John of Jandun went even further and displayed a great amount of ingenuity in order to demonstrate that Averroes’ analysis of the relationship between philosophical training and religious beliefs is true insofar as it refers to “laws intermingled with errors”, invented by men for political purposes, while it is false if extended to Christian faith. Finally, this paper points out that the subversive notion that religions are useful but not true is not to be exclusively ascribed to ‘lay’ Renaissance thinkers, as is generally assumed. According to early fourteenth-century documents, Cardinal Benedict Caetani (later Pope Boniface VIII) was accused of maintaining that all faiths - the Christian one included - are “human inventions” which do not “contain truths” but “are only useful”. Although scarcely reliable, these documents bear witness to the medieval circulation of opinions similar both to “error” 174 censured at Paris in 1277 and to the first of the “errors of the Commentator” listed in the ‘Errores philosophorum’. Jan-Hendryk de Boer (Duisburg-Essen) Die Irrtümer des Ostens. Lateiner, Griechen und Armenier im päpstlichen Avignon des 14. Jahrhunderts The Errors of the East. Latins, Greeks and Armenians at the Papal Court in Avignon in the 14th Century The Avignonese papacy sought to legitimise itself against critics by making decisions that were directed against competing religious or theological claims to validity. This attitude shaped the contacts with representatives of the Greek and Armenian churches. When Byzantines and Armenians entered into a closer exchange with the Roman Catholics for political or religious reasons, they were challenged to recognise the Latin theological claims as well as the primacy of the pope. For Latin scholars such as Guido Terreni and Richard FitzRalph, the meeting with representatives of the Eastern Church was an opportunity to clarify the relationship between the Latin conceptual scheme and competing ones and to discuss how this could be implemented throughout Christendom. In so doing, they used ‘error’ as an epistemic category to distinguish one’s own conceptual scheme from other schemes.

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Wilhelm Schmidt-Biggemann (Berlin) Die Irttümer der christlichen Kabbala The Errors of the Christian Kabbalah The text presents two trials in which central theses of the Christian cabbalists Giovanni Pico della Mirandola and Johannes Reuchlin were condemned as erroneous by the authorities of the Church. In the case of Pico, Pope Alexander VI. cancelled the decision of his predecessor Innozenz VIII. In the case of Reuchlin, who, with cabbalistic arguments, defended the Jews’ right to keep their religious literature, the ecclesiastical condemnation came so late that the political situation had already surpassed the topicality of the conflict. Concerning these two cases, the question of how an error becomes topical in institutional contexts arises. It seems that only by institutional decision an error becomes valid; and perhaps it is only in such a process that it becomes an error at all. Are errors intrinsically wrong or are they merely creations of supervising institutions?

VII. Politische, historische, rechtliche Ir r tümer Dagmar Bˆrner-Klein (Düsseldorf) „Wer sich in einer Lehre irrt, kann das Urteil widerrufen“ (bSanh 33a) Irrtümer mit rechtlichen Konsequenzen im babylonischen Talmud “Whoever errs can revoke the judgment” (bSanh 33a) - Errors with Legal Consequences in the Babylonian Talmud In the Middle Ages, the Babylonian Talmud is the most important and fundamental source for all later authors or codifications on Jewish Law. In the Talmud itself, the issue of the legal error and the consequences resulting from the judgment (verdict), which was falsely enacted on the basis of an error, are discussed at length. In doing so, a distinction is made between the error due to lack of information and the error due to incorrect information. Likewise, in rabbinic law a distinction is made between the error of an individual and the error of a collective. In order to understand the basis of the Talmud’s discussion, I referred to the Mishna, which was composed in the second century AD, to illustrate examples of errors of a court of justice and the error of a single scholar of law. In addition, a case from the Mishna is presented to explain how and why a special law of the Mishna was revised in Mishnaic times. The Babylonian Talmud later judged that the revision had been necessary because the Mishna relied on an error.

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Ingeborg Braisch (Hamburg) Der Vorwurf des error in den politischen Auseinandersetzungen des 13. Jahrhunderts (1250-1300) The Accusation of Error in Political Conflicts in the 13th Century (1250-1300) In early Christian Latin the meaning of error begins to be restricted. When Augustine and Jerome talk of error, they mostly indicate heresy. Since the eleventh century theologians have to deal with new heretical movements - they resume the former meaning of error as coined particularly by Augustine. The combination of error with zizania, venenum, tenebrae, caligo, caecitas and pertinacia shows how much these words are linked with the reproach of heresy. Since 1250 groups and individual persons who have come into conflict with the Roman church because of political reasons have remarkably often been accused of error, among them especially governments of towns as well as noblemen, who favoured the descendants of Frederick II. Initially, they were asked to resume their former devotion to the church. But they were threatened to be excluded from the Christian community if they did not do so and remained obstinate. The authors conceal the fact that the mentioned conflicts are based on struggles for political power. Also, they do not only avoid the reproach or accusation of heresy but neither do they expressly refer to the contemptus clavium, although some lawyers such as Huguccio of Pisa had declared that the contemptus clavium was heresy. But on reading the words and phrases employed by the Holy See and its supporters, the contemporary reader unambiguously associates heresy with it. The wording rather hints at a battle fought on a higher, religious level, and not at one for political interests. The Holy See and its followers would not have known anything about cognitive science but it seems they knew a lot about political framing. Helmut G. Walther ( Jena) Die ganze Kirchengeschichte als (korrigierbarer) historischer Irrtum? Marsilius von Padua zu den historischen Rahmenbedingungen des päpstlichen Primats (,Defensor pacis‘, Dictio II) The Entire Church History as a (Rectifiable) Historical Error? Marsilius of Padua on the Historical Conditions of the Pope’s Supremacy (‘Defensor pacis’, Dictio II) The first dictio of the Marsilian ‘Defensor pacis’ was designed by its author less as a politico-theoretical tract than as a foundation for the historical proof given in its second part, showing that the earthly structures of the Church correspond totally to the principles of racio and experiencia of all correct secular structures of lordship. This is demonstrated by him by the texts of the New Testament for the times of the First Church and the development of the office of bishops under still heathen Roman emperorship. The illegal claim of the office of pope by the Roman bishops in form of arrogation and usurpation was only possible in the times after Emperor Konstantin the Great and proves an abortive development, explicitly contradicting Christ’s will and the divine law. In chapters 21

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and 22 of the second diction, Marsilius proves that it is only in the competence of a legislator humanus fidelis (also in the form of a concilia generalia fidelium or by representatives as pars principans or valentior pars) to pass or change laws, which should secure right faith and appropriate earthly conduct for status future vitae. The methodological question of how to realize the historical truth of correct valid standards in the First Church and in the further course of Church history, Marsilius solves by absolute trust in exegesis in a literal sense (sensus historicus). The total tract is structured by the author’s idea of a course of history, shaped by human decisions on the ground of racio and sciencia, experiencia and artes. Even all secular communities and institutions have developed on this basis in a continuous historical process of perfection, in the course of Church history, evidently not without error. According to the Christian Church, being an earthly institution, all decision making is founded on racio and experiencia, too. The effects of endangering all earthly order by the error of Church History may be corrected by these means. Ueli Zahnd (Basel) Sorbona mater errorum. Martin Luthers Irrtumsvorwurf an die Pariser Universität Sorbona mater errorum. Martin Luther Accusing the University of Paris of Error In his later career, Martin Luther often spoke of the University of Paris as the “mother of all errors”. In his early years, however, and even in the first years of his reform, he spoke of the same university with high esteem and named her the “most Christian mother of all universities”. The article traces this radical shift in Luther’s opinion of the Sorbonne back to the events between 1518 and 1521, which culminated in the Parisian Determinatio against Luther and destroyed his last hope to find in this institution a conciliarist ally against the Pope. Luther’s depreciation of the Sorbonne as the mother of all errors thus illustrates his late struggle for a reform of the whole Latin Church, but it is also illuminating with regard to his intellectual involvement in specific traditions of Late Medieval academic culture. VIII. Kor rigierbare Ir r tümer? Blazek Pavel (Prague/Cologne) Die Falsche geheiratet? Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner und ihre Rezeption in Sentenzenkommentaren des 13. und frühen 14. Jahrhunderts Married the Wrong One? Gratian’s Doctrine of Error about the Marriage Partner and its Reception in the 13th- and early-14th-century ‘Sentences’ Commentaries The ‘Decretum Gratiani’ (C. 29) is the first to formulate the doctrine of error about the marriage partner. According to its author(s), one must distinguish an error about the person itself (error personae); an error about its free - i. e. nonservant - status (error conditionis), an error about a particular quality of that person (error qualitatis), and an error about its prosperity (error fortunae). While

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the former two errors render the marital consent of the spouses, and hence their marriage itself, void, the latter two leave it intact. The same doctrine can be found in the ‘Book of Sentences’ of Peter Lombard who adopted it from the ‘Decretum’ itself. The article explores the reception of this doctrine in ten selected ‘Sentences’ commentaries of the 13th and early 14th centuries. While all of their authors embrace Gratian’s distinction of four types of error about the marriage partner, some seek to explain the rationale, why only the error personae and the error conditionis invalidate a marriage, not however the remaining two errores. As most of them argue, this is because the former two errores affect two essential ingredients of the marital consent which forms the basis of marriage: the consenting parties themselves, and the right to sexual intercourse; on the contrary, the latter two bear only on accidental elements. Moreover, several of the examined commentators elaborate on Gratian’s doctrine further. Thus, beginning with Albert the Great, some of them ask whether a marriage concluded erroneously with another person could become valid over time, or even whether the pope could validate it ex post by way of dispensation ( John Quidort) - two possibilities they unanimously reject. Bonaventure tries to explain the precise “mechanism” of the error personae and why it impedes a valid marriage to come about. Aquinas and Durandus of Saint-Pourcœ ain analyse the difference between an error personae in marriage, and the seemingly analogous error personae in baptism, which has no effect on that baptism’s efficacy. Finally, several commentators discuss at length a special form of error in marriage not mentioned explicitly by Gratian, the error nobilitatis - i. e. an error about the (lacking) nobility or royalty of the chosen marriage partner. Andrew Irving (Groningen) “Ex instructione manualium … ex vera ratione.” Correction of Liturgical Errors in the Late Middle Ages The essay takes as its starting point the complaint with which Henry of Langenstein (c. 1325-1397) opened his treatise known as the ‘Secreta sacerdotum’: contemporary priests’ flawed methods of celebrating mass differ from what they teach (or perhaps learn) because they have “learned hardly anything from their manuals”. The essay is divided into two parts. The first section considers what Henry might have meant by the term “manualia”, exploring admonitions for the avoidance of and coping with errors in ritual performance in liturgical manuals such as the ‘Sarum Manual’, the ‘Manuale parochalium sacerdotum’, the ‘Cautelae missae’, Guido of Monte Rochon’s ‘Manipulus curatorum’, and Hermannus de Scildis’s ‘Speculum manuale’. The section draws particular attention to the way in which manual literature digests scholastic sacramental theology and canon law. The second section turns to Henry’s own proposal to a different method of celebrating, based on “true reason”. Henry’s treatise is found to differ from the adduced manuals in basis, scope, and detail. Further, the author’s appeal to a kind of practitioner’s common-sense as an interior guiding principal

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is interpreted as a strategy for the apparently inherent ineffectiveness of the written manual. Jeffrey Hause (Omaha) Some Developments in the Medieval Christian Practice of Fraternal Correction This paper discusses some developments in the medieval Christian practice of fraternal correction as it was understood in the 13th century. Earlier thinkers, such as Alexander of Hales and Hugh of Saint-Cher, clarified the nature of the practice: Unlike judicial or prelatical correction, there is no superior and subordinate in fraternal correction. One peer corrects another out of neighborly love, so that the offender may turn to a right moral path. Later thinkers, such as Albert the Great and Thomas Aquinas, lent philosophical sophistication to their discussions by explaining the ways in which the practice fits into the overarching ethics of virtue. Drawing on that larger scheme, Aquinas in particular cautions against vicious abuses of the practice. However, none of these thinkers address important questions about the rightness of employing coercive methods to lead sinful neighbors to reform. IX. Gewissensir r tum und Meinungsfreiheit Marcia L. Colish (New Haven) Error as Acting against Conscience in Bernard of Clairvaux’s ‘De gratia et libero arbitrio’ The ‘Liber de gratia et libero arbitrio’ of Bernard of Clairvaux is rarely studied for its analysis of the mental process we undergo when we choose to speak or act in contravention of what we know to be true or good. This issue typically draws scholars interested in the applications of Aristotle’s akrasia (rendered as incontinence or weakness of will). But Bernard wrote a century before the Latin translation of the ‘Nicomachean Ethics.’ The scholarly effort to read his teaching in its light is thus seriously anachronistic. Other accounts place Bernard’s teaching exclusively in the context of the Pauline/Augustinian doctrine of the divided will, without taking account of Bernard’s departures from Augustine. This paper considers Bernard’s analysis in the light of alternative sources, in both the classical and Christian traditions. The Stoic theory of acting against conscience was available to Bernard via Seneca. So was the discussion of synderesis and conscience in Jerome’s Ezekiel commentary. So were the canonists’ treatments of the culpability of actions committed contrary to our values when performed under constraint. So was the analysis of will in John Cassian’s ‘Conferences’. Taking an independent line vis-a`-vis these possibilities, and using his own terminology, Bernard developed a robust and distinctive position which accents the freedom of the human will and the requirement of its fully deliberate use in our choice to depart from values which we hold to be true and good and also in our acknowledgment of and recovery from those departures.

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Sven K. Knebel (Berlin) Meinungsfreiheit? Der Aristotelismus und das Fürwahrhalten unter Willensbeteiligung in der lateinischen Tradition bis 1679 Freedom of Opinion? Aristotelianism and Doxastic Voluntarism in the Latin Tradition until 1679 Error presupposes assent. During the 13th up to the 17th centuries, doxastic voluntarism was the mainstream account of how assent is possible short of selfevidence. According to Aquinas, it equally applied to Christian faith and human opinion. The present paper traces the dispute on an awkward place in Aristotle: “But opining (δοξα´ ζειν) is not in our power (eœφ’ h«μi˜ν), for the opinion that we hold must be either false or true” (‘De anima’ III, 3, 427b 20). In fact, this place did not disconcert the Aristotelian mainstream. After a survey of the Greek and Latin commentation, the focus shifts to those schoolmen who actually gathered from Aristotle that assent is not in our power. Robert Holkot’s (ó 1349) reading of Aristotle ended up in the Jesuit’s Andrea Bianchi’s (ó 1657) stance against probabilism. Locke’s precursors should be distinguished from yet another line of argument against doxastic voluntarism. The partisans of Durandus’s argued that, in order to account for the extant range of assent, we are entitled to prescind from willing, as, in obscure matters, the understanding itself proceeds freely. Eventually, either line of argument succumbed to censorship. X. Unterscheidung der Geister Freimut Lˆser (Augsburg) Meister Eckhart und der Irrtum Meister Eckhart and Error The article deals with the topic of ‘Master Eckhart and Error’. This topic is usually connected with Eckhart’s trial in Cologne and Avignon, where he himself was accused of having taught severe errors. The first part deals with Eckhart’s own strategies to defend himself against these accusations. The second part tries to discuss the theme from a different point of view: Which terms does Eckhart use to talk about ‘errors’, and how does Eckhart himself deal with the errors of others? Lydia Wegener (Berlin) „So werdent doch vil menschen dar inn betrogen.“ Die Irrtumsproblematik in spätmittelalterlichen Traktaten zur ,Unterscheidung der Geister‘ (discretio spirituum) „So werdent doch vil menschen dar inn betrogen.“ The Problem of Error in Late Medieval Treatises on the ‘Discernment of Spirits’ (discretio spirituum) The article deals with the problem of error within the late medieval discourse about the ‘discernment of spirits’. Initially, it introduces the topic and explains the central position of the natural instinct, which is incessantly influenced by three transcendent spirits: the divine, the angelic, and the diabolical instinct. Unfortunately, the natural instinct is prone to error because of its tendency to self-deception and its limited capacity to recognize the approaches of the devil. Subsequently,

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the article turns to three 15th-century treatises which are rooted in the context of the Benedictine reform movement. The first text, a vernacular adaptation of Henry of Friemar’s popular treatise ‘De quattuor instinctibus’, identifies man’s failure to distinguish between ‘good’ and ‘evil’ spirits strictly with sin. Therefore, it suggests a complex set of criteria for a detailed self-evaluation. Furthermore, it cautions against relying on one’s own conscience and recommends seeking the advice of monastic superiors. The second treatise, a partial translation of John Keck’s ‘Decaperotision’, is less rigid. It permits man a space for error concerning his everyday decisions and limits the application of strict discernment criteria to unusual phenomena like visions and apparitions. The third treatise about true and false devotion focusses on the inner experience of spiritual sweetness. It demonstrates the ambiguities and inherent tensions of the discernment discourse. Cornelius Roth (Fulda) Irrtum und Wahrheit - Die Auseinandersetzung Johannes Gersons mit wahren und falschen Visionen und Lehren. Versuch einer Kriteriologie Error and Truth - John Gerson’s Study of True and False Visions and Doctrines. An Attempt at a Criteriology John Gerson (1363-1429), Chancellor of the University of Paris and spiritual authority in the late Middle Ages, has been, throughout his life, occupied with issues of the discernment of spirits. He lived in a time when not only in the official church by the Western schism (1378-1417) the question of true and wrong, rightful or unlawful Pope moved the people, but also in the area of spirituality the abundance of private revelations in monasteries and communities needed a useful criteriology. Finally, in a time characterized by permanent fear and the uncertainty of salvation, the question as to which inspirations one must follow as a believer, in order not to get lost, arose. The “achievement” of Gerson in these different areas was that he consistently applied rules and criteria for testing spirits regarding the problems of his time. And this is how he approached the discussions of his days and, again and again, could propose the spiritual point of view - both in questions of private revelations and in the important theological and political issues of the schism. Therefore, he may also be considered a lawyer today, always considering the spiritual dimension of theological and pastoral issues (such as the Church’s development). XI. Ir r tum ver nakular Ulrich Ernst (Wuppertal) Irr- und Umwege zur Wahrheit. Zu diegetischen, textgraphischen und buchkonzeptuellen Labyrinthen von der Antike bis zur frühen Neuzeit Wrong Tracks and Detours on the Path to Truth. On Diegetic, Graphic, and Book Related Labyrinths from Classical Antiquity to Early Modern Times The purpose of the study presented here is to historically grasp and typologically classify literary formations of labyrinthine thought in an epochal scope reaching from antiquity to early modern times.

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Constitutive elements for diegetic labyrinths are the transformation of the order of time according to the rhetorical model of the Ordo artificialis, concepts of multiple-strandedness even up to entrelacement, forms of analytical narrative, and artistic interlacing in the tension of extradiegetic, intradiegetic and metadiegetic narration, and of inner stories and frame stories. Following the Cretan myth, already the early macro-aesthetic epics of Homer and Virgil stand out as narrative labyrinths by these morphological features. A bridge to the Christian narrative labyrinths of the Middle Ages is built by the epics of the Bible, which in the Carolingian period are represented by an original labyrinth depiction as an entrance miniature and by complicated textures such as acrostics and telestics by Otfrid von Weissenburg, a student of Hrabanus Maurus. Visual text labyrinths, at an early stage, can already be found in Hellenism, which, as a new lyrical genre, creates the visual-mimetic technope´gnion. This specific lyrical genre is also received by the Romans, whose letter labyrinths are still connected to Homeric idols in the form of the tabulae iliacae, while the carmina cancellata dedicated to Emperor Constantine I created by Optatianus Porfyrius open up new entangled reading paths and semantic metadimensions. A Christian adaptation can be observed in the Christian crossword labyrinths, which find their way into the new book culture of the codex from the pavement of the cathedral. The innovative book aesthetics of the codex, with the mise en page and its mechanics of turning the pages, provides an ideal condition for combinational labyrinths such as the Diatessaron, the cento and, above all apparent in the prefixed figures of the canonical tables -, the four individual Gospels in the connective form of the Book of Gospels. The opinion of the Church Father, Hieronymus, that the Bible, because of its inexhaustible depth of meaning, is a labyrinth in which one can easily get lost without the Ariadne thread of the Holy Spirit, is expressed in the sacred books not only by the prefixed position of the crossword labyrinths, but also mirrored in a cipher-like way through contextualized so-called carpet pages with labyrinthically entwined lineaments. In the context of Patristics, the new media upheaval from rotulus to the codex is used in a similar way, as later the changeover from manuscript to printed book in the epoch of Reformation. Ercole Erculei (Bonn/Coburg) Frogs’ Fairy Tales and Dante’s Errors: Cecco d’Ascoli on the Florentine Poet and the Issue of the Relationship between Poetry and Truth The figure of Cecco d’Ascoli (Francesco Stabili), an astrology teacher at the School of Medicine of Bologna University at the beginning of the 14th century, was remembered for a singular reason in the following centuries: his defamation and execution, which has overshadowed his actual intellectual profile. On the one hand, his tragic death at the stake in Florence in 1327 after a heresy procedure as well as his astrological profession have promoted the diffusion especially outside the field of academic research - of ideological mythologiz-

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ations of the man, which distort him into a rebel, a martyr for free science and the Enlightenment, or even a magician or necromancer. On the other hand, more serious scholarship has largely neglected Cecco because he appears, at a first glance, to be merely one of the many experts from this era of a longsurpassed pseudoscience, or a poet of modest talent who tried unsuccessfully to compete with the genius of Dante through the composition of a vernacular encyclopedic poem named ‘L’Acerba’. The present paper attempts at contributing to the reasons underlying such prejudices and focuses mainly on two of Cecco’s several reproaches against Dante’s errors: 1) the criticism of his description of Fortune in ‘Inferno’ VII, and 2) the accusation that Dante was nothing more than a squawking frog. An analysis of these topics will be helpful not only as an introduction to Cecco’s thought; it will also facilitate a better understanding of the impact Dante had on his contemporaries and immediate successors as well as provide some reflections on the medieval approach to a poetic text. Udo Schˆning (Göttingen) Irrtum und Irren im Altfranzösischen. Lexikalische und literaturgeschichtliche Anmerkungen Error and Erring in Old French. Lexical and Literary Historical Remarks When consulting the relevant dictionaries for the meaning of Irrtum, error and erreur, you will encounter quite distinct definitions which, nevertheless, agree on one point: the person committing an (avoidable) mistake in thought or action transgresses the norm of what is considered to be true or correct. However, the Old French language and literature actually show some peculiarities which will be illustrated by etymological and lexicographical comments, followed by examples selected from ‘La Chanson de saint Alexis’, ‘La Chanson de Roland’, ‘Le roman de The`bes’, ‘Le Roman d’Eneas’, and some novels by Chre´tien de Troyes, with a brief look at the legend of Tristan. It will be shown that there are different types of deviant behaviour and of its literary presentations in which, generally speaking, the words error or errer do not occur. This is may be due to the medieval anthropology and its theological basis, which leads us to the conclusion that errors should not be regarded as absolutes but in terms of relativity and the historical inconstancy of ethical and cultural standards. Monika Schausten (Cologne) Zwischen Wissen, Neugierde und Glauben: Von der produktiven Kraft des (Ver) Irrens in Hartmanns von Aue ,Der arme Heinrich‘ Between Knowledge, Curiosity, and Faith: On the Productive Force of Erring in Hartmann von Aue’s ‘The Poor Henry’ Until today, literary scholarship mostly analyzed Hartman’s short story ‘The Poor Henry’ with regard to its adoption of vernacular narrative genres, thus pointing to its specific formal hybridity. In addition, the story’s links to religious

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and ethical discourses of the High Middle Ages always were at the core of its scholarly explorations. Within the context of this ongoing debate, the article tries to analyze the text in pointing to its negotiation of knowledge, faith, and curiosity. Starting out by turning to the conceptual history of the German term for ‘error’ (Irrtum) since the early Middle Ages, it becomes clear that the word constantly carries the semantics of wandering, of going astray. Referring to Hans Blumenberg’s concept of detour that, in his eyes, is crucial to all forms of cultural practices, the articles tries to explore the narrative depiction of Henry’s and the maiden’s vitae in the text. Thus, it shows how the narration recounts the life of both protagonists in referring to biblical narratives as well as to narrative schemes indicative of the genre of the legend at the times. Within this context, Hartmann’s story reflects upon the specific detours that characterize the lives of both Henry and the maiden. The article argues that - while referring to the discursive contexts of knowledge, faith, and curiosity - the text points to the productive force of decisive errors that mark the vitae of its protagonists. Albrecht Drˆse (Dresden) Von Bauern, Katzen und Eseln. Inszenierungen von Ignoranz in der volkssprachigen Literatur des späten Mittelalters Peasants, Cats and Donkeys. The Presentation of Ignorance in Vernacular Literature of the Late Middle Ages Error implies ignorance, but ignorance differs in its forms and conditions. Thomas Aquinas defines ignorance as privation of knowledge and distinguishes between simply not knowing and ignorance as a perverse disposition, which leads to error and heresy. Accordingly, one might observe different images and representations of ignorance like the fool, the peasant or animals (e.g. goose or ass) in medieval culture, which were adapted in different literary genres and media. This article examines the structure and the modifications of these stereotypes in the vernacular (German) literature. The focus lies on Brant’s ‘Narrenschiff ’, Neidharts’s ‘Winterlieder’, and the reformation dialogue ‘Karsthans’. Their satirical function has been widely studied; less attention has been paid to the fact that the literary representation of ignorance has not only satirical means, but works as an invective in a specific context. The following essay seeks to explore these ambiguities. Ayelet Langer/Giora Hon (Haifa) Milton’s Thomistic Distinction: On the Usefulness of the Distinction between Mistake and Error in ‘Samson Agonistes’ We distinguish between two ways of going wrong which we call the way of mistake and the way of error. We associate mistake with avoidable ignorance. A mistake can be avoided since checking procedures are known and available. By contrast, error is associated with unavoidable ignorance, when one does not have the security of an agreed standard procedure - when one gropes in the

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dark. Metaphorically, a mistake occurs when one goes wrong on terra firma, but going astray in one’s exploration of terra incognita amounts to an error. We propose that this distinction is at the heart of Milton’s representation of Samson’s movement towards moral regeneration in his closet drama ‘Samson Agonistes’ (1671). At the beginning of the drama, Samson understands his relationship to God as a closed system of rules. Samson’s disobedience - his mistake - destroys this system and leads him, ultimately, to a moral failure. Towards the end of the drama, Samson understands his disobedience as an error, which allows him to view his relationship to God as an open system in which the spirit of God discloses to him the possibility of everlasting moral life. Milton’s distinction between mistake and error may have been influenced, we suggest, by the same distinction that Aquinas implicitly makes in his commentary on the Book of Job (1260). XII. Ir r tum und Historiog raphie Mario Meliado` (Freiburg i. Br.) Scholastica sive pseudophilosophia. Heumann, Brucker und die historiographische Konstruktion der Scholastik in der Frühaufklärung Scholastica sive pseudophilosophia. Heumann, Brucker, and the Historiographic Construction of Scholasticism in the Early Enlightenment The contribution examines the first modern reconstructions of scholasticism produced by the historiography of the early enlightenment and contextualises them within a disciplinary project that sought to redefine the history of philosophy by adopting the categories of error and “false philosophy” to narrate and judge the historical development of human reason. This legitimation of scholasticism as an object of historiographical study marks a rupture with the widespread tendency to marginalise or exclude medieval thinking from seventeenthcentury philosophical doxography. Yet, at the same time, the recovery of scholasticism goes hand in hand with the elaboration of a model of interpretation that conceptualises it as the perverted counterpart of the ideal of true philosophy. By being equated with the pseudophilosophia, scholasticism came to define a paradoxical counter-narrative which suspends and inverts reason’s linear progression from antiquity to modern times. Andreas Speer (Cologne) „qui prius philosophati sunt de veritate“. Mittelalterhistoriographie im Wandel „qui prius philosophati sunt de veritate“. Changes in the Historiography of the Middle Ages Right from the outset, the awareness of the historicality of thinking is inherent to philosophy. Already Aristotle has emphasized the importance of considering previous views in scientific investigations. Yet, this historical awareness has a

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powerful subtext. It is closely connected with an awareness of error and progress. The knowledge-generative patterns of progress of Aristotle as well as the later model of a vera philosophia approaching Christianity, which is based on an awareness of progress and error, had a high impact on the identity of Latin thinkers. From the historiographical perspective, the contrast between these two progress narratives led to the “invention” of the Middle Ages by Petrarca and his humanist friends. The problems connected to this are obvious: They concern the understanding of the subject (that is, the understanding of philosophy) as well as the Eurocentristic and Western narrative perspective. The question of how to break the outlined historiographic cycle is still acute. Above all, we need to consider history without any normative periodization. The new image of this long century, which never understood itself as distanced from its late ancient roots and which reaches far into the early modern period, is essentially shaped by the interrelationships across language, cultural, and religious borders. Thus, it stands to reason that an era classification such as “the Middle Ages” should be renounced. The one, linear perspective has to be substituted with a history without great master narratives and without a normative progress narrative. This certainly includes dealing with multiple temporalities, avoiding definitional exclusivism, and narrating history from different perspectives.

Verzeichnis der Handschriften Admont, Stiftsbibliothek 335: 507, 521

Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek Cm 136/8: 663

Angers, Bibliothe`que municipale 83: 509

Heidelberg, Universitätsbibliothek Cpg 848: 730

Augsburg, Universitätsbibliothek I.2.4∞: 619, 620

Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol 207: 521

Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz theol. lat. qu. 271: 521 Brüssel, Bibliothe`que royale 11437-40: 353 Burgo de Osma, Archivo Capitular 46: 319 Cambrai, Bibliothe`que municipale 487 (455): 247 Cambridge, Corpus Christi College 335: 299 Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staatsund Universitätsbibliothek, Ink.394.4: 727 Hist.eccl.E.376: 738 Dublin, Trinity College 57; 662 Eichstätt, Universitätsbibliothek Cod. st 685: 66 Erfurt, Bibliotheca Amploniana Fol. 71: 305 Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana Plut. XXX-29: 85,86 Graz, Universitätsbibliothek 248: 521 321: 521 731: 521 1035: 609, 618

Kassel, Landesbibliothek 4∞ Ms astron. 16: 85, 86, 88, 89, 90, 91, 92, 93 Krakau, Biblioteka Jagiellon´ska 1599: 353 Leipzig, Universitätsbibliothek 1386: 337 London, British Library Royal 6 E I: 510 Lübeck, Stadtarchiv L XIII 382: 663, 664 Mailand, Biblioteca Ambrosiana A 155: 649 Mainz, Wissenschaftliche Stadtbibliothek I 123: 509 München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 706a: 655 Clm 8005: 231, 326 Clm 18552a: 507, 508, 521, 522, 524, 527, 528 Clm 28219: 151 Cgm 96: 617 Cgm 457: 617 Cgm 778: 612 Cgm 784: 607, 617, 618 Cgm 813: 612, 613, 615 Cgm 830: 607, 608, 610, 611, 617, 618, 621, 623, 624, 625, 626 Cgm 18598: 616

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Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

New York, Pierpont Morgan Library M. 1079: 663 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum 156: 659 Oxford, Corpus Christi College 184: 299 Oxford, Jesus College 83: 305 Padua, Biblioteca Universitaria 1472: 342 Paris, Bibliothe`que Mazarine lat. 889: 485, 486, 492, 493, 501, 502 Paris, Bibliothe`que nationale de France lat. 794: 658, 691 lat. 995: 513 lat. 1162: 292,299 lat. 3649: 299 lat. 5080: 294 lat. 6064: 299 lat. 9389: 661 lat. 14503: 299 lat. 14698: 334 lat. 15888: 62 lat. 16553: 330 Prag, Na´rodnı´ knihovna Cˇeske´ republiky XX.A.16: 507, 521 Rouen, Bibliothe`que Jacques Villon 380: 509 381: 509 Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter

b II 10: 613, 617 b VI 15: 612 San Daniele del Friuli, Civica Biblioteca Guraneriana 264: 305 Seitenstetten, Stiftsbibliothek 133: 521 Siena, Biblioteca comunale L III 21: 76 Stuttgart, Landesbibliothek Fam. Pr. Fol. 62: 664 Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana Vat. lat. 1034: 353 Vat. lat. 1035: 353 Vat. lat. 1036: 353 Vat. lat. 1098: 485, 486, 487, 488, 500, 501, 502 Vat. lat. 4072: 299 Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana lat. Z 104 (= 2004): 485, 486, 489, 492, 493, 500, 501, 502 lat. VI, 234: 187 Wien, Österreichische Nationalbibliothek 847: 657 4758: 521 Vind. 2687: 646 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek God. guelf. 5.1 Gud.lat.: 370 Li 4∞ 512: 653 51 Poet. 72: 665 Einbl. Xb 2∞: 666

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke Alcala´ de Henares 1588 Pedro de On˜a, Commentaria una cum quaestionibus super universam Aristotelis Logicam magnam: 580 Alcala´ de Henares 1603 Antonio Ruvio, Commentaria in universam Aristotelis Dialecticam: De habitibus intellectualibus: 565, 566, 568, 579

Alcala´ de Henares 1692 Juan de Ferreras, De fide theologica disputationes scholasticae: 569, 570 Alcala´ de Henares 1703 Eusebio Garcia de los Rios, Tractatus theologicus de libertate: 569, 571, 582 Alcala´ de Henares 1708 Juan Marı´n, Tractatus de fide divina: 575

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke Amsterdam 1649 Robert Baron, Philosophia theologiae ancillans: 563 Amsterdam 1677 Peter van Mastricht, Novitatum Cartesianarum gangraena, seu Theologia Cartesiana detecta: 575 Amsterdam 1686 Philip van Limborch, Theologia Christiana: 578

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Bamberg 1671 Pedro Cornejo, Theologia scholastica: 568 Barcelona 1607 Juan de Salas, Disputationes in Primam Secundae D. Thomae: 572, 578, 579 Barcelona 1645 Juan Eusebio Nieremberg, Oculta Filosofia de la Sympatia, y Antipatia de las cosas, artificio de la naturaleza, y noticia natural del mundo, y segunda parte de la Curiosa Filosofia: 656

Amsterdam 1710 Johannes Clericus, Opera philosophica: 565 Johannes Clericus, Pneumatologia: 565

Basel 1543 Machumetis Saracenorum principis eiusque successorum vitae ac doctrina ipseque Alcoran: 285

Antwerpen 1616 Johannes Malderus, De virtutibus theologicis commentaria: 563

Basel 1557 Giovanni Pico della Mirandola, Apologia: 381, 382, 384, 385, 389, 563, 571, 582, 583 Giovanni Pico della Mirandola, Oratio de dignitate hominis: 382, 383 Giovanni Pico della Mirandola, Epistolae: 383

Antwerpen 1623 Johannes Malderus, In Primam Secundae D. Thomae commentaria: 567 Antwerpen 1632 Rodrigo de Arriaga, Cursus philosophicus: De anima: 579, 581 Antwerpen 1641 Francisco del Castillo Velasco, De tribus virtutibus theologicis fidei, spei, et charitatis: De fide: 568

Basel 1562 Antonio Bernardi della Mirandola, Disputationes: 562, 583 Berlin 1696 Johannes Sperlettus, Logica nova: 580 Bologna 1503 Augustinus de Ancona, Opusculum perutile de cognitione animae et eius potentiis: 567

Antwerpen 1644 Rodrigo de Arriaga, Disputationes theologicae in Primam Secundae D. Thomae: 581

Bruxelles 1715 Alphonse Huylenbroucq, Vindicationes adversus famosum libellum appellatum Tubam alteram, ficto nomine editam anno 1714: 573

Antwerpen 1649 Rodrigo de Arriaga, Disputationes theologicae in Secundam Secundae D. Thomae: 564, 581

Cremona 1646 Andrea Bianchi, De opinionum praxi disputatio: 558, 574, 575, 576, 583

Antwerpen 1650 Francesco Amico, Cursus theologicus: In Primam Secundae D. Thomae: 579 Augsburg 1551 Bernard de Gordon, De decem ingeniis curandorum morborum:159

Douai 1628 Franciscus Sylvius, Commentarius in totam Secundam Secundae S. Thomae Aquinatis: 568 Erfurt 1669 Augustinus Gibbon de Burgo, Theologia scholastica: De tribus virtutibus theologicis: 567, 568, 582, 583

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Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

Firenze 1551 Niccolo Tignosio, In libros Aristotelis De anima commentarii: 561 Frankfurt 1570 Innocentius IV. papa, Super libros quinque Decretalium cum indice peculiari nunc recens collecto, novisque insuper Summariis additis, et Margarita Baldi de Ubaldis Perusini: 516 Freiburg i. Br. 1668 John Irwin, Philosophia universa: 577 Freiburg i. Üe. 1684 Miguel de Elizalde, De recta doctrina morum: 558, 577, 581 Gene`ve 1725 Louis de la Forge, Traite´ de l’Esprit de l’homme suivant les Principes de Mr. Descartes: 575, 579 Halle 1715 Christoph August Heumann, Von denen Kennzeichen der falschen und unächten Philosophie: 759, 766, 767 Christoph August Heumann, Einleitung zur Historia Philosophica. Erstes Capitel von dem Nutzen derselben: 763, 764 Christoph August Heumann, Diogenes Laertius, de Vitis Philosophorum: 763 Christoph August Heumann, Von dem Wesen und Begriff der Philosophie: 765, 767 Christoph August Heumann, Dissertatio de homonymia vocum σοφο` w & σοφι´α, Philosophus et Philosophia itemque Sophista: 765 Christoph August Heumann, Eintheilung der Historiae Philosophicae: 768, 773 Christoph August Heumann, De varia Aristotelis fortuna in Academia Parisiensi liber Auctore Joanne de Launoy, Constantiensi, Theologo Parisiensi: 770 Christoph August Heumann, Lebens-Beschreibung Petri Abaelardi: 771 Christoph August Heumann, Nachricht von einem neuen Spinozisten Henrico Wirmarsion: 772 Halle 1731 Johannes Franciscus Buddeus, Compendium historiae philosophicae, observationibus illustratum: 762

Halle 1834 Philipp Melanchthon, Adversus theologorum Parisinorum decretum pro Luthero apologia: 468, 469 Hamburg 1595 Heinrich Khunrath, Amphitheatrum sapientiae Aeternae: 381 Hamburg 1724 Friedrich Gentzken, Historia philosophiae, in qua philosophorum celebrium vitae eorumque hypotheses notabiliores, ac sectarum fata a longa rerum memoria ad nostra usque tempora succincte et ordine sistuntur: 762 Harderwijk 1654 Marcus Friedrich Wendelin, Philosophia moralis: 569 Ingolstadt 1678 Christoph Haunold, Theologia Speculativa: 573 Ingolstadt 1713 Christoph Rassler, Norma Recti: 577 Jena 1656 Paul Slevogt, De indifferentia voluntatis humanae in ordine ad actiones morales: 578, 579 Jena 1719 Christoph August Heumann, Præfatio qua de origine, appellatione, natura atque αœ σοφι´á Theologiae ac Philosophiae Scholasticae disputatur: 769, 771 Kassel 1678 Georg Andreas Cassius, Ausführliche Lebensbeschreibung des um die Gelehrtenwelt hochverdienten D. Christoph August Heumanns: 761 Köln 1498 Lambertus de Monte Domini, Expositio saluberrima circa tres libros De anima Aristotelis: 561 Köln 1572 Andrea de Vega, De iustificatione doctrina universa: 582

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke Köln 1615 Francisco Toledo, Commentaria una cum quaestionibus in tres libros Aristotelis de anima: 557 Pedro da Fonseca, Commentaria in Metaphysicorum Aristotelis Stagiritae: 572, 578 Köln 1624 Aegidius Romanus, Defensorium seu Correctorium librorum Doctoris Angelici S. Thomae Aquinatis: 566 Köln 1631 Guido Terreni, Summa de haeresibus In qua haereses ab initio mundi usque ad eius tempora, hoc est, ad Annum Domini millesimum trecentesimum et ultra, accurate recensentur et refutantur: 354, 370, 371 Köln 1646 Sforza Pallavicino, Philosophia moralis, seu De bono: 569 Köln 1671 Jean Baptiste Gonet, Clypeus Theologiae Thomisticae: 568 Köln 1673 Vincent Contenson, Theologia mentis et cordis: 572

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dentia cogitandi et ratiocinandi, ubi ostenditur media inter praejudicia Cartesianorum, & ineptias Peripateticorum, veritatem inveniendi via: 759, 760, 770 Leipzig 1703 Johann Schmid, Dissertatio anti-cartesiana de iudicio ad intellectum, non voluntatem, pertinente: 581 Leipzig 1800 Simplicius, Commentarius in Epicteti Enchiridion: 558 Lie`ge 1659 Thomas Compton-Carleton, Cursus theologicus: 569 Lie`ge 1669 Antonius Terillus, Fundamentum totius Theologiae Moralis seu Tractatus de conscientia probabili: 565, 582 Lie`ge 1676 Tomas de Lemos, Panoplia Gratiae: 569, 578 Lie`ge 1678 Antonius Terillus, Regula morum, sive Tractatus bipartitus de sufficienti ad conscientiam rite formandam regula: 569

Köln 1690 Juan de Cardenas, Crisis theologica: 584

Lisboa 1711 Carlo Antonio Casnedi, Crisis theologica: 573, 574, 575, 577, 584

Leiden 1655 Georg Horn, Historiae philosophicae libri septem, quibus de origine, successione, sectis et vita Philosophorum ab orbe condito ad nostram aetatem agitur: 761

London 1655 Thomas Stanley, The History of Philosophy: Containing the Lives, Opinions, Actions and Discourses of the Philosophers of Every Sect: 761

Leiden 1671 Christoph Wittich, Theologia pacifica: 575, 579

London 1675 Louis Le Blanc, Theses theologicae de subiecto fidei, sive, de facultate cui fides inhaeret: 564

Leipzig 1687 Raymundus Martinus, Pugio Fidei adversus Mauros et Judaeos, cum observationibus Josephi Voisin, et introductione Jo. Benedicti Carpzovi […]: 320

London 1737 David Wilkins, Concilia Magnae Britanniae et Hiberniae a Synodo Verolamiensi A.D. 446: 512

Leipzig 1688 Christian Thomasius, Introductio ad philosophiam aulicam, seu lineae primae libri de pru-

Lyon 1486 Georgius Bruxellensis, Cursus super philosophiam Aristotelis secundum viam Modernorum: 561

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Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

Lyon 1495 Guilelmus de Ockham, Super quattuor libros Sententiarum: In II Sent.: 581 Lyon 1497 Robert Holkot, Opus quaestionum super libros Sententiarum: In I Sent.: 582 Lyon 1512 Richardus de Mediavilla, In quartum Sententiarum theologicarum Petri Lombardi […] opus preclarissimum: 485, 486, 490, 491, 493, 499, 501, 502 Lyon 1515 Constantinus Africanus, Pantegni: 125 Lyon 1555 Veit Amerbach, De anima libri IV: 558 Lyon 1563 Durandus de S. Porciano, In Sententias Petri Lombardi commentaria: 580 Durandus de S. Porciano, In Sententias theologicas Petri Lombardi Commentariorum libri quattuor: In IV Sent.: 580 Lyon 1579 Paulus Soncinas, Quaestiones metaphysicales: 567 Lyon 1584 Opuscula illustrium medicorum de dosibus, seu de iusta quantitate et proportione medicamentorum. Nunc recens fidelius et diligentius quam antea edita, et a multis mendis vindicata: 132

Lyon 1619 Gregorio de Valencia, Commentaria theologica: In Secundam Secundae D. Thomae: 568, 582 Lyon 1620 Gabriel Va´zquez, Commentarii ac Disputationes in Primam Secundae Sancti Thomae: 566, 567 Lyon 1622 Paolo Vallio, Logica: Ars Nova: 568 Lyon 1623 Aegidius de Coninck, De moralitate, natura et effectibus actuum supernaturalium in genere et fide, spe ac caritate speciatim: 557, 560, 568, 582 Lyon 1624 Pedro Hurtado de Mendoza, Universa philosophia: De anima: 566, 567, 579 Lyon 1630 Diego Ruiz de Montoya, Commentaria ac Disputationes in Primam partem S. Thomae, de Voluntate Dei, et propriis actibus eius: 578 Lyon 1639 Franciscus Lychetus, Commentarius in Johannis Duns Scoti Quaestiones in librum I Sententiarum: 567 Johannes Duns Scotus, Quaestiones in librum II Sententiarum (Ordinatio): 567 Lyon 1640 Francisco de Oviedo, Integer cursus philosophicus: Logica: 578, 579

Lyon 1593 Robertus Bellarminus, Disputationes de controversiis christianae fidei: 572, 578, 580, 583

Lyon 1641 Luis de Caspe, Cursus theologicus: 568

Lyon 1609 Paolo Comitoli, Responsa moralia: 562

Lyon 1646 Francisco de Oviedo, Tractatus theologici respondentes Primae Secundae D. Thomae: 579

Lyon 1610 Francesco Albertini, Corollaria seu Quaestiones theologicae, quae deducuntur ex principiis philosophicis complexis: 668

Lyon 1649 Gianangelo Bossi, Moralia varia: 573

Lyon 1617 Turrianus, Disputationes in Secundam Secundae D. Thomae: 558, 559, 571, 572, 579

Lyon 1651 Francisco de Oviedo, Tractatus theologici, scholastici et morales de virtutibus fide, spe, et charitate: 568

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke Lyon 1652 Juan Martı´nez de Ripalda, Tractatus theologici et scholastici de virtutibus fide, spe, et charitate: 566, 571 Lyon 1653 Ildefonso Pen˜afiel, Cursus integer philosophicus: De anima: 579 Ildefonso Pen˜afiel, Logica: 581 Sforza Pallavicino, Disputationes in Primam Secundae D. Thomae: 583 Lyon 1654 Richardus Lynceus, Universa philosophia scholastica: Metaphysica: 580, 581 Lyon 1663 Johannes a S. Thoma, In Secundam Secundae D. Thomae: De fide: 568, 569 Lyon 1666 Martı´n de Esparza, Cursus theologicus: 568 Antonio Bernaldo de Quiro´s, Opus philosophicum: 572, 581 Lyon 1668 Antonio Perez, Tractatus de iustitia et iure: 559, 583 Lyon 1669 Francesco Bordoni, Propugnaculum opinionis probabilis in concursu probabilioris: 561, 572, 573, 577 Honoratus Fabrius, Summula theologica: 565 Rodrigo de Arriaga, Cursus philosophicus: Logica: 580 Lyon 1670 Honoratus Fabrius, Apologeticus doctrinae moralis Societatis Iesu: Dialogus VIII. de opinione probabili: 564 Giuseppe Gibalini, Scientia canonica et hieropolitica: 573 Lyon 1675 Juan Caramuel y Lobkowitz, Theologiae moralis fundamentalis liber quartus, qui est Dialexis de non-certitudine: 573 Lyon 1678 Leonardo Pen˜afiel, Disputationes scholasticae et morales de virtute fidei divinae: 571

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Lyon 1729 Claude Lacroix, R.P. Hermanni Busembaum Theologia moralis aucta: 584 Leuven 1646 Aegidius Romanus, Quodlibeta […] illustrata a Petro Damaso de Coninck: 226, 229, 244, 335 Leuven 1649 Liberte´ Fromondus, Philosophia christiana de anima: 565, 571 Leuven 1707 Gabriele Gualdo, Tractatus Probabilitatis: 561, 569 Lübeck 1703 Daniel Georg Morhof, Polyhistor, in tres tomos, literarium, philosophicum et practicum, divisus: 761 Mainz 1613 Martinus Becanus, Tractatus scholasticus de libero arbitrio: 578 Mainz 1674 Honoratus Fabrius, Ad P. Ignatium Gastonem Pardesium S.J. epistolae tres de sua hypothesi philosophica: 581 Mantua 1658 Giulio Mercoro, Basis totius Moralis Theologiae: 577 Madrid 1608 Diego de Salablanca y Balboa (Didacus a Jesu), Commentarii cum disputationibus et quaestionibus in universam Aristotelis Logicam: 573 Madrid 1614 Pedro de Lorca, Commentaria et disputationes in Secundam Secundae D. Thomae: De fide: 569 Madrid 1632 Gaspar Hurtado, Tractatus de fide, spe et charitate: 562, 568, 569 Madrid 1670 Mateo de Moya, Selectae quaestiones [ex praecipuis Theologiae Moralis tractatibus]: 573

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Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

Madrid 1680 Manuel de Filguera, Lucerna decretalis: 584 Madrid 1697 Rafael de San Juan, Regula morum cum crisi de probabilitate: 577 Madrid 1701 Franciscus Palancus, Tractatus de fide theologica: 569, 581 Madrid 1728 Antonio Gutierrez de la Sal, Tractatus scholasticus de fide: 579, 584 Madrid 1734 Domingo Perez, Tractatus de fide iuxta D. Thomae mentem: 569 Metz 1501 Joannes Versor, Quaestiones in libros de anima; 560 München 1700 Cajetan Felix Verani, Theologia universa speculativa: De virtutibus theologicis: 582 Napoli 1687 Bartolomeo Riccio, LXV Propositionum a SS. D.N. Innocentio Papa XI proscriptarum confutatio: 584 Gianbattista de Benedictis, Philosophia peripatetica: Logica: 579 Napoli 1702 Ignacio Camargo, Regula honestatis moralis, seu Tractatus theologicus de regula moraliter agendi: 569, 570, 572, 584 Padova 1598 Gerardus de Senis, In primum librum Sententiarum doctissimae quaestiones: 579 Padova 1756 Domenico Viva, Damnatae Theses ab Alexandro VII., Innocentio XI. et Alexandro VIII.: 584 Palermo 1650 Francesco Bardi, Disceptationes morales de Conscientia in communi, recta, erronea, probabili, dubia, et scrupulosa: 571, 572

Palermo 1675 Giuseppe Polizzi, Philosophicae disputationes: De anima: 565 Palermo 1705 Mario Diana, Idea iurium interioris fori: 574, 577 Paris 1506 Petrus de Alliaco, Quaestiones Posterioristicae: 567, 571 Paris 1509 Johannes Maior, In quartum Sententiarum: 572 Paris 1510 Johannes Maior, In primum Sententiarum: 567, 582 Petrus Crockaert, Quaestiones physicales: De anima: 582 Paris 1511 Richard FitzRalph, Summa in Questionibus Armenorum: 353 Paris 1513 Johannes Buridan, Quaestiones super decem libros ethicorum: 39 Paris 1516 Johannes de Bassolis, Opera in IV Sententiarum libros: I Sent: 577 Paris 1517 Johannes Maior, Editio super Tertium Sententiarum: 563, 571 Petrus de Palude, Scriptum super Tertium Sententiarum: 566 Ugo Benzi, Expositio super Aforismos Hippocratis et super commenta Galeni eius interpretis: 153, 154 Paris 1518 Guillermo de Rubio, Disputata et decisa super Tertium librum Sententiarum: 577 Johannes Buridanus, Quaestiones in Metaphysicen Aristotelis (ultima lectura): 39 Appellatio Universitatis Parisiensis: 462 Paris 1519 Johannes Maior, Editio secunda in Secundum librum Sententiarum: 581

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

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Paris 1520 Henricus Gandavensis, Summa quaestionum ordinariarum: 251

Paris 1660 Thomas de Aquino, Commentaria in Tertium librum Sententiarum: 564, 571

Paris 1521 Theologica Facultas Parisiensis, Determinatio super doctrina Lutheriana hactenus per eam visa: 466, 468

Paris 1666 Dominicus Linze (Lynch), Summa Philosophiae speculativae: 581

Paris 1526 Jacobus Almainus, Dictata super Sententias Magistri Roberti Holcot: 564, 582 Paris 1530 Johannes Maior, In Primum Magistri Sententiarum disputationes et decisiones nuper repositae: 565, 566, 571, 577 Johannes Maior, In primum Sententiarum, Epistola dedicatoria: 460 Paris 1549 Domingo de Soto, Apologia, qua R.P. Ambrosio Catharino de certitudine gratiae respondet: 565 Paris 1610 Girolamo Dandini, De corpore animato libri VII: 556, 557, 558, 561 Paris 1614 Bibliotheca Cluniacensis in qua SS. Patrum Abbatum Clun. vitae, Miracula, Scripta, Statuta, Priuilegia Chronologiaque duplex, edd. M. Marrier/A. Duchesne: 284 Paris 1635 Antonius Sirmundus, De immortalitate animae […] adversus Pomponatium et asseclas: 326 Paris 1644 Johannes Martinon, Disputationes theologicae: In Primam Secundae D. Thomae: 579 Paris 1648 Nicolaus Ysambert, Disputationes de tribus virtutibus theologicis: 571 Nicolaus Ysambert, Disputationes in Primam Secundae S. Thomae: De libero arbitrio: 579 Paris 1652 Johannes Poncius, Integer Theologiae Cursus ad mentem Scoti: 569

Paris 1672 Claudius Frassen, Scotus Academicus: De tribus virtutibus theologicis: 568 Paris 1673 Vincentius Baron, Ethices christianae septemdecim loci: 568, 585 Cesar Egassius Bulaeus, Historia Universitatis Parisiensis: ab anno 1500 ad annum 1600: 466 Paris 1674 Guilielmus Alvernus, De fide et legibus: 319 Paris 1680 Jacobus a S. Dominico (Charles Maison), Eclaircissemens apologetiques de la Morale chre´tienne touchant le choix des opinions: 573 Paris 1703 Johannes Gisbert, Antiprobabilismus: 573 Paris 1724 Charles Du Plessis d’Argentre´, Collectio judiciorum de novis erroribus […]: 330 Paris 1729 Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium amplissima collectio, edd. E. Marte`ne/U. Durand: 284, 304 Paris s. a. Petrus de Alliaco, Quaestiones super Primum, Tertium et Quartum Sententiarum: 561, 564, 571 Pavia 1508 Tiberio Baccilieri, Lectura in tres libros de anima et Parva naturalia: 559 Praha 1732 Petrus Arcedeckne, Cursus philosophicus: Appendiculus Logicae disputatricis: 581

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Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

Roma 1489 Petrus Garcia, Determinationes magistrales contra conclusiones apologales Joannis Pici Mirandulani Concordie Comitis: 385 Roma 1555 Aegidius Romanus, In Epistolam B. Pauli apostoli ad Romanos commentarii: 218 Roma 1556 Aegidius Romanus, De Regimine Principum: 247 Roma 1564 Archangelus de Burgonovo, Apologia pro defensione doctrinae Cabalae contra Reverendum D. Petrum Garziam episcopum Ussellensem: 385 Roma 1601 Angelo Rocca, De Sanctorum Canonizatione Commentarius: 230 Roma 1623 Aegidius Romanus, In Tertium Librum Sententiarum Eruditissima Commentaria cum Quæstionibus: 218 Roma 1649 Sforza Pallavicino, Assertiones theologicae: 562 Roma 1651 Juan Bautista de Lezana, Summa theologiae sacrae: De fide: 568 Roma 1654 Marco Serra, Summa commentariorum in Secundam Secundae S. Thomae: De fide, spe, et charitate: 569 Roma 1664 Sebastia´n Izquierdo, Opus theologicum iuxta atque philosophicum de Deo uno: 581 Roma 1665 Prospero Fagnani, De opinione probabili tractatus: 573, 577, 585 Roma 1667 Agostino di Angelis, De recto usu opinionis probabilis: 585

Roma 1668 Silvestro Mauro, Aristotelis Opera quae extant brevi paraphrasi illustrata: De anima: 562 Roma 1669 Martı´n de Esparza, Appendix ad quaestionem de usu licito opinionis probabilis: 557, 561, 573, 577, 584 Roma 1676 Nathanael Sotvellus, Bibliotheca Scriptorum Societatis Iesu: 573 Roma 1687 Sylvestro Mauro, Opus theologicum: 566, 568, 582 Roma 1708 Luigi Vincenzo Mamiani della Rovere, Concordia doctrinae Probabilistarum cum doctrina Probabilioristarum: 568, 572, 584 Roma 1719 Angelo Rocca, Camertis Ordinis S. Augustini, Apostolici Sacrarii Praefecti, Ac Episcopi Tagasten Opera omnia […]: 230 Rouen 1697 Mathieu Petitdidier, Apologie des Lettres Provinciales de Louis Montalte [= Pascal] contre la dernie`re re´ponse des PP. Jesuites: 573 Salamanca 1554 Domingo Soto, In Dialecticam Aristotelis commentarii: 564, 571 Salamanca 1557 Miguel de Palacios, In tres libros Aristotelis de anima commentarii una cum quaestionibus: 558, 561, 562, 571 Salamanca 1564 Sebastia´n Perez, Aristoteles de Anima latina interpretatione, commentariis et disputationibus illustratus: 561 Salamanca 1586 Domingo Ba´n˜ez, Scholastica commentaria in Secundam Secundae Angelici Doctoris partem: 566, 568, 570, 582, 583 Salamanca 1608 Francisco Zumel, Opuscula: Variae disputationes ad Primam Secundae S. Thomae: 580, 581

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke Salamanca 1631 Pedro Hurtado de Mendoza, Scholasticae et morales disputationes de tribus virtutibus theologicis: De fide: 557, 570, 579, 582 Salamanca 1679 Vicente Ferre, Tractatus theologici in Primam Secundae D. Thomae: 569, 577 Salamanca 1694 Franciscus Palancus, Tractatus de conscientia humana: 565, 577, 585 Salamanca 1719 Vicente Mascarell, Tractatus theologicus, dogmaticus, et canonicus de libertate actus divinae fidei: 567, 572, 577, 584, 585 Salzburg 1665 Maurus Oberascher, Disputatio theologica de virtutibus theologicis: 569 Sevilla 1624 Pedro de la Serna, Commentaria in Logicam Aristotelis: 580 Sevilla 1629 Diego Granado, In Secundam Secundae S. Thomae commentarii: 563, 569 Sevilla 1689 Diego de la Fuente Hurtado, Theologia reformata: 584 Strasbourg 1539 Johannes Calvinus, Institutio Christianae Religionis: 460 Strasbourg 1630 Heinrich Cornelius Agrippa, In geomanticam disciplinam lectura: 89 Strasbourg 1710 Henricus a S. Ignatio, Artes Iesuiticae in sustinendis pertinaciter novitatibus laxitatibusque sociorum: 584 Toledo 1662 Francisco Pichon Merinero, Opuscula de virtutibus supernaturalibus fidei, spei et charitatis: De fide: 568 Toulouse 1652 Petrus de Tarentasia (Innocentius V. papa), In quattuor libros Sententiarum commentaria: 485, 486, 490, 491, 493, 499, 501, 502

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Trier 1481 Hermannus de Scildis, Speculum manuale sacerdotum: 519, 520 Torino 1597 Augustinus Faba Savilianensis, In tres Aristotelis libros De anima praeclarissima commentaria: 559 Tübingen 1498 Paulus Scriptor, Lectura declarando subtilissimas Doctoris Subtilis sententias circa Magistrum in Primo libro: 567 Tübingen 1501 Gabriel Biel, Collectorium in quattuor libros Sententiarum Guillelmi Occam: 577, 578 Ulm 1731 Jacob Brucker, Kurtze Fragen aus der Philosophischen Historie: 760, 761, 773, 774, 775, 777, 778, 779, 780 Ulm 1735 Jacob Brucker, Ad Nova Acta Eruditorum Supplementa: 761 Utrecht 1662 Lambertus van Velthuysen, De initiis primae philosophiae iuxta fundamenta Clarissimi Cartesii: 579 Utrecht 1688 Pierre Jurieu, Traitte´ de la Nature et de la Grace: 565, 579 Valencia 1677 Jose´ de Villanueva, Cursus philosophicus: Logica: 581 Venezia 1489 Guido de Monte Rochen, Manipulus curatorum: 517 Venezia 1492 Avicenna, Canon medicinae: 135 Venezia 1493 Teofilo da Cremona, Propositiones copiosissime ac fidissime ex omnibus Aristotelis libris collectae: 556 Venezia 1495 Jacobus Forlivensis, Expositio super Aphorismis Hippocratis cum questionibus: 153

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Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

Venezia 1496 Aegidius Romanus, Expositio librorum de anima Aristotelis: 560, 561 Venezia 1502 Aegidius Romanus, Commentaria in octo libros Phisicorum Aristotelis: 237 Venezia 1504 Paulus Venetus, In libros De anima explanatio: 561 Venezia 1506 Sigismundus de Polcastris, Quaestiones: 134 Venezia 1507 Avicenna, Liber canonis: 125 Venezia 1514 Dinus del Garbo, Expositio super quarta fen primi Canonis Avicennae: 137, 138, 139, 140, 141, 142, 144, 146, 147 Gaetanus de Thienis, Super libros de anima: 560, 561 Venezia 1515 Aegidius Romanus, Commentaria in Rhetoricam Aristotelis I: 245 Venezia 1519 Bartolomeo Spina, Tutela veritatis de immortalitate anime contra Petrum Pomponacium […]: 345 Venezia 1521 Aegidius Romanus, In Primum librum Sententiarum: 229 Venezia 1525 Pietro Pomponazzi, De immortalitate: 344 Venezia 1527 Taddeo Alderotti, Expositio in arduum aphorismorum Ipocratis volumen: 152 Venezia 1536 Chrysostomus Javellus, Tractatus de animae humanae indeficientia: 326 Venezia 1550 Aegidius Romanus, Opus super authorem De causis: 228

Venezia 1552 Johannes de Janduno, Super libros Aristotelis de Anima subtilissimae quaestiones: 341, 342 Averroes, In libros Aristotelis De coelo et mundo […] quaestiones subtilissimae: 343 Venezia 1559 Agostino Nifo, Expositio subtilissima In III libros Aristotelis de anima: 559, 572 Venezia 1560 Johannes de Janduno, Acutissimae Quaestiones in duodecim libros Metaphysicae: 338, 339, 341 Venezia 1562 Aristoteles, Physica, translatio Michaelis Scoti (in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis): 70 Venezia 1564 Thomas de Argentina, Commentaria in IV libros Sententiarum: 567 Venezia 1565 Petrus Abanensis, Conciliator controversiarum, quae inter philosophos et medicos versantur: 129 Venezia 1568 Domingo Ba´n˜ez, Scholastica commentaria in Primam partem Angelici Doctoris D. Thomae Aquinatis: 578 Venezia 1569 Antonio de Co´rdova, Quaestionarium theologicum: 572 Venezia 1570 Johannes de Janduno, Quaestiones super Parvis Naturalibus: 340, 342 Venezia 1572 Durandus de S. Porciano, In Petri Lombardi Sententias theologicas commentariorum libri quatuor: 485, 486, 489, 492, 500, 501, 502, 503 Venezia 1575 Super octo libros Aristotelis de Physico auditu subtilissimae quaestiones: 339, 341 Venezia 1576 Marcantonio Genova de Passeriis, In tres libros Aristotelis De anima exactissimi commentarii: 559

Verzeichnis der Wiegen- und Frühdrucke

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Venezia 1578 Antonio Polo, Novum veritatis lumen in tres libros Aristotelis de anima: 557

Venezia 1690 Fulgencio Castiglione, Cursus philosophicus: De anima: 579

Venezia 1581 Henricus de Segusio, Summa domini Henrici cardinalis Hostiensis: 516, 517 Aegidius Romanus, In Tertium librum Sententiarum: 219, 220, 221, 223, 224, 225, 226, 227, 229

Venezia 1694 Tirso Gonza´lez de Santalla, Fundamentum Theologiae Moralis: 577

Venezia 1583 Petrus Tataretus, Lucidissima commentaria sive (ut vocant) Reportata in quartum librum Sententiarum Ioannis Duns Scoti: 565, 567 Venezia 1594 Polo Loredano, In tres libros Aristotelis de anima commentaria: 557 Venezia 1595 Pseudo-Mesue, Opera Mesue: 127, 131, 132 Directorium inquisitorum F. Nicolai Eymerici […] cum commentariis Francisci Peniae […] in hac postrema editione iterum emendatum, auctum, et multis litteris Apostolicis lucupletatum, ed. M. A. Zalterius: 330 Venezia 1608 Henricus Gandavensis, Quodlibeta: 563 Venezia 1613 Francesco de Pitigianis, Summa theologiae speculativae et moralis in Tertium librum Sententiarum: 556 Venezia 1625 Pedro de Arago´n, Commentaria in Secundam Secundae D. Thomae de fide, spe et charitate: 571, 582 Venezia 1660 Raffaele Aversa, De fide, spe et charitate tractatus theologici: 569 Venezia 1667 Vincentius Baron, Manuductio ad Moralem Theologiam: 573

Venezia 1703 Hugo de Sancto Caro, In Evangelium secundum Matthaeum: 533 Venezia 1715 Manuel Sanz, Tractatus theologicus de fide: 583 Venezia 1727 Bartolomeo Mastri da Meldola/Bonaventura Belluto, Cursus philosophicus: De anima: 582 Venezia 1731 Bartholomeo Mastri da Meldola, Disputationes theologicae in Secundum librum Sententiarum: 573 Venezia 1744 Marcus Maria Struggl, Theologia universa: 582 Venezia 1771 Henricus a S. Ignatio, Ethica amoris, sive Theologia Sanctorum circa morum doctrinam adversus novitias opiniones strenue propugnata: 572, 577, 583 Zaragoza 1694 Felipe Aranda, In Primam Secundae S. Thomae: 584 Zaragoza 1696 Thomas Muniesa, Stimulus conscientiae: 577 Zaragoza 1700 Tomas Muniesa, Disputationes scholasticae de fide divina: 571 s. l. 1521 Annonymus Determinatio secunda almae facultatis theologiae Parisiensis super apologiam Philippi Melanchthonis pro Luthero Scriptam: 468

Namenregister ‘Alı¯ ibn al-‘Abba¯s al-Mag˘u¯sı¯ 123-125, 127, 136, 168 Aaron 409 Abba Arikha (Rab) 406 Abraham 49 Absalom 708 Abu¯ Alı¯ al-H ø usain bin Abd Alla¯h ibn Sı¯na¯ (Avicenna) 72 sq., 75, 80 sq., 98, 123, 125-129, 131 sq., 134 sq., 137-144, 146 sq., 149, 153 sq., 157, 184, 186 sq., 193, 204, 237, 326, 340, 803 ˇ afar Muhø ammad b. Mu¯sa¯ al-H Abu¯ G ˚ wa¯rizmı¯ (Algorismi) 800 Abu¯ H ø a¯mid Muhø ammad ibn Muhø ammad alGhaza¯lı¯ (Algazel) 243, 326 sq. Abu¯ Ma’shar (Albumasar) 86 Abu¯ Muhø ammad Alı¯ ibn Ahø mad Ibn H ø azm azø Zø a¯hirı¯ al-Andalusı¯ (Ibn Hazm) 311 Abu¯ Nasr Muhammad al-Fa¯ra¯bı¯ (Avenassar) 86, 803 Abu¯ Yaqu¯b bin Ishø a¯q al-Kindı¯ (Alkindus) 126, 132, 327, 803 Achilles 651 Adam 197-215, 228, 262, 367, 377, 380, 548, 755 Adam de Marisco (Adam Marsh) 101 Adam, C. 217 Adamson, P. 125 sq. Adamus Bremensis 261 Adamus Goddamus 47, 189-193 Ade Petri 66 Adelardus Bathensis 167, 171-177, 315, 800 sq. Adriaen, M. 265 sq., 279, 418 Aegidius de Coninck 226, 229, 557, 560, 568, 582 Aegidius Romanus XXIII, 217-255, 326-336, 343, 345, 347, 560 sq., 566, 567 Aegidius Romanus, Ps. XXIII Aelianus, Claudius 63 Aelredus Rievallensis 545, 548, 550, 552 Aeneas 416, 642, 681, 686 sq., 691, 694 Aeolus 642 Aertsen, J. A. 31, 244, 308, 466, 791, 795, 807 Aesopus 344 Aethelbertus II. rex Cantiae 261, 274 Agamben, G. 182

Agnelelli, I. 213 Agobardus Lugdunensis 264 sq., 267 Agostino di Angelis 585 Agostino Nifo 559, 572, 585 Agrimi, J. 159 Aimericus de Gastinia 296 Akasoy, A. 88, 326, 796 Al Samman, T. 299 Alanus ab Insulis 42, 305-318, 543 Albertini, Francesco 568 Alberto de Zanchariis 156 Albertus de Saxonia 71, 77, 79-81, 339, 622 Albertus III., dux Austriae 520, 521 Albertus Magnus 20, 29-34, 36, 55-57, 63, 70, 96, 179-181, 184-188, 193, 219, 233, 246, 337, 484-490, 493, 500-502, 504, 531, 534-538, 560, 590-592, 609, 803, 806, 809 Albornoz, C. S. 445 Albrecht, M. 763, 774 Alcibiades 4, 16 Alcuinus, Flaccus Albinus 261, 265, 277, 644 Alexander Aphrodisiensis 55-58, 62-68, 557 Alexander Halensis 26, 28 sq., 36, 43, 95, 331, 484 sq., 487, 495, 502, 531-534, 536, 539 Alexander III. papa (Rolando Bandinelli) 306, 479, 483 Alexander IV. papa (Rinaldo dei Conti de Segni) 426 Alexander VI. papa (Rodrigo Borgia) 387, 389 Alexander VII. papa (Fabio Chigi) 584 Alexius, sanctus 681, 683 sq., 687, 694 sq. Alfanus de Salerno 167-169, 171, 176 al-Ha¯sˇimı¯ 299 al-Kindı¯, Ps. 286, 289, 291, 295 sq., 299, 319, 322 Almain, Jacques 464, 566, 582 Alpertus Metensis 265 Alphande´ry, P. 298, 303 Al-Qabı¯sœ¯ı 86 Altfridus Monasteriensis 260, 274 Altschul, N. 792 Alvarus Pelagius 354 Alypius Thagastensis 6 Amann, E´. 230 Ambrosius, Aurelius 380, 417, 546, 554 Amerbach, Veit 559

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Namenregister

Amerini, F. 229, 338 Amico, Francesco 579 Amidei, F. 230 Ammonius de Alexandria 657 Anahory, S. 69 Anastasius Bibliothecarius 286, 298-300 Anderson, W. L. 603 sq., 608, 629 Andre´, A. D. M. 203, 205 sq., 210, 214 Andrea Mantegna 727 Andreas Rudolff Bodenstein (alias Karlstadt) 463 Andrews, R. 336 Andriaen, M. 554 Andronikos III. Palaiologos 351, 355, 360 Angehrn, E. 776 Angerer, J. 606 Angold, M. 350 sq., 359 Anna de Saboia 355 Annas, J. 63 Anselmus Cantuariensis 169, 293, 543, 547549, 552 Anselmus Gemblacensis 312 Anselmus Havelbergensis 269, 277 Antigone 415 sq. Antonius de Aribandis 370 Antonius Bladum 218, 247 Antonius Sirmundus 326 Antony, H. 507 Apel, K.-O. XV Apollo 643, 727 Apponius 417 Aranda, Felipe 584 Arator 644 Arbor, A. 58 Arcedeckne, Petrus 580 Ardizzone, M. L. 670 Argentre´, Charles du Plessis d’ 330, 332 Ariadna 639, 641, 647, 654 Ariosto, Ludovico 648 Aris, M.-A. 30 Aristoteles XVI, XVIII, XXIV, 19 sq., 22-24, 26-32, 34-36, 55, 57-63, 67, 69-71, 73, 76, 80, 84, 86 sq., 96, 98, 155, 168, 173, 176, 179, 182 sq., 219-221, 223, 226 sq., 229, 231-239, 241 sq., 245-255, 309, 313 sq., 326-329, 331, 333-343, 345, 374, 380, 436 sq., 439, 440, 442, 452, 461 sq., 470, 544, 547, 554-557, 559 sq., 562 sq., 570-572, 574 sq., 580, 582-585, 609, 761, 767 sq., 770, 777-779, 781, 784-786, 788 sq., 801, 804, 808 Aristoteles, Ps. 129, 238, 247, 314 Arius 267, 269 Arnaldus de Villanova 128, 155-161, 331

Arndt, W. 421 Arnoldus Luydius a Tongris 391 Artus, rex 647, 690, 692 sq., 701 Ashley, B. 29 Athena 648 Atto Vercellensis 266 Atucha, I. 39, 547 Augustinus de Ancona 567 Augustinus, Aurelius XIV sq., 9-17, 19-22, 28 sq., 34-36, 49, 80, 86, 98, 197-199, 206 sq., 220 sq., 223-225, 227-230, 251, 260, 265, 274, 276, 283, 288, 301, 305, 309, 347, 354, 356, 380, 383, 386, 417-419, 534, 536, 543, 547-549, 553-555, 592 sq., 596, 645, 683, 697, 714, 728, 744, 777 sq., 788, 790, 805, 809 Augustus, Gaius Octavianus 300 Aulus Gellius 546 Aurast, A. 259, 290 Austin, J. L. 745 sq. Auvray, L. 421 sq. Avagliano, F. 168 Aversa, Raffaele 569 Ax, W. 347 Bacchelli, F. 133 Bachelard, G. 719 Baccilieri, Tiberio 559 Bäck, A. 223 Backes, H. 701 Bacon, Francis 25 Bade, N. 259 Baertsch, B. 776 Baeumker, C. 184, 307, 311, 807 Bakker, P. J. J. M. 57, 59, 67, 78 Balduinus Cantuariensis 305 Baldwin, J. W. 128 Balic´, Ch. 312, 315 Bambaglioli, Graziano 677, 678 Bambeck, M. 675 Ba´n˜ez, Domingo 566, 568, 570, 578, 582 sq. Barbera, C. 306 Bardi, Francesco 571, 573 Bardowicz, L. 401 Barlaam de Calabria 351-353, 358-362, 364, 371, 373, 375 Barnes, J. 63 Barolini, T. 670, 677 Baron, Robert 563 Baron, Vincent 568, 573, 585 Barth, K. 243 Bartholomaeus Arnoldi de Usingen 66 Bartholomaeus Brixiensis 492 Bartholomaeus Clantier 623

Namenregister Bartholomaeus de Montagnana 133 Bartholomaeus de Spina 345 Bartholomaeus de Varignana 133 Bartholomaeus Salernitanus 150 sq. Bast, R. J. 512 Bauernfeind, O. 457 Baumgartner, M. 184 Bayle, Pierre 326, 566, 760 Baylor, M. 44 Bayona, B. 454 Baza´n, B.-C 56 sq., 133 Beatus de Lie´bana 275, 662 sq. Beauduin, L. 358 Bebel, Heinrich 734 Beccarisi, A. 84, 89 Beck, H.-G. 356, 359 sq. Beck, Simeon 358 Beckett, K. S. 298 Beckmann, J. P. 788 Beda Venerabilis 271, 278 sq., 290, 294, 644 sq. Behr, H.-J. 731 Bejczy, I. P. 553 Bellarminus, Robertus 572, 578, 580, 583 Belluto, Bonaventura 582 Be´natouı¨l, T. 135, 150, 154 Benedetti, Gianbattista 579 Benedictus XII. papa ( Jacobus Novelli) 349, 350, 358, 362-364, 367, 369, 436 Benedictus XIII. papa (Pietro Francesco Orsini) 631 Benevenutus Imolensis 325, 326 Be´ne´zet, J.-P. 136 Benevieni, Girolamo 381 Bennewitz, I. 183 Benzi, Ugo 153 sq., 161 Berengarius de Landora 518 Berger, D. 310 Berger, E. 421, 425 Berghold, K. 155 Berlette, Gabriel 332 Bernaldo de Quiro´s, Antonio 572, 581 Bernardus, Albiensis episcopus 358 Bernardus Alverniensis 518, 546, 563 Bernardus Carnotensis 165-168, 786, 788 Bernardus Claraevallensis 227, 264, 285, 288, 301, 303 sq., 446, 500 sq., 503, 543-545, 547-549, 552, 554 sq., 612, 621, 634 Bernardus de Gordonio 87, 128, 159 Bernardus Papiensis 488, 495, 502 Bernardus Silvestri 165, 176 Bernardus de Waging 521, 612, 615 sq. Berndt, R. 315 Berschin, W. 284, 297 Berte´, M. 155

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Bertelloni, F. 445 Bertrandus de Turre 454 Besamusca, B. 696 Bethmann, L. 261 Bethmann, L. C. 300 Beukers, C. 417, 418 Beyer, H.-V. 360 Beyer, V. 662 Bianchi, Andrea 558, 573-576, 583-585 Bianchi, L. 48, 233, 251, 325-347, 439, 466, 471 sq. Biard, J. 75, 78, 545 Biberfeld, E. 401 Bibliander, Theodor 285 Bickmann, C. 806 Biel, Gabriel 222, 459, 462, 473, 577 sq., 779 Biesterfeldt, H. H. 801 Bihrer, A. 424 Binding, G. 798 Birkham, H. 732 Bisang, W. 126 Bischof, F. X. 606, 616 Bischoff, B. 512 Blackwell, R. J. 237 Blamires, D. 704 Blancandrin 685 Blancheflor 692 Blazˇek, P. 477-506 Bleienstein, F. 449 Bloomfield, M.W. 517 Blume, D. 686 Blumenberg, H. 698, 702 sq., 717 Blumenkranz, B. 310 Blumenthal, P. 682 Blund, John 188 Boccaccio, Giovanni 648, 677 sq. Bodewig, M. 612 Boehner, P. XXIII Boese, H. 185 Boethius, Anicius Manlius Severinus 171, 241, 314, 336, 697, 778, 789, 803-805 Boetius de Dacia 337 sq. Boffito, G. 670, 672 Böhme, J. 378 Bohne, G. XXII Boiadjiev, T. 798 Boisseuil, D. 478 Bolyard, C. 3-17, 45 Bonagratia de Bergamo 454 Bonaventura XVII, 20, 29, 34-36, 39 sq., 44, 96, 99, 101, 189, 198, 203-205, 222, 225, 331, 336, 452 sq., 484-486, 490, 495 sq., 498, 501 sq., 504, 532, 563, 612, 720, 806

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Namenregister

Bonifatius VIII. papa (Benedetto Caetani) 345347, 352, 415, 429 sq., 437, 447-449 Bonifatius, sanctus 260-262, 267, 272-274, 279 Bonnerot, J. 460 Boockmann, H. 435 Boojamra, J. L. 356, 362 Boquet, D. 543 sq., 549 sq., 553 Bordoni, Francesco 561, 572 sq., 577 Boretius, A. 261 Borgnet, A. 219, 485 sq., 534 Borgolte, M. 285, 302, 315, 317 Börner-Klein, D. 397-413 Borret, M. 675 Borromeo, A. 330 Borruso, A. 299 Borst, A. 309 Bos, E. P. 189 Bos, F. T. 463 sq., 468 sq. Bös, G. 716 Böse, K. 662 Bossi, Gianangelo 573 Bossier, F. 70, 547 Boudet, J.-P. 129 Boumans, M. 744 Boureau, A. 222, 228 Bourke, V. J. 233 Bouthillier, D. 288, 303 Bouyges, M. 785 Boyel, L. E. 510, 512 Brady, I. 229, 483 Brague, R. 545, 799 Braisch, I. 220, 415-433, 595 Brambilla Pisoni, E. 260, 276 Brams, J. 70 Brandsma, F. 696 Brandt, S. 418, 680 Brant, Sebastian 722-727, 736, 740 sq. Braun, L. 768 Braun, M. 700 Brenet, J.-B. 342 Brenner, O. 457 Bresslau, H. 260 Bretschneider, Carl Gottlieb 468 Brett, A. 435 sq., 439, 452 sq. Brewer, D. I. 401 Brewer, J. S. 76 sq., 95, 97, 99, 100, 336 Brewer, K. 229 Bridges, J. H. 25 sq., 76, 97, 100 Briggs, C. F. 218, 222, 227 Brigida de Suecia 628 sq. Briguglia, G. 198 sq., 206, 228 Brinker von der Heyde, C. 591 Brinzei, M. 336

Broadie, A. 473 Brod, M. 393 Brösch, M. 720 Browe, P. 523, 526 Brown Wicher, H. 168 Brown, S. F. 805 Brown, V. 168 Broyde´, I. 801 Brucker, Jacob 326, 760-762, 768, 772-782, 790 Bründl, J. 362 Brunellus 60 Brungs, A. 232 Bruni, G. 227 Brunner, H. 734 Bruno Cartusiensis 275 Bruno Astensis 268, 274, 276 Bruns, I. 557 Buc, P. 530 Büchel, W. 325 Buck, A. 789, 790 Buddeus, Johann Franz 326, 760, 762, 767, 778 Bueno, I. 354, 358, 370 Bufano, A. 789 Bulhart, V. 418 Bumke, J. 498, 647 Bünz, E. 422 Burger, Chr. 603, 624 Burghartz, S. 287 Burgundius Pisanus 168 Burke, R. B. 25 Burkhard, C. 168 Burman, Th. E. 292 Burnett, Ch. 86-88, 125, 168, 171, 294, 800 sq. Burrichter, B. 639, 647 sq., 661 Bury, R. G. 63 Busa, R. 234 Busby, K. 696 Busch, Hermann 391 Büttgen, P. 459, 464, 467 Buttimer, C. 21 Butzer, G. 639 Buytaert, E. M. 225 Byrne, E. 564 Cadili, A. 438 Caesar, Gaius Julius 95 Caesarius Arelatensis 675 Cajetan, Thomas 458, 461, 473, 575, 583 Calixtus II. papa (Guido von Burgund) 449 Callerot, F. 543-545, 548, 550 Calma, D. 39, 337 Calvin, Johannes 460 Camargo, Ignacio 565, 569 sq., 572, 584

Namenregister Cameron, J. K. 464 Candidus Philalethus, Ps. 558 Canning, J. 438 Caramuel y Lobkowitz, Juan 573 Caravale, G. 230 Cardini, F. 417 Carey, J. 751 Carmody, F. 329, 330, 334 Carolus I. rex Siciliae 362, 423-426 Carolus II. Calvus rex Gallorum 298 Carolus Magnus rex Francorum et imperator Romanorum 269, 300, 684 sq., 798 Carolus V. imperator Sacri Romani Imperii 392 Carolus VII. Victoriosus rex Gallorum 387 Carolus VIII. rex Gallorum 387 Caroti, S. 86 Carron, D. 545 Casagrande, C. 128, 206 Casey, M. 544 Casnedi, Carlo Antonio 573, 575, 577, 584 Caspar, E. 269 Cassius, Georg Andreas 761 Castiglione, Fulgencio 579 Castillo Velasco, Francisco del 568 Caston, V. 55, 58 Catalani, L. 307 Catana, L. 774 Cathala, M.-R. 220, 238, 335, 785 Catharina Senensis 629 Catilina, Lucius Sergius 103 Catullus, Gaius Valerius 416 Cazier, P. 271 Cecchus Asculanus 669-680 Celladei, Antonius (Ps.) 558 Cellarius, Christophorus 790 Cerezo, M. 213 Cerulli, E. 328, 331 Chalmers, D. 211 Chandelier, J. 125 sq., 129, 135, 140, 149, 154, 159 Charles Daubert, F. 332 Charmasson, Th. 84, 89 Chastang, P. 135 Chaˆtillon, J. 307 Chenu, M.-D. 313, 315, 806 Chiesa, P. 269 Chiurco, C. 305, 313 Chlodovechus I. rex Gallorum 260 Chora˜o Lavajo, J. 319 Chre´tien de Troyes 681, 688-695 Christmann, H. H. 682 Christophorus, sanctus 261, 700 Chromatius Aquileiensis 418 sq. Chrysippus 63

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Chrysostomus Javellus 326 Cicero, Marcus Tullius XIV, 4-6, 86, 227, 347, 415, 545, 562, 577, 651 Cioffari, V. 679 Clagett, M. 315 Clark, A. C. 415 Clarke, P. D. 478 Classen, P. 297 Clemens I. papa (Clemens Romanus) 386, 445, 447, 798 Clemens III. papa (Wibert von Ravenna) 312 Clemens IV. papa 96, 367, 426-428 Clemens V. papa (Bertrand de Got) 436, 449 Clemens VI. papa (Pierre Roger) 350, 355 sq., 360, 370, 436, 454 Clemens VII. papa (Giulio de’ Medici) 521 Clericus, Johannes 565 Coelestin I. papa 270 Coelestin V. papa (Pietro da Morrone) 429 Coffin, L. 330 Cohen, S. J. D. 397 Cohn, J. 401, 406 Cohn, M. 402, 409, 412 Colberg, H. 708 Coleman, J. 453-455 Colish, M. 483, 543-554 Collingwood, G. 784 Collins, A. J. 509 sq. Colombo, Cristoforo 801 Colonna, Francesco 648 Coluccius Salutatus 676-678 Columella, Lucius Iunius Moderatus XXI Combes, A. 627 Comitoli, Paolo 562 Compton-Carleton, Thomas 568 Condren, C. 453 sq. Conradus IV. imperator Sacri Romani Imperii 423, 425 Constantinus Africanus 123-125, 168 Constantinus I. (Magnus) imperator 436, 441, 443-448, 456, 652-657, 659, 705, 713 Conti, A. D. 229 Conticello, C. G. 360 Conticello, V. 360 Cooper, J. 4 Copenhaver, B. P. 382 Corbie`re, P.-H. 537 Corbin, M. 543 sq., 548 sq., 553 Cordes, A. 435 Cordonier, V. 231-256 Cormeau, C. 704 Cornejo, Pedro 568 Costa, I. 325, 334, 342 Coste, J. 345 sq.

852

Namenregister

Cottingham, J. 7 Couenhoven, J. 197 Courcelle, P. 543 sq. Courtenay, W. J. 213, 438, 443, 451, 453, 455 Cowe, S.P. 350, 352 Coypel, Antoine 743 sq. Craemer-Ruegenber, I. 803 Cranz, F. E. 168 Craven, W. G. 382 sq. Crawford, F. 58, 337 Cre´pin, A. 261 Crisciani, C. 159 Cristiani, L. 462-464, 467 Crockaert, Petrus 582 Crombie, A. C. 22, 87 Crone, P. 325 Curci, Matteo 133 Cusato, M. F. 453 sq. Cutler, A. H. 292, 298 Cyprianus Carthaginiensis 418 D’Alverny, M.-Th. 291, 296-298, 300, 305 sq., 308-313 D’Ancona, A. 299 D’Hoine, P. 233, 250 D’Onofrio, G. 313 Da Costa Greene, B. 382 Daedalus 640 sq., 643 Dahan, G. 295 sq., 307, 310, 317 Damian, I. M. 356 Dandini, Girolamo 556-559, 561 Daneau, Lambert 776 Daniel de Tabriz 350, 361, 364, 367-369 Daniel, N. 292, 300 Dante Alighieri 128, 325, 342, 445, 543 sq., 550, 669-671, 673-680, 801 Darlin, C. 682 Darms, G. 328 David, rex Israelis 296 Davids, T. 183, 185, 188, 728 Davidson, D. 179-181, 191-193 Davis, K. 792 Da Borgonovo, Arcangelo 385 sq. Da Camerino, Francesco 351 Da Castelbolognese, Gerolamo 385 Da Fonseca, Pedro 572, 578 Da Prieria, Silvestro 458 De Andia, Y. 798 De Arago´n, Pedro 571, 582 De Arriaga, Rodrigo 564, 580 sq., 583 De Asu´a, M. 30 De Boer, J.-H. 349-375 De Boor, C. 298, 300 De Burgo, Augustinus Gibbon 567 sq., 582 sq.

De Cardenas, Juan 584 De Caspe, Luis 568 De Certeau, M. 528 De Co´rdova, Antonio 572 De Elizalde, Miguel 558, 577, 581 De Esparza, Martı´n 557, 561, 568, 573, 584 De Ferreras, Juan 569 sq. De Ferrari, A. 131 De Filguera, Manuel 584 De Gandillac, M. 305 De Hemptinne, Th. 498 De Jesu´s Salablanca y Balboa, Diego (Didactus a Jesu) 573 De la Bruye`re, Jean 728 ´ . 285 De la Cruz Palma, O De la Forge, Luis 575, 579 De la Fuente Hurtado, Diego 584 De la Monnoye, Bernard 332 De la Sal, Antonio Gutierrez 579, 584 De la Serna, Pedro 580 De Launoy, Jean 770 De Leemans, P. 129, 232 De Legarde, G. 435, 443 De Lemos, Tomas 569, 578 De Lezana, Juan Bautista 568 De Liguori, Alfonso Maria 497, 505 De Libera, A. 56, 797, 804 De Lorca, Pedro 569 De Lubac, H. 246, 313, 382 De Lugo, Juan 571 sq., 579, 582 De Montalte, Louis (= Blaise Pascal) 57 De Morgan, Augustus 743 De On˜a, Pedro 580 De Oviedo, Francisco 568, 578 sq. De Palacios, Miguel 558, 561 sq., 571 De Passeriis, Marcantonio Genova 559 De Pitigianis, Francesco 556 De Rijk, L. M. 78 De Salas, Juan 572, 578 sq. De Samtalla, Tirso Gonza´lez 577 De San Juan, Rafael 577 De Torres, Louis (Turrianus) 568 sq., 571 sq., 579 De Torresanis de Asula, A. 237 De Vos, P. 127 De Vregille, B. 417 De Wulf, M. 336, 569 Debru, A. 123 Dechanet, J.-M. 544 Deferrari, R. J. 744 Del Carmen Carle´, M. 445 Del Punta, F. 326, 347 Delacroix-Besnier, C. 356 Deleuze, G. 796 sq., 808

Namenregister Delgado, M. 281 Delhaye, P. 543, 545 Deloria, P. J. 351 Delorme, F. M. 73, 76 Demetracopoulos, J. 356 Demetracopoulos, P. 356 Demetrius Kydones 356 Demokritos 157 Den Boeft, J. 554 Denery, D. G. 46, 137 Dennett, D. 181 Denzinger, H. 555 Derenbourg, H. 298 Derrida, J. 744 Descartes, Rene´ XV, 7, 39, 217, 545, 575, 579 Dessı`, R. M. 283 Detlefsen, K. 217 Dewhurst, J. 704 Di Cesare, M. 340 Di Lorenzo, R. D. 543, 550 Di Martino, C. 204 Di Medici, Lorenzo 384, 387 Di Napoli, G. 382 Diana, Mario 573, 577 Dicke, G. 700 Diderot, Denis 743 Dido 644, 687, 694 Diekamp, W. 260, 274 Diercks, G. F. 418 Dieter, T. 461 sq. Dietl, C. 732 Digard, G. 430 Dingjan, F. 543 Dinus Florentinus (Dino del Garbo) 128, 130 sq., 134 sq., 137-148, 154 Dinzelbacher, P. 603, 629 Diogenes Laertius 763 Dionysius Areopagita, Ps. 251, 377, 381-383, 536, 798 Dionysius Cartusianus 326 Dolcini, C. 435 Dombart, B. 206, 220, 223, 347 Dominicus Gundissalinus 86 Donati, S. 76, 326, 347 Dorez, L. 383 sq., 387 Dörrich, C. 700 Dosiadas Cretensis 649 sq., 652 Dougherty, M. V. 222 Downes, A. C. H. 543 Draelants, I. 135, 150, 154 Dreitzel, H. 763 Dreßen, W. 799 Drews, W. 360 Dreyer, M. 30, 310-312, 314-316, 318

853

Dronke, P. 176, 545 Dröse, A. 719-741 Du Fresne Du Cange, C. 509 Du Quesnay Adams, J. 545 Duba, W. 374 Duchesne, A. 284 Duhem, P. 75, 77 Dummett, M. 745 sq. Dümmler, E. 271, 277 Dungersheim, Hieronymus 458 Dunkel, A. 700 Dunne, M. W. 353, 374 Dunphy, W. 334 Dupuy, P. 462 Durand, U. 284, 304 Durandus de S. Porciano 484-486, 489, 492 sq., 500-505, 518, 580 sq. Dürer, Albrecht 724, 727 Dutton, B. 4 Dutton, M. L. 544 Dutton, P. E. 165 Dykema, P. A. 512 sq. Eardly, P. S. 218, 222, 227 Eberhardus Bethuniensis 310, 509 Eckhart, Meister 377, 589-602, 700, 801, 805 Egger, Ch. 453 Eggers, H. 701 Ehlers, W.-W. 390 Eichner, H. 785 Eickelmann, M. 700 Eisenhut, W. 416 Ekenberg, T. 186 Elifas 749-751 Elija 291 Elipandus, archiepiscopus Toletanus 275 Elischa 291 Eliza Glaze, F. 125 Elliott, D. 629 Ellis, L. 627 Embricho Moguntinus 298, 300 Emery, K., Jr. 251, 805 Eming, J. 700 Empedokles 73 Emser, Hieronymus 382 Enelow, H. G. 401 English, E. 20 Enide 688 sq., 691, 695 Epictetus 558, 575 Epicurus 16 Epiphanius, episcopus Salaminae 305 Epstein, R. I. 405 Erculei, E. 669 sq., 672, 674 sq., 677 sq., 680 Erec 688 sq., 691, 693-695

854

Namenregister

Ernst, U. 639-668 Eschweiler, K. 583 Esmein, A. 478, 484, 487, 502 Esposito, M. 325 Esra 381 sq. E´taix, R. 418 sq. Eteokles 686 Etherius Uxamensis 275 Etzkorn, G. I. 44, 47, 336 Euclides 314 sq., 800 Euler, W. 720 Eulogius Cordubensis 303 Eusebius Caesariensis 305, 386, 657 Eutychios 269 Eva 42, 202 Evans, A. P. 306 Evans, E. 229 Evans, G. R. 260, 305 sq., 309 sq., 312 sq., 315, 543 Ezechiel, propheta 291, 397, 420, 458, 545, 555, 661 Faba, Agostino 559 Fabian, S. B. 670, 672, 677 Fabri, Honore´ 564 sq., 581 Facciottum G. 230 Faes de Mottoni, B. 222 Fagnani, Prospero 573, 577, 585 Faller, O. 417 Farge, J. 460, 467, 473 Farmer, S. A. 381, 382 Fassler, M. 554 Fattori, M. 125 Fauser, W. 57 Faust, U. 544, 548 sq., 553, 606 Fearns, J. 283, 293 Federici, G. 670 Feirefiz 647 Fera, V. 155 Ferrandus de Hispania 343 Ferre, Vicente 569, 577 Ferreiro, A. 284, 297 Feuerbach, Ludwig. 566 Feyerabend, P. 565 Fichtenau, H. 281 sq. Fidora, A. 86 sq., 155, 292, 297, 354 Filastrius Brixiensis 418 Filthaut, E. 180 Fink, D. 461 Finke, H. 332 Finkenberg, F. 99 Fioravanti, G. 128, 336 Firpo, L. 388 Fischer, H. 731

Fish, S. 747 Flasch, K. 714, 762 Flatonia Betitia Proba 658 Flaubert, Gustave 217 Flavius Josephus 385, 457 Flavius Mithridates 381 sq. Fleckenstein, J. 297 Fleming, M. V. 545 Flodoardus, canonicus Remensis 273 Flogaus, R. 359 Flower, B. 460 Foerster, W. 659 Fogel, J. A. 398 Fontaine, J. 554 Fornaciari, P. E. 385 sq. Fornasari, G. 297 Forschauer, Johann 507 Foucault, M. 724 Fraenkel, C. 149 Fraipont, J. 270 Franceschetti, L. 347 Franchetto, F. 478, 483 sq., 487 sq., 494-497, 499 Frank, G. 462, 464, 702 Frank, Y. 404 Franz, A. 507, 521 Frassen, Claude 568 Frazer, J. G. 416 Freedman, P. 728 Frette´, S. E. 220, 567 Freud, S. 742 Freudenberg, B. 259 Freudenthal, G. 801 Freytag, H. 711, 715, 717 Fridericus II. imperator Sacri Romani Imperii 325, 423, 425, 427, 431-433 Fridericus III. rex Saxoniae 468 Friedberg, E. 478-483 Friedlein, R. 281 Friedman, R. 805 Friedman, Y. 262 sq., 283 sq., 293, 295 sq. Friedrich, U. 728, 729, 732 Froimont, Liberte´ 565, 571 Frutolfus Bambergensis (Frutolf von Michelsberg) 300 Fuchs, Ph. 683 Fuchs, R. 708 Fuchs-Jolie, S. 724, 726 Fumo, J. C. 149 Funkenstein, A. 310 Fyrigos, A. 351, 359 sq. Gabriel, archangelus 262 Gabriel, G. 579

Namenregister Gadebusch Bondio, M. 129, 135, 149, 155 sq., 159, 260 Gahmuret 647 Gaier, U. 722, 733 Ga´l, G. 336 Galenus, Claudius 123, 149, 151-153, 155-157 Galibois, R. 381 Galileo Galilei 83, 236, 585 Galle, G. 343 Galluzzo, G. 229, 338 Garcia, Pedro 384-386, 389 Gardeil, A. 564, 571 Garfagnini, G.C. 387 Garin, E. 380 sq., 384, 761 Garnett, G. 435 sq., 445, 447-450, 455 Garnier, T. 128 Gärtner, K. 703 Garver, M. 546 Gasbertus de Orgolio 356 Gasparri, G. 581 Gastaldelli, F. 548, 549 Gaudemet, J. 478-481 Gaudentius Brixiensis 419 Gauß, Carl Friedrich 83 Gauthier, R.-A. XVIII, 180, 234, 555, 789 Gawan 647, 693 sq. Gaye, R. K. 69 Ga´zquez, J. M. 288 Geatanus de Thienis 560 sq. Geiger, L. 391, 393 Geissler, A. 720 Gelber, H. 48 sq. Geltner, G. 453, 454 Gemeinhardt, P. 289, 362 Gennadius de Marsilia, Ps. 270 Gentilis de Foligno 128, 131, 133-135, 137, 331 Gentry, F. G. 709 Gentzken, Friedrich 762, 767 Georges, H. 682 Georges, K. E. 682 Georges, T. 288 sq., 291 sq. Gerardus Cremonensis 22, 123, 125 Gerardus de Senis 579 Gerardus Zutphaniensis 391 Gerhardt, C. I. 569 Gerhohus Reichersbergensis 297 Gerson, Johannes 461, 469, 473, 610-614, 621, 623 sq., 627-635 Geulincx, Arnold 559 Gewirth, A. 338 Geyer, B. 29-31, 56, 337 Geyser, J. 184 Ghellinck, M. J. 312 Ghisalberti, A. 679

855

Ghosh, K. 46 Gibalini, Giuseppe 573 Gibson, M. 304 Gierl, M. 764 Giglioni, G. 326 Gil Ferna´ndez, J. 302 sq. Gilbertus Porretanus 301, 307, 312, 314 Gilly, C. 381 Gilson, E´ 305, 543-545, 791 Gindhart, M. 133 Girardet, K. M. 657 Gisbert, Jean 573 Giunta, L. A. 152, 15 Glad, C. 529 Glanoczy, A. 362 Glei, R. 263 sq., 283-286, 288-293, 296, 299, 301-304 Glock, H.-J. 179 Glorie, F. 3, 5, 10, 224, 228, 546, 549 Glorieux, P. 312, 623, 627-630, 633 sq. Glück, A. 419 Godefridus de Fontibus 225, 243, 336, 569 Godefroy, F. 682 Godthardt, F. 436, 438 Goetz, H.-W. 259-280, 282, 290 Goldbacher, A. 265, 418 Goldschmidt, L. 405 sq. Goliath 284 Goltz, A. 436 Go´mez, J. 250 Gonet, Jean Baptiste 568 Gonzaga, Marchese Francesco 727 Go´nzalez Mun˜oz, F. 295, 298 sq. Gordley, J. 444 Gorgias 35 Gorman, J. 353 Goswell, G. 658 Götte, J. 643 Gottfried von Straßburg 701 Gottheil, R. 801 Götz, I. 722 sq. Gow, A.C. 512 Grabmann, M. 306 sq., 312 sq., 563 Granado, Diego 563, 569 Grandsen, A. 509 Grane, L. 462, 465, 467 Grant, E. 75 Grassi, O. 47 Gratianus, Flavius 40, 222, 431, 444 sq., 447, 448, 450, 452, 477-489, 491-495, 497, 499-501, 503-506, 518, 547 Graus, F. 287 Green, M. 125 Green, W. M. 3, 5, 7, 9, 221

856

Namenregister

Gregorios Palamas 351, 359 sq. Gregorius Bruxellensis 561 Gregorius de Gregorijs 345 Gregorius de Rimini 189, 191-193, 202 sq. Gregorius I. papa (Gregorius Magnus) 265, 266, 269, 272 sq., 276-279, 645 Gregorius II. papa 274 Gregorius IX. papa (Ugolino dei Conti di Segni) 386, 421 sq., 425, 431, 433, 448, 454, 547 Gregorius Nazianzenus 805 Gregorius Nyssenus 805 Gregorius Turonensis 260, 267 Gregorius X. papa (Tebaldo Visconti) 84, 362 Gregory, T. 39, 222 Grellard, C. 39-44, 46, 48, 50, 52 Grenzmann, L. 739 Griffith, M. 416 Grignaschi, M. 328 sq., 337 sq., 340 Grigor VI. katholikos 352 Grigor VII. katholikos 352 Grimm, J. 699 Grimm, W. 699 Grondeux, A. 509 Gross, J. 197 Grosse, S. 610-612, 616, 633 Groten, M. 796 Gründer, K. 579, 793 Grundmann, H. 309 Grunert, F. 764 Gryson, R. 278 Gualdo, Gabriele (alias Nicolaus Peguleti) 561, 569 Gualterus Compendiensis 295 Gualterus de Castellione 305 Gualterus de Chatton 39, 40, 45-48, 50-52 Gualterus de Kirkham 514 Guattari, F. 796 sq., 808 Guene´e, B. 454 sq. Guerrero, R. 333 Guibertus de Novigento 284, 297, 300 Guido de Monte Roche 517, 519, 523 Guido Pisanus 679 Guido Terreni 354, 370 sq., 373 sq. Guillelmus Bituricensis 310 Guillaume de Lorris 693 sq. Guillelmus Alvernus 20, 24, 26-29, 36, 55, 67, 318, 319 Guillelmus Altissiodorensis 42-44, 484, 486, 490, 500-502, 504 Guillelmus de Campellis 779 Guillelmus de Conchis 165-167, 170, 227, 787 sq. Guillelmus de Moerbeka 83-93, 233, 237-239, 327

Guillelmus de Ockham 44, 47, 189, 223, 237, 359, 436, 438 sq., 450 sq., 453, 459, 465 sq., 469, 530, 581 Guillelmus de Pagula 510 Guillelmus de Rubione 577 Guillelmus de S. Theodorico 554 Guillelmus de Tyro 287 Guillelmus Emergavi 356 Guillelmus Malmesburiensis 297, 298 Guillelmus Tripolitanus 318 Guillelmus VIII. dominus Montispessulani 308 Guiraud, J. 421, 426 Guldentops, G. 40, 217-230, 282, 325 sq., 335, 343, 360 Güterbock, C. 299 Guthmüller, B. 679 Guy le Gros de Foulques 96 Haas, A. M. 591 Haberkamm, K. 725 Hackett, J. 26 Hadot, P. 794 Hadrian VI. papa (Adrian von Utrecht) 392 Hageneder, O. 417, 422 sq., 430 sq. Hägglund, B. 473 Haidacher, A. 422 Haidu, P. 689 Haimo Altissiodorensis 267, 270, 272, 275 Hain, L. 521 Hall, A. W. 228 Hall, J. B. 42, 788 Halton, Th. 168 Hamesse, J. 125, 219, 292, 327, 329, 336, 341 Hamm, B. 624 Hammer, A. 707 Hammer, G. 468 Hankey, W. 4 Hardie, R. P. 69 Harf-Lancner, L. 689 Häring, N. M. 306, 308-310, 313 sq., 318 Harms, W. 639, 667 Harowitz, T. 213 Harrison, P. 211 Hartmann von Aue 699, 702-709, 711 sq., 715 sq. Hartpole Lecky, W. E. 555 Hartwig, O. 508 Ha¯ru¯n ar-Rasˇ¯ıd 799 Hasebrink, B. 616, 621, 700 Hasse, D. N. 127 Haubrichs, W. 639 Haubst, R. 612 Haug, W. 701, 724, 787 Haunold, Christoph 573

Namenregister Hauptmann, J. 397 Haure´au, B. 312 Hause, J. 529-539 Häusler, A. 702 Hayduck, M. 557 Hayes-Healy, S. 545 Hayward, P. A. 545 Heffernan, T. J. 512 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 585 Heilig, K. J. 507, 521 Heim, K. 473 Heimann, C. 330 Heinrich Cornelius Agrippa 89 Heinze, R. 558 Helios 642 Hellmeier, P. D. 56 Hempsall, D. 464, 467, 469 Henricus a S. Ignatio, Henricus 572, 577, 583 sq. Henricus de Castella 427 Henricus de Frimaria 560, 604, 607 sq. Henricus de Mondavilla 155 Henricus de Langenstein 507 sq., 512, 519-528, 603 Henricus de Segusio (Hostiensis) 495, 516 sq., 520 Henricus Gandavensis XV-XVII, 40, 231 sq., 244, 249-251, 254 sq., 518, 562 sq., 575 Henricus II. imperator Sacri Romani Imperii 265 Henricus Suso 598 Henricus VII. imperator Sacri Romani Imperii 437 Hephaistos 641, 651 Heraklitos 768 Herbers, K. 685 Herder, Johann Gottfried 313 Herakleios 299 Herkules 172, 725 Hermannus Dalmata 294 sq. Hermannus de Schildis 519 sq. Hermannus Iudaeus 276 Hernando y Delgado, J. 319 Hervaeus Natalis 454 Herzig, A. 389 Herzog, R. 787, 790 Hethum II. rex Armeniae 352 Heuken, U. 127 Heumann, Christoph August 759-770, 772775, 778, 782, 790 Heydenreich, C. 708 Hickson, M. W. 217 Hieronymus Donatus 68 Hieronymus, Sophronius Eusebius 301, 305, 309, 383, 386, 418, 546 sq., 555, 647, 660 sq.

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Hilarius Pictaviensis 301 sq., 305, 309, 382 Hilbert, M. 494, 496 Hildebertus Lavardinensis 268 Hill, J. S. 747 Hincmarus Remensis 270 Hinderaker, E. 351 Hiob 265, 277-279, 397, 420, 708-710, 716, 748-750, 753 Hippokrates 149-159, 161 Hirsch, S. A. 101 Hirschi, C. 739 Hirtzel, F. A. 416 Hirvonen, V. 224 Hissette, R. 72, 335, 789 Hobbes, Thomas 29 Hocedez, E. 242, 244 Hocke, G. R. 656 Hoenen, M. J. F. M. 66, 129 Hoffmann, D. 398 Hofmeister Pich, R. 251, 788 Hofmeister, A. 262, 297 Hogendijk, J. P. 126 Hohmann, T. 507 sq., 528, 603 Holenstein, E. 796 Holmes, J. D. 565 Holopainen, T. J. 224 Holstein, B. E. 247 Hölter, A. 656 Höltzel, Hieronymus 507 Holtzmann, R. 261 Homer 640-642, 651 Hon, G. 130, 595, 743-755 Honnefelder, L. 30, 788, 791, 803 Honorius Augustoduensis 273, 275, 278 Honorius I. papa 631 Honorius III. papa (Cencio Savelli) 415 Honorius IV. papa (Giacomo Savelli) 428, 430 Höpgen, P. 664 Horatius 642 Horden, P. 796 Horn, Georg 761, 763 Horn, H.-J. 222 Horst, I. 388 Horst, U. 453 Hossfeld, P. 30, 70 Hotot, F. 27, 319 Houtmann, A. 397 Höver, W. 612-614 Hoye, W. 721 Hoyland, R.G. 299 Hrabanus Maurus 86, 261, 266 sq., 271, 273 sq., 276-278, 546, 644 sq. Hruschka, J. 721 Hubel, A. 295

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Namenregister

Huber, M. 731 Hübner, G. 733 Hudry, F. 313, 318 Hugo de Balma 612 Hugo de S. Victore 20-22, 24 sq., 27, 34, 36, 86, 732 Hugo de S. Caro 484-488, 495, 500-502, 530 sq., 533-536, 538 Hugo Floriacensis 262, 300 Hugo Sanctallensis 89 Huguccio Pisanus 432, 487 sq., 495, 502 Humbertus de Romanis 318 Humbertus Silvae Candidae 269, 271 Humbertus de Prulliaco 336 sq. Hume, David 16, 29, 557 Hurst, D. 279 Hurtado, Gaspar 562, 568 Hurtado de Mendoza, Pedro 557, 566 sq., 570, 579, 582 Hutchinson, S. 4 Huygens, R. B. C 285, 297, 301 Huylenbroucq, Alphonse 573 Ibn Rusˇd (Averroes) 55 sq., 58 sq., 64, 70, 7 sq., 96, 98, 123, 126-128, 134, 147 sq., 233, 237, 243, 325-329, 331-345, 347, 380, 545, 557, 575, 785 sq., 801, 803 Ibn Tibbon, Jehuda ben Saul 800 Ierodiakonou, K. 213 Ignatius de Antiochia 445 Ignatius de Loyola 628, 633, 635 Ihring, P. 687 Ildephonsus Toletanus 264 Ilgner, R. M. 41 Imbach, R. 39, 547, 697 Impellizerri, S. 351 Innocentius III. papa (Lotario dei Conti di Segni) 422, 480, 484 Innocentius IV. papa (Sinibaldo de Fieschi) 386, 421, 425 sq., 516 Innocentius V. papa (Petrus de Tarentaise) 484-486, 490 sq., 493, 499-502, 505 Innocentius VI. papa (E´tienne Aubert) 350, 356 sq. Innocentius VIII. papa (Giovanni Battista Cibo) 384, 389 Innocentius XI. papa (Benedetto Odescalchi) 584 Iogna-Prat, D. 283-285, 293, 296, 307 Iokaste 686, 694 Irenaeus Lugdunensis 305 Irwin, John 577 Irving, A. J. M. 507-528 Isaac de Stella 545

Isaac Israeli 125 Iserloh, E. 388 Isidorus Hispalensis 86, 270 sq., 302, 307, 354, 444, 680 Isidorus Hispalensis, Ps. 445, 447-450 Ismael 284 Isolde 659, 690 Ivo, episcopus Carnotensis 273, 278, 444, 448, 479, 483 Izbicki, Th. 517 Izquierdo, Sebastia´n 580 Jackson, F. 213 Jacob, J. 639 Jacobi, K. 189, 800 Jacobs, L. 401 Jacobus a S. Dominico 573 Jacobus de Altavilla 528 Jacobus de Forlivio 152-154 Jacobus de Hoogstraeten 388, 390-393, 739 Jacobus de Placentia 336 Jacobus de Venetiis 22, 70 Jacobus de Viterbo 453 Jacobus II. rex Aragonum 358, 428 Jacobus Maior 685 Jacopo della Lana 677 Jacquart, D. 123-125, 127-129, 131, 149-161, 168 Jacquart, M. 87 Jaeger, C. St. 618 Jahnke, G. 716 Jacob 222, 481 sq., 489 sq. Jacob ben Reuben 310 James, W. 333 Jammy, P. 560 Janota, J. 724 Janowski, Z. 217 Jäschke, K.-U. 708 Jastrow, M. 397, 402 sq., 412 Jaumann, H. 760 Javelet, R. 543 sq., 548 Jeauneau, E´. 166, 305, 787 Jensen, B. A. 715 Jeremia 291 Jeremias de Montagnone 436 Jesaja 291, 420 Jeschke, T. 225, 450 Jesus Christus 34-36, 40 sq., 43, 48, 50, 218, 262, 265, 267, 269-271, 273-275, 286-289, 291, 293, 296, 298, 302, 305, 309 sq., 321, 323, 325 sq., 332, 345, 354, 365, 367-369, 371-373, 382-384, 389, 393, 417, 419 sq., 426, 436 sq., 440-442, 444, 446, 451, 453 sq., 458, 472, 486 sq., 510, 512, 514 sq., 526, 529,

Namenregister 553 sq., 564, 581, 596, 601, 605, 631, 633 sq., 644-647, 656, 658, 661, 664, 700, 706, 768 Jeudy, C. 455 Joachimus Florensis 354, 355 Jocque´, L. 509 Johanna Aurelianensis 630 Johannes, apostolus 267, 270, 275, 379, 418, 437, 471 sq., 536, 603, 644, 646, 657, 714 Johannes a S. Thoma 568 sq. Johannes Bassolius 577 Johannes Belethus 518 Johannes Buridanus 39, 57-59, 61-67, 77-79, 189, 339, 576 Johannes Capreolus 222, 563, 578 Johannes Cassianus 555 Johannes Damascenus 224 sq., 301, 563 Johannes de Calore 521 Johannes de Dacia 336 Johannes de Goettingen 336 Johannes de Janduno 329, 334, 336-343, 438 sq. Johannes de Nova Domo 326 Johannes de Polliaco 439 Johannes de Rodington 47 sq. Johannes de S. Amando 128, 130-132 Johannes de Stobnica ( Jan ze Stobnicy) 66 Johannes Duns Scotus 40, 97, 224, 250, 336, 518, 544 sq., 567, 806 Johannes Eck 458, 460, 463 sq., 467 Johannes Eusebius Nierembergius 656 Johannes Keck 612, 614 Johannes Meldinensis 293, 693 Johannes Mesue junior 123, 126-129, 131 Johannes Parisiensis 441, 449 sq., 452 sq., 484486, 491-493, 501 sq., 504, 530 Johannes Paulus II. papa (Karol Jo´zef Wojtyła) 478 Johannes Pecham 452 Johannes Philoponus 557 Johannes Philoponus, Ps. 558 sq., 575 Johannes Sarisberiensis 39-42, 264, 786-788 Johannes Scotus Eriugena 266 sq. Johannes Tauler 598, 625 sq., 700 Johannes Teutonicus 491, 492 Johannes V. Palaiologos 355-357 Johannes VI. Kantakuzenos 355-357 Johannes VIII. papa 269 Johannes Versor 560 Johannes XI. Bekkos 363 Johannes XIV. Kalekas 355 Johannes XXI. papa (Petrus Hispanus) 363 Johannes XXII. papa ( Jacques Arnaud Due`ze) 349-352, 359, 372 sq., 436-439, 447-450, 453 sq., 589, 631

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Johannes XXIII. papa (Baldassare Cossa) 631 sq. Johnson, S. 747 sq. Jolivet, R. 80, 313 Jolles, A. 692, 707 Jolley, N. 575 Jo´na´csik, L. 715 Jones, C. 449, 453 Jones, Ch. W. 271 Jones, M. H. 711 Jörgensen, N. 736, 739 Jouanna, J. 150 Jovilet, J. 289 Jurieu, Pierre 565, 579 Juvencus, Gaius Vettius Aquilinus 644 Kain 545 Kaiser, G. 729 Kalb, A. 206, 220, 223, 347 Kaluza, Z. 39, 337 Kann, C. XVI Kant, Immanuel 220, 579, 772 Kapriev, G. 351, 359 sq., 363, 798 Karsthans 735-741 Kasten, I. 618, 689 sq., 724 Kaufholf, M. 438, 453 Kaufman, D. H. 546 Kaufmann, T. 736, 738 Kaukua, J. 186 Kaup, M. 332 Kaup, S. 616 Kazhdan, A. 299 Keating, D. A. 749 Keats-Rohan, K. S. B. 264 Kedar, B.Z. 262, 297 sq., 300 Keel, O. 457 Kehati, P. 398 Keil, R.-D. 702 Kellermann, W. 693 Kelley, F. E. 44 Kelly, F. 336 Kenny, A. 792 Kern, H. 639, 666 sq. Kern, M. 714 Kernatzi, Johannes 353 Keßler, E. 802 Khordchide, M. 805 Kibre, P. 149, 387 Kies, D. 544 King, P. 3, 5-9, 213 Kleutgen, J. 583 Klima, G. 63, 228 Klimanek, W. 590 Klimaschewski-Bock, I. 126

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Namenregister

Kluge, F. 699 Kluxen, W. 788 Knaake, J. K. F. 461 Knape, J. 723-726 Knebel, S. K. 555-586 Kniewasser, M. 294-296 Knuuttila, S. 224, 546 Kobler, B. 468 Kobusch, T. 791 sq., 805 Koch, J. XXII sq., 327, 329 sq., 332 sq., 484, 806 sq. Koehler, T. 31 Köhler, E. 689 Köhler, J. 308 Köhler, T. W. 168, 182, 186 sq., 729 Kolbaba, T. M. 351 Koller, W. 423 sq. Kolmer, L. 301 König, R. 650 König-Pralong, C. 39, 326, 762, 778 Könneker, B. 722, 724 sq., 735 Konradin 423-425, 427 Korkman, P. 452 Korpiola, M. 489 Koselleck, R. 787, 790 Köster, H. 197 Kottmann, C. 711 Kragl, E. 705 Kraume, H. 612 Krause, V. 261 Krausmüller, D. 359 Krauß, H. 689 Kraye, J. 314 Kreon 416 Kretzmann, N. 184, 197, 749, 792 Kreuzer, G. 508 Kriechbaum, M. 453 Kristeller, P. O. 168, 727, 802 Kritzeck, J. 285, 289, 292 sq. Krop, H. A. 189 Krüger, E. 221 Krüger, L. 784 Krusch, B. 260 Kubusch, K. 789 Kuchenmüller, W. 416 Küchler, M. 457 Kühn, D. 648 Kühn, K. G. 151 Kuhn, T. 212, 783 Kühne, U. 212 Kuksewicz, Z. 336 Kullmann, D. 685 Kümmel, A. 726 Kundert, U. 133

Khunrath, Heinrich 381 Kunzmann, W. 435 Kurfess, A. 657 Kusch, H. 435 Küster, J. 723 Küsters, U. 723 Kuttner, S. 40, 547 Kytzler, B. 417, 418 La Corte, D. M. 544 Lacaita, G. F. 325 Lacarra, M. J. 315, 317 Lachaud, F. 42 Lachmann, K. 648 Lacroix, Claude 584 Lactantius, Lucius Caecilius Firmianus 418, 680 Laemers, J. W. J. 40 Lagarrigue, G. 270, 279 Lagerlud, H. XVII, 217 Lagerlud, Th. M. 217 Laird, J. 557 Laius, rex Thebanorum 686 Lamarque, H. 292 Lambert, M. D. 453 Lambertini, R. 338 sq., 453-455 Lambertus de Monte Domini 561 Lancelot 691, 705 Land, J. P. N. 559 Landau, P. 445, 480 Landucci, S. 335-337 Lang, A. 565 Lang, Johann 461 Langer, A. C. 130, 595, 743-755 Langermann, Y. T. 801 Langlois, E. 428 Lapdige, M. 261 Lapdige, M. 543 Largier, N. 591, 617 sq., 700 Lasker, D. J. 310 Lauer, G. 730 Laurentius Valla 790 Lauwers, M. 283 Lavaud, L. 40 Lavinia 687 Le Blanc, Louis 564 Le Ble´vec, D. 128 Le Goff, J. 804 Le Rond d’Alembert, Jean-Baptiste 743 Lea 481 sq., 489 sq. Leavis, F. R. 669 Leclercq, J. 227, 285, 441, 544 Ledsham, C. 230 Lehmann, P. 297, 305-307 Lehmann-Benz, A. 723

Namenregister Lehmann-Brauns, S. 760, 768, 771 Leibbrand, J. 727 Leibniz, Gottfried Wilhelm 569, 575 Leicht, R. 801 Leinz-von Dessauer, A. 389 Lejbowicz, M. 290 Lelli, E. XXI Lemarie´, J. 418 sq. Lenoir, R. 155 Lentini, A. 168 Leo II. imperator 352 Leo V. imperator 355, 358, 364 Leo X. papa (Giovanni de’ Medici) 392, 463, 467 Leone, P. L. M. 360 Leppin, V. 462, 464 Lepsius, S. 438 Lerner, R. E. 332 Lesser, B. 123 Lessing, Gotthold Ephraim 566 Levison, W. 260 sq. Lewis, C.T. 745 Lexer, M. 699, 702 Licentius de Thagaste 5 sq., 8 Lieberknecht, S. 127 Liebermann, S. 295 Liebert, E. 748 Limbeck, S. 424 Lindsay, W. M. 416, 680 List, G. 509 Little, A.G. 130 Liudgerus Monasteriensis 260, 274 Liutbertus, archiepiscopus Moguntinus 645 Liutprandus Cremonensis 269 Liztinger, C. I. 241 Lochmair, Michael 507, 521 Locke, John 575, 583, 585 Lockley, P. 544 Lockwood, D. P. 153 Löfstedt, B. 275, 507 Lohr, Ch. 314, 318, 586 Lombardus, Marcus 678 Lommatzsch, E. 681, 682 Lomnitzer, H. 731 Longo, M. 760, 762 sq., 772 Lorand, R. 745 Loredano, Polo 557 Löser, F. 519, 589-602 Lotman, J. 702 Lotter, F. 389 Lotter, Melchior 66 Lottin, O. XXIII, 40, 543, 548, 550 Louis, R. 289 Lourdaux, W. 297, 423, 431

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Lucas de Tuy 298 Luchitskaja, S. 302 Lucifer Calaritanus 418 Lucius III. papa (Ubaldo Allucingoli) 308 Lucrecius, Titus Carus 416 Ludlow, P. 213 Ludovicus II. rex Gallorum 271 Ludovicus IV. (Bavaricus) imperator Sacri Romani Imperii 436-438, 449 Ludovicus IX. rex Gallorum 325, 392, 426 Ludovicus XII. rex Gallorum 392 Luhmann, N. 719 Lucas, apostolus 534, 644, 657, 662 Lukas, W. 702 Luna, C. 225, 228, 231, 243, 326, 347 Luther, Martin 44, 52, 101, 393, 457-473, 507, 513, 736, 738-740, 768 Lutz-Bachmann, M. 313 Lychetus, Franciscus 567, 581 Lyel, Thomas 391 Lynch (Lynceus), Richard 580 Maak, H.-G. 733 MacClintock, S. 341 Mace´, C. 343 Mach, E. 212 Madec, G. 267, 546 Madero, M. 478 sq., 484, 487, 495 Magdelaine, C. 150 Mager, I. 771 Magnard, P. 314 Mahoney, E. P. 466 Maier, A. 88, 236, 570, 577 Maier, H. 556 Maimonides, Moses 243, 326 sq., 402 Maior, Johannes 460 sq., 464, 469 sq., 473, 563, 565 sq., 567, 571 sq., 577, 581 sq. Mäkinen, V. 452-454 Malcolm, N. 179-181 Malderus, Johannes 563, 567 Malebranche, Nicolas 579 Malev, H. 766 Maloney, Th. S. 95, 97 Mamiani, Luigi Vincenzo 568, 572, 584 Mandonnet, R. P. 33, 209, 242 Mandrella, I. 791 Manekin, C. H. 801 Manfredus rex Siciliae 423, 425 Manger, K. 723 Mango, C. A. 299 Manitius, M. 297, 301, 305-307 Mann, W. E. 197 Manschreck, L. 467 Manuel II. Palaiologos 357

862

Namenregister

Mar Samuel bar Abba 398 Mar Zutra 406 Marcel, R. 380 March y Batlles, J. M. 319 Marcil, G. 336 Marcobius Ambrosius Theodosius 642 Marcolino, V. 192, 193 Marcus, apostolus 279 Mare´, P. 567 Marenbon, J. 218, 317, 339 Maria 264, 285, 287, 310, 321, 346, 378 sq., 591, 634 Maria de Francia 691 Marı´n, Juan 575, 579 Marinus, episcopus Arelatensis 654 Marion, J.-L. 545 Marke 689 sq. Marcus Antonius XIV Marcus, apostolus 657, 660-662 Marcus Toletanus 323 Marongon, P. 436 Marrier, M. 284 Marrone, S. P. 24 Marsden, R. 443 Marsilie 684 sq. Marsilio Ficino 380, 383, 387, 802 Marsilius de Padua 435-456 Marte`ne, E. 283 sq., 304 Martinus IV. papa (Simon de Brion) 428 Martin, D. D. 521 Martin, J. 416 Martin, R. 784 Martin, R. J. 312 Martinaus Capella 165, 171 Martı´nez Ga´zquez, J. 292 Martinez, M. 642 Martinon, Jean 579 Martinus Bracarensis 728 Martinus Polonus 449 sq. Mascarell, Vincente 567, 572, 577, 584 sq. Maskell, W. 514-517 Massa,E. 100 Massey, G. J. 213 Mastri, Bartolomeo 568, 571, 573, 582 Matter, E. A. 444, 547 Mattes, M. 471, 473 Matthaeus, apostolus 268, 271, 279, 297 sq., 418-420, 529 sq., 533 sq., 645, 657 sq., 725 Matthaeus ab Aquasparta 39, 97, 563 Matthen, M. 183 Matthews, G. B. 3, 546 Maurach, G. 158 Maurer, A. 334-337 Maurie`ge, M. 325

Mauro, Silvestro 562, 566, 568, 582 Maurus Salernitatus 151 Mauthner, F. 347 Maximilianus I. imperator Sacri Romani Imperii 391 Maximilianus I. Josephus rex Bavariae 325 Mayer, C. 805 Mazal, O. 299 Mazour-Matusevich, Y. 612 McClusky, C. 545 McEvoy, J. 22 McFarland, T. 704, 711 McGinn, B. 543 sq., 549 sq., 628 McGuire, B. P. 473, 544, 612, 628 sq. McKenna, S. 3, 5, 10-15 McTaggart, J. 753 McVaugh, M. R. 128, 131, 150, 156, 158, 160 Meier, C. 639 Meier-Oeser, S. 719-721 Meinhardt, H. 798 Meirinhos, J. F. 189, 336 Melanchthon, Philipp 457, 462, 467-471 Meliado`, M. 759-782, 790 Me´nard, J. 289 Me´nard, P. 696 Mensching, G. 95 sq., 98, 100, 102, 260 Merchavia, Ch. 296 Mercoro, Giulio 577 Mertens, V. 704 sq. Mesler, K. 69 Methodius, Ps. 319 Meuffels, O. 362 Mews, C. J. 545 Meyendorff, J. 358 Meyer, A. 606 Meyer, H. B. 512 Meyer, M. 704 Meyer-Landrut, E. 677 Mezger, W. 722 sq., 727 Michael I. Rhangabes 300 Michael Scotus 70 Michael VIII. Dukas Komnenos Palaiologos 362 sq. Michael de Cesena 456 Michae¨lis, S. 230 Michalski, K. 78 Micheau, F. 123, 125 Michel, O. 457 Michel, P. 700 Micheli, G. 761 Michon, C. 189 Midas 727 Mielziner, M. 401 Mierau, H. J. 796

Namenregister Mieth, D. 598 Miethke, J. 301, 315, 317, 435 sq., 438 sq., 445, 447, 450, 454 Milis, L. 509 Mill, J. S. 746 Milla´s Vallicrosa, J. M. 317 Millet, O 460 Millet-Ge´rard, D. 302 sq. Milton, John 743, 745, 747-749, 751-755 Miner, D. 382 Minerva 173-175 Minucius Felix 417, 418 Mirandola, Antonio Bernardi della 562 sq., 583 Mittelstrass, J. 802 Moeller, B. 461, 771 Möhle, H. 788, 791 Mojsisch, B. 714 Molie`re 585 Mölk, U. 684 sq., 694 Molland, G. 26 Mollat du Jourdin, M. 362 Momigliano, A. 744 Mommsen, T. E. 790 Monat, P. 261 Moncho, J. R. 168 Monfrin, J. 293 Monneret de Villard, U. 311 Monnot, G. 296 Moore, R. I 424 Morel, P.-M. 227 Moreno-Rian˜o, G. 435 sq., 438, 451, 453 Morhof, Daniel Georg 326, 761 Morin, G. 675 Morris, M. 156 Moser, D. 722 sq. Moses 291, 295, 317, 325 sq., 332, 345, 381383, 386, 389, 409, 451, 458 Moule, G. 530 Moulinier-Brogi, L. 128, 160 Mountain, W.J. 3, 5, 10, 224, 228, 549 Moya, Mateo 573 Muckle, J. T. 333 Mudry, Ph. 153 Muhø ammad 262 sq., 282, 284, 286-303, 310312, 317-322, 324, 326, 332, 335, 340, 342 sq., 346 Mühlpfordt, G. 763 Mula, S. 696 Müller, C. 805 Müller, D. 362 Müller, J. 30, 544 sq., 547-550, 553 Müller, J.-D. 700, 729, 733 Muller, R. 460 Müller, W. 478

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Müllerburg, M. 316 Müller-Schauenburg, B. 360 Mundinus Lucius (Mondino de’ Liuzzi) 131, 133 Muniesa, Tomas 571, 577 Münkel, D. 729 Mun˜oz Sendino, J. 299 Murdoch, D. 7 Murner, Thomas 735-740 Murphy, C. E. 536 Musco, A. 313 Musil, R. 733 Mutzenbecher, A. 418, 419 Mynors, R. A. B. 297 Nagasawa, Y. 213 Nagy, M. 715 Nagy, P. 554 Nance, B. K. 125 Nannucci, V. 679 Nardi, B. 328, 332 sq., 342, 344 Narr, Claus 722 Navarrete, U. 494, 496 sq. Neddermeyer, U. 790 Nederman, C. J. 435, 438, 451, 453, 455 Neidhart von Reuental 722, 729-734, 741 Nellmann, E. 648 Nelson, B. 585 Nemesius Emesenus 167-171, 175-177 Nempaei, H. 226, 244, 335 Nerses Balientz 350, 352 sq., 358, 361, 365367, 369 sq., 372-374 Nestorius, episcopus Constantinopolitanus 369 Neukirchen, T. 735, 738 sq. Neumeister, S. 760 Neumeyer, M. 722 Newhauser, R. G. 553 Newman, J. H. 565 Newton, F. 125 Newton, Isaac 83 Neyrand, L. 417 Nicetas Nicomediensis 269 Niccolo` d’Este 153 Nicol, D.M. 355 Nicolas Donin 296 Nicolas, E´. 296 Nicolaus, diaconus 296, 297 Nicolaus Ambianensis 282, 311-318 Nicolaus Cusanus 378, 612, 720, 802, 809 Nicolaus de Amsterdam 67 Nicolaus Eymericus 330-332 Nicolaus III. papa (Giovanni Gaetano Orsini) 453 Nicolaus IV. papa (Girolamo Masci d’Ascoli) 428, 430

864

Namenregister

Nicolaus Kempf 521 Nicolaus Salernitanus 131 Nicolaus Tignosius 561 Nidditch, P. H. 575 Niederberger, A. 313 sq., 318 Niemeyer, G. 276 Nietzsche, Friedrich 545 Niewöhner, F. 67, 326 Nikephoros Gregoras 351, 360 Nikephoros, imperator 300 Nitschke, A. 423 sq. Nolan, E. 101 Nolan, S. 353, 374 Nold, P. 453 sq. Noone, T. 336 Nordenfalk, C. 660 sq. Nothdurft, K.-D. 545 Novikoff, A. J. 281, 316 Nuchelmans, G. 78, 180, 579 Nutton, V. 153 O’Boyle, C. 151 O’Donovan, D. 544, 550 Oakley, F. 464 Oberascher, Maurus 569 Oberman, H. A. 52, 512 Odetto, E. 538 Oedipus 686, 694 Oehler, F. 270 Oelze, A. 179-194 Oexle, O. G. 438 Ohly, F. 616 Ohola 458 Oholiba 458 Olivieri, L. 129 Olivier-Martin, F. 428 Olszewski, M. XVI Optatianus Porphyrius 652 sq., 655 sq., 658 Origenes 382, 384, 546 Orlandi, G. 317, 339 Orr, M. 217 Ortmann, C. 730 Otfrid von Weißenburg 644-647 Ott, K. A. 694 Otten, W. 554 Otto von Freising 262, 265, 274, 297 Otto, A. 336 Ottosson, P. G. 149 Ovidius 416 Owen, S. G. 416 Ozment, S. E. 627 Paavilainen, H. 125 Paban, C. 563

Pacheco, M. C. 189 Pachtler, G. M. 581 Padoan, G. 678 Pagel, J. L. 155 Pahlsmeier, M. 313 sq., 318 Palanco, Francisco 565, 569, 577, 581, 585 Palazzo, A. 86, 89 Pallavicino, Sforza 562, 569, 583 Palmieri, N. 149 Panti, C. 72, 75 Pantio (Banzo), abbas coenobii S. Andreae Apostoli 662 Paolini, L. 417, 423, 431 sq. Pape, W. 682 Paravicini Bagliani, A. 129, 149 sq., 159, 199, 260 Parisoli, L. 545 Parzival 647 sq., 689, 692-695, 701, 705 Paschalis II. papa (Raniero di Bieda) 449 Paschasius Radbertus 296-298 Pasini, G. 362 Pasnau, R. 184, 792 Passerinus Bonacolsa 123 Pastor, M. M. 288 Patar, B. 71, 339 Patschovsky, A. 798 Patte, D. 401 Pattin, A. 328 Paul, H. 703 Paulus, apostolus 217, 221, 265 sq., 275, 378, 382 sq., 463, 469, 472 sq., 489, 529, 601, 603, 629, 632, 678, 798 Paulus, episcopus Smyrnensis 356 sq. Paulus Albarus 302 Paulus Diaconus 261 Paulus Meietus 132 Paulus Scriptor 567 Paulus Soncinas 567 Paulus Venetus 561 Paulus Wann 521 Paulus, B. 298 Pearson, J. H. 310 Pe`gus, Th. 563 Peltier, A. C. 204 Pen˜a, Francisco 330 sq. Pen˜afiel, Ildefonso 579, 581 Pen˜afiel, Leonardo 571 Pennington, K. 478 Penth, S. 708 Perarnau i Espelt, J. 331 Peratoni, P. 28 Perez, Antonio 559, 583 Perez, Domingo 569 Pe´rez Gonza´lez, M. 298, 317 Pe´rez Goyena, A. 580

Namenregister Perez, Sebastia´n 561 Perkams, M. 241, 544 sq., 550, 785 Perler, D. XVII, 39, 44, 46, 137, 179, 180, 183, 189, 192, 197-215, 217, 222, 228, 732 sq. Perrone Compagni, V. 344 sq. Pertz, G. H. 261, 421 Pesenti, T. 134, 152, 155 Peters, U. 730 Peterse, J. M. 388 Petersen, A. 744 Petersen, D. 708 Petitdidier, Mathieu 573 Petrarca, Francesco 155, 325, 349, 360, 724, 789, 790, 792 Petrus, apostolus 371, 417, 426, 436, 441, 446 sq., 451, 463, 469, 473, 553 sq., 632 Petrus Abaelardus 40 sq., 289, 293, 301, 317, 339, 471, 545, 771, 777 Petrus Abanus Patavinus 87, 128 sq., 670 Petrus Alfonsi 286, 292, 294-296, 311, 315, 317, 319, 42 Petrus Aureoli 45 sq., 51 Petrus Blesensis 282, 304 sq., 308 sq. Petrus Damiani 266, 270, 272, 275 Petrus de Alliaco 462, 473, 561, 564, 567, 570 sq. Petrus (de Gerticz) de Dresden 66 Petrus Fornerii 436 Petrus Hispanus, Ps. 187 Petrus III. rex Aragonum 423 sq., 428, 432 Petrus Johannis Olivi 97, 224, 355, 454, 789 Petrus Lombardus 42, 101, 198 sq., 222, 229, 243, 260, 276, 315, 331, 459, 473, 477, 483486, 489, 492, 494, 500-504, 507, 580, 720, 777 Petrus de Palude 566 Petrus Pictavensis 283, 291 Petrus Tataretus 565, 567 Petrus van Mastricht 575 Petrus Venerabilis 262-264, 267, 283-307, 309, 311, 316-319 Petzold, M. 480 Peyligk, Johannes 66 Pez, Bernhard 311 Pfefferkorn, Johannes 388-391 Pfeiffer, F. 592 sq., 595 sq. Pfeiffer-Belli, W. 737 Phaedon Elidensis 58 Philippus I. rex Austria 347, 437 sq., 449 Philippus II. rex Gallorum 386 Philippus IV. rex Gallorum 437 sq., 449 Philippus VI. rex Gallorum 362 Philo Alexandrinus 63, 380 Piaia, G. 326, 455, 760-762, 772, 777

865

Piazza, M. 669 Picchio Simonelli, M. 679 Piccolomini, Francesco 581 Piche´, D. 71, 335, 472, 789 Pichon Merinero, Francisco 568 Pickave´, M. XVI, 807 Pico della Mirandola, Giovanni 380-389, 394, 571, 582 sq., 585, 802 Pietro Alighieri 679 Pigeaud, J. 153 Pinborg, J. 792 Pincin, C. 455 Pine, M.L. 68, 344 sq. Pines, S. 326 Pini, G. 218, 222, 228, 243 sq. Pirotta, A. 32, 183 sq. Pisa, Francisco 559 Pitcher, G. 745 Pitte, J.-R. 460 Pizzamiglio, P. 125 Plathow, M. 243 Plato 4, 5, 9, 11, 29, 35, 58, 60-62, 87, 165 sq., 173, 220, 222, 228, 344, 481, 546, 733, 770, 777 Plautus, Titus Maccius 416 Plinius Secundus 650, 651 Plotinus 656 Plotke, S. 621 Pluta, O. 55-68, 78 Podskalsky, G. 356, 359 Polara, I. 655 Politianus, Angelus 380 Polizzi, Giuseppe 565 Pollmann, K. 554 Polo, Antonio 557 Polyneikes 686 Poma, R. 135, 149 Pommerening, T. 126 Pomponazzi, Pietro 55, 67 sq., 328, 344 sq. Poncius, Johannes 568 Ponnou-Delaffon, A.-M. 545 Popper, K. 783 Porphyrius 286, 332 Porro, P. 223, 238 Possevinus, Antonius 330 Potesta`, L. 325 Pouillon, H. XXIII Powitz, G. 509 Pozzi, G. 656 Pranger, M. B. 544, 554 Praz, M. 656 Prevenier, W. 498 Previte´, Orton, C. W. 435 Priggiobba, V. 326

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Namenregister

Prou, M. 428 Prudentius 644 Prudentius Trecensis 279 Pseftongas, V. 360 Ptolemaeus, Claudius 86 sq. Puletti, G. 445 Purcell, N. 796 Pythagoras 334 sq., 337 Qualle, Matthias 66 Quarthal, F. 606 Quiles, I. 761 Quillet, J. 338, 340, 455 Quint, J. 589 sq., 595, 601 Quinto, R. 761 Rab Aqiba ben Josef 404-406 Rab Asi 402 Rab Dimi von Nehardea 398 Rab Eleazar ben Schammua 399 Rab Elieser ben Hyrkanos 401, 408 sq. Rab Hamnuna 404 sq. Rab Hillel 410 sq. Rab Hona 400 Rab Ilea 405 Rab Jehoschua ben Chananja 400 Rab Jehuda ha-Nasi 397, 410 sq. Rab Jonatan 400 Rab Jose ben Chalafta 407 Rab Josef 401, 403, 406 Rab Me’ir Ba’al HaNes 403 Rab Nachman bar Isaak 405 Rab Nachman bar Jakob 402, 406, 408 Rab Papa bar Chanan 403 Rab Schammai 410 sq. Rab Scheschet 402-405 Rab Simeon ben Jochai 399 Rab Tarfon 403-406 Raba (bar Josef bar Chama) 399, 405, 408 sq. Radeva, Z. 775 Radulfus Glaber 300 Ragotzky, H. 730, 734 Rahel 482 Raimundus Lullus 281, 297, 317 sq., 325, 801 Raimundus Martini 319 sq., 323 Ramus, Petrus 768 Ranawake, S. 704, 711 Randi, E. 48 Ranff, V. 720 Rank, O. 685 sq. Rashed, R. 545 Raßler, Christoph 577 Raimundus de Pennaforti 488, 495, 502 Raynaud de Lage, G. 305, 308, 686

Reason, J. 747 Reed Doob, P. 639 Rees, G. 25 Reginbald von Mainz 273 Reichenbach, Johann Adolph 663 Reijnders, H. F. 296 Reina, M. E. 189 Reindel, K. 266, 270, 275 Renan, E. 326, 762 Renaud, F. 4 Rendall, S. F. 528 Renner, N. 702 Rescher, N. 212 Reuchlin, Johannes 381, 388-394, 739 Reusch, F. H. 573 Revell, E. 305 Reventlow, H. G. 771 Rey, A. 682 Reynolds, L. D. 545 Reynolds, Ph. 480 Rhein, S. 389 Ribaillier, J. 42 sq., 484, 490 Bartolomeo Riccio 584 Ribas, Jose´ de 570 Riccoldo da Monte di Croce 318 Richard, J. 303, 350, 358 Richardus Anglicanus 351 Richardus de Mediavilla 222, 484-486, 490 sq., 493, 499-502, 575 Richardus FitzRalph 352-354, 370, 372-375 Richardus Rufus Cornubiensis 95 Richter, D. K 351 Ricke, G. 797 Rickelt, L. 360 Ricklin, T. 545, 776 Riedl, J. O. XXIII, 327, 332 Rienecker, F. 682 Rigon, A. 670 Rimpau, L. 687 Riondato, E. 129 Rı´os, Eusebio Garcı´a de los 569, 571, 582 Ripalda, Juan de 566, 571 Rippmann, D. 729 Rischer, C. 730 Ritter, J. 579, 793 Ritter, Michael 664 sq. Rive, Francœ ois de 284 Roach, W. 692 Robb, J. H. 56, 57 Roberg, B. 362 Robert, A. 131, 140 Robertus Castrensis 285, 291 sq., 294 sq., 323 Robertus de Sorbonio 460

Namenregister Robertus Grosseteste 20, 22-24, 26, 31 sq., 36, 70, 87 Robertus Holcot 40, 48-50, 52, 333, 566, 575, 580, 582, 584 Robertus I. rex Neapolis 362 Robertus Melodunensis 545 Robin, Ph. 261 Robles Sierra, A. 320 Rochais, H. 227 Röcke, W. 734 Rodenberg, C. 421 sq., 427 Rodolfi, A. 86 Rodulphus de Bibraco 700 Roger, F. 131 Rogerus Bacon 20, 22, 24-26, 31 sq., 36, 7277, 79-81, 95-103, 130, 336 Rohlfs, G. 683 Rohls, J. 362 Röhricht, R. 297 Roland 681, 684-686, 694 Rolandus Bononiensis 42 Roling, B. 186, 226, 311, 316, 761 Rommevaux, S. 75 Ronca, I. 166, 227 Röpell, R. 421 Roques, R. 293, 688, 691 Rösch, G. M. 648 Rosemann, Ph. 459 Rosenbaum, E. 460 Rosier-Catach, I. 198 sq., 206, 228 Rossi, P. 22-24 Rossi, V. 790 Roßmann, H. 612 Roth, C. 627-635 Rotter, E. 295, 298, 300 Röttger, K. 639 Rouillius, G. 159 Rousseau, Jean Jacques 566 Rousseau, O. 542 Roussel, H. 305 sq., 308, 313 Rousset, J. 306 Roux, S. 213 Rowan, J. P. 241, 249 Ruberg, U. 639 Rubino, E. 83-93 Rudavsky, T. 213 Rudolfus Cluniacensis 283 sq. Rufinus de Aquileja 305 Ruh, K. 705-707, 712 sq., 734 Ruiz De Montoya, Diego 578 Rupe´, H. 640 Rupertus Tuitiensis 262, 675 Rüssel, H. W. 382 sq. Russel, J. B. 284

Ruvio, Antonio 565 sq., 568, 579 Ryan, W. G. 554 Rydstrøm-Poulsen, A. 544 Rypson, P. 650 Saba Malaspina 423-425, 431 sq. Sabra, A. I. 126 Sachs, H. 734 Sahaydachny Bocarius, A. 480 Salisbury, N. 351 Sallustius 103 Salmon, F. 156 Salomon, rex 273 Saltarelli, M. 417 Salvianus de Massilia 270, 279 Samson 743, 747-749, 751-755 Sanche´z, Thomas 497 Sancius, notarius 662 Sanz, Manuel 583 Santiago-Otero, H. 343 Santinello, G. 760-762, 771 sq. Santorio, Santorio 149 Sappler, P. 724 Sassenscheidt, Ch. 285 Satan 222, 303, 419 sq., 605, 608 Savonarola, Girolamo 387 sq. Scarlatti, Giovanni 370 Schabel, C. 353, 362 Schachter, J. 405 Schäfer, C. 785 Schalick, W. O. 131 Schaller, M. H. 425 Schanze, F. 724 Scharfenstein, Philipp Cratz von 664 Schausten, M. 595, 699-717 Scheeben, M. J. 563, 583 Scheffel, M. 642 Scheidgen, H.-J. 806 Schenkl, C. 417 Schermeier, M. J. 478, 487, 497 Scheurl, Christoph 463 Schiewer, H.-J. 704 Schilling, Johannes 468 Schilling, M. 664 Schillinger, J. 722, 725 Schimmelpfennig, B. 362 Schindler, A. 183 Schlangen-Schöningen, H. 436 Schlechtweg-Jahn, R. 700 Schloessinger, M. 801 Schlotheuber, E. 716 Schmeidler, B. 261 Schmelling, M. 639 Schmid, Johann 581

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Namenregister

Schmidt, P. G. 424 Schmidt-Biggermann, W. 67, 377-394, 759, 762, 768, 774 sq. Schmieder, F. 311 Schmieja, H. 327, 328 Schmitt, F. S. 169, 549 Schmitt, P. 593 Schmitz, R. 127 Schmitz-Emans, M. 639 Schmugge, L. 338, 342 Schmutz, J. 246 Schneider, C. 705 Schneider, K. 613 Schneider, M. 702 Schneider, U. J. 774 Schneiders, W. 759, 763 Schneidmüller, B. 295 Schoeps, J. H. 389 Scholl, C. 360 Scholz, L. 726 Scholz, R. 221 sq., 229, 435 sq., 444 Schöneberg, Georg von 664 Schöning, U. 595, 681-697 Schönmetzer, A. 555 Schreckenberg, H. 295, 308, 310 Schreiner, K. 790 Schubert, A. 463 Schulthess, P. 697 Schulz, A. 700, 704 Schulz, C. B. 658 Schumacher, E. 726 Schumacher, M. XIV Schumacher, T. 708 Schüßler, R. 565, 568, 570, 577 Schuster, J. G. 416 Schwarz, B. 719, 721, 729 Schweighäuser, J. 558 Schweikle, G. 729, 732 sq. Schwemmer, O. 802 Schwinges, R. Ch. 287 Searby, D. M. 356 Searle, J. R. 192 sq., 746 Seebold, E. 699 Segall, H. 454 sq. Segre, C. 685 Selby-Bigge, L.A. 557 Selent, C. 165-177 Seneca, Lucius Annaeus 529, 545-547, 552, 555, 726 Senner, W. 30 sq. Sergius Bahø ¯ıra¯ 286 Serra, Marco 569 Sˇevcˇenko, I. 299 Sextus Empiricus 63

Shakespeare, William 669 Shawcross, J. 747 Shields, A. L. 341 Shogimen, T. 44, 530 sq. Short, A. 126 Short, C. 745 Sickingen, Franz von 392 sq. Siebach, J. 4 Siedler, D. 31 Sigebertus Gemblacensis 300, 312 Sigerus de Brabantia 333, 335-337, 343, 789 Sigismundus de Polcastris 128, 134, 145 Silber, Eucharius 385 Silvester I. papa 447, 705, 713 Simias Rhodius 648 sq., 656 Simon Magnus 297 Simon Tornacensis 325 sq. Simonetti, M. 548, 550, 553 Simplicius 557 sq., 562, 575 Singer, I. 801 Singer, P. 9 Sinkewicz, R. E. 351, 359 sq. Siraisi, N. G. 128, 133, 149, 152 Sixtus IV. papa (Francesco della Rovere) 389 Slevogt, Paul 578 sq. Slotemaker, J. 461, 469 Smalley, B. 443 Smiraglia, P. 545 Smith, L. 304, 547 Snoek, G. J. C. 523, 526 Socrates 3-6, 8-10, 12, 15-17, 60-62, 72, 78, 543 sq., 625, 767 sq. Sohier, A. 583 Sohm, R. 445 Sole`re, J.-L. 305, 310, 313 Sommar, M. E. 478 Sommerfeldt, G. 528, 543 sq. Sophocles 415 sq. Sorabji, R. 63, 185 Soto, Domingo de 564 sq., 571 Sotvellus, Nathanael 573 Soubiran, J. 292 Southern, R. 24, 304 sq. Sparn, W. 771 Speer, A. XIII-XXIV, 19, 31, 40, 173, 218, 234, 282, 290, 292, 301, 308, 326, 335, 356, 360, 450, 484, 581, 783-809 Spehr, C. 458 sq., 461, 464 Sperlette, Jean 580 Spiazzi, R. M. 32, 220, 335, 785 Spiers, K. E. 453 sq. Spies, C. 662 Spinoza, Baruch de 332 Spoerhase, C. 565

Namenregister Squire, M. 652 Staab, F. 298 Stackmann, K. 739 Stadler, H. 56 sq., 185, 186 Stammen, T. 762, 768 Stanley, Thomas 761, 763 Staupitz, Johannes von 463 Steadman, J. 747 Steel, C. 40, 87, 232 sq., 325, 609 Steele, R. 73, 75 sq. Steer, G. 590, 601 Stegmüller, W. 83 sq. Stein, A. 682 Steinkrüger, Ph. 301, 798 Steinschneider, M. 801 Stemberger, G. 397 sq., 401 Stendhal (Marie-Henri Beyle) 696 Stephan, A. 622 Stephanus I. rex Hungariae 260 Stephanus Tornacensis 495 Stephanus de Antiochia 123, 124 Stierle, K. 697 Stoljar, D. 213 Stoohoff, R. 7 Störmer, W. 704 Störmer-Caysa, U. 610 Stotz, P. 507 Strachey, J. 746 Stratenwerth, G. 721 Stratmann M. 273 Strecker, K. 261 Streiff, S. 471, 473 Streijger, M. 57, 59, 78 Strika, Z. 362 Striverler, P. 49 Strohschneider, P. 618, 700 Stroick, C. 56 sq., 337, 560 Struggl, Marcus Maria 582 Stuart, F. 557 Stump, E. 197, 210, 536, 749, 791 Sturlese, L. 86, 590, 601 Suard, F. 305 sq., 308, 313 Sua´rez, Franciscus 40, 203, 205 sq., 208-210, 213 sq., 563, 566, 568 sq., 576, 578, 582 Suarez-Nani, T. 222, 226 Suchomski, J. 726 Sudoris, Johannes 353 Sugerus S. Dionysii 798 Swanson, R. N. 478 Sweeney, E. C. 19-37, 547 Sweetman, J. W. 293 Sygerius Lucanus 546 Sylvius, Franciscus 568 Syros, V. 455

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Tachau, K. 45, 48 sq., 189, 223 Thaddeus Alderotti 128, 133, 151-156 Tamer, G. 67 Tangl, M. 262, 274 Tanner, N. P. 68 Tannery, P. 217 Tarrant, H. 4 Tarrant, J. 437 Taˇutu, A. L. 350, 355, 357 Taylor, J. 21 Taylor, R. 125 Taylor, R. C. 58 Tebruck, S. 422 Tiresias 416 Teleanu, C. 325 Tellkamp, J. A. 169, 183 sq., 186 Tempier, Stephanus 71, 231, 335-337, 345, 472, 789 Theophilus Cremonensis 556 Terill, Anthony 565, 569, 582 Teske, R. J. 27, 55 Thali, J. 616, 625 Thaner, F. 271, 478, 484, 487 sq., 494 sq., 497, 500, 502 Thayer, A. T. 517-519 Theisen, J. 708 sq., 726 Themistius 22, 558 sq., 570, 575 Theng, A. A. K. 441 Theodorus Samius 650 Theodos 404 Theophanes Homologetes (Confessor) 286, 298-300 Theseus 651 Thiemo Salisburgiensis 297 Thietmar von Merseburg 261 Thijssen, J. M. M. H. 67 Thomas de Aquino XIII, XVIII sq., XXII, 19, 29, 32-34, 36, 40, 43 sq., 56 sq., 86, 96 sq., 169, 183-185, 187 sq., 193, 199-210, 218 sq., 222-224, 226, 228 sq., 232-234, 236-244, 246, 248, 249, 252-255, 293, 307, 318, 321-323, 331, 335, 339 sq., 356, 359, 384, 436, 450, 452 sq., 466, 484-486, 488502, 504 sq., 530 sq., 536-539, 543, 545, 547, 555, 559 sq., 562-564, 566 sq., 570 sq., 575, 578, 590-592, 609, 618, 673, 714, 720-722, 728 sq., 732, 748-751, 753, 754, 785, 791, 805-807, 809 Thomas de Aquino, Ps. 331 Thomas de Argentina 567, 578 Thomas de Garbo 132 Thomas le Mye´sier 325 Thomas de Cantiprato 185

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Namenregister

Thomasius, Christian 759, 760, 762 sq., 767 sq., 770 sq., 781 Thomasius, Jacob 771 sq. Thomson, M. 298 Thorau, P. 708 Thorndike, L. 670, 672 Thoros Mikailencœ 364 Thorpe, J. 747 Thouzellier, Ch. 306, 309 Throndike, L. 26 Thuasne, L. 383 sq., 387 Thumfart, A. 381 Thunrer, M. 606, 616 Tiemann, I. 661 Tierney, B. 221, 452 Timotheus 420 Tischler, M. M. 281-324, 326 Titzmann, M. 702, 729 Tobler, A. 681 sq. Tolan, J. V. 282, 284, 292, 294 sq. Toledo, Fancisco de 557 Töpfer, B. 453 Torrell, J.-P. 246, 288, 291, 302 sq. Torri, A. 678 Torricelli, Evangelista 83 Touber, J. 230 Touwaide, A. 123 Trap, A. D. 192 sq. Traub, F. 473 Treusch, U. 612, 615 Tribbechow, Adam 761, 769, 771, 776, 778 Trifogli, C. 76 Tristan 681, 689-691, 701 Trottmann, Chr. 310, 544 sq., 547 sq., 550, 552 sq. Trout, J. M. 308 sq. Trusen, W. 389, 391-393 Trygetius 8 Tuominen, M. 224 Turley, T. 354, 436 Turnus 687 Turpinus Remensis, Ps. 685 Tweedale, M. 47 Tzivi Langermann, Y. 126 Ubl, K. 439, 453 Uekötter, F. 729 Ulbrich, C. 716 Ulrich, E. 424 Urbanus IV. papa ( Jacques Pantale´on) 56, 421, 426 Urbanus V. papa (Guillaume de Grimoard) 357 Urbanus VI. papa (Bartolomeo Prignano) 521 Urmson, J. O. 745

Valca´rcel Martı´nez, V. 317 Valcke, L. 381 Valencia, Gregorio de 568, 582 Valente, L. 198 Vallio, Paolo 568 Valuet, B. 44 Van Acker, L. 265 Van der Beeck, Maarten 578 Van der Lecq, R. 189 Van der Lugt, M. 222 Van Deusen, N. 354 Van Dyke, C. 792 Van Leeuwen, H. G. 575 Van Limborck, Philippus 578 Van Oppenraay, A. M. I. 233 Van Riel, G. 233, 250, 343 Van Riet, S. 72, 184 Van Rij, H. 265 Van Steenbergen, F. XXII sq., 343, 789 Vandenbroucke, F. 508 Vander Plaetse, R. 417 sq. Vanni Rovighi, S. 547, 548 Varga, L. 790 Vasoli, C. 306, 309 Va´zquez, Gabriel 566 Vecchio, S. 206 Vega, Andrea de 582 Veit, R. 125 sq. Vella, A. 342 Velserus, P. 653 Velten, H. 723 Velthuysen, Lambert 579 Ventura, I. 123-148, 150 sq., 550 Venuta, G. 544, 548 sq., 552 Verani, Cajetan Felix 582 Verbeke, G. 168, 548 Verger, J. 128, 460 Vergilius 416, 481, 642-644, 647, 658, 671, 687 Verhelst, D. 297, 423, 431 Vesconte, Pietro 796 Vetter, F. 625 sq. Vial, M. 628 Vicaire, M.-H. 296, 306, 310 Vierhaus, R. 764 Vignaux, P. 39, 459 Villanueva, Jose´ de 581 Vinx, L. 453 Viti, P. 387 Viva, Domenico 584 Vizkelety, A. 715 Vogl, H. 590 Vollhardt, F. 764 Vollmann-Profe, G. 645 Vollmer, P. 243

Namenregister Von Bernuth, R. 722 Von Bosau, Helmold 261 Von Buwinghausen und Walmerode, Dorothea Antonia 663 Von Grätz, Hardwin (Ortwin Gratius) 391 Von Günzburg, Johann Eberlin 739 Von Karben, Viktor 388 Von Kronberg, Johannes Schweikart 664 Von den Brincken, A.-D. 796 Von Döllinger, I. 573 Von Kaysersberg, G. 612 Von Stosch, K. 805 Von Trohe, Philipp 664 Von Wartburg, W. 682 Vones, L. 292 Vossenkuhl, W. 562 Vossius, Isaac 763 Voullie´, R. 797 Vuillemin-Diem, G. 87, 237, 327 sq. Wachinger, B. 724 Waddell, C. 554 Wagner, Albrecht 665, 667 Waitz, G. 261, 300 Wakefield, W. L. 306 Wakely, M. 25 Walahfridus Strabo 261, 274 Walahfridus Strabo, Ps. 268 Wallis, F. 149 sq. Wallraff, M. 658 Walsh, K. 352 sq., 358, 372 Walter, W. 622 Walther, H. 171 Walther, H. G. 422, 431 sq., 435-456 Ward, B. 304 Warnock, G. J. 745 Warnock, R. G. 604, 607 sq. Waszink, J. H. 165 Watrigant, H. 528 Wattenbach, W. 421 Weber, D. 647 Wee, C. 217 Wegener, L. 290, 292, 603-626, 797 Wehling, E. 433 Weigand, R. 480 Weigel, H. 453 Weiher, A. 641 Weijers, O. 133 Weiland, L. 449 Weill-Parot, N. 69-81 Weimar, P. 788 Weinandy, T. G. 749 Weinrich, H. 697 Weisheipl, J. A. 29

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Weiss Adamson, M. 709 Weiss, N. 464 Wels, H. 326 Wendelin, Marcus Friedrich 569 Wenzel, H. 734 Werckmeister, J. 478-483 Werle, D. 565 Werner von S. Blasien 266 sq. Werner, D. 188 Werner, M. 422 Westra, H. J. 166 Wey, J. C. 44-47 Wezelin 265 White, G. 459, 471 sq. Wicki, N. 336 Wieland, G. 30, 788 Wielockx, R. 231 Wieneke, J. 459 Wießner, E. 731 Wild, M. 179 sq., 565 Wildberger, J. 546 Wilkins, D. 514 Wilks, M. 465 Will, C. 269 sq. Willems, R. 418 Williams, A. L. 295 Williams-Krapp, W. 606, 612 Willibaldus Moguntinensis 260 sq., 267, 272, 279 Willibrordus Traiectensis 261, 661 Willis, I. 642 Wilmans, R. 421 Wilson, G. A. 250 sq., 253 Wiltberg, Antonius von 664 Wimpfeling (Wimpheling), Jakob 382, 738 Wind, E. 382 Winovsky, R. 149 Winroth, A. 478, 483 Wirmer, D. 234, 356, 360, 785 sq., 795 Wirtz, M. 806 Wischermann, E. M. 298 Wisnowsky, R. 126 Withington, E. 130 Witt, J. 461, 469 Wittenweiler, Heinrich 722 Wittgenstein, L. 745, 746 Witthöft, C. 714 Wittich, Christoph 575, 579 Wittneben, E. M. 454 Wohlfeil, R. 739 Wojaczek, G. 649 Wolf, E. D. 351 Wolf, L. 494, 496 sq. Wolf, S. 9 Wolfram von Eschenbach 647 sq.

872 Wolfson, H. 327, 329 Wolfzettel, F. 647, 700 sq. Wood, D. 465 Wood, R. 30, 189 sq., 193, 336 Woodbridge, J. 771 Wundt, M. 759 Wuttke, D. 734 Yaffe, D. 749 sq. Yannopoulos, A. 299 Yarza Urquiola, V. 264 Yocum, J. P. 749 Yoeli-Tlalim, R. 88 Young, S. E. 131 Yovel, Y. 326 Yrjönsuuri, M. 213 Ysambert, Nicolas 571, 579 Zacharias, pater Johannis Baptistae 647 Zager, W. 468 Zahnd, U. 457-473, 775 Zalterius, Marcus Antonius 330 Zannetti, A. 218 Zavaterro, I. 39, 89

Namenregister Zech, K. 290 Zedelmaier, H. 766, 768 Zeeman, N. 46 Zellmann, U. 723 Zelzer, M. 417 Zeumer, K. 264 Ziegler, J. 88 Zilettum, F. 219 Zimara, Marc Antonio 338 Zimmermann, A. 19, 309, 328, 340, 343, 440, 543, 721, 803 Zimmermann, H. 353 Zimpel, D. 266 Zinn, G.A. 547 Ziolkowski, J. M. 544 Zoppinum, I. 228 Zumel, Francisco 580 sq. Zumkeller, A. 519, 604, 607 sq. Zupko, J. A. 58-62, 64 sq. Zur Mühlen, K.-H. 468 Zvolensky´, S. 478 sq., 483 sq., 487 sq., 494-497, 499 sq., 502 Zwingli, Huldrych 471 Zycha, J. 206, 225, 229, 274, 553